Die ungarischen Stileigentümlichkeiten in den musikalischen Werken Franz Liszts [Reprint 2020 ed.] 9783111412245, 9783111048369


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German Pages 84 [92] Year 1931

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten in den musikalischen Werken Franz Liszts [Reprint 2020 ed.]
 9783111412245, 9783111048369

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UNGARISCHE

JAHRBÜCHER

Z E I T S C H R I F T für die kulturellen, sozialen und wirtschaftli chen F r a g e n U n g a r n s und seiner Nachbarländer. — B e g r ü n d e t v o n R O B E R T O R A O G E R . U n t e r Mitwirkung v o n W . B A N G , Z. v . G O M B O C Z , E . L E W Y , K . S C H Ü N E M A N N , herausgegeben v o n d e m Direktor des Ungarischen I n s t i t u t s an der U n i v e r s i t ä t Berlin J U L I U S V. P A R K A S . — D i e Jahrbücher erscheinen v i e r m a l jährlich. Bd. I, Heft 1—4: EM. Bd. XU, Heft 1—4: EM. Bd. V. Heft 1—4: EM. Bd. VII, Heft 1—4: EM. Bd. IX, Heft 1—4: EM.

12.—; 12.— ; 16.— ; 24.— ; 24.—;

geb. geb. geb. geb. geb.

EM. EM. EM. EM. EM.

13.50 14.— 18.— 26.— 26.—

Bd. XX, Heft Bd. IV. Heft Bd. VI. Heft Bd. VIII, Heft Bd. X, Heft

1—4: 1—4: 1—4: 1—4: 1—4:

EM. EM. EM. EM. EM.

12.—; 12.—; 20.— ; 24.— ; 24.— ;

geb. geb. geb. geb. geb.

EM. EM. EM. EM. EM.

13.50 14 — 22.— 26 — 26.—

AUS DEM INHALT DER BISHER ERSCHIENENEN B Ä N D E : Sprachwissenschaft B A N G , W . : Türkisches Lehngut im Mandschurischen (IV). — : Turkolog. Briefe aus dem Ungar. Inst. (V, VII, X). B R A N D L , A.: Der Name Magyar bei König Alfred (III). B R O C K E L M A N N , C.: Naturlaute im Mitteltürkischen (VIII). G I E S E , F . : Zum Wortschatz der altosman. anonymen Chroniken (V7II). GOMBOCZ, Z.: Geschichte der urungar. a-Laute (VIII). — : Über die Haupttypen der ungar. Verbalformen (X). G R A G G E R , R.: Zur Geschichte der ugrofinn. Sprachwissenschaft (IV). G Y Ö R F F Y , St.: Rumänische Ortsnamen (VI). J O K L , N.: Die magyar. Bestandteile des alb. Wortschatzes (VII). J U N K E R , H.: Türk. Simnu „Ahriman" (V). — : Neupers. asan ,.leicht" usw. (V). L E W Y , E.: Kurze Betrachtung der ungar. Sprache (IV). — : Arisch-Finno-Ugrisches (VI). — : Possessivisch und passivisch (VIII). — : Wogulische Vorstudien (X). L O S O N C Z Y , Z.: Die ungar. Sprachwissenschaft 1910 bis 21 (II). M A R K W A R T , J.: Np. ädina, .Freitag' (VII). M E Z G E R , F.: Altgerm. Zeugnisse zu ost- und nordeurop. Völker- und Ländernamen (II). MLADEN O V , St.: Zur Erklärung der sogenannten Buela-Inschrift des Goldschatzes von Nagy Szent-Miklös (VII). MOOR, E.: Ungarische Flußnamen (VI). NEMETH, J.: Die petscheneg. Stammesnamen (X). P A I S , D.: Die altungar. Personennamen (III). P O P P E , N.: Altaisch und Urtürkisch (VI). — : Die türkischen Lehnwörter im Tschuwassischen iVII). R A C H M A T U L L I N , G. R.: Die Hilfsverben und Verbaladverbien im Altaischen (VIII). S C H A E D E R , H. H.: Zur Beschriftung des Schatzfundes von Nagy Szent-Miklös (V). SCHULZE, W . : Zum Tocharischen (VII). —¡Osteuropäisches (VIII). S E T Ä L A , E.: Ein vorarisches ev. urindogerm. Kulturwort im FinniscliUgrischen (VII).— : Einige vor-und urarische -er- und -»--Wörter in den fiugr. Sprachen. (VIII). S Z I N N Y E I , J.: Die Ungar. Akademie der Wissenschaften und die ungar. Sprachwissenschaft (VI). T H I E N E M A N N , T.: Die deutschen Lehnwörter der ungar. Sprache (II). T H O M S E N , V.: Aus Ostturkestans Vergangenheit (V). T R E M L , L.: Die ungar. Lehnwörter im Rumänischen I — I I (VIII, IX). W I N K L E R , H.: Die altaischen Sprachen (IV). Geschichte und Hilfswissenschaften A L F Ö L D I , A . : Der Untergang der Römerherrschaft in Panncnien I — I I I (III, IV). A N G Y A L , D.: Das österr. Staats- und Reichsproblem (III). A R R A S , P . : Regestenbeiträge zur Geschichte des Mathias I. Corvinus (IV). B E R Z E V I C Z Y , A. v.: Der italienische Feldzug von 1859 und Bachs Sturz (VI). B R I N K M A N N , C.: Bulgarischungarische Beziehungen im 5. bis n . Jh. (II). B R Ü C K N E R , A.: Zur Geschichte der Slowakei (VI). B U C H N E R , M.: Um das Nibelungenlied (IX). F E H E R , G.: Ungarns Gebietsgrenzen in der Mitte des 10. Jh. (II). G Y A L Ö K A Y , E. v.: Die Schlacht bei MohÄcs (1526) (VI). H Ö L I K , Fl.: Die erste gelehrte Gesellschaft in Ungarn (III). HOLTZMANN, W . : Papst Alexander III. und Ungarn (VI). HOMAN, B . : Der Ursprung der Siebenbürger Szikler (II). — : Geschichtliches im Nibelungenlied (III). K Ä R O L Y I , A. : Stephan Sz6chenyis beschlagnahmte Schriften (II). L I N T Z E L , M.: Theudebert I. und die Sachsen in Pannonien (X). L U K I N I C H , E.: Preußische Werbung in Ungarn (1722—40) (VI). M Ä L Y U S Z , E. v.: Die Entstehung des Komitates Tiiröc (I). MOÖR, E.: Die deutschen Spielleute in Ungarn (I). — : Anschauungen von der Urheimat der Ungarn, im Mittelalter und bei den Humanisten (VII). M O R A V C S I K , J.: Zur Geschichte der Onoguren (X). MORDTMANN, J. H.: Osmanische Historiographie und Urkundenlehre (VIII). M Ö T E F I N D T , H.: Der Schatzfund von Nagy-Szent-Miklös (V). O R E N D , M., Die ältesten von Stammes-, Gebiets- und Ortsnamen abgeleiteten Familiennamen der Siebenbürger Sachsen (IX). R E L K O V I C , N.: Aus dem Leben der sieben „niederungar. Bergstädte" im 14. bis 17. Jh. (VI). SCHMIDT, L.: Die Ostgoten in Pannonien (VI). — : Franken und Sachsen im 6. Jh. in Pannonien? (IX). SCHÜNEMANN, K . : Ungar. Hilfsvölker in der Literatur des deutschen Mittelalters (IV). — : Hunnen und Ungarn (V). — : Die „ R ö m e r " des anonymen Notars (VI). T A K Ä T S , A.: Ungar, und türk. Berufsschreiber im 16. u. 17. Jh. (I;. THIM, J. R.: Die Gründungs versuche Jugoslawiens 1848/59 (I).

UNGARISCHE BIBLIOTHEK Für d a s U n g a r i s c h e Institut an der U n i v e r s i t ä t Berlin h e r a u s g e g e b e n von J U L I U S V O N F A R K A S Erste Reihe



16.

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten in den musikalischen Werken Franz Liszts Von

Zoltän Gärdonyi Mit 17 Notenbeispielen

1931

Walter d e G r u y t e r

Co.

vormals O. J.Oöschen'sche Verlagshandlung — J . Q u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp. B e r l i n und

Leipzig

Vorwort. Die ersten Anregungen zu der vorliegenden Arbeit habe ich aus den Studien „Ungarische Motive in der deutschen Musik" von GEORG SCHÜNEMANN (Ungarische Jahrbücher 1924, Band IV, S. 67—77) UND „Über Liszts Persönlichkeit und Kunst" von ARNOLD SCHERING (Jahrbuch der Musikbibliothek Peters 1926) empfangen. Das von mir zusammengetragene Material stammt in der Hauptsache aus dem Liszt-Museum in Weimar, aus der Musikabteilung des Ungarischen National-Museums in Budapest und aus der Musikabteilung der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Weitere persönliche Anregungen, sowie wertvolle Unterstützungen meiner Arbeiten verdanke ich den Herren Professoren Dr. ARNOLD SCHERING (Berlin),

Dr.

ZOLTÄN K O D A L Y

( B u d a p e s t ) , D r . JOHANNES WOLF

(Berlin) und Generalmusikdirektor Dr. PETER RAABE (Aachen), ferner den Herren Dr. KOLOMAN Isoz (Budapest) und Dr. ERVIN MAJOR (Budapest). Herrn Prof. Dr. HANS WAHL und Freiherrn Dr. H. VON MALTZAHN (Goethe-Nationalmuseum Weimar) bin ich für ihre dankenswerten Bemühungen um meine Arbeit in Weimar sehr verbunden. Den Verlegern Breitkopf & Härtel in Leipzig bin ich für freundliches Entgegenkommen, indem sie die Kopie der bisher unveröffentlichten „Ungarischen Bildnisse" von Franz Liszt mir zur Einsichtnahme übersandten, gleichfalls zum Dank verpflichtet. Ich möchte hier betonen, daß die Durchführung dieser Arbeit vor allem dem Magistrat von Budapest und S. E. Graf KUNO KLEBELSBERG, Königl. ungar. Minister für Religions- und Unterrichtswesen, zu danken ist, durch deren gütige Unterstützung ich vom Herbst 1927 bis Juli 1931 eine Stipendienstelle im Collegium Hungaricum Berlin genossen habe. Berlin, Januar 1931. Der Verfasser.

Inhalt. Seite

Vorwort

III

Einleitung

i

I. Kapitel: Liszts ungarische Bearbeitungen.

Die ungarische Musik und

Liszts Verhältnis zu ihr in der Wahl seiner Themen

. . .

II. Kapitel: Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt

4 21

III. Kapitel: Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts im Verhältnis zu den Vorbildern IV. Kapitel: Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen

39 61

Zusammenfassung

73

Anhang

76

Notenbeispiele

81

Einleitung. Die nationalen Stilelemente einer musikalischen Komposition sind ganz allgemein in zwei typischen Erscheinungsformen zu beobachten. Wenn der Komponist ganze Themen, d. h. musikalisch abgeschlossene Gedanken aus der Musik einer Nation übernimmt, so bezeichnet man das schlechthin als Übertragung oder Bearbeitung. Nimmt er dagegen nur kleinere Formeinheiten, die nicht als selbständige Gebilde, sondern nur in Zusammenhang mit anderen zum Aufbau einer Komposition dienen können, so ist das keine bloße Übertragung oder Bearbeitung mehr, sondern muß als Originalkomposition gewertet werden. Bei der Bearbeitung ist der übernommene musikalische Gedanke die Grundlage zur Entfaltung der zahlreichen Bearbeitungsmöglichkeiten. Die Stiluntersuchung hat hier doppelte Bedeutung. Es kann zunächst danach gefragt werden: welche sind diejenigen Stilarten der betreffenden Nationalmusik, zu denen der Komponist durch seine Bearbeitungen in Beziehungen geriet ? Betrachtet man dagegen die übernommenen Gedanken als Nebensache und die Zutaten des Bearbeiters als das Wesentliche: so ergibt sich die Möglichkeit einer zweiten Stiluntersuchung, bei der die persönlichen Stileigentümlichkeiten des Bearbeiters im Vordergrund stehen. Wie ersichtlich, setzt sich der Stil der Bearbeitungen von nationaler Musik aus zwei Komponenten: aus Stileigentümlichkeiten der betreffenden Nationalmusik und aus Stileigentümlichkeiten des Bearbeiters zusammen. Diese Studie beschäftigt sich mit dem Problem, wie weit die Stileigentümlichkeiten der Werke Liszts auf die ungarische Musik zurückzuführen sind. Daraus ergibt sich, daß bei den Bearbeitungen zunächst die erste Stiluntersuchung vorgenommen werden soll. Es kann aber auf die zweite Stiluntersuchung doch nicht gänzlich verzichtet werden. Liszts Zutaten bei der Bearbeitung von ungarischer Musik sind nicht nur solche, die er aus sich selbst geschöpft hat, sondern auch solche, die unter anderen auch auf Eigentümlichkeiten verschiedener ungarischer Musikstile zurückgehen. Diese Stileigentümlichkeiten, die in seinen Bearbeitungen zwar nur als Beiwerk erscheinen, die aber trotzdem aus der ungarischen Musik stammen, dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Bei den Originalkompositionen gestaltet sich die Fragestellung insofern einfacher, als diese Werke durch nationale Züge nur gefärbt, gewürzt werden. In dieser Arbeit werden von den Stileigentümlichkeiten der Originalkompositionen nur diejenige untersucht, die von der ungarischen Musik beeinflußt worden sind. G â r d o n y i , Die ungarischen Stileigentümlichkeiten.

1

2

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Das Verhältnis des Lisztschen Schaffens zur ungarischen Musik ist bisher weder von ungarischer, noch von nichtungarischer Seite zusammenfassend geklärt worden. Gewisse Ansätze zur Lösung dieses Problems finden sich schon bei LINA RAMANN, der Biographin Liszts, indem sie in ihrem W e r k „ F r a n z Liszt als Künstler und Mensch", II. Band, 2. Teil (Leipzig 1894) ein ganzes Kapitel (XIII.) über „ F r a n z Liszts ungarische Musik" schrieb. D a sie weder irgendwelche feste Begriffe von der ungarischen Musik, noch die Fähigkeit zu einer zuverlässigen stilistischen Untersuchung besaß, besteht ihr Verdienst bezüglich des genannten Problems lediglich darin, d a ß sie die ungarischen Werke Liszts als eine besondere Gruppe einheitlich zu betrachten versuchte. Weitere Beiträge finden sich hauptsächlich in der Literatur anläßlich der 100. Jahreswende des Geburtstages von Liszt. BERTALAN FABÖ hat seine Studie „ L i s z t Ferenc visszamagyarosodäsa es magyar müködese" (d. h. Liszts Wiederkehr zum Magyaren tum und sein ungarisches Schaffen. „ N e p müvel6s" 1 9 1 1 , Jg. V I , Nr. 1 7 — 1 8 ) diesem Problem gewidmet. Sowohl dieser Aufsatz, wie auch der Beitrag ALEXANDER BERTHAS zum 4. K o n g r e ß der Internationalen Musikgesellschaft in London (1911): „ L e s Rhapsodies Hongroises de F. L i s z t " zeigt, wie wenig damals die Quellen der von Liszt bearbeiteten ungarischen Themen bekannt waren. Beide Verfasser beschränken sich nur auf die endgültigen Klavierrhapsodien. Die neueren Arbeiten auf diesem Gebiet stammen von ERVXN MAJOR („Liszt Ferenc magyar rapszödiäi", d. h. Franz Liszts Ungarische R h a psodien, Budapest 1929, 8 Seiten) und von HERMANN ARMINSKI („Die ungarischen Phantasien von Franz L i s z t " , Dissertation Wien 1929, ungedruckt). MAJOR hat zwar lediglich einen (bis heute zweifellos den umfassendsten) Quellennachweis von den in den Ungarischen Rhapsodien bearbeiteten Themen geliefert, aber er hat damit die vergleichenden Untersuchungsmöglichkeiten, die nunmehr auf zuverlässigen sachlichen Grundlagen aufbauen können, stark gefördert. ARMINSKIS Versuch, Liszts Ungarische Rhapsodien (das Wort „ P h a n t a s i e n " im Titel ist irreführend) ohne genügende Kenntnis der ungarischen Musik zu untersuchen, hat ihn vielfach zu sachlichen Irrtümern geführt. Die Unempfindlichkeit gegen Unterschiede wie Zigeunermusik und Zigeunerspiel, ungarischer Volksgesang und volkstümlicher Instrumentalstil u. a. m., macht sich in der Arbeit ARMINSKIS überaus peinlich bemerkbar. Unter den zahllosen methodischen Fehlern sind in erster Linie die folgenden zu tadeln: 1. Liszts Schrift über die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn wird als eine der H a u p t quellen benutzt. Bekanntlich bedarf das Werk teils wegen der stark subjektiven Prägung der Ansichten Liszts, teils wegen der noch nicht genügend nachgewiesenen Zusätze der Fürstin Caroline Sayn-Wittgenstein einer sehr scharfen Kritik, bevor es als Quelle für die Geschichte und Beschaffenheit der Zigeuner-, bzw. der ungarischen Musik herangezogen werden darf. 2. Die früheren Fassungen der Rhapsodien, welche ja größtenteils gedruckt vorliegen, werden kein einziges Mal erwähnt; ebenso verrät ARMINSKI nicht die geringste Vertrautheit mit handschriftlichen Ver-

Einleitung.

3

sionen der Rhapsodien. Die dadurch entstehenden historischen Irrtümer sind leicht einzusehen (z. B. auf S. 26 wird behauptet, daß Liszt die Zigeunerskala zuerst in der III. Rhapsodie verwendet; wenn man aber die früheren Fassungen der Rhapsodien — den ersten Rhapsodiezyklus — heranzieht, dann stellt es sich heraus, daß Liszt die Zigeunerskala schon vor der Bearbeitung der Themen der III. Rhapsodie: im 3. Heft der „Ungarischen National-Melodien" verwendet). Der Gebrauch der für wissenschaftliche Untersuchungen kaum entbehrlichen Gesamtausgabe der musikalischen Werke Franz Liszts (erscheint in Leipzig bei Breitkopf & Härtel) hätte dem Verfasser die nötigen Anregungen zur Heranziehung der früheren Fassungen geben können. 3. Die Rhapsodien I — X V und X I X werden ebenso auf „Kompositionstechnik" hin untersucht, wie die Rhapsodien X V I — X V I I I . Es wird nirgends auf den Wesensunterschied der zwei Rhapsodietypen hingewiesen, daß nämlich die Rhapsodien I — X V und X I X freie Bearbeitungen (statt „Kompositionstechnik" ist also die „ B e arbeitungstechnik" zu untersuchen), dagegen die Rhapsodien X V I — X V I I I in der T a t K o m p o s i t i o n e n Liszts sind. Die Aufzählung der Schwächen der ARMINSKI sehen Arbeit würde hier zu weit führen. Leider bekam ich die Arbeit aus Wien nach mehrmaliger Bestellung erst nach Abschluß meiner Dissertation und so konnte ich im Folgenden nur an einigen Stellen auf ARMINSKIS Behauptungen eingehen. Es hätte sich keineswegs gelohnt, die einzelnen Irrtümer, die hauptsächlich aus der mangelhaften Kenntnis des Materials, aber zum Teil auch durch methodische Fehler zustandekamen, zu widerlegen. Meine vorliegende Arbeit wäre dadurch beträchtlich belastet, ohne den geringsten Gewinn an positiven Resultaten. Die in der Liszt-Literatur häufig auftauchenden Hinweise auf „ungarische Motive" in Liszts Originalkompositionen sind fast ausnahmslos unsichere Vermutungen. Ich habe versucht, diese Vermutungen in meiner vorliegenden Studie sachlich zu begründen. Die Anordnung meiner Untersuchungen ist folgende. Zum Ausgangspunkt wird eine allgemeine Charakteristik der für Liszt in Betracht kommenden ungarischen Musikstile gewählt und anschließend Liszts Verhältnis zu diesen in der Wahl der bearbeiteten Themen untersucht. Im II. Kapitel werden die Wege aufgedeckt, auf denen Liszt zur ungarischen Musik gelangte und woher er die Themen zur Bearbeitung genommen hat, um auf die nicht unwesentlichen Einflüsse der vermittelnden Faktoren hinweisen zu können. Das III. Kapitel enthält die zweite Stiluntersuchung der ungarischen Bearbeitungen Liszts, in der danach gefragt wird, wie weit seine Änderungen und Zutaten auf ungarische Vorbilder zurückgehen. Mit den, in den Kapiteln I — I I I gewonnenen Resultaten und Gesichtspunkten wird im IV. Kapitel an Liszts Originalkompositionen herangetreten. Diese Werke werden daraufhin untersucht, in welchem Maße die von der ungarischen Musik empfangenen Impulse in die Originalkompositionen eingedrungen sind. 1*

I. K a p i t e l .

Liszts ungarische Bearbeitungen. Die ungarische Musik und Liszts Verhältnis zu ihr in der Wahl seiner Themen. Bevor der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts untersucht wird muß noch kurz auf eine rein äußerliche Frage eingegangen werden. Welche sind unter den Werken Liszts die ungarischen Bearbeitungen? Die ungarische Quelle wird für eine Reihe seiner Werke teils in den Titeln, teils in Liszts Schriften mit ziemlicher Genauigkeit angegeben. Hierher gehören die Bearbeitungen des Raköczi-Marsches, das neunte Heft der „Ungarischen National-Melodien" und dessen Umarbeitung: die X . Ungarische Rhapsodie, die Paraphrase über Teile aus der Oper „Hunyady Läszlö" von Franz Erkel, die ungarischen Themen in der „Legende von der hl. Elisabeth", die Phantasie über Teile aus der Oper „Szep Ilonka" von Michael Mosonyi, der „Szözat& Hymnus", „Einleitung und ungarischer Marsch von Graf Emerich Szechenyi", „Revive Szegedin!" nach Szabadi.das „Ungarische Königslied" und die X I X . Ungarische Rhapsodie. Bei einer anderen Gruppe seiner Werke hat Liszt in den Titeln nur ganz allgemein darauf hingewiesen, daß diese Werke Bearbeitungen ungarischer Themen sind. Als solcher Hinweis gilt der Titel: „Ungarische National-Melodien" und „Fantasie über ungarische Volksmelodien". Es ist aber keineswegs so selbstverständlich, daß die am meisten bekannten ungarischen Werke Liszts: die „Ungarischen Rhapsodien", nichts anderes als Bearbeitungen sind. Aber die Bezeichnung „Ungarische Rhapsodie" wird von Liszt teils gleichbedeutend mit „Ungarische National-Melodien" gebraucht (s. weiter unten), teils werden (später) solche Werke so bezeichnet, die Umarbeitungen der „Ungarischen National-Melodien" sind. Die „Ungarischen National-Melodien" und die „Ungarischen Rhapsodien" Liszts bilden also eine zusammengehörige Gruppe. Diese Gruppe besteht aus zwei Zyklen. Der erste Zyklus besteht aus den gedruckten 17 Nummern (10 Hefte) der „Ungarischen National-Melodien" und „Rapsodies hongroises", die in der Zeit von 1840 bis 1847 erschienen sind (im folgenden stets mit der Abkürzung UNM zitiert)1), ferner aus deren Fortsetzung: E i n e vollständige A u s g a b e der U N M ist in den Jahren 1840 — 1847 in W i e n bei Haslinger erschienen: „ U n g a r i s c h e National-Melodien" H e f t

I, Nr. 1 — 6



II.





III,



IV,

,,

7

(Platten-Nr.

8041).

(

..

8-9

(





8043).

8042).

10 — 1 1

(

,,

,,

8044).

Liszts ungarische

Bearbeitungen.

5

den ungedruckten Rhapsodien „Nr. 18" bis „Nr. 21" 1 ) und aus dem „Pesther Carneval"2). Nach dem ersten fängt Liszt bald einen zweiten Zyklus an. Zuerst erscheinen im Jahre 1851 zwei „Ungarische Rhapsodien" (I. und II. Rh.) aus solchen Themen, die von Liszt bis dahin noch nicht bearbeitet wurden; dann — bis zum Jahre 1853 — die Rhapsodien III—XV, größtenteils aus dem Themengut des ersten Zyklus. Die früheren Fassungen der Rhapsodien III—XV hat Liszt später für „ungültig" erklärt'). Sie müssen aber bei den folgenden Untersuchungen ganz besonders herangezogen werden. Um die Untersuchungen historisch einwandfrei durchführen zu können, werden die Rhapsodiethemen im folgenden meist ihrer ersten Bearbeitung nach zitiert, falls die Gesichtspunkte der Untersuchungen an der einen oder anderen Stelle nicht eine besondere Rücksichtnahme auf die späteren Bearbeitungen erfordern. Auf die einzelnen thematischen Beziehungen zwischen den beiden Rhapsodiezyklen hat schon PETER R a a b e in seinen Bemerkungen zum 12. Bande der Klavierwerke der LisztGesamtausgabe fast vollständig hingewiesen. Die erwähnten Beziehungen sind aus dem Anhang der vorliegenden Studie ersichtlich. Die Auffassung, daß die ungarischen Rhapsodien Liszts zwei Zyklen bilden, findet außer den klar erkennbaren musikalischen Gegebenheiten auch in einem Briefe Liszts eine mittelbare Bestätigung: „. .. der Cyclus scheint mit jetzt ganz vollständig", schreibt er am 1. Januar 1847 (s. S. 37), also schon vor der Entstehung des zweiten Zyklus. Platten-Nr. 10205). V, Nr. 12 10206). VI, 13 10207). VII, 14 „Ungarische National-Melodien" VIII, 10208). 15 „Rapsodies Hongroises" IX, 10209). 16 X, 10210). 17Außer dieser zusammengehörigen Reihe sind noch verschiedene Nummern derselben unter folgenden Titeln erschienen: „Melodies Hongroises (Album d'un voyageur, 3-me Année)", Paris, B. Latte (PI.-Nr. 2832), enthaltend die Nrn. 1 — 7 der U N M in fast gänzlich unveränderter Gestalt; ferner: „Ungarische NationalMelodien. A S. E. le Comte A p p o n y . . . " Wien, Haslinger (PI.-Nr. 10045), enthaltend: UNM. Nr. 5, Nr. 4, Prelude (ais moll), UNM. Nr. 11, 3. Thema; „3 Melodies Hongroises. A S. E. le Cte d'Apponi." Paris, B. Latte (Pl.-Nr. 3403), Inhalt ähnlich, wie Haslinger 10045. Die Bearbeitungen des Räköczi-Marsches nach UNM. Nr. 13 bis zur X V . Rh. seien hier übergangen. „Rapsodies Hongroises"

Heft

x)

Als handschriftliche Kopien von unbekannter Hand vorhanden im LisztMuseum Weimar unter der Signatur Ms. J. 10 (10 — 13). Sie werden im folgenden stets als „Nr. 18", „Nr. 19", „Nr. 20" und „Nr. 2 1 " zitiert. Die beiden ersten haben mit der späteren X V I I I , bzw. X I X . Rhapsodie gar nichts zu tun. S. Z. GARDONYI: Liszts 20. ungarische Rhapsodie. Ungarische Jahrbücher Bd. X, 3, S. 293ff. 2) Die frühe Fassung der späteren I X . Rhapsodie. Erschienen in Wien bei Haslinger (Pl.-Nr. 10565). 3) S. Thematisches Verzeichnis der Werke von F. Liszt, neue Ausg. erschienen bei Breitkopf & Härtel in Leipzig, ohne Jahreszahl.

6

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Die „Fantasie über ungarische Volksmelodien" für Klavier und Orchester ist eine Umarbeitung der X I V . Rh., die sechs Orchesterrhapsodien und die nach diesen entstandenen Rhapsodien für Klavier zu vier Händen sind Umarbeitungen von sechs Rhapsodien aus dem zweiten Zyklus. Diese Werke bilden keine besonderen Gruppen, da es sich hier nicht um eine starke inhaltliche Umgestaltung, sondern nur um die etwas freie Umarbeitung für einen anderen Klangkörper handelt. Der ungarische Ursprung der in dieser zweiten Gruppe bearbeiteten Themen konnte bisher noch nicht restlos nachgewiesen werden. Bei vielen Rhapsodien wurden bereits alle Themen identifiziert (UNM. Nr. 2, 4, 5, 10, 15, 1 6 ; „Nr. 1 9 " ; I., VI., VII., V I I I . , X . , X V . und X I X . Rhapsodie), bei anderen dagegen gar keine (UNM. Nr. 1 , 3, 1 4 ; II., I I I . , X I . , X V I . , X V I I . und X V I I I . Rhapsodie). Die übrigen Rhapsodien bestehen nur teilweise aus solchen Themen, deren ungarischer Ursprung nachweisbar ist. Liszt erklärte im Jahre 1859 und auch 1864 (s. S. 24f.) seine Rhapsodien für Bearbeitungen. Es ist also noch zu hoffen, daß in einiger Zeit der ungarische Ursprung auch bei den bisher noch nicht identifizierbaren Rhapsodiethemen nachgewiesen wird. Anders steht es mit den Rhapsodien X V I , X V I I und X V I I I , deren Entstehung schon in die 80er Jahre fällt. Liszts erwähnte Äußerungen können nicht mehr auf diese bezogen werden. Außerdem schließt der Stil dieser Werke eine unmittelbare Anlehnung an ungarische Originalthemen gänzlich aus. Diese drei Rhapsodien sind also als Originalkompositionen Liszts zu betrachten. Die Bearbeitungen, welche in diese zweite Gruppe gehören, nehmen nach dem Jahre 1853 keine neuen Themen auf. Daraus folgt, daß die von Liszt nach dieser Zeit zum erstenmal bearbeiteten ungarischen Themen ausnahmslos zu der ersten Gruppen gehören, d. h. daß ihre Vorlagen von Liszt mit Bestimmtheit angegeben worden sind. Um das Verhältnis Liszts zur ungarischen Musik richtig beurteilen und einschätzen zu können, bedarf der Begriff der ungarischen Musik einer näheren Umschreibung. Die Nationalmusik im engsten Sinne, d. i. diejenige Musik, die den Nationalcharakter am deutlichsten und am reinsten ausprägt, ist in Ungarn die Volksmusik, bzw. das Volkslied. Die im weiteren Sinne gefaßte Nationalmusik als Musikproduktion der ganzen Nation umfaßt außer der Volksmusik die verschiedensten Gattungen und Schichten der Musik (volkstümliche und höhere Kunstmusik). Sowohl die Volksmusik, wie die im weiteren Sinne genommene Nationalmusik war — und das läßt sich trotz aller Lückenhaftigkeit der älteren ungarischen Musikdenkmäler feststellen — im Laufe der Zeiten verschieden geartet. Die gattungsmäßige und geschichtliche Differenziertheit der ungarischen Musik braucht ja nicht besonders bewiesen zu werden. Ganz allgemeine, für alle Gattungen der ungarischen Musik gültige Eigenschaften hat man bisher noch nicht gefunden. Bei der folgenden Untersuchung müssen also die einzelnen Komponenten der ungarischen Musik herangezogen werden.

Liszts

ungarische

7

Bearbeitungen.

Die Zeit, deren ungarische Musik für Liszt hauptsächlich in Frage kommt, ist das 19. Jahrhundert. Wirkliches Interesse hat Liszt nur an der lebendigen, aktuellen ungarischen Musik seiner Zeit gehabt. Aus der früheren ungarischen Musik hat er nur wenige Themen bearbeitet, und zwar kaum aus tieferem historischen Interesse. Das aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammende „Chlopiczky-Ndta" (1. Bearbeitung: UNM. Nr. 5) zählte gegen 1840 noch zur lebendigen Musik. Liszt hat das „Räköczinöta" und den „Räköczi-Marsch" in der Form bearbeitet, zu der beide sich aus älteren motivischen Keimen im 19. Jahrhundert entwickelt hatten. Das zum „Chor der Armen"-Thema der Elisabethlegende gewordene alte ungarische Kirchenlied wählte Liszt wegen seiner Beziehungen zur hl. Elisabeth. Das im „Ungarischen Königslied" bearbeitete alte Kurutzenlied war vielleicht doch eine feinsinnige Anspielung an die Versöhnung der ungarischen Nation mit dem Habsburgischen Königshause 1 ). Dagegen hielt Liszt die Gesänge des Sebastian Tinödi — wichtigste Denkmäler der ungarischen Vokalmusik im 16. Jahrhundert — für „werthlose Produktion", „eine historische Kuriosität" 2 ). Was die ungarische Musik des 19. Jahrhunderts betrifft, so sei gleich hier betont, daß bisher weder eine zusammenfassende Stilgeschichte, noch Einzeluntersuchungen in ausreichendem Maße von derselben vorliegen. Von den vorhandenen Einzeluntersuchungen haben die Arbeiten des ERVIN MAJOR („Bihari Jänos", d. h. Johann Bihari, Budapest 1928; „Liszt Ferenc magyar rapszödiäi", d. h. Franz Liszts Ungarische Rhapsodien, Budapest 1929; „ A nepies magyar müzene es a nepzene kapcsolatai", d. h. Beziehungen zwischen der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik und der Volksmusik, Budapest 1930) und des BENEDIKT SZABOLCSI („A 18. szäzad magyar kollögiumi zeneje", d. h. Musik in den ungarischen Kollegien des 18. Jh.s, Budapest 1930, S. 84ff.: über die Anfänge des Verbunkos; vgl. darüber noch seine Andeutungen in „Probleme der alten ungarischen Musikgeschichte", Zeitschrift für Musikwissenschaft Jg. VIII., S. 490 und 494—96) wertvolle Dienste bei der Entstehung meiner vorliegenden Studie geleistet. Wissenschaftlich weniger zuverlässige Arbeiten, wie z. B. die des KORNBL ABRANYI sen. (,,Amagyar zenesajätsägai",d.h.DieEigentümlich-

1)

Der ursprüngliche T e x t des Liedes w a r „ r e v o l u t i o n ä r " , d. h. er b e z o g sich

auf die ungarische F r e i h e i t s b e w e g u n g e n , an deren S p i t z e F r a n z R d k ö c z i I I . stand. L i s z t schreibt a m 2 1 . 9. 1884 an B a r o n F r . P o d m a n i c z k y (Briefe I I ) : „ D i e s e s L i e d lernte ich in S t e f a n B a r t o l u s ' A n t h o l o g i e k e n n e n . . . ohne m i c h u m den Geist seines einstigen r e v o l u t i o n ä r e n T e x t e s weiter zu k ü m m e r n , ersuchte ich K o r n i l jun.

u m einen neuen l o y a l e n

Text...".

Trotzdem

Äbränyi

g l a u b e ich, d a ß L i s z t

dieses

L i e d n i c h t g a n z ohne N e b e n g e d a n k e n zu seinem „ K ö n i g s l i e d " w ä h l t e : ebenso, wie er in der „ K r ö n u n g s m e s s e " die M o t i v e des R & k 6 c z i - N 6 t a als S y m b o l der Versöhn u n g zwischen d e m K ö n i g und der N a t i o n a n g e w e n d e t h a t . 2)

Ges. S c h r i f t e n B d . V I ,

S. 327.

L i s z t h a t die G e s ä n g e v i e l l e i c h t gar n i c h t

g e k a n n t ; j e d e n f a l l s f e h l t e i h m d a m a l s v o l l s t ä n d i g das historische G e f ü h l , dieselben gehörig e i n s c h ä t z e n

zu

können.

