Die Tradition Ben Jonsons in der Restaurationskomödie [Reprint 2020 ed.] 9783111326160, 9783110983005


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German Pages 168 Year 1963

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Die Tradition Ben Jonsons in der Restaurationskomödie [Reprint 2020 ed.]
 9783111326160, 9783110983005

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Britannica et Americana (Britannica, neue Folge)

Herausgegeben von den Englischen Seminaren der Universitäten Hamburg und Marburg/Lahn (Prof. Dr. Ludwig Borinski, Prof. Dr. Walter Fischer f . Prof. Dr. Rudolf Haas und Prof. Dr. Horst Oppel) Band 11

Die Tradition Ben Jonsons in der Restaurationskomödie von

Egon Tiedje

1963

Cram, de Gruyter & Co., Hamburg

Gedruckt mit Genehmigung der Philosophischen Fakultät und mit Unterstützung der Hochschulabteilung der Universität Hamburg

© Copyright 1963 by Cram, de Gruyter 6 Co., Hamburg Alle Rechte einschließlich der Übersetzungsrechte und der Rechte auf Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen vorbehalten. Printed in Germany. Gesamtherstellung: Gustav Peters, Lüneburg

INHALT Erster Teil Kap.

I

Kap. II

: Einleitung

7

: Vorbemerkungen zum T h e m a : Erläuterungen, Definitionen, Abgrenzungen

7

: Literaturbericht

15

Zweiter Teil: Ben Jonson in der Restaurationszeit I

: Aufführungen

Kap. II

: Anspielungen

Kap.

20 20 '

24

Dritter Teil : Gemeinsame Züge der Jonsonschen Komödie und des Restaurationslustspiels Kap.

I

30

: Realismus

30

Kap. II

: Dramatische Form

39

Kap. III

: Komische und satirische Techniken

53

Kap. IV

: Einzelne Szenen, Motive, Effekte

73

Kap. V

: Der Personenbestand

82

Kap. VI

: Themen

Schlußteil

108

: Unterschiede und Wirkungsfaktoren außer der Jonsonschen Komödie

Kap.

I

119

: Unterschiede zwischen J o n s o n und der Restaurationskomödie

Kap. II Anhang Anhang

: Wirkungsfaktoren außer der Jonsonschen Komödie I : Anmerkungen und Exkurse II : Verzeichnis der Abkürzungen

Anhang III : Literaturverzeichnis

119 .

.

128 132 161 163

E R S T E R

TEIL

Einleitung K A P I T E L

I

Vorbemerkungen zum Thema: Erläuterungen, Definitionen, Abgrenzungen Die Formulierung des Themas erfordert einige erläuternde Bemerkungen, damit die Aufgabenstellung klar hervortritt und auch nötige Abgrenzungen des Arbeitsfeldes von vornherein deutlich werden. Schon der Begriff „Tradition" enthält methodisch wichtige Aspekte. Einmal wurde er sozusagen „negativ" verstanden: Es handelt sich nicht darum, für jeden einzelnen Beleg jedes einzelnen Motivs stets den unmittelbaren Einfluß Ben Jonsons nachzuweisen, sondern der elastischere Begriff der „Tradition" erlaubt es, auch die Möglichkeit der indirekten Weiterwirkung in einer (mehr oder weniger langen) Reihe von Varianten des gleichen Phänomens zu berücksichtigen. Zweitens wurde „Tradition", obwohl grammatikalisch ein Singular, als ein sehr komplexer Begriff gebraucht, der sowohl die Grundhaltung des Autors gegenüber seinem Stoff („Realismus") als auch „dramentechnische" Probleme (Strukturfragen, komische Wirkungen) und Stoffliches (Typen, Themen, Einzelmotive) umfaßt. Diese Komplexität der Jonsonschen Tradition findet ihren Ausdruck in der Aufgliederung des dritten Teils, des zentralen Teils dieser Arbeit. Damit ist zugleich gesagt, daß hier nidit lediglich die "Humour"-Theorie als „die" Tradition Ben Jonsons behandelt werden soll. Eine solche Einschränkung würde die Bedeutung Jonsons für das Restaurationslustspiel (besonders die "comedy of manners", die den Hauptgegenstand der Untersuchung bilden wird - s. u.) geringer erscheinen lassen, als sie wirklich ist. In den Komödien von Etherege, Wycherley und Congreve etwa leben die Jonsonschen "gulls" vor allem deshalb weiter, weil in ihnen Abbilder gesellschaftlicher Torheit verspottet sind, deren Repräsentanten auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nodi eitel und närrisch in den Straßen und Parks Londons einherstolzieren; sie verdanken ihr literarisches Fortleben nicht so sehr der Tatsache, daß sie auf Grund einer bestimmten zeitgebundenen psychologischen Theorie gezeichnet wurden, die der Autor ästhetischen Zwecken nutzbar gemacht hatte. Daß die "Humour"-Theorie dazu beigetragen haben mag, diese Typen nachdrücklicher zu gestalten, soll nicht geleugnet werden. Selbstverständlich wird diese Besonderheit der Jonsonschen Lustspieltradition, zumal sie auch direkt in der Restaurationszeit aufzufinden ist, im Laufe der 7

Untersuchung erörtert werden, aber eben nur, ihrer wahren Bedeutung gemäß, als ein Aspekt unter mehreren.1 Noch ein drittes Problem ist zu beleuchten, das sich mit dem zuerstgenannten berührt: Wie wichtig sind überhaupt die vielen Einzelentsprechungen, die aufzuzeigen sein werden, jeweils für die Begründung einer Tradition des Lustspiels? Hier ist grundsätzlich zu betonen, daß es nicht auf den isolierten Einzelfall ankommt, sondern auf die Gesamtheit der Motive. Alle Entsprechungen zusammengenommen ergeben erst die Jonsonsche Tradition, deren komplexer Charakter hier also noch einmal hervorzuheben ist. Darum ist es auch nicht entscheidend, daß einzelne Motive nicht ausschließlich bei Ben Jonson und den Restaurationsdramatikern vorkommen; ihre Bedeutung wird gehoben durch das Zusammentreffen mit anderen, charakteristischeren Parallelen. Der Begriff „Restaurationszeit" wird in dieser Arbeit nicht im engeren Sinne der politischen Epoche (bis 1688) gebraucht, sondern im weiteren Sinne als literaturhistorische Epoche verstanden, wie es ja auch Nicoll in seiner Geschichte des Restaurationsdramas tut (Restoration Drama: 1660-1700, Cambridge, 1923, "1952, Repr. 1955). Das Jahr 1700 bietet sich gerade für das Lustspiel als ein deutlicher Markierungspunkt an: In diesem Jahr erschien Congreves letztes Bühnenstück von Bedeutung, zugleich wohl die bedeutendste Komödie der Zeit überhaupt, "The Way of the World". Natürlich bleiben literaturgeschichtliche Periodisierungen immer etwas problematisch. Auch in diesem Falle darf die Grenze nicht absolut genommen werden: Einerseits strahlt die Restaurationskomödie ins 18. Jahrhundert hinein (etwa zu Vanbrugh und Farquhar - allerdings zeigt der letztere auch schon wieder deutlich neue Züge), anderseits setzt die Entwicklung zur sog. "sentimental comedy" schon vor 1700 ein (Colley Cibbers erfolgreiches erstes Lustspiel, "Love's Last Shift", wird 1696 aufgeführt).* Mit der Erwähnung der „neuen Züge" bei Farquhar und der Gattung "sentimental comedy" stellt sich bereits die Frage, was an den hier zu erörternden Komödien das Charakteristische sei, das sie von anderen unterscheide. Aus der Vielzahl der Restaurationslustspiele wird vor allem eine besondere Gruppe, die sog. "comedy of manners",3 den Gegenstand dieser Untersuchung bilden. Aber ist eine solche Heraushebung möglich? "The strata of Restoration comedy, indeed, are truly infinite, and any attempt at rigid classification is bound to fail", sagt Nicoll ( 4 1955, p. 194). Um eine gewisse Ordnung in die große Zahl zu bringen, nimmt er dann doch eine Einteilung in sieben Typen vor, die aber auch wiederum mit einem vorsichtigen Fragezeichen versehen werden: "None of these seven separate schools can be wholly dissociated from another, and most often we see merely general mixtures of two or three of them more or less successfully welded together." (p. 195). Alle Definitionen sind demnach offenbar cum grano salis zu nehmen. Was sind also, wenn man dieser prinzipiellen Skrupel eingedenk bleibt, die konstituierenden Züge der "comedy of manners"? Es fehlt nicht an Bemühungen, ihr Wesen in einem einzigen Prinzip kristallisiert zu sehen. So spricht K. M. Lynch (The Social Mode of Restoration Comedy, Ann Arbor, 1926 - University 8

of Michigan Publications, Language and Literature, I I I - passim) von dem "double comic standard", der die Restaurationskomöde kennzeichne (zu dieser besonderen Theorie s. u., Anm. 20). T. H . Fujimura formuliert seine These f ü r die Komödien von Etherege, Wycherley und Congreve schon im Titel seines Buches: "The Restoration Comedy of Wit" (Princeton UP, 1952). Allerdings gibt er selbst zu, daß diese Bezeichnung ihre Schwierigkeiten habe: "Wit is a very comprehensive and ambiguous term, and it is sometimes contradictory in its implications. . . . The ambiguity of the term detracts somewhat from the usefulness of wit as a key." (p. 38). Doch scheint ihm diese Beschaffenheit seines Schlüsselbegriffs ("the very scope and nebulousness of wit") der Komplexität der Restaurationskomöde (d. h. der Komödie von Etherege, Wycherley und Congreve) besonders angemessen (ib.). - Man könnte ferner hinweisen auf Dale Underwood (Etherege and the Seventeenth-Century Comedy of Manners, N e w Haven, 1957 - Yale Studies in English, 135), der sein Ziel folgendermaßen formuliert: " . . . to suggest through Etherege's plays as a case in point a new or at least extended view of Restoration comedy of manners as a genre." (Preface, p. VII). Nach Underwood ist die "comedy of manners" bestimmt durch ein vielfältiges Gewebe von Wertspannungen und einander entgegengesetzten Verhaltensweisen: "[This] tradition we shall find is based upon conflicting rather than homogeneous values and behavior." (p. 59, n. 1). Besonders der "libertine", der dramatische Held der Gattung, dessen komplexe geistesgeschichtliche Ursprünge Underwood im 2. Kapitel untersucht, ist dabei wichtig. Mit den genannten Arbeiten ist die Reihe der Wesensbestimmungen nicht erschöpft; Underwood setzt sich im Eingangskapitel mit verschiedenen Thesen auseinander. Eine systematische Darstellung aller derartigen Versuche aber ist hier keineswegs beabsichtigt. Die drei Werke sollen nur exemplarisch stehen. Sie haben nämlich zweierlei gemeinsam: Einmal betrachten die Autoren offensichtlich die "comedy of manners" als repräsentativ für die ganze Restaurationskomödie (dies wird bei Lynch sogar explizit, da sie im Titel zwar allgemein von "Restoration Comedy" spricht, im Text aber dann die Gruppe der Sittenlustspiele untersucht); das entspricht also der besonderen Akzentuierung, die auch diese Arbeit bestimmt. Zweitens aber haben ihre Wesensbestimmungen einen ausgesprochen abstrakt-begrifflichen Charakter, so daß offenbar für die Aufspürung einer wirklich greifbaren Komödientradition nicht viel gewonnen wäre. Es scheint besser, angesichts der Aufgabenstellung dieser Arbeit auf solche allgemeinen Definitionen überhaupt zu verzichten. Statt abstrakte Prinzipien zu deduzieren 4 , wollen wir, rein beschreibend, einfach einige wesentliche Merkmale aufzählen. Zu diesen charakteristischen Zügen gehören (die Reihenfolge soll keine Rangordnung sein): 1. Beschränkung auf ein Milieu, die "town", 2. der starke Anteil der erotischen Intrigen an der Handlung, verbunden mit einem sehr lockeren Sexualethos, 3. das weitgehende Fehlen des Gefühls, das Vorherrschen eines gewissen Zynismus im Ton des Ganzen, 9

4. die unbarmherzige Verspottung gesellschaftlicher Torheit und Affektation, 5. die Darstellung häufig wiederkehrender Charaktertypen, 6. die Betonung des " w h " , der Formulierung, des Dialogs, gegenüber der recht locker geführten und vielsträngigen Handlung, 7. die durchweg „realistische" Form der Darstellung, aber in einer dem Milieu entsprechenden leichten Stilisierung. Mit diesen Merkmalen scheint mir eine Charakterisierung gegeben, die nidit allzu abstrakt ist. Eine noch weitergehende Konkretisierung durch Schilderung von Techniken und Motiven wird in der Arbeit erfolgen und ist deshalb hier nicht nötig. 5 Im Mittelpunkt der Untersuchung werden also die "comcdies of manners"' stehen, d. h. vor allem die Werke von Etherege, Wycherley und Congreve, sowie die selbständigen Lustspiele Vanbrughs und auch Farquhars Komödien (trotz der „neuen" Züge 6 ). Außer diesen „großen Fünf" wurden audi einige Lustspiele von Dryden, Shadwell und Mrs. Behn vollständig ausgewertet. Bei der großen Zahl der Restaurationskomödien war eine solche Beschränkung auf die bedeutenderen Autoren unumgänglich. N u r so war eine systematische Durchforschung der ausgewählten Stücke nach den verschiedensten Aspekten möglich, ohne daß die Untersuchung ins Uferlose geriet. Die beträchtliche Konventionalität der gesamten Lustspielproduktion dieser Zeit hätte auch kaum wichtige neue Erkenntnisse erwarten lassen, sondern nur eine unmäßige Aufschwellung des Belegapparates. Darum wurden die Produkte unbedeutenderer Autoren nur für einzelne Aspekte herangezogen, nicht aber unter sämtlichen verarbeitet. - An sich hätte es ja nahegelegen, für eine Untersuchung der Jonsonschen Lustspieltradition vor allem die Jonsonianer wie Shadwell (der im Vorwort zu "The Süllen Lovers", 1668, über Jonson sagt: ". . . he is the man, of all the World, I most passionately admire for his Excellency in Drammatick-Poetry." - Works ed. Summers, vol. I, p. 11) und John Wilson zu berücksichtigen. Damit wären aber nur offene Türen eingerannt worden, während die hier gewählte Akzentuierung der "comedy of manners" auch in Anbetracht der bisherigen Forschung eine lohnendere Aufgabe bietet. Anderseits ist aber Shadwell zur Abrundung des Bildes wichtig genug, nicht ganz außer acht gelassen zu werden. D a Ben Jonsons Komödien den Ausgangspunkt dieser Arbeit bilden sollen, dürfte es zweckmäßig sein, eine zusammenfassende Darstellung seiner Leistung f ü r die Entwicklung des englischen Lustspiels voranzuschicken. Dabei wird naturgemäß auf schon Bekanntes zurückgegriffen werden müssen. In dem berühmten Prolog zur Foliofassung von E. M. I. formuliert Jonson sein Programm einer neuen Komödie. Er weist die Unwahrscheinlidikeiten und grellen Effekte des elisabethanischen Theaters zurück, die Schlachtenszenen, die schnellen Schauplatzwechsel, die ungeheuerlichen Schurken, die großen Reden. Statt der "monsters" will er "men" zeigen, " . . . deedes, and language, such as men doe vse: And persons, such as Comoedy would chuse, 10

When she would shew an Image of the times, And sport with humane follies, not with crimes." (11. 2 1 - 4 ) . Realismus und Satire sind also die wichtigsten Elemente dieser neuen Komödie. Ben Jonson zeichnet realistische Porträts der Menschen von London, und in diesen Porträts verspottet er die Narreteien und Torheiten, die charakteristisch sind für diese besondere Gruppe von Menschen, die zu dieser besonderen Zeit an diesem besonderen Ort leben. Es geht Ben Jonson also einmal um den Stoff, zum andern aber um eine Reform der Struktur des Lustspiels. E r wendet sich ab von der Regellosigkeit des zeitgenössischen Dramas zu einer neuen Konzeption, die Sidney in seiner 1595 veröffentlichten, aber schon früher in Freundeskreisen bekannten "Apology for Poetry" in die englische Literaturtheorie eingeführt hat: Es ist die realistische Komödie basierend auf klassischen Formprinzipien (d. h. Decorum, E i n h e i t des Tones, E i n h e i t des O r t e s , d e r Zeit, der Handlung). 7 Daß Jonson außerdem die zeitgenössische " Humour"-Theorie für seine satirischen Zwecke benutzte, macht seine Neuerung noch wichtiger. Nicht alle seine Stücke vereinigen sämtliche Elemente des realistischen Lustspiels. Volp. spielt in Venedig, die Quartofassung von E. M. I. folgt im Schauplatz noch der italienischen Konvention (wie die Personennamen in E. M. O.), und die Szene des "Poetaster" 7 a ist das alte Rom. C. R. ist eine Allegorie, obwohl satirische Porträts verschiedener Typen der "would-be courtiers" gegeben werden. S. N . enthält die Gestalt der Pecvnia, 7 a die seltsam zwiespältig einmal als Person von Fleisch und Blut, dann wieder als Allegorie erscheint.8 Die Titelhandlung (nur nominell die Haupthandlung) in D. is A. ist natürlich keineswegs realistisch. In "The New Inne" ist Jonson ganz zur „romantischen" Bühnenpraxis zurückgekehrt. - Trotz dieser Ausnahmen sind aber die wesentlichen Züge des Jonsonschen Lustspiels die oben beschriebenen. Natürlich steht Jonson nicht so isoliert, wie die bisherigen Ausführungen anzudeuten scheinen. So lassen einige seiner Zeitgenossen, z. B. Marston (The Dutch Courtezan, 1603-4") und Dekker (The Shoemaker's Holiday, 1599; Westward Ho, 1 6 0 4 ; The Roving Girl, ca. 1610) auch Lustspiele in London spielen. Aber bei ihnen ist zufällig, was bei Jonson bewußter Reformabsicht entspringt. Auch mangelt den Zeitgenossen der Wille zur satirischen Schilderung des Milieus, der bei Jonson mit der Entscheidung für den Schauplatz verbunden ist, ebenso wie ihnen seine satirische Kraft abgeht. Komische " Humours"10 hat Chapman möglicherweise schon 1597, ein Jahr vor der Quarto von E . M. I., auf die Bühne des "Rose"-Theaters gebracht (in " A n Humorous Day's Mirth" - zur Datierung T. M. Parrot in seiner Ausgabe "The Plays and Poems of George Chapman: The Comedies", London/New Y o r k , 1914, pp. 6 8 5 - 6 und Chambers, s. Anm. 9). Aber bei Chapman fehlt noch die satirische Zuspitzung der Charaktere, die satirische Richtung der ganzen Handlung (das Geschehen besteht aus einer Reihe von ziemlich fantastischen Intrigen), die Konkretisierung der "Humours" durch Anreicherung mit spezifischen Zügen des Londoner Zeitmilieus. "Jonson alone, it is evident from the study of the satiric and didactic content of his comedies and those of 11

Heywood, Dekker, Middleton, and Chapman, struggled to build his plots, characters, and comedy out of the very material which he wanted to attack or to reform. His satiric themes in the later plays are the bases of his plots, an integral part of his comedy; they are not studs on, often extra-dramatically . . (H. W. Baum, The Satiric and the Didactic in Ben Jonson's Comedies, University of North Carolina Press/Oxford UP, 1947, p. 135). Man kann also Jonson mit Recht eine Sonderstellung in seiner Zeit einräumen, auch wenn sich gewisse Parallel tendenzen bei anderen Autoren zeigen: " . . . to whatever extent his attitude was due to the same immediate influences that acted on his fellows, there is no doubt that he was leader in a movement which gave to realistic and satirical comedy a new importance." (A. H. Thorndike, Ben Jonson, in: The Cambridge History of English Literature, ed. by A. W. Ward & A. R. Waller, vol. VI, Cambridge, 1910 - di. i, p. 116). Wir werden weiter unten sehen, daß auch seine Zeitgenossen ihm diese führende Rolle zugestanden (s. Anm. 17). Ebensowenig wie Jonson unter seinen Dramatikerkollegen in der Praxis gänzlich allein steht, ist er mit seinen theoretischen Überlegungen urplötzlich aus dem Boden emporgeschossen. Als sein großer einheimischer Vorgänger wurde Sidney bereits genannt, aber die Kritik an der Regellosigkeit des englischen Dramas ist sogar sdion früher, nämlich in George Whetstones Dedikation zu "Promos and Cassandra" (1578), zum erstenmal belegt.12 Schließlich steht Jonsons Formel vom "image of the times", das die Komödie zeige (Prolog E. M. I., Z. 23), in einer altehrwürdigen Tradition, die mit einer Cicero zugeschriebenen Formulierung oder sogar schon mit Piatons „Staat" ihren Anfang nimmt.1® Seine Disc, sind ein wahrer Steinbruch der zeitgenössischen und klassischen Literaturkritik. Doch Spingarn, der Jonson im Zusammenhang der literarischen Theorie der gesamten Renaissance behandelt, stellt ausdrücklich seine besondere Stellung in der Geschichte der englischen Poetik fest: "English criticism . . . may be said to exhibit classical tendencies from its very beginning. But it is none the less true that before Ben Jonson there was no systematic attempt to force, as it were, the classic ideal on English literature." (Ren., p. 305). 13a Für die Bühne insbesondere rührt Jonsons Wirkung vor allem daher, daß er diese „klassizistische" Theorie in dramatischen Werken realisierte, daß er also seine „Propaganda" mit konkreten Beispielen betrieb. Dadurch gewinnen seine theoretischen Auslassungen an praktischer Nachdrücklichkeit, wie anderseits den Dramen wegen der Bewußtheit ihrer Gestaltung eine erhöhte historische Bedeutung zukommt. Natürlich wirkt nicht nur klassische Theorie, sondern audi die klassische Komödie von Plautus und Terenz in Ben Jonsons Lustspielen. Gewisse Typen und Konstellationen sind in Spuren noch zu erkennen. Aber solche Vorbilder ausführlich darzustellen, würde hier zu weit führen, da sich diese Arbeit nicht mit den Quellen Jonsonscher Gedanken und Motive befaßt, sondern mit ihrer Fortwirkung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nur ein Typus mag exemplarisch zeigen, wie Ben Jonson die Charaktere aus dem alten Rom nicht einfach in eine neue Umgebung versetzte, sondern sie in Wesen dieser 12

