Die Verwandlung Jesu Christi: Historisch-kritische und patristische Studien 3161536959, 9783161536953

Die gegenwärtige orthodoxe Exegese ist noch immer fast ausschließlich von der Wiedergabe patristischer Bibelauslegungen

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Die Verwandlung Jesu Christi: Historisch-kritische und patristische Studien
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Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
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Die Verwandlung Jesu Christi: Historisch-kritische und patristische Studien
 3161536959, 9783161536953

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Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)

422

Cosmin Pricop

Die Verwandlung Jesu Christi Historisch-kritische und patristische Studien

Mohr Siebeck

Cosmin Pricop, geboren 1981; Studium der Orthodoxen und Ev. Theologie; 2007 MA; 2010 erste Promotion in Rumänien; 2014 zweite Promotion in Deutschland; seit 2011 Assistent im Fach Neues Testament an der Orth.-Theol. Fakultät der Universität Bukarest; seit 2014 Priester in der Bukarester Gemeinde Delea-Noua.

ISBN 978-3-16-153695-3 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliographie; detailed bibliographic data are available on the Internet at http://dnb.dnb.de.

© 2016 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de This book may not be reproduced, in whole or in part, in any form (beyond that permitted by copyright law) without the publisher’s written permission. This applies particularly to reproductions, translations, microfilms and storage and processing in electronic systems. The book was printed by Laupp & Göbel in Gomaringen on non-aging paper and bound by Buchbinderei Nädele in Nehren. Printed in Germany.

Roxana, Anastasia und Ioan

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Sommersemester 2014 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Diese Untersuchung bildet den bisher wichtigsten Teil meines akademischen Weges als rumänisch-orthodoxer Theologe. Erstmals kam ich im Oktober 2005 mit dem Segen des Erzbischofs der Unteren Donau S. E. Casian und aufgrund eines Privatstipendiums des württembergischen Altlandesbischofs Dr. Gerhard Maier nach Deutschland an die Eberhard Karls Universität Tübingen. Dr. Maier war mir von da an ein ständiger Unterstützer, ein notwendiger Gesprächspartner und ein enger Freund. In Tübingen ist dieser Weg von Prof. Dr. Otfried Hofius und Prof. h. c. Manfred Wagner nicht nur in wissenschaftlicher, sondern gleichermaßen in persönlicher Hinsicht geprägt worden. Dort begann die mühsame Arbeit des In-Dialog-Bringens meines orthodoxen Horizontes mit den Herausforderungen aktueller Bibelwissenschaft. Beeinflusst wurde der Weg in Tübingen auch von Jonathan Kühn, einem Kollegen und Bruder in Christus, der mir half, mich in die sprachlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten des deutschen Kontextes zu integrieren. Den jüngsten Beweis seiner Freundschaft erbrachte er in der Übernahme der entsagungsvollen Tätigkeit des Korrekturlesens. Im Oktober 2008 wurde ich erneut von Rumänien nach Deutschland geführt. Im Rahmen des internationalen Promotionsprogramms der GoetheUniversität wurde die Richtung dieses Weges am entscheidendsten durch meine Doktormutter Prof. Dr. Ute E. Eisen bestimmt. Sie betreute und begleitete mein Promotionsprojekt mit höchster Akribie, unermüdlicher Aufmunterung und unter Achtung des theologischen Hintergrunds ihres Doktoranden. Diese hervorragende Zusammenarbeit ist nicht nur das Fundament meiner Doktorarbeit, sondern auch Orientierung für meine zukünftige bibelwissenschaftliche Arbeit und der Beginn einer schönen Freundschaft. Zugleich brachten hilfreiche Anregungen des Zweitgutachters Prof. Dr. Stefan Alkier notwendige Präzisierungen für mein gewähltes Thema. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen meiner Doktormutter an der Justus-LiebigUniversität Gießen, Gunna Lampe und Verena Grunewald, halfen mit großem Engagement bei der Herstellung der Exemplare für das Promotionsverfahren, weshalb ich dafür nicht eigens von Bukarest nach Frankfurt reisen musste. In

VIII

Vorwort

den letzten Jahren ging der Weg schneller voran auch dank der Unterstützung meines Kollegen Ioan Popoiu aus dem Priesterseminar und der Theologischen Fakultät in Bukarest, heute Mönchsdiakon und Oberkirchenrat der rumänisch-orthodoxen Metropolie für Deutschland, Zentral- und Nordeuropa. Er unterstützte mich tatkräftig bei der Beschaffung von Literatur, sodass ich ohne seine Hilfe noch heute an meiner Doktorarbeit schreiben würde. Im Frühling 2015 ging der Weg wieder von Rumänien nach Tübingen, genauer zum Verlag Mohr Siebeck, dank der freundlichen Aufnahme meiner Arbeit in die 2. Reihe der Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament durch den Mitherausgeber Prof. Dr. Tobias Nicklas. Er war es auch, der meine Untersuchung erfolgreich für einen Preis der Dr. KurtHellmich-Stiftung für Ökumene an der Fakultät für Katholische Theologie der Universität Regensburg vorschlug. Dr. Henning Ziebritzki als Cheflektor für Theologie und Judaistik und Frau Rebekka Zech von der Herstellungsabteilung des Verlages Mohr Siebeck erwiesen sich als überaus zugewandt und hilfreich bei allen Fragen um die Drucklegung. Allen diesen Personen ist zu danken. Jede hat diesen Weg in bestimmten Intervallen geprägt. Aber den ganzen Weg ist allein meine Familie mit mir gegangen. Meine Frau, die Mikrobiologin Roxana Pricop, und unsere beiden Kinder – Tochter Anastasia und Sohn Ioan – beteiligten sich direkt und indirekt an meinen Bemühungen, meinem Suchen, meinen Schwierigkeiten und Unsicherheiten und sie genossen mit mir die Erleichterung, die Freude und die innere Zufriedenheit, als die Arbeit beendet war. Ihnen ist dieses Buch in Dankbarkeit und Liebe gewidmet. Und der Weg geht weiter. Bukarest, im Mai 2015

Cosmin D. Pricop

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XV

Kapitel 1: Einführung ............................................................................. 1 A. Eigene Standortbestimmung und Problemskizze ........................................ 1 B. Forschungsüberblick ................................................................................. 6 I. Exegetische Perspektiven zur Verwandlungserzählung ........................ 6 II. Ökumenische Perspektiven zur Wahrnehmung historischkritischer Exegese durch die orthodoxe Bibelauslegung .....................11 C. Fragestellungen, Ziel der Untersuchung und Vorgehen ...........................16

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte (Mk 9,2–9 parr.) .................19 A. Textkritik ..................................................................................................21 B. Textanalyse ..............................................................................................29 I. Abgrenzung und Gliederung der Texteinheit ......................................31 1. Beziehung der Perikope zum Kontext .............................................31 2. Abgrenzung der Perikope ................................................................34 3. Gliederung von Mk 9,2–9 ...............................................................37 II. Sprachlich-syntaktische Analyse .........................................................37 1. Wortschatz ......................................................................................37 2. Wortarten und Wortformen .............................................................38 3. Verknüpfung von Wörtern und Sätzen ............................................41 4. Stil und Rhetorik .............................................................................42 5. Strukturen des Textes ......................................................................43

X

Inhaltsverzeichnis

III. Semantische Analyse ..........................................................................45 1. Erstellung eines semantischen Inventars .........................................45 2. Semantische Oppositionen ..............................................................46 3. Das semiotische Viereck .................................................................46 IV. Narrative Analyse ...............................................................................47 1. Handlungssequenzen .......................................................................48 2. Handlungsträger ..............................................................................49 C. Literarkritik .............................................................................................51 I. Untersuchung der literarischen Einheitlichkeit ....................................54 II. Hypothesen zur Textgeschichte ..........................................................59 III. Synoptischer Vergleich .......................................................................61 1. Synopse ..........................................................................................62 2. Gemeinsamkeiten der synoptischen Versionen der Verwandlungserzählung ............................................................64 2.1. Gemeinsamkeiten der drei Erzählversionen..............................64 2.2. Gemeinsamkeiten der markinischen und der matthäischen Version .........................................................65 2.3. Gemeinsamkeiten der markinischen und der lukanischen Version ...........................................................66 2.4. Gemeinsamkeiten der matthäischen und der lukanischen Version ...........................................................67 3. Unterschiede innerhalb der synoptischen Erzählversionen ..............67 3.1. Unterschiede der markinischen und der matthäischen Version .........................................................67 3.2. Unterschiede der markinischen und der lukanischen Version ....70 D. Bestimmung der Gattung und des Sitzes im Leben ....................................77 I. Vorschläge zur Bestimmung der Gattung der Verwandlungsperikope .................................................................80 II. Bestimmung der Gattung nach Klaus Berger ......................................83 III. Schema der Mischgatttung „Deutung des zuvor Rätselhaften“ ............84 IV. Der „Sitz im Leben“ ...........................................................................87 1. Die markinische Verwandlungserzählung in der Diskussion um den Sitz im Leben .........................................88 2. Plausible Ausgangspunkte für die Bestimmung des Sitzes im Leben der markinischen Verwandlungserzählung ............90 2.1. Jüdische Kontextualisierung .....................................................90 2.2. Die Nachfolge Jesu am Beispiel der Jünger ..............................91

Inhaltsverzeichnis

XI

E. Traditionskritik ........................................................................................93 I. Begriffs- und Motivgeschichte ............................................................97 1. Berg – ὄρος ......................................................................................97 2. Verwandelt werden – µεταµορφοῦσθαι ............................................99 3. Hütte – σκηνή ................................................................................ 100 II. Intertextuelle Bezüge der Verwandlungserzählung ........................... 102 F. Redaktions- und Kompositionskritik ....................................................... 111 I. Die markinische Verwandlungserzählung in der redaktions- und kompositionskritischen Diskussion .......................... 112 1. Die Verwandlungserzählung in der Komposition des Markusevangeliums ................................................................ 120 2. Die Stellung der Jünger ................................................................. 121 3. Die Identität Jesu .......................................................................... 122 4. Alttestamentlich-jüdischer Horizont .............................................. 123

Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese der Gegenwart .................................................. 127 A. Die ökumenische Bedeutung der Kirchenväter ....................................... 127 B. Der wirkungsgeschichtliche Ansatz von Ulrich Luz ................................ 129 C. Eine orthodoxe Perspektive auf die Wahrnehmung patristischer Exegese durch Ulrich Luz .................................................. 137 I. Konstruktive Aspekte der Analyse der Wirkungsgeschichte ............. 139 1. In-die-Gegenwart-Bringen der Textbotschaft ................................ 140 2. Applikation durch allegorische Auslegung .................................... 140 3. Rekurs auf die synthetische Auslegung der Kirchenväter .............. 142 4. Horizonterweiterung durch Einbettung in eine Interpretationsgemeinschaft ............................................... 143 5. Horizonterweiterung durch „Öffnung für nicht-sprachliche Interpretationen“ ............................................... 144 II. Offene Fragen ................................................................................... 144 1. Einseitige Dynamik ....................................................................... 145 2. Die Definition von ,Kirchenvaterʻ nach Luz ................................. 145 3. Inexistenz einer „richtigen“ Exegese ............................................. 146 D. Fazit ....................................................................................................... 148

XII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 4: Die Erzählung von der Verwandlung Jesu in patristischer Auslegung ............................................. 151 A. Die Auslegung der Kirchenväter in der orthodoxen Exegese .................. 151 B. Methodik zur Erschließung patristischer Exegese .................................. 158 I. Die Grundlegung von Christina Metzdorf ......................................... 159 II. Eigenes methodisches Vorgehen ....................................................... 164 1. Grundprinzipien patristischer Hermeneutik in Auslegungen der Verwandlungserzählung .......................................................... 165 2. Vergleiche zwischen patristischen und historisch-kritischen Auslegungen der Verwandlungserzählung .................................... 165 3. Aktualisierung............................................................................... 166 C. Die Auswahl der Kirchenväter ............................................................... 167 D. Die exegetischen Werke: Kommentare und Homilien ............................. 169 E. Priorität des Matthäusevangeliums ........................................................ 169 F. Origenes als Ausleger der Verwandlungserzählung ............................... 170 I. Quellenlage zur Verwandlungserzählung im Werk des Origenes ...... 171 II. Die Verwandlungserzählung im Matthäuskommentar des Origenes ..................................................................................... 173 1. Das exegetische Vorgehen des Origenes ....................................... 173 2. Der Text der Perikope im Matthäuskommentar ............................. 178 III. Grundprinzipien des Schriftverständnisses von Origenes in der Auslegung der Verwandlungserzählung .................................. 183 1. Die Betonung der Historizität........................................................ 184 2. Zweifacher Schriftsinn: wörtlich und übertragen........................... 187 3. Identifikation der Schrift mit Jesus Christus .................................. 193 IV. Vergleiche der Auslegung des Origenes mit historisch-kritischen Methoden ................................................... 195 1. Textanalyse ................................................................................... 197 2. Synoptischer Vergleich ................................................................. 206 3. Traditionskritik ............................................................................. 211 4. Redaktionskritik ............................................................................ 214 V. Unterschiede der Exegese des Origenes zu historisch-kritischen Auslegungen ................................................ 216 1. Angebot zur Nachahmung an aktuelle Hörer bzw. Leser ............... 220 2. Aktualisierung des erzählten Ereignisses....................................... 221 VI. Fazit.................................................................................................. 225

Inhaltsverzeichnis

XIII

G. Johannes Chrysostomos als Ausleger der Verwandlungserzählung ........ 226 I. Quellenlage zur Verwandlungserzählung im Werk des Chrysostomos .............................................................. 226 II. Die Verwandlungserzählung in der 56. Homilie zum Matthäusevangelium ................................................................. 230 1. Das exegetische Vorgehen des Chrysostomos ............................... 230 2. Der Text der Perikope in der 56. Matthäushomilie ........................ 241 III. Grundprinzipien des Schriftverständnisses von Chrysostomos in der Auslegung der Verwandlungserzählung .................................. 245 1. Die Betonung der Historizität........................................................ 246 2. Zweifacher Schriftsinn: wörtlich und übertragen........................... 248 IV. Vergleiche der Auslegung des Chrysostomos mit historisch-kritischen Methoden ................................................... 251 1. Textanalyse ................................................................................... 255 2. Synoptischer Vergleich ................................................................. 263 3. Traditionskritik ............................................................................. 267 4. Redaktionskritik ............................................................................ 269 V. Unterschiede der Exegese des Chrysostomos zu historisch-kritischen Auslegungen ................................................ 273 1. Angebot zur Nachahmung an aktuelle Hörer bzw. Leser ............... 276 2. Aktualisierung des erzählten Ereignisses....................................... 278 VI. Fazit.................................................................................................. 279 H. Hieronymus als Ausleger der Verwandlungserzählung........................... 280 I. Quellenlage zur Verwandlungserzählung im Werk des Hieronymus ................................................................. 280 II. Die Verwandlungserzählung in der 6. Homilie des Hieronymus zum Markusevangelium.......................................... 285 1. Das exegetische Vorgehen des Hieronymus .................................. 285 2. Der Text der Perikope in der 6. Markushomilie............................. 295 III. Grundprinzipien des Schriftverständnisses von Hieronymus in der Auslegung der Verwandlungserzählung .................................. 301 1. Zweifacher Schriftsinn: wörtlich und übertragen........................... 303 IV. Vergleiche der Auslegung des Hieronymus mit historisch-kritischen Methoden ................................................... 307 1. Textanalyse ................................................................................... 308 2. Synoptischer Vergleich ................................................................. 315 3. Traditionskritik ............................................................................. 318 4. Redaktionskritik ............................................................................ 320

XIV

Inhaltsverzeichnis

V. Unterschiede der Exegese des Hieronymus zu historisch-kritischen Auslegungen ................................................ 323 1. Angebot zur Nachahmung an aktuelle Hörer bzw. Leser ............... 323 2. Aktualisierung des erzählten Ereignisses....................................... 324 VI. Fazit.................................................................................................. 325

Kapitel 5: Fazit ...................................................................................... 327 A. Wechselseitige Ergänzung als ökumenisches Anliegen ........................... 327 B. Wahrnehmung und Verwendung historisch-kritischer Methoden aus orthodoxer Perspektive.................................................... 328 C. Profilierung einer Methode für die Untersuchung der patristischen Bibelauslegung ........................................................... 330 D. Verbindungen zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegesen ............................................................... 331 E. Unterschiede zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegesen .............................................................. 331 F. Aktualisierung als wichtigstes Spezifikum der patristischen Auslegung ......................................................................... 332 Quellen- und Literaturverzeichnis .............................................................. 333 Stellenregister............................................................................................. 359 Verzeichnis moderner Autoren ................................................................... 369 Namen und Sachen ..................................................................................... 375

Abkürzungsverzeichnis AKG AnBib AncYB ANTC ANTF AThANT Aug. BEThL BEvTh BGBE BGrL Bib. Bibl.Interpr.S BiToTe BiTr BJRL BKV BRBS BSt(F) BThSt BU BWANT BZNW CAnt CBET CChr.SL CGTC CPE CThAP ECCA EdF EHPhR EHS EKK ESEC ÉtB EWNT ExpT

Arbeiten zur Kirchengeschichte Analecta biblica The Anchor Yale Bible Abingdon New Testament Commentaries Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments Augustinianum Bibliotheca ephemeridum theologicarum Lovaniensium Beiträge zur evangelischen Theologie Beiträge zur Geschichte der biblischen Exegese Bibliothek der griechischen Literatur Biblica Biblical Interpretation Series Bible de tous les temps Bible Translator Bulletin of the John Rylands Library Bibliothek der Kirchenväter Brill’s Readers in Biblical Studies Biblische Studien (Freiburg) Biblisch-theologische Studien Biblische Untersuchungen Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft Christianisme antique Contribution to Biblical Exegesis and Theology Corpus Christianorum. Series Latina Cambridge Greek Testament Commentary Connaissance des Pères de l’Église Cahiers théologiques de l’actualité protestante Early Christianity in the Context of Antiquity Erträge der Forschung Études d’histoire et de philosophie religieuses Europäische Hochschulschriften Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament Emory Studies in Early Christianity Études bibliques Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hg. v. Horst Balz/Gerhard Schneider, 3 Bde., Stuttgart 1980–1983, 21992 Expository Times

XVI FaCh FRLANT FzB GCS GOTR GrTS GTA HNT HSM HThK JBL JBR JSHRZ JSNT.S JThF KStTh LNTS LThK3

MoTh MSSNTS NA28 NBL NEB.NT NGS NPNF NT NT.S NTA.NF NTD NTOA NTP NTS NTTS NTTSD OCA OrChr OTM PG PL PoTh PTS QD

Abkürzungsverzeichnis The Fathers of the Church Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Forschung zur Bibel Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten (drei) Jahrhunderte The Greek Orthodox Theological Review Grazer theologische Studien Göttinger theologische Arbeiten Handbuch zum Neuen Testament Harvard Semitic Monographs Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament Jounal of Biblical Literature The Journal of Bible and Religion Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit Journal for the Study of the New Testament: Supplement Series Jerusalemer theologisches Forum Kohlhammer-Studienbücher Theologie Library of New Testament Studies Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, hg. v. Walter Kaspar, 10 Bde. und ein Registerband, Freiburg im Breisgau u. a. 1993–2001 Modern Theology Monograph Series Society for New Testament Studies Novum Testamentum Graece, 28. rev. Aufl., hg. v. Barbara Aland/Kurt Aland u. a., Stuttgart 2012 Neues Bibellexikon, hg. v. Manfred Görg u. a., 3 Bde., Zürich 1991–2001 Neue Echter Bibel. Kommmentar zum Neuen Testament mit der Einheitsübersetzung New Gospel Studies Nicene and Post-Nicene Fathers Novum Testamentum Novum Testamentum Supplements Neutestamentliche Abhandlungen. Neue Folge Das Neue Testament Deutsch Novum Testamentum et Orbis Antiquus Novum Testamentum Patristicum New Testament Studies New Testament Tools and Studies New Testament Tools, Studies and Documents Orientalia christiana analecta Oriens Christianus Oxford Theological Monographs Jacques-Paul Migne, Patrologiae cursus completus. Series graeca Jacques-Paul Migne, Patrologiae cursus completus. Series latina Le point théologique Patristische Texte und Studien Quaestiones disputatae

Abkürzungsverzeichnis RB REAug RES RestQ RSR RT(S) SBAB SBB SBEC SBG SBLDS SBM SBS SC SIG SSL STAC StEv StNT StPatr StT StTeol TANZ TC TENT ThGl ThH ThHK ThKNT ThRev ThTo ThWNT TRE TThSt TU UF UTB VigChr VigChr.S VWGTh WBC WiBiLex WMANT

XVII

Revue biblique Revue des études augustiniennes Revista Ecumenica Sibiu Restoration Quarterly Recherches de science religieuse Revista teologică (Sibiu) Stuttgarter biblische Aufsatzbände Stuttgarter biblische Beiträge Studies in the Bible and Early Christianity Studies in Biblical Greek Society of Biblical Literature Dissertation Series Stuttgarter biblische Monographien Stuttgarter Bibelstudien Sources Chrétiennes Sylloge inscriptionum Graecarum, hg. v. Wilhelm Dittenberger, 4 Bde., Leipzig 31915–1923 Spicilegium Sacrum Lovaniense Studien und Texte zu Antike und Christentum/Studies and Texts in Antiquity and Christianity Studia evangelica Studien zum Neuen Testament Studia Patristica Studi e testi Studii Teologice Texte und Arbeiten zum neutestamentlichen Zeitalter Textual Criticism. A Journal of Biblical Textual Criticism Texts and Editions for New Testament Study Theologie und Glaube Théologie historique Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament Theologischer Kommentar zum Neuen Testament Theologische Revue Theology Today (Princeton) Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, hg. v. Gerhard Kittel u. a., 10 Bde., Stuttgart 1933–1979 Theologische Realenzyklopädie, hg. v. Gerhard Krause/Gerhard Müller, 36 Bde., Berlin/New York 1976–2004 Trierer theologische Studien Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Ugarit-Forschungen Uni-Taschenbücher Vigiliae christianae Supplements to Vigiliae christianae Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie Word Biblical Commentary Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament

XVIII WSt.B WUNT ZNT ZNW

Abkürzungsverzeichnis Wiener Studien. Beiheft Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Zeitschrift für Neues Testament Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft

Kapitel 1

Einführung Theologians who strive to denigrate modern criticism because it is not patristic, or those who regard the whole course of Patristic exegesis as ,antiquated nonsenseʻ are suffering from the common ecclesiastical disease of reductionism. John Anthony McGuckin

A. Eigene Standortbestimmung und Problemskizze A. Eigene Standortbestimmung und Problemskizze Hermeneutik und Methodik der Bibelauslegung im europäischen Kontext haben sich seit der Aufklärung ausgeprägt entwickelt und liegen in vielfältigen Ausformungen vor. Diese sind stets von konfessionellen und kulturellen Kontexten geprägt.1 Das ist der Grund, warum gleich zu Beginn dieser Untersuchung die eigene Standortbestimmung und Perspektive deutlich gemacht wird. Ich als rumänisch-orthodoxer Theologe habe die vorliegende Studie verfasst, um die in der Tradition der Kirchenväter verankerte orthodoxe Schriftauslegung mit Auslegungsmethoden, wie sie sich seit der Aufklärung herausgebildet haben, in einen Dialog zu bringen. Dabei musste notwendig eine Auswahl der exegetischen Methoden vorgenommen werden, die dieser Untersuchung zugrunde gelegt werden. Der besondere Akzent liegt auf der Auseinandersetzung einer orthodoxen Perspektive mit klassischen historisch-kritischen Methoden, da diese seit ihrer Entstehung und bis heute auf orthodoxer Seite mit besonderem Argwohn betrachtet werden. Die vorliegende Untersuchung erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ziel ist vielmehr, aus orthodoxer Sicht den Dialog zwischen orthodoxer Exegese und ihrem Rekurs auf die Kirchenväter mit modernen Methoden westlicher Exegese zu fördern. Damit knüpfe ich an bereits vorliegende Bemühungen weiterer orthodoxer Exegeten an.2 Orthodoxe Theologie ist bis heute vornehmlich durch ein hermeneutisches Verständnis geprägt, das noch immer vorrangig von den Kirchenvätern be1

Vgl. etwa PANNENBERG/SCHNEIDER (Hg.), Zeugnis, und DUNN u. a. (Hg.), Bibel. Vgl. z. B. KARAKOLIS, Erwägungen, 38: „Ist also ein Dialog zwischen der patristischen Exegese des Alten Testaments und der alttestamentlichen Wissenschaft möglich? Ein solcher Dialog ist m. E. nicht nur möglich, sondern auch notwendig.“ 2

2

Kapitel 1: Einführung

stimmt ist und der Entwicklung biblischer Hermeneutik seitdem und vor allem exegetischer Methodik kaum Beachtung schenkt. Die Konzentration orthodoxer Exegese auf Fragen traditioneller Hermeneutik wird von dem orthodoxen Exegeten John Breck prägnant auf den Punkt gebracht: „Orthodoxy has the capacity to contribute in a unique and positive way to the field of scientific biblical study. […] That contribution will be less in the field of exegetical method than in the area of hermeneutical reflection.“3 Die Akzentsetzung auf Hermeneutik und in diesem Zusammenhang vorrangig die Hermeneutik griechischer und lateinischer Kirchenväter sowie das Außerachtlassen exegetischer Methodik wurde inzwischen auch von dem protestantischen Exegeten Ulrich Luz als besonderes Merkmal orthodoxer Bibelauslegung konstatiert.4 Es kann ohne Übertreibung behauptet werden, dass bis heute die orthodoxe Exegese keine spezifische akademische Methodik für die Auslegung biblischer Texte entwickelt hat, sondern sich hauptsächlich auf die hermeneutischen Prinzipien der Kirchenväter konzentriert.5 Durch diese Fixierung wird die Wahrnehmung moderner Auslegungsmethoden in der orthodoxen biblischen Theologie erschwert.6 Inzwischen wurde jedoch manchen orthodoxen Exegeten bewusst, dass es an der Zeit ist, überkommene hermeneutische Prinzipien zu reflektieren und exegetische Methoden zu entwickeln.7 In diese Linie orthodoxer Exegese und Theologie ordnet sich die vorliegende Untersuchung ein. Wie ausgeprägt Bibelauslegung vom spezifischen Theologie- und Exegeseverständnis der Tradition des jeweiligen Auslegers abhängt, wurde längst erkannt. Auch die Wahrnehmung der Pluriformität von Auslegungen verdeutlicht, dass der Anspruch einzelner Auslegungen auf letzte Gültigkeit problematisch ist. Umso mehr ist Exegese gefordert, Aufschluss über die eigenen Prämissen zu geben und darüber in einen Dialog einzutreten. Im Kontext dieser Untersuchung erfolgt die Reflexion explizit aus der Perspektive eines rumänisch-orthodoxen Theologen, der nicht den Anspruch erhebt, die gesam-

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BRECK, Orthodoxy, 155 [Hervorhebung im Original]. LUZ, Kirchenväter, 50. 5 BRECK, Scripture, 38–44, arbeitet acht hermeneutische Prinzipien heraus, die zum Teil von anderen orthodoxen Neutestamentlern übernommen wurden, z. B. MIHOC, Actuality, 3–27. Vgl. auch STYLIANOPOULOS, Perspectives, 325; NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 338–341, und MCGUCKIN, Hermeneutics, 308. 6 Vgl. BRECK, Orthodoxy, 143: „The difficulty Orthodox biblical scholars sense in evaluating and appropriating Western aims and methods for the study of Scripture has less to do with exegesis as such than with its underlying hermeneutic presuppositions“ [Hervorhebung im Original]. 7 Vgl. AGOURIDES, Research, 152: „What is required is greater knowledge of the reasons why the role of the Bible has been reduced and altered in the Liturgy; and now it is the turn of the Orthodox Church to undertake biblical and liturgical reform.“ 4

A. Eigene Standortbestimmung und Problemskizze

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te weltweite orthodoxe Debatte vollständig im Blick zu haben, darzustellen oder gar für die orthodoxe Theologie an sich zu sprechen.8 Im Folgenden sollen Grundprinzipien orthodoxer Exegese mit Grundprinzipien historisch-kritischer Exegese verglichen und in einen Dialog gebracht werden, weil dies in der Vergangenheit noch nicht hinreichend geschehen ist. Es ist beabsichtigt, das methodische Vorgehen historisch-kritischer Bibelexegese an einem ausgewählten neutestamentlichen Text, der Erzählung von der Verwandlung Jesu auf dem Berg (Mk 9,2–9 parr.), darzustellen und aus einer orthodoxen Perspektive zu reflektieren. Des Weiteren wird der orthodoxe Umgang mit den Kirchenvätern im Dialog mit der aktuellen Forschung reflektiert und schließlich an drei ausgewählten patristischen Exegesen zur Verwandlungserzählung vorgestellt und analysiert. Dieses Vorgehen stellt ein Desiderat der bisherigen Forschung dar, wenngleich freilich vereinzelt Überlegungen in diese Richtung in der Forschung begegnen, an die selbstverständlich angeknüpft wird. In diesem Sinne greift die vorliegende Untersuchung den Ansatz von Theodore Stylianopoulos auf, dem zufolge „Orthodox biblical scholars in Greece and elsewhere are seeking to clarify the nature and role of critical biblical studies within the Orthodox Church in terms of three focal issues: a) the historical-critical method; b) the patristic exegetical tradition; and c) the liturgical dimension as a hermeneutical perspective.“9 Bezieht sich die gegenwärtige orthodoxe Exegese jedoch mehrheitlich auf das geistliche Verständnis und das liturgische Leben der Kirche, so konzentrieren sich historisch-kritische Exegesen der westlichen Welt ausgeprägt auf methodische Fragestellungen. Was für orthodoxe Exegese typisch ist, wird von bibelkritischer Exegese als unzureichend empfunden und vice versa. In der vorliegenden Untersuchung soll die Frage aufgeworfen werden, wie sich diese unterschiedlichen Herangehensweisen auch gegenseitig bereichern können. Denn worin bestehen Bedeutung und Wert biblischer Auslegung ohne jegliche Fort- und Umsetzung selbiger im Leben der christlichen Gemeinde?10 Oder wie vollständig ist liturgisches Leben ohne eine reflektierte Rückbindung an den Bibeltext?

8 Vgl. CRISP, Scholarship, 125: „[…] because of the vagaries of politics and history, the Orthodox Churches have to varying degrees been isolated not only from the rest of the Christian world, but even from one another. It may be that the question of an Orthodox response to Western biblical scholarship needs to be studied separately in each national context, since there are subtle – and not so subtle – differences in scholarly approaches from differrent national traditions and cultural contexts.“ 9 STYLIANOPOULOS, New Testament, 72–73. 10 BRECK, Scripture, IX, behauptet, dass den Studenten auch „tools by which they can unlock that treasure for others, through their sermons, in church-school, for catechetical instruction, and in their ministry of witness to the poor, the sick and the suffering members of their congregations and in the world about them“ gegeben werden müssen.

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Kapitel 1: Einführung

Die Erzählung von der Verwandlung Jesu auf dem Berg (Mk 9,2–9 parr.) bildet das biblische Exemplum dieser Untersuchung, weil diese in der Orthodoxie geistlich par excellence verstanden und gedeutet wird und vor diesem Hintergrund eine Korrelation mit historisch-kritischer Auslegung besonders aufschlussreich ist.11 Im Unterschied zur üblichen Bezeichnung dieser Perikope in der historisch-kritischen Exegese als „Verklärung“, die auf die hervorgehobene Stellung Jesu Christi verweist, wurde in der vorliegenden Erörterung der Terminus „Verwandlung“ vorgezogen, weil dadurch das rezeptionsorientierte Anliegen orthodoxer Auslegung zum Ausdruck gebracht ist, die Rezipienten in das erzählte Ereignis hineinzuversetzen: Die Rezipienten des Textes erleben im Akt des Hörens bzw. Lesens das „Ereignis“ der Verwandlung selbst. Nach herkömmlichem orthodoxem Verständnis ist die gesamte Heilige Schrift Gottes Wort in menschlicher Sprache,12 „a divine message in history“13 und „a God-given written expression of the revelation of Godʼs plan for salvation“,14 in einer Synergie von Gott und Mensch niedergeschrieben und ein Mysterium, das nicht vollständig erklärt werden kann.15 Gemäß dem orthodoxen Bibelverständnis kann nicht mit Genauigkeit gezeigt werden, wo in diesem Prozess der göttliche Einfluss endet und die menschliche Aktivität beginnt.16 Manche Orthodoxe folgern daraus eine Unantastbarkeit der Bibel, der zufolge sie nicht kritisch untersucht werden darf. Einem solchen Verständnis möchte ich mit Stylianopoulos entgegenhalten, dass die Schrift Wort Gottes im Menschenwort und somit geschichtlich ist und daher auch einer kritischen Analyse zugänglich gemacht werden kann.17 Eine wissenschaftlich reflektierte Analyse der Schrift muss nicht in Widerspruch treten zum Gedanken der Inspiration, kann sie vielmehr vor willkürlicher Allegorie und wilder Geistlichkeit schützen und eine zeitgemäße Aktualisierung gewährleisten.18 Es soll aber auch reflektiert werden, inwiefern eine in der Tradition der Kirchenväter wahrgenommene und exegesierte Bibelperi11 Trotz der verbreiteten Benennung dieser Perikope als Verklärung Jesu bevorzuge ich in dieser Untersuchung die Rede von der Verwandlung Jesu, weil sie m. E. das griechische Verb µεταµορφοῦσθαι getreuer wiedergibt. 12 Vgl. FLOROVSKY, Bible, 27. 13 Ebd. 20. 14 NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 339. 15 Vgl. FLOROVSKY, Bible, 27–28. 16 Vgl. ebd. 27: „We cannot fully understand in what manner ‚Godʼs holy men‘ heard the Word of their Lord and how they could articulate it in the words of their own dialect.“ 17 Vgl. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 325, betrachtet „earnest, discerning, critical study through the use of reason as a gift of God“. Vgl. auch FLOROVSKY, Bible, 21: „Recorded revelation, i. e. the Holy Scripture, is therefore, above all, history […]. The Gospel is history.“ 18 Vgl. FLOROVSKY, Bible, 27: „The dangers and shortcomings of such a hermeneutical approach are too obvious to need an extensive refutation. But the only real remedy against this temptation would be the restoration of historical insights.“

A. Eigene Standortbestimmung und Problemskizze

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kope mittels der modernen wissenschaftlichen Auslegungsmethoden bewertet werden könnte. Ziel meiner Analyse ist es, die patristische Bibelauslegung mit historisch-kritischen Methoden westlicher Exegese zu korrelieren und aufzuzeigen, wie sie sich wechselseitig bereichern und ergänzen können. Im Horizont solcher Aspekte ist die vorliegende Untersuchung als ökumenischer Beitrag konzipiert. Die Hauptteile der Untersuchung sollen diesen Dialog anhand eines Bibeltextes vorführen, da die Bibel die gemeinsame Quelle christlicher Identität par excellence darstellt. Konstantinos Nikolakopoulos schreibt treffend, dass „the Holy Bible forms the basis and foundation of faith for all Christian Churches and confessions“.19 Konstituiert die Heilige Schrift eine sichere Basis der interkonfessionellen theologischen Dialoge mit ökumenischen Zielen, so ist eine Offenheit von allen beteiligten Seiten für diesen Dialog notwendig sowie die Bereitschaft, Sichtweisen zu modifizieren oder zu bereichern.20 Die Idee gegenseitiger Ergänzungen bringt Marius Reiser prägnant zum Ausdruck: „Westliche wie östliche Exegese befinden sich derzeit in einer üblen Lage; die eine, weil sie die Verbindung mit Dogmatik, Patristik und Spiritualität verloren hat, die andere, weil sie von Dogmatik, Patristik und Spiritualität erdrückt wird; die eine, weil sie fast nur noch historisch-kritische und damit beschränkte Auslegung betreibt, die andere, weil sie historisch-kritische Auslegung so gut wie gar nicht kennt; die eine, weil sie den Traditionsbruch der Aufklärung nicht überwunden hat, die andere, weil sie, von Aufklärung unberührt, lebendige Tradition immer wieder mit steriler Konservierung verwechselt. Könnte es nicht sein, daß die orthodoxe Seite die Heilmittel für die westlichen Übel besitzt und die westliche Seite die Heilmittel für die östlichen Übel?“21

Schon vor dreißig Jahren gab der weithin anerkannte orthodoxe Theologe Georges Florovsky in diesem Sinne eine Empfehlung, die ihre Gültigkeit bis heute besitzt: „We have, ‚in a time such as this‘, to enlarge our own perspective.“22 Die ökumenische Dimension der Schrift, die auch von der orthodoxen Bibelexegese anerkannt wird,23 sollte m. E. die Bibelwissenschaftler aller Konfessionen dazu ermutigen, die ökumenische Dimension ihrer Exegesen deutlicher zu profilieren.

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NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 337. Vgl. ZAMFIR, Etosul, 41–43. 21 REISER, Bibelkritik, 63. 22 Vgl. FLOROVSKY, Bible, 16. 23 Siehe Anm. 19. 20

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Kapitel 1: Einführung

B. Forschungsüberblick B. Forschungsüberblick Aufgrund der Tatsache, dass diese Untersuchung sowohl durch ein exegetisches als auch durch ein ökumenisches Anliegen charakterisiert ist, soll der folgende Forschungsüberblick einerseits auf die exegetische Analyse der synoptischen Verwandlungsperikope und andererseits auf die bisherige Auseinandersetzung der orthodoxen Bibelauslegung mit den historisch-kritischen Exegesen Bezug nehmen. I. Exegetische Perspektiven zur Verwandlungserzählung Die biblische Perikope von der Verwandlung Jesu wurde in der Kirchengeschichte unterschiedlich gelesen, betrachtet, verstanden und ausgelegt. Aber trotz der vielfältigen Bemühungen ist die Verwandlungserzählung noch nicht erschöpfend behandelt worden. Mit Recht schreibt William H. Williams: „The history of interpretations of the Transfiguration testifies to its wonderful ability to be squeezed, like some strange exegetical plasticine, into the most diverse theological moulds.“24 Die Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit dieser Erzählung bringt auch George B. Caird zum Ausdruck: „Almost each item of our story can be the initial point for a new theory.“25 Derselbe Exeget weist zugleich auf die Schwierigkeiten hin, mit denen die Kommentatoren bei der Analyse dieser biblischen Erzählung konfrontiert sind: „The Transfiguration is at once the commentatorʼs paradise and despair.“26 Somit lässt sich mit David Du Toit behaupten, dass diese Perikope einen Spezialfall im Rahmen biblischer Exegese bildet: „Über kaum eine andere Perikope des Markusevangeliums wurde in der Forschung so viel geschrieben, über keine andere Perikope wurden so verschiedene und sich sogar gegenseitig widersprechende Deutungen aufgestellt. Diese Sachlage ist in erster Linie auf die dem Text innewohnende Vielschichtigkeit und Unschärfe sowie die daraus resultierende Komplexität des Textes zurückzuführen: Die vielen intra- und intertextuellen Bezüge, traditionellen und religionsgeschichtlichen Motive sowie die literarischen Struktur- und Formmerkmale des Textes kreuzen und bedingen sich gegenseitig und summieren sich so zwangsläufig zu unzähligen Permutationen und somit zu einer Vielzahl möglicher Deutungen.“27

So wie für viele Erzählungen der Bibel gilt auch für die Verwandlungserzählung, dass dazu eine „Flut von Publikationen“ erschienen ist, wie Johannes Nützel es ausdrückte.28 Da wir uns allerdings in der glücklichen Lage sehen,

24

W. H. WILLIAMS, Transfiguration, 635. CAIRD, Transfiguration, 291. 26 Vgl. ebd. 27 DU TOIT, Herr, 339. 28 NÜTZEL, Verklärungserzählung, 85. 25

B. Forschungsüberblick

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dass Urbanus Holzmeister29 für die Zeit bis 1939 eine erste Phase der Verklärungsforschung sowie Johannes Nützel30 für die Zeit zwischen 1942 und 1972 eine zweite Phase der Forschung zur Verwandlungsperikope erarbeitet haben, wird im Folgenden eine knappe Skizze der Forschung der in den letzten gut 40 Jahren erschienenen Literatur erfolgen.31 Die Forschung zur Verwandlungserzählung der letzten vier Jahrzehnte kann im Wesentlichen in drei große Gruppen unterteilt werden: erstens in eine Gruppe der Anwendung wissenschaftlich-exegetischer Methoden, zweitens in eine Gruppe patristisch-liturgischer Herangehensweisen und drittens in eine Gruppe auslegungsgeschichtlicher Untersuchungen. Die erste Gruppe ist vornehmlich durch historisch-kritische Methodik bestimmt, so vor allem durch literarkritische (etwa Christoph Niemand,32 Barbara E. Reid33), formgeschichtliche (John Paul Heil34), religions- und motivgeschichtliche (Jeremy Albert Paretsky,35 A. D. A. Moses36) sowie redak29

Vgl. HOLZMEISTER, Verklärung, 200–210. Vgl. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 10–86. 31 Kommentare zu den Evangelien können angesichts ihrer Fülle nur ausgewählt herangezogen werden. 32 NIEMAND, Minor Agreements, 275, vertritt die Ansicht, dass ein revidierter Markustext dem Matthäus- und dem Lukasevangelium als Vorlage gedient hat. Damit schließt er sich der Deuteromarkushypothese an, die seiner Ansicht nach den Vorteil hat, dass sie „den Befund der agreements gut erklärt, ohne dabei die bisher bewährten und konsensfähigen Antworten auf die synoptische Frage zu gefährden“. 33 REID, Transfiguration, vertritt – entgegen allen bisherigen wissenschaftlichen Ergebnissen – die Meinung, dass der Lukastext die ursprüngliche Version der Verklärungserzählung darstellt. Sie untersucht die Verbindungen dieser Perikope 1. mit der Geschichte als „objective, external event“ und als „subjective, internal experience“, 2. mit der Auferstehungserzählung, 3. mit der christlichen und hellenistischen Mythologie, 4. mit dem jüdischen Hintergrund und 5. mit der von ihr bevorzugten Methode der Redaktionskritik. Ihrer These zufolge hatte Markus diese Version vor Augen und hat sie aufgrund seines soziologischen Hintergrunds umgestaltet. Anhand antiker jüdischer Literatur bestimmt sie die Verklärung Jesu formgeschichtlich als eine „prophetic angelophany“ (ebd. 4–5 [Hervorhebung im Original]). 34 HEIL, Transfiguration, versucht die Verklärungsgeschichte formgeschichtlich als Epiphanie und nicht als Theophanie oder Vision einzuordnen. Diese ist ihm zufolge aufgrund des Vergleichs mit Num 22,31–35, Jos 5,13–15 und 2 Makk 3,22–34 als eine bevollmächtigende Epiphanie zu verstehen. Auch von ihm wird der jüdische Charakter der Verklärungstypologie mit Nachdruck betont. 35 PARETSKY, Expectation, zufolge ist der Evangelist Markus sehr viel vertrauter mit dem Judentum als mit hellenistischen Mythen. Zugleich teilt Paretsky die Geschichte der Auslegung der Verklärungsperikope in zwei Perioden: 1. die vorkritische Auslegung bis zum 19. Jahrhundert und 2. die kritische Auslegung seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. 36 Vgl. MOSES, Transfiguration. Der methodistische Theologe Moses aus England betont die enge Beziehung der matthäischen Verklärungserzählung zu Ex 24. Das Alte Testament als Ausgangstext dieser Tradition ist seiner Ansicht nach zu naheliegend, um andere Quellen der Inspiration anzunehmen. 30

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Kapitel 1: Einführung

tionsgeschichtliche (Pierre Yves Brandt,37 John Michael Perry,38 Adrian Wypadlo39) Untersuchungen. Die Vertreter der zweiten Gruppe konzentrieren sich auf die Analyse der Verwandlungserzählung im Rahmen der patristischen Auslegungen. Diese Richtung wird in besonderem Maße von Georges Habra,40 Michel Coune,41 Maurice Sachot,42 Michel Hubaut43 und Dominique Cerbelaud44 vertreten. 37

Vgl. BRANDT, L’identité, schenkt der göttlich-menschlichen Identität Jesu ebenso wie auch der Jüngeridentität besondere Beachtung. Brandt fragt, ob die Jünger wissen, wen sie bis zu diesem Punkt begleitet haben. Ist ihnen die wahre Identität Jesu bekannt? Die Lösung dieser Fragen wird Brandt zufolge von der Stimme aus der Wolke gegeben und auch diese Stimme hat eine eigene Identität: „Mais le récit de la Transfiguration […] joue aussi un rôle clef pour l’énonce de la juste compréhension de l’identité de Jésus. Car cet episode dévoile l’identité veritable de Jésus: il est Fils de Dieu“ (ebd. 305). Nicht zufällig erfolgt die Verwandlung Jesu gleich nach seiner Frage: τίνα µε λέγουσιν οἱ ἄνθρωποι εἶναι; (Mk 8,27). 38 Vgl. PERRY, Transfiguration, der kategorisch die Geschichtlichkeit des Ereignisses ablehnt, indem er die Verwandlung als eine vom Verfasser des Markusevangeliums selbstständig geschaffene Erzählung versteht, um seinen Lesern eine wichtige theologische Lektion über Jesus und seine Beziehung zum Gesetz (Mose) und zu den Propheten (Elia) zu geben. 39 WYPADLO, Verklärung, geht in seiner Untersuchung davon aus, dass innerhalb der Verwandlungserzählung die Erscheinung Elias auf den Evangelisten zurückzuführen ist, der damit das theologische Thema Leiden aufgreift. Zugleich definiert er die Gattung der Verwandlungserzählung als Legitimationserzählung mit Hoffnungspotenzial. 40 Vgl. HABRA (Hg.), Transfiguration. In dieser Quellenausgabe wird mehr die morgenländische Spiritualität als die Exegese zur Geltung gebracht. Für Habra gilt: „Toute notre vie spirituelle se cristallise autour de la Transfiguration“ (ebd. 13). Die Verwandlung ist Habra zufolge hauptsächlich im geistlichen und nicht im literarischen Sinn zu verstehen, obwohl „l’analyse certes est nécessaire, mais seule elle peut mener aux échafaudages les plus aberrants et monstrueux“ (ebd.). 41 Vgl. COUNE (Hg.), Transfiguration. Ein gemeinsames Merkmal der Quellenausgaben von Habra und Coune ist das Heranziehen des reichen patristisch-exegetischen Erbes, allerdings ohne jede Analyse der patristischen Auslegungsprinzipien. 42 Vgl. SACHOT (Hg.), Homélies. Der katholische Patristiker der Université des Sciences Humaines de Strasbourg listet lediglich alle griechischen Handschriften auf. 43 Vgl. HUBAUT, Transfiguration. Als „katechetische Exegese“ könnte man diese von dem franziskanischen Theologen und Dichter durchgeführte Verklärungsauslegung charakterisieren. Hubaut legt jeden einzelnen Vers der matthäischen, markinischen und lukanischen Verwandlungserzählung außergewöhnlich frei aus. Sein exegetisches Interesse dient der Unterscheidung verschiedener dogmatischer Auswirkungen dieses „pôle d’attraction, lumineux, parfaitement adapté aux aspirations de nos contemporains“ (ebd. 7). Die Kirchenväter und ihre Auslegungen der Verwandlungserzählung werden ohne weitere Erläuterungen herangezogen. 44 Vgl. CERBELAUD, Montagne. Cerbelauds Ausführungen beruhen überwiegend auf Hubauts Buch. Die exegetische Tradition der patristischen Autoren beschränkt sich für ihn nicht nur auf die Kirchenväter, sondern schließt auch die Apokryphen ein, wie z. B. die Syrische Baruchapokalypse.

B. Forschungsüberblick

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Ihre Untersuchungen beschränken sich im Wesentlichen auf das einfache Zitieren von Kirchenvätern oder auf die Auflistung ihrer Exegesen zum Bibeltext, ohne die patristische Exegese in irgendeiner Weise zu charakterisieren und zu systematisieren. Eine Zusammenführung wissenschaftlich-exegetischer und patristisch-liturgischer Auslegung versucht allein der in den USA lehrende orthodoxe Theologe John McGuckin,45 indem er auch betont, dass die Schrift die Basis aller patristisch-liturgischen Auslegungen und dogmatischen Überlegungen ist.46 McGuckin setzt sich für die Anwendung historisch-kritischer und patristischer Exegese ein, da sie sich seiner Ansicht nach nicht gegenseitig ausschließen: „The kind of exegesis the Patristic church offers, then, is of a wholly different order. It works on different premises and by different methods. To take the Patristic exegesis as somehow opposed to the findings of modern criticism, and to prefer Patristics to modern commentary is a misunderstanding of the worst type.“47

Die dritte Gruppe der zumeist jüngeren Forschungsarbeiten zur Verwandlungserzählung betrachtet die Perikope auslegungsgeschichtlich über die Kirchenvätertexte hinaus in einem breiteren literarischen Kontext (z. B. Apokryphen, hymnologische Texte der Gottesdienste u. a.) und auch hinsichtlich ihres Einflusses auf Bildquellen wie etwa Ikonen. Dorothy Lee,48 Allison A. Trites49 und Manfred Krüger50 vertreten die Ansicht, dass die theologische

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MCGUCKIN, Transfiguration, geht einen Schritt weiter, indem er die Charakteristika des patristischen Verklärungsverständnisses als von der Tradition herausgebildete Deutungen benennt: die Theophanie betreffend, soteriologisch und eschatologisch. Was die Beziehung von Schrift und Tradition betrifft, fordert McGuckin: „Let us not have, then, Bible without Fathers, or Fathers without Bible but on the contrary read the whole Tradition of Christianity together for the wisdom and grace it has to offer us“ (ebd. 100). 46 In diesem Sinne fordert MCGUCKIN, Transfiguration, xv, die Rückkehr „to a proper holistic view of theological understanding“ und beobachtet „a fitting time to call for a necessary widening of our perspectives“. 47 Ebd. 99. 48 D. LEE, Transfiguration, äußert die Meinung, dass das Ende eines Auslegungsprozesses nicht in der Anfertigung einer Studie oder in der Schlusssitzung einer Vorlesung liegt. Auslegung ist ein lebendiger Prozess und sollte als solcher wahrgenommen werden, auch im Leben der Kirche. Zugleich sieht die Autorin Anspielungen auf die Verwandlungserzählung auch in anderen neutestamentlichen Passagen wie z. B. 2 Kor 3,16–18; 4,6; Röm 12,1–2 und Offb 1,12–18. 49 TRITES, Transfiguration, beabsichtigt, eine moralische Schlussfolgerung aus der Verwandlungsauslegung zu ziehen. Ihrer Meinung nach brauchen unsere geistlichen Bedürfnisse einen geistlichen Ansporn, wie er von Jesus auf dem Berg gegeben wurde. Die Verwandlungsgeschichte soll nach ihrer dreifachen Bedeutung, nämlich derjenigen für Jesus selbst, derjenigen für die Apostel und derjenigen für die ganze Kirche, befragt werden. 50 KRÜGER, Verklärung, hebt die Beziehung zwischen Verklärung als Wort und Verklärung als Bild auch im Bereich der Philosophie und Anthroposophie hervor. Seine Arbeit

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Kapitel 1: Einführung

Botschaft der biblischen Verwandlungserzählung im Leben der Kirche und besonders in der Ikonographie von großer Bedeutung ist. Die Verwandlungserzählung wurde jüngst von Edouard Divry als theologische, sich im Rahmen der mystischen Erfahrung der Christen manifestierende Idee interpretiert, indem er zunächst ihr biblisches Zeugnis analysiert, um sich danach dem Studium ihrer Rezeption in den Werken der morgen- und der abendländischen Kirchenväter zu widmen.51 Auch Simon S. Lee bietet eine neue rezeptionsgeschichtliche Herangehensweise an die Verwandlungserzählung, indem er der Wahrnehmung der markinischen Erzählung nicht nur im Matthäus- und Lukasevangelium oder im Zweiten Petrusbrief, sondern auch bei Paulus sowie in zwei weiteren apokryphen Schriften nachgeht, die Petrus zugeschrieben werden.52 Die Auswirkungen der Verwandlungsperikope auf die franziskanische und die dominikanische Theologie machen das Objekt der Studie von Aaron Canty aus, der damit die Eigenschaften der mittelalterlichen Christologie hervorzuheben beabsichtigt.53 Eine Untersuchung der Wahrnehmung der synoptischen Verwandlungserzählung durch die anglikanische Hermeneutik wurde jüngst von Benjamin Thomas durchgeführt.54 Schließlich sei hier die Zeitschrift Connaissance des Pères de l’Église erwähnt, in deren 135. Ausgabe die Rezeption der Verwandlungsperikope und des kirchlichen Festes der Verwandlung in der byzantinischen Liturgie,55 in einigen alten georgischen liturgischen Hymnen,56 in den Auslegungen Gregors von Nazianz57 und des Jakobus von Sarug58 und in den Kommentaren des Origenes, Hilarius, Augustinus und Hieronymus analysiert wird.59 Insgesamt können innerhalb der dargestellten dritten und letzten Phase der Verklärungsforschung (von 1972 bis heute) im Vergleich zu den vorausgegangenen Forschungsperioden drei Tendenzen beobachtet werden, die im Wesentlichen verschiedene exegetische Herangehensweisen an die Verwandlungserzählung in den verschiedenen synoptischen Texten veranschaulichen. Die erste Tendenz bezieht sich auf die Untersuchung der Verwandlungszeigt, wie Verklärungssymbole in Literatur und Kunst umgesetzt wurden. Er demonstriert, wie nichtliterarische Medien Exegese treiben. 51 Vgl. DIVRY, Transfiguration. 52 S. S. LEE, Transfiguration, 2, formuliert sein Interesse wie folgt: „considering these sources as parts of the dynamic process of the complicated development of the Transfiguration, and exploring the Transfiguration storyʼs multifaceted development in various narrative accounts.“ 53 Vgl. CANTY, Light and Glory. 54 Vgl. THOMAS, Transfiguration. 55 Vgl. EGENDER, Transfiguration, 2–18. 56 Vgl. RENOUX, Hymnes, 19–31. 57 Vgl. MOLLAC, Montagne, 32–41. 58 Vgl. PASQUET, Divinité, 42–51. 59 Vgl. VANNIER, Transfiguration, 53–56.

B. Forschungsüberblick

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erzählung ausschließlich mittels moderner wissenschaftlicher Methoden, vornehmlich der historisch-kritischen. Die zweite Tendenz betrifft die Analyse der erwähnten biblischen Erzählung lediglich im Rahmen von patristischen exegetischen Werken. Letztlich lässt sich eine dritte, rezeptionsorientierte Forschungstendenz hervorheben, die neben der Aufarbeitung der Rezeption die Wahrnehmung dieses Bibeltextes in der Theologie und im geistlichen Leben der Kirche betont. II. Ökumenische Perspektiven zur Wahrnehmung historisch-kritischer Exegese durch die orthodoxe Bibelauslegung Obwohl die Diskussion über die Erschließung der biblischen Texte anhand historisch-kritischer Methodik eine jahrhundertelange Geschichte hat, lässt sich eine deutliche Wahrnehmung dieser exegetischen Methodik innerhalb der orthodoxen biblischen Theologie erst relativ spät, d. h. seit den letzten vierzig Jahren beobachten. Dieser Umstand erklärt sich vor allem durch die schwierige Lage der orthodoxen Lokalkirchen im Zeitraum zwischen dem Fall Konstantinopels (1453) und dem des Kommunismus (1989), in welchem jenseits allen theologischen und akademischen Interesses diese Kirchen in der Hauptsache mit ihrem Überleben beschäftigt waren.60 Nicht zufällig wurde diese lange Epoche, die mit der Eroberung von Byzanz begann, als Verdammung der Ostkirchen zu einem Schattendasein bezeichnet.61 In diesem Zusammenhang gewinnt die von McGuckin gestellte Frage an Relevanz: „What can Orthodox scholars make of all this, in a generation when the old schools are finally being liberated from old oppressive political forces, and an urgent search is currently underway to restore devastated libraries, and update empty book repositories as part of the reestablishment of Orthodox schools?“62

Die Beantwortung dieser Frage stellt m. E. die wichtigste Herausforderung der orthodoxen Theologie nach 1990 dar. So lässt sich auch die Tatsache erklären, warum die Wahrnehmung von und die Auseinandersetzung mit historisch-kritischer Exegese durch solche orthodoxe Theologen initiiert wurde, die im Westen Europas oder in den USA gelebt bzw. studiert und gelehrt haben. Dort hatten sie einen konkreten Kontakt und Zugang zu den neueren Entwicklungen der modernen akademischen Bibelwissenschaft. Das Zusammentreffen orthodoxer Bibelauslegung und historisch-kritischer Exegese geschah bisher im Wesentlichen auf zwei Wahrnehmungsebenen:

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Vgl. OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 13. Vgl. ebd. 62 MCGUCKIN, Hermeneutics, 305. 61

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Kapitel 1: Einführung

1. auf einer individuellen und sporadischen Ebene und 2. auf einer organisierten und regelmäßigen Ebene. Diese zwei Ebenen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern überlagern sich und laufen schließlich zusammen. Zur ersten Wahrnehmungsebene gehören Bibelexegeten, die sich individuell mit dem Studium diverser Ansätze historisch-kritischer Exegese beschäftigt und diese Ansätze mit dem eigenen Bibelverständnis verglichen haben. Elias Oikonomos etwa erkennt die Rolle der Textkritik für die biblische Analyse an, weil sie bereits in der Alten Kirche – besonders durch Origenes – Verwendung fand. Dagegen wird die Literarkritik von ihm eher misstrauisch betrachtet, da sie auch sekundäre Zusätze zu Bibeltexten für möglich hält.63 Obwohl aus seiner Sicht die Ergebnisse der Bibelkritik „für das Glaubensleben der Kirche irrelevant“64 sind, schlussfolgert er, dass die orthodoxe Exegese ein Konzept braucht, um die moderne Bibelwissenschaft mit der Exegese der Kirchenväter ins Gespräch zu bringen.65 Veselin Kesich setzt sich intensiv für die Anwendung historisch-kritischer Methodik in der Orthodoxie ein,66 da er Methodik für neutral hält.67 Er beherrscht die nötigen Kenntnisse im Hinblick auf Text-, Quellen-, Formund Redaktionskritik und streicht deren Vor- und Nachteile heraus. Trotz aller Schwierigkeiten, die er ausmacht, betont Kesich schließlich, dass die moderne Bibelkritik die besten Methoden für die Schriftauslegung zur Verfügung stellt.68 Zurückhaltender hinsichtlich der Übernahme historisch-kritischer Methodik in der orthodoxen Bibelexegese zeigt sich Stylianopoulos. Er ist der Überzeugung, dass die Bibelkritik von einem Rationalismus beherrscht ist,

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Vgl. OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 52–55. Ebd. 65 Vgl. ebd. 73: „Erst wenn es gelungen ist, moderne Bibelwissenschaft zu treiben, ohne mit der exegetischen Tradition zu brechen, wird die orthodoxe Kirche eine eigene Prägung erhalten, die sie befähigt, anderen Kirchen von ihrem Reichtum mitzuteilen. Bis dahin bedarf es der Zusammenarbeit aller verfügbaren Kräfte.“ 66 Vgl. KESICH, Gospel, 12: „This book is written with the conviction that the proper function of biblical criticism is to build, not to destroy; to illumine, not to obscure; to bring members of the Church to a better understanding of the gospels, not to lead them away from Jesus, whose recorded sayings and deeds mirror his image.“ 67 Vgl. ebd. 38: „In itself, the critical method is neutral. In the hands of some scholars, it reveals their shortcomings. In the hands of others, it has opened many doors that were closed, thereby enormously helping us to enter into the meaning of the words and deeds of Christ.“ 68 Vgl. ebd. 195: „The method of biblical criticism which prevails today is far from being perfect or free of subjectivity; but in spite of its limitations it is still the best method available.“ 64

B. Forschungsüberblick

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der die Schrift ihrer theologischen Bedeutung beraubt.69 Theodore G. Stylianopoulos kennt und charakterisiert die historisch-kritische Methodik und ist einer der ersten orthodoxen Bibelexegeten, der auch neuere Tendenzen innerhalb der akademischen Exegese zur Kenntnis nimmt (Strukturalismus, Semiotik, Rezeptionsästhetik).70 Zielt man darauf ab, so Stylianopoulos, die Rolle der Bibelkritik in der Orthodoxie zu begreifen,71 so sollte man drei Aspekte beachten und miteinander in Verbindung bringen: 1. die historisch-kritischen Methoden; 2. die Traditionen der patristischen Exegese und 3. die liturgische Dimension der hermeneutischen Perspektive.72 Seine Schlussfolgerungen sind optimistisch, denn er votiert dafür, auf gar keinen Fall auf historisch-kritische Exegese zu verzichten, sondern sich um ein Gleichgewicht zwischen kritischer Analyse und theologischem Ertrag zu bemühen.73 Eine Untersuchung der Entstehung historisch-kritischer Methoden im westeuropäischen theologischen Raum bis in die Gegenwart unternimmt Konstantin Nikolakopoulos. Er bewertet sie nicht nur aus orthodoxer Sicht, sondern auch aus der Sicht der Fragen westlicher Theologie und ermahnt, „die theologische Relevanz der grundsätzlich anerkannten und befürworteten historisch-kritischen Methode der Schriftauslegung neu zu durchdenken“.74 Nikolakopoulos geht nicht einer genauen Analyse der einzelnen historischkritischen Methoden nach, sondern konzentriert sich auf die Prinzipien, die ihnen zugrunde liegen. Er vertritt die These, dass die Kirchenväter und die moderne Wissenschaft nicht im Widerspruch zueinander stehen, sofern sie beide an der Schrift orientiert sind.75 Trotz der im Laufe der Geschichte entstandenen wechselseitigen Vorurteile von Seiten orthodoxer und westlicher

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Vgl. STYLIANOPOULOS, New Testament, 68–69. Vgl. ebd. 131. 71 Stylianopoulos bezieht sich zusammenfassend auf die damalige Lage der wissenschaftlichen Exegese im russisch- und griechisch-orthodoxen Bereich und schlussfolgert, dass der Mangel an theologischen Hochschulen und (kaum vorhandener) Fachliteratur nicht dazu einlud, über neuere Tendenzen der Bibelwissenschaft aus Westeuropa zu reflektieren. Er schreibt: „Orthodox biblical scholars are still learning from their Western colleagues but they ought to be cautious about repeating their errors“ (ebd. 76). 72 Vgl. ebd. 73. 73 Vgl. ebd. 144–145. 74 NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 38. 75 Vgl. ebd. 43: „Die Meinung, die Kirchenväter hätten mit den wissenschaftlichen Methoden bei der Interpretation der Heiligen Schrift nichts zu tun gehabt, ist demnach unbegründbar und unzulässig.“ Ebd. 44: „Obwohl die Kirchenväter die Schrifttexte anders als die moderne Bibelwissenschaft auslegen, steht ihre Exegese in keinem unüberbrückbaren Widerspruch zur zeitgenössischen Hermeneutik.“ 70

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Kapitel 1: Einführung

Exegeten,76 die eine fruchtbare und nützliche Auseinandersetzung der Orthodoxen mit den Prinzipien der historisch-kritischen Methode behindert haben,77 setzt sich Nikolakopoulos für eine „harmonische Synthese“78 zwischen der dynamischen Traditionalität und Kirchlichkeit und der Wissenschaftlichkeit ein.79 In seinem jüngst erschienenen Lehrbuch80 wiederholt Nikolakopoulos größtenteils seine Auffassungen. Er widmet sich der Analyse der Textkritik, indem er einerseits die gängigen Kriterien für die Feststellung der möglichst ältesten Textvarianten wiedergibt und andererseits den Beitrag der Lektionare und der patristischen Bibelzitate zum Thema hervorhebt.81 Die Greek Orthodox Theological Review publizierte alle Vorträge, die anlässlich der Konferenz: „Sacred Text and Interpretation: Perspectives in Orthodox Biblical Studies“ am Hellenic College/Holy Cross Greek Orthodox School of Theology vom 28. Oktober bis 1. November 2003 gehalten wurden. Dazu zählen vier Beiträge, die aus orthodoxer Perspektive die historisch-kritische Methodik näher untersuchen. Der erste Beitrag aus dieser Reihe stammt von McGuckin,82 der darauf hinweist, wie schwer es den Orthodoxen fällt, auf die kritischen Entwicklungen des Bibelverständnisses eine klare und einheitliche Antwort zu finden.83 Er schlägt vor, dass die aktuellen Auslegungsmethoden durch die orthodoxen Exegeten in „the Churchʼs current biblical styles“84 wahrgenommen, integriert und reflektiert werden sollen.85 Im zweiten Beitrag zeigt Stylianopoulos auf,86 dass die Bibelkritik viel Gutes bewirkt, aber oftmals den theologischen Sinn der Schrift aus dem Blick verloren habe. Die Berücksichtigung ebendieses sei ebenso notwendig wie epistemologische Bescheidenheit.87 In einem dritten Beitrag unterscheidet Nikolakopoulos zwischen orthodoxer (geistlicher) und westlicher (wissenschaftlicher) Ausle76 Viele orthodoxe Neutestamentler warfen den westlichen Bibelwissenschaftlern eine falsche Orientierung der Forschung und ihrer Ziele vor, während westliche Exegeten die Orthodoxen des Konservatismus und starren Traditionalismus beschuldigten, vgl. ebd. 46– 47. 77 Vgl. ebd. 47. 78 Ebd. 49. 79 Vgl. ebd. 49–50. 80 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Das Neue Testament. 81 Vgl. ebd. 42–45. 82 Vgl. MCGUCKIN, Hermeneutics, 293–323. 83 Vgl. ebd. 305: „What will be the Orthodox Churchʼs collective response to the patterns of biblical criticism as they have been established in Western Europe in the last century, set out by Protestant movement, and partially endorsed by post-Vatican II Roman Catholicism? Can Orthodoxy venture any opinion? Will it have a distinctive attitude to the New Hermeneutic? Will it try to ignore it?“ 84 Ebd. 305. 85 Vgl. ebd. 319. 86 Vgl. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 325–336. 87 Vgl. ebd. 332–333.

B. Forschungsüberblick

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gung.88 Er betont aber, dass die orthodoxe Auslegungsweise kein wissenschaftliches Studium der Schrift ablehnt, sondern es voraussetzt, ohne aber in diesem Zusammenhang eine mögliche exegetische Herangehensweise darzustellen.89 Ihm zufolge lässt sich die historisch-kritische Methode nicht als eine ideelle Methode kennzeichnen, obwohl sie sehr viel für die neutestamentliche Interpretation leistet.90 Ioannis Karavidopoulos hebt in einem vierten Beitrag die Bedeutung der Textkritik für das orthodoxe Bibelstudium hervor91 und gibt zugleich drei Empfehlungen für eine zukünftige Textkritik im orthodoxen Bereich: 1. das Intensivstudium der anderen in Osteuropa gebrauchten Texttypen (Alexandrinus); 2. die Schaffung eines orthodoxen Instituts für das Studium der neutestamentlichen Texte und 3. insgesamt die Wiederbelebung der Textkritik als Teil der Bibelauslegung.92 Im Kontext der rumänisch-orthodoxen Bibelexegese setzte sich Constantin Oancea mit den historisch-kritischen Methoden auseinander.93 Nach einer kurzen Skizze der Geschichte dieser Auslegungsmethoden kommt er zu dem Ergebnis, dass sie die Gefahr von Atheismus und Historismus in sich tragen.94 Trotzdem plädiert er nicht dafür, sie in Gänze abzulehnen, wofür er als Hauptgrund „die Geschichtlichkeit der Offenbarung“ anführt.95 Die oben erwähnte zweite Wahrnehmungsebene historisch-kritischer Exegese seitens der orthodoxen Bibelexegese zeigt sich in einem institutionalisierten und verstetigten Rahmen. Dieser konstituierte sich aufgrund einer Initiative einiger Exegeten, die auch Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) sind. Sie organisierten mehrere Treffen westeuropäischer und orthodoxer Neutestamentler. Diese Initiative konkretisierte sich bald in der Gründung eines Eastern European Liaison Committees innerhalb der 88

Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 338–353. Der Autor beschäftigt sich mit der Bewertung bzw. Kritik zweier deutscher Neutestamentler, eines Lutheraners aus Göttingen (Gerd Lüdemann) und eines Katholiken aus Paderborn (Eugen Drewermann), die aus seiner Sicht die historisch-kritischen Methoden übertrieben anwandten. Lüdemann lehnte die Lehre von der Zeugung Jesu durch den Heiligen Geist und seiner Geburt durch die Jungfrau Maria aus historischen Gründen ab, während Drewermann lediglich die Möglichkeit der Jungfräulichkeit Marias infrage stellte. 89 Vgl. ebd. 340–341. 90 Vgl. ebd. 342. 91 Vgl. KARAVIDOPOULOS, Textual Criticism, 379–394. 92 Vgl. ebd. 392–393. 93 Vgl. OANCEA, Exegeza, 187–202. 94 Vgl. ebd. 193–197. 95 Ebd. 199.

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Kapitel 1: Einführung

SNTS, zu dem angesehene protestantische, katholische und orthodoxe Bibelwissenschaftler gehören. Das Komitee organisiert seit 1998 im Schnitt alle drei Jahre Symposien, die hauptsächlich neutestamentlich-exegetische Themen aus den jeweiligen konfessionellen Perspektiven der Beteiligten behandeln. Im Folgenden skizziere ich knapp die Geschichte aller bisher organisierten Symposien mit den jeweiligen Themen: 1. 1998, Kloster Neamţ (Rumänien): „Auslegung der Bibel in orthodoxer und westlicher Perspektive“;96 2. 2001, Kloster Rila (Bulgarien): „Das Alte Testament als christliche Bibel in orthodoxer und westlicher Sicht“;97 3. 2005, St. Petersburg (Russland): „Einheit der Kirche im Neuen Testament“;98 4. 2007, Sâmbăta de Sus (Rumänien): „Das Gebet im Neuen Testament“;99 5. 2010, Minsk (Weißrussland): „Gospel Images of Jesus Christ in Church Tradition and in Biblical Scholarship“;100 6. 2013, Belgrad (Serbien): „The Holy Spirit and the Church according to the New Testament“.101 Anlässlich dieser Symposien kamen orthodoxe und westeuropäische Exegeten über historisch-kritische Analysen zu konkreten Themen ins Gespräch. Obwohl einige der erwähnten orthodoxen Exegeten sich gegenüber der modernen Bibelkritik zurückhaltend positionieren, lässt sich abschließend sagen, dass keiner von ihnen die historisch-kritische Methodik durchweg ablehnt.

C. Fragestellungen, Ziel der Untersuchung und Vorgehen C. Fragestellungen und Vorgehen Der Blick auf die exegetische Forschung zur Verwandlungsperikope hat das Interesse an historisch-kritischen, rezeptionsgeschichtlichen und patristischen Auslegungen gezeigt. Wenn die auf der Basis historisch-kritischer Methoden durchgeführten Untersuchungen betrachtet werden, z. B. die oben genannten Studien von Paretsky, Reid, Perry, Heil und Brandt, fällt auf, dass diese nicht auf patristische Exegese rekurrieren. Diejenigen aber, die sich auf die Patristik berufen, schließen jede wissenschaftliche Methode aus, z. B. die oben genannten Studien von Habra, Coune und Hubaut. Was methodisch bedacht 96

DUNN u. a. (Hg.), Bibel. DIMITROV u. a. (Hg.), Das Alte Testament. 98 ΑLEXEEV/KARAKOLIS/LUZ (Hg.), Einheit. 99 H. KLEIN/MIHOC/NIEBUHR (Hg.), Gebet. 100 KARAKOLIS/NIEBUHR/ROGALSKY (Hg.), Images. 101 Vgl. den Bericht unter http://www.unige.ch/theologie/bibliothecabiblica/archives/ vom 15.1.2015. 97

C. Fragestellungen und Vorgehen

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und wissenschaftlich formuliert ist, dient nach Ansicht dieser Exegeten lediglich einer Verwässerung der nach orthodoxer Hermeneutik zentralen patristischen Tradition. Aber wie gezeigt werden konnte, lässt sich mittlerweile ein wachsendes Interesse neuerer Generationen orthodoxer Exegeten beobachten, historisch-kritische Methodik wahrzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Einerseits etabliert sich die Bibelkritik innerhalb der orthodoxen Exegese allmählich als fester Bestandteil der heutigen akademischen orthodoxen Bibelexegese und andererseits wird die Notwendigkeit formuliert, diese Bibelkritik aus einer orthodoxen Perspektive zu bewerten und für die orthodoxe Bibelwissenshaft eigenständig fruchtbar zu machen. Ein unmittelbarer Vergleich zwischen orthodoxen Auslegungen der Verwandlungsperikope und historisch-kritischen westlichen Exegesen war in der vorliegenden Untersuchung nicht möglich, da bis dato lediglich eine einzige orthodoxe wissenschaftliche Auslegung zu dieser Perikope vorliegt. Der bereits oben erwähnte McGuckin hat sie 1986 in den USA verfasst. Diese Untersuchung erschöpft sich jedoch in einem synoptischen Vergleich der Perikope und in Übersetzungen von Kirchenväterauslegungen der Verwandlungsperikope. Seine Studie steht jedoch in gewisser Weise paradigmatisch für orthodoxe Exegese. Das mangelnde Methodenbewusstsein der orthodoxen Exegese wird in der Regel durch den Rekurs auf patristische Exegese kompensiert. Aber auch dieser Rekurs geschieht zumeist weder reflektiert noch methodengeleitet. Die orthodoxe Bibelauslegung lässt sich bis heute durch eine starke Prägung seitens der patristischen Exegese charakterisieren. Daher ist die orthodoxe Exegese getrennt von der patristischen Auslegung der Bibel kaum zu denken. Das hat wohl damit zu tun, dass innerhalb der orthodoxen Theologie die Kirchenväter als Verkörperung der Autorität der Kirche und zugleich als Garanten der wahren Lehre dieser Kirche betrachtet werden. Die These der vorliegenden Untersuchung ist, dass sich die Berücksichtigung der Kirchenväterexegese und der aktuellen historisch-kritischen Methodik nicht ausschließen müssen, sondern vielmehr einander ergänzen können.102 Es muss nicht auf ein Entweder-oder hinauslaufen. So ist auch zu bedenken, dass die Kirchenväter die Wissenschaftler ihrer Epoche waren und sie auf dem Stand der Erkenntnisse ihrer Zeit die Bibel ausgelegt haben. Um beide Perspektiven zu berücksichtigen, wird in der folgenden Untersuchung wie folgt vorgegangen: Erstens wird eine wissenschaftliche, vorrangig an historisch-kritischen Methoden orientierte Exegese der neutestamentlichen Erzählung von der Verwandlung Jesu vorgenommen und aus einer orthodoxen Betrachtungsweise analysiert (Kapitel 2). Weiter wird die Rolle der Kirchenväter in der Wahrnehmung heutiger protestantischer Exegese am Beispiel von Ulrich Luz dargelegt und diskutiert, weil durch Luz die m. E. 102

Zur synthetischen Kapazität der orthodoxen Theologie siehe ALLEN (Hg.), Synthesis.

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Kapitel 1: Einführung

bisher ausführlichste Bewertung der patristischen Exegese im Rahmen der protestantischen, historisch-kritisch geprägten Bibelwissenschaft durchgeführt wurde (Kapitel 3). Es folgt die Analyse ausgewählter patristischer Auslegungen (Origenes, Johannes Chrysostomos und Hieronymus) im Vergleich mit historisch-kritischen Methoden. Es wird der Frage nachgegangen, ob man Verbindungen zwischen der wissenschaftlichen und der patristischen Exegese am Beispiel der Verwandlungserzählung feststellen kann (Kapitel 4). In einem abschließenden Kapitel werden die beiden Herangehensweisen produktiv aufeinander bezogen (Kapitel 5). Unter Anknüpfung an Simon Crisp soll eine doppelte Bewegung angestoßen werden: die Einbeziehung wissenschaftlicher Auslegungsmethoden seitens der orthodoxen biblischen Theologie und des lebendigen Erbes der patristischen Exegese seitens der westeuropäischen Theologie.103

103

Vgl. CRISP, Scholarship, 132–133.

Kapitel 2

Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte (Mk 9,2–9 parr.) Das im ersten Kapitel skizzierte Bild der orthodoxen Bibelexegese, die sich fast ausschließlich in der Formulierung hermeneutischer Prinzipien nach dem Vorbild der Kirchenväter erschöpft, macht deutlich, wie dringlich und notwendig die Beschäftigung mit dem Thema „exegetische Methodik“ ist. Dieser Umstand erklärt und begründet das Hauptanliegen der vorliegenden Untersuchung, die moderne wissenschaftlich-exegetische Methodik mit der orthodoxen Schriftauslegung in einen ernstgemeinten und ergebnisoffenen Dialog zu bringen. Biblische Exegese sollte m. E. nicht nur hermeneutisch reflektiert, sondern vor allem auch methodengeleitet und diskursiv verfahren. In dieser Situation stellt sich die wichtige Frage: Welche Methoden soll die orthodoxe Bibelexegese verwenden bzw. mit welcher exegetischen Methodik soll sie sich auseinandersetzen? Die Antwort auf diese Frage lautet in dieser Studie: zunächst einmal mit den historisch-kritischen Methoden, wie sie im 20. Jahrhundert mehrheitlich in der westlichen Welt zur Anwendung gekommen sind. Die Begründung dafür ist, dass diese im orthodoxen akademischen Kontext bisher kaum angekommen sind, was selbstverständlich auch für neuere Methoden gilt. Ich möchte aber an die Initiative der wenigen orthodoxen Bibelexegeten anknüpfen, die sich in den letzten 40 Jahren zumindest ansatzweise mit den historisch-kritischen Methoden auseinandergesetzt haben. Es überrascht vielleicht nicht, dass diese Minderheit entweder in Westeuropa oder in den USA studier(t)en oder sogar lehr(t)en. Allerdings blieb deren Wahrnehmung historisch-kritischer Methoden begrenzt, zum einen, weil historischkritische Methodenschritte eher am Rande von Untersuchungen thematisiert wurden und keiner von ihnen die Methoden insgesamt diskutierte, zum anderen verlief die Auseinandersetzung eher theoretisch, was es denjenigen orthodoxen Theologen, die den Kontext der westlich-akademischen Exegese nicht kannten, schwer machte, diese Ausführungen nachzuvollziehen. Das machte es unmöglich, die folgenden Fragen zu beantworten: Wie verwendet man als Orthodoxer die historisch-kritischen Methoden, um einen Text zu analysieren und zu interpretieren? Und: Wo liegen Grenzen solchen methodischen Vorgehens seitens orthodoxer Bibelauslegung? Die Beantwortung dieser Fragen stellt sich als schwierig heraus, weil bisher keine einheitliche von den orthodoxen Bibelwissenschaftlern vertretene Richtlinie bezüglich der Auseinandersetzung mit den historisch-kritischen Methoden formuliert wurde.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Die Konzentration auf die Wahrnehmung von und Auseinandersetzung mit historisch-kritischen Methoden in dieser Untersuchung bedeutet somit nicht den Ausschluss anderer neuerer methodischer Ansätze der Bibelexegese wie etwa Rezeptionsästhetik, Semiotik oder andere, sondern ist pragmatisch bedingt. Auch weiß ich, dass die historisch-kritischen Methoden nicht den Anspruch auf absolute oder hinreichende Gültigkeit für die Erschließung biblischer Texte erheben und dass man auch in der westlichen Exegese ihre Grenzen identifiziert hat.1 Man konnte im Westen schon seit den siebziger Jahren vom Ende der historisch-kritischen Methode sprechen – so z. B. der Titel eines Buches von Gerhard Maier – und seitdem wurden neue Paradigmen der Bibelauslegung entwickelt.2 Die orthodoxe Bibelexegese steht noch vor der Herausforderung, historisch-kritische Methoden genauer wahrzunehmen und sich mit diesen auseinanderzusetzen, weswegen die Auseinandersetzung mit neueren Methoden in dieser Untersuchung noch zurückgestellt werden muss. Erst wenn die Auseinandersetzung mit den historisch-kritischen Methoden vertieft genug erfolgt ist, können auch orthodoxerseits neue Entwicklungen in der Exegese besser mitvollzogen werden. Indes wurden Verbindungen zwischen neueren Betrachtungsweisen, wie etwa der Rezeptionsästhetik, und dem orthodoxen Bibelverständnis bereits festgestellt.3 Zugleich sprechen neue methodische Aufbrüche und ihre wertvollen Impulse dafür, den Hermeneutik- und Methodendiskurs im Rahmen der Bibelwissenschaft weiterhin ergebnisoffen zu führen und voranzutreiben. In diesem ersten Hauptteil der Untersuchung wird somit eine methodisch reflektierte historisch-kritische Exegese der markinischen Perikope von der Verwandlung Jesu im Markusevangelium aus orthodoxer Perspektive vorgenommen. Dabei kommen in der Hauptsache die klassischen Schritte der historischkritischen Methoden zur Anwendung, da deren Umsetzung für den orthodoxen Kontext erschlossen werden soll. Die Untersuchung erhebt ausdrücklich nicht den Anspruch, die aktuellen methodischen Debatten abzubilden oder zu den einzelnen Methodenschritten die komplexe Genese und ihre vielfältigen Ausprägungen vorzustellen, sondern diese lediglich exemplarisch an der Verwandlungsperikope durchzuführen. Diese Perikope wurde ausgewählt, da sie in der orthodoxen Theologie eine zentrale Bedeutung hat. Sie soll vor allem zwei Grundanliegen veranschaulichen: zum einen, dass es notwendig und angebracht ist, wissenschaftliche exegetische Methoden – hier vorrangig die historisch-kritischen – konkreter als bisher aus orthodoxer Perspektive zu reflektieren, und zum anderen, die Bewertung dieser Methoden aus orthodoxer 1

Vgl. dazu ausführlich H. KLEIN, Methode, 349–352. Vgl. etwa ALKIER/BRUCKER (Hg.), Methodendiskussion. 3 Vgl. ŠIRKA, Gadamer, 378–407. Außerdem siehe auch R. A. KLEIN, Rezeptionsästhetik, 408–427. 2

A. Textkritik

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Perspektive aufgrund ihrer Anwendung zu gewinnen. Ein solches Vorgehen stellt im Kontext der orthodoxen Theologie und Exegese ein weitgehendes Desiderat dar.

A. Textkritik A. Textkritik Die überwiegende Mehrheit der Einführungen in die Methoden neutestamentlicher Exegese betrachten die Textkritik als den ersten Schritt historischkritischer Analyse,4 der das Ziel hat, den „ursprünglichen Wortlaut“5 wiederherzustellen, oder präziser gesagt, den „ältesten erreichbaren Text“6 des Neuen Testaments zu rekonstruieren. Andere Bibelwissenschaftler, wie etwa Stefan Alkier, rechnen die Textkritik als „editionsphilologische Methode der Textkonstituierung“,7 die schon vor der „Formatierung und Etablierung historisch-kritischer Exegese“8 betrieben wurde, nicht als Bestandteil historischkritischer Methoden. Unabhängig von dieser strittigen Frage sind sich wohl alle einig, dass Textkritik eine unerlässliche Voraussetzung für jede wissenschaftliche Exegese darstellt.9 Die Sicherung der Textgestalt durch Sichtung und Analyse der erhaltenen Handschriften zum jeweiligen Bibeltext gilt als notwendige Basis „eigentlicher“ bzw. weitergehender Analyse.10 Sie ist unerlässlich, weil der Text des Neuen Testaments in einer Vielzahl von Handschriften überliefert ist und kritische Textausgaben des Neuen Testaments alternative Lesarten in textkritischen Apparaten zur Diskussion stellen.11 Die textgeschichtliche und -kritische Forschung hat Kriterien entwickelt, wie unterschiedliche Textvarianten (variae lectiones) ausgewertet werden 4 Vgl. EGGER/WICK, Methodenlehre, 68; SCHNELLE, Einführung, 33; ADAM, Kompendium, 13; EBNER/HEININGER, Exegese, 25; CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 28– 31. Zur Methode der Textkritik vgl. EHRMAN, Abgeschrieben; DERS., Studies; B. M. METZGER, Text; D. A. BLACK (Hg.), Rethinking; EHRMAN/HOLMES (Hg.), Status Quaestionis; ALAND/ALAND, Text; B. M. METZGER, Textual Commentary; VOGELS, Handbuch; GREGORY, Textkritik. 5 EBNER/HEININGER, Exegese, 28. Auch D. C. PARKER, Introduction, 349, schreibt: „The first step towards obtaining a sure foundation is a consistent application of the principle that knowledge of documents should precede final judgement upon readings.“ 6 SCHNELLE, Einführung, 32. 7 Ebd. 8 Ebd. 9 Vgl. ebd. 17: „Die Textkritik ist […] notwendige editionsphilologische Voraussetzung jeder wissenschaftlichen Exegese.“ Dazu noch SCHNELLE, Einführung, 33, der die Textkritik als „unerläßlich“ für die historisch-kritische Exegese betrachtet. 10 EGGER/WICK, Methodenlehre, 68. 11 Dieser Untersuchung ist die aktuelle 28. Auflage des Novum Testamentum Graece zugrunde gelegt: Novum Testamentum Graece, 28. rev. Aufl., hg. v. Barbara Aland/Kurt Aland u. a., Stuttgart 2012 (im Folgenden abgekürzt mit NA28).

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

können, um die möglichst älteste Gestalt des Textes zu erarbeiten. Es ist nicht Ziel dieser Untersuchung, die Methodenschritte der Textkritik im Einzelnen vorzustellen und zu diskutieren.12 Im Folgenden soll auf die wesentliche Unterscheidung von äußeren und inneren Kriterien der Textkritik eingegangen werden. Die äußeren, d. h. „textexterne[n]“13 Kriterien beziehen sich auf die qualitative und quantitative Bewertung der Handschriften, die Textvarianten bieten, hinsichtlich ihres Alters, ihrer Bedeutung, ihrer Bezeugungsdichte usw.14 Danach werden die unterschiedlichen Lesarten einer Bibelstelle auch nach inneren, d. h. „textinterne[n]“,15 Kriterien beurteilt, nämlich im Wesentlichen nach ihrer Schwierigkeit (lectio difficilior potior), Länge (lectio brevior potior16) sowie unter Berücksichtigung des biblischen Kontextes bzw. gegenseitiger Beeinflussung.17 Darüber hinaus wird in der aktuellen Forschungsdiskussion zur Textkritik das Augenmerk stärker auf die Textgeschichte gerichtet, denn die verschiedenen Handschriften und ihre unterschiedlichen Lesarten verdanken sich kulturellen und kirchengeschichtlichen Kontexten, die stärker in den Fokus treten.18 Angeregt besonders durch die Studien von Bart Ehrman19 und Eldon Epp,20 versuchen die neueren Untersuchungen zur Textkritik die neutestamentlichen Handschriften als Spiegel einer bestimmten zeitgeschichtlichen und theologi12

Schon in den Methodenbüchern finden sich unterschiedliche Gewichtungen, so gibt etwa ADAM, Kompendium, 24–25, sechs Kriterien an. EBNER/HEININGER, Exegese, 39– 43, stellen zehn Regeln bzw. Kriterien der Textkritik dar, während VETTE, Art. Bibelauslegung, drei Hauptkriterien identifiziert. 13 EGGER/WICK, Methodenlehre, 75. 14 Vgl. ADAM, Kompendium, 24. Dazu vgl. SCHNELLE, Einführung, 48. 15 EGGER/WICK, Methodenlehre, 75. 16 Die siebte Regel der Textkritik nach EBNER/HEININGER, Exegese, 42: „Die kürzere Lesart ist ursprünglich.“ Vgl. auch SCHNELLE, Einführung, 49. 17 Vgl. dazu ausführlich ALAND/ALAND, Text, 116.167–172, neben den Zusammenfassungen in den Methodenbüchern EBNER/HEININGER, Exegese, 41–43, oder SCHNELLE, Einführung, 48–49. 18 Vgl. SIMON, History; GAMBLE, Books. Darüber hinaus siehe auch ELLIOTT, Eclecticism, 124: „Thoroughgoing textual criticism should be concerned not only with establishing as far as possible the original words of the original authors; it should try to explain the likeliest direction of change and why the secondary text arose. It may well be that modern textual criticism is less confident about the need to, or its ability to, establish the original text and that its best contribution to biblical studies is to show how variation arose, ideally in what directions, and to explain the significance of all variants.“ 19 Vgl. EHRMAN, Window, 803–830. 20 Vgl. EPP, Perspectives, vgl. auch EPP, Issues, 52: „Much less attention, however, was afforded the present issue in the late nineteenth and early twentieth centuries – the influence of the church and its theology on the manuscripts and variants of the New Testament text and the reverse, the influence of the text on the church […]. With a few notable exceptions, the relationship of textual criticism and the theology of the church was much neglected in the second half of the twentieth century.“

A. Textkritik

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schen Situation zu verstehen.21 Insofern trägt eine textkritische Analyse zur Erschließung des frühchristlichen Zeitalters22 bei. Die Textgeschichte zeigt, wie die biblischen Texte vom konkreten Leben der Alten Kirche beeinflusst wurden.23 Im Hinblick auf die Erhellung solcher Zusammenhänge hat die patristische Exegese der Bibel eine unvergleichliche Bedeutung.24 Zugleich stellt sich die Textkritik als „die erste Disziplin der kritischen Erforschung des Neuen Testaments, die schon in der Alten Kirche entwickelt wurde, insbesondere durch Origenes (ca. 185–254) und Hieronymus (ca. 347– 419)“,25 dar. Dadurch hat sie auch innerhalb der orthodoxen Exegese eine beachtliche Funktion,26 wobei sie dennoch innerhalb der orthodoxen Theologie bisher nur wenig erforscht wurde.27 Aus der Sicht der neueren orthodoxen Bibelexegese wird es als „unumgänglich“ betrachtet, im wissenschaftlichen Sinn textkritisch zu arbeiten und damit „Umstellungen, Veränderungen, Zusätze, Seh- und Hörfehler […]“ zu erkennen und zu beseitigen, damit „der ursprüngliche Text womöglich sorgfältig wiederhergestellt“28 werden kann. Laut Oikonomos stellt dieser Methodenschritt auch keine Gefahr für die Prinzipien orthodoxer Exegese dar.29 Textkritik ist die exegetische Methode, die 21

Außerdem siehe P. METZGER, Zeitspiegel, 242–261. Vgl. KRAUS, Ad Fontes, sowie auch KRAUS/NICKLAS (Hg.), Manuscripts, und NICKLAS, Umgang, 297–319. 23 Vgl. NICKLAS/TILLY, Introduction, 4: „To what extent does it matter that none of the Church Fathers had available to them the biblical text in its current form? What role did the interpretation of the New Testament play in the ancient Christian communities? Can connections be made between the form of the text that was available to the Church Fathers and specific interpretations of the text? Which parts of scripture allowed for a rich variety of interpretations and even stimulated such diversity, and which ones did not, and why?“ [Hervorhebung im Original] Aktuelle Beispiele für die Einbeziehung der patristischen Bibelauslegungen in die textkritische und -geschichtliche Analyse bieten KRANS/VERHEYDEN (Hg.), Studies. 24 Vgl. EHRMAN, Studies, 266: „On the one hand, our patristic sources are absolutely vital for any reconsideration of the history of the transmission of the New Testament text – whether or not this reconsideration leads to a re-evaluation of the nature of our elusive autographs.“ Darüber hinaus siehe BROCK, Use, 407–428. 25 POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 93. 26 OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 52. 27 Vgl. KARAVIDOPOULOS, Textual Criticism, 384, fragt sich diesbezüglich: „Why, beyond certain isolated cases, in the Orthodox context, and especially the Greek, has there been no academic interest for any critical examination of the text of the New Testament, whereas other branches of biblical research have attracted and continue to attract the interest of scholars? A brief glance at Greek academic production during the twentieth century exposes the neglect suffered by the branch of biblical research that goes by the name ,textual criticism of the New Testament.ʻ“ 28 Ebd. 29 OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 53, schreibt, dass die orthodoxe Bibelwissenschaft davon überzeugt ist, „daß eine solche Arbeit nicht in Widerspruch zu ihren Prinzipien 22

24

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

sogar von den orthodoxen Gegnern eines sogenannten biblischen Kritizismus akzeptiert wird.30 Daher lässt sich festhalten, dass auch im Rahmen orthodoxer Bibelexegese das Interesse an der Feststellung der Textversion, die dem Original möglichst nahe steht, auch als Sicherung einer festen Basis für weitere theologische Überlegungen31 in den Vordergrund tritt32 bzw. mittlerweile als Notwendigkeit betrachtet wird. Besonders legitimiert wird dieses Vorgehen in der orthodoxen Theologie durch das Vorbild der Kirchenväter.33 Eigentlich lässt sich das ganze exegetische Anliegen innerhalb der orthodoxen biblischen Theologie fast ausschließlich dadurch erklären, dass es von den Kirchenvätern praktiziert wurde,34 auch wenn heutzutage „für die orthodoxe Hermeneutik die Verdienste der historisch-kritischen Exegese um die Aufschlüsselung der biblischen Texte unbestreitbar“35 sind. Die ausführlichste Darstellung der Textkritik in den heutigen orthodoxen Bibelstudien ist bei Nikolakopoulos zu finden. Er wagt nicht, eine Bewertung der Textkritik zu realisieren, sondern wiederholt nur die wichtigsten Ansätze zum Thema, die die Landschaft der modernen historisch-kritischen Exegese gestaltet haben, mit besonderer Beachtung der Bedeutung der patristischen Zitate und Kommentare als wichtige Quellen der neutestamentlichen Textgeschichte.36 Ihm zufolge ist der Text des Neuen Testaments so stark in den exegetischen Werken (und nicht nur dort) der patristischen Autoren rezipiert, dass, „wenn alle anderen Quellen für die neutestamentliche Textgeschichte und -überlieferung geraten kann, wenn sie wissenschaftlich begründet ist und nicht in eine phantastische Superkritik ausartet, die die Überlieferung außer acht läßt“. 30 So KESICH, Gospel, 25: „Many who have no love for the modern criticism of any sort are nevertheless quite ready to accept the necessity (and the fruits) of textual criticism.“ 31 Vgl. KARAVIDOPOULOS, Textual Criticism, 393: „It is inconceivable today that within the growth of all the spheres of theological knowledge, the critical study of the manuscripts can be left aside, and the correct editions of the text of the New Testament can be neglected on the grounds that other theological and hermeneutical questions have primacy.“ 32 Vgl. KESICH, Gospel, 25. 33 Vgl. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 331; OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 52. Die Bedeutung der Kirchenväter für die textkritische Untersuchung der Bibeltexte wurde in der modernen Exegese längst erkannt, vgl. A. M. DONALDSON, References, 87–197. 34 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Das Neue Testament, 303: „Wir alle sind uns sicher der Wichtigkeit und der ungemein großen Bedeutung der christlichen Schriftauslegung für das Christentum überhaupt bewusst, nichtsdestoweniger weil das Bemühen um das Verständnis des Alten und Neuen Testaments ein ernstzunehmendes Anliegen der Alten Kirche bereits seit der urchristlichen Zeit gewesen ist.“ 35 Vgl. ebd. 304. 36 Vgl. ebd. 43: „Die Bedeutung der Zitate der alten Kirchenschriftsteller beruht einmal darauf, dass sie uns ermöglichen, den Bibeltext einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Ortes festzustellen, was bei den griechischen Handschriften meist nicht der Fall ist, und zum anderen darauf, dass der in diesen Schriften verwendete Bibeltext in vielen Fällen älter ist als die meisten unserer griechischen Handschriften.“

A. Textkritik

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abhanden gekommen wären, […] allein die patristischen Zitate dafür ausreichen [würden], das ganze Neue Testament wiederherzustellen“.37 Die Auffassung von Oikonomos, dass „die Textkritik in der orthodoxen Kirche allgemein anerkannt“38 ist und „mit Selbstverständlichkeit praktiziert“39 wird, ist übertrieben.40 Diese Selbstverständlichkeit ist gewiss nicht überall in der Orthodoxie zu finden und die Stimmen derer, die das Infragestellen einer seit langer Zeit im Rahmen des Gottesdienstes (der Liturgie) verwendeten Lesart als Sünde betrachten, sind noch immer zu vernehmen.41 Textkritische Arbeit wird auch zuweilen als „protestantisch“ bezeichnet und damit als gegen den Geist der Einheit der frühen Kirche gerichtet interpretiert.42 Kesich führt als weiteren Einwand gegen die Textkritik an, dass durch eine Auswahl der Textvarianten und ihrer Deutungen subjektive Betrachtungen Einzug in die Bibelauslegung halten.43 Ein weiterer Einwand ist, dass Textkritik das Risiko eines Eklektizismus fördere, durch den die kritischen Ausgaben des Bibeltextes (z. B. NA28) gekennzeichnet sei, denn durch die Kollation von Handschriften unterschiedlicher Traditionen gehe das Spezifikum eines einheitlichen Textes verloren.44 37

Vgl. ebd. OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 52. 39 Ebd. 40 Vgl. KARAVIDOPOULOS, Textual Criticism, 384: „Why, beyond certain isolated cases, in the Orthodox context, and especially the Greek, has there been no academic interest for any critical examination of the text of the New Testament, whereas other branches of biblical research have attracted and continue to attract the interest of scholars? A brief glance at Greek academic production during the twentieth century exposes the neglect suffered by the branch of biblical research that goes by the name ,textual criticism of the New Testamentʻ.“ 41 Vgl. ebd. 391: „It is the responsibility of Orthodox scholars to subject the liturgical text of their Church to a contemporary critical examination, which, naturally, follows the general prevailing principles of textual criticism.“ 42 Vgl. ebd. 385: „Ignorance of what is a critical edition of the New Testament has led certain people, theologians included, to characterize the critical editions as ,Protestant‘ texts, being oblivious to the fact that these texts are based on the ancient manuscripts and that these manuscripts constitute a treasure of the Church and, indeed, of the undivided Church of the first centuries.“ 43 Vgl. KESICH, Gospel, 24: „The theology of the textual critic himself may affect the process of selection, especially when it is opposed to the biblical authorʼs theology and when the critic tries to impose his own theology upon the text.“ 44 Vgl. KARAVIDOPOULOS, Textual Criticism, 382: „The characteristics of all […] the critical editions of the twentieth century are as follows: 1. The ,eclecticʻ character of their text, i. e., the fact that their text is a mixture and a combination, or the comparative result, so to speak, of manuscripts and of the types of text. Thus, they provide a text, which does not echo the specific liturgical tradition of any particular church, because the selected scripture can be derived from different manuscripts and not be the same in all the editions.“ 38

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Die Forschungen zur textkritischen Analyse des Markusevangeliums sind vielfältig,45 was nicht weiter berücksichtigt werden kann. Im Folgenden sollen lediglich zwei Stellen der Verwandlungsperikope einer textkritischen Analyse unterzogen werden, die im Übrigen ein Phänomen aufweisen, das sich auch am Ende des Markusevangeliums findet (Mk 16,9–20): die spätere erzählerische Anreicherung des Markusevangeliums anhand der synoptischen Parallelüberlieferung und die damit einhergehende Harmonisierung der Evangelienüberlieferungen. In Mk 9,2 liegen abweichende Lesarten zum Text der 28. Auflage des Nestle-Aland vor, die textkritisch deshalb von Bedeutung sind, weil sie vor dem die Verwandlung Jesu benennenden Schlüsselwort µετεµορφώθη liegen. Der Vers lautet nach der 28. Auflage des NA: Καὶ µετὰ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽ ἰδίαν µόνους. καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν. Eine mögliche Übersetzung könnte wie folgt lauten: „Und nach sechs Tagen nimmt Jesus den Petrus und den Jakobus und den Johannes und führt sie auf einen hohen Berg, sie allein. Und er wurde vor ihnen verwandelt.“ Es geht einerseits um die Einfügung von ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτούς (varia lectio α) und andererseits um die Einfügung von ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτόν (varia lectio β) vor µετεµορφώθη. Sollen die zwei abweichenden Lesarten nach „inneren Kriterien“ gewichtet werden, so müssen die Handschriften bewertet werden, die sie bezeugen, und mit den Handschriften verglichen werden, die den Text von NA28 vorschlagen. Varia lectio α (Einfügung von ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτούς) ist jedoch nur mäßig bezeugt durch Papyrus 45, Codex Freerianus (W 032), Codex Coridethianus (Θ 038), Minuskelfamilie 13 (f13) und Minuskel 565. Sie gehören nach Kurt und Barbara Aland der Kategorie46 III an, mit Ausnahme des wertvollen Papyrus 45 (Kategorie I).47 Eine noch geringere Bedeutung hat die Qualität der varia lectio β (Einfügung von ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτόν), deren wichtigste Zeugen Codex Coridethianus (Θ 038 – Kategorie II)48 und Minuskel 28 (Kategorie V) sind.49 Die Bezeugung des Textes wird im kritischen Apparat von NA28 nicht wiedergegeben,50 weil 45

Vgl. etwa HEAD, Mark, 108–120; HEAD, Sinaiticus, 1–38; D. C. PARKER, Introduction; M. C. WILLIAMS, Two Gospels; GREEVEN/GÜTING (Hg.), Textkritik; CROY, Mutilation; ALAND/WITTE (Hg.), Handschriften; D. C. PARKER, Living Text; SWANSON (Hg.), Manuscripts. 46 Die Kategorien I–VI stellen den Bewertungsmaßstab der Qualität einer Handschrift nach Aland und Aland dar. Vgl. ALAND/ALAND, Text, 106–145. 47 Vgl. ebd. 48 Vgl. ebd. 123. 49 Vgl. ebd. 141. 50 Die Einleitung zu NA28 besagt: „Daher sind grundsätzlich zwei Arten der Verzeichnung von Zeugen zu unterscheiden: Mit positivem Apparat werden alle wesentlichen Varianten zitiert, also diejenigen, die für die Konstitution des Texes besondes wichtig sind,

A. Textkritik

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diese Variante nur textgeschichtlich interessant ist.51 Auch weisen die sog. „äußeren Kriterien“ auf die im Vergleich zu den zwei variae lectiones ursprünglichere Lesart des Textes von NA28, der kürzer ist, weshalb die Regel lectio brevior potior greift. Dieser Eindruck lässt sich aber noch dadurch verstärken, dass beide variae lectiones fast identisch das Gebetsmotiv in die Verwandlungserzählung einführen, das mit größter Wahrscheinlichkeit vom Lukasevangelium her eingeflossen ist, da es eine für dieses typische Motivik darstellt. Denn varia lectio β (Einfügung von ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτόν) ist gleichlautend mit Lk 9,29, während varia lectio α wie varia lectio β lautet mit Ausnahme des Personalpronomens, das im Plural steht und sich somit auf Jesus und die drei Jünger bezieht (ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτούς). Die Einfügung versucht das Ereignis, ähnlich wie im Lukasevangelium, weiter zu verdeutlichen, indem zusätzliche Informationen gegeben werden.52 Bei den beiden variae lectiones handelt es sich somit ganz offensichtlich um Angleichungen an die Parallelstelle Lk 9,29.53 Ein weiterer textkritisch relevanter Aspekt innerhalb der markinischen Verwandlungsperikope ist V. 7, weil er den Höhepunkt und die Auflösung des erzählten Ereignisses bildet. In diesem Vers geht es um die Erscheinung einer Wolke, aus der eine Stimme spricht. Der Vers lautet: καὶ ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς, καὶ ἐγένετο φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης· Οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἀκούετε αὐτοῦ. Eine möglichst wortgetreue Übersetzung ist: „Und es kam eine Wolke, die sie überschattete, und eine Stimme kam aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn. Hört auf ihn!“ Bei den textkritischen Varianten zu V. 7 halte ich die Einfügungen von ὃν ἐξελεξάµην (varia lectio α) und ἐν ᾧ εὐδόκησα (varia lectio β) hinter ἀγαπητός für die wichtigsten und werde sie daher genauer betrachten. Beide divergierenden Lesarten werden von nicht vielen Handschriften bezeugt: varia lectio α nur durch Majuskelhandschrift 0131 (Kategorie III)54 und varia lectio β lediglich durch eine erste im Codex Sinaiticus (‫א‬1) vorgenommene Korrektur von späterer Hand und durch Codex Sangallensis (∆ 037 – Kategorie III).55 Die bedeutenderen Handschriften sprechen für die Auslassung beider Einfügungen, z. B. Codex d. h.: hier wird die Bezeugung pro et contra geboten. Dabei erscheint stets als letzte Notierung die Bezeugung für den Text (= txt) dieser Ausgabe. Mit negativem Apparat werden Varianten von vornehmlich textgeschichtlichem oder texterschließendem Interesse zitiert; d. h. hier wird nur die Bezeugung contra textum geboten.“ 51 Die erste Regel der Textkritik lautet nach EBNER/HEININGER, Exegese, 40: „Die bestbezeugte Lesart ist ursprünglich.“ Vgl. SCHNELLE, Einführung, 48. 52 Es greift die vierte Regel, nach EBNER/HEININGER, Exegese, 41: Paralleleinfluss. 53 Vgl. M. C. WILLIAMS, Two Gospels, 102: „The insertion of ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτούς (αὐτόν Θ 28 pc) is partly a harmonisation with Luke 9:29.“ 54 Vgl. ALAND/ALAND, Text, 130. 55 Vgl. ebd. 123.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Sinaiticus (‫ א‬01 – Kategorie I),56 Codex Vaticanus (B 03 – Kategorie I),57 Minuskel 33 (Kategorie II)58 und Minuskel 579 (Kategorie II).59 Auch diese Einfügungen zeigen ein verbreitetes, textkritisch interessantes Phänomen, das auch für die Auslegung der Verwandlungsperikope bei den Kirchenvätern relevant ist, nämlich die Beeinflussung der Textgeschichte durch die synoptische Parallelüberlieferung. Die beiden variae lectiones lassen sich auch nach inneren Kriterien erklären: Die Einfügung der Worte ὃν ἐξελεξάµην in der Majuskel 0131 ist durch das ὁ ἐκλελεγµένος aus Lk 9,35 (Οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἐκλελεγµένος) beeinflusst und das im später korrigierten Codex Sinaiticus (‫א‬1) und Codex Sangallensis (∆ 037) bezeugte ἐν ᾧ εὐδόκησα ist durch Mt 17,5 (Σὺ εἶ ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἐν σοὶ εὐδόκησα) veranlasst. Mittels dieser Einfügungen wird die Erzählung des Markusevangeliums durch die synoptische Parallelüberlieferung erzählerisch angereichert und zugleich mit den synoptischen Seitenreferenten harmonisiert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die diskutierten Textvarianten sich wahrscheinlich durch die Tendenz zur Harmonisierung erklären lassen. Das zeigen auch andere Textvarianten, unter anderem am Anfang des Evangeliums die Erzählung von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer (Mk 1,9–11) und am Ende des Evangeliums in den Erzählungen von den Erscheinungen des Auferstandenen im sekundären Markusschluss (Mk 16,9–20). Solche Neigungen zur Harmonisierung der Evangelienperikopen, die durch etliche Handschriften bezeugt sind, deuten auch auf die in den ersten Jahrhunderten noch nicht endgültig erfolgte Fixierung der neutestamentlichen Texte in einer festen Form hin, was eine textkritische Analyse nicht nur unter text-, sondern auch unter theologiegeschichtlichen Gesichtspunkten umso notwendiger macht. Die Textkritik ist aber vor allem deshalb ein wichtiger Methodenschritt oder eine bedeutende editionsphilologische Voraussetzung der Exegese, weil sie den auszulegenden Bibeltext in seinem Wortlaut feststellt und absichert. Für die orthodoxe Bibelexegese ist sie darüber hinaus wichtig, weil sie die Wahrnehmung des entsprechenden Bibeltextes in Lektionaren (somit im liturgischen Gebrauch) und in patristischen Texten aufzeigt, beides wichtige Aspekte eines orthodoxen Schriftverständnisses.60 Es bleibt aber festzuhalten, dass eine vollständige und exakte Rekonstruktion des „ursprünglichen Wortlautes“ nur hypothetisch möglich ist.61 Zu dem Text zurückzugelangen, „der 56

Vgl. ebd. 117–118. Vgl. ebd. 118. 58 Vgl. ebd. 141. 59 Vgl. ebd. 145. 60 Zur Verwandlungsperikope weist der kritische Apparat von NA28 keine Verweise auf Lektionare oder Kirchenväter auf. 61 Vgl. M. C. WILLIAMS, Two Gospels, 63–64: „Textual criticism is not a branch of mathematics, nor indeed an exact science at all. It deals with a matter not rigid and con57

B. Textanalyse

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aus der Hand des Verfassers hervorgegangen ist“,62 ist nicht möglich, aufgrund der Tatsache, dass der Originaltext nicht mehr zur Verfügung steht. Es ist lediglich möglich, eine Annäherung an den „ältesten erreichbaren Text des Neuen Testaments“63 zu versuchen und damit den ältesten Text „annähernd“64 zu bestimmen. Somit aber muss sich das orthodoxe Bibelverständnis daran gewöhnen, in das Gespräch über die Autorität der Schrift weniger aus der Perspektive einer originellen oder offiziellen Textvariante zu argumentieren, sondern ihre Gestaltung in einem viel dynamischeren Prozess zu postulieren.

B. Textanalyse B. Textanalyse Nachdem die möglichst älteste Gestalt eines Textes durch die Textkritik rekonstruiert ist, soll dieser Text in einem zweiten Methodenschritt – der Textanalyse – hinsichtlich seiner sprachlichen Struktur auf „syntaktischer, semantischer, narrativer und praktischer Ebene“65 untersucht werden. Sie geht Fragen nach wie etwa: Wovon ist im jeweiligen Text die Rede? Welche Bedeutungen werden übermittelt? Welche sprachlichen Form(en) begegnen? Die Textanalyse ist „eine unabdingbare Voraussetzung für alle weiteren Schritte der Exegese“.66 Die Textanalyse wird in der neueren orthodoxen Bibelexegese als historisch-grammatikalische Analyse gemäß der antiochenischen Schule bezeichnet und auch hier „die Grundlage exegetischer Arbeit“ genannt.67 Sie wird auch als „eine nennenswerte Errungenschaft der Bibelauslegung im 19. Jh.“68 verstanden. Ein Hauptgrund der Anwendung einer philologischen Analyse auf biblische Texte seitens der Orthodoxen beruht auf der Auffassung, dass die Schrift neben dem göttlichen Charakter auch einen menschlichen hat, was eine theologische Parallele in der christologischen Zweinaturenlehre hat.69 stant, like lines and numbers, but fluid and variable; namely the frailties and aberrations of the human mind, and of its insubordinate servants, the human fingers. It is therefore not susceptible of hard-and-fast rules.“ Dazu auch POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 92. 62 EGGER/WICK, Methodenlehre, 68. 63 SCHNELLE, Einführung, 32. 64 CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 23. 65 SCHNELLE, Einführung, 55. 66 ADAM, Kompendium, 28. 67 OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 60. 68 NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 30: „Dabei widmete sich die Forschung aus philologisch-historischer Sicht den einzelnen biblischen Schriftstellern, den Entstehungsfragen aller einzelnen Schriften und ihrem Zusammenhang mit dem jeweiligen konkreten historischen Hintergrund; ein Vorgehen, das in der Hermeneutik Früchte getragen hat.“ 69 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 341: „We cannot reject scientific knowledge that contributes to the intellectual elaboration of biblical texts and their historical and

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Manifestierte sich der Sohn Gottes nach seiner Fleischwerdung in einem bestimmten menschlichen Kontext und übermittelte die Botschaft des Himmelreichs mithilfe menschlicher Worte, so ist auch die Botschaft Gottes in der Schrift durch menschliche Worte in verschiedenen Sprachen übermittelt. Um die Botschaft zu verstehen, ist die Analyse von deren sprachlicher Einkleidung notwendig. Insbesondere die Anwendung solcher Analysen durch die Kirchenväter rechtfertigt die orthodoxe Bibelexegese, diese ebenfalls anzuwenden.70 Obwohl das Vorbild der Kirchenväter wichtig ist, kann dieser Methodenschritt auch aufgrund seiner Bedeutung per se angewendet werden, weil er verschiedene Techniken zur Verfügung stellt, welche die Analyse des Bibeltextes aus unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht.71 Außer der sprachlichen Untersuchung eignet sich die Textanalyse aus orthodoxer Perspektive auch hinsichtlich der Einordnung des auszulegenden Textes in den größeren Kontext der Schrift, der er angehört.72 Auf jeden Fall ist die Textanalyse für eine adäquate Auslegung eines biblischen Textes unverzichtbar 73 und kann heutzutage in der Bibelwissenschaft durch nichts ersetzt werden. ecclesiastical contexts in philological, historical, sociological, archaeological, philosophical, and psychological terms […]. We must not forget, that the incarnation of the Logos took place in concrete historical terms and is therefore subject to historical research methods.“ 70 Vgl. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 330–331: „The Church Fathers […] made free and diverse use of known exegetical methods, such as allegorical, typological, grammatical, and textual, derived from both the Jewish and Greek traditions, and in some ways already found in the New Testament.“ 71 Vgl. OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 53: „Die Schwierigkeit der modernen Exegeten liegt, wie bei allgemein-exegetischen Fragen, in der Auseinandersetzung mit den Neopatristen. Diese sind nämlich der Ansicht, es gebe keinen Grund für neue exegetische Initiativen, da ja die Väter alles Entscheidende gesagt hätten und man sie nur wiederholen könne. […] Zudem weiß man, daß die Äußerungen der Kirchenväter weder einstimmig noch eindeutig noch vollständig sind.“ 72 Vgl. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 331: „[…] a preeminent achievement in patristic study of the Bible was the focus on the contextual meaning and spirit of the scriptural texts by means of critical study and discernment of their primary aim (σκοπός) and sequence of thought (ἀκολουθία); that is to say, the interpretation of the parts in the light of the whole and of the whole in the light of its parts.“ Darüber hinaus siehe KESICH, Gospel, 23. 73 Vgl. BARR, Interpretation, 324: „Some of the main positions achieved [by biblical criticism] have remained as essential reference points for the discussion, and no alternatives have been proposed that have gained anything like the same degree of assent. Still more important, the general intellectual atmosphere of criticism, with its base in language and literary form, its reference grid in history, and its lifeblood in freedom to follow what the text actually says, has established itself as without serious challenge. Serious work on scripture can only be done in continuity with the tradition of biblical criticism.“ Dazu vgl. STYLIANOPOULOS, New Testament, 136: „The success of biblical criticism in linguistic and textual studies is indisputable.“

B. Textanalyse

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I. Abgrenzung und Gliederung der Texteinheit 1. Beziehung der Perikope zum Kontext Obwohl die Gliederung des Markusevangeliums sehr unterschiedlich vorgenommen werden kann,74 untergliedern es einige in sechs oder sieben Hauptteile,75 während andere sich für eine zweiteilige Struktur entscheiden.76 Nach Letzterer reicht der erste Hauptteil des Markusevangeliums von Mk 1,1 bis 8,26 und stellt die Tätigkeit Jesu in Galiläa dar, während der zweite Hauptteil sich von Mk 8,27 bis 16,8 erstreckt und vom Weg Jesu nach Jerusalem und seiner dortigen Zeit bis zur Himmelfahrt erzählt. Beide Hauptteile werden durch je eine Erzählung eröffnet, in der die bestätigende und ermahnende Stimme des Vaters vom Himmel zu hören ist: die Taufe Jesu im Jordan, wo die Stimme ihn als Adressaten anspricht (Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe – Mk 1,11) und die Verwandlung Jesu auf dem Berg, wo die himmlische Stimme die sich dort ebenfalls befindenden Jünger anspricht (Das ist mein gelieber Sohn; hört auf ihn! – Mk 9,7). In beiden Erzählungen hebt der Verfasser des Evangeliums die offenbarende Stimme des Vaters hervor.77 Hans Hübner pointiert: „Was der Vater in Mk 1,11 zu Jesus gesagt hat, sagt er in Mk 9,7 über ihn“78 – bei der Taufe, um zu zeigen, dass alle folgenden Heilungen und Belehrungen durch Jesus Christus, den Sohn Gottes, vollzogen werden, und bei der Verwandlung, um zu bezeugen, dass derjenige, der bald Leiden und Verurteilung und Verspottung erleben wird, derselbe Sohn Gottes ist.79 Denn einen möglichen Grund der erneuten Präzisierung der Identität Jesu als Sohnes Gottes anlässlich seiner Verwandlung auf dem Berg, obwohl diese Identität schon bei der Taufe bestimmt wurde, sieht Wypadlo mit Recht in der ab Mk 8,27 angekündigten Leidensthematik.80 Die Verwandlungsperikope gehört somit in den zweiten Hauptteil des Markusevangeliums (Mk 8,27–16,20). Innerhalb dieses zweiten Hauptteils ist die Perikope in den mit Auf dem Weg nach Jerusalem zu betitelnden Teil (Mk 74

Zur Diskussion von mehreren Gliederungsvarianten vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 33–34. 75 Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 33–34; WITHERINGTON, Mark, 38; KARAVIDOPOULOS, Marcu, 29; TRAKATELLIS, Authority, xi–xii; GNILKA, Markus, II, 32; SCHWEIZER, Markus, 214. Wichtig ist, dass alle Kommentare eine Zäsur im markinischen Textverlauf bei 8,27 annehmen und die Passage bis 10,52 als eigene Texteinheit hervorheben. 76 Vgl. BAYER, Markus, 64–66; HEALY, Mark, 27; POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 366; NIEBUHR (Hg.), Grundinformation, 99; PESCH, Markusevangelium, II, 36; CRANFIELD, Mark, 13. 77 Zur Beziehung der Verwandlungsperikope zur Tauferzählung siehe WYPADLO, Verklärung, 58–74. 78 HÜBNER, Theologie, 68 [Hervorhebung im Original]. 79 Vgl. EVANS, Mark, 144–145. 80 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 68.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

8,27–10,52) einzuordnen81 und kann auch als „Herz“ des Evangeliums betrachtet werden, weil sie proportional das Zentrum des markinischen Evangeliumstextes bildet.82 Bei einer genaueren Betrachtung dieses Teils des Evangeliums (Mk 8,27–10,45) ergeben sich folgende Parallelen,83 die auch als internes Analogieschema gedeutet werden können: 1. Das Bekenntnis des Petrus (Mk 8,27–30)

1. Verwandlung/ das Bekenntnis des Vaters (Mk 9,2–9)

2. Die erste Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung (Mk 8,31–33)

2. Die zweite Ankündigung von Jesu Leiden und Auferstehung (Mk 9,30–32)

2. Die dritte Ankündigung des Leidens (Mk 10,32–34)

3. Über die Nachfolge (Mk 8,34–9,1)

3. Der Rangstreit/ die Nachfolge (Mk 9,33–38)

3. Die Zebedäussöhne/ die Nachfolge (Mk 10,35–44) 1. Das Selbstbekenntnis Christi (Mk 10,45)

In der Mitte des Markusevangeliums befindet sich somit eine Triade theologischer Aussagen: Bekenntnis – Ankündigung von Leiden84 und Auferstehung – Nachfolge. Die Texteinheit Mk 8,27–10,45 beginnt mit dem Bekenntnis der Identität Jesu durch Petrus und endet mit dem Bekenntnis der Identität Jesu durch ihn selbst. Zwischen dem ersten petrinischen Bekenntnis zu Jesus als Christus und dem dritten Bekenntnis Jesu durch ihn selbst als den Menschensohn steht das Bekenntnis des Vaters bei der Verwandlung, die den drei Jüngern die Identität ihres Meisters enthüllt. Dem Vater kommt infolgedessen eine Vermittlerrolle85 zwischen den Jüngern und ihrem Lehrer Jesus Christus zu. Der Bezug der Verwandlungsperikope zum Gesamtduktus des Markusevangeliums wird weiter durch die folgenden Elemente gewährleistet: 1. Rückbezüge auf Vorangegangenes: Die Frage nach der Identität Jesu wird bereits in Mk 4,41 (τίς ἄρα οὗτός ἐστιν […];) und Mk 8,27 (τίνα µε λέγουσιν οἱ ἄνθρωποι εἶναι;) thematisiert. In Mk 8,29 versucht Petrus diese 81

Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 227; LÜHRMANN, Markusevangelium, 141– 142; VAN IERSEL, Markus, 68: „Das zentrale und alles beherrschende Thema, auf das Markus das Interesse seiner Leser richten will.“ Außerdem siehe auch MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 92–93.158, und BOSENIUS, Raum, 249–256. 82 Vgl. FAW, Heart, 77–82. 83 Für ein anderes Schema, Leidensverkündigung – Unverständnis – Nachfolge, siehe HAWKINS, Incomprehension, 496. 84 Vgl. ROBBINS, Rhetoric, 119. 85 Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 158.

B. Textanalyse

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Frage zu beantworten (σὺ εἶ ὁ χριστός) und seine Antwort scheint, zumindest in diesem Moment, richtig zu sein. Aber es stellt sich heraus, dass die von Petrus gegebene Antwort auf die Frage nach der Identität Jesu als oberflächlich charakterisiert werden kann, weil sie die durch Leiden und Tod verwirklichte Erlösungsmission seines Lehrers als Christus nicht versteht. Deswegen wird Petrus kurz nach seinem Bekenntnis durch Jesus zurechtgewiesen (ὕπαγε ὀπίσω µου, σατανᾶ, ὅτι οὐ φρονεῖς τὰ τοῦ θεοῦ, ἀλλὰ τὰ τῶν ἀνθρώπων – Mk 8,33). Die Ablehnung zeigt unter anderem, dass Petrus aus der Perspektive Jesu nicht richtig verstanden hat, was die Identität Jesu als ὁ χριστός bedeutet und mit sich bringt. Deswegen scheint es, dass erst bei der Verwandlung die richtige Antwort auf die in Mk 4,41 und 8,27 gestellte Frage formuliert wird.86 Außerdem kann das in Mk 9,1 versprochene Sehen des Reiches Gottes im Rahmen der Verwandlung Jesu auf dem Berg vor seinen drei Jüngern als dessen Veranschaulichung betrachtet werden.87 Die δόξα aus Mk 8,38 und die βασιλεία τοῦ θεοῦ aus Mk 9,1 veranschaulichen das Strahlen der Gewänder Jesu (Mk 9,3), die zwei großen Persönlichkeiten des Alten Testaments (Mk 9,4) und die aus der Wolke ertönende Stimme des Vaters (Mk 9,7).88 2. Stichwortverbindungen, d. h. Wahrnehmung und Fortsetzung theologischer Themen, die im Laufe des Evangeliums entwickelt werden. Die Erzählung von der Verwandlung Jesu trägt vor allem zur Entfaltung des Themas bei, die Identität Jesu zu enthüllen.89 Im Makrokontext des Markusevangeliums lässt sich die Perikope mit zwei weiteren Schlüsseltexten verbinden, nämlich mit der Taufe Jesu (Mk 1,9–11) und dem Bekenntnis des Hauptmanns unter dem Kreuz (Mk 15,39), weil in diesen drei Texten Jesus als Sohn Gottes in besonderer Weise demonstriert wird. Diese Bekenntnisse sind Strukturpfeiler und zugleich „Schlüsselstellen markinischer Christologie“.90 In diesem Zusammenhang ist eine Entwicklungsdynamik der Bezeichnung Jesu als ὁ υἱός µου hin zu υἱὸς θεοῦ zu beobachten: Anlässlich der Taufe 86

Vgl. HAENCHEN, Komposition, 6: „Die Verklärungsgeschichte bekräftigt das Jüngerbekenntnis auf ihre Weise“. DECHOW, Theozentrismus, 258, schreibt: „Damit ist die Frage nach der Identität Jesu […] abschließend geklärt: Die falschen Einschätzungen seiner Person sind begründet verworfen, die richtige Einschätzung ist durch Gott selbst bestätigt worden.“ Dazu noch WYPADLO, Verklärung, 96–111. Eine Verbindung der Verwandlungserzählung zum Kontext sieht auch LÜDERITZ, Rhetorik, 187, aufgrund der Hoheitstitel, mit denen Jesus benannt wird (Xριστός, υἱòς τοῦ ἀνθρώπου, υἱòς τοῦ θεοῦ). 87 PERRIN, Composition, 30, dagegen bezieht Mk 9,1 nicht auf das Verwandlungsgeschehnis, sondern auf Mk 13,30 und erklärt den Vers aus pastoralen Motiven erster Christen. 88 Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 244; LÜHRMANN, Markusevangelium, 154. 89 Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 80: „Verschiedene Antworten werden im Verlauf des Evangeliums gegeben und miteinander kombiniert.“ 90 WYPADLO, Verklärung, 53–54.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

bestätigt der himmlische Vater diese Identität in direkter Anrede Jesu (σὺ εἶ ὁ υἱός µου – Mk 1,11), bei der Verwandlung auf dem Berg gilt diese Rede den drei anwesenden Jüngern (οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου – Mk 9,7) und nach dem Tod Jesu am Kreuz wird diese Identität Jesu durch einen römischen Hauptmann für das am Kreuzigungsort versammelte Publikum festgehalten (ἀληθῶς οὗτος ὁ ἄνθρωπος υἱὸς θεοῦ ἦν – Mk 15,39). Nur im Bekenntnis des Hauptmanns am Ende des Markusevangeliums wird die Identität Jesu als Gottessohn explizit durch eine zuverlässige Figur der erzählten Welt bekräftigt.91 Insofern könnte einerseits eine Ausdehnung des Wahrnehmungskreises der Identität Jesu in der erzählten Welt (Jesus selbst – drei Jünger – Beobachter der Kreuzigung) und andererseits eine Verschiebung der Rolle der Identitätsverkündiger (vom Vater/von Gott hin zum Hauptmann/zu den Menschen) festgestellt werden. Wurde Jesus anfänglich durch Gott, den Vater, als Sohn Gottes proklamiert, so wird dies schließlich durch die Menschen anerkannt. 2. Abgrenzung der Perikope Im engeren Kontext des Markusevangeliums lässt sich die Verwandlungserzählung aufgrund folgender Elemente deutlich abgrenzen: durch die Einleitungswendung mit Zeitwechsel (καὶ µετὰ ἡµέρας ἕξ – V. 2),92 die Rahmung durch Paar-Wendungen, deren Teile am Anfang und am Ende der Perikope vorkommen, zum Abrunden der Erzählung (ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος – V. 2 und καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους – V. 9/κατ᾽ ἰδίαν µόνους – V. 2 und τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ᾽ ἑαυτῶν – V. 8),93 Änderung der Textform und des Textstils im Vergleich zum Voranstehenden (Mk 8,31–9,1 ist dem Textstil nach didak91

Zuvor erfolgt dies nur noch in der Rede der unreinen Geister (Mk 3,11; 5,7) sowie in der textkritisch umstrittenen Erzählerrede in Mk 1,1. 92 Vgl. TAYLOR, Mark, 337, zitiert nach CRANFIELD, Mark, 289: „No other temporal statement in Mk outside the Passion Narrative is so precise.“ Hinsichtlich der genauen Zeitangabe am Anfang der Verwandlungsgeschichte siehe auch DECKER, Deixis, 130: „The use of an ordinal with ἡµέρα is a clear indication that a non-metaphorical day (i. e. 24 hours) is intended.“ Auf der anderen Seite ist die anfängliche Zeitbestimmung „curieuse, dans la mesure où Marc nʼa pas lʼhabitude de situer les épisodes chronologiquement“ und kann sich nur auf das Sinai-Geschehen beziehen, das keinen historischen Wert hat, so FOCANT, Marc, 125. Für die Betonung des Bezuges zum Alten Testament siehe weiter MCCURLEY, Six Days, 67–81. Dazu vgl. noch SCHNELLBÄCHER, Καὶ µετὰ ἡµέρας ἕξ, 252– 257; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 243; LÜHRMANN, Markusevangelium, 154; WYPADLO, Verklärung, 48; LÜDERITZ, Rhetorik, 198. 93 Die Verwandlung wird als eine durch Inklusionselemente charakterisierte und innerhalb des Zusammenhangs demarkierte Fassung verstanden. Genauer gesagt stellen diese einführenden Elemente für NEIRYNCK, Duality, 131, „a progressive double phrase which appears so typical for Mark, that two-steps expressions may be one of the characteristic features of Markan style“ dar. Siehe auch DECKER, Deixis, 130–131.

B. Textanalyse

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tisch-dialogisch, mit Mk 9,2 erfährt der Text eine Wendung hin zu einer mehr narrativen Form), Themenwechsel (die Metamorphose Christi ab Mk 9,2 im Unterschied zum vorherigen Thema der Nachfolge in Mk 8,34–38), Ortswechsel (von τὰς κώµας Καισαρείας τῆς Φιλίππου in Mk 8,27 nach ὄρος ὑψηλόν in Mk 9,2)94 und Personenwechsel (vorher in Mk 8,34 sind das Volk, die zwölf Jünger und Jesus die an der Rede beteiligten Personen, während Mk 9,2 ausdrücklich sagt, dass ausschließlich Jesus und drei vertraute Jünger anwesend sind – Petrus, Jakobus und Johannes).95 Während der Anfang der Perikope infolgedessen bei allen Kommentatoren mit V. 2 bestimmt wird, erweist sich die Bestimmung des Endes der Perikope als schwieriger.96 Wypadlo zeigt, dass trotz eines klar definierten Erzählanfangs „die kontextuellen Übergänge nach hinten hin fließend sind“.97 Er schließt sich der Mehrheit der Ausleger an, welche das Ende des Textes über die Verwandlung Jesu in V. 8 sehen,98 ob-

94 Trotz des Fehlens einer genaueren Ortsangabe (z. B. die Benennung eines Dorfes, einer Stadt) erwähnt Markus einen hohen Berg als Ort dieser Verwandlung Christi – ὄρος ὑψηλόν (V. 2). Aus dem Verlauf des Kontextes könnte man auch andere Orte vermuten, denn in Mk 8,27 haben wir τὰς κώµας Καισαρείας τῆς Φιλίππου, dann παρεπορεύοντο διὰ τῆς Γαλιλαίας (Mk 9,30) und schließlich ἦλθον εἰς Καφαρναούµ (Mk 9,33). Daraus wäre die Gegend an der Grenze zwischen Cäsarea und Galiläa als Ort der Verwandlung zu vermuten (MAJOROS-DANOWSKI, Elija, 200–201, identifiziert den Berg der Verwandlung mit dem Berg Hermon), aber nur unter der wichtigen Voraussetzung eines historischen Interesses des Verfassers des Evangeliums, was aber eher unwahrscheinlich ist. Signifikanter als die Geographie scheint doch in diesem Zusammenhang die Topographie zu sein, d. h. der Berg als Ort der Gottesbegegnung und damit die theologische Bedeutung eines solchen Ortes, vgl. etwa die alttestamentlichen Vorbilder: Mose auf dem Sinai – Ex 34, Elia auf dem Horeb – 1 Kön 19,8–13). Um den Ortswechsel zu illustrieren und zu betonen, rekurriert der Verfasser erneut auf „double statement“, so NEIRYNCK, Duality, 95. Vgl. weiter PAINTER, Mark, 123: „The mountain is not named but symbolises the place of revelation“, so auch Müller, „Wer ist dieser?“, 92–93. Ähnlich auch DSCHULNIGG, Markusevangelium, 243; LÜHRMANN, Markusevangelium, 154 und BOSENIUS, Raum, 260: „Zwar ist es aufgrund der Ortsangabe εἰς τὰς κώµας Καισαρείας τῆς Φιλίππου in Mk 8,27 mit dem Hermon zu identifizieren. Doch wie weiter oben schon dargestellt worden ist, enthält die Passage, die auf dem hohen Berg spielt, so viele Anspielungen auf andere Berge, die traditionell als Orte der Gottesbegegnung fungieren, dass die Interpretation dieser Episode keiner exakten Lokalisierung des Schauplatzes bedarf.“ 95 Vgl. NEIRYNCK, Duality, 111; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 243. 96 Vgl. ÖHLER, Verklärung, 197. 97 WYPADLO, Verklärung, 48. 98 Vgl. WILSON, Transfiguration, 260; EVANS, Mark 8:27–16:20, 30–32; GRUNDMANN, Markus, 232; BAYER, Markus, 326; PAINTER, Mark, 123; FOCANT, Marc, 125; EDWARDS, Mark, 261; KARAVIDOPOULOS, Marcu, 210–217; PESCH, Markusevangelium, II, 70–71 (wobei die Verwandlung und das folgende Gespräch über Auferstehung als eng verbunden dargestellt werden); SCHWEIZER, Markus, 97; CRANFIELD, Mark, 289; GNILKA, Markus, II, 30–36; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 243; LÜHRMANN, Markusevangelium, 154– 155; WYPADLO, Verklärung, 48–49.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

wohl er Elemente identifiziert, die auch für V. 9 sprechen.99 Kurt Aland, Karl Kertelge, Benoît Standaert und Simon Lee betrachten V. 10 als Abschluss, da sie auch die Rede der Jünger über die Auferstehung als Bestandteil sehen.100 Markus Öhler gesteht V. 9 eine gewisse Grenzrolle zwischen dem Verwandlungsereignis und der nachfolgenden Jüngerrede über die Auferstehung zu. 101 Wieder andere Interpreten argumentieren für eine Langfassung bis V. 13.102 Meiner Ansicht nach beinhaltet V. 9 einige zum Ereignis der Verwandlung Jesu gehörende Elemente: die Erwähnung des Herabsteigens vom Berg (καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους) als Syntagma, das mit ἀναφέρει αὐτούς εἰς ὄρος aus V. 2 korrespondiert,103 die erneute Nennung des Repertoires von Figuren wie am Anfang der Perikope mit Jesus als Initiator und den drei Jüngern als Adressaten (διεστείλατο αὐτοῖς) und nicht zuletzt das Schweigegebot (ἵνα µηδενὶ ἃ εἶδον διηγήσωνται, εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ) als Bekräftigung der Vertraulichkeit des Ereignisses, die erst nach der Auferstehung aufgehoben werden soll. Schließlich zeigt sich der Passus von der Texteinheit (9,2–8) gegenüber dem nachkommenden Textteil (9,9– 10) thematisch schwer abgrenzbar.104 Mit Öhler kann V. 9 treffend eine „Abschluss- und zugleich Weiterführungsrolle“105 zuerkannt werden. Luz sieht, wenngleich in der matthäischen Version, ebenfalls im Schweigegebot Jesu den Abschluss der Perikope106 und darin zugleich eine „Scharnierfunktion“107 zwischen der Verwandlungsperikope und dem nachfolgenden Gespräch Jesu mit seinen drei Jüngern. Grundlage dieser Untersuchung der markinischen Verwandlungserzählung wird somit die Texteinheit Mk 9,2–9 sein. 99 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 49: „Die deutlichen Berührungen zwischen Bergaufstieg und Bergabstieg sind unverkennbar, insofern hier und da Verben der Bewegung (V. 2: ἀναφέρει; V. 9: καταβαινόντων) mit autoritativen Handlungen Jesu (V. 2: παραλαµβάνει; V. 9: διεστείλατο) kombiniert werden.“ 100 Vgl. Synopsis Quattuor Evangeliorum, 236–238; S. S. LEE, Transfiguration, 13; STANDAERT, Marc, 94; KERTELGE, Markusevangelium, 88–89, der zugibt, „die vorgegebene Erzählung umfaßt im wesentlichen 2–8“. 101 Vgl. ÖHLER, Verklärung, 202. 102 Vgl. DONAHUE/HARRINGTON, Mark, 267; HENDRIKSEN, Mark, 337; WITHERINGTON, Mark, 259. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 96, sieht ein Verhältnis zwischen 9,2–8.9 und 9,11–13. 103 Vgl. DECKER, Deixis, 131. Darüber hinaus siehe noch BOSENIUS, Raum, 58, Anm. 3, die „Mk 9,9f. in einen kohärenten Zusammenhang mit Mk 9,2–8“ setzt, denn „Mk 9,9 bildet zusammen mit Mk 9,2 eine Inklusion“. 104 SCHWEIZER, Markus, 99: „Der Zusammenhang ist unklar.“ 105 ÖHLER, Verklärung, 202. Zugleich TRAKATELLIS, Authority, 57: „[…] for it connects the transfiguration with the resurrection. The connection once more manifests the supernatural character of the transfiguration.“ 106 Vgl. LUZ, Matthäus, II, 504. 107 Ebd.: „Der Vers ist zugleich der dem Aufstieg auf den Berg V 1 entsprechende Abschluß der Verwandlung und der Übergang zum Gespräch mit den Jüngern.“

B. Textanalyse

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3. Gliederung von Mk 9,2–9 Was die Strukturierung108 der Perikope angeht, lässt sich die oben festgestellte Texteinheit in folgende Teile gliedern: 1. Einleitung (V. 2ab): Erwähnung der Zeit (καὶ µετὰ ἡµέρας ἕξ), der beteiligten Personen (παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην) und des einsamen Ortes (ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλόν). 2. Verwandlung Jesu (V. 2c–3): Bericht vom Ereignis der „Verwandlung“ Jesu vor seinen Jüngern (καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν) und erzählerische Ausgestaltung (Beschreibung seiner Kleider als „hell und sehr weiß“/ στίλβοντα λευκὰ λίαν, von einer überirdischen Qualität – οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι). 3. Erscheinung Moses und Elias (V. 4): Bericht von der Unterredung dieser mit Jesus (ἦσαν συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ). 4. Reaktion Petri und deren Bewertung (V. 5–6): Einmischung ins Gespräch Moses und Elias mit Jesus durch Äußerung gefühlter Freude (καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι) und eines scheinbar unverständlichen Vorschlags (οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ), drei Hütten zu bauen (ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς), sowie Erwähnung der Verwirrung aller drei Jünger (ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο). 5. Himmelsstimme aus der Wolke (V. 7): Deklaration Jesu als „mein geliebter Sohn“ (ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός)109 und Befehl „auf ihn sollt ihr hören“ (ἀκούετε αὐτοῦ). 6. Ende des Geschehens und Schweigegebot (V. 8–9): Verschwinden von Mose, Elia und der Wolke und Zurückbleiben der drei Jünger mit Jesus allein (τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ᾽ ἑαυτῶν), der von ihnen über das Erlebte bis zur Auferstehung des Menschensohns (εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ) zu schweigen verlangt (ἵνα µηδενὶ ἃ εἶδον διηγήσωνται). II. Sprachlich-syntaktische Analyse 1. Wortschatz Die Verwandlung Jesu auf dem Berg wurde vom Verfasser des Markusevangeliums anhand von 28 Verben, 17 Substantiven, 17 Pronomina, neun Adjektiven, sechs Konjunktionen, sieben Präpositionen, fünf Adverbien und einer Partikel erzählt. Im Allgemeinen werden Wörter gebraucht, die im Markusevangelium oft verwendet werden. Eine wichtige Ausnahme bezieht sich auf 108

Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 9: „Die Frage [Wer ist dieser? – C. P.] ist von Belang auch für Gliederung und Gattungsbestimmung.“ Für eine ähnliche Strukturierung, allerdings ohne das Einbeziehen des Verses 9,9, siehe auch WYPADLO, Verklärung, 52. 109 Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 155. Jede (in)direkte Antwort auf die Frage nach der Identität Jesu ist zugleich eine „offene Frage“, d. h. eine Herausforderung an die Leserschaft.