8

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz Liszts.

keiten der ungarischen Musik, Budapest 1893; „ A magyar zene a 19-ik szäzadban," d.h. Die ungarische Musik im 19. Jh., Budapest 1900, u. a. m.) habeich beiseite schieben müssen. Leider sind die erwähnten neueren zuverlässigen Arbeiten nicht so sehr musikalisch-stilistische, sondern in erster Linie biographische oder quellenkundliche, historisch-philologische Untersuchungen, die, zwar wissenschaftlich von großer Bedeutung, jedoch für unseren Zweck nur in zweiter Linie verwendbar sind. Wo ich mich in stilistischen Fragen nicht auf zuverlässige Vorarbeiten stützen konnte, half ich mir mit eigenen Quellenstudien. Im Folgenden beabsichtigte ich keineswegs ein umfassendes Bild der ungarischen Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts zu geben. Der Hauptgesichtspunkt war, überall diejenigen Erscheinungen hervorzuheben, die in Bezug auf Liszt von Bedeutung waren. Es war dabei unvermeidlich, einige in Ungarn allgemein bekannte Tatsachen zu streifen. Das scheint mir jedoch keine überflüssige Arbeit gewesen zu sein, weil diese Tatsachen in der nichtungarischen Liszt-Literatur gewöhnlich ignoriert werden. Die ungarische Musik des 19. Jahrhunderts, welche auf Liszt in erster Linie gewirkt haben kann, umfaßt sehr verschiedene Komponenten. Der Anfang dieses Jahrhunderts bringt die Entstehung eines ausgeprägt nationalen Instrumentalstils mit sich. Dieser Stil (genannt „Verbunkos": Werbungstanz) war für die volkstümliche und teilweise auch für die höhere ungarische Musik der folgenden Zeit von bestimmender Bedeutung. Die von literarischer Seite kommende Neigung für das Lied erzeugte in den 40er Jahren eine volkstümliche Liedmusik. Bald darauf verblaßt der Glanz des ersten Instrumentalstils, um für einen zweiten den Platz zu räumen: für den Csardas. Der Hauptzweig der Csardas-Entwicklung steht in Wechselbeziehungen mit dem volkstümlichen ungarischen Lied, seine eigentliche Herkunft ist aber im Verbunkos-Stil zu suchen. Auf dem Gebiet der Liedmusik herrscht auch nach den 40er Jahren das volkstümliche Kunstlied vor. Während man in der Literatur schon längst Volksmäßiges aufgegriffen hatte, erwacht auf musikalischem Gebiet erst zu jener Zeit ein breiteres Interesse für den Volksgesang. Das wird einstweilen aber weniger durch zuverlässige Sammelarbeit, als vielmehr durch Popularisierung im volkstümlichen Stil komponierter Kunstlieder befriedigt. Die Rolle der Zigeunermusiker in Ungarn bestand hauptsächlich darin, daß sie diese verschiedenen Gattungen der ungarischen Musik mit ihren — nicht selten in das Wesen derselben eingreifenden — charakteristischen Manieren gewürzt vortrugen. Die genuine Musik der ungarischen Zigeuner war noch im 19. Jahrhundert so gut wie gänzlich unbekannt. Was Liszt für die Musik der Zigeuner gehalten hat, war nichts anderes als die volkstümliche ungarische Musik im Spiel der Zigeuner. Die eigentliche Zigeunermusik hat auf Liszt keinen namhaften Einfluß ausgeübt, weshalb sie in dieser Studie gänzlich außer Acht gelassen wird. Dagegen waren die Eigentümlichkeiten des Zigeunerspiels beim Vortrag von ungarischer Musik für Liszt von großer Wichtigkeit. Wie weit diese Vortragseigenheiten mit der eigentlichen Zigeunermusik zusammenhängen, ist bisher noch nicht unter-

Liszts ungarische

9

Bearbeitungen.

sucht worden. Die nunmehr der Historie angehörende Verwechslung der ungarischen Musik beruhte zum großen Teil auf der Unkenntnis der letzteren. Die sogenannte höhere Musik Ungarns, deren Regungen sich in den 40er Jahren stärker bemerkbar machen, steht größtenteils unter den Einflüssen Wiens und Italiens. Jedoch sind beachtenswerte nationalisierende Bestrebungen in der Oper, Klavier- und Kammermusik vorhanden. Die Objektivität der historischen Forschung erfordert gleiche Beachtung aller Gattungen und Stilarten, gleichviel, in welchem Maße sie den nationalen Charakter ausprägen. Liszt begeisterte sich nicht nur an eigentlicher ungarischer Musik, sondern ihn zogen auch gerade im ungarischen Stil komponierte Werke nichtungarischer Komponisten an1). Im Gegensatz dazu führte ihn seine persönliche Sympathie für ungarische Komponisten, wie Graf Geza von Zichy und Johann Vegh, zur Bearbeitung solcher Kompositionen, die nur bezüglich der Person des Komponisten als „ungarische" bezeichnet werden können2). Diese Bearbeitungen werden im folgenden nur gegebenenfalls berücksichtigt, da die Vorbilder derselben nicht als in erster Linie ungarische Musik betrachtet werden können. Die eben skizzierte Entwicklung der ungarischen Musik im 19. Jahrhundert wies schon auf die für Liszt wichtigsten Gattungen jener Epoche hin: 1. Erster Instrumentalstil ca. 1790—1840, kurz: „Verbunkos"; 2. Zweiter Instrumentalstil, seit ca. 1840, genannt: „Csardas"; 3. Allgemeine Kategorie des ungarischen Liedes, enthaltend hauptsächlich das volkstümliche Kunstlied jener Epoche. Alle drei Gattungen gehören in die Kategorie der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik. Diese Kategorie wird dadurch charakterisiert, daß die betreffenden Musikstücke außerordentlich stark (hauptsächlich aber in den Städten) verbreitet und allgemein beliebt sind. Die Komponisten selbst sind musikalisch nicht ganz ungeschulte Dilettanten. Die Verbreitung ihrer Werke erfolgt oft ohne den Namen des Komponisten, was zu häufigen Verwechslungen führt und die Aufgabe des Historikers ungemein erschwert. Der Verbunkos-Stil bedeutet den ersten ausgeprägt nationalen ungarischen Instrumentalstil. Seine Herkunft ist noch nicht vollständig geklärt8). Dieser Stil wird hauptsächlich durch reiche, instrumentalistische

Beispiele:

Schuberts „ D i v e r t i s s e m e n t à la H o n g r o i s e "

mehrmals für K l a v i e r und einmal für Orchester.

bearbeitete

A u s der „ B u n t e n R e i h e "

Liszt von

Ferdinand D a v i d bearbeitete er Nr. 19: „ U n g a r i s c h " in 2 Versionen. 2)

V o n G. Z i c h y bearbeitete Liszt seinen „ V a l s e d ' A d è l e " , u r s p r ü n g l i c h E t ü d e

für die linke H a n d allein, für K l a v i e r zu zwei H ä n d e n ; weiterhin i n s t r u m e n t i e r t e L i s z t die Ballade „ D e r Z a u b e r - S e e " .

V o n J. V é g h bearbeitete er einen „ K o n z e r t -

Walzer". 3)

Über die A n f ä n g e des V e r b u n k o s s. B .

schen Kollegien des 18. Jh.s.

Szabolcsi: Musik

B u d a p e s t 1930, S. 8 4 f f .

in

den ungari-

10

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Figuration charakterisiert. Das Bezeichnende dieser Figuration ist die große Mannigfaltigkeit, weshalb sie durch keine bestimmten Schemata (außer den gleich zu erwähnenden Schlußformeln) zu erkennen ist. Innerhalb des typischen Zweiviertel- oder Vierachteltaktes wechseln von dem Viertel bis zum 32stel, ja sogar 64stel fast alle Notenwerte bunt durcheinander. Punktierungen, Triolen und Synkopen aller Art sind sehr häufig. Es ist eine gewisse Vermeidung der glatten, gleichmäßigen Bewegung zu konstatieren. Die reiche Figuration des Verbunkos erreichte unter den Händen des berühmten ungarischen Zigeuners Bihari (1764—1827) 1 ) eine geradezu virtuose Stufe. Ein zweites Charakteristikum des Verbunkos ist die Schlußformel, die bald dicht, zwei- oder viertaktweise, bald nur an den Schlüssen der größeren Abschnitte, in abwechslungsreichen Gestalten (s. Notenbeispiel 1, a—e) erscheint. Sie ist kein unbedingt vorhandenes Merkmal des Verbunkos-Stils, jedoch ist sie für den Haupttypus desselben höchst bezeichnend. In der Ornamentik des Verbunkos sind besondere Verzierungstypen nur in den Vorschlägen der Schlußformeln zu erkennen. Die Faktur der Sätze ist durchaus homophon. Hauptträger des Inhaltes ist die Oberstimme (bei Klavierstücken die rechte Hand), wozu sich meistens eine ganz schematische, dürftige Begleitung gesellt. Hauptform der Begleitung ist das Kontratempo 2 ): eine Begleitungsform im geraden Takt, wo die guten Taktteile meist nur den Baßton, die schlechten Taktteile die ergänzenden Harmonietöne als Akkordschlag bringen. Die häufig verwendeten sogenannten „Brillenbässe" bilden nur eine Abart dieser landläufigen Begleitungsform, die ja keineswegs eine ausschließliche Eigentümlichkeit des Verbunkos oder der ungarischen Musik überhaupt darstellt. Die formale Anlage verrät manche Zusammenhänge mit der Form der Suite. Die einzelnen Sätze sind größtenteils einfache zwei-, seltener dreiteilige Formen, die Teile sind mit Wiederholungszeichen versehen. Das Tempo ist ursprünglich langsam, die schnelleren Sätze kamen erst später auf. Alleinstehende Sätze sind auch nicht selten, aber meistens gehören doch zwei gegensätzliche Stücke zu einem Paar zusammen, deren erstere der langsame („Lassu"), der zweite der schnelle („Friss") ist. Die Erweiterungen und Nebentypen des Verbunkos seien hier übergangen. Es sei nur die Coda-artige „Figura" erwähnt, welche über den elementaren Kadenzharmonien (der Dominante und Tonika) verlaufend aus einem abwechslungsreichen Passagen- („Figuren-")werk besteht. Die Bezeichnung „Verbunkos" bezieht sich im engeren Sinne auf die langsamen Sätze mit der charakteristischen Schlußformel. Die Form, vielmehr der Stil des Verbunkos wurde auf einen weiteren Kreis von Instrumental*, bzw. Tanzsätzen ausgebreitet, die zu jener Zeit als „ N ó t a " ,

2)

Siehe E. MAJOR: Johann Bihari. Budapest 1928. Den Terminus gebrauche ich nach der mündlichen Mitteilung von ZOLTAN

KOD ALY.

Liszts ungarische

Bearbeitungen.

II

„Magyar", oder nur als „Lassu" und „Friss", oder mit keinem besonderen Namen bezeichnet wurden (Verbunkos-Stil oder Verbunkos im weiteren Sinne). Beim Verbunkos handelt es sich um in erster Linie instrumental erfundene Themen. Wenn solche Melodien gelegentlich auch mit Text (und den gesanglichen Forderungen entsprechend melodisch verändert) vorkommen (z. B. unter den von Liszt bearbeiteten Themen: UNM. Nr. 5 und 6), so ist wohl anzunehmen, daß der Text erst zu der fertigen Melodie hinzukam. Als Beispiel für den Typus des langsamen Verbunkos seien die ersten acht Takte eines „Adagios" von G. Röthkrepf (der Name wurde später zu „Mätray" magyarisiert) mitgeteilt (Notenbeispiel 1, f.). Die Komposition, welche übrigens die Quelle des ersten Themas in Liszts UNM. Nr. 9 ist, liegt im 3. Heft (Nr. 3) des Sammelwerkes „Pannönia" für Klavier zu zwei Händen (Wien 1826) vor. Man beachte die Verwendung des übermäßigen Sekundschrittes zwischen der 3. und der erhöhten 4. Stufe der Mollskala (Anderthalbtontriller!). Hier stehen wir dem frühesten Gebrauch der sogenannten „ungarischen" Skala (richtiger: Zigeunerskala) bei Liszt gegenüber. Diese Skala bildet eine Eigentümlichkeit der ungarischen Musik, die seit den Werken des Johann Lavotta (1764—1820) und Anton Csermäk (1771—1822) vor allem in der volkstümlichen Kunstmusik heimisch ist. Folgende Aufzählung soll beleuchten, welche Rolle der VerbunkosStil in Liszts ungarischen Bearbeitungen spielt 1 ). Das Fragezeichen hinter den Angaben weist darauf hin, daß die Quelle des betreffenden Themas bisher noch nicht gefunden worden ist. Verbunkos-Themen: UNM. Nr. 3( ?); Nr. 5; Nr. 6; Nr. 7, 1. (?), 2. (?) und 3. Thema; Nr. 8 (?); Nr. 9, 1. bis 4. Thema, 5. Thema (?); Nr. 10; Nr. 11, 1. (?) und 3. Thema; Nr. 12; Nr. 14, 2.Thema (?); Nr. 16; „Nr. 18", 2. Thema; „Nr. 20", 2. Thema (?); „Nr. 21", 3. und 4. Thema (?); X I I . Rh., 3. Thema (?). Mit der Beschleunigung des Tempos in den „Friss" des Verbunkos, wozu die Übertreibungen der Zigeuner viel beigetragen haben mögen, ging der ursprünglich ruhige und trotz aller Volkstümlichkeit etwas bedachte Charakter des Verbunkos mehr und mehr verloren. Dadurch wurde die Zersetzung dieses Stils beschleunigt und in den 40 er Jahren erscheint schon sein Erbe: der Csardas, um seine für die volkstümliche Musik der zweiten Jahrhunderthälfte dominierende Stellung allmählich einzunehmen. Trotz mancher, für den Csardas ungünstigen Äußerungen ungarischer Musiker (z. B. Kornel Äbränyi sen.) erfreute er sich einer stets wachsenden Beliebtheit im Publikum. Er bedeutete wegen seiner lapidaren und etwas gemeinen Melodik zweifellos einen Verfall nach dem Verbunkos. Der von dieser Volkstümlichkeit sich entfernende und sich mehr dem Salonton nähernde Zweig der Csardas-Entwicklung trat an Bedeutung neben dem ersteren stark zurück. l)

Bezüglich der Zitierungsweise der Bearbeitungen s. den Kapitels, ferner den Anhang.

Anfang dieses

12

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Der vielgestaltige Csärdäs-Typus läßt sich allgemein folgendermaßen charakterisieren. Die einleitenden langsameren Sätze sind bisweilen Verbunkos- oder liedmäßig. Das Wesen des Csardas machen die schnellen Teile aus. Letztere werden durch den schnellen Zweivierteltakt, durch eine elementare Rhythmik und durch starke Markierung der Akzente charakterisiert. Die Grundbewegung ist das Achtel, oder bei sehr schnellen Sätzen das Viertel. Punktierung ist nicht so sehr bezeichnend, als die Synkopation des 2. und 3. Achtels. Länger ausgestreckte Sechzehntelbewegung bedeutet fast immer die instrumentalistisch-figurative Umspielung des Melodiekerns. Die Figurationsweise des Csardas unterscheidet sich von der des Verbunkos zunächst dadurch, daß die erstere rhythmisch einförmig, fast steril ist, außerdem weicht sie hinsichtlich der melodischen Eigenschaften ab. Die Verbunkos-Figuration wird durch die Breite des Spielraumes charakterisiert (große Sprünge, gebrochene Akkorde), dagegen ist die Figuration beim Csardas eine ganz enge, d. h. der melodische Kern wird meist nur mit den benachbarten Nebennoten umspielt. Die formale Anlage des Csardas ist eine Erweiterung des Lassu-Friss-Paares, dem Geiste des Csardas entsprechend durch Einführung mehrerer, meist nur kurzer schneller Teile und einer nach jedem schnellen Teil wiederkehrenden refrainartigen Coda. Die Begleitungsform ist auch hier größtenteils das Kontratempo. Dieser Typus war auf Liszts Schaffen von ähnlich großem Einfluß wie der Verbunkos. Seine Bearbeitungen enthalten folgende Themen aus dem Gebiete des Csardas: a) Volkstümliche Csardas: UNM. Nr. 15, 4. Thema; Nr. 17, 3. und 5. Thema; „Nr. 19", 3. Thema; „Nr. 20", 4. Thema (?); „Nr. 2 1 " , 5. und 6. (?) Thema; Pesther Carneval, 6. Thema; X I V . Rh., 7. Thema (?). b) Mehr salonmäßige Csardas: UNM. Nr. 14, 3. (?) und 4. (?) Thema; Nr. 17, 6. Thema (?); „Nr. 19", 2. Thema (Quelle: ein Csardas von Mark Rözsavölgyi); „Nr. 20", 5. Thema (Quelle: ein Csardas von Joseph Szerdahelyi); Pesther Carneval, 1. (?) und 2. (?) Thema; X I X . Rh. 1. und 2. Thema (Vorlagen: zwei Csardas von Kornel Äbränyi sen.). Die Begriffe Volkslied und volkstümliches Kunstlied Ungarns im 19. Jahrhundert sind so stark miteinander verwachsen, daß eine gesonderte Betrachtung kaum möglich, oder jedenfalls sehr umständlich wäre. Die beachtenswerte Studie von ERVIN MAJOR1) mußte sich begnügen, eine Reihe von Einzelfällen aufzuzählen, wo Beziehungen zwischen den beiden Gattungen nachweisbar sind. Die Trennung des Volksliedes vom volkstümlichen Kunstlied hängt selbstverständlich davon ab, wie man den Begriff des ersteren definiert. Die Auffassung vom musikalischen Volksliede in der Mitte des 19. Jahrhunderts war in Ungarn ziemlich unklar.

E . M A J O R : Beziehungen zwischen der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik und der Volksmusik. Budapest 1930.

Liszts ungarische

Bearbeitungen.

13

Die damaligen „Volkslied"-Ausgaben enthalten sowohl wirkliche Volkslieder, d. h. solche, deren Komponist nicht genannt wird und die dem Volke auf dem Lande abgelauscht wurden, als auch nachweisbare Kunstlieder. Es wurde also nicht nur das im Volke entstandene, sondern auch das durch das Volk übernommene, rezipierte Lied als „Volkslied" bezeichnet 1 ). Dieser Rezeptionsvorgang brachte meistens das „Zersingen" mit sich: das ursprüngliche Kunstlied hat im Volksmunde verschiedene Veränderungen erlitten. Die heutige Auffassung vom ungarischen Volksliede geht dahin, nur die Lieder der Bauernklasse für Volkslieder zu halten. Diese Lieder, deren umfassende systematische Untersuchung BELA BARTÖK als erster unternommen hat 2 ), trennt musikalisch eine tiefe Kluft von den sogenannten „Volksliedern" des 19. Jahrhunderts. Die meisten ungarischen Volkslieder des 19. Jahrhunderts sind — mit wenigen Ausnahmen — lediglich dem Namen nach solche, MAJOR hat bei vielen dieser „Volkslieder" den Komponisten nachgewiesen 9 ). Diese Lieder erreichten beim städtischen Publikum rasch allgemeine Beliebtheit, wozu die mit musikalischen Einlagen versehenen Volksstücke vieles beigetragen haben. Wegen der allgemeinen Verbreitung nannte man sie damals kurzweg Volkslieder. Da die so verbreiteten Lieder vom ungarischen Volke (das „ V o l k " hier nicht nur auf die Bauernklasse bezogen) rezipiert und teilweise auch zersungen wurden, ist für sie der Terminus „volkstümliches Kunstlied" nicht gut anwendbar, dagegen trifft die Bezeichnung „Volkslied" — selbstverständlich in einem weiteren Sinne, als es in unseren Tagen aufgefaßt wird — viel eher zu. Wenn ich also in dieser Studie schlechthin vom ungarischen Volksliede spreche, so meine ich nicht das Bauernlied, mit dem Liszt überhaupt nichts zu tun hatte, sondern denke an den Inhalt, den dieser Begriff im 19. Jahrhundert gehabt hat, was ja für Liszt einzig und allein in Frage kommt: an das volkstümliche, vom Volke rezipierte oder zersungene Lied 4 ). Die Charakterisierung dieser Liedgruppe muß hier übergangen werden: sie enthält so sehr divergierende Elemente, daß eine zusammenfassende Beschreibung weit über den Rahmen dieser Studie hinausginge. Es soll nur das herausgehoben werden, was Liszt als Besonderheit empfunden haben konnte. Neben der Vielfältigkeit der Melodik der verschiedenen

v) Über einen ähnlichen Auffassungswandel auf deutschem Boden s. PAUL LEVY: Geschichte des Begriffes Volkslied. Berlin 1911. A c t a Germanica VII, 3, S. i 8 7 f f . 2)

3)

BÉLA BARTÓK: Das ungarische Volkslied.

B e r l i n 1925.

1. c. 4) Es sei nachdrücklich betont, daß ich damit diese Lieder keineswegs als wirkliche Volkslieder im heutigen Sinne betrachte. Eine prinzipielle Opposition gegen die Auffassung BARTÓKS liegt mir völlig fern; der frühere Sinn des Wortes scheint mir jedoch der im Falle Liszt historisch richtigere Begriff zu sein. Sobald aber das Volkslied im heutigen Sinne gemeint ist, wird das mit einem besonderen Hinweis, oder mit dem Terminus „Bauernlied" angedeutet.

14

D i e ungarischen S t i l e i g e n t ü m l i c h k e i t e n

Franz

Liszts.

Liedarten (Dur- und Mollsystem hauptsächlich, Zigeunerskala, gelegentlich auch Kirchentonarten) weisen diese Lieder gewisse, in jeder Gruppe vorkommende gemeinsame Momente in der Rhythmik auf, welche durch die Rhythmuseigentümlichkeiten der gemeinsamen Sprache bedingt sind. Das eine ist die häufige Verbindung von betonter Kürze und unbetonter

JJ.,ä

Länge: vi — oder J >

J . , ähnlich der sogenannten lombardischen Manier

(die jedoch von ganz anderer musikalischer Natur ist, worauf ich jetzt nicht eingehe). Das andere ist die häufige Verwendung dieses vierteiligen Rhyth-

j

m

musschemas: — u6 — oder «I. J J J . (Choriambus), dessen zweite Hälfte

>

>

mit der zuerst erwähnten Formel identisch ist. Es steht gleichfalls mit dem ungarischen Sprachrhythmus in Zusammenhang, daß die Phrasenbildung der ungarischen Lieder nicht ausschließlich nach einem geradzahligen Schema geschieht. Sehr häufig sind dreitaktige Phrasen, seltener fünftaktige, außerdem kommen ganz asymmetrisch gebaute Lieder vor. Es ist hier nicht der Ort, näher auf die interessanten Fragen der ungarischen Rhythmik und Metrik einzugehen. Die in Liszts Bearbeitungen vorkommenden Liedthemen enthalten einige Proben von dem rhythmisch-metrischen Reichtum des ungarischen Liedes. Dagegen ist die latente Harmonik und dadurch auch die Harmonik der Begleitung eine überaus beschränkte: außer der Tonika werden meist nur die übrigen Hauptakkorde (die V., weniger die IV. Stufe) verwendet. Als charakteristisches Beispiel für das volkstümliche ungarische Kunstlied um die Mitte des 19. Jahrhunderts sei das Lied „ K ä k a töven költ a ruca" in der Fassung Gabriel Mätrays mitgeteilt (Notenbeispiel 4 a, aus „Magyar nepdalok egyetemes gyüjtemenye", d. h. Universalsammlung ungarischer Volkslieder, Buda 1852, Nr. 16), das Liszt als Anfangsthema seiner „Nr. 19" nach dem Spiel der Zigeuner bearbeitet hat (s. S. 37). Man beachte wiederum (vgl. S. 11) die betonte Verwendung der erhöhten 4. Stufe der Mollskala und den darauffolgenden übermäßigen Sekundschritt nach unten in Takt 9. Liszt hat an folgenden Stellen ungarische Liedthemen bearbeitet: a) Volkslieder: UNM. Nr. 2; Nr. 4; Nr. 15, I. bis 2., 3. und 5. Thema; Nr. 17, 4. Thema (?, vermutlich die erste Hälfte einer unbekannten Volksmelodie); „Nr. 18", 1. Thema (?, die erste Hälfte dieses Themas ist ebenfalls eine volksliedartige Halbmelodie); „Nr. 18", 3. Thema; „Nr. 21", 1. Thema; Pesther Carneval 3. (?), 4. und 5. Thema; I. Rh. 1. Thema; X I I I . Rh., 4. Thema und das „Ungarn"-Thema der Elisabethlegende. Unter den von Liszt bearbeiteten Csardas-Themen (s. oben) kommen die folgenden: UNM. Nr. 15, 4. Thema und Nr. 17, 3. Thema auch als richtige Volks-(Bauern-)lieder vor (s. BARTÖK, a. a. 0., Notenbeispiel 197, bzw. 72, und S. 226, bzw. 218).

Liszts ungarische

Bearbeitungen.

15

b) Mehr oder weniger zersungene Lieder: „Nr. 19", 1. Thema; „ N r . 20", 1. Thema; I. Rh. 2. und 3. Thema. c) Kunstlieder: UNM. Nr. 1 (?); Nr. 14, 1. Thema (?); Nr. 17, 1. Thema; Nr. 17, 2. Thema (?); „ 5 ungarische Volkslieder" Nr. 1 — 5 ; „Szózat & Hymnus". Außer diesen Verbunkos-, Csârdâs- und Liedthemen hat Liszt noch einige ungarische Themen bearbeitet, die nicht zu größeren Gruppen zusammengefaßt werden können. Das „Divertissement â la Hongroise" von Schubert (von Liszt mehrfach bearbeitet als „Melodies Hongroises d'après Schubert"), sowie auch die 19. Nummer der „Bunten Reihe" von Ferdinand David („Ungarisch", von Liszt in zwei Versionen bearbeitet) gehören mit den wahrscheinlich von Heinrich Ehrlich stammenden Themen der II. Rhapsodie (vgl. Kap. II) in dieselbe Gruppe: sie sind mit ungarischen Reminiszenzen gefärbte Werke nichtungarischer Komponisten. Der von Liszt mehrfach bearbeitete Râkôczi-Marsch verdankt seine Entstehung wahrscheinlich gleichfalls einem Nichtungarn 1 ), der die Motive des Ràkóczi-Nóta (auch von Liszt bearbeitet als UNM. Nr. 10) zu dem allbekannten Marsch verarbeitete. Liszts Bearbeitungen: „Einleitung und ungarischer Marsch von Gr. Emeri eh Széchényi", „Revive Szegedin", seine Opernphantasien über Franz Erkels „ H u n y a d y Laszló" und Michael Mosonyis „Szép Ilonka" (s. Kap. II) zeigen ihn in Beziehungen zu der höheren Kunstmusik Ungarns. Die von Liszt als UNM. Nr. 11, 2. Thema und „Nr. 20", 3. Thema bearbeiteten eigenartigen Themen sind zwar auf keine unmittelbaren Quellen zurückzuführen, sie entsprechen aber dem Charakter gewisser rumänischer Hirtenflötenweisen 2 ). Derartige Themen finden sich auch in den Werken ungarischer Komponisten des 19. Jahrhunderts (Mosonyi, Erkel). Diese Themen haben Liszt wahrscheinlich durch ihren tonartlichen Reiz interessiert: sie stehen der sogen. Zigeunerskala nahe. (Tonart in UNM. Nr. 11, 2. Thema: d es fis g a b eis d, in „Nr. 20", 3. Thema: g a b eis d e f. Der durch Fettdruck hervorgehobene Ton ist die jeweilige Tonika.) Von jeder Art ungarischer Musik fernstehend sind in Liszts ungarischen Bearbeitungen die folgenden Themen : UNM. Nr. 6, Allegretto (Bdur); Nr. 12, „appassionato" (E-dur) und „Nr. 21", 2. Thema. Das erste und dritte ist mehr polkamäßig, als ungarisch®), was beim dritten durch 1 ) Wahrscheinlich Nikolaus Scholl, Militärkapellmeister. Jedoch scheint die Frage noch nicht genügend geklärt zu sein, s. E. Major: Ràkóczi-nóta és Ràkócziinduló. Budapesti Hirlap, 25. Dez. 1929. 2) S. Béla Bartók: Volksmusik der Rumänen von Maramureç. Sammelbände für Vergleichende Musikwissenschaft Bd. 4, z. B. Notenbeisp. 177c. 3) Es sei hier auf Liszts Bearbeitung der „Zigeuner-Polka" nach August Conradi hingewiesen, die auf Liszt wahrscheinlich durch den Titel Anziehungskraft ausübte. Weder diese „Zigeuner-Polka", noch die Polka überhaupt hat irgendeine Beziehung zur ungarischen Musik.

l6

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

den Einschub einer Phrase aus dem vorangegangenen Volksliedthema und durch die kapricciöse, in der späteren Fassung (als X I V . Rh., 2. Thema) durch Fermaten unterbrochene Vortragsart gemildert, d. h. dem Stil der UNM. angenähert wird. Auf das an zweiter Stelle genannte Thema werde ich noch im I I I . Kapitel (S. 58) zurückkommen. In der Regel ist bei Liszt die aus der ungarischen Musik übernommene Formeinheit eine abgeschlossene Periode 1 ), oder zwei, sich ergänzende Perioden. Es finden sich ausnahmsweise kleinere Formeinheiten: Motive oder Phrasen (Halbperioden), die nicht aus den — auch in ihrer Ganzheit übernommenen — Themen stammen und bei Liszt trotzdem thematische Bedeutung gewinnen, indem sie keine bloßen Verbindungsfloskeln sind, sondern ausführlich behandelt werden. Z. B. das im 12. Takt des Pesther Carnevals auftretende Motiv, das im weiteren Verlauf des Stückes in E-dur breiter ausgeführt wird; weiterhin das vorletzte, Presto assai-Motiv in der X I V . Rh.; die im „Csardas macabre" als zweites Thema erklingende Volksliedphrase, usw. Diese Motive und Phrasen sind wahrscheinlich solche, die Liszt ursprünglich in größerem Zusammenhange von den Zigeunern hörte, von denen er aber nur ein Bruchstück behalten hat. Dieses bloß fragmentarische Behalten von ungarischen Motiven und Phrasen hat Liszt zu einem als musikalische Kontamination benennbaren Verfahren führen können, indem er durch Nebeneinanderstellung ursprünglich nicht zusammengehöriger Phrasen eine Periode bildet. Unmittelbare Belege dafür sind zwar nicht vorhanden, aber man kann auf diese Kontamination mit einiger Sicherheit auch aus dem heterogenen Charakter solcher Halbperioden schließen, welche in Liszts ungarischen Bearbeitungen zu einer Ganzperiode verkoppelt erscheinen. In UNM. Nr. 1 7 fängt nach dem 1. (a-moll) Thema ein 2. Thema in A-dur an, dessen ursprünglichen Nachsatz Liszt vermutlich vergessen hat. Er ersetzt ihn aus dem a-mollThema, das dazu nicht nur tonartlich, sondern auch im Charakter einen Gegensatz bedeutet. Bei der ersten Hälfte dieses Halbthemas könnte man eventuell an die Herkunft aus derselben Melodie, wie „Nr. 2 1 " , 5. Thema („Koltöi csärdäs"), allerdings mit starker Veränderung des Bewegungscharakters, denken. In der „Friska" desselben Werkes wird vom zweiten d-moll-Thema offenbar nur die erste Hälfte gebracht; der Nachsatz ist ein ganzes Volkslied, dessen Periodencharakter dadurch, daß es als Nachsatz an eine Halbperiode angehängt wird, gleichfalls in eine Halbperiode verwandelt wurde. (NB. In der späteren Fassung als X I I I . Rh. hat Liszt an der Stelle des zweiten d-moll-Themas ein ganzes Volkslied eingeschaltet, wodurch die erwähnte UnVollkommenheit abgeschafft wurde.) Aus ebenfalls heterogenen Hälften besteht noch das Anfangsthema von „Nr. 1 8 " und das zweite, Cis-dur-Thema von „Nr. 2 1 " . Mit Ausnahme des letztgenannten Themas haben diese Perioden die Struktur a a T B, d. h. die erste Hälfte besteht aus zwei gleichen Melodiephrasen, von denen die zweite in die Oberquinte transponiert ist. Diese Struktur der ersten MelodieJ

) Vgl. L. R a m a n n : Franz Liszt.

Bd. II,

2, S. 242.

Liszts ungarische

Bearbeitungen.

17

hälfte ist für eine große Gruppe des neueren ungarischen Volks-(Bauern-) liedes charakteristisch (s. Bartök, a. a. 0., S. 48f.). Zusammenfassend läßt sich nach dem Bisherigen behaupten, daß Liszts Interesse für die ungarische Musik größtenteils auf den engeren Kreis der von den ungarischen Zigeunern gespielten volkstümlichen Kunstmusik gerichtet war. Unmittelbare Berührungspunkte mit dem ungarischen Bauernlied, andererseits mit einer genuinen Zigeunermusik fehlen. Das Auftreten der Hauptgattungen der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik in den Bearbeitungen Liszts spiegelt denselben Entwicklungsgang, den diese Musik in der kritischen Zeit der 40er Jahre durchgemacht hat. Die Hauptmasse der in den Jahren 1840 und 1843 erschienenen ersten vier Hefte (Nr. 1 — 1 1 ) der UNM. bildet der im weitesten Sinne genommene Verbunkos. Der Csardas erscheint erst 1847 im siebenten Heft (Nr. 14) und ist bis zum Abschluß des ersten Zyklus fast in jeder Rhapsodie vertreten. Gleichzeitig findet auch das damalige Volkslied in größerem Maße Eingang zu Liszt. Seine Bearbeitungen zeigen also in dieser Hinsicht ein spontanes Reagieren auf die Entwicklung der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik. So kommt es, daß in Liszts aus dem Jahre 1847 stammenden Bearbeitungen der Verbunkos — der gerade damals vom Csardas abgelöst wurde — neben den Csardas zu stehen kommt (UNM. Nr. 14, Nr. 15, Nr. 17). Das entspricht im Grunde auch dem Ablösungsprozeß in der ungarischen Musik, wo der Verbunkos nicht plötzlich aufgegeben wurde, als der Csardas erschien. Das Nebeneinander von Verbunkos und Volkslied war sowohl in der Anlage gedruckter ungarischer Sammelwerke, wie auch in der Praxis der Zigeuner gegeben. Die verschiedenen ungarischen Stilarten hat Liszt um so leichter nebeneinander stellen können, als ihm solche Stilunterschiede nicht bewußt waren. Für ihn waren ungarische Themen jeder Art schlechthin „Hongroises" 1 ), „Zigeuner-Ungarische" 1 ), „Csardas" 3 ), „Nota" 4 ), „Lassan" und „Friska" 5 ). Wo er den einen oder den anderen Ausdruck auf bestimmte Themen anwendet, dort zeigt sich vielfach, daß er die Bezeichnungen überaus frei gebraucht. Er bezeichnet mit „Lassan" folgende Themen: II. Rh., 1. Thema; X I X . Rh., 1. Thema; „ 5 ungarische Volkslieder" Nr. 1 und 3. — „ F r i s k a " : UNM. Nr. 14, 3. Thema; Nr. 17, 3. Thema; „Nr. 20", 4. Thema; II. Rh., 2. Thema und X I X . Rh., 2. Thema. Offenbar hat er also „Lassan" und „Friska" höchstens als Tempobezeichnungen aufgefaßt. Der Ausdruck „ N o t a " ist ihm auch bekannt, er kennt z. B. den Titel des „Räköczi-Nöta" (Skizzenbuch Liszt-Museum Weimar, Ms. N. 7, S. 45). Die erste Fassung der V. Rh. bezeichnet er in einer Handschrift (im „Zigeuner-Epos", s. S. 18, Fußnote 4) als „Reviczky-Nöta" (die Kom!) 2) 3) 4) 6)

S. Kap. S. Kap. S. Kap. S. Ges. Ebenda

II, Ziffer 7, außerdem Ges. Sehr. Bd. VI, S. 269. II, Ziff. 7. II, Ziff. 5, Liszts Brief an H. Ehrlich. Sehr. Bd. VI, S. 391. S. 137, 249, 270 — 271.

(i ; ' i r d o n y i , D i e u n g a r i s c h e n S t i l e i g e n t ü m l i c h k e i t c D .

2

l8

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz Liszts.