neuen Welt verwandelte: Bobadill in E. M. I. Der "miles gloriosus" ist ja sdion eine stehende Figur der klassischen lateinischen Komödie (am bekanntesten dürfte wohl Pyrgopolinices, der Titelheld in Plautus' "Miles Gloriosus", sein), und in der italienischen "commedia erudita" der Renaissance blüht er üppig weiter. 14 Seine wesentlichen Züge sind Prahlsucht und Feigheit in karikierter Übertreibung, dazu häufig auch Eitelkeit auf seine (eingebildete) männliche Anziehungskraft. Nicholas Udall hat diesen Typ schon vor Jonson benutzt, aber sein "Ralph Roister Doister" besteht doch im wesentlichen nur aus den abstrakten Eigenschaften der Prahlerei und Ängstlichkeit: Er ist eine komische Mischung ohne historische oder nationale Charakterisierung. Bobadill aber ist durchaus konkret gezeichnet. (Daß Ben Jonson sogar aus eigener Erfahrung, nicht bloß aus literarischen Quellen, die wirkliche Lebensweise dieser Soldaten kannte, erhellt aus einer Stelle in den Conv. 15 ) Bobadill vertritt einen in Jonsons Zeit sehr häufigen Typus: "The professional swordsman was one of the nuisances of contemporary London." (P. Simpson, "The Art of Ben Jonson", E&S 30, 1944, p. 44). Er posiert nicht als der große Held, der sich offen wunderbarer Taten rühmt, sondern als der überlegene Fachmann, der tief in die Wissenschaft des Duells und des Kriegswesens eingeweiht ist." Er zeigt sogar gewisse Symptome von Intelligenz (was ihn weit über Roister Doister hinaushebt): Bei seiner Prahlerei entwickelt er ein gewisses Untersdieidungsvermögen, denn er läßt nicht jedermann von seinen großen Gaben wissen, sondern nur soldie erlesenen Geister wie Matthew; wenn er sich in einer schwierigen Situation befindet, vermeidet er vorsichtig die Gefahr oder nimmt geduldig die Prügel hin," [covering] his retreat, not with noisy swagger, but with the good citizen's plea for Submission to law and Order." (Herford/Simpson I, p. 353 - Introduction E. M. I.). Andere Züge ließen sich noch hinzufügen - wie seine Anfälle von Melancholie, der Modekrankheit aller "gulls" - , die alle dazu beitragen, ihn als einen vom traditionellen "miles" klar differenzierten Typ erkennen zu lassen. Dieser Fall zeigt nodi einmal symptomatisch Jonsons besondere Stellung in der Geschichte des englischen Lustspiels: Er ist der große Vermittler der klassischen Dramentradition, besonders der klassisch-lateinischen Komödientradition, die er aber durchaus im wahrsten Sinne des Wortes „einbürgert", auf Grund derer er die realistische englische Komödie erst eigentlich formt. Deshalb kann er sich zu Recht mit charakteristischem Selbstbewußtsein als Reformator fühlen, und seine jüngeren Zeitgenossen sehen in ihm den großen Lehrmeister der englischen Bühne}1 Diese Stellung hat Jonson aber auch noch, und das ist in unserem Zusammenhang besonders wichtig, für die Komödie der Restaurationszeit. Ein direkter Rückgriff auf die Antike konnte nichts Neues mehr bringen: " . . . the classic influence, the influence of Terence and Plautus really could give nothing to the stage that had not been given to it by Jonson." (Nicoll, p. 171). Interessant ist, daß George Farquhar in seinem "Discourse Upon Comedy, In Reference to the English Stage" ausdrücklich die antiken Autoren als Vor13

bilder ablehnt und dafür auf die einheimisdien Dramatiker (allerdings nicht nur Jonson) verweist: "We have nothing to do with the Models of Menander or Plautus, but must consult Shakespear, Johnson, . . . and others, who by Methods much different from the Ancients, have supported the English Stage, and made themselves famous to posterity." (Zitiert nadi R. G. Noyes, Ben Jonson on the English Stage 1660-1776, Cambridge, Mass., 1935 - Harvard Studies in English, vol. XVII - p. 187; eine Ausgabe des Textes war nicht verfügbar.) Es wurden bisher schon verschiedene Abgrenzungen des Arbeitsfeldes vorgenommen: Einmal war innerhalb des Bereiches der Restaurationskomödie eine gewisse Auswahl zu treffen, dann wurde das englische Drama neben und unmittelbar vor Jonson ausgeklammert, schließlich war auf die Untersuchung der Quellen Jonsons für seine Theorie und seine Praxis des Lustspiels zu verzichten. Eine letzte Einschränkung bleibt noch zu nennen: Die Zeit zwischen Jonson und der Restauration mußte übersprungen werden. Es war nicht möglich, beispielsweise Shirley systematisch einzuarbeiten. Für diese Zwischenzeit, wie auch für die anderen erwähnten ausgeklammerten Gebiete, müssen wir uns mit gelegentlichen Hinweisen und Andeutungen begnügen.

14

K A P I T E L

II

L i t e r a t u r b e r i c h t Die Zahl der Untersuchungen über die Restaurationskomödie und über Ben Jonson ist beträchtlich. Das Literaturverzeichnis (Anhang III), in das nur diejenigen Titel aufgenommen wurden, die bei der Anfertigung dieser Arbeit verfügbar waren, gibt davon einen Eindruck. Im folgenden Abschnitt sollen nur solche Studien genannt werden, die zu unserem Thema Greifbares aussagen. Das heißt also, daß z. B. die recht umfangreiche Literatur über den französischen Einfluß hier nicht berücksichtigt wird. Für dieses Problem kann ein f ü r allemal auf John Wilcox' gründliche Untersuchung verwiesen werden (The Relation of Moliere to Restoration Comedy, N e w York, 1938), die zu Beginn ausführlich über die Behandlung dieses Themas in der vorhergehenden Forschung berichtet. Hinweise auf die Fortentwicklung Ben Jonsons in der Restaurationskomödie finden sich verschiedentlich schon in älteren Studien. So sagt W. C. Ward in der Einleitung seiner Vanbrugh-Edition (London 1893), nachdem er die Bedeutung der französischen und spanischen Bühne betont hat, über die "comedy of manners": "Essentially, it owed more to Ben Jonson and 'The Silent Woman', than to all the dramatists of France and Spain united." (Vol. I, p. X X I V ) . Leider sagt er nicht, was genau sie Jonson verdankt; vielmehr macht er nur eine recht allgemeine Bemerkung über eine Tendenz, die sich sogar in Bearbeitungen Molares und Calderons durch Restaurationsautoren zeige: ". . . the classic refinement of the Frenchman und the poetic dignity of the Spaniard [were replaced] by an extravagant and peculiarly English grossness of language and sentiment." (Ib.) Damit sind aber Qualitäten genannt, die man nicht gerade als charakteristisch für Ben Jonson ansehen kann. Ähnlich allgemein äußert sich Philip Aronstein (Ben Jonson, Berlin 1906, Literarhistorische Forschungen, X X X I V ) : „Jonson ist der Begründer der modernen englischen Komödie . . . Die Komödie der Restauration ist ein allerdings entarteter Sprößling der Jonsonschen komischen Muse." (S. 262, 268). Charles Whibley erkennt eine Beziehung zwischen Congreve und Jonson: " . . . at the beginning of his career he worked under the domination of Ben Jonson." (The Restoration D r a m a II, in: The Cambridge History of English Literature, ed. by A. W. Ward & A. R. Waller, vol. V I I I , Cambridge, 1912 di. vi, p. 155). Dies bezieht sich offenbar auf die vorhergehende Bemerkung, einige Figuren in Old B. (Sharper, Wittol, Bluffe) stünden in der " H u m o u r " Tradition (p. 147). 15

Eine gewisse Bedeutung wird dem Jonsonschen Lustspiel in Allardyce Nicolls "Restoration Drama" (Cambridge, 1923) zugesprochen. Nachdem er die einheimischen Ursprünge der Tragödie behandelt hat, macht Nicoll die Bemerkung: " . . . comedy may be said to have been even more English still, having developed along lines which can be traced directly back to Jonson and Beaumont and Fletcher." (p. 168) - In der vierten Ausgabe desselben Werkes (Cambridge, 1952, Repr. 1955) äußert sich Nicoll in ähnlicher Weise, z . T . in denselben, z. T. in leicht abgewandelten oder zumindest dem Sinne nach verwandten Formulierungen; z. B.: "Of one thing there can be now not the slightest doubt: Restoration comedy owes a tremendous debt, indeed its greatest debt, to the drama produced in England from the time of Jonson to that of Shirley." (p. 181). Sogar einige besondere Qualitäten Jonsons werden erwähnt: ". . . [his] classically inclined style, rich powers of observation, humorous types and satiric tendencies assuredly made strong appeal to the later seventeenth-century audience." (p. 182). Das ist eine nützliche Zusammenfassung, die eine ähnliche Feststellung der ersten Auflage aufgreift. 1 8 Man müßte allerdings wohl betonen, daß Jonsons "satiric tendencies" von denen seiner späteren Kollegen etwas abweichen (s. u., Vierter Teil, Kap. I). - Auf S. 170 der ersten Auflage ( = p. 182 in 4 1955) sagt Nicoll über Ben Jonson: "He presented to the comedy of manners, if not the main types, at least the background against which these main types moved." Aber es sind eben nicht nur die sekundären Figuren des Restaurationslustspiels, die in Jonsons Werken auftauchen; er zeichnete auch schon die Helden selbst, die "witty gentlemen" (wenn auch noch mit gewissen Abweichungen). - Im ganzen ist Nicoll schon in der ersten Auflage etwas konkreter als die vorher erwähnten Gelehrten. Aber audi seine Bemerkungen sind, wie es in einem so umfassenden Werk nicht anders sein kann, nur andeutend. Er kann das Problem nicht systematisch und vollständig behandeln. Vor allem aber, und das ist für unseren Zusammenhang wichtig, neigt er dazu, die Jonsonsdie Tradition in einer besonderen Gruppe von Stücken neben der "comedy of manners" konzentriert zu sehen und sie demgemäß in einem Kapitel für sich zu erörtern ("Chapter Three, III. The Jonsonian Element: Shadwell"). Bonamy Dobrie (Restoration Comedy, Oxford, 1924) bemerkt eine Verwandtschaft zwischen einigen komischen Gestalten bei Jonson und in der Restauration (Bobadill, E. M. I . / C a p t a i n Bluffe, Old B.; John Daw, S . W . / Witwoud, W. of W.) und stellt sogar fest: "Restoration comedy as often as not dealt with what Jonson himself would have called humours." (p. 34). Aber abgesehen von diesen Hinweisen kommt es ihm mehr darauf an, die Unterschiede herauszustellen (s. Anm. 1), und in dem Kapitel "Its Descent" wird unter den Quellen Jonson nicht einmal genannt. Auch Joseph Wood Krutdi (Comedy and Conscience after the Restoration, New York, 1924 - Second Printing 1949") gibt eine brauchbare Zusammenfassung wesentlicher Züge der Jonsonsdien Komödie und des Restaurationslustspiels: "Both are realistic portrayals of contemporary manners . . . The element of 'humor' in the technical sense generally dies away, but in certain 16

authors, notably Wycherley, it is still generally evident . . . Even in the best plays, where this somewhat crude technique has been abandoned, the descriptive names remain as in the case of Wycherley's 'Horner', Congreve's "Lady Wishfort", or Farquhar's 'Lureweil'." (p. 8). Dann wird noch einmal besonders betont: ". . . the realistic spirit is derived from Jonson." (p. 9). Eine wichtige Arbeit über die Bedeutung der einheimischen Tradition für die "comedy of manners" ist die Untersuchung von Kathleen M. Lyndi, "The Social Mode of Restoration Comedy" (Ann Arbor, 1926 - University of Michigan Publications, Language and Literature, III). Im Mittelpunkt ihres Interesses steht die Beziehung zur "préciosité", die besonders zur Zeit Henrietta Marias blühte: Aus dieser Strömung rührte letztlich der besondere, durch eine gewisse Künstlichkeit bestimmte "social mode" der Restaurationszeit her, der wiederum in der Komödie den für diese charakteristischen "double comic standard" zur Folge habe (passim). Aber selbst wenn man diesen Thesen Lynchs nicht ohne weiteres zustimmt 20 , ist die Arbeit doch wertvoll wegen einer Reihe von Hinweisen auf Detailparallelen im älteren englischen Drama, die Lynch im Laufe ihrer Untersuchung (gewissermaßen „nebenher") gibt. Uber Ben Jonson speziell sagt sie: "In his deliberate and unsentimental scrutiny of human conduct, Jonson plainly foreshadows the Restoration comic dramatists." (p. 13). Vielleicht ist die Formulierung "human conduct" etwas zu allgemein: Das Besondere an Jonson scheint gerade, daß er sich nicht so sehr mit „allgemeinmenschlichen" Motiven befaßt (abgesehen von Volp.), sondern die konkreten Verhaltensweisen seiner Zeit aufs Korn nimmt. Auf die Ähnlichkeit in der Technik der Charakterisierung weist Lynch ebenfalls hin: "Humours" leben auch bei den Meistern fort (p. 14). Sie sieht aber audi einen wesentlichen Unterschied: " . . . Jonson's realism does not include a relation of his characters to social standards. According to his program, adjustments are to be effected within the consiousness of the individual, not in his relations with others . . ." (pp. 18-19). Offensichtlich geht Lynch hier aus von der Störung der geistigseelischen Harmonie bei den "Humour"-Typen durch das Vorherrschen einer bestimmten Tendenz, eben des "Humours". Es ist aber zu betonen, daß auch Ben Jonson schon "social humours" kennt, d. h. Charaktere, deren Besonderheit in ihrem Verhältnis zu gesellschaftlichen Normen liegt: Stephen (E. M. I.) äfft ganz gewiß eine Verhaltensweise nadi (nämlich die Bobadills), und Matthew ist als Sohn eines Bürgers der "city" bestrebt, gesellschaftlichen Anschluß bei den "gallants" zu bekommen und ihre Verhaltensnorm zu erreichen.21 Hierin überspitzt Lynch also eine bei Jonson auf Grund seiner "Humour "-Technik gewiß vorhandene Tendenz zur "self-sufficiency" (Lynch p. 17) der komischen Charaktere. Martin Ellehauge weist in seiner Studie "The Restoration Comedy in England and its Relation to the Comedy at the close of the 19th century" (Edda 30, Oslo 1930, pp. 486-93) u. a. auf Ben Jonsons Gebrauch von "symbolic names" hin und sieht auch eine wichtige Übereinstimmung in den Charakteren und ihrer Darstellung: " . . . there is a superficial typification, which connects the Restoration comedy with the Jonsonian comedy of humours. The would-be 17

witty man, the plain country-squire, the braggart, and the petulant cynic are types which appear again and again in the comedies." (p. 489). Derselbe Autor spricht eine ähnliche Ansicht auch in der Zusammenfassung am Ende seines Buches "English Restoration Drama, Its Relation to Past English and Past and Contemporary French D r a m a " (Copenhagen, 1933) aus: "The method by which characters are constructed, as well as their psychological build, decidedly points to Jonson. Jonsonian humours survive in large numbers, and the development of the type into Restoration manners may be traced step by step." (p. 312). Ellehauge betont also die Verwandtschaft, die sich zwischen Ben Jonson und der Restaurationskomödie sowohl hinsichtlich der Technik der Charakterzeichnung als audi der Art der Typen ergibt. Der Amerikaner John Wilcox hebt in seinem Buch "The Relation of Molière to Restoration Comedy" (New York, 1938) immer wieder die große Rolle der einheimischen Tradition hervor, die Bedeutung Shirleys, Beaumonts und Fletchers und vor allem Ben Jonsons: " . . . the primary force in the comedy of manners in England was the nature and genius of Ben Jonson, whose sturdy intellectuality pulled him steadily away from the romantic fashion . . ." (p. 193). ^ e i t e r e Sätze dieser Art ließen sich anführen. Wilcox neigt sogar dazu, die Wichtigkeit der Jonsonschen Tradition als eine Selbstverständlichkeit anzusehen, ohne spezifische Punkte anzugeben. Er stützt seine Meinung über die Kontinuität der englischen Lustspieltradition vor allem auf die Ergebnisse früherer amerikanischer Arbeiten, nämlich auf Lynch (s. o.), J. H . Wilson (The Influence of Beaumont and Fletcher on Restoration Drama, Ohio State University Contributions in Languages and Literatures, IV, 1928) und drei unveröffentlichte Dissertationen aus Ann Arbor, von Paul Mueschke (Prototypes of Restoration Wits and Would-bes in Ben Jonson's Realistic Comedies, University of Michigan, 1929), William H . Hickerson (The Significance of James Shirley's Realistic Plays in the History of English Comedy, 1932) und Joe Lee Davis (The 'Sons of Ben' in English Realistic Comedy, 1625-42, 1934). Schließlich macht auch Underwood im 8. Kapitel ("The Comedy of Manners" - hier wird der Begriff auf die Zeit Ben Jonsons angewandt) seines Etherege-Buches (s. o., S. 9) einige Bemerkungen über die einheimische Tradition: "The manners of social classes and the involvements of intrigue are essential ingredients in the humors plays of Jonson. Intrigue and the humors method of portraiture became, in turn, established aspects of the comedy of manners and remained such through the Restoration." (p. 143). Ferner weist Underwood darauf hin, daß wie in der "comedy of manners" auch bei Jonson und seinen Zeitgenosssen das "survival . . . by wit" (ib.) in der Welt der Komödie eine große Rolle spiele; außerdem nennt er eine Reihe von stehenden Typen ("the jealous or uxorious husband, the tyrannical father, the credulous astrologer, and above all the social pretender", ib.), wobei er also die Wichtigkeit der Affektation als Hauptziel der Satire betont. Wenn man die bisher genannnte Literatur überblickt, so ergeben sich für die Beurteilung der Jonsonschen Tradition doch einige interessante Punkte, die hier noch einmal stichwortartig zusammengefaßt werden sollen: 18

1.

„Realismus" der Darstellung gesellschaftlicher Zustände (Krutch, auch Underwood), 2. Jonsons Beobachtungsgabe (Nicoll), 3. "Humours" - sowohl das Fortleben der Technik an sich als auch Ähnlichkeiten einiger Typen bei Jonson und den Restaurationsdramatikern (Nicoll, 1. Aufl., Dobr£e, Whibley, Krutch, Lynch, Ellehauge, Underwood), 4. sprechende Namen (Krutch, Ellehauge), 5. „klassische" Formtendenzen (Nicoll, implizit Wilcox), 6. satirische Neigung (Nicoll, Underwood), 7. "Affectation" als Hauptziel (Underwood), 8. Intrige als inhaltliches Element der Handlung (Underwood). Alle genannten Arbeiten aber haben gemeinsam, daß die angeführten Erkenntnisse nur „Nebenprodukte" der jeweils ganz anderen Zielsetzung sind. Deshalb geben sie auch immer nur einzelne Punkte an und belassen es dann bei Andeutungen und allgemeinen Formulierungen. Die genauere Ausführung wie auch die systematische Durcharbeitung müssen notwendigerweise unterbleiben. Daneben gibt es eine Arbeit von Elizabeth L. Mignon, die einen begrenzten Motivbereich innerhalb der Restaurationskomödie untersucht und auch ins ältere englische Drama zurückverfolgt, wobei unter anderem auch Hinweise auf Ben Jonson gegeben werden (Crabbed Age and Youth: the Old Men and Women in the Restoration Comedy of Manners, Durham, N. C., 1947). - In zwei kurzen Zeitschriftenaufsätzen befaßt sich C. B. Graham mit der Jonsonschen Tradition bei so untergeordneten Autoren wie Dennis und D'Urfey (1. "The Jonsonian Tradition in the Comedies of John Dennis", M L N 56, 1941, pp. 3 7 0 - 7 2 ; 2. "The Jonsonian Tradition in the Comedies of Thomas D ' U r f e y " , M L Q 8, 1947, pp. 4 7 - 5 2 ) . Einen - allerdings nicht unwichtigen - Ausschnitt aus dem Personenbestand behandelt P. Mueschke in seiner bereits erwähnten ungedruckten Dissertation, die aber für diese Arbeit nicht herangezogen werden konnte. Bisher ist also die Forschung über die Behandlung von Teilaspekten (Mueschke, Graham) unseres Themas nicht hinausgekommen. Davon abgesehen, finden sich nur verstreute Hinweise auf Details und einzelne Motive sowie allgemein formulierte Erkenntnisse und Thesen, die der Konkretisierung durch Belege meist ermangeln. Es fehlt bisher eine systematische, zusammenfassende Untersuchung des gesamten Fragenkomplexes, und eine solche Darstellung soll in dieser Arbeit unternommen werden.

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Z W E I T E R

T E I L

Ben Jonson in der Restaurationszeit K A P I T E L

I

Aufführungen 22 Es ist für die Wirkung eines Dramatikers auf spätere Autorengenerationen sicher nicht gleichgültig, ob seine Werke nur noch als Lesestücke fortbestehen, die wenigen Spezialisten ein gewisses Interesse abnötigen, oder ob sie audi auf der Bühne lebendig sind. Besonders für die Restaurationszeit ist dieses Kriterium der Theaterwirksamkeit recht wichtig, weil ja die Dramatiker durchaus für den Gebrauch schrieben - die Herzogin von Newcastle war doch wohl eine Ausnahme! Die Dramen der Zeit Elisabeths, Jakobs I. und Karls I. wurden in der ganzen Periode von 1660-1700 oft aufgeführt; bis 1668 beherrschten sie sogar das Repertoire. Beaumont und Fletcher, Shakespeare, Jonson und Shirley sind die am häufigsten auf der Restaurationsbühne gespielten älteren Autoren. Die allgemeine Schätzung speziell der Jonsonschen Bühnenwerke mag aus der Tatsache erhellen, daß noch 1692 eine neue Folioausgabe erschien. Die Dramen Jonsons wurden, abgesehen von einigen Hofaufführungen, nur von der Truppe Killigrews im "Theatre Royal" gespielt. Frohberg verzeichnet keine Aufführungen von "The Case is Alterd", "Eastward Hoe" und den Maskenspielen. Noyes ist noch skeptischer hinsichtlich der Belege: "There is nothing to prove, since they are not given in Downes's list, that five of them [d. h. von Killigrews Stücken] were acted at all after the Civil Wars: 'The New Inn', 'A Tale of a Tub', 'The Magnetick Lady', 'The Staple of News', and 'Cynthia's Revels' . . . the production of two plays, 'Sejanus' and 'The Devil is an Ass', is doubtful, so that the history of Ben Jonson on the stage is the history of the remaining six: 'The Fox', 'The Alchemist', 'The Silent Woman', 'Bartholomew Fair', 'Catiline', and 'Every Man in his Humour'." (p. 48). Wir wollen uns zunächst mit den letztgenannten Werken befassen, über deren Bühnenleben offenbar Einigkeit besteht. John Downes nennt in seinem "Roscius Anglicanus" (1708) Volp., Aich., S.W. unter den "principal old stock plays", also den Dramen aus der Zeit vor der Restauration, die zum ständigen Repertoire der Killigrewschen Truppe gehörten. Aufführungen des Aich, werden erwähnt in den Jahren 1661, 1662 (Noyes, nicht bei Frohberg), 1664, 1669, 1674, 1675. - B. F. wurde 1661, 1662 (Noyes, nicht bei Frohberg), 1664, 1667 (Noyes, nicht bei Frohberg), 1668, 1669, 1674 aufgeführt." Gildon, der Bearbeiter Langbains, sagt über dieses Drama: "Acted 20

with good Applause, since King Charles the Second's Restoration." (The Lives and Characters of the English Dramatick Poets . . ., p. 77 - s. Literaturverzeichnis, Anhang III, B., unter "Langbain"). Noyes bemerkt: "None of Jonson's comedies had a more brilliant stage-record during the Restoration than his magnificent 'Bartholomew Fair'." (p. 222). - S.W. war das erste Drama, das nach der Restauration am Hofe gegeben wurde (am 19. November 1660 - Noyes p. 176; Nicoll, 4 1955, p. 305, n. 1). Die ersten sieben Aufführungen Jonsonscher Dramen in der Restauration überhaupt, die Noyes für die Jahre 1660/61 verzeichnet, sind von diesem Lustspiel. Weitere Aufführungen fanden statt in den Jahren 1662, 1664, 1666, 1667, 1668, 1685, 1700 (Noyes, nicht bei Frohberg). In den "Lives and Characters . . ." von Gildon/Langbain heißt es über S. W.: "This Play has been in good Esteem, and for a farther Commendation you are refer'd to Mr. Dryden's Examen." (p. 78). - Als vierte der großen Komödien sei Volp. genannt. Dieses Werk erschien 1662, 1663 (in Oxford - Noyes, nicht bei Frohber), 1665, 1667, 1676 und 1700 (Noyes, nicht bei Frohberg) auf der Bühne. Bei E. M. I. wird es schon sdiwierig, Aufführungsdaten positiv nachzuweisen.14 Daß es gespielt wurde, ist allerdings sicher. Zwar registriert Noyes in seinem Gesamtüberblick (s. Anm. 22) keine genau datierbare Aufführung vor 1725, jedoch zitiert er auf S. 247 Downes, der in seinem "Roscius Anglicanus" (p. 9) E. M. I. als eines der Stücke angibt, die bei der Eröffnung des neuen "Theatre Royal" in Bridges-street Killigrews Truppe gehörten: "Acted but now and then, yet being well Perform'd, were very satisfactory to the Town." Außerdem stellt Noyes fest, E. M. I. sei wahrscheinlich um den 18. Januar 1669 herum und sicher vor dem 16. Juni 1673 aufgeführt worden (ib.). Schließlich wird es auch bei Gildon/Langbain erwähnt: "It has been reviv'd and Acted since the Restoration, with good Applause." (p. 78). - E. M. O. wurde offenbar nur 1675 einmal aufgeführt (Noyes p. 296). C. R., D. is A„ S N., M. L., "A Tale of a Tub" und "The New Inne" werden zusammen mit den bisher genannten Dramen in dem Katalog aufgeführt, der einen Teil der Killigrew um den 2. Januar 1669 zugesprochenen Stücke umfaßt: "Plays Acted at the Theatre Royall. A Catalogue of part of His Ma tes Servants Playes as they were formerly acted at the Blackfryers & now allowed of to his Ma tes Servants at y e New Theatre". (Diese Liste aus dem "Public Record Office" ist abgedruckt bei Nicoll, Appendix B, II 3 - 4 1955, pp. 353-54). "Poetaster" ist in der entsprechenden Liste für die D'Avenantsdie Truppe enthalten (Nicoll, ib., p. 353). Damit ist natürlich über Datum und Häufigkeit der Aufführung nichts gesagt. Es sei noch hinzugefügt, daß E. M. O. und D. is A. zu den Jonsonschen Werken gehören, die nach Downes wie E. M. I. "but now and then" auf der Restaurationsbühne erschienen (s. o., auf dieser Seite). Vielleicht geht Noyes mit seiner eingangs (S. 20) zitierten skeptischen Haltung doch etwas zu weit. Die Liste des P. R. O. und das Zeugnis Downes' sind sicher nicht von der Hand zu weisen, wenn auch das Fehlen genauerer Belege vorsichtig stimmen muß. Wir wissen also nicht mit Sicherheit, ob diese Komödien aufgeführt wurden, aber es ist doch immerhin wahrscheinlich. 21