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das die Verwandlung Jesu bezeichnende Verb µεταµορφόω, das kein weiteres Mal im Markusevangelium vorkommt und im übrigen Neuen Testament nur in der matthäischen Parallelstelle (Mt 17,2) sowie an zwei weiteren Stellen (Röm 12,2; 2 Kor 3,18). Darüber hinaus verwendet Markus auch Wörter mit einer symbolischen Bedeutung, wie die weiße Bekleidung Jesu oder den Berg als Ort des erhabenen Geschehens.110 Es begegnen nicht viele Wortwiederholungen in Mk 9,2–9, aber es kann eine gewisse Gestaltung des Wortschatzes in Richtung der Hervorhebung optischer Wahrnehmung (sehen, strahlen, erscheinen, überschatten usw.) beobachtet werden: Die Verwandlung geschieht „vor Augen“ (ἔµπροσθεν – V. 2) und wird für die sichtbare Wahrnehmung gedeutet (στίλβοντα λευκὰ λίαν – V. 3), Elia und Mose erscheinen (ὤφθη – V. 4), die Wolke überschattet (ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα – V. 7), die drei Jünger blicken am Ende um sich herum (περιβλεψάµενοι – V. 8) und sehen (εἶδον – V. 8) nur Jesus. Zugleich verbietet Jesus den drei Jüngern, über das Gesehene (ἃ εἶδον – V. 9) zu sprechen. Das Sehen konstituiert ein theologisches Thema, das neben anderen Themen das ganze Evangelium durchzieht und gestaltet.111 2. Wortarten und Wortformen Die Feststellung, dass „the two major aspects of NT Greek are the present and the aorist“,112 trifft auch auf die Verwandlungerzählung zu:113 Die in dieser Perikope verwendeten Tempora sind Präsens und Aorist mit zwei Ausnahmen, einem periphrastischen Imperfekt mit Partizip und durativer Aktionsart (ἦσαν συλλαλοῦντες – V. 4)114 und einem Plusquamperfekt115 (ᾔδει – V. 6). Die Perikope wird durch abwechselnde Verbalformen strukturiert, die sich jeweils ergänzen.116 Eine Wechselwirkung zeigt sich auch beim im Markusevangelium häufig anzutreffenden Präsens mit Vergangenheitssinn (Praesens historicum – παραλαµβάνει – V. 2a)117 und am Ende mit einem Aorist von 110

Vgl. LÜDERITZ, Rhetorik, 190–191. Vgl. ebd. 199. 112 FANNING, Aspect, 420. 113 An erster Stelle im Markusevangelium und sogar im ganzen Neuen Testament stehen hier Verben in der Aoristform eng begleitet von Präsensformen. Ein erhellendes Schema bietet DECKER, Deixis, 92–94. Außerdem siehe auch WYPADLO, Verklärung, 50. 114 Periphrastisch mit Partizip, „um ein fortdauerndes oder fortschreitendes Tempus auszudrücken“, so M. BLACK, Muttersprache, 130; BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 353,3 mit Anm. 8; KILPATRICK, Usage, 51–55; FANNING, Aspect, 313–314. 115 Vgl. VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 379; BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 347,2. 116 Vgl. FANNING, Aspect, 124: „[…] the aspects form an equipollent opposition, rather than a privative one“. 117 Das Praesens historicum ist typisch für Erzählungen und häufig bei neutestamentlichen Verfassern anzutreffen, besonders bei Markus, der es 151-mal, davon 72-mal mit 111

B. Textanalyse

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futurischer Bedeutung118 (ὅταν … ἀναστῇ – V. 9b). Dieser Präsensgebrauch zeigt, so Lüderitz, „daß die historische Zeit durch eine andere, als gegenwärtig empfundene Zeitstruktur überlagert wird“.119 Trotz der durch die Präsensform der Verben erzeugten Linearität der Erzählung120 bleibt die Aktionsart meist punktuell und die sich anschließenden Ereignisse stehen im Aorist:121 ingressiv122 (ἐγένετο123 – V. 3 + 7) oder konstatierend-komplexiv124 (λευκᾶναι – V. 3, ἀποκριθείς – V. 5, ποιήσωµεν – V. 5). Auch das die eigentliche Verwandlung Jesu beschreibende Verb steht im Aorist Passiv (µετεµορφώθη – V. 2), einer Form des sog. Passivum divinum. In präsentischer Form stehen , dagegen die in der Antwort des Petrus (λέγει ἐστίν – V. 5)125 und in der Stim126 me aus der Wolke (ἐστίν, ἀκούετε – V. 7) gebrauchten Verben wie auch die, welche die Funktion einer örtlichen Rahmung der Erzählung erfüllen.127 Aufgrund beider Tempora wird das Ereignis in einer durch „internal (Present) and external (Aorist) view of occurrence“128 gestalteten Form erzählt. Damit wird der Erzählung mehr Lebendigkeit verliehen.129 Die große Anzahl der Verben macht die Erzählung dynamisch. Darunter sind Verben des Sagens (ἦσαν συλλαλοῦντες – V. 4, ἀποκριθείς, λέγει – V. 5, ἀποκριθῇ – V. 6, διεστείVerben des Sprechens, verwendet. Vgl. HOFFMANN/VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 197d. Dazu vgl. auch BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 321, VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 369, und MOULTON /TURNER, Grammar, 20. Für die einführende Kraft des Praesens historicum vgl. FANNING, Aspect, 226: „Vivid or dramatic narration of past events is the common characteristic of the use.“ Eine zusammenfassende Darstellung des Praesens historicum im Markusevangelium findet sich bei DECKER, Deixis, 104, der diesem auch eine Rolle des „narrative transition“ zuschreibt, die „semantically more heavily marked is: the imperfective aspect of the present form“. 118 Proleptischer, vorwegnehmender oder futurischer Aorist, so VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 375, und DECKER, Deixis, 50. 119 Vgl. LÜDERITZ, Rhetorik, 190–191. 120 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 318,2. 121 Vgl. ebd. § 321. 122 Der Anfangspunkt wird hier hervorgehoben, vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 331; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 374; FANNING, Aspect, 263. 123 Ἐγένετο fungiert als Indikator des Seinsbeginns. Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 354,1; HOFFMANN/VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 217e. Καὶ ἐγένετο dient auch als Einführungselement wie in 9,7, obwohl die Stelle nicht dazu zählt. 124 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 318,1; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 374; FANNING, Aspect, 261. 125 Besonders εἶναι – Infinitiv Präsens Aktiv. Zum Infinitiv als Subjekt vgl. HOFFMANN/VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 217d; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 404. 126 Vgl. FANNING, Aspect, 339: „General precepts usually occur in the present and specific commands usually occur in the aorist.“ 127 Ἀναφέρει, καταβαινόντων, vgl. DECKER, Deixis, 130–131; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 422–423. 128 FANNING, Aspect, 420. 129 Vgl. REISER, Sprache, 58–59.

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λατο, διηγήσωνται – V. 9), der optischen Wahrnehmung (µετεµορφώθη – V. 2, λευκᾶναι – V. 3, ὤφθη – V. 4, ἐπισκιάζουσα – V. 7, περιβλεψάµενοι, εἶδον – V. 8, εἶδον – V. 9), des Hörens (ἀκούετε – V. 7), des Machens (ποιήσωµεν – V. 5), des Werdens (ἐγένετο στίλβοντα – V. 3, ἔκφοβοι ἐγένοντο – V. 6, ἐγένετο νεφέλη, ἐγένετο φωνή – V. 7, ἀναστῇ – V. 9), des Könnens (δύναται – V. 3), des Seins (ἐστιν, εἶναι – V. 5, ἐστιν – V. 7), des (Un-)Wissens (οὐ[κ] ᾔδει – V. 6) und der Bewegung (παραλαµβάνει, ἀναφέρει – V. 2, καταβαινόντων – V. 9) anzutreffen. Das Platzieren der Verben am Anfang der Sätze und deren Einleitung durch die Präposition καί schaffen ein höheres Erzähltempo.130 Von den 17 im Text vorkommenden Substantiven sind sechs Personennamen (Jesus mit seinen drei Jüngern – Petrus, Jakobus und Johannes –, Mose und Elia), die im Laufe der Erzählung insgesamt zwölfmal wiederholt werden, am häufigsten der Name Jesu: ὁ Ἰησοῦς – V. 2, τῷ Ἰησοῦ – V. 4.5, τὸν Ἰησοῦν – V. 8. Zugleich beziehen sich die meisten Substantive auf Jesus. Außer mit seinem expliziten Namen wird er auch als Lehrer (ῥαββί – V. 5), geliebter Sohn (ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός – V. 7) und indirekt als Menschensohn (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου – V. 9) bezeichnet. Alle auf die Person Jesu bezogenen Namen werden mit Artikel geschrieben. Das gilt auch für seine drei auf den Berg geführten Jünger (τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην – V. 2) bzw. für Petrus (ὁ Πέτρος – V. 5). Die anderen Substantive veranschaulichen die Zeit (ἡµέρας – V. 2), den Ort (ὄρος – V. 2), die Manifestierung der Verwandlung (τὰ ἱµάτια, γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς – V. 3), den Inhalt des Vorschlags Petri (σκηνάς – V. 5) und die Deutung des Geschehens (νεφέλη, φωνή – V. 7). Weiter besteht ein deutliches Interesse des Verfassers an den drei von Jesus mitgenommenen Jüngern, die anfangs mit Namen und danach mittels Pronomina in der Erzählung erwähnt werden: Nachdem Jesus sie auf den Berg mitnimmt, wird er vor ihnen (ἔµπροσθεν αὐτῶν – V. 2) verwandelt, ihnen und Jesus (αὐτοῖς – V. 4) erscheinen Mose und Elia, sie fühlen sich gut auf dem Berg (καλόν ἐστιν ἡµᾶς – V. 5) und werden auch mit Jesus von der Wolke überschattet (ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς – V. 7), Jesus bleibt allein bei ihnen (µεθ᾽ ἑαυτῶν – V. 8) und ihnen verbot er auch (διεστείλατο αὐτοῖς – V. 9), über das Geschehene zu sprechen. Dieses Interesse ist auch in Bezug auf die Person Jesu zu beobachten, die mittels Rekurrenz, Substitution und Proformen dargestellt wird. Jesus wird in allen Versen – außer in V. 6 – als anwesend vorgestellt. Nach seiner ersten expliziten Benennung (ὁ Ἰησοῦς – V. 2) wird er in gleicher Form noch dreimal erwähnt (V. 4.5.8). Sein Name „Jesus“ wird dreimal substituiert: von Petrus (ῥαββί – V. 5), von der Stimme aus der Wolke (ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός – V. 7) und von sich selbst (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου – V. 9).131 130

Vgl. ebd. 59. Ein einziger Begriff genügt kaum, um Jesus hinreichend zu erfassen, und deswegen kombiniert Markus mehrere Bezeichnungen; so auch treffend MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 141–144. 131

B. Textanalyse

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Anhand von Proformen wird Jesus noch viermal zusätzlich präsentiert (τὰ ἱµάτια αὐτοῦ – V. 3; σοί – V. 5; οὗτός ἐστιν und ἀκούετε αὐτοῦ – V. 7). Die Adverbien werden einerseits zur Bestimmung der räumlichen (ὧδε – V. 5) und zeitlichen (ἐξάπινα – V. 8) Verortung und andererseits in Beschreibungen (λευκὰ λίαν – V. 3, οὕτως λευκᾶναι – V. 3 und οὐκέτι οὐδένα – V. 8) eingesetzt. 3. Verknüpfung von Wörtern und Sätzen Bei der Anordnung der Sätze spielt die Koordinationskonjunktion καί132 eine für das Markusevangelium charakteristische Rolle, wodurch die Erzählungen durchaus auch einförmig133 werden, aber durch die Vermittlung der raschen Aufeinanderfolge von Szenen bleibt ein gewisser „Überraschungseffekt“134 dennoch bestehen. Zugleich wurde der Gebrauch dieser Konjunktion als ein deutliches Zeichen der mündlichen Äußerung verstanden.135 Alle Verse der Verwandlungsperikope mit Ausnahme von V. 6 sowie alle Sätze mit Ausnahme von V. 3b (οἷα), V. 6 ab (οὐ γάρ, γάρ) und der beiden direkten Reden beginnen mit dieser Konjunktion.136 Die kopulative Grundbedeutung „und“ kann verschiedene, vom Kontext abhängige Sinnvariationen haben, in diesem Fall als καί consecutivum (καὶ ποιήσωµεν – V. 5c),137 eventuell temporal zu verstehen (καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στίλβοντα λευκὰ λίαν – V. 3)138 oder, um mit der Erzählung eines neuen Ereignisses zu beginnen (καὶ µετὰ ἡµέρας ἕξ – V. 2).139 Außer καί findet sich im Text noch eine kausal koordinierende Konjunktion,140 (γάρ – V. 6) eine adversative141 (ἀλλά – V. 8) und eine subordinierend temporale142 (ὅταν – V. 9). Sowohl das „objective οὐ“143 wie auch das „subjective µή“144 werden als Negationspartikel entweder selbstständig 132

Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 442; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik,

§ 445. 133

BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 442. REISER, Syntax, 105. 135 Vgl. KELBER, Speaking, 65–66. 136 Vgl. MALONEY, Syntax, 67–68. 137 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 442; REISER, Syntax, 123. 138 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 442; MALONEY, Syntax, 69. 139 Vgl. MALONEY, Syntax, 67–68. 140 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 452. KILPATRICK, Particles, 183, schreibt: „γάρ disturbs the marcan order“. 141 In V. 8 stellen wir eine Ersetzung von εἰ µή durch ἀλλά fest, vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 448,1; MOULTON/TURNER, Grammar, 13; M. BLACK, Muttersprache, 113–114. Gegen eine solche Ersetzung spricht TURNER, Usage, 108. Zugleich deutet sie nach DECKER, Deixis, 130, auf einen „change of scene“ hin. 142 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 455. 143 BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, §§ 426, 428.1, 5; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 440. 144 BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 426; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 441– 442. 134

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

oder innerhalb des Schemas οὐδένα – µηδενί oder des Negationsadverbs οὐκέτι eingesetzt, um die Vorstellungs- (οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι – V. 3), die Verstehens- (οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ – V. 6), die Sehenskapazität (οὐκέτι οὐδένα εἶδον – V. 8) und die vermutende Intention zum Reden (µηδενὶ διηγήσωνται – V. 9) zu verneinen. Die doppelte Verneinung in V. 8 (οὐκέτι οὐδένα) hat die Funktion, das Alleinbleiben Jesu mit seinen drei Jüngern am Ende der Verwandlungsszene zu betonen.145 4. Stil und Rhetorik Trotz der bisherigen Meinungen, der Stil der Verwandlungserzählung sei dem allgemeinen Stil des Markusevangeliums zuzuordnen, der unter anderem als volkstümlich und ungekünstelt charakterisiert werden könnte,146 sind andere Exegeten zu der Überzeugung gelangt, dass es sich um einen „Stil“ handelt, „der als literarisch bezeichnet werden muss“.147 Auch wenn er die Anwesenheit einer lexikalischen Monotonie im Text des Markusevangeliums beobachtet, erkennt Reiser den Wert des sprachlichen Stils dieses neutestamentlichen Werkes: „Parataxe mit καί, einfacher, wenig variierender Wortschatz und lebhafter Tempuswechsel mit erzählenden Präsentia“148 sind von einer „Lebendigkeit, Anschaulichkeit und Energie, die von seinen Nachfolgern und Ausbeutern traurig verwässert wurde“.149 Auch in der Verwandlungserzählung ist kein „sprachlicher Purismus“150 zu beobachten, denn die Ausdrucksweise lässt sich „von einer merkwürdigen Mischung sprachlicher Einflüsse“151 auf der Basis des hellenistischen Griechisch skizzieren.152 Auf jeden Fall deuten das überwiegende Platzieren der Verben am Beginn der Sätze, ihre Stellung vor dem Subjekt in fast allen Sätzen, die Hervorhebung wichtigster Erzähl145

Vgl. VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 444. Vgl. WENDLAND, Literaturformen, 270, zitiert nach REISER, Syntax, 168. Über eine „Holzschnitthaftigkeit“ des Markusevangeliums spricht außerdem HENGEL, Entstehungszeit, 14. In ähnlicher Richtung argumentiert auch M. BLACK, Muttersprache, 64; er nennt es „unliterarisches Griechisch oder Übersetzungsgriechisch“. Dazu noch LÜDERITZ, Rhetorik, 167, der meint, „einem gebildeten Griechen mußte die Sprache des Markus barbarisch und unkultiviert vorkommen“. 147 REISER, Syntax, 162. 148 REISER, Sprache, 58. 149 ZUNTZ, Heide, 214. 150 RÜEGGER, Reflexionen, 14. 151 Ebd. Auch ZUNTZ, Heide, 214, beschreibt den literarischen Stil des Markusevangeliums als „problematisches mixtum compositum aus volkstümlichem Griechisch, einigen Latinismen und fundamental semitischen Elementen“. 152 Vgl. REISER, Sprache, 33: „Das Griechisch des Neuen Testaments ist nicht nur dadurch charakterisiert, daß es sich um eine Koine handelt, die der gesprochenen Sprache nahe steht und sich nur selten zur Stilhöhe der literarischen Koine aufschwingt; charakteristisch für den Stil dieser Schriften ist auch die unverkennbar semitische Prägung.“ 146

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momente anhand der Verben, die große Neigung zur Parataxe,153 die „Vorliebe für das erzählende Präsens“154 und die Rekurrenz pleonastischer Konstruktion auf die „mutmaßliche Umgangssprache“155 hin. Derselben Ansicht sind Folkert Fendler,156 Werner Kelber157 sowie auch Adrian Wypadlo.158 Beginnt die Perikope in einem nüchtern-abgewogenen Stil, so gewinnt sie im Textverlauf Erregtheit, aber auch Bildhaftigkeit. Dazu tragen rhetorische Figuren bei wie Paronomasie (λευκὰ λίαν […] λευκᾶναι – V. 3),159 Parenthese (V. 6)160 und pleonastische Konstruktion (κατ᾽ ἰδίαν µόνους – V. 2, στίλβοντα λευκὰ λίαν – V. 3 und οὐκέτι οὐδένα – V. 8).161 Die stilistische Bescheidenheit schadet aber nicht der theologischen Aussage des Evangeliums, da sie nur ein „Mittel seiner literarischen Strategie“162 ist; denn anhand aller oben erwähnten Sprachelemente gelingt es dem Verfasser sehr wohl, das theologische Gewicht der Szene zu unterstreichen.163 5. Strukturen des Textes Im Zusammenspiel von erzählendem Bericht und wörtlicher Rede kann die Verwandlungserzählung wie folgt gegliedert werden: in den Erzählbericht, der merklich bevorzugt wird, und in die direkte Rede, die nur an zwei Stellen erfolgt. Bei Letzterem geht es erstens um das an Jesus gerichtete Wort Petri in V. 5c–d (ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν) und zweitens um das an die Jünger gerichtete Wort der Himmelsstimme in V. 7e–f (οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἀκούετε αὐτοῦ). Jede der beiden direkten Redewiedergaben wird von berichtenden Teilen gerahmt, wodurch sich ein doppeltes sandwiching ergibt: 9,2–5b Erzählung (E) 9,5c–d Rede (R) 9,6–7d Erzählung (E) 9,7e–f Rede (R) 9,8–9 Erzählung (E) 153

Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 471. Ebd. 14. 155 RÜEGGER, Reflexionen, 14. Dazu POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 333.381. 156 Vgl. FENDLER, Studien, 47. 157 Vgl. KELBER, Speaking, 64–65. 158 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 52. 159 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 488. 160 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 465; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 508. 161 Vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 484; VON SIEBENTHAL, Kurzgrammatik, § 513. 162 POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 381. 163 Vgl. LAMARCHE, Révélation, 18–21. 154

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Die direkte Rede ist kaum als Dialog zu beschreiben, da keine der beiden direkten Redewiedergaben unmittelbar von einer folgenden Antwort begleitet wird. Der Erzähler pointiert mittels direkter Rede zwei Momente der Verwandlungserzählung, die Wahrnehmungen des Ereignisses auf dem Berg formulieren. Der Text ist auch aus der Perspektive der an der Geschichte beteiligten Personen zu gliedern. Was die Akteurszahl betrifft, so steigt diese schrittweise innerhalb der Erzählung bis zum Hauptpunkt der bestätigenden Stimme aus der Wolke, um danach ganz abrupt zu den anfänglichen Teilnehmern zurückzukehren: V. 2–3: Jesus und die drei Jünger (Petrus, Jakobus, Johannes164) V. 4–6: Jesus und die drei Jünger (Petrus, Jakobus, Johannes) – Elia und Mose V. 7: Jesus und die drei Jünger (Petrus, Jakobus, Johannes) – Elia und Mose – die Himmelsstimme („the heavenly three and the earthly three“165) V. 8–9: Jesus und die drei Jünger (Petrus, Jakobus, Johannes) Die Klimax ist erreicht, wenn alle in die Geschichte involvierten Personen gleichzeitig interagieren: Vaterstimme Elia Elia Mose Mose Jesus Jesus Jesus Johannes Johannes Johannes Jakobus Jakobus Jakobus Petrus Petrus Petrus

Jesus Johannes Jakobus Petrus

Hinzuweisen ist auch auf eine Steigerung der auf die Person Jesu bezogenen Näherbestimmungen im Erzählungsduktus, die mehrere Erkenntnisstufen implizieren: Zu Beginn wird der unter der jüdischen Bevölkerung übliche Name Jesus (ὁ Ἰησοῦς – V. 2) verwendet. Von einem seiner Jünger, Petrus, der auch im Namen der anderen zwei Jünger (Jakobus und Johannes) spricht, wird Jesus als Lehrer bezeichnet (ῥαββί – V. 5). Die noch bedeutsamere Näherbestimmung erfährt Jesus aber in der Klimax, als alle am Ereignis beteiligten 164

Es kann behauptet werden, dass die Gruppe dieser drei Jünger eine Sonderrolle innerhalb des Zwölferkreises einnimmt; denn sie erleben Jesus separat von den anderen auch bei der Auferweckung der Tochter des Jaïrus (Mk 5,37) und bei seinem Gebet in Gethsemane (Mk 14,33). In diesem Sinne behauptet unter anderem STOCK, Boten, 205, dass „die 3 wohl als Kerngruppe innerhalb des 12-Kreises“ angesehen werden können. 165 S. S. LEE, Transfiguration, 11.

45

B. Textanalyse

Personen anwesend sind. Das ist nicht nur ein Höhepunkt hinsichtlich der Akteurszahl, sondern auch in Bezug auf die Näherbestimmung, die eine Steigerung hinsichtlich seiner bisher anerkannten Identität zum Ausdruck bringt: ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός – V. 7. Am Ende der Erzählung wird erneut das anfängliche Appellativ benutzt (τὸν Ἰησοῦν – V. 8) und der von Jesus erwähnte Titel (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου – V. 9). Es ergibt sich folgendes Schema: ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός ῥαββί ὁ Ἰησοῦς

τὸν Ἰησοῦν/ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου

III. Semantische Analyse Die semantische Analyse fragt nach dem „Bedeutungsuniversum“ des Textes anhand des vorhandenen Wortmaterials.166 Sie untersucht die dadurch zum Ausdruck kommenden Bedeutungen und Bedeutungsbeziehungen.167 1. Erstellung eines semantischen Inventars Der in Mk 9,2–9 verwendete Wortschatz lässt sich in vier thematische Sinnlinien gruppieren: Die erste Gruppe wird aus Wörtern gebildet, die die optische Wahrnehmung oder generell das Sehen veranschaulichen; eine zweite Gruppe besteht aus akustischer Wahrnehmung bzw. den das Hören bzw. Reden bezeichnenden Wörtern; die dritte semantische Sinnlinie bezieht sich auf die die irdische Realität darstellenden Wörter, während die vierte auf Wörtern beruht, welche auf eine überirdisch-himmlische Realität verweisen. Sehen

Reden/Hören

Irdisch/Erde

Überidisch/Himmel

µετεµορφώθη ἔµπροσθεν στίλβοντα λευκὰ λίαν γναφεύς λευκᾶναι ὤφθη νεφέλη ἐπισκιάζουσα περιβλεψάµενοι εἶδον

συλλαλοῦντες ἀποκριθείς λέγει ἀποκριθῇ φωνή ἀκούετε διεστείλατο διηγήσωνται

τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην ὄρος/τῆς γῆς ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ῥαββί ὁ Ἰησοῦς σκηνάς νεκρῶν ὧδε

Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ νεφέλη ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός

166 167

Vgl. EGGER/WICK, Methodenlehre, 138; SCHNELLE, Einführung, 57. Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 97.

46

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

2. Semantische Oppositionen Die Anwesenheit zweier Aktionsebenen, irdisch und überirdisch bzw. himmlisch, die im Laufe der Erzählung miteinander interagieren, lässt sich noch besser mittels semantischer Oppositionen profilieren, die von entsprechenden Wörtern und Wendungen gebildet sind: τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην ὄρος, τῆς γῆς ὁ Ἰησοῦς, ῥαββί, ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου οὐκέτι οὐδένα εἶδον ἀποκριθείς, λέγει, διηγήσωνται, διεστείλατο στίλβοντα λευκὰ λίαν, λευκᾶναι, γναφεύς οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ ἐκ νεκρῶν ἔκφοβοι ἀναφέρει, καταβαινόντων µετεµορφώθη σκηνάς µόνους

Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ νεφέλη ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός ὤφθη αὐτοῖς ἀκούετε ἐπισκιάζουσα ἦσαν συλλαλοῦντες, καὶ ἐγένετο φωνή ἐκ τῆς νεφέλης ἀγαπητός ἀναστῇ ἐστιν τὰ ἱµάτια σύν

Ein wichtiger Aspekt bezüglich der Interaktion dieser zwei Aktionsebenen bezieht sich auf den Verwandlungsmoment aus V. 2. Er stellt eine Steigerung der Identität Jesu von seiner irdischen zur überirdischen oder himmlischen Gestalt dar, denn ab diesem Zeitpunkt werden z. B. seine Kleider ausdrücklich von einem auf Erden nicht zu findenden Strahlen charakterisiert und er kann mit den zur überirdischen Ebene gehörenden Personen (Mose und Elia) ins Gespräch kommen. 3. Das semiotische Viereck168 Sowohl die semantischen Oppositionen als auch die zwei festgestellten Aktionsebenen des Textes können im Rahmen des sog. semiotischen Vierecks hervorgehoben werden.169 Dreht sich die ganze Erzählung der Verwandlung Jesu auf dem Berg um seine Identität, so wird das Geschehen anhand des semiotischen Vierecks als Gegenüberstellung zweier Ebenen, irdisch und überirdisch/himmlisch, veranschaulicht, in deren Rahmen die die Identität Jesu bildenden Elemente vorgestellt werden. Aus den beiden Sinnlinien unterscheiden sich die expliziten Benennungen Jesu, die entweder von anderen (ὁ Ἰησοῦς, ῥαββί, ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός) oder von ihm selbst (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου) zum Ausdruck gebracht werden. Dadurch lässt sich die Erzählung im folgenden Duktus entschlüsseln: 168

EGGER/WICK, Methodenlehre, 148–151. Vgl. ebd. 149: „Darunter versteht man eine graphische Darstellung, in der die Beziehungen zwischen den Bedeutungselementen dargestellt werden.“ 169

47

B. Textanalyse

1. Alle, die Jesus auf der Erde als Mitmenschen (den irdischen Jesus) oder auch als Rabbi kennengelernt haben, sollten zur Kenntnis nehmen, dass er der geliebte Sohn Gottes ist, und 2. die himmlische Identität Jesu (mit dazugehörender Kraft) manifestiert sich infolge der Synkatabasis des Gottessohnes in seiner menschlichen Gestalt als eines einen üblichen Namen tragenden Menschen (Ἰησοῦς), in seinem verkündigten Evangelium als Lehrer (ῥαββί) und in seiner eschatologischen Funktion als Menschensohn (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου). Erde

Himmel

τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην µόνους ὄρος, τῆς γῆς µετεµορφώθη οὐκέτι οὐδένα εἶδον ἀποκριθείς, λέγει, διηγήσωνται, διεστείλατο στίλβοντα λευκὰ λίαν, λευκᾶναι, γναφεὺς σκηνάς οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ ἔκφοβοι ἀναφέρει, καταβαινόντων ἐκ νεκρῶν

Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ σύν νεφέλη ἐστιν ὤφθη αὐτοῖς ἀκούετε ἐπισκιάζουσα τὰ ἱµάτια ἦσαν συλλαλοῦντες, καὶ ἐγένετο φωνή ἀγαπητός ἀναστῇ ἐκ τῆς νεφέλης

ὁ Ἰησοῦς, ῥαββί, ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου

ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός

IV. Narrative Analyse An der Erzählstruktur der Märchen wurde die narrative Analyse entwickelt, die sich mittlerweile als Erzähltextanalyse oder Narratologie auch bei der Untersuchung biblischer Texte etabliert hat, da „auch in der biblischen Botschaft an vielen Orten eine narrative Grundstruktur wirksam ist“.170 Eine narrative Analyse hat nach Wilhelm Egger und Peter Wick im Wesentlichen mindestens zwei Teile: 1. die Identifizierung der Handlungssequenzen (Aktionen) eines Textes und 2. die Identifizierung der Handlungsträger (derjenigen, die Aktionen betreiben) und deren Interaktion im Laufe der Erzählung.171

170

EGGER/WICK, Methodenlehre, 176. Vgl. ebd. 175–176; SCHNELLE, Einführung, 58. Auf elaboriertere Modelle der narratologischen Bibelexegese kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden, vgl. dazu insgesamt EISEN, Poetik. 171

48

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

1. Handlungssequenzen Das in Mk 9,2–9 erzählte Ereignis der Verwandlung Jesu auf dem Berg kann in mehrere Handlungssequenzen gegliedert werden: V. 2

Καὶ µετὰ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην

Auswahl von drei Jüngern (Petrus, Jakobus und Johannes) durch Jesus

V. 2

καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν

Deren Hinaufführen auf einen Berg durch Jesus

V. 2

καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν

Verwandlung Jesu vor den drei Jüngern

V. 3

καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στίλβοντα λευκὰ λίαν

Strahlen der Gewänder Jesu

V. 4

καὶ ὤφθη αὐτοῖς Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ

Erscheinen von Elia und Mose

V. 4

καὶ ἦσαν συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ

Unterhaltung mit Jesus

V. 5

καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος λέγει τῷ Ἰησοῦ

Ansprechen Jesu durch Petrus

V. 5

ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι

Äußern des Wohlfühlens von Petrus im Namen aller drei Jünger

V. 5

καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.

Vorschlag des Baus dreier Hütten

V. 6

οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ, ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο

Erläutern und Begründen des Vorschlags

V. 7

καὶ ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς

Erscheinen einer Wolke und Überschatten aller Anwesenden

V. 7

καὶ ἐγένετο φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης

Ertönen einer Stimme aus der Wolke

V. 7

οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός

Bezeichnung der Identität Jesu

V. 7

ἀκούετε αὐτοῦ

Ermahnung zum Hören

V. 8

καὶ ἐξάπινα περιβλεψάµενοι

Umherblicken der drei Jünger

V. 8

οὐκέτι οὐδένα εἶδον ἀλλὰ τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ’ ἑαυτῶν

Sehen von Jesus allein durch die drei Jünger

V. 9

Καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους

Absteigen vom Berg

V. 9

διεστείλατο αὐτοῖς ἵνα µηδενὶ ἃ εἶδον διηγήσωνται, εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ

Schweigegebot hinsichtlich des Ereigneten

Wie die Tabelle zeigt, umfasst der Text mehrere Handlungssequenzen, die die Verwandlung Jesu einleiten bzw. vorbereiten, beschreiben, erläutern oder die Auskunft über deren Wahrnehmung geben. Diese Gliederung des Inhalts nach

49

B. Textanalyse

Szenen ist typisch für das ganze Markusevangelium.172 Außer V. 3, der die Auswirkung der Verwandlung auf die äußere Erscheinung Jesu thematisiert, und V. 6, der den Vorschlag Petri bewertet, beschreiben alle anderen Verse zwei (V. 4, V. 8, V. 9), drei (V. 2, V. 5) oder vier (V. 7) Handlungen, die den Text dynamisch gestalten. 2. Handlungsträger Handelnde Personen der Story der Verwandlungserzählung sind Jesus, die drei Jünger Petrus, Jakobus und Johannes, Mose und Elia und die Himmelsstimme als Substitution Gottes, des Vaters. Eigentlich nur sechs der insgesamt sieben Akteure können als konkrete, agierende Personen aufgewiesen werden, denn der Einsatz des siebten Akteurs ist nur von einer Stimme abzuleiten. Gemäß dem von Martin Ebner und Bernhard Heininger skizzierten Modell173 ergibt sich das folgende Schema: Adressant(en) (Gott/Jesus)

Adjuvant(en) (Mose und Elia)

Held (Jesus)

Opponent (Petrus)

Adressat(en) (Jünger/Jesus) Der Held oder der Haupt-Handlungsträger der Verwandlungsperikope ist von Anfang bis Ende eindeutig Jesus, weil er es ist, der verwandelt wird und im Laufe der Erzählung permanent im Zentrum steht: Er nimmt die drei Jünger mit sich und bringt sie auf einen hohen Berg (V. 2), er verwandelt sich vor ihnen (V. 2), seine Kleider werden hell (V. 4), mit ihm reden Mose und Elia nach ihrem Erscheinen auf dem Berg (V. 4), ihm wendet sich Petrus mit seinem Vorschlag zu (V. 5), ihn offenbart die Stimme als geliebten Sohn (V. 7), ihn zu hören werden die Jünger ermahnt (V. 7), am Ende der Ereig172 173

Vgl. LÜDERITZ, Rhetorik, 197, auch BREYTENBACH, Nachfolge, 82–84. Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 79.

50

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

nisse ist nur noch er von den drei Jüngern auf dem Berg zu sehen (V. 8) und er gebietet auch den drei anwesenden Jüngern, über das Gesehene bis zur Auferstehung des Menschensohns zu schweigen (V. 9). Obwohl die Hauptaktion der Verwandlung Jesu anhand eines Passivum divinum zum Ausdruck gebracht wird, lässt sich jedoch seine Beteiligung an dem Bergereignis nicht vorschnell als passiv bezeichnen,174 denn seine dortige Anwesenheit manifestiert sich aktiv in der Unterhaltung mit Mose und Elia oder in dem an die drei gerichteten Schweigegebot. Als Adressant, der durch die Handlungen des Helden eine Botschaft zu vermitteln beabsichtigt, gilt hauptsächlich der Vater, der nicht explizit in der Perikope auftritt.175 Im Text bezeichnet er den verwandelten Jesus als seinen geliebten Sohn und ermahnt, auf ihn zu hören (V. 7). Zugleich wird diese Funktion des Adressanten auch von Jesus selbst übernommen: Er beteiligt die drei von ihm auf den Berg geführten Jünger an seiner Verwandlung und zeigt sich in einer von ihnen bisher nicht gesehenen Erscheinung (V. 3). Die Hauptadressaten bzw. Rezipienten der Handlungen sind die drei Jünger:176 Sie sind von Jesus ausgewählt und auf den Berg hinaufgeführt worden (V. 2), vor ihnen wurde Jesus verwandelt (V. 2), ihnen erschien Elia mit Mose (V. 4), Petrus macht im Namen aller drei einen Vorschlag und sie sind verstört von der Situation (V. 6). Die Himmelsstimme sagt ihnen auch, dass sie auf den geliebten Sohn hören sollen (V. 7), und als sie danach um sich blicken, sehen sie nur noch Jesus (V. 8). Beim Abstieg vom Berg gebietet Jesus ihnen zu schweigen. Dadurch wird auch ein deutlicher Unterweisungsprozess der drei anwesenden Jünger angedeutet.177 Auch Jesus fungiert als Adressat: Ihm erscheinen Mose und Elia, die mit ihm reden (V. 4), ihm gilt der Vorschlag Petri (V. 5), er wird durch die Wolke überschattet und von der Stimme als geliebter Sohn benannt und er ist der Empfänger der Ermahnung der Jünger, auf ihn zu hören (V. 7). Die dreifache Funktion Jesu ist somit wie folgt zu charakterisieren: Held, Adressant und Adressat. Die Position des Jüngers Petrus wechselt in der Story. Er ist Adressat, indem er mit Jakobus und Johannes aller Handlungen der Erzählung teilhaftig wird. Aber er ist auch Opponent (V. 5),178 da er anscheinend die Verwandlung

174

Vgl. THOMPSON, Disbelief, 159–160. Zum Verhältnis zwischen Erscheinen und Verborgenheit Gottes im Markusevangelium siehe BLUMENTHAL, Gott. 176 Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 98.105. 177 Vgl. MEYE, Discipleship, 73–80. 178 Vgl. ebd. 106: „Das Ziel des Ereignisses ist nicht das Bleiben mit Mose und Elia.“ Eine positive Bewertung der Reaktion Petri ist bei HELYER, Witness, 50–51, zu finden, der die Meinung vertritt, Petrus wolle das Ereignis verlängern und man sollte ihn dafür nicht beschuldigen, was die Tatsache zeige, dass Jesus ihn nicht zurückweist oder korrigiert. 175

C. Literarkritik

51

Jesu nicht versteht, wie sein Vorschlag, Hütten zu bauen, zeigt.179 Die Funktionen Petri wechseln sich ab (Adressat – Opponent – Adressat) und können einen Hinweis auf das Unverständnis bzw. das schwankende Verständnis seitens der Jünger (Petrus erscheint im Markusevangelium als Sprecher der Jüngergruppe – z. B. Mk 8,29) geben. Die Haltung Petri in Mk 9,2–9 reiht sich somit in den Gesamtduktus des Markusevangeliums ein, in welchem das Unverständnis der Jünger als ein wichtiges theologisches Thema begegnet. Als Adjuvanten oder Unterstützer des Helden werden die zwei alttestamentlichen Figuren Mose und Elia präsentiert. Ihre Erscheinung unmittelbar nach der Verwandlung Jesu und ihre Unterredung mit ihm reihen sich in die Wahrnehmung des verwandelten Jesus und der überirdischen Welt, zu der auch Mose als bereits Verstorbener und Elia als Entrückter gehören, ein. Auf diese Weise erhalten die Jünger eine Ahnung von der Identität Jesu. Mose und Elia reden mit Jesus und daraus könnte gefolgert werden, dass ihre Erscheinung nur auf die Person Jesu zielt. Aber die Pointe ihres Auftretens zielt auf die drei Jünger bzw. auf deren neues Verständnis von Jesus.180 Ausgehend von allen oben vorgetragenen Arbeitsschritten der Textanalyse sehe ich keine Hindernisse für orthodoxe Neutestamentler, diese ebenfalls in das Repertoire ihrer methodischen Exegese aufzunehmen. Die Erschließung sprachlich-syntaktischer, semantischer und narrativer Strukturen bereichert die Wahrnehmung der Facetten des Textes. Sie eröffnen dem Ausleger die Möglichkeit, daraus mehrere Herangehensweisen für die Erklärung(en) dieses biblischen Textes zu schlussfolgern. Es kann schon hier darauf hingewiesen werden, dass die patristische Exegese sich intensiv mit der philologischgrammatikalischen Analyse der Bibeltexte beschäftigte.181 Schon bei den Kirchenvätern bildeten die Ergebnisse dieses exegetischen Arbeitsschritts die Basis für übertragene oder geistliche Deutungen der Texte.

C. Literarkritik C. Literarkritik Ungeachtet der „definitorischen Vielfalt“182 der Literarkritik besteht ihre Hauptaufgabe darin, die literarische Entwicklungsgeschichte eines Bibeltextes zu erarbeiten und damit sowohl literarische Quellen als auch nachträgliche 179 Eine interessante Darstellung des Missverständnisses des Petrus bietet WIARDA, Peter, 43. 180 Vgl. MEYE, Discipleship, 103–104. 181 Vgl. dazu ausführlich vor allem Kapitel 4 dieser Untersuchung. 182 ADAM, Kompendium, 41 [Hervorhebung im Original]: „Fast alle Methodenbücher nehmen eine eigene Abgrenzung vor, indem sie eine mehr oder weniger enge Verbindung zur Textanalyse einerseits, zur Traditions- und Redaktionsgeschichte andererseits vornehmen.“

52

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Ergänzungen aufzuspüren.183 Die Literarkritik beschränkt sich jedoch nicht nur textintern auf die Erforschung möglicher literarischer Vorstadien eines Textes oder nachträglicher Eintragungen in eine Schrift, sondern fragt auch nach literarischen Abhängigkeiten der Schriften untereinander. In diesem Zusammenhang ist die ‚synoptische Frageʻ, d. h. die Frage nach der literarischen Abhängigkeit der drei synoptischen Evangelien voneinander, eine der großen Fragen der Literarkritik.184 Der Mainstream der Forschung vertritt noch immer die Zwei-Quellen-Theorie, die davon ausgeht, dass das Markusevangelium das älteste Evangelium ist und zusammen mit der Logienquelle Q die literarische Vorlage des Matthäus- und des Lukasevangeliums gebildet hat. Am tragfähigsten erscheint mir in diesem Zusammenhang die revidierte Zwei-Quellen-Theorie, die von der Markuspriorität,185 aber von einer anderen Fassung als Vorlage für das Matthäus- und das Lukasevangelium ausgeht als das uns vorliegende Markusevangelium.186 Es sei ausdrücklich festgehalten, dass diese Theorie selbstverständlich nicht alle im synoptischen Kontext auftretenden Probleme zu lösen vermag, doch soll sie als plausible Hypothese dieser Untersuchung exemplarisch zugrunde gelegt werden.187 So ist sie sicher mit Recht immer wieder infrage gestellt worden, auch in jüngster Zeit wurde die Debatte in vielfältiger Weise neu aufgenommen.188 Aber es ist nicht Aufgabe dieser Untersuchung, die aktuellen Forschungsdiskussionen vorzustellen und zu diskutieren. Vielmehr komme ich im folgenden synoptischen Vergleich zu dem Ergebnis, dass zumindest in Bezug auf die Verwandlungserzählung die gegenseitige Beziehung und Beeinflussung der ersten drei Evangelien anhand der durch die Deutero-Markus-Hypothese modifizierten Zwei-QuellenTheorie zugestimmt werden kann. Hinsichtlich der literarischen Abhängigkeit der biblischen Schriften, besonders der synoptischen Evangelien, hat die orthodoxe Exegese keine neue Theorie entwickelt, sondern bezieht sich noch immer primär auf die Kirchenväter und den in patristischer Zeit herrschenden Konsens, dass das Matthäusevangelium das älteste Evangelium ist und sich die Evangelien nicht gegenseitig literarisch beeinflusst haben. Erst in zweiter Linie wird auf neuere

183 Vgl. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 61; EBNER/HEININGER, Exegese, 162; SCHNELLE, Einführung, 64. 184 Vgl. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 61; SCHNELLE, Einführung, 65–69. 185 Vgl. dazu ADAM, Kompendium, 43–44; SCHNELLE, Einleitung, 193–195.198; POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 333–337. 186 Vgl. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 63–69; SCHNELLE, Einführung, 69– 89. 187 Vgl. ADAM, Kompendium, 43; CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 69. 188 Vgl. besonders KAHL, Zweiquellentheorie, 1–36; NEVILLE, Reappraisal, 334–338; auch ADAM, Kompendium, 42–43; CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 62; SCHNELLE, Einführung, 67.

C. Literarkritik

53

literarkritische Theorien rekurriert.189 Insgesamt besteht in der orthodoxen Bibelexegese keine Übereinstimmung in der Frage, ob überhaupt die literarkritischen Untersuchungen biblischer Texte notwendig seien. Es ist zu beobachten, dass in diesem Kontext zwischen Misstrauen und Anerkennung oszilliert wird. Oikonomos zum Beispiel meint, dass die Literarkritik der kirchlichen Lehre, besonders der Inspirationslehre, widerspricht. Die Quellenscheidung im Pentateuch etwa hält er für irrelevant, weil sie nichts für das Glaubensleben einbringt. Da er durchgehend den Heiligen Geist für den Autor der Schrift hält, ist es nicht nötig, das Profil der menschlichen Verfasser näher zu untersuchen.190 Und auch weil die exegetische Methode der Literarkritik „nicht auf dem Boden der orthodoxen Kirche gewachsen ist“,191 sollen orthodoxe Theologen vorsichtig im Umgang mit dieser sein. Trotzdem erkennt Oikonomos das Vorkommen von Zusätzen, d. h. Texteinfügungen, in Bibeltexten an, ohne jedoch vertieft darauf einzugehen. Er verweist lediglich darauf, dass solche durch literarkritische Analyse festzustellenden Zusätze auch schon durch die Kirchenväter untersucht wurden.192 Oikonomos schlägt als Kriterium zur Bewertung solcher Zusätze vor, ihren theologischen Inhalt zu prüfen: Passt ein Zusatz in den theologischen Kontext eines Bibeltextes, dann muss er beibehalten werden.193 Dabei berücksichtigt er m. E. nicht, dass ein späterer Bearbeiter eine Ergänzung des ursprünglichen Textes vorgenommen haben kann, die durchaus theologisch mit diesem Text kompatibel ist. Fraglich bleibt weiterhin, wie ein Zusatz überhaupt theologisch passend bewertet werden kann. Oikonomos argumentiert überraschend weiter, dass, selbst wenn Zusätze den theologischen Inhalt eines biblischen Buches nicht widerspiegeln, sie dennoch nicht eliminiert werden sollen, weil Gott sich auch in der heidnischen Welt manifestiert.194 Diese Äußerung lässt m. E. zwei Schlussfolgerungen zu: 1. Unpassende Zusätze können nicht nur aus heidnischen, sondern sehr wohl auch aus der christlichen Welt stammen, und 2. wenn diese unpassenden Zusätze zugelassen werden, dann könnte der biblische Text hypothetisch ständig fortgeschrieben werden. Anders argumentiert Breck, indem er auf das Verständnis der Kirchenväter zurückgreift, die davon ausgingen, dass die Evangelien aus mündlichen und 189

Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 30. Vgl. OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 53–55. 191 Ebd. 55. 192 Vgl. ebd. 53. 193 Oikonomos betont überraschenderweise die Wichtigkeit der inspirierten Bücher im Gegenüber zu den inspirierten Verfassern: „Denn die Kirche hat in den Schriftkanon nicht inspirierte Verfasser, sondern inspirierte Bücher aufgenommen“ (ebd. 54). Wie eine solche unpersönliche Inspiration der Bibelbücher zu denken ist, legt Oikonomos nicht offen. 194 Vgl. ebd. 54–55. 190

54

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

schriftlichen Traditionen zusammengestellt wurden, ohne dies durch Quellenangaben zu dokumentieren.195 Kesich kritisiert, dass der Versuch der Literarkritik, Quellen der Evangelien genau zu rekonstruieren, hypothetisch bleibt.196 Er listet einige Äußerungen der Kirchenväter hinsichtlich der Chronologie der Evangelien auf und zeigt damit, dass die Frühkirche kein Interesse an einer Bestimmung von Evangelienquellen hatte. Schließlich stuft er die Ergebnisse der Literarkritik, aber da wird ihm wohl kaum jemand widersprechen, als vorläufig und subjektiv ein.197 Allmählich wird dennoch die Markuspriorität unter orthodoxen Theologen anerkannt. Dementsprechend schreibt etwa Karavidopoulos, dass „das Markusevangelium das älteste geschriebene Evangelium“198 ist. Auch Nikolakopoulos begrüßt die durch die Literarkritik erfolgte Klärung der literarischen Verhältnisse der synoptischen Evangelien untereinander und hält die sog. „Zwei-Quellen-Theorie“ für die beste Erklärungsmöglichkeit der synoptischen Frage.199 I. Untersuchung der literarischen Einheitlichkeit Im Folgenden wird Mk 9,2–9 daraufhin untersucht, ob stilistische oder inhaltliche Spannungen, Doppelungen oder Widersprüche erkennbar sind, die gegebenenfalls auf mögliche literarische Entwicklungen bzw. Vorstadien der Perikope oder spätere Bearbeitungen hindeuten könnten. Zunächst sind hier Doppelungen auffällig, welche die Erzählung redundant und pleonastisch machen. Es geht in erster Linie um nicht unbedingt nötige Erweiterungen wie in V. 2b, wo die ausschließliche Anwesenheit Jesu und seiner drei Jünger auf dem Berg nochmals durch κατ᾽ ἰδίαν µόνους hervorgehoben wird.200 Solche pleonastischen Konstruktionen begegnen im Markusevangelium öfter; außer an unserer Stelle noch in Mk 1,32.42; 2,20.25; 3,26.29; 4,5.21.39; 5,39; 6,4; 13,28; 14,68. Das gilt auch für die Beschreibung der Gewänder Jesu nach seiner Verwandlung in V. 3, einmal durch „sehr“ (λίαν) und zudem durch einen Vergleichssatz (οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι). 195

Vgl. BRECK, Orthodoxy, 147. Vgl. KESICH, Gospel, 25. 197 Vgl. ebd. 27. 198 KARAVIDOPOULOS, Marcu, 24. 199 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 30: „Das sogenannte ,synoptische Problemʻ, d. h. die Frage nach dem literarischen Verhältnis der drei ersten synoptischen Evangelien, wurde ausgiebig behandelt und durch die ,Zweiquellentheorieʻ im Großen und Ganzen verdeutlicht und geklärt.“ 200 Κατ᾽ ἰδίαν ist siebenmal im Markusevangelium zu finden (Mk 4,34; 6,31.32; 7,33; 9,2.28; 13,3), aber mit µόνους kommt es nur in Mk 9,2 vor. Mit einer Ausnahme (Mk 7,33) begegnet diese Wendung ausschließlich in Zusammenhängen, in denen Jesus mit seinen Jüngern zusammen ist bzw. sie lehrt. Manchmal nimmt Jesus die Jünger beiseite (Mk 4,34; 9,2), manchmal nehmen ihn die Jünger beiseite, um ihn zu befragen (Mk 9,28; 13,3). 196

C. Literarkritik

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Auffällig ist weiterhin die wiederholte namentliche Erwähnung der alttestamentlichen Gestalten Mose und Elia. In V. 4 wird zunächst Elia, gefolgt von Mose, genannt (Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ) und in V. 5 Mose vor Elia erwähnt (Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν). Der im Markusevangelium sonst anzutreffende Gebrauch beider Namen201 und der Präposition σύν deutet darauf hin, dass in V. 4 nicht die Unterordnung von Mose gegenüber Elia anzeigt werden soll, sondern vielmehr durch die Präposition σύν sogar noch die herausragendere Stellung von Mose im Gegenüber zu Elia hervorgehoben wird.202 Denn im Markusevangelium ist diese Präposition insgesamt sechsmal zu finden (Mk 2,26; 4,10; 8,34; 9,4; 15,27.32) und der Gebrauch zeigt an, dass sie zwei Elemente verbindet, von denen das zweite die wichtigere und nicht die untergeordnete Rolle einnimmt: καὶ τοῖς σὺν αὐτῷ (David) οὖσιν – Mk 2,26; οἱ περὶ αὐτὸν σὺν τοῖς δώδεκα – Mk 4,10; τὸν ὄχλον σὺν τοῖς µαθηταῖς – Mk 8,34; Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ – Mk 9,4; σὺν αὐτῷ σταυροῦσιν δύο λῃστάς – Mk 15,27; καὶ οἱ συνεσταυρωµένοι σὺν αὐτῷ ὠνείδιζον αὐτόν – Mk 15,32. Von daher kann festgehalten werden, dass in V. 4 und auch in V. 5 Mose den hervorgehobeneren Platz einnimmt. Ernest Best nimmt jedoch an, die ursprüngliche Reihenfolge „Mose und Elia“ sei im Laufe des Anfertigungsprozesses in „Elia und Mose“ umgewandelt worden, um die besondere Rolle Elias für die nachfolgende Szene in Mk 9,11–13 hervorzuheben.203 Sein Argument überzeugt aber deshalb nicht, weil die Szene mit Elia als Mittelpunkt auch der matthäischen Verwandlungserzählung (Mt 17,10–12) angeschlossen ist und dort ebenfalls Mose und nicht Elia an erster Stelle erwähnt wird (Mt 17,3–4). Es muss darüber hinaus trotzdem gefragt werden, warum Elia in V. 4 an erster Stelle genannt wird und nicht Mose. Dass dies aus Versehen geschah, scheint eher unwahrscheinlich. Die Beziehung zwischen den beiden alttestament201

Die beiden Gestalten kommen gemeinsam im Neuen Testament sechsmal vor, aber nicht außerhalb der Verwandlungsüberlieferung (Mk 9,4.5; Mt 17,3.4 und Lk 9,30.33). In fünf von diesen sechs Versen ist die Reihenfolge Μωϋσῆς – Ἠλίας verbunden durch καί. Nur Mk 9,3 verändert die Reihenfolge und fügt ein neues Verbindungselement ein: Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ. Mose allein wird im Markusevangelium noch weitere sechsmal als Vertreter des Gesetzes par excellence erwähnt (Mk 1,44; 7,10; 10,3.4; 12,19.26) sowie im Neuen Testament insgesamt 80-mal. Das zeigt die enge Verbindung der frühchristlichen Überlieferung mit Mose als besonderer Gestalt der Vorgeschichte bzw. der Geschichte Gottes mit Israel. Vgl. FITZER, Art. Μωϋσῆς, 1109–1110; JEREMIAS, Art. Μωϋσῆς, 868–869; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1076. Elia wird jenseits dieser Stelle im Markusevangelium noch sieben weitere Male erwähnt (Mk 6,15; 8,28; 9,11.12.13; 15,35.36). Alle diese Erwähnungen stehen in eschatologischen Zusammenhängen. In den Evangelien spielt Elia auch im Zusammenhang der Klärung der Identität Jesu oder Johannes des Täufers eine Rolle, vgl. dazu LAMBRECHT, Art. Ἠλίας, 285–288; JEREMIAS, Art. Ἠλ(ε)ίας, 940–941; ÖHLER, Elia, 127; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 699; WYPADLO, Verklärung, 19. 202 Vgl. ÖHLER, Elia, 127: „Der sprachliche Befund spricht eher gegen eine Unterordnung des Mose aufgrund des σύν.“ Außerdem BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1560. 203 Vgl. BEST, Discipleship, 211.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

lichen Gestalten innerhalb der markinischen Verwandlungsperikope wurde aus literarkritischer Perspektive unterschiedlich betrachtet. Einige Exegeten wie Wypadlo argumentieren dafür, dass innerhalb des Markusevangeliums ein deutliches Interesse am theologischen Profil Elias und das dadurch vermittelte Thema Leiden204 festzustellen sei, das auf eine redaktionelle Bearbeitung zurückgeführt wird. Infolgedessen wird von einer älteren Fassung der Verwandlungsperikope ausgegangen, in der nur Mose Erwähnung fand, die aber schließlich durch die Einfügung Elias ergänzt wurde und somit die ganze Erzählung an das Thema Leiden angeschlossen wurde.205 Dagegen argumentieren andere Neutestamentler wie etwa Eduard Schweizer, der zum einen die Formulierung Elia mit Mose als markinisch plausibilisiert und zum anderen eine Unstimmigkeit zwischen dem innerhalb der Verwandlungsperikope dargestellten theologischen Profil Elias und seinem im Rahmen des nachfolgenden Gesprächs veranschaulichten Profil (Mk 9,11–13) beobachtet. Zugleich behauptet er, die Stellung von Mose hinter Elia soll die Anspielung aus Dtn 18,15 im Text profilieren.206 Sowohl Schweizers als auch Wypadlos Sichtweise wirft m. E. zusätzliche Fragen auf. Wypadlo vertritt die Meinung, dass innerhalb der redaktionellen Bearbeitung der Verwandlungsperikope Elia im Vergleich zu Mose die vorherrschende Rolle bekam.207 V. 5 zeigt aber eine Reihenfolge, in der Mose und nicht Elia an erster Stelle erwähnt wurde, was allerdings für eine wichtigere Position des Mose im Unterschied zu Elia sprechen würde: καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν. Wenn Elia später in die Erzählung eingetragen wurde, wie Wypadlo meint, warum setzt das unbedingt voraus, dass Mose seinen Vorrang im 204

WYPADLO, Verklärung, 412, entnimmt die Figur Elia als Topos des Leidens dem engeren Kontext der markinischen Verwandlungserzählung: „Das besondere Interesse des MkEv an der Erzählfigur des Elija wird aus der Beobachtung deutlich, dass es der Thesbiter ist, der die Texteinheiten 9,2–8 und 9,9–13 miteinander verbindet. […] An der mit dem theologischen Topos ,Leidenʻ konnotierten Erzählfigur Elija hat das MkEv bekanntlich ein herausragendes Interesse, wie dem kontextuellen Umfeld der Verklärungsperikope entnommen werden kann (8,28; 9,11–13).“ 205 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 396–438. Zu dieser Argumentationslinie siehe außerdem GNILKA, Markus, II, 32. 206 Vgl. SCHWEIZER, Markus, 97: „Die Formulierung (Elia) ,mitʻ (Mose) ist auch typisch für ihn (4,10; 8,34); nur ist damit nicht entschieden, ob man einmal nur von Elia, nur von Mose oder immer schon von beiden zusammen erzählte (s. zu V. 4). In V. 9–13 folgen Worte über Elia; da dieser dort aber Vorläufer Jesu ist, hat kaum erst Markus Elia in V. 4f. eingeführt. Eher wurden schon vor Markus V. 11–13 wegen des Stichwortes ,Eliaʻ mit unserer Erzählung zusammen überliefert und Markus hat wegen 5 Mose 18,15 Mose zugefügt.“ Darüber hinaus neigt auch PESCH, Markusevangelium, 74, dazu, Elia der vormarkinischen Passionsgeschichte zuzuordnen. 207 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 191: „Das Interesse an diesem Propheten könnte […] zur redaktionellen Einfügung in die Verklärungsperikope und zu seiner religionsgeschichtlich überraschenden Positionierung an erster Stelle geführt haben.“

C. Literarkritik

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Rahmen der Verwandlungserzählung verliert? Fraglich bleibt weiterhin eine Prämisse, von der Wypadlo in seiner Argumentation ausgeht, die nicht genug erklärt worden ist. Es geht um die Bearbeitung der Verwandlungsperikope anhand mancher Elemente der Sinai/Mose-Typologie durch eine vormarkinische mündliche Tradition. Es bleibt unerklärt, warum diese Bearbeitung nur auf Kosten der vormarkinischen und nicht auch der markinischen Tätigkeit und warum das nur mündlich erfolgen konnte.208 Hinsichtlich der von Schweizer zum Thema geäußerten Meinung ist zu fragen, ob die Einfügung der Person des Mose in die Verwandlungsperikope getrennt von der Bearbeitung der Perikope mittels der Exoduselemente verwirklicht wurde. Da wir uns in beiden Fällen auf hypothetischem Boden bewegen, könnte daraus gefolgert werden, dass die Spannung Elia – Mose/Mose – Elia aus V. 4 und V. 5 literarkritisch betrachtet ein ernstzunehmendes Indiz für die Textentwicklung der Verwandlungserzählung liefern könnte. Ob diese Entwicklung mit Mose oder mit Elia begann, darüber lassen sich m. E. nur Vermutungen anstellen. Fragen werfen auch der Übergang von der Unterredung Elias und Moses mit Jesus aus V. 4 (ὤφθη αὐτοῖς Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ καὶ ἦσαν συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ) und die direkte Rede Petri aus V. 5 auf. Warum spricht Petrus ausgerechnet jetzt? Da kein Indiz für den Abschluss des vorigen Gesprächs vorliegt, bestehen drei Deutungsmöglichkeiten: Entweder ist Petrus unhöflich und fällt dem Gespräch der drei ins Wort, ohne deren Ende abzuwarten, oder aber er hört gar nichts von dem, was Jesus, Mose und Elia miteinander reden. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, dass nach deren Konversation eine Pause entsteht, die im Text nicht erwähnt und von Petrus für seine Rede genutzt wird. Auffällig ist des Weiteren, dass keinerlei Reaktion auf den Vorschlag Petri aus V. 5 erfolgt: καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς.209 Es fehlt die zu erwartende 208

Vgl. ebd. 30: „Das Interesse des Erzählers, Jesus und Mose nebeneinanderzustellen mit einer starken christologisch-überbietenden Tendenz, ist nicht abzuweisen“ sowie 52: „Die Transfigurationserzählung entspringt nicht der redaktionellen Tätigkeit des Verfassers, sondern dürfte dem Evangelisten bereits in ihrer Grundform vorgelegen haben. Im MkEv liegt die erste Verschriftlichung und Biographisierung der mündlich rezipierten Verklärungserzählung vor.“ 209 Mk 9,5b ist die einzige Stelle im Markusevangelium, in der τρεῖς nicht in einem temporalen Sinn verwendet wird. An den anderen sechs Stellen wird τρεῖς hauptsächlich in Bezug auf die Auferstehung (Mk 8,31; 9,31; 10,34; 14,58; 15,29) und einmal hinsichtlich des dreitägigen Bleibens des Volkes bei Jesus (Mk 8,2) gebraucht. Es sei auch angemerkt, dass der Verfasser des Markusevangeliums eine Vorliebe für die Zahl Drei zu haben scheint: Drei Jünger bei der Verwandlung und in Gethsemani kommt Jesus dreimal zu seinen Jüngern und findet sie im Schlaf, dreimal verkündet Jesus sein Leiden, dreimal verrät Petrus seinen Meister, drei Frauen kommen zum Grab am Ostersonntag, um die dritte Stunde wird Jesus gekreuzigt, vgl. FENEBERG, Art. τρεῖς, 881–883; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1645. Σκηνή wird im Neuen Testament 20-mal im wörtlichen Sinn verstanden, im Markusevangelium nur einmal (Mk 9,5b). Mit dieser Vokabel wird eine Beziehung

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Antwort Jesu, an deren Stelle ein Erzählerkommentar erfolgt, der Einblick in die Gefühlslage der Jünger gewährt, die sich durch ihre Verstörung angesichts der erzählten Ereignisse (οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ, ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο – V. 6) ausdrückt. Der Vorschlag Petri ordnet sich nur schwer in den Zusammenhang der Verwandlungserzählung ein. Warum wollen die drei Jünger eine Hütte für Jesus bauen und nicht auch für sich selbst? Wozu benötigen Mose und Elia, die der überirdischen Welt angehören, Hütten? Welche Funktion sollen diese Hütten haben? Und warum überhaupt Hütten? Wahrscheinlich werden hier diese Hütten erwähnt, um ein Bindeglied zu Mose zu schaffen und damit diese beiden eingeschobenen Verse 5 + 6 schlüssiger zu gestalten. Die Funktion des Vorschlags Petri scheint darin zu bestehen, das Unverständnis und die Furcht der Jünger aus V. 6 zu unterstreichen. Ohne die zum Ausdruck gebrachte Erläuterung aus V. 6 bliebe der Vorschlag Petri völlig enigmatisch. Durch V. 6 wird der Vorschlag bewertet und in den Gesamtduktus der Erzählung integriert, was darauf hindeuten könnte, dass V. 6 erst später ergänzt wurde. Das plötzliche Verschwinden von Mose, Elia und der Wolke kann als weitere Spannung betrachtet werden.210 Die Epiphanie ist abrupt beendet und lässt keinen Raum mehr für irgendeine Reaktion. Entsprechend kurz und knapp ist die Überleitung zum Zurückbleiben Jesu. Die Wortstellung innerhalb der Rede aus der Wolke, das betonte σύ am Anfang und der Artikel vor υἱός sind in Mk 9,7 (wie in Mk 1,11 bei der Taufe) besonders bedeutsam, denn damit wird ausgesagt: Dieser und kein anderer/dieser allein – nämlich der, den die drei Jünger in Glanz gesehen haben und der mit Elia und Mose geredet hat. In der Parallelerzählung von der Taufe Jesu ertönt ebenfalls eine Stimme vom Himmel (Mk 1,9–11). Jesus wird auch dort als ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός211 benannt und ist damit ebenfalls von „oben“ bezeugt, wobei der Adressat Jesus ist (σὺ εἶ) und nicht die Jünger und die Wendung nicht durch zur Sinaiszene geschaffen und der himmlischen Herrlichkeit ein Ort reserviert, so BÜHNER, Art. σκηνή, 600; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1508. 210 Φωνή ist siebenmal im Markusevangelium belegt: Mk 1,3.11.26; 5,7; 9,7; 15,34.37. „Stimme“ kommt immer in Zusammenhängen vor, in denen die Christologie betont ist. Ihr kommt im Markusevangelium somit eine proklamatorische Rolle zu (Mk 1,3.11; 9,7) oder aber sie drückt einen starken Ruf aus (Mk 1,26; 5,7; 15,34.37). RADL, Art. φωνή, 1070: „Die große theol. Bedeutung von φ. ergibt sich schon daraus, daß ihre Träger vorwiegend Gott, Christus, Geistbegabte und Geistwesen sind.“ Vgl. außerdem BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1737. 211 Diese Wendung ist im Neuen Testament unabhängig vom Markusevangelium nicht belegt und wird im Zusammenhang des Verhältnisses Gottes zu seinem Sohn verwendet, vgl. SCHNEIDER, Art. ἀγαπητός, 28–29. Im Markusevangelium kommt sie dreimal vor: direkt in Mk 1,11 und 9,7 und indirekt in 12,6. Im Unterschied zu Mk 1,11, wo Jesus der Adressat der väterlichen Stimme ist, sind in Mk 9,7 die Apostel diejenigen, denen die Aussage gilt. Damit wird auch eine Beziehung zu Ps 2,7 hergestellt, so BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1664.

C. Literarkritik

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einen Imperativ ergänzt wird. Durch Parallelen in Ps 2,7, Dtn 18,15 und Ex 24212 wird diese Anrede mit dem Alten Testament in Verbindung gebracht. Die theologische Strategie ist erkennbar: Die Erklärung der besonderen Sohnschaft Jesu markiert je die Anfänge der zwei Hauptteile des Evangeliums. Gehen wir von der Vermutung aus, dass Mose eine spezielle Bedeutung innerhalb der Verwandlungsperikope zugeschrieben wird, dann wurde die Erzählung in Anlehnung an den Exodus und das Sinaigeschehen gestaltet, um der Person Jesu noch mehr Gewicht zu verleihen.213 Weitere Ähnlichkeiten mit Ex 24 bestätigen diese Annahme: die sechs Tage (Mk 9,2/Ex 24,16), die drei Kompagnons (Mk 9,2: Petrus, Jakobus und Johannes/Ex 24,9: Aaron, Nadab und Abihu), der Berg (Mk 9,2/Ex 24,12.15), das Strahlen (Mk 9,3/Ex 24,10) und die Wolke (Mk 9,6/Ex 24,15). Infolge der literarkritischen Untersuchung der markinischen Verwandlungsperikope lässt sich eine Reihe von Spannungen im Text beobachten, die auf eine mögliche literarische Entwicklung innerhalb dieser Texteinheit hinweisen könnten. Insofern lässt sich diese Perikope nicht sehr schnell als „ein in sich geschlossenes vormarkinisches Überlieferungsstück“214 bezeichnen, auch wenn man in diesem Fall nicht genau zwischen den mündlichen und den schriftlichen oder zwischen vormarkinischen und markinischen Einzelstücken unterscheiden kann. Diese „Unebenheiten“ werden m. E. hauptsächlich durch einige Einfügungen von Wörtern oder Satzteilen verursacht, die einerseits das Ereignis noch ausführlicher zu beschreiben beabsichtigen (siehe die pleonastischen Formulierungen aus V. 2 und V. 3) und andererseits theologische Nuancen setzen (siehe das Verhältnis Mose – Elia und den Vorschlag Petri). II. Hypothesen zur Textgeschichte Aus meiner Sicht ist es schwer, die mögliche literarische Vorgeschichte der Verwandlungserzählung zu bestimmen. Einige der oben beobachteten Spannungen können durchaus auf eine ältere literarische Stufe hindeuten und die Leistung einer vormarkinischen Gemeinde darstellen. Schwierig erscheint mir in diesem Zusammenhang, wenn theologische Spezifika, beispielsweise des Markusevangeliums, nicht auch auf die vormarkinische Gemeinde zurückgeführt werden dürfen; denn was von Markus für wichtig gehalten wurde, kann auch ein „theologisches Anliegen der Urgemeinde“215 gewesen sein.

212

Vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1664. Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 244; LÜHRMANN, Markusevangelium, 156; WYPADLO, Verklärung, 28–39. 214 BREYTENBACH, Nachfolge, 250. 215 CULLMANN, Formation, 459, zitiert nach BLANK, Analyse, 194: „Woher wissen wir denn, daß ein theologisches Anliegen der Urgemeinde nicht in der gleichen Form schon ein Grundmotiv des Denkens Jesu selber gewesen sein kann?“ Vgl. auch STEIN, Resurrection213

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Literarkritische Untersuchungen der Texte, für die uns Vergleichsmaterial fehlt – insbesondere beim Markusevangelium, das als ältestes Evangelium gilt –, führen unvermeidbar zu hypothetischen Schlussfolgerungen. Das heißt: Wenn wir eine Erzählung im Matthäus- oder im Lukasevangelium lesen, die gemäß der Zweiquellentheorie ihre Vorlage im Markusevangelium hat, dann kann mit guten Gründen beurteilt werden, was von der Hand des jeweiligen Evangelisten stammt. Beim Markusevangelium besteht diese Möglichkeit nicht und die Rekonstruktion einer vormarkinischen Fassung ist besonders schwierig und hypothetisch und steht in der erhöhten Gefahr, eigene Vorstellungen einzutragen.216 Daher kann die Rekonstruktion von älteren Stadien der Erzählung des Markusevangeliums217 nur spekulativ bleiben.218 Die Möglichkeit einer Diskontinuität zwischen dem Wirken Jesu und den ersten Verschriftungen seines Lebens und seiner Lehre kann niemals mit Gewissheit ausgeräumt werden.219 Das ist auch einer der Gründe, warum literarkritisches Arbeiten in der jüngeren Forschung mehr und mehr in die Krise geraten ist und mittlerweile mehrheitlich vom literarischen Endtext ausgegangen wird, obwohl die Frage nach der literarischen Vorgeschichte der Texte damit nicht für obsolet erklärt werden soll.220 Die geringe Wahrscheinlichkeit, konkrete schriftliche (Vor-)Stadien des markinischen Textes zu finden und diese entsprechend zu isolieren, ähnelt aus meiner Sicht der Möglichkeit, eine Textversion des Deutero-Markus-Evangeliums festzustellen. Solche Texte sind von einem literarischen Standpunkt aus betrachtet leichter zu postulieren als genau abzugrenzen.221 Der genaue Umfang solcher möglicher Textversionen lässt sich kaum feststellen. Account, 86: „[…] there is no reason why the form of the story in the second Sitz im Leben could not be substantially the same as the form in which we find it in Mark.“ 216 Vgl. TROCMÉ, Formation, 11: „And so there is no document extant that can be said to be the source of Mark. There is no other solution, then, if we persist in our quest for the documents used by the Evangelist, but to reconstruct them in the mind. This is a delicate operation and calls for more caution than has sometimes been shown in the handling of hypotheses.“ Außerdem siehe auch BLANK, Analyse, 194: „Solange es keine zusätzlichen historischen Hinweise und Quellen über das Leben des irdischen Jesus gibt, muß man vom Zeugnis der vorhandenen Schriften ausgehen und kann nicht einfach mit einem Hinweis auf den theologischen Zeugnischarakter dieser Quellen den Gegenstand ihrer Betrachtung als historisch irrelevant und vom Standpunkt des neuzeitlichen Denkers als ,erklärbarʻ disqualifizieren.“ 217 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 176–179. 218 Von „chimerical goal“ spricht unter anderem WILLS, Origins, 175. 219 Vgl. SANDERS, Tendencies, 8: „We investigate written tradition because that is all that is available to us.“ 220 Vgl. ebd. 208–209. 221 Vgl. REPLOH, Lehrer, 112–113: „Zwar kann bei dieser Perikope, wie eine Fülle von Analysen der verschiedensten Autoren ergeben hat, sicherlich mit heterogenen Bestandteilen gerechnet werden, es gibt aber nur sehr wenige und in diesem Fall im übrigen nur

C. Literarkritik

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III. Synoptischer Vergleich Die Verwandlungserzählung begegnet in allen drei synoptischen Evangelien. Das wiederum motiviert, „über den Tellerrand hinaus zu schauen“222 und die drei Versionen dieser Erzählung zu vergleichen.223 Aufgrund der folgenden Untersuchung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei synoptischen Versionen könnte das „synoptic puzzle“224 der Verwandlungserzählung, einer der „privileged sections in the study of the minor agreements“,225 gelöst werden. Traditionell dient der synoptische Vergleich dem Aufweis literarischer Abhängigkeiten zwischen den ersten drei Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas und ist damit Bestandteil der Literarkritik. Für die Feststellung literarischer Abhängigkeit zwischen diesen drei Evangelien ist ein Vergleich der Parallelstellen unentbehrlich. Die Frage ihrer literarischen Abhängigkeit wurde mannigfaltig erörtert, und daraus wurden zahlreiche Hypothesen entwickelt.226 Die folgende Synopse und die Analyse der Parallelstellen sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den drei Versionen der Verwandlungserzählung herausarbeiten und die Interdependenz der drei Evangelien analysieren. Ich komme zu dem Ergebnis, dass die Analyse der Verwandlungsperikope dafür spricht, dass das Markusevangelium höchstwahrscheinlich dem Matthäus- und dem Lukasevangelium als literarische Vorlage gedient hat.

unsichere Kriterien, diese späteren Zusätze und Entwicklungen im Text auf den Redaktor Markus zurückzuführen.“ 222 EBNER/HEININGER, Exegese, 133. 223 Vgl. ebd. 224 FUNK (Hg.), Search, 11–12. 225 NEIRYNCK, Minor Agreements, 55. 226 Vgl. NEVILLE, Order; ADAM, Kompendium, 42–45; SCHNELLE, Einführung, 186– 196; NEUDORFER/SCHNABEL, Studium, 273–287; POKORNÝ/HECKEL, Einleitung, 329– 333.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

1. Synopse Mk 9,2–9

(2a) Καὶ µετὰ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην

Mt 17,1–9

Lk 9,28–36 (28a) Ἐγένετο δὲ µετὰ τοὺς λόγους τούτους ὡσεὶ ἡµέραι ὀκτὼ (28b) [καὶ] παραλαβὼν Πέτρον καὶ Ἰωάννην καὶ Ἰάκωβον

(2b) καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽ ἰδίαν µόνους.

(1a) Καὶ µεθ᾽ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ (1b) καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽ ἰδίαν.

(2c) καὶ

(2a) καὶ

µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν,

µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, (2b) καὶ ἔλαµψεν τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος, (2c) τὰ δὲ ἱµάτια αὐτοῦ

τὸ εἶδος τοῦ προσώπου αὐτοῦ ἕτερον (29b) καὶ ὁ ἱµατισµὸς αὐτοῦ

λευκὰ ὡς τὸ φῶς.

λευκὸς ἐξαστράπτων.

(3) καὶ ἰδοὺ ὤφθη αὐτοῖς Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας συλλαλοῦντες µετ᾽ αὐτοῦ.

(30a) καὶ ἰδοὺ

(3a) καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στίλβοντα λευκὰ λίαν, (3b) οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι. (4) καὶ ὤφθη αὐτοῖς Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ καὶ ἦσαν συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ.

(5a) καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος λέγει τῷ Ἰησοῦ·

(4a) ἀποκριθεὶς δὲ ὁ Πέτρος εἶπεν τῷ Ἰησοῦ·

ἀνέβη εἰς τὸ ὄρος προσεύξασθαι. (29a) καὶ ἐγένετο ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτὸν

ἄνδρες δύο συνελάλουν αὐτῷ, (30b) οἵτινες ἦσαν Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας, (31) οἳ ὀφθέντες ἐν δόξῃ ἔλεγον τὴν ἔξοδον αὐτοῦ, ἣν ἤµελλεν πληροῦν ἐν Ἰερουσαλήµ. (32a) ὁ δὲ Πέτρος καὶ οἱ σὺν αὐτῷ ἦσαν βεβαρηµένοι ὕπνῳ· (32b) διαγρηγορήσαντες δὲ εἶδον τὴν δόξαν αὐτοῦ καὶ τοὺς δύο ἄνδρας τοὺς συνεστῶτας αὐτῷ. (33a) καὶ ἐγένετο ἐν τῷ διαχωρίζεσθαι αὐτοὺς ἀπ᾽ αὐτοῦ (33b) εἶπεν ὁ Πέτρος πρὸς τὸν Ἰησοῦν·

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C. Literarkritik (5b) ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, (5c) καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν. (6a) οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ, (6b) ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο.

(4b) κύριε, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι· (4c) εἰ θέλεις, ποιήσω ὧδε τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.

(33c) ἐπιστάτα, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι,

(5a) ἔτι αὐτοῦ λαλοῦντος

(34a) ταῦτα δὲ αὐτοῦ λέγοντος ἐγένετο νεφέλη καὶ ἐπεσκίαζεν αὐτούς· (34b) ἐφοβήθησαν δὲ ἐν τῷ εἰσελθεῖν αὐτοὺς εἰς τὴν νεφέλην. (35a) καὶ φωνὴ ἐγένετο ἐκ τῆς νεφέλης λέγουσα· (35b) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἐκλελεγµένος,

(7a) καὶ ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς,

ἰδοὺ νεφέλη φωτεινὴ ἐπεσκίασεν αὐτούς,

(7b) καὶ ἐγένετο φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης·

(5b) καὶ ἰδοὺ φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης λέγουσα· (5c) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα· ἀκούετε αὐτοῦ. (6) καὶ ἀκούσαντες οἱ µαθηταὶ ἔπεσαν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῶν καὶ ἐφοβήθησαν σφόδρα. (7) καὶ προσῆλθεν ὁ Ἰησοῦς καὶ ἁψάµενος αὐτῶν εἶπεν· ἐγέρθητε καὶ µὴ φοβεῖσθε. (8a) ἐπάραντες δὲ τοὺς ὀφθαλµοὺς αὐτῶν

(7c) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἀκούετε αὐτοῦ.

(8) καὶ ἐξάπινα περιβλεψάµενοι οὐκέτι οὐδένα εἶδον ἀλλὰ τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ᾽ ἑαυτῶν. (9) Καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους διεστείλατο αὐτοῖς

(33d) καὶ ποιήσωµεν σκηνὰς τρεῖς, µίαν σοὶ καὶ µίαν Μωϋσεῖ καὶ µίαν Ἠλίᾳ, (33e) µὴ εἰδὼς ὃ λέγει.

αὐτοῦ ἀκούετε.

(36a) καὶ ἐν τῷ γενέσθαι τὴν φωνὴν εὑρέθη (8b) οὐδένα εἶδον εἰ µὴ αὐτὸν Ἰησοῦν µόνον.

Ἰησοῦς µόνος.

(9) Καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους ἐνετείλατο αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς λέγων·

ἵνα µηδενὶ ἃ εἶδον διηγήσωνται,

µηδενὶ εἴπητε τὸ ὅραµα

εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ.

ἕως οὗ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἐγερθῇ.

(36b) καὶ αὐτοὶ ἐσίγησαν καὶ οὐδενὶ ἀπήγγειλαν ἐν ἐκείναις ταῖς ἡµέραις οὐδὲν ὧν ἑώρακαν.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

2. Gemeinsamkeiten der synoptischen Versionen der Verwandlungserzählung 2.1. Gemeinsamkeiten der drei Erzählversion In allen synoptischen Evangelien wird die Verwandlungserzählung als Teil desselben Kontextes dargestellt, in dem die Frage nach der Identität Jesu (Mk 8,27–29/Mt 16,13–16/Lk 9,18–20), die wiederholte Ankündigung seines Leidens (Mk 8,31/Mt 16,21/Lk 9,22), die Ermahnung zur Kreuzesnachfolge (Mk 8,34–38/Mt 16,24–27/Lk 9,23–26) und die Vorhersage des Sehens des Gottesreichs bzw. des Menschensohns von manchen Personen schon während ihres irdischen Lebens (Mk 9,1/Mt 16,28/Lk 9,27) zum Ausdruck gebracht worden sind. Die Gemeinsamkeiten der Synoptiker innerhalb der Verwandlungsperikope liegen primär im Bereich der wichtigen, den roten Faden der Erzählung bildenden Wörter, die über die gesamte Perikope verteilt sind. Das sind: µε(τὰ/θ᾽) ἡµέρ(ας/αι), παραλα(µβάνει/βών), Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην, εἰς ὄρος, ἱµάτι(α/σµὸς) αὐτοῦ, λευκ(ά/ός), Ἠλίας – Μωϋσ(εῖ/ῆς), συ(λ/νε)λαλοῦν(τες), ὁ Πέτρος, Ἰησοῦ(ν), καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, ποιήσω(µεν), τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν, νεφέλη, καὶ φωνή, ἐκ τῆς νεφέλης, οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου, ἀκούετε αὐτοῦ, Ἰησοῦ(ν/ς) µόνο(ν/ς), (µη/οὐ)δενί. Insbesondere zu Beginn der Erzählung finden sich deutliche Übereinstimmungen. Alle drei Evangelisten beginnen die Erzählung mittels einer Zeitangabe in Tagen (µε[τὰ/θ᾽] ἡµέρ[ας/αι]) und erwähnen direkt im Anschluss (eingeführt durch καί) den Ort (εἰς ὄρος),227 an welchen die drei namentlich genannten Jünger (Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην) von Jesus mitgenommen (παραλα[µβάνει/βών]) und hinaufgeführt worden sind (Mk 9,2a.b/Mt 17,1/Lk 9,28). Außerdem gibt es auch eine Reihe weiterer Gemeinsamkeiten wie etwa die Weißfärbung des Gewandes Jesu (ἱµάτι[α/σµὸς] αὐτοῦ, λευκ[ά/ός]) sowie die Erwähnung eines Gesprächs zwischen Mose, Elia und Jesus (Ἠλίας – Μωϋσ[εῖ/ῆς], συ[λ/νε]λαλοῦν[τες]), das allein in der Lukasversion inhaltlich bestimmt wird (Mk 9,3/Mt 17,2c/Lk 9,29b und Mk 9,4/Mt 17,3/Lk 9,30a). Die Ansprache Jesu durch Petrus (ὁ Πέτρος, Ἰησοῦ[ν]), sein Statement des Sich-Wohlfühlens (καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι) sowie sein Vorschlag, drei Hütten zu bauen (ποιήσω[µεν] τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν), sind ebenfalls allen Synoptikern gemeinsam (Mk 9,5/Mt 17,4/Lk 227

Ὄρος findet sich im Markusevangelium elfmal (Mk 3,13; 5,5.11; 6,46; 9,2.9; 11,1.23; 13,3.14; 14,26), von einem „hohen Berg“ ist im Markusevangelium sonst allerdings nicht die Rede. Der Berg ist ein Ort, an dem Jesus sich entweder mit allen seinen Jüngern (Mk 3,13; 11,1; 14,26), mit Petrus, Jakobus und Johannes (Mk 9,2.9) oder allein befindet (Mk 6,46). Auf jeden Fall fehlt auf dem Berg im Markusevangelium das Volk bzw. die Menge. Es ist ein Ort der Einsamkeit und eine Stätte der besonderen Gottesnähe, vgl. KLEINE, Art. ὄρος, 1304–1307; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1179.

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9,33). Die Liste lässt sich ergänzen mit den in Mk 9,7/Mt 17,5/Lk 9,34 vorkommenden Ähnlichkeiten bezüglich des Auftretens der überschattenden Wolke (νεφέλη), der daraus ertönenden Stimme (καὶ φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης), der Anerkennung des Sohnes (οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου) und des Befehls, auf ihn zu hören (ἀκούετε αὐτοῦ). Als letzte synoptische Übereinstimmung lässt sich festhalten, dass am Ende die Jünger mit Jesus allein (Ἰησοῦ[ν/ς] µόνο[ν/ς]) waren und niemand mehr ([µη/οὐ]δενί) um sie herum zu sehen war (Mk 9,8/Mt 17,8/Lk 9,36). Es lässt sich schlussfolgern, dass die synoptischen Gemeinsamkeiten innerhalb der Verwandlungsperikope den Erzählfaden bilden. 2.2. Gemeinsamkeiten der markinischen und der matthäischen Version Die auffälligsten synoptischen Übereinstimmungen hinsichtlich des Textes der Verwandlungserzählung sind, mit Ausnahme der oben gezeigten, zwischen dem Markus- und dem Matthäusevangelium feststellbar. Sie betreffen die genaue Zeitangabe (ἡµέρας ἕξ – Mk 9,2a/Mt 17,1a),228 die ausdrückliche Erwähnung Jesu als Handlungsträger (παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς, ἀναφέρει αὐτούς – Mk 9,2ab/Mt 17,1ab)229 sowie die besondere Abgeschiedenheit und Ausschließlichkeit Jesu und seiner Jünger (κατ᾽ ἰδίαν – Mk 9,2b/Mt 17,1b),230 was durch die Höhe des Berges (ὑψηλόν – Mk 9,2b/Mt 17,1b), auf welchen Jesus drei seiner Jünger bringt, zusätzlich unterstrichen wird. Die Aufzählung der Jünger geschieht in derselben Reihenfolge (τὸν Πέτρον, καὶ Ἰάκωβον, καὶ Ἰωάννην – Mk 9,2a/Mt 17,1a). Das Verwandlungsereignis wird in beiden

228

Auffällig bei der Zeitangabe ist das Fehlen der Vokalelision, denn „vor Artikel, Pronomen und Partikel ist die Neigung zur Elision größer als vor Nomen und Verbum“, so BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 17. 229 Diese Stelle verwendet den im Markusevangelium am häufigsten benutzen Jesusnamen. Ὁ Ἰησοῦς kommt im Markusevangelium 82-mal vor und wird dort immer determiniert verwendet. Ohne Artikel begegnet er nur, wenn Jesus auch einen Beinamen trägt, wie z. B. in Mk 1,1 (Ἰησοῦ Χριστοῦ) und Mk 1,9 (Ἰησοῦς ἀπὸ Ναζαρέτ). Insgesamt kommt dieser Name in den Evangelien 919-mal vor, was SCHNEIDER, Art. Ἰησοῦς, 449, zu der Feststellung veranlasst: „Das Vorherrschen des J.-Namens in den Evv. und sein fast nur absoluter Gebrauch zeigen an, daß die Evv.-Verfasser über den ,irdischenʻ J., den Menschen ,J. von Nazaretʻ berichten wollen.“ 230 Die Wendung κατ᾽ ἰδίαν ist siebenmal im Markusevangelium zu finden (Mk 4,34; 6,31.32; 7,33; 9,2.28; 13,3), aber in Verbindung mit µόνους kommt sie nur in Mk 9,2 vor. Mit einer Ausnahme (Mk 7,33) begegnet diese Wendung ausschließlich in Zusammenhängen, in denen Jesus mit seinen Jüngern erwähnt wird bzw. sie lehrt. Manchmal nimmt Jesus die Jünger beiseite (Mk 4,34; 9,2), manchmal stellen ihm die Jünger Fragen (Mk 9,28; 13,3). Sie drückt entweder das Zurückziehen Jesu von der Menge oder sein Beiseitenehmen der Jünger aus, so BARTSCH, Art. ἰδίος, 422. Κατ᾽ ἰδίαν µόνους ist eine pleonastische Konstruktion, wie sie im Markusevangelium häufiger begegnen, siehe Mk 1,32.42; 2,20.25; 3,26.29; 4,5.21.39; 5,39; 6,4; 13,28; 14,68.

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Erzählversionen anhand einer knappen Erwähnung benannt (µετεµορφώθη – Mk 9,2b/Mt 17,2a).231 Die Art und Weise der Verwandlung wird im Markus- (Mk 9,3a) und im Matthäusevangelium (Mt 17,2c) durch die strahlenden Gewänder Jesu dargestellt (τὰ ἱµάτια αὐτοῦ […] λευκά). Wie in Mk 9,4a „erscheint“ (ὤφθη) auch in Mt 17,3a den bisherigen Protagonisten Elia „mit“ (σύν) Mose, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Die Unterhaltung beschreiben beide lediglich durch ein Partizip (συλλαλοῦντες – Mk 9,4b/Mt 17,3b), wobei im Markusevangelium eine Coniugatio periphrastica (ἦσαν συλλαλοῦντες) und im Matthäusevangelium ein Participium coniunctum verwendet wird. Wie Petrus auf das bisher Gesehene reagiert, wird sowohl im Markus- als auch im Matthäusevangelium ähnlich eingeleitet: ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος […] τῷ Ἰησοῦ (Mk 9,5a/Mt 17,4b). Bei der Aufzählung der Hüttenbenefiziare werden im Markus- (Mk 9,5c) und im Matthäusevangelium (Mt 17,4c) die Personalpronomen vor deren Namen gestellt (σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν). Sowohl im Markus- als auch im Matthäusevangelium ertönt eine Stimme aus der erscheinenden Wolke. Jesus wird dadurch als „geliebter Sohn“ angezeigt (ὁ ἀγαπητός – Mk 9,7c/Mt 17,5c). Nach dem vermutlichen Abgang Moses und Elias und dem Verschwinden der Wolke am Ende des Geschehens schreiben beide Evangelisten, dass die drei Jünger niemanden mehr sahen als Jesus allein (οὐδένα εἶδον […] Ἰησοῦν µόνον – Mk 9,8b/Mt 17,8b). Zugleich erwähnen die zwei Versionen das Herabkommen Jesu mit den Jüngern vom Berg (καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους – Mk 9,9a/Mt 17,9a) und das von Jesus gegebene Gebot ([δι]ε[νε/σ]τείλατο αὐτοῖς – Mk 9,9b/Mt 17,9b), niemandem (µηδενί – Mk 9,9b/Mt 17,9b) davon zu erzählen, bis der Menschensohn von den Toten wiederkommt (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν – Mk 9,9c/Mt 17,9c). 2.3. Gemeinsamkeiten der markinischen und der lukanischen Version Im Unterschied zur Darstellung des Matthäusevangeliums hat diejenige des Lukasevangeliums nur wenig mit der markinischen Version gemeinsam. Dennoch gibt es auch hier an drei Stellen besondere Übereinstimmungen: Der Vorschlag Petri, Hütten zu bauen, erfolgt im Plural (καὶ ποιήσωµεν – Mk 9,5c/Lk 9,33d), das Erscheinen der Wolke (ἐγένετο νεφέλη – Mk 9,7a/Lk 9,34a) und das Ertönen der Stimme (φωνὴ ἐγένετο – Mk 9,7b/Lk 9,35a) werden durch eine ἐγένετο-Konstruktion eingeführt. 231

Das Verb µεταµορφοῦσθαι kommt im Neuen Testament nur viermal vor (Mk 9,2 par. Mt 17,2; Röm 12,2; 2 Kor 3,18). Das Markus- und das Matthäusevangelium verwenden das Verb im Aorist Passiv, d. h. übersetzt, Jesus „wurde verwandelt“. Das deutet sowohl „eine gottgewirkte Offenbarung der Herrlichkeit des irdischen Jesus“ als auch den „von Gott geschenkten Erkenntnis-Fortschritt von Jüngern Jesu“ aus, so NÜTZEL, Art. µεταµορφόω, 1022.

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2.4. Gemeinsamkeiten der matthäischen und der lukanischen Version Bezeichnet als „minor agreements“, haben die Gemeinsamkeiten zwischen dem Matthäus- und dem Lukasevangelium (nicht nur hinsichtlich des Textes der Verwandlungserzählung) eine breite exegetische Debatte angekurbelt. Was die hier analysierte Perikope betrifft, wurden diese Übereinstimmungen schon ausführlich von Niemand behandelt.232 Zu den „positiven minor agreements“ zählen eindeutig die Erwähnung des leuchtenden bzw. veränderten Gesichts Jesu (τὸ[ῦ] πρόσωπο[ν/υ] αὐτοῦ – Mt 17,2b/Lk 9,29a), die Einführung der Erscheinung von Mose und Elia durch καὶ ἰδού (Mt 17,3a/Lk 9,30a) sowie die Reihenfolge Mose „und“ Elia (Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας – Mt 17,3b/Lk 9,30b) sowie die Wiedergabe des Namens Mose durch Μωϋσῆς, entgegen der Formulierung Elia „mit“ Mose und der Wiedergabe des Namens Mose durch Μωϋσεῖ im Markusevangelium (Mk 9,4a). Zu den „minor agreements“ kann in Mt 17,4a und Lk 9,33b des Weiteren εἶπεν anstatt des markinischen λέγει (Mk 9,5a) bei der Anrede Petri gezählt werden. Ebenso gibt es eine Übereinstimmung darin, dass diejenigen, die überschattet werden, mit αὐτούς bezeichnet werden (Mt 17,5a/Lk 9,34a). Dass die Stimme aus der Wolke zu hören war, wird im Matthäus- und im Lukasevangelium gemeinsam durch die Ergänzung λέγουσα (Mt 17,5b/Lk 9,35a) betont. Daraufhin wird der Angst der Jünger in den beiden Evangelien anhand der Formulierung ἐφοβήθησαν (Mt 17,6/Lk 9,34b), anstatt der markinischen Wendung (ἔκφοβοι […] ἐγένοντο – Mk 9,6b), Ausdruck verliehen. Eine Reihe von „negativen minor agreements“ kommt dort hinzu, wo das Matthäus- und das Lukasevangelium gemeinsam markinische Elemente auslassen: στίλβοντα und λίαν aus Mk 9,3a, die ergänzende Beschreibung der strahlenden Gewänder des verwandelten Jesus (οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι – Mk 9,3b), der Name Jesu aus Mk 9,4b (Ἰησοῦ), der Anredetitel aus Mk 9,5b und eine Serie von Wörtern aus Mk 9,8 (ἐξάπινα, περιβλεψάµενοι, οὐκέτι, ἀλλά, µεθ᾽ ἑαυτῶν). 3. Unterschiede innerhalb der synoptischen Erzählversionen 3.1. Unterschiede der markinischen und der matthäischen Version Im Unterschied zu Mk 9,2 wird im Matthäusevangelium statt µετὰ ἡµέρας die sprachlich eher zu erwartende Formulierung mit Elision µεθ᾽ ἡµέρας gewählt und κατ᾽ ἰδίαν µόνους ausgelassen (Mt 17,1ab). Außerdem findet sich die für das Matthäusevangelium typische Namensergänzung von Johannes in Form einer näheren Bestimmung (τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ – Mt 17,1b, wie in Mt 4,21 und 10,2) und die Auslassung der Artikel vor den Namen der Zebedäussöhne (τὸν Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην – Mt 17,1a). Sowohl λίαν als auch der 232

Vgl. NIEMAND, Minor Agreements, 60–269.

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nachklappende Pleonasmus in einer „dörflichen Sprechweise“233 entfallen: οἷα234 γναφεὺς235 ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται236 οὕτως λευκᾶναι.237 Ὡς τὸ φῶς aus Mt 17,2c wird parallel zu den strahlenden Gewändern in Mk 9,3b angeführt (ἐγένετο στίλβοντα). Die Hinzufügung des Gesichtsmotivs aus Mt 17,2b stellt eine Neuheit im Gegenüber zur markinischen Version dar (καὶ ἔλαµψεν τὸ πρόσωπον238 αὐτοῦ). Im Unterschied zum Markusevangelium wird im Matthäusevangelium das Strahlen des Gesichts und der Gewänder Jesu nominal mit ὁ ἥλιος und τὸ φῶς239 verglichen (Mt 17,2bc). Des Weiteren leitet Mt 17,3a das Erscheinen (auch ὤφθη) des Mose und Elia nicht nur durch καί, sondern durch das Aufmerksamkeit weckende καὶ ἰδού ein.240 Die matthäische Version ordnet das Partizip συλλαλοῦντες syntaktisch dem voranstehenden ὤφθη unter (Mt 17,3b) und wählt anstelle des reinen Dativs τῷ Ἰησοῦ die präpositionale Wendung µετ᾽ αὐτοῦ. Der Vorschlag Petri wird in Mt 17,4 mit ἀποκριθεὶς […] εἶπεν (Ersetzung des Praesens historicum aus Mk 9,5a durch den erzählenden Aorist) eingeleitet und mit einem δέ versehen. Hier spricht Petrus Jesus mit κύριε und nicht mit ῥαββί241 an wie etwa im Markusevangelium. Petrus will allein die Hütten 233

Ebd. 132. Οἷος ist 15-mal im Neuen Testament zu finden, davon viermal in den Evangelien. Außer an dieser Stelle begegnet οἷα in Mk 13,19, wo die Rede von der eschatologischen Notzeit ist, vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1140. 235 Γναφεύς ist ein Hapaxlegomenon im Neuen Testament, kommt also nur in Mk 9,3 vor, vgl. BALZ/SCHNEIDER, Art. γναφεύς, 615; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 325. 236 ∆ύναµαι ist 33-mal im Markusevangelium belegt: In Bezug auf Jesus wird δύναµαι nur affirmativ/positiv verwendet, in Bezug auf das Volk, die Jünger oder die Kranken nur negativ. Besonders in den Evangelien gehört δύναµαι zur Terminologie der Wunder und stellt ein Kennzeichen Gottes dar. Vgl. FRIEDRICH, Art. δύναµις, 860–867. 237 Λευκαίνω kommt zweimal im Neuen Testament vor, außer in Mk 9,3 noch in Offb 7,14, wo das Verb wie im Markusevangelium auch in einer eschatologischen Perspektive verwendet wird, vgl. BÜHNER, Art. λευκαίνω, 864; BAUER/ALAND, Wörterbuch, 958. 238 Πρόσωπον begegnet 76-mal im Neuen Testament. Im Sinne des leuchtenden Antlitzes stellt πρόσωπον eine theologische Verbindung zwischen dem Sinaigeschehen und dem Verwandlungsereignis dar. Konnte das Volk Israel das Antlitz Moses nach seiner Rückkehr vom Sinai nicht sehen, so können die drei Jünger auf dem Berg der Verwandlung das verklärte Antlitz Jesu sehen. Das leuchtende Antlitz ist als ein Legitimationszeichen zu interpretieren, so BERGER, Art. πρόσωπον, 435–436. 239 Typisches Substantiv für die literarische Gestaltung von Epiphaniegeschichten, vgl. RITT, Art. φῶς, 1073. 240 Eine im Matthäusevangelium sehr beliebte Einleitungsformel zur Akzentuierung einer Episode: neben Mt 17,3 auch 3,16; 4,11; 8,24.29.34; 12,10; 26,51; 28,2. 241 Ῥαββί kommt 17-mal im Neuen Testament und ausschließlich in den Evangelien vor: viermal im Markus-, fünfmal im Matthäus- und achtmal im Johannesevangelium. Hinzu tritt die Anrede ῥαββουνί als Steigerungsform (BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1467), die in Mk 10,51 und Joh 20,16 zu finden ist. Im Markusevangelium findet sich ῥαββί außer in Mk 9,5a noch in 11,21 und 14,45 (gleich zweimal). Zwei Apostel nennen im markinischen 234

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bauen, aber nur mit der Zustimmung Jesu (εἰ θέλεις ποιήσω – Mt 17,4c), und zusammen mit Jakobus und Johannes und ohne die Genehmigung Jesu wie im Markusevangelium (καὶ ποιήσωµεν – Mk 9,5c). Im Markusevangelium (Mk 9,6) findet sich im Anschluss an den Vorschlag des Petrus ein Zusatz, der diesen als völlig unwissend kennzeichnet (οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ – Mk 9,6a): Er „wusste nicht“, was er zu dem in V. 2b–4 Berichteten sagen sollte. Als Erklärung dafür wird (Mk 9,6b) die Furcht242 der drei Jünger benannt (ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο – Mk 9,6b). Im Matthäusevangelium hingegen findet sich keine Erklärung des Vorschlags Petri. Das Furchtmotiv wird allerdings gegen Ende seiner Erzählung eingefügt. Jesus wird in gewohnter Weise als derjenige beschrieben, der die Angst beendet, nachdem die Furcht angesichts des Hörens der Gottesstimme, d. h. angesichts der Begegnung mit Gott, entstand (Mt 14,27; 28,10; vgl. Mt 17,6.7 – καὶ ἀκούσαντες οἱ µαθηταὶ ἔπεσαν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῶν243 καὶ ἐφοβήθησαν σφόδρα. Καὶ προσῆλθεν ὁ Ἰησοῦς καὶ ἁψάµενος αὐτῶν εἶπεν· ἐγέρθητε καὶ µὴ φοβεῖσθε244). Das Entstehen der Wolken wird in Mt 17,5a ohne die markinische ἐγένετοFormulierung geschildert. Diejenigen, die die Wolke überschattete (ἐπεσκίασεν und nicht ἐπισκιάζουσα), während Petrus redete, werden im Akkusativ (αὐτούς) aufgeführt. Im Matthäusevangelium wird der Wolke das Adjektiv φωτεινή („hell leuchtend“ – Mt 17,5a) zugeschrieben und das Ereignis durch das in diesem Evangelium häufig begegnende und beliebte ἰδού (Mt 1,20; 2,1.9.13; 8,2; 9,2 usw.) markiert. Die Szene mit der aus der Wolke heraustönenden Stimme wird in Mt 17,5b der Sache nach aufgenommen, fängt aber mit καὶ ἰδού an, lässt ἐγένετο beiseite und leitet die Bestätigung durch die Stimme aus der Wolke (οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου245) mit λέγουσα ein. Die Anrede Kontext Jesus ῥαββί: Petrus bei der Verwandlung und nach dem Verdorren des Feigenbaums und Judas mehrfach in Gethsemane. Über die Anrede Petri lässt sich sagen, dass Petrus sowohl in Mk 9,5a als auch in 11,21 eine gewisse Verlegenheit verrät; denn nach seiner Anrede werden Erklärungen hinzugefügt (Mk 9,6; 11,22.23), die das nahelegen, siehe BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1467. Vgl. SCHNEIDER, Art. ῥαββί, 494. 242 Im Neuen Testament ist ἔκφοβος nur zweimal zu finden, nämlich in Mk 9,6b und in Hebr 12,21 und dabei in ähnlichen Zusammenhängen, denn in Hebr 12,21 wird über das Sehen Gottes durch Mose und über sein Erschrecken und Zittern gesprochen, vgl. BALZ/ SCHNEIDER, Art. ἔκφοβος, 1032. 243 Ἔπεσαν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῶν lässt sich als eine Reaktion auf Epiphanien verdeutlichen, „weil Gott in der Gemeinde erfahrbar wurde“, so BERGER, Art. πρόσωπον, 435. 244 Es geht hier um die Furcht vor der Macht Gottes bzw. Jesu bzw. um „Epiphaniefurcht“, so BALZ, Art. φοβέοµαι, 1028–1030. 245 Diese Wendung ist im Neuen Testament nur im Markusevangelium und in Texten belegt, die von ihm abhängig sind. Im Markusevangelium kommt sie dreimal vor: direkt in Mk 1,11 und in 9,7 und indirekt in 12,6. Im Unterschied zu Mk 1,11, wo Jesus der Adressat der väterlichen Stimme ist, sind in Mk 9,7 die drei Jünger diejenigen, denen die Aussage gilt. Wie bei der Verwandlungsgeschichte kommt diese Wendung in den Wundererzählungen vor, so HAHN, Art. υἱός, 918–919.

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aus der Wolke, in der Jesus als ὁ ἀγαπητός bezeichnet wird, wird in Mt 17,5c ergänzt durch ἐν ᾧ εὐδόκησα. Im Matthäusevangelium werden an dieser Stelle die Ausführungen erweitert, indem die Jüngerfurcht erwähnt und zwei weitere, neue Elemente beigefügt werden: das Fallen der Jünger auf ihr Angesicht und die Antwort Jesu, die sie anrührt und zum Aufstehen und Nichtfürchten ermutigt (Mt 17,6–7). Im Matthäusevangelium ist das Ende der Darstellung (Mt 17,8) eng mit dem vorher in V. 6–7 Erzählten verknüpft. Dem markinischen περιβλέπεσθαι (Mk 9,8) wird eine gewähltere und besser zu V. 6–7 passende Formulierung vorgezogen (ἐπάραντες δὲ τοὺς ὀφθαλµοὺς αὐτῶν). Darüber hinaus wird das ungewöhnliche ἀλλά durch das gewöhnliche εἰ µή ersetzt und οὐκέτι und µεθ᾽ ἑαυτῶν gestrichen. Jesus ist auch allein (µόνον – Mt 17,8b), daraus ergibt sich im Matthäusevangelium als Aussage: „Sie sahen niemand als Jesus allein.“ Nach dem Abstieg wird im Matthäusevangelium im Unterschied zum Markusevangelium explizit der Name Jesu (Mt 17,9b) erwähnt, der den drei Jüngern das Schweigen über das Gesehene (mit τὸ ὅραµα viel literarischer ausgedrückt als mit ἃ εἶδον in Mk 9,9b) gebietet, und als Frist des Schweigens die durch ἐγερθῇ und nicht wie in Mk 9,9c durch ἀναστῇ zum Ausdruck gebrachte Auferstehung des Menschensohns gesetzt (Mt 17,9c). Außer deutlichen sprachlichen Milderungen gegenüber dem Markustext, die der Erzählung mehr Fluss verleihen, wurde im Matthäusevangelium auch das theologische Profil verlagert, indem die Jüngerfurcht betont und als Epiphaniefurcht (d. h. als passender Kairos, eine Offenbarung zu vermitteln) gestaltet246 und durch Jesu Worte anschließend wieder aufgelöst wurde. Zugleich tritt im Matthäusevangelium das im Markusevangelium deutlich hervorgehobene Jüngerunverständnis in den Hintergrund. Auch die Bewertung des Vorschlags Petri wird abgemildert, indem sie im Matthäusevangelium fehlt. Die Furcht der Jünger erscheint im Matthäusevangelium als verständliche Folge der erzählten Offenbarung. 3.2. Unterschiede der markinischen und der lukanischen Version Anders als im Markus- und auch im Matthäusevangelium wird im Lukasevangelium die Rahmung der Verwandlungserzählung (Lk 9,28) fast ganz umformuliert: Es wird die Zeitangabe in einer literarisch ausgearbeiteten Weise eingeleitet247 und die Verwandlung zeitlich durch µετὰ τοὺς λόγους τούτους auf das zuvor Gesagte bezogen und anscheinend eine längere Zeitspanne als im Markus- und im Matthäusevangelium bis zum Verwandlungsmoment angedeutet (ὡσεὶ ἡµέραι ὀκτώ – Lk 9,28a). Jesus als Handlungsträger 246

Vgl. Offb 1,17 und in der Septuaginta Dan 8,17; 10,9. Wie in Lk 1,59; 2,1.46; 5,17; 8,22. Προσεύχοµαι begegnet 85-mal im Neuen Testament, davon am häufigsten im Lukasevangelium (19-mal) und in der Apostelgeschichte (16-mal). 247

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wird nicht ausdrücklich mit Namen erwähnt und die Apostelnamen werden ohne Artikel geschrieben.248 Sie stehen übrigens nicht in derselben Reihenfolge wie im Markus- und Matthäusevangelium, da Johannes Jakobus vorangestellt wird (Πέτρον καὶ Ἰωάννην καὶ Ἰάκωβον – Lk 9,28b). Um die Bedeutung des Berges hervorzuheben, wird im Lukasevangelium das Adjektiv ὑψηλός durch den Artikel τό (εἰς τὸ ὄρος – Lk 9,28b) ersetzt. Des Weiteren tritt in der Lukasversion (Lk 9,28b) ἀνέβη an die Stelle der markinischen (und auch matthäischen) Formel καὶ ἀναφέρει αὐτούς (Mk 9,2b), weil das im Lukasevangelium höchst wichtige Motiv des Betens Jesu hervorgehoben werden soll. Zudem wird κατ᾽ ἰδίαν µόνους ausgelassen und stattdessen das beliebte Gebetsmotiv durch προσεύξασθαι hinzugefügt.249 Innerhalb des Verwandlungsmoments wird im Lukasevangelium erneut das Gebetsmotiv hinzugefügt, indem nicht das Verbum µεταµορφοῦσθαι, sondern die Umwandlung Jesu als Folge des Gebets dargestellt wird und sich in der Andersartigkeit seines Gesichts (wie in Mt 17,2b) äußert (καὶ ἐγένετο ἐν τῷ προσεύχεσθαι αὐτὸν τὸ εἶδος τοῦ προσώπου αὐτοῦ ἕτερον – Lk 9,29a). Τὰ ἱµάτια aus Mk 9,3a wird in Lk 9,29b durch ὁ ἱµατισµός250 ersetzt und statt des Verbums στίλβειν (glänzen) aus Mk 9,3a und λάµπειν aus Mt 17,2b bevorzugt das Lukasevangelium das Partizip ἐξαστράπτων251 (Lk 9,29b). Das Strahlen des Gewandes Jesu wird im Lukasevangelium auch mit λευκός bezeichnet (Lk 9,28b). Mose und Elia werden im Lukasevangelium (Lk 9,30) auch mit καὶ ἰδού wie im Matthäusevangelium (Mt 17,3) eingeführt, wobei zuerst zwei Männer erwähnt werden (ἄνδρες δύο), die mit Jesus (bloßes αὐτῷ) reden. Das Imperfekt συνελάλουν (Lk 9,30a) entspricht inhaltlich der Periphrase ἦσαν συλλαλοῦντες (Mk 9,4). Von einer Erscheinung ist dabei zunächst nicht die Rede. Am Ende des Verses (Lk 9,30b) wird im Lukasevangelium die Identität beider Männer nicht wie im Markusevangelium (Mk 9,4a) erklärt, sondern sie werden in einer mit Mt 17,3 übereinstimmenden Reihenfolge genannt: Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας. In V. 31 wird dann nachgetragen, dass beide „in Herrlichkeit erschienen waren“ (ὀφθέντες ἐν δόξῃ). Die Verse 31 und 32 insgesamt bilden einen bei Markus und Matthäus nicht zu findenden Erzählstoff, dessen Bedeutung in der Einzelexegese der LukasPerikope zu bedenken ist. Sie kennzeichnen die Erscheinung von Mose und Elia als eine solche, die „in Herrlichkeit“ (ἐν δόξῃ252) geschieht, und sie führen 248

Wie in Lk 5,8.10; 6,14. Lk 3,21; 5,16; 6,12; 9,18; 11,1. 250 Im Unterschied zu ἱµάτια ist ἱµατισµός prächtige, kostbare Kleidung, was vom Evangelisten zur Hervorhebung der Würde Jesu benutzt wird. Außer in Lk 9,29 auch noch in 7,25, wo er die kaiserlichen Gewänder schildert, vgl. BALZ/SCHNEIDER, Art. ἱµατισµός, 460. 251 Vgl. BALZ/SCHNEIDER, Art. ἐξαστράπτω, 7; Vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 553. 252 ∆όξα kommt 167-mal im Neuen Testament vor und steht für die göttliche Herrlichkeit und den göttlichen Machtglanz. In Erzählungen wie derjenigen von der Verwandlung 249

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

aus, worüber die beiden Männer mit Jesus sprechen (ἔλεγον τὴν ἔξοδον αὐτοῦ, ἣν ἤµελλεν πληροῦν ἐν Ἰερουσαλήµ in Anspielung auf das Kreuz – Lk 9,31). In V. 32 kommt das Schlafmotiv der Jünger hinzu, danach ihr Aufwachen und Erblicken der Herrlichkeit Christi253 (εἶδον τὴν δόξαν αὐτοῦ als theologische Erweiterung), die schon als Ergebnis des ganzen Geschehnisses betrachtet werden kann. Für die Empfehlung Petri führt das Lukasevangelium zunächst (Lk 9,33a) eine schön klingende Einleitungsformel ein (καὶ ἐγένετο ἐν τῷ διαχωρίζεσθαι αὐτοὺς ἀπ᾽ αὐτοῦ). Der Infinitiv διαχωρίζεσθαι ist ein Praesens de conatu, d. h. eine Präsensform für erwartete oder voraussetzende Aktionen, die zeigt, was noch stattfinden soll.254 Das Scheiden von Mose und Elia will Petrus verhindern, deshalb sein durch V. 33b eingeleiteter Vorschlag in V. 33c.d. Nach der Einleitung (Lk 9,33b) führt das Lukasevangelium das Wort Petri mit εἶπεν πρὸς τὸν Ἰησοῦν ein. Petrus wendet sich (Lk 9,33c) an Jesus mit der Anrede ἐπιστάτα255 und beabsichtigt (Lk 9,33d) wie im Markusevangelium, zusammen mit den anderen beiden Jüngern Hütten zu errichten (ποιήσωµεν). Der Satz V. 33d ist gegenüber der Markusvorlage (Mk 9,5c) lediglich stilistisch umgestaltet. Zugleich gibt das Lukasevangelium (Lk 9,33b) keine Informationen über den Grund der Furcht, sondern schreibt knapp, dass Petrus nicht wusste, was er sagte (µὴ εἰδὼς ὃ λέγει). Während im Markusevangelium erklärt wird, dass Petrus aus Furcht nicht wusste, was er sagen sollte, wird im Lukasevangelium bemerkt: Petrus wusste nicht, was er sagte. Das heißt: Er „sagte etwas, das ganz und gar die Situation nicht traf“,256 der Situation überhaupt nicht angemessen war. Die Wolke erscheint in Lk 9,34, während Petrus redet, wie im Matthäusevangelium auch. Das Entstehen dieser Wolke wird aber durch ἐγένετο eingeführt und das Verb des Überschattens wird im Imperfekt ausgedrückt (ταῦτα δὲ αὐτοῦ λέγοντος ἐγένετο νεφέλη καὶ ἐπεσκίαζεν αὐτούς). Erst jetzt kommt das durch das Verb ἐφοβήθησαν (in der Aorist-Passiv-Form) ausgedrückte Furchtmotiv mit der lukanischen Erklärung des Verhüllens (εἰσελθεῖν) der Jünger durch die Wolke vor. Das Lukasevangelium (Lk 9,35) übernimmt das markinische ἐγένετο φωνή mit umgekehrter Abfolge (φωνὴ ἐγένετο) und fügt das Partizip λέγουσα hinzu, wie es auch im Matthäusevangelium (Mt 17,5b) begegnet. Die Aussage aus der Wolke wird von Lk 9,35b einerseits durch Jesu auf dem Berg deutet δόξα auf Theophanietraditionen hin, in deren Rahmen ein himmlischer Lichtglanz „teils durch besondere Begnadung visionär […], teils sichtbar-räumlich von oben hereinbrechend“ geschaut wird, so HEGERMANN, Art. δόξα, 832–841. 253 Zu εἶδον τὴν δόξαν αὐτοῦ vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 409. 254 Vgl. HOFFMANN/VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 197b. 255 Es kommt ausschließlich im Zusammenhang der lukanischen Wundererzählungen zur Kennzeichnung der autoritativen Stellung Jesu innerhalb einer bestimmten Gruppe seiner Jünger vor, vgl. GRIMM, Art. ἐπιστάτης, 93–94; OEPKE, Art. ἐπιστάτης, 619; BAUER/ ALAND, Wörterbuch, 607–608. 256 SCHÜRMANN, Lukasevangelium, 560.

C. Literarkritik

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Ersetzung von ὁ ἀγαπητός mit ὁ ἐκλελεγµένος257 und andererseits durch das Vertauschen der Abfolge mit dem vorangestellten Pronomen (αὐτοῦ ἀκούετε) ergänzt. Am Ende verkürzt das Lukasevangelium (Lk 9,36a) den markinischen Schluss, ersetzt Sehen (Mk 9,8b – Mt 17,8b εἶδον) durch Finden (εὑρέθη), erwähnt den Namen Jesu in Begleitung des Prädikatsnominativs µόνος und beendet die Erzählung direkt nach dem Ertönen der Stimme (ἐν τῷ γενέσθαι τὴν φωνήν). Das Lukasevangelium sagt nichts von einem Schweigegebot, sondern erwähnt lediglich das folgende Jüngerschweigen und sagt ebenfalls nichts über die Dauer bzw. das Ende des Schweigens. Das Lukasevangelium (Lk 9,36a) verkürzt den markinischen Schluss mit dem einfachen εὑρέθη Ἰησοῦς µόνος und lässt dieses Ende unmittelbar auf das Ertönen der Gottesstimme folgen (ἐν τῷ γενέσθαι τὴν φωνήν, „als die Stimme ertönt war“258). Was die Unterschiede der Verwandlungserzählung in der Lukas- und der Markusversion betrifft, so sind die stilistischen Umgestaltungen besonders deutlich. Es wurden wohl aus stilistischen Gründen 1. statt der Parataxe παραλαµβάνει […] καὶ ἀναφέρει die Hypotaxe παραλαβών verwendet und 2. statt des Praesens historicum der berichtende Aorist gewählt. Die Ausdrucksweise der Verwandlungsgeschichte ist insgesamt sprachlich glatter als die markinische. Das Lukasevangelium deutet die Szene theologisch weiter aus, indem es die Verwandlung Jesu auf dem Berg durch das Gebet veranlasst und somit als Folge des Gebets darstellt. Die verwandelte, von den drei Jüngern auf dem Berg zu sehende Gestalt Jesu erscheint in Herrlichkeit, wie auch die zwei Persönlichkeiten des Alten Testaments, die am Ereignis beteiligt sind. Zugleich gibt das Lukasevangelium zusätzliche Informationen in Bezug auf das Gesprächsthema Jesu mit Mose und Elia, indem es eine Anspielung auf das Leiden Jesu in Jerusalem macht. Aus den oben erläuterten Aspekten, welche die Abhängigkeit der drei synoptischen Evangelien voneinander charakterisieren, lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: 1. Die Verwandlungserzählung ist bei den drei Synoptikern zwischen erster und zweiter Leidensankündigung eingeordnet. 2. Obwohl „there are no hard and fast laws of the development of the Synoptic tradition“,259 ist die sprachliche Qualität der im Matthäus- und im Lukasevangelium angegebenen Texte der Verwandlungserzählung im Vergleich zur Markusversion deutlich gehobener: Beseitigung pleonastischer Ausdrücke, Ersetzen der καί-Parataxe durch δέ, Glätten der gesamten 257

Vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 488. Zu ἐν τῷ mit Infinitiv Aorist vgl. BLASS/DEBRUNNER, Grammatik, § 404,1 einschließlich Anm. 3. 259 SANDERS, Tendencies, 272, schlägt Tendenzen als Kriterien der synoptischen Entfaltung vor: „increasing length“, „increasing detail“, „diminishing semitism“, „direct discourse“ oder „conflation“. 258

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

Erzählung etc.260 Die Verwandlungserzählung wurde im Matthäus- und im Lukasevangelium im Vergleich zum Markusevangelium grammatisch und stilistisch verfeinert. Infolgedessen könnte m. E. das sprachlich-interne Kriterium (Wortlaut) als ein wichtiges Argument für die synoptische Textentwicklung gelten.261 3. Die Veränderungen sind aber nicht nur sprachlich, sondern auch theologisch zu bewerten. Indem die Seitenreferenten den Markustext durch die Übernahme jeweiliger Vorzugsmotive weiterentwickeln, fügen sie das Furcht- (Matthäusevangelium) und das Gebetsmotiv (Lukasevangelium) ein und zugleich mildern sie beide das markinische „Unwissen der Jünger“ ab.262 4. Das Stoffquantum und die Wortstatistik, hervorgehoben in der synoptischen Tabelle, spiegeln eine mehrheitliche Übernahme der markinischen Erzählelemente durch das Matthäus- und das Lukasevangelium wider.263 Infolgedessen können der Text des Matthäus und der des Lukas aus dem Markustext erklärt werden,264 was für die Hypothese markinischer Priorität spricht.265 5. Es gibt gemeinsame Abweichungen des Matthäus- und des Lukasevangeliums vom Markusevangelium, sog. „minor agreements“, die besonders für die Verwandlungserzählung durch Christoph Niemand detailliert aufgelistet und ausgelegt wurden266 und nicht als Zufälligkeiten zu verstehen sind,267 sondern theologische Bearbeitungen darstellen.268 Dies könnte dafür sprechen, dass die Seitenreferenten nicht das „kanonische“ jetzige Markusevangelium, sondern einen sprachlich und theologisch revidierten, späteren269 Text als Vorlage zur Verfügung hatten.270

260

Vgl. zur Glättung SCHNELLE, Einleitung, 192, und FUCHS, Seesturmperikope, 67. Vgl. dagegen SANDERS, Tendencies, 276: „[…] the internal criteria would not be used to help in investigating the Synoptic problem.“ 262 Vgl. NIEMAND, Minor Agreements, 274; BOCKMUEHL, Making, 282. 263 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 192–193. 264 Vgl. HENGEL, Evangelien, VIII. 265 Vgl. ebd. 141. 266 NIEMAND, Minor Agreements, 11–12, identifiziert 27 Agreements zwischen der matthäischen und der lukanischen Fassung gegen die markinische. Vgl. auch NEIRYNCK, Minor Agreements, 27.57–58. 267 Vgl. SCHNELLE, Einleitung, 194–195. 268 Zur Bearbeitung als Prozess vgl. NIEMAND, Minor Agreements, 278. 269 Vgl. NEIRYNCK, Minor Agreements, 61. 270 Vgl. NIEMAND, Minor Agreements, 274; FUCHS, Seesturmperikope, 88. Dagegen HENGEL, Evangelien, 283, der die Minor Agreements nicht auf einen revidierten Markustext bezieht, sondern auf deren Übernahme durch Matthäus aus dem Lukastext. 261

C. Literarkritik

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6. Wie dieser Text konkret ausgesehen haben könnte, ist schwer zu bestimmen, trotz mancher in dieser Hinsicht formulierten Hypothesen271 und der Annahme eines Deutero-Markus-Textes.272 In Bezug auf Deutero-Markus bewegen wir uns auf der Basis von Hypothesen, deren Beweisführung nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. Eine Rekonstruktion dieses Textes ist eher „difficult to prove“.273 7. Die Texte der Verwandlungserzählung erlauben m. E. nicht mit Sicherheit die Annahme, dass das Matthäus- und das Lukasevangelium voneinander literarisch abhängig sind,274 obwohl die lukanischen Textänderungen prägnanter als die matthäischen sind.275 Gegen die Annahme der Abhängigkeit eines der beiden vom anderen spricht vor allem die Tatsache, dass bei beiden wichtige theologische Aspekte aus der von dem anderen gebotenen Fassung der Verwandlungserzählung fehlen. So findet sich z. B. im Matthäusevangelium nicht das lukanische Gebetsmotiv oder das Thema des Gesprächs, das Mose und Elia mit Jesus führen, während im Lukasevangelium das Furchtmotiv an einer anderen Stelle und mit einer anderen Aussage im Vergleich zum Matthäusevangelium verwendet wird. 8. Der Vergleich hat somit gezeigt, dass die Beziehungen der drei synoptischen Versionen der Verwandlungserzählung mithilfe der revidierten Zwei-Quellen-Theorie erklärt werden können und der markinische Text als älteste Fassung dieser Erzählung gelten kann. Sowohl die Erarbeitung von literarischen Vorstadien eines biblischen Textes als auch die Untersuchung der literarischen Abhängigkeiten zwischen biblischen Texten ähnlichen Inhalts anhand des synoptischen Vergleichs sprechen

271 Neirynck meint, Deutero-Markus sei eine „combination of Q with Mark“, nach NEVILLE, Reappraisal, 10–11. Zu diesem Argumentationsgang siehe auch STURDY/ KNIGHT (Hg.), Redrawing, 31. Für einen mündlichen Einfluss auf den bearbeiteten Markustext argumentiert NEIRYNCK, Minor Agreements, 62. Außerdem siehe auch GOULDER, Knowledge, 143: „The second edition of Mark is our Matthew, and Luke knew our Matthew.“ 272 Vgl. NIEMAND, Minor Agreements, 281 [Hervorhebung im Original]: „Wenn die vorhandenen Elemente (hier: die überlieferten Evangelien) zur Ausbildung eines befriedigenden Modells nicht ausreichen, so muß – nolens volens – ein hypothetisch erschlossenes Modellelement postuliert werden, wie es ja auch bei Q der Fall ist“ [Hervorhebung im Original]. 273 HENGEL, Eye-Witness, 74: „Here, the wish is all too often father to the thought“ und DERS., Evangelien, 318: „Eine Lösung der synoptischen Quellenfrage ist immer nur sehr unvollkommen möglich.“ Vgl. darüber hinaus SANDERS, Tendencies, 8 (siehe oben Anm. 219) und NIEMAND, Minor Agreements, 282: „[…] scheint mir ein derartiger Versuch für die Verwandlungsgeschichte nicht angebracht“. 274 Vgl. STURDY/KNIGHT, Redrawing, 31, und FUCHS, Seesturmperikope, 66. 275 Vgl. NIEMAND, Minor Agreements, 298–300. Für die Übernahme von Lukas durch Matthäus spricht HENGEL, Evangelien, 320, auch STURDY/KNIGHT, Redrawing, 33.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

eindeutig für die Entstehung der biblischen Texte im Rahmen eines dynamischen Prozesses. Aber obwohl die Literarkritik und der synoptische Vergleich im Rahmen der historisch-kritischen Exegese eng zusammengehören, werden sie in der orthodoxen Bibelexegese überraschenderweise getrennt behandelt und bewertet. Der Literarkritik wird aus den oben bereits genannten Gründen misstrauisch begegnet, während der synoptische Vergleich als notwendiger Teil einer Exegese betrachtet wird. Diese unterschiedliche Bewertung ist nicht überzeugend, denn der synoptische Vergleich ist Bestandteil der Literarkritik und betrachtet die Evangelientexte ähnlich gründlich, wie alle Texte im Paradigma der Literarkritik betrachtet werden sollten. Aufgrund der Tatsache, dass innerhalb der patristischen Exegese oftmals synoptische Vergleiche durchgeführt wurden, kann dieser exegetische Methodenschritt in der orthodoxen Bibelexegese als unproblematisch wahrgenommen und übernommen werden. Wenn die Kirchenväter sich einer exegetischen Arbeit über die synoptischen Evangelien widmeten, griffen sie stets auf Textvergleiche zwischen den Evangelien zurück, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Erzählungen hervorzuheben und die theologischen Akzente jedes Evangeliums aufzuzeigen. Der synoptische Vergleich als Teil einer Methode gibt die Möglichkeit, die Worte Jesu und die Erzählungen über ihn in den verschiedenen frühchristlich entstandenen Versionen kennenzulernen. Dadurch kann nachgezeichnet werden, welche unterschiedlichen theologischen Akzente in der Jesusüberlieferung des ersten Jahrhunderts gesetzt wurden und gesetzt werden konnten. Der synoptische Vergleich der Erzählung über die Verwandlung Jesu zeigt die jeweiligen theologischen Akzente der Evangelien, wie im Lukasevangelium beispielsweise das Gebet und im Matthäusevangelium die Furcht der Jünger sowie das daraus resultierende Niederfallen auf ihr Angesicht, die in der wahrscheinlich älteren Version des Markusevangeliums noch nicht zu finden sind. Daraus folgt für die orthodoxe Theologie, dass sie sich mit zwei Problemen auseinanderzusetzen hat: Erstens muss sie sich mit dem Gedanken befassen, dass die Bibeltexte keine Tatsachenberichte liefern, sondern Glaubenserzählungen sind, die über einen längeren Zeitraum entstanden sind und dabei Veränderungen erfahren haben, sei es, dass neue theologische Akzente gesetzt wurden, sei es, dass Zusätze erfolgten, um diese Erzählungen z. B. in einen literarischen Kontext, hier in den Kontext der Evangelienschriften, zu integrieren. Das steht im Gegensatz zu den Überzeugungen der Kirchenväter, denen zufolge die in der Bibel dargestellten Erzählungen durchgehend auf historischen Ereignissen gründen. Zweitens muss sie sich, wenn sie die Abweichungen als inspiriert betrachtet, mit ihrer Definition von Inspiration und deren Grenzen sowie mit einer Neufassung ebendieser befassen. Kennt ein Bibeltext mehrere Entwicklungsstadien, gelten dann alle diese Stadien als inspiriert oder nur die jeweilige Endgestalt des Textes? Wenn ein Entwicklungsstadium anhand des deutlichen theologischen Interesses eines Evange-

D. Gattung und Sitz im Leben

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listen erklärt werden kann und noch immer als inspiriert betrachtet wird, könnte dann, hypothetisch gesehen, ein Bibeltext noch heute ergänzt werden und behalten diese Ergänzung(en) ihren inspirierten Charakter? Welche Rolle nimmt in diesem Zusammenhang die Kanonisierung ein, steht in diesem Fall eine kirchlich-administrative Maßnahme hinter diesem Inspirationsprozess und beendet selbigen? Festhalten möchte ich, dass m. E. die von den Kirchenvätern vertretene Auffassung, das Matthäusevangelium sei das älteste kanonische Evangelium, nicht die heutige Annahme der Markuspriorität beeinflusst, da diese sich in einem langen wissenschaftlichen Diskurs herauskristallisiert hat aufgrund von Erkenntnissen, die den Kirchenvätern noch nicht zugänglich waren.276 Zudem wird im westlichen Wissenschaftssystem die Markuspriorität durchaus als Hypothese wahrgenommen, die immer wieder zur Disposition gestellt werden kann und muss. Ich möchte dafür plädieren, dass die orthodoxe Exegese an solchen Diskursen aktiver teilnimmt; denn letztlich entscheidet die Frage nach der literarischen Beziehung der Evangelien untereinander ohnehin nicht darüber, wie diese theologisch verstanden werden.

D. Bestimmung der Gattung und des Sitzes im Leben D. Gattung und Sitz im Leben Die klassische Formgeschichte, die im Wesentlichen von Hermann Gunkel, Rudolf Bultmann und Martin Dibelius geprägt wurde, ging davon aus, dass am Beginn der Evangelienüberlieferung „kleine Einheiten“ standen, die mündlich tradiert wurden und daher feste Formen hatten.277 Diese Formen mussten zumeist nicht neu erfunden werden, sondern orientierten sich an bereits vorgegebenen Gattungen der Umwelt. Die Formgeschichte geht des Weiteren davon aus, dass sich diese Formen im Laufe des Überlieferungsprozesses veränderten, also mit einer Geschichte der Form bzw. Gattung zu rechnen ist oder Überlieferungen in diesem Prozess auch neu geschaffen wurden. Am Ende dieses Prozesses stehen die Evangelien als Verschriftungen solcher Überlieferungen. Im Rahmen dieses Forschungsparadigmas wurden die Evangelisten in der Regel als konservative Sammler betrachtet, deren Eigenleistung in der Komposition der Evangelien gering war. Dieses Paradig276

Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 22: „Selbstverständlich besitzen wir heute bessere und zuverlässigere historische und philologische Informationen über die urchristliche Abfassungszeit der neutestamentlichen Schriften […]. Das philologische und historische exegetische Material, das damals den Kirchenvätern zur Verfügung stand, ist unserem heutigen Material gegenüber unterlegen […]. Viele patristische mystische oder allegorische Auslegungen von konkreten Stellen scheinen heute undenkbar, zumal die verschiedenen philologischen, historischen, archäologischen oder religionsgeschichtlichen Kenntnisse der modernen Bibelwissenschaft enorm zugenommen haben.“ 277 Vgl. dazu und zum Folgenden die klassischen Werke zur Formgeschichte des Neuen Testaments von BULTMANN, Geschichte, und DIBELIUS, Formgeschichte.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

ma hat vielfältige Kritik erfahren278 und es kommt in der aktuellen Exegese in dieser klassischen Form nicht mehr zur Anwendung. Geblieben ist allerdings die Einsicht, dass in die Evangelien eine Fülle unterschiedlicher Textsorten aufgenommen wurde: „Unter Textsorten werden Gruppen von Texten verstanden, denen bestimmte Merkmale gemeinsam sind.“279 Klassisch lautete die Frage: „In welche literarischen Formen und Gattungen ist der Stoff der synoptischen Überlieferung gefasst?“280 Daher figurierte die Methode auch lange Zeit unter den Namen „Form-“ oder „Gattungskritik“ bzw. „Gattungsgeschichte“. Diese Bezeichnungen werden weitgehend synonym verwendet. Es besteht jedoch ein deutlicher Unterschied zwischen „Gattung“ und „Form“: „Gattung“ ist ein virtuelles Schema, ein Muster oder eine Art vollkommene Form, die alle zugehörigen Elemente beinhaltet, während „Form“ sich auf einen konkreten Einzeltext bezieht und meistens nicht vollständig einem Muster und damit einer Gattung entspricht.281 Die Formgeschichte bzw. Gattungskritik genießt in der orthodoxen Bibelexegese nicht dieselbe Beachtung wie Textkritik, Textanalyse oder der Synoptische Vergleich. Allerdings wird sie von modernen orthodoxen Exegeten wahrgenommen. Breck beispielsweise ordnet sie der Erschließung des Literalsinns eines Bibeltextes zu.282 Stylianopoulos erkennt die Wichtigkeit der Formgeschichte in der Identifizierung von kleinen Texteinheiten der biblischen Schriften sowie in der Verankerung von biblischen Erzählungen im Leben der frühchristlichen Gemeinden.283 Auch Kesich betont, dass die Formgeschichte eine wichtige exegetische Methode ist, um die Bedeutung der urchristlichen Gemeinde für die Ausformung der neutestamentlichen Texte zu erfassen, denn das Evangelium wurde nicht „in a vacuum, but in the life of the Church“284 verfasst und situationsbezogen verkündigt.285 Kesich betrach278

Vgl. zu dieser Kritik exemplarisch GÜTTGEMANNS, Formgeschichte, und BERGER, Formgeschichte. 279 EGGER/WICK, Methodenlehre, 206. 280 SCHNELLE, Einführung, 100. 281 Vgl. ebd. 129. 282 Vgl. BRECK, Orthodoxy, 147: „Orthodox biblical scholars […] have little question about the usefulness of ,sourceʻ and ,form criticismʻ, recognizing, as did the early Church Fathers, that the biblical texts were composed on the basis of underlying oral and written traditions, including teachings of Jesus and reflections upon His person.“ 283 Vgl. STYLIANOPOULOS, New Testament, 130: „Form criticism identifies the small forms or units of scriptural books, such as laws, prayers, wisdom sayings, prophetic utterances, parables, etc., which go back to oral tradition and their use in the ongoing life of the religious community“ [Hervorhebung im Original]. 284 Vgl. ebd. 30. 285 Vgl. ebd. 31: „In its preaching and teaching, the Church used the gospel to answer questions about the teachings of Jesus, to give examples which explained his attitude toward the Law and the various groups and institutions within Judaism, and to explain his teaching about the Kingdom of God and about himself.“

D. Gattung und Sitz im Leben

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tet die Absicht der Formgeschichte, in den Texten mündliche Vorstufen zu entdecken, jedoch skeptisch.286 Die besonders ausgeprägte Hypothetik solcher Versuche wurde längst von der Kritik an der Formkritik erkannt. Versuche einer Rekonstruktion mündlicher Vorstufen sind in der aktuellen Bibelwissenschaft kaum mehr anzutreffen. Kesich warnt davor, den urchristlichen Gemeinden bei der Bildung der Evangelienüberlieferung zu viel Einfluss zuzuschreiben, was den Eindruck erwecken könnte, dass die erzählten Ereignisse in Wirklichkeit nicht stattgefunden haben und nicht von (Augen-)Zeugen weitergegeben wurden.287 Auch kritisiert er die mangelnde Einigung der wichtigsten Vertreter der klassischen Formgeschichte hinsichtlich der gattungskritischen Einordnung mancher neutestamentlicher Texte.288 McGuckin wendet ein, dass die Formgeschichte, wie sie von Bultmann etabliert wurde, die Evangelien archäologisch dekonstruiert und nicht erklärt. Durch Bultmanns Arbeit trat die zweite Generation der Christen zu stark in den Vordergrund, da sie als kreative kirchliche Theologen angesehen wurden. Diese hätten die vorhandenen Erzähleinheiten über Jesus zusammengestellt und die eigenen Überzeugungen einfließen lassen. Somit wäre in den Evangelien stärker der Kontext der späteren Bearbeiter als derjenige von Jesus zu finden.289 Auch Nikolakopoulos kritisiert die Formkritik, weil sie zur Fragmentierung der theologischen Einheit der Evangelien beigetragen hat,290 obwohl sie sei-

286 Vgl. KESICH, Gospel, 27: „Form criticism builds upon source criticism and goes beyond it. While not displacing source criticism, the results of which have been generally accepted, it seeks to overcome its excessive tendency to ,discoverʻ new sources by going behind the written documents to investigate the oral traditions which preceded them.“ 287 Vgl. ebd. 32. 288 Vgl. ebd. 28–29: „Whereas Dibelius uses the so-called ,constructive methodʻ (that is, attempting to analyze the formation of the tradition ,from a study of a community and its needsʻ), Bultmann proceeds ,from the analysis of the particular elements of the traditionʻ and tries to identify the needs that produced and handed it on […]. This shows how divergent the approaches to Synoptic Gospels tradition of two of the best known and most creative form critics can be.“ 289 Vgl. MCGUCKIN, Hermeneutics, 302: „The forms of traditional units gave to Bultmann the shape of what lay before. His disciples […] directed this archaeological excavation sideways, and became very interested in the analysis of the second generation of the Church: not Jesus and the Apostolic preaching, but the era of the Gospel writers who were now seen primarily as highly creative ecclesiastical editors, at one removed (in time and authority) from the apostolic disciples they depicted. These Gospel-editors were seen to have assembled largely pre-existing materials with varying, but significant, degrees of personal interventions that often demonstrated their own environments more than those of Jesus.“ 290 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 343: „The form-historical method (Formgeschichte) and the history of composition (Redaktionsgeschichte), which primarily use literary (narrative) and historical approaches, have led to fragmentation, particularly of the synoptic Gospels. The orthodox interpretation avoids using such arbitrary separations

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

ner Meinung nach auch „etliche Dienste für die Lösung von Einführungsproblemen des Neuen Testaments“291 erbracht hat. Er schließt sich der Stellungnahme Stantons an, der die formkritische Analyse der biblischen Texte einerseits als „ein nützliches Werkzeug“,292 das schwer zu ersetzen ist, und andererseits als „ein stumpfes Werkzeug“,293 das verbessert und revidiert werden muss, bezeichnet. I. Vorschläge zur Bestimmung der Gattung der Verwandlungsperikope Die Perikope von der Verwandlung Jesu ist in der Forschung verschiedensten Gattungen zugeordnet worden, was zum einen anzeigt, wie schwierig sich das in diesem Fall erweist, und zum anderen ein Grundproblem der Gattungskritik markiert, nämlich dass Gattungsbestimmungen in den wenigsten Fällen eindeutig sind. Bultmann ordnet sie den Legenden zu und sieht in ihr eine in das Leben Jesu zurückverlegte, ursprünglich von Petrus verkündigte Ostererscheinungsgeschichte.294 Nach Bultmann enthalten Legenden auch Wunderbares und sind mit den Wundergeschichten verwandt, unterscheiden sich jedoch von diesen dadurch, dass sie „ihre Pointe erst durch die Beziehung auf einen Zusammenhang erhalten“,295 wie hier mit dem Leben des religiösen Heros.296 Dibelius teilt die Meinung Bultmanns, dass die Verwandlungserzählung erst nachösterlich entstanden ist, und ordnet sie der Gattung „Mythos“ zu als einer Erzählung vom beziehungsvollen Handeln der Götter.297 Nach diesen ersten Gattungsbestimmungen wurde die Verwandlungserzählung in der weiteren Forschung verschiedensten Textsorten zugeordnet: der Himmelfahrtserzählung,298 der Offenbarungsstory299 oder Inthronisation,300 verschiedenen Arten einer Epi-

basically for theological reasons, especially in cases where it is extremely difficult to come to solid conclusions.“ 291 NIKALOKOPOULOS, Hermeneutik, 35. 292 Ebd. 293 Ebd. 294 Vgl. BULTMANN, Geschichte, 278. Diese Bestimmung wurde inzwischen kritisiert, etwa von BLANK, Analyse, 193–207, trotz mancher Milderungsversuche wie desjenigen von CARLSTON, Transfiguration, 233–240. Eine knappe, aber instruktive Auflistung der Formbestimmungen liefert STEIN, Resurrection-Account, 79–96, der zugleich eine gut begründete Entscheidung gegen die Bestimmung der Verwandlungsperikope als Auferstehungsgeschichte liefert. 295 BULTMANN, Geschichte, 260. 296 Vgl. ebd. 297 Vgl. DIBELIUS, Formgeschichte, 265. 298 Vgl. THEISSEN, Wundergeschichten, 4; GEORGI/WUELLNER (Hg.), Records, 15–16. 299 Vgl. WILSON, Transfiguration, 53; KERTELGE, Markusevangelium, 88. 300 Vgl. GNILKA, Markus, II, 32.

D. Gattung und Sitz im Leben

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phanie,301 der christologischen Legitimationserzählung mittels einer Epiphanienarration302 oder Theophanie303 und dergleichen mehr.304 Diese Fülle von Zuordnungen macht eine präzise Bestimmung der Textsorte nicht einfacher und bestätigt, wie wenig eindeutig dieser Text ist – vielmehr „enigmatic and difficult“.305 Wypadlo kam in seiner aktuellen Studie zur Verwandlungserzählung sogar zu dem Ergebnis, dass eine exakte gattungskritische Einordnung nicht möglich ist.306 Eine grundlegende Untersuchung der Textsorte der Verwandlungsperikope hat Heil in seiner Monographie aus dem Jahr 2000 vorgelegt, indem er eine ausführliche Analyse der Begriffe „Theophanie“, „Vision“ und „Epiphanie“ durchführt, die als Synonyme zur Bestimmung der Gattung der Verwandlungserzählung verwendet worden sind.307 Heil vergleicht die Verwandlungsperikope mit diesen drei Textformbestimmungen und zeigt, dass diese Perikope formkritisch nicht der Gattung „Theophanie“308 oder „Vision“309 angehört, 301

Vgl. THEISSEN/MERZ, Jesus, 268; FRENSCHKOWSKI, Offenbarung, 184–187; DSCHULMarkusevangelium, 243; PESCH, Markusevangelium, II, 70. Für FISCHER, Disciples, 132, ist die Verwandlung „un récit épiphanique empruntant une typologie mosaïque“. 302 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 13–17. 303 Vgl. TRAKATELLIS, Authority, 57–58; KARAVIDOPOULOS, Marcu, 212; DORMEYER, Evangelium, 187. 304 Vgl. dazu ausführlich HEIL, Transfiguration, 22–23. 305 WILSON, Transfiguration, 56. 306 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 17. 307 Vgl. HEIL, Transfiguration, 35–36. 308 Heil definiert die Gattung der „Theophanie“ als „disposition of literary motifs which describes a coming of God recognized by the terrifying circumstances that accompany it rather than by seeing the actual figure of God“ (ebd. 36). Seiner Meinung nach lässt sich diese Gattung anhand zweier Eigenschaften bestimmen: das Herabsteigen Gottes von unterschiedlichen Orten (Himmel, Zion, Sinai) und das Vorkommen einer Reihe von Auswirkungen auf die Natur (Erdbeben, Sturm, Blitze, Donner) (vgl. ebd.). Die Verwandlungsperikope ordnet Heil dieser Gattung aus folgenden Gründen nicht zu: „There is no example of a complete theophany in accord with this precise definition in the New Testament“ (ebd. 37, Anm. 5). 309 Die „Vision“ wird von Heil als „a disposition of literary motifs which narrates the seeing by a privileged individual or group of supernatural phenomena located mainly in the heavenly realm“ beschrieben (ebd. 37). Im Vergleich zur Theophanie setzt die Vision das Sehen (wie der Name schon andeutet) mancher himmlischer Elemente auf der Erde voraus: „A vision is thus an experience of heavenly realities, which, even if reaching to and involving the earth, are viewed mainly within a supernatural, transcendent or heavenly context“ (ebd.). Heil arbeitet zwei Typen von Visionen heraus: 1. Derjenige, der die Vision hat, bleibt auf der Erde und sieht in den Himmel, indem der Himmel sich öffnet, und 2. der Seher wird in den Himmel emporgehoben und empfängt dort die Vision. Denjenigen, die eine Vision empfangen haben, kommt eine wichtige Rolle im Heilsplan Gottes zu (ebd.). Die Bestimmung der Verwandlungserzählung als „Vision“ lehnt Heil aus folgenden Gründen ab: 1. Es wird nichts über das Sehen himmlischer Phänomene, die im Himmel stattfinden, berichtet, 2. die Verwandlung Jesu, die Erscheinung von Mose und Elia und das NIGG,

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sondern passender als „Epiphanie“ zu bezeichnen ist. Er definiert „Epiphanie“ als eine Erzählung über „a sudden and unexpected manifestation of a divine and heavenly being experienced by certain selected persons as an event independent of their seeing, in which the divine being reveals a divine attribute, action or message“.310 Im Unterschied zur Theophanie, „in an epiphany the divine being assumes visible form and appears before the eyes of human beings“.311 In diesem Zusammenhang ordnet er sie einer neu bestimmten Epiphaniegattung zu, der „pivotal mandatory epiphany“.312 Diesem Epiphanietypus schreibt Heil das Adjektiv „pivotal“ zu, weil sie an einem zentralen Punkt der Evangeliumserzählung stattfindet: „this type of […] epiphany occurs at a pivotal point in the overall narrative, with significant contextual relations both prior or subsequent“.313 Weiter bestimmt Heil die Verwandlungserzählung als „mandatory epiphany“, weil darin „a specific mandate, a climactic command“314 vom Geber zu dem/den Empfänger(n) gegeben wird (Mk 9,7). Diese Anweisung bestimmt nach Heil die Rolle der Empfänger im Heilsplan Gottes.315 Trotz Heils Versuch, die drei erwähnten Gattungen so präzise wie möglich zu definieren und voneinander abzugrenzen, bleiben die sich überschneidenden Elemente doch evident und das Anliegen der von ihm empfohlenen formgeschichtlichen Bestimmung m. E. unabgeschlossen. Vielmehr lassen sich innerhalb der Verwandlungserzählung auch Züge einer Theophanie erkennen, denn darin erscheint ein Naturphänomen als begleitendes Zeichen der Anwesenheit Gottes, hier dargestellt durch die „Wolke“ (νεφέλη – V. 7),316 aus der die Stimme Gottes zu hören ist. Es lassen sich aber auch Charakteristika einer „Vision“ feststellen, da eine typische Schau durch die drei Jünger erfolgt, indem sie das unnatürlich helle Weiß der Kleider Jesu sehen (οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι – V. 3) und die alttestamentlichen Gestalten Mose und Elia (V. 4). Folglich ist eine eindeutige Zuordnung zu einer dieser Textsorten nicht möglich bzw. unangemessen. Auch identifiziert Heil das Erscheinen Moses und Elias als Schlüssel für das Begreifen der gesamten Erzählung: „Key to the meaning of the transfiguration Vorkommen der Wolke sind Phänomene, die sich auf der Erde und nicht im Himmel ereignen, 3. obwohl Mose und Elia den drei Jüngern erscheinen, sind sie nicht durch den geöffneten Himmel, sondern auf dem Berg gesehen worden und sie erscheinen auch nicht in erster Linie den drei Jüngern, denn jede auf dem Berg anwesende Person hätte sie gesehen (vgl. ebd. 37–38). 310 Ebd. 38. 311 Ebd. 39. 312 Ebd. 51. 313 Ebd. 314 Ebd. 315 Ebd. 316 Vgl. OEPKE, Art. νεφέλη, 907; KERN-ULMER, Art. Offenbarung, 130.