Position wurde später der Gräfin Sidonie Reviczky gewidmet). Der Ausdruck kommt auch in seinen Originalkompositionen vor, z. B. „Ungarische Bildnisse" Nr. 3: „Vörösmarty-Ndta". Außer dem ersten der erwähnten Fälle („Rákóczi-Nóta") scheint ihm der Begriff „Nota" keine Inhalts-oder Stilbezeichnung, sondern eine Art Widmung zu bedeuten für den, dessen Name davorsteht. Die Bezeichnung „Magyar" verwendet er in dieser ungarischen Form bei von ihm selbst erfundenen ungarischen Themen. Z. B. in der Anfangsskizze der „Funerailles" (Liszt-Museum Weimar, Ms. N. 1) und bei einer, nur Bruchstück gebliebenen „Ouverture hongrois" (ebenda, Ms. N. 4). Ferner kommt der Ausdruck auch in dem „Avant-Propos" zu der im Jahre 1842 bei Haslinger in Wien erschienenen Ausgabe des „Album d'un voyageur, 1. Année" vor, wo die Einteilung des Werkes beschrieben wird : „ . . II se divisera en deux parties. . . . La seconde sera composée d'une sèrie de mélodies (Ranz-de-vaches, Barcaroles, Tarantelles, Canzone, Chants d'église, Magyars, Mazourkes, Boléros etc. etc.) qui, développées autant qu'il sera en moi dans la manière propre à chacune, caractériseront le milieu dans lequel j'aurai vécu, l'aspect du pays, le génie de la nation auxquels elles appartiennent...". Hierbei konnte Liszt keineswegs nur an von ihm selbst erfundene Themen denken, weil das in Paris bei B. Latte erschienene 3. Jahr (3. Année) des „Album d'un voyageur" enthält auch nachweisbare Bearbeitungen ungarischer Themen (s. S. 4, Fußnote 1). Der Name „Csárdás" taucht bei ihm schon 1847 auf. Diesen Ausdruck gebraucht er mit Bezug auf einzelne bestimmte Themen stets im richtigen Sinne, z. B. „Somogy-i Csárdás" (s. S. 39), „Koltói Csárdás": ;,Nr. 2 1 " , 5. Thema, ferner für die „Friska" der II. Rh. 1 ). Die Bezeichnung „Verbunkos", „Tempo di Verbunk" usw. fehlt bei Liszt gänzlich. Kein Wunder also, wenn Liszt bei der Verkoppelung verschiedener ungarischer Themen zu einem zusammenhängenden Stück sich nicht nach der Stilgleichheit, sondern nach anderen Prinzipien gerichtet hat. Er glaubte bei den ungarischen Themen das richtige „Verständnis für ihre Reihenfolge" zu besitzen, die er nicht der „musikalischen Wirkung", sondern des „originalen Gefühlsausdrucks" wegen miteinander verband2). Auf das Sammeln von Themen folgte die Auswahl: „es mußte verglichen, gesondert, gestrichen, es mußte Licht hineingebracht werden!""). Inzwischen wuchs in ihm stets die Überzeugung, daß die einzelnen Themen eigentlich Fragmente eines großen Ganzen: eines „zigeunerischen Epos" 4 ) seien, dessen Teile sowohl für sich allein, wie auch als Teile eines harmoS. Bülow an Liszt, am 4. März 1 8 5 7 . Briefwechsel zwischen Franz Liszt und Hans v. Bülow, Hrsg. von L a Mara. 2 ) S. Ges. Sehr. B d . V I , S. 1 2 .

Leipzig 1898, S. 203.

3

) Bezüglich der folgenden Aussprüche Liszts s. Ges. Sehr. Bd. V I , S. 38g.

4

) Das „Zigeuner-Epos" war bei Liszt keineswegs ein bloß literarischer Ein-

fall, über dessen musikalische Realisierung man sich irgendwelche fantastische Vorstellungen machen darf.

Das Zigeuner-Epos hat Liszt einmal ausdrücklich unter

diesem Titel wirklich begonnen: es bestand aus den Themen der ersten vier Hefte

Liszts ungarische

Bearbeitungen.

19

nischen Gesamtwerkes Genuß bieten. Das Gemeinsame in allen Themen war für Liszt „die Identität des Stiles" (!), „die Analogie der Begeisterung" und „die Einheit der Form". Den Titel „Rhapsodien" motiviert er mit dem Hinweis auf das epische Element, das er in der von den ungarischen Zigeunern gespielten Musik zu erkennen glaubte 1 ). In seinem Buche über die Zigeuner schreibt Liszt mehrfach von den griechischen Rhapsoden2), welche die Nationalepen der Griechen überliefert und verbreitet haben. Er vergleicht sein Rhapsodieschaffen mit der Arbeit der Scholiasten, welche die Nationalepen der Griechen nach der mündlichen Überlieferung der Rhapsoden zusammengestellt und gesichtet haben. Die Rhapsoden des musikalischen „Zigeuner-Epos" sind die Zigeuner selbst; was Liszt aus der Musik dieser zigeunerischen Rhapsoden gesammelt und bearbeitet hat, nannte er „Rhapsodien". Wenn er die von den ungarischen Zigeunern abgelauschten und von ihm bearbeiteten Melodien als Glieder eines musikalischen Nationalepos der Zigeuner betrachtet, so liegt hier offenbar ein Irrtum vor. Diese Melodien gehören keineswegs zum Nationalgut der ungarischen Zigeuner, sondern sie sind größtenteils die Produkte der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik. Und wenn Liszt sich als Scholiasten betrachtet, der die Teile dieses „Zigeuner-Epos" aus langer ungeschriebener Überlieferung gesammelt hat, so zeigt sich auch hier seine Unerfahrenheit auf dem Gebiete der ungarischen Musik. Die fraglichen Melodien waren zu jener Zeit, in der sie von Liszt bearbeitet worden sind, zum großen Teil kaum einige Jahrzehnte alt. Einige unter ihnen, so die Vorlage zu UNM. Nr. 16 (s. Kap. II, S. 23) waren sogar kurz vor der Lisztschen Bearbeitung entstanden. Gegenüber der von Liszt selbst gegebenen Erklärung des Titels „Rhapsodien" verweist Alexander Bertha in seiner erwähnten Studie auf andere Zusammenhänge. Nämlich der französische Dichter Petrus Borel, angeblich ein Jugendfreund Liszts, hat (im Jahre 1831 oder 1832) eine Reihe seiner Gedichte unter dem Titel „Rhapsodies" veröffentlicht. Der andere Hinweis auf die „Six Rapsodies pour le pianoforte" des böhmischen Komponisten W. Jan Tomaschek wird zwar auch in Riemanns Musiklexikon im Artikel „Rhapsodie" wiederholt, aber auf eine musikalischstilistische Beeinflussung Liszts von dieser Seite ist kaum zu denken. Tomascheks Rhapsodien haben außer dem Titel gar keine Beziehungen zu Liszts Rhapsodien. Erstere sind dreiteilige Kompositionen in fester Form: sie bestehen aus einem schnellen Teil mit sonatenhafter Thematik der Wieder UNM. die in leichterer Spielart unmittelbar aufeinander folgen sollten. D a s Manuskript (Liszt-Museum Weimar, Ms. N. 7, S. 3öff.) bricht nach etwa 20 Seiten ab. Als eigentliches „Zigeuner-Epos" soll nun der zweite Zyklus der Rhapsodien, bzw. sein vor der Veröffentlichung der Schrift „Die Zigeuner" (1859) erschienener Teil (I. — X V . Rh.) betrachtet werden. (S. die von der Ramannschen abweichende Übersetzung der diesbezüglichen Stelle aus „Die Zigeuner" im Herausgeberbericht zum 12. Bande der Liszt-Gesamtausgabe II, Klavierwerke, S. V.) 2)

Ges. Sehr. Bd. VI, S. 392. Ebenda, S. 2 — 3, 390. 2*

20

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

ner Komponisten um 1800, wozu sich als Trio ein ruhiger Mittelteil gesellt. Sie sind auch keine Bearbeitungen, sondern Originalkompositionen, deren Stil deutlich auf Haydn zurückweist. Beide Angaben Berthas, die auch von Arminski in seine erwähnte Dissertation (S. 26) ohne weitere Nachprüfung übernommen wurden, sind bloße Hinweise, die erst begründet werden sollten. Leider fehlt uns bisher jede Nachricht darüber, ob Liszt die „Rhapsodies" von Petrus Borel, oder die „Rapsodies" von Tomaschek gekannt hat. Immerhin kann es sich in beiden Fällen nur um die Übernahme der Benennung handeln, da der Rhapsodietypus Liszts in musikalischer Beziehung durchaus seine eigene Schöpfung ist. Nicht-stilistische, rein geistige Zusammenhänge zwischen dem Lisztschen Rhapsodietypus und den Rhapsodien Tomascheks sind so gut wie ganz ausgeschlossen. Dagegen hätte die Erforschung der Beziehungen zwischen den poetischen Grundgedanken der „Rhapsodies" von Petrus Borel und der Rhapsodien Liszts zweifellos neue Beiträge zu den Einflüssen der französischen romantischen Dichtung auf Liszt liefern können. Die lockende Aufgabe liegt jedoch gänzlich abseits von unseren Stilproblemen. Der Umformungsprozeß, über den Liszt in seiner Schrift „Die Zigeuner und ihre Musik in Ungarn", S. 389 spricht, ist nichts anderes, als die Umgestaltung des ersten Rhapsodiezyklus zum zweiten. Diese Umformung war im Grunde von keiner so großen Bedeutung, wie man nach seinen Worten vermuten könnte. Die Entstehung des zweiten Rhapsodiezyklus brachte nur in der Struktur der VI. und X I I . Rh. größere Veränderungen mit sich. Im übrigen wurden wesentliche Änderungen hauptsächlich in den Einleitungs-, Verbindungs- und Schlußteilen, also nicht in der Wahl und in der Nebeneinanderstellung der Themen vorgenommen. Außerdem hat sich die übermäßig anspruchsvolle Klaviertechnik der späteren Stücke des ersten Zyklus im zweiten gründlich geklärt. Als Liszts endgültige Rhapsodien 1 — 1 5 erschienen (1851 — 1853), war in Ungarn der Verbunkos bereits sehr stark in den Hintergrund gedrängt. Die Rhapsodien enthielten neben dem aktuellen Csardas und dem Liede ein Stück sozusagen schon zur Historie gewordenen Gutes. In der Abkehr von der lebendigen Musik Ungarns bedeuten diese Rhapsodien den Übergang zum zweiten Stadium des Verhältnisses, in dem Liszt zur ungarischen Musik gestanden hat. Dadurch, daß er sich im Jahre 1848 in Weimar niedergelassen hat, verlor er allmählich den unmittelbaren musikalischen Kontakt mit der lebendigen Musik Ungarns. Das hat eine doppelte Bedeutung. Erstens wurde er seit dieser Zeit mit ungarischer Musik größtenteils nur durch das Notenbild bekannt; jedenfalls hat er alle seine nach 1853 entstandenen ungarischen Bearbeitungen nach bestimmten gedruckten oder handschriftlichen Vorlagen geschaffen. Dadurch war er darauf angewiesen, das durch Noten bekannte Material in stärkerer Abhängigkeit von der Vorlage zu bearbeiten. Zweitens erklärt sich daraus die Notwendigkeit für Liszt, einen ungarischen Stil aus sich selbst heraus hervorbringen zu müssen.

II. K a p i t e l .

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt. Durch eine mehr historisch-philologische als musikalische Untersuchung gelingt es, die Wege zu erforschen, auf denen Liszt zu den verschiedenen ungarischen Themen gelangte. Diese Untersuchung ist erforderlich, nicht nur darum, weil dadurch die Rolle der vermittelnden Faktoren richtig eingeschätzt werden kann, sondern auch darum, weil dadurch die Herkunft einzelner ungarischer Themen bei Liszt mit Bestimmtheit nachgewiesen wird. Eine vollständige Aufzählung derjenigen ungarischen Musikstücke, die Liszt gekannt hat, ist nicht möglich, aber für unser Problem auch nicht notwendig. Es werden im folgenden nur solche Belege herangezogen, die mit Liszts ungarischen Bearbeitungen in engerer Beziehung stehen. Bezüglich der Art und Weise, wie Liszt zu seinen ungarischen Themen gelangte, soll zwischen dem nach Noten und dem durch unmittelbares Hören kennen gelernten Material unterschieden werden. Für die im Notenbild ihm vorgelegenen Themen kommen folgende Belege in Betracht: a) Liszts Briefe, Schriften, Anmerkungen, sowie glaubwürdige Erinnerungen von Personen, die zu ihm in unmittelbarer Beziehung standen, b) äußere Umstände, auf Grund derer von gewissen Noten anzunehmen ist, daß diese ehemals in Liszts Besitz waren. Die folgende Aufzählung der diesbezüglichen Belege wurde nicht nach der Entstehungszeit der ungarischen Themen, sondern nach denjenigen Zeitpunkten geordnet, in denen Liszt mit ihnen nachweisbar am frühesten bekannt wurde. Es ist unvermeidlich, bei einigen Angaben länger zu verweilen, weil dadurch wichtiges Beweismaterial kritisch gesichtet wird. I. Der früheste unter diesen Belegen ist Liszts Bearbeitung des „Divertissement ä la hongroise" op. 54 von Schubert 1 ). Die Vorlage ist zwar nicht zur ungarischen Musik zu zählen, aber sie konnte trotzdem für Liszt wichtige Anregungen zum Komponieren im ungarischen Stile geben. Später äußerte er sich über das Werk, daß Schubert darin die Eigenart der „Zigeunermusik" unter die Gesetze der deutschen Kunst gezwungen habe 2 ). Es sei bemerkt, daß in Schuberts Divertissement keine Zigeunermotive, 1)

Mélodies Hongroises d'après Schubert.

2)

Gesammelte Schriften Bd. V I ,

S. 372.

Wien 1840.

22

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz Liszts.

wohl aber vereinzelt Stilelemente der ungarischen Verbunkos-Musik nachweisbar sind. 2. Das Liszt-Museum zu Weimar besitzt einige, von verschiedenen unbekannten Händen notierte ungarische Musikstücke. Das hier befindliche „Nagy potpourri" (großes Potpourri) für Klavier zu vier Händen enthält (meist unvollständige) ungarische Tanzsätze „aus den zurückgelassenen nationalen Weisen des Herrn Johann Liszt", wie die ungarische Aufschrift verrät 1 ). Franz Liszt hat aus dieser Sammlung nur ein Thema entnommen (UNM. Nr. I i , 3. Thema), dessen Vorlage sonst noch nirgends nachgewiesen ist. Neben dem „großen Potpourri" sind noch einige lose Blätter zu finden, die lauter ungarische Themen enthalten. Von diesen kommt in Liszts Bearbeitungen nur der „Szegedy Csardas" vor („Nr. 20", 5. Thema), den Liszt aber nicht nach dieser Handschrift, sondern — wie man aus seinen eigenen Aufzeichnungen (s. S. 36—37) ersieht — nach dem Spiel der Zigeuner bearbeitet hat. An handschriftlichem ungarischen Material besitzt das Museum noch eine Reinschrift von zwölf Liedern des Johann Spech2) nach Texten ungarischer Dichter (Csokonai, Alex. Kisfaludy). Diese Lieder hat Liszt nie bearbeitet. 3. Liszts nähere Bekanntschaft mit der ungarischen Oper „Hunyady Läszlö" von Franz Erkel (1844) ist mehrfach nachweisbar. Er hörte die Oper zum ersten Male in Pest am 13. Mai 1846*). Vier Tage später dirigierte er die Ouverture in Wien4). Am 1 1 . Okt. 1846 spielte er in Pest seine für diese Gelegenheit komponierte Paraphrase über den Schwanengesang und Freude-Chor aus „Hunyady Läszlö"5). Die Paraphrase hat er den Pester Verlegern J . Treichlinger und J . Wagner zur Veröffentlichung 1

) J o h a n n Liszt war ein ungarischer Arzt in der ersten H ä l f t e des 19. Jh.-s, der auch als Geigenspieler und K o m p o n i s t v o n n a t i o n a l e n W e i s e n g e r ü h m t wird. N a c h einem zeitgenössischen B e r i c h t war er ein Verwandter des „ i n Paris b e r ü h m t gewordenen j u n g e n Lisz(t)". Über i h n siehe d e n A u f s a t z v o n E. Major in Zenei S z e m l e 1926, Jg. X I , Nr. 1, S. 21 ff. — I c h k o n n t e bisher schon v o n n e u n S t ü c k e n des „großen P o t p o u r r i " n a c h w e i s e n (das Material harrt n o c h der Veröffentlichung), d a ß sie n i c h t v o n J o h a n n Liszt, sondern v o n anderen ungarischen K o m p o n i s t e n (Bihari, Csermäk, R ö z s a v ö l g y i , Ruzitska) s t a m m e n ; elf Stücke sind in drei, i m Laufe des 19. J h . - s sehr b e d e u t e n d e n gedruckten S a m m l u n g e n ungarischer I n s t r u m e n t a l m u s i k („Magyar N ö t ä k . . . Veszpr6m V ä r m e g y e b ö l " , hrsg. v o n I g n a t z R u z i t s k a ; „ 3 0 Eredeti Magyar Zenedarab", hrsg. v o n Ed. B a r t a y ; „ R e g i m a g y a r zene g y ö n g y e i " , hrsg. v o n Graf S t e f a n Fäy) vorhanden. D i e P r o v e n i e n z d e s „großen P o t p o u r r i " ist n o c h n i c h t geklärt, es wurde unter Manuskripten v o n Franz Liszt aufgefunden. D i e über vereinzelten S t ü c k e n b e f i n d l i c h e n u n d m i t B l e i s t i f t geschriebenen A u t o r a n g a b e n sind spätere E i n t r a g u n g e n eines Ungarn, der m i t der d e u t s c h e n R e c h t s c h r e i b u n g n i c h t im geringsten v e r t r a u t war. 2

) D a s E x e m p l a r i m Liszt-Museum g i b t d e n N a m e n des K o m p o n i s t e n n i c h t an. ) Siehe Andor S o m s s i c h jun.: Liszt Ferenc 61ete, B u d a p e s t 1925, S. 197. 4 ) E b e n d a S. 198.

3

5 ) E b e n d a S. 200. Vgl. d e n Aufsatz v o n B. F a b ö in N e p m ü v e l 6 s 1911, Jg. VI, Nr. 1 7 — 1 8 , S. 290.

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

23

— für einen wohltätigen Zweck — angeboten, wurde aber von beiden zurückgewiesen 1 ). Laut Göllerichs Angabe 2 ) hat Liszt den Schwanengesang und das Menuett im Mai 1847 in Lemberg zu einer Konzert-Paraphrase bearbeitet. Ob es sich nun wirklich um zwei verschiedene Paraphrasen handelt, oder ob nur ein Irrtum Göllerichs vorliegt, läßt sich nicht entscheiden, da von Liszt keine einzige Paraphrase über die Oper „Hunyady Laszlö" auf uns gekommen ist. Liszt erinnerte sich übrigens noch im Jahre 1868 lobend an die Oper8). 4. Unter den Kompositionen Benjamin Egressys — neben dem später zu erwähnenden „Szdzat" — war seine „Fogadj Isten" für Liszt von besonderer Wichtigkeit. Er bearbeitete nämlich diese Komposition zuerst in UNM. Nr. 16, später in der X . Rh. Seine Änderungen waren hauptsächlich klaviertechnischer Art; im übrigen richtete er sich — laut seiner Angabe auf dem gedruckten Titelblatt — „nach der von Egressy Beny zu meiner Begrüßung in Pesth komponierten Originalweise". 5. Die Entstehung der II. Rh. gehört zu einem der belangreichsten Fälle in Liszts ungarischen Bearbeitungen und sie verrät wichtige Einzelheiten über seine Erfahrungen auf dem Gebiet der ungarischen Musik. Es wird von dem Pianisten und Musikschriftsteller Heinrich Ehrlich (geb. 1822 in Wien, gest. 1899 in Berlin) behauptet, daß Liszt die Themen zu dieser Rhapsodie seinen „Ungarischen Fantasien" entnahm. Ehrlich erzählt in seinen Erinnerungen*) diesbezüglich folgendes. Er übergab Liszt 1846 in Wien eine Abschrift der „Ungarischen Fantasien", damit Liszt in seinen Konzerten in Pest davon etwas vorspielen sollte. Der von Ehrlich mitgeteilte Brief des Pester Musikverlegers J . Treichlinger an ihn vom 16. Okt. 1846 5 ) berichtet u. a. davon, daß Liszt in einem seiner Pester Konzerte einen „Ungarischen" gespielt hat, der ihm (Treichlinger) unbekannt ist, von dem er aber glaubt, daß er von Liszt selbst war. Ehrlich besuchte Liszt im Jahre 1852 in Weimar und erkannte in der von Liszt vorgespielten neuesten Rhapsodie seine eigenen Motive. Liszt glaubte von diesen, daß Ehrlich sie nur bearbeitet, also nicht auch selbst erfunden hat. Auf Ehrlichs Wunsch versprach er aber, auf dem Titel der II. Rh. anzugeben: „d'après des motifs de Mr. Ehrlich". Da dies nicht geschah und die Rhapsodie gerade eine der beliebtesten geworden war, ließ Ehrlich durch Bülows Vermittlung Liszt bitten, sich in dieser Angelegenheit zu äußern. Liszt schrieb am 30. März 1864 aus Rom folgenden Brief an Ehrlich 6 ) : „II m'est très agréable de remplir votre souhait Monsieur, de vous donner (sans combat aucun) pleine satisfaction sur le terrain des RhapsoSomssich, a. a. O., S. 2 0 0 — 2 0 1 . 2

) August Göllerich: Franz Liszt.

3

) Brief an G. Rossini.

4

) Heinrich Ehrlich: Dreißig Jahre Künstlerleben.

5

) Ebenda S. 409.

«) Ebenda S. 1 1 6 — 1 1 8 .

Berlin 1908, S. 294.

S. Briefe V I I I , S. 200. Berlin 1 8 9 3 , S. 1 1 4 f f .

24

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz Liszts.

dies Hongroises. En publiant sous ce titre une sorte d'Antologie patriotique dont j'ai essayé de fixer le caractère dans mon volume sur les Bohémiens et leur musique en Hongrie, je ne prétendais nullement à un droit de propriété quant au fond des mélodies ni même par rapport à certaines particularités inséparables de leur mode d'expression; il me suffisait d'en devenir l'usufruitier et ma tâche de Rhapsode se bornait à une simple mise en oeuvre aussi congénère que possible. En toute bonne foi j'étais donc autorisé à prendre mon bien partout ou je le trouvais, d'abord dans mes souvenirs d'enfance qui remoutent à Bihary et autres célébrités ziganes, plus tard à travers champs au beau milieu de bandes de musiciens bohémiens d'Oedenburg, Pressburg, Pest etc. etc., et enfin j'ai retenu et reproduit à ma manière beaucoup de motifs, traits et saillies caractéristiques, qui pendant une vingtaine d'années m'ont été communiqués avec une bienveillante profusion soit sur le piano, soit en notation, par les Comtes Amadé Apponyi, Szechényi, le Baron Angusz, Fay, Messieur Egreéssy, Erkel Doppler Réményi — — — et vous, cher Monsieur Ehrlich; quel embarras de richesse n'est-ce pas ? J'espère pourtant m'en être passablement tiré, moyennant les quinze Rhapsodies que vous connaissez. Elles protestent résolument et sur tous les tons, que je n'ai fait aucun tort à mes nombreux créanciers dans le domaine du Csardas, parmi lesquels j'ai plaisir à vous compter, en vous assurant de ma sincère estime pour vos rares talents et de mes remerciments affectueux." 1 ) Um seine Behauptung noch stärker zu beweisen, beruft sich Ehrlich auf folgendes: 2 ) „Bei allen Rhapsodien mit Ausnahme der Nr. 2 lassen sich die Motive aus alten ungarischen nationalen Liedern, die zugleich zu Tanzweisen dienten, genau nachweisén; die meisten, wenn nicht alle, waren schon vorher im Drucke erschienen. Von den Motiven der Rhapsodie Nr. 2 kann niemand den Ursprung nachweisen; niemand ist imstande, aus der Zeit vor 1846 ein Lied oder einen Tanz vorzuzeigen, in welchem irgendeines dieser Motive vorkäme." Ehrlich erwähnt noch, daß er auf den fraglichen Brief Liszts eine Antwort geschrieben hat, worin er auf den Unterschied „zwischen der Benützung nationaler bereits bekannter Motive und der von ganz originalen" hinweist; im übrigen betrachtete Ehrlich mit seiner Antwort „die Angelegenheit als abgeschlossen". In einer Fußnote bemerkt Ehrlich noch, daß Liszts Zutaten zu seinen Themen sich „nur auf die Baßfigur" beschränkten. Die für die Entscheidung dieser Frage nötigen Beweise: die „Ungarischen Fantasien" von Ehrlich, sowie die Originale der von Ehrlich zitierten Briefe sind bisher noch nicht ans Tageslicht gekommen. Da ohne diese ein endgültiges Urteil nicht ausgesprochen werden darf, will ich nun *) E s ist nicht zu verschweigen, daß der Brief besonders in der Schreibung der ungarischen Namen von Ehrlich mit vielen Schreibfehlern mitgeteilt wird. Selbst die Unterschrift lautet: ,, J . L i s z t " .

E s ist wohl anzunehmen, daß diese Feh-

ler nur aus Ehrlichs Versehen zustandekamen. 2

) Das hier folgende wörtlich nach Ehrlich, a. a. O., S. 1 1 8 .

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

25

versuchen durch kritische Betrachtung anderer, mit dieser Sache zusammenhängender sekundärer Momente der historischen Wahrheit nahezukommen 1 ). Vorläufig stelle ich mich gegenüber Ehrlich auf einen skeptischen Standpunkt, wie Major2). Ramann erwähnt Ehrlich unter Liszts steten Begleitern in Wien im Jahre 1846»). Der „Ungarsche", den Liszt in einem seiner Pester Konzerte gespielt hat, konnte auch aus Liszts UNM. gewesen sein, der Brief Treichlingers ist also für unsere Frage belanglos. Ehrlichs Besuch bei Liszt 1852 in Weimar hinterließ keine Spur in Liszts Briefen, was aber noch nicht ausschließt, daß dieser tatsächlich stattgefunden haben könnte. Liszts Irrtum, indem er die (angeblich) von Ehrlich erfundenen Themen für ungarische Originalthemen hielt, war von Liszts Seite aus vollkommen denkbar, dazu unverschuldet. Seine Kenntnisse von der ungarischen Musik waren nicht so tief fundiert, daß derartige Irrtümer nicht hätten vorkommen können. Die Themen der II. Rh. sind zwar ungaristisch erfunden, aber sie unterscheiden sich doch wesentlich von jeder Art ungarischer Musik aus jener Zeit. Bülows Beteiligung an der Sache wird in seinem Briefwechsel mit Liszt nicht erwähnt. Das ist jedoch kein Argument gegen Ehrlich, denn, wie aus seiner Darstellung hervorgeht, sprach Bülow mit Liszt persönlich über die Angelegenheit 1 ). Zur Glaubwürdigkeit des fraglichen Briefes stehen folgende Angaben zur Verfügung. Daß Liszt seine Rhapsodien (bzw. die bis dahin veröffentlichten Rhapsodien I — X V ) als „patriotische Anthologie", d. h. als Bearbeitungen betrachtete, wird in einem Briefe Liszts an Louis Köhler vom 16. April 1852®) bestätigt, wo er sie Ergebnisse seiner „nationalen Studien" nennt. Liszts Buch über die Zigeuner enthält im letzten Kapitel wirklich eine Schilderung von dem Charakter der Rhapsodien; er weist mehrfach darauf hin, daß sie Bearbeitungen sind8). Über Liszts Erinnerungen an die Zigeuner wird weiter unten gesprochen, ebenso über die Rolle, die ungarische Edelleute und Musiker beim Zusammentragen seines Themenmaterials gespielt haben. Zusammenfassend sei vorausgeschickt, daß die diesbezüglichen Behauptungen des fraglichen Briefes den Behauptungen anderer beglaubigter Quellen vollkommen entsprechen.

*) Ehrlichs Anspruch auf die Autorschaft der Themen in Liszts II. Rh. wird in der Liszt-Literatur fast völlig übergangen. Erst E. Major hat in seiner erwähnten Arbeit über die Rhapsodien die Frage — leider ohne jede Nachprüfung — wieder aufgeworfen. 2

) Major: Liszt. Budapest 1929, S. 4. ) Ramann, a. a. O., Bd. II —i, S. 272. 4 ) Im übrigen war Bülow schon mindestens seit Dezember 1853 mit Ehrlich bekannt. Siehe Briefwechsel, Bülow an Liszt am 12. Dez. 1853 und Liszt an Bülow am 24. April 1854. 3

6 6

) Briefe I, S. 104. ) Ges. Sehr. Bd. VI, S. 388, 392.

26

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Ehrlichs Argumentation, daß die fraglichen Themen weder in der Lied-, noch in der Tanzmusik Ungarns vor 1846 zu finden sind, läßt sich bisher nicht widerlegen. Die Behauptung B. Fabös, daß diese Themen nach dem „ B o k a kesergöje" (Klagelied von Boka) erfunden sind 1 ), muß — wenn nicht für gänzlich unbegründet, jedoch — für maßlos übertrieben gehalten werden. Außerdem besteht noch immer die Möglichkeit, daß schon Ehrlich die Themen nach dem „Boka kesergöje" bearbeitet hat. Im übrigen ist dieser Beweis Ehrlichs lediglich negativer Natur. Die positive Seite, daß nämlich alle Themen der übrigen Rhapsodien sich als „Motive aus alten ungarischen nationalen Liedern" usw. „genau nachweisen lassen", hat teilweise schon E. Major 2 ) bewiesen. Ich selbst habe außerdem noch einige Vorbilder der Rhapsodiethemen finden können, aber damit sind höchstens zwei Drittel der Themen aus den Rhapsodien I — X V in der ungarischen Musik nachgewiesen (vgl. den Anhang). Das fehlende Drittel ist kein Beweis gegen Ehrlich, denn das Auffinden der Quellen, ist Glückssache und es ist keineswegs ausgeschlossen, daß die fehlenden noch gefunden werden. Als letzter Beleg sei Ehrlichs Brief an Liszt vom 12. April 1876 erwähnt 3 ), worin er u. a. folgendes schreibt: „Zwölf Jahre sind vergangen, seit ich Ihnen das letzte Mal geschrieben habe. —. Ich habe auch in allem, was ich über Liszt seither geschrieben, den Beweis geliefert, daß persönliche Zwischenfälle keinen Einfluß üben können auf meine künstlerischen Gefühle". Die Anspielung auf das Jahr 1864 und auf persönliche Zwischenfälle bezieht sich offenbar auf die Angelegenheit der II. Rh. In diesem Falle wird auch Ehrlichs Behauptung: er habe auf den fraglichen Brief Liszts geantwortet, durch eine zuverlässige Quelle bestätigt. Daß Ehrlich hier über mehrere Zwischenfälle schreibt, erklärt sich dadurch, daß er im Jahre 1864 anläßlich des vierten Konzerts der Gesellschaft der Musikfreunde in Berlin, in welchem u. a. auch Liszts „Prometheus" aufgeführt wurde, mit Bülow in schriftliche Kontroversen geriet 4 ). Hierauf folgte dann gleich als zweiter Zwischenfall die Sache mit der II. Rh. Die bisher angeführten Momente sind solche, die Ehrlichs Behauptung teils als möglich, teils sogar als wahrscheinlich hinstellen. Nur eine, bisher nicht erwähnte Tatsache widerspricht derselben: daß nämlich der Anfang der II. Rh. in einem der Skizzenbücher Liszts unter lauter solchen Aufzeichnungen vorliegt, die er offenbar nach dem Hören (nach dem Spiel der Zigeuner, s. S. 37) notiert hat. Das Anfangsthema nahm er also nicht aus Ehrlichs „Ungarischen Fantasien". Diese zweifellose Tatsache macht allerdings die Glaubwürdigkeit Ehrlichs bedenklich. Man könnte deshalb auch daran denken, daß diejenigen der oben aufgezählten Momente, welche ausdrücklich für die Wahrscheinlichkeit dieser Behauptungen Fabö, a. a. O., S. 292. In seiner auf S. 25, Fußnote 2 zitierten Studie. 3) Briefe an Franz Liszt, hrsg. von La Mara, Bd. III, Leipzig 1894, S. 225f. 4) Ehrlich, a. a. O., S. 114. 2)

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

27

sprachen, nur durch Zufall zustandekamen. Da die fraglichen Themen keine ungarischen Originalthemen sind, da man sie aber auch nicht Ehrlich zuschreiben möchte, so bleibt nur die Annahme übrig, daß die Themen von Liszt selbst im ungarischen Stil erfunden wurden. Dagegen ist aber wiederum folgendes zu bedenken. Liszt versuchte sich vor der Entstehung der II. Rh. (laut Urschrift im Liszt-Museum Weimar: 27. März 1847)1) in zwei ungarischen Originalkompositionen („Herorischer Marsch im ung. Styl" und „Ungarischer Sturmmarsch"), in deren Thematik er derjenigen der II. Rh. ebenso fern steht, wie in seinen später entstandenen ungarischen Originalkompositionen. Kurz: die Themen liegen stark abseits von dem stilistischen Entwicklungsgang Liszts. Einen wirklichen Einwand gegen Ehrlich bedeutet also nur die erwähnte Aufzeichnung. Bezüglich dieses einzigen Themas hat sich seine Behauptung als unrichtig herausgestellt. Solange aber für die übrigen keine zwingenden Gründe gegen Ehrlich vorliegen, bis dahin muß es als möglich und sogar wahrscheinlich dahingestellt bleiben, daß Liszt in der II. Rh. Themen von Ehrlich bearbeitet hat. Liszt darf dabei keineswegs als Plagiator angesehen werden, denn sein Irrtum, indem er die Themen für bereits bekannte ungarische Themen hielt, war vollkommen unverschuldet. Die zweifellose Wahrheit wird aber erst auf Grund der bisher noch nicht ans Tageslicht gekommenen „Ungarischen Fantasien" von Ehrlich festgestellt werden können. Bis dahin darf das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen werden. 6. Bei der Bearbeitung der „Bunten Reihe" von Ferdinand David geriet Liszt auch ein „Ungarisch" betiteltes Stück in die Hände („Bunte Reihe" Nr. 19). Zwar steht Davids „Ungarisch" ziemlich entfernt von jedweder ungarischen Musik, das hat aber Liszts besondere Begeisterung dafür keineswegs verringert. Er bearbeitete dieses Stück in zwei verschiedenen Versionen. Jedoch hat Davids „Ungarisch" auf Liszt keinen nachhaltigen Einfluß ausgeübt. 7. Da Liszt selbst wegen seiner Konzertreisen, später wegen seiner Gebundenheit an Weimar nicht mehr dazu kam, ungarische Themen selbst sammeln zu können, beauftragte er seinen Schüler Hans von Bülow, der im Frühjahr 1853 nach Ungarn reisen wollte, mit der Beschaffung entsprechenden Materials. Bülow sollte in die Nähe von Sopron zu einem Grafen S. F. (vermutlich Stefan Fay) reisen, der eine große Sammlung von „Zigeuner-Ungarischen" der besseren Qualität besaß. Liszt hatte die Absicht, nach Verlauf einiger Wochen aus der ganzen Sammlung diejenigen Stücke, die seinen Zwecken nicht entsprachen, oder die er schon kannte, dem Grafen zurückzusenden. Liszt besaß — wie er schreibt — mehrere hundert „Hongroises", handschriftlich und gedruckt, welche er für authenSiehe Bemerkungen zu Klavierwerke Bd. X I I der Gesamtausgabe musikalischen Werke F. Liszts, S. VII.

der

28

D i e ungarischen Stileigeatümlichkeiten

Franz Liszts.

tisch hielt 1 ). Der Graf gab aber Bülow nur das erste Drittel der Sammlung unter dem Vorwand, daß er über den Rest augenblicklich nicht verfüge. Er versprach aber, diesen Bülow in etwa zwei Wochen nachzusenden 2 ). Das durch Bülow vom Grafen S. F. beschaffte Drittel der Sammlung „Zigeuner-Ungarische" kann für Liszt von keiner besonderen Bedeutung gewesen sein. Liszt erhielt die Sammlung nicht vor dem 7. Mai 1853, als die meisten seiner ungarischen Bearbeitungen schon veröffentlicht waren; Die im erwähnten Jahre erschienenen Rhapsodien I I I — X V enthielten mit wenigen Ausnahmen lauter solche Themen, die Liszt spätestens schon 1847 einmal bearbeitet hat. Es könnten also höchstens die 1853 neu hinzugekommenen Themen: X I I . Rh. 3. (fis-moll) Thema, X I I I . Rh. 4. (a-moll, bzw. C-dur) Thema und das Presto assai-Thema (F-dur) der X I V . R h , aus der von S. F. erworbenen Sammlung geschöpft sein. Die Sammlung selbst scheint nicht erhalten zu sein. Für die späteren ungarischen Bearbeitungen Liszts kann diese Sammlung als Vorlage überhaupt nicht in Frage kommen, da auf die Vorlagen dieser Bearbeitungen ausnahmslos mit voller Bestimmtheit hingewiesen werden kann (s. S. 6). Als Bülow nach Pest ging, wollte ihn Liszt mit einer Kommission „analogue ä celle de F . " (F.: Fay, s. S. 27) beauftragen'), über deren Erfolg die Quellen schweigen. Es ist übrigens zu beachten, daß Liszt den Ausdruck „Zigeuner-Ungarische" im gleichen Sinne benutzt, wie den Namen „Hongroises". 8. Zu den von Liszt ganz genau übernommenen ungarischen Themen zählt der „ H y m n u s " , nach Kölcseys Worten komponiert von Franz Erkel. Liszt hat den im Jahre 1845 entstandenen patriotischen Nationalgesang spätestens 1856 schon gekannt 4 ), obwohl seine Bearbeitung im „Szözat & Hymnus" erst 1873 erfolgte. In dieser Bearbeitung behält Liszt Erkels Hymnus-Melodie mit einigen — von Liszt zugesetzten — Pausen bei, die aber den ursprünglichen Rhythmus unberührt lassen. Selbst die Tempobezeichnung „Andante religioso" übernahm Liszt mit von Erkel. 9. Die Entstehung seines ersten Oratoriums: der „Legende von der heiligen Elisabeth" bringt ihn mit einigen ungarischen Themen in Berührung. Liszt bat den Kanonikus Johann Danielik in Eger, — der ihm seine Biographie der heiligen Elisabeth zugesandt hat — daß er diejenigen liturgischen Gesänge, die mit der Heiligen in Verbindung stehen und welche Siehe Liszt an Bülow am 19. März 1853. 2)

Siehe Bülow an Liszt am 7. Mai 1853.