Von den beiden Tragödien sind nur f ü r Cat. sichere Aufführungsdaten nachweisbar: 1668,1669 und 1675 erschien dieses Werk auf der Bühne. Noyes (p. 309) zitiert Langbain (An Account of the English Dramatick Poets, 1691): "This Play is still in Vogue on the Stage, and always presented with success." In Gildons Bearbeitung der Langbainschen Schrift heißt es etwas zurückhaltender: "Acted . . . sometimes since the Restoration, with good Applause . . ." (Lives and Characters . . ., p. 77). - Sej. ist wie D. is A. in der Killigrewschen Liste vom 2. Januar 1669 und bei Downes ("Acted but now and then . . .") erwähnt (s. o., S. 21). Alles in allem läßt sidi wohl sagen, daß fast in der gesamten Epoche von 1660 bis 1700 Ben Jonsons Dramen immer wieder auf die Bühne kamen. Für etwa anderthalb Jahrzehnte besteht allerdings eine Lüdce in der Dokumentierung: Nach der A u f f ü h r u n g von S. W. im Jahre 1685 sind erst 1700 wieder Aufführungen von S. W. und Volp. nachweisbar. Jedoch nennt Langbain 1691 einige Dramen Jonsons als noch auf der Bühne lebendig, so z. B. Cat. (s. das Zitat auf dieser Seite), Volp. (Noyes p. 50), B. F. (Noyes p. 233), E. M. I. (Noyes p. 250). 25 S. W. wird ebenfalls bei Langbain erwähnt: ". . . this Play is Accounted by all, One of the best Comedies we have extant." (Noyes p. 183). Ferner weist Noyes (p. 50) darauf hin, d a ß nach Gildons "Comparison Between the Two Stages" 1695 eine Art Jonson-Renaissance im "Theatre Royal" (Drury Lane) stattgefunden habe. Da im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts allein 58 Aufführungen Jonsonscher Dramen zu verzeichnen sind, wird trotz fehlender Dokumente die Wahrscheinlichkeit dieser Angabe erhöht. 29 Die Aufführungsdaten lassen natürlich auch gewisse Schlüsse darauf zu, wie weit die Komödien Jonsons zumindest den wichtigsten der hier zu behandelnden Autoren auf der Bühne begegnet sein können. Bis 1668, dem Erscheinungsjahr von Drydens "Essay of Dramatic Poesy" und Ethereges erster reiner Komödie, She wou'd . . ., waren Aich., B. F., S. W., Volp. und vermutlich auch E. M. I. aufgeführt worden. Als im Jahre 1671 Wycherleys Erstling, Love . . . W., herauskam, waren auch die anderen Dramen, soweit sie überhaupt aufgeführt wurden (die oben gemachten Einschränkungen brauchen hier nicht wiederholt zu werden), zu neuem Bühnenleben erweckt worden. Etherege und Wycherley können also einen Großteil des Jonsonschen Werkes direkt im Theater erlebt haben, bevor sie ihre Komödien im fertigen Zeitstil zu schreiben begannen ( - Ethereges Erstling, Com. R., fällt ja etwas aus der Gattung heraus). - Bei Congreve liegt die Sache komplizierter. D a ß er Jonson gekannt hat, steht außer Zweifel: Nicht nur seine Komödien, sondern auch sein Essay "Concerning H u m o u r in Comedy" legen davon Zeugnis ab. Er kann natürlich Jonsons Werke gelesen (etwa in der Folioausgabe von 1692) oder indirekt, vielleicht durch die Lustspiele seiner Vorgänger, von ihm Kenntnis erhalten haben. Aber hat er Jonsons Komödien auf der Bühne gesehen? Als S. W. 1685 aufgeführt wurde, war Congreve noch nicht in London, und danach tritt eben jene Lücke ein, die nur unvollkommen geschlossen wird durch Langbain (seine Äußerungen lassen keine Vermutungen über bestimmte Aufführungsdaten zu) und Gildon ( - selbst wenn seine Angabe von der Jonson-Renaissance 1695 22

stimmt, wäre das schon etwas spät f ü r unsere Frage: Zu diesem Zeitpunkt hatte Congreve Old B. und D.-D. ja jedenfalls schon geschrieben). Es ist aber möglich, daß Congreve einige Jonsonsche Komödien auf dem Theater in Dublin erlebt hat: "This was the only playhouse of the British Isles outside of London before the Restoration. And it was in Dublin alone, outside of London, that distinguished companies of professional actors were encouraged and supported during the seventeenth century. This Irish theatre was sponsored by James Shirley, the dramatist, and there his own plays as well as those of Jonson and Middleton and others were produced before the gentlefolk." (J. C. Hodges, William Congreve, the Man; New York/London, 1941 - The Modern Language Association of America, General Series, no. X I - p. 27). Dies Theater brachte auch zeitgenössische Autoren (Etherege, Wycherley, Shadwell) auf die Bühne, als Congreve am Trinity College studierte. Er hatte freundschaftlichen Verkehr mit den Schauspielern der Gesellschaft, von denen einige später bei den Londoner Uraufführungen seiner Komödien kleinere Rollen übernahmen. (Hodges p. 28). - In Dublin also kam Congreve mit dem Theater in Berührung, hier mag er auch die dramatische Kunst Ben Jonsons kennengelernt haben.

23

K A P I T E L

II

Anspielungen Zumeist werden in den Prologen und Epilogen, den Essays, Vorreden und Widmungen der Restaurationszeit Jonson, Shakespeare und Fletcher zusammen erwähnt: " . . . the happy Triumvirate . . . of the Chief Dramatic Poets of our Nation of the last foregoing Age . . .", wie Edward Philipps sie in seinem "Theatrum Poetarum" nennt (Third Edition, Reprinted at the expence, and with the notes of Sir Egerton Brydges, Geneva 1824, vol II, p. 4 - no. 7). Ähnlich apostrophiert Robert Gould diese drei Dramatiker in seiner Satire "The Play-House": "Hail Sacred Bards! Hail ye Immortal Three! The British Muses Great Triumviri!" (Abgedruckt in: M. Summers, The Restoration Theatre, London, 1934 - p. 309). In diesen Hinweisen wird Jonson gewöhnlich mit den Begriffen "judgement" und "art" charakterisiert, während Shakespeare und Fletcher (dem sich zuweilen nodi Beaumont zugesellt) vor allem "wit" zugeschrieben wird (aber auch das Wort "nature" wird gebraucht). So finden wir etwa bei Richard Flecknoe in seinem "Short Discourse of the English Stage" (1664) gleich beide antithetischen Formeln: "judgement - wit" mit Bezug auf Jonson und Fletcher, "art nature" mit Bezug auf Jonson und Shakespeare (Spingarn II, p. 94). Jonson selbst hat diese Antithesen gewissermaßen schon vorweggenommen, da er "art" und "judgement" als seine eigentlichen Kunstideale bezeichnet: " . . . Where I want arte, or iudgement, taxe me freely," läßt er Asper in der "Induction" zu E. M. O. sagen (Z. 61)." Es ist klar, daß mit jedem dieser vier Worte äußerst komplexe Gebilde angesprochen werden. Natürlich kann nicht erschöpfend dargestellt werden, was alles diese Begriffe, wenn man sie einzeln betrachtet, bedeuten.28 Wir müssen uns darauf beschränken, ihren Inhalt im Zusammenhang dieser antithetischen Gegenüberstellungen anzudeuten. Am ehesten ist "art" zu bestimmen. Es hat offensichtlich den im NED unter I. 5. genannten Sinn: "The application of skill to subjects of taste, as poetry, music, dancing, the drama, oratory, literary composition, and the like"; - es bezieht sich also auf die Beherrschung des poetischen Handwerks, des Erlernbaren an der Dichtkunst. - Auch für "judgement" gibt das N E D (unter 8.) eine für unser Problem einleuchtende Definition: "The faculty of judging, . . . the critical faculty; discernment." Wenn man diese Bedeutung (im Deutschen etwa als „Urteilsvermögen" wiederzugeben) auf Jonson anwendet, stellt sich aber sogleich eine weitere Frage: 24

Ist damit der kritische Scharfblick f ü r die moralischen und intellektuellen Schwächen seiner Zeit gemeint oder die Fähigkeit zu bewußtem ästhetischem Urteil? Die Verbindung mit "art" (die Begriffe werden als eng zusammengehörig gebraucht) macht die zweite Interpretation wahrscheinlicher. Diese Bedeutung scheint auch durch den Gegenbegriff "wit" erfordert. C. S. Lewis (Studies in Words, Cambridge, 1960, pp. 91-92) legt dar, daß die Antithese "wit - judgement" nicht nur in der neoklassischen Literaturkritik (unabhängig von dem Vergleich Jonson-Shakespeare/Fletcher) ein Gemeinplatz ist, sondern auch schon im Lateinischen (bei Cicero undQuintilian) als "ingenium - iudicium" auftritt. Lewis beschreibt "wit/ingenium" in dieser Verbindung folgendermaßen: " . . . the productive, seminal (modern cant would say 'creative') thing, as distinct f r o m the critical faculty of 'judicium'; the thing supplied by nature, not acquired by skill ('ars'); the thing which he who has it may love too well and follow intemperately. It is what distinguishes the great writer and especially the great poet. It is therefore very close to 'imagination'." (p. 92). Es ist deutlich, wie "nature" in Verbindung treten kann zu "wit" als der natürlichen dichterischen Begabung. Die Antithese "wit/nature - art/judgement" läuft also darauf hinaus, daß man in Jonson vor allem den bewußt nach kritischen Maßstäben arbeitenden und feilenden, die technischen Mittel beherrschenden Autor sieht, den aber andere an Leichtigkeit, Fülle und Eleganz der Erfindung übertreffen. Die Gegenüberstellung kann also als Einschränkung Jonsons gemeint sein, wie etwa von Dryden in seinem "Essay of Dramatic Poesy", wo er zwar zunächst Jonson rühmt als "the most learned and judicious writer" (Ker I, p. 81), ihn aber dann (p. 82) im Vergleich mit Shakespeare doch etwas abzuwerten scheint: "[Jonson was] the more correct poet, but Shakespeare the greater wit." D a ß dies durchaus eine Abwertung ist, wird klar, wenn man bedenkt, welch große Rolle "wit" als Ideal der Zeit spielt. So ist aber auch der umgekehrte Versuch zu verstehen, diese Antithese zum Ruhme Ben Jonsons auszunutzen, - ein Versuch, den sein leidenschaftlicher Bewunderer und Drydens zeitweiliger Gegner Shadwell unternimmt. Dieser wendet sich im Vorwort zu "The H u m o rists" (1671) gegen die Kritiker an seinem Vorbild (und zeigt damit zugleich die Häufigkeit dieser Anwürfe): " . . . they speak as if judgment were a less thing than wit. But certainly it was meant otherwise by nature, who subjected wit to the government of judgment, which is the noblest faculty of the mind. Fancy rough-draws, but judgement smooths and finishes; nay judgment does indeed comprehend wit, for no man can have that who has not wit." (Works ed. Summers, vol. I, pp. 187-88.) Hier tritt also "judgement" als der die Zügellosigkeit der Fantasie ("fancy/ wit" - die Gleichstellung ist wichtig) in Zucht nehmende Kunstverstand in Erscheinung. Der Tenor der Anspielungen auf Jonson aber wird auch durch Shadwells Verteidigung nicht verändert: Die Bewußtheit der Jonsonschen Kunstübung, der rationale, der kritischen Prinzipien stets bewußte Charakter seines Schaf25

fens, wird immer wieder betont. Im Zusammenhang mit dieser Bewußtheit wird auch fast regelmäßig die Mühseligkeit des Jonsonsdien Dichtungsprozesses angesprochen. So verbindet Robert Gould in "The Play-House" " . . . thy Judgment, care and pains . . ." (zitiert Herford/Simpson X I , p. 547 - Jonson's Literary Record, X X X I ) . 2 » Kompliziert wird die Deutung der Urteile über Jonson vor allem durch das Wort " w i t " , das als Idealbegriff der Zeit einen durchaus schillernden Charakter hat, da es eben von verschiedenen Autoren für recht parteiliche Zwecke in Anspruch genommen wird (C. S. Lewis gebraucht für dieses linguistische Phänomen, das ja audi in der Gegenwart ständig zu beobachten ist, in seiner Einleitung den Terminus "tactical definitions"). Vor allem spielt es in dieser Funktion sehr stark in die später überwiegende Bedeutung „geistige Brillanz" hinüber ( N E D , s. v. " w i t " , I I . 7.: "Quickness of intellect or liveliness of fancy, with capacity of apt expression; talent for saying brillant or sparkling things, esp. in an amusing way . . . , " - ib., 8.: ". . . later [d. h. seit dem 18. J h . ] always with reference to the utterance of brilliant or sparkling things in an amusing way.") Die Unterscheidung von der Bedeutung "fancy" im Sinne dichterischer Fantasie ist nicht immer klar. Besonders in der Verbindung mit Begriffen wie "repartee" scheint der moderne Sinn zu überwiegen, der wohl auch bei einigen Anspielungen auf Jonson oder die ganze Shakespearezeit anzunehmen ist. Für die antithetischen Formeln allerdings dürfte die oben vorgetragene Interpretation, nach der also "wit" noch im älteren Sinne gebraucht wird, zutreffen. Die Zahl der Erwähnungen Ben Jonsons ist während des ganzen 17. Jahrhunderts beträchtlich. Rühmende Epitheta wie "great, greatest" werden häufiger ihm als Shakespeare zuerkannt. G. E. Bentley kommt in seiner Untersuchung "Shakespeare and Jonson: Their Reputations in the Seventeenth Century Compared" (2 vols., Chicago 1945/6) zu dem Schluß: " . . . to writers of the seventeenth century Jonson was better known and more highly respected than Shakespeare. N o t until the final decade were Shakespeare and his creations mentioned so often as Jonson and his, and even then they were not so frequently praised. Not only was Jonson mentioned oftener, quoted oftener, and praised oftener, but his individual plays and poems were named more frequently than Shakespeare's, though his canon is smaller." (Ch. V I , The Comparative Popularity of Individual Plays, p. 107). Gewiß ist Bentleys rein statistische Arbeitsweise geeignet, den daran nicht gewöhnten europäischen Philologen etwas mißtrauisch zu machen. Trotz aller Aufspaltungen und Differenzierungen scheinen Statistiken für die Darstellung geistesgeschichtlicher Phänomene nicht ganz das richtige Instrument. Sie mögen "scientific" sein, „wissenschaftlich" sind sie nur in begrenztem Maße. Nicht allein auf die Zahl der Nennungen kommt es an, sondern auch auf ihr Gewicht, und da dürfte eine so kurze Bemerkung wie die Drydens in seinem "Essay of Dramatic Poesy": „I admire him [Jonson], but I love Shakespeare . . ." (Ker I, pp. 8 2 - 8 3 ) doch erhellender sein als Hunderte von preisenden Attributen geringerer Autoren. Trotz dieser methodischen Bedenken können wir aber mit Sicherheit aus 26

Bentleys Arbeit den Schluß ziehen, d a ß Jonson in der Restaurationszeit noch weithin erörtert und geschätzt wurde. Einige dieser Hinweise und Anspielungen sollen jetzt verzeichnet werden. Von Kritikern geringeren Ranges betonen Richard Flecknoe in seinem obenerwähnten "Short Discourse" und Sir Robert H o w a r d in seinem "Preface to four N e w Plays" (1665) Jonsons Größe als Dramatiker. G u t 30 Jahre später stellt Jeremy Collier häufig der moralischen Verworfenheit der Restaurationsbühne die sittliche Vortrefflichkeit der Jonsonschen Werke gegenüber (A Short View of the Immorality and Profaneness of the English Stage . . ., 1698). John Oldham hat in der ersten Strophe seiner Ode "Upon the Works of BEN. J O H N S O N " (1670) die Apostrophe: "Hail mighty founder of our Stage!" (V. 6 - abgedruckt Herford/Simpson X I , p. 538). Natürlich nennt Shadwell seinen großen Meister mehrfach in den Vorreden und Widmungen seiner Werke (s. o., S. 10, 25 dieser Arbeit). Wichtiger als diese Stimmen sind uns aber die der Großen. Drydens Verhältnis zu Jonson ist nicht frei von Komplikationen. Seine Urteile schließen sowohl hohes Lob als auch recht herben Tadel ein. Wir finden extrem verschiedene Stellungnahmen in zwei Schriften, in "Defence of an Essay of Dramatic Poesy" (1668), wo Jonson auf eine Stufe mit Aristoteles, H o r a z und Corneille gestellt wird (Ker I, pp. 122, 125), und im Epilog zum zweiten Teil von "The Conquest of G r a n a d a " (1670), wo Jonson und seine Zeit mit wenig Respekt behandelt werden: "Thus Jonson did Mechanique humour show When men were dull, and conversation low. Then, Comedy was faultless, but 'twas course; Cobbs Tankard was a jest, and Otter's horse. A n d as their Comedy, their Love was mean; Except, by chance, in some one labour'd Scene, Which must attone for an ill-written play, They rose, but at this height could seldome stay." (The Poems of John Dryden, ed. J. Sargeaunt, London/Oxford, 1910, p. 215, 11. 3-10). In anderen Schriften ist Dryden nicht ganz so kritisch, aber eine gewisse Reserve ist doch durchweg zu beobachten, z. B. im "Essay of Dramatic Poesy" (s. Zitat auf S. 26). Am besten ist seine Haltung gekennzeichnet im Vorwort zu "An Evening's Love" (1671): "I know I have been accused as an enemy of his writings; but without any other reason, than that I do not admire him blindly, and without looking into his imperfections." (Ker I, p. 138). Trotz dieser gemäßigten Haltung sind die Anspielungen auf Jonson recht zahlreich in Drydens Werken. Wir finden Hinweise in den folgenden Essays, Vorreden und Widmungen: Lobgedicht "To my dear Friend Mr. Congreve, on his Comedy called, 'The Double Dealer'", "Essay of Dramatic Poesy", "Defence of an Essay of Dramatic Poesy", "Defence of the Epilogue [to the Second P a r t of the Conquest of Granada] or an Essay on the Dramatic Poetry of the Last Age", Vorwort zu "An Evening's Love", "Troilus and Cressida", "All for 27