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narratives is the significance of the appearance of Moses and Elijah in conversation with the transfigured Jesus.“317 Das erscheint mir wenig gerechtfertigt, denn die Enthüllung der Identität Jesu als Sohn Gottes ist zumindest im Markusevangelium die Pointe der Erzählung.318 Die Metamorphose Christi auf dem Berg konstituiert hingegen den Punkt, auf den sich die Wolke bezieht, um die Identität Jesu klarzustellen. Der Versuch, eine „reine“ Form oder Gattung der markinischen Verwandlungserzählung in Form einer „Epiphanie“ zu bestimmen, überzeugt also nicht. II. Bestimmung der Gattung nach Klaus Berger Auch Klaus Berger ist der Meinung, dass eine eindeutige Zuordnung der Verwandlungserzählung zu einer Gattung nicht möglich ist, sondern darin mehrere Formen begegnen: ein Offenbarungsdialog,319 eine Epiphanie mit typischem Schreckensmotiv320 und eine identifikatorische Akklamation.321 Insgesamt wird von ihm die Verwandlung als ein Offenbarungsvorgang322 gedeutet, den er aber nicht der Gattung Epiphanie zuordnet, sondern einer Mischgattung, die er „Deutung des zuvor Rätselhaften“323 nennt. Diese Mischgattung charakterisiert Texte, „in denen die Identität eines in seinem Wesen zunächst Unbekannten geklärt wird durch den Hinweis ,dieser istʻ, denn die Wendung ,dieser istʻ, ,diese sindʻ begegnet sonst bei der (allegorischen) Erklärung von zuvor Rätselhaftem.“324 Diese Textsorte hat drei Teile und diese lassen sich auch in der Verwandlungserzählung feststellen: 1. den rätselhaften Offenbarungsvorgang. Das bezieht sich in der Verwandlungsperikope auf die eigentliche Metamorphose Jesu sowie auf die Erscheinung Moses und Elias. Beides bildet den anfänglichen, für die drei auf dem Berg anwesenden Jünger rätselhaften Offenbarungsvorgang (Mk 9,2c–4). 2. Das übliche Falschverstehen oder Nichtverstehen als Reaktion der Offenbarungszeuge(n), das im Zentrum der Erzählung zwischen Offenbarung und Auflösung platziert ist. Das ist in der Verwandlungserzählung der Vorschlag Petri, auf dem Berg drei Hütten zu bauen (V. 5). Dieser Vorschlag wird vom Erzähler selbst als Miss- bzw. Unverständnis gedeutet (V. 6).

317

Vgl. Heil, Transfiguration, 23. Vgl. BERGER, Formen, 342. 319 Vgl. ebd. 310. 320 Vgl. ebd. 368. 321 Vgl. ebd. 291–292. 322 Vgl. ebd. 342. 323 Ebd. 341. 324 Ebd. 341–342. 318

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3. Die authentische Interpretation der rätselhaften Vorgänge.325 In der Verwandlungserzählung werden die rätselhaften Vorgänge durch eine Stimme aus der Wolke interpretiert. Die Rede dieser Stimme macht unmissverständlich deutlich, dass Gott selbst hier spricht und die Identität Jesu dem Publikum enthüllt und damit die am Anfang stehenden Offenbarungen interpretiert (Mk 9,7).326 ‚Rätselhaftʻ im Rahmen der Verwandlungserzählung ist nach Berger die neue Erscheinung Jesu in leuchtenden Gewändern vor seinen drei Jüngern. Dadurch dass sie Jesus mit bisher nicht gesehenen strahlenden Gewändern, begleitet von zwei Persönlichkeiten der alttestamentlichen Geschichte, sehen, brauchen sie eine Deutung. Diese kommt von Gott selbst. Und im Unterschied zu Heil, der Motive der Epiphanie besonders in den Episoden mit Mose und Elia, der Wolke und der daraus ertönenden Stimme sieht,327 lokalisiert Berger diese gleich zu Beginn der Erzählung, nämlich in der Verwandlung Jesu vor den drei Jüngern. Somit weist Berger auch der anfänglichen, von Heil zu Unrecht vernachlässigten Verwandlung mehr Gewicht zu. Insofern überzeugt die Zuordnung der Verwandlungserzählung zur Mischgattung „Deutung des zuvor Rätselhaften“ und es kann zusammenfassend festgehalten werden: 1. Berger schematisiert deutlicher das Ereignis als Ganzes und nimmt zugleich seine Teilaspekte genauer wahr, indem er die skizzierte Mischgattung vorschlägt. 2. Im Rahmen der „Deutung des zuvor Rätselhaften“ sind verschiedenste Offenbarungsvorgänge möglich, sei es Epiphanie, Theophanie, Vision oder dergleichen. 3. Die vielfach wenig beachtete Reaktion Petri fügt sich in das Gattungsschema ein und wird nicht wie etwa von Heil in seiner Bestimmung „pivotal mandatory epiphany“ beiseite gelassen. III. Schema der Mischgatttung „Deutung des zuvor Rätselhaften“ Die Mischgattung „Deutung des zuvor Rätselhaften“ begegnet häufig als Erzählung, in der sich eine Person oder eine Realität in einer nichtgewöhnlichen und nichtalltäglichen Form einer anderen Person oder Personengruppe offenbart. Auf solche Ereignisse reagieren der oder die Zeugen meistens mit durch Furcht oder Überraschung begleitetem Falsch- oder Nichtverstehen.328 325

Vgl. ebd. 342. Vgl. ebd. 327 Vgl. HEIL, Transfiguration, 45. 328 Vgl. WATTS HENDERSON, Discipleship, 205–237; SCHINER, Follow Me!, 260–288; BEST, Discipleship, 1–16.98–130; DOOHAN, Mark, 93–111; SCHMAHL, Zwölf, 144–145; REPLOH, Lehrer, 113; FISCHER, Disciples, 9–18. 326

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Diese Ereignisse werden innerhalb der Erzählung schließlich gedeutet. Das Strukturmuster sieht wie folgt aus: 1. Person oder Realität A offenbart sich Person oder Personengruppe B in einer außerordentlichen Form. Solche Offenbarungen müssen sich nicht unbedingt auf die äußerliche Erscheinung beziehen, sondern können auch Mitteilungen außergewöhnlicher Botschaften sein (rätselhafte Offenbarung oder neutraler formuliert: rätselhaftes Ereignis): Jesu Gewänder verwandeln sich in einer übernatürlichen Weise und Mose und Elia erscheinen und unterhalten sich mit Jesus (Mk 9,2–4). 2. Person oder Personengruppe B versteht das ungewöhnliche Ereignis falsch oder gar nicht und reagiert entsprechend (Falsch- oder Nichtverstehen): Petrus schlägt im Namen der drei die Offenbarung empfangenden Jünger vor, Jesus, Mose und Elia Hütten zu bauen. Diese Reaktion wird durch das Furchtmotiv erklärt (Mk 9,5–6). 3. Der Offenbarungsvorgang wird entweder durch Person A oder durch eine andere Person C im Rahmen einer weiteren Offenbarung oder Mitteilung erklärt (Deutung): Die aus der Wolke ertönende Stimme des Vaters erklärt die anfängliche Offenbarung durch die Zugehörigkeit Jesu zu Gott (Mk 9,7). Zur Exemplifizierung der Gattung „Deutung des zuvor Rätselhaften“ werden im Folgenden alt- und neutestamentliche Vergleichstexte vorgestellt, wie Ebner und Heininger vorgeschlagen haben, damit gemeinsame kennzeichnende Strukturelemente der Gattung aufgezeigt werden können.329 Eine ähnliche Struktur weist Jos 5,13–15 auf.330 Darin wird die Geschichte erzählt, dass in Jericho Josua (Person B) der rätselhaften Erscheinung eines mit einem Schwert bewaffneten Mannes (Person A) teilhaftig wird (rätselhaftes Ereignis). Die Identität des Mannes mit dem Schwert ist Josua unverständlich und er fragt ihn nach seiner Herkunft (Nichtverstehen – Jos 5,13). Der Mann mit dem Schwert (Person A) beantwortet die Frage Josuas (Person B) und gibt seine Identität preis, indem er sich als „Fürst über das Heer des Herrn“ bezeichnet (Deutung – Jos 5,14). Diese Deutung wird von einer Aktion des Empfängers begleitet, indem Josua den Mann anbetet (Jos 5,14). Das Gattungsschema ist auch in der matthäischen Tauferzählung Jesu anzutreffen (Mt 3,13–17). Das anfängliche rätselhafte Ereignis besteht im Kommen Jesu (offenbarende Person A) zu Johannes dem Täufer (Person B) an den Jordan, um sich taufen zu lassen (rätselhaftes Ereignis – Mt 3,13). Johannes der Täufer versteht Jesu Intention nicht und fragt nach (Nichtverstehen – Mt 3,14). Weiter wird die Frage von Johannes (Person B) durch Jesus (Person A) beantwortet und damit der Sinn dieser Aktion Jesu gedeutet (Deutung – Mt 3,15). Dass dieses Ereignis von Johannes verstanden wird, zeigt die Haltung 329 330

Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 189. Die folgenden Texte wurden von BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, vorgeschlagen.

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des Täufers: „Da ließ er es geschehen“ (Mt 3,15). In dieser Erzählung erfolgt eine doppelte Deutung, denn während des Taufaktes tut sich der Himmel auf und eine Stimme nennt Jesus „geliebten Sohn“ (Mt 3,16–17), womit sich der Sprecher als Vater erweist. Ein ähnliches Schema lässt sich in der Vision Petri aus Apg 10,9–16 erkennen. Petrus gerät in Verzückung und hat eine Vision, in der ein Tuch mit allerlei Tieren und Vögeln vom Himmel herabkommt (rätselhafte Offenbarung – Apg 10,9–12). Die Offenbarung wird von einer Stimme begleitet, die Petrus auffordert, aufzustehen, zu schlachten und zu essen (Apg 10,13). Petrus weigert sich, diesen Aufforderungen Folge zu leisten (Nichtverstehen – Apg 10,14). Daraufhin erfolgt die Kommentierung dieser Verweigerung durch die Himmelsstimme (Deutung – Apg 10,15). Das Ganze wiederholt sich dreimal (Apg 10,16). Vergleicht man die drei angeführten Texte mit der markinischen Verwandlungsperikope unter Beachtung des skizzierten Gattungsschemas, so lassen sich folgende Unterschiede feststellen: 1. Im Rahmen der Verwandlungsgeschichte offenbart sich eine bekannte Person (Jesus – Person A) in einer überirdischen Weise den Empfängern. Anders verhält es sich in Jos 5,13–15 und Apg 10,9–16, wo Person (der Mann mit dem Schwert, Jesus) oder Gegenstand (das Tuch mit Tieren und Vögeln) den Empfängern neu ist. 2. Zum ersten rätselhaften Ereignis zur Person A (Jesus) gesellt sich ein weiteres, nicht akustisches wie in Apg 10,13, sondern visuelles durch die Erscheinung Moses und Elias. Ein möglicher Grund für diese weitere rätselhafte Erscheinung könnte sein, durch die Erwähnung dieser beiden prominenten alttestamentlichen Personen dem Moment eine tiefere theologische Deutung und Bedeutung zukommen zu lassen. 3. Das Nicht- bzw. Falschverstehen der Empfänger (Personengruppe B – die drei Jünger) wird nicht anhand einer ihrerseits gestellten Frage deutlich wie in Jos 5,13 und Mt 3,14, sondern aufgrund eines unpassenden Vorschlags. Das Falsch- oder Nichtverstehen wird zudem durch einen Erzählerkommentar unterstrichen. 4. Die Deutung des rätselhaften Ereignisses erfolgt durch eine andere Person (C) als die anfänglich sich offenbarende wie in Apg 10,15–16 und nicht durch dieselbe sich am Anfang offenbarenden Person A wie in Jos 5,13–15 und Mt 3,15. Die Deutung wird nicht direkt von einer Frage der Empfänger wie in Jos 5,13 und Mt 3,14 provoziert. Zugleich gibt es bei der Verwandlungsperikope nicht eine zweite deutende Offenbarung wie in Mt 3,16–17. 5. Ein weiteres Spezifikum der Verwandlungserzählung besteht darin, dass im Rahmen der Deutung die Jünger von Person C ein Gebot bzw. eine Anweisung bezüglich ihres Verhaltens gegenüber Person A erhalten.

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6. Dass das ungewöhnliche Ereignis (Verwandlung Jesu) nach seiner Deutung durch die Stimme des Vaters aus der Wolke von den Jüngern als Empfängern verstanden wurde, wie das in Jos 5,14 und Mt 3,15 der Fall ist, zeigt die Erzählung nicht auf. Ob sie also tatsächlich verstanden oder ob die Deutung Spuren bei ihnen hinterlassen hat, bleibt offen. Das Begreifen der Identität Jesu bleibt somit insgesamt ein offenes, auf die Zukunft gerichtetes Anliegen und zugleich eine Herausforderung an die Leser. Diese Vergleiche zeigen, dass trotz desselben Gattungsschemas die Verwandlungserzählung durchaus Spezifika aufweist. Theologisch betrachtet wird durch diese besondere Struktur der „Deutung des zuvor Rätselhaften“ die Aufforderung geäußert, alle Facetten der Identität Jesu zu be(ob)achten. Leben in seiner Nähe setzt nicht unbedingt Begreifen seiner Identität in allen seinen Aspekten voraus. Das offene Ende weist darauf hin, dass der verlangte Gehorsam Jesus gegenüber eine ständige Herausforderung darstellt. IV. Der „Sitz im Leben“ Eng verbunden mit der Untersuchung und Feststellung von Gattungen biblischer Texte ist das Eruieren „typischer Verwendungssituation[en]“,331 was Hermann Gunkel treffend „Sitz im Leben“332 genannt hat. Er erkannte, dass bestimmte Textformen in bestimmten sozialen Situationen verwendet wurden. Anders ausgedrückt: Dieser exegetische Methodenschritt versucht die Frage nach dem konkreten Gebrauch der biblischen Überlieferungen zu beantworten und somit die Kommunikationssituationen zwischen dem Textsender und dem Textempfänger zu rekonstruieren. Die Überlieferungen können dabei in mehreren Rede- und Entstehungssituationen verortet werden, daher kann auch von mehreren „Sitzen im Leben“ gesprochen werden.333 Zugleich aber wird auch bestritten, dass die Rekonstruktion der verschiedenen Kontexte, in denen verschiedene Evangelien gelesen wurden, notwendig für die Erschließung des biblischen Textes ist.334 Zur Feststellung des „Sitzes im Leben“ von biblischen Texten äußerte sich die orthodoxe Bibelexegese nicht ausdrücklich, jedenfalls nicht außerhalb der Diskussion über die Gattungskritik. So unterstreicht Stylianopoulos z. B. die Bedeutung der Gattungskritik im weitesten Sinn auch für die Erschließung des Gebrauchs der Bibeltexte „in the ongoing life of the religious communi331

EBNER/HEININGER, Exegese, 209. Der Ausdruck geht auf GUNKEL, Grundprobleme, 33, zurück. 333 Vgl. ADAM, Kompendium, 59. 334 PETERSON, Origins, 202: „The present state of affairs should make it impossible simply to assume that reconstructed communities behind Gospels are hermeneutically necessary to read Gospels rightly. Perhaps, however, we are approaching a time in which the historical reconstruction of Gospel communities will be considered an endeavor not worth the trouble. Time will tell.“ 332

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ty.“335 Außerdem zeigt Kesich, dass der große Verwendungszusammenhang der neutestamentlichen Texte das Leben der Kirche war, und zwar mit besonderem Fokus auf die eucharistische Feier, aber auch auf Verkündigung und Unterweisung.336 Besonders in Bezug auf die Epiphanieerzählungen der Evangelien hält Kesich fest, dass sie im liturgisch-eucharistischen Zusammenhang der christlichen Ortsgemeinden verwendet wurden: „It was the eucharistic celebration that served as the context for the narration of the Christʼs passion, as well as the context for preserving accounts of the mighty works of Jesus and particularly those which modern scholars characterize as epiphanic – the ones which focus on Jesusʼ appearance as a divine person. […] The miracle focuses upon Jesus, who has divine power; the Eucharist underscores that he is still active and that his power is at work.“337

Von daher erweist sich die Diskussion über den möglichen „Sitz im Leben“ für orthodoxe Neutestamentler als nötig, da in diesem Zusammenhang die Rolle der Kirche bzw. der urchristlichen Gemeinden bei der Anfertigung und Verwendung der biblischen Texte deutlich in den Vordergrund gerückt wird. 1. Die markinische Verwandlungserzählung in der Diskussion um den Sitz im Leben Wird von den Beobachtungen ausgegangen, denen zufolge „der Sitz im Leben […] immer ein Konstrukt bleibt“338 und die Treffsicherheit der Gunkel-Fragen zum „Sitz im Leben“ „an die Intuition des jeweiligen Bearbeiters gebunden ist“,339 dann ist die Mannigfaltigkeit der Szenarien, die zu den Verwendungssituationen vorgeschlagen worden sind, nicht schwer vorstellbar. Darin unterscheidet sich auch nicht die Forschung zum Markusevangelium: „Das Markusevangelium enthält Überlieferungen mit verschiedenem Sitz im Leben.“340 Alle bisherigen Hypothesen zur Bestimmung des Sitzes im Leben der markinischen Verwandlungserzählung sind durch die Hervorhebung zweier theologischer Leitgedanken bestimmt: zum einen das Verstehen der Identität Jesu sowohl aus der Leidensperspektive als auch vor dem alttestamentlichen Hintergrund und zum anderen das Thema der Nachfolge. Bultmann, der die Verwandlungserzählung Jesu auf dem Berg gattungskritisch als Legende ver335

STYLIANOPOULOS, New Testament, 130. Vgl. KESICH, Gospel, 30–31, spricht in diesem Zusammenhang von „the preaching and teaching“ der Frühkirche. 337 Ebd. 31. 338 EBNER/HEININGER, Exegese, 211. 339 Ebd. 219. 340 THEISSEN, Lokalkolorit, 295. Für weitere Bestimmungen der verschiedenen „Sitze im Leben“ des Markusevangeliums siehe außerdem PETERSON, Origins. BROADHEAD, Mark, 147–148, schreibt, dass „the first reader likely lives in a Galilean community of faith in the aftermath of the fall of Jerusalem and the temple“. 336

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steht, betont in diesem Zusammenhang die aus der Wolke ertönende Ermahnung des zu vermutenden Vaters: ἀκούετε αὐτοῦ (Mk 9,7). Sie gilt nicht nur für die drei anwesenden Jünger, „sondern gilt schlechthin“341 für alle, die sich als Jünger Jesu sehen. Gerd Theißen vertritt die Ansicht, dass die sich auf das Persongeheimnis Jesu beziehenden Erzählungen eine zweifache Funktion haben. Die erste Funktion betrifft die Außenbeziehungen der Gemeinde, welche die Messianität Jesu als nichtirdische Messianität betont. Denn das von Jesus verkündigte Kommen des Reichs Gottes deutet nicht auf eine politische Dimension hin: „Wer diesen Herrscher als Anwärter auf irdische Macht versteht, hat ihn mißverstanden.“342 Zum Zweiten ist das Persongeheimnis Jesu nach innen gerichtet und mit dem „Ruf in die Nachfolge“343 verbunden: „Erst wenn seine Nachfolger den Weg bis ans Kreuz mit ihm gehen und selber bereit sind, ihr Leben hinzugeben, wird ihnen die Hohheit dieses Herrschers aufgehen.“344 Ordnet man die Verwandlungserzählung der Makrogattung „Vision“ zu, lässt sich zusammen mit Berger behaupten, dass die bei den Hörern bzw. Lesern angestrebte Wirkung der Textbotschaft mit der „Darstellung des eigenen Christseins“ verbunden ist. Auf diese Weise hätten die Christen der ersten Generationen besser verstanden, was der Christ-Status mit sich bringt und „was Kontakt mit der himmlischen Welt bedeuten kann“.345 Fernerhin gäbe ihnen eine solche Erzählung die Versicherung, der zufolge ihre Legitimation nicht von einer irdisch-menschlichen Instanz, sondern von einer himmlisch-göttlichen Herrschaft kommt.346 Eng mit dieser Legitimation ist laut Berger die juridische Relevanz der Visionen besonders für das Verständnis des frühen Judenchristentums im Rahmen der Organisation der Gemeinden verbunden.347 Die Empfänger solcher Visionen galten als durch Gott legitimiert und für Führungsrollen prädestiniert. Für Heil zielt der Text auf mehrere Wirkungen seitens des Auditoriums, die in der Hauptsache durch die Anerkennung einer bestehenden Verbindung zum Alten Testament charakterisiert sind. Es geht 1. um Anerkennung und Verstehen der Ähnlichkeit der Verwandlungserzählung mit anderen Texten aus dem Alten Testament, welche ebenfalls die Struktur einer „pivotal mandatory epiphany“ aufweisen;348 2. um die Anerkennung der bestehenden Ähnlichkeit zwischen manchen Erzählelementen aus der Verwandlungsgeschichte wie die drei von Petrus vorgeschlagenen Hütten und die entsprechenden theologischen Motive aus dem

341

BULTMANN, Geschichte, 278. THEISSEN, Lokalkolorit, 300. 343 Vgl. ebd. 300–301. 344 Ebd. 300. 345 BERGER, Formen, 345. 346 Vgl. ebd. 347 Vgl. ebd. 346. 348 Vgl. HEIL, Transfiguration, 313. 342

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Alten Testament (Laubhüttenfest, Zelt Israels).349 Die Verwandlungserzählung soll den möglichen Hörern bzw. Lesern den Gedanken übermitteln, so Heil, dass nach dem Leiden die Belohnung kommt: „The mandate of the Markan transfiguration epiphany (9:7) also pivoted the disciples and the audience forward to the subsequent predictions of the necessity […] to give their lives in humble, suffering service for others with the assurance of […] seeing his final coming in the heavenly glory prefigured by his transfiguration.“350

Nach dem Hören dieser Erzählung sollte sich das Publikum sicher sein, dass Leiden und Tod für das Evangelium Jesu die Auferstehung in die Herrlichkeit mit sich bringen wird, wie auf dem Verwandlungsberg vorausschauend gezeigt wurde.351 2. Plausible Ausgangspunkte für die Bestimmung des Sitzes im Leben der markinischen Verwandlungserzählung 2.1. Jüdische Kontextualisierung Zu einer möglichen Bestimmung des Sitzes im Leben der Verwandlungserzählung gibt m. E. vor allem die ausgeprägte Gestaltung im alttestamentlichen Horizont Anhaltspunkte. In diese Erzählung ist eine Fülle von Begriffen und Themen alttestamentlicher Tradition eingearbeitet, die für diejenigen, die mit diesem Kontext vertraut sind, spezifische Bedeutungen in sich tragen. Nicht nur Mose und Elia, sondern auch der Berg, die drei Zeugen oder die Wolke352 bekommen die Rolle von Deutungsfaktoren353 des Verwandlungsereignisses. Sehr wahrscheinlich war das die Erzählung hörende Publikum, so wie der Urheber selbst,354 mit diesen Kontexten vertraut. All diese Elemente sprechen eindeutig dafür, dass diese Erzählung auf ein jüdisch geprägtes Publikum zielte. Das Profil lässt sich weder mit Sicherheit noch konkreter bestimmen, aber die enthüllte Identität Jesu ist nicht außerhalb des alttestamentlichjüdischen Erbes gedacht und setzt es als Vergleichspunkt voraus. Trotzdem wird Jesus auch vom alttestamentlichen Hintergrund abgesetzt, denn es heißt:

349

Vgl. ebd. 314. Ebd. 316. 351 Vgl. ebd. 316: „The Markan narrative challenges the audience to tell others of the significance of Jesusʼ transfiguration (9:9) as the assurance that resurrection to heavenly glory follows suffering and death for the gospel of Jesus (16:5–8).“ 352 Vgl. SCHMIDT, Revelation, 231–232. 353 Vgl. GUNDRY, Evidence, 457, zitiert nach WILSON, Transfiguration, 69: „Elijah and Moses as a type of commentary on the transfigured Jesus.“ Siehe auch MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 102–103. 354 Vgl. HENGEL, Studies, 46: „Mark was a Greek-speaking Jewish Christian who also understood Aramaic. […] I do not know any other work in Greek which has as many Aramaic or Hebrew words and formulae in so narrow a space as does the second Gospel.“ 350

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„Diesen sollt ihr hören!“ (Mk 9,7) Damit ist in der Erzählung nicht nur seine göttliche Sohnschaft ausgesagt, sondern auch seine Autorität.355 Mit anderen Worten, es geht hier um die Profilierung der Identität Jesu gegenüber einem jüdisch geprägten Publikum.356 Diese Profilierung Jesu357 schreibt ihn in die Geschichte Israels ein. Sie parallelisiert dieses Ereignis seines Lebens mit einem großen Ereignis der Geschichte Israels, dem Sinaigeschehen. Jesus wird als eine Gestalt gezeigt, die mit den größten Autoritäten Israels zu verkehren vermag und im Dialog steht. Eine Erzählung dieses Zuschnitts wirbt für Jesus. Für die Jüdinnen und Juden konstituierte die Verwandlungserzählung vermutlich einen überzeugenden Lehrgang zur Frage „Wer ist dieser?“. 2.2. Die Nachfolge Jesu am Beispiel der Jünger Es besteht Einigkeit darüber, dass die Verwandlungserzählung sich in das Konzept des Markusevangeliums hinsichtlich steter Offenbarung der wahren Identität Christi358 und deren falschen Verstehens seitens der Jünger einfügt.359 Damit ist der „Sitz im Evangelium“ berührt.360 Geht man von dem typisch markinischen, aus der Wolke zu hörenden Ansporn ἀκούετε αὐτοῦ (Mk 9,7) als Höhepunkt der Verwandlungserzählung aus, lässt sich die angestrebte Wirkung des Textes bei dem zu vermutenden Publikum als Verstehen der Bedeutung der Nachfolge Jesu vorstellen, aber auch als Sich-Identifizieren mit den Jüngern, die nicht in der Lage sind, das Geschehen angemessen zu verstehen. Es ist offensichtlich, dass die Absicht des Textes in Bezug auf das Publikum leichter mithilfe der Jüngerstellung im Rahmen der Erzählung veranschaulicht werden kann. Auf diese Weise bilden die drei Jünger das Vehikel der Vermittlung der Textbotschaft an dieses Publikum, in dem Sinne, dass das Publikum sich am leichtesten mit den drei Jüngern identifizieren oder ihr Verhalten ablehnen kann. Mit dem Ansporn durch die väterlichen Worte wird

355

Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 104: „Es ist die Kundgabe, die Verkündigung, die Lehre, die hier hervorgehoben werden.“ 356 Vgl. JAROŠ, Das Neue Testament, 58. Dagegen bestimmt die Mehrheit der Kommentatoren die markinische Hörerschaft als heidenchristliches Publikum, vgl. auch BAYER, Markus, 30. 357 Das Markusevangelium wurde unter anderem von KAMPLING, Israelthematik, 226, als Dokument des Prozesses der Trennung des Christentums bzw. der Kirche vom Judentum verstanden. 358 Vgl. D. LEE, Transfiguration, 11; WINN, Purpose, 201; FLEDDERMANN, Question, 121–124; VAN IERSEL, Markus, 172–176; MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 87–106; DONAHUE, Factor, 563–594. 359 Vgl. HAWKINS, Incomprehension, 491–500; TYSON, Blindness, 261–268; WEEDEN, Heresy, 145–158. 360 Vgl. dazu EISEN, Art. Sitz im Leben, 615–616.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

die Erzählung zu einer Einladung, die wahre Identität Jesu zu verstehen.361 Der durch die Verwandlungserzählung vermittelte Ruf in die Nachfolge gilt nicht nur für diejenigen, die Haus und Hof verlassen haben, sondern ist „ein Ruf an alle“.362 Die Zuhörer und auch die Leser sollen sich zuerst mit den drei Jüngern identifizieren, ihr Falschverstehen als persönliches Versagen akzeptieren, sich in einer „typology per contrarium“363 von ihrem Verhalten abgrenzen364 und eben genau das tun: zuhören. Abschließend kann festgehalten werden: Die Bestimmung von Gattung und Sitz im Leben als Methodenschritte der historisch-kritischen Exegese wird von der orthodoxen Bibelexegese, wie oben bereits gezeigt, sowohl positiv als auch negativ wahrgenommen. Ich schließe mich denjenigen an, die solche Versuche einer Bestimmung der Gattung und des Sitzes im Leben von biblischen Texten als nützlich für den Auslegungs- und Verstehensprozess von Bibeltexten bewerten. Sie fördern die präzise Wahrnehmung der Bauweise der Texte und ihrer Botschaften. Die Feststellung, dass Bibeltexte Gattungsvorgaben folgen, zeigt auch, dass diese Texte sich literarischen Kontexten verdanken. Weiterführend in diesem Zusammenhang ist auch die Erarbeitung von Gattungsschemata, denen ähnlich strukturierte Texte zugeordnet werden können. Dadurch ist ein Vergleich anhand der festgestellten Muster mit ähnlich gestalteten Texten möglich. Die dadurch feststellbaren Ähnlichkeiten, aber auch die Unterschiede tragen zur Hervorhebung der Spezifika der Texte bei und geben Auskunft über die im Text gesetzten theologischen Schwerpunkte. Zudem sind die Ergebnisse der gattungskritischen Untersuchung auch für die literar- und die redaktionskritische Analyse der Texte von Nutzen. Die Bestimmung des „Sitzes im Leben“ führt darüber hinaus in soziologische und sozialgeschichtliche Zusammenhänge der frühchristlichen Überlieferungen und der Gemeinden, die sie tradierten, und erhellt sie. Allerdings sollte die Subjektivität bei der Wahrnehmung von Gattungen, Gattungsschemata und soziologischen Bestimmungen im Bewusstsein gehalten werden; denn auch an der Verwandlungserzählung ist deutlich geworden, wie unterschiedlich diese Zusammenhänge bestimmt und charakterisiert werden können. Es sollte vermieden werden, Bibeltexte mit Gewalt in Formen und Schemata zu pressen. 361

Vgl. C. C. BLACK, Mark, 206: „Mark 9:2–8 coordinates at least three concerns: (a) Jesusʼs relationship with his Israelite predecessors, (b) his distinctive identity vis-à-vis God, and (c) the proper response to such information.“ 362 THEISSEN, Lokalkolorit, 301. 363 Vgl. C. C. BLACK, Mark, 206. 364 Vgl. THEISSEN, Lokalkolorit, 301 [Hervorhebung im Original]: „Hier sollte man besser von der Dialektik der Kontinuität und Diskontinuität zu Israel sprechen […]. Die Schrift Israels bleibt unbestritten Autorität – gerade für die Kirche! – als schriftliches Wort Gottes. Wie bei Paulus finden wir die eigentümliche Dialektik: Gesetz? Nein! – Schrift? Ja!“

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E. Traditionskritik E. Traditionskritik Die neutestamentlichen Texte sind unter Aufnahme von Traditionen gebildet worden, die mit der Kultur und Lebenswelt der Moderne vielfach kaum noch etwas gemeinsam haben. Es bedarf daher „einer Art Reise in die Vergangenheit“,365 um den historischen, kulturellen und religiösen Kontext und Hintergrund der Texte zu erhellen. Eine solche Analyse erscheint „unentbehrlich“.366 Ein Aspekt dieser Analyse ist die Begriffs- und Motivgeschichte, sie „fragt nach Herkunft, Geschichte, Bedeutung und Anwendung der im Text vorkommenden Begriffe und Motive. Dabei sollen durch den Vergleich mit literarisch nicht abhängigen Texten theologie- und geistesgeschichtliche Zusammenhänge aufgezeigt werden.“367 Darüber hinaus werden „Analogien und Entwicklungszusammenhänge zwischen christlichen Texten und vergleichbaren Traditionen der religiösen Umwelt (antikes Judentum, pagane Überlieferungen)“368 hervorgehoben. Letzteres wird auch „religionsgeschichtlicher Vergleich“ oder „Religionsgeschichte“ genannt. Dieses „kann als eine spezielle Variante bzw. Weiterentwicklung der Traditionskritik angesehen werden, insofern sie weniger den Einzeltraditionen als vielmehr den auf diesen ruhenden komplexen religiösen Vorstellungen (über Himmel, Hölle etc.), Sitten und Gebräuchen nachspürt und nach Analogien in der Umwelt des Neuen Testaments sucht“.369 Diese Fragestellungen haben in der Geschichte der Methodendiskussion vielfältige Bezeichnungen wie „Traditionskritik“, „Traditionsgeschichte“, „Begriffs- und Motivgeschichte“, „Religionsgeschichte“ u. a. erfahren. Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Untersuchung, diese unterschiedlichen Bezeichnungen und ihre Beziehungen untereinander zu klären. Es sei nur erwähnt, dass m. E. die Grundunterscheidung zwischen „Begriffs- und Motivgeschichte“ einerseits und „religionsgeschichtlichem Vergleich“ andererseits treffend die Zielrichtungen dieses methodischen Vorgehens benennt, weshalb ich mich im Folgenden an ihr orientieren werde.370 Obwohl die Begriffs- und Motivgeschichte konsequenterweise zu religionsgeschichtlichen Fragestellungen führt, ist Letztere durch weitergehende Aspekte gekennzeichnet:

365

EBNER/HEININGER, Exegese, 244. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 141. 367 SCHNELLE, Einführung, 129. 368 EBNER/HEININGER, Exegese, 248. 369 Ebd. 244. 370 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 134–147 . 366

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1. Die religionsgeschichtliche Fragestellung ist mehr am synchronen Einfluss interessiert, „den der kulturelle Raum auf die Entstehung eines neutestamentlichen Texts ausübt“.371 2. Damit kommt auch zeitgenössischen Quellen Bedeutung zu und es wird die Frage nach den Beziehungen zu verwandten Texten aufgeworfen.372 3. Der religionsgeschichtliche Vergleich widmet sich zudem den hinter einem Text stehenden Textgruppen und den zwischen diesen Gruppen bestehenden Beziehungen.373 In der neueren Methodendiskussion wurde daher vermehrt die Intertextualität in das Untersuchungsinstrumentarium aufgenommen. Mit dem Begriff der Intertextualität soll deutlich gemacht werden, „dass kein Text für sich allein, sondern stets in Beziehung zu anderen Texten steht“.374 Diese Betrachtungsweise führt über Aporien traditioneller Traditionskritik hinaus, in der stets auch die Frage nach literarischer Abhängigkeit aufgeworfen ist, die oftmals nur schwer beantwortet werden kann, aber im Paradigma der Intertextualität auch nicht mehr beantwortet werden muss.375 Im Folgenden wird der Schwerpunkt auf der Begriffs- und Motivgeschichte liegen, wobei religionsgeschichtliche Aspekte in die Einzelanalyse integriert werden. Die orthodoxe Bibelwissenschaft betont sehr ausgeprägt die traditionsgeschichtliche Verbindung zwischen Altem und Neuem Testament; weitere Beziehungen der neutestamentlichen Texte zur hellenistisch-jüdischen oder zur paganen Literatur werden leider kaum berücksichtigt. Kesich führt zur Beziehung von Altem und Neuem Testament an: „Moreover, the same God unites the Old Testament and the New with his promises and with their realizations. […] The early Christians saw the New Testament as the climax of the Old Testament, the realization of its messianic promise.“376 Er betont, dass beide Schriftensammlungen durch denselben Gottesglauben verbunden werden. Darüber hinaus wird das Schema Verheißung (im Alten Testament) und Erfüllung (im Neuen Testament) angewandt, das von der Wertung begleitet ist, dass das Alte Testament seinen Höhepunkt erst im Neuen gefunden hat, womit freilich der „Eigenwert“ des Alten Testaments bedroht ist. Für orthodoxe Bibelexegeten – wie auch schon für die Kirchenväter – steht die Bedeutung der alttestamentlichen Schriften für das Verstehen des Neuen Testaments außer Frage.377 Stylianopoulos erkennt in diesem Zusam371

ADAM, Kompendium, 80. Vgl. ebd. 373 Vgl. ebd. 374 EBNER/HEININGER, Exegese, 247. 375 Auf dieses komplexe Paradigma der neueren Forschung kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht weiter eingegangen werden, vgl. dazu exemplarisch ALKIER, Semiotik. 376 KESICH, Gospel, 52. 377 Vgl. PENTIUC, Old Testament, 37. 372

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menhang auch, dass die Bestimmung der Beziehung von Altem und Neuem Testament sowie von Christentum und Judentum sehr komplex ist.378 Er führt dazu aus, dass die Basis dieser komplexen Beziehung durch das Jesuslogion aus Mt 5,17 bestimmt sein soll, in dem der matthäische Jesus seine Verkündigung nicht als Ablehnung des Gesetzes und der Propheten, sondern als deren Erfüllung definiert. Daher soll der Bezug Jesu zu seinem alttestamentlichjüdischen Erbe in der biblischen Exegese nicht übersehen werden.379 Indem Stylianopoulos das Denken der neutestamentlichen Verfasser beschreibt, spricht er auch über deren „christological interpretation of the Old Testament“380 und „the relations about Jews and Christians“.381 Als weiteren Grund für die Notwendigkeit der Untersuchung des traditionellen Hintergrundes der neutestamentlichen Texte, auch in der orthodoxen Bibelexegese, nennt Nikolakopoulos die Fleischwerdung des Logos, die sich in bestimmten historischen Kontexten manifestiert hat. Einer dieser Kontexte war seiner Meinung nach auch das Alte Testament.382 Diese Verbindung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament hat eine ausgeprägt theologische Konnotation und wird unter anderem anhand der typologischen Methode veranschaulicht, wie z. B. Oikonomos ausführt: „Der typische Sinn der Bibel besteht darin, daß dargestellte Personen, Gegenstände oder Ereignisse über ihren Wortsinn hinaus Vorherbilder künftiger Personen, Gegenstände oder Ereignisse sind. Da es diese Beziehung zwischen dem Vorherbild (= Typus) und seiner Erfüllung (= Antitypus) in der Bibel nur zwischen Altem und Neuem Testament gibt, wird die typologische Deutung auch nur auf das Alte Testament angewendet.“383

Darüber hinaus wird eine typologische Deutung durch die Auffassung gefördert, „daß Gott die Geschichte seines Volkes Israel nach einem Heilsplan auf den Zielpunkt Jesus Christus hingelenkt hat“.384 Die exegetische Methode der Typologie dient somit vor allem der christlichen Valorisierung des Alten Testaments: „The value of typological exegesis is to be found in connection with the theological interpretation of the Old Testament on the basis of Christ and the gospel, an inescapable issue for the Christian evaluation and reception of the Hebrew Scriptures.“385 Oikonomos thematisiert auch den religionsgeschichtlichen Vergleich und schreibt:

378

STYLIANOPOULOS, New Testament, 28: „The relationship between the Old and New Testament, as that between Christianity and Judaism, is complex.“ 379 Vgl. ebd. 28–29. 380 STYLIANOPOULOS, Perspectives, 330. 381 Ebd. 382 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 341. 383 OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 63. 384 Ebd. 64. 385 STYLIANOPOULOS, New Testament, 117. Außerdem siehe auch BRECK, Orthodoxy, 146.

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„Die orthodoxe Exegese erkennt an, daß die religionsgeschichtliche Erforschung der Heiligen Schriften sehr nützlich sein kann, mahnt jedoch gleichzeitig zu Vorsicht und strengster Disziplin, vor allem, wenn zur Erhellung bestimmter Phänomene profan-historische Quellen herangezogen werden, wie es die vergleichende Religionsgeschichte tut, die es ablehnt, in der christlichen (und in der sie ankündigenden israelitischen) Religion etwas spezifisch anderes zu sehen als in den übrigen Religionen der Erde.“386

Von „religionsgeschichtlicher Methode“ spricht innerhalb der orthodoxen Bibelexegese erstmals Oikonomos und bewertet sie für die Erforschung der Heiligen Schrift als „sehr nützlich“.387 Auch in der paganen Welt lassen sich ihm zufolge „Aussagen über Gott und seinen Heilswillen“388 entdecken, die dessen Liebe und Vorsehung für die ganze Welt bezeugen.389 Eine zusammenfassende Darstellung der religionsgeschichtlichen Schule des 20. Jahrhunderts aus orthodoxer Perspektive hat jüngst Nikolakopoulos vorgelegt, indem er deren wichtigste Vertreter vorstellt. Er zeigt darüber hinaus, dass die Religionsgeschichte, die das Neue Testament nicht nur mit jüdischer, sondern auch mit griechisch-römischer Literatur vergleicht, nützlich ist,390 warnt aber zugleich auch vor einer „willkürliche[n] Verflechtung der christlichen Theologie mit synkretistischen Gegebenheiten“.391 Diese Äußerung zeigt, ähnlich wie die oben zitierte von Oikonomos, dass innerhalb der orthodoxen Theologie die Sorge besteht, ein religionsgeschichtlicher Vergleich relativiere die Bedeutung der christlichen Religion. Es kann festgehalten werden, dass in der neueren orthodoxen Bibelexegese das Alte Testament als die wichtigste Inspirationsquelle für das Neue Testament im Bereich religionsgeschichtlicher Analyse392 gilt und somit das reichhaltige Material der hellenistischrömischen Kultur zwar nicht in Abrede gestellt wird, seine Bedeutung für das Neue Testament aber als geringer geachtet wird.393 Erst nach einer gründlichen Analyse der Beziehungen zum Alten Testament sollten andere Analogien gesucht und dargestellt werden, die eine Horizonterweiterung zur Folge

386

OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 67. Ebd.: „Die orthodoxe Exegese erkennt an, daß die religionsgeschichtliche Erforschung der Heiligen Schrift sehr nützlich sein kann, mahnt jedoch gleichzeitig zu Vorsicht und strengster Disziplin.“ 388 Ebd.: „Damit leugnet die orthodoxe Lehre nicht, daß auch richtige Aussagen über Gott und seinen Heilswillen außerhalb der christlichen Religion anzutreffen sind, sie gibt ihnen nur den ihnen zukommenden Stellenwert.“ 389 Vgl. ebd. 55. 390 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 33–34. 391 Ebd. 34. 392 Vgl. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 328: „Just as theology cannot be separated from history, so also Scripture as a holy book cannot be disjoined from the communal context in which it originated, took shape, and was variously used. These contexts are namely Israel and Church.“ 393 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 22. 387

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haben.394 Die Untersuchung der Begriffe und Motive von Bibeltexten wird als selbstverständlich betrachtet. I. Begriffs- und Motivgeschichte Zur Verwandlungsperikope werden im Folgenden zwei Begriffe und ein Motiv untersucht, die charakteristisch und theologisch bedeutsam sind: der „Berg“, das „Verwandeltwerden“ und die „Hütte“. Zunächst soll die neutestamentliche, insbesondere die markinische Bedeutung beleuchtet und dann untersucht werden, in welchen weiteren Kontexten diese Begriffe und das Motiv vorkommen. 1. Berg – ὄρος Von den 63 Belegen des Substantivs ὄρος im Neuen Testament begegnet es 44-mal in den Evangelien, darunter elfmal im Markusevangelium.395 In den Evangelien ist der Berg in der Regel ein „Ort besonderer Geschehnisse“396 und wird auf diese Weise ein Ort mit symbolischem Wert.397 Im Markusevangelium konstituieren Berge insbesondere „Orte offenbarender Geschehnisse in Verborgenheit vor dem Volk“.398 Dort hält sich Jesus entweder mit den Jüngern (Mk 3,13; 11,1; 14,26; 9,2.9) oder allein auf (Mk 6,46). Einzig in der Verwandlungsperikope ist von einem „hohen“ Berg die Rede (V. 2). Das deutet an, dass der Berg hier eine „Stätte der bes. Gottesnähe“399 und einen „Schauplatz hervorragender Begebenheiten“400 darstellt. Die Rede vom „hohen Berg“ bekommt „hinweisende Bedeutung“401 und suggeriert die Wichtigkeit des erzählten Ereignisses. Der Gebrauch im Markusevangelium schreibt sich jedoch in eine für alle Evangelien gültige Verwendungsweise ein: Der Berg ist Ort von Offenbarung. Der Verwandlungsberg gewinnt somit eine wichtigere Funktion als die anderen im Markusevangelium erwähnten Berge.402 Er stellt einen wichtigen Kreuzpunkt zwischen der horizontalen und der 394

Nikolakopoulos spricht in diesem Kontext über „Analogien und Entwicklungszusammenhänge zwischen den neutestamentlichen Texten und anderen parallelen Traditionen der religiösen Umwelt“, ebd. 34. 395 Mk 3,13; 5,5.11; 6,46; 9,2.9; 11,1.23; 13,3.14; 14,26. 396 KLEINE, Art. ὄρος, 1305. 397 Vgl. BOHLEN, Art. Berge, 250. 398 KLEINE, Art. ὄρος, 1305; SCHMAUCH, Offenbarung, 48–80. 399 KLEINE, Art. ὄρος, 1305. 400 BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1179. 401 FOERSTER, Art. ὄρος, 485. 402 Vgl. BOSENIUS, Raum, 58: „Anders als der in Mk 3,13 und 6,46 erwähnte ὄρος wird nur der in Mk 9,2 beschriebene Berg vom Erzähler mit dem Adjektiv ὑψηλός qualifiziert, was vermuten lässt, dass er innerhalb der markinischen Welt eine andere Funktion erfüllt als die anderen Berghöhen: der hohe Berg ist – wie der himmlische Thronsaal – in der

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vertikalen Raumachse dar und veranschaulicht eine Zwischenposition oder eine Kommunikationsbrücke zwischen Himmel und Erde.403 Dadurch dass der Verfasser des Markusevangeliums diesen hohen Berg der Verwandlung Jesu nicht präziser lokalisiert, könnte eine symbolische Bedeutung404 oder eine typologische Bezugnahme auf Berge aus dem Alten Testament, wie Sinai oder Zion, vorgeschlagen werden.405 Die Verwendungsweise des Begriffs führt religionsgeschichtlich sowohl in die hellenistische als auch in die alttestamentliche Literatur. Grundsätzlich gilt, dass im Altertum der Berg als Sitz der Götter betrachtet wird.406 Er veranschaulicht die Unterscheidung zwischen „Unten“ (menschliche Ebene) und „Oben“ (göttliche Ebene) und nimmt die Rolle des Vermittlungsortes zwischen Himmel und Erde bzw. zwischen Gott und den Menschen ein. Für die Griechen etwa setzt sich der Olymp als Residenz der Götter durch und wird mit dem Himmel gleichgesetzt. In der Septuaginta wird das hebräische ‫ ׇהר‬mit ὄρος übersetzt. Es zeigt das Potenzieren der Macht Gottes an (Dtn 32,22; Ps 95,4; Jer 4,24) und die Erfahrung der Nähe Gottes (Dtn 11,29; 27,12–13). Berge können auch als Wohnungen Gottes verstanden werden (1 Chr 16,39).407 Die beiden hervorragendsten Berge der Offenbarung Gottes in Israel sind der Sinai/Horeb und der Zion. Sie sind „pivots which give form and direction to Israelite sacred history“.408 Sie erhalten ihre Bedeutung durch die Ereignisse, die mit ihnen verbunden werden.409 Eine besonders paradigmatische Bedeutung genießt der Berg Sinai.410 „Hier gründet das Heiligtum als Ort der Gottesgegenwart auf Erden“411 und hier fand auch die Offenbarung des Jahwe-Names statt.412 Im Alten Testament können nur einige (auserwählte) Menschen Zugang zu diesen „Orten der Kontaktaufnahme“413 erhalten bzw. dort mit Gott reden, wofür die Erzählung vom Sinaigeschehen steht (Ex erzählten Welt des Markusevangeliums ein Ort, von dem aus Gott aktiv in die Handlung eingreifen kann“ [Hervorhebung im Original]. 403 Vgl. ebd. 67. 404 Für SCHMAUCH, Offenbarung, 70–71, liegt die symbolische Bedeutung des Berges der Verwandlung in seiner Entfernung von Jerusalem, die auf die Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt hinweist. Siehe außerdem KELBER, Kingdom, 78: „Removed from the world of humans and nearer to the heavens, the mountain peak represents the ideal place for close communication with God and the locus of revelation.“ 405 Vgl. M. METZGER, Wohnstatt, 148; T. L. DONALDSON, Jesus, 142–143. 406 Vgl. dazu und zum Folgenden CERBELAUD, Montagne, 2; FOERSTER, Art. ὄρος, 477– 478. 407 Vgl. BOHLEN, Art. Berge, 249. Dazu siehe noch CLIFFORD, Mountain, 3. 408 COHN, Mountain, 60. 409 Vgl. FOERSTER, Art. ὄρος, 475–481. 410 Vgl. HOFFMEIER, Israel, 35–46. 411 KÖCKERT/BLUM (Hg.), Vorwort, 7. 412 Vgl. KELLERMANN, Art. Heilige Stätten, 678. 413 Vgl. BOHLEN, Art. Berge, 249.

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33,11; 34,5–11). Das Sinaigeschehen bildet, wie unten noch gezeigt wird, wohl auch den Referenzpunkt für die Verwandlungserzählung. Die Bedeutsamkeit des Berges als Ortes der Anwesenheit Gottes tritt auch bei den späteren alttestamentlichen Propheten und in den Pseudepigraphen hervor. In Jub 4,26 beispielsweise sind vier Orte dieser Anwesenheit Gottes der Garten Eden, der Berg des Ostens, der Berg Sinai und der Berg Zion.414 2. Verwandelt werden – µεταµορφοῦσθαι Im Neuen Testament wird µεταµορφοῦσθαι nur an vier Stellen gebraucht (Mk 9,2 par. Mt 17,2; Röm 12,2 und 2 Kor 3,18). In Mk 9,2 par. Mt 17,2 wird damit die jeweils folgende, näher beschriebene „äußerlich sichtbare Umgestaltung“415 gebündelt. Es bezeichnet damit nicht eine Wesensverwandlung Jesu, sondern weist im Markusevangelium durch das Leuchten seiner Kleider und im Matthäusevangelium darüber hinaus auch durch das Leuchten seines Gesichts auf „das wahre Wesen Jesu“416 hin, d. h. seine ganz besondere Verbindung zum überirdischen, göttlichen Bereich, wie die weitere Erzählung verdeutlicht. In den Paulustexten hingegen markiert µεταµορφοῦσθαι die „Veränderung des inneren Wesens“417 der Christen durch die Erkenntnis der Doxa Christi (2 Kor 3,18; Röm 12,2).418 Das Motiv des Verwandeltwerdens stellt eine Konstante in fast allen Weltreligionen dar.419 Besonders im hellenistischen Milieu entwickelte sich eine eigene Literaturgattung (Metamorphosen) in Anlehnung an die gängigen Verwandlungsmythen. Als solche beschreibt der Prozess der Verwandlung eine doppelte Dynamik: einerseits die Verwandlung von Göttern im Sinne einer Vermenschlichung, um diesen näher kommen zu können, was als typisch hellenistisch zu bezeichnen ist, und andererseits von Menschen in eine überirdischgöttliche Welt im Sinne ihrer Annäherung an die Sphäre Gottes, was typisch für die jüdische Apokalyptik ist.420 Während in hellenistischer Zauberliteratur die Vereinigung von Menschen mit der Gestalt der Gottheit infolge einer Zauberhandlung und zur Abbildung der unsterblichen Gottesgestalt in der menschlichen Seele zu beobachten ist, hat das Motiv der Verwandlung in der jüdischen Apokalyptik einen eschatologischen Charakter, etwa im Bild des Strahlens und Glänzens der Seligen nach ihrer Auferstehung (z. B. syrBar 51,3).421 Das Ziel ist ähnlich: Zugang zu einer sonst verschlossenen Welt zu 414

Vgl. ebd. 480.482 mit weiteren Belegen. NÜTZEL, Art. µεταµορφóω, 1021. 416 Ebd. 417 Ebd. 1022. 418 Vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1036. 419 Vgl. dazu und zum Folgenden BEHM, Art. µεταµορφóω, 763–764. 420 Vgl. ebd. 764. 421 Vgl. ebd. 764–765. 415

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erlangen. Die Septuaginta übersetzt fünf hebräische oder aramäische Substantive mit µορφή: Erscheinung (‫ – ת ֹאַר‬Ri 8,18), Gestalt (‫ – ְתמוּנ ָה‬Hi 4,16), Abbild (‫ – ַת ְבנִית‬Jes 44,13), Ausdruck (‫ – ְצלֵם‬Dan 3,19) und Gesichtsfarbe (‫– זִוִי‬ Dan 4,33). Im Alten Testament wird aber nicht über die µορφή Gottes gesprochen, genauso wenig wird von einer Verwandlung Gottes gesprochen.422 Die in der Verwandlungserzählung erkennbare Verwandlungsdynamik von oben (Gott) nach unten (Jesus), worauf die Passivform des Verbs aus Mk 9,2 – µετεµορφώθη – verweist, zeigt die größere Nähe der Verwandlung zum jüdisch-apokalyptischen als zum pagan-hellenistischen Gebrauch. Johannes Behm bündelt: „Das Wunder des Wandels von irdischer zu überweltlicher Gestalt, die das lichte Weiß des Gewandes kennzeichnet […] hat mit Metamorphose im hellenistischen Sinne nichts zu schaffen, sondern weist in den Zusammenhang apokalyptischer Vorstellungen.“423 Auch Dieter Sänger meint diesbezüglich Folgendes: „bes. die glänzend weißen Kleider des Verklärten zeigen, daß trotz der Begriffswahl nicht an eine Metamorphose gedacht ist, wie sie die griech. und hell.-röm. Mythologie kennt. […] Die Vision nimmt Erwartungen aus jüd. apok. Trad. auf, nach denen die Auferstandenen verwandelt und in himmlisch-transzendentem Lichtglanz erstrahlen werden.“424

Die Übernahme des Begriffs mit seiner starken eschatologischen Profilierung jüdischer Tradition zur Charakterisierung der Verwandlung Jesu auf dem Berg markiert die Einschreibung seiner Person in jüdische Endzeithoffnung auf Auferstehung und soll den „von Gott geschenkten Erkenntnis-Fortschritt“425 demonstrieren. 3. Hütte – σκηνή Σκηνή begegnet im Neuen Testament 20-mal.426 In den Evangelien ist der Begriff bei den Synoptikern nur im Zusammenhang der Verwandlungserzählung nachweisbar (Mk 9,5 par. Mt 17,4 par. Lk 9,33) und in Lk 16,9 zusätzlich mit einer deutlich eschatologischen Bedeutung als Behausung der Gerechten in ewigen Wohnungen des Jenseits.427 Zehnmal begegnet er im Hebräerbrief im wörtlichen Sinn „Zelt“, „Hütte“, besonders „Stiftshütte“ (Hebr 8,5; 9,2.3.6), aber auch im übertragenen Sinn als himmlische Wohnung (Hebr 9,11; 13,10; vgl. Offb 13,6; 15,5). Obwohl σκηνή auch im griechischen Sprachgebrauch bei den Tragikern mit der Bedeutung „Zelt, Bewirtung“ (Aeschylus, Eumenides 686; Xenophon, 422

Vgl. SÄNGER, Art. µορφή, 760. BEHM, Art. µεταµορφóω, 765. 424 SÄNGER, Art. µορφή, 762. Vgl. CRANFIELD, Mark, 290. 425 NÜTZEL, Art. µεταµορφóω, 1022; vgl. DERS., Art. Verwandlung, 678. 426 Vgl. BÜHNER, Art. σκηνή, 600. 427 Vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch, 1508; BÜHNER, Art. σκηνή, 600. 423

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Cyropaedia II 3,1), aber auch in religiösen Zusammenhängen nachweisbar ist (bei den großen religiösen Festen kampieren die Teilnehmer in Zelten [SIG I, 422,11] und die Heiligtümer waren in tragbaren Zelten untergebracht [Euripides, Ion 806), ist „der für das NT bedeutsamste Abschnitt der Vorgeschichte von σκηνή […] innerhalb der LXX verlaufen“.428 In der Septuaginta ist σκηνή 435-mal belegt und gibt am häufigsten das hebräische ‫ אהל‬wieder (245-mal). Anhand dieses Begriffs lässt sich ein Überblick über die ganze Geschichte Israels gewinnen.429 Beispielhaft ist dafür die Stiftshütte, die als ‫אהל‬, d. h. als Zelt der Begegnung, charakterisiert ist. Insofern ist sie nicht eine Stätte, in der Gott dauernd wohnt, sondern ein Ort, an dem Gott sich gelegentlich befindet,430 daher auch ihre Bezeichnung als der „wandernde Sinai“.431 Von einem kontinuierlichen Wohnen Jahwes in einer σκηνή ist im Alten Testament nicht die Rede, ebenso wenig von einem Wohnen des Messias im Zelt.432 Außerdem wird im Alten Testament über das Laubhüttenfest (‫ )סוּכּוֹת‬berichtet (Ex 23,16; Dtn 16,13–15), das ursprünglich ein jährliches Erntefest war, das im Laufe der Zeit tiefere theologische Deutungen erfahren hat und mit der Tradition der Wüstenwanderung Israels nach dem Auszug aus Ägypten verbunden wurde. Bis heute erinnert man sich beim Laubhüttenfest an das befreiende Handeln Gottes und an das damit bewirkte Heilsgeschehen.433 Im Kontext des jüdischen nachkanonischen Schrifttums wird der Begriff nicht unabhängig von seinem alttestamentlichen Bedeutungsraum, insbesondere im Zusammenhang mit der Stiftshütte, verwendet. Philo nennt die Stiftshütte σκηνὴ µαρτυρίου (Leg. All. II, 54–55) oder ἱερὰ σκηνή (Vit. Mos. II, 141), Josephus äußert sich auch zur Stiftshütte, die Gott aufnimmt (Ant. III, 189) und die er im Vergleich zum Tempel Salomos als πρώτη σκηνή bezeichnet (Ap. II, 12), und die Hodayot erwähnen sie unter anderem als Gottes heilige Wohnung (z. B. 1QH 12,2).434 Der in der Verwandlungserzählung begegnende Gebrauch von Zelten warf in der Forschung Fragen zu ihrer traditionsgeschichtlichen Zuordnung und Deutung auf.435 So lehnt Walter Michaelis eine Beziehung der von Petrus vorgeschlagenen drei Zelte zur Stiftshütte mit der Begründung ab, dass es beim Sinaigeschehen um Mose allein und nicht um Mose und Elia geht und σκηναί dabei keine Rolle spielen, obwohl zwischen ihnen „mindestens formale Beziehungen bestehen“.436 Nützel bringt die σκηναί aus Mk 9,5 mit dem jüdi428

MICHAELIS, Art. σκηνή, 370. Vgl. ebd. 430 Vgl. ebd. 431 JACOB, Exodus, 855–865, zitiert bei DOHMEN, Art. Zelt, 1419. 432 Vgl. MICHAELIS, Art. σκηνή, 370–374. 433 Vgl. KÖRTING, Art. Laubhüttenfest; HEININGER, Feste, 38–42. 434 Vgl. MICHAELIS, Art. σκηνή, 374–375. 435 Vgl. ebd. 381. 436 Ebd. 429

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schen Laubhüttenfest in Verbindung und nimmt an, die Verwandlung Jesu auf dem Berg hätte am achten und letzten Tag des Festes stattgefunden.437 Seine Meinung wurde inzwischen unter anderem von Jan-Adolf Bühner438 und Walter Michaelis439 zurückgewiesen aufgrund der Tatsache, dass die drei Zelte nicht für irdische Exponenten des Volkes Israel im Sinne von Hos 12,10 (in der Verwandlungserzählung für die drei Jünger), sondern für Jesus, Mose und Elia bestimmt waren. Überdies haben die drei σκηναί nach Michaelis auch nichts mit der Vorstellung des eschatologischen Wohnens des Messias zu tun, da es hier nicht um eine einzige σκηνή geht und außerdem lediglich Elia traditionsgeschichtlich als Vorläufer des Messias gilt und nicht auch Mose.440 Michaelis schlägt seinerseits vor, „das Wohnungnehmen in σκηναί in der Verklärungs-Perikope ohne bes. eschatologische oder messianische Beziehungen einfach als Ausdruck für den Gedanken der anhaltenden Gnadengegenwart Gottes zu fassen“.441 Die Traditionalität des Begriffs erweist sich in der Mannigfaltigkeit seines theologischen Gebrauchs im Alten Testament. Auch die folgenden Ausführungen zeigen, dass insbesondere „die Beziehung auf die bibl. zentrale SinaiSzene unübersehbar ist“.442 II. Intertextuelle Bezüge der Verwandlungserzählung Im Folgenden werden ausgewählte intertextuelle Bezüge der Erzählung von der Verwandlung Jesu vorgestellt. Besonders auffällig sind in diesem Zusammenhang die Parallelen mit alttestamentlichen Texten. Es lassen sich aber auch Bezüge zu frühjüdischen und paganen Texten feststellen.443 Immer wieder wurde die Erzählung von der Verwandlung Jesu mit alttestamentlichen Erzählungen,444 besonders der Sinaierzählung, in Verbindung gebracht.445 Dies geschah auch aufgrund der Beobachtung, dass „die Form der 437

Vgl. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 126–134. Vgl. BÜHNER, Art. σκηνή, 600. 439 Vgl. MICHAELIS, Art. σκηνή, 381. 440 Vgl. ebd. 381–382. 441 Ebd. 382. 442 BÜHNER, Art. σκηνή, 600. 443 Vgl. BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 59–61. Andere Vergleichstexte werden in SCHNELLE, Neuer Wettstein, I/1.1, 418–425, geboten. Hier sei auch auf das umstrittene, aber klassische Werk von STRACK/BILLERBECK, Kommentar, I, 751–758, hingewiesen, wobei sie die Verwandlungserzählung aus dem Matthäusevangelium und nicht aus dem Markusevangelium behandeln. Siehe auch WYPADLO, Verklärung, 326–391. 444 Vgl. WATTS, Exodus, 221, für die Beziehung der Verwandlungsgeschichte zum Jesajabuch. STEICHELE, Sohn, 168–173, für die Beziehung zu Dtn 18,15. HÜBNER, Theologie, 68, für die Beziehung zu Ps 2,7. 445 Vgl. ALLISON, Typology, 243–244: der Berg, die herabkommende Wolke, die aus der Wolke ertönende Stimme, das Strahlen der Zentralfigur, die von Furcht begleitete 438

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ntl. Erscheinungen deutlich auf die atl. Vorbilder zurückweist“,446 trotz mancher zurückhaltender Positionen.447 Die folgende Tabelle veranschaulicht die Parallelen: Verwandlungserzählung (Mk 9,2–9)

Καὶ µετὰ ἡµέρας ἓξ

παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ καὶ τὸν Ἰάκωβον Ἰάκωβον καὶ καὶ τὸν Ἰωάννην

καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ’ ἰδίαν µόνους.

Parallelen in der Septuaginta448 καὶ κατέβη ἡ δόξα τοῦ θεοῦ ἐπὶ τὸ ὄρος τὸ Σινᾶ, καὶ ἐκάλυψεν αὐτὸ ἡ νεφέλη ἓξ ἡµέρας· ρας καὶ ἐκάλεσεν κύριος τὸν Μωϋσῆν τῇ ἡµέρᾳ τῇ ἑβδόµῃ ἐκ µέσου τῆς νεφέλης. (Ex 24,16) Καὶ ἀνέβη Μωϋσῆς καὶ Ἀαρὼ αρὼν καὶ καὶ Ναδὰ Ναδὰβ καὶ καὶ Ἀβιοὺ βιοὺδ καὶ ἑβδοµήκοντα τῆς γερουσίας Ἰσραήλ. (Ex 24,9) Καὶ Μωϋσῇ εἶπεν Ἀνάβηθι πρὸς κύριον σὺ καὶ καὶ Ἀαρὼ αρὼν καὶ καὶ Ναδὰ Ναδὰβ καὶ καὶ Ἀβιού βιούδ. (Ex 24,1a) καὶ ὀρθρίσας Μωϋσῆς ἀνέβη εἰς τὸ τὸ ὄρος τὸ Σινα (Ex 34,4) καὶ κατέβη ἡ δόξα τοῦ θεοῦ ἐπὶ τὸ ὄρος τὸ Σινᾶ, καὶ ἐκάλυψεν αὐτὸ ἡ νεφέλη ἓξ ἡµέρας· καὶ ἐκάλεσεν κύριος τὸν Μωυσῆν τῇ ἡµέρᾳ τῇ ἑβδόµῃ ἐκ µέσου τῆς νεφέλης. τὸ δὲ εἶδος τῆς δόξης κυρίου ὡσεὶ πῦρ φλέγον ἐπὶ τῆς κορυφῆς τοῦ τοῦ ὄρους ἐναντίον τῶν υἱῶν Ἰσραήλ. καὶ εἰσῆλθεν Μωϋσῆς εἰς τὸ µέσον τῆς νεφέλης καὶ ἀνέβη εἰς τὸ ὄρος καὶ ἦν ἐκεῖ ἐν τῷ ὄρει τεσσαράκοντα ἡµέρας καὶ τεσσαράκοντα νύκτας. (Ex 24,16–18)

Antwort der Augenzeugen, die Anwesenheit einer aus drei Leuten bestehenden Gruppe und die sechstägige Zeitspanne. Vgl. SABIN, Reopening, 146–147; VAN IERSEL, Markus, 172– 173; GNILKA, Markus, II, 32; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 246; KERTELGE, Markusevangelium, 88; PESCH, Markusevangelium, II, 72; CRANFIELD, Mark, 292; LÜHRMANN, Markusevangelium, 155; WYPADLO, Verklärung, 293–299. 446 DORMEYER, Evangelium, 185. 447 Vgl. STEICHELE, Sohn, 174: „Die Unterschiede zwischen Sinaierzählung und vormk Verklärungsgeschichte sind doch größer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Eine direkte Abhängigkeit beider Geschichten voneinander ist also wenig wahrscheinlich.“ Diese Position wird von Puig i Tarrech in seinem Aufsatz über die Herrlichkeit Jesu auf dem Berg verteidigt (vgl. PUIG I TARRECH, Glory). Obwohl er teilweise einräumt, dass „the informed reader can hardly be ignorant of the relationship between the events on Mount Sinai and the transfiguration on the high mountain“ (ebd. 155), kommt er trotzdem zu der Überzeugung, dass, „when one applies the typology of Moses to Jesus transfigured on the mountain, the differences seem to be greater than the resemblances“ (ebd. 156). Von der Intention seines Evangeliums her denke ich, dass Markus kaum beabsichtigt, Jesus mit Mose zu identifizieren, sondern vielmehr Jesus in diese bedeutende Tradition Israels zu stellen. 448 Zitiert nach der Ausgabe von RAHLFS/HANHART, Septuaginta.

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καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, (2) καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στί στίλβοντα λευκὰ ναφεὺ λευκὰ λίαν, αν οἷα γναφε ναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶ λευκᾶναι. ναι (3)

καὶ ὤφθη αὐτοῖς Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ καὶ ἦσαν συλλαλοῦ συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ. (4) καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος λέγει τῷ Ἰησοῦ· ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν. (5) οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ, ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο. (6) καὶ ἐγένετο νεφέ νεφέλη ἐπισκιά πισκιάζουσα αὐτοῖς,

καὶ ἐγένετο φωνὴ φωνὴ ἐκ τῆς νεφέ νεφέλης· λης οὗτός ἐστιν ὁ υἱός ἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἀκού κούετε αὐτοῦ τοῦ. (7) καὶ ἐξάπινα περιβλεψάµενοι οὐκέτι οὐδένα εἶδον ἀλλὰ τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ’ ἑαυτῶν. (8) Καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους διεστεί διεστείλατο αὐτοῖ τοῖς ἵνα µηδενὶ ἃ εἶδον διηγήσωνται, εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ. (9)

καὶ εἶδον τὸν τόπον, οὗ εἱστήκει ἐκεῖ κεῖ ὁ θεὸ θεὸς τοῦ Ἰσραήλ. (Ex 24,10a) καὶ τὰ ὑπὸ τοὺς πόδας αὐτοῦ ὡσεὶ ἔργον πλίνθου σαπφεί σαπφείρου καὶ ὥσπερ εἶδος στερεώ στερεώµατος τοῦ οὐρανοῦ τῇ καθαριότητι. (Ex 24,10b) τὸ δὲ εἶδος τῆ τῆς δό δόξης κυρίου ὡσεὶ πῦρ. (Ex 24,17) καταβαίνοντος δὲ αὐτοῦ ἐκ τοῦ ὄρους Μωϋσῆς […] δεδόξασται ἡ ὄψις τοῦ τοῦ χρώ χρώµατος τοῦ τοῦ προσώ προσώπου αὐ αὐτοῦ τοῦ. (Ex 34,29) τὸ τρίχωµα τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ ὡσεὶ ἔριον λευκ λευκὸν καθαρόν, ὁ θρόνος ὡσεὶ φλὸξ πυρός. (Dan 7,9) καὶ περιέθηκεν Μωϋσῆς κάλυµµα ἐπὶ τὸ πρόσωπον ἑαυτοῦ, ἕως ἂν εἰσέλθῃ συλλαλεῖ συλλαλεῖν αὐτῷ. (Ex 34,35)

καὶ ἐκάλυψεν ἡ νεφέ νεφέλη τὸ ὄρος. (Ex 24,15b) Καὶ ἐκάλυψεν ἡ νεφέλη νεφέλη τὴν σκηνὴν σκηνὴν τοῦ µαρτυρίου, καὶ δόξης κυρίου ἐπλήσθη ἡ σκηνή· καὶ οὐκ ἠδυνάσθη Μωϋσῆς εἰσελθεῖν εἰς τὴν σκηνὴν τοῦ µαρτυρίου, ὅτι ἐπεσκίαζεν ἐπ᾽ αὐτὴν ἡ νεφέλη καὶ δόξης κυρίου ἐπλήσθη ἡ σκηνή. (Ex 40,34–35) καὶ ἐκάλεσεν κύ κύριος τὸν Μωϋσῆν τῇ ἡµέρᾳ τῇ ἑβδόµῃ ἐκ µέ µέσου τῆς νεφέ νεφέλης. λης (Ex 24,16b) Υἱός ἱός µου εἶ σύ (Ps 2,7) προφήτην ἐκ τῶν ἀδελφῶν σου ὡς ἐµὲ ἀναστήσει σοι κύριος ὁ θεός σου, αὐτοῦ τοῦ ἀκού κούσεσθε (Dtn 18,15)

καὶ µετὰ ταῦτα προσῆλθον πρὸς αὐτὸν πάντες οἱ υἱοὶ Ἰσραήλ, καὶ ἐνετεί νετείλατο αὐ αὐτοῖ τοῖς πάντα, ὅσα ἐλάλησεν κύριος πρὸς αὐτὸν ἐν τῷ ὄρει Σινᾶ. (Ex 34,32)

Hübner untersucht die Übernahme alttestamentlicher Zitate in der markinischen Verwandlungserzählung und kommt zu dem Schluss, dass diese Perikope nur ein einziges Zitat aufweist, nämlich Ps 2,7 (υἱός µου εἶ σύ) in V. 7 (οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου).449 Mit Alfred Suhl und Joachim Gnilka ist dies zu 449

Vgl. HÜBNER, Theologie, 68–69.

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bezweifeln,450 denn Hübner macht auch nicht deutlich, was er unter Zitat versteht, denn in V. 7 ähnelt auch der Imperativ ἀκούετε αὐτοῦ Dtn 18,15 (αὐτοῦ ἀκούσεσθε), ohne von Hübner als Zitat identifiziert zu werden. Das verdeutlicht, wie uneindeutig oft die Unterscheidung zwischen Zitat und Anspielung ist. Sandra Hübenthal definiert die Abgrenzung des Zitats von der Anspielung über die „Länge der übernommenen Zeichenkette“,451 die eindeutige Zuordnung zu einem Prätext sowie die wortgetreue Wiedergabe.452 Weiterhin hält sie fest: „Wichtig für die Abgrenzung der Anspielung vom Zitat ist zunächst die Deutlichkeit des Verweises. Während der Prätext im Zitat noch manifest, deutlich erkennbar war, ist er in der Anspielung nur noch latent anzutreffen, wenngleich deutlich genug, um den Prätext erkennen zu lassen.“453 Die genauere Diskussion dieser Frage würde den Rahmen dieser Untersuchung übersteigen,454 daher werde ich im Folgenden lediglich auf Anspielungen hinweisen, denn Zitate scheinen, nach der Definition Hübenthals, in der Verwandlungserzählung nicht vorzuliegen: 1. die Zeitangabe der sechs Tage als Vorbereitungszeit; 2. der Aufstieg auf den Berg als Ort des Ereignisses; 3. die Anwesenheit der Begleitpersonen; 4. die visuelle Teilnahme an einem auf dem Berg stattfindenden Ereignis; 5. das Strahlen der Hauptfigur(en) als Folge des Ereignisses; 6. das Miteinanderreden als Folge; 7. die Erscheinung der Wolke, aus der eine Stimme zu hören ist. All diese Berührungspunkte stellen unter Beweis, dass innerhalb dieser Erzählung „the Old Testament was a formative influence on the developing Jesus tradition“.455 Nur unter Beachtung dieser Tradition kann die Erzählung über Jesus besser verstanden und in ihrem theologischen Deutungshorizont erfasst werden. William Telford stellt zutreffend fest: „Markʼs hand was also at work, however, in this process, the Jewish scriptures being used by him to develop or counteract the Christology implicit in the tradition or traditions before him.“456 Es kann festgehalten werden, dass der Großteil der alttestamentlichen Parallelstellen zur Verwandlungserzählung der Exodustradition

450

Vgl. SUHL, Zitate, 104–110, und GNILKA, Markus, II, 36. HÜBENTHAL, Transformation, 52. 452 Vgl. ebd. 453 Ebd. 54. 454 Zu weiteren Ausführungen über die Begriffsgeschichte der Intertextualität sowie über die unterschiedlichen Verständnisse von Zitat und Anspielung innerhalb der einzelnen Typologien vgl. BERNDT/TONGER-ERK, Intertextualität. 455 TELFORD, Theology, 26. Vgl noch TREBILCO, Backgrounds, 359–388. 456 TELFORD, Theology, 26. Zum Thema siehe auch KLAPPERT, Wiederentdeckung, 161–190. 451

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zuzuordnen ist.457 Es kann also gefolgert werden, dass die Verwandlungserzählung „more profoundly influenced by the exodus traditions, as a fulfillment of the Sinai theophany“458 ist, oder, um es mit Joel Marcus zu sagen: „the Mosaic typology is central to the transfiguration“.459 Es lassen sich aber auch Ähnlichkeiten der Verwandlungserzählung mit hellenistisch-jüdischen Texten nachweisen.460 Im Folgenden sollen ausgewählte Texte exemplarisch vorgestellt werden. Im Äthiopischen Henochbuch (äthHen 106,2–3) findet sich über die Geburt Noahs folgende Passage: „(2) Und sein Körper war weiß wie Schnee und rot wie eine Rosenblüte, und das Haar seines Hauptes und seine Locken weiß wie Wolle, und seine Augen (waren) schön. Und wenn er seine Augen öffnete, erhellten sie das ganze Haus wie die Sonne, so daß das ganze Haus überall hell wurde. (3) Und als er sich von der Hand der Hebamme aufrichtete, öffnete er seinen Mund und sprach mit dem Herrn der Herrlichkeit.“461

Lamech, der Vater Noahs berichtet davon Methusala: „Ich habe einen sonderbaren Sohn gezeugt; er ist nicht wie ein Mensch, sondern er gleicht den Kindern der Engel des Himmels, und seine Art ist anders, und er ist nicht wie wir, und seine Augen (sind) wie Strahlen der Sonne und sein Angesicht herrlich. (6) Und mir scheint, daß er nicht von mir, sondern von den Engeln stammt, und ich fürchte, daß ein Wunder in seinen Tagen auf Erden geschehen wird.“462

Es wird hier das Strahlen von Körperteilen Noahs erzählt („sein Körper war weiß wie Schnee und rot wie eine Rosenblüte, und das Haar seines Hauptes und seine Locken weiß wie Wolle, und seine Augen [waren] schön“), womit der Text den matthäischen und lukanischen Versionen der Verwandlungserzählung näher steht als der markinischen, in der lediglich die Kleider Jesu leuchten (Mk 9,3). Zugleich ist auch das Furchtmotiv anzutreffen, denn der Vater Noahs als Beobachter fürchtet sich („und ich fürchte, daß ein Wunder in seinen Tagen auf Erden geschehen wird“) ähnlich wie die drei Jünger bei Jesu Leuchten (Mk 9,6). Im Äthiopischen Henochtext lässt sich nicht feststellen, „daß das Lichtphänomen am Antlitz oder am ganzen Körper als solches auf die Gottessohnschaft weist […] unter Ausschluß der menschlichen

457

Vgl. WYPADLO, Verklärung, 28–39. CULPEPPER, Mark, 293. 459 MARCUS, Way, 84; vgl. auch EVANS, Mark, 34; FISCHER, Disciples, 132; BAYER, Markus, 327; HENGEL, Studies, 58. 460 Vgl. BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 59–61. Andere Vergleichstexte identifiziert WYPADLO, Verklärung, 326–391. 461 BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 59. Eine grundlegende Studie zum Äthiopischen Henochbuch mit einer deutschen Übersetzung bietet UHLIG, ÄthHenoch, 461–780. Eine umfangreiche Bibliographie wurde von LEHNARDT, Bibliographie, 423–447, erstellt. 462 BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 59; UHLIG, ÄthHenoch, 743–744. 458

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Vaterschaft“.463 Vielmehr wird die menschliche Vaterschaft Noahs im Text nicht ausgeschlossen und eine Gottessohnschaft nicht ausgesagt, sondern eine höhere Abkunft nur indirekt angedeutet („er ist nicht wie ein Mensch, sondern er gleicht den Kindern der Engel des Himmels, und seine Art ist anders, und er ist nicht wie wir […]. Und mir scheint, daß er nicht von mir, sondern von den Engeln stammt“). Der große Unterschied zwischen der Verwandlungserzählung der Evangelien und diesem Text ist m. E. hauptsächlich die Tatsache, dass man es hier nicht mit einer plötzlichen Verwandlung zu tun hat, denn Noah erscheint in der überirdischen Gestalt schon seit seiner Geburt („Und wenn er seine Augen öffnete, erhellten sie das ganze Haus wie die Sonne, so daß das ganze Haus überall hell wurde. Und als er sich von der Hand der Hebamme aufrichtete, öffnete er seinen Mund und sprach mit dem Herrn der Herrlichkeit“). Auch werden das Strahlen und die Schönheit von Noahs Körper mit irdischen Dingen wie Schnee, Sonne, Wolle und Rosenblüte verglichen, während Mk 9,3 festhält, dass die verwandelten Kleider Jesu mit nichts Irdischem verglichen werden können. Gemeinsam ist diesen beiden Erzählungen ihre Funktion, die besondere Würde der Protagonisten hervorzuheben, wobei Jesu Würde als „geliebter Sohn“ Gottes in ganz besonderer Weise akzentuiert wird. Ähnlichkeiten mit der Verwandlungserzählung lassen sich auch in der Schrift Prophetenleben, § 33 über Elia nachweisen: „Und als ihn (sc. Elia) seine Mutter geboren hatte, schaute Sobak, sein Vater, ein Gesicht, daß leuchtend erscheinende Männer zu ihm sprachen (ihn anredeten), und daß sie ihn in Feuer wickelten und eine Feuerflamme ihm zu essen gaben. – Und er (sc. Der Vater) kam nach Jerusalem und meldete es den Priestern, und der Orakelbescheid lautete: Fürchte dich nicht, denn es wird die Wohnung des Kindes Feuer sein und sein Wort Urteilsspruch, und er wird Israel richten mit Schwert und Feuer.“464

Die Ähnlichkeiten zwischen dieser Erzählung und der Erzählung von der Verwandlung Jesu betreffen hauptsächlich das Leuchten der Männer und ihre Rede,465 das Furchtmotiv und die Information in Bezug auf die Zukunft der Hauptfigur der Erzählung, Elia (hier das Richten Israels durch ihn, in Mk 9,9 die Ankündigung der Auferstehung des Menschensohns). Dennoch lassen sich auch manche Unterschiede der beiden Erzählungen feststellen:

463

BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 59. Ebd. 60. Eine Studie zu dem Buch über die Prophetenleben einschließlich einer deutschen Übersetzung bietet SCHWEMER, Vitae Prophetarum. Zur Bibliographie dazu siehe LEHNARDT, Bibliographie, 163–166. 465 Vgl. BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 60. 464

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

1. Wie auch schon in äthHen 106,2 wird hier die Gestalt Elias anhand irdischer Elemente beschrieben, während im Markusevangelium das Strahlen der Kleider Jesu nicht auf irdische Künste, etwa diejenigen eines Walkers, zurückzuführen ist. 2. In der Verwandlungsszene fragen die Zeugen des Ereignisses, die drei Jünger, Mose und Elia, nicht nach einer Erklärung wie hier Elias Vater Sobak. Ein dritter Vergleichstext zur Verwandlungserzählung stammt von Philo von Alexandrien, Über die Tugenden, § 217: „Er [Abraham – C. P.] gebrauchte nämlich nicht die gleichen Umgangsweisen [wie die anderen Menschen – C. P.], sondern, wenn er vom göttlichen Geist ergriffen wurde, um vieles ehrwürdigere. Wenn er nun ergriffen wurde, veränderte sich alles zum Besseren, der Blick, die Farbe, die Größe, die Haltungen, die Bewegungen, die Stimme, weil der göttliche Geist, der von oben eingehaucht war und in seine Seele einzog, seinen Leib mit ausgewählter Schönheit umgab, den Worten Überzeugungskraft, den Hörenden Verständnis gab.“466

Gemäß der Darstellung Philos ereignet sich die Umwandlung Abrahams erst nach dem Eingreifen des göttlichen Geistes, während im Rahmen der Verwandlung Jesu nicht von einem Eingreifen Gottes oder des Heiligen Geistes die Rede ist, trotz der Passivform des die Verwandlung Jesu ausdrückenden Verbs (Mk 9,2). Unterschiede zwischen der von Philo dargelegten Verwandlung Abrahams und der Verwandlung Jesu bestehen außerdem hinsichtlich der Folgen dieser Geschehnisse für die beiden betroffenen Personen. Bei Abraham sind dann nicht nur seine körperliche Erscheinung und seine Stimme von Schönheit geprägt, sondern auch seine Worte überzeugender, ohne diese Erscheinungen als überirdisch zu deklarieren; bei der Verwandlung Jesu hingegen ist die Qualität des Strahlens seiner Gewänder nicht auf der Erde zu finden. Zugleich bedeutet die Verwandlung Abrahams nicht nur eine Aufwertung seiner eigenen Person, sondern auch die seiner Hörer („den Hörenden Verständnis gab“). In der Verwandlungserzählung erzeugt die Metamorphose Jesu nicht Verständnis, sondern – ganz im Gegenteil – sogar Unverständnis bei seinen Zeugen, was der unpassende Vorschlag Petri und seine Deutung durch den Erzähler veranschaulichen (Mk 9,5–6). Schließlich lässt sich die markinische Verwandlungserzählung mit einem Text aus Plutarch, Über das Glück der Römer, § 10, vergleichen:

466

Ebd. Die kritische Ausgabe der Werke Philos wurde von L. Cohn und P. Wendland angefertigt, siehe dort De Virtutibus (De Nobilitate), §§ 217.332. Zur vollständigen deutschen Übersetzung dieser Schrift vgl. PHILO VON ALEXANDRIA, Ueber die Tugenden, übersetzt von Leopold Cohn, in PHILO VON ALEXANDRIA, Werke, II, 315–377, z. St. 374.

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„Servius wurde nun geboren, und als er ein Kind war, strahlte das Haupt einen Glanz aus, der dem Blitz sehr ähnlich war. Die um Antias aber berichten es nicht so. Sondern es sei dem Servius geschehen, daß seine Frau Gegania gestorben, er selbst aber in Gegenwart der Mutter aus Unglück und Trauer in Schlaf gesunken sei. Und als er schlief, sei den Frauen sein Antlitz erschienen, umstrahlt von feuerartigem Glanz. Das war für ihn ein Zeugnis seiner Geburt aus Feuer, ein günstiges Vorzeichen aber für die unerwartete (Königs)herrschaft …“467

In diesem Text werden zwei Varianten der Verwandlung des Servius (Sohn der Sklavin Akrisia und des Gottes Vulkan) angeboten: zum einen eine Verwandlung bereits im Kindesalter (erste Variante), zum anderen eine im Erwachsenenalter, während des Schlafens (zweite Variante). Beide Schilderungen beziehen sich lediglich auf das Strahlen seiner äußerlichen Erscheinung (Haupt, Antlitz), die aber nichts Überirdisches aufweist („dem Blitz sehr ähnlich“ bzw. „feuerartig“). In der Verwandlungserzählung geht es weder um die Kindheit Jesu noch um den Schlaf als Kontext der Verwandlung. Trotzdem stimmt die von Plutarch gegebene Deutung der besonderen Erscheinung des Servius als Zeugnis seiner Neugeburt und seiner zukünftigen Würde mit der Funktion der Verwandlung Jesu überein, wo Auskünfte zu seinem Ursprung (οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου – Mk 9,7) und zu seinem künftigen Status gegeben werden (εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ – Mk 9,9). Die skizzierten Texte markieren eine Landschaft religiöser und philosophischer Texte, in welche sich die Verwandlungserzählung einreiht. In allen Texten markiert Verwandlung die ganz besondere Würde eines Menschen. Auch wurde von der neutestamentlichen Forschung längst erkannt, wie stark insbesondere jüdische Texte der hellenistisch-römischen Zeit die frühchristlichen Texte prägten.468 Diese Literatur wurde zu Recht als „jüdischer Mutterboden“469 bezeichnet. Eine theologische Verwandtschaft der Verwandlungserzählung mit dem Sinaigeschehen aus dem Exodusbuch470 und das Wissen um einen alttestamentlichen Hintergrund 471 lassen sich aus meiner Sicht aber 467

BERGER/COLPE (Hg.), Textbuch, 60. Siehe auch SCHNELLE, Neuer Wettstein, I/1.1, 422. Für den griechischen Text und die deutsche Übersetzung von Plutarchs Schrift De fortuna romanorum siehe GÖRGEMANNS/FELDMEIER/ASSMANN (Hg.), Plutarch. Eine weitere deutsche Übersetzung bietet GIEBEL, Plutarch. 468 Vgl. ROBBINS, Rhetoric, 242: „The Early Christianity was one kind of Judaism during the first century.“ 469 Dazu vgl. BARRERA, Introduction, 32: „At the very start Christianity was a JewishChristianity.“ Außerdem EBNER/HEININGER, Exegese, 222. 470 Vgl. MÁNEK, New Exodus, 13: „The Exodus became a source for understanding history. The Exodus in the Old Testament was not, however, only a historical event. It was also a prophetic event.“ 471 Vgl. HÜBNER, Interpretation, 336: „The whole of Markʼs Christology is a ,compilationʻ of Old Testament terminology and quotations.“ Auch MÜLLER, „Wer ist Jesus?“, 102: „Die Nähe dieser Elemente [der Elemente aus dem Exodus – C. P.] zur markinischen Verwandlungsepisode ist deutlich zu erkennen und mit Mk 9,4 zu verbinden.“

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

ebenfalls überzeugend postulieren, auch wenn das in der Forschung zuweilen skeptisch betrachtet wurde.472 Viele moderne Kommentatoren, die eine Beziehung zwischen der Verwandlungserzählung und dem Sinaigeschehen voraussetzen, beschränken sich leider nur auf die Ähnlichkeit zwischen den leuchtenden Kleidern Jesu und dem leuchtenden Angesicht Moses, obwohl, wie oben gezeigt wurde, zahlreiche Ähnlichkeiten bestehen. Die vielfältigen Parallelen zwischen der Verwandlung Jesu und dem Sinaiereignis veranschaulichen das typologische Verhältnis von Mose und Christus.473 Man könnte fast meinen, dass das Alte Testament unserem Text viel zu nah ist, um anderweitige religionsgeschichtliche Übereinstimmungen zu suchen.474 Wie Brian Incigneri plastisch behauptet, sollten wir das Kind (Markusevangelium) von seinen Eltern (Altes Testament) nicht trennen.475 Diese Sichtweise berücksichtigt aber nicht, dass das Neue Testament ebenso stark durch das hellenistische Judentum geprägt ist und durchaus auch von der paganen hellenistischrömischen Umwelt. Die Verwandtschaft zwischen den alttestamentlichen und den neutestamentlichen Texten, wie sie im Rahmen der orthodoxen Bibelexegese besonders betont wird, führt m. E. zu aus orthodoxer Sicht schwer zu beantwortenden Fragen. Wenn ein neutestamentlicher Text sehr viele und auffällige Gemeinsamkeiten mit einem Vergleichstext aus dem Alten Testament aufweist wie im Fall der Verwandlungserzählung, stellt sich die Frage, wie diese entstanden sind. Wenn davon ausgegangen werden muss, dass der Verfasser diese Erzählung in Anlehnung an die alttestamentliche Erzählung formuliert hat, dann stellt sich sehr deutlich die Frage nach der Historizität des im Neuen Testament erzählten Ereignisses. Ist das Ereignis selbst oder die Erzählung nach dem Alten Testament gestaltet? Bei der Analyse der Verwand472

Vgl. STEICHELE, Sohn, 174. Er hält aber am Schluss seines Buches fest: „Mk hat – zum Teil vermittelt durch seine Tradition – atl-jüdische Vorstellungen aufgenommen“, 315. 473 Vgl. N. R. PARKER, Portrayal, 29: „A NT writer reflecting on the saving action of Christʼs coming will interpret events, persons or things in the OT as foreshadowings or prefigurements of events, persons or things in the NT.“ Vgl. BERGER, Traditio Legis, 110.117. Dazu HÜBNER, Interpretation, 334 [Hervorhebung im Original]: „The identity of the God who speaks in Israelʼs holy Scripture with the God who accomplished salvation in Christ for all humankind, is the theological precondition for the hermeneutical basic conviction of the New Testament authors.“ Außerdem MCCONVILLE, Interpretation, 16: „Christ brings to completion the reality of salvation as it has been desired and partly experienced for ages past.“ Vgl. noch BAKER, Two Testaments, 179–299; JANOWSKI, One God, 298; CHILDS, Nature, 124. 474 Vgl. BARRERA, Introduction, 490: „It is necessary to allow greater weight and value to the OT and Jewish substratum of the NT.“ Auch HENGEL, Studies, 46: Es ist „very improbable that the Gospel is to be derived from ,Gentile Christianityʻ“. Vgl. BOLT, Defeat, 221–224, er sucht anderswo Parallelen, nämlich in hellenistischer Philosophie. 475 Vgl. INCIGNERI, Setting, 3.

F. Redaktions- und Kompositionskritik

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lungserzählung ist deutlich geworden, dass das Motiv der Verwandlung sowohl im Alten Testament als auch in der hellenistisch-römischen Literatur traditionell verwendet wird, um die außergewöhnliche Würde eines Menschen hervorzuheben, was darüber hinaus oftmals in eine „Gründungserzählung“ mündet, „die von einer identitätsstiftenden Funktion geprägt“ ist „und deren Wahrheit in der Interpretation“476 liegt, oder anders gesagt, deren Wahrheit durch eine Interpretationsgemeinschaft, wie etwa die Kirche, festgehalten und tradiert wird.477 Die Verwandlungserzählung hat die theologische Funktion, die außergewöhnliche Würde Jesu als „geliebten Sohnes“ Gottes erzählerisch auszusagen, womit zum Hören auf diese Person aufgefordert wird (Mk 9,7). Diese Pragmatik entfaltet der Text – unabhängig von einem Beweis oder Gegenbeweis seiner Historizität. Eine mögliche Lösung bietet orthodoxerseits Breck, indem er auf die typologische Verbindung der biblischen Erzählungen verweist. Er deutet diese Verbindung als göttlichen Akt, denn die göttliche Inspiration des Verfassers ist ihm zufolge für die Assoziation zweier biblischer Ereignisse als Typus und Gegentypus verantwortlich.478 Dadurch wird aber die Tätigkeit der neutestamentlichen Verfasser auf den Empfang dieser Inspiration reduziert und sie werden m. E. zu Unrecht auf eine bloße Schreibertätigkeit reduziert, ohne dass ihnen eine relevante Rolle im theologischen Wahrnehmungs- und Tradierungsprozess zukommt. Das leitet zur Redaktions- und Kompositionskritik über.

F. Redaktions- und Kompositionskritik F. Redaktions- und Kompositionskritik Seit der Entwicklung der redaktionsgeschichtlichen Methode in den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich die Auffassung in Bezug auf die redaktionelle Tätigkeit des „Markus“ stark gewandelt und wird bis heute sehr unterschiedlich bewertet.479 Während in der Zeit der klassischen Formgeschichte noch weitgehend davon ausgegangen wurde, dass „Markus“ ein Sammler und konventioneller Redaktor ist, wurde im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend erkannt, wie ausgeprägt dieses Evangelium, wie auch die anderen Evangelien, eigenständig komponiert und literarisch gestaltet ist. Peter Müller bringt diesen Diskussionsprozess prägnant auf den Punkt: „Handelt es sich bei Markus um einen Sammler und Tradenten, um einen Kritiker und Korrektor seiner Überlieferung oder um einen über476

Vgl. dazu ausführlicher EISEN, Apostelgeschichte, 37, und hier auch die anschließende Kontroverse zwischen Rainer Riesner und Daniel Marguerat, 38–51. 477 Das führt in text- und geschichtstheoretische Überlegungen, die den Rahmen dieser Untersuchung übersteigen. 478 Vgl. BRECK, Power, 99. 479 Eine Übersicht in diesem Sinne findet sich bei INCIGNERI, Setting, 1–58.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

legen gestaltenden Autor, dem die Frage nach Tradition und Redaktion gar nicht gerecht werden kann?“480 In der Folge der weiteren methodischen Ausdifferenzierung des Eigenanteils des Verfassers des Markusevangeliums lief die methodische Entwicklung über die Kompositionskritik, die den neutestamentlichen Autoren eine größere Aktivität als die klassische Redaktionskritik einräumte, hin zu der Erkenntnis, dass das Markusevangelium als kunstvolle Erzählung zu betrachten ist.481 Die orthodoxe Bibelexegese nimmt die redaktions- und kompositionskritische Methode durchaus zur Kenntnis. Breck z. B. spricht von der Kreativität biblischer Autoren bei der Gestaltung ihrer Schriften: „They [die orthodoxen Bibelwissenschaftler – C. P.] can accept as well the principles of ,redactionʻ and ,compositionʻ criticism, affirming the creative role of the biblical author or ,redactorʻ in shaping those traditional kerygmatic, didactic and liturgical elements into a work that expressed his own distinctive theological perspective.“482

Weiter wird in der orthodoxen Bibelexegese die Tätigkeit der biblischen Redaktoren durch Kesich als Prozess theologischer Schwerpunktbildung beschrieben: „To the redaction critic, the evangelists were not simply compilers of traditional material, but authors who had their own point of view and who arranged their material with the particular aim of expressing their own theological interests.“483 Stylianopoulos geht noch weiter und hält fest, dass den biblischen Autoren mündliche Überlieferungen und schriftliche Quellen vorgelegen haben: „Redaction criticism, also called composition criticism, examines the final shape of a book to discern how a particular author used available oral and written sources and what the authorʼs specific interests were in so doing.“484 Orthodoxerseits wird also anerkannt, dass die biblischen Verfasser auf mündliche und schriftliche Überlieferungen zurückgegriffen haben und von einem gezielten theologischen Interesse geleitet waren. I. Die markinische Verwandlungserzählung in der redaktions- und kompositionskritischen Diskussion Hinsichtlich der markinischen redaktionellen Bearbeitung der Verwandlungserzählung begegnet eine Vielfalt von Einschätzungen. Es lassen sich sehr deutlich zwei Forschungsrichtungen feststellen. Die eine versucht den traditionellen Hintergrund der Verwandlungserzählung zu bestimmen, indem sie zwischen Altem Testament, antikem Judentum und paganem Hellenismus 480

MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 9. Vgl. exemplarisch BAYER, Markus, 68–88; GNILKA, Markus, II, 25–35; KERTELGE, Markusevangelium, 10–13; PESCH, Markusevangelium, II, 3–11; SCHWEIZER, Markus, 8. 482 BRECK, Orthodoxy, 147. 483 KESICH, Gospel, 33. 484 STYLIANOPOULOS, New Testament, 130. Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Sicht, 93. 481

F. Redaktions- und Kompositionskritik

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oszilliert. Die andere beschäftigt sich vornehmlich mit der möglichst präzisen Trennung zwischen Tradition und Redaktion innerhalb der Erzählung. Im Rahmen der erstgenannten Forschungsrichtung vertreten Vernon Robbins und Béatrice Oiry die Auffassung, das Markusevangelium basiere hauptsächlich auf jüdischem Erbe, wie etwa die Verwandlungserzählung, wo Figuren aus dem Alten Testament erscheinen und auf Ereignisse der Geschichte Israels angespielt wird.485 Alan Culpepper betont vor allem, dass besonders im Bezug der Verwandlungserzählung auf die Exoduserzählung die redaktionelle Bearbeitung durch Markus zu finden ist.486 In eine vergleichbare Richtung argumentiert auch Martin Hengel: „It is striking how deeply the Gospel of Mark is stamped with the Moses-Elijah typology.“487 Diese findet Hengel zufolge ihren Höhepunkt in der Verwandlungserzählung.488 Dagegen argumentiert Maria Horstmann, die vor allem einen Einfluss aus dem paganen hellenistischen Milieu sieht.489 Zur zweitgenannten Forschungsrichtung, die sich mit einer genaueren Trennung von Tradition und Redaktion zur Verwandlungserzählung befasst, finden sich sehr unterschiedliche Beurteilungen. Skeptisch zeigt sich Thomas Söding, der schreibt: „Das Ziel, den genauen Wortlaut von schriftlichen und gar mündlichen Vorlagen zu eruieren, läßt sich nur selten erreichen.“490 Auch Philip Sellew spricht von den Schwierigkeiten, „the continuity of form and language between the pre-Markan traditions and his own redaction and composition“491 zu unterscheiden. Es gibt aber auch eine Reihe von Untersuchungen, die die Unterscheidung von Tradition und Redaktion in Mk 9,2–9 für möglich halten.492 Nützel führt Folgendes auf die redaktionelle Tätigkeit des Evangelisten zurück:493

485

Vgl. ROBBINS, Rhetoric, 219: „Like the other New Testament gospels, the heritage of the Gospel of Mark is Jewish. The stories and sayings in it refer specifically to Jewish figures – Abraham, Isaac, Jacob, Moses, David, Elijah.“ Siehe auch OIRY, Transfiguration, 47–48. 486 Vgl. CULPEPPER, Mark, 293: „The transfiguration is more profoundly influenced by the Exodus traditions.“ 487 HENGEL, Studies, 56. 488 Vgl. ebd. 57: „This typology […] reaches its real high point in the scene of the transfiguration with the appearance of Moses and Elijah, though it is not to them, but to the beloved Son, that the disciples must listen (9,7).“ 489 Vgl. HORSTMANN, Christologie, 150. 490 SÖDING/MÜNCH, Wege, 193. 491 SELLEW, Composition, 633. 492 Vgl. STRECKER, Theologie, 363–364; SCHMAHL, Zwölf, 131–134; KAZMIERSKI, Jesus, 107–108; REPLOH, Lehrer, 112–113; STEICHELE, Sohn, 92–95.161–192; FLEDDERMANN, Question, 121–124. 493 Vgl. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 164–165.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

1. Einfügungen, die „sicher oder wenigstens mit großer Wahrscheinlichkeit“494 als markinisch erklärt werden können: die Stimme aus der Wolke (Mk 9,7 – καὶ ἐγένετο φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης· οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἀκούετε αὐτοῦ) und die Frist des den Jüngern auferlegten Schweigegebotes (Mk 9,9 – εἰ µὴ ὅταν ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ).495 2. Einfügungen, die „weniger sicher, aber doch mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit“496 aus der Feder des Evangelisten stammen: die Zeitangabe (Mk 9,2 – καὶ µετὰ ἡµέρας ἕξ), die Hervorhebung der Absonderung der drei von Jesus auf den Berg mitgenommenen Jünger (9,2 – κατ’ ἰδίαν µόνους), der Vorschlag Petri und dessen Bewertung (9,5–6 – καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος λέγει τῷ Ἰησοῦ· ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν. Οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ, ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο) sowie die Einfügung des Mose in die Erzählung (9,4 – σὺν Μωϋσεῖ/9,5 – καὶ Μωϋσεῖ µίαν).497 Daraus ergibt sich für Nützel folgende vormarkinische schriftliche Texteinheit, die er aber ausdrücklich lediglich als Diskussionsbeitrag betrachtet und deren Hypothetik er sich durchaus bewusst zeigt:498 V. 2a V. 2b V. 2c V. 3 V. 4 V. 6 V. 7a V. 8

Καὶ παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στίλβοντα λευκὰ λίαν, οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι. καὶ ὤφθη αὐτοῖς Ἠλίας καὶ ἦν συλλαλοῦν τῷ Ἰησοῦ (καὶ ἔκφοβοι ἐγένοντο). καὶ ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς, καὶ ἐξάπινα περιβλεψάµενοι οὐκέτι οὐδένα εἶδον εἰ µὴ τὸν Ἰησοῦν µόνον (µεθ’ ἑαυτῶν).499

Diese Rekonstruktion Nützels zeigt, dass er eine große Nähe der vormarkinischen Verwandlungserzählung zur Sinaierzählung sieht, die der Evangelist weiter ausgebaut hat.500 Unzureichend bei dieser Rekonstruktion ist m. E., dass Nützel kaum Begründungen dafür gibt. Es ergibt sich weiterhin die Frage: Wenn für den Evangelisten die Exodusgeschichte mit Schwerpunkt auf 494

Ebd. 164. Vgl. ebd. 496 Ebd. 497 Vgl. ebd. 164–165. 498 Vgl. ebd. 166. 499 Vgl. ebd. 165. 500 Vgl. 162. 495

F. Redaktions- und Kompositionskritik

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der Gesetzgebung am Sinai eine so grundlegende Rolle spielt, warum ergänzt er zu seiner vorliegenden Quelle nur ausgewählte Aspekte der Exodus- oder Sinaitradition?501 Wie kommt Nützel dazu, die aus der Wolke ertönende Stimme der markinischen Redaktion zuzuordnen, die Wolke selbst aber nicht, obwohl sie sich als theologischer, auf die Gegenwart Gottes hindeutender Begriff „gut mit dem Sinai verbinden läßt“?502 Infolgedessen ist die hier vorgeschlagene Scheidung zwischen schriftlicher Vorlage und Redaktion schwer nachvollziehbar.503 Jüngst hat Wypadlo eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung der markinischen Verwandlungsperikope vorgelegt, obwohl er eigentlich darauf verzichten will, „literarkritische Scheidung von Tradition und Redaktion zum Ausgangspunkt der Untersuchung“504 zu machen, und er sich von dieser exegetischen Perspektive entfernen möchte.505 Zu Beginn seiner Einzelversanalyse schreibt er, dass er im Folgenden „Vorschläge zur Differenzierung traditioneller und redaktioneller Passagen der Verwandlungsperikope“506 vorgenommen hat. Seine redaktionsgeschichtliche Analyse lässt sich m. E. zutreffend mithilfe des folgenden Schemas darstellen und zugleich zusammenfassen: Tradition Mk 9,2

Redaktion 507

Καὶ µετὰ ἡµέρας ἓξ

παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν508

κατ’ ἰδίαν µόνους.509

καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, Mk 9,3

501

καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στίλβοντα λευκὰ λίαν, οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι.510

In diesem Sinne KAZMIERSKI, Jesus, 112–113. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 161. 503 Vgl. SCHMITHALS, Einleitung, 346: „Trotz vieler guter Beobachtungen steht eine präzise Unterscheidung von Tradition und Redaktion noch aus.“ 504 WYPADLO, Verklärung, 268 [Hervorhebung im Original]. 505 Vgl. ebd. 268–269. 506 Ebd. 271. 507 Vgl. ebd. 271–272. 508 Vgl. ebd. 273. 509 Vgl. ebd. 272–273. 510 Vgl. ebd. 273–274. 502

116 Mk 9,4

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte καὶ ὤφθη αὐτοῖς

Ἠλίας σὺν512

Μωϋσεῖ καὶ ἦσαν συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ.511 Mk 9,5

καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος λέγει τῷ Ἰησοῦ· ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.513

Mk 9,6 Mk 9,7

ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο.514 καὶ ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς, καὶ ἐγένετο φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης· οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ἀκούετε αὐτοῦ.515

Mk 9,8

οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ,

καὶ ἐξάπινα περιβλεψάµενοι οὐκέτι οὐδένα εἶδον

ὁ ἀγαπητός,

ἀλλὰ τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ’ ἑαυτῶν.516

Wypadlo betont selbst, dass sein Vorschlag einen hypothetischen Charakter hat.517 Er wird von dem deutlichen Interesse getrieben, die Rolle Elias innerhalb der markinischen Verwandlungserzählung gegen Mose hervorzuheben. Wypadlo zufolge wird anhand der markinischen Einfügung des Namens Elia in die Verwandlungsperikope ein für das Evangelium charakteristisches Thema (Leiden) ergänzt.518 Um die Rolle Elias im Rahmen der Verwandlungserzählung zu deuten, bezieht er sich auf das Profil Elias, wie es im engeren Kontext dieser Perikope (Mk 8,28 und 9,11–13) hervortritt, wo Elia im Rahmen des Topos Leiden zu verstehen ist. Zu fragen wäre, inwiefern das Thema Leiden mit dem theologischen Profil der Verwandlungserzählung korreliert. Obwohl diese Perikope in eine Texteinheit (Mk 8,27–10,45) eingebunden ist, in welcher das Thema des Leidens Jesu systematisch insgesamt dreimal dargelegt wird (Mk 8,31–33/9,30–32/10,32–34), bekommt m. E. die Verwandlung Jesu in dem oben erwähnten Zusammenhang eine andere Funktion: Es 511

Vgl. ebd. 274. Vgl. ebd. 513 Vgl. ebd. 275. 514 Vgl. ebd. 275–276. 515 Vgl. ebd. 276–277. 516 Vgl. ebd. 277–278. 517 Vgl. ebd. 271. 518 Ebd. 271. 512

F. Redaktions- und Kompositionskritik

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soll zu ebendiesem Leiden ein Gegengewicht geschaffen werden, indem hier die göttliche Identität und die Herrlichkeit Jesu zum Ausdruck gebracht werden, wie auch Lührmann zu verstehen gibt.519 Das mittels der Verwandlungserzählung skizzierte Bild Jesu ist grundsätzlich dasjenige des verherrlichten und von Gott als Sohn bestätigten Jesus.520 Dieses Bild allerdings will der Evangelist hervorheben und nicht mäßigen, wie Wypadlo schreibt.521 Damit würden die Hoheit und die Niedrigkeit in der Person Jesu verbunden.522 Nur auf diese Weise ist das von Wypadlo betonte Hoffnungspotenzial der Verwandlung zu verstehen und nicht aus der Leidensperspektive.523 Infolgedessen weisen alle in der Verwandlungsperikope vorhandenen Elemente auf diese Funktion hin. Darüber hinaus scheint es, dass Wypadlo hier weniger aus dem inneren Zusammenhang der Verwandlungserzählung argumentiert und überwiegend Aspekte aus dem weiteren Kontext des Markusevangeliums in die Erzählung einfließen lässt. Darüber hinaus erkennt er die starke Beziehung der Verwandlungsperikope zur Sinaierzählung (Ex 24 und 34) an,524 ist aber der Meinung, dass die Bearbeitung der Verwandlungserzählung aus der Perspektive des Sinaigeschehens nicht durch den Evangelisten erfolgte, sondern schon in der von ihm rezipierten Vorlage, wofür er aber keine Begründung anführt.525 Die theologischen Eigenheiten eines Textes werden anhand sprachlicher Vorlieben erkennbar. Ein hilfreiches Inventar sprachlicher Merkmale des Markusevangeliums wurde von Peter Dschulnigg erstellt.526 Was die Verwandlungserzählung anbelangt, teilt er die lexikalischen Eigentümlichkeiten in drei Gruppen, von denen die ersten zwei als typisch markinisch betrachtet werden können:527 519 Vgl. LÜHRMANN, Markusevangelium, 154: „Im Kontrast zum Thema des Leidens, das 8,27–9,1 bestimmte, wird Jesus in 9,2–8 in seiner Herrlichkeit […] dargestellt und vom Himmel herab als ,Sohn Gottesʻ legitimiert.“ 520 Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 244; LÜHRMANN, Markusevangelium, 156– 157. 521 Vgl. WYPADLO, Verklärung, 444: „Als theologische Intention zur redaktionellen Eintragung des Elija in Mk 9,4f. wurden die Eintragung der Leidensthematik in die Verklärungsperikope und die Abwehr ihrer einseitig δόξα-christologischen Interpretation wahrscheinlich gemacht.“ 522 Vgl. DECHOW, Theozentrismus, 260–267. 523 WYPADLO, Verklärung, 18, bezeichnet „die Verklärungsperikope als Ausdruck der markinischen Theologie der Hoffnung“. 524 Vgl. ebd. 28–39. 525 Vgl. ebd. 443: „Die von Markus rezipierte Verklärungsüberlieferung sprach exklusiv von der Erscheinung des Mose. […] Die in Mk 9,2–8 zu greifende Sinai-/Mosetypologie bedingt die Unverzichtbarkeit der Erzählfigur des Mose, der als solcher mit hoher Wahrscheinlichkeit integraler Bestandteil der rezipierten Tradition war.“ 526 Vgl. DSCHULNIGG, Intention. 527 Vgl. ebd. 77.

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Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

1. Starke sprachliche Besonderheit: a) περιβλεψάµενος; b) καί + Partizip Aorist + Subjekt + λέγει + Objekt; c) ἀποκριθείς + λέγει; d) διαστέλλοµαι; e) οὐκέτι + οὐδένα; f) Πέτρος καὶ Ἰάκωβος καὶ Ἰωάννης. 2. Individuelle Vorliebe: a) καλόν ἐστιν; b) κατ᾽ ἰδίαν; c) οὐκ ᾔδει τί ἀποκριθῇ; d) ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός. Bei einer ersten Betrachtung dieser Merkmale ist auffällig, dass diese fast ausnahmslos mit den Teilen der Perikope deckungsgleich sind, in denen ein theologisches Interesse deutlich in den Vordergrund tritt. Es geht in erster Linie um den Beginn (κατ᾽ ἰδίαν, Πέτρος καὶ Ἰάκωβος καὶ Ἰωάννης) und den Abschluss des Textes (περιβλεψάµενος, διαστέλλοµαι, οὐκέτι + οὐδένα) als Rahmung der Erzählung. Damit beweist sich eine redaktionsgeschichtliche Grundregel, „daß Anfang und Ende eines Einzelabschnittes bevorzugte Orte redaktioneller Tätigkeit sind“.528 Darüber hinaus schließen sie auch das Motiv des Jüngerunverständnisses ein (καί + Partizip Aorist + Subjekt + λέγει + Objekt, ἀποκριθείς + λέγει, καλόν ἐστιν, οὐκ ᾔδει τί ἀποκριθῇ). Zur Hervorhebung des jüdischen Einflusses bei der Gestaltung der Verwandlungserzählung dienen auch einige sprachliche Merkmale der Erzählung, die sich als unterschiedliche Arten des Semitismus charakterisieren lassen. Es geht um durch Transliterationen entstandene Aramaismen (ῥαββί529), um „Redewendungen, die im Neuen Testament ihres ‚biblischen‘ Klanges wegen aus der Septuaginta übernommen wurden“ (καὶ ἐγένετο, ἀπεκρίθη λέγων530), oder um das Passivum divinum531 (µετεµορφώθη). Die Erzählstruktur der Verwandlungsperikope, die Steigerung der Spannung hinsichtlich der Identität Jesu, die Hervorhebung des Jüngerunverständnisses und der offensichtliche Rekurs auf das Alte Testament lassen eine spezifische theologische Absicht des Redaktors erkennen,532 die im Folgenden noch genauer vorgestellt wird. Diese Versuche einer Scheidung von Tradition und Redaktion machen deutlich, wie schwierig und hypothetisch eine Rekonstruktion präziser mündlicher oder schriftlicher Vorstufen sowie der redaktionellen Bearbeitung innerhalb eines markinischen Textes sind,533 was auch dadurch erschwert wird, dass hier nicht wie bei den anderen beiden synoptischen Evangelien 528

SCHNELLE, Einführung, 155. Vgl. RÜGER, Art. Aramaismen, 602–610; REISER, Sprache, 36. 530 REISER, Sprache, 44–45. 531 Vgl. ebd. 47, mit einer Kritik an diesem Terminus: „Doch ist an diesem Gebrauch des Passivs nichts Besonderes zu finden, das die Einführung eines eigenen Terminus rechtfertigte.“ 532 Vgl. HENGEL, Studies, 37: „Almost every pericope and every logion has its wellconsidered place and its paradigmatic character.“ DOOHAN, Mark, 7: „Mark […] is the first theologian of the early Christianity.“ Ähnlich STEIN, Methodology, 45. 533 So auch MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 100. 529

F. Redaktions- und Kompositionskritik

119

eine frühere Parallelversion534 zur Verfügung steht.535 Das ganze Anliegen bleibt damit „guesswork“536 und eine „Sackgasse neutestamentlicher Forschung am Mk“.537 Eine m. E. passende Lösung dieses Problems wurde von Exegeten gegeben, denen zufolge der Verfasser des Markusevangeliums eine Synthese zwischen Redaktion und Tradition herstellte538 und diese Synthese oder Homogenität nicht anhand des Prinzips „Entweder-oder“, sondern anhand des Prinzips „Sowohl-als-auch“539 am passendsten zu erschließen ist. Aus diesem Grund ist es unnötig, Redaktion und Tradition so detailliert zu bestimmen, wie unter anderem Nützel und Wypadlo es zu realisieren versucht haben.540 Deswegen wäre es m. E. angemessen, wenn die theologischen Nuancen des Textes analysiert würden und nicht nach exakten Textabgrenzungen gesucht würde. Dadurch könnte das theologische Profil des Evangeliums besser hervorgehoben werden. Sellew schlägt treffend vor: „Redaction critics can no longer discover and isolate a supposed pre-Marcan source text on the grounds of vocabulary usage or grammatical construction alone. Any discussion of Marcan tradition and composition, if it is to be persuasive, must pay attention to the overall designs and interests of the Gospel and its author.“541 Die wichtigsten theologischen Nuancen der markinischen Verwandlungserzählung sollen im Folgenden bestimmt werden: 1. 2. 3. 4.

ihre Einbettung in den theologischen Kontext des Markusevangeliums; die theologische Bedeutung der Jünger; die Identität Jesu und der alltestamentlich-jüdische Horizont.

534

13.

535

Vgl. STEIN, Methodology, 35; STRECKER, Literaturgeschichte, 156; DOOHAN, Mark,

Vgl. STEICHELE, Sohn, 163: „Es ist wohl nicht mehr möglich, die vormarkinische Überlieferung von der Verklärung Jesu überzeugend in einzelne, ursprünglich nicht zusammengehörige Bausteine zu zerlegen, bzw. verschiedene Entwicklungsstufen dieser Überlieferung voneinander abzuheben.“ 536 MARSHALL, Faith, 10. 537 DSCHULNIGG, Intention, 272. Vgl auch STRECKER, Literaturgeschichte, 157.160. 538 Vgl. MÜLLER, „Wer ist Jesus?“, 100: „Am ehesten ist davon auszugehen, daß hier traditionelle Motive vom Evangelisten zusammengestellt und durch redaktionelle Hinweise ergänzt wurden, so daß diese Zusammenstellung nun den Abschluß der Verklärungsepisode bildet.“ Außerdem vgl. DSCHULNIGG, Intention, 271, der von der „Integration der Motive“ in die Verwandlungserzählung spricht. 539 NEIRYNCK, Duality, 37. 540 Vgl. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 291–295. 541 SELLEW, Composition, 614–615.

120

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

1. Die Verwandlungserzählung in der Komposition des Markusevangeliums Da längst anerkannt ist, dass die Evangelien keine Geschichtsschreibung im modernen Sinn sind, sondern es sich um Glaubenserzählungen mit deutlich theologischen Akzenten handelt,542 muss das Arrangement des textlichen Materials unter theologischen Gesichtspunkten betrachtet werden.543 Was im Markusevangelium zwischen dem Anfang (Taufe Jesu durch Johannes am Jordan – Mk 1,9–12) und Ende (Auferstehung – Mk 16,5–8 bzw. Himmelfahrt Jesu – Mk 16,19) steht, sollte weniger unter chronologischen Gesichtspunkten als vielmehr unter theologischen untersucht werden und mit der Frage, was auf das Konto des Evangelisten als Redaktors zurückgehen könnte.544 Wie schon die Text- und Kontextanalyse gezeigt hat, geht die Positionierung der Perikope in Kapitel 9 auf den Evangelisten zurück.545 Sie bezieht sich nach vorne auf die Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes bei seiner Taufe am Jordan (Mk 1,13) und nach hinten auf das Bekenntnis des römischen Hauptmanns unter dem Kreuz (Mk 15,39) sowie in unmittelbarer Nachbarschaft der Perikope auf die von Jesu Jüngern gestellte Frage bezüglich der Identität Jesu (Mk 8,27). Durch die Benennung Jesu als Sohnes Gottes am Anfang (Taufe), in der Mitte (Verwandlung) und am Ende (Kreuzigung) des Markusevangeliums wird ein Spannungsbogen geschaffen:546 „Diese drei Texte bilden das kompositorische Grundgerüst des Evangeliums […]. Taufe, Verklärung und Bekenntnis unter dem Kreuz sind die drei Grundpfeiler, um die herum Markus seine Traditionen in Form einer Vita Jesu gruppiert.“547 Insofern entwirft der Verfasser des Markusevangeliums seine Schrift auf die Deutung hin, dass das ganze Wirken Jesu dank seiner Gottessohnschaft möglich ist und alle aufgerufen sind, seine wahre Identität zu begreifen. Müller argumentiert: „Es läßt sich m. E. nachweisen, daß die Frage ,Wer ist dieser?ʻ auch für die Gliederung und für die Gattungsbestimmung des zweiten Evangeliums von Belang ist.“548 Daraus ergibt sich die Konsequenz, der zufolge 542

Vgl. STEIN, Methodology, 34: „Each Evangelist was a theologian in his own right and possessed a theological purpose for writing his gospel.“ 543 Vgl. DOOHAN, Mark, 43: „[…] Mark chooses to write a gospel, not a history or a chronicle of the times of Jesus. He proclaims the history of salvation rather than narrating the specific Christology of the years leading up to Jesusʼ death.“ Außerdem vgl. LATOURELLE, Accès, 110–114; SCHNELLE, Einleitung, 176–178; KERTELGE, Markusevangelium, 7–8; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 244; WYPADLO, Verklärung, 441–442. 544 Vgl. STEIN, Methodology, 37: „Since we now recognize that the Evangelists were not scissors and paste men but theologians, it is obvious that the investigation of the way the Evangelists cemented together the various isolated materials available to them must reveal something of their unique theological interests.“ Vgl. auch GNILKA, Markus, II, 25. 545 Vgl. TELFORD, Theology, 21. 546 Vgl. PESCH, Markusevangelium, 61. 547 SCHNELLE, Einleitung, 177. 548 MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 9.

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121

die „wahre“, „authentische“ Identität Jesu von seiner Qualität als Sohn Gottes aus betrachtet werden muss. Die von Markus suggerierte „wahre“ Antwort auf die Frage „Wer ist Jesus?“ lautet in diesem Horizont zweifellos: „Sohn Gottes“. Die Verwandlungserzählung liegt im Zentrum des Evangeliums und bildet zusammen mit der Tauferzählung am Anfang und dem Bekenntnis des Hauptmanns am Ende die Schlüsselzenen zur Bestimmung der Identität Jesu. 2. Die Stellung der Jünger Die von Jesus auf den Berg geführten Jünger Petrus, Jakobus und Johannes spielen innerhalb der Verwandlungserzählung die Adressatenrolle549 und das Ereignis ist auf sie hin entworfen, indem Jesus sie als Zeugen auf den Berg führt. Das Verwandlungsmoment ereignet sich ἔµπροσθεν αὐτῶν (V. 2). Obendrein ertönt die väterliche Stimme und gebietet ihnen das Hören auf den „geliebten Sohn“. Der Inhalt dieses Hörens wird nicht benannt und bleibt offen für Deutungen. Diese Rede des Vaters gilt somit nicht Jesus, sondern seinen Jüngern, sie sind die Adressaten des Bekenntnisses aus dem „Munde Gottes“. Dennoch verstehen die Jünger nicht genau, was geschieht, wie der Erzählerkommentar in V. 6 nahelegt. Das Jüngerunverständnis ist eine Konstante im gesamten Evangelium (wie etwa Mk 6,45–52 u. ö.).550 Daraus sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass dieses Unverständnis auf die mangelnde Unterweisung Jesu zurückzuführen sei.551 Die Jünger552 haben die Rolle der unmittelbaren Augenzeugen553 der Lehre und des Wirkens Jesu, aber sie verstehen nicht recht.554 Das Unverständnis der Jünger kristallisiert sich als Technik heraus,555 die Hörer bzw. Leser des Markusevangeliums zur Identifikation einzuladen – in positiver Abhebung von den Jüngern. Im Plot 549

Vgl. FLEDDERMANN, Question, 123: „This experience is not for him, but for his disciples.“ 550 Vgl. FISCHER, Disciples, 135: „Selon le narrateur, lʼaction accomplie par Pierre (οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ v. 6a cf. v. 14, 40) est représentative des disciples (ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο v. 6b) et manifeste une incompréhension (cf. 4,44; 5,15.33; 6,51; 16,8).“ Darüber hinaus siehe auch TYSON, Blindness, 261–268; HENDERSON, Discipleship, 204–237. 551 Vgl. THOMPSON, Disbelief, 104. 552 Vgl. DONAHUE, Discipleship, 2: „Every major section of the gospel begins with a story about discipleship and the middle section, 8:27–10:52 […] consists almost completely of dialogue between Jesus and the disciples.“ 553 Vgl. BAUCKHAM, Eyewitnesses, 56: „They remained throughout their lifetimes the sources and, in some sense that may have varied for figures of central or more marginal significance, the authoritative guarantors of the stories they continued to tell.“ 554 Vgl. STRUTHERS-MALBON, Characterisation, 263: „The disciples sometimes appear as friends, sometimes as enemies.“ Ähnlich FOCANT, Incomprehension, 161–185. 555 Vgl. HÜBNER, Theologie, 80: „Das Nichtverstehen der Jünger zieht sich bekanntlich durch das ganze Evangelium hindurch und ist für die theologische Gesamtkonzeption des Messiasgeheimnisses konstitutiv.“

122

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

des Evangeliums werden die Jünger als ständige Interaktionspartner Jesu profiliert, sie bilden ein strategisches Werkzeug, die jesuanische Wirkung wahrzunehmen.556 Dadurch wird die Erzählung „from a story about disciples to a theology of discipleship“.557 Es ist in der Forschung hinlänglich nachgewiesen worden, dass dieses Konzept des Jüngerunverständnisses sich dem Verfasser des Evangeliums verdankt.558 3. Die Identität Jesu Eng mit der Darstellung der Jünger ist in der Verwandlungserzählung, wie im gesamten Markusevangelium, die Erschließung der Identität Jesu Christi verbunden. Sie wird im Zusammenhang seiner Verkündigung, der von ihm bewirkten Heilungen, seiner Konflikte mit der jüdischen Obrigkeit559 usw. hervorgehoben.560 Wie noch gezeigt wird, wird die Identität Jesu am häufigsten im Zusammenhang mit den Jüngern betont. Fernerhin wird die Verwandlungserzählung aus der Perspektive der Jüngerfrage nach der Identität Jesu theologisch gestaltet. Die Jünger problematisieren das Thema der Identität ihres Lehrers (τίς ἄρα οὗτός ἐστιν ὅτι καὶ ὁ ἄνεµος καὶ ἡ θάλασσα ὑπακούει αὐτῷ; – Mk 4,41) oder werden durch Jesus dazu aufgefordert, seine Identität zu bestimmen (τίνα µε λέγουσιν οἱ ἄνθρωποι εἶναι; – Mk 8,27/ὑµεῖς δὲ τίνα µε λέγετε εἶναι; – Mk 8,29). Es ist „the central question“561 im Markusevangelium. Obwohl Petrus auf den ersten Blick die Frage Jesu zutreffend beantwortet (σὺ εἶ ὁ χριστός – Mk 8,29) zeigt sich schnell, dass seine Antwort von Unverständnis der Mission Jesu gekennzeichnet ist, wie die nachfolgende Ablehnung Petri durch Jesus beweist (Mk 8,32–33). Richtig wird diese Frage im

556

Vgl. EISEN, Markusevangelium, 150–151. BEST, Discipleship, 2: „The theme is ,discipleshipʻ and not ,the disciplesʻ […]. From the instructions and directions Jesus gave to the disciples, and perhaps to their failure to follow these, what do we learn about what it means to be a disciple?“ Vgl. auch DONAHUE, Discipleship, 10; BONILLA, Characters, 39–42. 558 Vgl. SCHINER, Follow Me!, 289: „The disciples play a vital role in the creation of this world.“ DOOHAN, Mark, 93: „There is substantial agreement among commentators that a clarification of the nature of discipleship was an essential part of the motivation behind this work. […] it is viewed by some as providing the key to the interpretation of the whole work.“ Vgl. auch STEIN, Methodology, 45: „The systematic arrangement of this material (8,27–10,52) clearly indicates that Mark has collected this material and arranged it to make a theological point“; BEST, Discipleship, 98.99: „Mark gave them a definite role in his book. […] we cannot fully solve the question of the purpose of the gospel apart from a consideration of the role of the disciples“; FISCHER, Disciples, 12–14. 559 Vgl. STRUTHERS-MALBON, Characterisation, 259–281. 560 Vgl. FLEDDERMANN, Question, 122: „What is Mark trying to do with his redaction of the Transfiguration pericope? He is not trying to describe the end-time, but to reveal who Jesus is.“ Zugleich vgl. NÜTZEL, Verklärungserzählung, 247. 561 Vgl. FLEDDERMANN, Question, 206–210. 557

F. Redaktions- und Kompositionskritik

123

Markusevangelium, entgegen aller Erwartung, nicht von den Jüngern, sondern von den Dämonen (τί ἡµῖν καὶ σοί, Ἰησοῦ Ναζαρηνέ; ἦλθες ἀπολέσαι ἡµᾶς; οἶδά σε τίς εἶ, ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ – Mk 1,24) und dem paganen römischen Hauptmann unter dem Kreuz (ἀληθῶς οὗτος ὁ ἄνθρωπος υἱὸς θεοῦ ἦν – Mk 15,39) beantwortet. Im Zusammenhang der Diskussion Jesu mit seinen Jüngern über seine Identität wurde die Verwandlungserzählung redaktionell platziert, als „offizielle“ Antwort auf die ursprünglich von Jesus gestellte Frage aus Mk 8,27.29,562 die als Höhepunkt die bestätigende Stimme des Vaters hat. Im Rahmen der Verwandlungserzählung wird gezeigt, was Gott selbst zur Identität Jesu sagt.563 Die Antwort auf die Leitfrage „Wer ist Jesus?“ bietet insgesamt den hermeneutischen Schlüssel für das Verstehen des ganzen Evangeliums: „Diese Frage hat für das Markusevangelium grundlegende Bedeutung. Sie […] setzt Signale zum Verständnis des Gesamtwerkes.“564 Zugleich ist das theologische Thema der Identität Jesu innerhalb des Markusevangeliums und in der Verwandlungserzählung auch im Rahmen der Perspektive des Messiasgeheimnisses zu verstehen, welches das Evangelium anhand verschiedenster Elemente, wie Schweigegebote, Alleinsein Jesu mit seinen Jüngern, heimliche Reisen, Rückzug vom Volk in die Einsamkeit oder Ersteigen eines Berges, in ganz besonderer Weise prägt.565 4. Alttestamentlich-jüdischer Horizont566 Die textlichen und theologischen Ähnlichkeiten zwischen der Verwandlung Jesu und dem Sinaigeschehen mit Mose als Protagonisten wurden in dieser Untersuchung hinlänglich dargelegt.567 Die alttestamentliche Gestalt Elias wiederum veranschaulicht für das gesamte Markusevangelium eine eschatologische Konnotation568 zur Frage nach der Identität Jesu,569 die auch innerhalb

562

Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 96. Vgl. MCCURLEY, Six Days, 78. 564 Vgl. MÜLLER, „Wer ist dieser?“, 9. Siehe auch BAYER, Markus, 30: „Wer ist der? (Mk. 4,41) ist damit die Zentralfrage, die sich wie ein Cantus firmus […] hindurchzieht.“ 565 Vgl. WREDE, Messiasgeheimnis, 136: „Alle diese anschaulichen Vorstellungen streut Markus, wo und wie er will, in seine Darstellung hinein.“ 566 Vgl. OMERZU, Geschichte, 82. Die jüdischen Traditionen haben „eine außerordentliche Bedeutung im Markusevangelium“. 567 Vgl. auch MARCUS, Mark; CROSSLEY, Date; BAYER, Markus, 327; FOCANT, Marc, 125; WITHERINGTON, Mark, 262; HEALY, Mark, 174–175; HARRINGTON, Mark, 274; PAINTER, Mark, 124; EVANS, Mark, 35; CULPEPPER, Mark, 298; NÜTZEL, Verklärungserzählung, 160–161. 568 Vgl. MAJOROS-DANOWSKI, Elija; OMERZU, Geschichte, 84–88. 569 Vgl. MAJOROS-DANOWSKI, Elija, 123–124; OMERZU, Geschichte, 85–86. 563

124

Kapitel 2: Historisch-kritische Exegese der Verwandlungsgeschichte

der Verwandlungserzählung zu finden ist.570 Elia spielt die Rolle des Vorgängers einer „eschatologischen Hoffnung.“571 Beide alttestamentlichen Gestalten prägen die Theologie der Verwandlungserzählung, wobei die Verbindungslinien zur Sinaierzählung deutlicher als die zur Eliatradition hervortreten.572 Die offensichtlichen Analogien zum Exodus erklären sich zuerst dadurch, dass sich das Markusevangelium und die gesamte frühchristliche Theologie mehrheitlich aus jüdischen Überlieferungen speist,573 wobei auch manche diese Beziehung infrage stellen.574 Meines Erachtens kann die Geschichte Jesu gar nicht von der Geschichte „der vorangehenden biblischjüdischen Tradition“575 getrennt werden. Die orthodoxe Bibelexegese bringt ihre Auffassung von einer redaktionsund kompositionskritischen Untersuchung von Bibeltexten im Allgemeinen anhand von zwei theologischen Überzeugungen zum Ausdruck. Die erste Überzeugung ist, dass der Bibeltext inspiriert ist oder sogar unter direkter

570

Dagegen äußert sich ÖHLER, Elia, 126–127: „Es ist daher m. E. auch nicht zutreffend, Elia hier als den eschatologischen Elia zu verstehen. Dagegen spricht, daß 1.) Elia hier mit Mose auftritt; 2.) keinerlei Anspielung auf Mal 3 vorliegt; und 3.) der Kontext der Entrückung bzw. Himmelsreise dies explizit ausschließt, da ja Elia auf Erden wirken soll und nicht bloß ,erscheinenʻ. Es ist darum auch nicht nötig, Elia und Mose als Signum der eschatologischen Bedeutung des Geschehens zu verstehen.“ 571 OMERZU, Geschichte, 96. Außerdem siehe auch NEVILLE, Eschatology, 360: „Markʼs nonviolent christology and ethic of discipleship are undermined by his eschatology.“ Vgl. dazu MEEKS, Morality, 188: „We discern a controlling conviction that the defining point for the responsible and flourishing life lies in the divinely appointed future moment.“ BOLT, Defeat, 8: „The expectation of the coming kingdom of God is the framework within which Markʼs story is played out.“ Dazu auch HENGEL, Studies, 12; BECKER/ ÖHLER, Wahrheit, 12: „Die Einführung einer kosmischen Ebene […] bietet schließlich neue und weitergehende Erklärungsmöglichkeiten des Weltgeschicks wie auch eine gewisse Entlastung Gottes von den Übeln dieser Welt“; OMERZU, Geschichte, 96: „Die Erlebnisse der Gegenwart werden zu Zeichen der Endzeit erklärt“; HOOKER, Trial, 78–99. 572 Vgl. HENGEL, Studies, 56 (oben bei Anm. 487 zitiert). Auch OMERZU, Geschichte, 86: „Der Gesamtzusammenhang der Verklärungserzählung ist stärker durch die Mosetradition (vgl. bes. Ex 24; 34; 40) als durch elianische Züge gespeist.“ 573 Die Trennung des Christentums vom Judentum „ist im Markusevangelium noch keineswegs vollzogen“, so MAJOROS-DANOWSKI, Elija, 9. Ähnlich STAMPS, Use, 14: „The Jewish context of early Christianity is without question even if the nature and degree of influence of that context are debatable.“ 574 EBNER/SCHREIBER, Einleitung, 170: Markus „ist ein Heidenchrist, der die literarischen Überlieferungen des Judentums zwar kennt und schätzt, aber zum jüdischen Kernmilieu auf Distanz steht“. Vgl. auch TELFORD, Theology, 157: „Jesus is shown as rejecting them [die jüdischen Führer – C. P.], so appearing to the Markan reader as one who no longer has Jewish roots, as one no longer to be seen through Jewish eyes, as one no longer to be accorded a Jewish identity.“ 575 OMERZU, Geschichte, 78; WILSON, Transfiguration, 68: „In fact, the figures of Elijah and Moses are looked upon as representative figures from the ,Hebrew Scripturesʻ.“

F. Redaktions- und Kompositionskritik

125

Wirkung Gottes verfasst wurde, und die zweite bezieht sich auf die in diesem Zusammenhang erfolgten redaktionellen Bearbeitungen dieser Texte. Diese zwei Feststellungen markieren ein zentrales Grundprinzip der orthodoxen Lehre von der Synergie oder Zusammenarbeit zwischen Gott und Menschen. Diese Synergie wird aus einer christologischen Perspektive heraus verstanden, so wie in derselben Person Jesu Christi zwei Naturen miteinander verbunden sind. Innerhalb dieser Synergie ist es unmöglich, zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Anteil zu differenzieren. Insofern wird im Rahmen der orthodoxen Bibelexegese die Redaktions- und Kompositionskritik anerkannt, aber sie reicht aus ihrer Sicht nicht hin, den vollständigen Prozess der Abfassung biblischer Texte zu beschreiben. In diesem zweiten Kapitel der vorliegenden Untersuchung zur Verwandlung Jesu wurden die wichtigsten historisch-kritischen Methodenschritte an der markinischen Version der Verwandlungsperikope durchgeführt. Ziel dieser Analyse war jedoch nicht, eine beispielhafte historisch-kritische Erschließung der Perikope zur Verfügung zu stellen, sondern Aspekte der innerhalb der orthodoxen Bibelexegese wenig bekannten historisch-kritischen Methoden an einem konkreten biblischen Beispieltext aus einer orthodoxen Perspektive vorzustellen. Im Rahmen dieser Analyse wurden die wenigen bekannten orthodoxen Bewertungen verschiedener Methodenschritte der historischkritischen Exegese der letzten Jahrzehnte thematisiert. In den nächsten beiden Kapiteln der vorliegenden Untersuchung wird ein Perspektivenwechsel vorgenommen, der zuerst die Betrachtung der patristischen Exegese durch westliche Bibelwissenschaft am Beispiel von Ulrich Luz aufzeigt und diskutiert. Sodann werden drei patristische Exegesen zur Verwandlungserzählung analysiert, mit historisch-kritischem Vorgehen korreliert und schließlich ihre Spezifika herausgearbeitet.