3)

Siehe Liszt an Bülow am 12. Hai 1853.

4)

Liszt schreibt am 21. Sept. 1856 aus Zürich an Erkel, daß er eine sinfonische

Dichtung plant als Fortsetzung der , .Hungaria", zu deren Hauptmotiv er den Anfang des Erkelschen Hymnus, der ihm ja so sehr zum Herzen spricht, nehmen wird. S. Unedierte und unbekannte Liszt-Briefe, mitgeteilt von Koloman Isoz in ,,N6pmüvel6s" 1911, Jg. V I , Nr. 1 7 — 1 8 , S. 322L

Die Komposition hat Liszt gar nicht

begonnen. — Die Bearbeitung „ S z ö z a t & H y m n u s " nennt Liszt im Dedikationsbriefe an Gr. Julius Andrdssy (Nov. 1873, siehe Briefe V I I I , S. 270) seine „Version des deux chants nationaux".

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

29

Danielik während seiner Forschungen sicherlich gefunden habe, für Mosonyi bezeichnen möchte 1 ). Mosonyi sollte dann die Noten und den lateinischen Text kopieren und ihm (Liszt) zuschicken. Durch Mitwirkung der am Schlüsse der bei C. F. Kahnt in Leipzig erschienenen Originalpartitur der Elisabethlegende aufgezählten ungarischen Geistlichen, Musiker und des Baron Anton Augusz hat Liszt eine Reihe von Melodien erhalten, von denen er drei zu Hauptmotiven der Komposition gewählt hat. Das Elisabethmotiv stammt aus der Antiphone „Quasi Stella matutina. . . " , welche sich auf die heilige Elisabeth von Ungarn und Thüringen bezog. Diese Antiphone ist jedoch wahrscheinlich nicht auf ungarischem Boden entstanden 2 ), weshalb das Motiv für unsere weiteren Untersuchungen von keiner Bedeutung ist. Das zweite Hauptmotiv der Legende, das besonders im „Chor der Armen" hervortritt, stammt — samt dem ungarischen Text, der am Schlüsse der Partitur mit vielen Fehlern abgedruckt ist — aus dem „ L y r a Coelestis" des Georg Nâray 3 ). Die dorische Melodie ist eins der schönsten älteren ungarischen Kirchenlieder. Die Legende enthält neben diesen kirchlichen Melodien auch ein ungarisches Volksliedthema, das Liszt überall bei den textlichen Anspielungen auf Ungarn verwendet. Die Zusendung dieses Themas verdankt Liszt dem ungarischen Geigenvirtuosen Eduard Reményi 4 ). 10. Liszt bearbeitete i868 s ) einige Teile der ungarischen Oper „Szép Ilonka" von Mosonyi zu einer kleineren Opernphantasie. E r hat diese aus dem Anfangsthema des Vorspiels und aus der Hirtenflötenweise aus der Einleitung zu Nr. 1 1 im II. Akt aufgebaut. Die Oper selbst wurde schon 1861 in Pest aufgeführt. Liszt charakterisierte sie als ,,un charmant opéra de noble goût" 4 ). 1

) F ü r die Zusendung der Biographie dankte ihm Liszt in einem Briefe am

10. April 1 8 5 8 und teilte ihm mit, daß er die Komposition der Legende plant.

Um

die Bezeichnung der Stellen für Mosonyi bat er in einem Briefe vom 26. Juni 1 8 5 8 . Originale beider Briefe im Ungarischen National-Museum Budapest. 2

) Im Vesperale (Ausgabe 1 8 7 5 , Ratisbonae) findet sich dieselbe Antiphone

unter den Gesängen, welche zur Gedenkfeier der hl. Elisabeth von Portugal gesungen werden sollen. 3

) „ L y r a Coelestis . . . opera et studio Georgij Naray, Archidiaconi Zoliensis.

Tyrnaviae, Anno MDC. X C V . " Regis F i l i a " . Maria".

Pag. 1 4 2 : ,,Cantio de S. Elizabetha Hungariae

Dieselbe Melodie steht auch auf pag. 1 7 8 : ,,Litaniae de B. Virgine

Bezüglich der „ L y r a Coelestis" bemerkt Liszt in seinem Briefe an Dr. E .

Thewrewk v o n P o n o r a m 14. J a n . 1 8 7 4 (Briefe B d . I I ) , daß diese ihm nicht im Druck vorgelegen hat, sondern daß ihm das Motiv durch Mosonyi und Baron Anton Augusz zugesandt wurde. 4

) Siehe die Schlußbemerkungen der bei C. F . K a h n t in Leipzig gedruckten

Original partitur. 5

) Ramann, a. a. O., Bd. I I —2, S. 2 5 8 und 5 1 8 .

•) Liszt an Baron Fr. Podmaniczky im Jahre 1884,

Briefe Bd. II, S. 362.

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten

30

Franz Liszts.

1 1 . Daß Liszts „5 ungarische Volkslieder" auf die Bearbeitung von Kom61 Abranyi sen.: ,,5 magyar nepdal" zurückgeht, ist zwar in Liszts Bearbeitung nicht vermerkt, aber ein Vergleich beider überzeugt aufs deutlichste davon. Liszts Bearbeitung bezog sich hauptsächlich auf harmonische und klaviertechnische Änderungen. Nicht nur die musikalisch hochgradige Übereinstimmung, sondern auch die Gleichheit der Titel, Texte und Anordnung beweist, daß Liszt Äbränyis Bearbeitung umgearbeitet hat. Liszts Bearbeitung erschien im Jahre 1872 1 ) bald nach derjenigen von Äbranyi bei demselben Verleger2) mit den gleichen Texten 3 ). 12. Wie den schon erwähnten „Hymnus", so übernahm Liszt auch den nach Vörösmartys Worten von Egressy komponierten „Szözat" 4 ) in seinen „Szözat & Hymnus" 6 ) mit solcher Genauigkeit, daß Liszts Anlehnung an die Originalfassung Egressys außer Zweifel steht. Liszt hat nur die Fermaten der dritten Melodiephrase in längere Noten umgeschrieben, sonst übernahm er selbst die Tempobezeichnung „Andante maestoso" von Egressy. 13. Im Jahre 1878 bearbeitete Liszt eine „Einleitung und ungarischer Marsch von Graf Emerich Szech6nyi" für Klavier zu zwei Händen®). Von dem Grafen, mit dem Liszt in freundschaftlichem Verkehr stand, ist mir sonst keine Komposition bekannt. Das erwähnte Werk wurde nur in der Bearbeitung Liszts veröffentlicht. 14. Eine verschollene Bearbeitung Liszts aus dem Jahre 1879 hatte einen Marsch des ungarischen Komponisten Ignatz Szabadi zur Vorlage, allerdings nicht unmittelbar, sondern in der Orchestrierung von J . Massenet'). Liszt scheint den Marsch für eine Komposition des letzteren (nach ungarischen Motiven) gehalten zu haben8). Vermutlich handelt es sich hier um 1

) Ramann, a. a. O., Bd. I I — 2 , S. 2 5 8 und 5 1 9 .

2

) Tâborszky & Parsch in Pest. Plattennummern der Volkslieder von  b r â n y i :

2 1 8 — 2 2 2 , von Liszt: 3 5 1 . 3

) Über den von  b r â n y i stammenden Textaustausch im 3. Liede — das übri-

gens K . Simonffys Komposition ist — siehe E r v i n Major: Beziehungen zwischen der volkstümlichen

ungarischen

Kunstmusik

und Volksmusik,

Budapest

1930,

S. 4 — 5 und 2 1 . 4

) Egressys

,,Szözat"

entstand

3 3 Jahre

vor Liszts Bearbeitung.

Liszt

selbst übersetzt den Titel in seinem Briefe an die Fürstin Wittgenstein am 1 7 . April 1 8 7 3 (Briefe V I I , S. 16) als „ A u f r u f " , während dieser sonst im allgemeinen als „ Z u r u f " übersetzt wird. «) S. Ramann, a. a. O., Bd. I I —2, S. 246. •) Erschienen bei R6zsavölgyi

& Co. in Budapest,

Plattennummer:

1830.

Vgl. Ramann, a. a. O., B d . I I —2, S. 520. ') Göllerich, a. a. O., S. 3 0 1 : „ R e v i v e Szegedin", Marche hongrois orchestrée par J . Massenet, transcrite. 8

) „ J e ne doute nullement de l'excellence de la marche héroique inspirée

par le motif hongrois à Monsieur Massenet", s. Liszts Brief an Armand Gouzien im Juli 1 8 7 9 (Briefe V I I I , S. 352).

Ebenda: „Veuillez bien . . . disposer comme

bon vous semblera de ma petite transscription Revive Szegedin!"

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

31

den „Török-magyar induló" (Türkisch-ungarischer Marsch) von Szabadi 1 ), den Liszt aller Wahrscheinlichkeit nach anläßlich des Pariser Wohltätigkeitsfestes zugunsten der Überschwemmten von Szeged bearbeitet hat 2 ). 15. Nicht nur äußerlich, sondern auch literarisch belegt ist Liszts Bekanntschaft mit den beiden ersten Bänden der Anthologie von Stefan Bartalus 3 ). Die beiden Bände befanden sich in seinem Nachlasse; die von Liszt stammenden Exemplare sind jetzt in der Bibliothek der Hochschule für Musik Budapest. E r bearbeitete daraus nur ein altes Kurutzenlied — das bei Bartalus nach der handschriftlichen Sammlung des Adám Horváth von Pálócz mitgeteilt ist — im Jahre 1883 4 ) zu seinem „Ungarischen Königslied". 16. Unter Liszts letzten Eindrücken von ungarischer Musik sind die „Elegáns Csárdások" (Elegante Csárdás oder Csárdás nobles) von Kornél Abrányi sen. zu nennen. Liszt besaß die drei Hefte dieser Csárdás, er schrieb verschiedenes (meist deutsche Übersetzungen der ungarischen Titel) eigenhändig in die Exemplare hinein6). Er bearbeitete in seiner X I X . Rh. zwei Stücke aus Ábrányis Werk: Heft II, Nr. 1 und Heft I I I , Nr. 6. Die von Liszt vermerkten Übersetzungen der betreffenden Titel lauten: „Unter meinem Garten" und „Sporn-Csárdás". Die X I X . Rh. erschien im Jahre 1886 6 ) bald nach Ábrányis „Elegáns Csárdások" bei demselben Verleger7). Dieses bunte Durcheinander von Tatsachen beweist auf mannigfaltigen Wegen, daß Liszt von 1840 an bis in seine letzten Jahre viele verschiedene ungarische Musikwerke in Notenschrift kennen gelernt hat. Seine unmittelbare Berührung mit der lebendigen Musik Ungarns läßt sich ebenso vielfach nachweisen. Für die Eigentümlichkeiten der Volksmusik mag er wohl durch den Unterricht bei Anton Reicha in Paris im Jahre 1826 angeregt worden sein. E r trieb hier zwar hauptsächlich kontrapunktische Studien, jedoch konnte ihm Reichas Auffassung über Samm*) I m Ungarischen National-Museum Budapest ist ein gedruckter, erleichterter Klavierauszug

des von Massenet instrumentierten

Marsches von

handen; der Auszug stammt von einem Louis Soumis.

Szabadi

vor-

Auf Grund dieses Klavier-

auszuges habe ich die Herkunft des Marsches von Massenet aus dem ,,Türkischungarischen Marsch"

Szabadis festgestellt.

Liszts Bearbeitung war

vermutlich

ziemlich schwierig, weshalb dann die „Edition simplifiée" durch den erwähnten Soumis zustande kam.

Letztere war dem ,,Abbé L i s z t " gewidmet.

2

) S. Liszts erwähnten Brief an Gouzien.

3

) „ M a g y a r népdalok egyetemes gyûjteménye" (Universalsammlung ungarischer

Volkslieder), hrsg. von Stefan Bartalus.

Bd. I : 1 8 7 3 , Bd. I I :

1875.

4

) Ramann, a. a. O., B d . I I —2, S. 2 5 6 und 526. Vgl. S. 7, Fußnote 1. ') Die Exemplare aus seinem Nachlasse sind jetzt in der Bibliothek der Hochschule für Musik Budapest. «) Ramann, a. a. O., Bd. I I —2, S. 526. ') Tâborszky & Parsch in Budapest. Plattennummern d â s o k " : 884, 920, 9 2 7 ; der X I X . R h . : 974.

der „ E l e g â n s

csâr-

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

32

lung und Bearbeitung von Volksgesängen kaum unbekannt bleiben. Reicha schreibt: „ E s ist unverzeihlich, daß noch keine Sammlung von Nationalgesängen . . . veranstaltet worden ist. Man weiß, daß es deren sehr originelle und interessante gibt, die zugleich den Geschmack, den Charakter und die Sitten der Nationen abspiegeln. . . Eine Sammlung von National-Gesängen soll nicht nur für die Künstler, sondern selbst für die Regierungen wichtig seyn: denn es ist anerkannt, daß durch nichts die Freundschaft einer Nation leichter gewonnen wird, als wenn man die ihr eigenthümlichen Gesang- und Tanzstücke (an welchen jede so stark, wie an ihren Gesetzen und an ihrer Religion hängt), mit allen Eigenheiten des Tempo, der Charakteristik, des Vortrags ausführt, mit denen sie selbst dieselben vorzutragen gewohnt sind. Zu diesem Zwecke müßten sehr gewandte Tonkünstler ausgewählt werden, welche imstande wären, diese Gesänge an Ort und Stelle mit allen ihren Eigentümlichkeiten aufzusetzen, und die richtigste Art ihres Vortrags anzuzeigen. . . Auch ist nicht zu vergessen, daß dieses für die dramatische Musik sehr wichtig wäre, um ihr stets die wahre örtliche Färbung zu geben." 1 ) Diese Auffassung übte auf Liszt nachweisbare Einflüsse aus. Der Standpunkt Reichas, daß der Charakter einer Nation sich in ihrer Musik ausdrückt, spiegelt sich bei Liszt darin, was er über sein „Album d'un voyageur" in dessen Vorwort schreibt: mit einem Teil der unter diesem Titel veröffentlichten Stücke (teilweise auch Bearbeitungen ungarischer Melodien: „Magyars", s. S. 18), wollte er die Umgebung, die Landschaft und den Geist der verschiedenen Nationen schildern. Die Rhapsodien, deren erste Anfänge ja in das 3. Jahr (3.-me Année) des „Album d'un voyageur" zurückreichen (s. S. 4, Fußnote x), betrachtete er als Ergebnisse seiner „nationalen Studien"*). Mit dem Künstler, für den die Freundschaft der Nationen durch den richtigen Vortrag ihrer Volksgesänge zu gewinnen wichtig ist, meint Reicha offenbar den reisenden Virtuosen. Diesen Gedanken hat Liszt während seiner Virtuosen jähre darin zum Ausdruck gebracht, daß er in den Ländern, wo er Konzerte gab, dem Publikum in vielen Fällen mit Bearbeitungen von volkstümlichen Melodien des betreffenden Landes huldigte. Die Art und Weise, wie nach Reichas Auffassung die Volksgesänge gesammelt und wiedergegeben werden sollten, spiegelt sich bei Liszt darin, daß er seine Rhapsodien für „une simple mise en oeuvre aussi congénère que possible 3 ") gehalten hat. Er war ferner von „der Notwendigkeit überzeugt, daß sie (nämlich die von ihm bearbeitete vermeintliche „Zigeunermusik") ihre Exzentrizitäten beibehalten müsse" 4 ). Ihm lag S. Anton Reicha, Traité de haute composition musicale (1824—26), I V . Teil, „Observations sur les airs nationaux" (deutsche Übersetzung von Carl Czerny). Vermutlich hat Liszt ähnliche Anregungen auch persönlich von seinem Lehrer empfangen. 2) Liszts Brief an Louis Köhler am 16. April 1852. (S. 25, Fußnote 5). 3)

Brief an Ehrlich, s. Ziffer 5 dieses Kapitels.

4)

Gesammelte Schriften Bd. VI, S. 388.

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

33

sehr viel an der Authentizität der Aufzeichnungen von „Zigeuner-Ungarischen" 1 ). Er empfahl Bülow, „tous les caprices" des Zigeunerspiels nachzugehen2). Er tadelt bei Schubert, daß er in seinem „Divertissement â la Hongroise" die Motive der „Zigeunermusik" unter fremde Gesetze gezwungen hat, daß er sich nicht Mühe gab, „in ihren Geist und in ihre Innerlichkeit einzudringen" und daß er sie „restauriert" und nicht „rekonstruiert" hat 3 ). Im Frühjahr 1838 hatte Liszt die Absicht, nach Absolvierung seiner zwei Konzerte in Wien „allein zu Fuß mit dem Bündel auf dem Rücken die einsamsten Gegenden Ungarns aufzusuchen" 4 ). Diese „parties plus désertes de la Hongrie" hätten ihm viele große Überraschungen bereiten können. Es hätte ihm klar werden müssen, daß in Ungarn nicht nur der Zigeuner, sondern auch das ländliche Volk musiziert; daß das Zigeunerspiel neben der wahren musikalischen Physiognomie des ungarischen Volkes nur etwas Sekundäres und gewissermaßen Entstelltes bedeutet. Mit jener hochgradigen musikalischen Empfindlichkeit, welche Liszt besaß, hätte er zu jener Zeit einen nunmehr unrettbar verlorenen Schatz ungarischen Volksliedgutes für die Nachwelt zu retten vermocht. Es lag aber nicht an ihm, daß er diese Wanderungen nicht verwirklichen konnte. „Mon ami Tobias en ordonna autrement", schreibt er, d. h. er wurde vom Musikverleger Tobias Haslinger in Wien zurückgehalten, um weitere Konzerte zu veranstalten. Laut den Erinnerungen Wilhelm von Csapös machte Liszt aus Szekszârd — Wohnsitz des Baron Anton Augusz, wo Liszt mehrfach einige Tage als Gast verbrachte — Ausflüge in die weitere Gegend („Sirköz" genannt), bei welchen die ethnographischen Eigentümlichkeiten und die Volksgesänge seine Aufmerksamkeit auf sich zogen6). Diese Ausflüge, bei denen er wahrscheinlich nur flüchtig manches ungarische Volkslied gehört hat, können nicht als Teile seiner „nationalen Studien" betrachtet werden. Liszts Volksliedkenntnisse stammen entweder von dem Notenbild, das ihm von der Vortragsweise so gut wie nichts übermitteln konnte, oder von dem Spiel des ungarischen Zigeuners her, wo die Vortragsweise etwas völlig Heterogenes gegenüber dem Volksliedcharakter ist. Und wenn er um das Jahr 1846 herum die — in ihren Keimen nicht, aber in der von Liszt bekannten Gestalt schon — als Volkslied geltende Melodie des x

) S. Ziffer 7 dieses Kapitels.

a 3

) Liszt an Bülow am 12. Mai 1 8 5 3 (Briefwechsel S. 2 1 ) .

) Gesammelte Schriften Bd. V I , S. 3 7 2 f .

4

) Gesammelte Schriften B d . I I , S. 225.

Originals s.

J e a n Chantavoine:

Den Neudruck des französischen

Pages romantiques.

Paris und Leipzig

1912.

S. 2355

) Wilhelm von Csapö

Budapest 1 9 1 1 .

(Hrsg.): F . Liszts Briefe an Baron Anton Augusz.

S. 6 — 7 .

G ä r d o n y i . Die ungarischen Stileigentümlichkeiten.

3

34

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

„Cserebogär-nöta" 1 ) von Läzär Horväth von Petrichevich (Redakteur der Zeitschrift „ H o n d e r ü " ) kennen lernte 2 ): so ist es wirklich zweifelhaft, ob er überhaupt jemals ein ungarisches Volkslied (oder gar ein Bauernlied) aus dem Volksmunde mit der ursprünglichen Vortragsweise gehört hat. Trotz seines eigenartigen Verhältnisses zum eigentlichen ungarischen Volksliede hat Liszt einen fördernden Schritt für seine Pflege getan. In einem Briefe an Baron Anton Augusz vom 7. Mai 1873 äußerte er sich, daß er in der geplanten „Musik-Akademie" zu Budapest die Organisierung einer besonderen Klasse für das Studium des ungarischen Volksliedes für notwendig erachtete 8 ). Man sucht vergeblich nach weiteren Spuren einer Berührung Liszts mit dem lebendigem ungarischen Volksliede. Wenn er nach Ungarn kam, war er meistens mit eigenen Konzerten oder mit Aufführungen eigener Orchesterwerke beschäftigt und dadurch an die Städte gebunden; oder er war Gast ungarischer Edelleute. Beide Atmosphären — die städtische und die aristokratische — standen zu seinen Lebzeiten dem Volkslied im heutigen Sinne (dem Bauernlied) fremd gegenüber. Kein Wunder also, wenn Liszt den vermutlich von Reicha empfangenen Gedanken auf diejenige Musik angewendet hat, welche er in Ungarn am meisten zu hören bekam: auf das Spiel der Zigeuner. Sowohl in den Gasthöfen der ungarischen Städte, wie in den Häusern der ungarischen Aristokratie konnte Liszt bei unzähligen Gelegenheiten das Spiel der verschiedenen Zigeunerorchester — gewöhnlich Zigeunerbanden genannt — hören. Selbst auf dem Lande, wo Liszt ja größtenteils seine Kindheit bis 1821 verbrachte, konnte er die dortigen Banden gelegentlich spielen hören. Es wäre anzunehmen, daß er hier auch manche ungarische Bauernlieder aus dem Volksmunde gehört hat; er erwähnt aber eigentümlicherweise nur das Hören des Zigeunerspiels 4 ). Im Jahre 1822 hörte er den Zigeunervirtuosen Bihari 5 ). Weitere Gelegenheiten boten sich bei seinen Konzertreisen nach Ungarn in den Jahren 18408) und 18467). 1846 hörte er am 6. Mai in Pest Rözsavölgyi spielen 8 ), der zwar ursprünglich Jude war, sich aber zigeunerische Manieren aneignete. Im Spätherbst 1846 hörte Liszt in Kolozsvär von einer berühmten Zigeunerbande den „Koltdi csärdas" 9 ), den er zuerst als „Nr. 21", 5. Thema Von Liszt zuerst bearbeitet als ,,Nr. 20", 1. Thema. Über den Ursprung des Liedes — aus nicht volksmäßigen Keimen — s. den Aufsatz von Wilhelm Tolnai in Ethnographia 1926, S. 161 —168. 8)

Fabö, a. a. O., S. 292. Original im Ungarischen National-Museum. Der Gedanke ist bis heute nicht verwirklicht worden. 4) Gesammelte Schriften Bd. VI, S. 133ff. und Ramann, a. a. O., Bd. I, S. 16. 5) Gesammelte Schriften Bd. VI, S. 345. 3)

•) 7)

Ebenda

S.

I35FF.

und

RAMANN,

a.

a.

O.,

Bd.

I,

S.

25FF.

Gesammelte Schriften Bd. VI, S. I39ff. und Ramann, a. a. O., Bd. I, S. 271 ff. 8) Somssich, a. a. O., S. 191. *) S. Graf Alexander Teleky: Memoiren Bd. I. Budapest 1879. S. 55ff.

35

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

bearbeitet hat. Am Osterdienstag 1851 schreibt er an die Fürstin Wittgenstein aus Weimar, es wäre möglich, daß die Zigeuner ihn auch zum zweiten Male besuchen1) ; es hat also ein erster Besuch — selbstverständlich nicht ohne Musik — schon stattgefunden. Vermutlich handelt es sich hier um eine im Ausland umherziehende, aus Ungarn stammende Zigeunerbande. Bülows Begeisterung für das Spiel der Zigeunerbande aus Györ (Raab), die er im Frühjahr 1853 öfters in Preßburg hören konnte, war eine Freude für Liszt 2 ) und er riet Bülow gelegentlich seiner Pester Reise, sich die Zigeuner anzuhören, welche man dort die „Pariser" nennt (es handelt sich offenbar um eine ganz bestimmte Zigeunerbande). Liszt ließ durch ihn das Haupt der Bande: den Geiger Bihari herzlich grüßen (wie Liszt glaubte, ein Sohn des „großen" Bihari 3 )). „Étudiez les Zigeuner et appropriez vous leur énergique accentuation du Rhythme. N'oubliez pas non plus les longs points d'orgue (Fermaten) et laissez-vous aller â tous les caprices des fougues selon l'amertume ou l'exubérance de votre coeur", schreibt Liszt im selben Brief. Liszt schreibt am 1. August 1855 an Edm. Singer 1 ): „Um Patikarius und Ketskemety (berühmte Zigeunerbanden) beneide ich sie sehr. Diese Gattung von Musik ist für mich eine Sorte von Opium, dessen ich manchmal sehr bedürftig bin". Im Januar 1856 machte Liszt die Bekanntschaft einer Gräfin Nâk(5 in Wien, die „les airs bohémiens (Zigeunerweisen) d'une manière ravissante", d. h. in zigeunerischer Manier, spielte5). Im Sommer 1856 hörte Liszt in Pest öfters die Zigeuner. „Après le théâtre, je courrai aux Bohémiens, comme hier soir. Vous savez quel attrait particulier cette musique exerce sur moi", schreibt er an die Fürstin Wittgenstein vom 13. August 18566). Auch Edmund Singer berichtet vom 25. August 1856 aus Pest der Fürstin: „Im Hopfengarten, meist von Vollblut-Ungarn besucht, hörte Liszt mit großem Interesse die berauschenden Melodien von den Zigeunern spielen, die er in so unvergleichlicher Weise in seinen Rhapsodien wiedergegeben hat. Diese Leute spielen ganz anders, wenn er zugegen ist; auch sind sie durchglüht vom Feuer und vom Stolze über seine Anwesenheit" 7 ). Am 26. August hörte Liszt im „Hoppegarten" zu Pest den vorher erwähnten Patikarus, wie Liszts Brief an die Fürstin vom 27. August beweist8). Im Jahre 1858 hörte Liszt während seines Aufenthaltes in Pest beinahe täglich PatiBriefe I V , S. 100. !

) S. Bülow an Liszt am 7. Mai 1 8 5 3 und Liszt an Bülow am 1 2 . Mai 1 8 5 3 .

Briefwechsel S. 1 6 und S. i g f . 3

) E r irrt sich darin; der einzige Sohn Biharis starb schon 1 8 2 1 .

Dagegen ist

es sehr gut möglich, daß es sich hier um seinen Enkel: Farkas Miska, handelt. S. Major: Bihari, S. 9. 4

) Briefe I , S. 205.

6

) Briefe I I I , S. 6 1 .

«) Briefe I V , S. 3 1 6 . 7

) La

Mara:

A u s der Glanzzeit

der Weimarer Altenburg.

Leipzig

1906.

S. 1 7 0 . «) Briefe I V , S. 3 2 5 . 3*

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

36

kärus spielen. „Als bei Gelegenheit eines Liszt-Festabends im Peter'schen Claviersalon unvermutet im Nebenzimmer die bekannte Geige des Zigeunermusikers Patikärus ertönte, da sprang Liszt, wie von einem Dämon bemeistert von der Tafel, zog mit ausgebreiteten Armen hastig ein Pianoforte hervor und mischte sein Spiel in das der Zigeuner 1 )." Sein Schüler August Stradal erzahlt über Liszts Aufenthalt zu Budapest im Frühjahr 1885 2 ), daß er in den Hotels beim Souper jedesmal festlich von den Zigeunern mit dem Räköczi-Marsch empfangen wurde. „Liszt interessierte sich besonders für den Cymbalisten, der ihm oft am Cymbal ein Solo vorspielen mußte." Laut Göllerich3) hat Liszt im Jahre 1886 erzählt, daß er oft im „Szegszarder Walde bei den Zigeunern" war, „von deren Weisen" er „500—600" kennt. Wollte man überhaupt dieser Erzählung Glauben schenken, so muß man doch die Zahl der Melodien für unwahrscheinlich hoch gegriffen halten. Es geht aus den mitgeteilten Belegen deutlich hervor, daß Liszt dem Spiel der ungarischen Zigeuner nicht nur mit Begeisterung zugehört hat, sondern daß er dasselbe auch bewußt beobachtet hat. Die unmittelbaren Spuren seiner beobachtenden Tätigkeit konnte ich bisher nur in einem seiner Skizzenbücher (Liszt-Museum Weimar, Ms. N. 5) nachweisen. Dieses Skizzenbuch enthält eine Reihe ungarischer Themen, die Liszt eigenhändig, teils mit Bleistift, teils mit Tinte, sehr flüchtig und unordentlich aufgezeichnet hat. Die Art der Aufzeichnung läßt darauf schließen, daß Liszt die Themen nach dem Gehör notiert hat. Die stellenweise Andeutung gewisser instrumentalistischer Varianten geben Anlaß, anzunehmen, daß die Aufzeichnungen nach dem Spiel des Zigeuners erfolgten. Da noch niemand auf diese Aufzeichnungen hingewiesen hat, scheint es erforderlich, die Themen näher zu untersuchen. Die Eintragung derselben geschah durch Liszt in dem von hinten angefangenen Teile des Skizzenbuches. Da ich mich an die vermutliche Reihenfolge der Eintragung halten will, teile ich die Angaben mit rückwärts laufenden Seitenzahlen mit. Die aufgezeichneten Themen sind die folgenden: S. 1 1 7 :

S. 1 1 6 :

Pesther Carneval, 5. (Fis-dur) Thema, hier in C-dur mit Varianten. „ „ 6. (Es-dur) ,, ,, ,, D-dur. Ein Volkslied in G-dur, von Liszt nicht bearbeitet. i> n A-dur, ,, ,, „ „ >t „Somogy-i csärdäs" in d-dorisch, von Liszt nicht bearbeitet. „Nr. 1 9 " , 3. (Fis-dur) Thema, hier in D-dur. Ein Volkslied in d-dorisch, von Liszt nicht bearbeitet. Eine Themengruppe in F-dur, deren Teile Liszt zuerst als „Nr. 20", 5. (E-dur) Thema, bearbeitet hat.

Alexander Czeke: Die ungarische Musik und Zigeuner. Westermannsche Monatshefte. September 1858. Bd. IV, S. 597. 2 ) August Stradal: Erinnerungen an Franz Liszt. Bern 1929. S. 57. 3 ) Göllerich, a. a. O., S. 78.

Herkunft der ungarischen Themen bei Liszt.

37

,,Nr. 1 8 " , zweite Hälfte des Anfangsthemas (E-dur bzw. cis-moll), hier in A-dur bzw. fis-moll. Die reiche Ornamentik der Aufzeichnung stimmt größtenteils mit der Bearbeitung überein. „Nr. 1 9 " , Anfangsthema, hier ohne die beiden Anfangstakte, ohne Schlüssel und Vorzeichnung notiert, aber offenbar in fismoll (Tonart der Bearbeitung) gedacht. Die rhythmischen Zeichen sind auch sehr mangelhaft. S. 1 1 1 : „Nr. 20", 4. Thema (G-dur), hier in der selben Tonart und als „Friska" aufgezeichnet. Pesther Carneval, Anfangsthema (Es-dur), hier in C-dur. Ein kurzes Motiv (C-dur), verwendet später im Pesther Carneval in der Einleitung und breiter ausgeführt im weiteren Verlaufe der Komposition in E-dur. S. 1 1 0 : „Nr. 2 1 " , 5. Thema („Koltöi csärdäs", F-dur), hier in D-dur. II. Rhapsodie, Anfangsthema (cis-moll).

S. 1 1 2 :

Zur Feststellung dessen, wann und wo Liszt diese Aufzeichnungen gemacht hat, stehen folgende Anhaltspunkte zur Verfügung. Alle hier aufgezeichnete Themen hat Liszt nicht früher, als in seinen „Nr. 1 8 " , „Nr. 1 9 " , „Nr. 20", „Nr. 2 1 " — Handschriften, die aus dem Jahre 1847 stammen — und im Pesther Carneval — zuerst erschienen 1847 — bearbeitet. Über „Nr. 1 9 " — die Rhapsodie in fis-moll — schreibt er am 8. Juni 1853 an Bülow 1 ), daß er sie bei Baron Anton Augusz in Szekszärd komponiert hat. Es liegt nahe, daß er das Anfangsthema derselben nach dem Spiel der dortigen Zigeuner in das Skizzenbuch eintrug. Im Herbst 1846 war er in der Tat Gast des genannten ungarischen Magnaten2). Den „Koltöi csardäs" hörte Liszt im Spätherbst 1846 in Kolozsvär (s. S. 34). Ich vermute, daß diese Aufzeichnungen dieselben sind, die Liszt in einem, vom 1. Januar 1847 datierten Briefe an einen Unbekannten 3 ) erwähnt: „Neues habe ich nichts anders als Ungarische aufgeschrieben, daß sollen aber auch die letzten seyn — der Cyclus scheint mir jetzt ganz vollständig". In diese Zeit fällt Liszts Reise durch Ungarn nach Rumänien und Kleinrußland. Die Hauptstationen der Reise auf ungarischem Boden: Güns, Szekszärd, Temesvär, Arad und Kolozsvär 4 ) haben ihm zahlreiche Gelegenheit zur Aufzeichnung dieser Themen bieten können. Die ungarischen Aufzeichnungen schließen mit dem Anfang der II. Rhapsodie. Der Charakter dieses letzten Themas ist eher rumänisch, als ungarisch. Die darauffolgenden Aufzeichnungen Liszts enthalten noch einige, auf ähnliche Weise notierte rumänische und ruthenische Themen. Gleich auf S. 1 1 0 findet sich das erste, von Liszt mit „ J a s s y " überschrieben; offenbar hat er das Thema in dieser rumänischen Stadt Briefwechsel S. 2 3 . 2

) Liszt dankte Augusz für seine Gastfreundschaft in einem Briefe vom 10.

November 1846. 3

S. v. Csapö, a. a. O., S. 4 1 .

) Original im Ungarischen National-Museum

4

) Ramann, a. a. O., Bd. I I — 1 , S. 276.

Budapest.