L o v e " , "Albion a n d A l b i a n u s " , W i d m u n g des " E x a m e n P o e t i c u m " , "Preface t o the Fables", "Essay on Satire" 3 0 , W i d m u n g e n zu " T h e T h i r d Miscellany", " T h e Assignation" u n d " T h e Spanish F r i a r " . - N o c h wichtiger f ü r den Zweck dieser Untersuchung aber sind Anspielungen und E r w ä h n u n g e n auf der B ü h n e selbst, in den Prologen, Epilogen u n d D r a m e n : Diese H i n w e i s e demonstrieren, daß den Zuschauern, an die sich solche Ä u ß e r u n g e n richteten, J o n s o n u n d seine W e r k e v e r t r a u t w a r e n . A u ß e r im Epilog zu " T h e C o n q u e s t of G r a n a d a " (2. Teil) n e n n t D r y d e n Ben Jonson in den Prologen zu " T h e Wild G a l l a n t " , " T h e Secret L o v e " , z u D ' A v e n a n t s " C i r c e " u n d Joseph H a r r i s ' "Mistakes", sowie zu " T h e Tempest"* u n d "Julius C a e s a r " * ( C o v e n t G a r d e n drollery). 3 1 N u r z w e i m a l finden sich in D r y d e n s D r a m e n Anspielungen auf Ben J o n s o n : "as Cokes a m o n g the puppets" (Sir M a r t i n M a r - A l l V 1 - W o r k s ed. Scott, vol. I l l , p. 74) bezieht sich auf B. F. V 3/4; in " L i m b e r h a m " w i r d die Titelfigur v o n W o o d a l l bezeichnet als " t h e easiest fool I ever k n e w , next m y n a u n t of fairies in the Alchemist", w o z u Scott in einer F u ß n o t e auf D a p p e r in Jonsons Aich, verweist (I 1 - vol. V I , p. 32). 32 Von den D r a m a t i k e r n der "comedy of m a n n e r s " e r w ä h n t Congreve Ben Jonson mehrmals. A m wichtigsten ist natürlich sein Brief an J o h n Dennis " C o n cerning H u m o u r in C o m e d y " (1695). A n denselben E m p f ä n g e r geht ein Brief aus T u n b r i d g e Wells, datiert v o m 11. August 1695, in d e m C . R . e r w ä h n t w i r d . In der W i d m u n g zu seiner letzten K o m ö d i e , W . of W., scheint er auf T r v e - w i t (S. W.) anzuspielen: ". . . b e t w i x t the character of a W i t w o u d and a T r u e w i t . " ( M e r m a i d Series, p. 314). I m Stück selbst k o m m e n zweimal A n spielungen auf Jonsonsche C h a r a k t e r e v o r : Mirabell n e n n t Mosca ( I I 2, p. 343), W i t w o u d flucht " . . . in the n a m e of B a r t l e m e w a n d his fair . . ." ( I I I 2, p. 362). D e r N a m e des jungen Leviten in O l d B., " T r i b u l a t i o n S p i n t e x t " , ist offensichtlich nach Jonsons " T r i b v l a t i o n W h o l s o m e " (Aich.) geschaffen; in I V 6 n e n n t F o n d l e w i f e den jungen Bellmour, der ihn, als Geistlicher verkleidet, z u m H a h n r e i gemacht h a t , " t h o u A n a n i a s i n c a r n a t e " (p. 69), gebraucht also w i e d e r u m einen N a m e n aus Aich. Etberege n e n n t J o n s o n (zusammen mit Fletcher) im P r o l o g zu seinem ersten D r a m a , C o m . R . In M. of M. spielt H a r r i e t auf B a r t h o l m e w Cokes a n : " T h e r e are some, it m a y be, h a v e an E y e like B a r t ' l o m e w , big enough f o r the whole F a i r : but I a m n o t of y o u r n u m b e r , a n d you m a y k e e p y o u r G i n g e r - b r e a d . . ." ( I l l 1,94-96; diese Stelle bezieht sich speziell auf B. F. I I I 4). Wycherley n e n n t Kastrill, den zornigen J ü n g l i n g aus Ben Jonsons Aich., in seinem P r o l o g zu C . W . Ähnliche Anspielungen k o m m e n audi in verschiedenen P r o d u k t e n der zweitrangigen Lustspielautoren vor. 3 3 - D e r Name Jonsons w i r d g e n a n n t v o n S h a d well in " T h e Sullen L o v e r s " ( 1 6 6 8 / 1 1 2) u n d " B u r y - F a i r " ( 1 6 8 9 / 1 1 1), J o h n L a c y in " T h e D u m b L a d y " ( 1 6 7 2 / I V 1) u n d "Sir Hercules B u f f o n " ( 1 6 8 4 / I I I 1), D ' U r f e y in " L o v e f o r M o n e y " (1691 / I I 1), Nicholas B r a d y im P r o l o g zu " T h e R a p e , or, T h e I n n o c e n t I m p o s t o r s " (1692), T h o m a s W r i g h t in " T h e Female Vertuoso's" (1693 / I I I ) , E d w a r d R a v e n s c r o f t im P r o l o g zu " T h e C a n t e r b u r y G u e s t " (1695), T h o m a s D i l k e in " T h e C i t y L a d y " ( 1 6 9 7 / I I I ) , 28

Rawlins in "Tunbridge-Wells" (1678 / 1 ) und in den anonymen Dramen "The Unnatural Mother" (nach Nicoll, Hand-List of Restoration Plays, 1697 aufgeführt / Prolog) und "The Factious Citizen" (1685 - Bentley p. 181, nicht bei Nicoll verzeichnet). Edward Howard läßt Jonson im zweiten Prolog zu "The Womens Conquest" (1670) sogar als mahnenden Geist auftreten. Titel Jonsonsdier Dramen werden erwähnt in Shadwells "The Sullen Lovers" (V: Cat.), Edward Howards "The Six Days Adventure" (1671 / IV: C. R.), Rawlins' "Tunbridge-Wells" (a.a.O.), D'Urfeys "Madam Fickle" ( 1 6 7 6 / I I I 1: E.M.I.) und "A Fond Husband" (1677 / V 1: D. is A.), Otways "The Souldiers Fortune" (1680/ IV 1: D. is A.) und der anonymen politischen Komödie "The Folly of Priest-Craft" (1690 / IV 1: S. W.). Zitate bzw. wörtliche Anklänge sind zu verzeichnen in Aphra Behns "Sir Patient Fancy" (1678 / V 1, p. 100: Wittmore spricht die Anfangsverse Volpones), John Lacys "The Dumb Lady" (IV 1: auf die Einleitung "Ben. Johnson says . . . " folgt ein sinngemäßes Zitat aus Sir Epicvre Mammons Rede in Aich. II 1), Henry Higdens "The Wary Widdow" ( 1 6 9 3 / 1 1 : "Resolute Bau" eine Wendung Cokes'? Vgl. "I am resolute Bat34", B. F. III 4, 40 f.!) und dem anonymen "Unfortunate Usurper" (1663, nicht bei Nicoll / I 4 Zitat aus Sej. I 1, 255-57 - Bentley pp. 120-21). Die Anspielungen auf Jonsonsche Charaktere sollen hier nur summarisch aufgeführt werden. Die Figuren, die in Dramen von Shadwell, Wilson, Dennis, Edward Howard, Cowley, D'Urfey, Lacy, Otway, Mrs. Behn, Dilke, Rawlins und Crowne genannt werden, sind Bartholmew Cokes, Vrsla, Zeal-of-the-Land Bvsy, Hvmphrey Waspe35 (B. F.), Morose, Sir Amorovs La Foole, Captain Otter und Cvtberd (S. W.), Dol Common, Ananias 36 und Dapper (Aldi.), Sir Politiqve Wovld-bee (Volp.) und Captain Bobadill (E. M. I.). Alle diese Anspielungen zeigen uns, wie sehr Ben Jonson und sein Werk allgemein bekannt waren: " . . . the Restoration audience not only was quite accustomed to the mention of Jonson's name, but also was sufficiently familiar with his plays to understand allusions to many of the characters which he had created." (C. B. Graham, "Jonson Allusions in Restoration Comedy", RES 15, 1939, p. 204). Nicht nur die führenden Autoren der Zeit setzten sich mit Jonson auseinander, sondern auch dem gewöhnlichen Theaterpublikum (in dem allerdings die Autoren auch eine Rolle spielten) war er mehr als eine legendäre Gestalt. Diese allgemeine Vertrautheit mit der Jonsonschen Komödie bildet den Hintergrund, vor dem die Frage nach seiner Fortwirkung im Restaurationslustspiel zu sehen ist.

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D R I T T E R

T E I L

Gemeinsame Züge der Jonsonschen Komödie und des Restaurationslustspiels K A P I T E L

I

Realismus Der Begriff „Realismus", so wie er hier gebraucht wird, bedeutet nicht Naturalismus, Fotokopie des Alltags. Das Theater bleibt stets eine „künstliche" Welt für sich, vom Leben um eine gewisse Spanne entfernt. In diesem eingeschränkten Sinn der wesensmäßigen Verschiedenheit von gespieltem und gelebtem Leben hat audi Lamb nicht ganz unrecht mit seinem Aufsatz "On the Artificial Comedy of the Last Century", wenn audi gerade in der Restauration die beiden Welt einander sehr nahe waren. Auch das realistische Lustspiel, wie es uns in der Restaurationszeit (speziell als "comedy of manners") und bei Ben Jonson begegnet, verziditet nidit auf eine gewisse Stilisierung und Auswahl, auf Bearbeitung der Motive, Steigerung der Effekte und Figuren. - So meint Congreve in seinem Brief an Dennis "Concerning Humour in Comedy": ". . . the distance of the Stage requires the Figure represented to be something larger than the Life . . ." (Spingarn I I I , p. 247). Shadwell weist darauf hin, daß man nicht einfach einen Toren wirklichkeitsgetreu abkonterfeien könne: ". . . n o one fool (though the best about the Town) could appear pleasantly upon the Stage, he would be there too dull a Fool, and must be helped out with a great deal of wit in the Author . . ." (Vorwort zu "The Humorists", Works ed. Summers, vol. I, p. 188). Realistische Züge werden durch Steigerung und Häufung zu komischen Zwecken genutzt (s. u., Floskeln, Jargon der Gecken, Sdiimpfkanonaden). Schließlich ist audi die Tendenz zur Typisierung, zur Darstellung des Repräsentativen (s. u., S. 55), ein solches Element der Stilisierung. Alle diese Punkte aber, z. T. durch das Medium des Theaters bedingt oder doch gefördert, nehmen den hier zu betrachtenden Komödien nidits von ihrer Lebensnähe, von ihrem grundsätzlich realistischen, d. h. auf Wahrscheinlichkeit und Schilderung der Wirklichkeit bedachten, nicht idealisierenden Charakter. Es handelt sich im Verhältnis Lebenswirklichkeit - theatralische Wirklichkeit nur um Nuancen. So ist z. B. auch Shadwells Wort über die Toren zu verstehen, und Farquhar läßt seinen „Dichter" Lyric die Unterschiede zwischen Bühnentoren und Publikum recht gering anschlagen: "I have often wondered why men should be fond of seeing fools ill represented, when at the same time and place they may behold the mighty 30

originals acting their parts to the life in the boxes!" (L . . . Bottle IV 2 Dramatic Works, vol. I, p. 78). Für Jonson, dessen Tendenz zur Steigerung und Typisierung ja offensichtlich ist, mag ein Beispiel aus der Umarbeitung der „italienischen" Erstfassung von E. M. I. zur Foliofassung dieses Streben zur Lebensnähe illustrieren: Während der alte Lorenzo in seinem Monolog (II 2) sich allgemein über menschliche U n vernunft ergeht, kritisiert Vater Kno'well an der entsprechenden Stelle (II 5) die besonderen Laster seiner Zeit, wie Unzucht, schlechtes Vorbild des Alters etc. Wenden wir uns nach dieser grundsätzlichen Erörterung den verschiedenen Aspekten zu, die sich unter dem Oberbegriff „Realismus" vereinen lassen! Das am ehesten ins Auge fallende Element des Realismus ist der Schauplatz. In fast allen Komödien Jonsons ist der O r t in England, sogar sein Pastoraldrama, "The Sad Shepherd", spielt in englischer Umgebung. Insbesondere ist London der Hintergrund, vor dem die H a n d l u n g abläuft. Die bereits erwähnten Ausnahmen sind Volp., "Poetaster", die Quartofassung von E. M. I. und C. R. E. M. O. (1599) beginnt auf dem Lande, aber in II 4 hat der Autor seine Charaktere nadi London gebracht. "Eastward H o e " (1605) spielt in London, und in S. W. (1609) ist London als O r t zu erschließen. Im Prolog zu Aich. (1610) wird der Schauplatz ausdrücklich hervorgehoben und damit in charakteristischer Weise als bewußter Programmpunkt verkündet: " O u r Scene is London, 'cause we would make known . . ." (V. 5). " F r o m ' T h e Alchemist'on w a r d s . . . [Jonson] set his scenes openly in London and made his characters English. H e is the first of our dramatists to do this systematically . . .," sagt P. Simpson ("The Art of Ben Jonson", E&S 30, 1944, p. 44). Szenen unter freiem Himmel führen uns o f t in die Straßen Londons, Interieurszenen spielen in den Häusern von Gentlemen und von Kaufleuten der "city" (E. M. I., S. W., Aich..), wir kommen sogar an den Hof (E. M. O.). - Die "comedies of manners" sind fast ausschließlich in London lokalisiert. Erst gegen Ende der Periode kommt es zu Ausnahmen bei Vanbrugh (Teile von Rel. spielen auf dem Lande) und Farquhar (Reer. O., Beaux-Strat.). Außerhalb dieser Gruppe kommen auch ausländische Schauplätze hin und wieder vor, z. B. bei Dryden (Madrid in "An Evening's Love", Sizilien in "Marriage a-laMode") oder Aphra Behn (Neapel in "The Rover"), Shadwell f ü h r t uns gelegentlich in die Provinz (Bury-Fair, Epsom-Wells, The Lancashire Witches). Aber im allgemeinen ist f ü r die gesamte Restaurationskomödie London als Schauplatz die Regel. - Die Damen und Herren der Gesellschaft werden häufig in ihrer eigenen Wohnung gezeigt, aber auch die Häuser in der "city" sind als O r t galanter Abenteuer wichtig, z. B. Aldermann Fondlewifes H a u s in Congreves Old B., Foresights Wohnung in L. f. L., Alderman Gripes Haus in Wycherleys Love . . . W., Don Diegos Räume in G. D.-M. Auch Straßenszenen kommen noch vor (z. B. Old B.), häufiger sind jetzt aber die Parks von London. H y d e Park, St. James's Park und Mulberry Garden sind Schauplätze einiger Szenen in Wycherleys "Love in a Wood, or, St. James's Park"(!), Congreves O l d B. und W. of W., Ethereges She wou'd . . . und M. of M., Van31

brughs Pr. W.; Farquhar scheint gern mit einer Parkszene zu beginnen (so in L . . . Bottle, Const. C., Sir H. W.). Mit den Parkszenen scheinen die Autoren besonders Shirleys Vorbild in "Hyde Park" gefolgt zu sein. Ben Jonson spielt nur hin und wieder auf diese in Mode kommenden örtlichkeiten an, z. B. in D. is A. I 6: "I'll goe bespeake me straight a guilt caroch, For her and you to take the ayre in. Yes, Into Hide-parke, and thence into Black-Fryers . . . " (Fitz-dottrell, 11. 214-16). Dazu bemerkt der Kommentar bei Herford/Simpson, Hyde Park würde in dieser Zeit gerade beliebt als Lustort der "city". Ähnliche Anspielungen finden sich im Prolog zu S. N . (Z. 14) und in Und. XV. Wichtiger als diese äußeren Ubereinstimmungen des Schauplatzes sind die Gestalten, die sich auf ihm bewegen. Die Grundlage der Fähigkeit Jonsons, realistische Porträts der Männer und Frauen von London zu zeichnen, ist seine Beobachtungsgabe. Sein Talent der "observation" wird immer wieder gepriesen - nicht zuletzt von ihm selbst! So läßt er den neidischen Demetrivs (Dekker) über Horace (Jonson) sagen: " . . . hee is a meere spunge; nothing but humours, and obseruation; he goes vp and downe sucking from euery societie, and when hee comes home, squeazes himselfe drie againe." (Poetaster IV 3, 104-7). Edward Ravenscroft nennt Jonson "That Strict observer of mankind" (To the Author of the 'New Vtopia' [ = Edward Howard], Z. 3 - abgedruckt Herford/Simpson XI, p. 533). "The description of these humours, drawn from the knowledge and observation of particular persons, was the peculiar genius and talent of Ben Jonson", sagt Dryden in "Examen of the 'Silent Woman'" (Essay of Dramatic Poesy, Ker I, p. 86), und in der Boileau-Ubersetzung "The Art of Poetry" gibt er den Autoren, die den Lorbeer des Komödiendichters tragen wollen, den Rat: "Observe the town, and study well the court; For thither various characters resort. Thus 'twas great Jonson purchased his renown . . . " (Works ed. Scott, vol. XV, p. 252).M Sicherlich lobten die Autoren der Restaurationszeit hier eine Begabung, die dem Geist ihrer Epoche sehr entsprach. Natürlich ist der Begriff "observation" vielschichtig. Eine Stelle aus dem Prolog zu "Julius Caesar" (Covent Garden drollery), der von Bradley/Adams (The Jonson Allusion-Book, New Haven/London/Oxford, 1922 - Cornell Studies in English, 6 - p. 372) Dryden zugeschrieben wird, läßt Jonson als Anatom der menschlichen Seele erscheinen: "Wise Jonson's talent in observing lay . . . Jonson with skill dissected humane kind . . . " Gewiß befaßt sich Jonson auch mit den Abgründen der menschlichen Natur schlechthin: Volp. und Sej. sind Verkörperungen zeitlos negativer Kräfte wie Egoismus, Habgier, Brutalität des Machtstrebens. Aber normalerweise richtet 32

sidb. sein scharfer Blick eben nicht auf die allgemeine, überzeitliche Beschaffenheit des Menschen, sondern auf die besonderen Schwächen u n d N a r r h e i t e n seiner eigenen Zeit. Dieser „konkrete" Aspekt der "observation" ist es, den wir auch in den angeführten Zitaten aus der Restaurationsepoche gemeint sehen. " [ T o ] shew an Image of the times", - das ist f ü r Jonson die Aufgabe der Komödie, die er im Prolog zu E. M. I. (Folio) formuliert. 3 9 Asper in E. M. O . erklärt f ü r den A u t o r : ". . . lie strip the ragged follies of the time, N a k e d , as at their birth . . . . . . and with a w h i p of Steele, P r i n t wounding lashes in their y r o n ribs. I feare no mood stampt in a priuate brow, When I am pleas'd t'vnmaske a publicke vice." (Induction, 17-22). Diese Demaskierung der Torheiten und Laster seiner Zeit läßt Ben Jonsons G a b e der "observation" vor allem wirksam werden. E r durchschaut die Maske der A f f e k t a t i o n , der Eigenliebe, der Eitelkeit u n d verspottet diese Tendenzen in seinen "gulls". D a r i n folgen ihm die Restaurationsautoren. Congreve, Wycherley u n d Vanbrugh haben es sich in ihren Komödien z u m Ziel gesetzt, wie H a z l i t t sagt, " t o detect the disguises of self-love, a n d to m a k e reprisals on these preposterous assumptions of vanity, by marking the contrast between the real a n d the affected character as severely as possible . . ." (Characters of Shakespear's Plays, T w e l f t h N i g h t - The Complete Works of William H a z litt in T w e n t y - O n e Volumes, Centenary Edition, edited by. P. P. H o w e , London, 1931, vol. IV, p. 313). Diese R a t i o n a l i t ä t und Illusionslosigkeit sind im Werk Jonsons wie in der Restaurationskomödie vorherrschend. Die Übereinstimmung geht sogar noch weiter: D a ß in der Restaurationskomödie die Satire - soweit vorhanden - nicht auf ethische Verstöße, sondern auf intellektuelle Schwädien zielt, ist offensichtlich; aber audi Ben Jonson übt ebenso o f t intellektuelle wie moralische Kritik. Diese Erkenntnis finden wir schon bei Elizabeth Woodbridge (Studies in Jonson's Comedies, Boston/New Y o r k / L o n d o n , 1898 - Yale Studies in English, 5 - pp. 30-31). Allerdings ist die Unterscheidung z. T. etwas schwierig: W ä h r e n d sich Volp. als moralische u n d Aich, als überwiegend intellektuelle Satire darbieten, sind z. B. in C. R . die Klugen zugleich die T u g e n d h a f t e n (die allerdings den Beweis f ü r ihre Tugend nicht anzutreten brauchen)! - M a n darf jedenfalls diese Übereinstimmung nicht als völligen Gleichlauf der Absichten überinterpretieren. Fundamentale Unterschiede des satirischen Temperamentes und der moralischen Wertung bestehen und werden im „Vierten Teil" noch k u r z zu erörtern sein. Wie sich die den Torheiten zugrundeliegenden Schwädien in verschiedenen A r t e n von N a r r e n konkretisieren, werden wir bei der Behandlung der Typen ( K a p . V) u n d H a u p t t h e m e n (Kap. VI) sehen. - D a m i t w ä r e schon ein dritter Aspekt der Jonsonschen Beobachtungsgabe angesprochen, der zu der Einsicht in die negativen K r ä f t e der menschlichen N a t u r im allgemeinen u n d in die geistigen Mängel der eigenen Zeit im besonderen hinzutritt: der Blick f ü r die äußeren Züge einer bestimmten G r u p p e von Mensdien, f ü r ihre H a n d l u n g e n , 33

ihr Benehmen, ihre Ausdrudesweise etc. - der Blick für das Konkret-Empirische, der den realistischen Dramatiker ausmacht. Dieser Aspekt der "observation" ermöglicht es Jonson, einige Prinzipien durchzuführen, die an sich schon in den Bereidi des nächsten Kapitels hinüberleiten, der sich mit Fragen der Dramenstruktur befaßt. Sie sollen aber dennoch hier behandelt werden, weil sie vor allem als Aspekte der realistischen Darstellung wichtig sind: Es sind diejenigen formalen Züge, die durch den Realismus der Werke bedingt sind. Die Problematik des Begriffs „Realismus" selbst wurde ja schon eingangs diskutiert. Es wurden dabei zur Charakterisierung die Worte „Wahrscheinlichkeit" und „Lebensnahe" gebraucht. Herford/Simpson definieren diese Qualität der Lebenstreue ("truth to life") als "congruity with what is typical, or normal, in custom, action, and character" (Einleitung zu E. M. I., vol. I, p. 335). - In bezug auf "custom" bieten sich keine Schwierigkeiten: Sowohl Jonson als auch die Autoren der "comedy of manners" stellen nichts als die Sitten ihrer Zeit dar. - Hinsichtlich der Handlung ist die Antwort weniger einfach. Der überraschende Schluß von S. W. scheint eher mit der Bühnenpraxis der Epoche (Kindertruppen!) als mit dem Gebot der Wahrscheinlichkeit vereinbar; auch die Restaurationskomödie bedient sich noch gern der Verkleidung (s. Kap. II). Aber im Vergleich zu den Ereignissen im Walde von Arden, im Vergleich zum sog. „romantischen" Lustspiel ist die Handlung von S. W. entschieden „typisch oder normal". Hier wie in den meisten Komödien Jonsons und der Restaurationszeit ist das Geschehen auf dem Verhalten der Menschen innerhalb einer in Zeit und Raum fest angesiedelten Gesellschaft gegründet. Die Charaktere sind also Porträts von Männern und Frauen in einer realen gesellschaftlichen Situation, die historisdi genau zu bestimmen ist. Daß ihnen trotzdem eine gewisse „Künstlichkeit" im Sinne ästhetischer Stilisierung anhaftet, wurde ja schon in den allgemeinen Bemerkungen zum Begriff des theatralischen Realismus deutlich. Für die unleugbare „Künstlichkeit" der Restaurationscharaktere mag noch hinzukommen, daß die abgebildeten Formen gesellschaftlichen Lebens selbst höchst stilisiert, ja „künstlich" sind. Jonsons "Humours" sind per definitionem keine komplexen Psychogramme, und natürlich wären sie keine abgerundeten Persönlichkeiten, wenn sie aus der Realitätsebene des Dramas ins „wirkliche Leben" träten. Entscheidend ist aber, daß sie als Bühnengeschöpfe „lebensgetreu" sind, d. h. daß die in ihnen konkretisierten Züge von recht gewöhnlichen Menschen des Londoner Alltags zur Zeit Jonsons genommen sind. Sie sind genau so „typisch" für ihre Gesellschaft wie die Figuren der Restaurationskomödie. Eng verbunden mit dem Prinzip der Lebenstreue ist der aus der antiken Poetik übernommene Begriff des Decorums, der schon vor Jonson in der Kritik am elisabethanischen „romantischen" Drama gelegentlich eine Rolle spielt: "The main charge against contemporary stage-craft, in the few places where the critics refer to the romantic drama, is its lack of 'decorum' in one or more ways . . . " (Smith I, pp. X L I I - X L I I I , Introduction). Das Decorum fordert, daß sich die Personen im Drama ihrem Stande gemäß verhalten. Für Jonson bedeutet das vor allem Decorum der Rede*", denn die Äußerungen seiner 34