Kapitel 3

Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese der Gegenwart A. Die ökumenische Bedeutung der Kirchenväter A. Ökumenische Bedeutung der Kirchenväter

Die patristische Bibelexegese bildet bis heute für das orthodoxe Schriftverständnis die wichtigste Autorität und Richtschnur. Trotzdem sieht sich die orthodoxe Exegese mit der Herausforderung konfrontiert, sich von dem Verständnis der Kirchenväter als Lieferanten von Beweistexten zu entfernen und neue Herangehensweisen zur Erschließung der patristischen Auslegung im Dialog mit methodischen Ansätzen der Bibelexegese zu entwickeln. Daher gewinnt auch die Betrachtung der patristischen Exegese aus anderen, nichtorthodoxen Perspektiven an Bedeutung. Im Folgenden wird exemplarisch untersucht, wie protestantische Bibelexegese der Gegenwart am Beispiel von Ulrich Luz, der sich auf diesem Feld ganz besonders profiliert hat, das exegetische Erbe der Kirchenväter vor dem Hintergrund der Methodenreflexion der letzten 200 Jahre aufnimmt. Die Präsenz der Väter,1 wie sie noch heute in der orthodoxen Exegese und Theologie zu greifen ist, wird ein zunehmend wichtiges Thema in der gegenwärtigen exegetischen Diskussion Westeuropas. Das hängt eng damit zusammen, dass die patristische Exegese einen festen Bestandteil in der seit Jahren intensiv beachteten und analysierten Rezeptionsgeschichte der biblischen Texte darstellt.2 Ungeachtet der Kritik an der „zur Formelhaftigkeit erstarrten Basisautorität“3 patristischer Bibelauslegung in der orthodoxen Exegese genießen die Kirchenväter aus folgenden Gründen Beachtung: 1. wegen ihrer zeitlichen Nähe zur Entstehung des Neuen Testaments und des Bibelkanons, 2. wegen ihrer theologischen und geistlichen Kompetenz und Autorität,

1

Vgl. LEINKAUF, Rezeption, 191; siehe auch LITFIN, Fathers. Vgl. LIEB/MASON/ROBERTS (Hg.), Handbook. Auch ist die Reihe der Blackwell Bible Commentaries zu nennen. 3 LEINKAUF, Rezeption, 191. 2

128

Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

3. wegen ihrer Bedeutung innerhalb der altkirchlichen dogmatischen Auseinandersetzungen und 4. wegen ihrer Autorität als Philologen.4 Die Patristik bildet einen zentralen Bestandteil der Kirchen- und Dogmengeschichte und die Bedeutung der Beiträge der Kirchenväter im Rahmen der Theologie soll in der Gegenwart systematischer analysiert werden.5 Hanns Christof Brennecke äußert Skepsis, ob die Patristik in ihrer Bedeutung für die Theologie der Gegenwart bisher ausreichend berücksichtigt wurde: „Die ‚Studia Patristicaʻ sind schon rein quantitativ ein stolzer Beleg für die inter- und überkonfessionelle patristische Arbeit des letzten halben Jahrhunderts. Aber auch wenn die Teilnehmerzahl der im Wesentlichen auf den deutschsprachigen Raum begrenzten und hier das protestantische Erbe vertretenden ‚Patristischen Arbeitsgemeinschaftʻ bei jeder der alle zwei Jahre Anfang Januar stattfindenden Tagungen größer und das international die patristische Forschung repräsentierende Bulletin der ‚Association Internationale dʼétudes patristiquesʻ jährlich dicker wird, ist festzustellen, dass in unserem gegenwärtigen akademischen Theologiebetrieb die Patristik wie überhaupt die Beschäftigung mit dem antiken Christentum und der Alten Kirche kaum Relevanz hat und von der Theologie im Ganzen wenig zur Kenntnis genommen wird.“6

Aber es muss festgehalten werden, dass trotzdem die „Normierung durch Väter“ in der akademischen Theologie des Westens zur Kenntnis genommen und die Wichtigkeit der Kirchenväter als theologische Denker herausgestellt wurden.7 Darüber hinaus hält Wolfgang Bienert die Bedeutung der Kirchenväter auch im Rahmen des ökumenischen interkonfessionellen Dialoges fest, dass „[…] die Beschäftigung mit den Kirchenvätern, mit der altkirchlichen Tradition, mit Leben und Lehre (Dogmen) der Alten Kirche in der Tat für den ökumenischen Dialog insgesamt notwendig, ja für das gegenseitige Verständnis zwischen den Konfessionen unerläßlich ist“.8 Er führt weiter aus, dass dies insbesondere für die ökumenische Begegnung zwischen dem Protestantismus und den Orthodoxen Kirchen gilt.9 Auch Christoph Markschies betont, dass das Kirchenväterthema „nur in einem ökumenischen, internationalen und interdisziplinären Horizont behandelt werden kann“,10 weil damit ein Vergleich zwischen den verschiedenen konfessionellen Zugängen zum gemeinsamen Erbe des antiken Christentums vorgenommen werden kann und sich

4

Vgl. ebd. 191–196. Ein deutliches Zeichen für die Wahrnehmung der Kirchenväter heute setzten auch MARKSCHIES und VAN OORT in ihrem Sammelband: Zwischen Altertumswissenschaft und Theologie. Zur Relevanz der Patristik in Geschichte und Gegenwart. 6 BRENNECKE, Patristik, 63. 7 Vgl. MARKSCHIES, Normierung, 1–30. 8 Vgl. BIENERT, Bedeutung, 122. 9 Vgl. ebd. 10 MARKSCHIES, Vorwort, IX. 5

B. Die Wirkungsgeschichte bei Ulrich Luz

129

die Patristik somit als „Chance für die Ökumene“11 erweist. Diese Chance wird ebenso von orthodoxer Seite betont. Grigorios Larentzakis stellt heraus, dass „die Kirchenväter für uns heute Partner im Dialog bei der Behandlung unserer zeitgenössischen Herausforderungen wie auch sehr wichtige Berater in vielen ökumenischen Fragen und nicht nur Untersuchungsobjekte aus wissenschaftlich-theoretischem bzw. historischem Interesse“ sind.12 Einen der wichtigsten Beiträge zur Erschließung patristischer Schriftauslegungen leistet in der aktuellen westlichen Bibelexegese die Kommentarreihe „Novum Testamentum Patristicum“ (NTP), eine 1993 begonnene wissenschaftliche Initiative, die „Abschnitt für Abschnitt die Rezeption des gesamten Neuen Testamentes in der antiken christlichen Literatur und Kunst umfassend dokumentieren und aus den jeweiligen Zusammenhängen erläutern soll“.13 Damit wird aber nicht beabsichtigt, eine rezeptionsgeschichtliche Methodik in Antithese zum historisch-kritischen Paradigma zu positionieren, sondern diese gleichwohl darin zu verorten.14

B. Der wirkungsgeschichtliche Ansatz von Ulrich Luz B. Die Wirkungsgeschichte bei Ulrich Luz

Trotz dieser Neubewertung der Bedeutung der Patristik für die Theologie und den ökumenischen Dialog wird ihre Rolle in der protestantischen Bibelwissenschaft bisher nur marginal wahrgenommen. Eine Ausnahme bildet die neutestamentliche Kommentarreihe „Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament“, in welcher die Auslegungsgeschichte der Texte eine 11

BIENERT, Bedeutung, 137. Vgl. dazu LARENTZAKIS, Bedeutung, 163: „Der große Patristiker Wilhelm Schneemelcher hat das auch richtig erkannt, als er sagte: ,Wir sind in der evangelischen Theologie heute besser über die Väter der Kirche unterrichtet und können daher besser verstehen, was die patristische Tradition bedeutet, als es unsere lutherischen Väter vor 400 Jahren konntenʻ. Diese Einsicht kann uns tatsächlich auf dem Weg des Ökumenismus nachhaltig helfen, wofür ich doch optimistisch bin.“ Ähnliches gilt katholischerseits, vgl. MERKT, Prinzip, 217: „Zum einen ist deutlich geworden, woran sich jede Theorie des patristischen Prinzips messen lassen muß, um zeitgemäß zu sein. Sie muß dem Geschichtsbewußtsein der Gegenwart, der ökumenischen Frage und dem doppelten Maßstab von Wissenschaftlichkeit und Kirchlichkeit gerecht werden.“ 12 Vgl. LARENTZAKIS, Bedeutung, 151 [Hervorhebung im Original]. 13 MERKT, Projekt, 15. 14 Vgl. ebd. 36–37: „Indem das NTP die patristischen Auslegungen und Rezeptionen in ihrer historischen Bedingtheit präsentiert, dürfte es zu der Einsicht beitragen, dass rezeptionsgeschichtliche Ansätze sich schon deshalb nicht gegen die historisch-kritische Methode ausspielen lassen, weil die jeweiligen Rezeptionen selbst der historischen Kritik zu unterwerfen sind […]. Zugleich kann aber die historisch-kritische Arbeit an den Rezeptionen auch konstruktiv wirken.“ Außer diesem ersten Band aus der Reihe Novum Testamentum Patristicum sei auch auf folgende Bände verwiesen: VERHEYDEN/NICKLAS/MERKT (Hg.), Apocalypse; WEIDEMANN (Hg.), Asceticism; NICKLAS/MERKT/VERHEYDEN (Hg.), Paul.

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Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

vergleichsweise breite Berücksichtigung findet. Darüber hinaus fand 1998 ein Treffen zwischen orthodoxen, protestantischen, römisch-katholischen und anglikanischen Exegeten im Kloster Neamț in Rumänien15 statt, das die große Bedeutung der Kirchenväter für den ökumenischen Dialog und für die Suche nach einem gemeinsamen Schriftverständnis in aller Unterschiedlichkeit herausstellte. In diesem Zusammenhang betonte Luz nochmals die Bedeutsamkeit der Kirchenväter für Hermeneutik und Exegese der Bibel und kritisierte ihre bloß marginale Wahrnehmung in der heutigen westlichen Exegese als großes Defizit.16 Im Folgenden werden die weiteren Ausführungen von Luz anlässlich dieses Treffens vorgestellt und diskutiert, weil dieser Beitrag die ausführlichste Bewertung der patristischen Exegese durch einen protestantischen Exegeten darstellt.17 Zunächst ist festzustellen, dass die von Luz geäußerte „westlich-protestantische Sicht“ auf die Rolle der Kirchenväter im Kontext der Schriftauslegung freilich nicht auf die ganze Landschaft der protestantischen Bibelwissenschaft bezogen werden kann. Das gilt analog auch für die orthodoxe Bibelexegese hinsichtlich ihrer Bewertung moderner exegetischer Methoden. Das betont auch Luz, indem er festhält: „Darum spreche ich in meinem Referat nicht über die Bedeutung der Kirchenväter für die westliche Exegese, sondern bloß über ihre Bedeutung für mich, als einen vielleicht an diesem Punkt nicht ganz ‚normalenʻ protestantischen Exegeten.“18 Er versteht das Studium der Kirchenväter „als Bereicherung und nicht als Begrenzung der Lektüre der Bibel“19 und identifiziert eine mangelnde Übereinstimmung unter den Autoren des bereits erwähnten Evangelisch-Katholischen Kommentars, „der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte auf sein Programm geschrieben hat“,20 im Hinblick auf die Wahrnehmung der Bedeutsamkeit der Kirchenväter im Auslegungsprozess der Bibel. Luz schreibt: „Aber es gibt unter seinen Autoren keine Einigkeit

15

Vgl. LUZ, Kirchenväter, 29–52. REISER, Bibelkritik, 64–66, hat diesen Beitrag aus römisch-katholischer Sicht kommentiert. 16 Vgl. LUZ, Kirchenväter, 30. 17 Die von Luz vertretene Sichtweise wurde von katholischer Seite als „signifikant“ und „bemerkenswert“ bewertet, die eine neue Entwicklung in der modernen Bibelwissenschaft darstellt. Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Wiederentdeckung, 419: „Vergleicht man diese Äußerung eines namhaften Exegeten [Luz – C. P.] mit den Anweisungen eines einflussreichen exegetischen Methodenbuches aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so wird deutlich, dass hier etwas Neues zum Vorschein kommt. In dem genannten Methodenbuch wird als ‚das Ziel jeder Exegese‘ angeführt, ‚einen Text auf Eindeutigkeit hin einzuengen‘. So wird in der exegetischen Zunft heute kaum noch gesprochen.“ 18 Vgl. LUZ, Kirchenväter, 30. 19 Ebd. 45. 20 Ebd. 30.

B. Die Wirkungsgeschichte bei Ulrich Luz

131

darüber, warum die Kirchenväter wichtig sind und was sie für die Auslegung bedeuten.“21 Der Frage nach der Stellung der Kirchenväter innerhalb der westlichprotestantischen Bibelexegese geht Luz in dreierlei Hinsicht nach: Zuerst (Abschnitt 1) stellt er das „Zurücktreten der Kirchenväter“22 in der heutigen westlichen, besonders protestantischen, Exegese fest und nennt Gründe für dieses Verschwinden; des Weiteren (Abschnitte 2 und 3) zeigt er, „was diese Exegese von den Kirchenvätern wieder lernen könnte“,23 d. h., „worin denn die Bedeutung des Verlorenen besteht“,24 indem er deren exegetische und hermeneutische Bedeutung hervorhebt. Schließlich (Abschnitt 4) bringt Luz „einige protestantische Vorbehalte“25 gegenüber der Bedeutung der Kirchenväter für die Schriftauslegung ins Gespräch. Luz eröffnet seinen Beitrag mit der Feststellung, dass die Kirchenväter „heute de facto für die westliche Exegese kaum noch eine Bedeutung“26 haben und „das Gesicht der Auslegungen kaum mehr“27 bestimmen. Diese Situation charakterisiert aber nur die zeitgenössische protestantische Exegese und gilt nicht für die protestantische Bibelauslegung an sich: „Das war natürlich nicht immer so. […] Ich erinnere an den Hallenser August Tholuck, den Lehrer Martin Kählers, einen der bedeutendsten Antipoden Schleiermachers. Seine ‚Ausführliche Auslegung der Bergpredigtʻ – im Gespräch mit den Kirchenvätern und den Reformatoren geschrieben – ist für mich bis heute einer der ganz grundlegenden, weil auf die Sache bezogenen Kommentare zur Bergpredigt.“28

Des Weiteren hält Luz fest, dass seine Feststellung nicht nur die protestantische, sondern auch die katholische Exegese der Gegenwart betrifft, denn „die heutige katholische Exegese unterscheidet sich hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Auslegung der Kirchenväter von der protestantischen kaum“.29 21

Ebd. Ebd. 23 REISER, Bibelkritik, 64. 24 LUZ, Kirchenväter, 34. 25 Ebd. 31. 26 Ebd. 29. 27 Ebd. 30. 28 Ebd. 29–30. 29 Ebd. 34 und außerdem 29: „Dabei ist der Unterschied zwischen katholischen und evangelischen Exegeten an diesem Punkt – wie fast überall – m. E. nicht wesentlich.“ Luz führt ebd. 34 aus: „Die heutige katholische Exegese unterscheidet sich hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Auslegung der Kirchenväter von der protestantischen kaum. Auch hier sind die Kirchenväter als Ausleger der Bibel zu weitgehend marginalisierten Gesprächspartnern geworden. Angesichts des in sessio IV des Tridentinums 1546 formulierten Grundsatzes, wonach Schrift und Tradition ,pari pietatis affectu ac reverentiaʻ anzunehmen und zu verehren seien, scheint es verwunderlich, dass sich die katholische Exegese an diesem Punkt so sehr hat protestantisieren und modernisieren lassen. Versteht man 22

132

Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

Luz meint, „dass sich die katholische Exegese an diesem Punkt so sehr hat protestantisieren und modernisieren lassen“.30 Insgesamt vertritt Luz die Ansicht, dass das gesammelte auslegungsgeschichtliche Wissen der Kirchenväter nicht für die Bibelexegese der Gegenwart fruchtbar gemacht wird.31 Diese Situation wurde laut Luz durch zwei theologische, im protestantischen Kontext entwickelte Orientierungen verursacht: zum einen durch das reformatorische sola-Scriptura-Prinzip und zum anderen durch die für den Humanismus typische Frage nach dem ursprünglichen Sinn des Bibeltextes, welche die patristische Wahrnehmung der Texte ausschloss.32 Daraus folgt für Luz, dass „der weitgehende Verlust des Gespräches mit den Kirchenvätern ein gemeinsames Defizit katholischer und evangelischer Exegese“ sei.33 Nachdem Luz Gründe für das Zurücktreten der Kirchenväter aus der wissenschaftlichen Bibelexegese Westeuropas benannt hat, versucht er die Frage zu beantworten, „worin denn die Bedeutung des Verlorenen besteht“.34 Diese Frage beantwortet er zum einen in exegetischer und zum anderen in hermeneutischer Hinsicht. Aus exegetischer Sicht spielen die Kirchenväter eine wichtige Rolle, da sie „sprachlich, geographisch und zeitlich dem Neuen Testament relativ nahe stehen“35 und daher beachtenswerte historische und sprachliche Informationen zu der Welt geben, in welcher das Neue Testament entstanden ist.36 Allein deswegen würde es sich lohnen, die Kontinuität zwischen den biblischen Texten und den altkirchlichen Auslegungen zu betrachten.37 Er bedauert, dass die heutigen protestantischen Auslegungen die exegetischen Werke der Kirchenväter zu wenig beachten, denn: „Für viele von uns Neutestamentlern sind das Bauersche Wörterbuch und Liddell-Scott nicht nur das Alpha, sondern auch das Omega der Lexikographie, sehr zum Schaden der Exegese.“38 In hermeneutischer Hinsicht schreibt Luz zur patristischen Exegese: „Viel wichtiger als alle exegetischen Einzelentdeckungen ist die Bedeutung, welche

,Traditionʻ nicht als eine besondere Offenbarungsquelle neben der Bibel, sondern im Sinne des 2. Vaticanums als die lebendige und vom Geist begleitete Weitergabe der einen, in der Bibel bezeugten Offenbarung, so scheint dieses Traditionsverständnis dem orthodoxen recht nahe zu sein, viel näher als dem protestantischen, das den Vorrang der Bibel als Gegenüber und Richtschnur aller Traditionsprozesse betont.“ 30 Ebd. 31 Vgl. ebd. 30. 32 Vgl. ebd. 31–34. 33 Ebd. 34. 34 Ebd. 35 Ebd. 36 Vgl. ebd. 37 Vgl. ebd. 36: „Ich denke, dass es sich lohnen würde, wieder vermehrt auf die Kontinuität zwischen den biblischen Texten und ihren altkirchlichen Auslegungen zu achten.“ 38 Ebd. 37.

B. Die Wirkungsgeschichte bei Ulrich Luz

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die Hermeneutik für uns hat, die den Auslegungen der Kirchenväter zugrundeliegt.“39 Luz führt aus, „dass die Auslegungsweisen der Kirchenväter einige überraschende Querverbindungen zu neueren Auslegungsweisen der Bibel erlauben, welche heute die historisch-kritische Auslegung ergänzen“.40 Was genau die heutige Exegese von den Kirchenvätern in hermeneutischer Hinsicht lernen könnte, verdeutlicht Luz in fünf Punkten: 1. Aktualisierung des Textsinns durch die allegorische Auslegung. Die Notwendigkeit einer Aktualisierung ergibt sich für Luz aus der zunehmenden Entfernung der wissenschaftlichen Erklärung eines Textes von seiner Gegenwartsbedeutung bzw. des Erklärens vom Verstehen: „Wissenschaftliches Erklären der Texte distanziert sie von unserer eigenen Wirklichkeit und macht sie zu Untersuchungsobjekten, zu toten Texten.“41 Anders gesagt: Die wissenschaftliche Analyse der Bibeltexte geht lediglich einen Weg in die Vergangenheit und versucht den ursprünglichen Sinn zu erheben. Dabei bleibt sie stehen, ohne wieder in die Gegenwart der Auslegung zurückzukehren. Sie bleibe damit rein historisch orientiert: „Die historische Erklärung der Texte bleibt in der Vergangenheit stehen und hat wohl mit den hypothetisch rekonstruierten damaligen Römern und Korinthern, aber nichts mehr mit uns zu tun.“42 Um zu einem holistischeren Verständnis der Bibel zurückzukehren, schlägt Luz einen neuen Schritt im Auslegungsprozess vor, „um die Texte in unsere eigene Wirklichkeit zurückzuholen“.43 Das ist nach Luz durch allegorische Auslegung zu erreichen, die als Applikation oder Anwendungsmöglichkeit des Textes in die Gegenwart verstanden wird: „Allegorische Auslegungen formulieren m. E. die Gegenwartsbedeutung eines Textes. […] sie sind im weitesten Sinn des Wortes Applikationen.“44 2. Mannigfaltigkeit des Textsinns. Während historisch-kritische Exegese nach Luz die biblischen Texte als geschlossene Texte und sich bemüht, den Ursprungssinn – verstanden als alleingültigen Sinn – zu rekonstruieren,45 beweisen die patristischen Auslegungen „die Offenheit der Texte für vielfältige Lektüren“.46 Bei jedem Lektürevorgang erschließt sich ein neuer Sinn des gelesenen Textes für den Leser.47 Luz sieht hier eine Entsprechung zwischen der patristischen Auslegungsweise und heutigen, leserorientierten Exegesen, die eine „Neubewertung der altkirchlichen allegorischen 39

Ebd. Ebd. 41 Ebd. 38. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 Vgl. ebd. 39. 45 Vgl. ebd. 41. 46 Ebd. 40. 47 Vgl. ebd. 41. 40

134

Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

Schriftauslegung“48 mit sich bringen. Diese Vielfalt der Bedeutungen der biblischen Texte soll aufgewertet werden und die Frage nach ‚der richtigenʻ Erklärung soll relativiert werden: „Kommentare, welche verschiedene Auslegungen nebeneinanderstellen, bis hin zu den mittelalterlichen Katenen, verstehen sich als Ausdruck des unendlichen Reichtums der Schrift, der sich in den verschiedensten Auslegungen entfaltet, die alle nebeneinander stehen können.“49 3. Offenheit für die bisherige Auslegungserfahrung. Um eine Perspektive auf die Sinnfülle der Bibel zu gewinnen, ist es nach Luz notwendig, Zugang zu den im Laufe der Geschichte entstandenen Deutungen der biblischen Texte zu gewinnen.50 In diesem Zusammenhang verweist Luz auf eine Entsprechung der patristischen Auslegungstradition mit neueren Herangehensweisen der Bibelexegese, nämlich die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte.51 Diese exegetische Tradition der Kirchenväter ist „nicht einfach Vergangenheit, sondern als unsere Vergangenheit ein Lebensraum, der uns bestimmt und prägt“.52 Die Untersuchung der Wirkungsgeschichte enthüllt nicht nur den Weg unseres Werdens,53 sondern zugleich setzt sie auch „eine Erweiterung des eigenen Horizontes für Fremdes“54 frei. In diesem Sinne bedeutet die Wahrnehmung der Wirkungsgeschichte einen Beitrag zum ökumenischen Dialog.55 4. Auslegung als ein Prozess, der in einer Interpretationsgemeinschaft stattfindet. Gegenüber der deutlichen Tendenz der historisch-kritischen Methode, Vorstufen und Zusätze in den Bibeltexten aufzuspüren und die Texte zu atomisieren, schlägt Luz vor, die Neigung zur Verabsolutierung solcher Hypothesen einzudämmen: „Als protestantischer Exeget möchte ich den biblischen Texten die Chance geben, alles zu sagen, was sie zu sagen haben, auch wenn sie es gegen uns selbst und gegen unsere Kirche sagen.“56 Obwohl Luz zugibt, dass im Protestantismus „das Gewicht der Interpreta-

48

Ebd. Ebd. 42. 50 Vgl. ebd. 51 Ebd. 52 Ebd. 43 [Hervorhebung im Original]. 53 Vgl. ebd.: „Wirkungsgeschichte kann uns die Augen öffnen für das, wer wir sind, indem sie uns erzählt, wer wir geworden sind. Darum sind in den östlichen Kirchen die Kirchenväter mit Recht so wichtig.“ 54 Ebd. 44. 55 Vgl. ebd.: „In diesem Sinn führt sie [die Wirkungsgeschichte] in den ökumenischen Dialog. Das Ziel ist also nicht, dass wir Protestanten uns die orthodoxe Sichtweise der Kirchenväter zu eigen machen, sondern dass wir durch ihre Sichtweise zu einer neuen eigenen Sichtweise kommen.“ 56 Vgl. ebd. 45. 49

B. Die Wirkungsgeschichte bei Ulrich Luz

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tionsgemeinschaft Kirche klein“57 ist, erkennt er ihr eine Rolle bei der Verhinderung einer Verselbstständigung der Exegese zu.58 5. Verbindung der wörtlichen mit der geistlichen Auslegung oder Herstellung einer Synthese aufgrund der christologischen Mitte der patristischen Hermeneutik. Luz schlägt aufgrund der Tatsache, dass in der heutigen protestantischen Bibelauslegung „die Menschheit Christi sich gegenüber seiner Gottheit ebenso verselbstständigt hat wie die wörtliche, d. h. historischkritische Bibelauslegung gegenüber der geistlichen“,59 vor, den historischen Sinn der Bibeltexte mit ihrer Gegenwartsbedeutung stärker zusammenzubinden. Dabei soll dem Modell der Kirchenväter gefolgt werden, das die christologische Mitte der Schrift als hermeneutisches Prinzip entfaltete: „Ist Christus in dieser Weise Mitte und Energie der Schrift, so können Erklärung des Vergangenen und Verstehen des Gegenwärtigen nicht auseinanderbrechen, sondern bleiben aufeinander bezogen wie im Verständnis der Kirchenväter die beiden Naturen Christi. So wird im Verstehen der Bibel der Vergangene – Jesus – in der Gegenwart – als auferstandener Herr – lebendig.“60

Dadurch wird nicht das wörtliche Verstehen gemindert und das geistliche verabsolutiert, sondern „das Geschichtliche […] wird zum Vehikel des Geistlichen“61 – analog zur Zweinaturenlehre.62 Es ist notwendig, in dieser Hinsicht ein Gleichgewicht zu finden. Die Synthese dieser beiden Herangehensweisen bedeutet eine wechselseitige Ergänzung protestantischer und orthodoxer Exegese.63 Jedes der beiden theologischen Milieus steht laut Luz somit vor hermeneutischen Herausforderungen: Das protestantische sollte das geistliche Verständnis der Bibeltexte mit einbeziehen und das orthodoxe die historisch-kritische Methode integrieren und „als Grundlage für eine heutige geistliche Auslegung fruchtbar“ machen.64 57

Ebd. Für eine kritische Analyse des Verständnisses der Kirche durch Luz siehe REIBibelkritik, 51–61. 58 LUZ, Kirchenväter, 45, spricht auch über die Gefahr, „dass wir selbst unsere eigenen Väter werden“. 59 Ebd. 49. 60 Vgl. ebd. 48–49. 61 Ebd. 46. 62 Vgl. ebd. 48. 63 Ebd. 49: „Die Situation heutiger protestantischer Bibelauslegung lässt sich im Gegenüber zu Luther und der Alten Kirche so beschreiben: Die Menschheit Christi hat sich gegenüber seiner Gottheit ebenso verselbständigt wie die wörtliche, d. h. historisch-kritische Bibelauslegung gegenüber der geistlichen. Dadurch ist der historische Textsinn der Bibeltexte und ihre Bedeutung für uns auseinandergetreten: Der historische Sinn droht bedeutungslos zu werden, d. h. nicht mehr ‚für unsʻ zu sprechen, und die Gegenwartsbedeutung der Texte droht geschichtslos zu werden. Von der christologischen Hermeneutik der Kirchenväter her ergibt sich die Aufgabe, beides zusammenzubinden.“ 64 Ebd. 50 [Hervorhebung im Original].

SER,

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Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

Bis hierhin ergeben sich viele Ähnlichkeiten zwischen Luz’ Ansichten und solchen vieler Orthodoxer. Doch trotz seiner bislang referierten Darlegung präzisiert er „drei protestantischer Vorbehalte“,65 um „die protestantische Optik“66 klarzustellen, „wo die Bibel einen Vorrang gegenüber allen ihren Auslegungen und allen sie auslegenden Kirchen besitzt“:67 1. Kirchenväter sind für ihn nicht nur die griechischen und lateinischen Väter der patristischen Zeit und die Reformatoren, sondern auch diejenigen, „die irgendwann von einer Kirche unter die Ketzer und nicht unter die Väter eingereiht worden sind“.68 2. Die Auslegung der Kirchenväter gehört für ihn nicht zu einem „Kanon für das, was ‚richtigeʻ Auslegung der Bibel sein könnte.“69 Luz hält einen solchen Kanon ohnehin nicht für nötig.70 3. Eng mit dem zweiten Vorbehalt verbunden ist die weitere Überzeugung von Luz, dass er die Hermeneutik der Kirchenväter nicht als „normative Hermeneutik“71 betrachtet. Allenfalls könnte diese Hermeneutik eine beispielhafte Hermeneutik für uns heute sein, indem wir „unsere heutigen Auslegungsmethoden und unsere heutigen Sprachtheorien mit einer heutigen Christologie“72 verbinden und etwas Analoges machten, so wie die Kirchenväter damals.73 Diese drei protestantischen Vorbehalte können als abschließende Bewertung des von Luz untersuchten Themas betrachtet werden und lassen m. E. den Schluss zu, er wolle damit ein Gegengewicht zu dem bisher Gesagten schaffen. Sein anfänglich positiver Ton schlägt hier in Zurückhaltung um und dadurch entsteht der Eindruck, dass sich Luz am Ende seines Beitrages vor einem „vorschnellen Einverständnis“74 mit den Kirchenvätern wehrt, als hätte man ihn dessen für schuldig erklärt. Luz grenzt sich damit von einer patristischen und orthodoxen Exegese ab, die einen Kanon „richtiger“ Auslegungen der Bibel sowie eine normative Hermeneutik vorgibt. Marius Reiser hat beobachtet, dass sich eine gewisse Inkonsistenz in der theologischen Argumentation von Luz zur Einschätzung der Wirkungsgeschichte in seinem Beitrag unter dem Titel „Kann die Bibel heute noch Grundlage für die Kirche sein? Über die Aufgabe der Exegese in einer 65

Ebd. 50–51. Ebd. 50. 67 Ebd. 68 Ebd. 51. 69 Ebd. 70 Vgl. ebd. 71 Ebd. 72 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 73 Ebd. 74 Ebd. 50. 66

C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

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religiös-pluralistischen Gesellschaft“75 im Vergleich zu seinem Matthäuskommentar in der EKK-Reihe findet: „Seine Praxis ist weit kirchlicher als seine Theorie. In der Theorie spricht er von einer ‚Hermeneutik des Verdachtsʻ, die prüft, ‚ob nicht Stabilität von Textsinnen immer wieder damit zu tun hatte, dass Institutionen, vor allem Kirchen, zur Monopolisierung der Auslegung der biblischen Texte tendierten und versuchten, sogenannte „gültige“ Auslegung für ihre eigene Selbstlegitimation zu verwendenʻ. In der Praxis übt er eine Hermeneutik der Sympathie und Liebe, die sich ehrlich bemüht, den verschiedenen Auslegungen und Applikationen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. […] Vielleicht sollte Luz seine Theorie noch einmal überdenken.“76

C. Eine orthodoxe Perspektive auf die Wahrnehmung patristischer Exegese durch Ulrich Luz C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

Die Untersuchung der Wirkungsgeschichte der Bibel stellt aus meiner Sicht den Ansatzpunkt für eine Vermittlung zwischen Hermeneutiken der westlichen Welt und orthodoxer Hermeneutik dar. Luz hat die Untersuchung der Wirkungsgeschichte neutestamentlicher Texte77 exemplarisch und eindrücklich in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium in der Kommentarreihe „Evangelisch-Katholischer Kommentar“ vorgelegt. Im ersten Band seines Matthäuskommentars erklärt Luz sein Verständnis der „hermeneutischen Bedeutung der Wirkungsgeschichte“. Als Erstes definiert er die Wirkungsgeschichte als eine „Wirkungsgeschichte im engeren Sinn“,78 d. h., als „die Rezeption und Aktualisierung eines Textes in anderen Medien als in Kommentaren […], in sprachlichen wie z. B. in Predigten, kirchenrechtlichen Dokumenten, Kirchenliedern oder auch in der ‚Literaturʻ oder in nichtsprachlichen Medien wie der Kunst und der Musik oder im Handeln und im Leiden der Kirche, d. h. in der Kirchengeschichte“.79 Da aber die Unterscheidung zwischen exegetischen Kommentaren und exegetischen Predigten, wie auch Luz sieht, für die patristische Zeit nur mit Schwierigkeiten vorgenommen werden kann,80 definiert er zweitens die Wirkungsgeschichte im weiteren Sinne als „Oberbegriff, der ‚Auslegungsgeschichteʻ und ‚Wirkungsgeschichte im engeren Sinnʻ umschließt“.81 Sein Verständnis von Wirkungs75

Veröffentlicht in: NTS 44 (1998), 317–339. REISER, Bibelkritik, 61. 77 Vgl. MAYORDOMO, Erinnerung, 12: „Für den Bereich der biblischen Exegese jedoch ist der Begriff der Wirkungsgeschichte untrennbar mit dem Namen Ulrich Luz verbunden.“ 78 LUZ, Matthäus, I, 107. 79 Ebd. 80 Ebd.: „Beides läßt sich nicht immer klar scheiden, wie etwa die Predigt-Kommentare des Johannes Chrysostomus zeigen können.“ 81 Ebd. 107–108. 76

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Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

geschichte hat somit nicht die Funktion, historischen Stoff neben dem exegetischen anzuhäufen,82 sondern er versucht, der von einem Text durch die Geschichte gezogenen Spur bis heute zu folgen.83 Insofern ist Wirkungsgeschichte auch mit Rezeptionsgeschichte gleichzusetzen.84 Kurz gesagt: Es geht um das Kennenlernen von Erfahrungen von Menschen in der Geschichte, die sie im Umgang mit dem Schrifttext gesammelt haben: „Die Wirkungsgeschichte biblischer Texte öffnet unseren Horizont, indem sie einen großen Schatz an Erfahrungen vermittelt, die andere Menschen mit ihnen gemacht haben. Sie öffnet die Augen dafür, daß die biblischen Texte selbst in hohem Maß offen sind und eine Vielfalt von Verstehens- und Applikationsmöglichkeiten möglich machen. Dabei sind gerade Erfahrungen von Christ/innen, die anderen Konfessionen angehören oder die in anderen Situationen leben, als Korrektive besonders wichtig.“85

Außerdem begründet Luz die Notwendigkeit wirkungsgeschichtlicher Analyse damit, dass die historisch-kritische Auslegung „einen Text nur von der Gegenwart distanziert“,86 ohne ihn und seine Botschaft danach wieder in die Gegenwart zu bringen.87 Eine Affinität zwischen wirkungsgeschichtlicher Analyse und orthodoxer Schriftauslegung wird von Luz dahin gehend postuliert,88 dass beide „mit der Bibel in der Kirche und nicht mit der Bibel gegenüber der Kirche oder gar vor der Kirche zu tun“ haben.89 Darüber hinaus sieht er eine Harmonie zwischen wirkungsgeschichtlich und patristisch orientierter Auslegung wegen ihrer gemeinsamen Haltung gegenüber auslegerischer Erfahrung oder Tradition: „Steht wirkungsgeschichtlich orientierte Auslegung der Bibel in geradezu prästabilierter Harmonie zur Orientierung ostkirchlicher Hermeneutik und Auslegung an den Kirchenvätern? Beiden geht es um die Einbettung der Auslegung in die Tradition und das Leben der Kirche; beiden gemeinsam ist eine Grundhaltung der Dankbarkeit gegenüber dem leben- und identitätstiftenden Erbe der Tradition.“90

Zugleich stellt die Wirkungsgeschichte nach Luz aber auch eine Herausforderung für das orthodoxe Schriftverständnis dar, da die Wirkungsgeschichte sie herausfordert, auch Neuinterpretationen zu wagen, um den einseitigen kirchlichen Traditionalismus zu überwinden.91 Obwohl Luz völlig Recht mit seiner in Anlehnung an Savvas Agourides geäußerten Behauptung hat, dass 82

Vgl. ebd. 114. Vgl. ebd. 108. 84 Vgl. ebd. 85 Vgl. ebd. 113 [Hervorhebung im Original]. 86 Ebd. 110 [Hervorhebung im Original]. 87 Vgl. ebd. 88 Vgl. LUZ, Hermeneutik, 31. 89 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 90 Ebd. 32. 91 Vgl. ebd. 83

C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

139

die heutige orthodoxe biblische Theologie sich nicht mehr traut, neue Auslegungen vorzulegen, sondern immer nur auf exegetische Werke der Kirchenväter rekurriert, scheint es mir, dass er die orthodoxe Kleinmütigkeit mit ihrer Sorge um eine aus orthodoxer Sicht angemessene Auslegung verwechselt. Neues und Anderes92 bedeutet für eine bestimmte Interpretationsgemeinschaft (oder Kirche), z. B. die orthodoxe, nicht unbedingt Gutes. Wie schon in seinem oben vorgestellten Beitrag gezeigt, bedeutet die von Luz auf die Bibelauslegung bezogene Wirkungsgeschichte eine Reaktion auf die defizitäre Situation der westlich-protestantischen Exegese da, wo eine mittels exklusiver Anwendung der historisch-kritischen Methode entstandene Entfremdung zwischen Erklären und Verstehen des biblischen Textes zur Isolierung der Textbotschaft „in seiner eigenen Zeit und in seiner eigenen Ursprungssituation“93 führt. Eng verbunden mit der Reduktion der biblischen Texte auf ihren ursprünglichen Kontext sieht Luz das Fehlen des Interesses an der Aktualisierung der Botschaft der Bibeltexte.94 Sie wurde doch mit der Zeit aus vielen Gründen „nur unzureichend“ vorgenommen.95 Obwohl Luz die Erfahrung der Alten Kirche in der Aktualisierung biblischer Texte bzw. von deren Botschaft nicht für „modellhaft“96 hält, findet er sie trotzdem „faszinierend“,97 weil sie „weder einen Graben zwischen Vergangenheit und Gegenwart noch eine Diastase zwischen tendenziell objektivem ‚Erklärenʻ und tendenziell subjektiver ‚Applikationʻ“98 kennt. I. Konstruktive Aspekte der Analyse der Wirkungsgeschichte Die Analyse der Wirkungsgeschichte bringt also neue Perspektiven für die Bibelexegese, die aus der Betrachtungsweise eines rumänisch-orthodoxen Theologen von großer Bedeutung sind, auch wenn der hermeneutische Ansatz von Luz in manchen Punkten der traditionellen reformatorischen Hermeneutik widerspricht, worauf er selbst hinweist: „Eine wirkungsgeschichtliche Betrachtung zeigt uns also zunächst, dass die reformatorische Hermeneutik durchaus im Hauptstrom kirchlicher Hermeneutik verankert ist. Aber zugleich stellt sie den reformatorischen Deutungsansatz auch in Frage: ‚Christusʻ ist nie eine neutrale Instanz, sondern es ist immer der durch die jeweilige Kirche in ihrer frömmigkeitsgeschichtlichen Situation interpretierte Christus, der zur Leitlinie für die Interpretation der Schrift wird. […] Hier einfach die eigene hermeneutische und christologische

92

Ebd. LUZ, Matthäus, I, 109–110. Vgl. LUZ, Kirchenväter, 40–41: „Historisch-kritische Auslegung versteht dagegen die biblischen Texte tendenziell als geschlossene Texte.“ 94 Vgl. ebd. 110. 95 Ebd. 96 Ebd. 112. 97 Ebd. 98 Ebd. 93

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Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

Tradition für die maßgebliche zu erklären, hilft anderen nichts, die ihre eigene Tradition haben. Insofern macht auch an diesem Punkt wirkungsgeschichtlich reflektierte Hermeneutik traditioneller protestantischer kirchlicher Auslegung das Leben und das Denken schwer, aber gewiss nicht nur ihr!“99

Diese Beobachtungen zur Wirkungsgeschichte gewinnen, obwohl sie im Zusammenhang einer Diskussion zur reformatorischen Hermeneutik entwickelt wurden, m. E. große Bedeutung für den gesamten christlichen Kontext der Bibelhermeneutik, indem sie dessen ökumenische Reichweite hervorheben und jede Neigung zum Exklusivismus ablehnen. Das Vorhandensein von mehreren hermeneutischen Perspektiven auf die Bibel muss nicht auf einen Kampf um Vorrang hinauslaufen, sondern sollte die Offenheit für andere Perspektiven auf dieselbe Bibel fördern. 1. In-die-Gegenwart-Bringen der Textbotschaft Vergegenwärtigung der Auslegung zeichnet sich als erstes und wichtigstes Anliegen der wirkungsgeschichtlichen Methode von Luz ab: „Die Wirkungsgeschichte sollte vielmehr helfen, die Auslegung eines Textes an unsere Gegenwart heranzuführen.“100 Vergegenwärtigung der Auslegung heißt damit zugleich Vergegenwärtigung der Botschaft einer älteren Auslegung. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die historisch-kritische Exegese nicht genug, „weil man noch nicht versteht, was die Sache eines Textes heute bedeutet, wenn man versteht, was sie einst bedeutet hat“.101 Die ursprüngliche Botschaft eines Textes, die anhand der historisch-kritischen Herangehensweise erforscht und entdeckt wird, kann für die heutigen Christengenerationen keine große oder kaum noch eine Bedeutung haben. „Historisch-kritische Exegese ist eine Explikation (Erklärung), aber keine Applikation (Anwendung) des Textes. Sie ist ergänzungsbedürftig.“102 Anders gesagt: Die historisch-kritische Methode muss ergänzt werden, um einen Text vollständig, d. h. mit Rückwirkungen auf heute, zu begreifen, wie Luz betont: „Es bedarf dann eines neuen, eines zweiten Schrittes, um die Texte in unsere eigene Wirklichkeit zurückzuholen.“103 2. Applikation durch allegorische Auslegung Die Vergegenwärtigung der Botschaft eines Textes als nötige Ergänzung gängiger wissenschaftlicher Auslegungsmethoden erfolgt für Luz durch die 99

Vgl. LUZ, Hermeneutik, 24 [Hervorhebung im Original]. LUZ, Matthäus, I, 109. Anderswo wird diese Funktion der Wirkungsgeschichte erneut betont: „Eben an diesem Punkt möchte die Wirkungsgeschichte verstärkend einsetzen und dem/der Ausleger/in verdeutlichen, wer er/sie 1. im Gegenüber zu den Texten ist und wer er/sie 2. im Gegenüber zu ihnen sein könnte.“ 101 Ebd. 112. 102 LUZ, Zugangswege, 122 [Hervorhebung im Original]. 103 LUZ, Kirchenväter, 38. 100

C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

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Herstellung einer Verbindung mit den Auslegungsweisen in allen anderen Kontexten, in denen sie gelesen bzw. gehört werden. Somit werden Texte aktualisiert, indem Applikation(en) in anderen Auslegungszusammenhängen gefunden werden. Für das Überbrücken der Distanz zwischen dem auszulegenden Text und dem auslegenden Leser/Exegeten wird die Allegorie benötigt, die zur „Gegenwartsbedeutung eines Textes“ führt.104 Auf diese Weise „werden durch die Allegorien Anwendungsmöglichkeiten des Textes erschlossen“,105 nämlich seine neuen Bedeutungen für neue Hörer bzw. Leser in neuen Kontexten. Deswegen kann die allegorische Auslegung das geistliche Verstehen als aktueller Zugang der Textbotschaft zur jeweiligen Generation unterstützen, was, wie im Fall der Kirchenväter, nicht ‚wildʻ zur Geltung gebracht werden sollte, sondern immer nur in Verbindung mit und als Fortsetzung der wörtlichen Erklärung.106 Diese wörtliche Erklärung betrifft für Luz an erster Stelle den folgenden Aspekt: „Zunächst die Textwelt, d. h. seine Struktur und seine Potentiale für die Lektüre […]. Sie besteht sodann in seiner philologischen und grammatischen Erklärung. Sie beschäftigt sich als historische Erklärung drittens mit dem wirklichen Autor und den wirklichen Erstleser/innen des Textes, mit ihrer ‚Enzyklopädieʻ, mit ihrer geistesgeschichtlichen und religionsgeschichtlichen Situation, mit ihrer sozialen und historischen Umwelt und mit der Kommunikationssituation, der der Text sich verdankt.“107

Deswegen setzt Luz in seinem Matthäuskommentar die methodische Analyse mit der aus seiner Sicht gleichwertigen wirkungsgeschichtlichen Analyse der aktualisierenden Exegese der Kirchenväter fort und betont außerdem die erarbeiteten Bedeutungen und Deutungen von Bibeltexten für die Gegenwart.108 Nach Luz gehören allegorische Auslegungen mit ihren Applikationen zum geistlichen Verstehen.109 Diese Auffassung vertritt auch Reiser, indem er die Allegorie als Methode der geistlichen Auslegung identifiziert: „Hat sie eine eigene Methode? Ich antworte noch einmal: Ja, die Allegorese.“110 Er setzt, nach meinem Eindruck sehr passend, die „geistliche Schriftlesung“ mit der „aktualisierenden, anwendenden Schriftlektüre“111 gleich und erklärt, dass „die Allegorese darin besteht, einem biblischen Text eine sachgemäße Anwendung für neue Adressaten in einer neuen Situation zu geben“.112 Auch wenn 104

Ebd. 39. Ebd. 106 Vgl. ebd. 40. 107 Ebd. 37. 108 Vgl. LUZ, Matthäus, I, 114: „Darum ist im Kommentar, wo immer möglich, die Auslegungs- und Wirkungsgeschichte nicht Anhang, sondern integrierender Teil der Auslegung.“ 109 Vgl. LUZ, Kirchenväter, 39. 110 Vgl. REISER, Bibelkritik, 380. 111 Ebd. 374. 112 Ebd. 380. 105

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Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

das geistliche Verstehen heute im Leben der Kirche noch präsent ist, gilt dies nicht für die wissenschaftliche Exegese: „Wer ein wenig darauf achtet, wird zwar bemerken, daß die Allegorese in Predigten bis zum heutigen Tag die üblichste Form der Exegese ist, aber die Zunft der Bibelwissenschaftler möchte nichts damit zu tun haben.“113 Reiser erklärt die Situation zutreffend: „Nachdem die Exegese aber die ganze Methode diskreditiert hat, ist der Prediger allein gelassen und steht hilflos vor der Frage: Wie sage ich das, was der biblische Text seinen Rezipienten damals sagte, meinen Zuhörern heute? Das war die Leitfrage der alten Allegorese. Die heutigen Exegeten aber waschen ihre Hände in Unschuld und erklären: ‚Das ist nicht unser Problem! Sieh du zu!ʻ“114

3. Rekurs auf die synthetische Auslegung der Kirchenväter In seinem Versuch, den Texten eine aktuelle Bedeutung beizumessen, rekurriert Luz auf das Auslegungsbeispiel der patristischen Exegese – ganz dem orthodoxen Verständnis entsprechend. Er schlägt seinem Publikum die „Neuentdeckung der Tradition“ vor.115 Sie gilt als Vorbild für Anwendung des Ergänzungsprinzips von wörtlicher Erklärung (Sinn) und geistlichem Verstehen (Bedeutung) und für die Realisierung einer brauchbaren Synthese zwischen historisch-philologischer Erarbeitung und der Herstellung eines Gegenwartsbezugs: „Der historische Sinn droht bedeutungslos zu werden, d. h. nicht mehr ‚für uns‘ zu sprechen, und die Gegenwartsbedeutung der Texte droht geschichtslos zu werden. Von der christologischen Hermeneutik der Kirchenväter her lässt sich die Aufgabe, beides zusammenzubinden, und die Richtung formulieren, in die unsere neutestamentliche Hermeneutik heute zu gehen hat.“116

Ihre Auslegungsweise kommt Luz zufolge modernen hermeneutischen Ansätzen im Bereich der Bibelwissenschaft entgegen, die sich vornehmen, historisch-kritische Fragestellungen zu ergänzen.117 Das größte Verdienst patristischer Exegese ist das Hervorheben der untrennbaren Einheit von Erklären und Verstehen. Das ist eine Grundthese von Luz, die von Orthodoxen problemlos übernommen werden kann: „Die Auslegung der Kirchenväter nimmt m. E. jene Ganzheit von Erklären und Verstehen von der Analogie des Glaubens her vorweg, die uns heute zerbrochen ist. Ihr gelingt es, die Bibel als Einheit und nicht als atomisierte Sammlung einzelner Texte zu verstehen.“118

113

Ebd. 373. Ebd. 115 LUZ, Hermeneutik, 20. 116 Vgl. LUZ, Kirchenväter, 49. 117 Vgl. ebd. 37. 118 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 114

C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

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4. Horizonterweiterung durch Einbettung in eine Interpretationsgemeinschaft Luz integriert durch seine wirkungsgeschichtliche Methode den Prozess der Bibelinterpretation, der sehr ausgeprägt von der Alten Kirche über das Mittelalter bis heute geprägt wurde, in seine Exegese. Damit öffnet er den Horizont des Exegeten, indem er eine Gemeinschaft des Interpretierens auf der Basis des Bibeltextes herstellt. Somit kann sich der Ausleger als Teil einer Kontinuität im Umgang mit der Schrift entdecken. Aus diesem Grund kann die Wirkungsgeschichte „uns die Augen öffnen für das, wer wir sind, indem sie uns erzählt, wer wir geworden sind. Darum sind in den östlichen Kirchen die Kirchenväter mit Recht so wichtig“.119 Diese Interpretationsgemeinschaft ist sowohl für die Orthodoxen als auch für die Katholiken mit der Auslegungserfahrung der Kirche synonym. Sich einer gemeinsamen Geschichte bewusst zu werden, gibt, wie schon Luz beobachtet, Anlass, darüber nachzudenken, wie man voneinander lernen kann. Solch gegenseitiges Lernen bedeutet sicher auch, sich gegenseitig korrigieren zu lassen. Das berührt freilich auch die „Komplexität der Wahrheitsfrage“, die, je nach Gemeinschaft, zu der ein jeder gehört, sehr unterschiedlich beantwortet wird.120 Luz verdeutlicht das am Beispiel der Interaktion protestantischer Sichtweisen mit Sichtweisen der Kirchenväter: „Sich öffnen für die Geschichte anderer, bedeutet Horizonterweiterung und Gesprächsmöglichkeiten, Chance zur Selbstkorrektur und Neuorientierung. Die Auslegungen der Kirchenväter sind unser aller gemeinsames geschichtliches Erbe. Und trotzdem sind sie für uns Protestanten so fremd geworden, dass wir vielleicht die Augen der Orthodoxen und ihren Blick auf die Wirkungsgeschichte der Bibel in den Vätern brauchen, um sie so für uns – auf neue und gewiss auf andere Weise – wieder neu zu entdecken. So bedeutet wirkungsgeschichtliche Hermeneutik eine Erweiterung des eigenen Horizontes für Fremdes. In diesem Sinn führt sie in den ökumenischen Dialog.“121

Ich erlaube mir, die Argumentation von Luz aus orthodoxer Perspektive dahin gehend zu ergänzen, dass diese die Beziehung Protestantismus – Kirchenväter charakterisierende Dynamik ohne Schwierigkeit auf die Beziehung Orthodoxie – historisch-kritische Methode angewendet werden kann. Schon Luz hat diesen Schluss angedeutet.122 Voneinander lernen heißt nach Luz nicht – und diese Ansicht teile ich – Preisgabe eigener Identität, sondern Berei-

119

Ebd. 43. Vgl. LUZ, Hermeneutik, 22. 121 LUZ, Kirchenväter, 43–44. 122 Vgl. ebd. 49–50 [Hervorhebung im Original]: „Umgekehrt wäre darüber nachzudenken, inwieweit die Schwierigkeiten vieler heutiger Orthodoxer, die historisch-kritische Methode zu integrieren und als Grundlage für eine heutige geistliche Auslegung fruchtbar zu machen, mit ihrer origenistischen Tradition zusammenhängen könnte.“ 120

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Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

cherung dieser Identität.123 Das Vorbild der Kirchenväter soll auch nicht blind nachgeahmt, sondern sie sollen als Inspirationsquelle betrachtet werden.124 5. Horizonterweiterung durch „Öffnung für nicht-sprachliche Interpretationen“125 Luz schlägt auch vor, was aus orthodoxer Perspektive sehr zu begrüßen ist, die Botschaft eines biblischen Textes nicht nur in der Bibel wahrzunehmen, „sondern darüber hinaus durch Handeln und Leiden, durch Singen, Malen und Dichten, durch Beten und Hoffen“.126 Dieses Verständnis kommt der orthodoxen Vorstellung von der Ausdehnung der Schriftbotschaft und ihrer Rezeption in Bilder, sei es als Ikonen oder Wandmalereien der Kirchen (in der Volksfrömmigkeit verstanden als Bibel derjenigen, die nicht lesen können), in die Hymnographie und in gottesdienstliche Gebete nahe. Damit werden biblische Texte aktualisiert, sodass der Sinn dieser Texte in eine vertraute Beziehung zu seinen Lesern und Hörerinnen gesetzt wird. Eine in der Ikone dargestellte Szene der Bibel erinnert die Gläubigen an dieses Ereignis aus der Vergangenheit, das durch Betrachtung in die Gegenwart gebracht wird. Aus der Erkenntnis, dass die Wandmalerei der orthodoxen Kirchen die Bibel derjenigen ist, die nicht lesen können, kann gefolgert werden, dass die Gemeindeglieder mit jedem Eintritt in den Kirchenraum erneut in Kontakt mit der Bibel treten. II. Offene Fragen Ungeachtet der wertvollen Anregungen, die Luz mit seiner wirkungsgeschichtlichen Herangehensweise an Bibeltexte gegeben hat,127 wurde dieser jedoch auch kritisiert.128 Aus orthodoxer Perspektive möchte ich einige offene Fragen stellen.

123

Vgl. ebd. 44 (zitiert oben in Anm. 55).“ Vgl. ebd. 51 [Hervorhebung im Original]: „Wir können nicht repetieren, was sie taten, wohl aber können wir versuchen, unsere heutigen Auslegungsmethoden und unsere heutigen Sprachtheorien mit einer heutigen Christologie zu verbinden und so von den Kirchenvätern zu lernen, dass wir etwas Analoges zu tun versuchen, wie sie.“ 125 LUZ, Hermeneutik, 21–22. 126 LUZ, Matthäus, I, 112–113. 127 Vgl. REISER, Bibelkritik, 61: „Dieser [Matthäuskommentar – C. P.] führt in den Reichtum der christlichen Tradition ein wie kein anderer moderner Bibel-Kommentar“, um ein einziges Beispiel davon zu nennen. 128 Eine wichtige Kritik der Wirkungsgeschichte kommt auch von Reiser. 124

C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

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1. Einseitige Dynamik Im Gegenüber von biblischen Texten und der Geschichte der Auslegung weist Luz den biblischen Texten die Priorität zu. So spricht er in seinem Matthäuskommentar mehrfach über die „Wirkkraft der Texte selber“,129 die für ihn grundlegende Bedeutung hat, und über die Prägung des Auslegers durch die ausgelegten Texte130 bzw. über die „unserem Auslegen vorangehende Kraft der Texte“.131 Die biblischen Texte gestalten bis heute die Identität der evangelischen Konfessionen,132 die sich noch immer vorrangig, wenn nicht ausschließlich, über die Texte definieren.133 Jenseits der konfessionellen Prägung, die Luz als Protestant zum Ausdruck bringt, scheint mir die einseitige Betonung der Texte als unnötige Begrenzung des Prozesses der Auslegung. Damit wird die für das Verstehen der Bibeltexte benötigte Dynamik auf eine Richtung reduziert, nämlich die Dynamik vom Text zum Ausleger. Vielmehr sollte aus meiner Sicht auch die umgekehrte Bewegung, nämlich vom Ausleger zum Text, berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang könnte in Zukunft an das Paradigma der Intertextualität angeknüpft werden, das nach Beziehungen von Texten fragt, ohne dass deren Vor- oder Nachzeitigkeit Bedeutung zukommen muss. Eine solche wechselseitige Bewegung soll eben nicht bedeuten, den Text durch die Auslegung zu ersetzen, sondern die Fülle der Textpotenziale besser hervorzuheben. Mit jeder Exegese werden die Botschaft und die bis dahin erschlossenen Bedeutungen eines Bibeltextes durch neue bereichert. Wie Luz selbst betont, geht es um die Erschließung der „Fülle des Sinnpotenzials, das in biblischen Texten steckt“.134 In diesem Sinne ist der Text mit jeder Auslegung nicht mehr der gewohnte Text mit den schon bekannten Deutungen. Diese Einsicht hat auch das Potenzial, orthodoxe Exegeten einzuladen, andere Auslegungen als die der Kirchenväter wahrzunehmen. 2. Die Definition von ,Kirchenvaterʻ nach Luz Im Rahmen der von Luz entwickelten wirkungsgeschichtlichen Methode spielen die exegetischen Werke der Kirchenväter eine bedeutende Rolle. Was Luz unter der Bezeichnung Kirchenväter versteht, entfaltet er in einem oft zitierten Aufsatz: 129

LUZ, Matthäus, I, 108. Vgl. ebd. 110. 131 Ebd. 132 Ebd. 111. 133 Vgl. ebd. 134 Ebd. 113 [Hervorhebung im Original]. Dazu vgl. LUZ, Zugangswege, 128: „Für mich ist der Sinn biblischer Texte unabgeschlossen und mehrdimensional: Biblische Texte haben gegenüber allen menschlichen Interpretationen einen Sinnüberschuß, der immer wieder neu selbst entdeckt werden darf.“ 130

146

Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

„,Kirchenväterʻ möchte ich so weit wie möglich fassen, und darin nicht nur die griechischen und lateinischen Väter und natürlich auch die Reformatoren, sondern auch diejenigen einschliessen, die irgendwann von einer Kirche unter die Ketzer und nicht unter die Väter eingereiht worden sind.“135

Dieses Votum wurde katholischerseits als ein ökumenischer „Affront, der den Atem stocken lässt“,136 bewertet. Dasselbe gilt auch orthodoxerseits, denn was mit der offiziellen orthodoxen Kirchenlehre nicht konform geht, kann nach orthodoxem kirchlichem Selbstverständnis nicht als orthodoxe Auslegung ernst genommen werden. Damit ist das orthodoxe Verständnis von „einer richtigen“ Exegese angesprochen, die jede Exegese, die von diesem Konsens abweicht, für nicht gültig bzw. häretisch erklärt. Reiser illustriert die Kritik ironisch, aber passend: „Die Idee einer derartigen concordia discors erinnert im übrigen an die Geschichte von dem Richter, der nach dem Plädoyer des Klägers erklärt: ‚Sie haben recht!ʻ und nach dem Gegenplädoyer des Beklagten: ‚Sie haben recht!ʻ und als er darauf aufmerksam gemacht wird, daß sich die beiden doch widersprochen hätten, sagt: ‚Sie haben auch recht!ʻ Sollen wir in dieser Geschichte die Lösung aller konfessionellen Probleme sehen? Oder sollen wir noch einmal alles von vorn beginnen?“137

Das leitet unmittelbar über zu der Frage danach, was nach orthodoxem Verständnis „richtige“ Exegese ist. 3. Inexistenz einer „richtigen“ Exegese Eng verbunden mit dem Luz’schen Begriff des Kirchenvaters ist die Schlussfolgerung, dass es keine „richtige“ Exegese138 gibt, da „biblische Texte nicht einfach einen festen, abgeschlossenen Sinn haben“.139 Die Feststellung einer „richtigen“ Exegese durch Ausleger einer bestimmten Konfession steht für Luz im Widerspruch zu der „Freiheit, die in biblischen Texten steckt“.140 Das öffnet eine Perspektive zu einer „radikalen Pluralität aller Lesungen“141 und verwandelt die exegetische Tradition, wie Reiser beobachtet, in „eine Art Supermarkt, aus dem der einzelne auswählt“.142 Kirchen bzw. Konfessionen akzeptieren nicht alle christlichen Schriftsteller als Kirchenväter, sondern nur diejenigen, die im Einklang mit der Lehre der jeweiligen Konfession stehen, 135

LUZ, Kirchenväter, 51. REISER, Bibelkritik, 66. 137 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]. 138 LUZ, Matthäus, I, 113: „Dogmatiker/innen und auch Exeget/innen, die ständig auf der Suche nach der ‚richtigenʻ Exegese sind, weil sie damit ihre kirchliche oder ihre eigene Position legitimieren wollen, werden darüber eher erschrecken.“ 139 Ebd. 140 Ebd. 141 REISER, Bibelkritik, 57. 142 Ebd. 136

C. Orthodoxe Perspektive auf Luz’s Verständnis der patristischen Exegese

147

d. h., deren Auslegung sie als „richtig“ betrachten. Für eine traditionelle Kirche oder Glaubensgemeinschaft ähnelt die Unterscheidung zwischen „richtigen“ und „falschen“ Exegesen der Unterscheidung von Kirchenvätern und Häretikern. Ich würde daher dafür plädieren festzuhalten, dass es keine allgemein richtige (was „richtig“ für eine Konfession scheint, ist für eine andere vielleicht sogar „falsch“), sondern nur partikular richtige Exegesen gibt. Es sollte daher auch keine voreilige und schablonenhafte Bewertung bzw. Gewichtung der Ausleger zwischen „Gewinnern“ und „minoritären“ Exegeten vorgenommen werden.143 So manche Ausleger, die als Häretiker verurteilt wurden, können für die Auslegung wichtige Impulse geben. Origenes stellt m. E. dafür das beste Beispiel dar. Gleichwohl muss mit Luz festgehalten werden, dass die Vielzahl von Deutungen der Bibel verwirrend sein kann.144 Als mögliche Lösung zur Wiederfindung einer Einheit plädiert er für die Anerkennung der Zugehörigkeit zu einer Interpretationsgemeinschaft, nämlich einer Kirche: „Ich möchte dies gerade als Protestant betonen: Im Protestantismus ist das Gewicht der Interpretationsgemeinschaft Kirche klein: Viele unserer Pfarrer/innen neigen dazu, ihr eigenes Gotteswort zu verkünden, viele unserer Theolog/innen möchten gerne ihre eigene Theologie für das Evangelium halten. Viele unserer Exeget/innen, die glücklich sind, kein kirchliches Magisterium über sich zu haben, genügen sich selbst als Autorität. Dem gegenüber möchte ich betonen, dass Auslegen und Verstehen der Bibel ein gemeinschaftlicher Prozess ist und dass letztlich die Kirche, nicht das Individuum das Subjekt der Auslegung der Bibel ist.“145

Und Luz führt weiter aus: „Aber als Protestant weiss ich auch, dass sich ohne eine Interpretationsgemeinschaft, ohne Austausch von Auslegungen und von Erfahrungen mit der Bibel und ohne eine gemeinsame von der Bibel inspirierte Frömmigkeit und Praxis der Reichtum der biblischen Texte nicht entfalten kann. Nicht Einzelne sind, sondern die ganze universale Kirche ist Trägerin der Auslegung der Bibel.“146

Was Luz unter Kirche versteht, soll hier nicht im Einzelnen dargestellt werden. Es sei lediglich kurz erwähnt, dass er darunter „eine quer durch alle Konfessionen und in allen Konfessionen existierende und über sie hinausgehende Gesprächsgemeinschaft über die Bibel“147 versteht. Eine aus orthodoxer Perspektive treffende Kritik an seinem Kirchenverständnis wurde schon von Reiser geäußert, indem er den in der erwähnten Gesprächsgemeinschaft begegnenden Mangel an Regeln und die drohende Entfernung von der Tradition

143

Vgl. MAYORDOMO, Erinnerung, 13. Vgl. LUZ, Kirchenväter, 44. 145 Ebd. 146 Ebd. 45 [Hervorhebung im Original], siehe auch LUZ, Hermeneutik, 15–16. 147 LUZ, Grundlage, 317. 144

148

Kapitel 3: Die Kirchenväter in der protestantischen Exegese

hervorgehoben hat. Darüber hinaus bedeutet Kirche nach Reiser auch mehr als nur Gespräche über die Bibel: „Eine interkonfessionelle und überkonfessionelle Gesprächsgemeinschaft über die Bibel ist eine gute Sache, die wir ja längst haben; aber diese Gesprächsgemeinschaft ist nicht die Kirche und wird nie dazu werden. Wer soll in einer Gesprächsgemeinschaft Sakramente spenden? Kein Reformator hätte die Definition der Kirche akzeptiert, wie sie Luz vorschwebt, kein Kirchenvater und kein Autor des Neuen Testaments. Mit seinem Kirchenverständnis nimmt Luz somit einen bewußt nichtkirchlichen Standpunkt ein, und von diesem nur noch religionsphilosophisch begründbaren Standpunkt aus ist sein ganzer Artikel geschrieben.“148

Trotz dieser Kritik möchte ich festhalten, dass Luz treffend benannt hat, dass Interpretationsgemeinschaften hermeneutische Entscheidungen gegenüber der Bibel voraussetzen und zu bestimmten exegetischen Schlussfolgerungen führen. Das ist auch der Grund, warum Luz von vornherein seine eigene konfessionelle Prägung offenlegt und sein Verständnis von Wirkungsgeschichte von diesem partikularen Standpunkt herleitet.149 Und das ist auch der Grund, warum ich gleich zu Beginn dieser Untersuchung meine orthodoxe Perspektive deutlich gemacht habe, von der die vorliegenden Ausführungen geprägt sind.

D. Fazit D. Fazit

Die von Luz entwickelte Methode wirkungsgeschichtlicher Analyse biblischer Texte konstituiert m. E., trotz mancher offener Fragen, die einzige bisher entwickelte tragfähige methodische Verbindung zwischen westlicher und orthodoxer Exegese sowie zwischen historisch-kritischer Herangehensweise und patristischer Auslegung der Heiligen Schrift. Beispielhaft wird diese Beziehung im Matthäuskommentar von Luz veranschaulicht, der in der Reihe EKK erschienen ist. Somit profiliert sich Luz hinsichtlich der Annäherung zweier Auslegungsparadigmen der Bibel auf der Basis eines Prinzips der Integration bzw. Synthese. Es wurden aber auch schon andere Vorschläge hinsichtlich einer solchen Synthese gemacht. So stellt Crisp in einem oft zitierten Aufsatz heraus, dass „a more integrated and inclusive approach to the interpretation of Scripture which holds together historical and theological concerns“150 gewinnbringend für beide Seiten ist. Das orthodoxe hermeneutische Prinzip besteht für ihn aus „historical concerns, theological interpretation and personal commitment“151 und könnte „a liberating context for bibli-

148

Vgl. REISER, Bibelkritik, 57. Vgl. LUZ, Hermeneutik, 18. 150 CRISP, Scholarship, 131. 151 Ebd. 132. 149

D. Fazit

149

cal scholarship“152 gewährleisten. Zugleich bewertet er dieses Prinzip, indem er dessen Kraft betont, „to give biblical scholarship a basis for combining academic integrity and ecclesial commitment, and to provide individual biblical scholars with an antidote to the feeling of living in two separate worlds“.153 Ein Prinzip der Synthese wird in der westlichen Exegese auch von Reiser zum Ausdruck gebracht, indem er fragt: „Könnte es nicht sein, daß die orthodoxe Seite die Heilmittel für die westlichen Übel besitzt und die westliche Seite die Heilmittel für die östlichen Übel?“154 Die Gestaltung und Anwendung eines solchen Heilmittels verstehe ich als Entwicklung eines Konzepts, das orthodoxerseits erstmals von Oikonomos vorgeschlagen wurde. Er schreibt: „So fehlt es der orthodoxen Exegese an einem eigenen Konzept. Erst wenn es gelungen ist, moderne Bibelwissenschaft zu treiben, ohne mit der exegetischen Tradition zu brechen, wird die orthodoxe Kirche eine eigene Prägung erhalten, die sie befähigt, anderen Kirchen von ihrem Reichtum mitzuteilen. Bis dahin bedarf es der Zusammenarbeit aller verfügbaren Kräfte.“155

Leider macht Oikonomos keine weiteren konkreten Vorschläge. Dieses Konzept soll nach Reiser als Fundament die Tradition der Kirchenväter mit ihrem Prinzip der Allegorie haben: „Nachdem die Patristik durch Ausgaben, Kommentare und Untersuchungen einen guten Teil der exegetischen Literatur der Väter aufgearbeitet hat, sollten die Exegeten diese auch benützen. Eine sinnvolle Benutzung bedürfte allerdings einer hermeneutischen Besinnung, die von heutigen Einsichten her einen neuen Zugang zur Allegorese und zu theologischen Sichten der Väter sucht.“156

Dafür wird aber noch Zeit benötigt, wie Reiser festhält: „Freilich hat offenbar keine der beiden Seiten die Heilmittel in einer sofort anwendbaren Form.“157 Die vorliegende Untersuchung versteht sich als weiteren Schritt auf diesem sicher noch langen Weg.

152

Ebd. Ebd. 154 REISER, Bibelkritik, 63. 155 Vgl. OIKONOMOS, Bibelwissenschaft, 73. 156 REISER, Bibelkritik, 77. 157 Ebd. 63. 153

Kapitel 4

Die Erzählung von der Verwandlung Jesu in patristischer Auslegung A. Die Auslegung der Kirchenväter in der orthodoxen Exegese A. Die Kirchenväter in der orthodoxen Bibelexegese Die Kirchenväter spielen für die orthodoxe Bibelhermeneutik eine entscheidende Rolle. Es lässt sich ohne Übertreibung behaupten, dass allein ihnen Bedeutung im Zusammenhang des orthodoxen Schriftverständnisses zukommt, da fast ausnahmslos auf ihr Verständnis rekurriert wird, sogar vor jeder eigenen Hinwendung zum Bibeltext. Diese Haltung lässt sich positiv und zugleich auch negativ bewerten. Positiv ist sie, weil sie deutlich macht, dass die Bedeutung der Kirchenväter im Bewusstsein orthodoxer Theologie nicht verloren gegangen ist. Negativ hingegen ist, dass auf die Kirchenväter als eine unhinterfragte Größe rekurriert wird, als ob die patristische Phase der Kirchengeschichte keinen Anfang und kein Ende gehabt hätte, sie nicht von Kontexten bestimmt gewesen wäre und nicht auch an die Bedingungen ihrer Zeit angepasst wäre. Oder um das mit Nikos Nissiotis zum Ausdruck zu bringen, „die Tradition ist also nicht eine endlose Wiederholung der Vergangenheit“.1 Der Rekurs auf die Kirchenväter erfolgt somit weitgehend unkritisch und unreflektiert.2 Die Bezugnahme auf die Kirchenväter im Rahmen der 1

NISSIOTIS, Theologie, 233. So auch AGOURIDES, Research, 149: „Let us proceed now to a third factor in the explanation of why biblical studies in the Orthodox church are at such a low ebb. The factor is the Scholasticism which still dominates Orthodox theology.“ Dazu vgl. KARAKOLIS, Reflections, 429: „Tradition has steadily been transformed into a static notion.“ Eine andere Meinung innerhalb der orthodoxen Exegese vertritt NIKOLAKOPOULOS, Das Neue Testament, 309: „Die Rezeption der patristischen Schriftauslegung erfährt bis heute von der orthodoxen Hermeneutik eine respektvolle Beachtung. Dabei sollte man eigentlich nicht an eine Art Kopie oder trockene nachahmende Wiederholung der Texte der Kirchenväter denken. Es geht dabei nicht um die Übereinstimmung der heutigen Theologen mit der Meinung eines Kirchenvaters in einer grammatischen oder geschichtlichen Auseinandersetzung mit dem biblischen Text. Vielmehr ist damit die Übereinstimmung des überlieferten Glaubens mit den patristischen Texten gemeint.“ Diese von Nikolakopoulos als unproblematisch dargestellte Bezugnahme der heutigen orthodoxen Bibelexegese auf die patristische Exegese scheint aber trotzdem problematisch zu sein, denn im Anschluß an das oben Gesagte setzt er seinen Gedankengang mit einer Ermahnung fort: „Die Achtung vor dem Beitrag der Kirchenväter sollte uns nicht zu der extremen Schlussfolgerung führen, 2

152

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

heutigen orthodoxen biblischen Exegese könnte im allgemeinen als „Copyand-Paste“-Methode beschrieben werden oder als „schwarze Pädagogik“, die allen mit dem Stock auf die Hände schlägt, die es wagen, etwas zu sagen, was nicht auch schon von den Kirchenvätern gesagt wurde. Die Kirchenväter werden als Lieferanten von Beweistexten herangezogen3 und gewissermaßen als „Arsenal für dogmatische Belegtexte“4 betrachtet. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der aktuellen patristischen Bibelexegese innerhalb der Orthodoxie durch den Athener Bibelexegeten Agourides: „Once after a conference, I visited a nearby monastery accompanied by a fairly large group of students. We met with the abbot who seemed to be familiar with my work. After offering us the usual snack, he asked permission to say a few words to the students to which I of course agreed. What follows is a very brief summary of the advice he gave us. He said: ‚The special contribution of the Fathers of the Church with respect to the exegesis of the Scriptures is that they did us a favour by „chewing“ the holy Bible in such a way that they relieved those of us who came after them from the difficulties and problems of interpretation, and above all of the additional difficulties of assessing the meaning of the scriptures in respect of some theories which were introduced in recent years in the biblical field. We are very lucky to have inherited this legacy from the Fathers, since it is not necessary for us to „chew“ the teaching of the Bible as they did. They have prepared a ready-made banquet for us. Why should we have to chew the biblical food again, since paragons of inspiration and sanctity like the Fathers did this work before us and for us?‘“5

Die Einsicht teilt auch der orthodoxe Exeget Paul Tarazi, der Altes Testament am St. Vladimir Theological Seminary in den Vereinigten Staaten lehrt, wenn er die Haltung orthodoxer Theologen gegenüber der patristischen exegetischen Tradition im Allgemeinen beschreibt:

dass sich mit diesen patristischen Texten die orthodoxe Schriftauslegung erschöpft hat!“ (ebd.). Ähnliche Gedanken lassen sich auch bei GALITIS, Bibelwissenschaft, 116, finden: „Diese Texte [der Kirchenväter – C. P.] soll die Exegese nicht als Zaun, auch nicht als verpflichtende Sätze, die das selbständige Denken ersetzen, verstehen, sondern als Prüfstein, damit sie daran erkennt, ob und inwieweit sie sich innerhalb des Geistes der Kirche befindet.“ 3 Vgl. AGOURIDES, Research, 149: „Scholasticism was linked with the Bible mainly because Scholastic theologians used the so-called proof-texts, scriptural passages which were frequently irrelevant to their context. […] In other words, for the Scholastics in the final analysis, the Scriptures were nothing more than proof-texts. […] This use of the sacred texts is unacceptable from the point of view of biblical scholarship, for the reasons briefly cited earlier, since such texts are selected primarily as proof, without clear understanding of their relevance. According to the theologians of this mentality, the biblical proof-texts are followed by patristic proof-texts, and then the evolution of ecclesiastical doctrines is explained in comparison with other views that are differing or heretical, theological or philosophical views of the past or present.“ 4 REISER, Bibelkritik, 75. 5 AGOURIDES, Research, 147.

A. Die Kirchenväter in der orthodoxen Bibelexegese

153

„Instead of continuing this venerable living tradition, we, unfortunately more often than not, act like spoiled children born in a rich family where their share in that familyʼs life consists of sitting in a lazy-boy chair enjoying the fruits of their forefathersʼ toil. We either paraphrase the biblical text or at best quote the Fathers, thinking that thus we are at least doing the job! The explanation we give is that we are ‚keeping the treasure.‘ But precisely there lies our sin: to imagine that the earthen vessels are holding the treasure, while the truth in this case is that the treasure is holding the earthen vessels from falling apart.“6

Als Lösung aus einer solch erstarrten Haltung der orthodoxen Bibelexegese schlägt Tarazi die systematische Analyse der von den Kirchenvätern verwendeten exegetischen Methoden für die Erschließung der Bibeltexte und ihrer Kontexte, vor: „Our study of the Church Fathers should not be done solely with the intention of knowing what they said about the Holy Scriptures and what they are telling us, but also – perhaps more importantly so – with an eye to how the Fathers read the Bible and how they arrived at saying what they said to their contemporaries.“7 Diese exegetische Erfahrung und Tradition, die von den Kirchenvätern geprägt wurde, soll, so Tarazi, von den Exegeten jeder Generation fortgesetzt und zugleich bereichert werden: „It is not enough for the preacher to boast about how well the Fathers knew the Bible; he should strive to know it as well and – if he can – even better! I ima-gine the Church Fathers would be sad if they heard that they have begotten campaign managers instead of children!“8 Diese Ausführungen zeigen, dass nach verbreitetem orthodoxem Verständnis die Kirchenväter die Bibel bereits ausreichend für die nachfolgenden Generationen interpretiert und alles Wichtige herausgearbeitet haben. Dem gegenwärtigen Exegeten bleibt demnach lediglich die Möglichkeit zu erheben, was die Kirchenväter über die Bibel gesagt haben. In Konsequenz bedeutet das, dass die Botschaft der Bibel angemessen nur durch die Deutungen der Kirchenväter erfasst werden kann. Ein eigenständiger zeitgenössischer Zugang zum Bibeltext bleibt damit ausgeschlossen. Das herrschende Konzept solcher Exegese ist die Wiederholung der Auslegungen der Kirchenväter.9 In der Praxis konkretisiert sich diese Grundhaltung, indem Bibelkommentare angefertigt werden, die oftmals lediglich Anthologien von Kirchenväterzitaten zu Büchern der Bibel oder zu Bibelstellen darstellen. Das entbindet orthodoxe Bibelexegeten von der mühevollen Erarbeitung moderner Auslegungen und Kommentare. So gibt es z. B. in Rumänien keinen von einem rumänischen Neutestamentler verfassten Kommentar zum Markusevangelium und der neueste Matthäuskommentar stammt aus dem Jahr 1925! Reiser ist daher zuzustimmen, dass die Beziehung zu den Kirchenvätern in der orthodoxen Bibelexegese dynamischer gestaltet werden sollte. Einerseits ist es notwendig, die Exege6

TARAZI, Word, 178. Ebd. [Hervorhebung im Original]. 8 Ebd. 9 Vgl. AGOURIDES, Research, 148: „The use of the Fathers in a repetitive way“. 7

154

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

sen der Kirchenväter zu lesen und sich ihre gelungenen exegetischen Einsichten anzueignen. Aber, um mit Reiser zu sprechen, „das kann nicht alles sein“,10 denn es ist zudem die Übertragung auf und die Anpassung der patristischen Exegese an die heutige Zeit der Leser bzw. Hörer nötig. Er schreibt weiter: „Wie sich die historischen Methoden mit der Zeit gewandelt haben, so haben sich die Methoden der spirituellen Exegese gewandelt oder sollten sich wandeln, ohne grundsätzlich andere zu werden oder ihr Ziel zu ändern: die Aneignung der biblischen Gehalte, die Aneignung des Evangeliums.“11 Ungeachtet der fundamentalen Rolle, welche die Kirchenväter innerhalb der orthodoxen Theologie spielen, wurde bis dato ihre Stellung zu den neutestamentlichen Texten aus orthodoxer Perspektive nicht systematisch analysiert. Daraus folgt, dass man als orthodoxer Exeget der Gegenwart keine Methoden der Bibelexegese zur Verfügung hat und damit auch keinen Referenzrahmen, der es erlaubt, einen Überblick über die Arbeitsweisen der Exegese der Kirchenväter zu gewinnen, um auch den von ihnen geleisteten Beitrag für die Exegese zu erarbeiten. Kann von einer Methode der patristischen Exegese gesprochen werden? Sind die patristischen Auslegungen mit den modernen exegetischen Methoden in einen Dialog zu bringen und vielleicht zu versöhnen? Lassen sich bei den Kirchenvätern bereits Ansätze moderner Methoden finden? Lässt sich die Bibelexegese der Kirchenväter durch den Vergleich mit historisch-kritischer Methodik profilieren? Auf diese Fragen hat die orthodoxe Bibelexegese bis heute nicht zu antworten versucht. Auch hat sie keine eigene Methode zur Bibelexegese entwickelt ebenso wenig wie für die Analyse der patristischen Schriftauslegung. Bei einer knappen Betrachtung neuerer Literatur im Bereich der orthodoxen Bibelexegese fällt die ausgeprägte Neigung zur Erörterung grundlegender Prinzipien patristischer Hermeneutik auf, ohne jedoch eine Konkretisierung dieser Prinzipien in Form einer Methode für die nähere Untersuchung der Bibelauslegungen der Kirchenväter feststellen zu können. 1986 identifizierte Breck acht Prinzipien der patristischen Hermeneutik, die inzwischen von einem Teil der nachfolgenden orthodoxen Exegeten übernommen wurden: 1. Das Syntagma „Wort Gottes“ bezieht sich auf dreierlei: auf den ewigen Logos, den Jesus Christus verkörpert, auf das über ihn geschriebene Bekenntnis (Heilige Schrift) und auf seine Verkündigung in der Kirche; 2. das Wort Gottes in allen seinen Aspekten kann nur aus einer trinitarischen Sicht korrekt verstanden werden; 3. das Wort Gottes, verstanden als Schrift oder Verkündigung, ist wie der menschgewordene Logos als theandrische (gottmenschliche) Realität zu verstehen; 10 11

REISER, Bibelkritik, 380. Ebd.

A. Die Kirchenväter in der orthodoxen Bibelexegese

155

4. der beste Raum für die Auslegung, Verkündigung und Liturgie des Wortes Gottes ist die Kirche; 5. es gibt eine starke Beziehung zwischen Schrift und Tradition. Die Schrift entstand im Rahmen der Tradition und als Teil dieser Tradition der Kirche, zu der außerdem noch die Werke der Kirchenväter, die kultische Hymnographie oder die Beschlüsse der ökumenischen Konzilien gehören; 6. Altes und Neues Testament stellen zusammen ein einheitliches Bekennen der Erlösungsgeschichte dar. Deren Verhältnis veranschaulicht sich in einer Entwicklung von dem Versprechen zu dem Vervollkommnen desselben; 7. für die Schriftauslegung wird eine exegetische Gegenseitigkeit (scriptura scripturae interpres) benötigt, d. h., für die Erklärung einer Bibelstelle soll auf eine ähnliche Stelle aus der Bibel rekurriert werden. Infolgedessen wird postuliert, dass die ganze Schrift vom Heiligen Geist inspiriert ist, denn sie gilt gleichzeitig als Erklärte und als Erklärende; 8. im Auslegungsprozess wird ein Fortschritt vom literalen Sinn zum geistlichen Sinn (sensus plenior) vorausgesetzt und erwartet.12 Diese von Breck herausgearbeiteten Prinzipien ermöglichen m. E. einen Einblick in die Grundhaltung der Kirchenväter der Bibel gegenüber, aber damit wird nicht die konkrete patristische Bibelanalyse erfasst. Wenn Breck z. B. unter Punkt 2 die trinitarische Verständnisperspektive festhält, zeigt er nicht, wie diese Perspektive innerhalb der patristischen Exegese umgesetzt, und auch nicht, wie sie von der heutigen Bibelwissenschaft eingeschätzt wird. Das gilt in gleicher Weise für Punkt 8, den Fortschritt vom literalen zum geistlichen Sinn. Breck führt nicht detailliert aus, wie die Kirchenväter den jeweiligen Textsinn erschließen. Insofern bleibt die Charakterisierung der patristischen Bibelexegese rein auf die Ebene der Theorie beschränkt. Die von Breck vertretene Ansicht wurde in der orthodoxen Bibelexegese bald nachgeahmt. Stylianopoulos identifiziert vier hermeneutische Prinzipien, die von ihm als „Treue-Prinzipien“ charakterisiert wurden:13 1. „Fidelity to the witness of the Bible as the word of God“;14 2. „fidelity to the common tradition of the ancient Church“;15 3. „fidelity to earnest, discerning, critical study through the use of reason as a gift of God“16 und 4. „fidelity to the Holy Spirit“.17 12

Vgl. BRECK, Power, 38–44. STYLIANOPOULOS, Perspectives, 325: „The interpretation of the Bible in harmony with the Bibleʼs own nature and witness achieves its proper goal through the application of several, interrelated, foundational principles.“ 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Ebd. 17 Ebd. 13

156

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Aber wie schon Breck bleibt auch Stylianopoulos auf der theoretischen Ebene, die methodisch nicht exemplifiziert wird. Er zeigt nicht genauer, wie diese Prinzipien in der exegetischen Praxis der Kirchenväter umgesetzt wurden. Das könnte zu einer gewissen Subjektivität bei der Bewertung der patristischen Schriftauslegung führen, wie z. B. hinsichtlich des unter Punkt 4 erwähnten Prinzips der Treue dem Heiligen Geist gegenüber. Wer entscheidet, ob ein Bibelausleger, sei es auch ein Kirchenvater, in seiner Auslegung dem Heiligen Geist treu ist? Was sind die Merkmale dieses Prinzips und wie könnten sie innerhalb der patristischen Exegese aufgespürt werden? In einer ähnlichen Weise argumentieren auch Nikolakopoulos,18 McGuckin19 und Georg Galitis.20 Vasile Mihoc konzentriert sich auf die Bedeutung patristischer Exegese hinsichtlich aktueller Bibelexegese. Er rekurriert auf den Rückgriff auf die Väter, die Notwendigkeit des Bibelstudiums, den Gebrauch von profanen Kenntnissen wie etwa Philologie und das patristische Prinzip von Theoria, verstanden als Kontemplation des geistlichen Sinns der Bibel: „The interpretative vision that tries to discern the spiritual significance of Godʼs Word“.21 Die Bedeutung des geistlichen Sinns der Bibeltexte besteht nach Mihoc in dessen Wert für die Aktualisierung der Textbotschaft: „For, according to the conception of the Fathers, the Bible has a spiritual sense beyond the literal meaning understood and intended by the sacred author. It is this spiritual sense that assures the permanent actuality of the biblical texts.“22 Trotzdem werde im Rahmen der patristischen Auslegung der Theoria der historisch-wörtliche Sinn der Texte nicht negiert, denn die alexandrinische Allegorie wurde schon durch die antiochienische Typologie gemäßigt. Mihoc unterscheidet also zwischen zum einen der alexandrinischen Herangehensweise an die Schrift, die er durch einen Antagonismus von historischem und geistlichem Sinn, den allein sie für gültig erklärt, charakterisiert und zum anderen der antiochenischen Auslegungsweise, die auf Typologie beruht und eine Verbindung zwischen historischem und geistlichem Sinn herstellt. Sehr wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass Mihoc die typologische Exegese der Kirchenväter nicht auf Wörter, sondern auf Ereignisse 18

Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Orthodox Critique, 338–341. Bei ihm geht es um: 1. Betrachten der Schrift als „a God-given written expression of the revelation of Godʼs plan for salvation“; 2. „the ecclesiastical character of biblical interpretation“, betont durch die Interpretation der Kirchenväter; 3. „the liturgical character of Orthodox interpretation“ und 4. „defending and emphasizing the authentic and unadultered faith of the one, holy, catholic and apostolic Church“. 19 Vgl. MCGUCKIN, Hermeneutics, 308–319. Er legt vier Prinzipien für eine genuin orthodoxe Auslegung der Bibel vor, indem er „the Ecclesial Reading“, „the Principle of Consonance“, „the Principle of Authority“ und „the Principle of Utility“ fordert. 20 Vgl. GALITIS, Bibelwissenschaft, 115–121. 21 MIHOC, Actuality, 13 [Hervorhebung im Original]. 22 Ebd.

A. Die Kirchenväter in der orthodoxen Bibelexegese

157

bezieht.23 Ihm zufolge beruht das exegetische Prinzip der Theoria auf zwei Grundannahmen: 1. Die Schrift ist ganzheitlich von Gott inspiriert und 2. die Typologie gibt den richtigen Schlüssel für deren Interpretation.24 Schließlich sieht er eine Ähnlichkeit zwischen der patristischen Theoria und der historisch-kritischen Exegese im Hinblick auf die Erarbeitung des literalen und historischen Sinns biblischer Ereignisse: „It can be said that the true patristic θεωρία and the historical critical exegesis of our time have in common this fundamental interest in the literal and historical sense of biblical events, that is for the sense intentioned and understood by the inspired human author.“25 Was diese Bestimmungen hermeneutischer Prinzipien des orthodoxen Bibelverständnisses verbindet, ist die Tatsache, dass sie völlig losgelöst von der Methodenfrage argumentieren. Die Prinzipien werden kaum mit methodisch reflektierter exegetischer Praxis korreliert. Wenn die Diskussion über Auslegungsprinzipien zum großen Thema „Hermeneutik“ gehört und die Umsetzung dieser Auslegungsprinzipien nicht in konkret anwendbare Methodenschritte der „Exegese“ mündet, lässt sich an die orthodoxe Bibelexegese die Frage richten: Droht sich die Hermeneutik im orthodoxen Bereich von der Exegese zu distanzieren oder gar zu isolieren?26 Den Ansatzpunkt, den ich in dieser Untersuchung präferiere, ist, wie schon Agourides und Breck anregten,27 stärker von der Hermeneutik zur Methodik vorzudringen. Ich betrachte 23 Ebd. 15: „Allegory discovers two distinct significances in the sacred text: the historic or the literal sense and the spiritual sense; but for allegorists, only the second is important for the life in faith. […] Based on typology, θεωρία affirms to the contrary that spiritual sense cannot be separated from the literal sense, that the antitype is ontologically present in the type. Typology does not apply to the words of the Scripture (of the Old Testament) but to the realities described by these words, that is to events, to institutions and to biblical characters.“ 24 Vgl. ebd. 14. 25 Ebd. 26–27. 26 Vgl. ebd. 12–13. Mihoc erkennt die Bedeutung der Kirchenväter als Ausleger in der Kraft, die Botschaft der Schrift zu aktualisieren, und postuliert eine „hermeneutische Brücke“ zwischen Vergangenheit und Gegenwart: den Heiligen Geist. Er schreibt, es geschehe „only by a collaboration with the Holy Spirit that the exegete could discern what the Spirit Himself wrote in the Scripture text“ (ebd. 13). Aber wie eine solche Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist konkret aussieht oder wie der Exeget einen Zugang zum Heiligen Geist gewinnt, wird nicht gesagt. Kann eine solche Interaktion im Rahmen akademischer Arbeit erfolgen? Wie können z. B. Studierende konkret davon lernen und diese Methode anwenden? 27 Vgl. AGOURIDES, Research, 152: „What is required is greater knowledge of the reasons why the role of the Bible has been reduced and altered in the Liturgy; and now it is the turn of the Orthodox Church to undertake biblical and liturgical reform.“ Ähnlich

158

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

es als notwendig, eine möglichst einheitliche Verfahrensweise oder sogar Technik für ein besseres Verstehen und Analysieren patristisch-exegetischer Texte zu entwickeln. Das Systematisieren patristischer Exegese zielt nicht darauf, den großen Wert des patristischen Erbes zu vermindern oder zu verwässern, sondern für die aktuelle Bibelwissenschaft und Theologie zugänglicher zu machen. So wie Methoden zur Analyse von Bibeltexten herausgebildet wurden, sollten m. E. auch Methoden zur Erschließung patristischer Bibelexegese entwickelt werden.

B. Methodik zur Erschließung patristischer Exegese B. Methodik zur Erschließung patristischer Exegese In der vorliegenden Studie wird nicht nur nach der methodischen Erschließung der exegetischen Tradition der Kirchenväter gefragt, sondern es wird das methodische Vorgehen der Kirchenväter mit moderner exegetischer Methodik verglichen. Ein solcher Vergleich ist der Notwendigkeit geschuldet, die wachsende Wahrnehmung und Verwendung historisch-kritischer Methoden in der heutigen orthodoxen Exegese mit dem ausgeprägt patristisch geprägten orthodoxen Schriftverständnis und der damit einhergehenden Auslegung zu korrelieren. Das bedeutet, dass die Vergegenwärtigung und zugleich Valorisierung der patristischen Bibelauslegung anhand des In-DialogBringens mit einer heutigen, in der westlichen Welt verbreiteten und im Rahmen der wissenschaftlichen Bibelexegese zum Standard gewordenen Methodik geschehen soll. Um die exegetische Arbeit der Kirchenväter für die heutige Bibelwissenschaft nachvollziehbar zu machen, ist es notwendig, diese aus der Perspektive und mit den Instrumentarien aktueller wissenschaftlicher Exegese zu untersuchen. Ein Vergleich von historisch-kritischer und patristischer Exegese wird auch in der jüngsten Diskussion von SchwienhorstSchönberger propagiert.28 BRECK, Scripture, IX: „It means, in the first place, that we need to introduce our students to the content of biblical writings. But it also obliges us to offer them tools by which they can unlock that treasure for others, through their sermons, in church-school, for catechetical instruction, and in their ministry of witness to the poor, the sick and the suffering members of their congregations and in the world about them.“ 28 Die Möglichkeit, einen Vergleich zwischen historisch-kritischer und patristischer Exegese durchzuführen, demonstriert auch SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Psalm 122, 104–120, mit seiner Auslegung von Ps 122. Seine Technik besteht im Vergleich der Auslegungen von Vertretern historisch-kritischer (Gunkel, Kraus, Seybold, Zenger) und patristischer (Augustinus) Exegese. Er schlussfolgert, dass sich historisch-kritische Exegese ausschließlich mit der Erschließung des Literalsinns des Textes beschäftigt, während sich patristische Exegese auch auf dessen geistliche Bedeutung konzentriert. Er sieht insgesamt weniger Differenzen zwischen einer modernen, historisch orientierten Form der Bibelwissenschaft und der Exegese der Kirchenväter, aber nur dann, „wenn sie den Prozeß des

B. Methodik zur Erschließung patristischer Exegese

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Das lässt sich m. E. wie ein Findungs- oder Sondierungsprozess beschreiben, in welchem Versuche gemacht werden, diese verschiedenen Herangehensweisen ins Gespräch zu bringen. Bisher wurde lediglich allgemein auf „überraschende Querverbindungen zu den westlichen Auslegungsweisen der Bibel“29 verwiesen, die bei der patristischen Bibelexegese beobachtet wurden. Auch wurde „a more integrated and inclusive approach to the interpretation of Scripture which holds together historical and theological concerns“30 gefordert. Die römisch-katholische Bibelwissenschaft hat nach dem II. Vatikanischen Konzil angefangen, intensiver darüber nachzudenken,31 und kam ebenfalls zu der Einsicht, die verschiedenen interpretativen Herangehensweisen an die biblischen Texte miteinander in einen Dialog zu bringen. In diesem Sinne äußerte sich Schwienhorst-Schönberger wie folgt: „Eine theologisch reflektierte Vermittlung beider Modelle der Schriftauslegung steht noch aus. Sie dürfte zu den vorrangigen Aufgaben zukünftiger Bibelwissenschaft gehören.“32 Ich betrachte solche Vermittlung nicht nur als wissenschaftliches, sondern auch als ökumenisches Anliegen. In diesem Zusammenhang sei auf ein neueres Konzept des ökumenischen Dialoges hingewiesen, die sog. Begegnungswissenschaft.33 Dieses Konzept sieht die Offenheit für andere Verstehensweisen ohne die Preisgabe der eigenen Identität vor. Es wird respektiert, dass mit der je eigenen Identität in den Dialog eingetreten wird. I. Die Grundlegung von Christina Metzdorf Ein entscheidender und anerkannter Fortschritt34 hinsichtlich einer systematischen Untersuchung patristischer Schriftauslegungen gelang Christina MetzFragens und Nachdenkens nicht allzu früh abbricht“ (120) [Hervorhebung im Original]. Die Suche nach dem geistlichen Sinn der Bibeltexte scheint Schwienhorst-Schönberger zufolge ein Charakteristikum der neueren Tendenzen der Bibelwissenschaft zu sein, vgl. auch DERS., Studien, 279; Wort, 35–50. 29 LUZ, Kirchenväter, 37. 30 CRISP, Scholarship, 131. 31 Vgl. SÖDING, Aufbruch, 7–34. Siehe auch SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Paradigmenwechsel, 279: „Das 19. Jahrhundert war in geistesgeschichtlicher Hinsicht das historische. Seine Verdienste auf diesem Gebiet, gerade auch für die Theologie, sind unbestritten. In einer Art verspäteten Modernisierung hat die katholische Bibelwissenschaft mit atemberaubender Geschwindigkeit die historische Fragestellung eingeholt und das ihr zukommende Recht eingestanden.“ 32 SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Modelle, 458, sowie DERS., Wiederentdeckung, 403: „Die bis in die Gegenwart hinein anhaltenden Auseinandersetzungen hinsichtlich einer angemessenen und zeitgemäßen Bibelexegese hängen unter anderem damit zusammen, dass beide Modelle noch nicht wirklich miteinander versöhnt sind.“ 33 Vgl. PINGGERA, Begegnungswissenschaft, 9–12. 34 Vgl. REISER, Bibelkritik, 379.

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

dorf in ihrer Untersuchung über die Tempelaktion Jesu,35 in der sie „aus der Schriftauslegung der Kirchenväter Impulse für die Exegese der Gegenwart“36 zu gewinnen sucht. Obwohl ihre Initiative nicht neu ist,37 erarbeitet Metzdorf einerseits einen Plan, wie die exegetischen Leistungen der Kirchenväter erschlossen werden können, und hebt andererseits anhand des Vergleichs mit den Methoden der antiken Grammatik die Spezifizität der patristischen Exegese hervor. Zu diesem Zweck beginnt Metzdorf mit der Erarbeitung der hermeneutischen Prinzipien bzw. Voraussetzungen patristischer Schriftauslegung, denn „im Unterschied zur Methodik ergibt sich die Hermeneutik allein vom Gegenstand der Exegese, der Hl. Schrift, her und erweist sich somit als sachbedingt. Die Prinzipien des Verstehens liegen der Auslegungspraxis voraus“.38 Infolgedessen stellt sie die wichtigsten Merkmale und Entwicklungslinien der patristischen Bibelinterpretation, welche die patristische Bibelhermeneutik bilden, unter der Überschrift „Der ,zweifache Schriftsinnʻ als hermeneutische Voraussetzung der altkirchlichen Exegese“39 dar. Sie kommt zu dem Schluss, dass nicht von einem zweifachen Schriftsinn gesprochen werden sollte, sondern von einem einzigen Schriftsinn mit zwei Bedeutungsebenen oder Dimensionen. Diese sollen von Exegeten unterschieden, aber nicht getrennt werden.40 Metzdorf identifiziert insgesamt fünf Merkmale der patristischen Exegese, die im Folgenden aufgeführt sind. Ähnlichkeiten mit den oben vorgestellten Auslegungsprinzipien orthodoxer Bibelexegeten sind evident. Die fünf Grundprinzipien der patristischen Hermeneutik sind nach Metzdorf: 1. „Das Inspirationsverständnis als Sachgrund des zweifachen Schriftsinns“.41 Nach Metzdorf thematisiert die Bibel bereits selbst die Frage der Inspiration (2 Tim 3,16), daher ist „der Buchstabe der Schrift als Ausdruck des geschichtlichen Wirkens des Heiligen Geistes zu verstehen“.42 Daraus leitet sich die Aufgabe der Exegeten ab, „die literale Bedeutung zu ihrer geistigen Dimension hinaufzuführen“.43 Das problematische Thema der in der Bibel enthaltenen Widersprüchlichkeiten wird von den patristischen Autoren durch den Verweis einerseits auf eine redaktionelle Absicht und andererseits auf den geistlichen Ursprung der Schrift, der Widersprüch35

Vgl. METZDORF, Tempelaktion. Ebd. 243. 37 Ein Versuch der Systematisierung patristischer Bibelexegese ist unter anderem bei YOUNG, Exegesis, zu finden. 38 METZDORF, Tempelaktion, 9. 39 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 40 Ebd. 12–13. 41 Ebd. 13 [Hervorhebung im Original]. 42 Ebd. 43 Ebd. 36

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2.

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5.

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lichkeit ausschließt, ausgeräumt.44 Weiter wird die Beziehung zwischen der Schriftinspiration und dem Wirken der menschlichen Verfasser von den Kirchenvätern dadurch erklärt, dass Letztere Anteil an der Inspiration haben. Metzdorf schreibt: „Durch die Form der Teilhabe am Heiligen Geist, dem eigentlichen Autor der Hl. Schrift, hat der biblische Schriftsteller Einsicht in den eigentlichen Sinn (νοὺς) des Ereignisses.“45 „,Abbildʻ und ,Schattenʻ: Das Analogieprinzip als erkenntnistheoretische Voraussetzung“.46 Das Analogieprinzip zielt nach Metzdorf auf die Geschichtlichkeit und auf die geistliche Wirklichkeit.47 Es geht „um die Beschreibung der analogen Strukturen, auf denen die Allegorese basiert“.48 „Die drei Stufen des geistigen Schriftverständnisses“.49 Das dreistufige geistige Verständnis der Bibel wird von Metzdorf an Origenes erläutert, obwohl es auch bei anderen Kirchenvätern anzutreffen ist. Auf dem Weg vom historischen zum geistigen Sinn soll die Exegese eine stufenartige Erkenntnis gewinnen. Die Auslegung ist von der „körperlichen Verstehensweise (corporaliter)“50 oder anders vom historischen Sinn über die „moralische Deutung (moraliter)“51 oder anders die Verhaltenskomponente bis zu den mysteria der Schrift, verstanden als „eine umfassendere Einsicht in den Zusammenhang der Heilsgeschichte“,52 durchzuführen. „Der Glaube der Kirche als Auslegungshorizont“.53 Ein patristisch-hermeneutisches Prinzip besagt, „daß die Schrift in dem Geist ausgelegt werden soll, in dem sie auch geschrieben wurde“.54 Außer der Beachtung und dem Bekennen des Glaubens der Kirche bedeutet die Zugehörigkeit zur Kirche die Integration in einen konkreten modus vivendi, der sich in der Gestaltung der Exegese prüfen lässt. „Christologie und Schriftauslegung.“55 Ein wesentliches patristisch-hermeneutisches Prinzip ist, dass Christus als Mitte der Schrift verstanden wurde. Es besteht insgesamt eine starke Verbindung oder, wie Metzdorf sagt, „eine heilsgeschichtliche Analogie“56 zwischen den Hauptaspekten der Christologie (besonders der Menschwerdung Jesu und der Zwei44

Vgl. ebd. 14. Ebd. 15. 46 Ebd. 17 [Hervorhebung im Original]. 47 Vgl. ebd. 18–19. 48 Ebd. 49 Ebd. 20 [Hervorhebung im Original]. 50 Ebd. 21. 51 Ebd. 52 Ebd. 22. 53 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 54 Ebd. 55 Ebd. 25 [Hervorhebung im Original]. 56 Ebd. 26. 45

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Naturen-Lehre) und der Bibelhermeneutik (besonders dem zweifachen Schriftsinn). Wie Christus Fleisch geworden ist, so ist er auch in den Worten der Schrift konkretisiert, und wie er eine göttliche und eine menschliche Natur in derselben Person hat, so gibt es eine geistliche, übermenschliche und eine menschliche, historische Auslegungsweise der Bibel. Auf dem christozentrischen Verständnis der Schrift beruht auch die soteriologische Funktion der Exegese, d. h. die Menschen zur Gemeinschaft mit Gott zu leiten. Zugleich besagt der biblische Christozentrismus die ständige Anwesenheit bzw. Gegenwart Christi in der Schrift. So muss die Schrift auch immer aktualisiert werden, damit Christus sein Wort zu jeder Generation sprechen kann. Diese Aktualisierung „wird methodisch mit der Allegorese erreicht“.57 Nach der Darlegung dieser wichtigsten Aspekte der patristischen Bibelhermeneutik fährt Metzdorf mit Ausführungen zur Methodik fort, d. h. der Analyse „der konkreten Auslegungspraxis“58 biblischer Texte, wie sie von den Kirchenvätern durchgeführt wurde. Für das Gewinnen einer umfassenden Perspektive auf die patristische Methodik der Schrifterklärung geht sie davon aus, dass den Kirchenvätern die Methoden der antiken Grammatik vertraut waren. Sie stellt die Vermutung an, dass das methodische Instrumentarium patristischer Exegese der antiken Grammatik entlehnt ist. Dieses wurde von ihnen unter anderem anhand folgender Aspekte umgesetzt: im Vergleich mehrerer Textversionen derselben Perikope,59 in der Erklärung schwieriger Wörter in „lexikalischer, etymologischer und semantischer Hinsicht“,60 in der Sacherklärung von Begriffen mit symbolischer Bedeutung,61 in der grammatikalisch-rhetorischen Analyse und der Stilkritik62 sowie in der Würdigung eines Werkes unter ethischen und ästhetischen Gesichtspunkten zum Zwecke der Aktualisierung.63 Darüber hinaus wird „das Prinzip der Beachtung der Erzählperspektive“64 erarbeitet, um die in der Schrift enthaltenen Widersprüche zu überwinden, sowie die Praxis, eine unverständliche Textpassage anhand des weiteren Kontextes einer Perikope zu erschließen, eine antike Form des Scriptura-Scripturae-interpres-Prinzips.65 Um die von den Kirchenvätern angewandte Methodik besser zu verdeutlichen greift, Metzdorf die

57

Ebd. 28. Ebd. 59 Vgl. ebd. 60 Ebd. 61 Vgl. ebd. 29–30. 62 Vgl. ebd. 30. 63 Vgl. ebd. 30–32. 64 Ebd. 32–34 [Hervorhebung im Original]. 65 Vgl. ebd. 34–35. 58

B. Methodik zur Erschließung patristischer Exegese

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Analyse von Origenes zur Tempelaktion Jesu auf und stellt die folgenden konkreten exegetischen Methodenschritte fest: 1. 2. 3. 4. 5.

Synoptischer Vergleich „als Basis der historischen Rekonstruktion“;66 „Wort- und Sacherklärungen als Grundlage der allegorischen Deutung“;67 textkritische Untersuchung;68 Erklärung eines Begriffs vom Kontext her;69 Differenzierung zwischen der historischen und der metaphorischen oder übertragenen Dimension einer biblischen Aussage.70

Am Ende ihrer Darstellung der Hermeneutik und Methodik patristischer Exegese kommt Metzdorf zu dem Schluss, dass die patristische Bibelauslegung in Kommentaren und Homilien in zwei Hauptabschnitte unterteilt werden kann, nämlich in die historisch-philologische Untersuchung und in die Aktualisierung durch Allegorie.71 Diese zwei Grundelemente der patristischen Schriftauslegungen ergänzen einander und schließen sich nicht aus.72 Zur patristischen historisch-philologischen Untersuchung der Bibeltexte gehören viele der schon oben angeführten Elemente. Was die allegorische Deutung betrifft, sieht Metzdorf in den patristischen Auslegungen der Tempelaktion Jesu zwei Grundlinien, nach denen eine Aktualisierung durchgeführt wird. Als Erstes geht es um das vom zweifachen Schriftsinn verursachte Analogieprinzip.73 welches den Kirchenvätern den Ansporn und darüber hinaus die Legitimität gab, Entsprechungen zwischen Situationen der biblischen Texte und denen nachbiblischer Kontexte zu finden.74 Die wichtigsten aktualisierenden Deutungen der Kirchenväter zur Tempelaktion Jesu beziehen sich, wie 66

Ebd. 36 [Hervorhebung im Original]. Ebd. [Hervorhebung im Original]. 68 Vgl. ebd. 37–38. 69 Vgl. ebd. 38. 70 Vgl. ebd. 38–39. 71 Zur Aktualisierung als Haupteigenschaft der patristischen Exegese siehe auch SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Wiederentdeckung, 423. 72 METZDORF, Tempelaktion, 42: „Gemeinsam ist beiden Gattungen, daß sie aus je zwei Elementen bestehen, aus der historisch-philologischen Untersuchung und aus der Aktualisierung. Dabei bilden die Erschließung des Literalsinns und die Allegorese eine Einheit. Sie sind voneinander zu unterscheiden, nicht aber zu trennen, da die allegorische Deutung ebenso auf den Ergebnissen der historischen Analyse basiert wie die Erforschung des Literalsinns zuinnerst auf die Entdeckung des tieferen Sinns zielt.“ 73 Vgl. ebd. 44. 74 Ebd. 44–45: „Das Markttreiben im allgemeinen, die Tätigkeit der Geldwechsler und der Taubenverkäufer, im besonderen deren Handelsgut, das Geld, die Tauben, die Ochsen und die Schafe, die Wechseltische und Sitze der Verkäufer, mitunter auch die Peitsche in den Händen Jesu, werden jeweils als Symbol oder Metapher für ein bestimmtes Element aus der Welt des kirchlichen und kulturellen Milieus des Exegeten und seiner Hörer beziehungsweise Leser interpretiert.“ 67

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Metzdorf des Weiteren zeigt, auf „die moralische, das heißt entweder die sozialethische oder die individualethische, sowie die eschatologische Dimension“.75 Als zweites Charakteristikum der allegorischen Interpretationen identifiziert Metzdorf deren dogmatische Bewertung, im Sinne der Anwendung der gewonnenen Ergebnisse der Auslegung auf die verschiedenen Auseinandersetzungen bezüglich der Frage nach der Gottheit Christi.76 Die Forschungsarbeit Metzdorfs zwingt zu der Schlussfolgerung, dass die von ihr herausgearbeitete Methodik nicht für alle Kirchenväter generalisiert werden kann. Sie selbst betont, dass sie keinen „Anspruch auf Vollständigkeit“ erhebt.77 Insgesamt ist von der Übereinstimmung des methodischen Vorgehens der Kirchenväter nur bedingt auszugehen. Trotz ihres gemeinsamen Interesses an der Erschließung des historischen Sinns eines Textes oder dessen Aktualisierung rekurrieren sie nicht immer auf gemeinsame Strategien. Diese Abweichungen zeigen, wie Metzdorf treffend zum Ausdruck bringt, dass die Interpretation der Bibel in der Alten Kirche „ein komplexes und vielschichtiges Phänomen“78 war. Infolgedessen lässt sich m. E. eine einheitliche Systematisierung der patristischen Bibelexegese nur in zwei Fällen erreichen: 1. wenn die patristischen Autoren zu derselben Richtung der Bibelauslegung gehören (z. B. Vertreter der „alexandrinischen“ oder der „antiochenischen Schule“) oder 2. wenn die patristischen Autoren, unabhängig von der Tradition der Schriftauslegung, von der sie geprägt sind, denselben Bibeltext exegesieren. II. Eigenes methodisches Vorgehen Für meine Analyse patristischer Auslegungen der Verwandlungsperikope orientiere ich mich an dem von Metzdorf vorgeschlagenen Verfahren. Es geht mir im Folgenden nicht darum, eine allgemeine Darstellung der Hermeneutik und Methodik der drei Kirchenväter, Origenes, Chrysostomos und Hieronymus zu erarbeiten, sondern exemplarisch Züge ihres Schriftverständnisses und ihrer konkreten Exegese, wie sie in ihren Auslegungen der Perikope von der Verwandlung Jesu zum Ausdruck kommen, darzustellen. Dabei richtet sich der Fokus auch auf die Frage, inwiefern sie bereits Fragestellungen der Moderne vorweggenommen haben.

75

Ebd. Ebd. 45: „Zur aktualisierenden Auslegung gehört auch die Vermittlung der christologischen Bedeutung der Aktion in die Terminologie des jeweils zeitgemäßen dogmatischen Diskurses.“ 77 Ebd. 3. 78 Ebd. 8. 76

B. Methodik zur Erschließung patristischer Exegese

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1. Grundprinzipien patristischer Hermeneutik in Auslegungen der Verwandlungserzählung Obwohl in der heutigen Bibelwissenschaft die Thematisierung der Grundprinzipien des Schriftverständnisses, d. h. der Hermeneutik, von der eigentlichen Auslegung der biblischen Texte, d. h. der Exegese, aus methodischen Gründen getrennt wird, stellt man oftmals innerhalb der patristischen Bibelauslegungen die Neigung fest, im Zuge der Analyse eines Bibeltextes auch hermeneutische Präzisierungen vorzunehmen. Deswegen bezieht sich der erste Schritt der Untersuchung patristischer Auslegung der Verwandlungserzählung auf die Hervorhebung hermeneutischer Grundprinzipien, wie sie innerhalb der jeweiligen Exegesen erkennbar werden. Hinsichtlich der patristischen Deutungen der Verwandlungserzählung lassen sich in diesem Zusammenhang folgende Leitgedanken schon vorab festhalten: 1. Indem die Kirchenväter jeweils wörtliche/geschichtliche/menschliche und geistliche/himmlische/göttliche Auslegung anstreben, ist erkennbar, dass sie durchweg den zweifachen Schriftsinn erschließen. 2. Sie gehen alle von der Geschichtlichkeit der im Bibeltext erzählten Ereignisse aus und verbinden diese Feststellung eng mit der Analyse des literalen Schriftsinns. 3. Sie identifizieren die Schrift mit Jesus Christus als dem Logos Gottes, des Vaters, und postulieren zugleich die Anwesenheit Jesu Christi in der Bibel. Diese drei Grundprinzipien des patristischen Schriftverständnisses sind auch schon unter den von Metzdorf festgestellten hermeneutischen Prinzipien der Kirchenväter zu finden. Denn das in der patristischen Exegese der Verwandlungsperikope festzustellende Grundprinzip des zweifachen Schriftsinns und die Annahme der Historizität der biblischen Ereignisse wurden auch von Metzdorf als hermeneutische Prinzipien der patristischen Exegese identifiziert. Das Grundprinzip der Identifizierung der Bibel mit Jesus Christus und von dessen Anwesenheit in der Bibel deutet auf das hermeneutische Prinzip der Analogie zwischen Christologie und Schriftauslegung hin. 2. Vergleiche zwischen patristischen und historisch-kritischen Auslegungen der Verwandlungserzählung In einem zweiten Schritt meiner Analyse der patristischen Exegese konzentriere ich mich auf den eigentlichen Umgang mit dem Text der Verwandlungsperikope seitens der ausgewählten Kirchenväter: Origenes, Chrysostomos und Hieronymus. Um den Charakter ihrer Methoden herauszuarbeiten, werde ich die patristisch-literale Exegese mit historisch-kritischen Methodenschritten vergleichen, um Verbindungslinien zu entdecken. Der Sinn dieses Unternehmens liegt in dem leitenden Interesse der vorliegenden Untersuchung, genauer zu erfahren, in welchem Verhältnis die Interpretationen der

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Kirchenväter zu heutigen Methoden stehen. Ich versuche folgende Frage zu beantworten: Lassen sich bereits bei den Kirchenvätern Methoden nachweisen, die mit historisch-kritischem Vorgehen vergleichbar sind bzw. Ansätze dafür bereitstellen? Diese Frage ist vor allem deshalb virulent, weil in der Regel von einem Antagonismus zwischen modernen wissenschaftlichen Auslegungsmethoden, besonders den historisch-kritischen, und patristischen Auslegungsweisen ausgegangen wird. So liegt der Fokus dieser Untersuchung auch darauf, in den patristischen Exegesen Bezüge zu modernen Auslegungsmethoden zu entdecken, wie etwa Textanalyse, Literarkritik, Traditions- oder Redaktionsgeschichte. 3. Aktualisierung Die meisten Kirchenväter sind Theologen mit exegetischen Vorlieben. Sie waren mehrheitlich Personen, die kirchenleitende Funktionen innehatten und somit vor der Aufgabe standen, Gläubigen die Bibel zu erklären. Das hatte unter anderem zur Folge, dass ihre Auslegungen stets situations- und kontextbezogen und damit auf Aktualisierung ausgerichtet waren. Darin unterscheiden sie sich von historisch-kritischen Exegesen. Die Kirchenväter legten die Bibeltexte zuerst literal aus, um diese dann mit einem In-die-GegenwartBringen des Textes zu verbinden. Niemals blieb eine ihrer Exegesen ohne die notwendige Aktualisierung, die zumeist durch allegorische Deutung erfolgte. Deswegen wird in einem dritten Schritt dieses Interesse an Aktualisierung genauer untersucht. Dabei lässt sich bereits vorwegnehmen, dass die Aktualisierung hauptsächlich in folgender Weise umgesetzt wird: 1. Es wird eine Familiarität mit den an der biblischen Erzählung teilhabenden Personen hergestellt.79 2. Nach einer solchen Identifikation mit den an den biblischen Ereignissen beteiligten Personen werden die aktuellen Hörer bzw. Leser vor allem eingeladen, diese nachzuahmen.80 3. Der wichtigste Punkt des Aktualisierungsprozesses betrifft m. E. die Übertragung eines im biblischen Text erzählten Ereignisses auf den Lebenskontext der Hörer bzw. Leser bzw. die Rekontextualisierung dieses Ereignis79

Über eine Familiarität mit dem biblischen Text als Aspekt des Aktualisierungsprozesses spricht HEINE, Reading, 177–178, indem er darunter eine Form der Annäherung an den Text versteht. 80 Das gilt auch für die patristische Auslegung des Alten Testaments. Vgl. ebd. 177: „The characters in these Old Testament stories […] are witnessing the life his readers are living (Heb. 12:1). His purpose in recalling these stories is not to relate history but to encourage his readers to run the race before them with endurance (Heb. 12:1) in the same way that these previous saints ran their race with endurance. These saints are a paradigm for his readers. He is encouraging them to imitate the faithfulness conveyed in the stories of these Old Testament characters in order to live faithfully in their own day.“

C. Die Auswahl der Kirchenväter

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ses. Dieses exegetische Spezifikum der patristischen Bibeldeutung wurde auch ‚Gestaltung des konkreten Lebens durch den Textʻ genannt.81 4. Die Aktualisierung geschieht, zumindest in den drei dieser Untersuchung zugrunde gelegten patristischen Exegesen, unter Beachtung wichtiger ethischer Komponenten. An dieser Stelle sollte m. E. eine nötige Präzisierung unternommen werden, die den allgemeinen Prozess der Aktualisierung betrifft. Diese Aktualisierung, verstanden auch als Ziel der patristischen Schriftauslegung, bedeutet nicht nur Vergegenwärtigung des biblischen Textes und seiner Botschaft, sondern vielmehr auch Verlebendigung82 und Vergegenwärtigung der im Bibeltext erzählten Ereignisse. Diese haben somit nicht nur im historischen Zusammenhang ihrer Entstehung Bedeutung, sondern erhalten einen paradigmatischen Wert für die nachkommenden Generationen. Die Aktualisierung besteht also nicht in der Rekonstruktion des ursprünglichen historischen Sinns, worauf die historisch-kritische Herangehensweise vorzugsweise zielt, sondern in der Hervorhebung der theologischen Bedeutung des in der Bibel dargestellten Ereignisses für eine neue Situation. Insofern sollte ein deutlicher Unterschied zwischen Aktualisierung des biblischen Textes und Aktualisierung des durch den biblischen Text dargestellten Ereignisses und dessen Bedeutung gemacht werden. Von daher ist der von Ronald Heine geforderte Imperativ, in den biblischen Texten zu leben („Coming to Live in the Text“83), durch die Forderung, das durch den biblischen Text vermittelte Ereignis zu erfahren und daraus Schlussfolgerungen für die Gegenwart zu ziehen, abzuändern.84

C. Die Auswahl der Kirchenväter C. Die Auswahl der Kirchenväter Um patristische Exegese am Beispiel der Verwandlungsperikope exemplarisch nach dem oben aufgeführten Vorgehen zu veranschaulichen, rekurriere ich auf Auslegungen von drei bedeutenden Kirchenvätern: Origenes, Johannes Chrysostomos und Hieronymus. Diese drei sind hochgeschätzte Lehrer der Kirche und anerkannte Bibelexegeten. Dies ist nur im Fall von Origenes etwas komplizierter, denn obwohl er 553 n. Chr. in Konstantinopel wegen seiner Lehre über die Apokatastasis anathematisiert wurde, sind seine Auslegungen zu verschiedenen Schriften der Bibel in der Orthodoxie geschätzt und in Gebrauch. Diese drei Kirchenväter wurden darüber hinaus vor allem 81

Vgl. ebd. 178: „Molding Life by the Text“. Vgl. KACZYNSKI, Wort, 207. 83 HEINE, Reading, 177. 84 Vgl. ebd. 176 [Hervorhebung im Original]. 82

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

deshalb ausgewählt, weil sie drei verschiedene theologische Profilierungen repräsentieren: 1. Origenes (185/186–253/254) ist ein Vertreter der alexandrinischen Richtung der Bibelexegese, die exklusiv den übertragenen Sinn der Texte gegen den Literalsinn betont. Origenes markiert den Anfang eines durchdachten exegetischen Systems. Er ist in gleichem Maße Theoretiker und Praktiker der Bibelexegese, besonders des Neuen Testaments.85 Darüber hinaus bietet Origenes zur Verwandlungserzählung Jesu „die umfangreichste exegetische Untersuchung aus der Zeit der Alten Kirche“.86 2. Johannes Chrysostomos (344/354–407) ist ein Vertreter der antiochenischen Auslegungsweise biblischer Texte, die durch eine konsequente Beachtung des Literalsinns, d. h. des geschichtlichen Kontextes, charakterisiert ist, ohne jedoch die übertragene Deutung völlig auszuschließen. Für das morgenländische Christentum ist Chrysostomos der wichtigste Exeget überhaupt. Seine neunzig exegetischen Homilien über das Matthäusevangelium sind die ältesten vollständig erhaltenen Untersuchungen zum ersten Evangelium.87 3. Hieronymus (347–419/420) stellt durch seine exegetische Tätigkeit eine Synthese zwischen mehreren Auslegungstraditionen dar, die vor allem durch das gleichwertige Interesse an der Erschließung des historischen und des geistlichen Textsinns steht. Dabei bildet er eine Brücke zwischen dem Christentum des Abend- und des Morgenlandes. Seine zehn Homilien über das Markusevangelium konstituieren die ältesten erhaltenen Auslegungen des zweiten Evangeliums.88 Diese drei Autoren behandeln die Verwandlungsperikope nicht nur in exegetischen Kommentaren und in Homilien, sondern auch in apologetischen oder in dogmatischen Werken. In der vorliegenden Untersuchung wurden aber nur diejenigen Schriften herangezogen, die sich vorrangig exegetisch mit dem Bibeltext befassen, d. h. in der Regel Kommentare und Homilien, da die anderen Werke die Botschaft des Textes viel ausgeprägter apologetischen und dogmatischen Interessen unterwerfen.

85 Vgl. METZDORF, Tempelaktion, 6: „Die Schriften des Origenes markieren nicht bloß den zeitlichen Beginn der großen exegetischen Kommentare, vielmehr ist mit ihnen auch schon der Höhepunkt wissenschaftlich fundierter Exegese aus der Zeit der Alten Kirche erreicht.“ 86 Ebd. 45. 87 Vgl. BALÁS/BINGHAM, Exegesis, 337: „Though a collection of homilies, Chrysostom’s work offers the oldest surviving complete commentary on Matthew.“ 88 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 30.

D. Exegetische Werke: Kommentare und Homilien

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D. Die exegetischen Werke: Kommentare und Homilien D. Exegetische Werke: Kommentare und Homilien Die exegetische Tätigkeit der Kirchenväter konkretisierte sich in zwei Textformen, dem Kommentar und der Homilie.89 Biblische Kommentare stricto sensu sind jedoch eher selten und das von Origenes etablierte Beispiel wurde wenig rezipiert. Der Großteil der exegetischen Arbeit der Kirchenväter besteht somit in Homilien.90 Insgesamt ist es schwierig, einen Kommentar von einer Homilie zu unterscheiden, weil die Homilien eine beachtliche wissenschaftliche Komponente und die Kommentare eine deutliche Neigung zur Aktualisierung aufweisen.91 Die neunzig Matthäushomilien des Chrysostomos z. B. haben einen deutlich katechetischen Charakter, denn sie wurden für Bibelstunden und nicht für liturgische Zusammenhänge geschaffen. Unter den drei ausgewählten Kirchenvätern verfasste nur Origenes einen Bibelkommentar. Chrysostomos und Hieronymus legen die Verwandlungsperikope im Rahmen von Homilien aus, die einem konkreten Publikum vorgetragen wurden. Diese Ausrichtung der Homilien verstärkt den Aspekt der Aktualisierung.92

E. Priorität des Matthäusevangeliums E. Priorität des Matthäusevangelium Im Rahmen der patristischen Bibelexegese lässt sich eine Vorliebe der Kirchenväter für die Analyse des Matthäusevangeliums erkennen. Exegetische Kommentare oder Homilien zum Markusevangelium sind daher eher selten in der patristischen Landschaft.93 Die Vorliebe gründet in der in patristischer 89

Die zwischen diesen beiden Textsorten existierende Verwandtschaft hinsichtlich der Struktur wurde schon durch METZDORF, Tempelaktion, 42 hervorgehoben. 90 Vgl. MIHOC, Actuality, 8: „Their sermons – and a considerable part of the patristic works is constituted of sermons preached to the faithful in the church – are especially homilies, that is homiletic interpretations of biblical pericopes and books. For there were not two different biblical exegeses, one for specialists and other one for the faithful.“ 91 Die Kommentare sind nicht nur für eine Elite verfasst und die Homilien haben als Adressaten nicht nur die „einfachen“ Gläubigen. Vgl. GIROD, Introduction, 18: „On ne peut dissocier commentaires et homélies sous le prétexte quʼils correspondent à deux genres distincts: comme les homélies sont remplies de details qui attestent un souci dʼordre scientifique, les commentaires sont pleins de préoccupations spirituelles.“ 92 Vgl. BENOÎT, Lʼactualité, 54, zitiert nach MIHOC, Actuality, 9: „For them [the Church Fathers – C. P.] praying, singing, officiating at the holy services are nothing else than answers to the divine revelation; there is a Bible commentary written in their piety, their life, their faith.“ 93 Mögliche Gründe dafür identifiziert SCHILDGEN, Power, 44: „First, if Church intellectuals were looking for a complete story of Jesus, Mark was deficient in contrast to Matthew and Luke; in fact, Matthew and Luke overlap with Mark with few exceptions. Second, to bolster doctrinal formulations, Markʼs gospel had less to offer than Matthew and Luke, who provide support for doctrines like the Trinity and the Incarnation or the

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Zeit verbreiteten Überzeugung, dass das Matthäusevangelium das älteste Evangelium ist. Auch Origenes, Chrysostomos und Hieronymus vertraten diese Ansicht. Das Matthäusevangelium war in dieser Zeit gewissermaßen das „Évangile par excellence“.94 Aus diesem Grund tritt bei der Untersuchung der patristischen Exegesen der Verwandlungsperikope die Matthäusfassung stark in den Vordergrund, während die Fassung aus dem Markusevangelium lediglich von Hieronymus ausgelegt wird. Insgesamt ist aber eine auffällige Harmonisierungstendenz der Kirchenväter bezüglich der synoptischen Evangelienerzählungen zu beobachten. Die Unterschiede zwischen den synoptischen Textfassungen werden verwischt und die jeweiligen theologischen Leitmotive so betont, als bildeten alle zusammen die entscheidende Fassung. Auch dies deutet darauf hin, dass die Kirchenväter in ihren Exegesen von hinter den Texten stehenden Ereignissen aus dem Leben Jesu ausgingen, die in den Evangelien unterschiedlich erzählt wurden und erst in der Zusammenschau der Erzählungen angemessen erfasst und dann aktualisiert werden konnten.

F. Origenes als Ausleger der Verwandlungserzählung F. Origenes Wie bereits erwähnt, bietet Origenes die ausführlichste Auslegung der Verwandlungserzählung in der Zeit der Alten Kirche, wie er sie in seinem Kommentar zum Matthäusevangelium niedergelegt hat.95 Auch wenn im Rahmen dieser Arbeit kaum auf das Gesamtwerk des Origenes eingegangen werden kann,96 so sei zumindest erwähnt, dass dieser Kirchenvater aufgrund seiner umstrittenen Lehre als ein Paradoxon der Geschichte bezeichnet werden kann. Zum einen inspirierte er Basilius den Großen, Gregor von Nazianz und emerging practice of sacraments like baptism. Third, in terms of rhetorical standards and expectations, Mark did not satisfy the rhetorically trained Fathers. Thus the reception in terms of actual citations in the period draws attention to the Fatherʼs careful reading that was directed by the ecclesiastical concerns of the times.“ 94 MASSAUX, Influence, 645. 95 METZDORF, Tempelaktion, 45 (zitiert oben bei Anm. 86). Für Cacciari brachte Origenes das Genre des biblischen Kommentars zur Perfektion. CACCIARI, Origen, 132, schreibt: „Biblical commentary before Origen did exist, but not as systematic work within a scientific framework; in this sense it is no exaggeration, in my opinion, to say that, even if he cannot be considered the primus inventor of this literary genre, he shaped it thoroughly and brought it to perfection“ [Hervorhebung im Original]. 96 Vgl. dazu exemplarisch NAUTIN , Origène. Außerdem siehe REVENTLOW, History, 174–199, und KANNENGIESSER, Handbook, 536–574, mit einer aktualisierten Bibliographie. Für die Nachwirkung der origenistischen Theologie siehe FÜRST, Erbe. Eine zusammenfassende Darstellung des Lebens und der Theologie des Origenes bietet etwa LITFIN, Origen, 108–152.

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andere Kirchenväter in der Konzeption ihrer Trinitätslehre im christlichen Osten und übte auch durch seine Philokalie-Ausgabe theologischen Einfluss aus;97 zum anderen wird er dennoch bis heute von der orthodoxen Theologie als Ketzer betrachtet. I. Quellenlage zur Verwandlungserzählung im Werk des Origenes Origenes hatte eine besondere Vorliebe für das Matthäusevangelium, das er als älteste Quelle des Lebens Jesu verstand 98 und das auch am häufigsten im Rahmen frühkirchlicher Liturgie verwendet wurde.99 Diese Vorliebe teilte er somit mit vielen seiner Zeitgenossen.100 Zur Abfassungszeit seines Kommentars zum Matthäusevangelium gibt es mehrere Hypothesen. Robert Girod und Pierre Nautin nehmen an, er habe den Kommentar wahrscheinlich um 246 101 oder gegen 248102 angefertigt, als er schon einige Zeit nicht mehr in seiner Heimatstadt Alexandrien, sondern in Cäsarea lebte. Eine Vorbereitung für seinen Matthäuskommentar bildete mit großer Wahrscheinlichkeit Origenesʼ Hexapla, welche dieser um 243 beendete.103 Diese Arbeit erklärt vielleicht auch, warum er in seinen Auslegungen des Matthäusevangelims so ausgeprägt auf Texte des Alten Testaments rekurrierte. Christoph Markschies dagegen geht davon aus, dass Origenes den Kommentar schon in Alexandrien angefangen und ab 230 in Cäsarea fortgesetzt hat.104 Folgt man der These von Markschies, dann wurde allem Anschein nach die bereits begonnene Ausarbeitung des Matthäuskommentars von einem anderen Anliegen unterbrochen. Origenes wurde von seinem Freund und Förderer Ambrosius gebeten, eine Widerlegung der antichristlichen Polemik des Philosophen Kelsos anzufertigen. Infolgedessen schrieb er ein Werk in acht Büchern, bekannt unter dem Titel Contra Celsum, in welchem Origenes die christliche Identität mit alttestamentlichen Prophetien in Verbindung bringt und zugleich die bis dahin präzisierte christliche Lehre zusammenfasst und darstellt.105 Mit dieser apologetischen Tendenz setzt er seinen Matthäuskommentar fort, der vielfach auch als sein theologisches Testament bezeichnet wird, nicht nur, weil es 97

Vgl. ORIGENES, Comm. in Mt. (Vogt, BGrL 18, 6–10). In der Kirchengeschichte Eusebs gibt es einen Auszug aus dem ersten, leider verloren gegangenen Buch des Matthäuskommentars von Origenes, in welchem Origenes behauptet, das Matthäusevangelium sei das älteste Evangelium. Vgl. EUSEB, Hist. eccl. VI, 25,4 (Bardy, SC 41, 126). Siehe dazu auch VOGT, Einleitung, 39–49. 99 Vgl. BATEMAN, Role, 130–133: „Origène a conservé incontestablement cette prédilection pour Matthieu.“ Siehe dazu auch GIROD, Introduction, 10. 100 Vgl. GIROD, Introduction, 10. 101 Vgl. ebd. 8. 102 Vgl. NAUTIN, Origène, 409–412. 103 Vgl. GIROD, Introduction, 8. 104 Vgl. MARKSCHIES, Origenes, 1–14, und SCHRÖTER, Exegese, 217. 105 Vgl. REVENTLOW, History, 178. Siehe dazu NAUTIN, Origène, 439. 98

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eines seiner letzten theologischen und exegetischen Werke ist. Origenes nimmt in seinem Matthäuskommentar Klärungen und Präzisierungen mancher von ihm schon früher behandelter theologischer Themen (Trinitätslehre, Christologie und Anthropologie) vor und fasst darin seine Wahrnehmung des christlichen Ethos zusammen.106 Origenesʼ Kommentar zum Matthäusevangelium ist allerdings, ebenso wie die meisten seiner anderen exegetischen Werke auch, nicht in vollem Umfang erhalten.107 Nach Eusebius hat der Kommentar aus „fünfundzwanzig Büchern“ bestanden.108 Davon sind nur acht Bücher erhalten geblieben: das zehnte bis siebzehnte Buch (Mt 13,36–22,33).109 Darüber hinaus gibt es eine spätere lateinische Übersetzung, die jedoch nicht von Origenes selbst stammt und daher in dieser Untersuchung keine weitere Berücksichtigung erfährt. Von dieser ist zudem lediglich ein Fragment erhalten (Mt 16,13–27,66).110 Eine kritische Ausgabe des Matthäuskommentars wurde 1935 von Erich Klostermann erarbeitet, der die griechischen und die lateinischen Fassungen synoptisch anordnete.111 Girod befasste sich später mit den ersten beiden erhaltenen Büchern (X und XI) und übersetzte sie ins Französische.112 Eine englische Übersetzung von fünf Büchern (X–XIV) wurde 1974 von John Patrick113 und eine deutsche Übersetzung aller acht Bücher von Hermann Vogt 1983 vorgelegt.114 Obwohl Origenes auf die Verwandlungserzählung auch in anderen seiner Schriften wie in Contra Celsum115 und in Homiliae in Genesim116 eingeht, untersucht er sie dort nicht exegetisch, sondern deutet sie lediglich theologisch als Exemplum der menschlichen Anteilnahme an der Herrlichkeit Gottes. Aus diesem Grund gibt lediglich der Matthäuskommen106

Vgl. COUNE, Transfiguration, 14. Vgl. VOGT, Einleitung, 50. Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 543. 108 Vgl. EUSEB, Hist. eccl. VI, 36,2 (Bardy, SC 41, 138). 109 PG 13, 829–1800. 110 Nach VOGT, Origenes, 8, gehört sie „am ehesten in den Umkreis Cassiodors […], der sich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts darum bemühte, einen Kommentar zur ganzen Heiligen Schrift zusammenzubringen“. 111 ORIGENES, Comm. in Mt. (Klostermann, GCS 40). 112 ORIGÈNE, Comm. in Mt. (Girod, SC 162). 113 PATRICK, Origenes. 114 ORIGENES, Comm. in Mt. (Vogt, BGrL 18). Wenn im Folgenden aus Origenesʼ Matthäuskommentar in deutscher Übersetzung zitiert wird, was zum Zwecke der einfacheren Lesbarkeit erfolgt, dann stammen die Zitate aus dieser Übersetzung von Vogt, da der Verfasser kein deutscher Muttersprachler ist und sich daher dieser deutschen Übersetzung bedient, sofern der griechische Text keine andere Übersetzung nahelegt. Selbstverständlich hat der Verfasser durchgehend die originalsprachlichen Texte analysiert. Analoges gilt für Chrysostomos und Hieronymus in der vorliegenden Untersuchung. 115 Siehe ORIGÈNE, Celse, II (Borret, SC 136, 220–223), und ORIGÈNE, Celse, III (Borret, SC 147, 348–351). 116 ORIGÈNE, Genèse (Doutreleau, SC 7, 71–73). 107

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tar Aufschluss über das exegetische Vorgehen des Origenes hinsichtlich der Verwandlungserzählung. II. Die Verwandlungserzählung im Matthäuskommentar des Origenes Die Erzählung von der Verwandlung Jesu auf dem Berg wird von Origenes in Buch XII, 31–43, seines Matthäuskommentars behandelt und ist sowohl in seiner griechischen Fassung als auch in einer lateinischen Übersetzung erhalten. Origenes greift das Thema der Verwandlung bereits in seiner Erklärung von Mt 16,28 auf (Buch XII, 31), weshalb in dieser Untersuchung auch mit Mt 16,28 eingesetzt wird.117 1. Das exegetische Vorgehen des Origenes In seinem exegetischen Vorgehen bei der Betrachtung der Verwandlungserzählung folgt Origenes weitgehend einem Schema, das als „step by step procedure“118 charakterisiert werden kann. Zunächst beachtet er die biblische Abfolge der auszulegenden Erzählung. Er zitiert oder paraphrasiert einen oder zwei Verse und legt diesen bzw. diese nach dem wörtlichen Sinn aus.119 Zur Verdeutlichung und Ergänzung der matthäischen Textvariante rekurriert er auf zusätzliche Informationen aus den anderen zwei synoptischen Versionen.120 Es folgt die übertragene Deutung des analysierten Textes,121 die durch Origenes mit dem persönlichen Zugang der Hörer bzw. Leser zu dem beschriebenen Ereignis in Verbindung gebracht wird.122 Die eigenen wörtlichen und übertragenen Auslegungen mancher Bibelperikopen werden von Origenes selber nirgendwo als verbindlich bewertet, sondern sind immer als mögliche Deutungsvarianten dem Publikum vorgeschlagen worden. Dementsprechend gibt er seiner Hörer- bzw. Leserschaft die Freiheit, seine Interpretation

117

Vgl. Comm. in Mt. XII, 31–43 (Vogt, BGrL 18, 191–205). TORJESEN, Procedure, 12. 119 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192): „Was wir im Augenblick zur Erklärung des vorliegenden Textes sehen, ist folgendes.“ 120 Vgl. Comm. in Mt. XII, 31.37.38.40 (Vogt, BGrL 18, 191.197.198.199). 121 Vgl. Comm. in Mt. XII, 41 (Vogt, BGrL 18, 202): „Da wir uns bis jetzt aber noch nicht um eine übertragene Auslegung dieser Stelle bemüht, sondern sie nur dem Wortlaut nach untersucht und dies gesagt haben, wollen wir im Anschluß daran folgendes sehen.“ 122 Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]: „Wenn also einer von uns von Jesus mitgenommen und auf den hohen Berg geführt und allein des Anblicks seiner Verklärung gewürdigt werden will, dann überschreite er die sechs Tage dadurch, daß er nicht mehr ,das Sichtbareʻ anschaut und nicht mehr ,die Welt noch die Dinge in der Weltʻ liebt, noch irgendeine weltliche Begierde in sich aufkommen läßt, welche Begierde nach Körpern und nach Reichtum im Körperlichen und nach fleischlicher Ehre ist.“ Dazu siehe TORJESEN, Procedure, 64–65. 118

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zu akzeptieren oder auch nicht.123 Obwohl Origenes fast den ganzen Matthäustext der Verwandlungserzählung in seinem Kommentar zitiert, legt er nicht alle Verse eigens aus. Am ausführlichsten werden von ihm Mt 16,28 (XII, 31–35) (vom Nichtkosten des Todes und vom Sehen des Menschensohns) sowie Mt 17,4 (XII, 40–42) (der Vorschlag des Petrus, drei Hütten zu bauen) ausgelegt. Eine gewisse Beachtung genießen in seiner Exegese des Weiteren Mt 17,1–2 über die sechs Tage, die eigentliche Verwandlung Jesu und die Erwähnung seiner weißen Kleider (Mt 17,1–2 in XII, 36–39) sowie die Erscheinung der Wolke (Mt 17,5 in XII, 42). Kaum Beachtung finden Mt 17,3 (die Erscheinung Moses und Elias) (XII, 38), Mt 17,6 (das Niederfallen der Jünger auf ihr Angesicht) (XII, 43) und Mt 17,8–9 (das Alleinbleiben mit Jesus sowie das Schweigegebot) (XII, 43). Origenes beginnt seine Untersuchung der Verwandlung Jesu auf dem Berg mit Mt 16,28 und endet mit Mt 17,9. Er widmet dieser Erzählung im XII. Buch insgesamt 13 Kapitel (XII, 31–43), dem Eröffnungsvers 28 aus Mt 16 davon allein fünf Kapitel. Dabei setzt er mit dem Zitat von Mt 16,28a ein, das er seiner Auslegung voranstellt. Der zweite Teil des Verses mit dem Logion vom Kommen des Menschensohns (Mt 16,28b) wird erst wenige Zeilen später innerhalb seiner Auslegung und später nochmals in Kapitel 34 zitiert, an diesen Stellen aber nicht so sehr exponiert wie Mt 16,28a ganz am Anfang seiner Auslegung. Origenes’ Auslegung von Mt 16,28 widmet sich vor allem dem Motiv des Nichtkostens des Todes (οὐ µὴ γεύσωνται θανάτου). Jesu Zusage an die umstehenden zwölf Jünger, dass sie den Menschensohn in seinem Reich noch kommen sehen, bevor sie sterben (Mt 16,28), eröffnet für Origenes die Erzählung von der Verwandlung Jesu. Er bezieht das Jesuswort vom ‚Kosten des Todesʻ und vom ‚Sehen des Menschensohns in seinem Reichʻ damit auf die Verwandlung, nämlich dass diejenigen, die an seiner Verwandlung auf dem Berg teilgenommen haben, die Herrlichkeit Gottes vor ihrem Tod geschaut haben. Das betrifft somit die drei von Jesus auf den Berg mitgenommenen Jünger (Petrus, Jakobus und Johannes),124 die in Bezug auf das Erleben von Jesu Herrlichkeit offensichtlich ein größeres Verständnis als die anderen Jünger aufweisen. Infolgedessen zeichnet sich im Rahmen der

123

Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204): „Überlege aber, ob du auch folgendes über den Sinn der vorliegenden Stelle sagen kannst.“ Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 204): Πρόσχες δέ, εἰ δύνασαι καὶ ταῦτα εἰπεῖν περὶ τῶν κατὰ τὸν τόπον. Hierzu siehe noch VOGT, Fragen, 105: „Jedem Origenes-Kenner ist bekannt, daß Origenes seine Bibeldeutung jeweils nicht mit letzter Verbindlichkeit vorträgt, sondern dem Leser immer eine gewisse Freiheit läßt. Häufig sagt er ausdrücklich, daß dem Leser die Entscheidung überlassen bleibt, ob er eine Deutung annehmen will.“ 124 Vgl. Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191) [Hervorhebung im Original]: „[…] Petrus und die beiden übrigen Apostel den Tod nicht gekostet haben, bevor sie den Menschensohn in seiner Herrschaft und in seiner Herrlichkeit kommen sahen“.