38

D i e ungarischen Stileigemtümlichkeiten Franz Liszts.

aufgezeichnet. Auf S. 109 folgen noch drei rumänische Themen, ferner auf S. 108 „Dumka" und „Kolomejka": ruthenische Tänze. Aus diesen letzteren Aufzeichnungen ergeben sich noch einige Anhaltspunkte für die Datierung. Die Entstehung der II. Rhapsodie fällt in die Zeit vor dem 27. März 1847 1 ). Der erwähnte Brief vom 1. Januar 1847 wurde schon in Rumänien (Bukarest) geschrieben. Bezüglich der rumänischen Themen sei darauf hingewiesen, daß Liszt an einer Stelle 2 ) der Zigeuner gedenkt, die er in Bukarest und Jassy gehört hat: „Sie haben sehr glücklich gefundene Melodien, von denen wir . . . eine interessante Sammlung anlegten". Es unterliegt demnach keinem Zweifel, daß Liszt die fraglichen ungarischen Aufzeichnungen im Spätherbst 1846 auf seiner Reise durch Ungarn gemacht hat. Die in diesem Kapitel durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, daß Liszt seit dem Jahre 1840 — die Zeit, in welche sein erster Besuch in Ungarn nach langer Abwesenheit und seine ersten ungarischen Werke fallen — ständiges Interesse für die Musik Ungarns hatte. Sein Interesse wurde teils durch gedruckte oder handschriftliche Noten, teils durch eigene Erfahrungen beim Hören ungarischer Musik befriedigt. Das Hören beschränkte sich größtenteils auf das Spiel des ungarischen Zigeuners. Das Zigeunerspiel wurde zu einem der Ideale Liszts und er gab sich diesem mit voller Seele hin. Es sind aber gewisse Zeichen dafür vorhanden, daß er das Spiel der Zigeuner bewußt beobachtet und studiert hat. Seine Rhapsodien hielt er ebenfalls für Bearbeitungen von Zigeunermotiven. Es wurde aber bereits im I. Kap. klargelegt, daß die Motive zigeunerischen Ursprungs — außer den aus der Vortragsweise entsprossenen — nicht nachweisbar sind. Dagegen ist der größere Teil der Rhapsodiethemen in eigentlichen ungarischen Quellen nachweisbar. Die Verwechslung von Zigeunermusik und ungarischer Musik erklärt sich bei Liszt aus der Tatsache, daß er ungarische Musik durch Hören größtenteils nur aus dem Spiel der Zigeuner kannte. S. S. 2 7 . 2

> Gesammelte Schriften Bd. V I , S. 160.

III.

Kapitel.

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts im Ver* hältnis zu den Vorbildern. Nachdem in den vorangehenden Kapiteln geklärt wurde, was für ungarische Themen Liszt bearbeitet hat und auf welche Weise er sie kennen gelernt haben mag, sollen nun die Bearbeitungen selbst untersucht werden. Die Eigenarten einer Bearbeitung lassen sich am besten durch die Vergleichung mit dem Original feststellen. Bezüglich des Originals sind drei Fälle möglich: 1. Wir kennen die Vorlage, d. h. dasjenige Original, von dem nachweisbar ist, daß es dem Bearbeiter vorgelegen hat. Als Nachweise dafür kommen sowohl musikalische, als auch außermusikalische Momente in Betracht. Die musikalische Übereinstimmung zwischen einer Quelle und einer Bearbeitung im wesentlichen Inhalt (in erster Linie in Melodie und Rhythmus, gelegentlich auch in Harmonie, Form, usw.) ist allgemein schon ein zureichender Grund, die betreffende Quelle für die Vorlage der Bearbeitung zu erklären. Sie spielt aber bei den ungarischen Bearbeitungen Liszts eine untergeordnete Rolle, weil hier eine genaue Übereinstimmung — mindestens in Melodie und Rhythmus — außer in den auch nichtmusikalisch belegbaren Fällen nur ausnahmsweise besteht (vgl. S. 48 f. und 50). Die nach Vorlagen entstandenen ungarischen Bearbeitungen Liszts sind aus den außermusikalischen Belegen des II. Kap. (Ziffer 1, 2, 4, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 15 und 16) ersichtlich. Die II. Rh. (vgl. Ziffer 5) und die „Einleitung und ungarischer Marsch von Graf Emerich Széchényi" (vgl. Ziff. 13) gehören zwar auch in diese Reihe, sie sind aber für die weiteren Untersuchungen kaum brauchbar, da die Vorlage nicht mehr vorhanden ist. Ebenso bedeutungslos sind die lediglich literarischen Angaben über Liszts Bearbeitungen nach Erkels Oper „ H u n y a d y Laszlö" (vgl. Ziff. 3) und über den „Marche héroique" nach Massenet bzw. Szabadi (vgl. Ziff. 14), da Liszts Bearbeitungen nicht zu ermitteln sind. Wie aus dieser Aufzählung ersichtlich, hat Liszt in erster Linie die weniger volkstümlichen ungarischen Themen nach bestimmten Vorlagen bearbeitet. 2. Bei den meisten volkstümlichen Themen ist zwar die Vorlage nicht nachweisbar, aber die Themen sind dennoch in ungarischen Quellen vorhanden. Für die Themen des zweiten Rhapsodiezyklus hat Ervin Major ein Quellenverzeichnis zusammengestellt. Die Auffindung der Quellen ist größtenteils Glückssache; Major erhebt auch keinen Anspruch auf Voll-

40

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

ständigkeit. Ich konnte bei der Materialsammlung noch einige Ergänzungen zu seinem Verzeichnis finden 1 ). 3. Die Zahl der Themen, von denen bis jetzt weder Vorlage, noch Quelle bekannt ist, beläuft sich auf über ein Drittel des ganzen, von Liszt bearbeiteten ungarischen Themenmaterials. Sie sind aber wahrscheinlich doch keine Originalthemen Liszts, da sie in solchen Werken vorkommen, die Liszt selbst für Bearbeitungen erklärt hat. Diese Themen sind auch größtenteils von ungarischem Charakter und sie erscheinen bei Liszt meist mit solchen ungarischen Themen verknüpft, deren Vorlage oder Quelle nachweisbar ist. Es liegt also kein Grund vor, anzunehmen, daß sie von Liszt erfunden worden sind. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Vorlagen oder Quellen der ungarischen Bearbeitungen Liszts zu Vergleichszwecken allgemein zugänglich gemacht würden. Vielleicht könnten diese als Beilage zu demjenigen Band der Liszt-Gesamtausgabe neugedruckt werden, der die UNM. enthalten wird. Bis dahin muß ich mich begnügen, die Vergleiche selbst durchführen und nur die wichtigeren Ergebnisse mitteilen zu können. Bei der Untersuchung der unter 1. aufgezählten Werke sind Liszts Änderungen und Zutaten aus dem Vergleich der Vorlage und der Bearbeitung restlos und zweifelsfrei zu erkennen. Hier ist die Heranziehung anderer Quellen, als die, die Liszt gebraucht hat, überflüssig, denn die Voroder Nachgeschichte der Vorlage gehört nicht zu unserem Problem. Bei der zweiten Gruppe der Themen sind die Änderungen und Zutaten Liszts in gewissen Fällen zwar nicht unmittelbar und zweifellos, jedoch auf Umwegen und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Bei der Feststellung, ob eine Änderung von Liszt stammt oder nicht, ist zunächst zu beachten, daß Liszt bei seinen ungarischen Bearbeitungen beabsichtigte, die ungarischen Themen möglichst genau wiederzugeben (vgl. S. 32 f.). Wenn also Liszts Bearbeitung mit keiner der Quellen ganz übereinstimmt, so ist zunächst anzunehmen, daß die Änderungen schon von den Vermittlern der Themen stammen. In der Vermittlung spielten ja bei Liszt die ungarischen Zigeuner eine sehr bedeutsame Rolle. In diesem Falle können die Abweichungen gegenüber den Quellen auf zwei Arten zustande gekommen sein. Erstens: die ungarischen Zigeuner spielten damals eine schriftlich sonst nicht erhaltene Variante, nach der sich Liszt gerichtet hat; die meisten der fraglichen Themen sind ja solche, die damals hauptsächlich durch die lebendige (mündliche) Tradition fortlebten. Zweitens: Liszt hat das Thema falsch im Gedächtnis bewahrt. E r v i n Major: Die Ungarischen Rhapsodien Franz Liszts. 8 S.

Budapest 1 9 2 9 .

Von der Mitteilung meiner Ergänzungen habe ich in dieser Arbeit absehen

müssen; sie werden von mir vielleicht später veröffentlicht.

Die ins Einzelne

gehende Angabe der Quellen habe ich aus verschiedenen Gründen prinzipiell unterlassen.

Erstens sind diese Angaben zum großen Teil in Majors Arbeit zu finden.

Zweitens sind die Quellen selbst außerhalb Ungarns kaum zu erreichen; so würde sich die Belastung dieser Arbeit mit der Angabe von zahlreichen und nicht selten beträchtlich langen ungarischen Titeln nicht lohnen.

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

41

Neben diesen unfreiwilligen und unbewußten Änderungen Liszts können aber auch solche nachgewiesen werden, die er willkürlich angebracht hat. Wenn die Änderungen der Zutaten musikalisch solcher Natur sind, daß sie nicht den ungarischen Zigeunern zuzuschreiben sind, dagegen aber mit Liszts Stileigentümlichkeiten in seinen Originalkompositionen übereinstimmen, so können sie mit großer Wahrscheinlicht auf Liszt zurückgeführt werden. Für die dritte Gruppe der Themen besteht keine reale Vergleichsmöglichkeit. Man könnte höchstens aus den von Liszt mehrfach bearbeiteten Themen diejenige Fassung bezeichnen, welche dem unbekannten ungarischen Original vermutlich näher gestanden hat. Die diesbezüglichen Feststellungen bewegen sich aber wegen mangelnder sachlicher Grundlage auf der untersten Grenze der Stichhaltigkeit. Dieser methodische Exkurs war nötig, um in den folgenden Untersuchungen voreiligen Schlüssen vorbeugen zu können. Es wurden zwei Kriterien gewonnen, nach denen festgestellt werden kann, in welchen Fällen die Veränderungen in den Bearbeitungen auf Liszt zurückzuführen sind: 1. wenn die Vorlage vorhanden ist, 2. wenn die Änderungen von jeder Quelle abweichen und nicht den Zigeunern zuzuschreiben sind. Diejenigen Abweichungen, die in der einen oder anderen Quelle vorkommen, oder die auch von den Zigeunern stammen können, sind für unseren Zweck unbrauchbar, da sie nicht unbedingt als Eingriffe Liszts zu werten sind. Nachdem die Frage so eingeengt und auf Liszt — nicht auf die ungarische Musik — zugespitzt wurde, sollen nun die Änderungen und Zutaten Liszts untersucht werden. Statt einer alle Einzelheiten erschöpfenden Kasuistik werde ich mehr das Typische und Charakteristische der ungarischen Bearbeitungen Liszts hervorheben. a) Die melodischen Änderungen sind hauptsächlich solche, die zugleich eine Modulation bedeuten. Die vorletzte Kadenz in UNM. Nr. 5 sollte nach den Quellen in der von Liszt nach Des-dur transponierten Melodie as as b / as as ges f heißen, was eine Binnenkadenz auf der Tonika in Terzlage involviert. Liszt veränderte die Stelle durch jedesmalige Hochalterierung von as und ges; so gewann er eine schwungvolle Ausweichung nach der Durtonart der Obermediante (F-dur). In der ersten Periode des Räköczi-Marsches haben die meisten Quellen stets gis und fis in der Melodie, wodurch die erste Periode ganz offen nach E-dur moduliert. Liszt nimmt in seinen Bearbeitungen zuerst überall 1 ) g und f, wodurch die erste Periode mit den verengten Melodieschritten f-e-dis-e schließt; bei der Wiederholung hält sich Liszt an die ursprüngliche Fassung. Das 3. Thema aus UNM. Nr. 14 findet sich in den Quellen in dorischer Tonart. Liszt behält diese nur in den ersten zwei Melodiezeilen, in der dritten nimmt er die Mollsexte, in der letzten moduliert er ganz entschieden nach Dur. Das vierte Thema ebendaselbst steht in G-dur, Liszt schließt aber bei jeder J)

Ausnahmen bilden nur zwei handschriftliche Fassungen im Ungarischen National-Museum Budapest, welche sich an die ursprüngliche Melodieform halten.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz Liszts.

Wiederholung in E-dur und verändert den Schlußton aus g in gis. Die zugrundeliegende Volksmelodie (s. Bartök, a. a. O., Notenbeispiel 197 u. S. 226; bei Liszt als Csardas bearbeitet) verliert dadurch den wichtigsten melodischen Ruhepunkt; dagegen ist das Schwanken zwischen terzverwandten Tonarten ein Zeichen dafür, daß die modulierende Veränderung der schlichten G-dur-Melodie vielleicht von Liszt selbst stammt. Im 3. Thema der I. Rh. führt Liszt die zweite Melodiephrase in die parallele Molltonart. Die Quelle moduliert hier regelmäßig nach der Dominante. Warum Liszt gerade diese Stelle verändert hat, obwohl er sonst die Melodie ziemlich der Quelle getreu übernahm, läßt sich nicht erklären. Die Veränderung der Volksmelodie im 4. Thema der X I I I . Rh. ist nicht Liszt zuzuschreiben. Die Bearbeitung geht auf eine, in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts gedruckte Quelle („Ket honved dal es csärdäs", d. h. „Zwei Honved Lieder und Csärdäs", s. Major: Liszt, S. 8) zurück, von der sie sich nur im letzten Takte unterscheidet. Vermutlich basiert diese Quelle auf dem Spiel der Zigeuner 1 ). Das Presto giocoso assai-Thema in der sinfonischen Dichtung „Hungaria" — das ja in dieser Komposition das einzige, von Liszt aus dem ungarischen Volksliedgut übernommene Thema ist, — zeigt hier sowohl gegenüber der Quelle, wie auch gegenüber Liszts früheren Bearbeitungen desselben Themas (,,Nr. 1 9 " und V I I I . Rh., 3. Thema) eine bedeutende modulierende Abweichung. Liszt transponiert hier die zweite Melodiehälfte um eine Quinte tiefer, so daß die Melodie mit der Subdominante schließt. Diese Abänderung ist hier, im Rahmen einer großen sinfonischen Dichtung nur dadurch zu erklären, daß der Komponist den definitiven Schluß weiter hinausschieben wollte. Das alte Kurutzenlied, das Liszt in seinem „Ungarischen Königslied" bearbeitete, hat sehr starke Veränderungen erlitten (s. Notenbeispiel 2, a) Vorlage, b) Bearbeitung). Die zweite Melodiezeile — und somit der Vordersatz — schließt in der Vorlage mit der großen Untersekunde der Tonika; der Nachsatz führt wieder zur Tonika zurück. In der Bearbeitung schließt der Vordersatz mit der Tonika, also um einen Ganzton höher, als in der Vorlage. Der Sekundunterschied wird aber auch im ganzen Nachsatz beibehalten, so daß der eigentliche Schlußton der Melodie nicht die Tonika, sondern deren große Obersekunde (Quinte der Dominante: Halbschluß) ist. Dadurch entsteht das verkehrte Verhältnis, daß nämlich die vollkommene Kadenz dem Vordersatz, die unvollkommene dem Nachsatz zufällt. Außer dieser organischen Veränderung der Melodiestruktur sind von Liszt an dieser Melodie noch andere, weniger eingreifende melodische Veränderungen vorgenommen worden, z. B. verändert er in der letzten Melodiephrase die absteigende übermäßige Sekunde durch Tiefalterierung des höheren Tones in eine große. (Über die tiefgehenden rhythmischen Änderungen s. Abschnitt b.) Gelegentliche melodische Veränderungen, die keine von den Quellen abweichende Modulation hervorrufen, fallen nur dort stärker auf, wo sie wesentliche Töne treffen. In dem Thema, das Liszt als UNM. Nr. 9, ') Vgl. Bartók, a. a. O., S. 2 i 8 f . und Notenbeispiel 73.

D e r Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

43

2. Thema bearbeitet hat, fällt im Takt 2 auf das erste Achtel in allen Quellen der Ton e, welcher der Zielpunkt der ersten Melodiephrase ist. Liszt nimmt an dieser exponierten Stelle den Ton d und ersetzt auch im übrigen Teil dieser Periode den Ton e jedesmal durch das d. Im i. Thema der „Nr. 1 8 " transponiert Liszt die erste Melodiezeile cis-fis / e-dis-cis-his / eis, folgendermaßen in die Unterquarte (Dominante): gis-cis / h-a-gisfisis I gis, also statt ais nimmt er a. Dadurch entsteht die Melodiefolge mit den verengten Intervallen a-gis-fisis (vgl. das beim Raköczi-Marsch bemerkte, S. 41), die in diesem volksliedmäßigen Anfang ganz fremd ist. Den inkriminierten Ton harmonisiert Liszt mit dem neapolitanischen Sextakkord von gis-moll. Obwohl weder Vorlage, noch Quellen dieses Themas vorliegen, kann bestimmt angenommen werden, daß die erste Melodiephrase die richtige und die zweite die fremdartig veränderte ist. Im weiteren Verlaufe der Bearbeitung bringt dann Liszt die betreffende Stelle meist mit ais. Im „Ungarn"-Thema der Elisabethlegende (I. Teil, Nr. 1 : „es herrsche lang und leb' in Ehren. . . " ) bedeutet die Umwandlung des Schlußtones aus der Tonika in die Terz derselben keinen wesentlichen Eingriff in den Organismus der Melodie, da sie hier doch nicht für sich allein, sondern im Rahmen eines größeren Ganzen steht und somit der Abschluß nicht so endgültig zu sein braucht, wie sonst. Wie ersichtlich, hängen Liszts Melodieveränderungen hie und da mit harmonischen Fragen zusammen (UNM. Nr. 5; Nr. 14, 4. Thema; „Nr. 1 8 " , 1. Thema). Gewisse Änderungen hat er mit Rücksicht auf größere formale Zusammenhänge vorgenommen („Hungaria", Elisabethlegende, Königslied). Seine Änderungen, welche rein melodischer Natur sind, zeigen eine Neigung zu verengten Melodieschritten (Räköczi-Marsch; „Nr. 1 8 " , 1 . Thema) und zur Abänderung der Kirchentonarten zu Dur und Moll (UNM. Nr. 14, 4. Thema). Bezüglich Liszts Abneigung gegenüber ungarischen Themen, die in Kirchentonarten stehen, verweise ich auf den Umstand, daß er von den auf S. 36—37 erwähnten ungarischen Themen u. a. die beiden dorischen nicht bearbeitet hat. Die kirchentonartlichen Wendungen, die Arminski auf S. 125—126 seiner schon zitierten Dissertation in den Rhapsodien Liszts feststellt, sind entweder nur gelegentliche Alterationen, die von Liszt stammen (Beispiele aus der II., VII. und X I I . Rh.); oder aber sind sie einfach aus der von Liszt gepflegten Zigeunerskala zu erklären (Coda der III. Rh.; die Tonfolge f e d eis, bezogen auf die Tonika b kann keineswegs als „lydisch" bezeichnet werden, denn der Ton eis als übermäßige Sekunde zu b ist hier zweifellos ein Derivat aus der Zigeunerskala, die Liszt hier in eine eigenartige harmonische Beleuchtung stellt). Arminskis Behauptung, daß die dorische Tonleiter in den Rhapsodien überhaupt nicht vorkommt, ist ein Irrtum. Das 3. Thema der X I I I . Rh. ist ein dorisches Liedthema mit instrumentalistischen Figurationen, das Liszt unverändert in dieser Tonart bearbeitet hat. Dieses letzte Beispiel beweist, daß Liszt trotz aller Abneigung doch nicht gänzlich unempfindlich für in Kirchentonarten stehenden ungarischen Themen war. (Bezüglich dieses Themas vgl. noch Bartök, a. a. O. Notenbeispiel 72 und Anm. auf S. 218.)

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

b) In r h y t h m i s c h e r H i n s i c h t b e d e u t e n die v o n L i s z t a n g e b r a c h t e n g e l e g e n t l i c h e n P u n k t i e r u n g e n (z. B . in U N M . N r . 16, I . T h e m a ) u n d d a s A u s s c h r e i b e n der F e r m a t e n m i t N o t e n w e r t e n (z. B . in U N M . N r . xo, i . T h e m a ) keine wesentlichen V e r ä n d e r u n g e n des ursprünglichen R h y t h m u s . D a s g i l t a u c h f ü r d i e j e n i g e n P h r a s i e r u n g s p a u s e n , die v o n der Z e i t d a u e r der v o r a n g e h e n d e n N o t e a b g e z o g e n w e r d e n (z. B . „ S z ö z a t & H y m n u s " ) . Solche P h r a s i e r u n g s p a u s e n d a g e g e n , die z u den u r s p r ü n g l i c h e n N o t e n w e r t e n h i n z u g e f ü g t w e r d e n , h a b e n schon metrische V e r ä n d e r u n g e n zur F o l g e . Die erste Melodiezeile des u n g a r i s c h e n K i r c h e n l i e d e s t r e n n t L i s z t in der E l i s a b e t h l e g e n d e im „ C h o r der A r m e n " d u r c h eine V i e r t e l pause in z w e i P h r a s e n . Die g u t e n u n d schlechten T a k t t e i l e w u r d e n d a d u r c h in der z w e i t e n P h r a s e m i t e i n a n d e r v e r t a u s c h t ( s . N o t e n b e i s p i e l 3 a : V o r l a g e , b : Bearbeitung). E s zeigt sich in einigen F ä l l e n , d a ß L i s z t die f ü r die u n g a r i s c h e S p r a c h e und die damit zusammenhängende Liedmusik charakteristischen R h y t h m e n (s. S. 14) g e r a d e ihrer C h a r a k t e r i s t i k b e r a u b t . D a s H a u p t b e i s p i e l d a f ü r , d a s 1. T h e m a seiner „ N r . ig" h a t L i s z t d u r c h d a s S p i e l der Z i g e u n e r k e n n e n g e l e r n t (s. S. 37). Die r h y t h m i s c h e n F e h l e r , w e l c h e schon seine erste A u f z e i c h n u n g dieses T h e m a s e n t h ä l t , g e h e n k a u m auf die V e r z e r r u n g der Z i g e u n e r z u r ü c k . E s h a n d e l t sich hier v i e l m e h r d a r u m , d a ß L i s z t diese, v o n den Z i g e u n e r n g e w ö h n l i c h i m freien l a n g s a m e n T e m p o v o r g e t r a g e n e L i e d m e l o d i e falsch in T a k t e eingeteilt h a t . I m 4. N o t e n b e i s p i e l w i r d u n t e r a) die Quelle (s. S. 14), u n t e r b) L i s z t s A u f z e i c h n u n g m i t g e t e i l t . Die m i t + b e z e i c h n e t e N o t e w i r d v o n L i s z t als u n b e t o n t e A n t i z i p a t i o n a u f g e f a ß t . Diese N o t e g e h ö r t a b e r in allen v o n mir b e k a n n t e n Quellen dieses T h e m a s z u m f o l g e n d e n T a k t e , w o sie als b e t o n t e K ü r z e v o r der z w e i t e n l a n g e n N o t e steht. D a g e g e n ist die m i t + + b e z e i c h n e t e N o t e , w e l c h e in allen Quellen eine u n b e t o n t e L ä n g e in der z w e i t e n H ä l f t e des v o r i g e n T a k t e s ist, v o n L i s z t als b e t o n t e L ä n g e a u f g e f a ß t . So g e h t bei L i s z t a u c h der C h o r i a m b u s C h a r a k t e r des 7. T a k t e s (nach den Quellen gerechnet) verloren. D a s M i ß v e r s t e h e n des C h o r i a m b u s z e i g t sich a u c h i m 1. T h e m a der I. R h . , w o d a s zweite gis i m ersten T a k t a n s t a t t auf die d r i t t e T a k t z e i t , d. h. auf eine b e t o n t e Stelle z u k o m m e n , als g ä n z l i c h u n b e t o n t e D u r c h gangsnote behandelt w i r d ; dafür gewinnt aber das ursprünglich unbetonte lange fis die wesentliche B e t o n u n g (s. N o t e n b e i s p i e l 5, a : Quellen, b : Liszt). I m z w e i t e n T a k t e h a t d a n n L i s z t den richtigen R h y t h m u s g e t r o f f e n ; in den Quellen sind beide T a k t e e i n a n d e r völlig gleich. Die A b ä n d e r u n g des C h o r i a m b u s i m H - d u r - T h e m a a u s U N M . N r . 1 5 ist n i c h t L i s z t z u z u schreiben. E i n e plausible F a s s u n g dieses T h e m a s (Notenbeispiel 6, a) h a b e ich i m N o t e n a n h a n g der u n g a r i s c h e n Sprachlehre des J o h a n n F o g a r a s i (1843) g e f u n d e n , w o a b e r z u g l e i c h eine a u s d r ü c k l i c h schlechte F a s s u n g g e g e b e n w i r d (Notenbeispiel b), u m z u demonstrieren, w i e f a l s c h manche „ S c h a r l a t a n e " das Lied nach dem Hören aufzeichnen. D a Liszts B e a r b e i t u n g erst 1847 v e r ö f f e n t l i c h t w u r d e , k a n n sich diese t a d e l n d e B e m e r k u n g u n m ö g l i c h auf ihn b e z i e h e n ; es ist a u c h n i c h t w a h r s c h e i n l i c h , d a ß L i s z t sich b e i der B e a r b e i t u n g dieses T h e m a s n a c h d e m N o t e n a n h a n g

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

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Fogarasis gerichtet hat, denn er hätte die auch in deutscher Sprache hinzugefügte Anmerkung „schlecht" kaum übersehen können. Da zwischen dieser schlechten und der Lisztschen Fassung (Notenbeispiel c) eine unleugbare Verwandtschaft besteht, bleibt nichts anderes übrig, als anzunehmen, daß schon vor 1843 jemand eine solche, nicht auf uns gekommene Fassung veröffentlicht hat, die von Fogarasi als eine schlechte zitiert wird und auf welche sich Liszt dann vielleicht gestützt haben kann. Bei Liszt ist jedoch in der von ihm stammenden Variierung dieses Themas der konsequente Gebrauch des daktylischen Rhythmusschemas (Notenbeispiel d) zu tadeln, was jedem ungarischen Rhythmusgefühl widerstrebt1). Es sei darauf hingewiesen, daß das Mißverstehen des Choriambus bei Liszt höchstens nur bis zum Jahre 1856 dauert, denn seit dieser Zeit verwendet er diesen Rhythmus ganz bewußt als ungarisches Charakteristikum in seinen Originalkompositionen (s. S. 64). Die sonstigen rhythmischen Änderungen Liszts sind derartig verschiedener Natur, daß sie kaum unter einheitlichen Gesichtspunkten aufzuzählen sind. Sie hängen auch teilweise mit metrischen Problemen zusammen, so z. B. in dem schon mehrfach zitierten „Ungarischen Königslied" (s. Notenbeispiel 2). Im Vordersatz werden die Notenwerte der Vorlage beibehalten, sie werden aber anstatt in Zweiviertel-, in Viervierteltakte eingeteilt, so daß die ursprünglich aus je fünf Takten bestehenden Melodiephrasen zu 21/2 taktigen werden. Dadurch verschiebt sich aber die zweite Melodiephrase um die Hälfte des Viervierteltaktes, d. h. die metrischen Akzente liegen in der zweiten, der ersten ursprünglich analogen Melodiephrase vollkommen verkehrt. Im Nachsatze reduziert Liszt die rhythmische Bewegung auf die Hälfte, wodurch der Nachsatz ebensoviel Viervierteltakte ausmacht, wie Zweivierteltakte in der Vorlage. Daraus folgt, daß der Nachsatz nicht nur in bezug auf die Vorlage, sondern auch in bezug auf den Vordersatz bei Liszt in doppelt so langsamem Tempo erscheint. Der eigenartige Phrasenaufbau (3, 2, 2, 2, 2 Takte) des As-dur-Themas im Pesther Carneval ist kaum auf Liszt zurückzuführen, obwohl die vorhandenen Varianten dieses Liedes8) nur abweichende Strukturen (3, 3, 2, 3 und 3, 1, 2, 2) aufweisen. Schon die starke Verschiedenheit dieser letzteren läßt vermuten, wie sehr verschiedene Varianten dieses Liedes um die Mitte des vorigen Jahrhunderts existiert haben mögen. Auch Bartdk gibt (a. a. 0., Notenbeispiel 310) eine neuere Variante mit der Struktur 3, 2, 3 3 ). 1

) B a r t 6 k h a t das zwar nur an ungarischen Bauernliedern festgestellt (a. a. O.. S. 31 und 221), der Satz scheint mir jedoch eine f ü r die ganze ungarische Nationalmusik bestehende allgemeinere Gültigkeit (selbsverständlich mit gewissen Einschränkungen) zu haben. 2 ) K a r l Szini: A m a g y a r nep dalai es dallamai (Lieder und Melodien des ungarischen Volkes). Pest 1865. Nr. 18 und 196. 3 ) E r versäumt leider in der Anmerkung (S. 235) auf die nahe Verwandtschaft hinzuweisen, die zwischen dieser und der von Liszt an der genannten Stelle bearbeiteten Melodie besteht.

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D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Liszt greift aber in zahlreichen Fällen absichtlich in die metrische Struktur der ungarischen Themen ein. Am häufigsten verändert er die ursprünglichen Phrasenlängen durch Dehnung. Im Mittelteil des Hauptsatzes vom Räköczi-Marsch dehnt er den Quartschritt h-e im vierten Takte von einem auf zwei Takte aus, wodurch eine fünftaktige Phrase entsteht. Ähnliches tut er in Nr. I und 5 der ,,5 ungarischen Volkslieder", wo er die erste dreitaktige Phrase durch Dehnung des dritten Taktes zu einer viertaktigen erweitert. Hier schiebt er noch ein längeres Ornament zwischen den vorletzten und den letzten Melodie ton, wodurch die Dehnung gewissermaßen ausgefüllt wird. Die eingreifendsten Dehnungen hat Liszt im 1. Thema der X I X . Rh. vorgenommen, wo er gewisse Takte seiner Vorlage durch Verdoppelung aller Notenwerte auf zwei Takte erweitert hat (s. Notenbeispiel 7, a: Vorlage, b: Liszt). Hierdurch wurden aus den ursprünglich dreitaktigen Phrasen Vier- oder Fünftakter. In der letzten Phrase desselben Themas findet sich bei Liszt noch eine andere Art der Erweiterung: nämlich durch Wiederholung. Diese erstreckt sich hier und noch in einigen Bearbeitungen (z. B. in der Orchesterfassung der VI. Rh. — Orchesterrhapsodie Nr. 3 — im ersten Thema) nur auf kürzere Motive, ohne Modulation. Aber es finden sich auch Erweiterungen durch modulierende Wiederholungen, z. B. im 1. Thema der I. Rh., im Nachsatz des 2. Themas aus UNM. Nr. 17, usw. Im übrigen dienen in Liszts ungarischen Bearbeitungen diese Wiederholungen zur Entwicklung und Durchführung schon exponierter Themen. Bei einigen Themen hat Liszt die Erweiterung erst in der zweiten Bearbeitung vorgenommen. Das 3. Thema aus UNM. Nr. 14 besteht noch aus lauter Zweitaktern, dagegen ist dasselbe Thema in der X I . Rh. derart erweitert, daß die ursprünglich gradzahligen Takte auf je zwei Takte, die zweitaktigen Phrasen also auf lauter dreitaktige gedehnt werden. Die Erweiterung des 2. Themas der V I I I . Rh. durch den angehängten neunten Takt ist ebenfalls in der früheren Bearbeitung — „Nr. 1 9 " — nicht vorhanden: diese hielt sich noch stärker an die Quelle. c) Die harmonischen Eigenarten der Lisztschen Bearbeitungen ungarischer Musik scheinen keinen Zug zu enthalten, der für unsere Betrachtungen wesentlich wäre. Die Vorlagen und die Quellen, auf die sich Liszt gestützt hat, sind in harmonischer Hinsicht ohne jede Besonderheit. Es gab damals keine ausgebildete, spezifisch ungarische Harmonik. In gewissen Fällen übernimmt Liszt die landläufige, schablonenhafte Harmonisierung der Vorlage (z. B. UNM. Nr. 16). Im übrigen sind die harmonischen Eigentümlichkeiten seiner ungarischen Bearbeitungen größtenteils solche, die für Liszts Stil allgemein, nicht allein für seine ungarischen Bearbeitungen charakteristisch sind. Zwischen- und Nachspiele bieten ihm häufig Gelegenheit zu einem eigenartigen Spiel mit hin- und herschwankenden terzverwandten Dreiklängen, wobei neben solchen Dreiklängen, deren Grundtöne im Terzverhältnis zueinander stehen, auch solche Bindungen vorkommen, wo der gemeinsame Ton zweier Dreiklänge einmal Mollterz, einmal Durterz ist. Als Beispiel seien folgende Stellen erwähnt: UNM.

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

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Nr. io, 2. Teil : D-dur—Cis-dur—b-moll—A-dur und D-dur—Fis-dur—F-dur —A-dur; Nr. n , 3. Thema: D-dur—h-moll—B-dur—D-dur; VI. Rh., Nachspiel zum 1. Thema: Des-dur—A-dur—Desdur—b-moll, Coda: B-dur Ges-dur—B-dur— g-moll (vgl. noch das Più Allegro der XIV. Rh.: F-dur —Des-dur—F-dur—D-dur usw.). Bei diesen harmonischen Rückungen entstehen manchmal offene Oktaven- und Quintenparallelen. Auch vor unvermittelten vollen Dreiklangsparallelen scheut er sich nicht, die sich nicht nur in den Zwischenspielen, sondern in der Harmonisierung der Themen selbst finden. Dafür zeugen eine ganze Reihe von Beispielen; so UNM. Nr. 5: Des-dur—Ces-dur; Nr. 7,3. Thema: Es-dur—f-moll— g-moll As-dur; Nr. 1 3 : a-moll—G-dur—F-dur—E-dur; Nr. 15, 4. Thema, Reprise in D-dur: h-moll—A-dur—G-dur—Fis-dur und G-dur—Fis-dur e-moll—D-dur ; „Nr. 21", 5. Thema : A-dur—a-moll—G-dur—g-moll—F-dur ; ebendaselbst, 6. Thema („sfogato"): A-dur( Quartsextlage) — D-dur H-dur—A-dur. In den drei letzten Fällen sind die Grundtöne sowohl im Baß, wie auch in der Oberstimme vorhanden, wodurch die Härte der harmonischen Rückungen noch mehr gesteigert wird. Solche ausgeprägten vollen Dreiklangparallelen habe ich in Liszts nichtungarischen Werken aus dieser Zeit nicht entdecken können. Dagegen fand ich in dem von Liszt besorgten Korrekturabzug von UNM. Nr. 9 eine Erklärung zu diesen Parallelen. Zum viertletzten Takt fügt hier Liszt am Rande des Blattes eine Korrektur (oder Ossia) für den Akkord der linken Hand auf dem 3. Viertel hinzu, worin er den ursprünglichen Terzquartakkord der V. Stufe in den Dreiklang der II. Stufe verwandelt, so daß bei der Verbindung mit dem nächsten Akkord — Tonika-Dreiklang — eine volle Dreiklangparallele entsteht (s. Notenbeispiel 8). Diese „Verbesserung" bezeichnet Liszt in dem genannten Exemplar eigenhändig als „ Z i g e u n e r - B a ß " . Solche Wendungen kommen in der Tat im Spiel der heutigen ungarischen Zigeuner vor; daß sie auch zu jener Zeit üblich waren, ist keine unbegründete Verallgemeinerung. Diese Gewohnheit wird ja außer in Liszts Anmerkung noch von Alexander von Czeke erwähnt, der 1858 einen Artikel „Über ungarische Musik und Zigeuner" in Westermanns Monatsheften schrieb1). Liszt hielt diese ungelenken Wendungen der Zigeuner für nachahmenswerte Originalität, obwohl diese bei den Zigeunern nur aus der mangelhaften Nachahmung des klassischen Satzes entstanden sind. Diejenigen Akkordparallelen, die eine rein ornamentale Funktion zu erfüllen haben, fallen unter eine ganz andere Beurteilung. Beispiele dafür finden sich in Liszts ungarischen Bearbeitungen u. a. an folgenden Stellen: UNM. Nr. 14, kurz vor dem letzten Vivacissimo (chromatisch absteigende Durquartsextakkordreihe), „Ungarische National-Melodien", zweite Vorarbeit zur VI. Rh. 2 ), in dem „Prelude" ais moli (chromatisch *) Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte Bd. IV, Nr. 24. 1858. S. 588. Vgl. Ges. Sehr. Bd. VI, S. 390. 2 ) S. S. 4, Fußnote 1.