Charaktere in der Form der Rede sind ja das Gestaltungsmittel des Dramatikers in einer Zeit, als noch nicht die Bühnenanweisung überwuchert. Drummond berichtet: " . . . his Censure of the English Poets was this, that Sidney did not keep a Decorum jn making every on speak as well as himself" (Conv. - H e r f o r d / Simpson I, p. 132, 17-19). Derselbe Vorwurf trifft Guarini (ib., p. 134, 64-65) und Lukan, Sidney und Guarini zusammen (ib., p. 149, 611-14). - Bei Shadwell finden wir, obwohl der Begriff nicht direkt genannt wird, das Prinzip (mit Ausweitung auf die Handlungen, entsprechend dem weiteren Sinne des Decorums) noch implizit anerkannt im Vorwort zu "The Humorists": ". . . all the words and Actions of the Persons in the Play, are always sutable to the Characters I have given of them . . . " (Works ed. Summers, vol. I, p. 189). - Man könnte also den Begriff "Decorum" interpretieren als Sprachdifferenzierung. D a ß Jonson diese Forderung erfüllte, wird von Dryden sogar in seinem Essay "Defence of the Epilogue", in dem er wahrhaftig nicht überschwenglich ist im Lobe des älteren Dramatikers, zugestanden: "For Ben Johnson, the most judicious of poets, he always writ properly, and as the character required . . . " (Ker I, p. 172). Congreves Bemerkungen in seinem Essay "Concerning H u m o u r in Comedy" zeigen, daß f ü r die Autoren der "comedy of manners" dieser besondere Aspekt des Decorums noch ein gültiges Prinzip war: " . . . the Manner of Wit should be adapted to the H u m o u r . As, for Instance, a Character of a Splenetick and Peevish H u m o u r should have a Satyrical Wit. A Jolly and Sanguine H u m o u r should have a Facetious Wit. The Former should speak Positively; the Latter, Carelessly . . . " (Spingarn I I I , pp. 243-44). Hier wird also durch die Anwendung des stärker psychologischen " H u m o u r " Begriffs eine feinere Differenzierung gegenüber der Unterscheidung nach Standestypen angesprochen. Der letzte hier zu erörternde Aspekt des Realismus, zu dem uns das klassische Formprinzip des Decorums hingeführt hat, ist also die realistische Wiedergabe der Sprache, die Jonson in sein dramatisches Programm, verkündet im Prolog zu E. M. I., einbezieht: " . . . language, such as men doe vse . . (Z. 21). Die Mittel der sprachlichen Differenzierung verschiedener Personen sind bei Jonson und im Restaurationslustspiel nicht durchweg gleich. Jonson bedient sich mehrfach des Dialekts und des Cockney (B. F., Cob in E. M. I.). Dies Element fehlt in den eigentlichen "comedies of manners", bei Etherege, Wycherley und Congreve. Das anglo-französische Kauderwelsch, das häufiger vorkommt (z. B. Monsieur de Paris in Wydierleys G. D.-M., D u f o y in Ethereges Com. R.) ist natürlich kein englischer Dialekt; außerdem wird es vorwiegend als Mittel der Komik gebraucht und gehört deshalb in Kapitel I I I . Allerdings finden wir bei Farquhar, der ja in seinen Lustspielen überhaupt etwas zum derb-rustikalen Typus tendiert (besonders in seinen Helden), ver35

schiedentlich Dialektfiguren: So hat Hermes Wouldbe in "The Twin-Rivals" einen irisdien Diener (Teague), und der Bauerntölpel Bullock in Reer. O. spricht nur Dialekt (z. B. I I I 1 - Dramatic Works, vol. II, p. 159: "Come, sister, haste ye, we shall be leat a hoame.") Aphra Behn läßt Chariot als Mädchen aus dem Norden verkleidet bei Sir Timothy Treat-alls Gastmahl auftreten und (ohne komische Wirkung) Dialekt sprechen (The City Heiress I I I 1). - Die Differenzierung der Sprache wird, im ganzen gesehen, in der Restaurationskomödie weiter getrieben als bei Jonson: Selbst die Generationen unterscheiden sich durch ihre Sprechweise! So spricht etwa der Diener Jeremy in Congreves L. f. L. die gleiche klassische Prosa, elegant, flüssig, wie sein Herr Valentine, der ein "gentleman about town" ist; Sir Sampson Legend dagegen, der altmodische Junker, mischt seinen recht „robusten" Wortschatz mit gewissen euphuistisch anmutenden Sprachmustern, z. B. I I I 4, p. 254: " I warrant the devil will tell him in a dream, that he must not part with his estate; but I'll bring him a parson, to tell him that the devil's a liar; or, if that won't do, I'll bring a lawyer that shall outlie the devil. And so I'll try whether my blackguard or his shall get the better of the day." Wir haben hier einen deutlichen Nachklang der euphuistischen Tendenz zu architektonischen Strukturen und langen Perioden in der Folge dreier Parallelsätze, die in einer Schlußantithese zusammengefaßt werden. Diese Verfeinerung der Sprachdifferenzierung nach „Bildungsgenerationen" und Lebenskreisen setzt natürlich überhaupt eine äußerste Geschmeidigkeit der Prosasprache bzw. eine nuancierte Abstufung der sprachlichen Eleganz und darüber hinaus eine hohe Bewußtheit dieser Sprachqualitäten voraus, die zur Zeit Jonsons einfach noch nicht gegeben war. Da die klassische Prosa, die große Errungenschaft der Drydenzeit (s. dazu L. Borinski, Englischer Geist in der Geschichte seiner Prosa, Freiburg 1951), in den Jonsonschen Komödien noch nicht fertig ausgebildet ist, können auch die Nuancen der Abweichung nicht zur sprachlichen Charakterisierung der Personen benutzt werden. - In anderer Beziehung aber zeigt Jonson durchaus eine ähnliche Tendenz wie die späteren Autoren: Wie sie bemüht er sich um „Natürlichkeit" der Sprache. Auch die klassische Prosa ist ja durch dieses Streben ausgezeichnet, durch eine allerdings errungene, bewußte Leichtigkeit: "The so-called naturalness of classical prose is an artificial product of rationalization, of art looking like nature." (L. Borinski, "Shakespeare's Comic Prose", ShS 8, 1955, p. 66). Die Annäherung an die Umgangssprache läßt sich bei Jonson besonders gut an den Änderungen der Foliofassung von E. M. I. gegenüber der Quarto verfolgen, etwa an der Ersetzung von "ink-horn terms" durch gewöhnliche Ausdrücke, der Bevorzugung umgangssprachlicher grammatikalischer Formen ( - diese Änderungen werden innerhalb eines Vergleichs der beiden Fassungen eingehend untersucht bei Herford/Simpson, vol. I, pp. 361-69). Die rhetorische Struktur der Jonsonschen Prosa zeigt sich insgesamt von dieser Tendenz bestimmt, wie J . A. Barish dargelegt hat ("Baroque Prose in the Theater", PMLA 73, 1958, pp. 184-95): "[Jonson] adopted a rhetorical mode associated with effects of improvisation. Probably he worked as hard to roughen and irregularize his prose as others 36

did to polish and regularize." (p. 191). Ein Beispiel aus S. W., auf das Barish verweist, mag dies illustrieren: "Mary, your friends doe wonder, sir, the Thames being so neere, wherein you may drowne so handsomely; or London-bridge, at a low fall, with a fine leape, to hurry you downe the streame; or, such a delicate steeple, i' the towne, as Bow, to vault f r o m ; or, a brauer height, as Pauls; or, if you affected to doe it neerer home, and a shorter way, an excellent garret windore, into the street; or, a beame, in the said garret, with this halter; which they haue sent, and desire, that you would sooner commit your graue head to this knot, then to the wed-lock nooze; or, take a little sublimate, and goe out of the world, like a rat; or a flie (as one said) with a straw i' your arse: any way, rather, then to follow this goblin matrimony." (Trve-wit zu Morose, II 2, 20-32). Deutlich zeigt die syntaktische Struktur dieses Abschnitts (Reihung von Nebensätzen ohne Hauptsatz, Anakoluth in Z. 25: " . . . with this halter; which they haue sent, and desire . . .") die Ähnlichkeit zu sorgloser mündlicher Rede. D a ß dieser Rede des gebildeten Trve-wit die Eleganz und stilisierte Natürlichkeit der Restaurationsprosa (etwa Congreves) noch abgeht, ist nach dem bereits Gesagten nicht verwunderlich und hat auch in diesem Zusammenhang geringere Bedeutung. Die Absicht der realistischen Darstellung der Sprache zeigt sich auch in der Wiedergabe des besonderen Jargons, den die "gulls" und "fops" pflegen. Diese Sprache ist gekennzeichnet durch ihren Reichtum an Floskeln und Ausrufen. Einige dieser Wendungen werden auch von den Gentlemen gebraucht. So ruft z. B. Trve-wit hin und wieder "by this (that) light", aber D a w bedient sich nicht nur dieser Floskel häufiger, sondern fügt auch noch ein gelegentliches "by this pick-tooth" hinzu (S. W. II 2). Einige dieser Flüche und Formeln sind sogar in der Restaurationszeit noch recht o f t zu finden, etwa Trve-wits "hang him" oder das verlegene " O Lord, sir!", das Clove und Orange in E. M. O. (III 4) und Sir Joseph Wittol in Congreves Old B. (II 1 mehrfach) gebrauchen. Im Restaurationslustspiel wird dieses Element noch viel stärker hervorgehoben als bei Jonson. Wycherley benutzt bestimmte Ausrufe sogar als Leitmotive, z. B. Sir Simon Addlepots "faith and troth" ( - " . . . that I could not know him by his faith and troth!" sagt Lady Flippant voll Zorn über ihr Abenteuer im nächtlichen Park - Love . . . W. II 1, p. 37). Shadwell wehrt sich im Vorwort zu "The Humorists" gegen die Anklage, bestimmte Personen abkonterfeit zu haben: " . . . I challenge the most clamorous and violent of my Enemies . . . to accuse me, with truth, of representing the real Actions, or using the peculiar, affected phrases, or manner of speech of any one particular Man, or Woman living. I cannot indeed create a new Language, but the Phantastick Phrases, used in any Play of mine, are not appropiate to any one Fop, but applicable to many." (Works ed. Summers, vol. I, p. 185). Dieser polemische Ausbruch macht die Konventionalität der manierierten 37

Geckensprache deutlich. - Man könnte selbst die Auswüchse dieses Jargons noch als bloßen Realismus deuten, aber da die Übertreibung der Floskelsprache offensichtlich als Mittel der Komik benutzt wird, werden wir in Kapitel I I I noch einmal darauf zu spredien kommen. Auch die Berufsjargons ließen sich als Aspekt der realistischen Sprachdarstellung ansehen. Sie werden aber hauptsächlich zu komisch-satirischen Zwecken benutzt und sollen darum ebenfalls im dritten Kapitel behandelt werden. Schließlich ist als letzter Zug des Realismus der Sprache noch ein starkes Element der Vulgarität zu nennen, das sich besonders im Munde der weiblichen Charaktere etwas seltsam ausnimmt. In Jonsons Komödien ist es auf Figuren des "low life", wie Vrsla in B. F., beschränkt. In der Restaurationskomödie aber überhäufen selbst Damen der Gesellschaft ihre Opfer mit recht derben Beschimpfungen (s. Kap. IV, „Schimpfkanonaden"). Man könnte hierin ein Beispiel des komischen Kontrastes (zwischen der gesellschaftlichen Position der Damen und ihrer Ausdrucksweise) sehen. Aber für die Damen dieser Zeit war Obszönität der Sprache offenbar nichts Außergewöhnliches. Zur Illustration mag die bekannte Anekdote John Dennis' über Wycherleys erstes Zusammentreffen mit seiner Gönnerin Barbara Palmer, Herzogin von Cleveland, dienen. Wycherley fuhr in einer Kutsche die Pall Mall entlang, dabei passierte er den Wagen der königlichen Favoritin: "[the Duchess] thrusting half her Body out of the Chariot, cry's out aloud to him, 'You, Wycherley, you are a Son of a Whore,' at the same time laughing aloud and heartily . . . " (zitiert nach W. C. Wards Einleitung zu seiner Ausgabe von Wycherleys Dramen, Mermaid Series, p. X X V I I I ) . Die Vulgarität (allerdings kommt sie nicht den sympathisch gemeinten Heldinnen zu, sondern vorwiegend den Damen vom Typ „Lüsterne Alte" s. Kap. V) ist also durchaus ein Aspekt des Realismus der Spradie.

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K A P I T E L

II

Dramatische Form Die „Einheiten" spielen in jeder Dramentheorie, die sich auf klassische M a ß stäbe gründet, eine erhebliche Rolle. Sie sollen deshalb auch den Anfang dieses Kapitels bilden. Es gehört zum Wesen der Komödie im klassischen Sinne, daß sie keine ernsten bzw. tragischen Elemente enthält. Die Einfügung solcher Stoffe in die Komödie wird deshalb sdion von Whetstone (s. Anm. 13, Ende des Zitats) und dann wieder von Sidney verworfen. 41 Jonson schreibt „reine" Komödien in diesem Sinne, und audi die Restaurationskomödie wahrt im wesentlichen die Einheit des Tones. - Innerhalb der "comedy of manners" ist Ethereges Erstling, Com. R., mit seiner Nebenhandlung in Reimpaaren die einzige Ausnahme. Sonst widmet sich Dryden z. T. der Misdigattung (etwa in "Marriage a-laMode"). Natürlich darf dieser Begriff der komischen Reinheit nicht zu streng verstanden werden. Wycherleys Love . . . W. (Christina - Valentine) und Congreves D.-D. scheinen nicht durchweg komisch gemeint, wenn auch in den meisten Szenen eine zynische Leichtigkeit vorherrscht. Jonsons Komödien sind keinesfalls ein reiner Spaß; eine gewisse Herbheit seines satirischen Temperamentes ist meistens spürbar und in Volp. sogar dominierend (trotz der farcenhaften Nebenhandlung mit Sir Politiqve). Aspers Grimm ist charakteristisch: "lie strip the ragged follies of the time, N a k e d , as at their birth . . . . . . and with a whip of Steele, Print wounding lashes in their yron ribs." (E. M. O., Induction, 17-20)." Bei seinem Abgang sagt er zwar: "We hope to make the circles of your eyes Flow with distilled laughter . . ." (11. 216-17), und gewiß brauchen die Motive des Lachens in der Zeit Jonson nicht unseren heutigen zu entsprechen. Dennoch läßt uns Aspers Stimmung eher an Äußerungen Jonsons in den Disc, denken, wo er erklärt, das Gelächter gehöre gar nicht unbedingt zur Komödie: " N o r , is the moving of laughter alwaies the end of Comedy, . . . For, as Aristotle saies rightly, the moving of laughter is a fault in Comedie . . ." (Herford/Simpson V I I I , p. 643). 43 - In der Restaurationskomödie zeigt allein Wycherley im PI. D. eine ähnlich satirische Herbheit. Die „Einheit des Tones" ist also etwas modifiziert zu verstehen; aber trotzdem läßt sich sagen, daß Jonson und die Restaurationsdramatiker, speziell der 39

"manners"-Schule, diese Forderung beachten, wenn auch die Komik nicht immer von der erfreulichsten Art ist: Der Begriff ist am besten zu verstehen im Gegensatz etwa zu Shakespeares Historien. Die eigentlichen dramatischen Einheiten sind die Einheit des Ortes, der Zeit und der H a n d l u n g . " Die Einheit des Ortes wird sowohl von Ben Jonson als auch den Restaurationsdramatikern beachtet, wenn auch weniger streng als im französischen klassizistischen D r a m a oder etwa in Addisons "Cato". Congreves D.-D. und Jonsons M. L. und Aldi, spielen jeweils in einem Haus, aber sonst begnügen sich die Autoren damit, ganz London zum Schauplatz zu wählen (mit den eingangs des vorigen Kapitels genannten Ausnahmen). In der Restaurationskomödie wechselt die Szene oft von einem H a u s zum anderen, von den Parks zu den "ordinaries" und "coffee-houses". Auch bei Jonson bewegen sich die Gestalten in verschiedenen Szenerien. Jonson verbannt ja nicht jeglichen Schauplatzwechsel, sondern nur die allzu plötzlichen und allzu weiten Sprünge ("Where neither Chorus wafts you ore the seas . . .", Prolog zu E. M. I., Z. 15). Die Restaurationsdramatiker folgen ihm ohne Schwierigkeiten in ihren Komödien, weil sie nur an einem Mileu interessiert sind, der "town". In seinem "Examen of the 'Silent Woman'" weist Dryden auf eine Besonderheit der H a n d l u n g hin: "'Tis all included in the limits of three hours and an half, which is no more than is required for the presentment on the stage. A beauty perhaps not much observed . . (Ker I, p. 83). Allerdings ist D r y dens Zeitberechnung nicht ganz genau: Das Stück beginnt damit, daß sich Clerimont ankleidet (Bühnenanweisung I I ) , und bis zum letzten Hinweis auf die Tageszeit (IV 5, 22: ". . . afore night, as near as 'tis . . .") sind sicher mehr als dreieinhalb Stunden verstrichen. Die Einheit der Zeit wird von Jonson ebenso locker gehandhabt wie die Einheit des Ortes. Gewöhnlich nehmen seine Komödien einen Tag in Anspruch, von Morgen bis Abend (E. M. I., S. W., B. F., M. L.). N u r im Aich, ist die H a n d l u n g auf wenige Stunden konzentriert. Congreves D.-D. ist ähnlich gebaut: Das Drama beginnt nach dem Dinner ("Enter Careless . . . as just risen from the table" - Bühnenanweisung I 1, p. 105) und endet „nach acht" ("past eight", V 5, p. 186). Hier ist die Verdichtung der H a n d l u n g dramaturgisch notwendig, da Maskwells Scheitern durch die Geschwindigkeit der sich jagenden Manöver verursacht wird. Meistens sind die Zeitbeschränkungen in der Restaurationskomödie weniger streng. Die Dramen schildern die Ereignisse eines Tages, aber in der Mehrzahl der Fälle wird noch die folgende Nacht dazugenommen: eine durch die N a t u r der Stoffe bedingte Erweiterung. Wycherleys G. D.-M. und Ethereges She w o u ' d . . . dauern sogar zweimal 24 Stunden. Die äußeren Einheiten von Zeit und O r t werden also durchweg beobachtet, wenn auch in lockerer Form. Dagegen ist es verwunderlich, daß die Einheit der Handlung im Prolog zu E. M. I. gar nicht erwähnt w i r d : Das Fehlen dieser (uns viel wichtiger erscheinenden) Einheit wird nicht als einer der Mängel des elisabethanischen Dramas genannt. Ben Jonson stimmte hinsichtlich dieses Prinzips mit Heinsius überein, wie uns folgende Stelle in den Disc. zeigt, die 40

er aus der Schrift "De Tragoediae Constitutione" (cap. IV) des Holländers übernahm: " . . . as a house, consisting of diverse materialls, becomes one structure, and one dwelling; so an Action, compos'd of diverse parts, may become one Fable Epicke, or Dramaticke." (Herford/Simpson V I I I , p. 648, 2791-94). Diese lockere Auffassung der Handlungseinheit ist charakteristisch f ü r das englische Drama mit seiner Handlungsfülle, seinem Reichtum an Episoden, an H a u p t - und Nebenhandlungen - Züge, die sich nicht auf das schon von Whetstone und Sidney gerügte Nebeneinander von Ernst und Komik beschränken (das wir ja in Shakespeares Historien wiederfinden), sondern auch in der Mehrsträngigkeit der Komödien auftreten. Dryden (Neander) madit aus diesem Zug eine besondere Tugend in der Gegenüberstellung "the barrenness of the Frendi plots" - "the variety and copiousness of the English" (Essay of Dramatic Poesy, Ker I, p. 70). 45 - Congreve bekennt in seinem Widmungsschreiben zu D.-D., er habe hier ein Drama auf „aristotelischer" Grundlage schaffen wollen: "I confess I designed . . . to have written a true and regular comedy." Allerdings sei die Ausführung nur unvollkommen gelungen. Die äußere Form aber entspreche den Regeln: " . . . the mechanical part of it is regular . . . I made the plot as strong as I could, because it was single; and I made it single, because I would avoid confusion, and was resolved to preserve the three unities of the drama." (Mermaid Series, pp. 98-99). Es ist bezeichnend, daß trotzdem auch in diesem Falle die Einheit der Handlung wieder etwas freier gehandhabt wird, denn die Episoden um die Froths und Plyants nehmen doch einen breiten Raum ein. Abgesehen von diesem Experiment, gilt f ü r die Restaurationskomödie das Wort Courtalls, das zugleich die besondere Entsprechung der Grundtendenz zur Mentalität der Zeit zeigt und als Motto über der ganzen Gattung stehen könnte: " . . . a single intrigue in Love is as dull as a single Plot in a Play, and will tire a Lover worse, than t'other does an Audience." (Etherege, She wou'd . . . I I I 1, 106-8). Ein besonders deutliches Beispiel mag zur Illustration für alle genügen; Wycherleys Love . . . W. hat nicht weniger als drei Handlungsstränge, nämlich die Verwicklungen zwischen Christina/Valentine und Lydia/Ranger, Dapperwits und Sir Simons Affären mit Mrs. Martha und Lady Flippant, schließlich Alderman Gripes Bemühungen um Lucy. - Für Ben Jonson ist Volp. mit seinen zwei "plots" ein gutes Beispiel: Die Betrugsmanöver Volpones und Moscas und die Handlung um Sir Politiqve sind weithin selbständig, und die Haupthandlung selbst besteht aus drei parallelen Intrigen. Diese lose Technik der Verpflechtung parallellaufender Intrigenstränge wird auch in Aich, angewandt. B. F., die letzte der großen Komödien, ist eine Folge von Episoden, die dem Publikum die Erlebnisse verschiedener Gruppen vor Augen führen. Diese Vielfalt wird aber nicht nur durch den gemeinsamen Schauplatz zusammengehalten, sondern die verschiedenen Handlungsfäden und ihre Protagonisten sind auch untereinander verbunden, und alle Gruppen werden am Schluß 41