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Gruppe der Zwölf nach Origenes eine Hierarchisierung ab (XII, 32).125 Der Aufstieg auf den Verwandlungsberg bedeutet für ihn Annäherung an die göttliche Offenbarung.126 Dass Jesu Wort in Mt 16,28 auf das unmittelbar danach erzählte Ereignis der Verwandlung Jesu bezogen ist, steht für Origenes außer Frage. Adressaten des ersten Teils des Amenwortes Jesu sind auch hier Petrus, Jakobus und Johannes. Nach Origenes haben aber nicht nur die drei Jünger an diesem Nichtkosten des Todes Anteil, sondern alle, die ein aufrichtiges Leben führen.127 Darüber hinaus erklärt er das Kosten des Todes allegorisch, indem er es mit dem Sündigen gleichsetzt.128 In Kapitel 36 setzt er erneut mit einem exponierten Zitat aus der Erzählung von der Verwandlung ein (Mt 17,1–2a). Die diesem Zitat folgenden acht Kapitel seiner Auslegung sind aber der gesamten Perikope bis V. 7 gewidmet, ohne dass erneut Verse der Erzählung in dieser Weise exponiert werden, vielmehr werden sie in die Auslegung integriert. Mit diesem Verfahren will Origenes offensichtlich unterstreichen, in welchen Versen er Kernaussagen der Erzählung erblickt. Bei der Analyse der Verse Mt 17,1–2 konzentriert er sich zunächst auf die Zeitangabe „sechs Tage danach“. Da nach Gen 1 die Welt in sechs Tagen erschaffen wurde, bedeutet für ihn die Überschreitung dieser Zeitgrenze eine Überholung aller sichtbaren Dinge der Welt zum Zweck des Erblickens des Unsichtbaren.129 Insofern stellt die Verwandlung Jesu seiner Meinung nach einen neuen Sabbat dar.130 Außerdem bedeutet für 125 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192) [Hervorhebung im Original]: „Diese nun, die bei Jesus stehen, d. h. beim Wort Gottes, stehen nicht alle gleich. Es gibt nämlich auch unter denen, die bei Jesus stehen, Unterschiede. Deswegen werden nicht alle, die beim Heiland stehen, sondern nur einige von ihnen, die einen besseren Stand haben, den Tod nicht kosten, bis sie das bei den Menschen ankommende Wort, welches deswegen Menschensohn heißt, in seiner Herrschaft kommen sehen.“ 126 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „Es gibt also eine zutage tretende königliche Würde des Wortes, welches ganz offen die Herrschaft über alle Worte übernommen hat, die von einigen von denen, die bei Jesus stehen, gesehen wird, wenn sie ihm folgen können, da er ihnen vorausgeht und auf den hohen Berg seiner Offenbarung steigt.“ 127 Vgl. ebd.: „Diese Auslegung des Wortes, daß die drei Apostel den Tod nicht kosteten, bevor sie Jesus nicht umgestaltet sahen, paßt für diejenigen, die (nach dem Wort des Petrus) ,wie neugeborene Kinderʻ geworden sind und ‚nach der vernünftigen Milch ohne Trugʻ verlangen (1 Petr 2,2).“ 128 Vgl. Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 194) [Hervorhebung im Original]: „Und diejenigen, die selten und gering sündigen, kosten vielleicht nur vom Tod. Die aber Tugend angenommen haben, kosten nicht einmal von ihm, sondern ernähren sich immer vom lebendigen Brot.“ 129 Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197): „[…] wird hier derjenige, der alle Dinge der Welt dadurch überschreitet, daß er nicht mehr ,das Sichtbareʻ anschaut (das ist nämlich ‚zeitlichʻ), sondern schon ‚das Unsichtbareʻ.“ 130 Vgl. ebd.: „Wenn er nämlich die sechs Tage durchschritten hat (wie wir sagten), wird er einen neuen Sabbat feiern, voll Freude darüber, daß er auf dem hohen Berg den vor seinen Augen verklärten Jesus schauen darf.“

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Origenes die Verwandlung Jesu vor den Augen seiner drei Jünger, dass sie seine Gottesgestalt sahen und dass er sich jedem entsprechend seiner jeweiligen Wahrnehmungskraft offenbart.131 Die weiß gewordenen Kleider Jesu (Mt 17,2) weisen seiner Meinung nach ebenso auf die Verstehensmöglichkeit seitens der Jünger und aller nachkommenden Christen hin, denn sie symbolisieren für ihn „die Worte und die Buchstaben der Evangelien“.132 Den zweiten Schwerpunkt der origenistischen Auslegung bildet der Vorschlag Petri, drei Hütten zu bauen (Mt 17,4), und dessen Auswirkungen auf die übrige Erzählung (Mt 17,5–7). Origenes erklärt diesen Vorschlag als unangemessen und vom Teufel verursacht, um Jesus von Mose und Elia zu trennen und ihn von seinem Weg abzubringen.133 Ihm zufolge wird darin deutlich, dass Petrus das Heilswerk Jesu noch nicht recht erfasst hat.134 Die Erscheinung der Wolke (Mt 17,5) wird als Reaktion auf den Vorschlag Petri und zugleich als dessen Korrektur verstanden. Die Wolke deutet er als eine göttlich-verbindende und nicht eine menschlich-trennende Hütte.135 Origenes 131

Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197–198) [Hervorhebung im Original]: „Und dementsprechend kannst du es für möglich erklären, daß Jesus vor den Augen der einen auf diese Weise verklärt wird, vor den Augen anderer aber zur gleichen Zeit nicht verklärt wird.“ 132 Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 198). 133 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 200–201) [Hervorhebung im Original]: „Ist es möglich, daß jemand an Jesus Ärgernis nimmt, ohne daß der ärgerniserregende Teufel dabei wirkt? […] Wenn sich das aber so verhält, will vielleicht derjenige, welcher alles ins Werk setzt, was dazu dienlich scheint, Jesus (soviel an ihm liegt) Ärgernis zu bereiten und ihn von dem mit großer Bereitwilligkeit zum Heil der Menschen übernommenen Heilswerk des Leidens abzubringen, auch hier gewissermaßen in trügerischer Absicht Jesus ablenken und, als wäre das gut, ihn dazu bringen, sich nicht mehr zu den Menschen herabzulassen und zu ihnen zu kommen und den Tod für sie auf sich zu nehmen, sondern mit Moses und Elias auf dem hohen Berg zu bleiben. […] Vielleicht wirkte auch dabei Böses derjenige, der in dem wirkte, der nicht wußte, was er sagte, weil er nicht wollte, daß Jesus und Moses und Elias zusammen seien, sondern sie voneinander trennen wollte unter dem Vorwand der drei Hütten. […] Es war aber auch Lüge, zu sagen: Es ist gut, daß wir hier sind. Wenn es nämlich gut gewesen wäre, wären sie dort geblieben. Wenn es aber Lüge war, wirst du fragen, wer bewirkt hat, daß diese Lüge gesprochen wurde, und zwar hauptsächlich deswegen, weil er nach Johannes ,aus seinem Eigenen redet, wenn er Lüge redet, weil er ein Lügner ist und der Vater der Lügeʻ.“ 134 Vgl. Comm. in Mt. XII, 41 (Vogt, BGrL 18, 202) [Hervorhebung im Original]: „Etwas derartiges widerfuhr auch dem Petrus; weil er nämlich nicht erfaßte, was das Gute ist in bezug auf das Heilswerk Jesu und die auf dem Berg gesehenen Moses und Elias, sagt er: Es ist gut, daß wir hier sind.“ 135 Vgl. Comm. in Mt. XII, 42 (Vogt, BGrL 18, 203) [Hervorhebung im Original]: „Ich meine aber, daß Gott, um den Petrus vom Bau der drei Hütten abzubringen, unter denen sie, soweit es nach seinem Willen gegangen wäre, wohnen sollten, als eine einzige und bessere (um das so zu nennen) und viel vorzüglichere Hütte die Wolke zeigt. Wenn es nämlich Zweck einer Hütte ist, ihren Bewohner zu überschatten und zu beschützen, die

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identifiziert die Wolke weiter mit der Macht des Vaters, mit dem Heiligen Geist und sogar mit dem Retter selbst.136 Die aus der Wolke ertönende Stimme hat die Funktion der Belehrung der Jünger bezüglich der wahren Identität Jesu.137 Das Niederfallen der Jünger auf ihr Angesicht (Mt 17,6) deutet er als wichtiges Zeichen dafür, dass die Jünger die Identität Jesu begriffen haben.138 Das Alleinbleiben Jesu mit seinen drei Jüngern am Ende seiner Verwandlung setzt nicht das Weggehen von Mose und Elia voraus, sondern deren Vereinigung in Jesus. Denn wenn die Jünger ihre Augen erheben, sehen sie nur Jesus allein, was Origenes als Verschmelzung von Gesetz, Prophetie und Evangelium deutet (Mt 17,8).139 Die Verwandlungserzählung endet für ihn in Mt 17,9 mit dem Gebot Jesu an seine drei Jünger, von diesem Ereignis zu schweigen bis zur Auferstehung des Menschensohns. Das Schweigegebot bis zu diesem künftigen Zeitpunkt wird von Origenes als Indiz für eine göttliche Pädagogik gesehen, da die Zuhörer und vor allem die Menge dieses Ereignis mit der späteren Kreuzigung Jesu nicht ohne Schaden hätten in Einklang bringen können.140 Im Verlauf seiner Auslegung rekurriert Origenes nicht nur auf die drei synoptischen Fassungen, sondern auch auf andere Bibelzitate, sowohl aus dem Alten als auch aus dem Neuen Testament. Dieses Vorgehen folgt seinem fundamentalen exegetischen Prinzip der Schrifterklärung durch die Schrift lichte Wolke sie aber überschattete, hat Gott ihnen gewissermaßen eine göttlichere Hütte, die ja auch licht war, zum Vorbild der zukünftigen Ruhe erschaffen.“ 136 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „Was aber ist wohl die lichte Wolke, welche die Gerechten überschattet, wenn nicht die Macht des Vaters, von der die Stimme des Vaters herkommt, welche dem Sohn Liebe und Wohlgefallen bezeugt und die von ihr Überschatteten antreibt, auf ihn und keinen anderen zu hören? […] Vielleicht ist aber auch der Heilige Geist die lichte Wolke, welche die Gerechten beschattet und prophezeit, wobei Gott in ihr wirkt und spricht […]. Ich möchte aber zu sagen wagen, daß auch unser Heiland eine lichte Wolke ist.“ 137 Vgl. ebd. 203–204 [Hervorhebung im Original]: „Vielleicht aber belehrt sie die Jünger, daß der eigentlich geliebte Sohn Gottes, an dem er sein Wohlgefallen hat und auf den man hauptsächlich hören muß, derjenige war, der damals geschaut wurde und verklärt war und mit dem Angesicht wie die Sonne strahlt und mit Kleidern angetan war, die weiß waren wie das Licht.“ 138 Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204): „Die Jünger verstanden, daß der Sohn Gottes dem Moses Weisung gegeben hatte und daß er es war, der gesagt hatte: ,Kein Mensch wird mein Angesicht sehen und am Leben bleibenʻ [Ex 33,20]; und als sie (das wie die Sonne gewordene Angesicht des Sohnes Gottes sahen und) noch das Zeugnis Gottes über ihn empfingen, ertrugen sie die Strahlen des Logos nicht mehr, sondern demütigten sich ,unter die starke Hand Gottesʻ [1 Petr 5,6].“ 139 Vgl. ebd.: „Denn Moses, das Gesetz, und Elias, die Prophetie, sind mit Jesus, dem Evangelium, eins geworden und sind nicht so, wie sie vorher waren, drei geblieben, sondern die drei sind zu einem geworden.“ 140 Vgl. ebd. 205: „Schaden nämlich hätten die Zuhörer, vor allem die Menge, genommen, wenn sie den so Verherrlichten gekreuzigt gesehen hätten.“

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selbst, wie Girod hervorgehoben hat: „Il demeure que, si lʼon peu parler de ,méthodeʻ à propos de lʼexégèse dʼOrigène, ce nʼest guère quʼen ce qui concerne lʼapplication du principe, essentiel à ses yeux, selon lequel la Bible éclaire la Bible.“141 Von alttestamentlichen Zitaten macht Origenes 13-mal Gebrauch.142 Die alttestamentlichen Zitate konzentrieren sich auf die Erläuterung von Mt 16,28 über das Kosten des Todes, von Mt 17,2 über das Leuchten seines Angesichts und von Mt 17,7 über das Erschrecken der Jünger. Zu diesen Zitaten gesellen sich 36 aus dem Neuen Testament.143 Ihr Anteil ist gleichmäßig über die Auslegung verteilt. 2. Der Text der Perikope im Matthäuskommentar Es ist weiter zu fragen, welcher Text der Verwandlungserzählung dem Matthäuskommentar des Origenes zugrunde liegt, eine Frage, die sich auch für die anderen patristischen Exegesen in dieser Untersuchung stellt. Die Problematik, welche Handschriften Origenes vorgelegen haben, wird in der Forschung, etwa von Klostermann, Girod oder Vogt, nicht thematisiert. Sie sind mehr an der Frage nach dem Kanon des Neuen Testaments interessiert, den Origenes voraussetzt, und damit am Umfang der Schriften, die ihm vorgelegen haben, als an deren handschriftlicher Bezeugung.144 Die bisherigen wenigen Studien zu diesem Thema zeigen, dass die von Origenes in seinen Auslegungen verwendeten Texte des Neuen Testaments Bezüge zu einer breiten Palette der in der modernen Zeit klassifizierten Handschriften aufweisen können.145 Ehrman z. B. nennt ihn „one of the purest witnesses of the Alexandrian tradition“.146 Dazu gehören bei den Evangelien unter anderem die Papyri 66 und 75 sowie die Codices Sinaiticus und Vaticanus.147 Um den spezifischen Text herauszuarbeiten, den Origenes seinem Kommentar zugrunde gelegt hat, soll im Folgenden ein Vergleich seines Textes mit der jüngsten Auflage der kritischen Textausgabe des Novum Testamentum Graece durchgeführt werden. Für die Rekonstruktion des origenistischen 141

GIROD, Introduction, 101. Ähnlich auch VOGT, Einleitung, 38. Davon zweimal aus Exodus (13,5; 33,20), fünfmal aus Deuteronomium (10,10; 5,31; 30,15; 30,19; 28,66), zweimal aus Jesaja (53,2; 25,8), zweimal aus den Psalmen (88,49; 54,16), einmal aus Maleachi (3,20) und einmal aus Sprüche (16,23). 143 Davon 16 aus den Evangelien (neun davon aus dem Matthäusevangelium), 15 aus den Paulusbriefen, drei aus den Petrusbriefen und zwei aus der Offenbarung: Mt 20,21.23; 1 Petr 2,2; 1 Kor 3,2; Hebr 5,14; Röm 14,2; Mt 16,18; Mk 3,17; Offb 19,13; Lk 17,21; Joh 11,25; Kol 3,4; 1 Kor 15,26; Joh 6,33; Mt 28,20; Offb 6,8; 2 Kor 4,18; Tit 2,12; Phil 2,6; 1 Thess 5,5; Röm 13,13; 1 Kor 2,7; Joh 7,39; Kol 2,15; Mt 16,23; 16,16; 1 Petr 1,19; Joh 8,44; 14,6; Mt 16,22; 1 Kor 13,5; 9,19; 1 Tim 1,7; 1 Petr 5,6; Mt 27,53; 16,20. 144 Vgl. OLIVER, Origen, 13–26. 145 Vgl. B. M. METZGER, References, 78–95. 146 EHRMAN, Criticism, 292. 147 Vgl. D. A. BLACK, Rethinking, 64. 142

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Matthäustextes führe ich jene Stellen an, die der Alexandriner explizit zitiert und die im Folgenden zusammengefügt werden. Im griechischen Text des Kommentars aus PG 13148 sind die Zitate in Klammern wiedergegeben, wahrscheinlich zwecks Hervorhebung, während die lateinische Textvariante aus der Ausgabe von Klostermann diese Zitate kursiv schreibt. In der folgenden Übersicht sind Abweichungen der beiden Textrekonstruktionen voneinander kursiviert. An einigen Stellen übernimmt Origenes eindeutig und teilweise explizit Textvarianten der Seitenreferenten, die entsprechend in Klammern notiert werden.

16,28

Kritische Ausgabe des Matthäustextes 16,28–17,9 (NA28)

Rekonstruktion des Matthäustextes im Matthäuskommentar von Origenes149

ἀµὴν λέγω ὑµῖν ὅτι

λέγω δὲ ὑµῖν ἀληθῶς (Lk) ὅτι, εἰσίν τινες τῶν ὧδε ἑστώτων οἵτινες οὐ µὴ γεύσωνται θανάτου πρὸ τοῦ ἱδεῖν τὸν Υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἐλθόντα (Lk) ἐν τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ, ἐν τῇ δόξῇ αὐτοῦ (Lk).

εἰσίν τινες τῶν ὧδε ἑστώτων οἵτινες οὐ µὴ γεύσωνται θανάτου ἕως ἂν ἴδωσιν τὸν υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἐρχόµενον ἐν τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ. 17,1

Καὶ µεθ᾽ ἡµέρας ἓξ

Μετὰ δὲ (Lk) ἡµέρας ἓξ (κατὰ τὸν Ματθαῖον καὶ τὸν Μᾶρκον)

παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽ ἰδίαν.

παραλαµβάνει τὸν Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ καὶ ἀνάγει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽ ἰδίαν.

17,2

καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, καὶ ἔλαµψεν τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος, τὰ δὲ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο λευκὰ ὡς τὸ φῶς.

καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν καὶ τὸ πρόσωπον αὐτοῦ λάµπει ὡς ὁ ἥλιος, καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ φαίνεται λευκὰ ὡς τὸ φῶς.

17,3

καὶ ἰδοὺ ὤφθη αὐτοῖς Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας

17,4

συλλαλοῦντες µετ᾽ αὐτοῦ.

µετ᾽ αὐτοῦ συλλαλοῦντες.

ἀποκριθεὶς δὲ ὁ Πέτρος εἶπεν τῷ Ἰησοῦ· κύριε, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι· εἰ θέλεις, ποιήσω ὧδε τρεῖς σκηνάς,

ὁ Πέτρος ἀποκριθεὶς εἶπε τῷ Ἰησοῦ· κύριε, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι·

ποιήσωµεν (Mk, Lk) τρεῖς σκηνάς

σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.

148 149

Vgl. ORIGENES, Matthaeum (PG 13, 1051–1085). Vgl. die kritische Ausgabe von Klostermann.

180 17,5

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung ἔτι αὐτοῦ λαλοῦντος ἰδοὺ νεφέλη φωτεινὴ ἐπεσκίασεν αὐτούς, καὶ ἰδοὺ φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης

ἔτι λαλοῦντος αὐτοῦ καὶ ἰδοὺ νεφέλη φωτεινὴ ἐπεσκίασεν αὐτούς […] τῆς φωνὴς ἐκ τῆς νεφέλης

λέγουσα· οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα· ἀκούετε αὐτοῦ.

οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ ηὐδόκησα· ἀκούετε αὐτοῦ.

17,6

καὶ ἀκούσαντες οἱ µαθηταὶ ἔπεσαν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῶν καὶ ἐφοβήθησαν σφόδρα.

ἀκούσαντες […] πεσόντες ἐπὶ πρόσωπον […] σφόδρα γὰρ ἐφοβήθησαν

17,7

καὶ προσῆλθεν ὁ Ἰησοῦς καὶ ἁψάµενος αὐτῶν εἶπεν· ἐγέρθητε καὶ µὴ φοβεῖσθε.

(Mk, Lk)

17,8

ἐπάραντες δὲ τοὺς ὀφθαλµοὺς αὐτῶν οὐδένα εἶδον εἰ µὴ αὐτὸν Ἰησοῦν µόνον.

τοὺς ὀφθαλµοὺς ἐπάραντες

καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους ἐνετείλατο αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς λέγων· µηδενὶ εἴπητε τὸ ὅραµα ἕως οὗ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἐγερθῇ.

[…] καταβαινόντων ἐκ τοῦ ὄρους τῶν µαθητῶν […] ἐνετείλατο ὁ Ἰησοῦς τοῖς µαθηταὶς λέγων· µηδενὶ εἴπητε τὸ ὅραµα ἕως οὗ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ (Mk).

17,9

εἶδον Ἰησοῦν µόνον καὶ οὐδένα ἄλλον

Insgesamt fällt zum einen auf, wie nah der von Origenes zitierte Text dem des NA28 ist, und zum anderen, wie ausgeprägt er Lesarten der Seitenreferenten statt der matthäischen einfügt. Das Logion Jesu vom Nichtkosten des Todes (Mt 16,28a) gibt Origenes in seinem Kommentar fast identisch mit der aktuellen kritischen NA-Ausgabe wieder. Nur das Wort ἀµήν wird bei ihm durch ἀληθῶς ersetzt, was auf Lk 9,27 als Quelle verweist. Das gilt auch für Mt 16,28b, wo Origenes das Sehen der Königsherrschaft des Menschensohns durch „in seiner Herrlichkeit“ ergänzt, wie es in Lk 9,26 heißt, nicht im Rahmen der lukanischen Verwandlungserzählung, sondern in der Szene davor: ἔλθῃ ἐν τῇ δόξῃ αὐτοῦ. In der origenistischen Wiedergabe von Mt 17,1 begegnet µετὰ δέ statt καὶ µεθʼ150 und der Name Jesu wird nicht mehr explizit erwähnt, was nach Lk 9,28 klingt. Die Angabe der sechs Tage erkennt er als typisch für die matthäische und die markinische Fassung, was die wahrscheinlich von ihm stammende Anmerkung κατὰ τὸν Ματθαῖον καὶ τὸν Μᾶρκον deutlich macht.151 Zugleich substituiert Origenes ἀναφέρει aus Mt 17,1 durch das synonyme ἀνάγει.152 Bei der Darstellung der Art und Weise der Verwandlung in Mt 17,2 schreibt er statt

150

Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 150). Ebd. 152 Vgl. ebd. 151

F. Origenes

181

des Imperfekts (ἔλαµψεν) die Präsensform desselben Verbums (λάµπει)153 und bezüglich seiner Kleider φαίνεται λευκά.154 In Mt 17,3 zitiert er im Vergleich zu NA28 nur den Ausdruck µετ᾽ αὐτοῦ συλλαλοῦντες – allerdings in umgekehrter Reihenfolge.155 Dass diejenigen, die mit Jesus sprachen, Mose und Elia waren, zeigt allerdings Origenes anhand der Paraphrasierung des ersten Teils des Verses 1,3. Die Rede des Petrus aus Mt 17,4 weist in der Textwiedergabe des Origenes sowohl Züge des Markus- als auch des Lukastextes auf. Der Vorschlag Petri, drei Hütten zu bauen, wird wie in Mk 9,5 und Lk 9,33 ohne Anspielung auf die Erlaubnis (εἰ θέλεις), aber mit der Erwähnung einer Zusammenarbeit (ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς) geschildert.156 Origenes verzichtet auf die Nennung der Empfänger der Hütten, was im Einklang mit V. 3 steht, wo ebenfalls die Namen Mose und Elia fehlen. In Mt 17,5 dagegen gibt er fast wortwörtlich das Erscheinen der Wolke und die Worte der Stimme wieder. Er verzichtet auf λέγουσα, ähnlich wie Mk 9,7, und schreibt ηὐδόκησα statt εὐδόκησα.157 Obwohl Origenes Mt 17,6 mit kleinen Abweichungen bietet,158 lässt er V. 7 fort und erwähnt somit, wie auch die Markus- und die Lukasfassung, nicht die Szene, in der Jesus seine drei Jünger ermutigt. Ob hier von einem Rekurs des Origenes auf die Textversionen des Markus- und des Lukasevangeliums hinsichtlich des Nichterwähnens der Ermunterung der Jünger durch Jesus ausgegangen werden kann, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. In den zwei erwähnten Evangelien fehlt nicht nur die Episode von der Ermunterung der drei Jünger aus Mt 17,7, sondern die ganze in Mt 17,6–7 erzählte Sequenz, während Origenes V. 6 zumindest teilweise zitiert. Hätte er sich hier den Seitenreferenten angeschlossen, hätte er wahrscheinlich die ganze Texteinheit Mt 17,6–7 fortgelassen. Oder er hat bewußt nur V. 7 weggelassen, um das dort zum Ausdruck gebrachte Beenden der Furcht der Jünger durch die persönliche Intervention Jesu nicht mehr zu erwähnen und somit die Verlegenheit der drei zu verlängern. Das Ende der Verwandlungserzählung wird von Origenes anhand des Aufblickens der drei Jünger und ihres Sehens Jesu aus Mt 17,8 mit wenigen, für den Sinn des Textes nicht signifikanten Unterschieden wiedergegeben.159 Zuletzt führt er das Schweigegebot Jesu mit dem Unterschied an, dass er das Verb ἀναστῇ160 (wie in Mk 9,9) und nicht ἐγερθῇ (wie in Mt 17,9) wählt. Diese Übersicht zeigt, dass die Differenzen der Texte nicht erheblich sind. Auffällig ist insbesondere, wie sehr sich Origenes auch an den Seitenreferen153

Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Klostermann, GCS 40, 153). Vgl. Comm. in Mt. XII, 38 (Klostermann, GCS 40, 155). 155 Vgl. ebd. 156 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Klostermann, GCS 40, 157). 157 Vgl. Comm. in Mt. XII, 42 (Klostermann, GCS 40, 166). 158 Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 167). 159 Vgl. ebd. 168. 160 Vgl. ebd. 169–170. 154

182

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

ten orientiert. Diese Lesarten sind wohl als Harmonisierungstendenzen zwischen den drei synoptischen Überlieferungen zu deuten und höchstwahrscheinlich auf Origenes selbst zurückzuführen. Das zeigt, dass er eine gewisse Freiheit hinsichtlich des Matthäustextes an den Tag legt. „Für Väterzitate gilt also offensichtlich die Regel: Der Text, den sie reproduzieren, entspricht dem der frühen Handschriften, ihre Überlieferungsweise ist freier als die der Handschriften. Diese größere Freiheit nahmen sie sich, und sie wurde ihnen offensichtlich zugestanden. Man verstand, was sie meinten“, kommentiert Kyoung Min.161 Es heißt, dass für Origenes weniger die genaue Beachtung der genuinen Matthäusversion relevant war, sondern die für sein Verständnis treffendste Darstellung des Ereignisses der Verwandlung. Schon Min hat beobachtet, dass Origenes beim Zitieren von biblischen Texten verschiedene synoptische Versionen miteinander verschmilzt.162 Interessant an diesem Vorgehen ist, dass der eigentliche Sinn des Matthäustextes dadurch nicht beeinträchtigt wird. In seinem Matthäuskommentar arbeitet Origenes grundsätzlich mit dem matthäischen Text, aber er liest und legt die anderen synoptischen Versionen mit aus und teilweise ersetzen sie Stellen der Matthäusfassung. Vielleicht wird damit ein exegetischer Ansatz des Origenes deutlich, den er infolge seiner Arbeit an der Hexapla, wo Bibeltexte verglichen worden sind, sich zu eigen machte.163 Daraus ist zu folgern, dass Origenes das Matthäusevangelium synchron mit der markinischen und der lukanischen Version untersucht und beabsichtigt, den für ihn überzeugendsten Plot der Erzählung herauszuarbeiten. Seine Exegese ist grundsätzlich synoptisch ausgerichtet.164 Für sein Textverständnis setzt das in erster Linie voraus, dass das in Christus verwirklichte Heilsgeschehen von den Evangelisten durch unterschiedliche Schwerpunkte wahrgenommen worden ist und kein Evangelist diese Heilsgeschichte vollständig wiedergibt. Daraus ergibt sich für ihn die Notwendigkeit des Rekurses auf alle drei Textfassungen, um eine möglichst detailgetreue Erzählung zu gewinnen. Zugleich deutet diese synoptische Tendenz seiner Exegese auf den bereits oben erwähnten Aspekt des origenistischen Schriftverständnisses hin, dem zufolge die Bibel durch die Bibel zu erklären ist.165

161

MIN, Überlieferung, 321. Ebd. 319. 163 Vgl. GIROD, Introduction, 8. 164 Vgl. ebd. 98: „Son exégèse est en particulier assez souvent synoptique: il complète Matthieu par Marc, par Marc et Luc réunis, par Jean.“ 165 Vgl. ebd.: „Un simple petit mot ajouté par lʼun des quatre évangiles est pour lui plein de sens. Sans quʼil nous le dise, nous nous apercevons parfois que ce nʼest plus le texte de Matthieu quʼil a sous les yeux, mais celui de Marc, par exemple.“ 162

F. Origenes

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III. Grundprinzipien des Schriftverständnisses von Origenes in der Auslegung der Verwandlungserzählung Es besteht nicht die Möglichkeit, die spezifischen Grundlegungen des Origenes bei der Auslegung dieses Evangeliums am Anfang seines Kommentars zu analysieren, wie das im Fall seines Kommentars zum Johannesevangelium möglich ist, da der Beginn des Matthäuskommentars verloren ist.166 Somit müssen diese stärker an seiner Auslegung der Erzählung selbst entdeckt werden. Allerdings können die hermeneutischen Prinzipien des Origenes anhand des vierten Buches seines Werkes De Principiis eindrücklich erschlossen werden.167 In der Forschung wurde aber bereits darauf aufmerksam gemacht, dass die meisten Studien zum origenistischen Schriftverständnis sich fast ausschließlich auf De Principiis beziehen und somit mehr auf seine theoretisch erläuterten Prinzipien der Schriftauslegung und weniger auf der origenistischen exegetischen Praxis beruhen. Vor allem mangelt es an durchgehenden Analysen der konkreten Auslegungsweise des Origenes. Karen Torjesen zeigt diesbezüglich, dass in den meisten modernen Untersuchungen der Exegese des Origenes von Jean Daniélou, Richard Hanson, Rolf Gögler, Johann Gruber oder Jo Tigcheler die tatsächliche exegetische Praxis des Alexandriners fast übersehen wurde: „in all of these studies is a fundamental source for the theological structure of exegesis in Origen which has by and large been overlooked or dealt with only on an incidental basis and that is a detailed and systematic study of Origenʼs own exegetical practice.“168 Wolfgang Ullmann betont die Notwendigkeit des Perspektivenwechsels für eine bessere Einschätzung der origenistischen Bibelauffassung und bewertet die dementsprechende Initiative von Henri de Lubac positiv: „Das grundlegende Werk von Henri de Lubac wandte sich in überzeugender Weise von der Auslegungstheorie zur Auslegungspraxis des Origenes und trat damit der bis dahin verbreiteten theologischen Unterschätzung der großen Homilienwerke entgegen.“169 Damit soll nicht angedeutet werden, dass es Widersprüchlichkeiten im Schriftverständnis des Origenes gibt, sondern dieses in konkreten Anwendungen zuweilen andere Akzente bekommt. Im Rahmen der Betrachtung der origenistischen Auslegung der matthäischen Verwandlungserzählung lassen sich vor allem drei Charakteristika seines Schriftverständnisses beobachten, womit nicht der Anspruch erhoben werden soll, seine ganze Bibelhermeneutik zu erfassen. Es geht erstens um die Betonung der Geschichtlichkeit der biblischen Verwandlungserzählung, zweitens um den zweifachen Schriftsinn (wörtlich und geistlich) und drittens um die christozentrische Perspektive, da nach Origenes alles in der Schrift auf Jesus Christus zielt und von ihm abgeleitet wird. 166

Vgl. ULLMANN, Hermeneutik, 966. Vgl. REVENTLOW, History, 178. 168 TORJESEN, Procedure, 11. 169 ULLMANN, Hermeneutik, 966. 167

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

1. Die Betonung der Historizität Die Auffassung, Origenes gebe die Annahme der Historizität der in der Bibel erzählten Ereignisse im Zuge seiner allegorischen Auslegung preis,170 ist aufzugeben, wie auch die jüngste Forschung zeigt.171 Das wird etwa daran deutlich, dass Origenes in seinem Matthäuskommentar das Schriftverständnis der Sadduzäer kritisiert. Ihm zufolge deuten sie die Schriften nur allegorisch (τροπολογουµένων µόνον172) und bezweifeln, dass diese historische Wahrheit (µηδὲν τὴν ἱστορίαν ἀληθές173) enthalten. Des Weiteren zeigt er, dass im Unterschied zum Verfasser des Gesetzes, den er allerdings nicht genauer präzisiert, der Verfasser des Evangeliums auf die Geschichte achtet, in welcher das Ereignis gründet (τηρουµένης τῆς κατὰ τὰ γενόµενα ἱστορίας174). Allerdings rezipiert Origenes nuanciert die Geschichtlichkeit der biblischen Erzählungen oder Wörter. Im vierten Buch seines Werkes De Principiis schreibt Origenes, dass der aufmerksame Leser manchmal nicht genau entscheiden kann, ob eine in der Bibel wiedergegebene Episode sich tatsächlich ereignet hat oder nicht, oder ob die literale Bedeutung eines Gesetzes beachtet werden kann oder nicht: Ὁ µέντοι γε ἀκριβὴς ἐπί τινων περιελκισθήσεται χωρὶς πολλῆς βασάνου µὴ δυνάµενος ἀποφήνασται πότερον ἤδε ἡ νοµιζοµένη ἱστορία γέγονε κατὰ τὴν λέξιν ἢ οὔ· καὶ τῆς δὲ τῆς νοµοθεσίας τὸ ῥητὸν τηρητέον ἢ οὕ·175 Zur Verdeutlichung katalogisiert Origenes eine Reihe von biblischen Ereignissen aus dem Alten und dem Neuen Testament, deren Historizität er für schwer beweisbar erklärt. Er zeigt sich skeptisch gegenüber der Einteilung der Weltschöpfung in Tage mit Abend und Morgen176 oder gegenüber der Pflanzung eines Baums des Lebens, dessen Frucht das ewige Leben gewährleistete,177 sowie gegenüber der in den Evangelien gebotenen Information über einen hohen Berg, auf welchem der Teufel Jesus alle Reich-

170 Vgl. LIES, Exegese, 96: „Die neuere Forschung wertet Origenes nicht mehr als den blinden Allegoristen, sondern erkennt, daß die Allegorese jene Weise ist, mit der der Exeget die Heilige Schrift als Wort Gottes ,Gott gemäßʻ interpretiert.“ Dazu auch SCHRÖTER, Exegese, 218–220. 171 Vgl. MARTENS, Origen, 636: „,Origen against historyʻ […] is a misleading vague charge. While it suggests a specific, even focused criticism, close inspection demonstrates that this persistent charge has been remarkably diffuse.“ Außerdem ULLMANN, Hermeneutik, 967: „Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich aus einer ganzen Reihe Äußerungen, die Origenes in diesem Zusammenhang tut, sein Gefühl für das Gewicht der geschichtlichen Tatsächlichkeit heraushöre.“ Dazu siehe auch TORJESEN, Procedure, 12–14. 172 Vgl. Comm. in Mt. X, 20 (Girod, SC 162, 236). 173 Vgl. ebd. 174 Vgl. Comm. in Mt. X, 12 (Girod, SC 162, 198). 175 Princ. IV, 19 (PG 11, 384–385). 176 Vgl. Princ. IV, 16 (PG 11, 377). 177 Vgl. ebd.

F. Origenes

185

tümer der Erde zeigte.178 Diese Stellen erweisen sich nach Origenes aus historischer Perspektive als unvernünftig (ἄλογος179) oder unmöglich (ἀδύνατος180). Allerdings präzisiert er nicht seine Voraussetzungen für die Annahme bzw. Ablehnung der Historizität biblischer Erzählungen oder Elemente von ihnen. Eher scheint er, wie Peter Martens passend beobachtet, die schlichte Zumutbarkeit („reasonability“181) oder die logische Plausibilität („logical plausibility“182) des Dargestellten gemäß der zu seiner Lebenszeit gängigen historischen, geographischen, anthropologischen oder astronomischen Kenntnisse als Kriterien der Bewertung von Geschichtlichkeit zu verwenden. Nichtsdestoweniger behauptet Origenes in De Principiis, dass diese oben geäußerten Feststellungen hinsichtlich der Geschichtlichkeit von biblischen Erzählungen nicht zwangsläufig die Schlußfolgerung zulassen, dass die Bibel nichts „Wahres“ umfaßt: Λεκτέον ὅτι σαφῶς ἡµῖν παρίσταται περί τινων τὸ τῆς ἱστορίας εἶναι ἀληθές.183 Für Origenes sind die geschichtlich wahren Erzählungen der Bibel den geistlich zu deutenden Stellen zahlenmäßig überlegen: Πολλῷ γὰρ πλείονά ἐστι τὰ κατὰ τὴν ἱστορίαν ἀληθευόµενα τῶν προσυφανθέντων γυµνῶν πνευµατικῶν.184 Die origenistische Haltung zur Frage der Geschichtlichkeit biblischer Erzählungen hat Martens treffend zusammengefasst: „While he was convinced passages that were historically true outnumbered those that were not, there are several instances in his surviving exegetical corpus where we see him wrestling with the plausibility of biblical narratives. Sometimes he confirms them, other times he refutes them.“185 Die Anerkennung historischer Tatsächlichkeit bzw. Faktizität186 von biblischen Erzählungen durch Origenes steht in Verbindung mit seinem wichtigsten exegetischen Grundprinzip, dem des zweifachen Schriftsinns. So ist sie eng mit dem Literalsinn verbunden und leitet ihn ein. Für Ullmann wird der in exegetischen Werken des Origenes analysierte Literalsinn mit den „Fakten und Ereignissen der Geschichte im Ganzen“187 analog gesetzt. Nach Torjesen ist für Origenes der historische Sinn mit dem Literalsinn identisch188 und die Geschichtlichkeit der analysierten Bibelerzählung in sein Verständnis des 178

Vgl. ebd. Princ. IV, 168 (PG 11, 381). 180 Εbd. 181 Vgl. MARTENS, Contours, 50. 182 Vgl. ebd. 53. 183 Princ. IV, 19 (PG 11, 384). 184 Ebd. 185 MARTENS, Contours, 50 [Hervorhebung im Original]. 186 Vgl. ebd. 49. 187 ULLMANN, Hermeneutik, 970. 188 Vgl. TORJESEN, Procedure, 68–69: „In each case it is the intention of Origenʼs explanation of the literal sense to explain events within the history of salvation from the law and prophets to the Gospel.“ 179

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

wörtlichen Sinns integriert: „the ordinariness of the words in which the good news is proclaimed and the limitation and particularity of the historical events in which it is embodied“.189 Mit anderen Worten, der historische oder der wörtliche Sinn der Bibeltexte weist auf die Konkretheit hin, in der die Botschaft des Evangeliums verfasst und vermittelt wurde. Hanson äußert im Einklang mit Martens die Überzeugung, dass trotz der Anwesenheit mancher historisch unvernünftiger und nicht nachprüfbarer Geschehnisse in der Bibel Origenes dennoch die Historizität vieler Erzählungen vertritt.190 Für ihn ist die im Bibeltext beschriebene Geschichte das Fundament der wörtlichen und geistlichen Deutungen.191 Diese Deutung löst aber nicht den Literalsinn auf, sondern setzt ihn voraus.192 Was die Bedeutung der Geschichtlichkeit biblischer Ereignisse betrifft, so wurde diese unter anderem vom Alexandriner auch als politisches Argument zur Selbstverteidigung gegenüber Vorwürfen bezüglich seiner oftmals als übertrieben eingeschätzten Allegorie verwendet. So formuliert Hanson pointiert: „Origen is aware that this treatment of difficulties lays him open to the charge of abandoning altogether a belief in the historical truth of the Bible, and he guards himself against this charge.“193 Trotz seiner evidenten Bevorzugung allegorischer Deutung, die inzwischen aber als nicht exklusiv erkannt wurde,194 ist es Origenes in seiner Exegese der Verwandlungserzählung offenbar wichtig zu betonen, dass sich das Ereignis historisch zugetragen hat. Er zeigt explizit, dass die ihm richtig erscheinende allegorische Auslegung seine Überzeugung von der Historizität des darin beschriebenen Ereignisses nicht ausschließt. Vielmehr scheint ihm sogar die Anerkennung der Geschichtlichkeit als Bedingung der übertragenen Interpretation wichtig: „Dies soll aber, bevor wir die uns dazu richtig erscheinende Auslegung vortragen, damals auch wörtlich so, wie es beschrieben ist, ge189

Ebd. 66. Vgl. HANSON, Allegory, 262: „He [Origenes – C. P.] declares that, though there are several irrational and untrue and impossible things in the Bible, we must not think that no real historical events took place and that no law is to be observed literally or that what was written about our Saviour was not literally true.“ 191 Vgl. GÖGLER, Theologie, 332: „Der Geschichte berichtende Text ist das ,Fundamentʻ, auf dem die Deutung aufruhen muß […]. Die historische Wahrhaftigkeit des Alten wie des Neuen Testaments, die Berichte über die Arche Noes, über die Patriarchen, Moses, das Exil, wie diejenigen über die Ereignisse im Leben Jesu, Geburt, Taten, Leiden, Tod und Auferstehung, werden keineswegs in Zweifel gezogen.“ 192 Vgl. BARRETT, Defense, 52: „Origenʼs spiritual exegesis in fact defends the scriptural letter […]. More precisely, his exegesis, as a strategy for defending the literal sense, insists that there can be no perception of divine Wisdom apart from how the letter reveals it.“ Eine interessante Analyse des Verhältnisses zwischen wörtlicher und allegorischer Deutung der Schrift bei Origenes aus der Perspektive der neuen sich profilierenden christlichen Identität ist bei Dawson zu finden. Vgl. DAWSON, Fashioning. 193 HANSON, Allegory, 262. 194 Vgl. TORJESEN, Procedure, 3–12. Dazu noch LIES, Exegese, 96. 190

F. Origenes

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schehen sein“195 (Toῦτο δὲ καὶ πρὸ τῆς κατὰ ταῦτα φαινοµένης ἡµῖν διηγήσεως γεγονέτω πάλαι καὶ ὡς πρὸς τὴν λέξιν196). Πρὸς τὴν λέξιν (lat. verbatim) stellt die bestehende Beziehung zwischen der Faktizität eines Geschehens und den sie zum Ausdruck bringenden Wörtern heraus. Die Worte des Matthäusevangeliums spiegeln somit für Origenes die Geschichtlichkeit der Verwandlung Jesu wider. Mit der Rede von der richtig erscheinenden Auslegung (φαινοµένης ἡµῖν διηγήσεως) meint er wohl die allegorische, geistliche oder übertragene Auslegung, die seiner Meinung nach der wörtlichen Auslegung überlegen ist.197 Doch anhand des Nachsatzes πρὸς τὴν λέξιν will er offensichtlich verdeutlichen, dass die übertragene Auslegung keinesfalls die Historizität des erzählten Geschehens relativieren und die Anerkennung der geschichtlichen Wahrheit dieses in der Schrift erzählten Ereignisses als Basis der folgenden Interpretationen gelten soll. 2. Zweifacher Schriftsinn: wörtlich und übertragen Von einem zweifachen Schriftsinn spricht Origenes oftmals in seinen Evangelienkommentaren.198 Im Matthäuskommentar beschreibt er z. B. die Tätigkeit der Evangelienverfasser und zeigt, dass sie bei der Darstellung der Ereignisse die Geschichte (τῆς κατὰ τὰ γενόµενα ἱστορίας199) beachtet haben. Darüber hinaus seien sie imstande gewesen, ohne Fehltritte zu den geistlichen Tatsachen (ἐπὶ τὰ πνευµατικὰ ἄπταιστον ἀναγωγήν200) emporzusteigen, d. h. auf der Basis der Historizität der beschriebenen Geschehnisse einen geistlichen Sinn zu ergänzen. Der wörtliche Sinn der Bibeltexte bezieht sich auf den unmittelbaren Inhalt der Äußerungen, die auf den ersten Blick zu verstehen sind,201

195

Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 196–197). Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 150). 197 Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 206–207. 198 In seinem Kommentar zum Johannesevangelium spricht er über ein dem zweifachen Sinn entsprechendes körperliches Evangelium (τὸ σωµατικὸν εὐαγγέλιον, αἰσθητὸν εὐαγγέλιον) und ein ewiges geistliches Evangelium (εὐαγγέλιον αἰώνιον […] πνευµατικόν, εὐαγγέλιον νοητοῦ). Das Verhältnis zwischen den zwei Typen von Evangelien, von Origenes hier offensichtlich verstanden als Verhältnis zwischen den zwei Schriftsinnen, wird weiter von ihm ausgeführt, indem er das Übersetzen (µεταλαβεῖν) des körperlichen zum geistlichen Evangelium vorschlägt. Für ihn besteht darin die Wichtigkeit des körperlichen Evangeliums, dass es zum geistlichen Evangelium und zur entsprechenden Interpretation führt: τίς γὰρ ἡ διήγησις τοῦ αἰσθητοῦ, εἰ µὴ µεταλαµβάνοιτο εἰς πνευµατικόν; vgl. Comm. in Joh. I, 40–45 (Blanc, SC 120, 80–84). 199 Vgl. Comm. in Mt. X, 24 (Girod, SC 162, 198). 200 Vgl. ebd. 201 KANNENGIESSER, Handbook, 189, definiert den wörtlichen Schriftsinn als „,ordinaryʻ meaning, or the ,immediateʻ content of biblical utterances, that is what everyone understood at first sight“. 196

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

oder, wie Gögler behauptet, auf die „Sarx der Schrift“.202 Insofern versteht Origenes unter dem Literalsinn der Bibel die Erschließung der ursprünglichen, in den Texten beschriebenen Situationen. Auf der Basis der Buchstaben werden einleitende Informationen (τὰς διὰ τοῦ γράµµατος τῶν γραφῶν εἰσαγωγάς203) gewonnen, die wichtig für die Entschlüsselung des geistlichen Sinns sind. Problematisch erscheint für Origenes das erstarrte Verharren beim nackten Buchstaben (τῷ γράµµατι ψιλῷ204) oder die Haltung derer, die daran glauben (τῷ γράµµατι ψιλῷ πιστευόντων205). Und weiter schreibt er, solche seien in seinen Augen ignorant (ἰδιωτῶν206), da sie Unverständnis gegenüber einem tieferen (βαθύτερον207) Sinn zeigen. Insofern soll man, so Origenes, vom wörtlichen einfacheren Schriftsinn ausgehen, d. h. von der Annahme, dies sei so geschehen, wie es erzählt wird, um dann zu einem höheren, geistlichen Sinn zu gelangen.208 Seine gesamte exegetische Technik geht von dieser Grundüberzeugung aus.209 Deswegen erwähnt Origenes in seinem Matthäuskommentar diejenigen, die das Allegorisieren (τροπολογεῖν210) der Schrift unglücklicherweise nicht kennen und infolgedessen nicht verstehen, was das mit dem höheren Sinn der Schrift (τῆς

202 GÖGLER, Theologie, 347, bezeichnet den Literalsinn als „das, was der Wortlaut direkt und ohne metaphorische oder geistige Deutung sagt. Zu ihm gehört das Bild, das der Wortlaut ausmalt, die sinnenhafte Vorstellung, die er weckt, das Sichtbare, Greifbare, Körperliche, das er nennt, die Geschichte, die er erzählt.“ 203 Vgl. Comm. in Mt. X, 14 (Girod, SC 162, 198). 204 Ebd. 205 Ebd. 206 Ebd. 207 Ebd. 208 Vgl. TORJESEN, Procedure, 66: „The task of interpretation consists in the movement of understanding from the sensible to the spiritual gospel.“ 209 Vgl. ebd. 68: „Origen always begins from the literal sense τὸ ῥητόν, which consists of the words of the text or the history and situation described in the text, and proceeds to a clarification and explanation of the literal sense. But the goal of Origenʼs exegesis is always the spiritual sense τὸ βούληµα, which according to Origenʼs own definition contains the doctrines or mysteries of the Logos which are useful for the hearer or the reader.“ Dieses interpretative Herangehen an die biblischen Texte durch Origenes wurde als noetische Exegese bezeichnet. Dafür vgl. STEFANIW, Mind, 29–30: „This type of exegesis includes but is not at all limited to allegorisation. Noetic exegesis includes the entire project of perceiving and articulating the higher noetic content of the text, which, seen in terms of procedure, starts with the traditional obligatory identification of the speaker, addressing the grammatical or etymological issues of a given verse, explanation of the literal referent, all the way to the decision on the part of the exegete to look for a higher meaning in a particular verse or passage, followed by the actual articulation of that higher referent, whether this be by means of allegory, symbolism, synechdoche, typology, metonymy or free association.“ 210 Comm. in Mt. X, 14 (Girod, SC 162, 196).

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ἀναγωγῆς τῶν γραφῶν211) zu tun hat. Er betont, dass in der Schrift nicht nur Tatsachen dargestellt werden, die lediglich in einer literalen Weise gedeutet werden sollen, sondern auch Tatsachen, die in einer allegorischen Weise (ἀλληγορούµενα212) zu verstehen sind. Neben dem wörtlichen Sinn soll darüber hinaus ein überlegener (ἐπαναβεβηκότως213) Sinn der Schrift entdeckt werden, der im Erheben des Verständnisses hin zu den geistlichen Tatsachen besteht (τὴν ἐπὶ τὰ πνευµατικὰ ἄπταιστον ἀναγωγήν214). Wörtliches und geistliches Verständnis sind dabei gleichermaßen wichtig für Origenes.215 Durch die tropologische, anagogische und/oder allegorische Herangehensweise216 weist der überlegene höhere Sinn der biblischen Texte auf die Teilnahme an den geistlichen Realitäten (τὰ πνευµατικά) hin, die das geistliche persönliche Zusammentreffen mit Jesus Christus eröffnet. Das bedeutet einerseits die Notwendigkeit der allegorischen Aktualisierung für alle nachbiblischen christlichen Generationen, welche die Bibel immer als heutiges Buch lesen und verstehen wollen, und andererseits setzt es eine Vielfältigkeit der Deutungen frei. Geistliche Sinnerschließung bedeutet deswegen nicht nur eine begrenzte und verabsolutierte Bedeutung der Schrift, sondern bezieht sich auf eine Vielzahl möglicher Analogien. Somit bringt für den alexandrinischen Exegeten das geistliche Verständnis der Schrift die universale Bedeutung der Botschaft von biblischen Texten zum Ausdruck.217 Im Rahmen der geistlichen Auslegung wird eine ursprüngliche Geschichte oder eine „historical pedagogy of

211

Ebd. Ebd. 198. 213 Ebd. 214 Ebd. 215 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193): „[…] dann werden wir darlegen, was entweder in unsere Herzen hineinleuchtet oder was beim Suchen gefunden wird oder was sich bei unseren Überlegungen heimlich einschleicht (jeder soll beurteilen wie er will)“. 216 Ohne Allegorie ist der geistliche Sinn der Bibel nicht nachzuvollziehen, weil sie eben in diesem Prozess der Identifizierung mancher Bezugspunkte zwischen Geschichte und Aktualität der Bibelwörter ein eindeutiges Wort zu sagen hat. Dadurch dass im Rahmen des geistlichen Verständnisses die geschichtliche Dimension eines Bibeltextes anhand der Allegorie bereichert wird, wird eine Brücke des Verstehens des Textes zu der je aktuellen Christengeneration im Sinne einer Aktualisierung gebaut: „With an explicit affirmation about the actual truth of any biblical revelation as its scope, and a cultural ability to express that truth through the multi-faceted mirror of significant analogies, the ,spiritual senseʻ was for early Christian interpreters more than just a rhetorical strategy, it was their proper approach to the divine mystery contained in the sacred words of Scripture“, so TORJESEN, Procedure, 209 [Hervorhebung im Original]. 217 TORJESEN, Procedure, 69, spricht diesbezüglich über die Möglichkeit, „to show how the hearer or reader participates in this history by showing its universal significance“ [Hervorhebung im Original]. 212

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the Logos represented in the literal sense of Scripture“218 zu einer aktuellen heutigen Geschichte oder zu einer „contemporary pedagogy of the Logos directed toward the reader“.219 Es wird die Entdeckung von Textbedeutungen seitens der Leser bzw. Ausleger jenseits der geschichtlichen Dimension, aber auf ihrer Basis, vorausgesetzt. Diese Strukturierung der Botschaft der biblischen Texte erklärt sich aus der Sicht des Origenes daraus, dass die Bibel eine göttliche Pädagogik220 (mit philanthropischen Wurzeln221) oder eine Oikonomie (οἰκονοµία222) darstellt. Ihr zufolge erhalten sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene im Glauben entsprechende Kenntnisse, denn nicht alle werden von denselben Lehren ernährt (µὴ πάντων τοῖς ἴσοις λόγοις τρεφοµένων223). Es herrscht in der Forschung ein Disput bezüglich des von Origenes vertretenen Schriftsinns. Die herkömmliche Ansicht plädiert für einen dreifachen origenistischen Schriftsinn in Anlehnung an sein trichotomisches Verständnis der Struktur der menschlichen Person. Im vierten Buch des Werkes über die Prinzipien zeigt Origenes in Anlehnung an eine Stelle aus Prov 22,20, wo die ermahnt wurde, die Wahrheit dreifach zu formulieren, dass der Sinn der biblischen Texte dementsprechend vorgenommen werden könne. Diese dreifache Einteilung entspricht, so Origenes, der trichotomischen Struktur der menschlichen Person mit Leib, Seele und Geist: Ὥσπερ γὰρ ὁ ἄνθρωπος συνέστηκεν ἐκ σώµατος καὶ ψυχῆς καὶ πνεύµατος, τὸν αὐτὸν τρόπον καὶ οἰκονοµηθεῖσα ἀπὸ τοῦ Θεοῦ εἰς ἀνθρώπων σωτηρίαν δοθῆναι Γραφή.224 Folglich setzt Origenes den Leib dem einfachen Buchstaben (ἵνα ὁ µὲν ἁπλούστερος οἰκοδοµῆται ἀπὸ τῆς οἱονεὶ σαρκὸς τῆς Γραφῆς225), die Seele einer höheren Wahrnehmung (ὁ δὲ ἐπὶ ποσὸν ἀναβεβηκὼς ἀπὸ τῆς ὡσπερὶ ψυχῆς αὐτῆς226), identifiziert oftmals mit der Erläuterung des Moralsinns, und den Geist dem höchsten Verstehensgrad der Schrift gleich (ὁ δὲ τέλειος καὶ ὅµοιος […] ἀπὸ τοῦ πνευµατικοῦ νόµου σκιὰν ἔχοντος τῶν µελλόντων ἀγαθῶν227). Diese klassische Annahme der dreiteiligen Abstufung des Bibelverständnisses bei Origenes228 wurde inzwischen dahin gehend modifiziert, dass in 218

Ebd. 13. Ebd. 220 Vgl. GIROD, Introduction, 28. 221 Vgl. Comm. in Mt. X, 1 (Girod, SC 162, 141). 222 Ebd. 144. 223 Comm. in Mt. XI, 3 (Girod, SC 162, 278). 224 Princ. IV, 11 (PG 11, 363). 225 Ebd. 364. 226 Ebd. 227 Εbd. 364–365. 228 Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 206–207: „the whole purpose of Origenʼs hermeneutical exposition is to elaborate a well-founded notion of the senses of Scripture on the basis of the same three components of human nature, the body being compared with the 219

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seinen Exegesen tatsächlich nur eine zweifache Abstufung anzutreffen ist: wörtlich und geistlich. Zu dieser Einsicht führten neuere Beobachtungen, die einerseits eine klare Profilierung des angeblich der menschlichen Seele entsprechenden Moralsinns (als Sinn zwischen dem wörtlichen und dem geistlichen) nicht mehr entdecken können und andererseits die von Origenes in seiner Exegese viel betonte zweifache Struktur (menschlich und göttlich) der Person Jesu Christi hervorheben.229 Das heißt somit, dass die traditionelle Sichtweise einer dreistufigen Hermeneutik der Bibelauslegung bei Origenes, die in erster Linie aus seinen theoretischen Äußerungen, z. B. im vierten Buch von De Principiis, gewonnen worden war, aus der Perspektive seiner Auslegungspraxis widerlegt werden kann, da er den Moralsinn der Schrift nicht als eigenständigen Sinn in seinen exegetischen Untersuchungen hervorhebt.230 Aber eine zweifache Gliederung des origenistischen Bibelverständnisses231 sollte nicht zu der Annahme verleiten, dass Origenes in der exegetischen Praxis keinerlei Interesse an der moralischen Botschaft der Texte hat. So neigt nach Lothar Lies der jüngere Origenes noch ausgeprägt dazu, den Moralsinn dem allgemeinen geistlichen oder übertragenen Sinn der Bibeltexte zuzuordnen. Lies deutet damit eine versöhnende Position zwischen der klassischen Überzeugung des dreifachen origenistischen Schriftsinns und der neue-

,bare letterʻ, the psyche seen as a limited perception of spiritual values in Scripture, and the intellect, or noûs, contemplated as the true recipient of the ,noeticʻ or spiritual message of that same Scripture.“ 229 Vgl. HANSON, Allegory, 236: „He draws an analogy with the Incarnation; just as when the Word came among us clothed in flesh there were two elements in him, that which was visible in him (the flesh) and that which was invisible and perceived only by a few (the Godhead), so the word brought forth by the prophets was clothed in the literal meaning, while the spiritual meaning corresponded to the hidden divinity.“ Siehe auch TORJESEN, Procedure, 41: „The traditional identification of the body, soul and spirit of Scripture in Origen with three separate and self-contained senses of the same text – the literal, the moral and the mystical senses – cannot be supported from specific textual arguments. […] Nowhere does Origen employ it with any kind of consistency. In most of his discussions of interpretation he refers only to the letter and the spirit. Furthermore, an analysis of the structure of his exegesis does not uphold this interpretation of the different senses in Origen. The identification of a moral sense is especially problematic.“ Dazu auch GÖGLER, Theologie, 266. 230 Vgl. HANSON, Allegory, 236: „Sometimes, however, Origen writes as if there were only two senses in Scripture, the literal and the spiritual. […] This is no doubt, because in practice Origen tended to ignore the moral sense or to fuse it with the spiritual, no matter how carefully he might distinguish it in theory. Zöllig has observed this tendency, and admits that for most purposes we can reckon that Origen saw only two senses, the literal and a higher one leading us beyond its limits.“ 231 Vgl. TORJESEN, Procedure, 7: „[…] the central relationship between the two levels of interpretation – letter and spirit – as a theologically determined structure and as a hermeneutical principle for Origenʼs exegesis“.

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ren des zweifachen an, indem im Rahmen der origenistischen Exegese eine Entwicklung vom dreifachen zum zweifachen Schriftsinn beobachtet wird.232 In der origenistischen Exegese zur Verwandlungserzählung ist der zweifache Schriftsinn dominant anzutreffen. Am Anfang seiner Erklärung vergleicht Origenes den wörtlichen und den geistlichen Schriftsinn mit der leichteren und der festeren Speise und empfiehlt das Suchen der Letzteren, d. h. des tieferen Textsinns: „Und jede wörtliche Auslegung (meine ich), welche diejenigen erbauen kann, die Größeres nicht fassen, dürfte wohl mit Recht Milch genannt werden […]. Aber wer wie Isaak auf eine Weise entwöhnt wurde, die des Freudenmahles würdig ist, das Abraham aus Anlaß der Entwöhnung seines Sohnes veranstaltete, der dürfte wohl nach der festeren Speise in diesen Worten und in der ganzen Schrift suchen.“233

Obwohl zwischen der wörtlichen (hier Milch genannt) und der übertragenen Auslegung (im Text als festere Speise bezeichnet) ein deutlicher Unterschied besteht, erfüllt jede der zwei Interpretationen die Erwartungen der Leser bzw. Hörer. Demzufolge kann sogar die wörtliche Auslegung als erbaulich für manche Leser gelten, die Anfänger im Bibellesen sind. Was die Suche nach der festeren Speise, d. h. dem höheren Sinn, betrifft, wird sie erst nach der Entwöhnung von der leichteren Speise (Milch), d. h. nach dem Erschließen der wörtlichen Exegese, zur Geltung gebracht. Das allegorische Verständnis der Bibel setzt das Verständnis des wörtlichen Sinns als Basis voraus, wie Origenes auch in der Exegese der Verwandlungserzählung betont. Der wörtliche Sinn wird lediglich durch die übertragene Auslegung ergänzt: „Da wir uns bis jetzt aber noch nicht um eine übertragene (τροπολογεῖν234) Auslegung dieser Stelle bemüht, sondern sie nur dem Wortlaut nach untersucht (πρὸς τὸ ῥητόν235) und dies gesagt haben, wollen wir im Anschluß daran (ἀκολούθως236) folgendes sehen.“237 Origenes gibt hier explizit Auskunft darüber, in welcher Abfolge der Schriftsinn erschlossen wird, und platziert dementsprechend die übertragene Auslegung erst nach der wörtlichen. Insofern erfolgt die Entschlüsselung der am Ende des exegetischen Prozesses kommenden übertragenen Bedeutung nicht ohne Rückbindung an den wörtlichen Sinn, sondern bildet dessen Fortsetzung. Zugleich veranschaulicht das Verstehen der Wörter im geistlichen Sinn die 232

Vgl. LIES, Exegese, 96: „Der dreifache Schriftsinn des jüngeren Origenes nimmt zugunsten eines zweifachen Schriftsinnes des älteren Origenes ab. Zugleich ist der moralische Sinn nicht der buchstäbliche, sondern gehört in die Ordnung des geistigen Schriftsinnes.“ 233 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 234 Comm. in Mt. XII, 41 (Klostermann, GCS 40, 163). 235 Ebd. 236 Ebd. 237 Comm. in Mt. XII, 41 (Vogt, BGrL 18, 202).

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große Herausforderung des Bibellesens. Es hängt von der Fähigkeit jedes Lesers bzw. Hörers ab, wie Origenes betont: „Höre aber auf diese Worte (wenn du kannst) im geistlichen Sinn“238 (ἀλλ’ ἄκουε εἰ δύνασαι πνευµατικῶς239). Abschließend kann festgehalten werden: Der zweifache Sinn des Schrifttextes stellt eine Konstante in der Exegese des Origenes dar. Unter diesen bedeutet der geistliche Sinn den höheren oder vollkommeneren (sensus plenior). Origenes erarbeitet sowohl das wörtliche als auch das geistliche Verständnis. Zwischen Wort/Geschichte, die zusammen den wörtlichen Sinn bilden und Geist/Allegorie, die zusammen den geistlichen Sinn ausmachen, besteht keine Spannung, sondern sie ergänzen und bedingen sich. Wörtliches Verstehen ohne geistliche Dimension bedeutet Archäologie der Bibeltexte und geistliches Verstehen ohne wörtliche Rückbindung bedeutet Spekulation. Die zu beobachtende Interdependenz zwischen dem wörtlichen und dem geistlichen Schriftsinn pointiert Mihoc treffend, indem er den geistlichen Sinn der Bibeltexte nicht isoliert von ihrem historischen Sinn deutet, sondern als dessen Entwicklung.240 3. Identifikation der Schrift mit Jesus Christus Im Zentrum der göttlichen Oikonomie der Bibel steht für Origenes die Person des Logos – Jesus Christus. Das Verhältnis des Logos zur Bibel betrifft dreierlei, wie Torjesen schreibt: „The origin of Scripture from the Logos, the manifold form of the Logos activity in Scripture and the pedagogical use of Scripture by the Logos in its present interpretation.“241 Nach Origenes verkörpert die Bibel Jesus Christus und er ist in ihr anwesend.242 In seiner Auslegung des Gleichnisses aus Mt 13,44 versteht Origenes unter dem dort erwähnten Acker sowohl die Schrift als auch Christus. Der verborgene Schatz ist durch Erforschen der Schrift (ἐρευνῶν τὰς γραφάς243), d. h. durch Wahrnehmen Christi (νοῆσαι τὸν Χριστόν244), zu finden. Es entsteht der Eindruck, dass Origenes hier die Begriffe Schrift und Christus synonym verwendet in der Überzeugung, dass „the content of Scripture is nothing other than the Logos incarnate in language“.245 Gögler formuliert pointiert, dass für Orige-

238

Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197). Comm. in Mt. XII, 37 (Klostermann, GCS 40, 152). 240 Vgl. MIHOC, Actuality, 23: „,The spiritʻ of Scripture ist not another ,letterʻ, but ,the spiritʻ of the letter.“ 241 TORJESEN, Procedure, 108. 242 Vgl. GÖGLER, Theologie, 239. Außerdem siehe DIVELY, Significance, 83–102. 243 Comm. in Mt. X, 5 (Girod, SC 162, 158). 244 Ebd. 245 TORJESEN, Procedure, 120. 239

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nes eine selbstverständliche Identität zwischen dem in der Bibel zu findenden Wort Gottes und der Person Jesu Christi besteht.246 Aus diesem Grund bedeutet die Heilige Schrift für Origenes die Anwesenheit Gottes und dementsprechend sind alle darin enthaltenen Worte Wort Gottes. Wer die Bibel liest, trifft darin Jesus Christus. Daraus erschließt sich die geforderte ehrerbietige Haltung gegenüber der Bibel. Sowohl die Anwesenheit Jesu, verstanden als göttlicher Logos, als auch die von Origenes vorgenommene Identifizierung des Logos mit dem Bibelwort unterstützen das geistliche Verstehen der Schrift.247 Für ihn wird die Bibel mit dem Wort Gottes bzw. mit der Botschaft Gottes an die Menschen gleichgesetzt. Diesbezüglich schlägt Origenes vor, beim Lesen der Bibel jeden Zweifel und jede Ablenkung auszuschließen und die ganze Seele den Worten Gottes hinzugeben: διψυχίαν πᾶσαν καὶ περισπασµὸν ἀποθέµενος, ὅλῃ ἑαυτὸν ἐπιδῷ τῇ ψυχῇ τοῖς λόγοις τοῦ Θεοῦ.248 Origenes äußert sich dazu in seinem Matthäuskommentar, indem er Jesus als Wort Gottes („Diese nun, die bei Jesus stehen, d. h. beim Wort Gottes, stehen nicht alle gleich“249) und Logos bezeichnet („Dies prophezeit der Logos denen, die vollendet werden sollen und aufgrund dessen, daß sie bei dem Logos stehen, schon soweit fortgeschritten sind, daß sie nicht einmal vom Tod kosten werden“250) und eine Identität zwischen dem Schriftwort und dem Menschensohn feststellt: „Deswegen werden nicht alle, die beim Heiland stehen, sondern nur einige von ihnen, die einen besseren Stand haben, den Tod nicht kosten, bis sie das bei den Menschen ankommende Wort, welches deswegen Menschensohn heißt, in seiner Herrschaft kommen sehen.“251

Den Grund für die Identifikation des Bibelwortes mit Jesus, hier Menschensohn genannt, sieht Origenes in deren gemeinsamer Funktion, zu den Menschen zu kommen. Mehr noch, Jesus wird von ihm mit dem Wort des Evangeliums identifiziert, mit dem auch das Gesetz und die Propheten verschmelzen: „Denn Moses, das Gesetz, und Elias, die Prophetie, sind mit

246 Vgl. GÖGLER, Theologie, 262–263 [Hervorhebung im Original]: „Das Wort Gottes ist immer identisch mit dem einen und einzigen personalen Logos Gottes, durch wen und wann auch immer es gesprochen werde […]. Indem Origenes den Logos der Schrift beim Namen ,Christus‘ nennt, behauptet er dessen Identität mit dem personalen Logos. Wo das Wort Gottes ist, da ist Christus, der präexistente personhafte Logos.“ 247 Vgl. TORJESEN, Procedure, 108: „The doctrine of the Logos as guiding principle of Origenʼs spiritual exegesis includes the origin of Scripture from the Logos, the manifold forms of the Logos activity in Scripture and the pedagogical use of Scripture by the Logos in its present interpretation.“ 248 Princ. IV, 7 (PG 11, 353). 249 Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192). 250 Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 194) [Hervorhebung im Original]. 251 Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192) [Hervorhebung im Original].

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Jesus, dem Evangelium, eins geworden.“252 Zur Identifikation Jesu mit dem göttlichen Logos tragen auch die Schriftworte als Veranschaulichung bei: „Die Kleider Jesu aber sind die Worte (λέξις253) und die Buchstaben (γράµµατα254) der Evangelien, die er angezogen hat (ἐνεδύσατο255).“256 Der Christozentrismus ist der Grund, warum im Rahmen der patristischen Exegese die Bibel als Wort Gottes verstanden wird. Jesus Christus konstituiert die hermeneutische Mitte der Schrift und nach Origenes deutet auch das ganze Alte Testament (als Verheißung und Vorbereitung seines Kommens) auf ihn hin (von Origenes in der Verwandlungserzählung bildhaft als Vereinigung von Mose und Elia mit Jesus beschrieben) und sein im Neuen Testament erzähltes Wirken sowie sein verkündigtes Evangelium erleuchten neu die Geschichte des menschlichen Geschlechts – vor der Wiederkunft Christi.257 Origenes identifiziert Jesus Christus mit der Schrift aufgrund seiner Logosqualität. Im zehnten Buch seines Matthäuskommentars legt Origenes die Parabel über das Himmelreich als einen verborgenen Schatz aus Mt 13,44 aus, indem er jenes Feld, in welchem der Schatz verborgen wurde, sowohl mit dem Evangelium als auch mit Christus identifiziert: ∆οκεῖ δή µοι κατὰ ταῦτα ἀγρὸς µὲν εἶναι ἡ γραφή […] ἄλλος δ’ ἂν λέγοι ‚ἀγρὸν‘ µὲν εἶναι τὸν ἀληθῶς ‚πλήρη, ὃν εὐλόγησε κύριος‘, τὸν ,Χριστὸν τοῦ Θεοῦ‘.258 Auf dieses Feld wurde das Wort Gottes gesät (ὑπὸ τοῦ λόγου Θεοῦ σπείρεται259). IV. Vergleiche der Auslegung des Origenes mit historisch-kritischen Methoden Manche Aspekte der heutigen kritisch-exegetischen Untersuchungstechniken der biblischen Texte lassen sich in Ansätzen bereits in den exegetischen Werken der patristischen Tradition erkennen. Dies zeigt, dass die Notwendigkeit der wörtlich-historischen Untersuchung der biblischen Texte eine Konstante im Rahmen der christlichen Bibelauslegung darstellt und sich deren Gültigkeit für die Erschließung des Literalsinns jenseits jeder konfessionellen oder wissenschaftlichen Profilierung durchsetzte. Besonders für die orthodoxe Bibelexegese könnte die Entdeckung mancher Charakteristika der neueren Auslegungsmethoden im Rahmen der patristischen Exegese einen wichtigen Ansporn zur Horizonterweiterung im Sinne einer reflektierteren Aufnahme

252

Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204). Comm. in Mt. XII, 38 (Klostermann, GCS 40, 154). 254 Ebd. 255 Ebd. 256 Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 198) [Hervorhebung im Original]. 257 Vgl. FLOROVSKY, Bible, 22–23. 258 Comm. in Mt. X, 5 (Girod, SC 162, 156). 259 Comm. in Mt. X, 2 (Girod, SC 162, 144). 253

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der modernen kritisch orientierten, hauptsächlich im Westen betriebenen Exegese bieten. Es kann von einer Art Vorwegnahme einiger Züge der modernen exegetischen Methodenschritte seitens der patristischen Exegese gesprochen werden. Dabei soll freilich nicht die völlige Entsprechung von historisch-kritischen Methoden und solchen der patristischen Bibelinterpretation postuliert werden. Selbstverständlich sind die wörtlichen Auslegungen patristischer Tradition nicht analog zur modernen neutestamentlichen Exegese gestaltet. In patristischen Exegesen können nicht die standardisierten Methodenschritte der historisch-kritischen Exegese in der Form, wie sie zu Beginn dieser Arbeit vorgestellt und angewendet wurden, gefunden werden, was auch daran liegt, dass etwa „sprach- und übersetzungswissenschaftliche Erkenntnisse“260 weiterentwickelt wurden. Auch besteht ein deutlicher Unterschied zwischen der modernen historisch-kritischen und der patristischen Exegese im Hinblick auf den Zweck der Textanalyse. Während die neuzeitliche exegetische Arbeit am Neuen Testament den wissenschaftlichen Zweifel als Ausgangspunkt hat261 und die Erforschung des Gehalts und des Ursprungs der Bibeltexte in einer von diesen Texten distanzierenden Dynamik zu realisieren beabsichtigt,262 untersucht die patristische Exegese die Bibeltexte wörtlich, um sodann überlegen-geistliche Interpretationen zu untermauern. Wörtliche und allegorische Analyse der Bibeltexte gehören im Prozess patristisch-exegetischer Praxis zusammen und werden nicht gesondert durchgeführt. Sowohl die wissenschaftlich-kritische als auch die patristische Auslegung der Bibel haben ein deutliches Interesse an der wörtlichen Textanalyse als Basis der Erschließung von textgerechten Bedeutungen von Bibeltexten. Ebner und Heininger stellen heraus: „Wer das methodisch verantwortlich, d. h. auf der Basis syntaktischer und semantischer Untersuchungen tut, ist vor Eisegese jeglicher Art besser geschützt und stülpt dem Text nicht vorschnell sein Verstehensraster über, sondern lässt sich bei der Erhebung des Textsinns von den Wörtern helfen.“263 Diese Einsicht wird auch von Origenes im Rahmen seiner Exegese der Verwandlungserzählung zum Ausdruck gebracht, indem er eine Realität, mit der sich wohl auch Paulus konfrontiert sah, beschreibt:

260

VON SIEBENTHAL, Methodenschritte, 51. Vgl. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 43. 262 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 11. Siehe auch NEUDORFER/SCHNABEL, Interpretation, 23–24. 263 EBNER/HEININGER, Exegese, 127. 261

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„[…] bei Paulus einige, die ,Gesetzlehrer sein wollenʻ [1 Tim 1,7], nicht wissen, wovon sie reden (οὐκ οἴδασι περὶ ὧν λέγουσιν264), sondern ohne die Natur der ,Schriftʻworte klar zu erfassen und ihre Absicht zu verstehen (ἀλλ’ ὅτι µὴ τρανοῦντες τὴν φύσιν τῶν λεγοµένων, µηδὲ ‚νοοῦντες‘ αὐτῶν τὸ βούληµα265), feste Behauptungen über die Dinge aufstellen (διαβεβαιοῦνται266), von denen sie nichts wissen.“267

Insofern lohnt es sich nach Origenes, alle Texte der Schrift wörtlich zu untersuchen (einschließlich der „von vielen verachteten Ausdrücke“268), weil der Logos überall den Glanz der Gedanken (τὴν τῶν νοηµάτων στίλψιν269) zeigt. In seiner Untersuchung der Verwandlungserzählung rekurriert Origenes auf einige exegetische Herangehensweisen, die inzwischen als unentbehrliche Bestandteile der modernen exegetischen Methoden etabliert wurden. Es geht um Aspekte der Methodenschritte, die heutzutage zur Textanalyse, zur Literarkritik, hier zum synoptischen Vergleich und zur Traditionsgeschichte gerechnet werden. Infolgedessen lässt sich in diesem Sinne mit Alfons Fürst behaupten, dass „Origenes damit im Grunde avant la lettre literaturwissenschaftliche Kriterien in die Auslegung der Bibel einführt, vor allem aber fordert er Rationalität im Umgang mit biblischen Texten“.270 1. Textanalyse Zunächst lassen sich innerhalb der origenistischen Auslegung der Verwandlungserzählung Aspekte des Methodenschritts der Textanalyse beobachten. Eine erste Ähnlichkeit besteht im Hinblick auf die Abgrenzung des Perikopentextes. Gemäß der wissenschaftlichen Exegese erstreckt sich die erwähnte biblische Geschichte in allen synoptischen Versionen von dem Vers mit der Angabe der Mitnahme der drei Jünger durch Jesus auf den Berg sechs oder acht Tage nach dem zuvor Gesagten und dem Vers der Erwähnung des Alleinbleibens der drei Jünger mit Jesus (im matthäischen Kontext Kapitel 17,1–8). Obwohl Origenes in seiner Analyse nicht ausdrücklich erwähnt, in welchem Vers das Ereignis beginnt und mit welchem Vers es endet, wird in seiner Auslegung deutlich, wo er den Anfang und das Ende der Erzählung festmacht. Aufgrund dessen lässt sich durchaus behaupten, der Alexandriner bestimme die Texteinheit der Verwandlungserzählung mit Mt 17,1–8. Dementsprechend macht er einerseits einen starken Einschnitt zwischen der Geschichte auf dem Berg und dem zuvor Gesagten (Mt 16,28) mittels der Zeit264

Comm. in Mt. XII, 41 (Klostermann, GCS 40, 164). Εbd. 266 Ebd. 267 Comm. in Mt. XII, 41 (Vogt, BGrL 18, 202). 268 Comm. in Mt. XII, 39 (Klostermann, GCS 40, 157): Ἐν ταῖς ὑπὸ πολλῶν καταφρονουµέναις λέξεσι. 269 Ebd. 270 FÜRST, Origenes als Theologe, 130. 265

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angabe: „Es scheint mir aber, daß die, welche von Jesus auf den hohen Berg geführt und allein auch des Anblicks seiner Verklärung gewürdigt wurden, nicht ohne Grund sechs Tage nach den vorher erwähnten Reden (τῶν προειρηµένων λόγων271) hinaufgeführt werden.“272 Zwischen dem Bergereignis und der vorangehenden Voraussage Jesu gibt es einen deutlichen Schnitt hinsichtlich der Ereignisfolge. Des Weiteren macht Origenes deutlich, dass die Erzählung mit V. 8 endet. Er schreibt: „Als aber nach dem Heilsgeschehen auf dem Berg (µετὰ δὲ τὴν ἐν τῷ ὄρει οἰκονοµίαν273) die Jünger vom Berg herabstiegen, um ,zu der Mengeʻ zu gehen und dem Sohn Gottes im Hinblick auf das Heil jener (Menschen) zu dienen […].“274 Daraus ergibt sich deutlich die von Origenes vorgenommene Abgrenzung der Texteinheit des Verwandlungsereignisses auf dem Berg, das von ihm Heilsgeschehen genannt wird, und der Texteinheit mit dem folgenden Schweigegebot Jesu an seine drei Jünger. Hinsichtlich der Beziehung des Textes zum Kontext unterscheidet sich die Auslegung des Origenes von modernen Textanalysen dadurch, dass er die Erzählung nicht so sehr im Gesamttext des Matthäusevangeliums (Makrokontext), sondern innerhalb des unmittelbaren engeren Kontextes (Mikrokontext) untersucht. Entsprechend seiner Auslegung gehören die Verse 16,28 über das Nichtkosten des Todes und 17,9 über das Schweigegebot (bis zur Auferstehung) zum Sinnzusammenhang der Verwandlungsperikope, obwohl diese Verse, wie bereits gezeigt, für ihn nicht zur Texteinheit der Verwandlungserzählung selbst zählen. Darüber hinaus interessiert er sich im Zusammenhang der Kontextfrage nicht für das theologische, im Laufe des gesamten Evangeliums thematisierte und in der Verwandlungserzählung weiterentwickelte Thema der Identität Jesu, wie es in der modernen Exegese häufig hervorgehoben wird. Was den Bezug der Verwandlungserzählung zum engeren Kontext des Matthäusevangeliums betrifft, sieht Origenes im Gegensatz zur wissenschaftlichen Exegese275 eine Verbindung zwischen dem Reden Jesu in Mt 16,28 und der nachfolgenden Texteinheit Mt 17,1–8. Diejenigen, die den Menschensohn in seiner Herrschaft kommen sehen, sind laut Origenes die drei von Jesus auf den Berg mitgenommenen Jünger. Seine diesbezügliche Einsicht basiert auf dem Verständnis früherer Ausleger, wie Origenes betont, ohne sie jedoch explizit zu nennen: „Dies [das Sehen des Menschensohns in Herrlichkeit – C. P.] beziehen einige darauf […]. Und diese Ausleger (οἱ διηγούµενοι276) sagen […].“277 In der Person des verwandelten Jesus 271

Comm. in Mt. XII, 39 (Klostermann, GCS 40, 157). Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 273 Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 169). 274 Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204) [Hervorhebung im Original]. 275 Nur ein Beispiel von vielen sei hier erwähnt: PERRIN, Composition, 30. 276 Comm. in Mt. XII, 31 (Klostermann, GCS 40, 128). 277 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 272

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sahen sie den Menschensohn in seiner Herrschaft: „Dies [das Sehen des Menschensohns in Herrlichkeit – C. P.] beziehen einige darauf, daß die drei Apostel ‚nach sechs Tagenʻ [Mt 17,1] oder (wie Lukas sagt) nach acht Tagen [Lk 9,28] mit Jesus ‚allein auf den hohen Bergʻ stiegen […]. Indem sie nämlich sahen, wie Jesus ‚vor ihren Augenʻ umgestaltet wurde, sodaß sein Angesicht leuchtete usw., haben sie die ‚Gottesherrschaft in Macht kommenʻ [Mk 9,1] sehen.“278 Darüber hinaus bezieht sich nach Origenes über die Schau des in seiner Herrschaft kommenden Menschensohns auch die Bekanntgabe hinsichtlich des Nichtkostens des Todes aus Mt 16,28 auf die Verwandlungserzählung. Diejenigen, die den Tod nicht kosten werden, sind nach Origenes die drei von Jesus auf den Berg mitgenommenen Jünger, wie er deutlich schreibt: „Diese Auslegung des Wortes, daß die drei Apostel den Tod nicht kosteten, bevor sie Jesus nicht umgestaltet sahen, paßt für diejenigen, die (nach dem Wort des Petrus) ,wie neugeborene Kinderʻ geworden sind und ,nach der vernünftigen Milch ohne Trugʻ verlangen.“279 Diese Überzeugung des Origenes wird auch durch die früheren Ausleger unterstützt: „Diese Ausleger sagen, daß Petrus und die beiden übrigen Apostel den Tod nicht gekostet haben, bevor sie den Menschensohn in seiner Herrschaft und in seiner Herrlichkeit kommen sahen.“280 Auch bezieht Origenes die Verwandlungserzählung auf die Auferstehung Jesu, was er an Mt 17,9 und dem darin von Jesus geäußerten Schweigegebot bezüglich des auf dem Berg Gesehenen festmacht. Er sieht eine deutliche Zusammengehörigkeit (συγγενές281) zwischen der Verwandlung Jesu und seiner Verherrlichung durch die Auferstehung: „Deswegen, weil mit seiner Verklärung, bei der sein Angesicht wie die Sonne anzuschauen war, seine Verherrlichung durch die Auferstehung zusammengehörte, deswegen will er, daß diese Dinge von den Aposteln dann gesagt werden, wenn er von den Toten auferstanden ist.“282 Die Verwandlung Jesu erscheint dadurch für Origenes als Vorwegnahme der Auferstehung, weil er den verklärten Jesus schon vor Leiden und Kreuzigung als den Verherrlichten (δεδοξασµένος283) bezeichnet. 278 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). Dazu noch Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 194) [Hervorhebung im Original]: „Deswegen war es nur folgerichtig, daß Petrus, den ,die Pforten der Hölle nicht überwältigen werdenʻ [Mt 16,18], vom Tod auch nicht einmal kostet, weil einer dann vom Tod kostet und vom Tod ißt, wenn ihn ,die Pforten der Hölleʻ überwältigen, und in dem Maße vom Tod ißt oder kostet, wie ihn mehr oder weniger ,Pforten der Hölleʻ mehr oder weniger überwältigen. Aber auch für die Donnersöhne, die vom Donner, vom himmlischen Wahrspruch, geboren sind, war es unmöglich, vom Tod zu kosten, weil der weit entfernt ist von ihrer Mutter, dem Donner.“ 279 Ebd. 280 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191) [Hervorhebung im Original]. 281 Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 170). 282 Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 205) [Hervorhebung im Original]. 283 Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 170).

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Somit wird die pädagogische Funktion des Schweigegebotes betont, wie auch an anderen Stellen des Matthäusevangeliums.284 Ohne dieses Gebot hätte nach Origenes die Menge der Zuhörer wahrscheinlich Schaden erlitten (ἐβλάβησαν285), wenn sie den verklärten Jesus später gekreuzigt gesehen hätten.286 Eine sprachlich-syntaktische Analyse moderner Art lässt sich im Rahmen der origenistischen Exegese der Verwandlungserzählung nicht erkennen. Er untersucht nicht den Wortschatz und katalogisiert kaum die in der Erzählung vorkommenden Wortarten oder Wortformen. Origenes kennt oder verwendet hier keine Bezeichnung der Wörter als Substantive, Adjektive, Verben oder Pronomina. Auch gibt es keinen Hinweis auf die Hervorhebung der Verknüpfung von Sätzen und Wörtern und keine Bewertung der Stilmerkmale des Textes. Er analysiert aber, wie er selbst schreibt, Wörter und Ausdrücke.287 Am ausführlichsten analysiert er die Präposition ἕως aus Mt 16,28, wo er auf die „Gewohnheit der Schrift“288 zurückgreift und für den Ausdruck µὴ γεύσωνται θανάτου („den Tod nicht kosten“)289 aus demselben Vers eine Konkordanzarbeit durchführt. Dafür wählt er Textstellen aus dem Alten und dem Neuen Testament aus, die wie in Mt 16,28 eine Interaktion der Menschen mit dem Tod beschreiben, und vergleicht sie mit dem Ausdruck des Kostens des Todes.290 Auch hinsichtlich der semantischen Analyse der Verwandlungserzählung könnte man von einer Ähnlichkeit der origenistischen Auslegung mit dem modernen Methodenschritt sprechen. Origenes erstellt zwar kein semantisches Inventar, aber er bearbeitet etliche semantische Oppositionen. Doch im Unterschied zu der im Rahmen der Textanalyse durchgeführten modernen semantischen Analyse benutzt er nur wenige Wörter aus dem Text der Ver284

Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 205). Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 170). 286 Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 205): „Deswegen kann, was wir zu jener Stelle gesagt haben, uns auch jetzt nützlich sein zu der vorliegenden, weil auch hier Jesus will, daß von seiner Herrlichkeit nicht geredet wird, bevor die Herrlichkeit nach dem Leiden eingetreten ist. Schaden nämlich hätten die Zuhörer, vor allem die Menge, genommen, wenn sie den so Verherrlichten gekreuzigt gesehen hätten.“ 287 Vgl. Comm. in Mt. XII, 34 (Vogt, BGrL 18, 195). 288 Ebd. [Hervorhebung im Original]: „[…] nach einer Gewohnheit der Schrift das Wort bis nur die Zeit angibt, in welcher das angegebene Ereignis sicher eintritt, sie aber nicht so umgrenzt, daß danach unbedingt das Gegenteil von dem Gesagten eintreten müßte“. 289 Vgl. Comm. in Mt. XII, 33–35 (Vogt, BGrL 18, 193–196). 290 Vgl. Comm. in Mt. XII, 35 (Vogt, BGrL 18, 196) [Hervorhebung im Original]: „Da aber hier bei allen drei Evangelisten geschrieben ist: Sie werden den Tod sicher nicht kosten, in den anderen Schriften sich aber Unterschiedliches über den Tod findet, ist es nicht unangebracht, auch jene Stellen anzuführen und sie mit dem Kosten zu vergleichen. […] Und vielleicht wirst du, wenn du Stellen sammelst, noch andere Unterschiede als diese (hier von uns erwähnten) finden; wenn du sie zusammenstellst und richtig untersuchst, wirst du wohl finden, welche Sache an jeder Stelle gemeint ist.“ 285

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wandlungserzählung und rekurriert hauptsächlich auf Begriffe aus dem weiteren gesamtbiblischen Zusammenhang, die er theologisch erarbeitet und auf die Elemente der Verwandlungserzählung bezieht – Termini wie Leben, Gottesgestalt, Knechtgestalt, Licht, Finsternis, Wahrheit und Lüge. Somit entwickelt er die folgenden Oppositionen: Tod – Leben (in Anlehnung an die Erwähnung des Nichtkostens des Todes aus Mt 16,28),291 Gottesgestalt – Knechtgestalt (hinsichtlich der Verwandlung, d. h. der Enthüllung der göttlichen Identität Jesu aus Mt 17,2),292 Licht – Finsternis (bezüglich des Leuchtens des Angesichts Jesu aus Mt 17,2),293 Heiliger Geist – Satan und Wahrheit – Lüge (betreffs des Vorschlags des Petrus aus Mt 17,4).294 Die Gestaltung der Exegese der Verwandlungserzählung durch Origenes erinnert in einer szenen- oder ereignisorientierten Weise mit Hervorhebung der Handlungsträger weiterhin an moderne narrative Analyse bzw. StoryAnalyse.295 Er untersucht die Hauptszenen der Erzählung gemäß ihrer Abfolge im Matthäusevangelium, macht aber keine Anspielung auf die Struktur 291

Vgl. Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 193) [Hervorhebung im Original]: „Man muß aber verstehen, was es bedeutet, den Tod zu kosten. Das Leben ist der, welcher sagt: ,Ich bin das Lebenʻ [Joh 11,25]. Und dieses Leben ist ,mit dem Christus in Gott verborgenʻ; und ,wenn der Christus, unser Leben, erscheinen wird, dann werden auch mit ihmʻ erscheinen, die würdig sind, mit ihm ,in der Herrlichkeitʻ zu erscheinen [Kol 3,4]. Der Feind dieses Lebens aber, welcher auch ,als letzter von all seinen Feinden zerstört wirdʻ [1 Kor 15,26], ist der Tod, welchen die sündigende Seele stirbt, die gegensätzlich eingestellt ist zu dem, was mit der Seele, die recht handelt und deswegen lebt, geschieht.“ 292 Vgl. Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 193) [Hervorhebung im Original]: „Du wirst aber fragen, ob er, als er vor den Augen derer, die er auf den hohen Berg geführt hatte, verklärt wurde, von ihnen in der ,Gottesgestaltʻ [Phil 2,6] gesehen wurde, in der er von altersher existierte, sodaß er für die unten die ,Knechtgestaltʻ [ebda], für die aber, die ihm nach sechs Tagen auf den hohen Berg gefolgt sind, nicht jene, sondern die Gottesgestalt hatte.“ 293 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198) [Hervorhebung im Original]: „Wenn er aber verklärt wird, leuchtet auch sein Angesicht wie die Sonne, damit er den Kindern ,des Lichtesʻ sichtbar wird, welche ,die Werke der Finsternisʻ ausgezogen und die ,Waffen des Lichtesʻ [1 Thess 5,5] angezogen haben und nicht mehr Kinder der ,Finsternis oder der Nachtʻ sind [Röm 13,13], sondern ,Söhne des Tagesʻ geworden sind und ,wie am Tage ehrbarʻ wandeln.“ 294 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 199–201) [Hervorhebung im Original]: „Du wirst also überlegen, ob er das in einer Ekstase sagte, erfüllt von dem Geist, der ihn dazu bewegte, dies zu sagen. Das kann nicht der Heilige Geist gewesen sein. […] Dieser Geist war vielleicht der, den Jesus Ärgernis nennt und als Satan bezeichnet in dem Wort: ,Geh hinter mich, Satan, du bist mir ein Ärgernisʻ […]. Das Gegensätzliche war also noch in Petrus, Wahrheit und Lüge. Und aufgrund der Wahrheit sagte er: ,Du bist Christus, der Sohn Gottesʻ [Mt 16,16], aufgrund der Lüge aber sagte er: ,Erbarmen mit dir, Herr, das soll dir nicht geschehen!ʻ [Mt 16,22], aber auch: Es ist gut, daß wir hier sind.“ 295 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 71–79; EGGER/WICK, Methodenlehre, 175–176; SCHNELLE, Einführung, 58.

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oder Gliederung des Textes. Nachdem er die drei bei der Verwandlung Jesu anwesenden Jünger mit „einigen“ (τινες296) identifiziert, welche die Herrschaft des Menschensohns vor ihrem Tod sehen werden,297 bietet Origenes eine Erklärung in Bezug auf den Grund der Anwesenheit nur dieser drei Jünger auf dem Berg und nicht aller zwölf. Er gründet seine Argumentation auf die Überzeugung, dass unter den Jüngern Jesu Unterschiede im Glauben, Verstehen oder in der Wahrnehmung der Taten ihres Meisters bestehen: „Es gibt nämlich auch unter denen, die bei Jesus stehen, Unterschiede. Deswegen werden nicht alle, die beim Heiland stehen, sondern nur einige von ihnen, die einen besseren Stand haben, den Tod nicht kosten […].“298 Infolge der zwischen den zwölf Jüngern Jesu konstatierten Unterschiede betreffs ihrer Kraft zum Überwinden der der Wahrheit feindlichen Begierden (ταῖς λοιπαῖς ἐχθραῖς ἀληθείᾳ ἐπιθυµίαις299) offenbart sich Jesus nach Origenes entsprechend dem jeweiligen Begreifen: „Verschiedene Gestalten nämlich hat der Logos, und er zeigt sich jedem, wie es für den Sehenden förderlich ist (ὡς συµφέρει τῷ βλέποντι300), und keinem erscheint er über das hinaus, was der Sehende fassen kann (ὑπὲρ ὃ χωρεῖ ὁ βλέπων301).“302 Somit erklärt sich die differenzierte Offenbarung Jesu gegenüber seinen Jüngern nicht als ein Zeichen eines willkürlichen Wirkens, sondern beruht auf dem persönlichen Spezifikum jedes Einzelnen und der Fähigkeit Jesu, Menschen verschiedener Niveaus anzusprechen: „[…] sodaß er für die unten die ,Knechtgestaltʻ […], für die aber, die ihm nach sechs Tagen auf den hohen Berg gefolgt sind, nicht jene, sondern die Gottesgestalt (τὴν µορφὴν τοῦ θεοῦ303) hatte.“304 Origenes suggeriert hier, dass die Verwandlung Jesu als Adressaten speziell diese (drei) Jünger hat. Deswegen kommt dem Ereignis, dessen Hauptpunkt sich in der aus der Wolke ertönenden Stimme des Vaters konstituiert, eine pädagogische Funktion zu, wie Origenes darlegt: „Vielleicht aber belehrt sie die Jünger (τάχα τοὺς µαθητὰς διδάσκει305), daß der eigentlich geliebte Sohn Gottes, an dem er sein Wohlgefallen hat und auf den man hauptsächlich hören muß, derjenige war, der damals geschaut wurde und verklärt war […].“306 Den drei Jüngern ist mitgeteilt worden, dass ihr alltäglicher Lehrer, der zusätzlich auf dem Berg verklärt wurde, niemand anderes als der Sohn Gottes ist. 296

Comm. in Mt. XII, 31 (Klostermann, GCS 40, 128). Vgl. Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 298 Ebd. 192 [Hervorhebung im Original]. 299 Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 152). 300 Ebd. 301 Ebd. 302 Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 303 Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 152). 304 Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]. 305 Comm. in Mt. XII, 42 (Klostermann, GCS 40, 167). 306 Comm. in Mt. XII, 42 (Vogt, BGrL 18, 203–204) [Hervorhebung im Original]. 297

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Innerhalb der Dreiergruppe genießt Petrus die spezielle Aufmerksamkeit des Origenes und sein Vorschlag, drei Hütten zu bauen, wird ausführlich behandelt. Petrus agiert in der Deutung des Origenes als ein Opponent Jesu. Es ist eine Reaktion, die der Exeget auf die Einwirkungen des Teufels zurückführt: „Ist es möglich, daß jemand an Jesus Ärgernis nimmt, ohne daß der ärgerniserregende Teufel dabei wirkt (χωρὶς τῆς τοῦ σκανδαλίζοντος διαβόλου ἐνεργείας;307)?“308 Als weiteren Grund des unpassenden Vorschlags Petri identifiziert Origenes dessen Egoismus: „Und hier sagte er, als er die beiden Gestalten Jesu sah und feststellte, daß die Gestalt der Verklärung viel vorzüglicher war (πολὺ διαφέρουσαν τὴν κατὰ τὴν µεταµόρφωσιν309), und an ihr Gefallen hatte, es sei gut, auf jenem Berg zu verweilen, damit er und seine Gefährten ihre Freude daran hätten, die Verklärung Jesu zu schauen […].“310 Trotzdem versucht Origenes auch, die Reaktion Petri zu mildern und unter gewissen Umständen verständlich zu machen. Er schreibt: „Vielleicht wollten der bereits genannte Petrus und die ,Donnersöhneʻ, welche auf die Höhe der Wahrheitslehren hinaufgeführt worden waren (ἀναβιβασθέντες εἰς τὸ ὕψος τῶν τῆς ἀληθείας δογµάτων311) und die Verwandlung Jesu und der in Herrlichkeit mit ihm erscheinenden Moses und Elias sahen, in sich selbst dem Wort Gottes Hütten bauen, damit es in ihnen wohnen sollte, und ebenso seinem Gesetz, welches mit Herrlichkeit geschaut wurde, und der Prophetie, welche von ,dem Ausgangʻ Jesu sprach, ,den er vollenden sollteʻ [Lk 9,31].“312

Origenes relativiert die Schuld des Petrus, indem er die zwei weiteren Apostel, Johannes und Jakobus, als ebenfalls involviert darstellt. Die Intention, Hütten zu bauen, bringt Origenes somit mit dem Wunsch aller drei anwesenden Jünger in Verbindung, eine vertraute Beziehung mit dem Evangelium, mit dem Gesetz und mit den Propheten zu halten. Das heißt, er deutet den Wunsch, drei Hütten zu bauen, als Versuch, Unterkunftsplätze für Jesus, Mose und Elia im Inneren jeder der drei Jünger auf dem Berg zu schaffen. Durch diese übertragene, allegorische Deutung mildert Origenes die unpassende, von Petrus zum Ausdruck gebrachte Initiative ab. Als berechtigt sieht des Weiteren Origenes die Haltung der auf dem Berg anwesenden Jünger an, die auf ihr Angesicht niederfallen, da sie nach Origenes höchstwahrscheinlich die durch Mose übermittelten Worte von der Unmöglichkeit des Weiterlebens nach dem Sehen des Angesichts Gottes kannten.313

307

Comm. in Mt. XII, 40 (Klostermann, GCS 40, 159). Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 200). 309 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Klostermann, GCS 40, 162). 310 Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 201). 311 Vgl. Comm. in Mt. XII, 41 (Klostermann, GCS 40, 163). 312 Comm. in Mt. XII, 41 (Vogt, BGrL 18, 202). 313 Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204). 308

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Origenes zitiert nicht die Stellen aus Mt 17,3a und 17,4b, wo die Anwesenheit Moses und Elias zum Ausdruck gebracht wird, sondern erwähnt nur kurz, dass beide an der Verwandlung Jesu beteiligt waren. Es ist eine nicht leicht zu übergehende Beobachtung, dass Origenes seine Sätze in seinem Kommentar gestaltet, dass „er die Wörter des Evangelientextes sogar in dem Kasus, in dem sie stehen, in seine Erklärung einbeziehen kann“.314 Ferner wird die Stellung der zwei alttestamentlichen Gestalten innerhalb der Verwandlungserzählung im Vergleich zu anderen dort vorkommenden Akteuren durch Origenes wenig kommentiert, nämlich am Ende des 38. und in der Mitte des 43. Abschnitts des zwölften Buchs seines Matthäuskommentars.315 Ungeachtet dieser Tatsache richtet er seine Aufmerksamkeit auf die zwei Persönlichkeiten des Alten Testaments, indem er deren Funktion innerhalb der Erzählung herausarbeitet. Aus der Sicht des Origenes stellt die Person des Mose das Gesetz dar: Μωσῆς ὁ νόµος.316 Betreffs der Identität Elias äußert er die Überzeugung, dass er „nicht ein einzelner Prophet ist, sondern alle zusammenfaßt“.317 Nicht zufällig erschienen sie unmittelbar nach der Beschreibung der weißen Kleider Jesu, die Origenes als Worte und Buchstaben des Evangeliums deutet.318 Sie weisen auf das Evangelium hin und am Ende der Erzählung gehen sie fort, nicht im Sinne einer Entfernung von Jesus, sondern einer Vereinigung mit ihm. Die Finalität und die Vervollkommnung des Gesetzes und der Prophetie ist Jesus, das Evangelium: „Denn Moses, das Gesetz, und Elias, die Prophetie, sind mit Jesus, dem Evangelium, eins geworden und sind nicht so, wie sie vorher waren, drei geblieben, sondern die drei sind zu einem geworden.“319 Insofern bekommen sie die Rolle der Adjuvanten.320 In der Auslegung des Origenes steht Jesus im Mittelpunkt und seine Stellung wird durchgehend behandelt. Die Rolle Jesu wird ausgeprägt christologisch gedeutet. Er betitelt Jesus explizit als Menschensohn,321 als Wort Gottes,322

314

VOGT, Einleitung, 45. Vgl. Comm. in Mt. XII, 38.43 (Vogt, BGrL 18, 198–199.204). 316 Comm. in Mt. XII, 38 (Klostermann, GCS 40, 155). 317 Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 199). 318 Vgl. ebd. 198. 319 Vgl. Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204). 320 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „Nach der Bedeutung des bloßen Buchstabens nämlich sind Moses und Elias, die ,in Herrlichkeit gesehen wordenʻ waren und mit Jesus gesprochen hatten, dorthin wieder weggegangen, woher sie gekommen waren, vielleicht um die Worte, die Jesus mit ihnen gesprochen hatte, denen zu überbringen, die bis dahin noch nicht, später aber Wohltat von ihm empfangen sollten, und zwar im Augenblick des Leidens, wenn ,viele Leiber der entschlafenen Heiligenʻ, nachdem ihre Gräber sich geöffnet hatten, in die wahrhaft ,heilige Stadtʻ, in das von Jesus nicht beweinte Jerusalem, gehen und dort ,vielenʻ erscheinen sollten [Mt 27,53].“ 321 Vgl. Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 322 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193). 315

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als Logos,323 als Sohn Gottes,324 als Christus,325 als Sohn des lebendigen Gottes,326 als Heiland327 und als Gott.328 Darüber hinaus reflektiert Origenes die zwei Gestalten oder Naturen Jesu, er betont, dass Jesus eine Gottesgestalt, „in der er von altersher existierte“,329 und eine Knechtgestalt hat.330 Daraus folgert er, dass Jesus damit die wichtige Vermittlungsrolle des Hohepriesters zukommt, der zu Gott Vater für die Menschen betet.331 Aber nicht der Moment der Verwandlung an sich wird von Origenes hervorgehoben, sondern dessen Konsequenzen für die Menschen auf ihrem Weg zur Gotteserkenntnis. Diejenigen Menschen werden Jesus verwandelt sehen, die nicht mehr seine fleischliche, sondern seine göttliche Gestalt anschauen.332 Er offenbart sich dem Vermögen der Einzelnen nach.333 Des Weiteren versucht Origenes herauszuarbeiten, was der Text den damaligen Lesern bzw. Hörern übermitteln will. Darin ähnelt sein Verfahren moderner textpragmatischer Analyse,334 die sich für die Kommunikationsabsicht des Textes interessiert. Die vom Text an die Leser übermittelte Botschaft bezieht sich nach Origenes auf die Herausforderung, die wahre Identität Jesu, seine gottmenschliche Person,335 durch diejenigen, die bei Jesus stehen (Mt 16,28), zu erkennen. Jesus zeigt sowohl seine menschliche als auch seine göttliche Form, aber nur entsprechend der Wahrnehmungskraft der Sehenden: „Verschiedene Gestalten hat der Logos, und er zeigt sich jedem, wie es für den Sehenden förderlich ist, und keinem erscheint er über das hinaus, was der Sehende fassen kann.“336 Als Vorbild für die Erkenntnis der göttlichen Natur Jesu gelten die drei auf dem Berg anwesenden Jünger. Auf sie hin sollen sich diejenigen orientieren, die Jesus besser erkennen wollen: „Wenn du aber die Verklärung Jesu sehen willst, wie sie vor den Augen derer geschah, […] dann schau, wie der in den Evangelien dargestellte Jesus […] nicht mehr ,dem Fleische nachʻ erkannt, sondern durch alle Evangelien hindurch Gott genannt

323

Vgl. Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 194). Vgl. Comm. in Mt. XII, 34 (Vogt, BGrL 18, 195). 325 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 200). 326 Vgl. ebd. 327 Vgl. ebd. 328 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198). 329 Ebd. 197. 330 Vgl. ebd. 331 Vgl. Comm. in Mt. XII, 39 (Vogt, BGrL 18, 199). 332 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198). 333 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193). 334 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 126, oder SCHNELLE, Einführung, 58. 335 Vgl. Comm. in Mt. XII, 33 (Vogt, BGrL 18, 193) [Hervorhebung im Original]: „[…] er für die unten die ,Knechtgestaltʻ, für die aber, die ihm nach sechs Tagen auf den hohen Berg gefolgt sind, nicht jene, sondern die Gottesgestalt hatte.“ 336 Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 324

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und in der ,Gottesgestaltʻ […] angeschaut wird.“337 Anders gesagt, wird die Gottesgestalt Jesu von einigen, die bei Jesus stehen, gesehen, „wenn sie ihm folgen können, da er ihnen vorausgeht und auf den hohen Berg seiner Offenbarung steigt“.338 Das Vorbild der drei Jünger wird von Origenes empfohlen: „Diese Auslegung des Wortes, daß die drei Apostel den Tod nicht kosteten, bevor sie Jesus nicht umgestaltet sahen, paßt für diejenigen, die (nach dem Wort des Petrus) ,wie neugeborene Kinderʻ geworden sind.“339 2. Synoptischer Vergleich Prüft die klassische Literarkritik die Einheitlichkeit der biblischen Texte, indem sie textliche Unebenheiten wie Doppelungen, Wiederholungen, Spannungen, Widersprüche, Dubletten und Parallelen hervorhebt,340 so stellt Origenes im Rahmen seiner Exegese die textliche Geschlossenheit der Verwandlungserzählung nicht infrage. So macht er keine Anspielungen auf eventuell im Text zu findende Spannungen oder Widersprüche. Auch versucht er nicht direkt, verschiedene Stufen der Textentstehung zu unterscheiden, aber er nimmt mögliche Textergänzungen innerhalb der Perikope an, die aus der Perspektive des historisch-kritischen Paradigmas eine Entwicklungsgeschichte dieses Textes voraussetzen. In der Auslegung von Mt 17,2, dem Moment der Verwandlung Jesu, stellt Origenes fest, dass die synoptischen Paralleltexte eine Ergänzung erkennen lassen: „Höre aber auf diese Worte (wenn du kannst) im geistlichen Sinn und beachte zugleich, daß nicht einfach gesagt ist: er wurde verklärt, sondern mit einer notwendigen Beifügung, die Matthäus und Markus aufgeschrieben haben; nach beiden nämlich wurde er vor ihren Augen verklärt.“341 Diese Ergänzung oder Beifügung (προσθήκη342) erklärt sich durch die Tätigkeit der zwei oben erwähnten Evangelisten (ἀνέγραψε Ματθαῖος καὶ Μᾶρκος343). Für Origenes erscheint diese Beifügung als notwendig (ἀναγκαίας344), weil dadurch die Erzählung zusätzliche Informationen erhält. Er sagt nicht, welcher Text dadurch bereichert wird, aber es lässt sich vermuten, dass der Lukastext gemeint ist, weil dort die Information über die Verwandlung Jesu vor den Augen seiner drei Jünger fehlt. Folglich könnte man sich fragen, ob damit hier nicht eine Priorität des Lukastextes zum Ausdruck gebracht wird, doch weitere Hinweise darauf finden sich nicht in der hier analysierten Exegese. 337

Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198) [Hervorhebung im Original]. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192) [Hervorhebung im Original]. 339 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 340 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 162–170. 341 Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]. 342 Comm. in Mt. XII, 37 (Klostermann, GCS 40, 152). 343 Ebd. 344 Ebd. 338

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Origenes schreibt Matthäus eine weitere literarische Ergänzung in diesem Vers zu: „Und nicht nur er [Jesus – C. P.] wird verklärt vor den Augen solcher Jünger; er [Matthäus – C. P.] fügt auch nicht nur der Verklärung hinzu, daß auch sein Angesicht wie die Sonne leuchtet, sondern auch seine Kleider erscheinen den von ihm allein auf den hohen Berg Hinaufgeführten weiß wie das Licht.“345 Matthäus hat also manche Information hinzugefügt (προστίθησι346) wie die Beschreibung seines leuchtenden Angesichts und seiner hellen Kleider. Unklar bleibt, was Origenes sich unter dieser Hinzufügung vorstellt: eine ältere mündliche oder schriftliche Fassung der Verwandlungserzählung, vielleicht angefertigt auch von einem der anderen Synoptiker, oder sogar das Verwandlungsereignis an sich. Bei der ersten Variante ist zu vermuten, Matthäus habe eine ursprüngliche Erzähleinheit (mündlich oder schriftlich) zur Verfügung gehabt, die er bearbeitet und in sein Werk eingegliedert hat. Die zweite Variante spricht für die Wiedergabe des Ereignisses als solches, das Matthäus als einer der zwölf Jünger kannte und es in seiner eigenen Vorstellung beschrieb. Er bereichert es durch die Darstellung der Folgen der Verwandlung für die Person Jesu. Weitere Textergänzungen erwähnt Origenes in seiner Exegese von Mt 17,4, d. h. bei der Bewertung des Vorschlags des Petrus. Schon an einer anderen Stelle seiner Untersuchung bemerkt Origenes, dass im Unterschied zu Matthäus die Evangelisten Markus und Lukas die Empfehlung Petri kommentieren: „[…] weil Markus wie in eigener Person redend hinzufügt (ἐπήγαγεν347): ,Er wußte aber nicht, was er sagteʻ [Mk 9,6], Lukas aber sagt: ,nicht wissend, was er sagtʻ [Lk 9,33].“348 Besondere Aufmerksamkeit aus literarkritischer Perspektive verdient Origenesʼ Bewertung des Vorschlags Petri in der Markusfassung. Er nennt sie eine markinische Hinzufügung, gibt aber keine zusätzlichen Informationen dazu. Es liegt nahe, dass Origenes zu dieser Annahme durch den Vergleich von Matthäus- und Markustext gekommen ist. Daraus könnte gefolgert werden, dass er hier von einer Priorität des Matthäusevangeliums ausgeht. Sicher lässt sich aber aus dieser Exegese der Verwandlungserzählung herleiten, dass der Alexandriner keine klare, einheitliche Meinung bezüglich der Priorität der Evangelien hat, sondern zwischen einer Lukas- und einer Matthäuspriorität oszilliert. Laut Euseb hat Origenes im ersten, heute verlorenen Buch seines Matthäuskommentars behauptet, dass das Matthäusevangelium das älteste Evangelium ist, dessen Adressaten Judenchristen waren, und es ursprünglich auf

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Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 198) [Hervorhebung im Original]. Comm. in Mt. XII, 38 (Klostermann, GCS 40, 154). 347 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Klostermann, GCS 40, 157). 348 Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 199). 346

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Hebräisch verfasst worden war.349 Aber seine Exegese der Verwandlungserzählung lässt nicht deutlich erkennen, dass er von der Matthäuspriorität ausgeht. Insgesamt kann festgehalten werden, dass beim Vergleich der drei synoptischen Fassungen Origenes sich nicht für Ähnlichkeiten oder Unterschiede, für die Feststellung einer zeitlichen Priorität oder für die Identifizierung einer textlichen Abhängigkeit zwischen den synoptischen Evangelien interessiert, sondern ein anderes Ziel fokussiert: die Ergänzung der von ihm ausgelegten matthäischen Erzählung. Informationen, die im Matthäusevangelium nicht vorhanden sind, werden von ihm aus den zwei anderen synoptischen Versionen durch Zitieren oder Paraphrasieren hinzugezogen. Somit dient der synoptische Vergleich Origenes vor allem dazu, weitere Informationen zur matthäischen Verwandlungsszene zu gewinnen, um die Erzählung seinen Hörern besser erklären zu können. Infolge des von ihm durchgeführten synoptischen Vergleichs vermittelt er seinen Hörern bzw. Lesern mehr, z. B. über die Bedeutung der Herrschaft des Menschensohns (Mt 16,28) durch Heranziehen von Informationen aus Mk 9,1350 oder über den Inhalt der Unterredung von Mose, Elia und Jesus anhand des Rekurses auf Angaben aus Lk 9,31.351 Origenesʼ besondere Neigung, biblische Texte zu parallelisieren, ist allgemein anerkannt.352 Dies lässt sich auch in seiner Analyse der matthäischen Verwandlungserzählung beobachten. Bei seiner Auslegung von Mt 16,28 über das Nichtkosten des Todes z. B. liest er höchstwahrscheinlich alle drei synoptischen Textversionen parallel, um die Bedeutung des Ausdrucks Kosten des Todes besser zu verstehen. Weil dies keine weitere Klärung bietet, untersucht er darüber hinaus ähnliche Ausdrücke aus der gesamten Bibel: „Da aber hier bei allen drei Evangelisten (παρὰ τοῖς τρισὶν εὐαγγελισταῖς353) geschrieben ist: Sie werden den Tod sicher nicht kosten, in den anderen Schriften sich aber Unterschiedliches über den Tod findet, ist es nicht unangebracht, auch jene Stellen anzuführen und sie mit dem Kosten zu vergleichen.“354 Insgesamt gilt, dass jeder Vers der Verwandlungserzählung von Origenes mit Verweisen aus den anderen beiden synoptischen Textfassungen komplettiert wird, um eine ausführlichere Perspektive auf das Verwandlungsereignis zu gewinnen. 349 Diese Aussage des Origenes wird von Euseb in seiner Kirchengeschichte zitiert, vgl. EUSEB, Hist. eccl. VI, 25,4 (Bardy, SC 41, 126): Ὡς ἐν παραδόσει µαθὼν περὶ τῶν τεσσάρων εὐαγγελίων, ἃ καὶ µόνα ἀναντίρρητά ἐστιν ἐν τῇ ὑπὸ τὸν οὐρανὸν ἐκκλησίᾳ τοῦ Θεοῦ, ὅτι πρῶτον µὲν γέγραπται τὸ κατὰ τόν ποτε τελώνην, ὕστερον δὲ ἀπόστολον Ἰησοῦ Χριστοῦ Ματθαῖον, ἐκδεδωκότα αὐτὸ τοῖς ἀπὸ Ἰουδαισµοῦ πιστεύσασιν, γράµµασιν Ἑβραικοῖς συντεταγµένον. 350 Vgl. Comm. in Mt. XII, 31–35 (Vogt, BGrL 18, 191–196). 351 Vgl. Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 199). 352 Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 540. 353 Comm. in Mt. XII, 35 (Klostermann, GCS 40, 149). 354 Comm. in Mt. XII, 35 (Vogt, BGrL 18, 196) [Hervorhebung im Original].

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Nachdem er den in Mt 17,4 erwähnten Vorschlag Petri, drei Hütten zu bauen, zitiert hat, stellt er fest, dass dieser bei Markus und Lukas im Unterschied zu Matthäus bewertet und mit bereichernden Informationen versehen wird: „Das muß man aber hauptsächlich deswegen untersuchen (διὰ τοῦτο δὲ µάλιστα ταῦτα ζητητέον355), weil Markus wie in eigener Person redend hinzufügt: ,Er wußte aber nicht, was er sagteʻ [Mk 9,6], Lukas aber sagt: ,nicht wissend, was er sagtʻ [Lk 9,33].“356 Wenn Origenes aber zwischen zwei synoptischen Versionen Unterschiede oder sogar Widersprüche entdeckt, problematisiert er das kaum und versucht auch nicht, eine mögliche Antwort dafür zu finden. Das gilt etwa für die unterschiedliche Zeitangabe im Matthäus- und im Lukasevangelium: „Dies [die Prophezeiung Jesu über das Nichtkosten des Todes – C. P.] beziehen einige darauf, daß die drei Apostel ,nach sechs Tagenʻ [Mt 17,1] oder (wie Lukas sagt) nach acht Tagen [Lk 9,28] mit Jesus ,allein auf den hohen Bergʻ stiegen.“357 Dieser Differenz geht Origenes nicht nach. Da in Bezug auf das Matthäusevangelium der lukanische Verwandlungstext mehr zusätzliche Angaben als die Markusversion aufweist, rekurriert Origenes am häufigsten auf die lukanische Fassung. In seiner Auslegung der Verwandlungserzählung zeigt sich Origenes insgesamt als ein guter Kenner biblischer Texte, die er fast ausnahmlos präzise zitiert. Trotzdem verwechselt er in der Verwandlungserzählung auch einmal die Evangelien, z. B. rechnet er das Gebet Jesu während seiner Verwandlung dem Markus- und nicht dem Lukasevangelium zu.358 Wenn er einen synoptischen Paralleltext referiert, erwähnt er manchmal, aber nicht immer, zu welchem Evangelium er gehört. Zum Beispiel weist Origenes auf den Lukastext hin, wenn er die Zeitangabe der acht Tage erwähnt,359 und auf den Markustext, wenn er von den sechs Tagen spricht.360 Auf der anderen Seite aber nimmt er im Laufe seines Kommentars Bezug auf einen Vers aus dem Lukasevangelium, wo davon die Rede ist, dass im Augenblick der Verwandlung die drei Apostel schlaftrunken waren, oder auf eine Stelle aus dem Markusevangelium über das Sehen der Gottesherrschaft, ohne jedoch zu sagen, aus welchem Evangeliumstext die jeweiligen Informationen stammen.361

355

Comm. in Mt. XII, 40 (Klostermann, GCS 40, 157). Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 199). 357 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 358 Vgl. ebd.: „Da aber, was bei Markus steht: ,Und während er betete, wurde er vor ihren Augen verklärtʻ [Mk 9,2], wohl einer Auslegung bedarf […].“ 359 Vgl. ebd.: „[…] die drei Apostel ,nach sechs Tagenʻ [Mt 17,1] oder, wie Lukas sagt, nach acht Tagen [Lk 9,28] mit Jesus […].“ 360 Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 196) [Hervorhebung im Original]: „Nach sechs Tagen aber [so nach Mattäus und Markus] […].“ 361 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 200) zum Zitieren einer Lukasstelle und Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191) zum Zitieren einer Markusstelle. 356

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Origenesʼ Bezugnahme auf Textergänzungen aus den synoptischen Parallelen geschieht entweder durch das Zitieren bzw. Paraphrasieren jeder der beiden Stellen oder durch deren gleichzeitiges Miteinbeziehen. Er verwendet zusätzliche Informationen aus dem Markusevangelium lediglich für drei Passagen des Matthäustextes: 1. Der Inhalt des Verses über das Sehen des Menschensohns in seiner Herrschaft aus Mt 16,28 wird mit Angaben aus Mk 9,1 angereichert, wahrscheinlich aufgrund der dortigen zusätzlichen Erwähnung dieser Herrschaft als einer Gottesherrschaft, die in Macht kommt.362 2. Beim Zitieren von Mt 17,1 fügt Origenes ein, dass diese Information auch im Markusevangelium zu finden ist.363 3. Er stellt die Matthäus- und die Markusversion nebeneinander, um die drei Jünger als Publikum zu manifestieren. Origenes schreibt: „Beachte zugleich, daß nicht einfach gesagt ist: er wurde verklärt, sondern mit einer notwendigen Beifügung, die Matthäus und Markus aufgeschrieben haben; nach beiden nämlich wurde er vor ihren Augen verklärt.“364 Mit dem Lukasevangelium vergleicht Origenes den Matthäustext nur an den Stellen, wo er erneut die Zeitangabe paraphrasiert365 oder die Erscheinung Moses und Elias exegesiert. Damit macht er von den zusätzlichen, nur im Lukastext zu findenden Informationen über das Aussehen beider alttestamentlichen Persönlichkeiten und den Inhalt ihres Gesprächs mit Jesus Gebrauch.366 Darüber hinaus vergleicht er auch alle drei synoptischen Textfassungen zu bestimmten Stellen der Verwandlungserzählung, um erneut eine breitere Perspektive auf einige Textstellen zu gewinnen, so bei der Beschrei-

362

Vgl. Comm. in Mt. XII, 34 (Vogt, BGrL 18, 195) [Hervorhebung im Original]: „[…] so ist auch hier, meine ich […], klar, daß, wer einmal den Menschensohn in seiner Herrschaft kommen sah und ihn in seiner Herrlichkeit sah und ,die Herrschaft Gottes in Macht kommenʻ [Mk 9,1] sah, nachdem er so große Güter geschaut hat, den Tod nicht kosten wird.“ 363 Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 196) [Hervorhebung im Original]: „Nach sechs Tagen aber [so nach Mattäus und Markus] nimmt Jesus […].“ 364 Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]. 365 Vgl. Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191): „Dies beziehen einige darauf, daß die drei Apostel ,nach sechs Tagenʻ [Mt 17,1] oder, wie Lukas sagt, nach acht Tagen [Lk 9,28] mit Jesus […].“ 366 Vgl. Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 199) [Hervorhebung im Original]: „Etwas derartiges ist nämlich gemeint, wenn es heißt: Sie sprachen mit ihm; bei Lukas dagegen: ,Moses und Elias wurden in Herrlichkeit gesehenʻ usw. bis: ,in Jerusalemʻ [Lk 9,31].“ Siehe auch Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204).

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bung des Aussehens Jesu nach seiner Verwandlung aus Mt 17,2367 oder bei der Bewertung des Vorschlags Petri aus Mt 17,4.368 3. Traditionskritik Origenes stellt in seinem Matthäuskommentar Überlegungen an, die als Vorahnungen dessen gedeutet werden können, was unter Traditionskritik und -geschichte verstanden wird, d. h. die Erarbeitung traditioneller Inhalte biblischer Texte, wie etwa Begriffe, Vorstellungen und Themen.369 Eng damit verbunden ist das Aufzeigen von Analogien zwischen neutestamentlichen Texten und Traditionen der religiösen Umwelt, um Einflüsse „anderer geistiger, kultureller, religiöser oder theologischer Traditionen“370 in den biblischen Texten aufzuspüren. Konzentriert sich die moderne Bibelwissenschaft bei der Bestimmung des Profils der kulturellen und religiösen Umwelt des Neuen Testaments sowohl auf pagane Überlieferungen (z. B. antike Philosophien, Mysterienreligionen371) als auch auf das antike Judentum, das als wichtige Inspirationsquelle für neutestamentliche Texte erkannt wurde,372 so fokussiert Origenes ausschließlich das Alte Testament als Hintergrund. Aber im Gegensatz zur wissenschaftlich-exegetischen Traditionskritik geht er nicht der Frage nach, „an welchen Stellen der Autor auf geprägtes Gut in Form von Zitaten, Motiven und festen Topoi zurückgreift“,373 sondern stellt nur Analogien zwischen manchen in der Verwandlungserzählung vorkommenden Begriffen und Motiven zu ähnlichen im Alten Testament zur Bereicherung seiner Exegese fest. Origenes fragt sich auch nicht, ob sich solche Ähnlichkeiten vielleicht durch redaktionelle Tätigkeit des Evangelisten erklären lassen. Eher neigt er dazu, die Analogien als Feststellungen von Gemeinsamkeiten der in 367

Vgl. Comm. in Mt. XII, 38–39 (Vogt, BGrL 18, 198–199) [Hervorhebung im Original]: „Er [Matthäus – C. P.] fügt auch nicht nur der Verklärung hinzu, daß auch sein Angesicht wie die Sonne leuchtet, sondern auch seine Kleider erscheinen den von ihm allein auf den hohen Berg Hinaufgeführten weiß wie das Licht […]. Dann aber werden nach Markus ,seine Kleider weiß und glänzen wie das Licht, wie kein Walker auf der Erde sie weiß machen kannʻ [Mk 9,3]. […] Derjenige aber, der denen, die hinaufgestiegen sind, seine Kleider strahlend zeigt und glänzender […], ist der Logos, welcher […] den Glanz der Gedanken zeigt, wenn das Kleid Jesu nach Lukas weiß und blitzend wird [Lk 9,29].“ 368 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 199) [Hervorhebung im Original]: „Wir wollen danach nur sehen, was Petrus dachte, als er zu Jesus sprach: Herr, es ist gut, daß wir hier sind; wir wollen drei Hütten bauen usw. […] weil Markus wie in eigener Person redend hinzufügt: ,Er wußte aber nicht, was er sagteʻ [Mk 9,6], Lukas aber sagt: ,nicht wissend, was er sagtʻ [Lk 9,33].“ 369 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 134, Anm. 138, und EBNER/HEININGER, Exegese, 245. 370 NEUDORFER/SCHNABEL, Einführung, 245. 371 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 140–147; ADAM, Kompendium, 81–86. 372 Vgl. NEUDORFER/SCHNABEL, Einführung, 245–247. 373 EBNER/HEININGER, Exegese, 248.

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der Bibel dargestellten geschichtlichen Ereignisse zu verstehen. Infolgedessen erscheint ihm die Angabe der sechs Tage zur Einleitung des Verwandlungsereignisses nicht als redaktionelle Bearbeitung in Anlehnung an eine alttestamentliche Tradition (hier die Schöpfung der Welt in sechs Tagen), sondern als bloße Wiedergabe einer Information von einer tatsächlich passierten Geschichte: „[…] die, welche von Jesus auf den hohen Berg geführt und allein auch des Anblicks seiner Verklärung gewürdigt wurden, nicht ohne Grund sechs Tage nach den vorher erwähnten Reden hinaufgeführt werden“.374 Die Analogien zwischen Altem und Neuem Testament werden durch die Beobachtung von ähnlichen Ereignissen, Personen, Wörtern usw. aus der Bibel hergestellt. Es geht um die sogenannte typologische Interpretation, die von Florovsky treffend gekennzeichnet wird: „,Typologyʻ was not an exegesis of the texts themselves, but rather an interpretation of the events. It was a historical, and not merely a philological method. It was the inner correspondence of the events themselves in the two Testaments that had to be detected, established, and brought forward […]. Yet there are certain basic events in the old dispensation which were the ,figuresʻ or ,typesʻ of the basic events in the new. Their ,correspondenceʻ was of divine appointment: they were, as it were, stages of a single process of the redemptive Providence.“375

Das heißt, der Leser oder der Exeget der Bibel wird von der Geschichte selbst zur Analogie aufgefordert – verstanden als Prozess der Selbstoffenbarung Gottes. Benötigt wird nur die Wahrnehmungskraft des jeweiligen Auslegers. Dementsprechend schreibt Origenes, dass die sechs Tage von der Verwandlungserzählung ihm den sechs Tagen der Schöpfungsgeschichte ähnlich scheinen: „Es scheint mir aber (δοκεῖ δέ µοι376) […].“377 Die Wahrnehmungskraft von Ähnlichkeiten zwischen Altem und Neuem Testament wird von Origenes ein anderes Mal zum Ausdruck gebracht, indem er seine Leser bzw. Hörer dazu ermutigt, die Ähnlichkeit zwischen der Furcht der Jünger aus Mt 17,6 und der Aussage Gottes betreffs des Sehens seines Angesichts durch die Menschen (Ex 33,20) zu bewerten: „Überlege aber, ob du auch folgendes über den Sinn der vorliegenden Stelle sagen kannst“ (πρόσχες δέ, εἰ δύνασαι καὶ ταῦτα εἰπεῖν περὶ τῶν κατὰ τὸν τόπον378).379 Welche Textversionen des Alten Testaments Origenes vorgelegen haben, lässt sich nur schwer bestimmen. In dem von Hieronymus verfassten Prologus in Libros Paralipomenon380 wird auf drei Textformen des unter den 374

Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). FLOROVSKY, Bible, 30–31. 376 Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 150). 377 Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 378 Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 167). 379 Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204). 380 PL 28, 1324–1325. 375

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Christen gängigen Alten Testaments verwiesen: die Version des Bischofs Hesychius (Ägypten), die des Lukian (von Konstantinopel nach Antiochien) und die des Origenes (Palästina).381 Die von Origenes verwendete Textform des Alten Testaments wurde mit seiner Hexapla in Verbindung gebracht, die in der fünften Kolumne die griechische Transkription des hebräischen Textes enthielt.382 Es ist die sog. origenistisch-hexaplarische Rezension der Septuaginta. Andere vermuten aber, Origenes sei hier nicht originell gewesen und habe eine ihm vorliegende griechische Septuaginta-Handschrift benutzt.383 Origenes zitiert und paraphrasiert mehrere alttestamentliche Bibelstellen in seiner Exegese der Verwandlungserzählung, sieht aber vor allem bei zwei Themen dieser Erzählung Analogien zum theologischen Inhalt des Alten Testaments: in der Zeitangabe der sechs Tage (Mt 17,1) und in der Furcht der Jünger (Mt 17,6). Wie bereits erwähnt, sieht er in den sechs Tagen eine Analogie zur Weltschöpfung. Zwischen der Voraussage Jesu über das Nichtkosten des Todes und seiner Verwandlung liegen ebenfalls sechs Tage: „Da nämlich in sechs Tagen, einer vollkommenen Zahl (τελείῳ ἀριθµῷ384), die ganze Welt entstanden ist, dieses vollkommene Kunstwerk, deswegen, meine ich, wird hier derjenige, der alle Dinge der Welt dadurch überschreitet, daß er nicht mehr ,das Sichtbareʻ anschaut (das ist nämlich ,zeitlichʻ), sondern schon ,das Unsichtbareʻ […]. Wenn er nämlich die sechs Tage durchschritten hat (wie wir sagten), wird er einen neuen Sabbat feiern (καινὸν σαββατιεῖ σάββατον385), voll Freude darüber, daß er auf dem hohen Berg den vor seinen Augen verklärten Jesus schauen darf.“386

In beiden Fällen gibt es eine sechstägige Vorbereitungszeit, die durchschritten werden muss, um zum siebten Tag, dem Sabbat, zu gelangen. Am siebten Tag, wenn das Geschehen tatsächlich passiert ist, überschreitet man das Sichtbare und schaut das Unsichtbare, d. h. die bis dahin nicht so deutlich offenbarte Gottesgestalt Jesu.387 Schaut sich Gott am Ende des sechsten Tages seine Schöpfung an und freut sich darüber, so können auch bei der Verwandlung die drei Jünger den verklärten Jesus schauen. Dies gibt Grund zum Feiern, d. h., einen neuen Sabbat zu zelebrieren. Somit wird der Verwandlungstag zu einem neuen Ruhetag. Ein zweites wichtiges traditionelles Motiv bildet für Origenes das Niederfallen der Jünger auf ihr Angesicht, für das er Übereinstimmungen mit dem Sinaigeschehen (Ex 33) konstatiert. Wie Mose gesagt wurde, kein Mensch könne das Angesicht Gottes sehen und am Leben bleiben, so dachten die Jün381

Vgl. ZIEGERT/KREUZER, Septuaginta. Ebd. 383 Vgl. KAHLE, Manuscripts, 111–118. 384 Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 150–151). 385 Ebd. 151. 386 Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 387 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197). 382

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ger bei der Verwandlung, als sie das wie die Sonne strahlende Angesicht Jesu sahen und die Stimme Gottes hörten. Dadurch aber, dass Jesus sie berührt und ermutigt, sehen sie sein Angesicht: „Die Jünger verstanden, daß der Sohn Gottes dem Moses Weisung gegeben hatte (κεχρηµατικέναι388) und daß er es war, der gesagt hatte: ,Kein Mensch wird mein Angesicht sehen und am Leben bleibenʻ [Ex 33,20]; und als sie (das wie die Sonne gewordene Angesicht des Sohnes Gottes sahen und) noch das Zeugnis Gottes über ihn empfingen, ertrugen sie die Strahlen des Logos nicht mehr, sondern demütigten sich ,unter die starke Hand Gottesʻ [1 Petr 5,6]. Aber nachdem der Logos sie berührt hatte, erhoben sie ihre Augen und sahen Jesus allein und niemanden sonst.“389

In der Auslegung des Origenes werden die drei Jünger als Personen dargestellt, die mit der alttestamentlichen Tradition von der Unmöglichkeit des Sehens des Angesichts Gottes vertraut sind. Trotzdem besteht ein deutlicher qualitativer Unterschied zwischen der alttestamentlichen und der neutestamentlichen Gottesschau, da, wie Torjesen treffend sagt, „the difference between the revelation of God – the visibility of Logos – in the Old Testament and the New is that Moses and the prophets had only a partial participation in the Logos and so were only able to present a partial disclosure of him“.390 In Bezug auf die Gottesschau wird ein Fortschritt des Neuen Testaments gegenüber dem Alten Testament konstatiert, da der verwandelte Jesus (als Gott verstanden und dargelegt) die Jünger anrührt und zum Nichtfürchten auffordert. 4. Redaktionskritik Anders als die moderne historisch-kritische Exegese391 versteht Origenes die Redaktion der synoptischen Texte nicht nur als eine Tätigkeit menschlicher Verfasser, sondern auch als Produkt der Wirkung Gottes. Seiner Meinung nach wurden die Evangelien von den Menschen geschrieben, deren Namen sie tragen. Er macht keinen Unterschied zwischen den Personen Matthäus, Markus oder Lukas und den Verfassern des Matthäus-, Markus- oder Lukasevangeliums. Wenn Origenes einen Vers aus einem der drei synoptischen Texte der Verwandlungserzählung zitiert oder eine Information daraus erwähnt, spricht er immer von der Person des Autors und niemals vom Evangelium als Schrift: „Da aber hier bei allen drei Evangelisten geschrieben ist […]“.392 Origenes zitiert die Angabe der sechs Tage nicht „nach dem Matthäusevangelium“ oder „nach dem Markusevangelium“, sondern einfach „nach Matthäus“ und „nach Markus“.393 In seiner Exegese der matthäischen 388

Comm. in Mt. XII, 43 (Klostermann, GCS 40, 167). Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204) [Hervorhebung im Original]. 390 TORJESEN, Procedure, 68. 391 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 150. Außerdem EBNER/HEININGER, Exegese, 355–357. 392 Comm. in Mt. XII, 35 (Vogt, BGrL 18, 196). 393 Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 196). 389

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Verwandlungerzählung thematisiert er somit nicht nur die redaktionelle Tätigkeit von Matthäus, sondern von allen drei Synoptikern. Origenes beschreibt nicht in Einzelheiten, woraus diese redaktionelle Arbeit besteht. Die Autoren der synoptischen Evangelien haben seiner Meinung nach über die Verwandlung geschrieben, gesagt oder Informationen hinzugefügt. Origenes unterscheidet nicht zwischen ihrem schriftlichen und ihrem mündlichen Verfahren. Insofern „sagt Lukas“ nach acht Tagen,394 „Markus sagt“ über das Kommen der Herrschaft des Menschensohns395 und Matthäus und Markus „haben aufgeschrieben“.396 Nach Origenes fügt Matthäus das Leuchten des Angesichtes Jesu hinzu397 und Markus den Vers über die Bewertung des Vorschlags Petri.398 Aber zur Anfertigung der Evangelien trugen nach Origenes nicht nur die menschlichen Verfasser bei, sondern auch der Geist Gottes. Wenn er den Ausdruck über das Kosten des Todes aus Mt 16,28 analysiert, erwähnt er mehrere Bibelstellen, in welchen die unterschiedlichen Wirkungen des Todes auf die sündigen Menschen dargestellt wurden. Schlimmer, als vom Tod zu kosten, erscheint ihm, vom Tod verschlungen zu werden: „Wenn du aber das Gesagte bedenkst und den Unterschied zwischen denen, die sündigen, wirst du nicht zögern (meine ich), anzunehmen, daß etwas derartiges der Geist Gottes im Sinne hatte, als er dies in den Aussprüchen schreiben ließ.“399 Die Unterschiede zwischen biblischen Texten, die mehrere Erfahrungen des Todes seitens der Sünder beschreiben, erklären sich laut Origenes durch den Einfluß des Gottesgeistes auf die menschlichen Verfasser. Die Aussage, dass der Geist Gottes etwas in der Bibel schreiben ließ (τῷ ἐνεργήσαντι ταῦτα γραφῆναι ἐν τοῖς λογίοις τοῦ Θεοῦ πνεύµατι400), könnte als Einfluss der Inspiration des Geistes Gottes auf die biblischen Verfasser gedeutet werden. Ob dieser Einfluss als Verbalinspiration zu verstehen ist, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Textanalyse, synoptischer Vergleich, Traditions- und Redaktionsgeschichte als Methoden heutiger wissenschaftlicher Bibelauslegung schon innerhalb der Exegese des Origenes in gewissem Maß antizipiert wurden. Nicht zufällig wurde in der Forschung bereits festgestellt, dass „in biblical exegesis they themselves used the critical methods of their age“401 und dass ihre Untersuchungen „avant la lettre histo-

394

Vgl. Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193). 396 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 197). 397 Vgl. Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 198). 398 Vgl. Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 199). 399 Comm. in Mt. XII, 35 (Vogt, BGrL 18, 196). 400 Comm. in Mt. XII, 35 (Klostermann, GCS 40, 150). 401 MIHOC, Actuality, 10 [Hervorhebung im Original]. 395

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rical-critical research“402 waren. Das liegt daran, dass Origenes sich sehr für den Literalsinn interessierte, trotz aller Gegenstimmen, die mittlerweile entkräftet wurden. Insgesamt genießt der Literalsinn eine besondere Stellung bei den Kirchenvätern in Form der ihnen gemeinsamen Lehre vom zweifachen Schriftsinn.403 Der geistliche Sinn entwickelt sich erst auf der Basis der literalen Analyse und nicht als etwas Fremdes404 und trägt etwas Heimliches in sich, wie Origenes zeigt.405 V. Unterschiede der Exegese des Origenes zu historisch-kritischen Auslegungen Nachdem die Ähnlichkeiten der Exegese des Origenes mit einigen historischkritischen Methoden aufgezeigt wurden, sollen nun signifikante Unterschiede benannt werden. Das betrifft hauptsächlich das, was ich „Aktualisierung“ oder „Rekontextualisierung“ durch Allegorisierung der Bibeltexte nennen möchte, d. h. die Überbrückung der zeitlichen und kontextuellen Distanz zwischen den in der Bibel erzählten Ereignissen um das Wirken Jesu und seiner Jünger auf der einen Seite und der Welt der Leser bzw. Hörer und Ausleger nachbiblischer Generationen auf der anderen Seite.406 In diesem Zusammenhang ist die Allegorie als „,Mittel zur Vergegenwärtigungʻ des eigentlich Göttlichen der biblischen Botschaft“407 zu begreifen. Wurde mittels der Erschließung des Literalsinns der originale Kontext des untersuchten Textes dargestellt, so werden anhand der allegorischen Deutung die Hörer bzw.

402

Ebd. [Hervorhebung im Original]. Vgl. ebd. 19 [Hervorhebung im Original]: „The biblical fundamental perspective is that of the divine humanity of Christ. The apostolic Church and the New Testament authors (privileged witnesses of the faith of this Church) confess that Jesus is true God and true Man. Therefore, one could not understand these writings unless one places himself in the same perspective. The Christ theanthropos is the foundation and the norm of patristic exegesis.“ Vgl. TORJESEN, Procedure, 67: „The theological basis for this principle of exegesis can be found in Origenʼs understanding of the relationship between the humanity and divinity of Christ.“ 404 MIHOC, Actuality, 14, betont, dass es in erster Linie nötig ist, „to establish clearly the historical or the literal sense of biblical texts, the firm basis for all others significances“. 405 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193): „[…] dann werden wir darlegen, was entweder in unsere Herzen hineinleuchtet oder was beim Suchen gefunden wird oder was sich bei unseren Überlegungen heimlich einschleicht“. Für die Bedeutung des Literalsinns in der Exegese des Origenes siehe außerdem auch HANSON, Allegory, 238 [Hervorhebung im Original]: „Generally throughout his Commentary on Matthew, his last major work of exegesis, Origen shows an unusual respect for the literal sense and tends to introduce allegory a little cautiously and apologetically.“ 406 Vgl. BRECK, Refléxions, 134. 407 GÖGLER, Theologie, 91. 403

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Leser des Textes in die vom Text erzählte Welt integriert.408 Das Einbinden des Publikums in die mittels des Bibeltextes veranschaulichten Ereignisse geschieht nicht akzidentiell, sondern lediglich auf die Stellen bezogen, wo nach Origenes die lehrhafte Funktion der biblischen Erzählungen am besten von den Hörern bzw. Lesern wahrgenommen und nachvollzogen werden kann.409 ‚Eingebunden-Seinʻ in den Text heißt ‚Eingebunden-Seinʻ in das vom Text versinnbildlichte Universum. Eine einheitliche Technik solcher Aktualisierung von biblischen Erzählungen lässt sich innerhalb der Exegese des Origenes zur Verwandlungerzählung jedoch nicht entdecken. Dennoch konstituiert diese Vergegenwärtigung ein durchgehendes, wenn nicht leitendes Interesse des Alexandriners, wie es in jeder seiner exegetischen Schriften nachgewiesen werden kann.410 Anhand der Exegese der neutestamentlichen Verwandlungserzählung, in der Hauptsache nach der matthäischen Lesart, aber auch unter Verweis auf die Seitenreferenten, nimmt sich Origenes vor, zu dem in der Bibel dargestellten Ereignis zu gelangen. Insofern differenziert er zwischen ‚Textʻ und ‚Eventʻ.411 Zum ‚Eventʻ will er seine Leser bzw. Hörer begleiten, um sie daran teilnehmen zu lassen – selbstverständlich in einem geistlichen Sinn. Und zum Verwandlungs-‚Eventʻ auf dem Berg 408 TORJESEN, Procedure, 130: „If it may be said that in the determination of the subject-matter genre in the prologue Origen brings the text to the reader, then it may also be said that a reverse movement occurs in the corresponding exegesis of the text, that Origenʼs exegesis is the intended means for drawing the hearer into the text.“ 409 Vgl. ebd.: „Specifically, Origenʼs exegesis attempts to locate the hearer there in the text where the pedagogy of the Logos is taking place.“ 410 Vgl. ebd. 131–132: „The number of steps and the way in which they are derived varies with the different exegetical genres, but the goal of exegesis in each verse remains the same, to place the hearer in the text […]. To the exegetical procedure of the preceding books, the exegesis of Gospels presents a somewhat startling contrast. The hearer does not appear in the interpretation in the way he does in the exegesis of Old Testament texts. In the homilies on Luke for example, the hearer is only drawn into the interpretation at the end of the homily and is related only to the interpretation of the last verse. The same holds true for the commentary on Matthew. The difference between the Old Testament and New Testament texts is that in the Old Testament the hearer is related to each verse that is being exegeted, whereas in the New Testament the exegesis of the majority of the verses is not related to the hearer.“ 411 Dazu siehe auch FÜRST, Origenes als Theologe, 159–161: „Wenn es nämlich darum geht, den Hörer oder Leser in einen Kontakt mit der Bibel zu bringen, der für die Reise seiner Seele hilfreich ist, dann geht es nicht so sehr um einen Kontakt mit dem Wortlaut des Textes, als vielmehr um einen mit der Geschichte, oder besser gesagt: der geschichtlichen Erfahrung, die der Text bezeugt. Die historische Situation, die hinter dem Text steht, ist im Verständnis des Origenes eine Begegnung mit dem Logos. […] Der Text der Bibel ist das Medium, in dem und mit dem eine Beziehung zwischen zwei geschichtlichen Situationen hergestellt wird, und in beiden geht es dabei nicht um ein historisches Geschehen als solches, auch wenn dieses unabdingbar dazugehört, sondern um das pädagogische Handeln Gottes an der Seele auf ihrem Weg zur Vollkommenheit.“

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

kommt man lediglich durch den ‚Textʻ der Verwandlungserzählung. Torjesen hat dieses Verfahren des Origenes treffend als „contemporary pedagogy of the Logos directed toward the hearer given in the spiritual sense“412 bezeichnet. Bezüglich der Bestimmung der Eigenart der durch Origenes auf die biblischen Texte angewendeten Allegorie wurde behauptet, dass der alexandrinische Theologe eine Kombination413 von hellenistischen414 und jüdischen, d. h. typologischen,415 Allegoresen herstellt und sie wechselseitig an den biblischen Zusammenhang anpasst. Zugleich wurde die Abhängigkeit der allegorischen Exegese des Origenes von seiner Gebetspraxis zum Ausdruck gebracht.416 Obwohl Origenes in seinen bis heute erhaltenen Schriften niemals eine Definition oder genauere Beschreibung der allegorischen Deutung von Bibeltexten gibt,417 wurzelt seine Allegorie in der Anerkennung der Symbolhaftigkeit der in der Bibel erzählten Ereignisse und Wörter.418 Diese biblische Symbolhaftigkeit begünstigt die Herstellung von typologischen Beziehungen zwischen verschiedenen innerbiblischen Personen, Motiven und Erzählungen. Infolgedessen gehören Allegorie und Typologie eng zusammen. Sie sind zu unterscheiden, nicht aber voneinander zu trennen.419 Die Allegorie hat die zwischen dem Alten und dem Neuen Testament bestehende Typologie zur Voraussetzung.420 Im Rahmen solchen typologischen Denkens werden Ereig412

TORJESEN, Procedure, 13. Vgl. GÖGLER, Theologie, 60–61. 414 Vgl. HANSON, Allegory, 64: „Hellenistic allegory is quite unhistorical, it knows nothing of typology, it is unrestrained in its speculation, where it touches the Torah it is designed to emancipate from a literal observance of it, and it is motivated by a desire to read various types of Greek philosophy into the given text or to remove difficulties which offend philosophy in it.“ 415 Vgl. ebd.: „Christian allegory is essentially an allegory of realization, of types finding their consummation and oracles their fulfilment and events their ordained re-enactment, just as Christian eschatology is an eschatology that largely has happened or is happening. This is one reason why the early Christians apparently found it so easy to interpret their Scriptures in an allegorical or typological way. In their view, what was to happen had happened, and each detail could be found foreshadowed in the Scriptures if the Christian set about finding it in the right way. But the methods and the types and the tradition for this allegory were already there in Palestinian Judaism“ [Hervorhebung im Original]. Für den Einfluss Philos auf die origenistische Allegorie siehe BLÖNNINGEN, Ursprung, 205– 265. 416 Vgl. KOLBET, Rethinking, 41–49. 417 Vgl. MARTENS, Origen, 64. 418 Vgl. GÖGLER, Theologie, 61. 419 Vgl. ebd 361: „Typologie kann bei Origenes nicht vom Allegorismus getrennt werden, wie J. Daniélou es wollte.“ Exemplarisch zum Verhältnis zwischen Typologie und Allegorie siehe BLÖNNINGEN, Ursprung, 138–141. 420 Vgl. GÖGLER, Theologie, 98–99: „Das Neue Testament versteht sich selbst überhaupt als die Erklärung und Erfüllung des Alten Testaments. […] Das NT setzt die typolo413

F. Origenes

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nisse, Bilder und Personen aus dem Alten Testament auf ähnliche Elemente mit theologischer Wichtigkeit aus dem Neuen Testament bezogen. Doch die Allegorie bedeutet für Origenes auch die Überschreitung der neutestamentlichen Grenzen dieser Typologie und deren Fortsetzung421 in das Leben der nachbiblischen Hörer- bzw. Leserschaft: „Die Typologie, diese eigentlich christliche Exegese, wurde nach dem neutestamentlichen und apostolischen Beispiel und durch Reflexion erweitert zur theologischen und moralischen Allegorese, die von Origenes ,mündlich und schriftlichʻ viel geübt wurde.“422 Insofern könnte die Allegorie als eine Form der Typologie, die sich auch in die Gegenwart ausdehnt, und die Typologie als eine Form der Allegorie, die sich auf die Beziehung von Altem und Neuem Testament bezieht, bezeichnet werden. Die allegorische oder übertragene Erklärung wird in der Exegese der Verwandlungserzählung durch Origenes erst nach der Analyse des Literalsinns durchgeführt. Origenes schreibt: „Da wir uns bis jetzt noch nicht um eine übertragene Auslegung dieser Stelle bemüht, sondern sie nur dem Wortlaut nach untersucht und dies gesagt haben, wollen wir im Anschluß daran folgendes sehen (τούτοις ἀκολούθως ἴδωµεν423).“424 Die Allegorie ist daher mit dem Literalsinn eng verbunden, da sie auf dessen Basis entfaltet wird.425 Für die Kirchenväter gehört die Aktualisierung untrennbar zur Exegese der biblischen Texte, sie ist unentbehrlicher Bestandteil. Mihoc hält fest: „The Holy Fathers teach us therefore that Scripture actualisation, by discovering its spiritual sense, is totally included in the goal of the exegesis.“426 Für Origenes gische Interpretation der Geschichte fort, indem es ihre Erfüllung in Jesus Christus zeigt. Das neutestamentliche Verständnis des AT ist typologische Exegese, weil das NT die Heilsgeschichte in der heilsökonomischen Perspektive der Erfüllung in Christus betrachtet. Es sieht im ganzen AT eine Hindeutung auf Christus, den es erwartet. Von Ihm her gesehen ist alles Alttestamentliche Typ und Vorentwurf, alles ,ist über Ihn geschriebenʻ (Lk 24,27). Dies ist das Fundament der biblischen Typologie.“ Siehe auch HANSON, Allegory, 63–75. 421 Vgl. GÖGLER, Theologie, 363: „Dieser ,Allegorismusʻ des Origenes ist biblischer als man ihn hingestellt hat. Denn auch die neutestamentliche Typologie beschränkt sich nicht auf die Offenbarung dogmatischer Mysterien, sondern sie begreift moralische, spirituelle Paränese mit ein und enthält damit auch das heute mit reiner ,Allegoreseʻ bezeichnete Element.“ 422 Ebd. 105. 423 Comm. in Mt. XII, 41 (Klostermann, GCS 40, 163). 424 Comm. in Mt. XII, 41 (Vogt, BGrL 18, 202). 425 Vgl. MARTENS, Origen, 63: „Bernhard Neuschäfer challenged his readers to wrestle with two pregnant portraits of Origen: the older portrait that presented him as an allegorist, and the newer that depicted him as a philologist. Were these two conflicting tendencies within the exegete or could they be harmoniously integrated into a single picture? He left the question unanswered. For Origen, I propose, the answer was clear: allegorical interpretation was a legitimate dimension of philological inquiry.“ 426 MIHOC, Actuality, 13.