September

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D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

aufsteigende Dominant-Quintsextakkord-Reihe 1 )). Mit diesen Parallelen hat Liszt keineswegs die Eigenart des Zigeunerspiels nachahmen wollen. Ihr Sinn ist auch kein harmonischer, sondern sie haben lediglich klaviertechnische und farbliche Bedeutung. Sie werden übrigens von Liszt auch in seinen nichtungarischen Kompositionen der rein ornamentalen Wirkung wegen verwendet. Wenn Liszt über die „abrupten Modulationen" der Zigeuner schreibt 2 ), so muß man sich doch hüten, alle eigenartigen und gewaltsamen Harmoniewendungen in Liszts ungarischen Bearbeitungen auf die Nachahmung der Zigeuner zurückführen zu wollen. Die Harmoniewelt der ungarischen Zigeuner wird wohl auch zu Liszts Zeit eine ebenso begrenzte gewesen sein, wie heute. Es ist kaum anzunehmen, daß die Zigeuner jemals eine solche steile Modulation im Unisono ausgeführt haben, wie sie Liszt aus dem 3. Thema der X I I I . Rh. gestaltet (d'-a-d'-e'/ f'-c'-f'-g' / as'-es'-as'-b' / h'fis'-h'-eis"/dis"); oder daß sie die dritte Melodiezeile des ersten F-durThemas der X I V . Rh. bei der Wiederholung mit einem Es-dur-Akkord geschlossen und die nächste Zeile mit As dur angefangen haben, oder daß sie im Räköczi-Marsch im Mittelteil des Hauptsatzes die Melodietöne e-gis-h mit der Begleitung e—cismoll— gismoll gespielt haben, usw. usw. Alle harmonischen Eigentümlichkeiten der ungarischen Bearbeitungen Liszts, mit der einzigen Ausnahme des „Zigeuner-Basses", spiegeln offenbar nur Liszts eigene reiche harmonische Fantasie. Die latente primitive Harmonik der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik (vgl. S. 14) wurde von Liszt in diesen und in anderen Fällen durch eine reichere ersetzt. d) Wie weit die Ornamentik Liszts auf ungarische Vorbilder zurückgeht, soll in ihren verschiedenen Erscheinungsformen gesondert untersucht werden. Die Ornamentik hat in Liszts ungarischen Bearbeitungen eine vierfache Bedeutung. Zunächst ist sie ein rein akzessorisch verzierendes Element. Die Ornamentik in diesem Sinne besteht aus einzelnen Vorschlagsnoten, Schnellern, Schleifern und Doppelschlägen. Sie wirken hauptsächlich als Mittel zur Verschärfung von Akzenten. Diese akzessorischen Ornamente übernahm Liszt in gewissen Fällen ziemlich genau aus den ungarischen Vorbildern, und zwar nicht nur, wenn er sich auf eine bestimmte Vorlage gestützt hat (UNM. Nr. 1 6 ; „5 ungarische Volkslieder"; „Szözat & Hymnus"; X I X . Rh., 1. Thema), sondern auch in UNM. Nr. 9, 1. Thema und im 5. Thema des Pesther Carnevals. Bezüglich der beiden letzten Themen haben wir keine literarischen Belege dafür gefunden, daß Liszt sie nach einer bestimmten Vorlage bearbeitet hat. Bei UNM. Nr. 9, 1. Thema ersetzt die Übereinstimmung der Ornamente, ferner der Umstand, daß das Thema (meines Wissens) nur in einer einzigen Quelle vorhanden ist, die literarischen Belege und man kann *) Diese letztere wurde von der zeitgenössischen Kritik ebenso gerügt, wie die ebenda vorkommende direkte Aufeinanderfolge der Dreiklänge h-moil und B-dur. Vgl.

RAMANN, a

a.

a.

O.,

Bd.

II —1,

) Ges. Sehr. Bd. V I , S. 372.

S.

276.

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

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wohl annehmen, daß Liszt dieses Thema nach dem Sammelwerk „Pannönia" (1826) bearbeitet hat. Dagegen steht es fest, daß Liszt das 5. Thema des Pesther Carnevals durch das Spiel der ungarischen Zigeuner kennen gelernt hat (s. am Schlüsse des II. Kap.). Der Quintolendoppelschlag im 13. Takt ist also nicht nur in gedruckten Quellen dieses Themas vorhanden, sondern das Thema wurde laut Liszts Aufzeichnungen auch von den ungarischen Zigeunern mit dieser Verzierung gespielt. Diejenigen Verzierungen, welche Liszt aus dem Spiel der ungarischen Zigeuner übernahm, lassen sich mit voller Bestimmtheit nur bei denjenigen Themen nachweisen, die er nach dem Spiel der ungarischen Zigeuner aufgezeichnet hat. Da von diesen Aufzeichnungen nur ein Bruchstück erhalten ist (in einem auf S. 36—37 erwähnten Skizzenbuche), kann man lediglich bei den dort aufgezeichneten Themen die zigeunerische Herkunft der Ornamentik feststellen. Z. B. bei „Nr. 1 9 " , 1 . und 3. Thema; „Nr. 20", 5. Thema; „Nr. 2 1 " , 5. Thema. Da die genannten Themen auch in verschiedenen gedruckten Quellen jener Zeit vorliegen, so kann man auf die Art der Ornamente schließen, welche die ungarischen Zigeuner damals auf die ursprünglich meist einfachen Themen angewendet haben. Es sei betont, daß hier nur jene Ornamente in Frage kommen, welche uns Liszts Skizzenbuch aufbewahrt hat, nicht aber diejenigen ornamentalen Zutaten, die bei Liszt erst in der Bearbeitung erscheinen und die offenbar auf Liszt, nicht auf die ungarischen Zigeuner zurückgehen. Unter diesen Verzierungen sind die antizipationsartigen Vorschläge die bezeichnendsten. Das Wesentliche scheint mir dabei nicht in dem Vorschlag, sondern im Prinzip der Antizipation zu liegen. Die zigeunerischen Geiger haben die Gewohnheit, den nächsten Melodieton zu greifen, bevor sie diesen Ton mit neuem Bogenstrich markieren. Dadurch entstehen derartige Antizipationen, wie sie Liszt z. B. in seiner, im Notenbeispiel 4b mitgeteilten Aufzeichnung notiert hat (s. die den Takten 7 und 9 der Quelle entsprechenden Stellen). Im langsamen Tempo geht dieser Vorgang im Spiel der Zigeuner wahrscheinlich mit einem Glissando zusammen, das auf dem Klavier selbstverständlich nicht wiederzugeben ist. Im schnellen Tempo gewinnt der vorausgenommene Ton oft dieselbe Länge, wie der Hauptton selbst. Auch für einen solchen Fall findet sich unter Liszts Aufzeichnungen ein Beispiel: das spätere 5. Thema von „Nr. 2 1 " (s. Notenbeispiel 9, a: 1. Takt des Themas in der einfachen, gedruckten Überlieferung, b: Liszts erste Aufzeichnung). Diese Antizipationsfiguren tauchen übrigens in der ungarischen Musik des vorigen Jahrhunderts hie und da auch unabhängig von der Spielmanier der Zigeuner auf. Andere, wenig charakteristische zigeunerische Verzierungen sind auf Grund von Liszts interessanten Aufzeichnungen die triolenförmigen Schneller („Nr. 20", 5. Thema) und die dreitönigen, in die Tonika hinaufführenden Schleifer („Nr. 1 9 " , 3. Thema). Diese Aufzeichnungen Liszts enthalten so wenig Vergleichsmaterial, daß mit ihrer Hilfe das Typische der damaligen Zigeunerornamente nur G ä r d o n y i , Die ungarischen Stileigentümlichkeiten.

4

50

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

annähernd festgestellt werden kann. Immerhin finden sich die erwähnten Verzierungstypen in vielen ungarischen Bearbeitungen Liszts wieder, und zwar größtenteils an solchen Stellen, wo die gedruckten Quellen die betreffenden Ornamente nicht aufweisen. Von diesen könnte man also annehmen, daß sie ebenfalls auf die Praxis der Zigeuner zurückgehen. Beispiele für solche zigeunerische Vorschlagsnoten, bzw. Antizipationen finden sich in Liszts ungarischen Bearbeitungen u. a. an folgenden Stellen: UNM. Nr. 15, 4. Thema; Nr. 17, 2. Thema; „Nr. 1 8 " , 1. Thema; „Nr. 2 1 " , 1. T h e m a ; X I I . Rh., 3. Thema; triolenförmige Schneller z. B. UNM. Nr. 1 5 , 4. Thema; „Nr. 1 9 " , 2. Thema; die erwähnte besondere Art von Schleifern z. B. UNM. Nr. 15, 3. Thema; Nr. 17, 3. Thema; VII. Rh., 2. Thema (in allen drei Fällen: a-b-cis / d). Es sei noch ein Verzierungstypus bei Liszt erwähnt, der aber nicht auf das Zigeunerspiel, sondern auf ein Stilelement des Verbunkos zurückgeht. Die meist mit einem Vorschlag versehene Schlußformel des Verbunkos (s. Notenbeispiel 1) zeigt an einigen Stellen ihren deutlichen Einfluß, wo sie die Quellen nicht aufweisen, z. B. UNM. Nr. 1 5 , 2. Thema; I. Rh., 2. und 3. Thema. Die zweite Art der Ornamentik in den ungarischen Bearbeitungen Liszts, die man kurzweg als Kolorierung bezeichnen könnte, besteht nicht aus einzelnen typischen Ornamenten, sondern aus der Umspielung des thematischen Gerüstes. Sie ist auch keine Figuration des Themas, denn das Themengerüst wird durch diese Kolorierung nicht zersplittert. Die Formen dieser Kolorierung sind auf keine Schemata zurückzuführen. In ihnen waltet dieselbe Freiheit der Erfindung, wie in einer nichtornamentalen, selbständigen Melodiebildung. Wie weit das Prinzip der Kolorierung bei Liszt auf die Praxis der ungarischen Zigeuner zurückgeht, läßt sich nicht bestimmen. Die Kolorierung einiger Themen hat Liszt nach dem Spiel der ungarischen Zigeuner in sein schon mehrfach zitiertes Skizzenbuch aufgezeichnet. Die Kolorierung der hier aufgezeichneten Themen: „Nr. 1 8 " , 1. Thema und Anfang der II. Rh., hat er in etwas veränderter Gestalt bei der Bearbeitung beibehalten. Mit den vokalen Koloraturen gewisser ungarischer Bauerngesänge hat weder die Kolorierungspraxis der ungarischen Zigeuner, noch Liszts Kolorierungstechnik etwas zu tun. Im 1. Thema von UNM. Nr. 10 geht Liszts Kolorierung im Grunde auf eine instrumentale Fassung des Räköczi-nöta im Sammelwerk „Pannönia" (1826) zurück. Er hat jedoch den dort vorgefundenen Bestand in klaviertechnischer Richtung noch wesentlich erweitert. In den ersten Themen von UNM. Nr. 1 5 und Nr. 17 scheint die Kolorierung von Liszt frei erfunden zu sein; beide Themen gehen auf schlichte Liedmelodien zurück. Dagegen findet sich das „Cserebogär-nöta" („Nr. 20", 1. Thema) in verschiedenen gesungenen Fassungen aus jener Zeit, die zum Teil koloriert sind. Liszt hat jedoch diese Kolorierung nicht übernommen, sondern bringt zigeunerische Verzierungsmomente (Antizipationen, „quasi Zimbalo") hinein. Die Nachahmung des typischen Instruments der ungarischen Zigeuner,

D e r Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

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des Zymbals, gehört nur zur Ornamentik im weiteren Sinne; in gewissen Fällen steht sie sogar schon der Variation nahe. Sie besteht — den üblichsten Spielarten des Zymbals entsprechend — aus Tremoli, arpeggierten Akkorden, Läufen und tremoloähnlichen Tonrepetitionen. Das Zymbal ist in seiner ursprünglichen Gestalt nicht mit Dämpfern versehen ; den Dämpfermechanismus hat der Budapester Instrumentenbauer V. Schunda erst im Jahre 1874 auf das Zymbal angewendet. Die angeschlagenen Saiten des noch nicht modernisierten Zymbals klingen also nach, weshalb schneller Harmoniewechsel im scharfen Gegensatz zum Charakter des Zymbals steht. Darauf beruht wohl die „undisziplinierte Haltung" des Instruments, weshalb es sich nicht in die „aristokratische Gesellschaft unserer Orchester" mischen kann 1 ). Liszt hat in seinen ungarischen Bearbeitungen für Klavier auf diese Eigentümlichkeiten bei der Nachahmung des Zymbals stets Rücksicht genommen. Solche „quasi Zimbalo"-Stellen finden sich meist in langsamen Teilen, wo mit der Bezeichnung „ a capriccio" oder mit Fermaten genügende Tempofreiheit gegeben wird, z. B. UNM. Nr. 14, Anfang; Nr. 16, am Schlüsse des a-mollThemas; Nr. 17, im 2. Thema; „Nr. 20", 1. Thema, 1. Variation. Die tremoloähnlichen Tonrepetitionen kommen bei Liszt auch in schnellen Teilen in straffem, gleichmäßigem Rhythmus vor. Sie bilden eine Variationsart, bei welcher die Kerntöne des Themas als Akzente aus den gleichmäßigen Tonrepetitionen herausgehoben werden. Beispiele dafür finden sich in Liszts „Melodies hongroises d'après Schubert" 3. Satz; UNM. Nr. 1 1 , 3. Thema; II. Rh. „Friska" und X I I I . Rh., 4. Thema. Da Liszt in keinem von diesen Fällen das „quasi Zimbalo" vorschreibt, so läßt sich nicht zweifellos feststellen, ob es sich hier um die Nachahmung des Zymbals oder lediglich um eine pianistische Variationstechnik handelt. Nur zur Ornamentik im weitesten Sinne gehören diejenigen instrumentalen Kadenzen (Cadenza), welche in Liszts ungarischen Bearbeitungen hauptsächlich in den Vorbereitungs-, Verbindungs- und Schlußteilen, aber gelegentlich auch zwischen den einzelnen Phrasen der Themen selbst vorkommen. Sie sind rein aus dem Geiste des Instruments erwachsen, was sich auf doppelte Art beweisen läßt. Erstens: die pianistischen Kadenzen der Klavierrhapsodien unterscheiden sich in nichts von den Kadenzen seiner sonstigen Klavierwerke. Zweitens: diese Kadenzen wurden bei der Orchestrierung der sechs Rhapsodien (XIV., X I I . , VI., II., V. und IX.) sehr stark verändert, und zwar je nachdem, ob sie der Flöte, Klarinette, Harfe, Geige, Bratsche oder dem Violoncell anvertraut wurden. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Orchestrierung der Rhapsodien nicht von Liszt selbst stammt, sondern größtenteils von Franz Doppler. Liszt hat die Orchestration revidiert (s. Ergänzungs1

) Ges. Sehr. Bd. V I , S. 388.

Liszt hat das Zymbal nur bei Orchestrierung

der V I . Rh. (3. Orchesterrhapsodie) ins Orchester mit aufgenommen.

Über das

Zymbal in seinen Originalkompositionen s. I V . Kap. 4*

52

D i e ungarischen. Stileigentümlichkeiten Franz

Liszts.

blatt zu seinem Testament am 14. September 1860: abgedruckt in Briefe Bd. V, S. 61) und damit die Kadenzveränderungen stillschweigend gebilligt. Zum Teil hat er später diese Veränderungen ausdrücklich anerkannt, indem er sich bei der Transkription der sechs Orchesterrhapsodien für Klavier zu vier Händen (1874) vielfach durch die Orchesterfassungen beeinflussen ließ. Dieser Umstand weist darauf hin, daß diese Kadenzen für Liszt keineswegs starre, feststehende Formeln waren. Da diese Kadenzen meist keine thematische Bedeutung haben, ferner da sie auch eine zeitweilige Aufhebung der regelmäßigen Taktbewegung erfordern, bilden sie ein wahrhaft improvisatorisches Element. Daß solche Kadenzen in den ungarischen Bearbeitungen Liszts eine verhältnismäßig große Rolle spielen, hängt mit dem stark improvisatorischen Charakter dieser Werke zusammen. Diese Kadenzen finden wohl ihre Erklärung, ohne auf ungarische oder zigeunerische Vorbilder zurückgeführt werden zu müssen. Die melodische (diastematische) Gestaltung der Figuren und Läufe, aus denen diese Kadenzen bestehen, ist stets (s. o.) der Technik des ausführenden Instruments angepaßt. Eine Ausnahme bildet nur die schon besprochene Gruppe der „quasi Zimbalo"Stellen. Da die ungarischen Bearbeitungen Liszts vor allem für Klavier berechnet sind, ist damit der starke pianistische Einschlag dieser Kadenzen bereits ausgesprochen. Als virtuose Einschübe und Verbindungsmomente sind sie aus der Psyche des Solisten zu erklären. e) Die Lisztsche Vortragsweise zeigt in allen ungarischen Bearbeitungen einen improvisatorischen Zug. Das häufige Beschleunigen und Zurückhalten des Tempos, sowie die plötzlichen Fermaten gehen zum Teil wohl auf die ungebändigte Vortragsart der Zigeuner zurück. Diese Freiheiten sind aber auch tief in der psychischen Veranlagung des großen Virtuosen verankert. Sie bilden keineswegs eine ausschließliche Stileigentümlichkeit der ungarischen Bearbeitungen Liszts: sie finden sich auch in seinen nichtungarischen Werken. Das Prinzip der Anwendung dieser Freiheiten auf ungarische Themen hat er aber zweifellos dem Spiel der ungarischen Zigeuner abgelauscht. In den ungarischen Bearbeitungen bezeichnet Liszt diese Vortragsweise mit ,,a capriccio" oder „capricciosamente" (z. B. UNM. Nr. 14, Anfang; Nr. 15, Anfang; Nr. 16, „quasi Zimbalo"; „Nr. 20", 1. Thema; „Nr. 2 1 " , 2. Thema; II. Rh., Einleitung; VIII. Rh., Einleitung; I X . Rh., 1. Thema; X . Rh., 2. Thema; X I V . Rh., Einleitung). Da diese Vortragsweise leicht mit dem sogenannten r u b a t o verwechselt werden könnte, soll hier auf die Frage des rubato in Liszts ungarischen Werken eingegangen werden. Seit Lucian Kamienskis Studie „Zum Tempo rubato" 1 ) ist allgemein bekannt, daß das rubato seit P. Tosi bzw. Leopold Mozart bis zu Chopin keineswegs eine Temposchwankung bedeutet. Das rubato dieser Zeit ist nach Kamienski „ein rhythmisches Verziehen der Melodie, zu irrational, zu empfindlich und zu improvisatorisch, um genau in Worte oder Noten eingefangen 1)

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zu werden, doch umgrenzt durch die kategorische Forderung eines unveränderlichen Tempos in der Begleitung". Es sind also zu diesem älteren rubato mindestens zwei Faktoren erforderlich, von denen der eine das Tempo unverändert beibehält (Begleitung), der andere aber (Melodie) gegenüber dem ersteren rhythmisch auf solche Weise verschoben ist, daß diese Verschiebungen sich innerhalb der Melodie und innerhalb bestimmter Abschnitte (Takte, Phrasen, Perioden) kompensieren, d. h., daß die in der Begleitung ausgedrückte feste Taktbewegung nicht über diese Abschnitte hinaus gestört wird. Wenn Liszt in seiner Schrift über Chopin das rubato als „ein geraubtes, regellos unterbrochenes Zeitmaß" betrachtet 1 ), so drückt er sich in dieser Frage unvollständig und deshalb unklar aus. Was das rubato in den ungarischen Bearbeitungen Liszts betrifft, so fällt auf, wie selten dort dieser Ausdruck vorkommt (UNM. Nr. n , 2. Thema; I. Rh., 2. Thema, i . Variation und X I I . Rh., 3. Thema). In diesen Fällen liegt jedesmal eine rhythmisch einfache (schematische) Begleitung zu einer Oberstimmenmelodie vor. Die zum älteren rubato erforderlichen Faktoren sind also vorhanden. Ferner wird innerhalb der Phrasen, Perioden usw., an deren Anfang die Bezeichnung rubato steht, das gelegentliche Beschleunigen und Zurückhalten des Tempos besonders bezeichnet. Daraus folgt, daß Liszt mit der Bezeichnung rubato noch keineswegs das Hin- und Herschwanken des Tempos gestattet. Demnach entspricht der Sinn des Lisztschen rubato derjenigen Bedeutung dieser Bezeichnung, welche sie noch bei Chopin hat. Liszts unklare Äußerung über Chopins rubato wäre also auch in diesem Sinne zu ergänzen und zu verstehen. Die Vortragsbezeichnungen der einzelnen Stilarten der von Liszt bearbeiteten ungarischen Themen zeigen bezüglich der Lied- und CsardasThemen keine Unterschiede. Alle Stilarten gelangten ja zu Liszt größtenteils durch das Spiel der Zigeuner, wodurch Liszt die Verschiedenheit der Vortragsweise instrumentaler und ursprünglich vokaler ungarischer Themen nicht erkennen konnte. Einzig und allein der Verbunkos-Stil ist es, der bei Liszt in vielen Fällen durch besondere Vortragsbezeichnungen gegenüber anderen Stilarten hervorgehoben wird. Er versäumt selten, die VerbunkosThemen mit „marcato" zu bezeichnen. Als besondere Vortragsbezeichnungen für diese verwendet er noch „fieramente" (UNM. Nr. 7, 2. Thema; Nr. 9, 5. Thema; Nr. 14, 2. Thema) oder „altieramente" (IV. Rh., 1. Thema; X I . Rh., 2. Thema), beide in demselben Sinne als „stolz, hochmütig". Sowohl diese, wie auch die ausnahmsweise auftauchende, einigermaßen paradoxe Bezeichnung „marcato con grazia" (XIII. Rh., 2. Thema) geben die wichtigsten Charakterzüge des Verbunkos mit richtigem Verständnis wieder. Mit der Vortragsweise hängt noch ein weiteres Problem zusammen. Warum hat Liszt seine ungarischen Bearbeitungen in erster Linie für !) Ges. Sehr. B d . I , S. 82.

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Klavier geschrieben? Er selbst schreibt darüber folgendes (Ges. Sehr. Bd. VI, S. 388): „Das Klavier . . . obwohl es den schneidenden Klang des Zigeunerorchesters nicht ersetzen kann, vereinigt nichts desto weniger mehrere Bedingungen in sich, durch welche es befähigter ist als alle anderen Instrumente, ein Orchester unserer Nomadenkünstler vorzustellen. Es leiht sich den luxuriösesten Verzierungen und kann zugleich den Rhythmus durch eine vollständige Harmonie und hinreichende Klangfülle genug hervorheben, um über einzelne Stellen, je nach dem sie es verlangen, tiefe Schatten zu werfen oder über andere eine intensive Helle zu breiten, während es die Melodie mit um so größerer Freiheit singt, als die den Zigeunern eignen Intervalle ihm in nichts eine Schwierigkeit bereiten, es sich vielmehr denselben vollkommen anpaßt und somit ihrer Wirkung und ihnen keinen Zwang auferlegt." Ferner: , , . . . (das Klavier) besser und vollständiger als unser Orchester ihre (nämlich der Fragmente der Zigeunermusik) verschiedenen Seltsamkeiten, die abnormen Leidenschaften, welche der Cygan ihr einhaucht, wiedergeben mußte." In diesen Erklärungen sind nur die nächsten Gründe, nicht aber die prinzipiellen Voraussetzungen ausgesprochen. Wenn ihm daran gelegen hätte, das rein Klangliche des Zigeunerorchesters — „vollständige Harmonie" und „hinreichende Klangfülle" — mit möglichst großer Treue wiedergeben zu wollen, so hätte er für die Wiedergabe dieselbe oder eine ähnliche Instrumentengruppe wählen können. Er verzichtet aber auf den „schneidenden Klang" und wählt das Klavier zum Medium, dessen Klang von den Instrumenten des Zigeunerorchesters nur dem Klange des Zymbals nahe steht. Der Hinweis auf die „verschiedenen Seltsamkeiten" und „abnormen Leidenschaften" scheint für die Lösung dieser Frage viel wichtiger zu sein. Die Wiedergabe dieser Eigentümlichkeiten, welche sich hauptsächlich auf die Freiheiten des Tempos beziehen, konnte schwer einem vielköpfigen Ensemble anvertraut werden, wenn die Mitglieder dieses Ensembles nicht etwa dieselben Zigeuner, sondern nach Noten spielende, musikalisch geschulte Musiker wären. Die Eigentümlichkeiten des Zigeunerspiels lassen sich in das Notenbild selbst mit Hilfe der reichlichsten Vortragsbezeichnungen nicht restlos einfangen. Liszt hat die Unzulänglichkeit der Vortragsbezeichnungen offenbar empfunden, denn er versuchte gelegentlich die Eigentümlichkeiten des Zigeunerspiels mit Bezeichnungen wie „ I m trotzigen, tiefsinnigen ZigeunerStyl vorzutragen" (UNM. Nr. 15, Anfangsthema), „imitando i Zingari" (UNM. Nr. 16, 3. Thema), „Allegretto a la Zingarese" („Nr. 2 1 " , 3. Thema), „Allegro zingarese" (XII. Rh., 2. Thema) usw. anzudeuten. Diese Eigentümlichkeiten, welche sich mit den musikalischen Vortragsbezeichnungen nicht mehr ausdrücken lassen, sind nur intuitiv oder durch intensives Studium des Zigeunervortrags zu erfassen. Liszts Auffassung beruht also im Grunde darauf, daß für eine vollkommene Wiedergabe nicht das Ensemble, sondern der Einzelkünstler berufen ist. Dieser Einzelkünstler muß einerseits über die Begabung zum intuitiven Erfassen der Eigentümlichkeiten des Zigeunerspiels, andererseits über die technische Fertigkeit verfügen, um das intuitiv Erfaßte auf einem Instrument ungehindert wieder-

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geben zu können. Das Instrument, das die „vollständige Harmonie" und „hinreichende Klangfülle" besitzt, ist vor allem das Klavier. Liszt war der berufenste Interpret des Zigeunerspiels. In diesem Sinne war er wirklich selbst „zu einer Hälfte Zigeuner" (s. Briefe Bd. IV, S. 316). Seine Rhapsodien spiegeln vielfach die starke Abhängigkeit vom Zigeunerspiel, dessen Eigentümlichkeiten er meist intuitiv erfaßt hat. Die Rhapsodien sind deshalb von seiner persönlichen Vortragsweise nahezu unzertrennbar. Die Wirkung dieser Werke beruhte vor allem auf der Suggestionskraft des Virtuosen Liszt. Sie wirken heute oft flach und trivial, weil meist nur das von Liszt in Noten und Vortragsbezeichnungen Eingefangene wiedergegeben wird. In den späteren ungarischen Bearbeitungen Liszts tritt der enthusiastische Grundcharakter der Rhapsodien etwas zurück. Sie entstanden nicht mehr unter dem unmittelbaren Einfluß des Zigeunerspiels, sondern nach dem Notenbild der Vorlagen, wodurch sie einige elegisch-reflexiven Züge aufgenommen haben. f) In der formalen Gestaltung hatte Liszt die größte Freiheit, die Bearbeitungen UNM. Nr. 10, 1 3 und 16, ferner die „Melodies hongroises d'après Schubert" und die erste Fassung des „Ungarischen" nach Ferd. David ausgenommen, welche sich auch formal an die Vorlagen halten. Seine formale Gestaltungsphantasie bewegt sich in den ungarischen Bearbeitungen zwischen der klassisch zu nennenden Abrundung der Formen und der zigeunerhaften Zwanglosigkeit. Die klassizisierende Tendenz, welche in einigen Rhapsodien dazu führt, eins oder mehrere Themen wiederkehren zu lassen (Reprise), ist im ersten Rhapsodiezyklus noch durchaus als Zwang bemerkbar (z. B. UNM. Nr. 6 und Nr. 9). Dagegen bewegt sich seine formale Gestaltung im zweiten Zyklus — soweit sie nicht durch unveränderte Übernahme aus dem ersten gehemmt wird — ungebunden frei. Über das Verhältnis der Form zwischen den beiden Rhapsodiezyklen war bereits auf S. 20 die Rede. Anstatt betonter, etwas gezwungener Reprisen genügt in den späteren Rhapsodien eine kurzgefaßte improvisatorische Rekapitulation der wichtigeren Themen zur Abrundung der Form (z. B. X I I . Rh.). Aber Liszt empfindet nicht überall die Notwendigkeit dieser — wenigstens reminiszenzartigen — Anspielung auf einmal schon verlassene Themen, sondern gestaltet seine Rhapsodien als mehr oder weniger lose aneinandergereihte Teile (z. B. „Nr. 1 9 " , IV. Rh., VI. Rh.). Dieser Typus steht im Prinzip in Beziehung zur Praxis der musizierenden Zigeuner in Ungarn, die gewöhnlich mehrere, ursprünglich nicht zusammenhängende Stücke unmittelbar nacheinander spielen. Die Aufeinanderfolge der Themen ist in all seinen ungarischen Bearbeitungen rein musikalisch bedingt. Es handelt sich hier lediglich um den programmatisch ungebundenen Wechsel des Gefühlsausdrucks. Jede darüber hinausgehende poetische Deutung dieser Werke wäre vollkommen unbegründet. „Diese Fragmente" (nämlich die Rhapsodien) „erzählen allerdings keine Tatsachen . . . aber Ohren, welche zu hören verstehen,

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werden aus ihnen den Ausdruck der verschiedensten Seelenzustände erlauschen, in welchen sich das Ideal einer Nation zusammengefaßt hat" 1 ). Die Texte der bearbeiteten Liedthemen hat Liszt wohl kaum gekannt, da er die ungarische Sprache nicht verstand; außerdem stützte er sich größtenteils auf das Spiel der Zigeuner, wo die gespielten Lieder stets vom T e x t getrennt, als anscheinend reine Instrumentalstücke wirkten. An eine Deutung der Rhapsodien mit Hilfe der Texte ist also ebenfalls nicht zu denken. Liszt stellt in den ungarischen Bearbeitungen mehr oder weniger kontrastierende Themen nebeneinander. Es handelt sich hier nicht um Stilkontraste im Sinne des I. Kapitels, sondern um ganz allgemeine, Tempo und Tonart betreffende Gegensätze. Ein zweites Prinzip ist dabei die Steigerung, welche sich in den Bearbeitungen ohne Reprisen völlig frei entfalten läßt. Die Prinzipien der Gegensätzlichkeit und der Steigerung, vereint mit formaler Zwanglosigkeit sind in den Bearbeitungen „Nr. 19" und IV. Rh. in voller Klarheit zu beobachten. Das Prinzip der mit der Gegensätzlichkeit gepaarten Steigerung ist zwar keine ausschließliche Eigentümlichkeit der ungarischen Verbunkos- und Csardas-Musik, es geht aber im Falle der ungarischen Bearbeitungen Liszts teilweise auch auf das Formschema des ungarischen Tanzstils „Lassu"-,,Friss" (Langsam—Lebhaft) zurück. Die ungarischen Bearbeitungen Liszts zeigen — außer in den zitierten Werken, welche den Lisztschen Formgedanken der Rhapsodie am klarsten darstellen — diese drei Prinzipien in verschiedenen Abstufungen zueinander. Es folgen manchmal zwei langsame Teile aufeinander (UNM. Nr. 7, 14, 1 7 ; „Nr. 20"; I. Rh.), so wie es Liszt bei den Zigeunern hat beobachten können 2 ). Ebenso findet man bei Liszt ungegensätzliche Aneinanderreihung mehrerer schneller Teile (UNM. Nr. 9, 14, 15, 1 7 ; „Nr. 20", „Nr. 2 1 " ; Pesther Carneval; II., VI. und X I V . Rh.). Diese war nicht nur in der Gewohnheit der Zigeuner gegeben 3 ), sondern geht auf einen wichtigeren Nebentyp des „Lassu"-,,Friss"-Paares zurück, wo an einen langsamen Teil mehrere schnelle Teile gereiht werden. In beiden Fällen werden also bei Liszt die allgemeinen Prinzipien der Gegensätzlichkeit und der Steigerung den ungarischen Formtypen untergeordnet. Das Prinzip von Kontrast und Steigerung zeigt sich teilweise auch in der tonartlichen Aufeinanderfolge der einzelnen Teile. Die Gegensätze sind Dur und Moll; Steigerungsmöglichkeiten bietet die Quintenreihe, wo eine Tonartenfolge vom „unteren" Ende (B-Tonarten) nach dem „oberen" (Kreuztonarten) hin eine Steigerung bedeutet. In der tonartlichen Anordnung hält Liszt bis zum V I I . Heft der UNM. (einschließlich) an dem engen Kreis der Parallele und dem gleichnamigen Dur oder Moll fest. Erst das V I I I . Heft bringt gewagtere Zusammenstellungen: Haupttonart d-moll, 4. Thema G-dur, 5. Thema H-dur (!), dann Wiederkehr der ersten !) Ges. Sehr. Bd. V I , S. 393. 2) Ebenda S. 271. 3) Ebendaselbst.

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

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drei Themen in der Haupttonart, endlich 4. Thema in D-dur. Von nun an finden sich stets zwanglosere Tonartenfolgen. Manche Rhapsodien zeigen sogar Zusammenstellungen, bei denen von der Anfangstonart immer weiter abgerückt wird und die in einer Tonart schließen, die der anfänglichen ziemlich fremd ist. Z. B. die VI. R h . : A

B

Des-dur, Tempo giusto. C b-moll, Andante.



— Cis-dur, Presto.— D B-dur, Allegro

Oder die X I . R h . : A a-moll, Lento.

B

C

— A-dur, Andante. — fis-moll, Vivace. — D Fis-dur, Prestissimo.

Dieses letzte Beispiel zeigt eine parallele Steigerung im Tempo und in der Folge der Tonarten und es wäre ein Musterbeispiel für die freie Rhapsodieform Liszts, wenn das erste Thema nicht im dritten Teil in variierter Gestalt erscheinen würde. Die tonartliche Anordnung der X I . Rh. zeigt sonst dieselbe Erscheinung auf tonartlichem, wie „Nr. 1 9 " und die IV. Rh. auf formalem Gebiet: das Zurücktreten der Forderung der Einheit zugunsten des freien Steigerungsprinzips. Diese Freiheit in der Tonartendisposition innerhalb zusammenhängender Teile geht keineswegs auf Stileigentümlichkeiten der ungarischen Musik zurück. Die aus mehreren Teilen bestehenden ungarischen Tanzsätze des 19. Jahrhunderts bewegen sich innerhalb der nächstverwandten Tonarten. Auch die Gewohnheit der Zigeuner wird damals nicht anders gewesen sein: sie spielen auch heute noch gern mehrere Stücke in der einmal gewählten Tonart nacheinander. Man kann also bei Liszt nicht von einer Beeinflussung sprechen. Es ist vielmehr die allgemeine harmonisch-modulatorische Phantasie Liszts, welche sich in der tonartlichen Anlage der Rhapsodien zeigt. Fernerhin ist die prinzipielle Freiheit der tonartlichen Anordnung — ohne die Notwendigkeit einer unbedingten Rückkehr zur Anfangstonart — eine für Liszts Rhapsodien charakteristische Eigentümlichkeit, die mit der formalen Freiheit aufs engste zusammenhängt. In der weiteren Entwicklung und Durchführung der ungarischen Themen hat sich Liszt kaum auf ungarische Vorbilder stützen können. Die Mittel der Bearbeitung sind im Grunde dieselben, wie in seinen übrigen freien Bearbeitungen 1 ); Vor-, Zwischen- und Nachspiele, Wiederholungen 1 ) Zum Unterschied von seinen strengen Übertragungen, wie z. B. seine „Partitions de piano" nach den Symphonien Beethovens sind als freie Bearbeitungen außer den ungarischen die große Masse seiner Opernfantasien, Opernparaphrasen, usw. zu betrachten.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz

Liszts.

und Variationen. Eine systematische Betrachtung seiner Bearbeitungsmethode gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit, weil sein Bearbeitungsstil in diesem Teil nicht auf ungarische Vorbilder zurückgeht. Er hat dabei lediglich den Stil seiner Opernparaphrasen auf ungarische Themen übertragen. Von dem Gesichtspunkt der ungarischen Musik aus erfordern nur diejenige Variationen eine Untersuchung, welche den ursprünglichen Charakter der ungarischen Themen stark beeinträchtigen, denn diese Fälle können noch manches interessante Licht auf das Verständnis Liszts für den Charakter der von ihm bearbeiteten ungarischen Themen werfen. Bei den Themen, die in den Quellen einen von der Lisztschen Bearbeitung abweichenden Charakter zeigen, besteht die Möglichkeit, daß die Veränderung des Charakters nicht auf Liszt zurückgeht, sondern daß diese zu jener Zeit in einer heute nicht mehr erhaltenen Fassung vorgelegen haben. So ist es vermutlich mit dem ersten Thema der UNM. Nr. 6. Die Quelle dieses Themas ist eine Melodie, welche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Ungarn sehr beliebt war und die in vielen, manchmal stark voneinander abweichenden Fassungen vorkam. Auch bei Liszt hat das Thema in den späteren Bearbeitungen stets ein anderes Gesicht (vgl. UNM. Nr. 6 mit Nr. 12 und mit der V. Rh.). Nur die bei Liszt in den späteren Bearbeitungen als 3. Thema verwendete Dur-Variante des ursprünglichen Moll-Themas ist zweifellos als eine von ihm erfundene Verwertungsmöglichkeit des Themas zu betrachten. Dabei wurde die auch sonst in Einzelheiten nachweisbare musikalische Verwandtschaft dieser Bearbeitung mit Liszts Originalkomposition „Vallée d'Obermann" (Années de pèlerinage 1, Nr. 6) zu einer ganz offenbaren. Ein zweites Beispiel für die Veränderung des Themencharakters, wo diese nicht zweifellos als Liszts Änderung zu werten ist, zeigt das 4. Thema in UNM. Nr. 15 und in der VII. Rh. Bei Liszt hat das Thema Csardas-Charakter. Eine zeitgenössische Aufzeichnung fehlt leider; im Jahre 1907 hat Bartök dieselbe Melodie mit anderem Rhythmus in Siebenbürgen als Volks-(Bauern-)Lied aufgezeichnet 1 ). Anders verhält sich die Sache bei denjenigen Charakterveränderungen, die nachweisbar von Liszt vorgenommen worden sind. Der Nachweis dafür ist der Umstand, daß das betreffende Thema selbst bei Liszt in zwei, voneinander im Charakter stark abweichenden Gestalten vorkommt. In UNM. Nr. 9 kehrt das erste a-moll-Thema am Schluß in Dur wieder: diese Änderung widerspricht in diesem Falle gänzlich dem ursprünglichen Charakter. Umgekehrt erging es dem Anfangsthema von „Nr. 2 1 " : das volksliedhafte Thema steht ursprünglich in Dur; Liszt bringt es zuerst in Moll in einen Trauermarsch umgewandelt, bald darauf in Dur, „Allegro eroico". Zwar ist mir eine Mollvariante des Liedes nicht bekannt, trotzdem traf Liszts Eingriff hier ein solches Thema, das eine solche Charakter Veränderung gut verträgt. Das in langsamem, freiem Tempo gehaltene und stark kolorierte Anfangsthema aus UNM. Nr. 15 erscheint bei Liszt in dem daraufBARTÔK, a. a. O., Notenbeispiel 197 und A n m e r k u n g auf S. 226.