zusammengeführt. Hier ist die Einheit in der Vielfalt wirklich mit großem Geschick zustandegebracht. 46 Ein besonderes technisches Mittel, verschiedene Stränge zusammenzuhalten, ist die Einführung der Regiefigur. Diese wird weiter unten mit anderen besonderen dramaturgischen Techniken behandelt werden. Neben den Einheiten ist die sog. "liaison des scenes" ein weiteres Prinzip, das in der zeitgenössischen Literaturkritik eine Rolle spielt. In seinem "Essay of Dramatic Poesy" lobt Dryden Ben Jonson, weil in S. W. dieses Prinzip besonders gut befolgt sei: "The continuity of scenes is observed more than in any of our plays, except his own 'Fox' and 'Alchymist'". (Ker I, p. 83). Demzufolge haben sich die Restaurationsdramatiker weniger um szenische Kontinuität gekümmert als Jonson. Tatsächlich t r i f f t die in Drydens Feststellung implizit enthaltene Kritik - wenn sie als Kritik gemeint ist - f ü r das Restaurationslustspiel in einem gewissen Maße zu. Das Prinzip der Kontinuität wird gewöhnlich innerhalb einer Szene gewahrt, d. h. die Bühne bleibt nach dem Abgang einer Person nicht leer, solange die Szene dauert, und die Szenen nehmen mitunter einen ganzen A k t ein. Aber von Szene zu Szene und von Akt zu A k t finden dodi Schauplatzwechsel statt, die eine Durchbrechung der Kontinuität zur Folge haben. Die "liason des scenes" scheint f ü r diese Autoren keine unbedingt einzuhaltende Regel gewesen zu sein. Ein besonderes Element in der Struktur der Restaurationskomödie (das nicht mehr zu den theoretisch geforderten Prinzipien gehört) sind die Episodenszenen, die nur der Entfaltung der Eigenarten einer bestimmten Figur, der D a r stellung eines besonderen Einzelthemas oder auch, vor allem bei Congreve, der Darbietung eines Feuerwerks von "repartees" dienen bzw. diese drei Funktionen vereinen. Entscheidend ist, daß diese Szenen keine der verschiedenen Handlungen weiterführen. D a in ihnen also das Geschehen stillsteht, könnte man sie als „statische Szenen" bezeichnen, um die Beziehung zum dramatischen Ganzen darzustellen. - Deutliche Beispiele sind viele der Szenen um die Froths und Mr. Brisk in Congreves D.-D., die oftmals nur episodisdie Gemälde der Affektation und Eitelkeit von Gecken sind. Überhaupt gehören die vielen "fop"-Episoden hierher, etwa Dapperwits Diskurs über die "rates of wit" (Wycherley, Love . . . W. I I 1, pp. 40-41), Sir Fopling Flutters Tanzen und Singen (Etherege, M. of M. IV 1/2), Mockmodes Unterricht und Lovewells und Lyrics Gespräch über das Theater (Farquhar, L . . . Bottie III 2 bzw. IV 2 - Dramatic Works, vol. I, pp. 76-80). Alle diese Szenen führen uns die Lebensgewohnheiten der " t o w n " vor. D. H . Miles (The Influence of Molière on Restoration Comedy, N e w York, 1909-10, pp. 122-23) möchte diese Technik, in eingeschobenen Szenen durch Schilderung individueller Eigenarten ein Bild der Sitten zu geben, von Molière ableiten. Aber es ist offensichtlich, d a ß diese episodische Technik aufs engste zusammengehört mit der besonderen Form dramatischer Charakterzeichnung, die Ben Jonson durchgesetzt hat, der " H u mour"-Technik. 47 E. M. O. ist fast nur eine Reihung von „statischen Szenen", in denen "Humours" vorgeführt werden; eine richtige Handlung beginnt eigentlich erst in I V 8! Das mag zeigen, wie viel stärker dieses Bauelement der Ko42

mödie in der englischen Tradition vorhanden ist, so daß man wirklich nicht erst auf Molière zu verweisen braucht. Elizabeth Woodbridge hat bereits betont, wie wichtig im Werke Jonsons die Szenen der "episodio humour-study" seien (Studies in Jonson's Comedy, Boston/New York/London, 1898, p. 48). Dementsprechend ist dieses statische Element der "Humour"-Entfaltung auch besonders bei dem leidenschaftlichen Jonsonianer Shadwell zu beobachten: In seinem Erstlingslustspiel "The Süllen Lovers" (1668) ist die Handlung weitgehend zurückgedrängt (im dritten Akt ist überhaupt nur nodi eine rudimentäre Fortbewegung des Geschehens festzustellen), "The Virtuoso" (1676) enthält ebenfalls viele Szenen statischen Charakters (Sir Nicholas' " H u m o u r " in II und III), und audi in seinen anderen Komödien ist dieses Element sehr deutlich, trotz besserer Einarbeitung in den Handlungsablauf. Shadwell zeigt nur besonders ausgeprägt einen strukturellen Zug der Jonsonschen Komödie, der auch in der "comedy of manners" (z. T. in etwas abgewandelter Form, etwa in der Betonung des "repartee" bei Congreve) klar hervortritt. Mit den „statischen Szenen" sind wir bereits von den durch die zeitgenössische und klassische Literaturkritik vorgeschriebenen allgemeinen Prinzipien zu den nur empirisch ableitbaren Bauformen und dramaturgischen Techniken übergegangen. Ein wichtiges Mittel zur Erreichung dramatischer Einheit in der Vielfalt der Handlungen ist für Jonson die Einführung der Regiefigur. Der kluge Diener (oder Sklave), der die Handlungsfäden in der H a n d hält, ist natürlich schon von Plautus und Terenz her wohlbekannt. Von moderneren Dramatikern verwendet ihn Molière (z. B. Mascarille in "L'Etourdi"). Bei Jonson wird er zu einem der Charakteristika seiner Komödien: Der kluge Diener lenkt die ganze Handlung, und zwar sucht er nicht für seinen Herrn einen Ausweg aus einer schwierigen Situation, sondern bringt selbst überhaupt erst eine Handlung in Gang. Brayne-worme in E. M. I., Mosca in Volp. sowie Face (zusammen mit Svbtle) in Aich, gehören zu diesem Typus. In der Restaurationskomödie ist die Aktivität des intrigierenden Dieners etwas eingeschränkt. Sehr aktiv ist natürlich Warner in Drydens "Sir Martin Mar-all", aber diese Komödie stützt sich ja auf Molières "L'Etourdi". Pimpo, Trickloves Diener in D'Urfeys "Squire Oldsapp", ist mitunter Brayne-worme ähnlich (Graham, "The Jonsonian Tradition in the Comedies of Thomas D ' U r f e y " , M L Q 8, 1947, p. 48). Setter (Congreve, Old B.), Maskall (Dryden, An Evening's Love) und Roger (Shadwell, The Süllen Lovers) haben einigen Anteil an den Verwicklungen. Die Zofen spielen jetzt eine größere Rolle als ihre männlichen Kollegen, 48 z. B. Beatrix (Dryden, An Evening's Love), Betty (sie ist verantwortlich f ü r die Titelhandlung in Ethereges Com R.), Lucy in Wycherleys C. W. und ihre Namensschwester in Congreves Old B., Mrs. Bridget (Shadwell, The H u m o rists) und Mrs. Peg (Shadwell, Epsom-Wells). Mrs. Joyner in Wycherleys Love . . . W. ist zwar keine Zofe, aber ihre Stellung ist gleich niedrig. Die zweite Gruppe der Regiefiguren sind die Charaktere, die eine höhere Position in der Gesellschaft einnehmen. Macilente in E.M.O. ist ein klares Bei43

spiel, auch Davphine in S. W., Compasse in M. L. und "Peni-boy the Father" in S. N. (er hat dem Sohn die falsche Nachricht von seinem Tode gebracht und begleitet ihn im Gewände eines Bettlers durch das Stück). - Im Restaurationslustspiel sind Maskwell in Congreves D.-D. und Mirabell in W. of W. besonders einleuchtend als Beispiele. Bei Farquhar (s. z. B. Angelica in Sir H. W.) wird diese Figur mit einem speziellen Spannungstrick, dem Theatereffekt der Schlußüberraschung, verbunden (im nächsten Abschnitt erörtert). Ein wesentlicher Unterschied zu Ben Jonson ist festzuhalten: Die Regiefigur lenkt nicht mehr die ganze Handlung. Jetzt intrigieren fast alle auftretenden Personen miteinander und gegeneinander, jede hat ihre Privatintrige. Deswegen lassen sich auch meist nicht mehr einzelne Personen herausgreifen, die als zentrale Regisseure des Geschehens das Ganze bestimmen. Auch die Intrigen der klugen Diener sind nur noch, wie schon angedeutet wurde, Episoden im allgemeinen Wirbel der Intrigen und Listen (Lucys Anteil in Wycherleys C. W. ist ungewöhnlich groß). Damit ist also eine Verschiebung in der dramaturgischen Funktion dieser Gestalt zu konstatieren. Zu den besonderen dramentechnischen Zügen der Jonsonschen Komödie gehört die Beschleunigung der Handlung gegen Ende des Dramas, durch die das - aus natürlicher Ermüdung erschlaffende - Interesse des Zuschauers noch einmal auf einen abschließenden Höhepunkt getrieben wird. Dieses dramaturgische „Achtergewicht" ist besonders deutlich in E. M. O.: Die ersten drei Akte sind äußerst handlungsarm, eine wirklich zusammenhängende Handlung beginnt überhaupt erst mit Macilentes plötzlicher Aktivität (IV 8, ab Z. 70). Ähnlich ist M. L. gebaut: Die Unterschiebung der falschen Nichte Placentia für Pleasance wird in IV 4 von Compasse entdeckt, und diese Entdeckung führt zu neuen Komplikationen. Die besondere Form, die Jonson für diese dramaturgische Endbeschleunigung entwickelt hat, wird in einer Arbeit von E. C. Knowlton ("The Plots of Ben Jonson", MLN 44, 1929, pp. 77-86) untersucht. Der vierte und fünfte Akt in Jonsons Komödien sind nämlich nach einem bestimmten Muster gebaut: Am Ende des vierten Aktes wird eine vorläufige Lösung ("tentative Solution") der Situation dargestellt, die aber im Schlußakt umgekehrt wird. Der Autor brüstet sich dieses Tricks in M. L., wo er den "Boy of the House", den Sprecher des Dichters, sagen läßt: "Stay, and see his last Act, his Catastrophe, how hee will perplexe that, or spring some fresh cheat, to entertaine the Spectators, with a convenient delight, tili some unexpected, and new encounter breake out to rectifie all, and make good the Conclusion." (Chorus IV, 27-31). Diese Methode, der Handlung im letzten Akt eine ganz unerwartete Wendung zu geben, ist besonders offensichtlich in Volp. (die Schlußkatastrophe ist nicht bedingt durch die Ereignisse der vorhergehenden Akte, sondern wird durch ein frisches Manöver Volpones und Moscas hervorgerufen) und in M. L. (Mrs. Polish verhindert die drohende Aufdeckung ihres Betruges durch einige unvorhersehbare Schritte). Besonders in Volp. wird im letzten Akt praktisch eine neue Handlung begonnen. Der psychologische Effekt auf die Zuschauer wird 44

recht treffend mit der Formel gekennzeichnet, die P. Simpson ("The Art of Ben Jonson", E&S 30, 1944, p. 43) geprägt hat: "suspense and countercheck". Die Absicht hinter dieser Technik ist, das Publikum zu überraschen. Eine besondere Form dieser „Schlußüberraschung" ist die Aufdeckung eines Geheimnisses,4* die mit einem Schlage die Verwicklungen löst und f ü r Bühnencharaktere wie Zuschauer gleichermaßen unerwartet kommt. Dryden betont in seinem "Examen of the 'Silent Woman'" das Geschick, mit dem Jonson in S. W. die Auflösung vollzogen habe (Ker I, p. 86). In der "comedy of manners" hat dieser Trick kaum Schule gemacht. Mirabeils Vorzeigen der "deed of trust" ist eine Überraschung f ü r seinen Gegner Fainall und das Publikum (Congreve, W. of W.). Dryden macht seinen Diener Warner plötzlich zum Erben eines allerdings stark belasteten - Gutes (Sir Martin Mar-all). 50 Bei Farquhar erkennen sich Lady Lurewell und Colonel Standard am Schluß als altes Liebespaar, das sich seit zwölf Jahren verloren hatte (Const. C. V 3 - Dramatic Works, vol. I, p. 226), und die totgeglaubte Angelica erweist sich als höchst lebendig in Sir H . W. (V 6, p. 316). Orianas bzw. Leanthes Enthüllungen 5 1 am Ende von "The Inconstant" (V 4, p. 419) und L . . . Bottie (V 3, pp. 111-14) sind allerdings dem Publikum ganz bzw. größtenteils bekannt, können also nur bedingt unter diese Technik gerechnet werden. Im ganzen gesehen scheint dieser besondere Effekt mehr im englischen Roman seit Fieldings "Tom Jones" als in der "comedy of manners" und überhaupt in der Restaurationskomödie gewirkt zu haben. Dagegen wird die Methode der Schlußbeschleunigung und -Spannung allgemein angewandt. Einige Beispiele mögen zur Illustration dienen: Im vierten A k t von Wycherleys C. W. wird die Schwindelhochzeit Alitheas und Sparkishs vorbereitet, Pinchwife ertappt Margery dabei, wie sie ihren zweiten Brief an Horner schreibt; am Ende des vierten Aktes von Ethereges M. of M. bemerkt Bellinda plötzlich, daß die Träger sie von Dorimants Wohnung direkt zu Mrs. Loveit, der hintergangenen Freundin, gebracht haben. In beiden Fällen ist der vierte Akt also zum fünften hin offen: Es wird keine vorläufige Lösung dargeboten, die dann im letzten Akt einen Neubeginn möglich - und nötig macht. Diese Verschiedenheit in der besonderen Form bei Berücksichtigung des allgemeinen Prinzips der Schlußspannung ist auch in den anderen Komödien durchweg zu beobachten. In seinem "Examen" nennt Dryden einen weiteren dramaturgischen Kunstgriff Jonsons, der auf die Dramatiker der Restaurationszeit einen großen Einfluß gehabt habe: ". . . by the frequent practice of it in his comedies he has left it to us almost as a rule . . ." (Ker I, p. 87). Gemeint ist die Technik, eine Person vor ihrem ersten Erscheinen auf der Bühne den Mitspielern (und damit dem Publikum) in einem „Charakterporträt" ("character") vorzustellen: "labelling" nennt Nicoll diesen Kunstgriff kurz und treffend (p. 58 der 1. und der 4. Auflage). Tatsächlich macht Jonson so häufig davon Gebrauch, daß sehr viele Beispiele gegeben werden könnten. So führt uns etwa Compasse in M. L. die "characters" (das Wort wird I 2, 14 und 35 direkt gebraucht) von Parson Palate und Doctor R u t vor, Mercvry und Cvpid beschreiben die Höflinge in 46

C. R. (II 1), und ähnlich werden D a w , La Foole, die "Ladies Collegiates" und Morose in S. W. charakterisiert, bevor sie auf die Bühne kommen. 5 3 Die besondere Form dieser Umrißzeichnungen ist gut an der Beschreibung des Puritaners Bvsy in B. F. (I 3, 114-48) zu sehen. Die Sdiilderung beginnt als Dialog zwischen Qvarlovs, Win-wife und Little-wit, in dem Fragen über die vorzustellende Person gestellt und beantwortet werden. D a n n beschließt Qvarlovs die Diskussion mit einer Zusammenfassung in einem förmlichen Charakterporträt, das abstrakte Analyse und anekdotenhafte Aussagen vereint in einer Reihe von Parallelsätzen, häufig antithetisch gebaut, z. B. Z. 136-40: "One that stands vpon his face, more then his faith, at all times; Euer in seditious motion, and reprouing for vaine-glory: of a most lunatique conscience, and splene, and aifects the violence of Singularity in all he do's: (He has vndone a Grocer here, in Newgate-market . . . " Diese Grundzüge sind auch in der Restaurationskomödie zu beobachten. Der beschriebene Dialog wird gebraucht z. B. in Congreves Old B., wo Bellmour Sharper über Captain Bluffe erzählt (I 1, pp. 19-20). Die f ü r das Charakterporträt typischen Züge (abstrakte Analyse + Anekdoten in Parallelsätzen, oft antithetisch) werden durch Scandals Skizze von Tattie illustriert: " . . . the rogue will speak aloud in the posture of a whisper; and deny a woman's name, while he gives you the marks of her person: he will forswear receiving a letter from her, and at the same time show you her hand in the superscription; and yet perhaps he has counterfeited the hand too, and sworn to a truth; but he hopes not to be believed; and refuses the reputation of a lady's favour, as a doctor says ' N o ' to a bishopric, only that it may be granted him. - In short, he is a public professor of secrecy, and makes proclamation that he holds private intelligence." (L. f. L. I 2, pp. 209-10). Es wird dabei vom Autor meist Wert darauf gelegt, daß der Kunstgriff nicht allzu deutlich als solcher zu erkennen ist, sondern dem Zuschauer die Information auf möglichst natürliche Weise gegeben wird. Deshalb m u ß eine der beteiligten Figuren die vorzustellende Person nicht kennen oder doch Widitiges vergessen haben, um ganz ungezwungen nach den f ü r das Publikum wesentlichen Punkten fragen zu können. So erkundigt sich Justice Balance nach Worthys Rivalen, Captain Brazen: "Who? that bluff fellow in the sash! I don't k n o w him". (Farquhar, Reer. O. I I I 1 - Dramatic Works, vol. II, p. 163). E d w a r d Kno'well hat zunächst vergessen, wer Justice Clement ist, aber auf Well-breds Antwort hin fallen ihm wieder verschiedene Züge ein, die er berichtet, gewissermaßen um seine Erinnerung zu prüfen (E. M. I. I I I 5), und so wird dem Zuschauer auf geschickte Weise das Nötige mitgeteilt. - Anderseits haben die Dramatiker keine Skrupel, den „Etikett"-Charakter dieser Porträts noch dadurch zu unterstreichen, daß der Beschriebene mitunter nach Abschluß der Schilderung sofort wie auf sein Stichwort mit einer ausdrücklichen Ankündigung auf die Bühne geschickt wird, z. B. La Foole in S. W. ("The gentleman is here below, that ownes that name", I 3, 46-47) oder Brazen in Reer. O. ("This is the picture, behold the life," I I I 1, p. 164). Es 46

dürfte nicht nötig sein, noch weitere Beispiele aus der Restaurationskomödie zu geben. Die Anwendung dieses Kunstgriffs war, wie bei Dryden angedeutet, allgemeiner Brauch, und sie wurde so sehr zur Gewohnheit, daß John Dennis sich in seiner Komödie " A Plot and N o P l o t " ( 1 6 9 7 ) darüber lustig machte: "But since this Gentleman is to be shown in the Play-house, pray do what is done in our Comedies, and let me know something of the Character, before I see the Person." (II - zitiert nach Nicoll 4 1955, pp. 5 8 - 5 9 ) . Einer zweiten Methode, seine Charaktere mit Etiketten zu versehen, folgt Jonson in E. M. O., wo er dem gedruckten Text des Stücks ein Personenverzeichnis mit Charakterporträts voranstellt. Ähnlich geben etwa Wycherley und Congreve (außer in C. W. und W. of W . ) oder Dryden (z. B. in "Limberham") und natürlich vor allem Shadwell kurze Beschreibungen einiger Gestalten (meistens der Toren) in den "Dramatis Personae", z. B. Congreve, L. f. L., p. 1 3 8 : "Tattie, a half-witted Beau, vain of his amours, yet valuing himself for secrecy." Das sind aber, verglichen mit Jonsons ausführlichen Porträts in E. M. O., durchweg nur Andeutungen. Die förmlichen Charakterporträts werden nicht nur für den besonderen dramaturgischen Zweck des "labelling" angewandt, sondern sie kommen auch vor als nachträgliche Kommentare oder sogar isolierte Partien im Dialog. In der letztgenannten Form spielen sie eine wichtige Rolle in den Lästerszenen (s. Kap. IV). Verschiedentlich wird in den Prologen und Epilogen der Restaurationskomödie 5 ' der besondere Kunstgriff der scheinbaren Improvisation angewendet. So läßt Dryden im Prolog zu "The Rival Ladies" einen zweiten Sprecher auftreten, der den Kollegen unterbricht. In seinem Prolog zu "The Secret L o v e " muß der Schauspieler nach seinem Abgang noch einmal wiederkommen, weil er die Hälfte der Ansprache an das Publikum „vergessen" hatte. Drydens Prolog zu Harris' "Mistakes" wird von einem betrunkenen Akteur gesprochen, nachdem einige seiner Kollegen bereits meinten, man werde den Prolog wohl ausfallen lassen müssen. Die Sprecherin des Prologs zu Congreves Old B. bleibt stecken und drückt ihre Hilflosigkeit und Verwirrung dann in "heroic Couplets" aus. Ähnliches geschieht in dem Epilog zu Vanbrughs Pr. W . ("by another hand", sagt W a r d in seiner Ausgabe, vol. I, p. 3 8 6 ) : Zwei Schauspielerinnen teilen dem Publikum mit, der Autor habe es versäumt, einen Epilog zu schreiben - und „improvisieren" einen Dialog in Reimpaaren. 54 Dieser Trick mit der vorbereiteten Improvisation läßt sofort an Ben Jonson denken, der sich in seinen "Inductions" gern ähnlicher Methoden bedient: C. R. beginnt mit dem Streit der drei Jungen, wer den Prolog sprechen dürfe; in der "Induction" zu B. F. wendet sich der "Stage-keeper" an die Zuschauer und wird dann von dem "Booke-holder" fortgeschickt; ebenso enthalten die "Inductions" und "Chorus"-Szenen in E. M. O., M. L. und S. N . „improvisierte" R e d e n u n d Dialoge. 55 Bisher wurden allgemeine Prinzipien der dramatischen Struktur und besondere szenische Kunstgriffe erörtert. Jetzt wenden wir uns den "plots" zu, d. h. der Beschaffenheit der Fabeln und ihrer Handhabung. Damit sind natürlich 47

auch inhaltliche Elemente angesprochen, aber die Grundzüge und -Situationen der Handlung sind ja gewissermaßen „vorgeformte Bausteine" und mögen deshalb in diesem Kapitel dargestellt werden. Bereits bei der Betrachtung der Regiefiguren wurde auf das Hauptelement der "plots" in der Restaurationskomödie hingewiesen: Sie bestehen fast ausschließlich aus Intrigen. Dies gilt nicht nur für Mrs. Behns Lustspielproduktion, die Nicoll als besondere Gattung unter der Überschrift "The Comedy of Intrigue" (Ch. I I I , iv) behandelt, sondern auch für die "comedy of manners". Überhaupt ist das Intrigieren die Hauptbeschäftigung der Lustspielgestalten dieser Zeit, vor allem der Toren. Maskwell meint daher zu Lady Touchwood, sie könne getrost ihren Mann von den Besuchern fernhalten, ohne irgendwelche Unruhe befürchten zu müssen: " . . . your guests are so engaged in their own follies and intrigues, they'll miss neither of you." (Congreve, D.-D. I I I 1, p. 136). - Das Wesen der Intrige dürfte darin bestehen, daß andere Menschen nach den Wünschen des Intriganten gelenkt werden, der ein Ziel auf indirektem Wege erreichen will. Beispiele dafür finden wir häufiger in Jonsons Komödien, etwa Volpones und Moscas Manöver (besonders die Art, wie Mosca den alten Corbaccio veranlaßt, seinen Sohn Bonario zu enterben), Face' geschicktes Sichherauswinden aus den Schwierigkeiten am Ende von Aldi., Macilentes und Brayne-wormes Intrigen (E. M. O. bzw. E. M. I.), Davphines List (S. W.). Sogar ein Konflikt zweier Intrigen kommt vor in M. L. (Compasse und Mrs. Polish). Es liegt aber auf der Hand, daß dennoch gewisse Unterschiede bestehen: Die Intrigen sind bei Ben Jonson noch nicht so allgegenwärtig und vielfältig, sie sind vor allem inhaltlich verschieden, denn die alles dominierende sexuelle Intrige ist bei Jonson noch nicht ausgebildet. Eine besondere Form der erotischen Intrige kommt zwar vor, aber dieser Typus basiert nicht auf dem Gegensatz der Geschlechter, auf dem „Kampf" zwischen Mann und Frau (wie zwischen Ranger und Lydia in Wycherleys Love . . . W.). Bei dieser Art handelt es sich darum, daß der Ehemann (oder ein anderer männlicher Gefährte) durch den jungen Galan ausmanövriert werden soll, wobei sich die Dame meist passiv verhält (wenn sie auch in der Restaurationszeit recht hilfsbereit sein kann). Beispiele dieser Dreieckskonstellation sind Horner/Mrs. Pinchwife/Pinchwife in Wycherleys C. W., Bellmour/Laetitia/Fondlewife in Congreves Old B., Brisk/Lady Froth/Lord Froth und Careless/Lady Plyant/ Sir Paul in D.-D., Scandal/Mrs. Foresight/Foresight in L. f. L. - Bei Ben Jonson finden wir die folgenden Beispiele: Win-wife/Grace in B. F. (hier soll Cokes um die Braut gebracht werden), Volpone/Celia/Corvino, Wittipol/Mrs. Fitz-dottrell/Fitz-dottrell (D. is A.). Vielleicht können auch Love-wit und Dame Pliant (Aich.) hierher gerechnet werden, obwohl Pliants Bruder Kastrill und der Bewerber Svrley nur durch eine schnelle Heirat, nicht durch komplizierte Intrigen betrogen werden. - In Volp. und D. is A., wie in allen genannten Restaurationskomödien, fällt der eifersüchtige Ehemann der Intrige zum Opfer; im Gegensatz zur gängigen Restaurationspraxis aber wird die dadurch gegebene Möglichkeit zum Ehebruch nicht ausgenutzt. Diese Parallelen sollen natürlich nicht so gedeutet werden, daß Ben Jonson 48