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

vollzieht sich diese Vergegenwärtigung vor allem in Form einer Einladung der Hörer bzw. Leser zur Identifikation mit den Akteuren der Bibelerzählung und damit der Übertragung der im biblischen Text erzählten Ereignisse in das Leben der Hörer bzw. Leser. 1. Angebot zur Nachahmung an aktuelle Hörer bzw. Leser Zum Zweck einer Aktualisierung des Verwandlungsereignisses schlägt Origenes seinen Hörern bzw. Lesern vor, sich mit einigen am Event beteiligten Akteuren zu identifizieren. Als Vorbilder für seine zeitgenössische Hörerbzw. Leserschaft fungieren die drei Jünger. Ihre Erfahrung im Rahmen der Verwandlungserzählung hat nach Origenes eine lehrhafte Funktion für seine aktuellen Hörer bzw. Leser: „Diese Auslegung des Wortes, daß die drei Apostel den Tod nicht kosteten, bevor sie Jesus nicht umgestaltet sahen, paßt (ἁρµόζει427) für diejenigen, die (nach dem Wort des Petrus) ,wie neugeborene Kinderʻ geworden sind und ,nach der vernünftigen Milch ohne Trugʻ verlangen [1 Petr 2,2].“428 Diese ‚neugeborenen Kinderʻ sind für Origenes ganz offensichtlich nicht nur Zeitgenossen Jesu, sondern sehr wahrscheinlich Christen nachkommender Generationen, die ihre eigene Geschichte aus der Sichtweise der biblischen Verwandlungserzählung betrachten. Die Geltung der Worte Jesu wird somit nicht auf die Zeit Jesu beschränkt. So schreibt Origenes auch an einer anderen Stelle seiner Exegese, dass von einer ähnlichen Erfahrung der drei Jünger „einige der bei Jesus Stehenden gewürdigt (werden), wenn sie entweder Petrus sind, den ,die Pforten der Hölle nicht überwältigenʻ [Mt 16,18], oder ,Donnersöhneʻ [Mk 3,17] und erzeugt von der lauten Stimme Gottes, welcher donnert und Großes vom Himmel denen zuruft, die Ohren haben und weise sind. Solche also kosten den Tod nicht.“429 Die bei Jesus Stehenden oder die sich bei ihm befinden (τινες τῶν ἑστώτων παρὰ Ἰησοῦν430) könnten nach Origenes nicht nur die damaligen Anhänger Jesu, besonders seine zwölf Jünger (gemäß Mt 16,13–28), sein, sondern auch diejenigen Gläubigen nachapostolischer Zeit, die „ihm folgen können“.431 Um Teilhabe an diesem Ereignis, so wie die drei Jünger auf dem Berg, zu gewinnen, sollen sich die nachbiblischen Generationen mit den drei auf dem Berg anwesenden und an der Verwandlung Jesu teilhabenden Jünger identifizieren. Doch diese Identifikation der späteren Hörer bzw. Leser mit Petrus, Jakobus und Johannes besteht in der Imitation ihrer Tugenden wie der Standhaftigkeit des Petrus oder der Weisheit der Donnersöhne. Die so beschaffenen

427

Comm. in Mt. XII, 31 (Klostermann, GCS 40, 130). Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 191). 429 Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192) [Hervorhebung im Original]. 430 Comm. in Mt. XII, 31 (Klostermann, GCS 40, 130). 431 Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 192). 428

F. Origenes

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Personen (οἱ τοιοῦτοι432), d. h. diejenigen, die sich nach dem Vorbild der drei richten, werden nach Origenes sicherlich (γοῦν433) den Tod nicht kosten und somit dasselbe Erlebnis wie die drei Jünger Jesu haben. Infolgedessen postuliert die Aktualisierung eine wichtige ethische Komponente, die in der Nachahmung des tugendhaften Verhaltens der an dem ursprünglichen Verwandlungsereignis teilhabenden Personen (in diesem Fall der drei Jünger) besteht. Somit wird der Spezialfall der Jünger und deren persönliche Erfahrung bei der Verwandlung Jesu eine Angelegenheit allgemeinen Interesses und eine Voraussetzung für alle Christen, die dieselbe oder eine ähnliche Erfahrung machen wollen. Das anfänglich an die Jünger Jesu gerichtete Verheißungswort betrifft nun ein breites Publikum. Origenes schreibt diesbezüglich: „Ohne das Verheißungswort Jesu aber hätten wir nicht zu Unrecht vermutet, daß wir den Tod kosten, solange wir noch nicht gewürdigt wurden, ,die Herrschaft Gottes in Machtʻ und den Menschensohn in seiner Herrlichkeit und in der Herrschaft kommen zu sehen.“434 Für ihn wird die symbolische Bedeutung der biblischen Erzählung hervorgehoben und gewürdigt, die nicht nur die Vergangenheit zu erzählen intendiert, sondern die Absicht hat, über die Jahrhunderte hindurch Glauben zu vergegenwärtigen.435 2. Aktualisierung des erzählten Ereignisses Ein Grundgedanke der von Origenes vorgeschlagenen Aktualisierung ist, dass manche Episoden der biblischen Verwandlungserzählung von den späteren Hörern bzw. Lesern miterlebt werden können. Zwischen den ursprünglichen biblischen Geschichten und den Geschichten und konkreten Lebenskontexten der Christen jeder nachbiblischen Generation können mittels allegorischer Deutung Entsprechung(en) entdeckt werden. Diese Praxis der Allegorese entspricht nach Gögler jüdischer Bibelexegese, da dem biblischen Wort nicht nur historischer Sinn, sondern auch prophetisch-didaktische Funktion in Bezug auf das Künftige zukommt.436 Damit werden einige der in den biblischen Texten erwähnten Ereignisse auf das Leben der Hörer bzw. Leser übertragen und somit aktualisiert. Zu diesem Ergebnis kommt auch Metzdorf in ihrer Analyse der origenistischen Auslegung der Tempelaktion Jesu. Sie stellt fest, dass Origenes seine Allegorese durch „jeweils kontext- und situationsbezogene Akualisierungen“437 entfaltet und „die einzelnen Erzählelemente der Perikope jeweils unterschiedliche Bedeutungen“ annehmen, d. h., „das Bedeutungs432

Comm. in Mt. XII, 31 (Klostermann, GCS 40, 134). Ebd. 434 Comm. in Mt. XII, 34 (Vogt, BGrL 18, 195–196) [Hervorhebung im Original]. 435 Ähnlich GÖGLER, Theologie, 339–340. 436 Vgl. ebd. 87: „Die Dimension der Zeit verleiht dem biblischen Wort prophetischen Charakter und der biblischen Historie typologischen Sinn, was dasselbe ist.“ 437 METZDORF, Tempelaktion, 61. 433

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

spektrum dessen, was Origenes als die historische Absicht Jesu erschlossen hatte, überträgt er auf die neue Situation“.438 Origenes erklärt das Wiedererleben des Sehens des Menschensohns in seiner Herrlichkeit, wie er von den drei Jüngern auf dem Berg gesehen wurde, für möglich: „Wer das Überragende des Wortes sieht und erfaßt, welches alles auflöst und widerlegt, […] der sieht den Menschensohn (nach dem Wort des Johannes [Offb 19,13] das Wort Gottes) in seiner Herrschaft kommen.“439 Allerdings setzt die Aktualisierung des Verwandlungsereignisses für die die drei Jünger imitierenden Gläubigen nicht die physische Teilnahme an dem ursprünglichen Erlebnis voraus, sondern lediglich eine geistliche Beteiligung. Torjesen schreibt treffend: „The movement of exegesis draws the reader into the text where he reencounters the original teaching activity of Christ through the interpretation of the spiritual sense.“440 Konkret deutet Origenes die Verwandlungserzählung als Symbol für das Kennen der überlegenen oder tieferen Bedeutung des Bibelwortes, die er „königliche Würde des Wortes (βασιλικὸν ἐµφαινόµενον ἀξίωµα τοῦ Λόγου441), welches ganz offen die Herrschaft über alle Worte übernommen hat“,442 oder „das Überragende des Wortes“443 nennt. Haben die drei Jünger bei der Verwandlung Jesu die Herrschaft Gottes in Macht kommen gesehen, so können alle, die den höheren Sinn des Bibelwortes begreifen, diese Herrschaft „in sich selbst“444 beobachten. Des Weiteren versieht Origenes auch das Hinaufgehen auf den Berg mit einer aktualisierenden Botschaft, indem er einen vergleichbaren Zugang für die nachkommenden Generationen für möglich hält:

438

Ebd. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193) [Hervorhebung im Original]. 440 TORJESEN, Procedure, 13. 441 Comm. in Mt. XII, 32 (Klostermann, GCS 40, 132). 442 Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193). 443 Ebd. [Hervorhebung im Original]: „Wer das Überragende des Wortes sieht und erfaßt, welches alles auflöst und widerlegt, was zugunsten der Lügen, die sich aber als Wahrheit ausgeben, an überzeugenden Reden vorgebracht wird, der sieht den Menschensohn (nach dem Wort des Johannes [Offb 19,13] das Wort Gottes) in seiner Herrschaft kommen. Wenn ein solcher Mensch aber sieht, wie das Wort nicht nur alle Überzeugungskraft der entgegengesetzten Worte auflöst, sondern auch seine eigenen Lehren ganz klar beweist, sieht er wohl zu seiner Herrschaft hinzu auch noch die Herrlichkeit.“ 444 Ebd: „Und ein solcher dürfte wohl in sich selbst ,die Herrschaft Gottes in Macht kommenʻ [Mk 9,1] sehen. Und das dürfte er wohl sehen, weil er nicht mehr von der Sünde beherrscht wird, welche in dem sterblichen Leib der Sünder herrscht, sondern immer dem Gott des Alls als König unterstellt ist.“ 439

F. Origenes

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„Wenn also einer von uns von Jesus mitgenommen und auf den hohen Berg geführt und allein des Anblicks seiner Verklärung gewürdigt werden will, dann überschreite er die sechs Tage dadurch, daß er nicht mehr ,das Sichtbareʻ anschaut (σκοπεῖν ἔτι ‚τὰ βλεπόµενα‘445) und nicht mehr ,die Welt noch die Dinge in der Weltʻ [Tit 2,12] liebt, noch irgendeine weltliche Begierde (κοσµικὴ ἐπιθυµία446) in sich aufkommen läßt. […] Nichts mehr soll er begehren von dem, dessen Art es ist, die Seele abzulenken und von den besseren und göttlichen Dingen (θειότερα447) abzuziehen und sie niederzudrücken. […] Wenn er nämlich die sechs Tage durchschritten hat (wie wir sagten), wird er einen neuen Sabbat feiern, voll Freude darüber, daß er auf dem hohen Berg den vor seinen Augen verklärten Jesus schauen darf.“448

In diesen Worten wird deutlich, dass Origenes das anfängliche Event des Hinaufgehens der Jünger auf den Berg der Verwandlung Jesu in einer allegorischen Weise mit dem Entfernen von den sichtbaren und weltlichen Dingen und dem Hinaufgehen zu den besseren und göttlichen Dingen seitens seiner zeitgenössischen Hörer bzw. Leser verbindet. Die sechs Tage, „eine vollkommene Zahl (τελείῳ ἀριθµῷ449)“, werden von Origenes als Vorbereitungszeit verstanden und ausgelegt. Leiten die sechs Tage die drei Jünger in der Erzählung zu dem Erblicken des verklärten Jesus, so stellt dieselbe Zahl der Tage für Origenes eine Entwicklungsphase dar und führt diejenigen, die sie durchschreiten, vom Sehen des Sichtbaren zum Sehen des Unsichtbaren, d. h. des Ewigen, und zur Feier eines neuen Sabbats.450 Als Letztes aktualisiert Origenes für sein Publikum den Moment der Verwandlung Jesu: „Wenn du aber die Verklärung Jesu sehen willst, wie sie vor den Augen derer geschah, die mit ihm allein auf den hohen Berg hinaufgegangen waren, dann schau, wie der in den Evangelien dargestellte Jesus einfältiger (ἁπλούστερον451) verstanden und (so könnte man sagen) dem Fleisch nach erkannt wird von denen, die nicht durch Worte und Taten, die schon auf den hohen Berg der Weisheit hinaufgelangt sind, hinaufsteigen, aber nicht mehr ,dem Fleische nachʻ erkannt, sondern durch alle Evangelien hindurch Gott genannt und in der ,Gottesgestaltʻ gemäß ihrer Erkenntnis angeschaut wird (von den Vollkommenen).“452

445

Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 151). Ebd. 447 Ebd. 448 Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]. 449 Comm. in Mt. XII, 36 (Klostermann, GCS 40, 151). 450 Vgl. Comm. in Mt. XII, 31 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]: „Da nämlich in sechs Tagen, einer vollkommenen Zahl, die ganze Welt entstanden ist, dieses vollkommene Kunstwerk, deswegen, meine ich, wird hier derjenige, der alle Dinge der Welt dadurch überschreitet, daß er nicht mehr ,das Sichtbareʻ anschaut (das ist nämlich ,zeitlichʻ), sondern schon ,das Unsichtbareʻ, und zwar nur ,das Unsichtbareʻ (weil es ,ewigʻ ist [2 Kor 4,18]), dargestellt durch die Worte: Nach sechs Tagen nimmt Jesus diese mit.“ 451 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Klostermann, GCS 40, 153). 452 Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198) [Hervorhebung im Original]. 446

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Hier bringt Origenes zum Ausdruck, dass die Qualität der späteren infolge des allegorischen Verständnisses der Erzählung gewonnenen Erfahrung der Verwandlung seitens der nachbiblischen Gläubigen dieselbe ist (σὺν αὐτῷ453) wie jene der drei Jünger. Origenes aktualisiert die Verwandlungserzählung auch im Hinblick auf das Verständnis Jesu als Gott und nicht nur als Mensch. Das Hinaufsteigen auf den Verwandlungsberg wird durch Origenes auch als Hinaufsteigen auf den Berg der Wahrheit und die Schau des verwandelten Jesus als Erkennen seiner göttlichen Gestalt aktualisiert. Die spätere Teilnahme am Verwandlungsereignis seitens der Zeitgenossen des Origenes setzt auch einen Erkenntnisfortschritt voraus, weil Jesus nun nicht mehr nur nach seinem menschlichen, sondern auch nach seinem Wirken als Logos verstanden und erkannt wird. Diese aktualisierende Interpretation der Verwandlungserzählung wird auch an einer anderen Stelle des Kommentars von Origenes deutlich: „[…] muß man darüber hinaus sagen, daß wir vielleicht dann den Logos am ehesten (µάλιστα454) vor unseren Augen verklärt sehen können, wenn wir das tun, wovon schon die Rede war, und auf den Berg hinaufgehen und das Wort im Gespräch mit dem Vater und im Gebet zu ihm für diejenigen sehen, für die er wohl als wahrer Hoherpriester zum einzigen Gott betet.“455

Die Betrachtung des verwandelten Jesus bedeutet für Origenes gemäß seiner allegorisch-aktualisierenden Auslegungsweise auch die Wahrnehmung von dessen Vermittlerrolle zwischen dem Vater und den Menschen als Hohepriester. Wie aber kommt man zu einem Wiedererleben des Verwandlungsereignisses in der Gegenwart der Ausleger? Auf diese Frage antwortet Origenes in seinen Vorschlägen zur Aktualisierung, indem er das einfache Lesen/Hören des Bibelwortes durch moralische Mahnungen ergänzt. Die Menschen werden befähigt, die Verwandlung Jesu Christi wie die drei Jünger zu sehen, indem sie eine Offenheit für das geistliche Hören und Verstehen des Textes an den Tag legen (ἄκουε τούτων, εἰ δύνασαι, πνευµατικῶς456). Dadurch können sie den überlegenen Sinn des Wortes wahrnehmen,457 sich vom Anschauen des Sichtbaren und der Welt und von der weltlichen Begierde entfernen458 sowie die Gottesgestalt Jesu sehen.459

453

Comm. in Mt. XII, 37 (Klostermann, GCS 40, 153). Comm. in Mt. XII, 39 (Klostermann, GCS 40, 156). 455 Comm. in Mt. XII, 39 (Vogt, BGrL 18, 199) [Hervorhebung im Original]. 456 Comm. in Mt. XII, 37 (Klostermann, GCS 40, 152). 457 Vgl. Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193). 458 Vgl. Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 459 Vgl. Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198). 454

F. Origenes

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VI. Fazit Origenes schafft die erste elaborierte Bibelexegese in der Zeit der Alten Kirche. Seine Vorliebe für das Matthäusevangelium fügt sich in die allgemeine Tendenz der patristischen Bibelauslegung ein, welche dieses als ältestes und wichtigstes Zeugnis des Wirkens Jesu betrachtete. Bei der Auslegung der matthäischen Verwandlungserzählung folgt Origenes dem zweifachen Schriftsinn, indem er sowohl eine wörtliche Analyse als auch eine Aktualisierung vornimmt, worin sein hermeneutisches Verständnis deutlich wird. Das in der Verwandlungsperikope erzählte Ereignis ist laut Origenes geschichtlich zu verstehen, was ihn zur wörtlichen Auslegung bewegt. Dabei nimmt er, wie gezeigt werden konnte, historisch-kritische Methodenschritte bereits in Ansätzen vorweg. Er bleibt dabei jedoch nicht stehen, sondern aktualisiert die Erzählung für die nachbiblischen Hörer bzw. Leser. Die Aktualisierung bildet den Höhepunkt seiner Exegese,460 indem er eine Übertragung des im Rahmen des biblischen Textes erzählten Ereignisses hin zum konkreten Leben des Publikums herstellt. Diese betrachtet er als dynamischen Prozess der Identifikation und Verhaltensänderung, was letztendlich zur Annäherung an und die Gemeinschaft mit Gott führt: „Wer das Überragende des Wortes sieht und erfaßt, welches alles auflöst und widerlegt, […] der sieht den Menschensohn (nach dem Wort des Johannes das Wort Gottes) in seiner Herrschaft kommen. […] Und das dürfte er wohl sehen, weil er nicht mehr von der Sünde beherrscht wird, welche in dem sterblichen Leib der Sünder herrscht, sondern immer dem Gott des Alls als König unterstellt ist, dessen Herrschaft dem Vermögen nach ‚in unsʻ, der Wirksamkeit nach aber und (wie Markus sagt) in Kraft und nicht in Schwäche allein in den Vollkommenen ist.“461

Das impliziert erstens das Zugänglichmachen des biblischen Geschehens für die heutigen Leser/Hörer und zweitens das Integrieren der Leser/Hörer in die vergegenwärtigte Geschichte: „Wenn also einer von uns von Jesus mitgenommen und auf den hohen Berg geführt und allein des Anblicks seiner Verwandlung gewürdigt werden will, dann überschreite er […]“,462 oder „wenn du aber die Verwandlung Jesu sehen willst, wie sie vor den Augen derer geschah, die mit ihm allein auf den hohen Berg hinaufgegangen waren, dann schau […]“.463 Zentral bleibt in seiner Exegese die christozentrische Perspektive, dass der Logos in der Schrift anwesend ist und durch die Schriftworte der Logos selbst mit den Lesern kommuniziert.

460 Vgl. TORJESEN, Procedure, 131: „The goal of exegesis in each verse remains the same, to place the hearer in the text.“ 461 Comm. in Mt. XII, 32 (Vogt, BGrL 18, 193) [Hervorhebung im Original]. 462 Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197) [Hervorhebung im Original]. 463 Comm. in Mt. XII, 37 (Vogt, BGrL 18, 198) [Hervorhebung im Original].

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

G. Johannes Chrysostomos als Ausleger der Verwandlungserzählung G. Johannes Chrysostomos Für den Raum der ostkirchlichen Theologie gilt Johannes von Antiochien bzw. Chrysostomos (347–407) aufgrund seiner Predigttätigkeit und seiner exegetischen Verdienste als einer der wichtigsten Theologen der patristischen Zeit.464 Adolf von Harnack bezeichnete ihn als „den eigentlichen Bibelmann des 4. Jahrhunderts“.465 Chrysostomus Baur, der bis heute als einer der besten modernen Biographen des Chrysostomos gilt, charakterisiert seine Kommentare zum Neuen Testament – literarisch und exegetisch betrachtet – als die besten und am häufigsten rezipierten Werke der griechischen Väterzeit.466 Nicht zufällig wurde der Antiochener während seiner Tätigkeit als Priester in seiner Heimatstadt467 mit einem Titel ausgezeichnet, der später sein Beiname wurde – ὁ Χρυσόστοµος („der goldene Mund“).468 Wie zuvor Origenes, erlebte Chrysostomos als Erzbischof und Patriarch von Konstantinopel ungerechtfertigte Verurteilungen und wurde infolgedessen zweimal seines Amtes enthoben und ins Exil verbannt.469 I. Quellenlage zur Verwandlungserzählung im Werk des Chrysostomos Die meisten seiner exegetischen Werke wurden von Chrysostomos im Rahmen seiner Priester- und Predigertätigkeit in Antiochien (386–398) angefertigt. Darunter zählen auch die neunzig Homilien zum Matthäusevangelium,470 die von David Balás und Jeffrey Bingham als ältester vollständig erhaltener Kommentar zum Matthäusevangelium bezeichnet werden.471 Zur Datierung dieser neunzig Homilien gibt es keinen Hinweis innerhalb dieser selbst. Es

464

Vgl. ALTANER/STUIBER, Patrologie, 323. Vgl. VON HARNACK, Gebrauch, 81. 466 Vgl. BAUR, Chrysostomus, I, 267. 467 Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 783. Zur Wirkung des Chrysostomos in Antiochien siehe MAXWELL, Christianization. 468 In den orthodoxen Kirchen genießt Chrysostomos eine schon übertriebene Wertschätzung, wenn es in einem griechischen Menologium zu seiner exegetischen Tätigkeit heißt: „Wenn Gott unseren Johannes nicht erweckt hätte, um sein Evangelium zu erklären, so hätte Christus ein zweitesmal auf die Welt kommen müssen!“ Dazu siehe BAUR, Chrysostomus, I, 267. 469 Für die Biographie des Chrysostomos vgl. BAUR, Chrysostomus, Band I und II. Außerdem vgl. KELLY, Mouth; BRÄNDLE, Chrysostomus; TIERSCH, Chrysostomus. Ein aktualisiertes Quellen- und Literaturverzeichnis zur Chrysostomosforschung bietet KANNENGIESSER, Handbook, 788–798. 470 Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 784. 471 Vgl. BALÁS/BINGHAM, Exegesis, 337: „Though a collection of homilies, Chrysostom’s work offers the oldest surviving complete commentary on Matthew.“ 465

G. Johannes Chrysostomos

227

können darüber also nur Vermutungen angestellt werden. Jean Bareille472 datiert sie zwischen 390 und 398, während Baur,473 Max von Bonsdorff,474 Rudolf Brändle475 und Marie Guillaumin476 sie um das Jahr 390 ansetzen.477 Eine kritische Ausgabe der neunzig Homilien von Chrysostomos zum Matthäusevangelium wurde bis jetzt nicht erstellt, was in der Chrysostomosforschung sehr bedauert478 und als Projekt für die Zukunft vorgeschlagen wurde.479 Der griechische Text wurde erstmals von Frederick Field in einer einheitlichen Form verfügbar gemacht.480 Jacques-Paul Migne gab ebenfalls eine griechische Ausgabe der neunzig Matthäushomilien heraus, die von allen Chrysostomosforschern der Field-Version vorgezogen wurde.481 Erst Otto Bardenhewer zeigte, dass die Field-Version in der Migne-Ausgabe (hier mit einer lateinischen Nebenversion) abgedruckt wurde.482 Eine lateinische Übersetzung der ersten fünfundzwanzig Homilien des Chrysostomos zum Matthäusevangelium wurde schon früh, etwa zu Beginn des fünften Jahrhunderts, von dem pelagianischen Diakon Annianus von Celeda angefertigt.483 Die erste vollständige Übersetzung seiner Homilien ins Lateinische geht auf Burgundius Pisanus (gest. 1194) und somit auf die Mitte des elften Jahrhunderts zurück.484 In modernen Sprachen gibt es die französische Übersetzung von Bareille aus dem Jahr 1868, die englische von George Prevost von 1888485 und die deutsche von Baur von 1915/1916.486

472

Vgl. CHRYSOSTÔME, Œuvres completes, XI, 281. Vgl. BAUR, Chrysostomus, I, 239. 474 Vgl. VON BONSDORFF, Predigttätigkeit, 14–25. 475 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 11. 476 Vgl. GUILLAUMIN, Bible, 170–171. 477 Dieselbe Einsicht ist außerdem bei METZDORF, Tempelaktion, 68; COUNE, Transfiguration, 44; MORESCHINI/NORELLI, Literature, 150; QUASTEN, Patrology, 437, zu finden. Trotzdem sind die Argumente für eine zeitliche Fixierung der Matthäusevangeliumshomilien um das Jahr 390 nicht überzeugend. Die Diskussion der Datierung der Homilien des Chrysostomos wird von MAYER, Homilies, dargestellt. Siehe dazu auch MUSURILLO, Homilies, 454, Anm. 16. 478 Vgl. BAUR, Chrysostomus, I, 263, und BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 12. Dazu auch MUSURILLO, Homilies, 454. 479 Vgl. MALINGREY, LʼÉdition, 90. 480 Homiliae in Matthaeum (Field, 1839). 481 Vgl. Homiliae XC in Matthaeum (PG 57–58, 793). 482 Vgl. BARDENHEWER, Geschichte, 339. 483 Vgl. MUSURILLO, Homilies, 453–455. 484 Vgl. QUASTEN, Patrology, 438. 485 Vgl. CHRYSOSTOM, Homilies on Matthew (Prevost, NPNF 10). 486 Kommentar zum Matthäus (Baur, BKV 23). 473

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Die 56. Homilie behandelt die Verwandlungserzählung. Sie ist vollständig auf Griechisch und auf Lateinisch erhalten.487 Sie wurde ins Deutsche, 488 Französische489 und Teile auch ins Englische490 übersetzt. Eine breite Diskussion wird über den möglichen Kontext geführt, in welchem diese Homilie zusammen mit den anderen Homilien zum Matthäusevangelium von Chrysostomos gehalten wurden, bzw. über die mögliche Gruppe von Homilien des Chrysostomos, in die sie integriert werden kann. Michel van Parys gliedert die griechischen und byzantinischen Homilien zur Verwandlungserzählung in drei Gruppen: 1. „Homélies fériales“,491 zu denen er auch die 56. Homilie des Chrysostomos zählt, d. h. auf der Basis der Evangelientexte exegetisch gestaltete Homilien,492 die aber nicht als gottesdienstliche Predigten verstanden werden sollten; 2. „Homélies festales“,493 d. h. Homilien, die anlässlich des Verklärungsfestes am 6. August gehalten wurden; 3. „Catéchèses monastiques“,494 d. h. Homilien, die an ein monastisches Publikum gerichtet waren. Claudio Moreschini und Enrico Norelli behaupten, dass die Homilien zum Matthäusevangelium weder zur dogmatischen noch zur liturgischen oder zur moralischen Gruppe der Chrysostomoshomilien gehören, sondern sich in die Reihe der exegetischen Homilien einreihen lassen.495 Sie präzisieren aber nicht, worin deren exegetischer Charakter besteht. Eine mögliche Erklärung gibt Guillaumin. Obwohl sie eine Möglichkeit sieht, die Homilien des Chrysostomos über das Matthäusevangelium im Laufe der vorösterlichen Fasten487 Vgl. Homilia LVI. al. LVII. (PG 58, 549–558). Ein kritisches Inventar aller Homilien zur Verwandlungserzählung hat HALKIN, Bibliotheca, zitiert von VAN PARYS, Thabor, 10, Anm. 1, erstellt. 488 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV 23, 188–206). 489 Außer Bareille siehe COUNE, Transfiguration, 45–63. Teile der 56. Matthäushomilie von Chrysostomos wurden von HABRA, Transfiguration, 36–38, übersetzt. 490 Vgl. MCGUCKIN, Transfiguration, 174–176. 491 VAN PARYS, Thabor, 14. 492 Vgl. ebd.: „Ce terme désigne un ensemble comptant une dizaine dʼhomélies antérieures au VIIIe siècle, prononcées dans le cadre dʼune prédication suivie sur les Evangiles.“ Vgl. ebd. 19 [Hervorhebung im Original]: „Lʼhomélie de Saint Jean Chrysostome sur lʼévangile selon S. Matthieu est restée une des autorités majeures pour la compréhension du mystère de la transfiguration du Christ.“ 493 Vgl. ebd. 15: „Au tournant du VIIe et VIIIe siècles apparaissent des homélies prononcées à lʼoccasion de la célébration liturgique de la fête du 6 août.“ 494 Vgl. ebd. 17: „S. Théodore Studite est pour nous le premier témoin dʼun nouveau type dʼhomélie, adressée à un public uniquement monastique. Nous pouvons appeler ces textes ,catéchèses monastiquesʻ.“ 495 Vgl. MORESCHINI/NORELLI, Literature, 152–153.

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zeit zu verorten,496 zeigt sie, dass es in diesen Homilien keine deutlichen Verweise auf liturgische Zusammenhänge gibt, in deren Rahmen sie hätten gehalten werden können.497 Ihrer Meinung nach stellen diese Homilien des Chrysostomos einen wichtigen Schritt innerhalb der Entwicklung seiner allgemeinen exegetisch-homiletischen Tätigkeit dar, im Sinne der Entfernung von deren liturgischem Gebrauch hin zu einer Annäherung an einen katechetischen Unterricht.498 Dafür spricht unter anderem die Äußerung des Chrysostomos in seiner ersten Homilie zum Matthäusevangelium, der zufolge die Hörer dieser Homilien den Evangeliumstext während seiner Auslegung vor Augen haben sollten.499 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der Anlass seiner Homilie über die Verwandlungserzählung sowie aller übrigen Homilien über das Matthäusevangelium sich weniger auf Feste des liturgischen Jahres bezog, sondern die Texte auf die katechetische Unterweisung zielten.500 Außer in seiner 56. Homilie zum Matthäusevangelium rekurriert Chrysostomos auf die biblische Verwandlungserzählung noch in drei weiteren seiner Werke: Ad Theodorum Lapsum,501 Ecloga de Imperio, Potestate et Gloria502 und De Capto Eutropio.503 Doch in keinem dieser Werke wird eine exegetische Analyse durchgeführt, sondern Chrysostomos leitet von dem Verwandlungsereignis theologische Schlussfolgerungen ab, wie z. B. die Beschreibung des zweiten Kommens Jesu anhand der in der Verwandlungserzählung gebotenen Motive (Ad Theodorum lapsum) oder die Darstellung der Kondeszen-

496

Homilien 4 und 5 (PG 57, 39–62). Vgl. GUILLAUMIN, Bible, 171: „[…] on nʼa plus dʼallusions à une lecture proprement liturgique. Lʼauditoire varie: si certains viennent tous les jours, dʼautres, qui ne sont là que le dimanche, se voient reprocher leur tiédeur.“ 498 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „On en vient à penser que la prédication de Chrysostome à Antioche sʼest progressivement détachée de la célébration liturgique parce que Jean assumait désormais un véritable enseignement exégétique. Avec les quatre-vingthuit Homélies sur lʼEvangile de Jean prononcées lʼannée suivante, il semble bien que lʼon ait atteint ce stade: Chrysostome sʼadresse à des auditeurs réguliers, qui doivent chaque samedi et chaque dimanche prendre dʼavance en mains la péricope que lʼon va lire, ou tout au moins écouter la lecture quʼon ne manque jamais de faire sur place.“ 499 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 24): „Deshalb bitte ich euch, mir mit Eifer und Aufmerksamkeit zu folgen, damit wir unter Christi Leitung bis in die verborgensten Tiefen der Hl. Schrift einzudringen vermögen. Damit ihr aber die Predigten leichter versteht, so bitte ich euch inständig, den Abschnitt des Evangeliums aufzuschlagen, der jeweils zur Erklärung kommt, damit die Lesung dem Verständnis den Weg bereite, wie damals bei dem Eunuchen, und auch auf diese Weise die Sache erleichtert werde.“ 500 Vgl. GUILLAUMIN, Bible, 171–172: „[…] Jean a dû, vers 390–392, prendre la responsabilité dʼun enseignement catéchétique de niveau supérieur, tandis que Flavien le déchargeait de ministère habituel de la prédication liturgique.“ 501 Vgl. PG 47, 291. 502 Vgl. PG 63, 700. 503 Vgl. PG 52, 404–405. 497

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

denz Gottes mittels der von den drei Jüngern wahrgenommenen Ausstrahlung Jesu auf dem Berg (Ecloga de Imperio potestate et gloria). II. Die Verwandlungserzählung in der 56. Homilie zum Matthäusevangelium Der Exegese der Verwandlungserzählung widmet Chrysostomos eine ganze Homilie (56) in der Reihe seiner neunzig Homilien zum Matthäusevangelium. Ähnlich wie Origenes beginnt Chrysostomos seine Untersuchung der Perikope mit dem Zitieren und Auslegen des Verses 28 aus Mt 16, indem er das Logion vom Sehen des in sein Reich kommenden Menschensohns mit der Verwandlung Jesu auf dem Berg in Verbindung bringt.504 Darüber hinaus und im Unterschied zu Origenes verbindet Chrysostomos am Anfang seiner 56. Homilie die Verwandlungserzählung mit Informationen aus Mt 16,27 hinsichtlich des Sehens des in der Herrlichkeit seines Vaters kommenden Menschensohns.505 1. Das exegetische Vorgehen des Chrysostomos Trotz seiner bedeutsamen Rolle als Ausleger der Bibel wurde bis jetzt das allgemein-exegetische Verfahren von Chrysostomos nicht gründlich analysiert, wie Jean Leroux 1971 feststellte.506 Seine Äußerung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn die chrysostomische Bibelexegese wurde schon 1887 von Frederic Chase untersucht.507 Einen möglichen Erklärungsgrund für diese Situation gab Robert Carter 1973, der auf die Schwierigkeiten hinwies, die unsystematische Theologie und Exegese des Chrysostomos zu systematisieren.508 Ihm zufolge sollte die zukünftige Chrysostomosforschung von drei Voraussetzungen ausgehen:

504

Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188). Vgl. ebd.: „So hatte er zum Beispiel gesagt, daß […] er selbst in der Herrlichkeit des Vaters wiederkehren und daß er die Siegespreise verteilen werde. Nun wollte er ihnen zeigen, was das für eine Herrlichkeit sei, in der er wiederkommen sollte, und sie dieselbe mit eigenen Augen sehen lassen, soweit sie es nämlich zu erfassen imstande waren.“ 506 Vgl. LEROUX, Relativité, 67: „De plus, ses écrits, presque exclusivement consacrés au commentaire de lʼEcriture, constituent une mine inépuisable pour tous ceux qui sʼintéressent à lʼétude de la Bible, sous quelque angle que ce soit. Malheureusement, les chercheurs se sint jusquʼici davantage préoccupés de puiser dans les écrits de Chrysostome tel ou tel renseignement susceptible de les éclairer sur un point particulier, mais aucune étude dʼensemble nʼa encore été consacrée au rôle de Chrysostome comme témoin et commentateur de lʼEcriture.“ 507 Vgl. CHASE, Chrysostom. 508 Vgl. CARTER, Future, 131. 505

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1. Chrysostomos war viel bedeutender als Moralist denn als Exeget; 2. seine Exegese der Evangelien war viel bekannter als die der Paulusbriefe und 3. seine Exegese des Matthäusevangeliums war viel populärer als die des Johannesevangeliums.509 Brändle folgt Leroux und schlägt vor,510 sich bei der Analyse der Exegese des Chrysostomos „mit wenigen allgemeinen Bemerkungen begnügen [zu] müssen“.511 Schon Baur stellte lange vorher fest, dass in seiner Exegese nichts Außergewöhnliches zu finden und diese nur von allgemeinen Beobachtungen geleitet ist: „Dagegen findet man in seiner Exegese das, was der gesunde Verstand eines intelligenten Menschen von selbst finden konnte.“512 Darüber hinaus zitiert Baur die interessante Perspektive auf die Exegese des Chrysostomos von John Newman: „Es ist kein Paradox, zu sagen: Niemand weist so wenig Wissenschaft, Exaktheit, Folgerichtigkeit und Ernsthaftigkeit (gravity) eines Kirchenlehrers auf, als er, der einer ihrer größten ist!“513 Dagegen argumentierte jüngst Nikolakopoulos, die Exegese des Chrysostomos könne als „ausführliche und tiefgehende Analyse des biblischen Buchstabens“514 charakterisiert werden, die eine „sehr vielfältige Methodologie“515 aufweist. Diese wird jedoch von Nikolakopoulos nicht genauer dargestellt. Weitere Eigenschaften der Bibelexegese des Chrysostomos nennt außerdem Belezos, der als Hauptanliegen und Ziel der Exegese des Chrysostomos die soteriologische Komponente sieht.516 Die 56. Homilie lässt sich in zwei deutliche Teile gliedern: einen ersten exegetischen Teil, in welchem Chrysostomos die eigentliche Auslegung der Verwandlungserzählung durchführt, und einen zweiten, ethisch und paränetisch ausgerichteten517 Teil, in welchem der Antiochener aus der bereits interpretierten Perikope manche Impulse für das konkrete Leben der Gemeinde ableitet.518 Darüber hinaus speist sich der paränetische Teil aus einer thema509

Vgl. ebd. 135. Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 197: „Eine umfassende Untersuchung zur exegetischen Methode von Johannes Chrysostomos fehlt bis heute.“ 511 Vgl. ebd. 512 BAUR, Chrysostomus, I, 265. 513 NEWMAN, Difficulties, 144–145, zitiert nach BAUR, Chrysostomus, I, 266. 514 NIKOLAKOPOULOS, Chrysostomos, 57. 515 Ebd. 516 Vgl. BELEZOS, Exeget, 43–51. 517 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 207–209. 518 Manchmal ist die von Chrysostomos entwickelte Beziehung zwischen Exegese des Bibeltextes und paränetischem Teil nicht ganz nachvollziehbar. Dazu schreibt BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 207: „Bei den eigentlichen paränetischen Abschnitten am Schluß der Predigten ist die Sache allerdings komplizierter. Meist ist dieser Teil schon rein zeitlich, für den Leser auch optisch recht weit entfernt vom Bibeltext, der ausgelegt wird.“ 510

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

tischen Kontinuität zu paränetischen Passagen aus anderen Homilien.519 Brändle erklärt dies dadurch, „daß Johannes Chrysostomos die ihm wichtigen Anliegen ständig mit sich herumgetragen und sie bei jeder nur möglichen Gelegenheit seinen Hörern ans Herz gelegt hat“.520 Genauer gesagt, wird im aktualisierenden Teil die Tätigkeit des Geldverleihens gegen Zinsen unter den damaligen Christen erörtert und negativ bewertet. Auf dieses Thema kommt Chrysostomos anhand der eschatologischen Deutung der Verwandlungserzählung, der zufolge am Jüngsten Tag die Gerechten Jesus noch strahlender als bei seiner Verwandlung auf dem Berg sehen werden und an seinem Glanz teilnehmen können.521 Die Vorbereitung dafür beginnt schon während des irdischen Lebens und ist eng mit einem entsprechenden christlichen Verhalten verbunden.522 Zu diesem Verhalten gehört, und damit leitet Chrysostomos vom Bibeltext zur Paränese über, das Tun guter Taten statt böser, wie etwa Geldwechsel oder Geldverleih.523 All das spricht m. E. sehr dafür, dass Chrysostomos das Ziel seiner Exegese vor allem darin sah, seine Hörer und Leser einzuladen, die Bibelworte in konkrete Taten umzusetzen.524

519

Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 201): „Neulich haben wir in einer Predigt, wo wir vom Lohne der Mildtätigkeit handelten, darauf hingewiesen, daß sie großen Reichtum im Gefolge hat; heute wollen wir sehen, ob eine ihrer Vorschriften schwer ist und die Kräfte unserer Natur übersteigt.“ 520 BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 207. 521 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 198–200). 522 Vgl. ebd. 201: „Damit also uns nichts Derartiges widerfahre, lasset uns die besudelten Kleider ab- und die Waffen des Lichtes anlegen; dann wird auch uns die Herrlichkeit Gottes umkleiden.“ 523 Vgl. ebd. 201–202: „Neulich haben wir in einer Predigt, wo wir vom Lohne der Mildtätigkeit handelten, darauf hingewiesen, daß sie großen Reichtum im Gefolge hat; heute wollen wir sehen, ob eine ihrer Vorschriften schwer ist und die Kräfte unserer Natur übersteigt. Wir werden aber nichts dergleichen finden, vielmehr das gerade Gegenteil, nämlich, daß die Tugend sehr leicht zu üben ist, während das Böse viel Mühe fordert. – Was ist wohl mühsamer als Geld zu leihen, um die Zinsen und Verschreibungen sich kümmern, Guthaben eintreiben, wegen der Pfandsummen, wegen des Kapitals, der Urkunden, der Zinsen, wegen der Bürgschaft in Furcht und Angst schweben zu müssen? Das ist eben die Natur der weltlichen Geschäfte. Diese scheinbare und viel überlegte Sicherheit ist im Grunde gar morsch und verdächtig. Wohltätig zu sein ist dagegen leicht und entledigt aller Sorgen.“ 524 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 198–199: „Bei allem Interesse an exegetischen Fragestellungen hat Chrysostomos aber nie vergessen, daß er sich mit seinen Predigten nicht an Theologen wendet, sondern an die christliche Gemeinde. […] Auch bei der Erklärung schwieriger Bibelstellen bleibt Johannes sich bewußt, daß das Verständnis der Schrift nur ein erster Schritt ist, dem das entsprechende Leben im Alltag folgen muß.“ Außerdem schreibt KACZYNSKI, Wort, 383: „Chrysostomus gibt seinen Hörern klar zu verstehen, daß er den Sinn seiner Verkündigung nicht nur in der Hilfe zum rechten Schriftverständnis sieht, sondern auch in der daraus sich ergebenden Besserung der Lebensgewohnheiten. Andernfalls ist das Vorlesen der Schrift und ihre Exegese umsonst.“

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Hinsichtlich der Gestaltung des ersten, exegetischen Teils seiner 56. Homilie ist festzustellen, dass Chrysostomos, ähnlich wie Origenes, Mt 16,28 und 17,9 zur Erzählung dazurechnet, aber im Unterschied zu ihm auch noch Mt 16,27 einbezieht. Trotzdem kann nicht sicher gesagt werden, dass er auch Mt 16,27 zur Verwandlungserzählung zählt, da diese Bibelstelle innerhalb seiner Auslegung nicht explizit zitiert und nicht einmal paraphrasiert wird wie im Fall von Mt 16,28525 und 17,9.526 Es kann nur vermutet werden, dass er sich auf Mt 16,27 bezieht, wo er über das Sehen des in der Herrlichkeit seines Vaters kommenden Menschensohns spricht und damit den Kontext zu fixieren scheint. Seine Auslegung der Texteinheit Mt 16,28–17,9 wird von ihm in acht Sinnabschnitte gegliedert, die jeweils durch ein Zitat aus der Erzählung eingeführt werden: 1. das Sehen des Menschensohns in seinem Reich und der Bezug zur Verwandlung Jesu (eingeführt durch Mt 16,28); 2. das Ereignis der Verwandlung nach sechs Tagen (eingeführt durch Mt 17,1); 3. die Anwesenheit der drei Jünger, Petrus, Jakobus und Johannes, und der zwei alttestamentlichen Persönlichkeiten, Mose und Elia (eingeführt durch Mt 17,2–3); 4. das Wohlfühlen Petri (eingeführt durch Mt 17,4a); 5. der Vorschlag Petri, Hütten zu bauen (eingeführt durch Mt 17,4b); 6. die Wolke und die daraus ertönende Stimme (eingeführt durch Mt 17,5); 7. das Niederfallen und die Furcht der drei Jünger (eingeführt durch Mt 17,6– 8) und 8. das Schweigegebot (eingeführt durch Mt 17,9). Am ausführlichsten wird der dritte Sinnabschnitt analysiert, in dem die Gründe für die Anwesenheit der drei Jünger und besonders von Mose und Elia benannt werden. Im Unterschied zu Origenes bezieht sich Chrysostomos auf den Text der Verwandlungserzählung ausschließlich durch Zitieren und nicht durch Paraphrasieren. Die Länge dieser Zitate, die Brändle Lemmata genannt hat,527 variieren in ihrem Umfang zwischen einem Versteil528 und drei Versen.529 Umstritten ist die Provenienz dieser einleitenden Zitate, besser gesagt deren Platzierung im Laufe der Homilie.530 An einer einzigen Stelle wird ein Zitat

525

Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188). Vgl. ebd. 198. 527 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 14–15. 528 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 194). 529 Vgl. ebd. 197–198. 530 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 14–15: „Die Frage, ob die Lemmata von Chrysostomos selbst verfaßt oder mehr oder weniger der Hand des Herausgebers zuzurechnen sind, ist umstritten. Förster vertritt die Meinung, die Lemmata stammten aus der Feder des Chrysostomos. Den Abbruch des Lemmas nach ein bis zwei Versen, auch die ab und zu 526

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

nicht nur am Anfang eines Sinnabschnitts, sondern auch an dessen Ende wiedergegeben.531 Darüber hinaus kommt es vor, dass Elemente aus einem Zitat nicht nur in dem unmittelbar danach folgenden Abschnitt, sondern sowohl in einem späteren als auch in einem früheren Abschnitt exegetisch behandelt werden. Zum Beispiel werden die Persönlichkeiten der drei Jünger nicht nur im zweiten Abschnitt mittels des mit Mt 17,1 eingeführten Sinnabschnitts erläutert, sondern noch detaillierter im nachfolgenden Abschnitt, eingeleitet durch zwei Verse (Mt 17,2–3), in denen die drei Jünger nicht erwähnt werden,532 oder die Wolke wird bereits im fünften Sinnabschnitt thematisiert.533 In jedem dieser acht Sinnabschnitte folgt Chrysostomos zum Zweck der Erläuterung der seiner Meinung nach wichtigsten Momente der Verwandlungserzählung offensichtlich ein und demselben exegetischen Schema. An erster Stelle steht das Zitieren eines Versteils, eines ganzen Verses oder sogar mehrerer. Es folgt zweitens die Erklärung des in dem Zitat beschriebenen Geschehnisses oder der dort erwähnten Worte Jesu anhand der Untersuchung des geschichtlichen Hintergrundes oder des literarischen Kontextes, der zu diesen Ereignissen geführt bzw. diese Worte verursacht hat.534 Des Weiteren wird der biblische Hintergrund der Verwandlungserzählung sowohl auf seinen engeren Kontext, d. h. auf die Evangelienerzählungen,535 als auch auf seinen weiteren Kontext, d. h. auf die alttestamentlichen Erzählungen,536 bezogen. Dabei geht es in der Hauptsache nicht um das Betreiben einer traditionsgeschichtlichen Exegese, sondern um die Positionierung des Textes im Rahmen einer göttlichen Oikonomia.537 Anders gesagt, versucht Chrysostomos zu begegnende Formel schreibt er dem Stenographen zu. Dieser konnte damit rechnen, daß die Leser der Homilie den Text zur Hand hatten.“ 531 Es geht um den zweiten Sinnabschnitt, wo am Anfang ein Teil des Verses Mt 17,1 und am Ende der andere Teil desselben Verses zitiert werden, vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189). 532 Vgl. ebd. 189–190. 533 Vgl. ebd. 196. 534 Zu diesem exegetischen Brauch des Chrysostomos siehe NIKOLAKOPOULOS, Chrysostomos, 57. 535 Chrysostomos deutet z. B. die Anwesenheit der drei Jünger im Kontext des gesamten Evangeliums, vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189–190): „Warum nimmt der Herr nur diese drei mit? Weil sie sich vor den anderen besonders auszeichneten: Petrus dadurch, daß er den Herrn überaus liebte; Johannes, weil er vom Herrn überaus geliebt wurde; Jakobus wegen der Antwort, die er einmal zusammen mit seinem Bruder gab: ,Wir können den Kelch trinkenʻ; freilich nicht bloß durch diese Antwort, sondern auch durch seine Taten, durch die er wahr machte, was er beteuert hatte.“ 536 Die Rolle der Wolke innerhalb der Verwandlungserzählung erläutert Chrysostomos im Zusammenhang mit dem Alten Testament, vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 196): „Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen. Warum aus der Wolke? So zeigt sich Gott immer.“ 537 Vgl. LEROUX, Relativité, 78.

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erklären, welche Rolle das von ihm gedeutete Ereignis (mitsamt den dazugehörenden Szenen) innerhalb der in der Bibel veranschaulichten Erlösungsgeschichte spielt. Es ist der Ort, wo man Chrysostomos auf der Suche nach möglichen Gründen oder Anlässen (αἰτίας538) beobachten kann, welche die im analysierten Bibeltext dargestellten Ereignisse besser erklären können. So schreibt er z. B. hinsichtlich der möglichen Interpretation der Erscheinung Moses und Elias auf dem Verwandlungsberg, dass „dafür viele Gründe angeführt werden können“.539 Oder nachdem Chrysostomos die lehrhafte Funktion der Kundgabe Jesu über das Sehen des Menschensohns betont hat, zeigt er, dass das „nicht der einzige Grund hierfür war“;540 „ein anderer lag darin, daß es für ihn selbst schicklicher war“.541 Deswegen ist für Chrysostomos der hier verwendete Begriff Grund mit Interpretationsspielraum äquivalent. Infolgedessen versucht er zu verdeutlichen, warum Jesus über das Sehen des Menschensohns in seiner Herrlichkeit vor seiner Verwandlung spricht,542 warum Jesus nur diese drei Jünger mit sich auf den Berg nimmt543 und warum nicht unmittelbar nach seinem Logion, sondern erst nach sechs Tagen,544 warum Mose und Elia erscheinen,545 warum Petrus eine solche Reaktion zeigt,546 warum Jesus auf den Vorschlag Petri nicht reagiert, sondern eine Wolke erscheint,547 warum die drei Jünger auf den Boden niederfallen548 und schließlich, warum Jesus ihnen Stillschweigen auferlegt.549 Manchmal identifiziert er mehrere Gründe, die zu einem Ereignis oder zu einer Äußerung geführt haben, und lässt sie nebeneinander stehen, was auch für andere Auslegungen des Chrysostomos gilt.550 Bei der Auslegung von Mt 16,28 z. B. identifiziert er zwei Gründe für die Ankündigung Jesu551 und sogar fünf Gründe bei der Analyse von Mt 17,3 über die Erscheinung Moses und Elias.552 Diese Gründe werden schrittweise entfaltet und meistens durch Fragen eingeführt.553 Gele538

Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 550). Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 190). 540 Ebd. 189. 541 Ebd. 542 Vgl. ebd. 188. 543 Vgl. ebd. 189–190. 544 Vgl. ebd. 190. 545 Vgl. ebd. 190–191. Dazu ebd. 191–192. 546 Vgl. ebd. 194–195. 547 Vgl. ebd. 196. 548 Vgl. ebd. 198. 549 Vgl. ebd. 550 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 198, bezüglich des Textes aus Mt 25,31–46. 551 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189). 552 Vgl. ebd. 190–194. 553 Vgl. ebd. 189–190: „Warum nimmt der Herr nur diese drei mit? […] Weshalb führt er sie aber nicht sofort hinauf? […] Warum sagt er es ihnen aber vorher? […] Warum aber läßt er Moses und Elias auftreten? Dafür können viele Gründe angeführt werden.“ 539

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

gentlich gelangt Chrysostomos zu einem dieser Erklärungsgründe infolge einer metaphorischen Deutung des historischen Hintergrunds.554 Zum bisher skizzierten exegetischen Schema kann drittens ein weiteres Element benannt werden: das Anführen von ergänzenden Zitaten und Anspielungen, um ein umfassenderes Verständnis des Kontextes einer Bibelstelle zu gewinnen. Brändle nennt im Anschluss an Anne La Bonnardière solche ergänzenden Bibeltexte in der Exegese des Chrysostomos Begleitzitate und charakterisiert sie treffend wie folgt: „Der Kranz von Zitaten und Anspielungen, der um ein Zitat aus dieser Perikope oder eine Anspielung an diese Verse gelegt ist, ist wichtig für die Interpretation der betreffenden Stelle. Die Begleitzitate, La Bonnardière hat dafür den treffenden Ausdruck ,Orchestration scriptuaireʻ geprägt, verhelfen dazu, den vollen Klang einer Passage zu hören.“555

Alle diese biblischen Begleitzitate und Anspielungen deuten auf ein wichtiges patristisches exegetisches Prinzip der Erklärung der Bibel durch die Bibel selbst (Autarkie556), das von Chrysostomos zu einer Auslegungsregel par excellence erhoben wird.557 Das hat er selbst deutlich gesagt: κατακολουθήσωµεν δὲ τῷ σκοπῷ τῆς θείας Γραφῆς ἑαυτὴν ἑρµηνευούσης (Hom. 13 in Gen.).558 Baur zählte in den Abhandlungen und in den ungefähr 600 authentischen Homilien des Chrysostomos rund 18.000 Schriftzitate, davon 7.000 aus dem Alten und 11.000 aus dem Neuen Testament. Vom Alten Testament werden am häufigsten die Psalmen (1545-mal), die Bücher Genesis (939-mal), Jesaja (773mal), Exodus (330-mal) und Hiob (305-mal) zitiert. Aus dem Neuen Testament zitiert Chrysostomos am häufigsten das Matthäusevangelium (außerhalb seines Kommentars zum Matthäusevangelium noch 2400-mal), die beiden Korintherbriefe (2180-mal), das Johannesevangelium (1386-mal), den Römerbrief (933-mal), das Lukas- (908-mal) und das Markusevangelium (206554

Vgl. ebd. 188: „Beachte also, was er tut. Erst redet er von der Hölle und vom Himmelreich (denn in den Worten: ,Wer seine Seele findet, wird sie verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es gewinnenʻ und: ,Er wird vergelten einem jeglichen nach seinen Werkenʻ hat er beides klargelegt); also, da er über beides gesprochen hatte, läßt er sie einen Blick in das Himmelreich tun, in die Hölle aber noch nicht.“ 555 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 59; siehe auch MALINGREY, Sentences, 202. 556 Vgl. NIKOLAKOPOULOS, Chrysostomos, 59. 557 Vgl. BELEZOS, Exeget, 47: „Dieses konkrete Prinzip des größeren und umfassenden Zusammenhanges stellt nicht nur einen Ausdruck einer langen philologischen Erfahrung dar, die in Verbindung mit der Tradition der antiochenischen Exegese steht und am christlichsten das alte Axiom ,Man sollte Homer von Homer her erklärenʻ wiedergibt, was dem heutigen ,philologischen Zirkelʻ entspricht. Vielmehr ist es eine Folge des tiefen theologisch-exegetischen und kirchlichen Bewusstseins des Chrysostomos, welcher auf diese Weise kurz und mit Gewissheit über die Klarheit der Schrift spricht. Dieses Prinzip steht selbstverständlich in ununterbrochener Folge in der Tradition der christlichen Exegese.“ Außerdem siehe auch LEROUX, Relativité, 72–73. 558 PG 53, 107.

G. Johannes Chrysostomos

237

mal).559 Im Rahmen seiner Exegese der Verwandlungserzählung greift Chrysostomos zu neutestamentlichen Zitaten und Anspielungen auf die Persönlichkeiten der drei Jünger, um deren Reaktionen zu verdeutlichen,560 und zu alttestamentlichen Zitaten zur Erläuterung der Erscheinung Moses, Elias und der Wolke.561 Abgesehen von Zitaten der Verse der Verwandlungsperikope bringt Chrysostomos in seiner 56. Homilie weitere neun alt- und 24 neutestamentliche Zitate. Aus dem Alten Testament zitiert er am häufigsten Psalmen-562 und Jesajaverse (je dreimal),563 gefolgt von Versen aus den Büchern Exodus (zweimal)564 und Daniel (einmal).565 Diese alttestamentlichen Anspielungen beziehen sich vor allem auf die Erklärung der Wolke als Ort der Anwesenheit Gottes. Im Hinblick auf das Neue Testament zitiert Chrysostomos zwölfmal Verse aus anderen Perikopen des Matthäusevangeliums zum Zweck der Erklärung der in der Verwandlungserzählung wiedergegebenen Ereignisse,566 sechsmal aus der Lukas-567 und zweimal aus der Markusparallele,568 zweimal aus dem Johannesevangelium in Bezug auf die Identität Jesu,569 einmal aus der Apostelgeschichte hinsichtlich der Funktion der Wolke570 und einmal aus dem Hebräerbrief.571 Dadurch soll „die innerliche Einheit des Textes durch die verwandtschaftlichen und die sich ergänzenden Lesungen“572 unter Beweis gestellt werden. Am Ende des achten Sinnabschnitts resümiert Chrysostomos die ganze Erzählung. Ihr Zentrum bildet das Sehen des strahlenden Jesus durch seine drei Jünger. Deswegen bezieht sich Chrysostomos in seiner Aktualisierung der Verwandlungserzählung auch nur darauf. Er stellt die Schau Jesu durch Petrus, Jakobus und Johannes seinem Publikum als eine Möglichkeit für alle am Jüngsten Tag dar. Doch um daran teilnehmen zu können, braucht die Gemeinde den freien Willen: Ἀλλ’ ἂν θέλωµεν, ὀψόµεθα καὶ ἡµεῖς τὸν Χριστόν.573 Mehr noch, nach Chrysostomos wird das aktualisierte Sehen des verwandel-

559

So BAUR, Chrysostomus, I, 261. Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188–190.194–195). 561 Vgl. ebd. 192–193.196. 562 Ps 96,2; 103,3; 17,12. 563 Jes 19,1; 58,5.6; 58,6.7. 564 Ex 32,31.32; 24,18. 565 Dan 7,13. 566 Mt 3,10; 5,20; 10,39; 13,43; 16,24.25.27; 20,22; 25,23.26.34.35.41. 567 Lk 6,35; 9,28.31.32.33.54.55. 568 Mk 9,5; 14,31. 569 Joh 9,16; 10,33. 570 Apg 1,9. 571 Hebr 4,13. 572 BELEZOS, Exeget, 47. 573 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 554). 560

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

ten Jesus am Jüngsten Tag eine höhere Qualität haben als das Sehen durch die Jünger auf dem Berg.574 Mit dieser Aktualisierung leitet Chrysostomos den zweiten paränetischen Abschnitt seiner Homilie ein.575 Diese Aktualisierung bekommt somit eine Verbindungsfunktion zwischen den zwei großen Abschnitten seiner Auslegung, dem exegetischen und dem paränetischen.576 Chrysostomos deutet die Verwandlung Jesu als einen Akt der Ermutigung der drei anwesenden Jünger nach den wiederholten beängstigenden Voraussagen des Leidens und Todes ihres Lehrers sowie ihres eigenen Leidens und Todes. Das ist nach Chrysostomos der Grund, warum Jesus sie an seiner Verwandlung teilhaben lässt und sie, wie er es nennt, in das Himmelreich blicken lässt: τὴν µὲν βασιλείαν τῇ ὄψει.577 Das von Jesus in Aussicht gestellte Sehen des Menschensohns in seinem Reich (ἐν τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ578) und in der Herrlichkeit des Vaters (ἐν τῇ δόξῃ τοῦ Πατρός579) wird für Chrysostomos bereits auf dem Verwandlungsberg wahr.580 Weiter erklärt er, warum die Synoptiker unterschiedliche Zeiträume angeben, die seiner Meinung nach durch unter574

Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 199): „Niemand ist somit glücklicher als die Apostel, und namentlich jene drei, welche gewürdigt worden sind, mit dem Herrn in der Wolke wie unter einem Dache zu wohnen. Aber wenn wir nur wollen, so können auch wir Christum sehen, nicht bloß so wie die Apostel damals auf dem Berge, sondern noch viel strahlender; denn später (am jüngsten Tage nämlich), wird er nicht mehr bloß so erscheinen (wie hier auf dem Berge). Hier offenbarte er aus Rücksicht auf die Jünger nur soviel von seinem Glanze, als sie ertragen konnten; am Ende der Zeiten aber wird er wiederkommen in der ganzen Herrlichkeit des Vaters […].“ 575 Vgl. RITTER, Seelsorgerlich predigen, 95: „,Im Verein mit der Heiligen Schriftʻ will die Predigt vielmehr in demselben ,transzendentalen Heuteʻ vor allem verkündigen, dass das in der Schrift bezeugte Heute der Vergangenheit und das Heute der Gegenwart Heilsereignis sind. Die Beziehung der Predigt ,zum vorab gelesenen Bibeltext ist paradigmatischer Naturʻ.“ 576 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 208. 577 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 549). 578 Vgl. ebd. 579 Vgl. ebd. 580 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188): „Der Herr hatte bisher vieles über Gefahren und Tod, über sein eigenes Leiden und über die Tötung seiner Jünger gesprochen und ihnen die schon erwähnten strengen Weisungen gegeben; und zwar sollte das erste in diesem Leben und gar bald eintreffen, während der Lohn dafür erst erhofft und erwartet werden sollte. So hatte er zum Beispiel gesagt, daß, wer seine Seele verliert, sie gewinnen werde, daß er selbst in der Herrlichkeit des Vaters wiederkehrt und daß er die Siegespreise verteilen werde. Nun wollte er ihnen zeigen, was das für eine Herrlichkeit sei, in der er wiederkommen sollte, und sie dieselbe mit eigenen Augen sehen lassen, soweit sie es nämlich zu erfassen imstande waren. Er offenbart und enthüllt ihnen dieselbe im gegenwärtigen Leben, damit sie sich weder über ihren noch über des Meisters Tod betrübten, namentlich Petrus, der voll Kummer war. Beachte also, was er tut. Erst redet er von der Hölle […] und vom Himmelreich […]; also, da er über beides gesprochen hatte, läßt er sie einen Blick in das Himmelreich tun, in die Hölle aber noch nicht.“

G. Johannes Chrysostomos

239

schiedliche Weise der Tagesberechnung entstanden sind.581 Petrus, Jakobus und Johannes dürfen Jesus aufgrund der Tatsache, das jeder von ihnen in etwas brilliert hat, auf den Berg begleiten: Petrus für seine Liebe zu Jesus, Johannes für Jesu Liebe zu ihm und Jakobus für die Übereinstimmung zwischen seinen Worten und Taten und wegen seines späteres Martyriums.582 In diesem Zusammenhang erwähnt Chrysostomos auch, dass Matthäus nicht neidisch auf diese drei Jünger war, als er das Evangelium schrieb, obwohl sie ihm vorgezogen worden waren.583 Viele Gründe führt Chrysostomos für die Erscheinung Moses und Elias an: erstens, dass Jesus nicht eine der alttestamentlichen Gestalten war, wie es im Gespräch mit den Jüngern thematisiert wurde (Mt 16,14), und deswegen weder mit dem einen noch mit dem anderen verwechselt werden sollte.584 Zweitens, um zu beweisen, dass Jesus dem Gesetz nicht widerspricht und ihm die Wesensgleichheit mit dem Vater zukommt.585 Drittens, dass er Macht über die Welt der Lebenden – symbolisiert durch Elia – und der Gestorbenen

581

Vgl. ebd. 189: „Ein anderer Evangelist schreibt: ,nach acht Tagenʻ. Er steht jedoch mit unserer Stelle nicht im Widerspruche, stimmt vielmehr sehr gut damit überein, denn er zählt den Tag mit, an welchem der Herr obige Worte gesprochen hatte, und jenen, an welchem er die Apostel wieder zurückführte, während Matthäus bloß die Tage dazwischen rechnet.“ 582 Vgl. ebd. 189–190. 583 Vgl. ebd.: „Beachte wohl, wie tugendhaft Matthäus ist, daß er die Namen derer nicht mit Stillschweigen übergeht, die ihm vorgezogen worden waren. Ähnlich handelt auch Johannes öfters, wenn er mit vieler Umständlichkeit die hervorragenden Lobsprüche, die Petrus zuteil wurden, verzeichnet. Denn von Neid und Eitelkeit waren alle diese heiligen Männer stets frei.“ 584 Vgl. ebd. 190: „Da manche Leute ihn für Elias, andere für Jeremias, wieder andere für einen der alten Propheten erklärt hatten, so läßt er die vornehmsten erscheinen, damit man auch hierdurch den Unterschied zwischen den Knechten und dem Herrn erkenne und einsehe, wie berechtigt die Lobpreisung Petri war, als er bekannte, er sei der Sohn Gottes.“ 585 Vgl. ebd. 190–191: „Immer wieder klagten die Juden ihn an, er übertrete das Gesetz, und hielten ihn für einen Lästerer, der sich eine Herrlichkeit anmaße, die ihm gar nicht zustehe, nämlich die Herrlichkeit des Vaters. […] Er will also beweisen, daß beide Beschuldigungen nur von der Eifersucht eingegeben, daß er in beiden Punkten unschuldig sei; daß er durch seine Handlungsweise kein Gesetz übertreten habe und daß er sich, wenn er sagte, er sei dem Vater gleich, sich durchaus nicht eine Herrlichkeit anmaße, die ihm nicht zukomme. Deshalb läßt er die Männer antreten, welche für das eine und das andere Kronzeugen waren. Moses hatte ja das Gesetz gegeben; die Juden mußten also schließen: Hätte er so gehandelt, wie sie behaupteten, so hätte es Moses nicht ruhig hinnehmen können […]. Elias hatte für die Ehre Gottes geeifert, er wäre nicht seiner Einladung gefolgt und zu ihm gekommen, wenn er ein Widersacher Gottes gewesen wäre, wenn er sich selbst Gott genannt, sich dem Vater gleichgestellt hätte, ohne wirklich zu sein, was er vorgab, ohne mit vollem Rechte so zu handeln.“

240

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

– symbolisiert durch Mose – hat.586 Viertens, dass Mose und Elia über die Herrlichkeit Jesu in Jerusalem reden als Ermunterung für die in unmittelbarer Nähe des Kreuzes sich befindenden Jünger.587 Die Reaktion des Petrus wird in dieser Homilie sowohl positiv (Zeichen seiner Fürsorge für seinen Meister)588 als auch negativ (Versuch, alle drei auf dieselbe Stufe zu stellen)589 bewertet und deutet auf die Unvollkommenheit aller Jünger vor dem Leiden Jesu hin.590 Auf die Reaktion und den dazugehörenden Vorschlag Petri antwortet nicht Jesus, sondern Gott, der Vater. Er spricht aus einer Wolke, wie er oftmals in der Geschichte des Gottesvolkes sprach, und im Unterschied zu den älteren Offenbarungen beabsichtigt er dadurch nicht, Schrecken zu verbreiten, sondern zu belehren.591 Die Legitimierung Jesu durch den Vater sollte, so Chrysostomos, die Angst der Jünger vor dem Leiden Jesu beseitigen. Chrysostomos schlussfolgert daraus weiter, dass der Vater sich um seinen Sohn mehr und besser kümmert als die Jünger.592

586

Vgl. ebd. 191: „Die Apostel sollten lernen, daß er Gewalt über Leben und Tod hat, und daß ihm alles im Himmel und auf Erden untersteht. Deshalb läßt er zwei Männer auftreten, von denen der eine gestorben war, während der andere den Tod noch nicht erfahren hatte.“ 587 Vgl. ebd.: „Der Herr wollte zeigen, zu welcher Herrlichkeit der Kreuzestod führt, um Petrus und den anderen, die sich vor dem Leiden entsetzten, Trost zuzusprechen und Mut einzuflößen.“ 588 Vgl. ebd. 194: „Siehst du daraus, wie innig er Christus liebte? Du darfst jetzt nicht darauf achten, daß die Art und Weise der Bitte ungeschickt war, sondern bloß wie feurig er ist, wie er für Christus glüht.“ 589 Vgl. ebd. 195: „Was sagst du da, o Petrus? Hast du Jesus nicht erst kurz vorher weit über seine Diener erhoben? Und nun stellst du ihn wieder auf diese Stufe wie sie?“ 590 Vgl. ebd.: „Daraus kannst du ermessen, wie unvollkommen die Jünger vor dem Kreuzestode noch waren. Der Vater hatte ihm zwar eine Offenbarung gegeben, aber Petrus dachte nicht fortwährend an sie; er ließ sich durch die Angst (für den Herrn), welche einerseits von der eben erwähnten Furcht, und andererseits von dem ungewöhnlichen Schauspiele herrührte, außer Fassung bringen.“ 591 Vgl. ebd. 196: „Was antwortete nun der Herr? Christus selbst spricht kein Wort, auch Moses und Elias nicht. Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen. Warum aus der Wolke? So zeigt sich Gott immer. […] Eine finstere Wolke läßt Gott erscheinen, was er als eine Drohung ausspricht, wie z. B. auf dem Sinai. […] Hier wollte jedoch Gott nicht Schrecken verbreiten, sondern belehren; darum ist die Wolke licht.“ 592 Vgl. ebd. 197: „Wenn er also geliebt ist, so kannst du außer Furcht sein, o Petrus. […] Wenn nämlich Gott wirklich die Macht besitzt, wie es ja auch tatsächlich der Fall ist, so ist es doch offenbar, daß auch der Sohn sie in gleicher Weise besitzt. Fürchte also die Gefahren nicht. Hast du das aber noch nicht begriffen, so denke wenigstens daran, daß er der Sohn ist und geliebt wird. Denn es heißt: ,Dieser ist mein geliebter Sohn.ʻ Wenn er aber geliebt wird, so hast du keine Ursache zu bangen, denn niemand gibt den preis, den er liebt. Sei also unverzagt; denn, wenn du ihn auch tausendmal liebst, so wie der Vater liebst du ihn doch nicht.“

G. Johannes Chrysostomos

241

Weiterhin bewertet er das Niederfallen der drei Jünger auf ihr Angesicht als berechtigt, da es Ausdruck ihrer Furcht und Anbetung war.593 Das Schweigegebot Jesu an die Jünger bis zu seiner Auferstehung hat nach Chrysostomos eine pädagogische Funktion.594 Denn nach der Auferstehung Jesu gewinnt die Verkündigung der Apostel an Glaubwürdigkeit, weil sie den Heiligen Geist erhalten und Wunder wirken können.595 Somit bietet Jesus seinen drei Jüngern angesichts des bevorstehenden Leidens einen optimistischen Ausblick mit der Ankündigung seiner Auferstehung. Ein Spezifikum der Exegese des Chrysostomos zur Verwandlungserzählung, das in der Analyse der Reaktion Petri auf das Gesehene zu finden ist, bezieht sich auf das Weiterspinnen der von Petrus gehaltenen Rede, indem Chrysostomos in die Geschichte eingreift, die Rolle Petri übernimmt und sich an dessen Stelle äußert. Nach der Wiedergabe der Feststellung Petri, der zufolge es auf dem Berg gut wäre, spricht Chrysostomos anstelle Petri und ergänzt seinen Vorschlag, Hütten zu bauen, durch folgenden Satz: „Und kein Mensch wird auch nur erfahren, wo wir sind.“596 Insofern beabsichtigt Chrysostomos, die seltsame und unpassende Empfehlung Petri zu erklären. Er identifiziert den Grund seines Vorschlages in dem Wunsch Petri, das Ereignis vor der Menge geheimzuhalten. 2. Der Text der Perikope in der 56. Matthäushomilie Die Frage nach dem durch Chrysostomos in seinen Homilien zum Matthäusevangelium verwendeten Text wurde von Claude Dicks beantwortet.597 Seine Untersuchung ergab, dass mit großer Wahrscheinlichkeit fünf Handschriften der von Chrysostomos benutzten Version des Matthäustextes am nächsten stehen. Es handelt sich um drei Majuskeln und zwei Minuskeln. Zu den Majuskeln gehören Codex Cyprius (K 017 – 9. Jh.), Codex Macedoniensis 593 Vgl. ebd. 198: „Wie kam es also, daß sie auf dem Berge niederfielen? Weil der Ort einsam und hochgelegen war, so daß große Ruhe herrschte; dazu kam noch die Verklärung, die sie mit Schauer erfüllte, das überaus helle Licht und die umhüllende Wolke; all das versetzte sie in große Furcht. Von allen Seiten erfüllte sie Staunen und ehrfurchtsvolle Scheu, sie stürzten nieder aus Furcht und Anbetung zugleich.“ 594 Vgl. ebd.: „Je erhabener das war, was von ihm verkündigt wurde, desto schwerer wäre es damals für die große Menge zu glauben gewesen; und das Ärgernis des Kreuzestodes wäre infolge dessen nur noch ärger geworden. Deshalb legte er den Aposteln Stillschweigen auf; ja noch mehr, er weist sie wieder auf sein Leiden hin, und erklärt ihnen sogar den Grund, weshalb er ihnen zu schweigen gebot.“ 595 Vgl. ebd. 199: „Denn nachher empfingen sie ja die Gnade des Hl. Geistes und die Gabe der Wunder, welche laut für sie zeugten, und alles, was sie dann sagten, war wohl glaubwürdig, weil die Tatsachen selbst wie lauter Trompetenschall seine Macht verkündeten und kein Ärgernis mehr den Fortgang der Ereignisse hemmte.“ 596 Vgl. ebd. 194. 597 Vgl. DICKS, Text, 365–376.

242

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

(Y 034 – 9. Jh.) und Codex Petropolitanus (Π 041 – 9. Jh.) und zu den Minuskeln zählen die Handschriften 2404 und 2411, beide aus dem zwölften Jahrhundert.598 Sie haben später zusammen mit anderen Handschriften die KoineGruppe geformt. Daher kommt Dicks zu dem Schluß, dass Chrysostomos in seinen exegetischen Werken zu neutestamentlichen Büchern eine Textversion verwendet, die sich als eine Vorform des späteren Koine-Textes bezeichnen lässt: „We may have in Chrysostom the first step toward the more lucid K text-type. His text was not yet K but was on the way to becoming K. In Chrysostom we have the first changes in a new direction. His text might best be designated by the term Ur-Kappa.“599 Dicks schließt nicht aus, dass Chrysostomos möglicher Urheber des Koine-Textes ist.600 Um das Spezifikum der von Chrysostomos in seiner 56. Homilie verwendeten Textversion der matthäischen Verwandlungserzählung herauszuarbeiten, wird, wie auch im vorherigen Kapitel zu Origenes, ein Vergleich mit der neuesten kritischen Textausgabe des Neuen Testaments (NA28) durchgeführt. Bereits Brändle hat einen solchen Vergleich angestellt.601 Im Unterschied zu Origenes kann man den Text der Verwandlungserzählung bei Chrysostomos leichter rekonstruieren, weil die Verse durchgehend explizit zitiert werden. Innerhalb des griechischen und des lateinischen Textes der 56. Homilie aus PG 58 wurden die Zitate kursiv gedruckt. Die Abweichungen zwischen den beiden Textversionen werden in der folgenden Tabelle kursiv markiert. Wenn die Abweichungen des von Chrysostomos verwendeten Textes auf die anderen zwei synoptischen Textversionen oder auf das Johannesevangelium zurückzuführen sind, wird dies in Klammern angefügt.

16,28

598

Kritische Ausgabe des Matthäustextes 16,28–17,9 (NA28)

Rekonstruktion des Matthäustextes in der 56. Homilie des Chrysostomos602

ἀµὴν λέγω ὑµῖν ὅτι εἰσίν τινες τῶν ὧδε ἑστώτων οἵτινες οὐ µὴ γεύσωνται θανάτου ἕως ἂν ἴδωσιν τὸν υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἐρχόµενον ἐν τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ.

Ἀµὴν ἀµὴν (Joh) λέγω ὑµῖν·. εἰσίν τινες τῶν ὧδε ἑστώτων, οἵτινες οὐ µὴ γεύσωνται θανάτου ἕως ἂν ἴδωσιν τὸν υἱὸν τοῦ ἀνθρώπου ἐρχόµενον ἐν τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ.

Vgl. ebd. 370. Ebd. 375. Auch BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 41, stimmt dem zu: „Obwohl die Abweichungen zugunsten anderer Textgruppen als der Koinegruppe denen zugunsten von K fast die Waage halten, muß K oder eine Vorform dieser Rezension für den in Antiochien im Gebrauch stehenden Text wichtiger gewesen sein als die anderen Textgruppen.“ 600 Vgl. DICKS, Text, 376: „Research in the text of Chrysostom in his Homilies on Matthew thus leads to the belief that perhaps Chrysostom, not Lucian, was the originator of the K text-type. This, however, is presented in the form of a suggestion only.“ 601 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 38–42. 602 Vgl. PG 58, 549–558. 599

G. Johannes Chrysostomos 17,1

Καὶ µεθ᾽ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει

243

ἰδίαν.

Καὶ µεθ᾽ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει (Lk) Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην. (Mk, Lk) Ἀναφέρει εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽ ἰδίαν.

17,2

καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, καὶ ἔλαµψεν τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος, τὰ δὲ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο λευκὰ ὡς τὸ φῶς.

Καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν, καὶ ἔλαµψε τὸ πρόσωπον αὐτοῦ ὡς ὁ ἥλιος, τὰ δὲ ἱµάτια αὐτοῦ γέγονε λευκὰ ὡς τὸ φῶς.

17,3

καὶ ἰδοὺ ὤφθη αὐτοῖς Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας συλλαλοῦντες µετ᾽ αὐτοῦ.

Καὶ ὤφθησαν αὐτοῖς Μωϋσῆς καὶ Ἠλίας συλλαλοῦντες µετ᾽ αὐτοῦ.

17,4

ἀποκριθεὶς δὲ ὁ Πέτρος εἶπεν τῷ Ἰησοῦ· κύριε, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι·

ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ Ἰάκωβον καὶ Ἰωάννην

τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ᾽

εἰ θέλεις, ποιήσω ὧδε τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.

Καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι (Καλόν ἐστιν ἐνταῦθα εἶναι) Εἰ θέλεις, ποιήσωµεν (Mk, Lk) ὧδε τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσῇ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.

17,5

ἔτι αὐτοῦ λαλοῦντος ἰδοὺ νεφέλη φωτεινὴ ἐπεσκίασεν αὐτούς, καὶ ἰδοὺ φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης λέγουσα· οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα· ἀκούετε αὐτοῦ.

ἔτι γὰρ αὐτοῦ λαλοῦντος ἰδοὺ νεφέλη φωτεινὴ ἐπεσκίασεν αὐτούς. Καὶ ἰδοὺ φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης λέγουσα· Οὗτός ἐστιν ὁ Υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα· αὐτοῦ ἀκούετε (Lk).

17,6

καὶ ἀκούσαντες οἱ µαθηταὶ ἔπεσαν ἐπὶ πρόσωπον αὐτῶν καὶ

ἔπεσον ἐπὶ πρόσωπον, καὶ

Καὶ ἀκούσαντες

ἐφοβήθησαν σφόδρα.

ἐφοβήθησαν σφόδρα.

17,7

καὶ προσῆλθεν ὁ Ἰησοῦς καὶ ἁψάµενος αὐτῶν εἶπεν· ἐγέρθητε καὶ µὴ φοβεῖσθε.

Καὶ προσελθὼν ὁ Ἰησοῦς ἥψατο αὐτῶν καὶ εἶπεν· ἐγέρθητε, καὶ µὴ φοβεῖσθε.

17,8

ἐπάραντες δὲ τοὺς ὀφθαλµοὺς αὐτῶν οὐδένα εἶδον εἰ µὴ αὐτὸν Ἰησοῦν µόνον.

ἐπάραντες δὲ τοὺς ὀφθαλµοὺς αὐτῶν, οὐδένα εἶδον, εἰ µὴ τὸν Ἰησοῦν µόνον.

17,9

καὶ καταβαινόντων αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους ἐνετείλατο αὐτοῖς ὁ Ἰησοῦς λέγων· µηδενὶ εἴπητε τὸ ὅραµα ἕως οὗ ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐκ νεκρῶν ἐγερθῇ.

Καταβαινόντων γὰρ αὐτῶν ἐκ τοῦ ὄρους, ἐνετείλατο αὐτοῖς µηδενὶ εἰπεῖν τὸ ὅραµα, ἕως ἂν ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ (Mk).

Wie Origenes grenzt auch Chrysostomos den Text der matthäischen Verwandlungserzählung mit Mt 16,28 und 17,9 vom Kontext ab, aber zu Beginn seiner Auslegung bezieht er auch Mt 16,27 ein. Chrysostomos bezieht zwei wichtige theologische Themen auf das Bergereignis: das Sehen des Men-

244

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

schensohns in seinem Reich und in der Herrlichkeit des Vaters sowie seine Auferstehung. Beide Ereignisse bilden für ihn den hermeneutischen Schlüssel für sein Verständnis der Verwandlung auf dem Berg. Ausgehend vom aktuellen Text des NA28, sind bei Chrysostomos folgende Besonderheiten erkennbar: In Mt 16,28 ist ein weiteres ἀµήν eingefügt, wahrscheinlich, um dem folgenden Logion mehr Gewicht zu verleihen.603 Die Formel ἀµὴν ἀµὴν λέγω ὑµῖν ist für das Matthäusevangelium untypisch, wo sich lediglich die Formel ἀµὴν λέγω ὑµῖν gehäuft findet (31-mal), allerdings ist sie charakteristisch für das Johannesevangelium, das eine Vorliebe für diese Verdoppelung hat (Joh 1,51; 3,3.5.11; 5,19.24.25; 6,26.32.47.53 u. ö.). In 17,1 fährt Chrysostomos in einer für das Lukasevangelium typischen Manier fort, den Namen Jesu nicht erneut zu nennen und auf den Artikel für die Jünger zu verzichten,604 was vermutlich auch auf Lk 9,28b zurückzuführen ist und den Vers enger an Mt 16,28 anschließt. Es fehlt in dem von Chrysostomos rezipierten Text darüber hinaus die dem Namen des Apostels Johannes beigefügte Kennzeichnung τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ, was allerdings auch für Mk 9,2a und Lk 9,28b gilt. In 17,2–3 ist die aktuelle Matthäusfassung dahin gehend verändert, dass ἔλαµψε statt ἔλαµψεν, γέγονε statt ἐγένετο und ὤφθησαν statt ἰδοὺ ὤφθη formuliert wird.605 Diese Änderungen lassen sich nicht als Harmonisierungstendenz mit den anderen synoptischen Texten erklären, da die gewählten Wortformen dort nicht zu finden sind. Sie gehen wahrscheinlich auf die Gewohnheit des Chrysostomos zurück, Bibeltexte frei (auch aus dem Gedächtnis) zu zitieren.606 Von dem Vorschlag des Petrus aus 17,4 behält Chrysostomos weder die einleitende Formel noch die Anrede Jesu mit Kύριε bei.607 Für das Aufbauen dreier Hütten wird eine Verbform im Plural (ποιήσωµεν) verwendet,608 so wie auch in Mk 9,5c und in Lk 9,33d. Der Name Mose wird darüber hinaus bei Chrysostomos nicht Μωϋσεῖ, sondern Μωϋσῇ geschrieben, was wahrscheinlich auf die Übernahme dieser Lesart aus V. 3 zurückgeht. In V. 5 wird ein γὰρ vor αὐτοῦ λαλοῦντος ergänzt und die aus der Wolke ertönende Ermahnung zum Hören des Sohnes gemäß der lukanischen Fassung (αὐτοῦ ἀκούετε wie in Lk. 9,35b und nicht ἀκούετε αὐτοῦ) geschrieben.609 Nach einer weiteren Reihe sprachlicher Eigenheiten aus Mt 17,6–7, die sich nicht aus den synoptischen Seitenreferenten herleiten lassen (Auslassung von οἱ µαθηταί und αὐτῶν und Ersetzen von προσῆλθεν durch προσελθών und von ἁψάµενος durch ἥψατο),610 wird in V. 9 auch der Name Jesu 603

Vgl. PG 58, 549. Vgl. ebd. 605 Vgl. ebd. 606 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 38. 607 Vgl. PG 58, 552. 608 Vgl. ebd. 609 Vgl. PG 58, 553. 610 Vgl. PG 58, 554. 604

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als Urheber des Schweigegebotes an die drei Jünger nicht nochmals explizit erwähnt. Im Schweigegebot wird auch der „Menschensohn“, bis zu dessen Auferstehung die Jünger schweigen sollten, nicht nochmals explizit genannt. Außerdem wird das für das Markusevangelium typische ἀναστῇ (Mk 9,9) statt des für das Matthäusevangelium spezifische ἐγερθῇ präferiert.611 Insgesamt folgt Chrysostomos dem Erzählrahmen des Textes des Matthäusevangeliums, wie er in der aktuellen kritischen Ausgabe rekonstruiert ist, den er allerdings an einigen Stellen ändert. Diese Änderungen lassen sich wie folgt erklären: Erstens ist eine Tendenz zur Harmonisierung der Erzählung, ähnlich wie bei Origenes, feststellbar, die durch Angleichung an die Seitenreferenten erreicht wurde. Darüber hinaus und im Unterschied zu Origenes stellt Chrysostomos auch eine Verbindung zum Johannesevangelium her mittels einer typisch johanneischen Formel. Zweitens ersetzt Chrysostomos in V. 9 ein Wort aus der matthäischen Verwandlungserzählung durch ein Synonym, das aus der Markusfassung stammt. Das ist eine Tendenz, die auch in den anderen Homilien des Chrysostomos über das Matthäusevangelium beobachtet werden kann.612 Diese Veränderungen wurden vielfach mit seiner Vorliebe erklärt, aus dem Gedächtnis zu zitieren,613 was zugleich auch seine Freiheit in der Wiedergabe des biblischen Textes verrät.614 Auch könnte die Neigung zur Vereinfachung bzw. Kürzung des Matthäustextes eine Motivation gewesen sein. Es kann gefolgert werden, dass es Chrysostomos offensichtlich nicht um das präzise Bewahren des genauen Wortlauts des Matthäustextes ging. Wichtiger scheinen ihm die Vermittlung und das Verstehen der Botschaft des Textes, nicht unbedingt dessen Wortlaut, gewesen zu sein. III. Grundprinzipien des Schriftverständnisses von Chrysostomos in der Auslegung der Verwandlungserzählung Wurde in der Forschung die konkrete Art und Weise der Exegese des Chrysostomos bisher nicht systematisch untersucht, so wurden auch seiner Hermeneutik bisher wenige gründliche Untersuchungen gewidmet. Lediglich Jean Leroux und Konstantin Belezos fassen einige hermeneutische Grundprinzipien von Chrysostomos zusammen.615 Reiner Kaczynski hingegen widmet sich schwerpunktmäßig seiner Predigertätigkeit.616 Chrysostomos fasst sein hermeneutisches Programm bedauerlicherweise nicht in einem Grundlagenwerk, so wie Origenes seines in De Principiis, zusammen. Leroux merkt an, 611

Vgl. ebd. Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 38–41. 613 Ebd. 12: „[…] Chrysostomos oft sehr frei und häufig aus dem Gedächtnis zitiert“. 614 Vgl. ebd. 15: „Ein Abschreiber oder auch der Herausgeber hätte sich kaum die Freiheit genommen, den biblischen Wortlaut in so selbständiger Form zusammenzufassen.“ 615 Vgl. LEROUX, Relativité, 67–78, und BELEZOS, Exeget, 43–51. 616 Vgl. KACZYNSKI, Wort, 25–40.134–153. 612

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dass Chrysostomos’ Bibelhermeneutik zuerst in seinen apologetischen Texten und dann in seinen Bibelkommentaren erhoben werden muss.617 Eising hingegen äußert die Überzeugung, dass das Schriftverständnis des Chrysostomos sehr wohl auch aus den Matthäushomilien erhoben werden kann.618 Im Unterschied zu Origenes’ Matthäuskommentar, dessen erste Kapitel verloren sind, ist der Anfang, d. h. die erste der chrysostomischen Matthäushomilien, erhalten. Neben einleitenden Bemerkungen zum auszulegenden Text und dessen Verfasser erläutert er in ihr entsprechend der Praxis patristischer Bibelauslegung auch allgemeine Prinzipien seiner Auslegung. 1. Die Betonung der Historizität Die Historizität der Verwandlungserzählung wie auch aller sonstigen im Matthäusevangelium erzählten Geschehnisse, in die Jesus involviert war, und Wörter, die er sprach steht für Chrysostomos außer Frage.619 Deswegen problematisiert er in seiner 56. Homilie zum Matthäusevangelium überhaupt nicht die Tatsächlichkeit des Geschehnisses, sondern setzt sie voraus, wie die unten angeführten Belege zeigen werden. Für einen Vertreter der antiochenischen Schriftauslegung (wie er oftmals bezeichnet wurde620), in deren Rahmen die Feststellung und die Analyse des historischen Kontextes von biblischen Ereignissen an die erste Stelle gerückt werden, erscheint dies als eine Selbstverständlichkeit. Die Untersuchung des geschichtlichen Kontextes (ἱστορία621) der in der Bibel erzählten Geschehnisse gehört innehalb des chrysostomischen Schriftverständnisses zum ersten und für ihn wichtigsten Schritt der Bibelexegese. Er stellt die ἱστορία dem übertragenen Sinn gegenüber. Bei der Analyse von Ps 8,6b etwa versucht Chrysostomos, diesen Vers „im historischen (κατὰ ἱστορίαν622) oder im übertragenen Sinn (κατὰ ἀναγωγήν623) zu verstehen“,624 Der historische Sinn der Bibeltexte könnte auch mit dem durch „den gesunden

617

Vgl. LEROUX, Relativité, 68: „La première étape pour saisir la pensée de Chrysostome sur lʼEcriture se situe donc non dans ses commentaires, mais dans ses nombreux textes apologétiques.“ 618 Vgl. EISING, Schriftgebrauch, 84: „Wenn wir uns dabei des Umfangs des Predigtwerkes wegen auf die Homilien zum Matthäus-Evangelium beschränken, so ist nicht zu befürchten, daß man nur weniger gültige Erkenntnisse gewinnen würde. Der große Prediger geht zwar jeweils von einem bestimmten Text aus, entwickelt seine Gedanken im Anschluß daran aber aus so umfassender Bibelkenntnis, daß ein Gesamturteil über den Gebrauch und die Deutung der hl. Schrift wohl möglich ist.“ 619 Vgl. EISING, Schriftgebrauch, 94–95. 620 Vgl. KANNENGIESSER, Handbook, 786. Siehe dazu auch KACZYNSKI, Wort, 25. 621 Vgl. Comm. in Is. 6,4 (PG 56, 72). 622 Vgl. Expos. in Ps. 8,7 (PG 55, 116). 623 Vgl. ebd. 624 Vgl. KACZYNSKI, Wort, 149.

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Verstand eines intelligenten Menschen“625 erschlossenen Sinn identifiziert werden. Chrysostomos gibt, ganz anders als Hieronymus, diesem auf der ἱστορία basierenden Sinn einen deutlichen Vorzug gegenüber einer übertragenen Deutung der biblischen Texte.626 Dass die Verwandlung Jesu auf dem Berg tatsächlich passiert ist, behauptet Chrysostomos nicht direkt. Gleichwohl findet man in seiner 56. Homilie manche Äußerungen, die darauf hindeuten, dass er sie für historisch hält. Da ist zum einen seine Feststellung, dass Jesus seine drei Jünger auf den Berg führte: „Er nahm also die hervorragendsten von ihnen und führte sie auf einen hohen Berg, wo sie allein waren.“627 Des Weiteren versteht Chrysostomos die Verwandlung Jesu als Erscheinung der angekündigten Herrlichkeit des Menschensohns (vgl. Mt 16,27), die an seinem Leib von den drei Jüngern wahrgenommen wurde: „Denn wenn es auch mehr eine körperliche Erscheinung (σωµατικώτερον628) war, so mußten sie doch sehr großes Verlangen haben, sie zu sehen.“629 Darüber hinaus bringt er die Realität der Anwesenheit Moses und Elias zum Ausdruck. Er fragt: „Warum aber läßt er Moses und Elias auftreten?“630 Später betont er abermals deren Erscheinen: „Noch aus einem anderen Grunde läßt Christus die beiden erscheinen. Er wollte nämlich, daß seine Jünger diesen Männern auch in der Führung des Volkes, in der Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit nacheiferten.“631 Außerdem bestätigt Chrysostomos die Reaktion des Petrus auf dem Berg als Folge des Erlebten: „Der Berg, die große Zurückgezogenheit und die Einsamkeit brachten ihn auf den Gedanken, hier wären sie ganz sicher; […] er […] sagt in der Absicht, seinen Zweck zu erreichen: ,Hier ist gut seinʻ, wo auch Moses und Elias sind.“632 Auch die Erscheinung der Wolke mit dem Ertönen der Stimme,633 das Umhüllen Jesu und seiner drei Jünger durch die Wolke,634 das Niederfallen der Jünger auf ihr Angesicht635 und Jesu Schweigegebot636 625

Vgl. BAUR, Chrysostomus, I, 265. Vgl. Hom. 52 in Mt. (PG 58, 519). 627 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189) [Hervorhebung im Original]. 628 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 550). 629 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 190). 630 Ebd. 631 Ebd. 192. 632 Ebd. 194. 633 Vgl. ebd. 196: „Christus selbst spricht kein Wort, auch Moses und Elias nicht. Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen.“ 634 Vgl. ebd. 197: „Weshalb umhüllte nun aber die Wolke alle drei zugleich und nicht Christum allein?“ 635 Vgl. ebd. 198: „Wie kam es, daß sie bei jenen Worten zu Boden fielen? […] Wie kam es also, daß sie auf dem Berge niederfielen?“ 636 Vgl. ebd.: „Deshalb legte er den Aposteln Stillschweigen auf. […] Er befahl ihnen nicht, stets und gegen jedermann darüber zu schweigen, sondern nur bis er von den Toten auferstanden wäre.“ 626

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werden von Chrysostomos als tatsächlich passierte Momente angesehen. Sie stellen die Grundlagen dar, auf denen er seine weitere Exegese aufbaut. 2. Zweifacher Schriftsinn: wörtlich und übertragen Es ist allgemein bekannt, dass Chrysostomos in die Gruppe der prominentesten Vertreter der historisch-grammatischen Methode der Bibelauslegung eingereiht wurde.637 Weiter fragte die Chrysostomosforschung sogar, ob er die allegorische Deutung der Bibeltexte verdrängt hat.638 Trotzdem wird mehr und mehr behauptet, dass eine geistliche Interpretation auch in der Exegese des Chrysostomos anzutreffen sei. Baur schreibt, dass „die gute Absicht, zu erbauen, und die Heilige Schrift dem Leser oder Zuhörer möglichst wert und heilig erscheinen zu lassen, unseren Exegeten bisweilen über die Grenzen der Wirklichkeit hinausführte“.639 Das heißt, die allegorische Deutung der Bibel unterstützt die Aktualisierung der biblischen Texte für das spätere Publikum. Ähnlich argumentiert Leroux: „LʼEcriture comporte au contraire, en son principe, sinon un sens ,spirituelʻ, car ce mot moderne prête à équivoque, mais un sens ,économiqueʻ, tout devant être interprété en fonction du plan du salut.“640 Beispiele allegorischer Bibelauslegung des Chrysostomos stellt Manfred Kertsch zur Verfügung.641 Der These, Chrysostomos habe sich ausschließlich auf die Erschließung des Literalsinns der Bibel konzentriert, ist daher zu wiedersprechen.642 In einer Homilie über den Zweiten Korintherbrief, in welcher er Jes 1,22b über die Vermischung des Weins mit Wasser durch die Wirte Israels analysiert, behauptet er, dass es nicht falsch wäre, wenn man den dort anzutreffenden Begriff Wein auf die Lehre beziehen

637

Vgl. BAUR, Chrysostomus, I, 264. Dazu siehe noch KACZYNSKI, Wort, 148. Vgl. BAUR, Chrysostomus, I, 265. 639 Ebd. 266. 640 LEROUX, Relativité, 78. 641 Vgl. KERTSCH, Exempla, 134–173. 642 Vgl. LEROUX, Relativité, 72: „Il est également curieux de voir contester la valeur de sa théologie sous prétexte quʼelle repose exclusivement sur lʼEcriture ou plus exactement sur le sens exact de lʼEcriture. Il y a là une erreur dʼoptique provoquée par lʼexistence actuelle dʼune exégèse dite scientifique qui se veut affranchie de toute spéculation théologique. Or, la détermination du sens exact des Ecritures nʼa jamais été le terme de la recherche des Pères qui ne se sont intéressés à ce problème que dans la mesure de son incidence doctrinale, et ce, quelle que soit la tendance exégétique des auteurs étudiés.“ Dazu siehe noch NIKOLAKOPOULOS, Chrysostomos, 59: „Selbstverständlich nimmt der Antiochener Chrysostomos den Sinn des Buchstabens wahr, parallel dazu erweist er sich jedoch als ein offener Geist, der die allegorische Methode nicht radikal ablehnt. Zum Beispiel versteht er die Gleichnisse Jesu im Matthäusevangelium als Allegorien, die aber ihrerseits entweder vom Herrn selbst oder im Kontext des biblischen Textes erklärt bzw. ausgelegt werden. Auf diese Weise will er proklamieren, dass dort, wo die Schrift eine allegorische Sprache aufweist, sie selbst die Enthüllung dieser Allegorien anbietet.“ 638

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würde: Εἰ γὰρ καὶ περὶ οἴνου τοῦτο εἴρηται, οὐκ ἄν τις ἁµάρτοι καὶ εἰς διδασκαλίαν αὐτὸ ἐκλαµβάνων.643 In seinem Jesajakommentar deutet Chrysostomos den ersten Teil von Jes 1,22a über die Unechtheit des israelitischen Silbers ähnlich allegorisch, was sein Interesse an einer übertragenen Deutung ebenfalls unterstreicht. Er schreibt: „Denn der große Jesaja hat nicht über die Schlechtigkeit der Geldwechsler und die Verderbtheit der Wirte gesprochen, sondern ,Silberʻ nennt er hier das Wort Gottes und ,Weinʻ die Lehre (ἀργύριον ἐνταῦθα τὰ λόγιά φησι τοῦ Θεοῦ, καὶ οἶνον τὴν διδασκαλίαν644), die sie durch die Hinzufügung eigener Lehren trübten.“645 Insofern sind die kategorischen Unterscheidungen, die Kaczynski zwischen der alexandrinischen und der antiochenischen Auslegungsweise vornimmt, zu relativieren.646 Alexandrinische Exegese heißt nicht nur Allegorie und antiochenische Exegese heißt nicht nur Literalsinn.647 Trotz seiner Vorliebe für den historischen Sinn,648 den er einfach Geschichte (ἱστορία) nennt649 und in allen Sinnabschnitten seiner Exegese zur Verwandlungserzählung mittels Beschreibung des biblischen Kontextes erhebt, propagiert Chrysostomos auch eine übertragene Deutung der Schrifttexte. Dafür verwendet er Begriffe wie Anagogie (ἀναγωγή650), Allegorie (ἀλληγορία651) oder geistiges Betrachten (θεωρῆσαι652) synonym. Die Beziehung des historischen und des übertragenen Sinns wird von Chrysostomos allerdings nicht einheitlich dargestellt. Manchmal scheint es sogar, dass die beiden Deutungen sich gegenseitig ausschließen. Zu Ps 8 meint er, dieser „kann im historischen oder im übertragenen Sinn verstanden werden“.653 An einer anderen Stelle zeigt Chrysostomos, dass die biblischen Texte auf meh643

Hom. 5 in 2 Cor. (PG 61, 431). Vgl. Comm. in Is. I,7 (PG 56, 23). 645 Die Übersetzung ins Deutsche bei KACZYNSKI, Wort, 149. 646 KACZYNSKI, Wort, 150: „,Alexandrinischʻ wäre es, auch dann zu allegorisieren, wenn der Schrifttext keine Veranlassung dazu bietet. Antiochenische ,Allegorieʻ jedoch, wie sie auch Chrysostomus anerkennt, gründet auf dem Schrifttext. Sie bietet keinen mehrfachen, sondern nur den von Gott selbst beabsichtigten Schriftsinn.“ Diesbezüglich siehe noch GUILLET, Exégèses, 257–302. 647 Kaczynski übernimmt die Meinung von Haidacher, dass sich Chrysostomos auch der geistigen Deutung der Bibeltexte bedient (KACZYNSKI, ebd. 148): „Doch bereits S. Haidacher macht darauf aufmerksam, daß auch für Chrysostomus die wörtliche Auffassung nicht immer ausreicht und er darum ebenfalls die geistige Betrachtung (θεωρία) anwendet, um für ein bestimmtes Schriftwort auch einen übertragenen Sinn herauszulösen und es auf diese Weise homiletisch fruchtbar zu machen.“ 648 Vgl. Comm. in Is. 1,7 (PG 56, 23). 649 Vgl. Expos. in Ps. 43,3 (PG 55, 171). 650 Vgl. Expos. in Ps. 9,4 (PG 55, 126). 651 Vgl. Comm. in Is. 5,3 (PG 56, 60). 652 Vgl. Expos. in Ps. 9,4 (PG 55, 126). 653 Expos. in Ps. 8,7 (PG 55, 116) bei KACZYNSKI, Wort, 149. 644

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rerlei Weise zu deuten sind. In seiner Auslegung von Ps 9 schreibt er: „Wenn es nötig ist, manches auch im übertragenen Sinn (καὶ κατὰ ἀναγωγήν654) zu verstehen, darf das nicht abgelehnt werden. Denn manches können wir auch geistlich betrachten (καὶ θεωρῆσαι655); anderes darf man nur so verstehen, wie es dasteht (ὡς εἴρηται µόνον656), […] wieder anderes entgegengesetzt zum Wortlaut“657 (ἀπεναντίας ταῖς λέξεσιν658). Daraus ergibt sich eine dreifache Möglichkeit, die Schrifttexte zu verstehen: 1. nur wörtlich bzw. historisch – „anderes darf man nur so verstehen, wie es dasteht“;659 2. nur übertragen – „wieder anderes entgegengesetzt zum Wortlaut“;660 3. wörtlich und übertragen – „Wenn es nötig ist, manches auch im übertragenen Sinn zu verstehen, darf das nicht abgelehnt werden“.661 Dort wo ein Bibeltext sowohl wörtlich als auch übertragen exegesiert werden kann, erscheint die übertragene Auslegung nach Chrysostomos als Ergänzung zur wörtlichen. Bei anderen Texten versteht er die wörtliche Interpretation als Basis und sogar Voraussetzung für die übertragene. Die Erhebung des übertragenen Sinns eines Textes wird von ihm als Deutungsmöglichkeit aber nur dort vorgeschlagen, wo es aus seiner Sicht nötig ist. Die Erschließung des übertragenen Sinns könnte bei Chrysostomos auch als Entdeckung eines tieferen Sinns der Bibeltexte verstanden werden, wo er schreibt: „Deshalb bitte ich euch, mir mit Eifer und Aufmerksamkeit zu folgen, damit wir unter Christi Leitung (τοῦ Χριστοῦ προηγουµένου662) bis in die verborgensten Tiefen der Hl. Schrift einzudringen vermögen“663 (εἰς τὸ πέλαγος τῶν γεγραµµένων εἰσελθεῖν664). Infolgedessen nimmt das Schriftverständnis des Chrysostomos im Unterschied zum antiochenischen Spezifikum „eine Sonderstellung“665 ein. In seiner 56. Homilie rekurriert Chrysostomos an zwei Stellen auf übertragene Deutungen, die er auf dem wörtlichen Sinn des Textes aufbaut. Indem er den weiteren Kontext des Verwandlungsereignisses untersucht, stellt er 654

Vgl. Expos. in Ps. 9,4 (PG 55, 126). Vgl. ebd. 656 Vgl. ebd. 657 Expos. in Ps. 9,4 (PG 55, 126) bei KACZYNSKI, Wort, 150 [Hervorhebung im Original]. 658 Ebd. 659 Ebd. 660 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 661 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 662 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 21). 663 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 24). 664 Ebd. 665 Vgl. KACZYNSKI, Wort, 151. 655

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fest, dass Jesus seinen Jüngern gemäß seinem Heilsplan verschiedene Unterweisungen gab, die für sie sowohl entmutigende als auch ermutigende Konnotationen haben könnten. Chrysostomos zitiert zur Begründung zwei Texte aus Mt 10,39 und 16,27, die er in einem übertragenen Sinn als Symbole der Hölle und des Himmelreichs deutet: „Beachte also, was er tut. Erst redet er von der Hölle und vom Himmelreich (denn in den Worten: ,Wer seine Seele findet, wird sie verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es gewinnenʻ, und: ,Er wird vergelten einem jeglichen nach seinen Werkenʻ hat er beides klargelegt).“666

Insofern versteht er die Verwandlung Jesu auf dem Berg allegorisch und bezeichnet sie als „Blick in das Himmelreich“.667 Es scheint, dass Chrysostomos sich nur für den übertragenen Sinn der Texte interessiert, ohne den eigentlichen Wortlaut zu beachten, denn in keinem der beiden von ihm zitierten Texte wird explizit über Hölle und/oder Himmelreich gesprochen, lediglich Anspielungen können gefunden werden. Das zeigt, dass Chrysostomos auch übertragene Deutungen bietet, was die sonst als typisch betrachtete antiochenische Auslegungsweise relativiert.668 Darüber hinaus deutet Chrysostomos die Verbindung zwischen dem an Jesus gerichteten Vorschlag Petri, drei Hütten auf dem Berg zu bauen, und der darauffolgenden Erscheinung der Wolke allegorisch. Er schreibt: „Petrus hatte gesagt: ,Lasset uns drei Hütten (τρεῖς σκηνάς669) bauen.ʻ Er aber zeigt ihnen dafür das Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht ist (ἀχειροποίητον σκηνήν670). Deshalb ist hier ein unaussprechliches Licht und die Stimme, während dort Rauch und Qualm erscheinen.“671 Die Wolke wird von ihm als Hütte gedeutet und dieser Begriff ist aus dem Zusammenhang dieser Erzählung, genauer gesagt aus der Reaktion des Petrus, abgeleitet. Petrus schlägt Jesus das Errichten von drei Hütten vor und daran knüpft Chrysostomos seine Allegorie. Er wählt das Nomen „Zelt“, um es auch auf die Wolke anzuwenden.672 IV. Vergleiche der Auslegung des Chrysostomos mit historisch-kritischen Methoden Wie bei der origenistischen Exegese der Verwandlungserzählung lassen sich auch bei Chrysostomos manche Ähnlichkeiten mit verschiedenen Aspekten der modernen wissenschaftlichen Methoden der Schriftauslegung beobachten. Diese Ähnlichkeiten lassen sich durch dasselbe Interesse der Exegeten der 666

Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188). Ebd. 668 Vgl. KACZYNSKI, Wort, 151. 669 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 553). 670 Ebd. 671 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 196). 672 Vgl. KACZYNSKI, Wort, 150. 667

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patristischen Zeit oder der Moderne an der wörtlichen Erschließung der biblischen Texte und somit an deren möglichst sachgemäßem Verstehen erklären. Eine gründliche Analyse der biblischen Texte hält Chrysostomos für notwendig, weil für ihr Verständnis die Beachtung aller Einzelheiten des Textes und auch aller scheinbar wenig bedeutenden Verse, Wörter, Silben und sogar Buchstaben eine wichtige Rolle spielt.673 In der ersten Matthäushomilie schreibt er: „Ihr seht also, wie große Aufmerksamkeit schon im ersten Kapitel vonnöten ist, während manchen die Einleitung klarer zu sein scheint als das übrige, manchen vielleicht sogar überflüssig, als eine bloße Aufzählung von Namen.“674 Darüber hinaus scheint Chrysostomos eine kritische Analyse der biblischen Texte zu befürworten, welche die Entdeckung der Schwierigkeiten in den Texten veranlassen und weitere Fragen aufwerfen: „Ihr seht also, wie sehr man achtgeben muß, nicht bloß, um Fragen zu lösen, sondern um überhaupt nur zu merken, wo Schwierigkeiten vorhanden sind! Es ist nämlich auch das gar nicht so leicht, die Punkte herauszufinden, die Schwierigkeiten (τὰ διαπορούµενα675) enthalten.“676 Worin solche Schwierigkeiten bestehen, wird von Chrysostomos nicht weiter präzisiert. Aber an einer anderen Stelle seiner ersten Matthäushomilie lässt Chrysostomos die Schlussfolgerung zu, dass dort die Rede von den Schwierigkeiten ist, die bei der Eruierung des wörtlichen Sinns des Textes festgestellt werden und das Verständnis des dadurch veranschaulichten Zusammenhangs verhindern: „Beachte darum gleich zu Anfang des Evangeliums, wie viele Fragen sich da einem aufdrängen können. Zum ersten, weshalb gerade der Stammbaum Josephs aufgeführt wird, obwohl Joseph gar nicht der Vater Christi war? […] wie wir beweisen können, daß Christus aus dem Geschlechte Davids war, da wir doch die Voreltern Marias, seiner Mutter, nicht kennen? […] weshalb die Vorfahren Josephs aufgezählt werden, der gar nichts mit der Geburt des Herrn zu tun hatte?“677

Infolgedessen könnte behauptet werden, dass hier Chrysostomos eine kritische Untersuchung des Bibeltextes durchführt, da er sich mit dem einfachen Annehmen des im Text Gesagten nicht begnügt und die Plausibilität der erzählten Ereignisse hinterfragt. Trotzdem besteht freilich auch ein starker Kontrast zwischen der Exegese des Chrysostomos und der wissenschaftlich profilierten Herangehensweise an biblische Texte; zum einen hinsichtlich der Motivation ihrer Durchführung und des Kontextes, innerhalb dessen sie sich etabliert hat, zum anderen hinsichtlich des Ziels, das er verfolgt. Während die historisch-kritische Exegese ihre Wurzeln im Zusammenhang der Aufklärung hat, durch „menschliches Auto673

Vgl. ebd. 50.136. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 25). 675 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 22). 676 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 26). 677 Ebd. 24. 674

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nomiebewußtsein, Pluralismus, Emanzipation und eine fortschreitende Säkularisierung“678 gekennzeichnet wurde und „die Vorstellungen einer historia sacra oder scriptura sacra“679 aus dem Feld der biblischen Exegese entfernte, bezeichnet die durch Chrysostomos verwirklichte Exegese die Bibel als Worte Gottes (τὰ λόγια τοῦ Θεοῦ680), Heilige Schrift (τῆς ἁγίας Γραφῆς681) oder göttliche Schrift (τῆς θείας Γραφῆς682) und versteht sie anhand der Lehre der Selbsterniedrigung (Synkatabasis) Gottes gegenüber den Menschen683 als Kommunikationsinstrument zwischen den Dialogpartnern sowie als von Gott gegebenes Hilfsmittel für die Verwirklichung der Gemeinschaft zwischen ihm und den Menschen.684 Deswegen stellt das Exegesieren der biblischen Texte eine große Herausforderung dar. Die „das Wort Gottes nicht heilig und in Ehren halten“,685 treten laut Chrysostomos „die Perlen mit Füßen“.686 Die Kommunikation zwischen Gott und Menschen mittels der Bibel hat eine existenziell-soteriologische Dimension und infolgedessen wird die Bibel von Chrysostomos als Rettungsmöglichkeit (πλοῦν687) oder Heilmittel (φάρµακον688) definiert. Trotzdem entstand sie als Folge der Entfernung der Menschen von Gott689 und wird daher als zweitrangige Kommunikationsform gedeutet, nach dem persönlichen Kommunizieren zwischen den genannten Dialogpartnern.690 678

SCHNELLE, Einführung, 11. Ebd. [Hervorhebung im Original]. 680 Vgl. Comm. in Is. I,7 (PG 56, 23). 681 Vgl. Hom. 13 in Gen. (PG 53, 108). 682 Vgl. ebd. 107. 683 Chrysostomos wurde als Begründer der Lehre von der Selbsterniedrigung Gottes in der Schrift benannt und anerkannt. Vgl. dazu KACZYNSKI, Wort, 26. 684 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 13): „[…] erwäge, wie groß erst unsere Schuld sein wird, wenn wir auch von diesem Hilfsmittel keinen Gebrauch machen wollen, sondern die Hl. Schrift vernachlässigen“. 685 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 26). 686 Ebd. 687 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 13). 688 Vgl. ebd. 14. 689 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 13): „Nachdem aber (die Christen) im Laufe der Zeit auf Abwege geraten waren, die einen in Glaubenssachen, andere in ihrem Lebenswandel, da bedurfte es wiederum der Ermahnung durchs geschriebene Wort. Während wir also ein so reines Leben hätten führen sollen, daß wir nichts Geschriebenes benötigten, sondern an Stelle von Büchern unsere Herzen dem Hl. Geiste hätten eröffnen sollen, haben wir diese Ehre verscherzt und sind darum auf den Gebrauch der Schriften angewiesen.“ 690 Vgl. ebd. 12: „Eigentlich sollten wir nicht auf die Hilfe der Hl. Schrift angewiesen sein, vielmehr ein so reines Leben führen, daß die Gnade des Hl. Geistes in unseren Seelen die Stelle der hl. Schriften verträte und daß, wie diese mit Tinte, so unsere Herzen durch den Hl. Geist beschrieben wären. Nachdem wir aber einmal diese (erste) Gnade verscherzt haben, so wollen wir wenigstens mit Freude die zweite Rettungsmöglichkeit ergreifen. – Daß allerdings der erste Weg der bessere war, das hat uns Gott selbst in Wort und Tat geoffenbart.“ 679

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Die persönliche Erfahrung des Menschen mit Gott (bzw. mit dem Heiligen Geist) wird von Chrysostomos deutlich der aufgrund der Bibel gewonnenen Gotteserfahrung vorgezogen,691 da sie nicht eine direkte, sondern eine vermittelte Kommunikation mit Gott darstellt.692 Wurde die Bibel von der historisch-kritischen Exegese, wie es Udo Schnelle pointiert hervorhebt, „wie jedes andere literarische Produkt der Antike mit den Methoden der kritischen Geschichtswissenschaft und Philologie untersucht“,693 so ist ihr Ziel das bestmögliche Verständnis des gedeuteten Textes, ohne jedoch die eventuelle ethische Gültigkeit des exegesierten Textes für das christliche Leben hervorzuheben.694 Chrysostomos hingegen äußert die Überzeugung, dass die Bibel ein Lebensideal darstellt695 und deren Auslegung dementsprechend bedeutende und konkrete Auswirkungen auf den Lebenswandel (πολιτεία696) der Christen haben soll. Insofern bekommt die Exegese eine existenzielle Dimension.697 Darüber hinaus kommt nach Chrysostomos der Bibelauslegung auch die Funktion des Lobpreisens zu, denn ihr letztes Ziel liegt in der Anbetung des in der Bibel anwesenden Königs.698 691 Vgl. ebd. 13: „[…] schon an sich nicht in der Ordnung ist, daß wir überhaupt der Schriften bedürften, anstatt die Gnade des Hl. Geistes auf uns herabzuziehen […]“. 692 Vgl. ebd. 12: „So hat er mit Noë, mit Abraham und seinen Nachkommen, mit Job und Moses nicht durch Schriften, sondern selbst in eigener Person verkehrt, da er ihre Herzen rein befunden. Nachdem aber das gesamte Judenvolk in den tiefsten Abgrund der Sünde gestürzt war, da gab er ihnen Schriften und Gesetztafeln zur mahnenden Erinnerung. Dasselbe können wir aber nicht bloß bei den Heiligen des Alten Bundes beobachten, sondern auch bei denen des Neuen. Den Aposteln hat Gott nichts Geschriebenes übergeben, sondern an Stelle von Schriften hat er ihnen die Gnade des Hl. Geistes verheißen. […] Damit du aber einsiehst, daß diese Art wirklich viel besser war, so höre, was der Herr durch den Propheten spricht: ,Ich werde einen neuen Bund mit euch schließen, euch Satzungen geben zur Erinnerung, und sie in euere Herzen schreiben, und sie werden alle Gottes Schüler sein.ʻ“ 693 SCHNELLE, Einführung, 15. 694 Vgl. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 2–3. 695 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 23): „Was jene (Philosophen) sagen, sind eben Albernheiten und Spielereien, die Lehren (der Apostel) aber sind Wirklichkeit und Wahrheit. Diesem Lebensideal haben sie den Himmel als Schauplatz angewiesen, und Gott als seinen Erfinder und als Urheber jener himmlischen Gesetze hingestellt.“ 696 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 20). 697 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 23): „Die Lehrmeister dieses Lebens sind sodann Zöllner, Fischer und Zeltmacher, die nicht bloß für kurze Zeit lebten, sondern für die ganze Ewigkeit fortleben. Deshalb sind sie auch nach ihrem Tode imstande, denen, die diese Lebensweise führen, gegebenenfalls von größtem Nutzen zu sein. Diese Lebensart bedeutet aber Kampf, nicht gegen Menschen, sondern gegen die Dämonen und die unsichtbaren Mächte. […] Da also diese Lebensweise auch den Inhalt dieses Buches ausmacht, und wir jetzt darüber reden wollen, so haben wir genau acht auf das, was Matthäus hierüber so klar und deutlich lehrt.“ 698 Nicht zufällig endet die erste einleitende Homilie des Chrysostomos zum Matthäusevangelium mit einer Ermahnung zum passenden Deuten und Verstehen der Bibel: „Öffnen

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1. Textanalyse Hinsichtlich des modernen Methodenschritts der Textanalyse respektive der Textabgrenzung lassen sich einige Beobachtungen in Bezug auf die Abgrenzung der Texteinheit machen. Ähnlich wie Origenes gibt Chrysostomos keinen klaren Hinweis zum exakten Umfang der Perikope, die von ihm ausgelegt wird. Es wird aber deutlich, dass er die Texteinheit Mt 16,28–17,9 auslegt. Dadurch nimmt er indirekt eine Textabgrenzung vor. Für Chrysostomos gehören die Verse Mt 16,28 und 17,9 offensichtlich integral zum Verständnis der Verwandlungsperikope hinzu. Der modernen Textanalyse näher steht die Exegese des Chrysostomos hinsichtlich der Feststellung der Bezüge der Verwandlungserzählung sowohl zum Mikro- als auch zum Makrokontext des Evangeliums. Chrysostomos integriert die Verwandlungserzählung in den engeren Kontext durch Hervorhebung ihrer Bezüge zu den Versen 16,28 und 17,9. Ihm zufolge ist das von Jesus in 16,28 angekündigte Schauen des Menschensohns in seinem Reich auf dem Berg der Verwandlung Jesu zu sehen. Chrysostomos schreibt: „Der Herr hatte bisher vieles über Gefahren und Tod, über sein eigenes Leiden und über die Tötung seiner Jünger gesprochen. […] So hatte er zum Beispiel gesagt, daß, wer seine Seele verliert, sie gewinnen werde, daß er selbst in der Herrlichkeit des Vaters wiederkehren und daß er die Siegespreise verteilen werde. Nun wollte er ihnen zeigen, was das für eine Herrlichkeit sei, in der er wiederkommen sollte, und sie dieselbe mit eigenen Augen sehen lassen, soweit sie es nämlich zu erfassen imstande waren.“699

Diejenigen, die an der Schau der Herrlichkeit Jesu auf dem Berg teilhaben, sind in erster Linie die drei von ihm mitgenommenen Jünger, obwohl Chrysostomos sie in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich erwähnt. Zwischen der in Mt 16,27 angekündigten Herrlichkeit des Menschensohns und der Herrlichkeit Jesu auf dem Berg der Verwandlung besteht kein qualitativer Unterschied. Sie sind aus seiner Sicht identisch: „Er offenbart und enthüllt ihnen dieselbe im gegenwärtigen Leben, damit sie sich weder über ihren noch über des Meisters Tod betrübten; […] also […] läßt er sie einen Blick in das Himmelreich tun.“700 Somit bekommt die Verwandlung Jesu für die daran teilhabenden Jünger die pädagogische Funktion der Ermutigung angesichts der oftmals bekundeten Gefahren, die sie noch vor sich haben, und zugleich stellt sie nach der Meinung des Chrysostomos die Projektion der künftigen wir also die Tore unseres Geistes, und haben wir acht; machen wir uns bereit, mit größter Ehrfurcht die Schwelle zu überschreiten, um den König anzubeten, der darin ist.“ Siehe Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 28). Außerdem siehe NIKOLAKOPOULOS, Chrysostomos, 55: „Johannes verwendete seine kerygmatische Exegese als Werkzeug, um sein Hauptziel, nämlich die geistige Erbauung der Gläubigen zwecks der Rettung der menschlichen Seele und darüber hinaus die Verherrlichung Gottes zu erreichen.“ 699 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188). 700 Ebd.

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Belohnung der Jünger für das Hinnehmen des kommenden Leidens dar. Das in V. 9 formulierte Schweigegebot deutet er als Belehrung, denn hätte die Menge mehr über das Verwandlungsereignis gewusst, hätte sie umso weniger den Kreuzestod Jesu verstanden: „Je erhabener das war, was von ihm verkündigt wurde, desto schwerer wäre es damals für die große Menge zu glauben gewesen; und das Ärgernis des Kreuzestodes wäre infolge dessen nur noch ärger geworden. Deshalb legte er den Aposteln Stillschweigen auf.“701 Nicht zufällig deutet Chrysostomos als zeitliche Grenze des Schweigegebotes die Auferstehung: „Er befahl ihnen nicht, stets und gegen jedermann darüber zu schweigen, sondern nur bis er von den Toten auferstanden wäre. […] Denn nachher empfingen sie ja die Gnade des Hl. Geistes und die Gabe der Wunder, welche laut für sie zeugten, und alles, was sie dann sagten, war wohl glaubwürdig.“702 Die Auferstehung eröffnet nach Chrysostomos ein besseres Verständnis der Verwandlung, weil sie den Jüngern den Empfang des Heiligen Geistes und Wundermacht vermittelt und somit deren Verkündigung (auch über das Ereignis auf dem Berg) glaubwürdiger macht. Chrysostomos verbindet die Verwandlungserzählung nicht direkt mit dem Makrokontext des Matthäusevangeliums. Dagegen macht er oftmals im Laufe seiner Untersuchung Anspielungen auf andere, ebenfalls im Matthäusevangelium erzählte Ereignisse, während er die verschiedenen Szenen der Perikope exegesiert. So wurde die Teilnahme der Jünger am Sehen der Herrlichkeit Jesu im Rahmen des Matthäusevangeliums schon früher angekündigt.703 Zugleich findet Chrysostomos auch im Kontext des Evangeliums die möglichen Gründe für die Erwählung der drei Jünger zu ihrer Beteiligung am Verwandlungsereignis.704 Darüber hinaus macht er die Reaktion des Petrus verständlich, indem er dessen Profil im gesamten Evangelium analysiert.705 Für eine sprachlich-syntaktische Untersuchung des Textes der Verwandlungserzählung interessiert sich Chrysostomos in seiner 56. Homilie zum Matthäusevangelium nicht. Es gibt keine von ihm gemachte Anspielung auf die im Text bezeugten Wortarten und Wortformen. Genauso wenig werden die Satzverknüpfungen hervorgehoben und dementsprechend gedeutet. Allerdings besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der hier von Chrysostomos durchgeführten Exegese und einigen Zügen der modernen semantischen Analyse. Es wird zwar kein semantisches Inventar erstellt, aber manche semantische Oppositionen werden zum Ausdruck gebracht. Chrysostomos hebt drei Oppositionen hervor:

701

Ebd. 198. Ebd. 198–199. 703 Vgl. ebd. 188. 704 Vgl. ebd. 189–190. 705 Vgl. ebd. 194. 702

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1. Himmelreich – Hölle bezüglich der Erklärung des Verses 16,28 über das Sehen des Menschensohns in Herrlichkeit und somit der Feststellung des Kontextes, in dem die Verwandlung Jesu stattfand, wo Jesus seinen Jüngern mehrmals die künftigen Gefahren und zugleich Belohnungen verkündigt;706 2. lichte Wolke – finstere Wolke hinsichtlich der Betonung der wichtigen erklärenden Rolle, die die Wolke innerhalb der Verwandlungserzählung spielt,707 und 3. die Schau Jesu auf dem Berg – die Schau Jesu anlässlich seiner Wiederkehr, umgeben von den Scharen der Engel, Erzengel und Cherubim betreffs der Aktualisierung des Verwandlungsereignisses für diejenigen, die an dem ursprünglichen Geschehen nicht teilgenommen haben.708 Wie Origenes bezieht sich Chrysostomos bei dieser semantischen Untersuchung auf Begriffe und Bilder, die nicht alle in dem Text der Verwandlungserzählung zu finden sind, wie Himmelreich (βασιλεία709), Hölle (γεέννη710) oder finstere Wolke (σκοτεινὴν σκηνήν711). Am stärksten kommt die chrysostomische Exegese der modernen Textanalyse hinsichtlich der Story-Analyse nahe.712 Chrysostomos interpretiert die ganze Erzählung, indem er sie in acht Szenen gliedert und dann jede Szene anhand der Analyse der dort wirkenden Charaktere (Akteurengerüst713) erschließt. In den Mittelpunkt rückt er die Interaktion zwischen Jesus und seinen drei Jüngern. Jesus wird als Initiator und zugleich Adressant des Geschehnisses verstanden und seine Verwandlung als Unterweisung für Petrus, Jakobus und Johannes gedeutet. Dementsprechend führt er nur drei seiner 706

Vgl. ebd. 188: „Beachte also, was er tut. Erst redet er von der Hölle und vom Himmelreich (denn in den Worten: ,Wer seine Seele findet, wird sie verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es gewinnenʻ, und: ,Er wird vergelten einem jeglichen nach seinen Werkenʻ hat er beides klargelegt); also, da er über beides gesprochen hatte, läßt er sie einen Blick in das Himmelreich tun, in die Hölle aber noch nicht.“ 707 Vgl. ebd. 196: „Eine finstere Wolke läßt Gott erscheinen, was er als eine Drohung ausspricht, wie z. B. auf dem Sinai: ,Moses trat nun in die Wolkeʻ, heißt es, ,und in das Dunkel, und wie Dampf stieg der Rauch aufʻ, und der Prophet spricht, wo er von Gottes Drohung redet: ,Finsteres Wasser im Gewölke der Luftʻ. Hier wollte jedoch Gott nicht Schrecken verbreiten, sondern belehren; darum ist die Wolke licht.“ 708 Vgl. ebd. 199: „Aber wenn wir nur wollen, so können auch wir Christum sehen, nicht bloß so wie die Apostel damals auf dem Berge, sondern noch viel strahlender; denn später (am jüngsten Tage nämlich), wird er nicht mehr bloß so erscheinen (wie hier auf dem Berge).“ 709 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 549). 710 Vgl. ebd. 711 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 553). 712 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 71–79; EGGER/WICK, Methodenlehre, 175–176; SCHNELLE, Einführung, 58. 713 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 75.

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Jünger auf den Berg,714 bereitet sie auf das Ereignis vor,715 offenbart ihnen die von ihm prophezeite Herrlichkeit des Menschensohns und lässt sie in das bei seiner Verwandlung enthüllte Himmelreich blicken,716 lässt Mose und Elia auftreten,717 befreit die Jünger von ihrer Angst infolge des Erscheinens der Wolke718 und schließlich legt er ihnen Stillschweigen bis zu seiner Auferstehung auf.719 Die Rolle Jesu als Held des Ereignisses tritt im Rahmen der Auslegung des Chrysostomos stark in den Hintergrund. Der Verwandlungsmoment selbst wird nicht weiter exegesiert, sondern nur kurz in den Unterweisungprozess Jesu an seine Jünger eingeordnet. Im Rahmen des Akteurengerüstes der Verwandlungserzählung profilieren sich nach Chrysostomos die drei Jünger als Adressaten der verschiedenen Wirkungen Jesu. Der Grund ihrer dortigen Anwesenheit ist rein pädagogisch und besteht in ihrer Vorbereitung und Ermutigung angesichts des kommenden Leidens Jesu und ihres eigenen Todes.720 Sie werden darüber hinaus von Jesus auch auf die Verwandlung vorbereitet. Er kündigt ihnen zuerst die Möglichkeit einer Schau der Herrlichkeit des Menschensohns schon in diesem Leben an, wartet aber noch einige Zeit bis zur Durchführung. Außerdem erwähnt Jesus laut Chrysostomos deshalb nicht präzise die Namen derer, die der versprochenen Schau dieser Herrlichkeit, d. h. seiner Verwandlung auf dem Berg, teilhaftig werden, um Eifersucht unter den Jüngern zu vermeiden.721 Chrysostomos erklärt weiter, warum Petrus, Jakobus und Johannes für den Verwandlungsberg ausgewählt wurden. Er betont, dass sie sich vor den anderen Jüngern besonders auszeichneten: Petrus durch seine Liebe zu Jesus, 714

Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189–190). Vgl. ebd. 190. 716 Vgl. ebd. 188–189. 717 Vgl. ebd. 190–194. 718 Vgl. ebd. 198. 719 Vgl. ebd. 198–199. 720 Vgl. ebd. 188–189: „Er offenbart und enthüllt ihnen dieselbe im gegenwärtigen Leben, damit sie sich weder über ihren noch über des Meisters Tod betrübten, namentlich Petrus, der voll Kummer war. […] läßt er sie einen Blick in das Himmelreich tun, in die Hölle aber noch nicht. Und warum das? Wären einige Stumpfsinnige darunter gewesen, so hätte er es allerdings auch tun müssen; da aber seine Zuhörer einsichtig und verständig waren, konnte er seine Unterweisung mit dem Angenehmeren beginnen.“ 721 Vgl. ebd. 190: „Weshalb führt er sie aber nicht sofort hinauf? Damit den übrigen Jüngern nicht etwas Menschliches widerfahre. Darum nennt er auch die Namen derer nicht, die mit hinaufsteigen sollten; denn dann hätten auch die anderen sehnlich verlangt mitzugehen, um die Erscheinung jener Herrlichkeit zu sehen, und hätten sich gegrämt, als seien sie zurückgesetzt worden. Denn wenn es auch mehr eine körperliche Erscheinung war, so mußten sie doch sehr großes Verlangen haben, sie zu sehen. Warum sagt er es ihnen aber vorher? Damit sie empfänglicher würden für das Schauspiel, das er voraus angekündigt hatte, und im Verlaufe der Tage ein immer lebhafteres Verlangen darnach empfänden, so daß ihr Geist dabei wachsam und achtsam wäre.“ 715

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Johannes durch die Liebe Jesu zu ihm und Jakobus durch seine Bereitschaft, Jesus zu folgen.722 Diese drei Jünger sehen die angekündigte Herrlichkeit des Menschensohns mit eigenen Augen, soweit sie diese ertragen konnten,723 und darüber sind sie nach Chrysostomos sehr glücklich.724 Petrus wird innerhalb der Dreiergruppe von Chrysostomos besonders hervorgehoben, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass er als „der feurige Petrus“725 (ὁ Πέτρος ὁ θερµός726) bezeichnet wird. Chrysostomos legt die Verwandlung als Zeichen einer jesuanischen Pädagogik für seine Jünger aus und als eine Ermutigung angesichts des ausstehenden Leidens. Er nennt Petrus eine beispielhafte Persönlichkeit, die vom Tod Jesu überaus betrübt worden wäre, wenn Jesus ihm nicht seine Herrlichkeit bereits zu Lebzeiten gezeigt hätte.727 Bei seiner Bewertung der Reaktion und des Vorschlags Petri oszilliert Chrysostomos zwischen Zustimmung und Ablehnung. Modern gesprochen, erscheint Petrus in der Auslegung des Chrysostomos als Adjuvant oder Helfer,728 aber auch als Opponent729 Jesu. Für Ersteres spricht die Reaktion des Petrus, die in seiner Liebe zu Jesus gründete, weil er seinen Meister durch das Hüttenbauen vor dem kommenden Leiden und Tod in Jerusalem zu schützen beabsichtigte.730 Für Letzteres spricht, dass sein Vorschlag, Hütten 722 Vgl. ebd. 189–190: „Warum nimmt der Herr nur diese drei mit? Weil sie sich vor den anderen besonders auszeichneten: Petrus dadurch, daß er den Herrn überaus liebte; Johannes, weil er vom Herrn überaus geliebt wurde; Jakobus wegen der Antwort, die er einmal zusammen mit seinem Bruder gab: ,Wir können den Kelch trinkenʻ; freilich nicht bloß durch diese Antwort, sondern auch durch seine Taten, durch die er wahr machte, was er beteuert hatte. Den Juden erschien er nämlich so eifrig und streng, daß ihnen Herodes sogar durch seine Hinrichtung eine große Gunst zu erweisen glaubte.“ 723 Vgl. ebd. 188: „Nun wollte er ihnen zeigen, was das für eine Herrlichkeit sei, in der er wiederkommen sollte, und sie dieselbe mit eigenen Augen sehen lassen, soweit sie es nämlich zu erfassen imstande waren.“ 724 Vgl. ebd. 199: „Niemand ist somit glücklicher als die Apostel, und namentlich jene drei, welche gewürdigt worden sind, mit dem Herrn in der Wolke wie unter einem Dache zu wohnen.“ 725 Ebd. 194. 726 Hom. 56 in Mt. (PG 58, 552). 727 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 188): „Er offenbart und enthüllt ihnen dieselbe im gegenwärtigen Leben, damit sie sich weder über ihren noch über des Meisters Tod betrübten, namentlich Petrus, der voll Kummer war.“ 728 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 79. 729 Vgl. ebd. 730 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 194–195): „Seit er gehört hatte, daß Christus nach Jerusalem gehen müsse, um dort zu leiden, fürchtete und bangte er trotz der Zurechtweisung noch immer für ihn, wenn er auch nicht mehr wagte, vor ihn hinzutreten und zu sagen: ,Das wird Dir nimmer geschehen.ʻ […] Der Berg, die große Zurückgezogenheit und die Einsamkeit brachten ihn auf den Gedanken, hier wären sie ganz sicher. Dazu kam noch der Wunsch, der Herr möge gern, daß er für immer hier bleibe; deshalb spricht er auch vom Hüttenbauen. Würden sie gebaut werden, so rechnet er, dann gehen wir nicht mehr

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zu bauen, die Unvollkommenheit der durch Petrus vertretenen Jünger zeigt, indem Jesus auf dieselbe Stufe wie Mose und Elia gestellt wird.731 Interessant ist aber vor allem, dass Chrysostomos Petrus in seiner Homilie direkt anspricht. Petrus ist der einzige Akteur der Verwandlungserzählung, mit dem Chrysostomos ein imaginäres Gespräch führt, ihm Ratschläge gibt und ihn ermahnt. Dies deutet auf eine gewisse Vertrautheit des Auslegers mit einer Figur aus dem von ihm ausgelegten Bibeltext hin. Gleich nach dem Zitat von Mt 17,4 beginnt Chrysostomos einen fiktiven Dialog mit Petrus: „Was sagst du da, o Petrus? Hast du Jesus nicht erst kurz vorher weit über seine Diener erhoben? Und nun stellst du ihn wieder auf dieselbe Stufe wie sie?“732 Nach dem die Identität Jesu klärenden Wort aus der Wolke wird der Ton des Exegeten etwas milder: „Wenn er also geliebt ist, so kannst du außer Furcht sein, o Petrus. […] Fürchte also die Gefahren nicht. […] Sei also unverzagt (µὴ θορυβοῦ733); denn, wenn du ihn auch tausendmal liebst, so wie der Vater liebst du ihn doch nicht.“734 Unter den Akteuren werden die zwei alttestamentlichen Figuren Mose und Elia von Chrysostomos als Helfer Jesu in der Unterstützung des Unterweisungsprozesses der drei Jünger dargestellt.735 Er deutet ihr Auftreten als von Jesus verursacht und interpretiert es in mehrere Richtungen: 1. zur Klärung der wahren Identität Jesu, der weder mit Elia noch mit einem anderen Propheten des Alten Testaments verwechselt werden sollte,736 wie es laut Mt 16,14 geschehen war; 2. Mose und Elia sind für ihn Kronzeugen der Zurückweisung der jüdischen Beschuldigungen im Evangelium, Jesus übertrete das Gesetz und maße nach Jerusalem; wenn wir nicht dorthin gehen, braucht er auch nicht zu sterben, denn nur dort sollen die Schriftgelehrten an ihn Hand anlegen. […] Siehst du daraus, wie innig er Christus liebte? Du darfst jetzt nicht darauf achten, daß die Art und Weise der Bitte ungeschickt war, sondern bloß, wie feurig er ist, wie er für Christus glüht.“ 731 Vgl. ebd. 195: „Was sagst du da, o Petrus? Hast du Jesus nicht erst kurz vorher weit über seine Diener erhoben? Und nun stellst du ihn wieder auf dieselbe Stufe wie sie? Daraus kannst du ermessen, wie unvollkommen die Jünger vor dem Kreuzestode noch waren. Der Vater hatte ihm zwar eine Offenbarung gegeben, aber Petrus dachte nicht fortwährend an sie; er ließ sich durch die Angst (für den Herrn), welche einerseits von der eben erwähnten Furcht, und andererseits von dem ungewöhnlichen Schauspiele herrührte, außer Fassung bringen.“ 732 Vgl. ebd. 733 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 553). 734 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 197). 735 Vgl. ebd. 194: „Um sie […] zu stärken, läßt er Männer auftreten, die im Alten Bunde geglänzt hatten.“ 736 Vgl. ebd. 190: „Da manche Leute ihn für Elias, andere für Jeremias, wieder andere für einen der alten Propheten erklärt hatten, so läßt er die vornehmsten erscheinen, damit man auch hierdurch den Unterschied zwischen den Knechten und dem Herrn erkenne und einsehe, wie berechtigt die Lobpreisung Petri war, als er bekannte, er sei der Sohn Gottes.“

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sich eine Herrlichkeit an, die ihm nicht zukomme,737 wie es z. B. in Mt 9,2–6; 26,63–65 heißt; 3. zum Zweck der Belehrung der drei Jünger, dass Jesus Macht über Leben und Tod habe, da Mose gestorben war und Elia den Tod nicht erfahren hat;738 4. zur Ermunterung der drei Jünger hinsichtlich der Herrlichkeit, die nach Leiden und Tod kommt;739 5. Mose und Elia sind Tugendvorbilder für die drei Jünger.740 Obwohl in der matthäischen Verwandlungserzählung Gott, der Vater, nicht explizit erwähnt wird, geht Chrysostomos davon aus, dass er einen an der

737

Vgl. ebd. 190–191: „Immer wieder klagten die Juden ihn an, er übertrete das Gesetz, und hielten ihn für einen Lästerer, der sich eine Herrlichkeit anmaße, die ihm gar nicht zustehe, nämlich die Herrlichkeit des Vaters, und sagten: ,Dieser Mensch ist nicht von Gott, da er den Sabbat nicht hältʻ, und: ,Nicht um eines guten Werkes willen steinigen wir Dich, sondern wegen Gotteslästerung, und weil Du, wiewohl Du ein Mensch bist, Dich selber zu Gott machstʻ. Er will also beweisen, daß beide Beschuldigungen nur von der Eifersucht eingegeben, daß er in beiden Punkten unschuldig sei; daß er durch seine Handlungsweise kein Gesetz übertreten habe und daß er sich, wenn er sagte, er sei dem Vater gleich, sich durchaus nicht eine Herrlichkeit anmaße, die ihm nicht zukomme. Deshalb läßt er die Männer auftreten, welche für das eine und das andere Kronzeugen waren. Moses hatte ja das Gesetz gegeben; die Juden mußten also schließen: Hätte er so gehandelt, wie sie behaupteten, so hätte es Moses nicht ruhig hinnehmen können; hätte er das Gesetz übertreten und sich damit in Gegensatz zu dem Gesetzgeber gestellt, so hätte ihnen dieser keine Ehrenbezeugung geleistet. Elias hatte für die Ehre Gottes geeifert, er wäre nicht seiner Einladung gefolgt und zu ihm gekommen, wenn er ein Widersacher Gottes gewesen wäre, wenn er sich selbst Gott genannt, sich dem Vater gleichgestellt hätte, ohne wirklich zu sein, was er vorgab, ohne mit vollem Rechte so zu handeln.“ 738 Vgl. ebd. 191: „Die Apostel sollten lernen, daß er Gewalt über Leben und Tod hat, und daß ihm alles im Himmel und auf Erden untersteht. Deshalb läßt er zwei Männer auftreten, von denen der eine gestorben war, während der andere den Tod noch nicht erfahren hatte.“ 739 Vgl. ebd. 191–192: „Der Herr wollte zeigen, zu welcher Herrlichkeit der Kreuzestod führt, um Petrus und den anderen, die sich vor dem Leiden entsetzten, Trost zuzusprechen und Mut einzuflößen. […] Aber nicht allein durch die Worte dieser Männer, sondern auch durch ihr Tugendbeispiel suchte er die Apostel zu der Tugend zu ermuntern, die er namentlich von ihnen erwartete. […] Jeder von ihnen hatte sein Leben verloren und es gefunden.“ 740 Vgl. ebd. 192–193: „Er wollte nämlich, daß seine Jünger diesen Männern auch in der Führung des Volkes, in der Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit nacheiferten; sie sollten sanftmütig wie Moses, voll Eifer wie Elias, und fürsorglich sein wie beide. Der eine ertrug ja eine dreijährige Hungersnot wegen des Judenvolkes, der andere sagte: ,Entweder vergib ihnen diese Schuld, oder tust Du das nicht, so tilge mich aus dem Buche, das Du geschrieben hast.ʻ An all das wollte der Herr die Apostel durch diese Erscheinung erinnern. Sie sollten noch weiter in der Tugendhaftigkeit gehen als jene beiden; deshalb ließ er sie in der Herrlichkeit erscheinen.“

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Aktion beteiligten Akteur darstellt.741 Er ist in der Wolke anwesend und beantwortet die von Petrus an Jesus gerichtete Bitte, drei Hütten bauen zu dürfen.742 Diese Intervention Gottes deutet Chrysostomos als Belehrung der Jünger,743 ihnen die Identität Jesu als Sohnes Gottes zu erweisen, und als Aufmunterung für die bevorstehenden Ereignisse.744 Er deutet das „SohnGottes“-Attribut aus, indem er betont: „Wenn nämlich Gott wirklich die Macht besitzt, wie es ja auch tatsächlich der Fall ist, so ist es doch offenbar, daß auch der Sohn sie in gleicher Weise besitzt. […] Nicht bloß, weil er ihn gezeugt hat (οὐ γὰρ ἐπειδὴ ἐγγέννησε µόνον745), liebt ihn der Vater, sondern auch, weil er ihm in allen Stücken gleicht (ἐπειδὴ καὶ ἴσος αὐτῷ κατὰ πάντα746) und derselben Gesinnung ist (καὶ ὁµογνώµων ἐστίν747). […] deshalb, weil er in jeder Beziehung bis ins Kleinste ihm gleich ist (διὰ τὸ κατὰ πάντα ἐξισῶσται πρὸς αὐτὸν µετὰ ἀκριβείας748), in ihm und dem Vater nur ein Wille ist (καὶ βούληµα ἓν ἐν αὐτῷ εἶναι καὶ τῷ Πατρὶ749), weil er in allem eins ist mit dem Erzeuger und doch dabei der Sohn bleibt.“750

Es ist die einzige Stelle in der 56. Homilie, in der Chrysostomos dogmatische Schlussfolgerungen zieht. Aus Mt 17,5 über die Bestätigung Jesu als geliebter Sohn schlussfolgert er das innertrinitarische Verhältnis zwischen Vater und Sohn und seine Auslegung bekommt einen ausgeprägt christologischen Akzent. Er erklärt die Gründe für die Liebe des Vaters zu Jesus, die auf die zwischen ihnen bestehende Wesensgleichheit, aber auch auf die Identität jeder der beiden Personen hinweisen. Infolgedessen könnte Gott, der Vater, im Rahmen eines narratologischen Schemas moderner Exegese sowohl als Helfer Jesu als auch als Adressant verstanden werden; denn nach dem Vorschlag

741

Vgl. ebd. 196: „Was antwortete nun der Herr? Christus selbst spricht kein Wort, auch Moses und Elias nicht. Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen. […] Aus der Wolke erschallt also die Stimme, damit alle glauben, daß sie von Gott kommt.“ 742 Vgl. ebd.: „Petrus hatte gesagt: ,Lasset uns drei Hütten bauen.ʻ Er aber zeigt ihnen dafür das Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht ist.“ 743 Vgl. ebd.: „Hier wollte jedoch Gott nicht Schrecken verbreiten, sondern belehren; darum ist die Wolke licht.“ 744 Vgl. ebd.: „Was sagt nun die Stimme? ,Dieser ist mein geliebter Sohn.ʻ Wenn er also geliebt ist, so kannst du außer Furcht sein, o Petrus. […] Fürchte also die Gefahren nicht. Hast du das aber noch nicht begriffen, so denke wenigstens daran, daß er der Sohn ist und geliebt wird. Denn es heißt: ,Dieser ist mein geliebter Sohn.ʻ Wenn er aber geliebt wird, so hast du keine Ursache zu bangen, denn niemand gibt den preis, den er liebt. Sei also unverzagt; denn, wenn du ihn auch tausendmal liebst, so wie der Vater liebst du ihn doch nicht.“ 745 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 553). 746 Vgl. ebd. 747 Vgl. ebd. 748 Vgl. ebd. 749 Vgl. ebd. 554. 750 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 197).