Der Stil der ungarischen Bearbeitungen Liszts.

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folgenden Vivace als ein Csardas-artiges Thema in straffi m Rhythmus. Der melodische Kern ist einem ungarischen Volkslied entnommen, das im Charakter nicht der langsam-freien, sondern der schnell-straffen Variation entspricht. Das Anfangsthema des Pesther Carnevals hat Liszt zuerst als Csardas-artiges Thema aufgezeichnet (vgl. S. 37). Bei der Bearbeitung ging der Csardas-Charakter gänzlich verloren; das Thema zeigt hier eine gewisse melodische Verwandtschaft mit dem in derselben Tonart (Es-dur) stehenden Thema der „Neapolitanischen Tarantelle" von Liszt 1 ). In der I. Rh. ist das ursprüngliche Tempo des ersten Themas „Andante assai moderato" dasjenige, das auf Grund der vorliegenden Quellen als das richtige angesehen werden muß. Das Thema kehrt in der Rhapsodie noch klanglich und im Tempo gesteigert zurück (Allegro risoluto), was aber das ungarische Musikempfinden kaum stört. In der X I . Rh. kehrt der melodische Kern des zuerst in freiem, langsamem Tempo vorgetragenen Anfangsthemas nach dem schnelleren 3. Thema (fis-moll, Vivace assai) im Tempo des letzteren zurück, und zwar eingebettet in die Figuration. Da die Quelle des Themas noch nicht gefunden worden ist, kann kein Urteil gefällt werden. Die frühere Fassung dieser Rhapsodie: UNM. Nr. 14, enthält allerdings die schnellere Variation noch nicht. Der E-dur-Teil des „Ungarischen Königsliedes" fängt zwar mit der ,,Maggiore"-Veränderung des ursprünglichen Mollthemas an, die Fortsetzung ist aber so unabhängig von der Vorlage, daß es sich hier nicht um eine Veränderung des Charakters, sondern um eine ganz freie Fortsetzung handelt. Wie bereits aus diesen Beispielen zu erkennen der Charakteränderungen nicht prinzipiell lösen, Fall zu Fall besonders untersucht werden. Die in arbeitungen vorkommenden wichtigsten Fälle sind Beispielen besprochen worden.

ist, läßt sich die Frage sondern sie muß von Liszts ungarischen Bein den eben gegebenen

Die in diesem Kapitel durchgeführten Untersuchungen haben vielfach und von verschiedenen Seiten her die wichtigsten Probleme der ungarischen Bearbeitungen Liszts beleuchtet. Er bearbeitet ungarische Musik, nimmt sie aber zum großen Teil aus zweiter Hand: aus dem Spiel der ungarischen Zigeuner. Er hat die Absicht, alle Eigentümlichkeiten dieser Musik wiederzugeben, wobei er nicht nur ungarische, sondern vielfach auch zigeunerische Eigentümlichkeiten aufbewahrt hat. Von der genauen Wiedergabe lenkt ihn auch seine eigene schöpferische Phantasie ab. In die Melodik trägt er Modulationen hinein, die der Harmonisierung mehr Möglichkeiten bieten. Den eigenartigen ungarischen Rhythmen steht er eine Zeitlang fremd gegenüber; die Metrik ungarischer Lieder wird von ihm sogar in seinen letzten Jahren nicht ganz klar erfaßt. In der Harmonik ist seine Phantasie am wenigsten durch ungarische Vorbilder gebunden; er hält aber manche harmonische Unvollkommenheiten der Zigeunerorchester für nachahmenswert. In der Ornamentik entfaltet sich in erster Linie seine pianistische

!) 1. Fassung: 1839.

S. Gesamtausgabe, Klavierwerke Bd. 5.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Virtuosität; gewisse zigeunerische Verzierungsarten haben ihn teilweise auch nach anderen Richtungen hin inspiriert. Die Freiheiten seiner Vortragsweise sind im Grunde improvisatorischer Natur; darin kopiert er keineswegs die Zigeuner, denen er nur die Anwendung des Prinzips des freien Vortrags auf ungarische Themen abgelauscht hat. Ebenso gibt ihm die Praxis der Zigeuner in formaler Hinsicht nur einen allgemeinen Anlaß zur Lossagung vom klassischen Formsinn. Selbst eine inhaltliche Gebundenheit durch programmähnliche Momente liegt in den ungarischen Bearbeitungen nirgends vor. Vielmehr zeigt sich auch hier eine starke Neigung zu improvisatorischen Freiheiten.

IV. K a p i t e l .

Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen. Überschaut man die große Masse der von Liszt bearbeiteten ungarischen Themen, so taucht unvermeidlich die Frage auf, wie weit die Spuren der aus der ungarischen Musik empfangenen Eindrücke in Liszts Originalkompositionen nachweisbar sind. Es wird dabei nicht nur nach rein ungarischen Stileigentümlichkeiten gefragt, sondern nach all dem, was für L i s z t von der ungarischen Musik unzertrennbar e r s c h i e n . Außer den eigentlichen ungarischen Stileigentümlichkeiten handelt es sich hier noch um jene Momente, die im vorigen Kapitel auf zigeunerischen Ursprung zurückgeführt worden sind. Die Möglichkeiten, die Beeinflussung seitens der ungarischen Musik in den Originalkompositionen nachzuweisen, sind die folgenden: a) der Hinweis auf einzelne Motive, die aus den bearbeiteten ungarischen Themen in die Originalkompositionen übergingen; b) Der Hinweis auf allgemeine Eigentümlichkeiten, die innerhalb der einzelnen Gattungen der ungarischen Musik festzustellen sind und die in gewissen Originalkompositionen Liszts mehr oder weniger klar zu erkennen sind. Es wurde bereits im I I I . Kapitel darauf hingewiesen, daß manche ungarischen Themen in Liszts Bearbeitung derartig frei behandelt werden, daß diese Werke nahe an der Grenze zwischen Bearbeitung und Originalkomposition stehen (z. B. „Chor der Armen" in der Elisabethlegende, E-dur-Teil im „Ungarischen Königslied"). Sieht man von diesen Grenzfällen ab, so findet man in Liszts Originalkompositionen noch immer zahlreiche Anklänge an einzelne Motive aus den bearbeiteten ungarischen Themen. Von diesen war hauptsächlich ein Dreiklangsmotiv aus dem Anfang des Räköczi-nöta für Liszt von besonderer Bedeutung1). Dieses DreiLiszt hat das Rak6czi-n6ta zuerst in UNM. Nr. 10 bearbeitet. Den langsamen Teil hat er auch in seiner „Fantasie über ungarische Volksmelodien" (im übrigen eine Umarbeitung der XIV. Rh. für Klavier und Orchester) in ausgedehntem Maße verwendet, sowie auch in der Instrumentierung der X I V . Rh. (Orchesterrhapsodie Nr. i). Von diesen Bearbeitungen wird hier — da es sich in diesem Kapitel um die Originalkompositionen handelt — abgesehen.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

klangsmotiv mit den wiederholten Quartschritten nach oben bildet übrigens auch einen wichtigen Bestandteil des Raköczi-Marsches (s. Notenbeispiel 10, a : Anfang des Räköczi-nöta, b — c : Stellen aus dem Räköczi-Marsch). Dieses Motiv läßt sich mit voller Bestimmtheit in folgenden Kompositionen Liszts erkennen: „Ungaria-Kantate" 1 ) (s. Notenbeispiel i o d ) ; Ungarische Krönungsmesse, hauptsächlich im Gloria, so z. B. die Stellen: „laudamus te, benedicimus te", ,,qui sedes", usw., ferner auch im Agnus Dei, wo das Motiv auf das Gloria zurückweist (im zweiten „Agnus") und im Schluß-Amen; weiterhin wird ein Abkömmling dieses Motives in dem „Ungarischen Marsch zur Krönungsfeier" verwendet (s. Notenbeispiel 10 e). Der Anfang des schnellen Teiles des Raköczi-nöta (s. Notenbeispiel n a), der mit dem Trio des Raköczi-Marsches verwandt ist (s. Notenbeispiel I i b : aus der X V . R h . ; die Quellen des Marsches, sowie Liszts frühere Bearbeitungen desselben haben g statt gis), wird von Liszt in seiner schon genannten „Ungaria-Kantate" motivisch verwertet (s. z. B. Notenbeispiel I i c). Der Anfang des Raköczi-Marsches (die ersten acht Takte gehen nicht auf das Räköczi-nöta zurück) hat auf Liszt bei der Komposition des Hauptthemas zum „Ungarischen Sturm-Marsch" merklich eingewirkt (s. Notenbeispiel 12 a: Anfang des Raköczi-Marsches, b : Anfang des Hauptthemas in Liszts Sturmmarsch). Das von Liszt zuerst als 3. Thema in „Nr. 19", später in der V I I I . Rh. bearbeitete Volksliedthema, das er ursprünglich nach dem Spiel der Zigeuner aufgezeichnet hat (s. S. 36), wurde von ihm auch in seine sinfonische Dichtung „Hungaria" aufgenommen. Dieses Werk ist zwar an sich eine Originalkomposition Liszts, nur dieses einzige Thema im feurig-frischen Finale entlehnte er der ungarischen Musik. Eine Anlehnung an die Melodie des „ S z ö z a t " findet man in Nr. 3 der „Ungarischen Bildnisse": „Vörösmarty" 2 ). Liszt brachte dieses Motiv nicht ohne Grund mit dem ungarischen Dichter in Verbindung: auf Vörösmartys patriotisches Gedicht „ S z ö z a t " hatte ja Egressy jene Melodie komponiert. Verlassen wir nun das Gebiet der einzelnen motivischen Ungarismen und wenden wir uns den wirklichen Stileigentümlichkeiten zu, so fällt zunächst die Verwendung der für den Verbunkos bezeichnenden Schluß1 ) Die nach einem T e x t von Franz von Schober komponierte Kantate ist noch unveröffentlicht. Sie liegt im Liszt-Museum in Weimar als Klavierskizze Liszts und in August Conradis Instrumentierung vor. Über Conradis Instrumentierungen Lisztscher Werke s. G. R. K R U S E : Der hundertjährige Conradi. „Signale" 1921. S. 651 ff., über die Ungaria-Kantate S. 654. Vgl. noch Liszts Brief an F. von Schober am 22. April 1848, Briefe Bd. I, S. 71 f. 2) Die „Ungarischen Bildnisse" oder „ P o r t r ä t s " sind unveröffentlichte Kompositionen Liszts aus dem Jahren 1884 — 86. Eine Kopie ist im Besitze des Verlags Breitkopf & Härtel in Leipzig. Durch freundliches Entgegenkommen des genannten Verlags konnte ich die Kompositionen näher kennen lernen, aber die Mitteilung von Notenbeispielen wurde mir nicht gestattet.

Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen.

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formeln in Liszts Originalkompositionen ins Auge. Sie erscheinen hier meist in solchen Fällen, wo Liszt etwas charakteristisch Ungarisches geben wollte. In seiner 1843 entstandenen Konzert-Paraphrase über das Studentenlied „Gaudeamus" wird die „ungarische Variation" des Liedes („A l'Ongarese. Tempo di Marcia") nicht in letzter Linie durch die im Takt 2 usw. verwendeten Formeln charakterisiert. Diese Stelle findet sich auch in der später entstandenen Fassung der Paraphrase als „Humoreske für Soli, Chor und Orchester" wieder. Eine ganz besondere Bedeutung gewann diese Schlußformel in Nr. 2 der „Trois odes funèbres pour grand Orchestre", die aus dem Nachlasse Liszts in die Gesamtausgabe aufgenommen wurde 1 ). Das Titelblatt der Handschrift trägt folgende Anmerkung von Liszt: „ S i à mes obsèques on avait à faire de la Musique, j'aimerais qu'on choisit la 2-de de ces Odes funèbres (,,la Notte, d'après Michel Angelo") à cause du motif à cadence magyare . . ." Die „cadence magyare" ist nichts anderes, als die Schlußformel des Verbunkos, die in dieser Komposition zuerst im 8. bis 9. Takte des A-dur-Teiles (Sempre lento) erscheint und die dem ganzen Mittelteil bis zur Reprise eine ungarische Färbung verleiht. Diese Schlußformeln bilden neben dem Räköczinöta den wichtigsten motivischen Kern der Ungarischen Krönungsmesse. Die aus diesen Schlußformeln abgeleiteten Motive erscheinen hier in zwei Hauptformen. Die eine hat engste Verwandtschaft mit der in Notenbeispiel 1 emitgeteilten Form; sie kommt im Kyrie bei „Christe eleison" (s. Notenbeispiel 1 3 a), in den instrumentalen Partien des Benedictus (Notenbeispiel 1 3 b), im Agnus Dei bei „dona nobis" als ein Hinweis auf das Kyrie und bei „pacem" im Soloquartett (Notenbeispiel 13c) vor. Eine andere, von den ursprünglichen Formeln etwas abgerückte Gestalt zeigt jenes Motiv, in dem der Schlußton nicht der obere Halbton des vorangehenden ist, sondern wo dieser in der vorangehenden Note als Antizipation enthalten ist. Dieses zweite Motiv geht in der Krönungsmesse meist dem oben beschriebenen Motiv voran; es erscheint zuerst im Kyrie bei „Christe eleison" im Altsolo (s. Notenbeispiel 1 3 d), dann in den instrumentalen Partien des Benedictus (Notenbeispiel 1 3 e), später auch bei „Hosanna" in den Gesangssoli (Notenbeispiel 1 3 f : das synkopierte h geht auf die Wiederholung dieser Note zurück), ferner im Agnus Dei beim zweiten „qui tollis" (Notenbeispiel 1 3 g), usw. ; in den mitgeteilten Notenbeispielen geht diesem zweiten Motiv überall ein synkopiertes Terzenmotiv voran. Neben diesen deutlichen Anspielungen an die „cadence magyare" finden sich noch weniger hervorstechende Hinweise auf sie in der sinfonischen Dichtung „Hungaria" (Takt 82, 86 usw.), im „Epithalam zu E . Reményis Vermählungsfeier" für Violine und Klavier (Takt 14—15) usw. Aus dem Verbunkos-Stil sind in Liszts Kompositionen außer den Schlußformeln keine weiteren Eigentümlichkeiten vorhanden. Dagegen Komponiert 1864.

S. Gesamtausgabe I, Bd. 1 2 .

Das folgende Zitat von

Liszt ist dem Revisionsbericht von B . Kellermann entnommen.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

ließ er aus dem Csardas nicht so sehr Einzelheiten, wie die allgemeinen rhythmischen Eigenschaften dieses vielgestaltigen Typus auf sich einwirken. Die Csardas-mäßige Thematik tritt bei Liszt hauptsächlich in solchen Werken deutlich hervor, welche auch äußerlich — im Titel — mit Ungarn in Beziehung gebracht worden sind. Liszts „Puszta-Wehmuth", ein nach Nikolaus Lenaus Gedicht: „Die Werbung" entstandenes Klavierstück zeigt im schnellen Teil („Friss") eine zwar einigermaßen idealisierte, aber im Grunde richtig erfaßte Csârdâs-Thematik. Von ähnlichem Charakter, aber mit mehr zigeunerischem Einschlag ist die Stelle in seinem — auf das bekannte Gedicht Lenaus komponierten — Liede „Die drei Zigeuner" bei den Worten: „Hielt der eine für sich allein in den Händen die Fiedel" usw. Eine von der Csârdâs-Rhythmik beeinflußte, aber ihr melodisch etwas fernstehende Thematik spricht aus dem Allegro con brio der X V I . und aus dem Fis-dur-Teil des Presto („Friss") der X V I I I . Rh. Das Hauptthema der Nr. 1 der „Ungarischen Bildnisse" : „Széchényi", gehört mit in diese Gruppe, obwohl es, wie sehr viele von Liszts Spätwerken, eigentlich in doppelten Noten werten notiert ist; deshalb sind hier die Viervierteltakte im Grunde nur dem CsardasCharakter entsprechende Zweivierteltakte. Liszt selbst hat drei Csardas komponiert, alle für Klavier: den „Csardas macabre" 1 ), den „Csardas obstiné" (dieser wird mit dem ersten gewöhnlich verwechselt) und einen Csardas in A-dur ohne besonderen Namen. Diese Spätwerke Liszts aus den Jahren 1881—86 stellen eine höchste Idealisierung dieser Gattung dar. Aber gerade durch diese Idealisierung, außerdem auch durch die starken persönlichen Züge wirken diese Csardas kaum als solche. Die rhythmischen Eigenschaften: schneller Zweivierteltakt, die auf S. 1 2 beschriebene elementare Rhythmik und die Kontratempo-Begleitung ist zwar in allen dreien vorhanden, aber in einem jeden sind solche Momente, welche dem ungarischen Csardas widersprechen. So im „Csardas macabre" die Ges-dur-Episode, welche zwar aus der kantablen Ausbreitung des Hauptthemas stammt, die aber in ihrer poetischen Weichheit im schroffen Gegensatz zum Csârdâs-Charakter steht; dann im „Csardas obstiné" die plötzlich aufhaltende fanfarenartige Stelle, ferner die auch klanglich nicht besonders geglückte Dur-Variation des ursprünglichen Mollthemas; endlich im A-dur-Csârdâs der unbestimmt abfallende Schluß. Aus den mannigfaltigen Typen des ungarischen Liedes im 19. Jahrhundert wurden im I. Kapitel zwei charakteristische Rhythmen hervorgehoben, denen Liszt eine Zeitlang fremd gegenüberstand (s. S. 44L) und die ihm offenbar etwas problematisch waren. Aber seit 1856 treffen wir diese Rhythmen vielfach auch in seinen Originalkompositionen ; zuerst in der sinfonischen Dichtung „Hungaria", wo der Choriambus in der „Largo con duolo"-Episode ganz deutlich hervortritt (im Engl. Horn und in den Klarinetten). Weniger ausgeprägt, aber doch erkennbar ist das durch x

) Unveröffentlicht.

Handschriftlich vorhanden im Liszt-Museum Weimar.

Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen.

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den Taktstrich getrennte choriambische Motiv in der sinfonischen Dichtung „Hunnenschlacht", wo es bald nach dem Eintritt des Alla breve (C-dur) in den Trompetenstimmen erscheint. Daß das vierte, lange Glied durch eine kurze Note und Pause vertreten wird, ändert nichts an dem choriambischen Charakter dieses Motives, das ja nicht nur zufälligerweise zustande kommt, sondern von den Trompeten, Hörnern und Pauken nachdrücklich hervorgehoben wird. Die auf betonte Kürze folgende unbetonte Länge wird im Liede „Die drei Zigeuner" bei den Worten: „froh, als ob er vom Erdenrund nichts zum Glücke mehr brauche", von Liszt einmal falsch betont; er setzt nämlich über die längere Note ein Akzentzeichen, obwohl auf dem guten Taktteil die kurze Note steht. Diese Inkongruenz wurde durch die Kollision des deutschen Textes mit dem beabsichtigten ungarischen Rhythmus herbeigeführt. Ein ähnlicher, aber nicht unrichtig betonter Fall findet sich im I. Teil der Elisabethlegende in der Ansprache des „Ungarischen Magnaten" bei den Worten: „(So leg ich dieses theure Pfand,) des Ungerlandes holde Blüthe vertrauensvoll in Eure H a n d " . Es ist hierbei zu beachten, wie feinfühlig Liszt den dem deutschen Sprachrhythmus fremden Choriambus demselben anpaßt (s. Notenbeispiel 14, a : die Fassung Liszts, b : die Zu rückführung auf das vermutliche choriambische Grundschema). Ähnliche Stellen siehe noch im Lied „Lebe wohl", Takt 7, 15—16, usw. Die auf betonte Kürze folgende Länge zeigt sich mit voller Deutlichkeit im I. Teil der Elisabethlegende in der Instrumentaleinleitung zum Gruß des Ungarischen Magnaten, T a k t 3—4, ferner im E-dur-Thema des Melodrams ,,A holt költö szerelme" (Des todten Dichters Liebe, auf einen Text von Maurus Jökai). Das letztere Thema wurde von Liszt auch in den später entstandenen Kompositionen „Dem Andenken Petöfi's" und Nr. 6 der „Ungarischen Bildnisse": „ P e t ö f i " , verwendet. Nicht so sehr in Einzelheiten, als vielmehr im Gesamtcharakter dem ungarischen Liede nahestehend ist das instrumentale Offertorium der Ungarischen Krönungsmesse. Die besonders in ihren beiden ersten Phrasen liedmäßige schlichte Melodie ist trotzdem erhaben genug, um an dieser hervorragenden Stelle der Messe stehen zu können 1 ). Die Schlußwendungen der beiden ersten Phrasen sind stark mit den entsprechenden Stellen im ersten F-dur-Thema der X I V . Rh. verwandt. Neben diesen drei Hauptstilen der von Liszt bearbeiteten ungarischen Themen waren auch einige, in seinen Bearbeitungen weniger vertretene Typen für seine Originalkompositionen von nachweisbaren Einflüssen. Hier sind in erster Linie die Märsche zu erwähnen. Es ist zunächst die nachhaltige Wirkung hervorzuheben, die von dem zweiten und dritten 1 ) Vgl. Liszts Äußerung über den Messesatz: „ J e viens d'écrire un Offertorium instrumental pour notre messe qui pourra être exécuté ou non, ad libitum. C'est une sorte de hymne magyar dont le caractère fort simple ne vous déplaira pas, j'espère." Briefe an Baron A n t o n Augusz, hrsg. von W . VON CSAPÖ. B u d a p e s t 1911. S. 131 — 1 3 2 . (28. Mai 1867).

G â r d o n y i , Die ungarischen Stileigentümlichkeiten.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

Satz des „Divertissement ä la Hongroise" von Schubert ausging. Liszt nahm den zweiten Satz: einen in punktierten Rhythmen ruhig dahinschreitenden Marsch in Moll zum Vorbild bei der Komposition seines ersten ungarischen Marsches: „Heroischer Marsch im ungarischen Styl". Das zweite, fanfarenartige Thema des letzteren steht insofern auch in Beziehung zu Schuberts Marsch, als die Fanfaren dort als Begleitung zu dem sonst kantablen Triothema erscheinen. Der „Heroische Marsch" gewann in Liszts Schaffen später eine hervorragende Bedeutung, da dieser zur thematischen Grundlage der sinfonischen Dichtung „Hungaria" wurde. Das zuerst in As-dur, später in C-dur auftretende Marschthema (Vivo, Zweivierteltakt) der „Hungaria" zeigt noch weitere Beziehungen zum Trio des erwähnten Marsches von Schubert in seiner fanfarenartigen Begleitung. Das „Divertissement ä la Hongroise" von Schubert weist in allen drei Sätzen vielfach den Einfluß gewisser Verbunkos-Typen mit punktierter Rhythmik auf. Dieselben Einflüsse zeigen sich bei Liszt in allen seinen Originalthemen, welche durch die überwiegend punktierte Rhythmik und Molltonart charakterisiert sind. Als Beispiele seien folgende Werke und Themen Liszts erwähnt: „Ungaria-Kantate"; Einleitungsteil der „Funerailles" 1 ); zweites (d-moll) Marschthema in der sinfonischen Dichtung „Mazeppa" 2 ); das Fugato h-moll in der sinfonischen Dichtung „Hunnenschlacht"*); Episode in h-moll im „Marsch der hl. drei Könige" im Oratorium „Christus" 4 ); „Ungarisch": Nr. n der Reihe „Weihnachtsbaum" für Klavier; „Ungarische Bildnisse" Nr. 3, 4 und 5: „Vörösmarty", „Teleki" und „ D e ä k " ; ferner zwei unveröffentlichte und teilweise unvollständige Klavierstücke, die wahrscheinlich noch aus den 40er Jahren stammen 5 ). Diese Einflüsse gehen bei Liszt kaum auf unmittelbare ungarische Vorbilder zurück, denn er hat nur wenige Verbunkos-Themen bearbeitet, die zu diesem Typus mit überwiegend punktierter Rhythmik gehören (UNM. Nr. 9, 1. Thema und „Nr. 21", 3. Thema). Vielmehr liegt

*) „Harmonies poetiques et réligieuses" Nr. 7. RAMANN erzählt (a. a. O., Bd. II —2, S. 347), daß die Komposition allgemein wegen des dabeistehenden Datums: „October 1849" mit Chopins zu jener Zeit erfolgten Tode in Verbindung gebracht wurde. Dagegen verweist sie — im Grunde richtig, nur in gewissen Einzelheiten irrtümlich — auf die Zusammenhänge zwischen den traurigen Ereignissen in Ungarn und der Entstehung der Komposition. Vgl. noch S. 18. 2) Von der hier erwähnten ungarischen Färbung abgesehen, sollte dieser Schlußmarsch — wie aus dem dichterischen Programm hervorgeht — ein ukrainisches Lokalkolorit widerspiegeln. 3) Für Liszt waren Hunnen und Magyaren dieselben: „ . . . je me sens parfois Hun, jusqu'à la moelle des os . . .", schreibt er am 24. Juli 1855 an die Fürstin Wittgenstein. S. Briefe Bd. IV, S. 236. 4) Laut GÖLLERICH, a. a. O. S. 157, hat Liszt sich darüber folgendermalßen ausgesprochen: „Der ungarische Teil des Marsches chokierte seinerzeit Mü\erHartung sehr. Indessen hat Rubens auf seinem Bilde Flamänder gezeichnet, also kann ich einem meiner Magier einen gewichsten Schnurrbart geben." 5) Handschriftlich vorhanden im Liszt-Museum Weimar, Ms. J. 12 und 12 a.

Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen.

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eine Beeinflussung durch Vermittlung der genannten Komposition Schuberts vor. Diese Thematik, welche durch die Molltonart und punktierte Rhythmik charakterisiert wird, könnte bei langsamem Tempo leicht mit dem Trauermarschtypus der Wiener Klassiker verwechselt werden. In der Tat besteht aber zwischen der fraglichen Thematik Schuberts und Liszts und dem bekannten Trauermarschtypus ein bedeutender Unterschied. Dieser Unterschied ist nicht so sehr in musikalischen Einzelheiten, sondern vielmehr im gesamten Charakter zu beobachten. Die genannten Themen von Liszt sind — mit Ausnahme der „Funerailles" und „Teleki" — im Charakter keineswegs trauernd, sondern heroisch und ritterlich. Diese Eigenschaften stehen vielmehr dem Charakter des Verbunkos, als dem des Trauermarsches nahe. Außerdem waren ja das Heroische und das Ritterliche diejenigen Eigenschaften, die Liszt der ungarischen Nation stets zugeschrieben hat 1 ). Das läßt sich mit der programmatischen Bedeutung der beispielsweise erwähnten Themen Liszts sehr gut vereinigen. Ein zweiter wichtiger ungarischer Marschtypus war für Liszt der Räköczi-Marsch. Nicht nur der Typus, sondern auch einzelne Motive des genannten Marsches sind in Liszts „Seconde marche hongroise" oder „Ungarischer Sturmmarsch" wiederzuerkennen. In den allgemeinen Zügen vom Räköczi-Marsch abhängig ist außerdem Liszts „Ungarischer Marsch zur Krönungsfeier" und gewissermaßen auch der „Ungarische GeschwindMarsch". Dieser Typus wird zwar auch durch die Moll-Haupttonart charakterisiert, das Tempo ist aber viel schneller, als beim ersten Typus und die punktierten Rhythmen gehören keineswegs zum Grundcharakter. Die Einflüsse der wenigen von Liszt bearbeiteten hirtenflötenweiseartigen Themen (UNM. Nr. 1 1 , 2. Thema; „Nr. 20", 3. Thema und in der Fantasie nach Mosonyis „Szep Ilonka" spiegeln sich in der Klaviereinleitung des Liedes „Die drei Zigeuner" wieder. Dieselbe Figur als charakteristischer Ausschnitt aus der Zigeunerskala auf d (a-gis-f-e-d) in frei phantasierendem Tempo findet schon 18 Jahre vor Liszts Lied in einer Klavierphantasie von Michael Mosonyi („Pusztai elet"). Es ist nicht nachweisbar, daß Liszt diese Phantasie gekannt hat; die Verwandtschaft zwischen den betreffenden Stellen der beiden Kompositionen ist allerdings sehr groß. Die im Notenbeispiel 1 5 mitgeteilte Figur ist z. B. in beiden vollkommen gleich. Ähnliche Figuren finden sich bei Liszt noch in der X I X . Rh. (Takt 23 ff.) Diejenigen Einflüsse, die in Liszts ungarischen Bearbeitungen auf das Zigeunerspiel zurückgehen, haben auch in seinen Originalkompositionen deutliche Spuren hinterlassen. An das typische Zigeunerinstrument: das Zymbal erinnert er im Liede „Die drei Zigeuner" nach den Worten ,,. . . und sein Zymbal am Baum hing . . . " durch die Tremoli im Klavier!) Vgl u. a.: Ges. Sehr. Bd. II, S. 224; Briefe Bd. I, S. 31, 39; Liszts Antwort bei der Überreichung des Ehrensäbels im Nationaltheater zu Pest am 4. Januar 1840 (mitgeteilt bei RAMANN, a. a. O., Bd. II —1, S. 32) usw.

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

part. Bei der Orchestrierung seines „Ungarischen Sturm-Marschs" hat er — zwar nur ad libitum — das Zymbal in das sinfonische Orchester aufgenommen (das tat er Übrigend auch bei der Orchestrierung der VI. Rh. : Orchesterrhapsodie Nr. 3). Die zweite und dritte „Cadenza ad libitum" in der X V I . Rh. bringt sogar noch gewisse Anklänge an die „quasi Zimbalo"-Stellen der früheren Rhapsodien. Die auf S. 49—50 erörterten vorschlagartigen Antizipationen werden von Liszt in manchen Originalkompositionen als ungarisches Charakteristikum verwendet. Beispiele dafür finden sich an folgenden Stellen: Elisabethlegende, I. Teil, Nr. 1, bei den Worten des Ungarischen Magnaten „Der Heimath ward es früh beraubt . . . " usw.; „Trois odes funèbres" Nr. 2, Takt ggff. ; „Sunt lacrymae rerum, en Mode hongrois" (Années de pèlerinage I I I , Nr. 5) Takt 75 ff. Von den zigeunerhaften Ornamenten erscheinen noch die in die Tonika hinaufführenden Schleifer — sogar mit dem übermäßigen Sekundschritt zwischen der Mollsexte und dem Leitton, wie in deu auf S. 50 erwähnten Bearbeitungen — im Hauptthema des „Ungarischen Stum-Marschs" (s. Notenbeispiel 12, b). Sonstige Verzierungen, die weder ausschließlich auf die ungarische Musik, noch auf die Zigeuner zurückgeführt werden können, finden sich bei Liszt als ungarisches Charakteristikum angewendet u. a. in einem der unveröffentlichten ungarischen Klavierstücke (s. S. 66), im Hauptthema des Krönungsmarsches und in der „Melodie dem Andenken Petöfi's". Von den Stileigentümlichkeiten, die Liszt aus der ungarischen Musik aufgenommen hat, muß noch die sogenannte „ungarische" Skala, richtiger: Zigeunerskala, erwähnt werden. Sie ist eine harmonische Molltonleiter mit erhöhter 4. Stufe. Diese Skala taucht in der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik um das Jahr 1800 herum auf (s. S. 11). Sie gelangt zu Liszt erst durch ein „Adagio" von G. Röthkrepf (Mâtray), das Liszt vermutlich nach dessen gedruckter Fassung („Pannönia" 1826) am Anfang von UNM. Nr. 9 bearbeitet hat. Den Anderthalbton-Triller zwischen der 3. und 4. Stufe der Zigeunerskala hat Liszt in dieser Bearbeitung schon in dem von ihm hinzukomponierten Einleitungsteil — also schon einigermaßen unabhängig von der Quelle — verwendet. In der Ornamentik der Bearbeitung UNM. Nr. 10 hält Liszt zwar im Grunde an der Ornamentik, bzw. Kolorierung dieses Musikstückes (das Raköczi-nöta) in der „Pannönia" fest, aber die Zigeunerskala darin ist schon zweifellos eine Zutat Liszts. Hier erscheint die Skala in folgender Gestalt: d-es-fis-g-a-b-cis-d, welche sich zur ursprünglichen wie eine plagale zur authentischen verhält. Die authentische Form findet sich noch in manchen Themen der ungarischen Bearbeitungen Liszts wieder: UNM. Nr. 1 1 , 2. Thema; Nr. 17, 1. Thema; „Nr. 20", 3. Thema: „Walachische Melodie". Die plagale Gestalt erscheint dagegen nur noch als zweifellose Zutat Liszts u. a. in der Coda des Raköczi-Marsches (a-b-cis-d-e-f-gis-a). Die Bedeutung der Zigeunerskala läßt sich in Liszts Originalkompositionen teils auf melodischem, teils auf harmonischem Gebiet nachweisen. Das Kennzeichen ihres Vorhandenseins ist ganz allgemein die hoch-

Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen.