hier eine Tradition des Lustspiels der erotischen Intrigen geschaffen habe, denn dafür stehen diese Dinge nicht genug im Zentrum seines Interesses. Es soll nur darauf hingewiesen werden, daß bei Jonson auch diese Elemente, die man bei ihm am wenigsten erwartet, zusätzlich zu all den anderen festgestellten und noch darzulegenden Ubereinstimmungen vorhanden sind. Die spezielle Form der sexuellen Intrige, in der ein Lebemann einen äußerst eifersüchtigen Ehemann zum Opfer wählt, ist bereits eine besondere Ausprägung der Dreieckskonstellation in einer bestimmten inhaltlich spezifierten Grundsituation. Eine andere derartige Grundsituation, d. h. ein einigermaßen konkret vorgeprägtes Handlungselement, beruht auf der Verbindung „unglückliches Ehepaar - leichtherziger Galan". Diese Situation, die sich in D. is A. und dann wieder bei Vanbrugh (Rel., Pr. W.) findet, enthält folgende Elemente: 1. die intelligente, unverstandene junge Frau (Mrs. Frances - Amanda, Lady Brute); 2. den Ehemann, einen Wüstling oder groben Klotz (Fitz-dottrell, töricht und abergläubisch - Loveless, Sir John Brute); 3. den eleganten jungen Herrn der Gesellschaft, der der unglücklichen Frau Gelegenheit zur Rache an ihrem Mann gibt (Wittipol - Worthy, Constant); entscheidend ist aber 4., daß diese Gelegenheit nicht genutzt wird, weil die hohe Achtung der Dame für die Tugend im kritischen Moment den Galan entwaffnet. Dieser letzte Punkt wird dann kristallisiert in förmlichen „Bekehrungsszenen" (s. Kap. IV). Eine immer wieder vorkommende Situation in der Restaurationszeit ist die Jagd des Komödienhelden auf eine junge Erbin. Sein Erfolg ist sozusagen ein „Naturgesetz": "A wit should naturally be joined to a fortune." (Isabella in Drydens "The Wild Gallant", V 3 - Works ed. Scott, vol. II, p. 104). Lyric, der (erfolglose) Dichter in Farquhars L . . . Bottle, beschreibt die männliche Hauptperson des Lustspiels folgendermaßen: "A compound of practical rake and speculative gentleman, who always bears off the great fortune in the play . . . (IV 2 - Dramatic Works, vol. I. p. 78). Allerdings geht es dem "gallant" nicht immer bzw. nicht nur ums Geld. Die jungen Damen, die im Restaurationslustspiel mit den echten "wits" verheiratet werden sollen, müssen nämlich drei Qualitäten aufweisen, die Shadwell im Personenverzeichnis zu "Epsom-Wells" Lucia und Carolina gleichsam programmatisch mitgibt: "Wit, beauty and Fortune" (Works ed. Summers, vol. II, p. 101). Weil also die Heldinnen gewöhnlich Vermögen haben, könnte man fast jedes „ernsthafte" Liebespaar der Restaurationskomödie hierher stellen. Gerrard in Wydierleys G. D.-M. (Hippolita) und der "would-be" Dapperwit in Love . . . W. (Mrs. Martha) mögen hier stellvertretend stehen. Bei Ben Jonson finden wir entsprechende Paare in B. F. (Win-wife/Grace) und M. L. (Compasse/Pleasance). Eine größere Rolle spielt die finanzielle Seite schon bei der parallelen Grundsituation der „Witwenheirat",56 Auch hier ist es das gute Recht des verarmten "gallant", sich wieder finanziell zu erholen durch die Ehe mit einer reichen Witwe. Deshalb ist Wilding entrüstet über Lady Galliards Absicht, seinen vermögenden Onkel Sir Timothy Treat-all zu heiraten, statt eines jungen Mannes, dem sie eigentlich zustände: "Marry an old Fool, because he's rich! when so many handsome proper younger Brothers wou'd be glad of you." (Behn, 49

The City Heiress, II 2 - Plays, vol II, p. 199). Das offensichtlichste Beispiel ist Freemans gänzlich unsentimentale Jagd auf die Witwe Blackacre in Wycherleys PI. D. Sir Frederick Frolick allerdings heiratet Mrs. Rich nicht nur des Geldes wegen (Etherege, Com. R.). Die Übertragung (und damit Parodierung) dieser Situation auf einen "would-be" finden wir z. B. in Wycherleys Love . . . W.: Sir Simon Addlepot wird in seinen pekuniären Hoffnungen durch Lady Flippant enttäuscht werden! - Beispiele bei Ben Jonson sind Captaine Ironside/ Lady Loadstone (M. L.) und Qvarlovs/Dame Pvrecraft (B. F.). Allerdings sind diese beiden Verbindungen nicht das Resultat systematischer Unternehmungen. Überhaupt treten diese Motive, wie durchweg die Elemente der sexuellen Intrige, bei Jonson nur beiläufig auf. Vor allem sind diese beiden Grundsituationen noch nicht so sehr zu festen Konventionen geworden, daß sie schon wieder ironisiert und parodiert werden können. Auf eine besondere Parallele eines Handlungselementes zwischen D. is A. und W. of W. macht Lynch aufmerksam (The Social Mode of Restoration Comedy, pp. 192-93): In beiden Fällen kommt die vernachlässigte Ehefrau (Mrs. Fitz-dottrell - Mrs. Fainall) durch ein Manöver ihres Kavaliers (Wittipol - Mirabell) zu finanzieller Sicherheit und damit zur Macht über den nachlässigen bzw. ungetreuen Gatten. Man darf aber diese einmalige ungefähre Entsprechung, die natürlich noch keine Grundsituation darstellt, nicht überbewerten. Ein wichtiges Mittel zur Durchführung der Handlung bzw. der die Handlung konstituierenden Intrigen sind die Verkleidungen; sie werden so häufig gebraucht und sind so unentbehrlich für den Ablauf des Geschehens, daß sie vielfach gewissermaßen erst „Handlung" möglich machen und so zu einer strukturellen Voraussetzung des Dramas werden. Die in seiner Zeit so beliebte Gestalt des Mädchens in Männerkleidern (z. B. Viola in "Twelfth Night", Rosalind in "As You Like It", Helena in "All's Well That Ends Well" und Julia in "The Two Gentlemen of Verona" bei Shakespeare, Camiola in "The Maid of Honour" bei Massinger, Euphrasia in "Philaster" bei Beaumont und Fletcher) wird in Jonsons Komödien nicht benutzt. Statt dieses recht unrealistischen Verkleidungsmotivs bedient sich Jonson des umgekehrten in S. W. 57 Das Motiv des Mannes in Frauenkleidern wird weitergeführt in D. is A., wo Wittipol als Engländerin auftritt, die in Spanien gereist ist. Dasselbe Motiv erscheint auch wieder in der Restaurationskomödie, in farcenhafter Vergröberung als bloßer Theatereffekt besonders in Vanbrughs Pr. W. (IV 1,3: diese Szenen ersetzen die „anstößigeren" Originalszenen, in denen Sir John Brute als Geistlicher verkleidet war!) und Farquhars Const. C. (Alderman Smuggler IV 3; Dramatic Works, vol. I, pp. 200-06). In der Spätzeit, bei Farquhar, erscheint audi das romantisch-unrealistische „Viola-Motiv" wieder, das innerhalb der eigentlichen "comedy of manners" nur bei Wycherley (Fidelia in PI. D.) einmal vorkommt: Leanthe in L . . . Bottle, Angelica in Sir H. W., Oriana in "The Inconstant" (V 1), in abgewandelter Form auch Silvia in Reer. O. In der "comedy of manners" von Etherege, Wycherley (mit Ausnahme des 60

Pi. D.) und Congreve dagegen hält man sich bei den Verkleidungen mehr an die Gesetze der Wahrscheinlichkeit. In diesen Lustspielen werden audi nur noch die Dummen betrogen: N u r einem Narren wie Sparkish kann man einreden, Harcourt im Geistlidiengewand sei sein eigener Zwillingsbruder! Die Klugen lassen sich nichts vormachen. Ähnliche Unwahrscheinlichkeiten, wie sie wieder bei Farquhar zu finden sind, treten in der früheren Periode der Restauration zwar bei Dryden (Wildblood, ein "wit", wird zweimal von Jacintha genasf ü h r t - "An Evening's Love" III 1, pp. 284-90; IV 1 - Works ed. Scott, vol. III) und Mrs. Behn (Wilding erkennt seine verkleidete Geliebte erst an ihrer Begleiterin - "The City Heiress" I I I 1; Plays, vol. II, p. 221) in gemilderter Form auf, nidit aber bei Etherege, Wycherley und Congreve, die den "wits" ihr Intelligenzprivileg zugestehen. - Besonders interessant ist für unsern Zusammenhang, daß Ben Jonson sidi schon um eine gewisse Rationalisierung dieses dramaturgischen Lieblingsmanövers bemüht hat: Zwar kommt die Pointe in S. W. audi f ü r Trve-wit und Clerimont überraschend, aber in D. is A. durchschaut Manly die Verkleidung seines Freundes Wittipol bald, und in E. M. I. (III 5) diskutieren Well-bred und der junge Kno'well ausführlich die eminente Geschicklichkeit in der Verstellung des Äußeren und auch der Sprechweise, durch die Brayne-worme sogar seinen jungen H e r r n hinters Licht geführt hat. Mit dieser realistischen Motivierung eines unrealistischen Vorgangs ist eine deutliche Verwandtschaft zu der in der Restaurationskomödie vorherrschenden Haltung gegeben. Die Ausnutzung des Verkleidungsmotivs f ü r den besonderen Effekt der Scheinhochzeit, die Ben Jonson in S. W. vorführt, hat im Restaurationslustspiel eine Unzahl von Entsprechungen. Jetzt allerdings übernimmt die in der Zeit weitverbreitete Sitte des Maskentragens in den Dramen vielfach die Funktion der Verkleidung, ohne diese aber zu verdrängen. Obwohl das „Epicoene-Motiv" eine Konvention des elisabethanischen Dramas ist (s. Anm. 57), möchte Alleman der Jonsonsdien Fassung doch eine besondere Bedeutung zubilligen: "Possibly the play most influential in bringing the mock marriage to Restoration comedy was Jonson's 'Epicoenc'". (Matrimonial Law and the Materials of Restoration Comedy, Wallingford, Pa., 1942, p. 74). Beispiele in der Restaurationszeit, in denen die mit einer unerwünschten Frau Belasteten wie Morose in S. W. vor ihrer Erlösung wichtige Zugeständnisse madien müssen (alle bei Alleman, pp. 74-75), sind Mockmode/Trudge in Farquhars L . . . Bottle, Bull jr./Friskit in John Dennis' "A Plot and N o Plot" (hier wird Bulls Vater erpreßt), Justice Clodpate/Jilt in Shadwells "Epsom-Wells", Sir Ralph Spatter in "The Mall" (1674) von J. D. (Nicoll, Hand-List, 4 1955, p. 403, vermutet John Dover als den Verfasser). Aber nicht immer wird die Ungültigkeitserklärung mit einer Erpressung verbunden. Für weitere Beispiele kann auf die bereits erwähnte ausführliche Untersuchung von G. S. Alleman verwiesen werden, der diese Fälle sogar in einer besonderen Tabelle (III. Successful mock marriages, pp. 103-05) zusammengestellt hat. 58 Die in der Restaurationszeit äußerst beliebte Tanzeinlage zum Schluß der Komödie ist kein Zug des realistischen Lustspiels, wie es Jonson begründet 51

hat. Sie erscheint bei ihm nur in den allegorisch-maskenhaften C. R. (V 10 und die "palinode" am Ende) und dürfte kaum auf sein Vorbild zurückgehen oder dadurch gefördert sein.5' Wenden wir uns zum Schluß dieses Kapitels einigen Aspekten des Personenbestandes zu, die Bedeutung für die Form der Komödien haben! Die Konventionalität der Typen, die immer wieder in leichter Variation auftreten, ist das auffallendste Merkmal der Restaurationskomödie. Diese Stereotypie war den Autoren nicht unbewußt, wie uns etwa Farquhar im Vorwort zu "The Twin-Rivals" zu erkennen gibt: "A play without a beau, cully, or coquette, is as poor an entertainment to some palates, as their Sunday's dinner would be without beef and pudding." (Dramatic Works, vol. II, p. 5). Wie die komischen Figuren gehören natürlidi die "wits" und ihre Damen zum eisernen Bestand. Welche Typen auftreten, wird in einem besonderen Kapitel (V) auszuführen sein. Es mag der Hinweis genügen, daß die Konventionalität des Personals mit einer ebensolchen Konventionalität der Verwicklungen verbunden ist. Es ist eine deutlich zu beobachtende Tendenz, die Charaktere nicht einzeln, sondern in Gruppen auf die Bühne zu stellen. Die Gentlemen bilden eine dieser Gruppen, eine weitere die "gulls" bzw. "fops", eine dritte deren weibliche Entsprechungen. Beispiele dieser Gruppen bei Jonson und in der Restaurationskomödie werden bei der Besprechung der Typen anzugeben sein. Die weiblichen Ebenbilder der "wits", also die intelligenten jungen Damen, fehlen bei Jonson als besondere Gruppe; er ist offensichtlich an den dramatischen Verwicklungen, die sich durch Kombination dieser beiden Gruppen erzeugen lassen, nicht interessiert. Viele Restaurationskomödien zeigen eine gewisse Symmetrie in der Struktur ihres Personenbestandes, meist nach dem Grundsatz, daß „jeder Hans seine Grete" finden soll. Diese symmetrische Anordnung bestimmt die "Dramatis Personae" etwa in Ethereges She wou'd . . .: "Two honest Gentlemen of the Town" (Courtall und Freeman), "Two young Ladies", dazu passend (Ariana und Gatty), "Two Country Knights" (Sir Oliver und Sir Joslin). Bei Jonson finden wir nur in C. R. diese Form angestrebt (vier Höflinge - vier törichte Hofdamen - vier tugendhafte Damen, von denen drei stumm sind.) Die Symmetrie scheint wesentlich ein Zug der euphuistischen Komödie zu sein, nicht der realistischen, Jonsonschen; sie ist vor allem bei Lyly zu beobachten (z. B. vier Väter - vier Kinder - vier Kinder in "Mother Bombie", die Philosophen und ihre Diener in "Campaspe"), auch bei Shakespeare (vier Paare in L. L. L.).«0

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K A P I T E L

III

Komische und satirische Techniken Ben Jonsons Geltung als Dramatiker ist zur Hauptsache verbunden mit seiner Übertragung der zeitgenössischen " Humour"-Theorie auf das satirische Lustspiel. Durch diesen stärker psychologisch gerichteten Begriff war eine feinere Differenzierung als innerhalb der klassischen Tradition mit ihrem beschränkten Typensdiema und damit eine konkretere Erfassung der Wirklichkeit möglich. "[The Humour motive] provided a bridge between classical theory and modern life, and helped to render it possible for the master of satiric comedy, the doughty champion of classicism, and the most powerful of Elizabethan realists, to be united in the same man." (Herford/Simpson I, p. 343 - Einleitung zu E. M. I.). In der "Induction" zu E. M. O. gibt Jonson folgende Definition: "As when some one peculiar quality Doth so possesse a man, that it doth draw All his affects, his spirits, and his powers, In their confluctions, all to runne one way, This may be truly said to be a Humour." (11. 105-9). Man spricht also von einem "Humour", wenn der Geist so sehr von einer herrschenden Tendenz bestimmt ist, daß alle Kräfte und Fähigkeiten sich dieser unterordnen. Ben Jonson bemüht sich hier für seine Zeit um eine Klärung des " Humour"-Begriffs. Er wendet sich mit seiner psychologischen Definition bewußt gegen den populären Mißbrauch dieses Modewortes, das für die jungen Herren vielfach zu einem bloßen Vorwand wird, ihren Stimmungen und Launen freien Lauf zu lassen oder sich irgendwie ein Air von Originalität zu geben: "Humour" als künstlich kultivierter Ersatz für Individualität! Cash erklärt dem Wasserträger Cob "Humour" folgendermaßen: "It is a gentlemanlike monster, bred, in the speciall gallantrie of our time, by affectation; and fed by folly". (E. M. I. I l l 4, 20-22). 61 Aspers Ausbruch und Cordatvs' Erwiderung, die unmittelbar auf die eben zitierte Stelle folgen, richten sich beide gegen die Veräußerlichung des "Humour"-Begriffs aus Originalitätssucht: ". . . But that a rooke, in wearing a pyed feather, The cable hat-band, or the three-pild ruffe,64 A yard of shooetye, or the Switzers knot On his French garters, should affect a Humour! O, 'tis more then most ridiculous. Cord. He speakes pure truth now, if an Idiot 53

H a u e but an apish, or phantasticke straine, It is his H u m o u r . " (E. M. O., Induction, 110-17). Jonsons Stellung ist also klar: N u r die psychologische Interpretation des " H u mour"-Begriffs ist richtig. Aber natürlich besagt dieses theoretische Bestehen auf der korrekten Definition noch nichts darüber, ob alle anderen Figuren, insbesondere die der Affektation, in der Praxis der Komödie von der Darstellung ausgeschlossen sind. H . L. Snuggs ("The Comic Humours: A new Interpretation", PMLA 62, 1947, pp. 114-22) schlägt vor, das auf die Affektation von "Humours" gerichtete "ridiculous" nicht als "absurd" zu interpretieren, sondern als "ridiculosus", d. h. „geeignet, Lachen zu erzeugen". Tatsächlich findet sich eine ähnliche Verwendung des Wortes in Cordatvs' Definition der Komödie: "a thing throughout pleasant, and ridiculous, and accommodated to the correction of manners" (E. M. O. I I I 6, 207-09). 63 So eindeutig wie in diesem Zitat ist der Gebrauch in der "Induction" zwar nicht, und trotz dieser Parallele wird die Interpretation von Snuggs etwas fraglich bleiben, da der leidenschaftliche Ton des Abschnitts in der "Induction" doch die wertende Stellungnahme wahrscheinlicher macht. Dennoch ist die Ausschließung solcher affektierten "Humours" aus der Komödie sicher nicht beabsichtigt. Nach der oben zitierten Definition und Cordatvs' Erwiderung fährt Asper nämlich f o r t : "Well I will scourge those aspes; And to these courteous eyes oppose a mirrour, As large as is the stage, whereon we act . . (11. 117-19). Ausdrücklich wird also die Geißelung dieser Charaktere zum Ziel der Komödie (d. h. dieser speziellen, aber damit ja auch der Gattung) gemacht. Ein indirekter Beleg, der diesen Standpunkt zumindest für E. M. O. noch stützt, ist Briskes Erwähnung seines "gold cable hatband" (IV 6, 84): Diese ausdrückliche Nennung eines der in der "Induction" verworfenen Putzstücke ist bei einem Autor wie Ben Jonson kaum auf mangelnde Sorgfalt zurückzuführen. Während also theoretisch eine genaue psychologische (man könnte sogar sagen „wissenschaftliche") Definition des "Humour"-Begriffs vorgetragen wird, werden f ü r den praktischen Zweck der Satire Figuren zugelassen, die keine echten, sondern künstlich angemaßte "Humours" sind (bzw. deren " H u m o u r " es ist, sich einen " H u m o u r " anzueignen). ". . . an apish, or phantasticke straine": das bezieht sich auf die Gestalten der Affektation, für die Jonsons "gulls" und affektierte Damen zahlreiche Beispiele bieten (s. Kap. V). Eine besondere Eigenart vieler komischer "Humours" ist ihre Exzentrizität und Extravaganz, und zwar sowohl im Sinne der Übersteigerung an sich normaler Eigenschaften als auch der Ausgefallenheit ihres "Humour"-Inhaltes. Es ist klar, daß hier schon die psychologische Konzeption von der vorherrschenden Tendenz diese z. T. karikaturistische Zuspitzung fördert, daß aber auch Ben Jonsons satirisches Temperament, das ihn diese Konzeption überhaupt aufgreifen ließ, ihm bei der Wahl und der Formung des " H u m o u r " Inhaltes die H a n d gelenkt haben wird. Eine Gestalt wie Morose findet interessanterweise Verteidiger in Dryden (Essay of Dramatic Poesy, Ker I, pp. 83-84) und Congreve (Concerning H u m o u r in Comedy, Spingarn I I I , 54

pp. 246-47), die ihn beide als echten " H u m o u r " ansehen wollen, dessen übertriebene Lärmempfindlichkeit auf einer natürlichen Anlage beruhe, - und das ist es ja, was die psychologische "Humour"-Definition verlangt, nämlich daß die Psydie durch eine ihr innewohnende Tendenz bestimmt sei. Aber zugleich zeigt uns diese Figur, wie schmal die Grenze zwischen echten "Humours" und Affektation sein kann: Durch die Übersteigerung wirkt Morose' " H u m o u r " so ausgefallen, d a ß er von einer künstlich gezüchteten Überempfindlichkeit kaum zu unterscheiden ist; Drydens und Congreves apologetischer Ton bestätigt diese Schwierigkeit. In der Restaurationszeit finden wir wiederum Übersteigerung und Affektation als die wesentlichen Qualitäten komischer "Humours" hervorgehoben. D r y d e n betont die Wichtigkeit von "extravagance" und "singularity" (Essay of Dramatic Poesy, Ker I, p. 84) und sagt d a n n : " . . . by humour is meant some extravagant habit, passion, or affection, particular . . . to some one person, by the oddness of which, he is immediately distinguished from the rest of men . . ." (ib. p. 85). Hier ist also ein " H u m o u r " als eine "oddity" definiert. Shadwell äußert sich natürlich mehrfach zum "Humour"-Problem. Eine Stelle im Epilog zu "The Humorists" klingt deutlich an die psychologische Definition Jonsons an: " A H u m o r is the Byas of the Mind, By which with violence 'tis one way inclin'd: It makes our Actions lean on one side still, A n d in all Changes that way bends the Will." (Works ed. Summers, vol. I, p. 254). In der Widmung zu "The Virtuoso" heißt es: " . . . a good Comical H u m o u r . . . ought to be such an affectation, as misguides men in Knowledge, Art, or Science, or that causes defection in Manners, and Morality, or perverts their minds in the main Actions of their Lives." (Vol. I l l , p. 102). Die Interpretation von "Comical H u m o u r " als "affectation" ist aufschlußreich. Eine dritte Stelle noch ist interessant, die in der Vorrede zu "The Humorists" zu finden ist: " . . . a humor (being the representation of some extravagance of Mankind) cannot but in some thing resemble one man, or other, or it is monstrous and unnatural." (Vol. I, p. 186). Hier ist also erstens wieder die "extravagance" betont, zum andern aber auch die Notwendigkeit des repräsentativen Charakters ("of Mankind") der "Humours". Dieser zweite Gedanke liegt ja auch schon im satirischen Programm Ben Jonsons: D a er ein „Bild der Zeit" geben will (s. Prolog E. M. I., Z. 23), müssen die dargestellten Figuren diese Zeit repräsentieren. Aber die " H u m o u r " Technik fördert gerade, wie schon gesagt wurde, die Überspitzung, so daß der typische Charakter verlorengeht und eine entlegene Karikatur von rein „privater" Komik entstehen kann. Das ist das Problem, mit dem sich eben auch D r y d e n und Congreve im Falle Morose auseinanderzusetzen hatten. 55