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Petri übernimmt er für kurze Zeit die bisher von Jesus verkörperte Rolle des Anregers der Aktion und deutet dadurch die Verwandlung Jesu. 2. Synoptischer Vergleich Die Untersuchung der literarischen Beziehung der Evangelien zueinander, ähnlich wie sie im Rahmen der modernen Exegese durchgeführt wird, spielt auch für Chrysostomos eine wichtige Rolle. In seiner ersten Homilie zum Matthäusevangelium reflektiert er mehrmals darauf, indem er auf die damals gängigen und von den älteren Bibelauslegern stammenden Überzeugungen Bezug nimmt.751 Chrysostomos geht von der Überzeugung aus, dass in den Werken der vier Evangelisten sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu beobachten sind.752 Ohne sie wie in der heutigen Exegese753 ausdrücklich als synoptisch zu bezeichnen, beobachtet er, dass die ersten drei Evangelien literarisch näher benachbart sind, weil sie die menschliche Seite Jesu stärker darstellen als das Johannesevangelium, das stärker die göttliche Seite Jesu betont. Nach Chrysostomos glich der Autor des Johannesevangeliums „auf die Eingebung Christi hin“ dieses Defizit der drei anderen Evangelien aus.754 Aber er interessiert sich gar nicht für die Frage einer gegenseitigen Beeinflussung bzw. literarischen Abhängigkeit der Evangelisten755 und bemüht sich daher auch nicht, diese zu erklären, wie es die historisch-kritische Bibelwissenschaft getan hat.756 Er gibt auch keinen Hinweis auf eine mögliche Priorität eines der vier Evangelien. Die Unterschiede zwischen allen vier Evangelien lassen sich 751 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 17): „[…] nach dem, was uns von unseren Vätern überliefert wurde“. 752 Vgl. ebd.: „[…] haben sie vieles gemeinsam berichtet, und doch auch jeder von ihnen wieder etwas Eigenes, damit keiner etwa überflüssig erscheine, gleichsam als zwecklose Zugabe, sondern damit er so einen unwiderstehlichen Beweis für die Wahrheit des Inhaltes abgebe“. 753 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 64–77. 754 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 17): „[…] die ersten drei (Evangelisten) absichtlich mehr die menschliche Seite (des Erlösers) betonten, und so Gefahr vorhanden war, daß seine Gottheit zu sehr in den Hintergrund träte; deshalb fühlte er [Johannes – C. P.] sich, auf die Eingebung Christi hin, veranlaßt, sein Evangelium zu schreiben. […] Er fängt nämlich nicht wie die anderen mit dem Irdischen an, sondern mit dem Himmlischen, zu dem er sich hingezogen fühlte, und aus diesem Grunde hat er sein ganzes Buch geschrieben. Aber nicht bloß in der Einleitung, sondern durch das ganze Evangelium hindurch behält er einen höheren Gesichtspunkt im Auge als die übrigen.“ 755 Vgl. ebd. 16: „Indes, hätte es da nicht genügt, wenn ein Evangelist allein aufgezeichnet hätte? Gewiß! Allein, wenn es auch vier waren, die Evangelien schrieben, so schrieben sie doch nicht zu gleicher Zeit, nicht am selben Ort und nicht nach Übereinkunft und gegenseitiger Verabredung. Wenn sie also trotzdem alles wie aus einem Munde berichten, so ist gerade das der deutlichste Erweis der Wahrheit.“ 756 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 65–77.

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ihm zufolge dadurch erklären, dass sie nicht zur gleichen Zeit, am selben Ort und auch „nicht nach Übereinkunft und gegenseitiger Verabredung“757 (µήτε συνελθόντες καὶ διαλεχθέντες ἀλλήλοις758) schrieben. Darüber hinaus lassen sich die Unterschiede durch die verschiedenen Ziele und die verschiedenen Adressaten, die sie hatten, erklären. Chrysostomos zufolge schrieb Matthäus sein Evangelium für Judenchristen auf Hebräisch, Markus ebenfalls für Judenchristen, aber in Ägypten, während Lukas sein Evangelium für alle anfertigte. Den Evangelisten, die Judenchristen als Adressaten hatten, war es wichtig zu beweisen, dass Jesus von Abraham und David abstammt. Deswegen geht die matthäische Genealogie Jesu über David zurück bis zu Abraham. Lukas dagegen, der nicht nur für Judenchristen schrieb, führt die Genealogie Jesu daher bis auf Adam zurück.759 Im Unterschied zu Origenes gesteht Chrysostomos zu, dass zwischen den Texten der vier Evangelien auch Unterschiede zu beobachten sind.760 Sie beziehen sich aber nicht auf die wesentlichen Dinge der Evangelien, sondern nur auf Untergeordnetes und sollen nicht als Widersprüche verstanden werden. Er schreibt: „Etwas anderes ist es nämlich, Unterschiede in der Darstellung aufzuweisen, etwas anderes, sich direkt zu widersprechen.“761 Anhand dieser Differenzierung versucht er, die Widersprüche der Evangelien auszuräumen. Da Gott durch die Evangelien und durch die Bibel allgemein spricht, ist es für ihn undenkbar, Unstimmigkeiten zu finden. Das beste Argument, das gegen die Widersprüche der Evangelien spricht, ist für Chrysostomos die

757

Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 16). Hom. 1 in Mt. (PG 57, 16). 759 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 17–18): „Indes erzählt man auch von Matthäus, es seien einige Judenchristen zu ihm gekommen und hätten ihn gebeten, ihnen das Evangelium, das er verkündete, auch schriftlich, und zwar in hebräischer Sprache, zu hinterlassen. Ebenso habe Markus in Ägypten auf Bitten seiner Schüler das gleiche getan. – Da also Matthäus für Judenchristen schrieb, suchte er auch nur das eine zu beweisen, daß Christus von Abraham und David abstamme. Lukas dagegen, der ganz allgemein und für alle schrieb, ging noch höher hinauf und fing mit Adam an. Darum beginnt auch der eine mit (der Erzählung) seiner Abstammung; denn nichts konnte die Juden so sehr beruhigen, als zu wissen, daß Christus ein Nachkomme von Abraham und David war. Der andere machte es nicht so; er erwähnt zuerst eine Menge sonstiger Dinge und geht dann erst zum Bericht über seine Abstammung über.“ 760 Vgl. ebd. 16: „Doch, wirft mir da jemand ein, gerade das Gegenteil ist ja der Fall; denn man bemerkt bei ihnen vielfache Verschiedenheiten. – Nun, auch das beweist klar, daß sie die Wahrheit schrieben. Wenn sie nämlich in allem bis aufs kleinste übereinstimmten, in Zeit und Ort und den einzelnen Worten, so würde keiner von unseren Gegnern glauben, daß sie nicht nach Übereinkunft und menschlicher Verabredung ihre Schriften verfaßt haben; denn eine so weitgehende Übereinstimmung könne doch kein Zufall sein.“ 761 Vgl. ebd. 19. 758

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Tatsache, dass das Evangelium von Vielen geglaubt wird.762 Die wesentlichen Dinge (τοῖς κεφαλαίοις763), in denen die Evangelien sich nicht unterscheiden, beziehen sich auf die wichtigsten Momente des Lebens Jesu, die die Grundstruktur der Evangelien ausmachen.764 Es geht in den Evangelien im Wesentlichen um die Rede (φθέγγονται765) von der Menschwerdung Gottes in Jesus, seine Wundertätigkeit, seine Kreuzigung und Grablegung, seine Auferstehung und Himmelfahrt, sein Gericht und sein neues, mit dem Alten Testament nicht im Widerspruch stehendes Gesetz, seine Sohnschaft als Einziggeborener (µονογενής766) und seine Wesensgleichheit mit dem Vater (τῆς αὐτῆς οὐσίας τῷ Πατρί).767 Die untergeordneten Dinge, in denen die Evangelien sich unterscheiden, beziehen sich, so Chrysostomos, auf einige Geschichten von Wundern Jesu, die von einem Evangelisten erwähnt und von dem anderen nicht wiedergegeben worden sind.768 Einen synoptischen Vergleich stellt Chrysostomos in seiner 56. Homilie an drei Stellen an: 1. bei der Analyse der Zeitangabe, die zwischen der Verwandlung und dem vorherigen Logion Jesu über das Schauen des Menschensohns in seiner Königsherrschaft steht (Mt 17,1); 2. anlässlich der Erläuterung der Erscheinung Moses und Elias (Mt 17,3) und 3. bei der Erklärung des Vorschlags Petri, Hütten zu bauen (Mt 17,4). Aber nur bei der Betrachtung der Zeitangabe (1.) stellt Chrysostomos einen synoptischen Vergleich an, welcher der modernen Exegese ähnelt, indem er die Unterschiede zwischen verschiedenen Textfassungen der Verwandlungserzählung hervorhebt. Er stellt fest, dass ein anderer Evangelist eine andere 762 Vgl. ebd.: „Wie hätte (das Evangelium) Glauben finden können, wenn es Widersprüche enthielte? Wie hätte es zum Siege gelangen können? Wie hätten Leute, die sich selbst widersprachen, in der ganzen Welt Bewunderung, Glauben und Lob finden können?“ 763 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 16). 764 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 16): „[…] in den wesentlichen Dingen, von denen unser Leben abhängt und die das eigentliche Evangelium ausmachen, niemals einer auch nur im geringsten mit den anderen in Widerspruch erfunden wird“. 765 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 16). 766 Vgl. ebd. 17. 767 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 16): „Was ist nun aber dieses Wesentliche? Das ist z. B. die Tatsache, daß Gott Mensch geworden ist, daß er Wunder gewirkt hat, daß er gekreuzigt und begraben wurde, daß er auferstand und zum Himmel aufgefahren ist, daß er zum Gerichte kommen wird, daß er heilbringende Gebote gab, daß er nicht ein neues Gesetz einführte, das im Widerspruch stünde mit dem Alten Testamente, daß er der Sohn ist, der Eingeborene, der Wahre, gleichen Wesens mit dem Vater und Ähnliches mehr.“ 768 Vgl. ebd. 16–17: „Wenn aber von den Wundern nicht jeder alle erwähnte, sondern der eine diese, der andere jene, so darf dich das nicht verwirren; denn entweder hätte einer alles erzählt und dann wären die anderen überflüssig gewesen, oder jeder hätte etwas ganz Neues geschrieben, was die anderen nicht hatten.“

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Zeitangabe macht.769 Welcher dies tut, wird nicht explizit erwähnt, aber es liegt auf der Hand: Es geht um die Lukasversion. Chrysostomos versucht, gleich nach dem Zitat dieses Hinweises jede Spur einer eventuellen Widersprüchlichkeit zu verwischen. Deswegen erklärt er den bestehenden Unterschied mit einer unterschiedlichen Tageszählung und harmonisiert dadurch die Textfassungen. Damit steht die matthäische und markinische Zeitangabe von sechs Tagen mit der lukanischen von acht Tagen nicht mehr im Widerspruch.770 Bei der Analyse der zwei anderen erwähnten Stellen, der Erscheinung Moses und Elias (2.) und der Empfehlung Petri (3.), vergleicht Chrysostomos die matthäische Version mit Varianten in den beiden anderen synoptischen Evangelien, um mehr Informationen zu bekommen, die im Matthäustext fehlen. Infolgedessen rekurriert er bei der Erläuterung der möglichen Gründe für die Anwesenheit Moses und Elias auf die durch das Lukasevangelium zusätzlich gelieferten Informationen, dass die beiden alttestamentlichen Persönlichkeiten mit Jesus über sein Leiden in Jerusalem sprachen.771 Den seltsamen Vorschlag Petri aus Mt 17,4 erklärt Chrysostomos mit Hinweisen aus dem Markus- und dem Lukasevangelium. Er zitiert Mk 9,6, wo die Reaktion Petri als unpassend und als Folge von Furcht gedeutet wird, und Lk 9,32, wo sie als Folge des Schlafs dargestellt wird.772 3. Traditionskritik Ein anderer Vergleich zwischen der Exegese des Chrysostomos und der historisch-kritischen Methode könnte in Bezug auf die Analyse des Hintergrunds der Traditionen des jeweiligen Bibeltextes angestellt werden.773 Wie 769

Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189) [Hervorhebung im Original]: „Und nach sechs Tagen nahm Jesus den Petrus und Jakobus und Johannes mit sich. – Ein anderer Evangelist schreibt: ,nach acht Tagen.ʻ“ 770 Vgl. ebd.: „Er steht jedoch mit unserer Stelle nicht im Widerspruche, stimmt vielmehr sehr gut damit überein, denn er zählt den Tag mit, an welchem der Herr obige Worte gesprochen hatte, und jenen, an welchem er die Apostel wieder zurückführte, während Matthäus bloß die Tage dazwischen rechnet.“ 771 Vgl. ebd. 191: „Wir lesen nämlich, daß die beiden nicht schweigend erschienen, sondern ,die Herrlichkeit besprachen, welche er in Jerusalem vollenden sollteʻ, d. h. sein Leiden und seinen Kreuzestod, denn so bezeichnen sie dasselbe jedesmal.“ 772 Vgl. ebd. 195: „Die anderen Evangelisten deuten das auch an, indem sie berichten, daß seine Verwirrung eine Folge jener Aufregung gewesen sei. Markus erzählt: ,Er wußte nämlich nicht, was er rede; denn sie waren von Furcht befangen.ʻ Lukas schreibt nach den Worten: ,Laßt uns drei Hütten bauenʻ: ,und er wußte nicht, was er sagte.ʻ Dann erzählt er, um zu erklären, daß sie, Petrus und die anderen, von großer Furcht ergriffen waren: ,Sie waren vom Schlafe beschwert; und indem sie erwachten, sahen sie seine Herrlichkeit.ʻ“ 773 Manche modernen Exegeten verstehen unter dem Begriff Traditionsgeschichte eigentlich Überlieferungsgeschichte und beabsichtigen damit, die mögliche Tradierung von

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moderne Exegese geht Chrysostomos bei der Erläuterung der kulturellen und religiösen Traditionen der Verwandlungserzählung in der Richtung der Analyse von einigen im Text begegnenden Themen nach der Art der Begriffsund Motivgeschichte vor.774 Aber im Unterschied zur modernen Exegese, die als Untersuchungsgegenstand die gesamte Umwelt des Neuen Testaments wie etwa die Literatur des antiken Judentums und des Hellenismus heranzieht,775 bezieht er sich lediglich auf das Alte Testament.776 In der 56. Homilie werden von Chrysostomos zwei Figuren und ein Begriff besonders hervorgehoben, die auf ein traditionell geprägtes Gut hindeuten. Es geht einerseits um „Mose“ und „Elia“, die zusammen analysiert worden sind, und andererseits um die „Wolke“ als Zeichen der Anwesenheit Gottes. Für die Erklärung der möglichen Gründe für die Anwesenheit Moses und Elias auf dem Berg der Verwandlung Jesu (Mt 17,3) unternimmt Chrysostomos eine Reise in die Vergangenheit des Alten Testaments, um das Profil dieser beiden alttestamentlichen Persönlichkeiten zu skizzieren und dadurch mögliche Verbindungen mit dem neuen Kontext der Verwandlungserzählung zu gewinnen. Mose und Elia deutet er als Tugendvorbilder für die drei Jünger, zum einen, weil sie ihr Leben um des Gesetzes Gottes willen gefährdet haben, arm waren und Wunder gewirkt haben, und zum anderen, weil sie jeweils eine wichtige Rolle in der Führung des Volkes Israels gespielt haben. Dadurch haben sie beide die von Jesus an seine Jünger gerichteten Worte über das Annehmen des Kreuzes und die dazugehörende Nachfolge (Mt 16,24) vorweggenommen.777 Texten zu bestimmen. Zu dieser Unterscheidung siehe SCHNELLE, Einführung, 134, Anm. 138. 774 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 134. Siehe auch EBNER/HEININGER, Exegese, 245. 775 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 244. 776 Vgl. NEUDORFER/SCHNABEL, Einführung, 247–248. 777 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 191–193): „Aber nicht allein durch die Worte dieser Männer, sondern auch durch ihr Tugendbeispiel suchte er die Apostel zu der Tugend zu ermuntern, die er namentlich von ihnen erwartete. Denn nach den Worten: ,Wenn mir jemand nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und komme mir nachʻ, läßt er diejenigen erscheinen, welche tausendmal um des Gesetzes Gottes willen und für das ihnen anvertraute Volk in den Tod gegangen waren. Jeder von ihnen hatte sein Leben verloren und es gefunden. Beide waren vor die Gewalthaber hingetreten, der eine vor Pharao in Ägypten, der andere vor Achab, beide im Interesse von undankbaren und unlenksamen Menschen; beide waren von denen, für deren Rettung sie gearbeitet hatten, in die größte Gefahr gebracht worden; beide hatten sich abgemüht, das Volk dem Götzendienst zu entreißen; beide waren einfache Männer; der eine besaß eine schwere Zunge und eine schwache Stimme, der andere war etwas hart und unbeholfen in seinem Wesen; bei beiden finden wir vollendete Armut, denn Moses besaß nichts und Elias hatte kein anderes Eigentum als seinen Mantel; und alles das ereignete sich im Alten Bunde und ohne daß ihnen eine so große Wundergabe zuteil geworden war. Denn hatte auch Moses das Meer geteilt, Petrus schritt auf dem Wasser einher und war imstande, Berge zu versetzen, alle möglichen

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Darüber hinaus widmet sich Chrysostomos der Analyse der „Wolke“ (Mt 17,5). Ihre Erscheinung bei der Verwandlung Jesu wird mit dem Alten Testament in Verbindung gebracht und daher als Symbol der „Anwesenheit Gottes“ verstanden. Zur Verdeutlichung zitiert er mehrere Stellen aus dem Alten Testament, wo die Erscheinung Gottes mittels einer Wolke veranschaulicht wird.778 Einen besonderen Platz nimmt in diesem Zusammenhang das Sinaigeschehen ein. Wie auf dem Verwandlungsberg erschien Gott früher auf dem Sinai mittels einer Wolke. In beiden Momenten benutzt Gott die Wolke als Instrument der Kommunikation mit den Menschen. Anlässlich der Verwandlung Jesu spricht Gott aus einer lichten (ἡ νεφέλη φωτεινή779) und nicht wie früher aus einer finsteren (σκοτεινή780) Wolke, weil er hier belehren und nicht schrecken will.781 4. Redaktionskritik Die Redaktion der Evangelien ist für Chrysostomos ein wichtiges Thema, das von ihm unter verschiedenen Perspektiven behandelt wird. Zuerst geht er von der Überzeugung aus, dass die Evangelien von den Autoren geschrieben worden sind, deren Namen in den jeweiligen Titeln dieser Schriften zu lesen sind. Zwei von ihnen waren Jünger Jesu (Matthäus und Johannes) und die beiden

Krankheiten des Leibes zu heilen und wilde Teufel auszutreiben; er wirkte mit seinem bloßen Schatten gewaltige Wunder und gestaltete die ganze Welt um. Elias hatte zwar einen Toten erweckt, die Jünger aber erweckten unzählige, selbst als sie noch nicht den Hl. Geist empfangen hatten. Noch aus einem anderen Grunde läßt Christus die beiden erscheinen. Er wollte nämlich, daß seine Jünger diesen Männern auch in der Führung des Volkes, in der Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit nacheiferten; sie sollten sanftmütig wie Moses, voll Eifer wie Elias, und fürsorglich sein wie beide. Der eine ertrug ja eine dreijährige Hungersnot wegen des Judenvolkes, der andere sagte: ,Entweder vergib ihnen diese Schuld, oder, tust Du das nicht, so tilge mich aus dem Buche, das Du geschrieben.ʻ An all das wollte der Herr die Apostel durch diese Erscheinung erinnern.“ 778 Vgl. ebd. 196: „Was antwortete nun der Herr? Christus selbst spricht kein Wort, auch Moses und Elias nicht. Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen. Warum aus der Wolke? So zeigt sich Gott immer. ,Wolken und Dunkel sind rings um ihnʻ; ,Der Wolken macht zu seinem Wagenʻ; ,Eine Wolke nahm ihn hinweg vor ihren Augenʻ; ,Auf den Wolken kam er wie eines Menschen Sohnʻ. Aus der Wolke erschallt also die Stimme, damit alle glauben, daß sie von Gott kommt. Die Wolke war licht.“ 779 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 553). 780 Vgl. ebd. 781 Vgl. Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 196): „Eine finstere Wolke läßt Gott erscheinen, was er als eine Drohung ausspricht, wie z. B. auf dem Sinai: ,Moses trat nun in die Wolkeʻ, heißt es, ,und in das Dunkel, und wie Dampf stieg der Rauch aufʻ, und der Prophet spricht, wo er von Gottes Drohung redet: ,Finsteres Wasser im Gewölke der Luftʻ. Hier wollte jedoch Gott nicht Schrecken verbreiten, sondern belehren; darum ist die Wolke licht.“

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anderen Schüler der Jünger (Markus des Petrus und Lukas des Paulus).782 Der Evangelist Matthäus wird von Chrysostomos mit dem Zöllner Matthäus identifiziert.783 Sie werden von ihm als „heilige Männer“784 bezeichnet. Was ihre Tätigkeit betrifft, wird sie von ihm hauptsächlich als Schreiben (γραµµάτων785), aber auch als Berichten (ἐφθέγγετο786) bezeichnet. Darüber hinaus werden von ihm zusammenfassend einige Züge der Intentionen des Evangelisten Matthäus skizziert. Erstens soll erwähnt werden, dass Chrysostomos seine Informationen über das redaktionelle Profil des Evangelisten Matthäus den Überlieferungen entnimmt, die damals geläufig waren und höchstwahrscheinlich von früheren Kommentatoren stammten. Er schreibt: „Indes wird auch von Matthäus erzählt (λέγεται δὲ καὶ Ματθαῖος787).“788 Auch bei den synoptischen Parallelen verfährt er ähnlich und schreibt zu seinen Beobachtungen, dass sie „uns von unseren Vätern überliefert wurde[n] (ἐκ πατέρων εἰς ἡµᾶς καταβάς789)“.790 Zweitens teilt Chrysostomos die Meinung, dass Matthäus sein Evangelium infolge der Bitte (παρακαλεσάντων791) der Judenchristen geschrieben hat, die das Evangelium auf Hebräisch haben wollten. Damit identifiziert er eine pastorale Motivation als Hauptgrund für die Abfassung des Matthäusevangeliums. Er behauptet: „[…] es seien einige Judenchristen zu ihm gekommen und hätten ihn gebeten, ihnen das Evangelium, das er verkündete, auch schriftlich, und zwar in hebräischer Sprache (τῇ τῶν Ἑβραίων φονῇ792), zu hinterlassen.“793 Daraus ergibt sich drittens eine wichtige Schlußfolgerung für die Bestimmung des Profils von Matthäus als Autor seines Evangeliums, dass er zuerst ein mündlicher Tradent dieses Evangeliums war. Das von ihm angefertigte Werk wird als verschriftete Form (διὰ γραµµάτων794) seines mündlichen (διὰ ῥηµάτων795) Evangeliums bezeichnet. Das schriftliche Evangelium des Matthäus ist nach Chrysostomos mit seinem mündlich überlieferten identisch. Zugleich schien er zu glauben, dass 782

Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 15): „Nachdem es nun aber doch so viele Jünger gab, warum schrieben da von den Aposteln nur zwei, und auch nur zwei von eben deren Schülern? Denn von den Jüngern, die mit Johannes und Matthäus die Evangelien schrieben, war einer ein Schüler des Paulus, der andere ein solcher des Petrus.“ 783 Vgl. ebd. 29. 784 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 189). 785 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 17). 786 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 552). 787 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 17). 788 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 17). 789 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 17). 790 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 17). 791 Vgl. ebd. 792 Vgl. ebd. 793 Vgl. ebd. 17–18. 794 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 17). 795 Vgl. ebd.

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Matthäus sein Evangelium nur auf Hebräisch schrieb, aber nicht auch verkündigte. Aufgrund der Tatsache, dass Matthäus sein Evangelium für Judenchristen verfasste, konfigurierte er seine Schrift entsprechend: „[…] Da also Matthäus für Judenchristen schrieb, suchte er auch nur das eine zu beweisen, daß Christus von Abraham und David abstamme. […] Darum beginnt auch der eine mit (der Erzählung) seiner Abstammung; denn nichts konnte die Juden so sehr beruhigen, als zu wissen, daß Christus ein Nachkomme von Abraham und David war.“796

Das theologische Ziel seines Evangeliums liegt gemäß Chrysostomos in der Hervorhebung der engen Beziehung zwischen Jesus und den alttestamentlichen Vorfahren, Abraham und David, und somit im Beweis der jüdischen Herkunft und Identität Jesu. Diese von Chrysostomos angestellten Überlegungen ähneln moderner wissenschaftlicher Bibelexegese, die anhand des Methodenschrittes der Redaktionsgeschichte „das theologische Profil des jeweiligen Werkes (Matthäus, Markus …) bzw., allgemeiner, die Intention des (impliziten) Autors in methodisch sauberer Weise zu erfassen“797 sucht. Allerdings unterscheidet er sich von modernen Exegesen dadurch, dass er über den möglichen Abfassungsort des Matthäusevangeliums nichts sagt, weil er diesem offenbar wenig Bedeutung beimisst.798 Anders verfährt er beim Markusevangelium, dessen Abfassungsort (Ägypten799) er erwähnt. Ein anderes wichtiges Moment bei der Bestimmung des redaktionellen Profils des Evangelisten Matthäus ist für Chrysostomos die Annahme, dass der Heilige Geist in die Anfertigung des Evangeliums involviert war. Die Beteiligung des Heiligen Geistes bedeutet für ihn nicht das Aussetzen der menschlichen Tätigkeit, sondern weist, wie auch bei Origenes, auf eine Zusammenarbeit zwischen Gott und Mensch bei der Abfassung des Evangeliums hin. Chrysostomos schreibt darüber das Folgende: „[…] wurde auch Matthäus vom Geiste erfüllt und schrieb dann sein Evangelium: Matthäus der Zöllner! Ja, ich scheue mich nicht, ihn nach seinem Gewerbe zu benennen, ihn so gut wie die anderen; denn gerade das beweist am deutlichsten die Gnade des Geistes (τὴν τοῦ Πνεύµατος χάριν800) und die Tugend der Apostel.“801

Der Einfluss des Heiligen Geistes und somit Gottes auf das Evangelium ist, wie die Ansichten des Chrysostomos zeigen, eigentlich ein Einfluss auf die Person der Evangelisten, als eine vom Heiligen Geist gekommene Erfüllung

796

Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 18). Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 358. 798 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 19): „Auf den Ort nun, an dem ein jeder schrieb, brauchen wir kein besonderes Gewicht zu legen.“ 799 Vgl. ebd. 16. 800 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 15). 801 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 14). 797

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(ὁ Ματθαῖος τοῦ Πνεύµατος ἐµπλησθείς802). An einer anderen Stelle nennt er Matthäus den „Zöllner, durch das Licht des Geistes geleitet“.803 Dieser Vorgang wird als dem eigentlichen Schreiben vorgängig verstanden, denn der Evangelist wird vom Geist erfüllt und erst dann (ἅπερ804) schreibt er sein Werk. Woraus diese Erfüllung besteht, präzisiert er nicht weiter, aber sie könnte als Bekräftigung des menschlichen Verfassers begriffen werden, der göttliche Kraft erhält und dadurch imstande ist, zutiefst weise Dinge zu schreiben. Chrysostomos hält fest: „Es war eben die Kraft Gottes (θεία δύναµις805), die überall Eingang fand und in allen wirkte (κατορθοῦσα παρὰ πᾶσιν806). Oder wie hätten sonst ein Zöllner, ein Fischer und ungebildete Leute solche Weisheit an den Tag legen können?“807 Den Einfluss Gottes auf die Evangelisten stellt er sich als Steigerung menschlicher Kapazitäten vor, denn eine andere mögliche Übersetzung des Verbs κατορθόω ist auch „gerademachen“ oder „verbessern“.808 Für diesen Zusammenhang lässt sich eine weitere Äußerung des Chrysostomos hervorheben. In der ersten Homilie zum Matthäusevangelium ermahnt er seine Hörer bzw. Leser, den im Matthäusevangelium enthaltenen Worten über die neue, von Jesus gestiftete Lebensweise zu folgen: „[…] haben wir genau acht auf das, was Matthäus hierüber so klar und deutlich lehrt. Denn es sind ja nicht seine Worte, um die es sich handelt, sondern diejenigen Christi“809 (τοῦ Χριστοῦ πάντα ἐστὶ τὰ λεγόµενα810). Chrysostomos geht also davon aus, dass der Evangelist Matthäus bei der Entfaltung einiger Themen Worte Jesu zitiert. Chrysostomos führt nicht weiter aus, woher Matthäus diese Worte weiß, aber da er ihn für einen der zwölf Apostel hielt, lässt sich schlussfolgern, dass Matthäus diese als Augenund Ohrenzeuge der Verkündigung Jesu empfangen hat. Nach Chrysostomos wird die Rolle der Menschen bei der Abfassung der Evangelien durch den Einfluss Gottes nicht beeinträchtigt. Denn wenn er eine Stelle aus einem Evangelium zitiert oder paraphrasiert, verwendet er überwiegend Einleitungsformeln wie „die Evangelisten berichten“,811 „Markus erzählt“,812 „Lukas schreibt“813 oder „der Evangelist sagt“,814 er behauptet 802

Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 15). Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 29). 804 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 15). 805 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 18). 806 Vgl. ebd. 807 Ebd. 20. 808 Vgl. GEMOLL, Schul- und Handwörterbuch, 454, s.v. κατορθόω. 809 Vgl. Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 24). 810 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 20). 811 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 195). 812 Ebd. 813 Ebd. 814 Ebd. 197. 803

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niemals, dass er diese Informationen aus dem Matthäus-, Markus- oder Lukasevangelium nahm. Dadurch werden die Persönlichkeiten der Evangelisten als Autoren von ihm in den Vordergrund gerückt. Er fasst sie darüber hinaus als treue Darsteller der Ereignisse auf. In Bezug auf die Verwandlungserzählung aus dem Matthäusevangelium schreibt er, dass Matthäus die Namen der drei auf dem Berg anwesenden Jünger erwähnt, obwohl er selbst sich nicht unter ihnen befand: „Beachte wohl, wie tugendhaft Matthäus ist, daß er die Namen derer nicht mit Stillschweigen übergeht, die ihm vorgezogen worden waren.“815 Diese treue Wiedergabe des Ereignisses wird von Chrysostomos als Zeichen der Tugend des Evangelisten (πῶς ὁ Ματθαῖος φιλοσοφεῖ816) hervorgehoben. Das schreibt er auch bei der Analye von Mt 17,5 über die Erscheinung der Wolke: „Weshalb umhüllte nun aber die Wolke alle drei zugleich und nicht Christum allein? Weil man sonst hätte meinen können, daß er es sei, der da spricht. Darin liegt auch der Grund, weshalb der Evangelist gerade diesen Umstand besonders betont und sagt, daß die Stimme aus der Wolke kam, d. h. von Gott.“817

Die Betonung (ἀσφαλιζόµενος818) der Tatsache, dass die Wolke Jesus, Mose und Elia umhüllt, und die Behauptung (φησίν819), die Stimme sei aus der Wolke gekommen, rechnet er scheinbar dem Evangelisten zu. Diese Aussage aber lässt zwei mögliche Deutungen zu: Entweder gibt der Evangelist einfach die schon vorhandene Information über das Ertönen der Stimme aus der Wolke wieder oder aber er bearbeitet die vorliegende (mündliche oder schriftliche) Erzählung, egal wie sie ausgesehen hat, indem er einige Aspekte davon präzisiert, die früher vermutlich nicht deutlich geäußert wurden, wie z. B. das Umhüllen von Jesus, Mose und Elia durch die Wolke und das Ertönen der Stimme aus der Wolke. Trotz dieser Hinweise auf die Annahme redaktioneller Tätigkeit des Evangelisten Matthäus durch Chrysostomos nimmt er keine eindeutige Unterscheidung zwischen Tradition und Redaktion vor, worin sich freilich sein Vorgehen gegenüber einem historisch-kritischen unterscheidet.820 V. Unterschiede der Exegese des Chrysostomos zu historisch-kritischen Auslegungen Neben den Ähnlichkeiten zwischen der Auslegung des Chrysostomos und einigen methodischen Zugängen der historischen Kritik besteht die Hauptdifferenz in dem, was sich mit dem Stichwort Aktualisierung des Bibeltextes 815

Ebd. 189. Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 549). 817 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 197). 818 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 553). 819 Vgl. ebd. 820 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 152. Dazu noch EBNER/HEININGER, Exegese, 359.364. 816

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verbindet. Wie schon bei Origenes lässt sich auch bei Chrysostomos diese als der wichtigste Zweck der patristischen Bibelexegese ausmachen.821 Das hängt sehr eng mit der Textgattung zusammen, in der er seine Auslegung verfasst hat, nämlich in der Form einer Homilie. Obwohl die Matthäushomilien des Chrysostomos einen deutlichen katechetischen Akzent haben und sich von den anderen, anlässlich verschiedener Kirchenfeste von ihm gehaltenen Homilien unterscheiden (wie am Anfang dieses Kapitels gezeigt), beinhalten sie, wie alle Werke ähnlicher Gattung, ein deutliches und direktes Interesse des Verfassers an der Anpassung (συγκατάβασις) des exegesierten Bibeltextes an die Spezifizität und Konkretheit des Lebens der Hörer. Diese Anpassung ist eigentlich mit der Aktualisierung identisch und wurde als anspruchsvolle Anforderung822 an den Prediger charakterisiert. Chrysostomos bringt die Notwendigkeit, die Botschaft der biblischen Texte zu aktualisieren, pointiert in einer Homilie zum Johannesevangelium gegenüber seiner antiochenischen Gemeinde zum Ausdruck: „Wißt ihr nicht, daß die Schrift nicht nur wegen der früheren Menschen verfaßt wurde, sondern auch unseretwegen?“823 Mit anderen Worten, er äußert die Ansicht, dass die Bibeltexte eine Botschaft nicht nur für das ursprüngliche Publikum, sondern für jede Christengeneration aus der nachbiblischen Zeit zu übermitteln haben. Für ein besseres Verständnis der Aktualisierungen des Chrysostomos muss darauf hingewiesen werden, dass sie ein wichtiges Element seines theologisch-exegetischen Selbstverständnisses darstellen. Letztes Ziel jedes exegetischen und überwiegend in Homilien zum Ausdruck gebrachten Unternehmens liegt darin, das sittliche Leben der von ihm geleiteten Gemeinde positiv zu beeinflussen, d. h. zu verbessern, indem sie dem Wort Gottes näher gebracht und sich der darin veranschaulichten Anwesenheit Gottes bewusst wird. Zum einen ist bereits die Wahl der Gattung „Homilie“ eine Entscheidung, die aus dem hermeneutisch-exegetischen Selbstverständnis des Chrysostomos resultiert. Er kennt „keine Exegese um ihrer selbst willen“824 und bietet keine „trockene Schrifterklärung“,825 sondern bezieht sie kontinuierlich auf wichtige Fragen des christlichen Lebens seiner Zeit. Seiner Meinung nach sind die Apostel und die Evangelisten, einschließlich des Zöllners Matthäus, „Lehr-

821

Vgl. METZDORF, Tempelaktion, 45. Dazu siehe noch KACZYNSKI, Wort, 206–207: „Der Abstand zu den urchristlichen Gemeinden des Neuen Testaments wurde von den Christen des ausgehenden 4. Jahrhunderts bereits als so groß empfunden, daß die Aktualisierung und Verlebendigung des in neutestamentlicher (und erst recht in alttestamentlicher) Zeit niedergeschriebenen Wortes Gottes zu den wichtigsten seelsorglichen Anliegen der Gottesdienstfeier gehören mußte.“ Außerdem vgl. METZDORF, Tempelaktion, 78. 822 Vgl. BROTTIER, Introduction, 47. 823 Hom. 30 in Jo. (PG 59, 175), übersetzt bei KACZYNSKI, Wort, 206. 824 KACZYNSKI, Wort, 154. 825 Ebd.

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meister dieses Lebens“826 (δηµαγωγοὶ τῆς πολιτείας827), die eine „Lebensnorm hinterlassen“828 haben. Diese Lebensnorm oder Lebensweise (πολιτεία) bedeutet für ihn Kampf gegen die Dämonen und die unsichtbaren Mächte (πόλεµος πρὸς δαίµονας καὶ τὰς ἀσωµάτους δυνάµεις829), geführt mit Waffen wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Glaube und Tugend (ἀληθείας καὶ δικαιοσύνης καὶ πίστεως καὶ φιλοσοφίας830). Zugleich bildet diese Lebensweise auch den Inhalt des Matthäusevangeliums, wie Chrysostomos schreibt: περὶ τῆς πολιτείας ταύτης καὶ τὸ βιβλίον τοῦτο γέγραπται.831 Dementsprechend soll dieses Evangelium dergestalt ausgelegt und verstanden werden, dass man diese Lebensweise auf das eigene Leben überträgt: „Wir wollen uns aber Mühe geben, damit auch wir imstande seien, diese Lebensweise auf uns zu nehmen (τῶν πολιτευσαµένων ἐκδεχοµένων832) und uns darin auszuzeichnen mit denen, die schon vor uns so gelebt und die nimmer welkenden Siegeskränze dafür empfangen haben.“833 Aufgrund dieser ethischen Herausforderung(en) behauptet Chrysostomos, dass das Verstehen des Evangeliums nicht leicht sei834 und Mühe seitens der Leser bzw. Ausleger voraussetze. Trotzdem werden die Leute, die das Evangelium verstehen wollen, d. h. die dort entfaltete Lebensnorm auf das eigene Leben anzuwenden beabsichtigen, durch das Vorbild früherer Menschen ermutigt, die das bereits umgesetzt haben. Zum anderen erklärt sich daraus der folgende zentrale Akzent der Auslegungen des Chrysostomos, nämlich die ausgeprägt ethische Fokussierung. Schon Baur schreibt diesbezüglich: „Wohl kein anderer griechischer Kirchenschriftsteller hat all seine Werke so ausschließlich in den Dienst der Ascese und Moral gestellt, wie er. Ob er eine Trostschrift verfaßt oder eine Festpredigt hält, ob er die Heilige Schrift erklärt oder Briefe schreibt, immer und überall gleitet er ständig ab in das Gebiet der Ascese und der Sittenlehre. Das ,Ethikonʻ, die moralische Nutzanwendung am Schluß jeder Predigt, gehört bei Chrysostomos geradezu zum Wesen der Sache.“835

Insofern lässt sich für Chrysostomos folgendes Aktualisierungsschema als typisch herausarbeiten:

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Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 23). Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 20). 828 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 23). 829 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 20). 830 Vgl. ebd. 831 Ebd. 832 Vgl. ebd. 833 Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 24). 834 Vgl. ebd.: „Manchen kommt es nun vor, als sei das Evangelium gar leicht zu verstehen, die Propheten dagegen sehr schwer. Das meinen aber nur jene, welche die Tiefe der Gedanken nicht erfassen, die in ihm verborgen liegen.“ 835 BAUR, Chrysostomus, I, 307–308. 827

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1. Der Ausgang wird vom Bibeltext genommen, 2. dieser wird in eine Predigt integriert und 3. mit einer ethischen Anwendung versehen. Biblische Erzählungen werden von ihm meistens im Rahmen von Predigten analysiert und diese Predigten zielen auf paränetische Anwendungen, d. h. darauf, eine Verbindung zwischen der Botschaft des Textes und dem Kontext der Hörenden bzw. Lesenden herzustellen. Daher bedeutet Exegese für ihn immer auch das Übersetzen oder das Übertragen (ἐκδεχοµένων836) der Bedeutung(en) des biblischen Textes, oder anders gesagt, des im Evangelium gestifteten „Lebensideals“837 (πολιτεία838), in die verschiedenen Lebenswirklichkeiten der Gläubigen. Exegese wird von ihm den verschiedenen seelsorgerlichen und aktuellen Anliegen der Gemeinde dienstbar gemacht, womit er deutlich ein anderes Interesse verfolgt als die moderne Exegese, der es zunächst um die Erfassung der möglichst ursprünglichen Sinngehalte von Bibeltexten auf dem Weg zu ihrer Endgestalt geht und eben gerade nicht um deren Applikation für die Gegenwart der Auslegung.839 Wie diese von der sittlichen Dimension geprägte Aktualisierung im Einzelfall erfolgt und welche Elemente genau aus den Bibeltexten aktualisiert werden, lässt sich bei Chrysostomos nicht einheitlich bestimmen. Brändle zeigt, dass der Zusammenhang zwischen dem analysierten Bibeltext und der Paränese, d. h. der Erschließung seiner ethischen Anwendung(en), oft schwer nachzuvollziehen ist. Manchmal aktualisiert Chrysostomos nur ein Stichwort aus dem untersuchten Bibeltext oder macht eine Assoziation, die für den aktuellen Leser bzw. Hörer nicht besonders zugänglich ist oder sogar Bedenken verursachen könnte.840 In seiner Homilie zur Verwandlungserzählung z. B. entfaltet Chrysostomos einen paränetischen Teil, in welchem er die Tätigkeit der Geldwechsler gegen Zinsen analysiert und zugleich kritisiert.

836

Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 20). Hom. 1 in Mt. (Baur, BKV, 23). 838 Vgl. Hom. 1 in Mt. (PG 57, 20). 839 Vgl. KACZYNSKI, Wort, 160. 173. 840 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 209: „Mitunter ist sogar die Frage zu stellen, ob Chrysostomos nicht zu schnell in paränetische Bahnen übergeleitet hat, ohne dem biblischen Text ganz gerecht zu werden. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß wir aus der Distanz von mehr als 1500 Jahren lange nicht alle Möglichkeiten inneren Zusammenhaltes zwischen Bibeltext und Paränese sehen, die für die damalige Gemeinde aktuell waren. Wir kennen auch nicht den Hintergrund der einzelnen Predigt, mit wenigen Ausnahmen nicht die Gespräche, die Chrysostomos geführt hat, die Diskussionen, in die er verwickelt war. Wir können darum über die psychologischen und seelsorgerlichen Gründe, die Chrysostomos dazu bewegt haben, gerade in dieser bestimmten Predigt diese bestimmte Paränese folgen zu lassen, nichts aussagen.“ 837

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Nichtsdestoweniger wurde mittels seiner ethischen Aktualisierung841 die existenzielle Bedeutung der Texte zum Ausdruck gebracht, der zufolge die Christen das Wort Gottes nicht nur zu hören oder zu lesen haben, sondern davon das eigene Leben bestimmen zu lassen. Im Folgenden wird die Aktualisierung der Verwandlungserzählung im Einzelnen nachgezeichnet. 1. Angebot zur Nachahmung an aktuelle Hörer bzw. Leser Als erstes Element seiner Aktualisierungstechnik lädt Chrysostomos sein Publikum zur Nachahmung der in das Verwandlungsereignis involvierten Charaktere ein. Das tat auch Origenes, indem er seinen Hörern bzw. Lesern vorschlug, sich mit einigen Akteuren der Verwandlungserzählung zu identifizieren, d. h. ihren Verhaltensweisen nachzufolgen. Chrysostomos verdeutlicht diese Identifikation, indem er ermutigt, die Eigenschaften der Figuren der Erzählung nachzuahmen. Wie Origenes identifiziert auch er als besonderes Exemplum solcher Nachahmung eine Person aus der Gruppe der drei Jünger: Petrus. Obwohl Chrysostomos im Rahmen seiner Exegese die Haltung Petri durchaus ambivalent wahrnimmt, betont er für seine Hörer bzw. Leser durchweg die positiven Aspekte seines Verhaltens. Insofern wird Petrus hier als biblisches Vorbild dargestellt – ein paränetisches Verfahren, das bei Chrysostomos häufig begegnet.842 Zur Ermunterung seiner Hörer bzw. Leser, die im Evangelium und in der ganzen Bibel dargelegte Lebensweise nachzuahmen, führt Chrysostomos manche biblischen Charaktere als Vorbilder an.843 Ihr tugendhaftes Leben soll von allen Christen als konkretes Zeichen des richtigen Schriftverständnisses, d. h. als Erfüllung des in der Bibel verdeutlichten Lebensideals, nachgeahmt werden.844 Chrysostomos schlägt seinem Publikum indirekt vor, Petrus in seinem Verhalten Jesus gegenüber, d. h. in seiner liebenden Fürsorge, die im Vorschlag, drei Hütten zu bauen, gipfelt, nachzuahmen. Seiner Meinung nach agierte

841

Vgl. DIVRY, Transfiguration, 150: „Plus quʼen dogmaticien, lʼévéque de la nouvelle capitale impériale enseigne en moraliste.“ 842 Vgl. BRÄNDLE, Matth 25,31–46, 240–242. Dazu siehe noch KACZYNSKI, Wort, 376– 377. 843 Vgl. Hom. 61 in Mt. (Baur, BKV, 327): „Es mag vielleicht scheinen, als übersteige es deine Kräfte, Gott nachzuahmen, wiewohl auch das einem Eifrigen nicht schwer fällt; allein wenn es dir doch allzu erhaben vorkommt, will ich dich auf deine Mitknechte hinweisen: auf Joseph, der von seinen Brüdern Unsägliches leiden mußte und ihnen dennoch Wohltaten erwies; auf Moses, der trotz tausenderlei Anfeindungen für die Juden Fürsprache einlegte; auf den hl. Paulus, der nicht einmal alles aufzählen konnte, was er von den Menschen erduldete und dennoch für sie Anathema zu sein wünschte; auf Stephanus, der für seine Steiniger betete, es möge ihnen diese Sünde vergeben werden. Alle diese Lehren mußt du beherzigen, um den Zorn völlig abzulegen.“ 844 Vgl. Hom. 57 in Gen. (PG 54, 494).

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„der feurige Petrus“845 nicht unpassend, denn er wollte Jesus vor den angekündigten Gefahren, die in Jerusalem drohten, schützen.846 In diesem Zusammenhang kommt die Empfehlung des Chrysostomos an seine Hörer bzw. Leser, dem Vorschlag Petri mehr Aufmerksamkeit zu schenken und daraus zwei wichtige Eigenschaften Petri für das eigene Leben abzuleiten. In erster Linie ist es seine brennende Liebe für Jesus: „Siehst du daraus, wie innig er Christus liebte? Du darfst jetzt nicht darauf achten, daß die Art und Weise der Bitte ungeschickt war, sondern bloß wie feurig er ist, wie er für Christus glüht.“847 Der indirekte Ansporn zum Nachahmen wird mittels einer persönlichen Anrede formuliert: „Siehst du (εἶδες848) daraus“849 oder „Sieh (ὅρα850), wie er ferner […] denkt“.851 Chrysostomos vernachlässigt vor diesem Hintergrund die an anderer Stelle kritisierte ungeschickte Weise, in der Petrus Jesus schützen will,852 und akzentuiert stattdessen die hinter diesem Vorschlag stehende Motivation Petri. Darüber hinaus soll man eine andere Eigenschaft Petri zur Kenntnis nehmen, nämlich die Bereitschaft, sich für Jesus aufzuopfern: „Daß er nämlich nicht aus Besorgnis um sich selbst so redet, kann man aus den Worten entnehmen, die er sprach, als ihm der Herr seinen einstigen Tod und seine Ergreifung voraussagte: ,Ich werde mein Leben für dich opfern; und wenn ich auch mit dir sterben müßte, nimmer werde ich dich verleugnen.ʻ Sieh, wie er ferner auch mitten in der Gefahr nicht an sich selber denkt.“853

Diese Haltung Petri betrachtet er nicht als spontanen Entschluss, sondern als Teil einer Reihe von vielen anderen im Evangelium erzählten Ereignissen, wo Petrus seinen Wunsch, sein Leben für Jesus zu opfern, unter Beweis stellt. Zusammenfassend hält Chrysostomos am Ende dieses Abschnitts fest: „Er dachte also nicht an sich, sondern bangte nur für den Meister.“854

845

Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 194). Vgl. ebd.: „[…] er möchte gern, daß er für immer hier bleibe; deshalb spricht er auch vom Hüttenbauen. Würden sie gebaut werden, so rechnet er, dann gehen wir nicht mehr nach Jerusalem; wenn wir nicht dorthin gehen, braucht er auch nicht zu sterben, denn nur dort sollen die Schriftgelehrten an ihn Hand anlegen. So wagte er aber nicht zu reden, sondern sagte in der Absicht, seinen Zweck zu erreichen: ,Hier ist gut seinʻ, wo auch Moses und Elias sind; […] und kein Mensch wird auch nur erfahren, wo wir sind.“ 847 Ebd. 194. 848 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 552). 849 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 194). 850 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 552). 851 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 194). 852 Vgl. ebd. 195. 853 Ebd. 194–195. 854 Ebd. 195. 846

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2. Aktualisierung des erzählten Ereignisses Aufgrund der Tatsache, dass für Chrysostomos zu einer guten Exegese auch die situationsgerechte Aktualisierung der Bibel gehört,855 die von Kaczynski sehr passend als „Verlebendigung“856 der biblischen Botschaft bezeichnet wurde, sucht er auch im Rahmen seiner Exegese der Verwandlungserzählung mögliche Verbindungslinien zwischen dieser biblischen Perikope und dem Lebenskontext seiner damaligen Hörer bzw. Leser. In der Verwandlungsperikope betrachtet Chrysostomos zwei Elemente der Erzählung als dafür geeignet, nämlich das Schauen des strahlenden Jesus, wie sie die drei auf dem Berg anwesenden Jünger erfahren haben, und das Umkleidetwerden durch ein solches Strahlen, wie es Jesus selbst erlebt hat. Diese Aktualisierung erfolgt nicht zum entsprechenden Vers (Mt 17,2), sondern am Ende seiner Auslegung. Das Schauen des verwandelten Jesus hält Chrysostomos auch für die aktuellen Hörer bzw. Leser für denkbar. Er schreibt: „Aber wenn wir nur wollen, so können auch wir Christum sehen, nicht bloß so wie die Apostel damals auch, sondern noch viel strahlender.“857 Daraus ergibt sich, dass die Möglichkeit, den strahlenden Jesus zu sehen, für die Gemeinde allerdings nur unter der Bedingung des Ausübens ihres freien Willens zu erreichen ist (Ἀλλ’ ἂν θέλωµεν858). Mehr noch, die Qualität dieses postbiblischen Betrachtens Jesu kann viel höher sein, als es für die drei Jünger auf dem Verwandlungsberg gilt. Für Chrysostomos können die Christen der nachbiblischen Generationen Christus viel strahlender (ἀλλὰ πολλῷ λαµπρότερον859) sehen. Als Zeitpunkt dafür nennt er den Jüngsten Tag: „denn später (am jüngsten Tage nämlich), wird er nicht mehr bloß so erscheinen (wie hier auf dem Berge). Hier offenbarte er aus Rücksicht auf die Jünger nur soviel von seinem Glanze, als sie ertragen konnten; am Ende der Zeiten aber wird er wiederkommen in der ganzen Herrlichkeit des Vaters nicht bloß mit Moses und Elias, sondern mit dem unübersehbaren Heere der Engel, mit den Erzengeln und Cherubim.“860

Zum qualitativen Unterschied zwischen der Verwandlung Jesu auf dem Berg und seiner Erscheinung am Jüngsten Tag tragen auch die Zeugen dieses künftigen Ereignisses bei, die nicht Mose und Elia sind, sondern „die endlosen Scharen des Himmels“.861 Da diese Schau Jesu sich am Jüngsten Tage verwirklicht, wird sie nicht nur für die Christen seiner Zeit, sondern für alle Christen bis zum Weltende für möglich erklärt. 855

Hom. 53 in Joh. (PG 59, 295). KACZYNSKI, Wort, 207. 857 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 199). 858 Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 554). 859 Vgl. ebd. 860 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 199). 861 Ebd. 856

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Nicht nur die Schau Jesu wird von Chrysostomos auf die Christen übertragen, sondern auch der Status des Umkleidetseins mit Gottes Glanz nach dem Muster Jesu. Wurde er anlässlich seiner Verwandlung von Gottes Licht umkleidet, so können auch die nachbiblischen Christen dieselbe Erfahrung machen: „[…] lasset uns die besudelten Kleider ab- und die Waffen des Lichts anlegen; dann wird auch uns die Herrlichkeit Gottes umkleiden“862 (καὶ ἡ δόξα τοῦ Θεοῦ περιστελεῖ ἡµᾶς863). Wie bei der Schau des strahlenden Jesus am Jüngsten Tag, so gilt es auch für das Umkleidetsein, dass zur Aktualisierung dieses Status jedoch ein entsprechendes ethisches Verhalten vorausgesetzt wird, das nach der Meinung des Chrysostomos auf einer geistlichen Ebene zu verwirklichen ist und aus zwei Momenten besteht: erstens der Reinigung der seelischen Kleider und zweitens der Bewaffnung mit dem Licht (ῥυπαρὰ ἱµάτια, ἐνδυσώµεθα τὰ ὅπλα τοῦ φωτός864). Darunter versteht er konkret die Entfernung von Bosheit und das Ausüben der Tugend. Seiner Meinung nach stellt dieses ethische Verhalten keine zu große Herausforderung für die Christen dar, denn im Vergleich zur Bosheit ist die Tugend einfacher zu erfüllen. Er schreibt: „Wir werden aber finden, […] daß die Tugend sehr leicht zu üben ist, während das Böse viel Mühe fordert.“865 Nur nach Erfüllung dieser beiden ethischen Voraussetzungen wird dem Christen der Glanz Gottes verliehen. VI. Fazit Die Analyse der von Chrysostomos, einem der wichtigsten Exegeten des orthodoxen Christentums, vorgelegten Exegese der matthäischen Verwandlungserzählung hat gezeigt, dass diese zum einen durchaus Anknüpfungspunkte an die moderne Exegese aufweist, zugleich aber sehr eigene, für die patristische Exegese seiner Zeit jedoch typische Elemente aufweist, wie vor allem die Aktualisierung. Wie bei Origenes zielt auch die Auslegung des Chrysostomos darauf, die Hörer und Leser zur Nachahmung der Erzählfiguren einzuladen und sie zu ermutigen. Zudem findet sich die Übertragung einiger Motive des biblischen Textes, wie das Schauen des strahlenden Jesus und sein Umkleidetwerden mit Herrlichkeit auf den Lebenskontext seiner Hörer bzw. Leser. Chrysostomos vermittelt diesen sowie den Christen aller Generationen den Gedanken, dass die Begleitaspekte des Verwandlungsereignisses allen Christen offenstehen, sofern sie ein passendes ethisches Verhalten an den Tag legen.

862

Ebd. 201. Vgl. Hom. 56 in Mt. (PG 58, 555). 864 Vgl. ebd. 865 Hom. 56 in Mt. (Baur, BKV, 201). 863

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

H. Hieronymus als Ausleger der Verwandlungserzählung H. Hieronymus Es wurde zu Recht behauptet, dass Leben und Werk des Hieronymus (347– 420) einen Schnittpunkt der zwei christlichen Perspektiven, aus West und Ost, darstellen.866 Dies bildet sich auch in seinen Lebensphasen ab, da er an verschiedenen Orten mit spezifischen theologischen Prägungen lebte: in Rom (358/360–368 und 382–385), in Trier und Aquileia (368–372), in Antiochien (373–380), in Konstantinopel (381–382) und in Bethlehem (386–419).867 Seine Hauptleistung im Bereich der Theologie bezieht sich auf die Bibel, die er sein Leben lang studierte, übersetzte und auslegte;868 das gilt ganz besonders für den letzten und größten Abschnitt seines Lebens, den er in Palästina verbracht hat.869 Das Revidieren der lateinischen Ausgaben des Neuen Testaments und die kritische Übersetzung des Alten Testaments zuerst aus einer griechischen Version der Septuaginta und später aus dem Hebräischen, bis heute bekannt unter dem Titel Vulgata, verschafften ihm schon zu Lebzeiten einen angesehenen Platz sowohl in der abendländischen als auch der morgenländischen Christenheit.870 I. Quellenlage zur Verwandlungserzählung im Werk des Hieronymus Die Qualität der exegetischen Tätigkeit des Hieronymus wurde unterschiedlich bewertet: Auf der einen Seite wurde er als ein einfacher Kompilator betrachtet, der in seinen Kommentaren zu verschiedenen biblischen Büchern lediglich aus Vorgängerwerken zitiert, zumeist aus Origenes,871 und auf der anderen Seite wurde seine Leistung, alle damals vorhandenen Auslegungen

866

Vgl. DIVRY, Transfiguration, 227: „Il convient au plus haut point dʼévoquer ce docteur (titre donné en 1295) comme tête de pont des grands passeurs dʼidées entre lʼOrient et lʼOccident.“ Dazu vgl. JAY, Jerome, 1114: „He played a role of connecting link between East and West, of which his own life, divided almost equally between the Latin world and Bethlehem provides a sort of symbolic image.“ 867 Vgl. M. H. WILLIAMS, Monk, 267–301. 868 Vgl. REVENTLOW, History, 45. 869 Vgl. JAY, Jerome, 1096. 870 Zusätzliche Informationen über sein Leben und seine Tätigkeit als Exeget und Übersetzer finden sich bei HENNE, Jérôme; CAIN/LÖSSL (Hg.), Jerome; CAIN, Letters; REBENICH, Jerome; STEINMANN, Hieronymus; GRÜTZMACHER, Hieronymus, I–III; CAVALLERA, Jérôme; M. H. WILLIAMS, Monk; KANNENGIESSER, Handbook, 1094–1133 und REVENTLOW, History, 32–45. 871 Vgl. GRÜTZMACHER, Hieronymus, III, 104, der von Hieronymus behauptet, er sei „im Wesentlichen nur Kompilator“. Dazu siehe noch REVENTLOW, History, 36: „In respect to their contents, Jeromeʼs earlier biblical commentaries are worth no special consideration. It has long been known that he copied the content of commentaries by older interpreters, especially Origen, in wide range.“

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zu synthetisieren, besonders hervorgehoben.872 Charles Kannengiesser nuanciert das Werk des Hieronymus, indem er es kontextualisiert und vorrangig unter dem Einfluss dreier Vordenker sieht (Origenes, Gregor von Nazianz und Didymus der Blinde). Diese Präzisierung hat den Vorteil, dass Hieronymusʼ exegetischer Horizont nicht auf eine einzige Tendenz beschränkt wird und besser erkannt werden kann, wie seine Synthese im Bereich der Bibelexegese entstanden ist.873 Des Weiteren ist festzuhalten, dass er sich als Bibelexeget mehr für das Alte als für das Neue Testament interessiert hat.874 Seine Bibelauslegungen wurden von ihm hauptsächlich in Kommentaren und Homilien niedergelegt. Die Kommentare richteten sich an ein gebildetes und informiertes Publikum und in den Homilien tritt das Interesse an Aktualisierung und praktischer Anwendung deutlicher in Erscheinung.875 Hieronymus analysiert die Verwandlungserzählung sowohl im Rahmen eines Kommentars zum Matthäusevangelium876 als auch in der 6. Homilie aus einer Homilienreihe zum Markusevangelium.877 Der Matthäuskommentar wurde früher als die Markushomilien verfasst (vorösterliche Fastenzeit des Jahres 398 in Bethlehem878). Die später entstandene 6. Markushomilie ist viel ausführlicher und bildet daher die hauptsächliche Basis der folgenden Untersuchung. Darüber hinaus interessiert diese Homilie auch mehr, weil die Analyse des Markusevangeliums, auch in Form von Homilien, aufgrund der verbreiteten Ansicht, dieses habe das Matthäusevangelium übernommen und gekürzt,879 nur selten in der patristischen exegetischen Tradition zum Gegen872

Vgl. JAY, Jerome, 1109–1110: „If it is correct that Jeromeʼs writing was worked out at the confluence of several traditions, the reality is much more nuanced and complex than these cutting judgments would lead us to think.“ 873 Vgl. ebd. 1111: „From the diversity of this triple scriptural initiation Jerome the exegete definitely drew a twofold benefit: he did not find himself enclosed from the beginning in the limited horizons of a single tendency. Disclosed on another level by theological divergences which went all the way to heresy, these differences among his masters also contained in germ, by the force of things, an invitation to discernment from which he will know how to profit.“ 874 Vgl. ebd. 1102: „The NT occupies only a modest place in Jeromeʼs exegetical work.“ 875 Vgl. ebd. 1107–1108. 876 Vgl. JÉRÔME, Matthieu, II (Bonnard, SC 259, 26–35). Darüber hinaus findet sich eine englische Übersetzung bei MCGUCKIN, Transfiguration, 269–273. 877 Vgl. JÉRÔME, Marc (Gourdain, SC 494, 151–173). 878 Vgl. BONNARD, Introduction, 11. 879 Vgl. ebd. 31 [Hervorhebung im Original]: „La Tradition la plus ancienne, telle que la reflètent un Irénée ou un Jérôme, fasse de Marc un secrétaire de Pierre dont il aurait recueilli et mis par écrit lʼenseignement, lʼAntiquité chrétienne semble ne lui accorder quʼune originalité négligeable par rapport à Matthieu. Augustin, dans son De Consensu Euangelistarum libri quattuor, reproduit vraisemblablement une opinion commune: Marc nʼest quʼun abréviateur de Matthieu.“ Außerdem siehe noch BALÁS/BINGHAM, Exegesis,

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stand wurde.880 Auch haben wir es hier, so Jean-Louis Gourdain, nicht nur mit der ältesten erhaltenen Auslegung des Markusevangeliums zu tun,881 sondern laut Balás und Bingham auch mit der bis zu diesem Zeitpunkt ausführlichsten patristischen Exegese des Markusevangeliums.882 Dagegen wird die Verwandlungserzählung innerhalb des Matthäuskommentars von Hieronymus lediglich summarisch analysiert. Er selber behauptet im Vorwort dieses Kommentars, dass er gebeten wurde, hier eine kurze Darstellung des Matthäusevangeliums anzufertigen („ut Matheum breuiter exponens“883). Er wurde von einer Person namens Eusebius unter Druck gesetzt, dieses Werk in zwei Wochen zu verfassern („at tu in duabus hebdomadibus […] dictare me cogis“884). Infolgedessen fertigte er rasch eine „historische Erläuterung“ des Matthäusevangeliums an („historicam interpretationem quam praecipue postulasti digessi breuiter“885). Da sie dermaßen schnell geschrieben wurde, ist Hieronymus sich sehr wohl der Kritik bewusst, die die damaligen Gelehrten an seinem Kommentar üben würden. Er schreibt: „Nec hoc de adrogantia et fiducia ingenii dictum putes, sed quo ostendere tibi cupiam quantum apud me uales, qui periclitari magis apud doctos uoluerim.“886 Dennoch wird im Folgenden immer dann auf diese Auslegung rekurriert, wenn die Auslegung in seiner 6. Markushomilie dadurch ergänzt wird. Von der in der Forschung erhobenen Kompilationsanklage sind auch seine zehn Homilien zum Markusevangelium betroffen. Nach deren Veröffent-

343: „Because of the greater detail in the other synoptic accounts, the Gospel of Mark was given little individual attention in the patristic period.“ Weiterhin stellt sich eine interessante Analogie zwischen dem Verfasser des zweiten Evangeliums (Markus) und dem Autor der zehn Homilien zu diesem Evangelium (Hieronymus) heraus: Beide mussten, posthum, gegen die unfairen Kategorisierungen kämpfen, die sie als einfache Kompilatore bezeichneten – Hieronymus des Origenes und Markus des Petrus. 880 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 30–31 [Hervorhebung im Original]: „Marc est celui des quatre évangélistes qui a été le moins commenté et le moins cité par les Pères. […] Un rapide coup dʼœuil sur les citations scripturaires empruntées à Marc confirme le faible intérêt des Pères pour cet Évangile. Dans les sept volumes publiés de la Biblia Patristica, Marc vient systématiquement en dernière position des citations évangéliques et souvent très loin derrière Matthieu, dont il est beaucoup trop proche pour faire lʼobjet dʼun traitement spécifique.“ Auch GOURDAIN, Jérôme, 365, behauptet, dass die zehn Homilien des Hieronymus ein seltenes Beispiel der patristischen Exegese des Markusevangeliums darstellen. 881 Vgl. ebd. 30: „En dehors des homélies de Jérôme, qui ne traitent pas de lʼintégralité de son Évangile, mais en constituent néanmoins la plus ancienne explication conservée.“ 882 Vgl. BALÁS/BINGHAM, Exegesis, 343: „Jerome’s homilies on Mark (falsely ascribed to John Chrysostom) are the fullest, extant treatments of the Gospel by a Church Father.“ 883 Vgl. JÉRÔME, Matthieu, I (Bonnard, SC 242, 66). 884 Vgl. ebd. 68. 885 Vgl. ebd. 70. 886 Vgl. ebd.

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lichung zusammen mit einem Tractatus in Psalmos durch Morin887 und deren Umgruppierung in der Reihe „Corpus Christianorum. Series Latina“888 wurde die Verfasserschaft durch Hieronymus 1980 von Vittorio Peri infrage gestellt. Er war der Meinung, dass diese Homilien von Origenes stammen und Hieronymus sie nur übersetzt hat.889 Die These von Peri wurde endgültig durch Pierre Jay 1986 widerlegt und die Verfasserschaft der Homilien durch Hieronymus rehabilitiert.890 Dass Hieronymus tatsächlich als Autor der zehn Homilien zum Markusevangelium gelten kann, bestärkte des Weiteren auch Gourdain, der Herausgeber und Übersetzer dieser Homilien auf der Basis der Textausgabe von Morin in der Reihe „Sources Chrétiennes“.891 Gourdain zeigte schon zuvor, dass trotz der bestehenden Ähnlichkeiten zwischen dem Matthäuskommentar des Origenes und den zehn Markushomilien sich diese von der origenistischen Exegese unterscheiden.892 Darüber hinaus wurden diese zehn Homilien des Hieronymus zum Markusevangelium fälschlicherweise auch Chrysostomos zugeordnet und dementsprechend in manche lateinische Ausgabe von dessen Werken integriert.893 Diese Missverständnisse markieren, dass Hieronymus gewiss nicht so originell ist wie Origenes oder Chrysostomos; aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade seine Synthese aus Ost und West durchaus als originell zu bezeichnen ist.

887 Vgl. Sancti Hieronymi Presbyteri tractatus sive homiliae in Psalmos, in Marci evangelium aliaque varia argumenta, hg. v. G. MORIN (Anecdota Maredsolana III,2), Maredsoli 1897; Sancti Hieronymi Presbyteri tractatus sive homiliae in Psalmos quattuordecim, hg. v. G. MORIN (Anecdota Maredsolana III,3), Maredsoli 1903. 888 Vgl. MORIN/CAPELLE/FRAIPONT (Hg.), Hieronymus, 449–500. 889 Vgl. PERI, Omelie, 60–64. 890 Vgl. JAY, Bethléem, 367–380. 891 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 10–12. Für weitere Informationen über die verschiedenen lateinischen Ausgaben der Homilien siehe ebd. 51–54. 892 Vgl. GOURDAIN, Jérôme, 373: „On voit donc bien quʼil y a une réelle autonomie de lʼhomélie sur Marc par rapport au Commentaire sur Matthieu dʼOrigène. Jérôme reprend à lʼAlexandrin une interprétation ponctuelle qui devient le fil conducteur de lʼensemble de son Tractatus. Ainsi, loin de se contenter de recopier servilement Origène, il lʼadapte, le transforme, le soumet à ses propres desseins et aux besoins de son auditoire. Cʼest à ce niveau quʼapparaît lʼoriginalité de Jérôme, ce nʼest pas dans lʼinvention dʼinterprétations inédites, mais dans le processus dʼappropriation de ce quʼil trouve chez ses prédécesseurs et en particulier chez Origène, qui demeure jusquʼau bout son maître en exégèse. On peut alors noter, au terme de cette courte étude, que lʼautonomie de ce tractatus par rapport à Lʼin Matthaeum dʼOrigène, les concordances déjà signalées, sur des points de détail, avec le propre Commentaire sur Matthieu de Jérôme, lʼadhésion très explicite à la théologie trinitaire post-nicéenne, le ton qui nʼest pas sans évoquer celui de la diatribe cynicostoïcienne, constituent autant dʼindices qui convergent pour confirmer la paternité hiéronymienne de cette sixième homélie sur Marc.“ 893 Vgl. WENK, Sammlung. Außerdem vgl. noch BALÁS/BINGHAM, Exegesis, 343.

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Außer einer französischen Übersetzung von Gourdain gibt es in modernen Sprachen noch die englische von Maria Ewald.894 Schwierig zu bestimmen ist, wann die zehn Homilien des Hieronymus zum Markusevangelium entstanden sind. Ferdinand Cavallera schlägt den Zeitraum zwischen den Jahren 386 und 419 vor, Germain Morin entschied sich für zwei mögliche Datierungen: entweder das Jahr 401 oder das Jahr 410,895 während Jean-Louis Gourdain, der über die relative Chronologie dieser Homilien spricht, sie zwischen 397 und 402, d. h. in der zweiten Phase der origenistischen Kontroverse, verortet.896 Für Letzeres spricht die in den Homilien anzutreffende Betonung der Bedeutung und zugleich der Notwendigkeit des übertragenen Schriftsinns im Rahmen der Bibelexegese. Hieronymus ermahnt seine Hörer, den übertragenen Sinn der biblischen Texte nicht als Zeichen der origenistischen Häresie zu verstehen und infolgedessen abzuschaffen.897 Die oben erwähnten Forscher neigen dazu, die zehn Markushomilien des Hieronymus der letzten Phase seines Lebens zuzurechnen, genauer gesagt der Zeit während seiner Tätigkeit im Kloster von Bethlehem und in der dortigen Nativitas-Kirche.898 Vermutlich bildeten die Markushomilien des Hieronymus ein gemeinsames Korpus mit seinen Homilien zu den Psalmen, da die letzten Worte der zweiten Markushomilie mit den ersten Worten der 14. Homilie zu den Psalmen identisch sind.899 Die Anspielungen im Text auf die Vorbereitung der Katechumenen auf die Taufe (besonders die Homilien 9 und 10900) könnten darauf hindeuten, dass sie während der Fastenzeit vor Ostern gehalten wurden, weil die Katechumenen gewöhnlich in der Osternacht getauft wurden. Das Publikum war vermutlich gemischt, denn Hieronymus erwähnt durchgängig die Mönche901 und die Katechumenen.902 Gourdain und van Parys vermuten auch ordentliche Gemeindemitglieder und Pilger auf der Basis der allgemeinen Beschreibungen der Pilgerin Egeria.903 894

Vgl. JEROME, Homilies, 121–193. Vgl. MORIN/CAPELLE/FRAIPONT, Hieronymus, 285. 896 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 14; so auch VAN PARYS, Thabor, 14. 897 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 12–14. 898 Vgl. M. H. WILLIAMS, Monk, 281. 899 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 15. 900 Vgl. Hom. 9 in Mc. (Gourdain, SC 494, 208): „Vos qui recepturi estis baptismum, iam die crastina praeparate uos similiter.“ Dazu vgl. Hom. 10 in Mc. (SC 494, 210): „Si enim qui accepturi sunt baptisma, credituri sunt in Patrem, Filium et Spiritum sanctum.“ 901 Hom. 1 in Mc. (Gourdain, SC 494, 84): „Quanti monachi habitant cum parentibus suis, si descenderit Spiritus sanctus et manserit super eos, ipse Spiritus expellit eos in desertum […]. Et nos ergo, su uolumus orare plus quam in publico, habeamus cellulam, habeamus agros, habeamus deserta.“ 902 Hom. 9 in Mc. (Gourdain, SC 494, 208): „Maxime uos qui sic accepistis baptismum ut Deo seruiantis, ut sitis in monasterio.“ 903 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 17: „Il faut donc imaginer un auditoire mélangé où les paroissiens ordinaires côtoient moines et moniales, sans oublier les catéchumènes et la 895

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II. Die Verwandlungserzählung in der 6. Homilie des Hieronymus zum Markusevangelium Die zehn Homilien des Hieronymus zum Markusevangelium sind kein vollständiger Kommentar dieses Evangeliums. Es lässt sich vermuten, dass Hieronymus auch andere Homilien zu diesem Evangelium verfasst hat, die aber nicht erhalten geblieben sind. Dafür spricht die von Hieronymus in der 4. Homilie über die zweite Brotvermehrung (Mk 8,1–9) gemachte Anspielung auf eine andere Homilie, die er zur ersten Brotvermehrung gehalten habe.904 Gourdain vermutet, dass Hieronymus das ganze Evangelium ausgelegt hat, aber nicht alle Homilien niedergeschrieben wurden oder erhalten geblieben sind.905 Es besteht auch die Möglichkeit, dass Hieronymus anlässlich der Fastenzeit vor Ostern nur manche Perikopen für Predigten auswählte, die ihm für seine Unterweisung geeignet schienen. Das bestehende Homilienkorpus kann in vier thematische Einheiten aufgegliedert werden: 1. Beginn der Verkündigung Jesu, eingeführt durch Johannes den Täufer (Hom. 1 und erster Teil aus Hom. 2); 2. Darstellung einiger von Jesus gewirkter Wunder (zweiter Teil aus Hom. 2, Hom. 3, 4 und 5); 3. Verwandlungserzählung (Hom. 6) und 4. letzter Teil des Lebens und Wirkens Jesu in Jerusalem und Umgebung (Hom. 7, 8, 9 und 10). Im Zentrum dieses Korpus steht die 6. Homilie zur Verwandlungserzählung, die eine beispielhafte Illustration der Hermeneutik des Hieronymus darstellt.906 1. Das exegetische Vorgehen des Hieronymus Es ist allgemein anerkannt, dass die Bibelexegese des Hieronymus durch die Erschließung des zweifachen Schriftsinns, literal-historisch oder grammatikalisch und geistlich, charakterisiert wird.907 Dieses exegetische Interesse lässt sich sowohl in seinen Bibelkommentaren als auch in seinen Bibelhomilien erkennen.908 Mit Jay ist anzunehmen, dass Hieronymus diese Manier, Exefoule des pèlerins.“ Außerdem spricht VAN PARYS, Thabor, 14, über „un auditoire de fidèles, dʼascètes, de moines et moniales, de catéchumènes et de pèlerins“. 904 Vgl. Hom. 4 in Mc. (Gourdain, SC 494, 132): „In superiori parte, legimus quoniam Dominus pauerit de quinque panibus quinque milia hominum. […] In illa parabola quidquid uisum fuerat illo tempore disputauimus.“ 905 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 27. 906 Vgl. ebd. 907 Vgl. MÜLLER-ABELS, Hieronymus, 345–351; M. H. WILLIAMS, Monk, 102–123; HENNE, Jérôme, 137; BROWN, Vir, 121–165. 908 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 33–39; BONNARD, Introduction, 33–37; JAY, Pratique, 523–541.

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gese zu treiben, aus der Tradition übernommen hat.909 Seine in der Forschung am häufigsten genannten Vorbilder sind Apollinaris von Laodicea, Origenes, Didymus910 sowie die jüdische Exegese.911 Trotz seiner Nähe zu den überkommenen Interpretationen entwickelt Hieronymus ein eigenes exegetisches Konzept, in welchem er einen Ausgleich zwischen den beiden Textbedeutungen aufrechterhielt und die Überbetonung des literalen Sinns, der Tendenz der antiochenischen Richtung, gegenüber dem geistlichen, der Tendenz der alexandrinischen Richtung, ablehnt. Infolgedessen schenkt Hieronymus seine besondere Aufmerksamkeit zuerst dem Literalsinn (historia oder littera).912 Er fordert, dass die Geschichte, die von ihm als Synonym des Literalsinns verstanden wird,913 nicht ignoriert werden sollte. Vielmehr begehe einen Fehler, wer sie ignoriert: „Multi propter ignorantiam historiae labuntur errore.“914 Auf der anderen Seite hebt Hieronymus die Wichtigkeit des geistlichen Verständnisses (intellegentia spiritalis) der Bibeltexte in allen seinen Bibelauslegungen hervor,915 indem er die Überzeugung äußert, dass der geistliche Sinn immer die literarische Bedeutung der Bibeltexte ergänze: „In euangelicis sermonibus semper litterae iunctus est spiritus, et quidquid primo frigere uidetur aspectu, si tetigeris, calet.“916 Aber obwohl die geistliche Bedeutung auch innerhalb der scheinbar unbedeutenden Texte festgestellt werden könn-

909

Vgl. ebd. 536: „La pratique exégétique de Jérôme ne pouvait, au IVe siècle, être radicalement neuve; elle sʼinscrit logiquement dans le cadre, consacré par une tradition déjà longue, des deux grands sens de lʼEcriture.“ Außerdem vgl. GRAVES, Philology, 13; REBENICH, Jerome, 25–26. 910 Vgl. etwa M. H. WILLIAMS, Monk, 109: „Commentaries both reflected and aided the study of biblical texts by groups of Christian seekers who gathered around well-known teachers. Such teachers included Origen and Didymus, among many others.“ Außerdem siehe noch JAY, Pratique, 536–541, und auch DERS., Vocabulaire, 5–7. Vgl. dazu auch REBENICH, Jerome, 25. 911 Vgl. GRAVES, Philology, 84–85: „On the other hand, Jerome’s teachers would have been able not only to read Biblical Hebrew but also to express themselves in Hebrew beyond simply reciting the liturgy, and they might even have been capable of writing Mishnaic Hebrew. They would have been completely competent to guide Jerome in the pronunciation of Hebrew and to assist him in learning the grammar and vocabulary through translation, provided that they could speak to Jerome in a common language, in most cases probably Greek. These teachers could also have passed on to Jerome details about Jewish exegesis and the particularities of post-Biblical Hebrew, all of which Jerome could have absorbed, even if he never learned to express his own thoughts in Hebrew. This kind of knowledge could certainly be described as ,passiveʻ, but we must not take this necessarily to mean defective.“ 912 Vgl. BROWN, Vir, 121–133. 913 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 34. 914 Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 86). 915 Vgl. BROWN, Vir, 139–165. 916 Vgl. Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 304).

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te,917 soll nach Hieronymus den Texten nicht eine geistliche Relevanz gegeben werden, wo es nicht nötig ist.918 Insofern gelingt es ihm, eine Synthese herzustellen aus den beiden weit verbreiteten Auslegungsweisen, d. h. der antiochenischen, literal orientierten und der alexandrinischen geistlichen, sowie Elementen einer jüdischen Exegese. Diese Synthese besteht hauptsächlich im Mäßigen der typischen Akzente jeder dieser drei Herangehensweisen an biblische Texte.919 Die wenigen Untersuchungen zur Homilie des Hieronymus über die Verwandlungserzählung beschäftigten sich hauptsächlich mit der Erläuterung des Verhältnisses zwischen der hier durchgeführten Exegese und derjenigen des Origenes, allerdings nicht nach der Markus-, sondern nach der Matthäusversion.920 Viele deutliche Ähnlichkeiten zwischen den beiden Auslegungen beweisen, dass Hieronymus von der Interpretation des Origenes beeinflusst wurde. Diese Einflüsse wurden bereits von Gourdain identifiziert921 und beziehen sich hauptsächlich auf die Erklärung der folgenden Elemente: die Äußerung über das Kosten des Todes,922 die sechs Tage als Symbol der sechs Schöpfungstage,923 die Deutung der weißen Kleider Jesu als Wörter und Lehren der Evangelien,924 Mose und Elia als Vertreter des alten Gesetzes und der Propheten,925 die unpassende Empfehlung Petri, drei Hütten zu bauen, als Versuch, Jesus (Evangelium) von Mose (Gesetz) und Elia (Propheten) zu trennen und ihn von seinem Heilsweg abzubringen,926 die Wolke als eine

917

Vgl. ebd. 110–112: „Quod etiam quae minima putantur in lege, sacramentis spiritalibus plena sint et omnia recapitulentur in euangelio.“ 918 Vgl. ebd. 326–328: „Corripiturque a Domino quare parabolice dictum putet quod perspicue locutus est. Ex quo animaduertimus uitiosum esse auditorem qui aut obscura manifeste aut manifeste dicta obscure uelit intellegere.“ 919 Vgl. BROWN, Vir, 199: „Jerome was, then, esentially an eclectic scholar. He searched diligently in the works of previous authors and drew the best points from each, while avoiding the errors of each. This holds true also for the different ,schoolsʻ of interpretation accessible to Jerome – Antiochene, Alexandrian and Jewish.“ 920 Vgl. GOURDAIN, Jérôme, 366–373. Dazu vgl. GOURDAIN, Introduction, 30–33, und VAN PARYS, Thabor, 14. 921 Vgl. GOURDAIN, Jérôme, 366–373. 922 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 152–154); Comm. in Mt. XII, 31–33 (Vogt, BGrL 18, 191–194). 923 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 158); Comm. in Mt. XII, 36 (Vogt, BGrL 18, 197). 924 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 160); Comm. in Mt. XII, 38 (Vogt, BGrL 18, 198). 925 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 162); Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204). 926 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 166–168); Comm. in Mt. XII, 40 (Vogt, BGrL 18, 200–201).

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göttliche Hütte und als Symbol des Heiligen Geistes,927 das Weggehen Moses und Elias sowie das Alleinbleiben Jesu als Zeichen der Vereinigung des Gesetzes und der Propheten im Evangelium.928 Trotzdem ist Hieronymus nicht nur als einfacher Nachahmer der origenistischen Exegese zu verstehen. Die Ansätze des Origenes werden durch Hieronymus theologisch neu interpretiert und an die Besonderheiten und Bedürfnisse seines Publikums angepasst.929 Die Homilie zur Verwandlungserzählung hat Gourdain als die schönste und wichtigste unter allen Markushomilien von Hieronymus bezeichnet.930 Van Parys ordnet sie in die Reihe der „homélies fériales“931 ein, zusammen mit der 56. Homilie zum Matthäusevangelium von Chrysostomos. In der 6. Markushomilie legt Hieronymus die Texteinheit Mk 9,1–8 aus, indem er sie Vers für Vers oder, wie er selbst feststellt, Wort für Wort („singula uerba discutimus“932) in einer linearen Erklärung933 analysiert. Wie in seinem Matthäuskommentar wird seine Exegese durch das Zitieren von zwei Versen,934 einem Vers935 oder einem Versteil936 eingeführt. Aber im Unterschied zur Analyse der Verwandlungserzählung in seinem Matthäuskommentar, wo nach dem Zitat eines Verses sowohl die geschichtliche als auch die geistliche Auslegung des zitierten Textes durchgeführt wird,937 exegesiert Hieronymus in seiner 6. Homilie zum Markusevangelium, indem er in einem ersten Teil die Auslegung der Geschichte des ganzen Textes unternimmt und erst in einem zweiten Teil die geistliche Exegese des Textes angeht. Die einzige Ausnahme von diesem Schema bildet die Analyse von Mk 9,1 in der Einleitung, in welcher Hieronymus den Text wie innerhalb seines Matthäuskommentars auslegt, d. h. geschichtlich und geistlich. Insofern gliedert Hieronymus seine Analyse in der 6. Markushomilie in drei Teile:

927

Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 168–170); Comm. in Mt. XII, 42 (Vogt, BGrL 18, 203). 928 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 170–172); Comm. in Mt. XII, 43 (Vogt, BGrL 18, 204). 929 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 33: „On le voit donc modifier, réorienter, réécrire les interprétations de son devancier, suivant les besoins de ceux auxquels il sʼadresse et suivant ses propres préoccupations intellectuelles ou théologiques. Origène lui fournit un matériau exégétique quʼil remodèle à son gré.“ 930 Vgl. ebd. 25 [Hervorhebung im Original]: „Cʼest peut-être la plus belle et la plus importante de toutes les Homélies sur Marc.“ 931 VAN PARYS, Thabor, 14. 932 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150–152). 933 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 28. 934 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 158). 935 Vgl. ebd. 162. 936 Vgl. ebd. 156. 937 Hinsichtlich der Analyse der Verwandlungserzählung in seinem Matthäuskommentar siehe Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 259, 26–35).

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1. Einleitung: geschichtliche und geistliche Exegese von Mk 9,1; 2. geschichtliche Exegese von Mk 9,2–8 und 3. geistliche Exegese von Mk 9,2–8. In der Einleitung zitiert Hieronymus V. 1 aus Mk 9 und führt dessen Deutung hauptsächlich nach dem höheren („secundum sublimiorem sensum“938) bzw. nach dem tropologischen („hoc diximus secundum tropologiam“939), d. h. dem übertragenen Sinn durch, indem er das Kosten des Todes als Erfahrung der Sünde versteht: „Hic autem mortem peccati intellegere debemus.“940 Der Vers wird knapp auch vom geschichtlichen Standpunkt aus analysiert („ceterum dicamus de historia“941), indem Hieronymus das Schauen des Gottesreichs mit dem des Sohnes in seinem Reich gleichsetzt und die Überzeugung äußert, dass die Jünger nicht sterben werden, bis sie Jesus in seinem Reich sehen werden.942 Im zweiten Teil seiner Exegese, der geschichtlichen Auslegung, stellt Hieronymus die Erzählung entsprechend der Geschichte dar („hoc secundum historiam“,943 „secundum historiam hoc dicitur“944). Er gibt den Text aus Mk 9,2–8 sowohl durch das Zitat als auch durch die Paraphrase von Versen wieder und analysiert nach dessen Zitierung allerdings nur Mk 9,2. Hieronymus sieht eine Verbindung zwischen Mk 9,1 und 9,2, denn er behauptet, dass auf dem Berg die Jünger Jesus sahen, wie er, Christus, in seinem Reich kommen wird.945 Insofern deutet Hieronymus die Verwandlung Jesu als Vorwegnahme des in Mk 9,1 angekündigten Reichs Gottes. Zugleich untersucht er hier den Unterschied der Tagesangaben der Evangelisten, den er als geschichtlichen Unterschied deutet („secundum historiam esse distantiam“946) und in einer Chrysostomos ähnlichen Weise löst: Die sechs oder die acht Tage weisen auf denselben Zeitraum hin, denn der eine Evangelist zählte den Tag des Logions Jesu aus Mk 9,1 und den Tag seiner Verwandlung mit, während der andere nur die Tage dazwischen zählt. Hier verwechselt Hieronymus das Lukas- mit dem Matthäusevangelium, denn er schreibt Letzterem die 938

Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154). Ebd. 152. 940 Ebd. 941 Ebd. 154. 942 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „Dixit Dominus ad discipulos ,quoniam sunt multi de hic adstantibus, qui non gustabunt mortem, donec uideant regnum Dei ueniens in uirtute sua.ʻ Quod dicit, hoc est: ,Nisi me ante regnantem uiderint, non morientur.ʻ Hoc secundum historiam.“ 943 Vgl. ebd. 944 Vgl. ebd. 945 Vgl. ebd.: „Et hoc esse dicunt: hoc est, uiderunt apostoli qualis regnaturus esset Christus. Videntes illum in monte transfiguratum, uiderunt illum apostoli transfiguratum in gloria sua qualis regnaturus esset.“ 946 Ebd. 939

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Information mit den acht Tagen zu.947 Am Ende dieses Teils hält er fest: „Historia hoc continet.“948 Er leitet des Weiteren seine Exegese von der geschichtlichen Betrachtung zur geistlichen Analyse über, indem er betont, dass er die Geschichte zwar nicht ablehnt, aber dem geistlichen Verstehen einen deutlichen Vorzug gibt: „Non historiam denegamus, sed spiritalem intellegentiam praeferimus.“949 Die Möglichkeit, Bibeltexte sowohl im geschichtlichen als auch im geistlichen Sinn zu verstehen, führt er auf das Zeugnis eines auserwählten Werkzeugs Gottes („uasis electionis“950) zurück: Paulus.951 Er führt dessen Deutung von Sara und Hagar als Symbole der beiden Testamente an (Gal 4,24).952 Im dritten Teil seiner Homilie konzentriert sich Hieronymus auf die geistliche Deutung („spiritaliter intellegis“953). Sie besteht in der Erklärung des Textes entsprechend dem Heiligen Geist, der ihn inspirierte. Für die geistliche Exegese wird das gemeinschaftliche Gebet zu Gott benötigt: „Orate Dominum ut eodem spiritu quo dicta sunt exponatur.“954 Er zitiert alle Verse der markinischen Verwandlungserzählung, beginnend mit Mk 9,2,955 und legt sie ausschließlich aus dieser Perspektive aus. Er schreibt mehreren Elementen der Erzählung eine übertragene Bedeutung zu: den sechs Tagen,956 den drei Jüngern,957 dem Berg,958 den Kleidern Jesu,959 der Erscheinung Moses und Elias,960 dem Vorschlag Petri,961 der Wolke962 sowie dem Alleinbleiben der drei Jünger mit Jesus am Ende der Erzählung.963 Der Höhepunkt der Ver-

947

Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „In Euangelio habes secundum Matthaeum: ,Et factum est die octaua.ʻ Videtur itaque secundum historiam esse distantiam: Matthaeus enim octo dies dicit, Marcus sex dicit. Sic ergo debemus intellegere, quod Matthaeus et primam dixerit et nouissimam, Marcus uero medias tantum dixerit.“ 948 Vgl. ebd. 156. 949 Vgl. ebd. 950 Vgl. ebd. 951 Paulus ist hier für Hieronymus Vorbild, denn er hat nicht die Geschichte negiert und die Mysterien, d. h. die tiefere Bedeutung der Bibeltexte, hervorgehoben. Vgl. ebd.: „Historiam non negauit, sed sacramenta prodidit.“ 952 Vgl. ebd.: „[…] apostolus uidelicet qui dicit quod Sara et Agar in duo Testamenta interpretentur.“ 953 Ebd. 160. 954 Vgl. ebd. 156–158. 955 Vgl. ebd. 956 Vgl. ebd. 158. 957 Vgl. ebd. 958 Vgl. ebd. 158–160. 959 Vgl. ebd. 160–162. 960 Vgl. ebd. 162–164. 961 Vgl. ebd. 166–168. 962 Vgl. ebd. 168. 963 Vgl. ebd. 170–172.

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wandlungserzählung wird nach Hieronymus mit der Erscheinung der Wolke als Zeichen der Anwesenheit des Heiligen Geistes („mihi uidetur ista nubes esse gratia Spiritus sancti“964) und dem Ertönen der Stimme aus dieser Wolke erreicht. Diese Stimme gehört nach Hieronymus zu Gott Vater und insofern ist mit der Verwandlung Jesu das ganze Mysterium der Dreieinigkeit („videte mysterium Trinitatis“965) offenbart. Mehrmals thematisiert er in diesem letzten Teil der 6. Markushomilie die Möglichkeit für seine Hörer, das ursprüngliche Verwandlungsereignis in einem geistlichen, nicht jedoch in einem physischen Sinn nachzuerleben. Mussten die Jünger auf den Berg steigen, um den verwandelten Jesus zu sehen, so können ihn nach Hieronymus auch diejenigen verwandelt sehen, die zu einem geistlichen Verständnis dieses Textes gelangt sind.966 Dafür wird aber seitens der nachbiblischen Generationen von Christen eine spirituelle Dynamik benötigt, die das Nachahmen der Tugenden der drei auf dem Berg anwesenden Apostel voraussetzt.967 Die Homilie endet typisch für dieses literarische Genre968 mit einer kurzen trinitarischen Doxologie, „sic lego Legem et Prophetas […] ad Christum perueniam: ,cui cum Patre et Spiritu sancto honor, gloria et maiestas per infinita saecula saeculorum. Amenʻ“.969 Im Gegensatz zu Origenes und Chrysostomos integriert Hieronymus in seine Exegese nicht den Vers zum Schweigegebot Jesu an seine drei Jünger (Mk 9,9). Dieses wird von Hieronymus lediglich im Rahmen seines Matthäuskommentars explizit einbezogen und als Zeichen einer Pädagogik Jesu gedeutet, ähnlich wie bei Origenes und Chrysostomos.970 Hieronymus deutet die Verwandlungserzählung weiterhin als Paradigma einer Dynamik von einem niederen, irdischen zu einem oberen, himmlischen Niveau. In jedem Vers versucht Hieronymus, diese Unterscheidung und zugleich das jeweils veranschaulichte Verhältnis zwischen den beiden Ebenen hervorzuheben. Bei der Analyse von Mk 9,1 z. B., wo Jesus den dort Stehenden verspricht, den Tod nicht zu kosten, bevor sie das Gottesreich sehen, differenziert er auf übertragene Weise zwischen Stehenden und Liegenden. Den Stehenden, d. h. denjenigen, die ein entsprechendes Verhalten an den Tag legen, wird nach Hieronymus das Schauen des Gottesreichs gewährt, den 964

Ebd. 168. Ebd. 168. 966 Vgl. ebd. 160: „Si quis litteram sequitur, et deorsum est totus, et terram respicit more brutorum animalium, hic non potest uidere Iesum in ueste candida. Qui autem sequitur sermonem Dei, et ad montana, id est, ad excelsa conscendit, isti Iesus statim commutatur, et uestimenta Iesu candidiora fiunt.“ 967 Vgl. ebd. 152. 968 Vgl GOURDAIN, Introduction, 29. Dazu siehe noch CROUZEL, Doxologies, 95–96. 969 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 172). 970 Vgl. Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 34): „Non ergo uult hoc in populos praedicari, ne et incredibile esset pro rei magnitudine et post tantam gloriam apud rudes animos sequens crux scandalum faceret.“ 965

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Liegenden, d. h. den Unvorbereiteten, dagegen gerade nicht: „Stantibus datur, iacentibus non datur.“971 Das Ereignis der Verwandlung Jesu nach sechs Tagen weist auf die Überwindung der geschaffenen Welt und das Erlangen der wahren Herrschaft: „Nisi enim mundus iste transierit, qui in sex diebus intellegitur, uerum regnum non apparebit.“972 Die Verwandlung findet erst nach dem Aufstieg auf den Berg, d. h. nach dem Gehen von unten nach oben, statt: „Simulque considerate quod Iesus, donec deorsum est, non transfiguratur: ascendit, et transmutatur.“973 Der Vorschlag Petri, Hütten zu bauen, wird von Hieronymus als Zeichen des Wunsches der drei Jünger gedeutet, sich von den irdischen Dingen zu entfernen und zu den geistlichen Tatsachen zu kommen: „Petrus et Iacobus et Iohannes […] humilia et humana contemnunt, excelsa et diuina desiderant: nolunt ad terram descendere, sed toti in spiritalibus inmorari.“974 Das geschilderte Paradigma der Erhebung von den irdischen zu den himmlischen Dingen empfiehlt Hieronymus seinen Hörern zur Anwendung auf das Lesen und Verstehen der Bibel. Versteht man die Bibel gemäß dem Buchstaben, so bleibt man unten und kann nicht auf den Berg steigen, um die Kleider Jesu, d. h. die Heiligen Schriften, strahlen zu sehen. Wird dagegen die Bibel geistlich verstanden, so kann man auf den Berg steigen und die Kleider Jesu, d. h. die Wörter der Bibel oder die Worte Gottes („sermonem Dei“975), so leuchtend weiß sehen wie bei der Verwandlung Jesu.976 Insofern eliminiert Hieronymus nicht den Literalsinn der Bibeltexte, zeigt aber die Überlegenheit des geistlichen Sinns. Umstritten ist, ob Hieronymus den Vers 1 aus Mk 9 zur Verwandlungserzählung rechnet. Gourdain bezweifelt das, ohne dafür Gründe zu nennen. 977 Dafür spricht lediglich, dass Hieronymus Mk 9,1 getrennt von Mk 9,2–8 behandelt. Dagegen spricht aber, dass er den Vers im Rahmen seiner 6. Markushomilie, wie schon gezeigt, stark einbezieht, denn die Homilie beginnt mit der Auslegung ebendieses Verses. Erst zeigt Hieronymus, dass die Schau des Gottesreichs auf Jesus bezogen werden soll: „Quod dicit, hoc est: ,Nisi me

971

Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150). Vgl. ebd. 158. 973 Vgl. ebd. 974 Vgl. ebd. 164. 975 Ebd. 160. 976 Vgl. ebd. 160: „Si quis litteram sequitur, et deorsum est totus, et terram respicit more brutorum animalium, hic non potest uidere Iesum in ueste candida. Qui autem sequitur sermonem Dei, et ad montana, id est, ad excelsa conscendit, isti Iesus statim commutatur, et uestimenta Iesu candidiora fiunt. Hoc quod legimus, si secundum litteram intellegimus, quid habet in se candidum, quid habet in se splendidum, quid sublime? Si autem spiritaliter intellegimus, statim Scripturae sanctae, hoc est uestimenta sermonis mutantur et candida fiunt uelut nix.“ 977 Vgl. GOURDAIN, Jérôme, 366. 972

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ante regnantem uiderint, non morientur.ʻ“978 Dann fährt er fort, dass die drei Jünger Jesus auf dem Berg gesehen haben, so wie er in seinem Reich kommen wird, was Mk 9,1 bezeuge.979 Nach einem erneuten Zitat von Mk 9,1 im ersten Teil der Homilie schreibt Hieronymus, dass der Text weitergeht („et sequitur“980), und fügt Mk 9,2 ein. Das spricht dafür, dass er Mk 9,1–8 als Einheit betrachtet. Analog scheint er auch innerhalb seines Matthäuskommentars die Verbindung zwischen Mt 16,28 und dem darin angekündigten Schauen des Menschensohns sowie dem in Mt 17,2 erwähnten Sehen des verwandelten Jesus durch seine drei Jünger zu postulieren.981 Auf biblische Intertextualität rekurriert Hieronymus in der 6. Homilie zum Markusevangelium relativ wenig. Es finden sich nur sieben alttestamentliche Anspielungen (Jes 49,18; Dtn 10,10; Ps 88,49; Ez 18,4; Gen 38,18; 9,20; 38,9). Die ersten vier bezieht er auf die Erklärung oder Auslegung von Mk 8,38 über das Kosten des Todes und das Schauen des Menschensohns in der Herrlichkeit seines Vaters,982 während er die drei weiteren auf die Schriftlesung nach dem Buchstaben und nach dem Geist bezieht.983 Aus dem Neuen Testament zitiert Hieronymus viermal (Mt 5,28; 2 Kor 3,6; Apg 9,15; Gal 4,24),984 um die Unterscheidung zwischen dem Literalsinn und dem geistlichen Sinn zu erläutern. Wie Chrysostomos greift auch Hieronymus in die von ihm exegesierte Verwandlungserzählung ein, schlüpft in die Rolle einiger am Geschehen beteiligter Charaktere und spinnt aus deren Perspektive die Erzählung weiter, um die Geschichte plastischer zu gestalten. Zuerst übernimmt Hieronymus die Rolle Jesu und ergänzt dessen in Mk 9,1 erfolgte Voraussage, indem er erklärt, dass sie den Jüngern und nicht den Juden allgemein galt: „Dico uobis discipulis, Iudaeis autem non loquor: clausas enim habent aures, et meus sermo eas penetrare non potest.“985 Außerdem beteiligt sich Hieronymus an dem in der analysierten Erzählung dargestellten Ereignis der Verwandlung 978

Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154). Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „Videntes illum in monte transfiguratum, uiderunt illum apostoli transfiguratum in gloria sua qualis regnaturus esset. Et hoc est ergo quod aiunt: ,Non gustabunt mortem, donec uideant regnum Deiʻ.“ 980 Vgl. ebd. 981 Bei der Analyse des Verses Mt 16,28 sagt er, dass sich das Schauen des Menschensohns, der in sein Reich kommt, auf die Wiederkunft Jesu bezieht: „Sunt quidam de hic adstantibus qui non gustabunt mortem donec uideant filium hominis uenientem in regno suo, ut qualis uenturus est postea.“ Anlässlich der Analyse des Verses Mt 17,2 behauptet er, dass Jesus in jene Herrlichkeit verwandelt wurde, in der er wiederkommen wird: „Certe transformatus est Dominus in eam gloriam qua uenturus est postea in regno suo“, vgl. Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 26–28) [Hervorhebung im Original]. 982 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150–152). 983 Vgl. ebd. 164. 984 Vgl. ebd. 156. 985 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150). 979

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Jesu auch vom Standpunkt Petri. Dessen Vorschlag, drei Hütten zu bauen, wiederholt Hieronymus und erläutert ihn, indem er Mose und Elia als Diener Jesu vorstellt: „aliquis loquatur ad Dominum: ,Facio tibi tabernaculum, facio et seruis tuis similia tabernacula.ʻ“986 Dieselbe Rolle Petri wird von Hieronymus auch anlässlich der Analyse der aus der Wolke zu hörenden Ermahnung übernommen. Petrus hätte den Ausdruck mein lieber Sohn als eine dem Mose oder dem Elia geltende Anrede verstehen können: „Fieri poterat ut Petrus diceret: ,de Moyse dicit, de Helia dicit.ʻ“987 Petrus verstand nach Hieronymus wohl nicht, wer Adressat dieser Anrede ist: „Dicit Petrus in corde suo: ,Quis est Filius eius? Tres uideo: putas, de quo loquitur?ʻ“988 Wie bei Chrysostomos lässt sich auch hier beobachten, dass Petrus durch Hieronymus dreimal direkt angesprochen wird. Zuerst gratuliert ihm Hieronymus für die Teilnahme an dem außergewöhnlichen Bergereignis und danach tadelt er ihn für sein Unverständnis, das er in dessen unpassendem Vorschlag erblickt, Hütten zu bauen und damit Jesus von Mose und Elia zu trennen.989 Zuletzt deutet Hieronymus die Erzählung aus der Perspektive des göttlichen Vaters. Die Erscheinung der Wolke wird als eine Antwort des Vaters auf den Vorschlag Petri betrachtet. Der Vater bewerte die Empfehlung Petri nicht positiv, weil er dadurch Jesus auf dieselbe Ebene wie Mose und Elia stellen würde: „,O Petre, qui dicis: Faciam uobis tria tabernacula, tibi unum, et Moysi unum, et Heliae unum: nolo ut facias tria tabernacula. Ecce ego tibi dedi tabernaculum, quod uos protegat. Noli aequaliter Domino et seruis facere tabernacula. […] Nolite conseruos sic honorare, quomodo Dominum: Dei Filium solum audite.ʻ“990

Darüber hinaus nimmt Hieronymus auf der Basis von Mk 9,7 eine dogmatische Präzisierung vor. Er versucht, innerhalb der Rede aus der Wolke durch Ergänzung die innertrinitarische Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn zu verdeutlichen, indem er den bekannten Begriff homoousios mit „de mea natura, de mea substantia“ übersetzt und knapp durch fingierte göttliche „Ich-Rede“ erklärt.991 Insofern schreibt Hieronymus im Rahmen seiner Auslegung die göttliche Rede fort. Jesus wird als Sohn Gottes („Filius Dei“992) und als Herr („Dominus“993) bezeichnet, der desselben Wesens mit dem Vater ist („Hic est Filius meus de mea natura, de mea substantia“994), im Vater bleibt 986

Vgl. ebd. 166. Vgl. ebd. 170. 988 Vgl. ebd. 989 Vgl. ebd. 166–168. 990 Vgl. ebd. 168–170. 991 Vgl. ebd. 170, Anm. 1. 992 Ebd. 170. 993 Ebd. 994 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 987

H. Hieronymus

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(„in me manens“995) und gänzlich ist, was der Vater auch ist („totus quid ego sum“996). Hieronymus betrachtet die Verwandlung Jesu als Verwirklichung von dessen Voraussage der Schau des Gottesreichs.997 Die Angabe der sechs Tage wird mit der Schöpfung in Verbindung gesetzt und die Anwesenheit der drei Jünger verdankt sich, wie auch Chrysostomos glaubt, ihrem tugendhaften Verhalten.998 Mose und Elia gelten als Symbole des Gesetzes bzw. der Propheten. Sie sprechen mit Jesus, d. h., sie verkündigen das Kommen Jesu im Voraus.999 Wie Chrysostomos bewertet auch Hieronymus den Vorschlag Petri ambivalent: als Zeichen seines guten Willens, bei den himmlischen Dingen länger bleiben zu können, und zugleich als Indiz für sein Unverständnis hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Jesus, Mose und Elia, d. h. Evangelium, Gesetz und Propheten, die zusammenbleiben und nicht getrennt werden sollen.1000 Die Offenbarung der Trinität konstituiert nach Hieronymus schließlich den Gipfel der Erzählung, insbesondere die deutende Funktion der Feststellung der wahren Identität Jesu. Während der aus der Wolke ertönenden Rede des Vaters gehen Mose und Elia weg.1001 Oder anders gesagt: Sie vereinigen sich mit Jesus, sodass am Ende nur er zu sehen ist, und somit münden das Gesetz und die Propheten in das Evangelium ein.1002 2. Der Text der Perikope in der 6. Markushomilie Während seiner Tätigkeit als Sekretär des Papstes Damasus in Rom (zwischen 382 und 385) wurde Hieronymus von diesem beauftragt, wegen der offensichtlichen Abweichungen und Widersprüchlichkeiten der lateinischen Evangelientexte eine einheitliche Version der vier Evangelien auf Latein herzustellen, was aus dem Damasus gewidmeten Vorwort des revidierten Textes der vier Evangelien gefolgert werden kann.1003 Höchstwahrscheinlich konstituierten solche Diskrepanzen ein Problem in jener Zeit, denn auch später wird

995

Ebd. Ebd. 997 Vgl. ebd. 154. 998 Vgl. ebd. 158. 999 Vgl. ebd. 162–164. 1000 Vgl. ebd. 164–168. 1001 Vgl. ebd. 170. 1002 Vgl. ebd. 172. 1003 Vgl. Praefatio (PL 29, 525.528): „Novum opus facere me cogis ex veteri, ut post exemplaria Scripturarum toto orbe dispersa quasi quidam arbiter sedeam. […] Quae ne multum a lectionis Latinae consuetudine discreparent, ita calamo temperavimus, ut his tantum quae sensum videbantur mutare, correctis, reliqua manere pateremur ut fuerant.“ Außerdem siehe noch HENNE, Jérôme, 83–84; ACKROYD/EVANS (Hg.), History, 513–514, und STOTZ, Bibel, 10–11. 996

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Hieronymus aufgefordert, ähnliche Textwidersprüche aufzulösen.1004 Zu diesen Unstimmigkeiten trugen Hieronymus zufolge hauptsächlich die vielen Bearbeitungen der Handschriften durch ungebildete Übersetzer und Kopisten bei.1005 Zugleich beschwert er sich darüber, dass es damals fast so viele lateinische Textversionen der Evangelien wie Handschriften gab: „Si enim Latinis exemplaribus fides est adhibenda, respondeant, quibus: tot enim sunt exemplaria pene quot codices.“1006 Richard Simon vermutet, dass Hieronymus den schlechten Zustand der lateinischen Handschriften und Textvarianten der Evangelien absichtlich übertreibt, um die Notwendigkeit seines Projektes zu betonen.1007 So gelang es ihm, einen zuverlässigen lateinischen Text der vier Evangelien herzustellen, indem er die lateinischen Versionen durch Rückgriff auf griechische Handschriften bearbeitete.1008 Simon konnte mittlerweile zeigen, dass die von Hieronymus zur Bearbeitung des lateinischen Textes der Evangelien verwendeten griechischen Handschriften wahrscheinlich drei Manuskripten ähnlich sind: Codex Bezae Cantabrigiensis (Dea 05 – 5. Jh.), Codex Claromontanus (Dp 06 – 6. Jh.) und Codex Sangermanensis (0319 – 9. Jh.).1009 Wie Hieronymus selbst behauptet, war sein Verfahren herausfordernd, einerseits, weil es gute Sprachkenntnisse voraussetzte,1010 und anderer-

1004 Epist. 59 ad Marcellam (PL 22, 586–589); Epist. 120 ad Hedibiam (PL 22, 980– 981); Epist. 121 ad Algasiam (PL 22, 1008–1010). 1005 Vgl. Praefatio (PL 29, 527–528): „Quibus utique nec in veteri Instrumento post Septuaginta Interpretes emendare quid licuit, nec in Novo profuit emendasse: cum multarum gentium linguis Scriptura ante translata, doceat falsa esse quae addita sunt. […] Magnus siquidem hic in nostris codicibus error inolevit, dum quod in eadem re alius Evangelista plus dixit, in alio quia minus putaverint, addiderunt. Vel dum eundem sensum alius aliter expressit, ille qui unum e quatuor primum legerat, ad ejus exemplum caeteros quoque aestimaverit emendandos. Unde accidit, ut apud nos mixta sint omnia, et in Marco plura Lucae atque Matthaei: rursum in Matthaeo plura Joannis et Marci, et in caeteris reliquorum quae aliis propria sunt, inveniantur.“ 1006 Vgl. ebd. 526. 1007 Vgl. SIMON, History, 306: „But for the fact that some of the early copies to which St Jerome refers still survive today, it could readily be imagined that he was exaggerating their shortcomings in order to stress the need for a revision of the Latin text that corresponded to Greek sources which were just as defective.“ 1008 Vgl. Praefatio (PL 29, 525): „Et quia inter se variant, quae sint illa quae cum Graeca consentiant veritate, decernam. […] Cur non ad Graecam originem revertentes, ea quae vel a vitiosis interpretibus male edita, vel a praesumptoribus imperitis emendata perversius, vel a librariis dormitantibus addita sunt, aut mutata, corrigimus?“ 1009 Vgl. SIMON, History, 305–318. 1010 Vgl. Praefatio (PL 29, 525): „Pius labor, sed periculosa praesumptio, judicare de caeteris, ipsum ab omnibus judicandum: senis mutare linguam, et canescentem jam mundum ad initia retrahere parvulorum.“

297

H. Hieronymus

seits, weil er mit den Vorurteilen zu kämpfen hatte, dass der alte Text beschädigt gewesen und damit ein Sakrileg begangen worden sei.1011 Um die Charakteristika des von Hieronymus in seiner Auslegung der Verwandlungserzählung verwendeten Markustextes herauszuarbeiten, wird im Folgenden dieser mit dem von ihm revidierten Markustext und mit dem griechischen Text aus NA28 verglichen. Die Abweichungen zwischen den drei Textversionen werden in der folgenden Tabelle kursiv markiert. Wenn Abweichungen der von Hieronymus verwendeten Texte auf die anderen zwei Textversionen zurückzuführen sind, wird dies in Klammern angefügt. Da Hieronymus in seiner 6. Markushomilie den Text der Verwandlungserzählung zweimal wiedergibt und manchmal zur Beschreibung derselben Szene unterschiedliche Wörter zitiert, werden in der dritten Kolumne gegebenenfalls beide Lesarten durch einen Schrägstrich getrennt angeführt. Darüber hinaus platziert Hieronymus im Rahmen seiner Rezension des gesamten Markusevangeliums (unten angeführt in der zweiten Textkolumne)1012 den Text von Jesu Logion hinsichtlich der Schau des Gottesreichs und des Kostens des Todes am Ende des achten Kapitels, d. h. in Mk 8,38, und nicht wie die griechischen Ausgaben zu Beginn des neunten Kapitels, d. h. in Mk 9,1. Diese Zählweise der Verse der Verwandlungserzählung, die bei Hieronymus zu finden ist, entspricht der Vulgata-Zählung. Deswegen werden in der ersten Kolumne beide Zählweisen (die lateinische bei Hieronymus und in der Vulgata und die griechische in NA28) wiedergegeben.

Mk 9,1/ 8,38

1011

Kritische Ausgabe des Markustextes 9,1–8 (NA28)

Rekonstruktion des Textes in dem von Hieronymus revidierten Markusevangelium (Mk 8,38–9,7)1013

Rekonstruktion des Textes in der 6. Markushomilie des Hieronymus (Mk 9,1–8)1014

Καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς·

Et dicebat illis: Amen dico vobis, quia sunt quidam de hic stantibus, qui non gustabunt mortem, donec videant regnum Dei veniens in virtute.

Amen dico uobis quia sunt quidam de hic adstantibus qui non gustabunt mortem donec uideant regnum Dei ueniens in uirtute sua.

ἀµὴν λέγω ὑµῖν ὅτι εἰσίν τινες ὧδε τῶν ἑστηκότων οἵτινες οὐ µὴ γεύσωνται θανάτου ἕως ἂν ἴδωσιν τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ ἐληλυθυῖαν ἐν δυνάµει.

Vgl. ebd. 525–526: „Quis enim doctus pariter vel indoctus, cum in manus volumen assumpserit, et a saliva, quam semel imbibit, viderit discrepare quod lectitat, non statim erumpat in vocem, me falsarium, me clamans esse sacrilegum, qui audeam aliquid in veteribus libris addere, mutare, corrigere?“ 1012 Vgl. Ordo (PL 29, 595). 1013 Vgl. ebd. 1014 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 151–173).

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

Mk 9,2/ 9,1

Καὶ µετὰ ἡµέρας ἓξ παραλαµβάνει ὁ Ἰησοῦς τὸν Πέτρον καὶ τὸν Ἰάκωβον καὶ τὸν Ἰωάννην καὶ ἀναφέρει αὐτοὺς εἰς ὄρος ὑψηλὸν κατ’ ἰδίαν µόνους. καὶ µετεµορφώθη ἔµπροσθεν αὐτῶν.

Et post dies sex assumit Jesus Petrum, et Jacobum, et Joannem: et ducit illos in montem excelsum seorsum solos, et transfiguratus est coram ipsis.

Et post dies sex adsumpsit/adsumens Iesus Petrum et Iacobum et Iohannem, et ducit illos in montem excelsum seorsum solos, et transfiguratus est coram eis.

Mk 9,3/ 9,2

Καὶ τὰ ἱµάτια αὐτοῦ ἐγένετο στίλβοντα λευκὰ λίαν, οἷα γναφεὺς ἐπὶ τῆς γῆς οὐ δύναται οὕτως λευκᾶναι.

Et vestimenta ejus facta sunt splendentia, et candida nimis velut nix (Mt), qualia fullo non potest super terram candida facere.

Et uestimenta eius facta sunt splendentia et candida nimis qualia fullo non potest in terra facere.

Mk 9,4/ 9,3

Καὶ ὤφθη αὐτοῖς Ἠλίας σὺν Μωϋσεῖ καὶ ἦσαν συλλαλοῦντες τῷ Ἰησοῦ.

Et apparuit illis Elias cum Moyse: et erant loquentes cum Jesu.

Et apparuit illis Helias cum Moyse, et erant loquentes cum Iesu.

Mk 9,5/ 9,4

Καὶ ἀποκριθεὶς ὁ Πέτρος λέγει τῷ Ἰησοῦ· ῥαββί, καλόν ἐστιν ἡµᾶς ὧδε εἶναι, καὶ ποιήσωµεν τρεῖς σκηνάς, σοὶ µίαν καὶ Μωϋσεῖ µίαν καὶ Ἠλίᾳ µίαν.

Et respondens Petrus, ait Jesu: Rabbi, bonum est nos hic esse: Et faciamus tria tabernacula, tibi unum, et Moysi unum et Eliae unum.

Et respondens ait Petrus Iesu: Rabbi bonum est nos hic esse: Domine uis ut (Mt) faciamus tria tabernacula, tibi unum et Moysi unum et Heliae unum.

Mk 9,6/ 9,5

οὐ γὰρ ᾔδει τί ἀποκριθῇ, ἔκφοβοι γὰρ ἐγένοντο.

Non enim sciebat quid diceret: erant enim timore exterriti.

Non enim sciebant/ sciebat quid diceret, erant enim timore perterriti.

Mk 9,7/ 9,6

Καὶ ἐγένετο νεφέλη ἐπισκιάζουσα αὐτοῖς,

Et facta est nubes obumbrans eos:

καὶ ἐγένετο φωνὴ ἐκ τῆς νεφέλης· οὗτός ἐστιν ὁ υἱός µου ὁ ἀγαπητός, ἀκούετε αὐτοῦ.

et venit vox de nube, dicens: Hic est Filius meus charissimus: audite illum.

Et facta est nubes φωτινή (Mt), lucida abumbrans eos, Et uenit uox de caelo/nube, dicens: Hic est Filius meus carissimus, hunc/ipsum audite.

Καὶ ἐξάπινα περιβλεψάµενοι οὐκέτι οὐδένα εἶδον ἀλλὰ τὸν Ἰησοῦν µόνον µεθ’ ἑαυτῶν.

Et statim circumspicientes neminem amplius viderunt nisi Jesum tantum secum.

Mk 9,8/ 9,7

Et statim circumspicientes neminem amplius uiderunt nisi Iesum.

H. Hieronymus

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Die Exegese des Hieronymus ist charakterisiert durch die Abgrenzung der Perikope mit dem Versprechen Jesu über das Kosten des Todes (Mk 9,1) und ihrem Ende mit dem Sehen der Jünger, dass Jesus wieder allein war (Mk 9,8). So wie Origenes und Chrysostomos sieht Hieronymus den Anfang der Verwandlungserzählung also im Logion Jesu vom Kosten des Todes (Mk 9,1), ihr Ende dagegen nicht im Abstieg Jesu vom Berg und im Schweigegebot (Mk 9,9), sondern bereits in der alleinigen Schau Jesu durch die drei Jünger (Mk 9,8). Es ist zunächst festzustellen, dass Hieronymus den ersten Vers der Verwandlungserzählung über das Nichtkosten des Todes und das Schauen des Gottesreichs nicht ins achte Kapitel des Markusevangeliums (wie in dem von ihm revidierten lateinischen Evangeliumstext – Mk 8,38), sondern in dessen neuntes Kapitel (entsprechend dem griechischen Text – Mk 9,1) einordnet. Der Text der Verwandlungsperikope, so wie er in der 6. Markushomilie von Hieronymus wiedergegeben wird, geht abgesehen davon sowohl mit der Textvariante aus dem von Hieronymus revidierten lateinischen Markusevangelium als auch mit dem griechischen Text zusammen. Trotzdem lassen sich aus der Perspektive des griechischen NA28 kleine Änderungen erkennen, die im Folgenden kategorisiert werden können: 1. die Ersetzung eines Wortes durch ein Synonym und einer Pronominaloder Verbform durch eine andere Pronominal- oder Verbform und 2. die Auslassung bzw. Hinzufügung eines Wortes oder mehrerer Wörter. Die Änderungen der ersten Kategorie betreffen hauptsächlich den Vergleich zwischen den beiden lateinischen Texten des Hieronymus, beeinträchtigen aber kaum den Textsinn. Er verwendet adstantibus statt stantibus (9,1 – durch Übersetzung des griechischen τῶν ἑστηκότων), adsumpsit oder adsumens statt assumit (9,2 – durch Übersetzung von παραλαµβάνει), eis statt ipsis (9,2 – durch Übersetzung von αὐτῶν), Helias statt Elias (9,4 – durch Übertragung des griechischen Ἠλίας), Heliae statt Eliae (9,5 – durch Übertragung des griechischen Ἠλία), Iesu statt Jesus (9,5 – durch Übertragung des griechischen Ἰησοῦ), sciebant statt sciebat (9,6 – durch Übersetzung des griechischen ᾔδει), perterriti statt exterriti (9,6 – durch Übersetzung des griechischen ἔκφοβοι ἐγένοντο), abumbrans statt obumbrans (9,7 – durch Übersetzung des griechischen ἐπισκιάζουσα) und hunc oder ipsum statt illum (9,7 – durch Übersetzung des griechischen αὐτοῦ). Darüber hinaus ersetzt er in der Homilie anlässlich der Beschreibung der Verwandlung Jesu das räumliche Adverb super aus dem revidierten Markustext (Übersetzung des griechischen ἐπί) durch die räumliche Präposition in (9,2). Dadurch bleibt aber der Textsinn erhalten, obwohl das Adverb super die Bedeutung des griechischen Originalwortes ἐπί besser als die Präposition in wiedergibt. Zu den Änderungen der zweiten Kategorie gehören zuerst die Auslassung der ersten Wörter aus Mk 9,1 Et dicebat illis (Übersetzung des griechischen καὶ ἔλεγεν αὐτοῖς) und der

300

Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

letzten Wörter aus Mk 9,8 tantum secum (Übersetzung des griechischen µεθ’ ἑαυτῶν). Die Weglassung der Wörter tantum secum in der 6. Markushomilie, die das Alleinbleiben Jesu bei oder mit seinen drei Jüngern am Ende der Verwandlungserzählung betont, ähnelt der Matthäusfassung. Außerdem ändert Hieronymus den Text der Verwandlungserzählung in seiner 6. Markushomilie auch dadurch, dass er Informationen hinzufügt, die weder im griechischen noch im revidierten lateinischen Text zu finden sind. So ergänzt er erstens die in Mk 9,1 zitierte Jesusrede zum Kommen des Gottesreichs in Kraft durch die Beifügung eines Possessivpronomens – sua. Zweitens ergänzt er die Petrusrede aus Mk 9,5, indem er zu Anfang Domine uis ut beifügt. Drittens beschreibt er die Wolke aus Mk 9,7 ergänzend als φωτινή, lucida. Diese beiden Ergänzungen sind typisch für den matthäischen Text. Dort wird betont, dass die Initiative Petri, drei Hütten zu bauen, vom Willen Jesu abhängig gemacht wird (εἰ θέλεις – Mt 17,4), und auch dort wird die Wolke als φωτινή (Mt 17,5) gekennzeichnet. Zusammenfassend kann geschlussfolgert werden, dass sich die Textänderungen in der 6. Markushomilie in erster Linie durch eine Harmonisierungstendenz erklären lassen, wonach Hieronymus auf zusätzliche Passagen aus dem Matthäusevangelium zurückgreift, um die markinische Darstellung der Verwandlungserzählung zu vervollständigen. Es ist eine Neigung, die auch bei Origenes und Chrysostomos feststellbar ist. Doch im Unterschied zu Origenes und Chrysostomos rekurriert Hieronymus ausschließlich auf Textergänzungen aus dem Matthäusevangelium, wahrscheinlich deswegen, weil er kurz vor der Auslegung des Markusevangeliums in seinen Homilien auch das Matthäusevangelium in einem exegetischen Kommentar analysierte. Darüber hinaus ändert er den Text in seiner 6. Markushomilie, indem er einige Wörter durch Synonyme ersetzt. Ein möglicher Grund dafür könnte gewesen sein, dass er den Text im Rahmen seiner Homilie in mündlicher Rede aus dem Gedächtnis zitierte.1015 Girod geht jedoch weiter, indem er diese Ersetzung der Wörter als einen Prozess der Umschreibung der Perikopen bezeichnet und dies als besonderes Profil des Predigers Hieronymus kennzeichnet.1016 III. Grundprinzipien des Schriftverständnisses von Hieronymus in der Auslegung der Verwandlungserzählung Obwohl Hieronymus seine hermeneutischen Grundprinzipien nicht in einer dem Origenes ähnlichen Weise systematisiert hat,1017 kann festgehalten werden, dass sein Bibelverständnis in der Hauptsache von Origenes beeinflusst 1015

Vgl. HENNE, Jérôme, 134–136. Vgl. GOURDAIN, Introduction, 49: „Un processus de réécriture“. 1017 Vgl. JAY, Vocabulaire, 3: „Saint Jérôme nʼa pas formulé de façon systématique les règles de son interprétation de lʼÉcriture. Rien en effet dans son œuvre qui soit lʼéquivalent, par exemple, du livre IV du Peri archôn dʼOrigène.“ 1016

H. Hieronymus

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wurde.1018 Dieser Einfluss erfolgte nicht zuletzt darüber, dass er manche exegetischen Homilien des Alexandriners sowie sein Grundlagenwerk De Principiis ins Lateinische übersetzte.1019 In einem im Jahr 399 verfassten und an Pammachius und Oceanus adressierten Brief schreibt Hieronymus zu seiner Übersetzung von Origenes’ Werk De Principiis allerdings, dass er, obwohl er in der Bibel(auslegung) von Origenes (besser gesagt: von dessen exegetischen Werken) unterwiesen wurde, dessen theologische Doktrin ablehnt: „et cum me in sanctis Scripturis erudiret, nunquam illius contentiosum super sensu dogma suscepi“.1020 Hieronymus unterscheidet zwischen dem Bibelexegeten Origenes, den er bewunderte, und dem Dogmatiker Origenes, dem er widersprach: „Laudavi interpretem, non dogmatisten; ingenium, non fidem; Philosophum, non Apostolum.“1021 Hieronymus greift in manchen seiner Auslegungen auf origenistische Interpretationen zurück; so verweist er im Vorwort seines Matthäuskommentars z. B. darauf, frühere Exegesen konsultiert zu haben. An erster Stelle erwähnt er Origenes mit seinem Matthäuskommentar in 25 Büchern: „Legisse me fateor ante annos plurimos in Matheum Origenis uiginti quinque uolumina et totidem eius homelias commaticumque interpretationis genus.“1022 Zugleich verweist er darauf, dass Origenes das Matthäusevangelium auch in Homilien ausgelegt hat. Das gilt auch für den Kommentar des Hieronymus zum Epheserbrief, für den er an erster Stelle Origenes als Gewährsmann nennt: „Ego enim in Commentariis ad Ephesios sic Origenem et Didymum et Apollinarium secutus sum.“1023 In Anlehnung an Origenes entwickelte Hieronymus eine biblische Exegese, die durch die Unterscheidung von einem dreifachen Textsinn bestimmt wird: den historischen (oder Literalsinn), den moralischen oder tropologischen und den geistliche Sinn. Am besten ist seine exegetische Perspektive innerhalb seiner Briefe in seinem Brief an Hedibia dargestellt.1024 Diese Briefe gehören zum literarischen Genre der quaestiones et responsiones1025 und konstituieren eine wichtige und bisher unterschätzte Quelle des Bibelver-

1018

Vgl. HAGEMANN, Begegnung, 186–191. Hier seien z. B. die Übersetzungen von Origenesʼ Homilien zu Jeremia (vgl. Nautin, SC 232, Paris 1976), zu Ezechiel (vgl. Borret, SC 352, Paris 1989), zum Hohen Lied Salomos (vgl. Rousseau, SC 37, Paris 1954) und zum Lukasevangelium (vgl. Fournier/ Périchon, SC 87, Paris 1962) erwähnt. 1020 Epist. 84 ad Pamm. et Oc. (PL 22, 745). 1021 Vgl. ebd. 1022 Vgl. Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 68). 1023 Apologia adversus Libros Rufini (PL 23, 409). 1024 Vgl. HENNE, Jérôme, 137: „Cʼest dans la Lettre 120 adressée à Hédybia que Jérôme exprime le mieux sa conception du travail exégétique.“ 1025 Vgl. BARDY, Littérature, 210–236; PERRONE, Perspectives, 151–164; VOLGERS/ ZAMAGNI (Hg.), Erotapokriseis, 204. 1019

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

ständnisses des Hieronymus,1026 denn „Exegese ist das prägende inhaltliche Element fast eines jeden Briefes von Hieronymus“.1027 In seinem 120. Brief an Hedibia behandelt Hieronymus zwölf Fragen, die ihm von der adeligen Frau Hedibia aus Bordeaux zu schwierigen Bibelstellen gestellt wurden.1028 Bei der Erläuterung der letzten Frage zu 1 Thess 5,13 zitiert er eine Stelle aus Spr 22,20–21, wo Salomo seine Leser ermahnt, die von ihm gelernten Lehren dreifach zu beschreiben.1029 Daraus erschließt Hieronymus die Möglichkeit, auch die Bibel anhand einer dreifachen Beschreibung zu analysieren: „Triplex in corde nostro descriptio, et regula Scripturarum est.“1030 Die erste Analyse betrifft die historia: „Prima, ut intelligamus eas juxta historiam.“1031 Sie besteht im einfachen Untersuchen der Fakten und ihrer Reihenfolge: „In historia, eorum quae scripta sunt, ordo servatur.“1032 Es folgt die zweite Analyse im Hinblick auf die Tropologie bzw. den Moralsinn: „Secunda, juxta tropologiam.“1033 Sie besteht darin, den Buchstaben zu verlassen und die moralischen Bedeutungen der Texte und ihre Anwendung auf die Erbauung der eigenen Seele zu untersuchen: „In tropologia, de littera ad majora consurgimus […] juxta moralem interpretamur locum, et ad animae nostrae emolumenta convertimus.“1034 Schließlich kommt drittens die geistliche Analyse („tertia, juxta intelligentiam spiritualem“1035), die auch geistliche theoria („spirituali θεωρίᾳ“1036) genannt wird, in deren Rahmen die Leser der Bibel ermuntert werden, sich von den irdischen Dingen zu entfernen, um sich ausschließlich mit himmlischen Dingen und der zukünftigen Freude zu beschäftigen: „ad sublimiora transimus, terrena dimittimus, de futurorum beatitudine, et coelestibus disputamus“.1037 Gemäß dieser geistlichen Analyse erscheint das gegenwärtige Leben als ein Schatten des kommenden Glücks: „ut praesentis vitae meditatio, umbra futurae beatitudinis sit“.1038 In seiner Auslegungspraxis aber konzentriert sich Hieronymus, wie auch schon Origenes, vorwiegend auf die Erschließung von zwei Bedeutungen der biblischen 1026

Vgl. CAIN, Letters, 169. CONRING, Briefschreiber, 225. 1028 Vgl. Epist. 120 ad Hedibiam (PL 22, 981–1006). Dazu siehe noch CAIN, Correspondence, 15–34, und DERS., Letters, 181–188. 1029 Vgl. Epist. 120 ad Hedibiam (PL 22, 1005): „Salomone dicente: Tu autem describe ea tripliciter in consilio et scientia; ut respondeas verbo veritatis, his qui proponunt tibi (Prov. 22,20.21).“ 1030 Ebd. 1031 Ebd. 1032 Ebd. 1033 Ebd. 1034 Ebd. 1035 Ebd. 1036 Ebd. 1037 Ebd. 1038 Ebd. 1027

H. Hieronymus

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Texte, nämlich den historischen und den geistlichen,1039 was auch für seine Markushomilien und die Verwandlungserzählung gilt. 1. Zweifacher Schriftsinn: wörtlich und übertragen Die Hervorhebung des zweifachen Schriftsinns konstituiert die Hermeneutik des Hieronymus in seinen exegetischen Werken.1040 Trotz der terminologischen Ungenauigkeit, mit der Hieronymus die historische und die geistliche Dimension der Texte erläutert,1041 treten doch einige Begriffe deutlich hervor. Im Rahmen seiner 6. Homilie zum Markusevangelium bringt Hieronymus häufig sein Verständnis vom zweifachen Schriftsinn zum Ausdruck und analysiert außerdem auch das Verhältnis des einen Sinns zum anderen.1042 Der historische Sinn wird von ihm mittels der Begriffe historia 1043 und littera1044 dargestellt, die als Synonyme begegnen. Expressis verbis sagt Hieronymus nicht, was er unter den beiden Termini versteht. Aus seinem exegetischen Verfahren lässt sich aber schlussfolgern, dass er darunter den Literalsinn der Bibeltexte versteht. Jedes Mal, wenn er im zweiten Teil seiner Homilie den Text der Verwandlungserzählung zitierend oder paraphrasierend wiedergibt, pointiert er dessen Literalsinn anhand von Formulierungen wie „hoc secundum historiam“1045 oder „secundum historiam hoc dicitur“.1046 Bei 1039

Vgl. SCHADE, Inspirationslehre, 111: „Man hat das Gefühl, daß er den dreifachen Schriftsinn als überkommenes Erbstück mit sich herumschleppt, ohne recht zu wissen, was er damit anfangen soll. Die Schuld liegt freilich nicht an ihm, sondern an dem logischen Fehler, an dem diese Dreiteilung nun einmal leidet, da sie Glieder enthält, die, statt sich gegenseitig auszuschließen, eng miteinander verwandt sind. So erklärt es sich dann auch, daß wir so wenig von dem dreifachen, dagegen ungezähltemal von einem zweifachen Schriftsinne, dem buchstäblichen und dem geistigen, zu hören bekommen.“ Dazu vgl. auch HENNE, Jérôme, 138: „Mais en pratique lʼun et lʼautre passeront directement du sens historique au sens allégorique.“ Vgl. auch HAGEMANN, Begegnung, 214–219. 1040 Vgl. GOURDAIN, Introduction, 33. 1041 Vgl. DE LUBAC, Typologie, 180; JAY, Vocabulaire, 4. Außerdem siehe auch HAGEMANN, Begegnung, 196: „Für beide Begriffe kennt Hieronymus sehr viele Abwandlungen.“ 1042 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154): „Hoc interim diximus secundum sublimiorem sensum: ceterum dicamus de historia.“ 1043 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154.156). Historia wird innerhalb der Markushomilien 15-mal verwendet und auf die erste, buchstäbliche Bedeutung der Texte bezogen. Dafür siehe GOURDAIN, Introduction, 34. 1044 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 160). Littera ist 16-mal in seinen Homilien zum Markusevangelium belegt. Jenseits der primären Bedeutung als Buchstabe oder Wort der Bibel, wird durch littera neunmal der Literalsinn bezeichnet. Siebenmal assoziiert Hieronymus littera in einer abwertenden Weise mit dem jüdischen Verständnis der Bibeltexte. Dafür siehe GOURDAIN, Introduction, 34–35. 1045 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154). 1046 Ebd.