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alterierte 4. Stufe in Moll, bzw. der Gebrauch der mit dieser Stufe gebildeten übermäßigen und verminderten Intervalle. Diese allgemeinen Kennzeichen bedürfen aber sehr starker Einschränkungen. Die erhöhte 4. Stufe ist ja in der ganzen europäischen Musik eine landläufige Alteration, die wechselnotenartig teils als Leitton der Dominante, teils als chromatische Durchgangsnote von der 5. zur (nicht erhöhten) 4. Stufe gebraucht wird. Der Einfluß der Zigeunerskala in der Melodik ist also nur dann festzustellen, wenn die erhöhte 4. Stufe weder nur gelegentliche Alteration, noch leittonartig aufgelöster Wechsel- oder Durchgangston ist, und wenn die genannte Stufe in Verbindung mit anderen, in der Zigeunerskala vorhandenen Stufen vorkommt. Wenn man mit den, in diesen Forderungen ausgesprochenen Gesichtspunkten an Liszts Kompositionen herantritt, so findet man zahlreiche und interessante Fälle, welche den Einfluß der Zigeunerskala zeigen. Der gemeinsame Charakterzug dieser Stellen ist das unmittelbare Abspringen von der erhöhten 4. Stufe in die 3., also der übermäßige Sekundschritt von der erhöhten 4. Stufe abwärts. Als Beispiele seinen folgende Stellen genannt: sinfonische Dichtung „Tasso", Takt 27 bis 28; sinf. Dichtung „Hungaria", Takt I 3 3 f f . , ferner die Unisonostelle Takt 209 ff. vor dem Eintritt des Allegro eroico; Anfang des Liedes „Die drei Zigeuner"; Elisabethlegende I. Teil: Gruß des Ungarischen Magnaten; „Trois odes funèbres" Nr. 2, Takt 98 ff. ; „Trauermusik zu Mosonyis Tod" Takt 9; „Ungarischer Geschwindmarsch" Takt 12, 19 u. f.; X V I . Rh., Anfang; usw. usw. Es kommt bei Liszt auch vor, daß die erhöhte 4. Stufe unmittelbar weder nach oben, noch nach unten weitergeführt wird, d. h. daß sie als eine Stufe von absolut selbständiger melodischer Funktion behandelt wird. Das erste Beispiel findet sich im Gloria der Krönungsmesse bei „miserere nobis" (s. Notenbeispiel 16). Hier sollte der Ton as eigentlich gis heißen, wie Liszt auch noch in der höheren Oktave schreibt: der Schritt b-as (bzw. b-gis) ist 6. und 4. Stufe in der Zigeunerskala auf d, er wird aber hier gleich enharmonisch umgedeutet aus der verminderten Terz in eine große Sekunde und der Ton as ist schon die Dominante von Des-dur. Diese Stelle zeigt die eigenartige melodische Verwertung der Enharmonik. Im Klavierstück „Sunt lacrymae rerum, en Mode hongrois" (Années de pèlerinage Nr. 5) wird die 4. Stufe der Zigeunerskala auf d gleich am Anfang der Komposition auf ähnliche Weise — aber ohne Enharmonik — als schlußfähiger Ton behandelt. Die „Mode hongrois" hat hier Liszt wohl im Sinne von „modus: Tonart" gebraucht („Mode hongrois": ungarische, bzw. Zigeunerskala). Für beide letzterwähnten Fälle ist bezeichnend, daß sie im Unisono gehalten sind, ohne jede harmonische Unterstützung. Bei der melodischen Ausnutzung der Zigeunerskala verwendet Liszt also die charakteristische Stufe derselben als einen allen anderen Stufen ebenbürtigen Ton. Das bedeutet aber soviel, daß der Leittoncharakter der erhöhten 4. Stufe verloren geht. Die Zigeunerskala in der Melodik des späten Liszt scheint mir also kein unbedeutender Beitrag zu der allmählichen Auflockerung der Auflösungsbedürftigkeit von Leittönen zu sein.

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D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten

Franz

Liszts.

Wenn diese melodischen Folgen — zwar nur in den allerelementarsten Keimen — in der Liszt bekannten ungarischen Musik vorhanden waren, so war dagegen die harmonische Ausbeutung der Zigeunerskala schon gänzlich Liszts Idee. Er ging darin weit über die schon längst gebräuchlichen Alterationsakkorde hinaus, die in der Zigeunerskala als leitereigene, d. h. als nicht alterierte gegeben waren (z. B. der sogenannte übermäßige Quintsextakkord). Ihm, dem Meister der Enharmonik konnte es nicht entgehen, daß die durch Intervallkombinationen mit der 4. Stufe der Zigeunerskala sich ergebenden übermäßigen und verminderten Intervalle ein großes Feld für enharmonische Wechsel geöffnet haben. Die klangliche Identität (wenigstens bei Tasteninstrumenten) der in der Zigeunerskala gegebenen übermäßigen und verminderten Intervalle mit reinen, großen oder kleinen Intervallen hat Liszt zur Konstruktion solcher Akkorde geführt, welche nicht aus der Übereinanderschichtung von Terzen abgeleitet werden können, sondern in deren Struktur die (übermäßige) Sekunde und die (verminderte) Quarte eine wichtige Rolle spielen. Da aus dem Zusammenhang herausgerissen die übermäßige Sekunde wie eine kleine Terz und die verminderte Quarte wie eine große Terz klingt, hören sich die mit diesen Intervallen konstruierten Akkorde an und für sich wie solche an, denen die übliche Terzenschichtung zugrundeliegt. Erst wenn man diese Akkorde im Zusammenhang mit anderen hört, wird die in der Notierungsweise ausgedrückte eigenartige Sekunden- und Quartenstruktur und somit der Vorhaltscharakter erkennbar. Dem Vorhaltscharakter entsprechend bedürfen diese Akkorde einer Auflösung. Die zweifellos von Liszt hinzugesetzten Anfangsakkorde der Bearbeitung „Einleitung und ungarischer Marsch von Graf Emerich Szechenyi" geben dafür ein gutes Beispiel. Der erste Akkord: b-cis-f-gis besteht aus einer übermäßigen Sekunde, einer verminderten Quarte und wieder einer übermäßigen Sekunde; die einzelnen Töne sind die 6., 7., 3. und 4. Stufe der Zigeunerskala auf d. Da dem Akkord nichts vorangeht, hätte er auch als gewöhnlicher Terzenakkord: b-des-f-as, also als Septimenakkord über b mit kleiner Terz aufgefaßt werden können. Indem aber im nächsten Akkord: a-cis-f-a, das b nach a und das gis nach a weitergeführt wird, entpuppt sich der erste Akkord als doppelter Vorhalt vor dem Sextakkord der 3. Stufe in d-moll. Es finden sich noch weitere Beispiele in Liszts späten ungarischen Klavierkompositionen. In Nr. 4 der „Ungarischen Bildnisse": „Teleki", ist der Akkord cis-fis-b aus der 4., 7. und 3. Stufe der Zigeunerskala auf g — auf welcher sich das ganze Stück aufbaut — konstruiert. Dieser (in der genannten Komposition mehrfach erscheinende) Akkord besteht also aus zwei Quarten, klingt aber wie ein Quartsextakkord der Tonika in Fis-dur. Der Ton b wird vorhaltsmäßig nach a weitergeführt. Der so entstehende fis-moll-Dreiklang, der hier die Auflösung des Quartenakkords bedeutet, ist in der Zigeunerskala auf g keineswegs so fremd, wie in g-moll; er ist hier nämlich leitereigen: er ist der Dreiklang auf der 7. Stufe. Ein besonders interessantes Beispiel findet sich im Takt 7 — 1 1 der X V I I . Rh. (s. Notenbeispiel 17). Der Schlußakkord des Einleitungsteiles: gis-cis-f-b

Ungarische Stileigentümlichkeiten in den Originalkompositionen.

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besteht aus der 4., 7., 3. und 6. Stufe der Zigeunerskala auf d und ist im Grunde ein dreifacher Vorhaltsakkord vor dem Dominant-Dreiklang. Dem Klange nach kann dieser Akkord zuerst als die dritte Umkehrung des Septimenakkordes auf b mit kleiner Terz aufgefaßt werden, also als ein Akkord, der auf eine Grundform mit Terzenstruktur zurückgeht. Der Vorhaltscharakter wird erst nach der Fermate erkennbar, indem das gis nach a, das f nach e aufgelöst und das b (statt nach a aufgelöst zu werden) nach h weitergeführt wird. So fand die Zersetzungstendenz, die sich in Liszts Spätwerken gegenüber der Terzenharmonik kundgibt, in seiner Vorliebe für die Zigeunerskala einen fruchtbaren Boden, indem gewisse Akkorde, die — aus dem Zusammenhang herausgerissen — sich klanglich von Akkorden mit Terzenstruktur nicht unterscheiden, in der Zigeunerskala als „leitereigene" Quartenakkorde gedeutet und behandelt werden. Wie das letzte Beispiel zeigt, geriet bei Liszt in dieser — im Jahre 1884 entstandenen — Komposition selbst die Auflösungsbedürftigkeit des aus drei übereinandergelagerten Quarten bestehenden Akkordes in Schwanken: der Akkord steht am Schluß eines für sich abgeschlossenen Teiles und die Auflösung erfolgt erst nach einer Fermate, schon als Anfang des folgenden Teiles. Die Zigeunerskala enthielt weiterhin für Liszt neue Möglichkeiten für die Erweiterung der Tonalität. Beispielsweise ist in der Zigeunerskala auf g der fis-moll- und der Es-dur-Dreiklang leitereigen: sie sind die Dreiklänge der 7., bzw. der 6. Stufe. Die unmittelbare Verbindung dieser sonst gar nicht verwandten Akkorde kommt bei Liszt z. B. in Nr. 4 der „Ungarischen Bildnisse": „Teleki", vor (fis-moll in Sext-, Es-dur in Quartsextlage). Die Ausbeutung der melodischen und harmonischen Möglichkeiten, die in der Zigeunerskala gegeben waren, ist einzig und allein Liszts Werk. Als er das in der Zigeunerskala auf g gehaltene eigenartige Ostinato G, B, eis, Fis von Mosonyi aus dessen Klavierkomposition „Gyäszhangok Szechenyi Istvän halälära" (Trauerklänge auf Stefan Szechenyis Tod) übernahm, haben ihn offenbar die verschiedenen Verwertungsmöglichkeiten dieses enharmonisch mehrdeutigen Themas gelockt. Liszt legte das Ostinato der 4. Nummer der „Ungarischen Bildnisse": „Teleki", zugrunde und hat es teils durch die metrische Verschiebung um zwei Viertel — eis, Fis, G, B : klingt mehr nach h-moll —, teils durch die stark chromatisierenden Harmonien auf eine, von Mosonyi kaum geahnte Weise ausgebeutet. Die Verwendung der Zigeunerskala als ungarisches Charakteristikum ist, wenn auch nicht zweifellos gänzlich Liszts Idee, jedoch sehr bezeichnend für ihn. E r glaubte in dieser Skala eine Eigentümlichkeit gefunden zu haben, die zum tiefsten Wesen der ungarischen Musik gehöre. Heute wissen wir, daß die Zigeunerskala in der volkstümlichen ungarischen Kunstmusik des 19. Jahrhunderts nur eine Modeerscheinung war, deren tieferen Gründe aber bis heute noch nicht erforscht worden sind. Liszts ungarische Stileigentümlichkeiten in seinen Originalkompositionen lassen sich also teils auf einzelne Motive (Räköczi-nöta und Rä-

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Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

köczi-Marsch, Sztfzat), teils auf allgemeinere Eigenschaften einzelner Stilarten (Verbunkos-Schlußformel, Csardas- und Lied-Rhythmik) der von ihm bearbeiteten ungarischen Themen zurückführen. Daneben spielen in seinem ungarischen Stil auch solche Momente eine bedeutsame Rolle, die in der ungarischen Musik nur gelegentlich und unter fremden Einflüssen auftauchen (Marschtypen, zigeunerische Manieren, Zigeunerskala). Diese Stileigentümlichkeiten dringen bei Liszt sowohl in seine Klavierwerke, wie in sein orchestrales und vokales Schaffen ein, selbst die kirchlichen Werke nicht ausgenommen. Sie sind jedoch größtenteils in denjenigen Kompositionen zu finden, die nach der Blütezeit seiner ungarischen Bearbeitungen (d. h. nach 1853) entstanden sind. Diese Werke pflegen auch irgendwelche außermusikalische Beziehungen zu Ungarn aufzuweisen. Die Stileigentümlichkeiten hat Liszt aus der ungarischen Musik in seine Originalkompositionen keineswegs immer so übernommen, wie er sie dort vorfand, sondern er hat sie teils motivisch verwertet (s. die Behandlung der VerbunkosSchlußformeln), teils idealisiert. In der Idealisierung ging er in einigen Fällen so weit, daß die Zusammenhänge mit der ungarischen Musik nicht mehr unmittelbar zu erkennen sind (Csardas-Typus, harmonische Ausbeutung der Zigeunerskala).

Zusammenfassung. Liszts künstlerisches Verhältnis zur ungarischen Musik zeigt sich einerseits in seinen Bearbeitungen, andererseits in den ungarischen Stileigentümlichkeiten seiner Originalkompositionen. Auf diesen beiden Gebieten war Liszt hauptsächlich durch die ungarische Musik seiner Zeit beeinflußt worden. Er hat die ungarische Musik in der Hauptsache durch das Spiel der ungarischen Zigeuner kennen gelernt. Die Folge davon war, daß die Vortragseigenheiten der Zigeuner eine nicht unwesentliche Rolle in Liszts ungarischen Stileigentümlichkeiten spielen. Liszts künstlerische Entwicklung — lediglich vom Gesichtspunkt seiner Beziehungen zur ungarischen Musik aus betrachtet — ging folgendermaßen vor sich. Die ersten Spuren der Beeinflussung seitens der ungarischen Musik zeigen sich nicht vor den im Jahre 1840 veröffentlichten Werken. Die geistige Strömung, welche sich in der Ausbildung n a t i o n a l e r S c h u l e n kundgibt, regt sich in Liszt zuerst zu dieser Zeit. Sein unmittelbares Vorbild in dieser Hinsicht kann wohl Chopin gewesen sein, dessen Musik vielfach sein p o l n i s c h e s Wesen widerspiegelt. Liszt wird auf seine u n g a r i s c h e Abstammung stolz und er will sich auch musikalisch zum Ungartum bekennen. Von diesem Zeitpunkt an entstehen seine ungarischen Bearbeitungen, neben welchen die ungarischen Originalkompositionen zuerst nur Gelegenheitswerke oder tastende Versuche waren. Die Hauptperiode der ungarischen Bearbeitungen war im Jahre 1853 mit den ersten 15 Nummern des zweiten Rhapsodiezyklus bereits abgeschlossen. Für die folgende Zeit sind diejenigen Originalkompositionen charakteristisch, mit denen Liszt die sogenannte „neudeutsche Schule" zu einer Hochblüte führte. In diesen Werken finden sich ungarische Themen und Motive der Charakteristik halber angewendet. Den Wendepunkt zur letzten Periode bildet die Krönungsmesse, in deren Offertorium das dritte und letzte Stadium in Liszts Beziehungen zur ungarischen Musik schon klar ausgeprägt ist. Statt der bloßen Charakterisierung durch ungarische Motive — die er in der vorhergehenden Zeit in keiner Hinsicht anders behandelt hat, als seine übrigen, nichtungarischen Themen — bildet er sich jetzt einen eigenen, besonderen ungarischen Stil aus. Dieser ungarische Stil unterscheidet sich nicht nur von seinen „neudeutschen" Werken, sondern auch von seinen ungarischen Vorbildern. Er besteht zum Teil aus einer so großen Idealisierung der aus der ungarischen Musik übernommenen Typen und Einzelheiten, daß auf die Vorbilder

74

D i e ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

selbst kaum unmittelbar hingewiesen werden kann. In Liszts beiden letzten Schaffensperioden zählen die ungarischen Bearbeitungen im Gegensatz zu den in dieser Zeit entstandenen anderen ungarischen Werken (Originalkompositionen) größtenteils nur zu Gelegenheitsarbeiten. In seinem Verhältnis zur ungarischen Musik kann man Liszt mit keinem seiner nichtungarischen Vorgänger und Zeitgenossen vergleichen. Es sind zwar im musikalischen Wortschatz Haydns, Beethovens und Schuberts vereinzelt manche ungarischen Laute vorhanden, welche beweisen, daß diese Meister sich für den eigenartigen Klang der ungarischen Musik interessiert haben. Ihr Interesse galt aber im Grunde hauptsächlich der musikalischen Kuriosität. Als Liszt um das Jahr 1840 herum aus dem französischen Kulturgebiet wieder nach Wien und von dort aus in sein Geburtsland kam, schien es, als ob die ungarische Musik auch auf ihn keine tiefere Wirkung auszuüben vermocht hat, als auf die großen Wiener Meister. E r knüpft ja bei Schuberts „Divertissement ä la hongroise" an! Was aber in seinem späteren Entwicklungsgang folgte, das hat ihm nicht nur das rein musikalische Interesse für eine eigenartige Musik diktiert, sondern die Liebe zu seinem Geburtsland. Liszt, der große Virtuose, besaß eine überaus breite seelische Resonanzfähigkeit für die verschiedensten Arten von Musik. Bevor er zur ungarischen Musik gelangte, hat er schon eine Reihe schweizerischer, italienischer und anderer Volksweisen bearbeitet. Diese Weisen dienten ihm als gedankliche Grundlagen zur Entfaltung seiner pianistischen Virtuosität, ferner huldigte er mit diesen Bearbeitungen den Ländern, welche er bei Gelegenheit seiner Konzertreisen besuchte. Dagegen haben seine ungarischen Bearbeitungen eine viel tiefere Bedeutung: er betrachtete sie als Ergebnisse seiner nationalen Studien, mit denen er fast in ganz Europa für sein Geburtsland geworben hat. Es ist keineswegs Liszts Schuld, wenn er in die nationalen Eigentümlichkeiten der ungarischen Musik nicht tiefer eindrang und wenn er die ungarische Musik hauptsächlich aus der sekundären Quelle des Zigeunerspiels kannte. Äußere Umstände, vor allem aber seine romantische Begeisterung für das sonderbare Volk der Zigeuner haben ihn daran gehindert, das wahre Wesen der ungarischen Musik zu ergründen. Das erkennen wir heute, wo die folkloristischen Forschungen unseres Jahrhunderts die urwüchsige Bauernmusik Ungarns zutage gefördert haben. Aber zu Liszts Zeiten waren es selbst in Ungarn sehr wenige, welche die Existenz einer solchen Musik gewußt, ja geahnt haben. So wurde die „vollständige Harmonie" und die „hinreichende Klangfülle" der Zigeunerorchester zu einem seiner Ideale. Es ist also kaum wahrscheinlich, daß er dem einstimmigen ungarischen Bauernliede mit derselben hohen Begeisterung entgegengetreten wäre, wie dem Zigeunerspiel. Die Bedeutung der ungarischen Werke Liszts ist am größten für die u n g a r i s c h e K u n s t m u s i k . Mit seinen Bearbeitungen erhob er die ungarische Musik weit über das Niveau des bis dahin in Ungarn herrschenden

Zusammenfassung.

75

Dilettantismus hinaus. In seinen ungarischen Originalkompositionen hat er als erster einen höheren ungarischen Nationalstil ausgebildet und damit ist er für die späteren derartigen Bestrebungen der Bahnbrecher geworden. Ferner ist er mit seiner ganzen Persönlichkeit, sowohl als Komponist Vie auch als Virtuose für die Verbreitung ungarischer Musik in ganz Europa eingetreten. Daraus ergibt sich auch seine Bedeutung für die ganze europäische Musikentwicklung: seine ungarischen Werke haben die Empfindungswelt der Romantik mit einem neuen musikalischen Kolorit bereichert.

Anhang.

Tabellarische Übersicht der Themen, welche Liszt in seinen ungarischen Rhapsodien bearbeitet hat. V o r b e m e r k u n g e n . Der Zweck dieser Tabelle ist, die Beziehungen zwischen den Themen des ersten und des zweiten Rhapsodiezyklus übersichtlich darzustellen. Die Bearbeitungen werden mit den bisher verwendeten Abkürzungen angegeben. Um bei der Numerierung der einzelnen Themen Mißverständnissen vorzubeugen, wird Tonart (Dur mit großen, Moll mit kleinen Buchstaben) und Tempo angegeben. Die Abkürzung „ V " bedeutet, daß Liszt das betreffende Thema nach einer bestimmten Vorlage bearbeitet hat. Wo dieser Umstand nicht nachweisbar, das Thema aber in ungarischen Quellen vorhanden ist, wird die Abkürzung „ Q " angewendet. Der Verweis auf die endgültige Fassung Liszts erfolgt mit dem Zeichen , , E " , auf die frühere Fassung mit „ F " . E r s t e r Zyklus. UNM. „ „ „ „ „ „ „ ,, ,, ,, ,, ,, „ ,, „ „

Nr. „ „ „ ,, „ „ „ „ ,, ,, „ „ „ „ „ „

i, 2, 3, 4, 5, 6, i. Th. 6, 2. „ 7, I. „ 7, 2. ,, 7-. 3- .. 8, 9, I. ,, 9, 2. „ 9, 3. „ 9, 4. ,, 9, 5. ,, 10, 1. „ 10, 2. ,,



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c, Lento C, Andantino As, bzw. Des, Sehr langsam Cis, Animato Des, Tempo giusto g, Lento B, Allegretto Es, Andante cant. Es, Andantino Es, Piu animato f, Lento a, Lento a, Quasi Presto a, bzw. C, (Presto) C, bzw. a (Presto) a, bzw. d, „Alternativo" D, Adagio sostenuto D, Allegro vivace

Q Q E : VI. Rh., 2. Th. „ 1. „ 1. „ „

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b, bzw. B. Andante sostenuto E : I I I . Rh., 1. Th. tt g, ,,un poco animato" — E :. iI n I I. „,, 2. ¿j. ,,„ B , Allegretto V E : VI. „ 4. „ e, Adagio dolente Q E : V. „ 1. „

Anhang. UNM. Nr. 12, 2. T h . G, „dolcissimo" 12. 3. „ E , „appassionato" M II a, bzw. A, „ M a r c i a " II II 13. If fi 14-1- „ a, Lento 1 4 . 2 . „ A, Andante sostenuto II If II 1 1 4 . 3 - » a, Vivace assai ff 1 1 4 . 4 - „ A, „giocoso" ii ii 15- i . „ d, Lento ii ii 1 5 . 2. „ d, Vivace ii I 1 5 . 3 - „ d. (Vivace, T a k t 25 ff.) a ti 1 5 . 4 - „ G, Un poco meno vivo H, „ v i b r a t o " a a 15.5„ E , bzw. e, a 1 6 , 1. „ ii a a, Andante sostenuto a a 17. i„ A, bzw. a, Poco più mosso ii 1 1 7 . 2. „ d dorisch, Vivace a ii 17.3- „ d, Tempo rallentando ii >1 17, 4- „ ii ii I 7 . 5 . „ F , später A, Più mosso a, „espressivo" it a 1 7 . 6- „ „Nr. 18" (Ms.), 1. T h . eis, Adagio E , bzw. eis 2. , ii ii 3- , Des „Nr. 1 9 " (Ms.), 1. , ii

2. ,

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e, später E Cis, Poco Allegro a, Allegretto F , bzw. d, Allegro vivace F, „ K o l t ó i Csardas" A, bzw. a, „sfogato"

Q E E E — E — Q E E —

XIV. XIV. XIV. XIV. XIV. XIV.

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78

Die ungarischen Stileigentümlichkeiten Franz Liszts.

I. Rh., i. Th. ff ff

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2. 3i. 2. I. 2. 3I. 2. 3I. 2. 34i. 2. 34X. 2. 3X. 2. 345i. 2. 34i, 2. 345-

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Zweiter Zyklus. E, bzw. cis, Andante assai mod. Q Des, Andantino Q E, Più moderato Q (Siehe II. Kapitel) b, bzw. B, Andante g, Allegretto

-

Es, Quasi adagio Es, Andantino Es, Allegretto

-

e, Lento con duolo G, „dolcissimo" E, „dolce" Des, Tempo giusto Cis, Presto b, Andante B, Allegro d, d, d, G,

Lento Vivace (Vivace) „scherzando"

fis, Sempre lento Fis, Allegretto con grazia Fis, Presto giocoso assai Es, Sempre moderato Es, Allegretto es, Presto As, Un poco meno presto Fis, Più animato E, bzw. e, a a, Lento a capriccio A, Andante sostenuto fis, Vivace assai fis, Prestissimo cis, Adagio E, bzw. cis, Allegro zingarese fis, „rit. il tempo, sempre rubato" Des, Allegretto giojoso Des, Stretta, Vivace

F : UNM. Nr. i l , I. Th. F: 2. „

F- UNM., Nr. 7,1. F : yy yy yy yy 3* Q F: Q f UNM. Nr. 6, i. und UNM. Nr. 12, i. Q F UNM. Nr. 12, 2. - F 3UNM. Nr. 5 Q F „ „ 4Q F „Nr. 20", i. Q F V F UNM. Nr. i i , 3.

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F UNM. Nr. 15, i. „ yy yy ,, F yy yy 3" >> F fy yy 4• » F „Nr. 19", 1. Th. Q F yy 2. ,, Q F 3- » Q F - F Pesther Carn. i. „ - F yy ff ,, - F ft yy 3* yy ff yy 4"* ff Q F ft yy 5* ff Q F V F UNM. Nr. 16. Q Q Q Q

- F UNM. Nr. 14,1. - F 2. - F „ 3- F „ 4„Nr. 18", 1. - E

2. „

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Q F Q F „Nr. 20",

3- „ 5. „

Anhang.

Th. a, Andante sostenuto A, bzw. a, „marcato con grazia" d dorisch, Vivace a, bzw. C, „un poco meno vivo F , (,,un poco meno vivo") f, später F, Lento, bzw. Allegro D, Poco allegretto a, Allegretto alla zingarese F, bzw. d, Allegro vivace F , Vivace assai A, bzw. a, „sfogato con bravura" F , Presto assai F, Allegro brioso XV.

79 Q F : UNM. Nr. 1 7 , 1 . Th. 2.

— F: Q F:

3-

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Q F: „Nr. 2 i " , Q F Q -

F F F F F:

1 2 3 4 5 6.

Q F : Pesther Cam. 6.



a, bzw. A. Tempo di Marcia, etc. Q F : UNM. Nr. 13. (XVI., X V I I I . und X V I I I . Rh.: Originalkompositionen.)

X I X . Rh. ,, „

1. 2.

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d, Lento d, Vivace

V V

Notenbeispiele 1.

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Notenbeispiele 3 - 6 , 8 - 9

82

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Notenbeispiele 13-17 14.

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Literaturwissenschalt und -geschichte BANG, W., GABAIN, A. v.: Ein uigur. Fragment über den manich. Windgott (VIII). B R Ü C K N E R , A.: Ungarn und Polen (IV). —: Ein Arpaden-Held russischer Baliaden? (VI). D R E S C H E R , P.: Die ungar. Übersetzungsliteratur 1920 — 28 (IX). F A R K A S , J. v.: Ein deutsches episches Gedicht von Vörösmarty (IX). —: Graf J . MailÄth und J . Frhr. v. Lassberg (X). F I T R Ä T , RACHMATI: Qutadyu Bilig (VI). G R A G G E R , R . : Eine altungar. Marienklage (III). —: Beiträge zur Visionenliteratur im Mittelalter (V). —: Martin Opitz und Siebenbürgen (VI). G Y Ö R G Y , L.: Die Übersetzungen deutscher Romane und Erzählungen in der ungar. Literatur (1772 — 1836) (VIII). HAMMERICH, L. L.: Der junge ungar. Ritter im Fegefeuer (VII). MOÖR, E.: Deutsche Spielmannsstoffe in Ungarn (V). SCHÖPFLIN, A.: Die ungar. Literatur im 20. Jh. (V). W A L D E R , J . v.: Formprobleme eines Gedichtes (VII). W E B E R , A.: Maria Theresia auf dem Preßburger Reichstag (III). Landes- und Volkskunde BOLTE, J . : Finnische und estnische Volksmärchen (II). B U L L A , B . : Die neuere ungar. Geographie (IX). I S B E R T , O. A.: Geschichtl. (statist.) Untersuchungen über das südwestl. ungar. Mittelgebirge und seine Bauernsiedlungen (X). P F I S T E R , J . : Pannonien in polit.-geogr. Betrachtung (VIII). PRINZ, J . : Die Siedlungsformen Ungarns (IV). SCHULZE, W.: Das Rätsel vom trächtigen Tiere (IV). SOLYMOSSY, A.: Verwandtschaft der ungar. Volksmärchen mit den orientalischen (III). SOÖ, R. v.: Die Entstehung der ungar. Puszta (VI). Arbeiten, Sprachwissenschaft, Geschichte, Landes- und Volkskunde umfassend BONKÄLÖ, A.: Die ungarländ. Ruthenen [Sprachwiss., Gesch.] (I). GOMBOCZ, Z.: Die bulgar. Frage und die ungar. Hunnensage [Sprachwiss., Gesch.] (I). MARKW A R T , J . : Ein arabischer Bericht über die arktischen (uralischen) Länder aus dem 10. Jh. [Gesch., Sprachwiss., Landeskunde] (IV). —: Kultur- und sprachgeschichtliche Analekten [Gesch., Sprachwiss.] (IX). MOÖR, E.: Eine Vorrichtung der ungar. Sperrfischerei [Sprachwiss., Volkskunde] (VII). —: Zur Siedlungsgeschichte der deutsch-ungar. Sprachgrenze I, II [Gesch., Sprachwiss.] (IX). SCHOSTAKOWITSCH, W. B . : Die historisch-ethnograph. Bedeutung der Benennungen sibirischer Flüsse [Geogr., Sprachwiss.] (VI). T A G Ä N Y I , K . : Alte Grenzschutzvorrichtungen und Grenzödland: gyepü und gyepüelve [Sprachwiss., Gesch.] (I). Wirtschaftswissenschaft und -geschichte, Soziologie, Bevölkerungslehre B U D A Y , L. v : Landwirtschaftliche Produktion in Ungarn (I). — : Die Bevölkerungsbewegung in Ungarn und der Krieg (I). — : Neuere Bestrebungen zur Förderung des Handwerks in Ungarn (V). DOMANOVSZKY, A.: Die Vergangenheit der ungar. Donau-Handelsschiffahrt (II). E C K H A R T , Fr.: Die Handels- und Zahlungsbilanz Ungarns unter der Regierung Maria Theresias (III). F E L L N E R , F. v.: Die internationale Zahlungsbilanz Rumpfungarns und das Problem der Wiedergutmachungen (III). FUCHS, A. v.: Skizze des ungar.,Bankwesens (I). H E L L E R , W.: Kreditwesen und Kreditpolitik in Ungarn (X). HORVATH, J . v.: Das Genossenschaftswesen in Ungarn (I). KOVACS, A.: Die Wiedergeburt der ungar. Volkskraft (II). K V A S S A Y , E. v.: Die Donau vom Standpunkt der Schiffahrt (I). S E B E S S , D.: Die Agrarreform in Ungarn (I). SINZ, J . : Die Sanierung Ungarns (VII). —: Konjunkturforschung in Ungarn (IX). S Z E K F Ü , J . : Geschichte des ungar. Weinbaus (III). V A R G A , St.: Die wirtschaftlichen Schäden der Besetzung Rumpf Ungarns (IV). W A L D E R , J . v.: Das Sparwesen in Ungarn [1839 —1914] (VI). ZEMPLßNI, E.: Die Sowjetführer Ungarns (IV). — : Wirtschafts- und Finanzgeschichtliches zur Bankozettelperiode in Ungarn (VIII). Rechtswissenschaft und -geschichte, Politik, Publizistik A N D E R S S E N , W.: Die Entwicklung der ungar. Räteverfassung (IV). B A J Z A , J . v.: Die kroatische Publizistik während des Weltkrieges (I). CONCHA, V.: Die ungar. Publizistik (I). E C K H A R T , F.: Staatsrecht und Privatrecht in Ungarn im Mittelalter (IX). E G Y E D , St.: Die heutigen staatsrechtlichen Einrichtungen Ungarns (III.) —: Das ungar. Komitat (X). KUNCZ, E.: Die gesetzliche Regelung des Schutzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Ungarn (V). M A G Y A R Y , Z.: Das ungar. Budgetrecht (IV). N Y U L A S Z I , J . : Staatsverträge zur Regelung von Steuer- und Gebührenfragen (II). RliZ, M.: Gedanken über Stephan Tisza (I). Bildung, Unterrichtswesen, Ungarisches Institut an der Universität Berlin B E C K E R , C. H.: Robert Gragger (VII). G R A G G E R , R.: Unser Arbeitsplan (I). — : Die ungar. Universität (V). K L E B E L S B E R G , K . : Die Universität der öffentlichen Sammlungen (III). — : Ungar. Kulturpolitik nach dem Kriege (V). Kunst, Kunstgeschichte G E R E V I C H , T.: Von der älteren ungar. Kunst (V). GOMBOSI, O. J . : Eine deutsche Lautentabulatur (III). H A J Ö S , E.: Deutsch-ungar. Kunstbeziehungen im 19. Jh. (X). SCHÜNEMANN, G.: Ungar. Motive in der deutschen Musik (IV). S E N G E R , A.: Der Reiter im Kaiserdom zu Bamberg (IV). S T R Z Y G O W S K I , J . : Die Völkerwanderungskunst im Bereiche der Karpathenländer (X). Bd. I —V enthalten Bibliographie, Bd. VI —X Bücherschau WALTER DE GRUYTER & CO. / BERLIN W . 10 / GENTHINER STRASSE 38

Ungarische

Bibliothek

Für das Ungarische Institut an der Universität Berlin herausgegeben v o n J U L I U S V O N PARKAS ERSTE REIHE 1. Die Herkunft der Ungarn, ihre Sprache und Urkultur. Zweite Auflage. Von Josef S z i n n y e i RM. 1.50 2. Deutsche Handschriften in ungarischen Bibliotheken, Mit einer Faksimile-Tafel der Nibelungenhandschrift F. Von R. Gragger RM. 1.50 3. Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlungen in Ungarn. Von Karl T a g ä n y i RM. 2.— 4. Die deutschen Lehnwörter der ungarischen Sprache. Von Theodor T h i e n e ö i a n n .. S I L —.40 5. Die Kenntnis der byzant. Geschichtsschreiber von der ältesten Geschichte der Ungarn vor der Landnahme. Von Herbert Schönebaum ,.. RM. —.80 6. Preußen, Weimar und die ungarische Königskrone. Von R o b e r t Gragger RM. 5.— 7. Eine altungarische Marienklage. Von Robert Gragger RM. —.50 8. Die Deutschen in Ungarn bis zum (12). Jahrhundert. Von Konrad Schüttemann RM. 5.— 9. Geschichtliches im Nibelungenlied. Von B ä l i n t Höman RM. 1.50 10. u. 12. Der Untergang der Römerherrschaft in Pannonien. Band I-II. Von Andreas A l f ö l d i RM. 2.— u. 9.— 11. Das ungarische Volkslied. Versuch einer Systematisierung der. ungarischen Bauernmelodien. Von B61a Bartök. RM. 15. — , geb. RM. 17.— 13. Festgabe Josef Szinnyei zum 70. Geburtstag. Herausg. vom Ungarischen I n s t i t u t RM. 7.— 14. Literaturdenkmäler aus Ungarns Tfirkenzeit. Festgabe c. H. Becker zum 50. Geburtstag. Von E. B a b i n g e r , R. Gragger, E. M i t t w o c h und J. H. Mordtfflann RM. 20.— 15. Die ungarische Romantik. Von J u l i u s von Farkas RM. 14.—, geb. 16.— ZWEITE REIHE r. u. 3. Ungarisches Privatrecht. Band I—II. Von A. Almäsi. RM. 2. Staatsverträge zur Regelung von Steuer- und Gebührenfragen. Von J o h a n n NyuLäszi „ .. .. 4. Das ungarische Budgetrecht. Von Zoltän von M a g y a r y .. .. 5. Ungarische Kulturpolitik nach dem Kriege. Von Gxaf Kuno Klebeisberg 6. Die Sanierung Ungarns. Von Josef Sinz 7. Das Volksvermögen Ungarns. Von F r i e d r i c h von Fellner ,,

8.— u. 7.70 RM, *-.6o RM. 1.— RM. —.80 RM. 5.— JRM. 5.—

DRITTE REIHE 1.—4. Bibliographia Hungariae ** Verzeichnis der Ungarn betreifenden Schritten in niclitungariacher Sprache Bd. I. Historie« EM. 4.— Bd. III. Philologie». Periodica . . EM. 12.— Bd. II. Geographica, Pol.-oeconomica RM. 22.— Bd. IV. Register EM. 8.—

Altungarische Erzählungen. Ausgewählt und übersetzt von R o b e r t Gragger. Numerierte Ausgabe auf Bütten. Oktav. VIII, 219 S. 1927 Geb. RM. 20.— Ungarische Balladen. Übertragen von H e d w i g Lüdeke, ausgewählt und erläutert von R o b e r t Gragger. Oktav. XIV, 206 S. 1926. RM. 7.—

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