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der Analyse der Zeitangabe aus Mk 9,2 z. B. führt Hieronymus einen synoptischen Vergleich durch und konstatiert einen Unterschied zwischen den Evangelien gemäß der Geschichte, d. h. des Literalsinns: „Secundum historiam esse distantiam“.1047 Das Verstehen gemäß der Geschichte ist nach Hieronymus mit dem Verstehen entsprechend dem Buchstaben gleichzusetzen. Trotzdem soll das Schriftverständnis nicht nur durch die ausschließliche Wertschätzung des geschichtlichen Sinns der Texte charakterisiert werden, denn in solchem Fall würde es „jüdischem“ Schriftverständnis ähneln, das dem tötenden Buchstaben folgt.1048 Außerdem soll mit der Bezugnahme auf den Literalsinn der Verwandlungserzählung die Geschichtlichkeit des erzählten Ereignisses betont werden. Dem Literalsinn stellt Hieronymus den höheren Sinn („sublimiorem sensum“1049) gegenüber, den er entweder als Tropologie („secundum tropologiam“1050) oder als geistliche Erkenntnis („spiritalem intellegentiam“,1051 „spiritaliter intellegimus“,1052 „spiritaliter intellegis“1053) bezeichnet. Das geistliche Verstehen des Bibeltextes soll dem Geist entsprechen, der den Text inspiriert hat. Daher fordert Hieronymus am Anfang seiner Auslegung auch das Gebet der Hörenden.1054 Das Erschließen des geistlichen Textsinns bedeutet für ihn nach dem Vorbild des Paulus das Offenbaren der Mysterien des Textes,1055 d. h. das Erschließen seiner symbolischen Bedeutung. Ohne geistliche Auslegung sind manche Bibelgeschichten, wie z. B. von Juda und

1047

Ebd. Vgl. ebd. 162: „Quamdiu iudaice intellegimus et litteram sequimur occidentem.“ 1049 Ebd. 154. 1050 Ebd. 152. 1051 Ebd. 156. Der Ausdruck wird von Hieronymus sechsmal im Rahmen der Markushomilien gebraucht. Dafür vgl. GOURDAIN, Introduction, 36. 1052 Ebd. 160. Spiritaliter intellegere wird siebenmal innerhalb desselben Homilienkorpus verwendet. Vgl. GOURDAIN, Introduction, 36. Darüber hinaus wird der übertragene Sinn der biblischen Texte im Rahmen der Markushomilien auch mit Begriffen wie typus und allegoria umschrieben. Für typus siehe Hom. 1 in Mc. (Gourdain, SC 494, 82), wo der Prophet Ezechiel als Typos von Jesus dargestellt wird: „Denique in uolumine Iezechielis, qui proprie Iezechiel in typo Saluatoris est.“ Für allegoria siehe Hom. 5 in Mc. (Gourdain, SC 494, 142), in welcher Hieronymus die Anwendung der Allegorie auf die biblischen Texte rechtfertigt: „Putatis non uim Scripturae sanctae facere? Forsitan aliquis dicat in tacita cogitatione: ,Iste semper allegorias sequitur, uim Scripturae sanctae facit.ʻ Quid causae est, respondeat mihi qui hoc cogitat, quid causae est, ut ingrediatur in Bethsaida, ut offeratur ei caecus?“ 1053 Ebd. 1054 Vgl. ebd. 156–158 [Hervorhebung im Original]: „Post dies sex. Orate Dominum ut eodem spiritu quo dicta sunt exponantur.“ 1055 Vgl. ebd. 156: „sacramenta prodidit“. Vgl. ebd. 158. 1048

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Tamar, von Noah oder von Onan, überhaupt nicht zu verstehen.1056 Wer dagegen die Bibeltexte geistlich versteht, erkennt die einfachen Buchstaben als Worte Gottes.1057 Infolgedessen ist die ganze Bibel nur geistlich recht zu verstehen („omnia spiritaliter intellegere quae scripta sunt“1058), weil auf diese Weise dem Vorbild des Apostels gefolgt wird („sin autem apostolos sequeris, et spiritaliter intellegis“1059) und die Seele davon am meisten profitieren kann: „Videtis quomodo prodest animae nostrae intellegentia spiritalis?“1060 Obwohl Hieronymus in seiner Homilie zur Verwandlungserzählung den Eindruck erweckt, dass der historische Sinn dem geistlichen völlig untergeordnet sei, vertritt er eigentlich eine zwischen dem historischen und dem geistlichen Textsinn vermittelnde Position. Sie sollen einander ergänzen und sind korrelativ zu sehen.1061 Der historische Sinn wird also nicht gänzlich negiert, aber dem geistlichen Sinn ein deutlicher Vorrang eingeräumt: „Non historiam denegamus, sed spiritalem intellegentiam praeferimus.“1062 Hieronymus rekurriert in diesem Zusammenhang auf die paulinische Interpretation der beiden Frauen Abrahams, Sara und Hagar.1063 Auch Paulus lehnte nach Hieronymus nicht die Geschichte ab, hob aber die Mysterien des Textes hervor: „Historiam non negauit, sed sacramenta prodidit.“1064 Um zu den Mysterien des Textes, d. h. zu dessen geistlichem Sinn zu kommen, ist vorher eine wörtliche Betrachtung erforderlich: „Singula uerba discutimus, ut ad lectionis mysteria perueniamus.“1065 Die Untersuchung des Literalsinns führt gewissermaßen in die Erschließung des geistlichen Sinns ein: „Si enim pulchra uestibula sunt, qualis ipsa domus erit?“1066 Trotzdem entsteht manchmal der Eindruck, dass Hieronymus den zweifachen Sinn antagonistisch 1056

Vgl. ebd. 164: „Si enim litteram iudaice sequaris, quid tibi prodest legere quod Iudas concubuerit cum Thamar nuru sua? Quid tibi prodest, quod Noe inebriatus est et denudatus est? Quid tibi prodest, quia Onan filius Iudae fecit rem turpissimam, quam dicere erubesco: quid, inquam, tibi prodest?“ 1057 Vgl. ebd. 160: „Si quis litteram sequitur, et deorsum est totus, et terram respicit more brutorum animalium, hic non potest uidere Iesum in ueste candida. Qui autem sequitur sermonem Dei, et ad montana, id est, ad excelsa conscendit, isti Iesus statim commutatur.“ 1058 Ed. 162. 1059 Ebd. 160. 1060 Ebd. 162–164. 1061 Vgl. HAGEMANN, Begegnung, 195–199. 1062 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 156). 1063 Vgl. ebd.: „Nec haec nostra sententia est: sequimur apostolorum sententiam, et maxime uasis electionis, qui ea uerba, quae Iudaei intellexerunt in mortem suam, intellexit in uitam suam, apostolus uidelicet qui dicit quod Sara et Agar in duo Testamenta interpretentur, scilicet mons Sina et mons Sion. Hoc interpretantur in duo Testamenta.“ 1064 Ebd. 1065 Ebd. 150–152. 1066 Ebd. 152.

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bestimmt. Das Verstehen gemäß dem Buchstaben („secundum litteram“1067), der Geschichte („secundum historiam“1068) oder dem Leib („carnaliter“1069) ist für ihn mit dem Verbleib auf dem irdischen oder sogar dem tierischen Verständnisniveau gleichbedeutend.1070 Das geistliche Verstehen hingegen („intellegentia spiritali“1071) setzt die Verachtung der niedrigen und menschlichen Dinge („humilia et humana contemnunt“1072), das Wünschen der himmlischen und göttlichen Dinge („excelsa et diuina desiderant“1073) sowie das Emporheben zu den himmlischen Tatsachen („condescendere ad caelestia“1074) voraus. So fragt sich Hieronymus, was die Verwandlungserzählung bietet, wenn sie nur nach dem Buchstaben verstanden wird. Wenn sie aber geistlich gedeutet wird, erstrahlen daraus neue Deutungen wie etwa der Kleider Jesu, welche anlässlich der Verwandlung gestrahlt haben, die von ihm symbolisch als Schriftworte verstanden werden.1075 Hieronymus schreibt mehreren Elementen aus der Verwandlungserzählung eine übertragene, geistliche Bedeutung zu. Infolgedessen präzisiert er den von Jesus angekündigten Tod in seiner Rede in Mk 9,1 als den Tod der Sünde.1076 Die Zeitangabe der sechs Tage symbolisiert die in sechs Tagen geschaffene Welt1077 und der Aufstieg auf den Berg bedeutet das Aufgeben der menschlichen und das Erheben zu den himmlischen Dingen.1078 Die strahlenden Kleider Jesu werden als die Worte der Bibel1079 und Mose und Elia als das Gesetz und die Propheten verstanden.1080 Zugleich wird auch Jesus als Sym-

1067

Ebd. 160. Ebd. 154. 1069 Ebd. 164. 1070 Vgl. ebd: „Si quis litteram sequitur, et deorsum est totus, et terram respicit more brutorum animalium.“ 1071 Ebd. 164. 1072 Ebd. 1073 Ebd. 1074 Ebd. 160. 1075 Vgl. ebd.: „Hoc quod legimus, si secundum litteram intellegimus, quid habet in se candidum, quid habet in se splendidum, quid sublime? Si autem spiritaliter intellegimus, statim Scripturae sanctae, hoc est uestimenta sermonis mutantur et candida fiunt uelut nix.“ 1076 Vgl. ebd. 152 [Hervorhebung im Original]: „Sunt quidam, qui non gustabunt mortem: qui uero mortem non uideant, difficile reperitur. Hic autem mortem peccati intellegere debemus.“ 1077 Vgl. ebd. 158: „Nisi enim mundus iste transierit, qui in sex diebus intellegitur.“ 1078 Vgl. ebd. 160: „Qui autem cum Iesu ascendit in montem, et quasi terram deorsum relinquit, meditatur ad montana et ad caelestia conscendere.“ 1079 Vgl. ebd.: „Si autem spiritaliter intellegimus, statim Scripturae sanctae, hoc est uestimenta sermonis.“ Außerdem vgl. ebd. 160–162: „Dicat mihi aliquis, licet non dicat, tamen tacitus secum cogitet: ,Interpretatus es quid sit mors, dixisti sermonem Dei, dixisti uestimenta, Scripturas sanctas […].‘“ 1080 Vgl. ebd. 162: „Statim Moyses et Helias ueniunt, id est Lex et prophetae.“ 1068

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bol des Evangeliums dargestellt und der Versuch Petri, eine Hütte für jede der drei Personen zu bauen, wird von Hieronymus als Zeichen der Intention Petri, das Gesetz, die Propheten und das Evangelium voneinander zu trennen, interpretiert.1081 Die Wolke wird von ihm sowohl als einzigartige Hütte des Heiligen Geistes1082 als auch als Gnade des Heiligen Geistes begriffen.1083 Dieses ganze Bild am Ende der Verwandlungserzählung, mit Jesus auf dem Berg, mit der Stimme aus der Wolke, deutet er als Beweis der Anwesenheit der Trinität.1084 Schließlich deutet Hieronymus auch das Alleinbleiben Jesu übertragen, weil der von den drei Jüngern festgestellte Weggang Moses und Elias darauf hindeute, dass das Evangelium nun Gesetz und Propheten umfasst.1085 Infolge der Herausarbeitung der geistlichen Bedeutung des biblischen Textes erreicht Hieronymus ein Verständnisniveau, wovon er nicht mehr zu den irdischen Wirklichkeiten zurückkehren will. Die Freude des geistlichen Verständnisses ist für ihn unwiderstehlich: „Et ego quando Scripturas lego, et spiritaliter aliquid intellego excelsius, nolo inde descendere, nolo descendere ad humiliora.“1086 IV. Vergleiche der Auslegung des Hieronymus mit historisch-kritischen Methoden Hieronymusʼ Auslegung der Verwandlungserzählung in der 6. Markushomilie zeigt unter anderem, dass seine Bezugnahme auf den untersuchten Text als auf die Rede Gottes („sequitur sermonem Dei“1087) bzw. auf die Heilige Schrift („Scripturae sanctae“1088) geschieht. Zugleich erfolgt die Zielformulierung einer Überwindung irdischer Dinge („quasi terram deorsum relinquit“1089) durch die Betrachtung der im Text vermittelten himmlischen Wirk-

1081

Vgl. ebd. 166: „Vult tria facere tabernacula, Iesu unum, Moysi unum, et Heliae unum: ut Legem separaret, et Prophetas, et Euangelium, quae non possunt separari.“ 1082 Vgl. ebd. 168: „O Petre, qui uis tria facere tabernacula, respice unum tabernaculum Spiritus sancti, qui nos pariter protegit.“ 1083 Vgl. ebd.: „Mihi uidetur ista nubes esse gratia Spiritus sancti.“ 1084 Vgl. ebd.: „Videte mysterium Trinitatis, secundum meam tamen intellegentiam. Ego enim omne quod intellego, sine Christo et Spiritu sancto et Patre nolo intellegere.“ 1085 Vgl. ebd. 170–172: „Dum tres quaerunt, unum inueniunt: immo tres perdentes, unum inueniunt: immo, ut amplius dicam, in uno tres reperiunt. Magis enim inuenitur Moyses et Helias, si in Christo conglobentur. […] sic et Christo praesente conparata Lex et Prophetae penitus non adparent. Non detraho Legi et Prophetis, quin potius laudo, quia Christum praedicant: sed sic lego Legem et Prophetas ut non permaneam in Lege et Prophetis, sed per Legem et Prophetas ad Christum perueniam.“ 1086 Ebd. 164–166. 1087 Ebd. 160. 1088 Ebd. 1089 Ebd.

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lichkeiten („ad caelestia conscendere“1090) und die Begegnung mit Christus („ad Christum perueniam“1091). Darin zeigt sich, dass Hieronymus dem Bibeltext eine von anderen Texten qualitativ unterschiedene Bedeutung beimisst und diesen nicht wie in modernen wissenschaftlichen Methoden mit anderen literarischen Texten gleichstellt1092 und den Unterschied lediglich in seinem Thema sieht, nämlich in großer theologischer Vielfalt den jüdischen bzw. christlichen Glauben zu bezeugen und darzustellen.1093 1. Textanalyse In seiner 6. Markushomilie untersucht Hieronymus die Verwandlungserzählung im Rahmen von Mk 9,1–8. Dies zeigt, dass er eine Perikopenabgrenzung und somit eine Abgrenzung der Texteinheit vornimmt, obwohl er dies nicht explizit thematisiert. Dieses Verfahren unterscheidet sich von dem Procedere in seinem Matthäuskommentar, wo er keine Abgrenzung von Erzählungen vornimmt, sondern die Kapitel Vers für Vers untersucht. Ist der Anfang der Verwandlungserzählung in der 6. Markushomilie nicht ganz eindeutig zu bestimmen, da Mk 9,1 von der übrigen Perikope durchaus getrennt behandelt wird, so gilt dies nicht für den Schluss der Perikope in Mk 9,8, da seine Betrachtung mit diesem Vers endet. Damit ähnelt seine Textwahrnehmung moderner Exegese, die sich mehrheitlich für die Texteinheit Mk 9,2–8 entscheidet,1094 und unterscheidet sich von den Analysen dieser Erzählung durch Origenes und Chrysostomos, die auch das Schweigegebot Jesu an seine drei Jünger mit einbeziehen.

1090

Ebd. Ebd. 172. 1092 Vgl. CONZELMANN/LINDEMANN, Arbeitsbuch, 1: „Trotz dieses Standorts der neutestamentlichen Wissenschaft innerhalb der Theologie entsprechen aber die Methoden, deren sie sich bedient, den Methoden der Auslegung anderer historischer Texte.“ 1093 Vgl. ebd. 3. Trotzdem wird oftmals gesagt, zumindest im Kontext der Exegese des Hieronymus verschiedenster Bücher des Alten Testaments, dass seine Analyse viele Ähnlichkeiten mit der modernen Bibelexegese aufweist. Nach FÜRST, Hieronymus, 212, hat sich Hieronymus „wie kein anderer altkirchlicher Exeget […] Gedanken über Grundsätze und Praxis biblischer Text- und Literarkritik gemacht […]. Mit diesen text- und literarkritischen Fragestellungen gehört Hieronymus zumindest rudimentär in die Vorgeschichte historisch-kritischer Bibelphilologie.“ Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Gesprächspartner, 298: „Beide Modelle haben also ihre Stärken und Schwächen. Es ist an der Zeit, sie im Rahmen einer Win-Win-Strategie miteinander ins Gespräch zu bringen. Vielversprechende Ansätze in der zeitgenössischen Exegese sind bereits erkennbar.“ 1094 Vgl. BAYER, Markus, 326; WILSON, Transfiguration, 60; EDWARDS, Mark, 261; EVANS, Mark, 30–32; GRUNDMANN, Markus, 232; PESCH, Markusevangelium, 70–71; SCHWEIZER, Markus, 97; CRANFIELD, Mark, 289; GNILKA, Markus, II, 30–36; DSCHULNIGG, Markusevangelium, 243. 1091

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Wie die moderne wissenschaftliche Auslegung empfiehlt, stellt Hieronymus Überlegungen zur Verortung der Erzählung in ihrem literarischen Kontext an.1095 Allerdings untersucht er die Bezüge der Perikope nur im Mikround nicht auch im Makrokontext des Markusevangeliums. Infolgedessen steht für Hieronymus außer Frage, dass anlässlich der Verwandlung die drei dort anwesenden Jünger Jesus in der Weise sahen, wie er es in seiner Rede in Mk 9,1 angekündigt hat: „hoc est, uiderunt apostoli qualis regnaturus esset Christus. Videntes illum in monte transfiguratum, uiderunt illum apostoli transfiguratum in gloria sua qualis regnaturus esset.“1096 Das annoncierte Gottesreich aus Mk 9,1 ist nach Hieronymus mit der Herrschaft Jesu äquivalent: „Dixit Dominus ad discipulos ‚quoniam sunt multi de hic adstantibus, qui non gustabunt mortem, donec uideant regnum Dei ueniens in uirtute suaʻ. Quod dicit, hoc est: ,nisi me ante regnantem uiderint, non morientur.ʻ“1097 Diese Überzeugung äußert Hieronymus auch in seiner Exegese der Verwandlungserzählung im Rahmen seines Matthäuskommentars, wenn er schreibt, dass die Herrlichkeit Jesu auf dem Berg seiner Herrschaft ähnlich ist: „Certe transformatus est Dominus in eam gloriam qua uenturus est postea in regno suo.“1098 Im Unterschied zu seiner Exegese aus der 6. Markushomilie betont Hieronymus in seinem Matthäuskommentar auch die Beziehung der Verwandlungserzählung mit dem von Jesus an seine drei Jünger gerichteten Schweigegebot aus Mt 17,9, indem er es als ein pädagogisches Mittel deutet. Denn dieses erstaunliche Ereignis aus dem Leben Jesu, verbunden mit dem Bild seiner Kreuzigung, habe nach Hieronymus Empörung unter den damaligen Nachfolgern Jesu verursacht.1099 Wie bei Origenes und Chrysostomos kann auch hier nicht von einer expliziten sprachlich-syntaktischen Kategorisierung der Wörter des Textes die Rede sein. Die Wörter werden zwar nicht kategorisiert, aber Hieronymus unternimmt eine Untersuchung des Textes, die Ähnlichkeiten mit heutiger semantischer Analyse aufweist.1100 Zuerst wird die Bedeutung einiger im Text vorkommender Wörter erklärt, indem deren griechische Herkunft unterstrichen wird. Bei der Erläuterung der Anwesenheit der drei Jünger auf dem Berg leitet Hieronymus die Gründe dafür von den durch ihre Namen zum Ausdruck kommenden Tugenden ab. Er zeigt auf, dass der Name des Petrus auf das griechische πέτρινος hinweist und die Stärke des Glaubens aus-

1095

Vgl. SCHNELLE, Einführung, 56. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154). 1097 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 1098 Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 28). 1099 Vgl. ebd. 34: „Non ergo uult hoc in populos praedicari, ne et incredibile esset pro rei magnitudine et post tantam gloriam apud rudes animos sequens crux scandalum faceret.“ 1100 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 97–99. 1096

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drückt.1101 Der Name Jakobus wird mit dem griechischen πτερνιστήρ assoziiert und als Sieg über die Gegner des Evangeliums Jesu gedeutet, die dadurch ausgeschlossen sind,1102 während er den Namen Johannes mit „Gnade Gottes“ übersetzt.1103 Anlässlich der Deutung der Wolke rekurriert Hieronymus auf den Matthäustext und betont, dass sie dort als licht charakterisiert wird. Dafür gibt er auch das griechische Wort (φωτινή1104) wieder. Zugleich bearbeitet er in seiner 6. Markushomilie eine Reihe von semantischen Oppositionen, die jedoch nicht alle in der Verwandlungserzählung vorkommen, aber davon hergeleitet werden können. Er unterscheidet: 1. die Liegenden und die Stehenden hinsichtlich der Erläuterung von Mk 9,1 über die Vorausdeutung Jesu, dass nur einige, nämlich die dort Stehenden, nicht die Liegenden, des kommenden Ereignisses teilhaftig werden;1105 2. Sehen und Kosten des Todes bei der Erklärung desselben Verses, wo Hieronymus meint, dass das Kosten des Todes viel gefährlicher als das Sehen des Todes sei;1106 3. diese Welt – das Gottesreich bezüglich der Deutung der Angabe der sechs Tage aus Mk 9,2, die die geschaffene Welt symbolisieren. Geschieht die Verwandlung Jesu nach sechs Tagen, so weist sie nach Hieronymus auf das Himmelreich hin;1107 4. unten, auf der Erde – oben, auf dem Berg bzw. die unten Stehenden – die auf den Berg Steigenden, um die Dynamik von unten nach oben zu verdeutlichen;1108

1101 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 158): „Quomodo enim a Christo dicimur Christiani, ita a Petra dictus est Petrus, hoc est πέτρινος. Si quis ergo de nobis fuerit πέτρινος, et talem, hoc est, eam fidem habuerit, ut super illum aedificetur Ecclesia Christi.“ 1102 Vgl. ebd.: „Si quis fuerit Iacobus πτερνιστήρ id est ,subplantatorʻ […] – cum enim subplantauerimus aduersarios nostros, tunc merebimur gratiam Christi.“ 1103 Vgl. ebd.: „et Iohannes, id est, ,gratia Dominiʻ.“ 1104 Vgl. ebd. 168: „Facta est nubes φωτινή, lucida, et uenit uox de nube, dicens.“ 1105 Vgl. ebd. 150: „Stantibus datur, iacentibus non datur.“ 1106 Vgl. ebd. 152: „Difficile est ergo, ut quis uiuat et non uideat mortem. Inter uidere et gustare differentia est. Qui uidet, uidet quidem, sed non gustat: qui autem gustat, necesse est ut uideat. Videamus quid sit gustare mortem, quid sit uidere mortem. […] Apostoli, quasi apostoli, ne gustauerunt quidem mortem.“ 1107 Vgl. ebd. 158: „Hi regnum Dei non uident, nisi post dies sex. Nisi enim mundus iste transierit, qui in sex diebus intellegitur, uerum regnum non apparebit. Cum autem pertransierit sex dies, qui fuerit Petrus, hoc est, qui ut Petrus a Petra Christo nomen acceperit, regnum uidere merebitur.“ 1108 Vgl. ebd. 158–160: „Simulque considerate quod Iesus, donec deorsum est, non transfiguratur: ascendit, et transmutatur. […] Qui deorsum sunt, et deorsum habent Iesum, et turbae sunt, et in montem ascendere non ualent – in montem enim soli discipuli ascendunt, turbae deorsum remanent […]: qui autem cum Iesu ascendit in montem, et quasi terram deorsum relinquit, meditatur ad montana et ad caelestia conscendere.“

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5. staubige Kleider – weiße Kleider innerhalb seiner Erklärung von Mk 9,3 über das Strahlen der Kleider Jesu. Wer mit Jesus auf den Berg steigt, kann ihn in weißen Kleidern sehen. Wer hingegen unten auf der Erde bleibt, der sieht ihn in staubigen Kleidern;1109 6. niedrige, menschliche Dinge – himmlische, göttliche Dinge in Anlehnung an die letzten beiden Oppositionen. Das Untenbleiben setzt die Teilhabe an minderwertigen Dingen voraus, während der Aufstieg den Zugang zu überlegenen Dingen mit sich bringt;1110 7. drei Hütten – die einzigartige Hütte in Mk 9,5 und 9,7 über den Vorschlag Petri, drei Hütten zu bauen, und die Erscheinung der Wolke, die von Hieronymus als die Hütte par excellence gedeutet wird;1111 8. Diener – Sohn in Mk 9,7; Hieronymus deutet Jesus als Sohn und Mose und Elia als Diener;1112 9. drei – eins im Hinblick auf Mk 9,8, wo Hieronymus zu betonen beabsichtigt, dass am Ende der Verwandlung die drei Jünger nicht mehr drei Personen sahen, sondern nur die Person Jesu, in die Mose und Elia integriert sind.1113 Außerdem arbeitet Hieronymus zwei weitere semantische Oppositionen heraus, welche die ganze Homilie pointieren und die Beziehung zwischen dem historisch-literalen und dem geistlichen Sinn des Bibeltextes im Fokus haben. Es geht einerseits um die Opposition zwischen dem Verstehen gemäß der Geschichte bzw. dem Buchstaben oder dem Leib sowie dem geistlichen bzw. 1109

Vgl. ebd. 161 [Hervorhebung im Original]: „Si quis ergo deorsum est, et de turba est, non potest uidere Iesum in candidis uestimentis, sed in sordidis. […] Qui in terra est et deorsum, hic non potest uestimenta candida facere: qui autem cum Iesu ascendit in montem, et quasi terram deorsum relinquit, meditatur ad montana et ad caelestia conscendere, iste potest talia facere uestimenta, qualia fullo super terram non potest facere.“ 1110 Vgl. ebd. 164: „Vides ergo quomodo Petrus et Iacobus et Iohannes uidentes se esse in monte, hoc est in intellegentia spiritali, humilia et humana contemnunt, excelsa et diuina desiderant: nolunt ad terram descendere, sed toti in spiritalibus inmorari.“ 1111 Vgl. ebd. 169 [Hervorhebung im Original]: „O Petre, qui uis tria facere tabernacula, respice unum tabernaculum Spiritus sancti, qui nos pariter protegit. Si fecisses tabernacula, utique fecisses humana: et utique illa fecisses quae lucem excluderent, et umbram includerent. Nubes autem ipsa lucida et obumbrans, hoc est unum tabernaculum non excludit solem iustitiae, sed includit.“ 1112 Vgl. ebd. 170 [Hervorhebung im Original]: „Noli aequaliter Domino et seruis facere tabernacula. Hic est Filius meus carissimus, ipsum audite. Hic est Filius meus: non Moyses, non Helias. Isti serui sunt, hic Filius est. Hic est Filius meus de mea natura, de mea substantia, in me manens, et totus quod ergo sum […]. Moyses et Helias de Christo loquuntur, conserui uestri sunt: hic est Dominus, hunc audite. Nolite conseruos sic honorare, quomodo Dominum: Dei Filium solum audite.“ 1113 Vgl. ebd.: „Dum tres quaerunt, unum inueniunt: immo tres perdentes, unum inueniunt: immo, ut amplius dicam, in uno tres reperiunt. Magis enim inuenitur Moyses et Helias, si in Christo conglobentur.“

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höheren oder tropologischen Verstehen („secundum historiam“1114/„secundum litteram“1115/„carnaliter lego“1116 – „secundum sublimiorem sensum“1117/ „secundum tropologiam“1118/„spiritaliter intellegis“1119) und andererseits um die Opposition zwischen den dem tötenden Buchstaben folgenden Juden1120 und den dem Geist folgenden Aposteln („iudaice intellegimus et litteram sequimur occidentem“1121 – „apostolos sequeris, et spiritaliter intellegis“1122). Des Weiteren findet sich bei Hieronymus eine Art Story-Analyse im Hinblick auf das Akteurengerüst.1123 Die Persönlichkeiten der drei Jünger als Adressaten des Geschehens werden besonders hervorgehoben. Ihnen galt Jesu Voraussage bezüglich des Nichtkostens des Todes und der Schau des Gottesreichs.1124 Weil sie Jesus folgten,1125 auf den Berg hochstiegen und nicht unten bei der Menge blieben,1126 verdienten sie den verwandelten Jesus in strahlenden Kleidern zu sehen.1127 Dadurch sahen sie Jesus, wie er in seiner Herrschaft erscheinen wird,1128 und waren auch imstande, Mose und Elia zu sehen.1129 Die aus der Wolke ertönende Feststellung der Identität Jesu zielt ebenfalls auf

1114

Ebd. 154 Ebd. 156. Siehe auch 160.162.164. 1116 Ebd. 164. 1117 Ebd. 154. 1118 Ebd. 152. 1119 Ebd. 156. Siehe auch 160.162.164. 1120 Auf den im Werk des Hieronymus begegnenden Antijudaismus kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. 1121 Ebd. 162. Siehe auch 156. 1122 Ebd. 160. Siehe auch 162.164. 1123 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 75–79. Dazu siehe noch EGGER/WICK, Methodenlehre, 181–182. 1124 Vgl. Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150–152) [Hervorhebung im Original]: „Amen dico uobis quia sunt quidam de hic adstantibus. Dico uobis discipulis, Iudaeis autem non loquor. […] Qui non gustabunt mortem. Mortis plura sunt genera: alii gustant mortem, alii uident, alii comedunt, alii saturantur, alii reficiuntur. Ceterum et apostoli, quoniam stabant, et apostoli erant, propterea ne gustauerunt quidem mortem.“ 1125 Vgl. ebd. 162: „Sin autem Iesum secuti fuerint […]“. 1126 Vgl. ebd. 160: „Qui deorsum sunt, et deorsum habent Iesum, et turbae sunt, et in montem ascendere non ualent – in montem enim soli discipuli ascendunt, turbae deorsum remanent.“ 1127 Vgl. ebd. 162: „uidere Dominum meruerint transformatum, et candida uestimenta eius“. 1128 Vgl. ebd. 154: „Et hoc esse dicunt: hoc est, uiderunt apostoli qualis regnaturus esset Christus. Videntes illum in monte transfiguratum, uiderunt illum apostoli transfiguratum in gloria sua qualis regnaturus esset.“ 1129 Vgl. ebd. 162: „Nisi Iesum uidissent transformatum, nisi uestimenta illius candida, Moysen et Heliam uidere non poterant.“ 1115

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die drei Jünger ab und hat eine belehrende Funktion.1130 Am Ende der Erzählung sehen sie Jesus allein, was für Hieronymus bedeutet, dass Mose und Elia integriert sind.1131 Diese bedeutende Rolle wird den drei Jüngern von Hieronymus auch in seinem Matthäuskommentar zugeschrieben. Die spezielle Beteiligung Petri am Verwandlungsereignis wird von Hieronymus, wie bei Origenes und Chrysostomos, ambivalent aufgefasst, nämlich als Helfer und als Opponent. Einerseits erscheint Hieronymus der Vorschlag Petri, drei Hütten zu errichten, berechtigt.1132 Petrus war Hieronymus zufolge bezaubert von dieser schönen Vision der Verwandlung Jesu.1133 Andererseits bewertet er diesen Vorschlag auch als ungeschickt, und dies aus folgenden Gründen: 1. Wäre Jesus auf dem Berg geblieben, hätte er das Menschengeschlecht nicht gerettet;1134 2. drei Hütten für Jesus, Mose und Elia bedeuten einerseits, den Herrn mit seinen Dienern gleichzusetzen, was als ein Affront gegen Jesus zu verstehen ist,1135 und andererseits, dass Gesetz und Propheten vom Evangelium zu trennen sind.1136 Hieronymus entschuldigt den Vorschlag Petri damit, dass 3. die Jünger an der Verwandlung zwar teilgenommen haben und sie mit ihren eigenen Augen haben sehen können, aber noch nicht die ganze Wahrheit verstanden haben können, da Christus für die Menschen noch nicht gelitten hat.1137

1130

Vgl. ebd. 170 [Hervorhebung im Original]: „Ille Dominus, isti conserui sunt. Moyses et Helias de Christo loquuntur, conserui uestri sunt: hic est Dominus, hunc audite. Nolite conseruos sic honorare, quomodo Dominum: Dei Filium solum audite.“ 1131 Vgl. ebd.: „Immo tres perdentes, unum inueniunt: immo, ut amplius dicam, in uno tres reperiunt. Magis enim inuenitur Moyses et Helias, si in Christo conlobentur.“ 1132 Vgl. ebd. 164: „nolunt ad terram descendere, sed toti in spiritalibus inmorari. […] Et ego quando Scripturas lego, et spiritaliter aliquid intellego excelsius, nolo inde descendere, nolo descendere ad humiliora: uolo in pectore meo tabernaculum facere Christo et Legi et Prophetis.“ 1133 Vgl. ebd. 156: „quoniam Petrus ei dixit delectatus uisione pulcherrima.“ 1134 Vgl. ebd. 166: „Ceterum Iesus, qui propterea uenit ut quod perditum erat saluaret, qui non uenit saluare eos qui sancti sunt, sed qui se male habent, scit quia, si in monte fuerit, genus humanum non saluabitur, nisi ad terrena descenderit.“ 1135 Vgl. ebd. 166–168 [Hervorhebung im Original]: „si quando inaequales aequaliter honorantur maioris iniuria est. […] Non enim sciebat quid diceret cum Dominum cum seruis aequaliter honoraret.“ Außerdem vgl. ebd. 170: „Noli aequaliter Domino et seruis facere tabernacula. Hic est Filius meus carissimus, ipsum audite. Hic est Filius meus: non Moyses, non Helias. Isti serui sunt, hic Filius est.“ 1136 Vgl. ebd. 166: „Vult tria facere tabernacula, Iesu unum, Moysi unum, et Heliae unum: ut Legem separaret, et Prophetas, et Euangelium, quae non possunt separari.“ 1137 Vgl. ebd.: „tamen quia Christus necdum pro te passus est, adhuc scire non possis ueritatem.“

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

So wie in der Exegese des Chrysostomos zur Verwandlungserzählung wird auch hier eine gewisse Vertrautheit zwischen dem Exegeten und einem in der Perikope auftretenden Charakter deutlich. Hieronymus richtet sein Wort an Petrus. Zuerst beglückwünscht er ihn zur Teilnahme an diesem außergewöhnlichen Geschehen: „O Petre, licet in montem conscenderis, licet Iesum uideas transformatum, licet uestimenta eius candida.“1138 Des Weiteren leistet sich Hieronymus, Petrus zu korrigieren, indem er ihm zeigt, dass seine Kenntnis der Wahrheit in jenem Moment begrenzt war, da Jesus für ihn noch nicht gelitten hat: „tamen quia Christus necdum pro te passus est, adhuc scire non possis ueritatem.“1139 Ein ähnlich lehrhaftes Ziel hat auch die zweite Anrede Petri durch Hieronymus zur Erklärung der Wolke: „O Petre, qui uis tria facere tabernacula, respice unum tabernaculum Spiritus sancti, qui nos pariter protegit. Si fecisses tabernacula, utique fecisses humana: et utique illa fecisses quae lucem excluderent, et umbram includerent.“1140 Hieronymus erklärt ihm, dass sein Versuch, drei Hütten zu bauen und somit Jesus von Mose und Elia zu trennen, indirekt durch diese Erscheinung abgelehnt wird. Was die Anwesenheit der beiden alttestamentlichen Persönlichkeiten, Mose und Elia, angeht, betont Hieronymus zuerst, dass sie das Gesetz und die Propheten symbolisieren.1141 Das Ziel ihrer Erscheinung, die Beziehung des durch Jesus veranschaulichten Evangeliums zum Gesetz und zu den Propheten zu bestätigen,1142 wird nicht in besonderer Weise auf die Belehrung der drei Jünger bezogen, sondern allgemein auf die Belehrung aller Juden, die diese Verbindung ablehnten.1143 In seinem Matthäuskommentar hingegen schreibt Hieronymus explizit, dass Jesus deren Erscheinung bewirkt, um den Glauben der Jünger zu stärken.1144 Insofern lassen sich Mose und Elia als Helfer Jesu innerhalb des Akteurengerüstes der Verwandlungserzählung illustrieren. Obwohl Gott, der Vater, innerhalb der Erzählung nicht ausdrücklich benannt wird, hebt Hieronymus seine Teilnahme hervor, indem er betont, dass in Mk 9,7 Gott, der Vater, aus der Wolke spricht, und diese Rede Gottes als 1138

Ebd. Ebd. 1140 Ebd. 168. 1141 Vgl. ebd. 162: „statim Moyses et Helias ueniunt, id est Lex et prophetae.“ 1142 Vgl. ebd. 170: „Ego quando lego Euangelium, et uideo ibi testimonia de Lege, testimonia de Prophetis, solum Christum considero: sic uidi Moysen, sic uidi Prophetas, ut de Christo intellegerem loquentes.“ Dazu vgl. ebd. 162: „Lex enim et Prophetae Christi passionem adnuntiant.“ 1143 Vgl. ebd. 162: „Quamdiu iudaice intellegimus et litteram sequimur occidentem, Moyses et Helias cum Iesu non loquuntur, Euangelium nesciunt.“ 1144 Dazu vgl. Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 30): „Scribis et Pharisaeis temptantibus se et de caelo signa poscentibus dare noluit, sed prauam postulationem confutauit responsione prudenti. Hic uero, ut apostolorum augeat fidem, dat signum de caelo.“ 1139

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trinitarische Belehrung weiterführt.1145 Somit schreibt Hieronymus der Rolle des Vaters eine lehrhafte Funktion zu, um die Verwirrung Petri zu beseitigen und die Identität Jesu als Sohnes Gottes zu bestätigen.1146 Er zeigt keine Skrupel, Gott selbst Worte in den Mund zu legen. Darüber hinaus nimmt nach Hieronymus an der Verwandlung auf dem Berg auch der Heilige Geist teil, denn auf seine Anwesenheit weist die Wolke hin.1147 Damit bringt Hieronymus zum Ausdruck, dass das Geschehen das Geheimnis der Trinität ans Licht bringt und nur aus einer trinitarischen Sicht richtig verstanden werden kann. Er unterstreicht damit, dass nichts ohne Christus, den Heiligen Geist und den Vater verstanden werden kann.1148 Im Vergleich zu den Exegesen von Origenes und Chrysostomus richtet Hieronymus sein Interesse in anderer Weise als diese auf die Rolle Jesu. Er ist auch hier die Hauptfigur des Ereignisses, aber seine Funktion als Initiator der Aktion tritt gewissermaßen gegenüber seiner Funktion als Adressat in den Hintergrund. Infolgedessen werden seine Kleider strahlend,1149 er wird von Mose und Elia angesprochen,1150 ihm gilt die Rede des Vaters1151 und in ihn münden die zwei alttestamentlichen Persönlichkeiten als Symbole des Gesetzes und der Propheten ein.1152 Jesus bewirkt seine Verwandlung nicht selbst, sondern er wurde verwandelt („transfiguratus est“1153) und leistet keinen Beitrag zur Erscheinung Moses und Elias wie etwa bei Chrysostomos. 2. Synoptischer Vergleich Die Beziehungen der vier Evangelien untereinander erläutert Hieronymus mit dem Bild einer einzigartigen Kette, deren Teile miteinander verbunden sind. Egal, an welchem Teil man sie ergreift, bekommt man Zugang zu ihrer Ganz1145

Vgl. Hom. in Mc. 6 (Gourdain, SC 494, 170) [Hervorhebung im Original]: „Dum hoc loquitur Pater, et dicit: ,Hic est Filius meus carissimus, hunc auditeʻ, non apparuit qui loqueretur. Nubes enim erat, uox audiebatur.“ 1146 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „Noli aequaliter Domino et seruis facere tabernacula. Hic est Filius meus carissimus, ipsum audite. Hic est filius meus: non Moyses, non Helias. Isti serui sunt, hic Filius est. […] Et illi quidem cari sunt, sed iste carissimus est: hunc igitur audite. Illi istum praedicant, uos autem hunc audite: ille Dominus, iste conserui sunt. Moyses et Helias de Christo loquuntur, conserui uestri sunt: hic est Dominus, hunc audite. Nolite conseruos sic honorare, quomodo Dominum: Dei Filium solum audite.“ 1147 Ebd. 168: „Mihi uidetur ista nubes esse gratia Spiritus sancti.“ 1148 Ebd.: „Videte mysterium Trinitatis, secundum meam tamen intellegentiam. Ego enim omne quod intellego, sine Christo et Spiritu sancto et Patre nolo intellegere. Nisi intellexero in Trinitate quae me saluabit, dulce mihi non potest esse quod intellego.“ 1149 Vgl. ebd. 160. 1150 Vgl. ebd. 162. 1151 Vgl. ebd. 168–170. 1152 Vgl. ebd. 170–172. 1153 Vgl. ebd. 154.

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

heit.1154 Insofern bilden die Evangelien ein kohärentes Ganzes, was durch deren gemeinsamen Geist bestätigt wird.1155 Daher versucht Hieronymus jede Widersprüchlichkeit zwischen den Textversionen der Evangelien zu nivellieren. Nachdem er sie feststellt,1156 versucht er durchgehend, sie zu erklären, indem er z. B. die Kopisten für schuldig erklärt1157 oder auf übertragene Bedeutungen rekurriert.1158 Über gegenseitige Beeinflussungen der Evangelientexte spricht Hieronymus nicht. Genauso wenig thematisiert er das Vorhandensein von textlichen Unebenheiten, Doppelungen oder Widersprüchen, worin er sich von modernen Bibelbetrachtungen unterscheidet.1159 Den Text der Verwandlungserzählung liest er in der 6. Markushomilie aber an drei Stellen synoptisch: 1. bei der Erklärung der Zeitangabe; 2. anlässlich der Auslegung der Erscheinung Moses und Elias und 3. betreffs der Deutung der Wolke. Bei diesen synoptischen Vergleichen hebt Hieronymus nur an der ersten Stelle die bestehenden Unterschiede hervor, so wie auch innerhalb moderner Bibelexegese. Bei den zwei weiteren Stellen vergleicht er die synoptischen Versionen mit dem Ziel, den Markustext mit zusätzlichen Informationen zu bereichern.1160 Hieronymus vergleicht hier niemals alle drei synoptischen Textfassungen miteinander. Wenn er auf einen Vergleich mit dem Lukasevangelium rekurriert, greift er nicht mehr auf den Text des Matthäusevangeliums zurück und umgekehrt. Angesichts der Analyse der Angabe der sechs Tage aus Mk 9,2 begeht er denselben Fehler wie Origenes, indem er das Matthäus- und nicht das Lukasevangelium nennt: „In Euangelio habes 1154 Vgl. Hom. 2 in Mc. (Gourdain, SC 494, 88): „et quasi una catenula est, atque ut circulus in circulum innectitur, et quidquid alius sumpseris, aliud late pendet.“ 1155 Vgl. ebd.: „Scriptura enim sancta haeret sibi tota, et uno spiritu copulata est.“ 1156 Vgl. Hom. 7 in Mc. (Gourdain, SC 494, 178). 1157 Vgl. Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 82) [Hervorhebung im Original]: „At illi dixerunt ei: In Bethleem Iudeae. Librariorum error est.“ 1158 Hieronymus stellt eine Differenz zwischen den Genealogien Jesu im Matthäus- und im Lukasevangelium fest. Im Matthäusevangelium wird als Vater Josefs Jakobus angegeben, während im Lukaevangelium Eli genannt wird. Hieronymus löst dieses Problem, indem er zeigt, dass einer von ihnen der Vater Josefs gemäß der Natur und der andere gemäß dem Gesetz ist. Vgl. ebd. 74–76: „Hunc locum obicit nobis Iulianus Augustus dissonantiae euangelistarum, cur euangelista Matheus Ioseph filium dixerit Iacob, et Lucas filium eum appellaverit Heli, non intellegens consuetudinem scripturarum quod alter secundum naturam, alter secundum legem ei pater sit.“ 1159 Vgl. EBNER/HEININGER, Exegese, 133–135. Außerdem vgl. EGGER/WICK, Methodenlehre, 232–236. 1160 Vgl. BONNARD, Introduction, 30: „Il est tellement impossible pour Jérôme quʼun évangile en contredise un autre, quʼil utilise continuellement les différences des évangiles pour éclairer le récit de notre évangéliste.“

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secundum Matthaeum: ,Et factum est die octaua.ʻ“1161 Obwohl Hieronymus den Unterschied zwischen dem Markus- und dem Matthäustext (eigentlich Lukastext) bemerkt („Videtur itaque secundum historiam esse distantiam“1162), löst er das Problem auf ähnliche Weise wie Chrysostomos, 1163 indem er aufzeigt, dass die Differenz nur in der Zählung der Tage besteht: „Matthaeus enim octo dies dicit, Marcus sex dicit. Sic ergo debemus intellegere, quod Matthaeus et primam dixerit et nouissimam, Marcus uero medias tantum dixerit.“1164 So verfährt er auch innerhalb seines Matthäuskommentars. Dort aber werden die acht Tage als Bestandteil des Lukastextes erkannt: „Nunc quaeritur quomodo post dies sex adsumpserit eos et duxerit in montem excelsum seorsum, cum Lucas euangelista octonarium numerum ponat.“1165 Betreffend der Erscheinung Moses und Elias von Mk 9,4 ergänzt Hieronymus die markinische Erzählung durch das Zitat einer Information aus dem Lukasevangelium: Sie erscheinen, um mit Jesus über sein Leiden in Jerusalem zu reden. Diesmal verwechselt er zwar nicht mehr das herangezogene Evangelium („In Euangelio secundum Lucam etiam hoc additum est: ,Et adnuntiabant, inquit, illi quo genere passurus esset in Hierusalemʻ“1166), begeht aber einen Zitierfehler, indem er ein Wort des Lukastextes ändert. Im lukanischen Text wird nicht das Leiden Jesu, wie Hieronymus schreibt, sondern dessen Weggehen („excessum eius“) thematisiert. Hieronymus deutet diesen Ausdruck des Lukasevangeliums und sagt, dass das Gesetz und die Propheten das Leiden Jesu ankündigen: „Lex et Prophetae Christi passionem adnuntiant.“1167 Schließlich macht Hieronymus von einem synoptischen Vergleich Gebrauch, um die Szene mit dem Erscheinen der Wolke aus Mk 9,7 ausführlicher zu beschreiben. Dafür zitiert er ein Wort aus dem Matthäusevangelium, wodurch eine Qualität dieser Wolke (die Helligkeit) hervorgehoben wird: „Et facta est nubes obumbrans eos. Nubes secundum Matthaeum ,φωτινήʻ.“1168 Diese Information wird von Hieronymus weiter über den Text hinaus ausgedeutet. Es zeige die Einzigartigkeit der Wolke, die einerseits licht und andererseits beschattet ist. Ihre Helligkeit wird von ihm mit der Sonne der Ge-

1161

Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154) [Hervorhebung im Original]. Vgl. GOURJérôme, 368. 1162 Ebd. 1163 Gourdain bewertet diese Ähnlichkeit zwischen Hieronymus und Chrysostomos als „seltsam“. Vgl. GOURDAIN, Jérôme, 368. 1164 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 154). 1165 Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 26). 1166 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 162) [Hervorhebung im Original]. 1167 Ebd. 1168 Ebd. 168 [Hervorhebung im Original].

DAIN,

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

rechtigkeit in Verbindung gebracht: „Nubes autem ipsa lucida et obumbrans, hoc est unum tabernaculum non excludit solem iustitiae, sed includit.“1169 Was die Auslegung der Verwandlungserzählung in seinem Matthäuskommentar betrifft, unternimmt Hieronymus einen synoptischen Vergleich ebenfalls an drei Stellen: bei der Analyse der Zeitangabe (Mt 17,1), bei der Erscheinung Moses und Elias (Mt 17,3), wo er auf den Lukastext eingeht,1170 und darüber hinaus bei der Erklärung des Vorschlags Petri, Hütten zu bauen (Mt 17,4), wo er auf die Parallelstelle aus dem Markusevangelium rekurriert.1171 3. Traditionskritik Eine weitere Ähnlichkeit zwischen der Auslegung des Hieronymus und wissenschaftlichen Exegesen lässt sich in Bezug auf im Text vorkommende Wörter und deren traditionellen Hintergrund feststellen, d. h., was dort unter Begriffs- und Motivgeschichte gefasst wird.1172 Wie schon Origenes und Chrysostomos identifiziert auch Hieronymus den religiösen und geistesgeschichtlichen Hintergrund der Verwandlungserzählung nur im Rahmen des Alten Testaments und nicht auch im Kontext des antiken Judentums und der hellenistisch-römischen Welt.1173 Die von Hieronymus verwendete Textfassung des Alten Testaments ist nicht sicher zu bestimmen. Allem Anschein nach griff er auf Origenes’ Hexapla und auf die von Lukian und Hesych bearbeiteten Textversionen zurück.1174 Erstens rekurriert Hieronymus auf das alttestamentliche Erbe, wenn er die Bedeutung des Ausdrucks Jesu „Amen dico uobis“1175 aus Mk 9,1 analysiert. Er zeigt, dass diese Redewendung eine Funktion der Bekräftigung der folgenden Worte und im Alten Testament ein Pendant hat: „Quod enim in Veteri Testamento dicitur ,Viuo ego dicit Dominus‘, in Nouo Testamento dicitur ,Amen amen dico uobis.ʻ ,Amen amenʻ dicitur ,uere uereʻ.“1176 Zweitens stellt Hieronymus einen alttestamentlichen Hintergrund bei der Erläuterung des Wortes „adstantibus“ aus Mk 9,1 heraus. Die Formulierung, dass manche der dort Stehenden den Tod nicht kosten werden, bevor sie das Reich Gottes schauen, deutet er so, dass dieses Stehen eine positive Haltung veranschaulicht, die belohnt werden sollte: „Quia sunt quidam de hic adstantibus qui non gustabunt mortem, donec uideant regnum Dei. Pulchre de his 1169

Ebd. [Hervorhebung im Original]. Vgl. Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 26–28.30) 1171 Vgl. ebd. 30. 1172 Vgl. SCHNELLE, Einführung, 134–135. 1173 Vgl. ebd. 135. 1174 Vgl. DÖRRIE, Septuaginta, 59–110. 1175 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150) [Hervorhebung im Original]. 1176 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 1170

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qui stant dicitur: ,Non gustabunt mortemʻ. Qui enim stat, in eo quo stat, non gustat mortem.“1177 Diese Qualität des Stehens unterscheidet sich von dem Liegen dadurch, dass es den Gewinn von etwas vorbereitet: „Stantibus datur, iacentibus non datur.“1178 Im Alten Testament identifiziert Hieronymus eine ähnliche Situation im Sinaigeschehen (Dtn 10,10), wo Mose von seiner Erfahrung mit dem Stehen – vierzig Tage und vierzig Nächte – auf dem Berg Sinai erzählt. Hieronymus zitiert den oben erwähnten Vers und wo dieser zu finden ist: „Nam et Moyses loquitur in Deuteronomio: ,Quadraginta, inquit, diebus et quadraginta noctibus steti in monte cum Deo.ʻ“1179 Aufgrund der Tatsache, dass Mose so viele Tage auf dem Berg stand, verdiente er das Gesetz zu bekommen: „Solus stetit quadraginta diebus: et ideo meruit Legem accipere.“1180 Infolgedessen deutet auch das Stehen der Jünger auf eine Belohnung hin, nämlich in Form der Teilnahme an der Verwandlung Jesu. Drittens bringt Hieronymus eine Analogie mit dem Alten Testament bezüglich der Angabe der sechs Tage. In Anlehnung an Origenes1181 wird diese Zeitangabe mit der Schöpfungserzählung in Verbindung gebracht. Die sechs Tage von der Ankündigung Jesu über das Nichtkosten des Todes und die Schau des Gottesreichs bis hin zum Verwandlungsmoment ähneln nach Hieronymus den sechs Tagen, in denen die irdische Welt geschaffen wurde: „Nisi enim mundus iste transierit, qui in sex diebus intellegitur, uerum regnum non apparebit.“1182 Findet die Verwandlung Jesu nach sechs Tagen statt, so geschieht sie, nachdem die irdische Dimension der Welt überwunden wurde. Deswegen ist auch der Zugang zum Reich Gottes anlässlich der Verwandlung nachvollziehbar: „Cum autem pertransierit sex dies, qui fuerit Petrus, hoc est, qui ut Petrus a Petra Christo nomen acceperit, regnum uidere merebitur.“1183 Die sechs Tage stellen somit, wie die Qualität des Stehens, eine Vorbereitung dar, an deren Ende die Erfahrung eines außergewöhnlichen Umstands steht. Im Zusammenhang der Unterscheidung des zweifachen Schriftsinns greift Hieronymus zum Zwecke der Illustration zudem auf zwei alttestamentliche Motive zurück. Er interpretiert das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament, indem er die beiden Testamente mit zwei symbolischen Bergen assoziiert: „Numquid non fuit Agar? Numquid non fuit Sara? Numquid mons Sina non est? Numquid mons Sion non est? Historiam non negauit, sed sacramenta prodidit.“1184 Der Berg Sinai wird als Symbol des Alten Testa1177

Ebd. [Hervorhebung im Original]. Ebd. 1179 Ebd. [Hervorhebung im Original]. 1180 Ebd. 1181 Vgl. GOURDAIN, Jérôme, 367. 1182 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 158). 1183 Ebd. 1184 Ebd. 156. 1178

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ments und des historisch-wörtlichen Verstehens und der Berg Zion als Symbol des Neuen Testaments und des geistlichen Verstehens gedeutet. Im Matthäuskommentar macht Hieronymus zusätzlich vom traditionsgeschichtlichen Hintergrund Gebrauch, indem er erwähnt, wo die zwei alttestamentlichen Persönlichkeiten bei der Verwandlung Jesu herkamen: Elia kommt von dem Ort, in den er entrückt wurde („Helia inde descendente quo conscenderat“1185), d. h. vom Himmel, wahrscheinlich aufgrund der Erzählung in 2 Kön 2,1–18, und Mose kommt aus der Scheol zurück („Moyse ab inferis resurgente“1186), wahrscheinlich aufgrund der Angaben in Dtn 34, der zufolge Mose starb und im Land Moab begraben wurde. 4. Redaktionskritik Ähnlich wie die moderne Redaktionskritik versucht auch Hieronymus, das redaktionelle Profil des jeweiligen Evangelisten zu bestimmen, dessen Werk (oder Teile davon) er auslegt. Der Hauptunterschied zwischen dem Verständnis des Hieronymus und der klassischen Redaktionsgeschichte ist die Art und Weise, wie Hieronymus den redaktionellen Prozess der Evangelien versteht; denn er geht davon aus, dass an ihrer Abfassung nicht nur der Verfasser, sondern auch der Geist Gottes beteiligt war. Im Vorwort zu seinem Matthäuskommentar schreibt Hieronymus, dass viele Leute sich bemüht haben, Evangelien zu schreiben, ohne die Hilfe des Geistes und der Gnade Gottes („sine spiritu et gratia Dei“1187) und ohne die historische Wahrheit zu beachten („conati sunt magis ordinare narrationem quam historiae texere ueritatem“1188). Daraus ergibt sich für ihn, dass die Redaktion der Evangelien durch zwei wesentliche Aspekte bestimmt ist: in erster Linie durch die Wirkung des Geistes und der Gnade Gottes und in zweiter Linie durch die Schilderung von historischen Ereignissen seitens der Evangelisten. Zunächst geht Hieronymus davon aus, ähnlich wie Origenes und Chrysostomos, dass der Geist Gottes den Abfassungsprozess des Textes der Verwandlungserzählung geprägt hat. Zu Beginn des dritten Teils seiner Exegese, wo die Verwandlungsgeschichte geistlich untersucht wird, ermahnt er daher seine Leser, zu Gott zu beten, damit der Geist wirkt, der das Dargestellte verfasste: „Orate Dominum ut eodem spiritu quo dicta sunt exponantur.“1189 Gourdain, der den Text ins Französische übertrug, übersetzt dicta sunt durch „inspirieren“, was m. E. der ursprünglichen Bedeutung nicht nahe kommt,1190 denn dicta, vom lateinischen dico, lässt sich am besten sowohl durch „ver1185

Comm. in Mt. 2 (Bonnard, SC 259, 30). Ebd. 1187 Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 60). 1188 Ebd. 1189 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 156–158). 1190 Vgl. ebd. 157. 1186

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fassen“ als auch durch „sagen, behaupten“ übersetzen.1191 Wenn Hieronymus die Ansicht vertritt, dass der Geist Gottes die Bibel sagte bzw. erzählte, dann lässt sich wohl schlussfolgern, dass er damit die Rolle der menschlichen Mitarbeit bei der Anfertigung der Bibel für gering hält und einen deutlichen Vorrang der Wirkung Gottes zuschreibt. Darüber hinaus gehört zum Redaktionsprozess des Evangeliums nach Hieronymus die korrekte Wiedergabe der Geschichte durch den Evangelisten. Bei der Analyse des Logions Jesu in Bezug auf das Nichtkosten des Todes und das Schauen des Gottesreichs (Mk 9,1) betont Hieronymus zweimal, dass diese Worte von Jesus gesprochen wurden: „Iurat Christus: debemus Christo iuranti credere“1192 und „dixit Dominus ad discipulos: ‚quoniam sunt multi de hic adstantibusʻ.“1193 Das gilt auch für seine Erläuterung der Rede des Vaters aus der Wolke (Mk 9,7): „Hoc loquitur Pater, et dicit: ‚Hic est Filius meus carissimus, hunc auditeʻ.“1194 Wenn Hieronymus zusammenfassend die Verwandlungserzählung darstellt, betont er sowohl vorher als auch nachher, dass dies geschichtlich passiert ist: „Secundum historiam hoc dicitur“1195 oder „historia hoc continet“,1196 worin er sich vom historisch-kritischen Ansatz moderner Exegese unterscheidet. Trotzdem hält es Hieronymus für denkbar, dass ein Evangelist einen Vers einfügt, wie unten zu Mk 9,6 gezeigt wird. Hieronymus geht davon aus, so wie auch Origenes und Chrysostomos, dass die vier kanonischen Evangelien von den Personen verfasst wurden, deren Namen sie tragen. Die Verfasser werden dem engeren und weiteren Kontext des irdischen Lebens Jesu zugeordnet und als treue Bewahrer der authentischen Lehre Jesu verstanden.1197 Nach Hieronymus wurden die vier Evangelien bereits von Ezechiel (Ez 1,5–10) anhand des Bildes eines tetramorphen Tieres vorausgesagt.1198 In Anlehnung an Irenäus bezieht er die vier Gestalten auf die vier Evangelien. Die Gestalt des Menschen symbolisiert das Matthäusevangelium, da dieses Evangelium mit der Geschichte eines Menschen (Genealogie) beginnt.1199 Die Gestalt des Löwen symbolisiert das Markusevangelium, weil es mit dem „Schrei eines Löwen“ in der Wüste 1191 Vgl. GEORGES, Handwörterbuch, I, 2139: Hier findet sich „wiederholt sagen, – vorsagen, A) Zum Nachschreiben, 1) diktieren“ und „2) prägn: a) diktierend verfertigen, anfertigen, aufsetzen od. aufsetzen lassen“. 1192 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 150). 1193 Ebd. 154 [Hervorhebung im Original]. 1194 Ebd. 170 [Hervorhebung im Original]. 1195 Ebd. 154. 1196 Ebd. 156. 1197 Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 62–64). 1198 Vgl. Hom. 1 in Mc. (Gourdain, SC 494, 62). 1199 Vgl. Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 64) [Hervorhebung im Original]: „Prima hominis facies Matheum significat qui quasi de homine exorsus est scribere: Liber generationis Iesu Christi filii Dauid filii Abraham.“

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Kapitel 4: Die Verwandlungserzählung in patristischer Auslegung

(Johannes der Täufer) beginnt.1200 Die Gestalt des Stiers symbolisiert das Lukasevangelium aufgrund der Tatsache, dass es durch die Erzählung über den Priester Zacharias und seine Tätigkeit am Jerusalemer Tempel eingeführt wird.1201 Die Gestalt des Adlers symbolisiert schließlich das Johannesevangelium wegen der Würde der dort dargestellten Logostheologie.1202 Darüber hinaus stellt Hieronymus auch weitere Reflexionen über die Identität von Markus als dem Verfasser des zweiten Evangeliums an. Er schließt sich der Ansicht des von Euseb erwähnten Papias an, wonach Markus als Dolmetscher des Apostels Petrus („Marcus, interpres apostoli Petri“1203) und als der erste Bischof der christlichen Kirche in Alexandrien gilt („Alexandrinae ecclesiae primus episcopus“1204). Nach Hieronymus schrieb Markus, obwohl er Jesus nicht persönlich gekannt hat, in seinem Evangelium alles auf, was er von Petrus gehört hat: „qui Dominum quidem Saluatorem ipse non uidit, sed ea quae magistrum audierat praedicantem“.1205 In seinem 120. Brief an Hedibia schreibt Hieronymus noch deutlicher, dass Petrus das Evangelium seinem Schüler Markus erzählt und Markus es aufgeschrieben hat: „habebat ergo Titum interpretem sicut et beatus Petrus Marcum, cuius euangelium Petro narrante et illo scribente conpositum est.“1206 Außerdem gibt er eine Einschätzung hinsichtlich des besonderen oder, modern gesprochen, redaktionellen Profils des Markus: Er beachtete mehr die Genauigkeit der beschriebenen Ereignisse als deren präzise Sukzession: „Iuxta fidem magis gestorum narrauit quam ordinem.“1207 Was die redaktionelle Arbeit des Markus im Rahmen der Verwandlungserzählung betrifft, behauptet Hieronymus bei der Analyse eines Verses, dass er auf den Evangelisten zurückgeht. Es geht um die Bewertung des Vorschlags Petri, drei Hütten zu bauen (Mk 9,6): „Et statim dicit euangelista: Non enim sciebant quid loquerentur, erant enim timore perterriti.“1208 Diese Auffassung steht im Einklang mit historisch-kritischen Beobachtungen, denen zufolge hier eine spätere Ergänzung der ursprünglichen Geschichte durch den

1200 Vgl. ebd. [Hervorhebung im Original]: „secunda Marcum in quo uox leonis in heremo rugientis auditur: Vox clamantis in deserto: Parate uiam Domini, rectas facite semitas eius.“ 1201 Vgl. ebd. 64–66: „tertia uituli quae euangelistam Lucam a Zacharia sacerdote sumpsisse initium praefigurat.“ 1202 Vgl. ebd. 66: „quarta Iohannem euangelistam qui adsumptis pinnis aquilae et ad altiora festinans de Verbo Dei disputat.“ 1203 Ebd. 62. 1204 Ebd. 1205 Ebd. 1206 Epist. 120 ad Hedibiam (PL 22, 980). 1207 Comm. in Mt. 1 (Bonnard, SC 242, 62). 1208 Ebd. [Hervorhebung im Original].

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Evangelisten oder einen späteren Textbearbeiter feststellbar ist.1209 Innerhalb der Exegese der Verwandlungserzählung in seinem Matthäuskommentar geht Hieronymus von keiner redaktionellen Bearbeitung durch Matthäus aus. V. Unterschiede der Exegese des Hieronymus zu historisch-kritischen Auslegungen Wie schon Origenes und Chrysostomos legt auch Hieronymus Wert auf die Aktualisierung des Bibeltextes für die Adressatinnen und Adressaten seiner Auslegung. Dies gilt in besonderer Weise für seine Homilien. Er unterstreicht die möglichen Auswirkungen der Botschaft der Texte auf das konkrete Leben seiner Hörer.1210 Der Aktualisierungsprozess bezieht sich zum einen auf die von Hieronymus gegebene Empfehlung, das Verhalten einiger Charaktere aus der Verwandlungserzählung nachzuahmen, und zum anderen auf die Übertragung einiger im biblischen Text erzählter Ereignisse auf das Leben der Hörer. 1. Angebot zur Nachahmung an aktuelle Hörer bzw. Leser Hieronymus empfiehlt seinen Adressaten, das Verhalten der drei auf dem Berg anwesenden Jünger nachzuahmen, um Zugang zu demselben außerordentlichen Geschehnis bekommen zu können. Er schreibt: „Si quis ergo de nobis fuerit πέτρινος, et talem, hoc est, eam fidem habuerit, ut super illum aedificetur Ecclesia Christi: si quis fuerit ut Iacobus et Iohannes, fratres non tantum sanguine quantum spiritu: si quis fuerit Iacobus πτερνιστήρ id est ,subplantatorʻ, et Iohannes, id est ,gratia Dominiʻ – cum enim subplantauerimus aduersarios nostros, tunc merebimur gratiam Christi […]: necesse est ut ab Iesu ducatur in montem.“1211

Um an der Verwandlung aktuell teilhaben zu können, werden nach Hieronymus somit seitens der Hörer dieselben inneren Qualitäten benötigt, die auch die drei Jünger bewiesen haben. Es geht erstens um die Stärke des Glaubens, wofür Petrus steht, zweitens um geistliche Bruderschaft wie bei den Brüdern Jakobus und Johannes, drittens um die Fähigkeit, die Gegner der Christen zu bekämpfen, was charakteristisch für Jakobus ist, und schließlich um die Tauglichkeit, wie Johannes der Gnade Gottes teilhaftig zu werden. Wenn diese Voraussetzungen seitens der Adressaten erfüllt sind, erscheint für Hieronymus deren Teilhabe am Verwandlungsereignis selbstverständlich und unausweichlich („necesse est“). 1209

Vgl. DSCHULNIGG, Markusevangelium, 246; LÜHRMANN, Markusevangelium,155. Vgl. GOURDAIN, Introduction, 28–29: „Pourtant lʼhomélie est à la fois plus simple et plus souple, elle sʼélabore dans un souci constant de communication avec lʼauditoire: le prédicateur lʼaide à monter pas à pas jusquʼaux sommets du sens spirituel; attentif à ses préoccupations, il répond aux objections quʼil pressent, nʼhésitant pas à sortir du texte commenté pour évoquer lʼactualité de la vie de ceux auxquels il sʼadresse.“ 1211 Hom. 6 in Mc. (Gourdain, SC 494, 158). 1210

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Darüber hinaus stellt Hieronymus Petrus, Jakobus und Johannes seinem Publikum als Vorbilder für das geistliche Schriftverständnis vor: „Tolle quoduis propheticum testimonium, tolle euangelicam parabolam: si secundum litteram intellegis, nihil in se habet splendidum, nihil candidum. Sin autem apostolos sequeris, et spiritaliter intellegis, statim uestimenta sermonis mutantur et candida fiunt: et Iesus totus inmutatur in monte, et uestimenta eius candida nimis quasi nix, qualia fullo super terram facere non potest sic candida.“1212

Ihre Weise, die Bibel nicht dem Buchstaben nach, sondern geistlich zu verstehen, lässt sich nach Hieronymus auf alle Bibeltexte anwenden, sowohl prophetische, d. h. für ihn alttestamentliche, als auch auf solche des Evangeliums, d. h. neutestamentliche. Wenn das Verständnis der drei Jünger durch die Hörer nachgeahmt, wird können manche Aspekte aus dem Verwandlungsereignis geistlich erfahren werden. 2. Aktualisierung des erzählten Ereignisses Ein weiterer Aspekt der Aktualisierung der Verwandlungserzählung durch Hieronymus ist die Herstellung von möglichen Verbindungen zwischen Elementen oder Szenen der Perikope und Aspekten aus dem Alltag seiner Hörerinnen und Hörer mittels allegorischer Deutung. Am ausführlichsten aktualisiert er die Dynamik zwischen den zwei Ebenen oben und unten. Diese beiden Ebenen assoziiert er mit dem wörtlich-historischen und mit dem geistlichen Schriftsinn und zeigt, dass diese auf Jesus bezogene Dynamik noch aktuell ist. Es gibt nach Hieronymus noch immer Menschen, die Jesus nur auf der unteren Ebene erfahren und keine Kraft haben, auf den Berg zu steigen und Jesus auf der höheren Ebene wahrzunehmen: „Vsque hodie Iesus aliis deorsum est, aliis sursum est. Qui deorsum sunt, et deorsum habent Iesum, et turbae sunt, et in montem ascendere non ualent […] si quis ergo deorsum est, et de turba est, non potest uidere Iesum in candidis uestimentis, sed in sordidis.“1213 Die unten Bleibenden sind diejenigen, die die Worte der Bibel als bloße Buchstaben verstehen und ihnen folgen: „Si quis litteram sequitur, et deorsum est totus, et terram respicit more brutorum animalium, hic non potest uidere Iesum in ueste candida.“1214 Die auf den Berg Steigenden wiederum sind diejenigen, die die Bibel als Wort Gottes begreifen. Ihnen sind die Verwandlung Jesu und das Strahlen seiner Kleider zugänglich: „Qui autem sequitur sermonem Dei, et ad montana, id est, ad excelsa conscendit, isti Iesus statim commutatur, et uestimenta Iesu candidiora fiunt.“1215 Die Kleider Jesu werden von Hieronymus als die Wörter der Bibel gedeutet, 1212

Ebd. 160 [Hervorhebung im Original]. Ebd. 158–160. 1214 Ebd. 160. 1215 Ebd. 1213

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die infolge einer geistlichen Untersuchung ihre strahlende Qualität, d. h. ihre tiefere Bedeutung offenbaren: „Si autem spiritaliter intellegimus, statim Scripturae sanctae, hoc est uestimenta sermonis mutantur et candida fiunt uelut nix.“1216 Daher empfiehlt Hieronymus den Adressaten seiner 6. Markushomilie, der von Jesus im Rahmen des Verwandlungsereignisses verwirklichten Dynamik zu folgen: „Qui in terra est et deorsum, hic non potest uestimenta candida facere: qui autem cum Iesu ascendit in montem, et quasi terram deorsum relinquit, meditatur ad montana et ad caelestia conscendere, iste potest talia facere uestimenta, qualia fullo super terram non potest facere.“1217 An dieser Stelle zeigt er darüber hinaus auf, dass die Aktualisierung der Verwandlung für seine Hörer nicht nur im Erfahren des verwandelten Jesus besteht, sondern sogar im Erleben des Strahlens der eigenen Kleider. Hieronymus eröffnet seinen Adressaten eine Erfahrung, die der Erfahrung Jesu auf dem Berg ähnlich ist. Dafür aber wird viel Mühe („multo labore“1218) benötigt, auf den Berg zu steigen und die niedrige irdische Ebene zu verlassen. VI. Fazit Obwohl Hieronymus in seiner Auslegung der Verwandlungserzählung gewiss nicht so originell wie Origenes und Chrysostomus ist, lässt sich seine Exegese durch die Herstellung einer Synthese zwischen den von Origenes übernommenen Deutungen und eigenen charakterisieren. Zugleich lässt sich erkennen, dass Hieronymus den Markustext der Verwandlungsperikope sowohl aus einer wörtlich-grammatikalischen Perspektive, womit sein Vorgehen einige Ähnlichkeiten mit den Methodenschritten moderner Exegese aufweist, als auch mit einem deutlichen Aktualisierungsinteresse untersucht, worin sich sein Verfahren von diesen unterscheidet. Auf der Basis seiner im Rahmen der Verwandlungserzählung veranschaulichten Dynamik von einer unteren zu einer höheren Ebene zeigt sich in der 6. Markushomilie des Hieronymus sein Verständnis des zweifachen Schriftsinns: wörtlich-historisch auf der unteren und geistlich auf der höheren Ebene. Der wörtlich-historische und der geistliche Sinn des Textes bedingen einander gegenseitig. Trotzdem weist Hieronymus dem geistlichen Schriftsinn eine größere Bedeutung innerhalb des Prozesses der Bibelerklärung zu. Darüber hinaus orientiert Hieronymus seine Auslegung der Verwandlungserzählung dogmatisch, indem er die innertrinitarische Beziehung Jesu zum Vater, wie sie in der Bezeichnung Jesu als geliebter Sohn aus Mk 9,7 zu greifen ist, mittels des bekannten Begriffs homoousios erklärt, den er ins Lateinische übersetzt. Hieronymus geht sogar

1216

Ebd. Ebd. [Hervorhebung im Original]. 1218 Ebd. 162. 1217

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noch weiter, indem er die gesamte Trinität in dieser Erzählung zu erkennen meint: den Vater durch die Stimme, den Sohn als verwandelter Jesus auf dem Berg und den Geist als die Wolke.

Kapitel 5

Fazit A. Wechselseitige Ergänzung als ökumenisches Anliegen A. Wechselseitige Ergänzung als ökumenisches Anliegen

In der Bibelexegese Ost- und Westeuropas wurde die Notwendigkeit wechselseitiger Ergänzung von historisch-kritischer und patristischer Exegese als ökumenisches Anliegen zum Ausdruck gebracht. Reiser zeigt aus westlicher Perspektive, dass ein gegenseitiger Austausch vor allem deshalb sinnvoll ist, weil jeder der beiden exegetischen Zugänge Schwerpunkte entwickelte, die dem anderen fehlen. In diesem Zusammenhang stellt er die Frage, ob die orthodoxe Seite ein Heilmittel für die westlichen Defizite besitzt und die westliche Seite für die östlichen,1 worauf die vorliegende Untersuchung eine Antwort zu geben sucht. Eine ähnliche Frage stellte Nikolakopoulos aus orthodoxer Perspektive. Auch er erwägt die Möglichkeit wechselseitiger Ergänzung und zeigt, dass der Osten vom Westen das Ernstnehmen des historischen Entstehungskontextes der biblischen Texte lernen könnte, während umgekehrt der Westen vom Osten profitieren könnte durch eine stärkere Vergegenwärtigung der in der Bibel erzählten Ereignisse.2 Dadurch könnten historisch-kritische Methoden die patristische Exegese bereichern und umgekehrt.3 Der gegenseitigen Ergänzung käme dann eine Korrektivfunktion zu, denn nur im offenen Dialog 1

REISER, Bibelkritik, 63. Siehe das Zitat oben S. 5. NIKOLAKOPOULOS, Hermeneutik, 41, auch 42: „Beide Positionen können nur zum Teil gelungene Auslegungsergebnisse haben, denn beiden drohen einschlägige Gefahren. Die westliche analytische Kritik lenkt manchmal ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf die philologischen und historischen Elemente des Textes und bleibt dabei stehen. Die analytische Erforschung der vielen Textformen kann aber nur auf die konkreten Abschnitte eingeschränkte Ergebnisse haben, die jedoch der Vervollständigung des gesamten Textsinnes nicht dienen. Das Bemühen der orthodoxen-patristischen Auslegung schöpft sich dagegen im Mysteriumsverständnis der Texte aus. Somit werden aber bedeutsame philologische und historische Gegebenheiten zugunsten der pneumatischen Ebene vernachlässigt.“ 3 Ebd. Darüber hinaus siehe auch NIKOLAKOPOULOS, Das Neue Testament, 304: „Ich glaube, dass die Konvergenz der westlichen und östlichen Exegese nicht nur doch möglich, sondern für ein globaleres Verständnis der Heiligen Schriften sogar unentbehrlich ist. […] Der Westen sollte etwas ,traditionellerʻ, der Osten ,modernerʻ werden.“ Trotzdem gibt Nikolakopoulos überhaupt nicht weiter Auskunft darüber, wie solche Entwicklungen zu realisieren sind. 2

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Kapitel 5: Fazit

im akademischen Kontext4 sind Defizite im Rahmen der Exegese einfacher zu erkennen.5 Dieser Untersuchung liegt somit das Interesse zugrunde, diese beiden unterschiedlichen exegetischen Herangehensweisen an Bibeltexte am Beispiel der Verwandlungserzählung nebeneinanderzustellen und zu diskutieren. Zuerst wird jede dieser beiden Auslegungsweisen aus der Perspektive des anderen betrachtet: d. h. für die historisch-kritische Analyse der markinischen Verwandlungserzählung aus östlich-orthodoxer Perspektive und für die patristische Exegese aus historisch-kritischer. Insofern wird darauf abgezielt, eine gegenseitige Bewertung von zwei oftmals als gegensätzlich verstandenen Deutungsweisen der Bibeltexte vorzulegen. Die Kirchenväter haben die Methoden ihrer Zeit verwendet, während die historisch-kritische Auslegung einen Methodenkanon vornehmlich des 20. Jahrhunderts praktiziert(e). Dabei geht es dieser Untersuchung weder darum, die historisch-kritische Methode noch die Kirchenväterexegese zu ergänzen und zu verbessern, sondern die beiden methodischen Betrachtungsweisen zu beschreiben und strukturell zu analysieren, um zu erfassen, was zu gegenseitiger Erkenntnis beiträgt. Darin profiliert sich auch die ökumenische Tragweite dieser Untersuchung.

B. Wahrnehmung und Verwendung historisch-kritischer Methoden aus orthodoxer Perspektive B. Wahrnehmung historisch-kritischer Methoden aus orthodoxer Perspektive

Obwohl im Rahmen der westlichen Bibelwissenschaft die historisch-kritischen Methoden seit geraumer Zeit der Kritik unterzogen und die klassischen Methoden zunehmend durch neuere Ansätze wie etwa Semiotik, Narratologie oder Rezeptionsästhetik abgelöst werden nimmt die orthodoxe Bibelexegese noch immer lediglich die „klassischen“ Methoden wahr. Das hängt wahr4

Ebd. 48: „Auch wenn die patristische Tradition und die (moderne) historisch-kritische Wissenschaft zwei unterschiedliche Bilder von den Schrifttexten entwerfen, sollte die akademische Theologie die Fähigkeit besitzen, die unter diesen beiden Bildern verborgene Einheit aufzuspüren.“ 5 Vgl. ebd. 49 [Hervorhebung im Original]: „Durch die harmonische Synthese beider Hermeneutiken könnten Übertreibungen und extreme exegetische Positionen vermieden und überwunden werden. Solche schwachen Punkte sind östlicherseits die bekannten Übertreibungen der allegorischen und der sogenannten mystischen Auslegung und die nicht ausreichende Berücksichtigung der philologischen und historischen Gegebenheiten, und es ist westlicherseits der manchmal durch die analytische Isolierung der behandelten Textformen verursachte Verlust des Überblicks über das Gesamtbild der Texte. Nur mittels einer konvergierenden Anwendung beider Hermeneutiken können sich die vertikale Linie des mystischen Offenbarungscharakters und die horizontale Linie der Geschichte und des Buchstabens harmonisch kreuzen und somit kann der Ausgleich beider Größen bewahrt werden.“

B. Wahrnehmung historisch-kritischer Methoden aus orthodoxer Perspektive

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scheinlich eng damit zusammen, dass der Wahrnehmungs- und Bewertungsprozess der Bibelkritik von Seiten der orthodoxen Bibelexegese relativ spät angefangen hat. Dieser Prozess geht nur langsam voran und es wurde von orthodoxer Seite bisher keine einheitliche Strategie zur Wahrnehmung entwickelt. Mehr noch: Es wurde orthodoxerseits bisher auch keine eigene strukturierte Methode der Exegese biblischer Texte erarbeitet. Der orthodoxen Exegese steht kein Lehr- oder Methodenbuch zur Verfügung, das systematisch zur Bibelexegese anleitet. Spricht man in der orthodoxen Bibelexegese über exegetische Methode(n), so wird vor allem an Improvisation gedacht. Im Jahr 2002 thematisierte der orthodoxe Exeget McGuckin die Herausforderung der Wahrnehmung der modernen Bibelkritik, die er als dringendes Anliegen deklarierte.6 Dabei hob er ihre Leistungen hervor, die nicht grundsätzlich aus Angst abgelehnt werden sollten, nur weil sie einer nichtorthodoxen Hermeneutik entspringen. Er warnte aber auch davor, sie unreflektiert zu übernehmen.7 McGuckin führte weiter aus, dass die Verantwortung der Orthodoxen nicht in der Entwicklung eines neuen Methodenkanons bestehe, sondern darin, die schon existierende Basis zu verwenden.8 Auf diese Empfehlung erfolgte kaum eine durch die orthodoxe Bibelexegese bewirkte Wahrnehmung. Vielmehr setzte sie ihre typische inkonsequente Weise, auf die historisch-kritische Methode zu rekurrieren, fort, indem einerseits deren Ergebnisse unreflektiert und manchmal unbewusst übernommen und andererseits diese als protestantisch kritisiert werden. Daher nahm sich diese Untersuchung vor, die wichtigsten Aspekte der „klassischen“ historisch-kritischen Methoden anhand eines neutestamentlichen Beispieltextes aus einer orthodoxen Perspektive zu betrachten und zu prüfen, wie diese die orthodoxe Bibelexegese voranbringen können. Aus der Bewertung der historisch-kritischen Exegese der markinischen Verwandlungserzählung durch die orthodoxe Perspektive lässt sich festhalten: Meines Erachtens kann die orthodoxe Exegese in allen hier durchgeführten Methodenschritten einige Elemente identifizieren, die übernommen werden können. Auch wird die orthodoxe Hermeneutik durch historischkritische Exegese gefordert, eigene Grundüberzeugungen der Synergie einer 6 Vgl. MCGUCKIN, Hermeneutics, 305: „This is an issue that has been a critical imperative in several ages of the Church previously (most spectacularly when the varied forms of Greek rhetoric were co-opted in the fourth century to become the main frame of the patristic biblical hermeneutic), but has not been, for many centuries, so pressing a task as it is today.“ 7 Vgl. ebd. 319: „It is imperative that the achievements of Biblical Criticism are neither avoided because of fears that their underlying hermeneutics are, in many instances, inimical to Orthodox Tradition, nor slavishly adopted without reflection, so as to fill the vacuum of contemporary literature on biblical history and interpretation.“ 8 Vgl. ebd.: „This is not to invite Orthodox theologians to develop a principle of biblical criticism, as if to suggest there is not already one actively in place.“

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Kapitel 5: Fazit

gottmenschlichen Urheberschaft der Bibel und die göttliche Inspiration ihrer Autoren tiefer zu reflektieren. Infolge von Literar- oder Traditionskritik kann sich als plausibel herausstellen, dass einerseits eine Perikope z. B. mehrere frühere Textstadien hatte oder spätere Bearbeitungen erfuhr und andererseits damit die menschliche Tätigkeit im Produktionsprozess nicht nur auf eine Person reduziert werden kann. Damit ist die orthodoxe Bibelexegese herausgefordert, Fragen der möglichen Inspiration der Vorstadien des Textes oder der Historizität der in der Bibel erzählten Ereignisse präziser zu definieren. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Beobachtungen der Bibelkritik, mit der die orthodoxe Bibelexegese Schwierigkeiten hat. Aber es scheint mir notwendig, offensiv mit diesen umzugehen und neue Wege zu suchen.

C. Profilierung einer Methode für die Untersuchung der patristischen Bibelauslegung C. Methode für Untersuchung patristischer Bibelauslegung

Der Mangel an einer reflektierten und praktisch umzusetzenden Methode lässt sich orthodoxerseits nicht nur im Bereich der biblischen Exegese, sondern auch im Bereich der Untersuchung der Bibelexegese der Kirchenväter beobachten. Umso wertvoller ist es, dass westlicherseits Metzdorf dazu ein Konzept erarbeitet hat. In Ergänzung zu Metzdorf, die das methodische Instrumentarium der patristischen Exegese mit Recht in der antiken Grammatik sieht, versuchte die vorliegende Untersuchung, die Exegese der Kirchenväter mit der „klassischen“ historisch-kritischen Methodik zu vergleichen. Dies geschah aus der Überzeugung heraus, damit das Profil der patristischen Schriftauslegung besser erfassen und systematisieren zu können. Dies soll zugleich den Zugang der westlichen Exegese zu den Kirchenvätern erleichtern. Und wie auch Reiser zeigt: „Eine sinnvolle Benutzung bedürfte allerdings einer hermeneutischen Besinnung, die von heutigen Einsichten her einen neuen Zugang zur Allegorese und zum theologischen Sichten der Väter sucht.“9 Auch wenn die patristische Schriftauslegung und die historischkritische Analyse in unterschiedlichen Kontexten aufgrund unterschiedlicher Hermeneutiken entstanden sind, scheint mir eine Form der Annäherung zwischen diesen beiden Zugängen möglich und sinnvoll. Denn mit Crisp ist als Ziel festzuhalten, „to give biblical scholarship a basis for combining academic integrity and ecclesial commitment, and to provide individual biblical scholars with an antidote to the feeling of living in two separate worlds“.10

9

REISER, Bibelkritik, 77. CRISP, Scholarship, 132.

10

D. Verbindungen zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegesen

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D. Verbindungen zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegesen D. Verbindungen zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegesen

Infolge der Untersuchung der drei patristischen Exegesen zur Verwandlungserzählung und deren Betrachtung aus dem Blickwinkel historisch-kritischer Auslegungsmethoden kann eine Reihe von Gemeinsamkeiten festgestellt werden. Diese Gemeinsamkeiten machen deutlich, dass manche exegetische Methodenschritte Konstanten innerhalb des Deutungsprozesses der Bibel jenseits jeder zeitlichen, konfessionellen oder akademischen Prägung darstellen. So haben Origenes, Johannes Chrysostomos und Hieronymus die Verwandlungsperikope aufgrund einiger Methodenschritte analysiert, die Verbindungen mit typisch historisch-kritischen aufweisen und zugleich typisch patristisch sind. Auch wenn die patristische Anwendung der Textanalyse, des synoptischen Vergleichs, der Traditions- und Redaktionskritik nicht deckungsgleich mit der historisch-kritischen Methode ist, weist sie auf das gemeinsame Interesse hin, die Bibeltexte aus unterschiedlichen Perspektiven zu befragen. Das sollte auch dazu einladen, den Methodenkanon nicht geschlossen, sondern offen für neue Erkenntnisse zu halten. Die festgestellten Verbindungen könnten orthodoxe Exegeten davor bewahren, historischkritische Methoden nicht mehr voreilig und undifferenziert als dem orthodoxen Bibelverständnis fremd und als widersprüchlich zur patristischen Exegese zu charakterisieren.

E. Unterschiede zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegesen E. Unterschiede zwischen patristischen und historisch-kritischen Exegese

Trotz der zu konstatierenden Ähnlichkeiten unterscheidet sich die von Origenes, Johannes Chrysostomos und Hieronymus durchgeführte Auslegung der Verwandlungserzählung auch von historisch-kritischen Untersuchungen. So wird patristischerseits der synoptische Vergleich nicht mit der Motivation durchgeführt, die literarische Abhängigkeit der synoptischen Evangelien zu klären, sondern unter der Frage, wie sich mehr Information über das erzählte Ereignis der Bibel gewinnen lässt. In Bezug auf die Traditionskritik wird das Alte Testament als einziger traditioneller Hintergrund anerkannt, mit dem Begriffe und Motive aus der Verwandlungsperikope verglichen werden. Was die Redaktionskritik betrifft, sprechen die drei Kirchenväter nicht über die Unterscheidung zwischen Tradition und Redaktion, sondern über die Zusammenarbeit Gottes (des Heiligen Geistes) und der Menschen bei der Abfassung der biblischen Texte. Ein Unterschied liegt auch in der Deutung der Verwandlung Jesu als historisches Ereignis. In keinem Moment wird die Geschichtlichkeit der Verwandlung Jesu infrage gestellt, vielmehr wird darauf

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Kapitel 5: Fazit

ausdrücklich Bezug genommen. Darüber hinaus kombinieren die patristischen Autoren die synoptischen Textversionen frei miteinander und zeigen kein Interesse an der Genauigkeit des Wortlauts. Ihr primäres Interesse gilt den Ereignissen, von denen die Texte erzählen, und weniger dem jeweiligen Wortlaut. Mehr noch: Sie nehmen sich die Freiheit, in die biblische Erzählung einzudringen, indem sie direkt mit den Figuren der erzählten Welt kommunizieren oder Redebeiträge dieser Figuren fortschreiben.

F. Aktualisierung als wichtigstes Spezifikum der patristischen Auslegung F. Aktualisierung als Spezifikum patristischer Bibelauslegung

Der wichtigste Unterschied zwischen der untersuchten patristischen und der historisch-kritischen Exegese der Verwandlungserzählung bezieht sich auf das ausgeprägte Interesse der Kirchenväter, das Verwandlungsereignis zu aktualisieren. Dies lässt sich als substanzielles Spezifikum der Bibelexegese der drei analysierten Kirchenväter kennzeichnen. Es wird in diesem Zusammenhang zwischen der biblischen Erzählung und dem Ereignis unterschieden. Durch die vom Text zur Verfügung gestellten Informationen beabsichtigen die patristischen Autoren, für den aktuellen Hörer oder Leser einen Zugang zu dem Ereignis zu schaffen und dieses (symbolisch) wiederzuerleben. Insofern fungiert das Verwandlungsereignis als ein Paradigma oder als ein Präzedenzfall. Dieses oder dieser hat nicht nur in seinem historischen Kontext stattgefunden, sondern kann in allen nachbiblischen Kontexten auf einer geistlichen Ebene rekonstruiert und erlebt werden. Die Verwandlung Jesu wird gegenwärtig. Alle Leser bzw. Hörer der Verwandlungserzählung können in einem geistlichen Sinn am Verwandlungsereignis Anteil bekommen, wenn sie sich mit den daran beteiligten drei Jüngern identifizieren, d. h. deren tugendhaftes Leben nachahmen. Die dargestellten Charaktere repräsentieren Kommunikationskanäle zwischen der Erzählung und dem heutigen Leser, wie auch Fowler beobachtet.11 Damit ist die Schrift nicht nur ein Objekt der Archäologie, ein Zeichen zur Aufschlüsselung der Vergangenheit,12 sondern auch ein belehrendes und belebendes Zeugnis heute.

11

Vgl. FOWLER, Reader, 131. Vgl. VAN IERSEL, Markus, 52: Markus „schreibt ja nicht nur über eine Figur einer endgültig abgeschlossenen Vergangenheit“. 12

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Bibelausgaben Biblia Hebraica Stuttgartensia, hg. v. Karl Elliger/Wilhelm Rudolph, Stuttgart 51997. Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpres, hg. v. Alfred Rahlfs, 2 Bde., Stuttgart 71962. Novum Testamentum Graece, post Eberhard et Erwin Nestle editione vicesima septima revisa communiter ediderunt Barbara et Kurt Aland, Johannes Karavidopoulos, Carlo M. Martini, Bruce M. Metzger. Apparatum criticum novis curis elaboraverunt Barbara et Kurt Aland una cum Instituto Studiorum Novi Testamenti Monasterii Westphaliae, Stuttgart 2001. Novum Testamentum Graece, Nestle-Aland. Begründet von Eberhard und Erwin Nestle, hg. v. Barbara Aland/Kurt Aland u. a., Stuttgart 282012. Synopsis Quattuor Evangeliorum. Locis parallelis evangeliorum apocryphorum et patrum adhibitis, hg. v. Kurt Aland, Stuttgart 151996. Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments (Lutherbibel), Stuttgart 1982.

Anthologien und Hilfsmittel Allenbach, Jean (Hg.): Biblia Patristica. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique, Bd. 3: Origène, Paris 1980. Berger, Klaus/Colpe, Carsten (Hg.): Religionsgeschichtliches Textbuch zum Neuen Testament (NTD 1), Göttingen/Zürich 1987. Coune, Michel (Hg.): Joie de la transfiguration dʼaprès les pères dʼOrient, Paris 1985. Habra, Georges (Hg.): La transfiguration selon les pères grecs, Paris 1973. Sachot, Maurice (Hg.): Les homélies grecques sur la transfiguration. Tradition manuscrite, Paris 1987. Schmoller, Alfred: Handkonkordanz zum griechischen Neuen Testament, Stuttgart 141968. Schnelle, Udo (Hg.) unter Mitarbeit von Manfred Lang und Michael Labahn: Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, Bd. I/1.1: Texte zum Markusevangelium, Berlin/New York 2008. Strack, Hermann L./Billerbeck, Paul: Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. I: Das Evangelium nach Matthäus, München 31961.

334

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Stellenregister Bei gleichem Beginn sind Stellenangaben nach absteigender Länge geordnet (z. B. Mt 25,31–46 vor Mt 25,31). Seitenangaben mit Nennung der Anfangs- und Endseite bezeichnen einen fortlaufenden Zusammenhang, während bei voneinander unabhängigen Nennungen auf hintereinanderfolgenden Seiten jeweils die Einzelseiten genannt werden. Durch Kursivierung der Seitenangabe wird angezeigt, wo entweder eine eingehende Exegese des betreffenden Textes geboten wird oder auf welcher (welchen) Seite(n) im Falle zahlreicher Belegstellen der oder die wichtigsten Nachweise zu finden sind. Hochgestellte Zahlen bezeichnen Fußnoten; ist eine solche Zahl eingeklammert, so findet sich die jeweilige Stelle sowohl im Haupttext als auch in der genannten Fußnote. …

1. Altes Testament LXX-Belege finden sich unter »2. Septuaginta und Pseudepigraphen des Alten Testaments«. Genesis 1 9,20 38,9.18 Exodus 13,5 23,16 24 24,1 24,9 24,10 24,12 24,15 24,16–18 24,16 24,17 24,18 25,15 32,31–32 33 33,11 33,20

175 293 293 178142 101 736, 59, 117, 124572 103 59, 103 59, 104 59 59, 104 103 59, 103, 104 104 237564 59 237564 213 99 177138, 178142, 212, 214

34 34,4 34,5–11 34,29.32.35 40 40,34–35

3594, 117, 124572 103 99 104 124572 104

Numeri 22,31–35

734

Deuteronomium 5,31 10,10 11,29 16,13–15 18,15 27,12–13 28,66 30,15.19 32,22 34

178142 178142, 293, 319 98 101 56(206), 59, 102444, 104, 105 98 178142 178142 98 320

360

Stellenregister

Josua 5,13–15 5,13 5,14

734, 85, 86 85, 86 85, 87

Richter 8,18

100

1. Könige 19,8–13

3594

2. Könige 2,1–18 1. Chronik 16,39 Hiob 4,16 Psalmen 2,7 8 9

320

Jesaja 1,22 19,1 25,8 44,13 49,18 53,2 58,5–7

248, 249 237563 178142 100 293 178142 237563

Jeremia 4,24

98

Ezechiel 1,5–10 18,4

321 293

Daniel 3,19 4,33 7,9 7,13 8,17 10,9

100 100 104 237565 70246 70246

Hosea 12,10

102

Maleachi 3 3,20

124570 178142

98

100 58211, 59, 102444, 104 249 250

Sprüche (Proverbien) 16,23 178142 22,20–21 302(1029) 22,20 190

2. Septuaginta und Pseudepigraphen des Alten Testaments Psalmen 8,6 17,12 54,16 88,49 95,4 96,2 103,3 122

246 237562 178142 178142, 293 98 237562 237562 158

Syrische Baruchapokalypse 51,3 99

1. (Äthiopischer) Henoch 106,2–3 106(461, 462), 107, 108 Jubiläenbuch 4,26

99

2. Makkabäer 3,22–34

734

Vitae Prophetarum § 33 107

Stellenregister

361

3. Neues Testament Matthäusevangelium 1,20 69 2,1.9.13 69 3,10 237566 3,13–17 85 3,13 85 3,14 85, 86 3,15 85, 86, 87 3,16–17 86 3,16 68240 4,11 68240 4,21 67 5,17 95 5,20 237566 5,28 293 8,2 69 8,24.29.34 68240 9,2–6 261 9,2 69 10,2 67 10,39 237566, 251 12,10 68240 13,43 237566 13,44 195 14,27 69 16,13–28 220 16,13–16 64 16,14 239, 260 16,16 178143, 201294 16,18 178143, 199278, 220 16,20 178143 16,21 64 16,22 178143, 201294 16,23 178143 16,24–27 64, 237566 16,24 267 16,27 230, 233, 243, 247, 251, 255 16,28–17,9 233, 255 16,28 64, 179, 180, 197, 198, 199, 200, 201, 205, 208, 210, 215, 230, 233, 235, 242, 243, 244, 255, 257, 293(981) 17,1–9 62 17,1–8 197, 198

17,1

17,2–3 17,2

17,3–4 17,3

17,4

17,5

17,6–7 17,6–8 17,6 17,7 17,8 17,9

17,10–12 20,21 20,22 20,23 25,23.25 25,31–46

62, 64, 65, 67, 179, 180, 199, 209, 210(365), 213, 233, 234(531), 243, 244, 265, 318 233, 234, 244 38, 62, 64, 66(231), 67, 68, 71, 99, 179, 180, 201, 206, 211, 243, 278, 293(981) 55(201) 62, 64, 66, 67, 68(240), 71, 179, 181, 204, 235, 243, 244, 265, 267, 318 62, 63, 64, 66, 67, 68, 69, 100, 179, 181, 201, 204, 207, 209, 211, 233, 243, 244, 260, 265, 266, 300, 318 28, 63, 65, 66, 67, 69, 70, 72, 180, 181, 233, 243, 244, 262, 268, 272, 300 244 233 63, 67, 69, 70, 180, 181, 212, 213, 243 63, 69, 70, 180, 181, 243 63, 65, 66, 70, 73, 180, 181, 198, 243 63, 66, 70, 180, 181, 198, 199, 233, 243, 244, 245, 255, 256, 309 55 178143 237566 178143 237566 231518, 232520, 524, 233527, 530, 235550, 236555, 238576, 242599, 601, 244606,

362

Stellenregister

25,34.35 25,38–42 25,44 26,51 26,63–65 27,53 28,2 28,10 28,20

245612, 275840, 276842 237566 242601 237566 68240 261 178143, 204320 68240 69 178143

Markusevangelium 1,1 1,3 1,9–12 1,9–11 1,9 1,11 1,13 1,24 1,26 1,32.42 1,44 2,20.25 2,26 3,11 3,13 3,17 3,26.29 4,5 4,10 4,21 4,34 4,39 4,41 4,44 5,5 5,7 5,11 5,15 5,33 5,37 5,39 6,4 6,15 6,31–32 6,45–52 6,46

31, 3491, 65229 58210 120 28, 33, 58 65229 34, 58(210, 211), 69(245) 120 123 58210 54, 65230 55201 54, 65230 55 3491 64227, 97(395, 402) 178143, 220 54, 65230 54, 65230 55, 56206 54, 65230 54200, 65230 54, 65230 32, 33, 122 121550 64227, 97395 3491, 58210 64227, 97395 121550 121550 44164 54, 65230 54, 65230 55201 54200, 65230 121 64227, 97(395, 402)

6,51 7,10 7,33 8,1–9 8,2 8,26 8,27–16,20 8,27–10,52 8,27–10,45 8,27–9,1 8,27–30 8,27–29 8,27 8,28 8,29 8,31–9,1 8,31–33 8,31 8,32–33 8,33 8,34–9,1 8,34–38 8,34 8,38–9,7 8,38 9,1–8 9,1

9,2–9

9,2–8

9,2–5 9,2–4 9,2–3 9,2

121550 55201 54200, 65230 285 57209 31 31 32, 121552, 122558 32, 116 117519 32 64 837, 31(75), 32, 33, 35(94), 120, 122, 123 55201, 56204, 116 32, 51, 122, 123 34 32, 116 57209, 64 122 33 32 35, 64 35, 55, 56206 297 33, 293, 297, 299 288, 293, 297, 308 33(87), 36(107), 64, 199, 208, 210(362), 222444, 288, 289, 291, 292, 293, 297, 298, 299, 300, 306, 308, 309, 310, 318 19, 32, 36, 37, 38, 45, 48, 51, 54, 103– 104, 113 36(100, 102, 103), 56204, 62, 117519, 525, 289, 292, 308 43 69, 83, 85 44 26, 34, 35, 36(99, 103), 37, 38, 39, 40, 41, 43, 44, 46, 48, 49, 50, 54(200), 59, 62, 64(227), 65(230), 66(231), 67, 71, 97(395, 402), 99, 100,

Stellenregister

9,3

9,4–6 9,4

9,5–6 9,5

9,6–7 9,6

9,7

9,8–9

108, 114, 115, 121, 244, 289, 290, 293, 298, 299, 304, 310, 316 33, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 48, 49, 50, 54, 55201, 59, 62, 64, 66, 67, 68(235, 237), 71, 82, 106, 107, 114, 115, 211367, 298, 311 44 33, 37, 38, 39, 40, 48, 49, 50, 55(201), 56206, 57, 62, 64, 66, 67, 71, 82, 109471, 114, 116, 117521, 298, 299, 317 37, 85, 108, 114 39, 40, 41, 43, 44, 48, 49, 50, 55(201), 56, 57(209), 58, 62, 63, 64, 66, 67, 68(241), 69(241), 72, 83, 100, 101, 114, 116, 181, 237568, 244, 298, 299, 300, 311 43 38, 39, 40, 41, 42, 43, 48, 49, 50, 58, 59, 63, 67, 69(241, 242) , 83, 106, 114, 116, 121550, 207, 209, 211368, 266, 298, 299, 321, 322 27, 31, 33, 34, 37, 38, 39(123), 40, 41, 43, 44, 45, 48, 49, 50, 58(210, 211), 63, 65, 66, 69245, 82, 84, 85, 89, 90, 91, 104, 105, 109, 111, 114, 116, 181, 294, 298, 299, 300, 311, 314, 317, 321, 325 37, 43, 44

9,8

9,9–13 9,9–10 9,9

9,10 9,11–13 9,13 9,28 9,30–32 9,30 9,31 9,33–38 9,33 10,3–4 10,32–34 10,34 10,35–44.45 10,51 10,52 11,1 11,21 11,22 11,23 12,6 12,19.26 13,3 13,14 13,19 13,28 13,30 14,26 14,31 14,33 14,40 14,45 14,58 14,68

363 34, 35, 38, 40, 41(141), 42, 43, 45, 48, 49, 50, 63, 65, 66, 67, 70, 73, 114, 116, 298, 299, 300, 308, 311 56204, 206 36 34, 36(99, 103), 38, 39, 40, 41, 42, 45, 48, 49, 50, 63, 64227, 66, 70, 90351, 97(395), 107, 109, 114, 181, 245, 291, 299 36 36(102), 55(201), 56(204, 206), 116 36 54200, 65230 32, 116 3594 57209 32 3594 55201 32, 116 57209 32 68241 3175 64227, 97(395) 68–69241 69241 64227, 69241, 97395 58211, 69245 55201 54200, 64227, 65230, 97395 64227, 97395 68234 54, 65230 3387 64227, 97(395) 237568 44164 121550 68241 57209 54, 65230

364 15,27 15,29 15,32 15,34 15,35–36 15,37 15,39 16,5–8 16,8 16,9–20 16,19 Lukasevangelium 1,59 2,1.46 3,21 5,8.10 5,16 5,17 6,12 6,14 6,35 7,25 8,22 9,18–20 9,18 9,22.23–26 9,26 9,27 9,28–36 9,28

9,29 9,30 9,31 9,32 9,33

9,34 9,35 9,36 9,54.55

Stellenregister 55 57209 55 58210 55201 58210 33, 34, 120, 123 90351, 120 31, 121550 26, 28 120 70247 70247 71249 71248 71249 70247 71249 71248 237567 71250 70247 64 71249 64 180 64, 180 62 62, 64, 70, 71, 180, 199, 209, 210365, 237567, 244 27(53), 62, 64, 67, 71(250), 211367 55201, 62, 64, 67, 71 62, 71, 72, 203, 208, 210366, 237567 62, 71, 72, 237567, 266 55201, 62, 63, 65, 66, 67, 72, 100, 181, 207, 209, 211368, 237567, 244 63, 65, 66, 67, 72 28, 63, 66, 67, 72, 244 63, 65, 73 237567

11,1 16,9 17,21 24,27

71249 100 178143 219420

Johannesevangelium 1,51 244 3,3.5.11 244 5,19.24–25 244 6,26.32 244 6,33 178143 6,47.53 244 7,39 178143 8,44 178143 9,16 237569 10,33 237569 11,25 178143, 201291 14,6 178143 20,16 68241 Apostelgeschichte 1,9 9,15 10,9–16 10,9–12 10,13.14.15.16

237570 293 86 86 86

Römerbrief 12,1–2 12,2 13,13 14,2

948 38, 66231, 99 178143, 201293 178143

1. Korintherbrief 2,7 3,2 9,19 13,5 15,26

178143 178143 178143 178143 178143, 201291

2. Korintherbrief 3,6 3,16–18 3,18 4,6 4,18

293 948 38, 66231, 99 948 178143, 223450

Galaterbrief 4,24

290, 293

365

Stellenregister Philipperbrief 2,6

178143, 201292

Kolosserbrief 2,15 3,4

178143 201291

1. Thessalonicherbrief 5,5 178143, 201293 5,13 302 1. Timotheusbrief 1,7 3,4

178143, 197 178143

2. Timotheusbrief 3,16

160

Titusbrief 2,12

178143, 223

1. Petrusbrief 1,19 2,2 5,6

178143 175127, 178143, 220 177138, 178143, 214

Hebräerbrief 4,13 5,14 8,5 9,2.3.6.11 12,1 12,21 13,10

237571 178143 100 100 16680 69242 100

Johannesoffenbarung 1,12–18 948 1,17 70246 6,8 178143 7,14 68237 13,6 100 15,5 100 19,13 178143, 222(443)

4. Qumran 1QH 12,2

101

5. Griechisch-römische, jüdische und christliche Autoren Aeschylus Eumenides 686

100

Euripides Ion 806

101

Eusebius Historia ecclesiastica VI,25,4 17198, 208349 VI,36,2 172108 Hieronymus Apologia adversus libros Rufini I,15–16 3011023

Commentaria in Evangelium S. Matthaei Praefatio 3011022, 3201187, 1188, 3211197, 1199, 3221200–1205, 1207, 1208 I,5 3161157 I,16 3161158 I,18 287917 I,22 286914 II,14 286916 II,15–16 287918 III,1–10 288937 III,1–2 293981, III,1 3171165, 3181170 III,2 3091098 III,3 3141144, 3181170, 3201185, 1186

366 III,4 III,9

Stellenregister 3181170, 1171 291970, 3091099

Epistula 59 ad Marcellam 14–29 2961004 Epistula 84 ad Pammachius et Oceanus 3 301(1020, 1021) Epistula 120 ad Hedibiam I–XII 2961004, 302(1028– 1038) , 322(1206) Epistula 121 ad Algasiam I–II 2961004 Homiliae in Marci Euangelium I 284901, 285, 3041052, 3211198 II 285, 3161154, 1155 III 285 IV 285(904) V 285, 3041052 VI 285, 287922–926, 288(927, 928, 932, 934– 936) , 289–290938–963, 291(964–967, 969), 292971–976, 293(978–980, 982–985), 294986–994, 295(995– 1002) , 297(1014), 299, 300, 303(1042–1046), 304–3051047–1060, 305–3061062–1080, 307(1081–1089), 308(1090, 1091), 309(1096, 1097), 310(1101–1108), 3111109–1113, 3121114– 1119, 1121, 1122, 1124–1129 , 313–3141130–1143, 3151145–1153, 316, 3171161, 1162, 1164, 1166– 1168 , 3181169, 1175, 1176, 3191177–1180, 1182–1184, 3201189, 1190, 3211192–1196, 323–3241211–1215, 325(1216–1218)

VII VIII IX X

285, 3161156 285 284900, 902, 285 284900, 285

Ordo Evangelicus Praefatio 2951003, 2961005, 1006, 1008, 1010, 2971011 VIII 2971012, 1013 Johannes Chrysostomus Ad Theodorum Lapsum 11 229 Commentarius in sanctum Joannem Apostolum et Evangelistam XXX,3 273823 LIII,2–3 278855 De Capto Eutropio 10 229 Ecloga de Imperio, Potestate et Gloria XXI 229 Expositio in Psalmos VIII,7 246622, 623, 249653 IX,4 249650, 652, 250654–661 XLIII,3 249649 Homiliae in Genesim XIII,3 236, 253681, 682 LVII,2 276844 Homiliae in Matthaeum I 229499, 250662–664, 252674–677, 253684– 690 , 254691, 692, 695–697, 255698, 263751, 752, 754, 755, 264–265757–768, 269782, 783, 785, 787–795, 270796, 798–801, 271802–807, 809–810, 274826–834, 275836–838 IV 229496 V 229496 LII 247626

Stellenregister LVI–LVII LVI

LXI

228487 228488, 230504, 505, 232519, 521–523, 233525, 526, 528, 529, 234531–533, 535, 536, 235538–549, 551–554, 237560, 561, 573, 238574, 577–580, 239– 241581–596, 247627– 636 , 251666–667, 669–671, 255699, 700, 256– 257701–711, 258714– 721 , 259722–727, 729, 730, 260–262731–750, 266769–772, 267777, 268777–781, 269784, 786, 271–272811–819, 277845–854, 278– 279857–865, 288 276843

Homiliae in Epistolam secundam ad Corinthios V,4 249643 Interpretatio in Isaiam prophetam I,7 249644, 648, 253680 V,3 249651 VI,4 246621

XII,31–43 XII,31–35 XII,31–33 XII,31

XII,32

XII,33–35 XII,33

XII,34

XII,35 XII,36–39 XII,36

Flavius Josephus Antiquitates Judaicae III,189 101 Contra Apionem II,12

101

Origenes Commentaria in Evangelium secundum Matthaeum X,1 190221, 222 X,2 195259 X,5 193243, 244, 195258 X,12 184174 X,14 188203–207, 210 , 189211–214 X,20 184172, 173 X,24 187199, 200 XI,3 190223

XII,37

XII,38

367 173(117), 174 174, 208350 287922 173, 174124, 192233, 198276, 277, 199278, 280, 202296– 298 , 204321, 206339, 209357–359, 361, 210365, 215394, 220427, 428, 430, 221432, 433, 223448, 450 173119, 120, 175(125– 127) , 189215, 194249, 251, 204322, 205333, 206338, 215395, 216405, 220429, 431, 222439, 441–444, 224457, 225461 200289 175128, 194250, 199278, 279, 201291, 292, 205323, 335 174, 200287, 288, 205324, 210362, 221434 200290, 208353, 354, 214392, 215399, 400 174 173122, 175(129, 130), 180150–152, 187195, 196, 198272, 202299–303, 205336, 209360, 210363, 212374, 376, 377, 213384–386, 214393, 223445–447, 449, 224458, 225462, 287923 173120, 176131, 181153, 193238, 239, 201293, 202304, 205328–330, 332, 206337, 341–344, 210364, 213387, 215396, 223451, 452, 224453, 456, 459, 225463 173120, 174, 176132, 181154, 155, 195253–

368

Stellenregister 256

XII,39 XII,40–42 XII,40

XII,41

XII,42

XII,43

XVIII,6–10

, 204(315–318), 207345, 346, 208351, 210366, 215397, 287924 197268, 269, 198271, 205331, 224454, 455 174 173120, 176133, 181156, 201294, 203307–310, 205325– 327 , 207347, 348, 209355, 356, 361, 215398, 287926 173121, 176134, 192234–237, 197264– 267 , 203311, 312, 219423, 424 174, 176–177135–137, 181157, 202305, 306, 288927 174(123), 177138–140, 181158–160, 195252, 198273, 274, 199– 200281–286, 203313, 204(315, 319, 320), 210366, 212378, 379, 214388, 389, 287925, 288928 17197

Commentaria in Evangelium secundum Johannem I,40–45 187198

Contra Celsum IV,16–17 VII,73–74

172115 172115

De Principiis IV,7 IV,11 IV,16 IV,19 IV,168

194248 190224–227 184–185176–178 184175, 185183, 184 185179, 180

Homiliae in Genesim I,6–7 172(116) Philon von Alexandria De vita Mosis II,141 101 De virtutibus § 217

108

Legum allegoriae II,54–55

101

Plutarch De fortuna romanorum §10 108–109 Xenophon Cyropaedia II 3,1

101

Verzeichnis moderner Autoren Ackroyd, Peter R.…295 Adam, Jens…21, 22, 29, 51, 52, 61, 87, 94, 211 Agourides, Savvas…2, 138, 151–153, 157 Aland, Barbara…21, 22, 26, 27 Aland, Kurt…21, 22, 26, 27, 36, 55, 57–59, 64, 68, 69, 71–73, 97, 99, 100 Αlexeev, Anatoly A.…16 Alkier, Stefan…20, 21, 94 Allison, Dale C.…102 Altaner, Berthold…226 Baker, David L.…110 Balás, David L.…168, 226, 281–283 Balz, Ηorst…68, 69, 71 Bardenhewer, Otto…227 Bardy, Gustave…171, 172, 208, 301 Barrera, Julio T.…109, 110 Barrett, Brian…186 Bartsch, Hans W.…65 Bateman, Craig G.…171 Bauckham, Richard…121 Bauer, Walter…55, 57–59, 64, 68, 69, 71–73, 97, 99, 100 Baur, Chrysostomus…226–238, 247, 248, 250–255, 258–260, 262–272, 274–279 Bayer, Hans F.…31, 35, 91, 106, 112, 123, 308 Becker, Michael…124 Behm, Johannes…99, 100 Belezos, Konstantin…231, 236, 237, 245 Benoît, André…169 Berger, Klaus…68, 69, 78, 83–85, 89, 102, 106, 107, 109, 110 Berndt, Frauke…105 Best, Ernest…55, 84, 122

Bienert, Wolfgang A.…128, 129 Bingham, Jeffrey D.…168, 226, 281– 283 Black, Clifton C.…92 Black, David A.…21, 178 Black, Matthew…38, 41, 42 Blank, Reiner…59, 60, 80 Blass, Friedrich…38, 39, 41, 43, 65, 73 Blönningen, Christoph…218 Blum, Erhard…98 Blumenthal, Christian…50 Bockmuehl, Markus…74 Bohlen, Reinhold…97, 98 Bolt, Peter G.…110, 124 Bonilla, Max…122 Bonnard, Émile…281, 282, 285, 286, 288, 291, 293, 301, 309, 314, 316– 318, 320–322 Bonsdorff, Max von…227 Bosenius, Bärbel…32, 35, 36, 97 Brändle, Rudolf…226, 227, 231–233, 235, 236, 238, 242, 244, 245, 275, 276 Brandt, Pierre Y.…8, 16 Breck, John…2, 3, 53, 54, 78, 95, 111, 112, 154–158, 216 Brennecke, Hanns Christof…128 Breytenbach, Cilliers…49, 59 Broadhead, Edwin K.…88 Brock, Sebastian…23 Brottier, Laurence…273 Brown, Dennis…285–287 Brucker, Ralph…20 Bühner, Jan-Adolf…58, 68, 100, 102 Bultmann, Rudolf…77, 79, 80, 88, 89 Cacciari, Antonio…170 Cain, Andrew…280, 302 Caird, George B.…6 Canty, Aaron…10

370

Verzeichnis moderner Autoren

Carlston, Charles E.…80 Carter, Robert…230 Cavallera, Ferdinand…280, 284 Cerbelaud, Dominique…8, 98 Chase, Frederic H.…230 Childs, Brevard S.…110 Clifford, Richard J.…98 Cohn, Robert L.…98 Conring, Barbara…302 Conzelmann, Hans…21, 29, 52, 93, 196, 254, 308 Coune, Michel…8, 16, 172, 227, 228 Cranfield, Charles E. B.…31, 34, 35, 100, 103, 308 Crisp, Simon…3, 18, 148, 159, 330 Crossley, James G.…123 Crouzel, Henri…291 Croy, Clayton N.…26 Cullmann, Oscar…59 Culpepper, Alan R.…106, 113, 123 Dawson, John D.…186 Debrunner, Albert…38, 39, 41, 43, 65, 73 Dechow, Jens…33, 117 Decker, Rodney J.…34, 36, 38, 39, 41 Dibelius, Martin…77, 79, 80 Dicks, Claude D.…241, 242 Dimitrov, Ivan…16 Divry, Édouard…10, 276, 280 Dohmen, Christoph…101 Donahue, John R.…36, 91, 121, 122 Donaldson, Amy M.…24 Donaldson, Terence L.…98 Doohan, Leonard…84, 118–120, 122 Dormeyer, Detlev…81, 103 Dörrie, Heinrich…318 Dschulnigg, Peter…31–35, 59, 81, 103, 117, 119, 120, 308, 323 Dunn, James D. G.…1, 16 Du Toit, David S.…6 Ebner, Martin…21, 22, 27, 45, 49, 52, 60, 61, 85, 87, 88, 93, 94, 109, 124, 196, 201, 205, 206, 211, 214, 257, 259, 267, 270, 272, 309, 312, 316 Edwards, James R.…35, 308 Egender, Nicolas…10

Egger, Wilhelm…21, 22, 29, 45–47, 78, 201, 257, 312, 316 Ehrman, Bart D.…21–23, 178 Eisen, Ute E.…47, 91, 111, 122 Eising, Hermann…246 Elliott, James K.…22 Epp, Eldon J.…22 Evans, Craig A.…31, 35, 106, 123, 295, 308 Fanning, Buist M.…38, 39 Faw, Chalmer E.…32 Fendler, Folkert…43 Feneberg, Wolfgang…57 Fischer, Cédric…81, 84, 106, 121, 122 Fitzer, Gottfried…55 Fleddermann, Harry…91, 113, 121, 122 Florovsky, Georges…4, 5, 195, 212 Focant, Camille…34, 35, 121, 123 Foerster, Werner…97, 98 Fowler, Robert M.…332 Frenschkowski, Marco…81 Friedrich, Gerhard…68 Fuchs, Albert…74, 75 Funk, Robert W.…61 Fürst, Alfons…170, 197, 217, 308 Galitis, Georg…152, 156 Gamble, Harry Y.…22 Gemoll, Wilhelm…271 Georgi, Dieter…80 Girod, Robert…169, 171, 172, 178, 182, 184, 187, 188, 190, 193, 195, 300 Gnilka, Joachim…31, 35, 56, 80, 103– 105, 112, 120, 308 Gögler, Rolf…183, 186, 188, 191, 193, 194, 216, 218, 219, 221 Goulder, Michael D.…75 Gourdain, Jean-Louis…168, 281, 282– 289, 291–293, 297, 300, 303–305, 309, 310, 312, 315–321, 323 Graves, Michael…286 Greeven, Heinrich…26 Gregory, Caspar R.…21 Grimm, Walter…72 Grundmann, Walter…35, 308 Grützmacher, Georg…280 Guillaumin, Marie-Louise…227–229

Verzeichnis moderner Autoren Guillet, Jacques…249 Gunkel, Hermann…77, 87, 88, 158 Güting, Eberhard…26 Güttgemanns, Erhardt……78 Haenchen, Ernst…33 Hagemann, Wilfried…301, 303, 305 Hahn, Ferdinand…69 Hanson, Richard P. C.…183, 186, 191, 216, 218, 219 Harnack, Adolf von…226 Hawkins, David…32, 91 Head, Peter M.…26 Healy, Mary…31, 123 Heckel, Ulrich…23, 29, 31, 43, 52, 61 Hegermann, Harald…72 Heil, John P.…7, 16, 81–84, 89, 90 Heine, Ronald E.…166, 167 Heininger, Bernhard…21, 22, 27, 45, 49, 52, 60, 61, 85, 87, 88, 93, 94, 101, 109, 196, 201, 205, 206, 211, 214, 257, 259, 267, 270, 272, 309, 312, 316 Helyer, Larry R.…50 Hendriksen, William…36 Hengel, Martin…42, 74, 75, 90, 106, 110, 113, 118, 124 Henne, Philippe…280, 285, 295, 300, 301, 303 Hoffmann, Ernst G.…39, 72 Holzmeister, Urbanus…7 Hooker, Morna D.…124 Horstmann, Maria…113 Hubaut, Michel…8, 16 Hübenthal, Sandra…105 Hübner, Hans…31, 102, 104, 105, 109, 110, 121 Incigneri, Brian J.…110, 111 Janowski, Bernd…110 Jaroš, Karl…91 Jay, Pierre…280, 281, 283, 285, 286, 300, 303 Jeremias, Joachim…55 Kaczynski, Reiner…167, 232, 245, 246, 248–251, 253, 273, 275, 276, 278 Kahl, Werner…52

371

Kahle, Paul…213 Kampling, Rainer…91 Kannengiesser, Charles…170, 172, 187, 190, 208, 226, 246, 280, 281 Karakolis, Christos…1, 16, 151 Karavidopoulos, Ioannis…15, 23–25, 31, 35, 54, 81 Kazmierski, Carl R.…113, 115 Kelber, Werner H.…41, 43, 98 Kellermann, Dieter…98 Kelly, John N. D.…226 Kern-Ulmer, Brigitte (Rivka)……82 Kertelge, Karl…36, 80, 103, 112, 120 Kertsch, Manfred…248 Kesich, Veselin…12, 24, 25, 30, 54, 78, 79, 88, 94, 112 Kilpatrick, George D.…38, 41 Klappert, Bertold…105 Klein, Hans…16, 20 Klein, Renate A.…20 Kleine, Heribert…64, 97 Knight, Jonathan…75 Köckert, Matthias…98 Kolbet, Paul R.…218 Körting, Corinna…101 Krans, Jan…23 Kraus, Thomas J.…23, 158 Kreuzer, Siegfried…213 Krüger, Manfred…9 La Bonnardière, Anne-Marie…236 Lamarche, Paul…43 Lambrecht, Jan…55 Larentzakis, Grigorios…129 Latourelle, René…120 Lee, Dorothy…9, 91 Lee, Simon S.…10, 36, 44 Lehnardt, Andreas…106, 107 Leinkauf, Thomas…127 Leroux, Jean-Marie…230, 231, 234, 236, 245, 246, 248 Lieb, Michael…127 Lies, Lothar…184, 186, 191, 192 Lindemann, Andreas…21, 29, 52, 93, 196, 254, 308 Litfin, Bryan M.…127, 170 Lössl, Josef…280 Lubac, Henri de…183, 303 Lüderitz, Gert…33, 34, 38, 39, 42, 49

372

Verzeichnis moderner Autoren

Lührmann, Dieter…32–35, 59, 103, 117, 323 Luz, Ulrich…2, 16, 17, 36, 125, 127, 129–148, 159 Majoros-Danowski, Johannes…35, 123, 124 Malingrey, Anne-Marie…227, 236 Maloney, Elliott C.…41 Mánek, Jindřich…109 Marcus, Joel…106, 123 Markschies, Christoph…128, 171 Marshall, Christopher D.…119 Martens, Peter W.…184–186, 218, 219 Mason, Emma……127 Massaux, Édouard…170 Maxwell, Jaclyn L.…226 Mayer, Wendy…227 Mayordomo, Moisés…137, 147 McConville, Gordon J.…110 McCurley Jr., Foster R.…34, 123 McGuckin, John A.……1, 2, 9, 11, 14, 17, 79, 156, 228, 281, 329 Meeks, Wayne A.…124 Merkt, Andreas…129 Merz, Annette…81 Metzdorf, Christina…159–165, 168– 170, 221, 227, 273, 330 Metzger, Bruce M.…21, 178 Metzger, Martin…98 Metzger, Paul…23 Meye, Robert P.…50, 51 Michaelis, Walter…101, 102 Mihoc, Vasile…2, 16, 156, 157, 169, 193, 215, 216, 219 Min, Kyoung Shik…182 Mollac, Philippe…10 Moreschini, Claudio…227, 228 Moses, A.D.A.…7 Moulton, James H.…39, 41 Müller, Peter…32, 33, 35–37, 40, 50, 90, 91, 109, 111, 112, 118–120, 123 Müller-Abels, Susanne…285 Münch, Christian…113 Musurillo, Herbert…227 Nautin, Pierre…170, 171, 301 Neirynck, Frans…34, 35, 61, 74, 75, 119

Neudorfer, Heinz-Werner…61, 196, 211, 267 Neville, David J.…52, 61, 75, 124 Nicklas, Tobias…23, 129 Niebuhr, Karl-Wilhelm…16, 31 Niemand, Christoph…7, 65, 66, 67, 70, 74, 75 Nikolakopoulos, Konstantin…2, 4, 5, 13–15, 24, 29, 53, 54, 77, 79, 95–97, 112, 151, 156, 231, 234, 236, 248, 255, 327 Nissiotis, Nikos A.…151 Nützel, Johannes…6, 7, 66, 99–102, 113–115, 119, 122, 123 Oancea, Constantin…15 Oepke, Albrecht…72, 82 Öhler, Markus……35, 36, 55, 124 Oikonomos, Elias…11, 12, 23–25, 29, 30, 53, 95, 96, 149 Oiry, Béatrice…113 Oliver, William C.…178 Omerzu, Heike…123, 124 Orton, David…344 Painter, John…35, 123 Pannenberg, Wolfhart……1 Paretsky, Jeremy A.…7, 16 Parker, David C.…21, 26 Parker, Neil R.…110 Pasquet, Colette…10 Patrick, John…172 Pentiuc, Eugen…94 Peri, Vittorio…283 Perrin, Norman…33, 198 Perrone, Lorenzo…301 Perry, John M.…8, 16 Pesch, Rudolf…31, 35, 56, 81, 103, 112, 120, 308 Peterson, Dwight N.…87, 88 Pinggera, Karl…159 Pokorný, Petr…23, 29, 31, 43, 52, 61 Puig i Tarrech, Armand…103 Quasten, Johannes…227 Radl, Wolfgang…58 Rebenich, Stefan…280, 286 Reid, Barbara E.…7, 16

Verzeichnis moderner Autoren Reiser, Marius…5, 39, 41, 42, 118, 130, 131, 135–137, 141, 142, 144, 146– 149, 152–154, 159, 327, 330 Renoux, Charles A.…10 Reploh, Karl-Georg…60, 84, 113 Reventlow, Henning Graf…170, 171, 183, 280 Riesner, Rainer…111 Ritt, Hubert…68 Ritter, Adolf M.…238 Robbins, Vernon K.…32, 109, 113 Roberts, Jonathan…127 Rüegger, Ulrich…42, 43 Rüger, Hans Peter…118 Sabin, Marie N.…103 Sanders, Ed P.…60, 73–75 Sänger, Dieter…100 Schade, Ludwig…303 Schildgen, Brenda D.…169 Schmahl, Günther…84, 113 Schmauch, Werner…97, 98 Schmidt, Thomas E.…90 Schmithals, Walter…115 Schnabel, Eckhart J.…61, 196, 211, 267 Schneider, Gerhard…58, 65, 68, 69, 71 Schneider, Theodor…1 Schnelle, Udo…21, 22, 27, 29, 45, 47, 52, 61, 74, 78, 93, 102, 109, 118, 120, 196, 201, 205, 211, 214, 253, 254, 257, 263, 267, 272, 309, 318 Schnellbächer, Ernst L.…34 Schreiber, Stefan…124 Schröter, Jens…171, 184 Schürmann, Heinz…72 Schweizer, Eduard…31, 35, 36, 56, 57, 112, 308 Schwemer, Anna Maria…107 Schwienhorst-Schönberger, Ludger…130, 158, 159, 163, 308 Sellew, Philip…113, 119 Siebenthal, Heinrich von…38, 39, 41– 43, 72, 196 Simon, Richard…22, 296 Širka, Zdenko Š.…20 Söding, Thomas…113, 159 Stamps, Dennis L.…124 Standaert, Benoît…36 Stefaniw, Blossom…188

373

Steichele, Hans-Jörgs…102, 103, 110, 113, 119 Stein, Robert…59, 80, 118–120, 122 Steinmann, Jean…280 Stock, Klemens…44 Stotz, Peter…295 Strecker, Georg…113, 119 Struthers Malbon, Elizabeth…121, 122 Stuiber, Alfred…226 Sturdy, John V. M.…75 Stylianopoulos, Theodore G.…2–4, 12– 14, 24, 30, 78, 87, 88, 94–96, 112, 155, 156 Suhl, Alfred…104, 105 Swanson, Reuben J.…26 Telford, William R.…105, 120, 124 Theißen, Gerd…80, 81, 88, 89, 92 Thomas, Benjamin…10 Thompson, Mary R.…50, 121 Tiersch, Claudia…226 Tilly, Michael…23 Tonger-Erk, Lily…105 Torjesen, Karen J.…173, 183–186, 188, 189, 191, 193, 194, 214, 216–218, 222, 225 Trakatellis, Demetrios…31, 36, 81 Trebilco, Paul R.…105 Trites, Allison A.…9 Trocmé, Étienne…60 Turner, Cuthbert H.…41 Turner, Nigel…39, 41 Tyson, Joseph B.…91, 121 Uhlig, Siegbert…106 Ullmann, Wolfgang…183–185 van Iersel, Bas…32, 91, 103, 332 van Oort, Johannes…128 van Parys, Michel…228, 284, 285, 287, 288 Vannier, Marie-Anne…10 Verheyden, Joseph…23, 129 Vette, Joachim…22 Vogels, Heinrich Joseph…21 Vogt, Hermann Josef…171–178, 187, 189, 192–195, 197–216, 219–225, 287, 288 Volgers, Annelie…301

374

Verzeichnis moderner Autoren

Watts, Rikki E.…102 Watts Henderson, Suzanne…84 Weeden, Theodore J.…91 Weidemann, Hans Ulrich…129 Wenk, Wolfgang…283 Wiarda, Timothy…51 Wick, Peter…21, 22, 29, 45, 46, 47, 78, 257, 312, 316 Williams, Matthew C.…26–28 Williams, Megan H.…280, 284–286 Williams, William H.…6 Wills, Lawrence M.…60 Wilson, Andrew P.…35, 80, 81, 90, 124, 308

Winn, Adam…91 Witherington III, Ben…31, 36, 123 Wrede, William…123 Wuellner, Wilhelm…80 Wypadlo, Adrian…8, 31, 33–38, 43, 55–57, 59, 81, 102, 103, 106, 115– 117, 119, 120 Young, Frances M.…160 Zamagni, Claudio…301 Zamfir, Korinna…5 Ziegert, Carsten…213 Zuntz, Günther…42

Namen und Sachen Aktualisierung…162, 163(71, 72), 164, 166(79), 167, 169, 189(216), 219, 273(821), 274–276, 281, 332 – ~ biblischer Texte…139, 248, 272, 276 – ~ der Botschaft der Bibeltexte…139, 156, 323 – ~ der in den Bibeltexten dargestellten Ereignisse bzw. des Verwandlungsereignisses…167, 216, 217, 220, 221, 222, 224, 225, 237, 238, 257, 278, 279, 324, 325 – ~ der Schrift…162 – ~ des Schriftsinnes…4, 133, 137 Berg…3, 4, 949, 26, 31, 33, 34, 35(94), 36(107), 37, 38, 40, 44, 46, 48, 49, 50, 54, 59, 64227, 65, 66, 68238, 71, 72252, 73, 82309, 83, 88, 90, 97(402), 98(404), 99, 100, 102(445), 103447, 105, 114, 121, 123, 173(122), 174, 175(126, 130), 176133, 134, 184, 197–199, 201292, 202, 203, 205(335), 206, 207, 209, 211367, 212, 213, 217, 220, 222, 223, 224, 225, 230, 232, 235, 238(574), 239, 241(593), 244, 247(635), 251, 255, 256, 257(708), 258, 259730, 267(777), 272, 278, 289–293, 299, 306, 307, 309–313, 315, 319, 320, 323–326 – ~ereignis…243, 256, 294 Chrysostomos…18, 13780, 164, 165, 167, 168(87), 169, 170, 172114, 226, 229(498), 230(506), 231(518), 232(524), 233(530), 234(535, 536), 235, 236(557), 237, 238, 241–245(613), 246(617), 247– 250, 251–253, 255–279, 283, 289, 291, 293–295, 299, 300, 308, 309,

– – –

– –

– –

313, 315, 317(1163), 318, 320, 321, 323, 331 allegorische/übertragene Bibelauslegung…248(642), 250, 251 ~forschung…226, 227, 230, 248 Exegese des ~…230, 231, 236, 241, 245, 249, 250–252, 254, 255, 257, 258, 259, 266, 272, 274, 314 exegetische Methode…231510, 253 (Matthäus-)Homilien…169, 226471, 227, 228(492), 229, 236, 242(600), 245, 246, 250, 254, 256, 265, 267, 273, 288 Schriftverständnis…245, 246, 249(646, 647), 250, 254, 270, 273 Werke…230506

Elia…839, 55(201), 56(204, 206), 102, 107, 108, 116, 123, 124(570), 204, 239584, 585, 260(736), 261737, 740, 268777, 299, 320; siehe auch → Mose: Mose und/mit Elia Formkritik/-geschichte…77(277), 78, 79(290), 111 (Bibel-)Hermeneutik…1, 2, 1375, 20, 2968, 130, 133, 137, 138, 140, 142, 143, 157, 160, 162, 165, 183, 191, 246, 3285, 330 – anglikanische ~…10 – christologische ~…13563 – kirchliche ~…139 – orthodoxe ~…17, 24, 137, 138, 1512, 329 – patristische ~…2, 135, 136, 142, 154, 160, 162–165, 245, 246, 285, 303

376

Namen und Sachen

– reformatorische/protestantische ~… 139, 140 – traditionelle ~…2 – westliche ~…137 – wirkungsgeschichtliche ~…143 Hieronymus…10, 18, 23, 164, 165, 167–170, 172114, 212, 247, 280–326, 331 – Exegese des ~…280, 281, 285–297, 299–301, 303, 307–323 – Hermeneutik…285, 286 – Mattäuskommentar…281, 288, 309, 313, 314 – Markushomilien…281, 282880, 283, 284, 285, 287, 288, 290, 297, 303, 305, 307–309, 325 – Schriftverständnis…300–307, 325

– exegetische Werke/Texte der ~… 139, 145, 1512, 155 – exegetisches Vorbild der ~…135, 144(124) – griechische und lateinische ~…2, 10 – Harmonisierungstendenz der ~…170 – hermeneutische Prinzipien der ~…2, 165 – Praxis der ~…156 – Tradition der ~…1, 4, 134, 149, 158 – Unterscheidung zwischen ~n und Häretikern…147 – Verständnis der ~…53, 127, 135 – Zitate der ~…153

Identität – des Vaters ~…837, 262 – Jesu ~…837, 31, 32, 33(86), 34, 37109, 45–48, 51, 55201, 64, 83, 84, 87, 88, 90, 91, 92, 117–123, 177, 198, 201, 205, 237, 260, 262, 270, 295, 312, 315 – Mose und/oder Elia…71, 204 – ~ der Jünger bzw. Apostel…837 – ~ der Christen…5 – ~ der Exegese…143, 144 – ~ der christlichen Konfessionen… 145, 159, 171, 186192 – ~ zwischen dem Wort Gottes und der Person Jesu Christi…194(246)

Methode(n)…19, 20, 76, 78, 141, 142, 152, 154, 15726, 254, 3081092, 328 – allegorische ~…248 – exegetische ~…1, 2, 21, 23, 53, 78, 95, 130, 153, 154, 197, 329 – historisch-grammatische ~…248 – historisch-kritische ~…1, 5, 13, 14, 15(88), 16, 17, 18, 19, 20, 21, 125, 129, 134, 135, 139, 140, 143(122), 154, 158, 195, 196, 216, 225, 251, 266, 307, 327, 328, 329, 331 – kompositionskritische ~…112 – ~ der antiken Grammatik…160, 162 – ~ der Auslegung…1, 2, 5, 12, 14, 15, 18, 136, 140, 141, 144, 166, 195, 3081092, 331 – ~ der Bibelexegese…154, 158 – ~ der patristischen Exegese…154, 158, 165, 330 – ~ der spirituellen Exegese…154 – ~nbewusstsein…17 – ~ndiskurs/-diskussion…20, 93, 94, – ~nfrage…157 – ~nkanon…328, 329, 331 – ~nreflexion…127 – ~nschritt(e)…19, 20, 22, 23, 28–30, 76, 87, 92, 125, 157, 163, 165, 196, 197, 200, 225, 255, 270, 325, 329, 331 – moderne ~…1, 130, 154, 166, 197, 215

Jakobus → Petrus: Petrus, Johannes, Jakobus Johannes → Petrus: Petrus, Johannes, Jakobus Kirchenväter…1, 2, 3, 843, 44, 9, 12, 13(75), 17, 19, 24(33), 28(60), 30(71), 51– 54, 76, 77(276), 94, 127, 128(5), 129– 131(29), 132, 13453, 55, 13563, 136, 138, 141, 142, 143, 146, 147, 151– 155, 15726, 158, 159, 161–167, 169– 171, 219, 328, 330–332 – Auslegung(en)/Deutung(en) der ~… 17, 133, 136, 142, 143, 145, 151, 153, 154, 15618, 160, 163, 166

Literarkritik…12, 51, 53, 54, 61, 76, 166, 197, 206, 308

Namen und Sachen – – – –

redaktionsgeschichtliche ~…111 religionsgeschichtliche ~…96 typologische ~…95 wirkungsgeschichtliche ~…140, 143, 145, 148 – wissenschaftlich-exegetische ~…7, 11, 1375, 16, 20, 251, 308 Methodik…1, 157, 158, 160, 162 – ~ der Bibelauslegung…1, 2 – exegetische ~…2, 19, 158 – historisch-kritische ~…7, 11–14, 16, 17, 154, 330 – patristische ~…162–164 – rezeptionsgeschichtliche ~…129 – wissenschaftliche ~…19 Mose…55(201, 202), 56(206)–59, 67, 68238, 69242, 101, 102, 103447, 110, 113485, 114, 116, 117525, 123, 124570, 177138, 186191, 203, 204, 213, 214, 239585, 240, 244, 254692, 257707, 261737, 740, 267777, 268777, 781, 276843, 319, 320 – ~ und/mit Elia…838, 3594, 37, 38, 40, 44, 46, 48, 49, 50(178), 51, 55, 56(206), 57–59, 64, 66–68, 71–73, 75, 82(309), 83–86, 90(353), 101, 102, 108, 113(488), 124570, 575, 174, 176(133, 134), 177(139), 181, 194, 195, 203, 204(320), 208, 210(366), 233, 235(553), 237, 239, 240(591), 247(633), 258, 260–262741, 265–267(777), 268778, 272, 277846, 278, 287, 288, 290, 294, 295, 306, 307, 311–318 Origenes…10, 12, 18, 23, 147, 161, 163–165, 167–170(95, 96), 171– 184(171), 185–226, 230, 233, 242, 243, 245, 255, 257, 264, 270, 273, 276, 279–281, 283, 286, 288, 291, 299–302, 308, 309, 313, 315, 316, 318–321, 323, 325, 331 – Allegorese und ~…221 – Auslegung(en) des ~…174, 178, 183, 191, 195, 198, 204, 214, 287 – exegetisches Vorgehen…173, 183, 186, 191–193, 196, 197, 200–219, 287 – Hexapla…171, 318

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– Matthäuskommentar…17198, 172(114), 173, 178, 182, 184, 188, 195, 204, 211, 224, 246, 283, 301 – Schriftverständnis…183, 185, 186(192), 187–195 Patristik…5, 16, 128(5), 129, 149 Petrus…32, 33, 39, 40, 48–50(178), 51(179), 57(209), 64, 66, 68, 69(241), 72, 80, 85, 86, 89, 101, 122, 174(124), 176(134, 135), 181, 199(278), 201(294), 203, 206, 207, 211368, 220, 234535, 235, 238580, 239(583), 240(587, 589, 590, 592), 241, 244, 247, 251, 256, 257, 258(720), 259(722, 727), 260(731), 261(739), 262(742, 744), 266772, 777, 269(782), 276, 277, 282879, 294, 298, 309, 3101101, 1107, 3111110, 313(1133), 314, 319, 322, 323, 324 – ~, Johannes, Jakobus…26, 35, 40, 44, 48, 49, 59, 64227, 121, 174, 175, 233, 237, 239, 258, 266769, 292, 298 Redaktionskritik…733, 12, 112, 214, 268, 320, 331 Sitz im Leben…60215, 77, 87, 88, 92 Synoptischer Vergleich…17, 52, 61, 75, 76, 78, 163, 197, 206, 208, 215, 263, 265, 304, 315–318, 331 Textanalyse…29, 30, 51, 78, 166, 196, 197, 200, 215, 255, 257, 308, 331 Textkritik…12, 14, 15, 21–23, 25–29, 78 Traditionskritik…93, 94, 211, 266, 318, 330, 331 Verklärung…4(11), 730, 33, 950, 119535, 120, 173122, 198, 199, 203, 205, 207, 211367, 212, 223, 241593 – Forschung der ~…7, 10 – ~sauslegung…843 – ~serzählung…733, 36, 57208, 124572 – ~sfest…228 – ~sgeschichte…734, 3386, 103447 – ~sperikope…735, 56204, 207, 102, 117521, 523 – ~ssymbole…1050

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Namen und Sachen

– ~stypologie…734 – ~süberlieferung…117525 – ~sverständnis…945 Verwandlung Jesu…3, 4, 6, 8, 17, 20, 26, 31, 33, 35–37, 39, 46, 48, 50, 51, 72, 73, 76, 80, 82, 84, 87, 98, 100, 102, 107–110, 116, 123, 125, 151, 164, 173–175, 187, 199, 202–204, 206, 220–225, 230, 233, 238, 247, 251, 255, 257, 263, 267, 268, 278, 289, 291, 292, 294, 295, 299, 310, 313, 319, 320, 324, 331, 332 – ~sberg…90, 175, 224, 235, 238, 258, 268, 278; siehe auch → Berg – ~serzählung…3, 6–11, 18, 27, 33, 34, 36, 42–44, 49, 52, 55, 56, 58, 59, 61, 64, 65, 67, 70, 73–75, 80–84, 86–92, 99–114, 116–125, 165, 168, 170–173, 177, 178, 180, 181, 183, 186, 192, 195–201, 204, 206–214, 217–222, 224–226, 228–234, 237, 241–243, 245, 246, 249, 251, 255– 258, 260, 261, 265, 267, 272, 275, 276, 278–281, 285, 287, 288, 290–

293, 297, 299, 300, 303, 305–310, 314, 316, 318, 320, 322–325, 328, 329, 331, 332 – ~sgeschichte…949, 19, 3492, 69245, 73, 75273, 86, 89, 102444, 320 – ~sperikope…6, 7, 10, 16, 17, 20, 26– 28, 31, 32, 36, 41, 49, 56, 57, 59, 61, 64, 65, 80, 81, 83, 86, 97, 115, 116, 118, 125, 164, 165, 167–170, 198, 225, 237, 255, 278, 299, 325, 331 Wirkungsgeschichte…129, 130, 134(53, 55), 136, 137(77), 138–140(100), 141108, 143, 144128, 148 Wolke…837, 27, 33, 37–40, 44, 48, 50, 58, 59, 65–67, 69, 70, 72, 82(309), 83– 85, 87, 89–91, 102445, 105, 114, 115, 174, 176(135), 177(135, 136), 181, 202, 233, 234(536), 235, 237, 238574, 240(591), 241(593), 244, 247(633, 634), 251, 257(707), 258, 259724, 260, 262(741, 743), 267, 268(778, 781), 272, 287, 290, 291, 294, 295, 300, 307, 310–312, 314–317, 321, 326