Eine besonders sorgfältige und ausführliche Untersuchung des Begriffs "Humour" gibt Congreve in seinem Brief an John Dennis, "Concerning Humour in Comedy". Er unterscheidet "Humour" von Gewohnheit ("External Habit of Body") und Affektation: "Humour is from Nature, Habit from Custom, and Affectation from Industry. Humour shews us as we are. Habit shews us as we appear under a forcible Impression. Affectation shews what we would be under a Voluntary Disguise." (Spingarn III, p. 246). Hier wird also die psychologische Interpretation ("Nature . . . as we are") deutlich gegen Affektation abgesetzt. Das Verhältnis zwischen echten "Humours" und anderen komischen Charakteren wird folgendermaßen bestimmt: "I dont say but that very entertaining and useful Characters, and proper for Comedy, may be drawn from Affectations and those other Qualities which I have endeavoured to distinguish from Humour; but I would not have such imposed on the World for Humour, nor esteem'd of Equal value with it." (ib., p. 251). Damit ist also im wesentlichen die Position Ben Jonsons eingenommen: Eine klare, „wissenschaftliche" Definition des " Humour"-Begriffs wird gegeben, insbesondere wird der Unterschied zur Affektation betont, aber für praktische Zwecke werden doch wieder Charaktere der letzteren Art zugelassen. In seiner Widmung zu W. of W. bezeichnet Congreve es sogar als sein Ziel in dieser Komödie, "to design some characters which should appear ridiculous . . . through an affected wit;" (Mermaid Series, p. 313) - von echten "Humours" ist also nicht mehr die Rede! Wie sieht es in der Praxis der Restaurationskomödie mit der Verwendung von "Humours" aus? Natürlich finden wir bei Shad well in jedem seiner Stücke diese Technik wieder. Sein erstes Lustspiel, "The Sullen Lovers", ist im dramatischen Aufbau sogar eine extreme "Humour"-Komödie: Die Handlung tritt sehr stark zurück, die Szenen dienen im wesentlichen der "Humour"-Entfaltung (s. o., Kap. II). Wir finden sowohl die äußerlichen "Humours" der Affektation (Ninny, Woodcock) als auch die echten, die ganz auf eine psychische Tendenz ausgerichtet sind und dabei die typischen "Humour"-Qualitäten der Übertreibung, der leichten Besessenheit zeigen (z. B. Stanford, "A Morose Melancholy Man . . . " , Drammatis Personae, Works ed. Summers, vol. I, p. 14). Auch in seinen anderen Dramen verwendet Shadwell "Humours". Ebenfalls bedient sich Aphra Behn der Technik (z. B. der Titelheld in "Sir Patient Fancy", der politische "Humour" Sir Timothy Treat-all in "The City Heiress"). Dryden zeichnet besonders in "The Wild Gallant" "Humours" (z. B. Bibber, den ein Witz großzügig macht; Frances' Snobismus; Trice, den munteren Richter, der Justice Clement in E. M. I. entspricht), aber auch in anderen Lustspielen (z. B. Don Alonzo de Ribera in "An Evening's Love", der jedermann unterbricht mit seinem - leicht variierten - "I know what you would say, sir . . . " ) . Besonders wichtig sind uns aber die Autoren der "comedy of manners". Gestalten, die den "humours of affectation" zuzuredinen sind, treten überall auf: 56

die "fops" und "would-be wits", die in Kap. V behandelt werden. Doch auch echte "Humours" kommen vor. Der verkniffene alte Junggeselle Heartwell" und Vainlove, der durchaus kein weibliches Entgegenkommen bei seinen Affären leiden kann, in Congreves erster Komödie vertreten noch je einen herrschenden Zug; auch Scandal, der immer zynisch seine Meinung sagt, und der alte Foresight, "an illiterate old fellow, peevish and positive, superstitious", (L. f. L., Dramatis Personae, p. 198), gehören in diese Gattung. Im ganzen aber zeichnet Congreve - obwohl ihn die Betrachtung von Morose zu dem Schluß veranlaßt hatte: " . . . the distance of the stage requires the Figure represented to be something larger than the Life . . (Spingarn III, p. 247) keine so exzentrischen Gestalten von extremer Einseitigkeit. So mag Foresight eine gewisse Ähnlichkeit mit der Jonsonschen "oddity" haben (Morose, Fitzdottrell), aber er ist doch zusammengesetzt aus verschiedenen wahrscheinlichen - wenn auch komisch übertriebenen - Zügen (Aberglauben und falsche Gelehrsamkeit, Empfindlichkeit und mißtrauische Eifersucht des Alters), er ist nicht wie Morose durch eine exzessive und unwahrscheinliche Besonderheit bestimmt. - Die Autoren der "comedy of manners" zeichnen mehr Gesellschaftstypen (wie etwa die lärmenden Landjunker, die "Citizens" usw., s. Kap. V) als "oddities", und diese Typen vereinen naturgemäß mehrere Züge. Dieses Streben nach größerer Komplexität, das besonders in Congreves späteren Komödien deutlich wird, zeigt sich auch in einer so einfachen Gestalt wie Sir Oliver Cockwood (Etherege, She wou'd . ..), der nicht nur ein munterer Junker in reiferen Jahren ist, sondern zugleich ein bedauernswert unterm Pantoffel stehender zärtlicher Ehemann. Lady Lurewell in Farquhars Const. C. bietet ein gutes Beispiel für die Handhabung der "Humour"-Tedinik in der „comedy of manners": Weil es ihr einziges Motiv ist, die Männer unglücklich zu machen, scheint sie ein echter "Humour" zu sein - aber dieses Motiv erfordert zur Ausführung solche Vielseitigkeit und Gewandtheit, daß dadurch die "Humour"Qualität wieder aufgehoben wird. - Wycherleys letztes Lustspiel, PI. D., zeigt noch eine besonders deutliche Ähnlichkeit zu Jonsonschen Techniken. Der Held selbst wird bezeichnet als "of an honest, surly, nice humour" (Dramatis Personae, p. 374); die Witwe Blackacre ist eine exzentrisch gezeichnete "oddity", wenn auch für ihre Prozeßsucht kein direktes Vorbild bei Jonson zu finden ist;65 Novel, Oldfox und Plausible dürften zu den affektierten "Humours" zu rechnen sein. Aber auch hier ist der Unterschied zu Jonson zu beachten: Manly ist nicht allein durch seine Misanthropie bestimmt, bzw. durch "envy" wie Macilente, vielmehr geben sein Gefühl für Olivia und seine Klarheit über die Natur dieses aus Liebe und Haß gemischten Gefühls auch ihm eine gewisse Komplexität. Während in der "comedy of manners" also echte "Humours" im strengen Sinne etwas zurücktreten, - da vor allem durch Kombination verschiedener Züge und eine gewisse Herabstimmung und psychologische Anreicherung eine Modifikation der Technik erfolgt, wenn sie auch weiterhin deutlich erkennbar bleibt - , sind die "humours of affectation", wie schon gesagt wurde, zahlreich vertreten. Freilich, die Grenzen verschwimmen gar zu leicht, wie auch Congreve 57

wußte: . . what is Humour in one may be Affectation in another . . . " (Spingarn I I I , p. 245). Verbunden mit der "Humour"-Tedinik ist bei Jonson die Bekehrung der "Humours".6e Nicht immer führt allerdings die Bestrafung der Torheit audi zu ihrer Ablegung: In S. W. hören wir nicht, ob Morose' Erfahrung ihn gewandelt hat, in Aich, gehen die Geprellten (audi Kastrill, der von seiner Streitlust geheilt wird) nur racheschnaubend bzw. enttäuscht ab. Am klarsten ist dieses Motiv noch in E. M. O., das ja die Bekehrung zum Thema hat. Die Mittel zur Bekehrung sind oft recht drastisch (Bvffone wird von Pvntarvolo aus seiner Spottsucht herausgeprügelt - E. M. O. V 6), und sie haben sofort Erfolg: " . . . O, how deeply The bitter curses of the poore doe pierce! I am by wonder chang'd . . .," sagt Sordido, plötzlich betroffen von dem Haß der Bauern (ib. I I I 8, 53-55). In der Restaurationszeit bedient sich Shadwell zuweilen des Motivs (allerdings ist Sir Nicholas Gimcrack am Ende von "The Virtuoso" nur teilweise geheilt: Sein „praktisches" Studium, das er nadi Aufgabe der reinen Theorie jetzt beginnen will, soll ihm zu dem Stein der Weisen verhelfen - V, Works ed. Summers, vol. I I I , p. 180; dagegen scheint Sir Formal Trifle seinen rhetorischen Schwung wirklich verloren zu haben - p. 178). In der "comedy of manners" kommt die Bekehrung vom "Humour" ebenfalls gelegentlich vor. Am Ende von Wycherleys PI. D. modifiziert Manly seine Misanthropie: "I will believe there are now in the world Good-natured friends, who are not prostitutes, And handsome women worthy to be friends . . . " (V 4, p. 507). Scandal bemerkt am Ende von Congreves L. f. L. zu Angelica: " I was an infidel to your sex, and you have converted me." (V 2, p. 305). Aber diese beiden Charaktere sind keine komischen "Humours". Sie lösen sich kraft ihrer eigenen Intelligenz und Urteilsfähigkeit aus ihrer Befangenheit, nachdem sie eine dieser zuwiderlaufende Erfahrung gemacht haben. Sie werden nicht gewaltsam bekehrt, sondern sie bekehren sich selbst. Dagegen müssen die komischen "Humours" (einschließlich der "humours of affectation") noch hin und wieder eine recht rauhe Behandlung über sich ergehen lassen, doch das nützt ihnen nichts: Ihnen mangelt die wichtigste Qualität der Zeit, "wit", und für Dummheit gibt es jetzt kein Heilmittel mehr. Die prozeßsüchtige Witwe Blackacre ist unverbesserlich, und obwohl Captain Bluffes Feigheit bloßgestellt wird (Old B. I I I 3), tut das Sir Joseph Wittols Freundschaft keinen Abbruch, während eine ähnliche Entdeckung über Shift Sordido völlig geheilt hatte (E. M. O. V 3). - Eine für die Mentalität der Restaurationszeit charakteristische Umbiegung des Bekehrungsmotivs findet sich in Aphra Behns "Sir Patient Fancy", wo der Titelheld durch die Aufklärung über die wahre Natur der „Liebe" seiner Frau gleich von mehreren "Humours" geheilt wird (Puritanismus, politische Unzufriedenheit, Hypochondrie): " . . . I . . . will turn Spark, they live the merriest Lives - keep some City Mistress, go to Court, and hate all Conventicles." (V 1, Plays, vol. IV, p. 103). Diese Lösung wählt 68

Molares eingebildeter Kranker natürlich nidit! - Interessant ist auch Rangers Bekehrung von d e m "Humour" der gesamten Restaurationskomödie, dem amourösen Intrigieren: "Of intrigues, honourable or dishonourable, and all sorts of rambling, I take my leave . . . " (Wycherley, Love . . . W. IV 5, p. 100). Es ist aber fraglich, ob er wirklich endgültig geheilt ist, denn seine Schlußverse, die letzten Worte des Dramas, sind doch sehr vom Geist der Zeit bestimmt: "The end of marriage now is liberty. And two are bound - to set each other free." (V 6, p. 123). Eng verbunden mit der "Humour"-Technik ist der Gebrauch sprechender Namen. Auch Shakespeare benutzt sie für einige untergeordnete Figuren, aber nicht in der besonderen Weise, die bei Ben Jonson und den Restaurationsdramatikern zu finden ist. Natürlich gibt es gewisse Entsprechungen, die jedoch von geringerer Bedeutung sind. So treten symbolische Namen auf lateinischromanischer Grundlage bei Shakespeare (z. B. Malvolio in "Twelfth Night"), Ben Jonson (Volpone) und auch im Restaurationslustspiel auf (Fidelia in Wycherleys PI. D.). Ebenfalls kommen Adjektivnamen vom Typ Manly (PI. D.), Morose (S. W.), die also aus einem Adjektiv gebildet sind, das eine allgemeine Eigenschaft bezeichnet, bei Shakespeare vor (z. B. Justice Shallow und Simple in "The Merry Wives of Windsor"). Wo Shakespeare sich konkreter Namen statt abstrakter bedient, sind sie nicht charakterisierend, sondern nur allgemein komisch, wobei häufig ein körperliches Merkmal benutzt wird (z. B. Aguecheek in "Twelfth Night"). - Ben Jonson aber hat für die sprechenden Namen eine besondere Methode entwickelt, die auch für die "comedy of manners" charakteristisch ist. Er gebraucht meistens Komposita als Namen, die nicht eine ungefähre Andeutung der Mentalität, des Temperamentes einer Figur geben, sondern ganz klar ihre spezifische Geistestendenz, ihr besonderes Interesse, ihren "Humour" bezeichnen. Sir Politiqve Wovldbees Ambitionen (Volp.) sind in seinem Namen unmißverständlich ausgedrückt, ebenso wie Lady Wishforts Rolle als „lüsterne Alte" sofort feststeht. Diese letztere Gestalt aus Congreves W. of W. vertritt eine besondere Form der sprechenden Namen: Namen vom Typus "Horner" und "Pinchwife" (PI. D.), die Verbalableitungen, speziell Verbalkomposita sind. Gewiß gehört Sir Oliver Martext in Shakespeares "As You Like It" äußerlich zu diesem Typus, aber abgesehen von seinem Geistlichenberuf hat sein Name mit seiner Funktion im Stück nichts zu tun. Auch Nicholas Udall benutzt in seinem "Ralph Roister Doister" schon Verbalkomposita, z. B. "Mumblecrust" und "Talkapace", aber diese dienen nur dazu, eine äußere Verhaltensweise darzustellen, etwa Tibbets Geschwätzigkeit. Es ist Ben Jonson, der diese Form der sprechenden Namen systematisch zur Beschreibung der ganz bestimmten Disposition eines Charakters anwendet, wie etwa bei Kno'well in E. M. I. 4 '» Ein besonderes Mittel der satirischen Bloßstellung komischer Figuren ist die Gestalt des Kommentators, der direkt die Kritik an den vorgeführten Narrheiten ausspricht. Am klarsten sieht man diese Technik an den "Chorus"Figuren in E. M. O. Aber auch wenn der Kommentator in die Handlung einbezogen wird (Macilente in E. M. O., Mercvry und Cvpid in C. R., der 59

alte Peni-boy in S. N.), ist er von den anderen Charakteren deutlich abgesetzt, da das Kommentieren seine H a u p t f u n k t i o n ist.®7 - In der "comedy of manners", überhaupt in der Restaurationskomödie, wird kaum eine besondere Figur als Kommentator der Handlung eingeführt. Vielleicht bietet Eliza in Wycherleys PI. D. eine Analogie zur Jonsonschen Praxis, da ihre Funktion allein die Demaskierung der Heuchelei und Affektation Olivias zu sein scheint. Im allgemeinen wird aber die Aufgabe, die komischen Charaktere dem Gelächter preiszugeben, von allen "wits" und gescheiten jungen Damen in ihrer Konversation und ihren "Asides" gemeinsam wahrgenommen, wenn auch einige einen besonders großen Anteil haben können (z. B. Scandal in Congreves L. f. L.). Alitheas Bemerkungen über Pinchwifes Absurdität (Wycherley, C. W. II 1) zeigen, daß jede nichtkomische Figur dazu benutzt werden kann, bestimmte Situationen zu kommentieren. Man befolgt also in der Restaurationszeit meistens eine etwas andere Methode als Jonson. Aber diese war dem älteren Dramatiker keineswegs unbekannt; er verstand es sehr wohl, seine Satire auch ohne eine besondere Sprachrohrfigur auszudrücken: Edward Kno'wells und Well-breds Äußerungen über Stephen (E. M. I.), die Unterhaltungen der drei Freunde in S. W. (Trve-wits Aktivität ähnelt besonders Scandals Tun in L. f. L.) sind Beispiele für die Kommentierung durch "wits". Die Kommentierung der N a r r e n erfolgt o f t in Charakterporträts. Diese Form satirischer Bloßstellung wurde bereits in dem vorigen Kapitel als Element der dramatischen Form und Technik besprochen. Zu den wirkungsvollsten szenischen Mitteln der Komik gehört die Darstellung der Charaktere in Gegensatzpaaren oder kontrastierenden Gruppen, die einander erst ins rechte Licht setzen. Uberhaupt sind ja Kontrastwirkungen ein wichtiges Element der Komik (s. u., „Kontrast" und „Inkongruenz"), und dazu gehören auch die Effekte, die sich durch Einführung von Kontrastfiguren ergeben. Die meisten der gegensätzlichen Typen und Personengruppen gehören zum festen Personenbestand und werden deshalb in Kap. V behandelt. Es wird in diesen Fällen genügen, nur kurz die N a t u r des Kontrastes darzulegen und f ü r die eingehendere Analyse der einzelnen Elemente auf das f ü n f t e Kapitel zu verweisen. Der offensichtlichste Gegensatz ist der zwischen den "wits" und jungen Damen einerseits und den "fops" und "would-be wits" beiderlei Geschlechts anderseits. Alle vier Gruppen treten ständig auf in den hier zu untersuchenden Komödien (s. Kap. V). In der Restaurationszeit ist der Kontrast "wits" "would-be wits" so häufig, d a ß kein besonderes Beispiel gegeben zu werden braucht. 88 Ben Jonson zeigt die beiden Gruppen zusammen in E. M. I. und S. W., in seinen anderen Komödien fehlt eines der Elemente. Ganz fehlt bei ihm die szenische Verwirklichung der weiblichen Parallele zu dem Gegensatz "wit" - " f o p " : Z w a r finden sich Repräsentantinnen weiblicher Affektation, aber keine Entsprechungen zu den munter-gesdieiten Heldinnen. Eine stehende Kontrastfigur in der Komödie Ben Jonsons und der Restaurationszeit ist der Landjunker im Milieu der Stadt, der "Town" der Restauration. Als Tor steht er natürlich im Gegensatz zu den eleganten "wits", als 60

bäurisch-ungelenker Tölpel aber auch im Gegensatz zu den überfeinen "fops". Auch dieser Typus wird in Kap. V erörtert werden. - Verschiedentlich wird der "squire" als Kontrastfigur noch betont, indem er als enger Verwandter eines Gentleman der "Town" vorgeführt wird. Ungleiche Verwandte, speziell ungleiche Brüder sind eine besondere Abwandlung des Prinzips der komischen Kontrastierung. Ein in Mentalität und Verhalten völlig verschiedenes Paar zeigt uns Ben Jonson mit dem gebildeten Gentleman Well-bred und seinem rustikalen Halbbruder Downe-right; Edward Kno'well und sein ländlicher Vetter Stephen mögen als leidite Variante ebenfalls hierher gerechnet werden (E. M. I.). Die Kombination "fop" - "squire" finden wir in Congreves W. of W. mit Witwoud und seinem älteren Halbbruder Sir Wilfull und in Farquhars Const. C. mit Clincher Senior und Clincher Junior (allerdings entwickelt sich dieser nach dem vermeintlichen Tode seines Bruders schnell zum "fop", s. V 3, - Dramatic Works, vol. I, p. 221). Seemann Ben in Congreves L. f. L. ist zwar kein Landjunker der Stellung nach, aber in seinem Benehmen ähnelt er doch diesem Typus, so daß man ihn mit seinem älteren Bruder Valentine, dem "wit", als Variante des ungleichen Brüderpaares ansehen kann. Sehr häufig wird der Generationengegensatz als komisches Motiv genutzt. "This conflict, with the inevitable victory of the young and gay, is not peculiar to the Restoration comedy of manners. It is as old as comedy itself. But the battles are more intense, they occur more frequently, their repercussions in language and character are wider in the plays written in the last forty years of the seventeenth century," sagt E. L. Mignon (Crabbed Age and Youth . . ., Durham, N. C., 1947, p. 3 ) . " Speziell ist es der Gegensatz zwischen Vätern und Söhnen, der den Unterschied der Generationen demonstriert. Dabei werden die Jungen als eleganter und kultivierter dargestellt, während die Alten oftmals recht mürrisch sind und hinter der jüngeren Generation auch an "wit" und Geisteskultur zurückbleiben. Dieses Verhältnis formuliert Young Mirabel folgendermaßen, als er von seinem Vater recht verständnislos behandelt wird: "This it is to have the son a finer gentleman than the father; they first give us breeding that they don't understand, then they turn us out of doors 'cause we are wiser than themselves." (Farquhar, the Inconstant, I I I 1 Dramatic Works, vol. I, p. 364). Über einzelne Züge des Alters wird in Kap. V noch etwas zu sagen sein. - Ben Jonson verwendet den Gegensatz der Generationen in E. M. I. (Edward Kno'well und sein Freund Well-bred der alte Kno'well) und S. W. (Davphine und seine Freunde - sein Onkel Morose); Bvsys puritanische Vergnügungsfeindlichkeit in B. F. mag audi altersbedingt sein, aber dieses Motiv spielt hier keine Rolle (auch sind die Jungen, Little-wit und Win, natürlich keine Gentlemen). In der "comedy of manners" sind Old Bellair und Young Bellair in Ethereges M. of M., Sir Sampson Legend und Valentine in Congreves L. f. L. und der alte und junge Mirabel in Farquhars "The Inconstant" entsprechende Paare. Besonders deutlich wird der generationsbedingte Unterschied in der Eleganz der Manieren, wenn der Ältere (nicht immer der Vater) zugleich zum Typus Landjunker gehört, wie etwa Sir Oliver Cockwood und Sir Joslin Jolley in Ethereges She 61

wou'd . . die sich durch Alter und Milieu von ihren jungen Londoner Bekannten Courtall und Freeman unterscheiden. Diese Form ist aber bei Ben Jonson nicht festzustellen.70 Eine besondere Variante des Generationengegensatzes, die der Restaurationsmentalität in hohem Maße entspricht, ist die Gegenüberstellung eines törichten älteren Ehemannes und eines klugen jungen Nebenbuhlers, für die Wittipol und Fitz-dottrell in Jonsons D. is A. schon eine Analogie bilden (wenn auch der Jüngere in diesem Falle seinen Plan, den Alten zu betrügen, nicht ausführt); auch Kiteleys Eifersucht auf die Besucher seiner Frau gehört hierher. Im Restaurationslustspiel finden wir viele Beispiele, wie Alderman Fondlewife und Bellmour (Congreve, Old B.), Sir Paul Plyant und Careless (D.-D.), Foresight und Scandal (L. f. L.), Sir Jasper Fidget/Pinchwife und Horner (Wycherley, C. W.). Es ist der Typ des "citizen" (s. Kap. V), dessen wichtigste Funktion in der Übernahme der Rolle des Opfers besteht. Überhaupt wäre der Gegensatz Gentleman - "citizen" noch ein weiterer Kontrast, der sich dem Gegensatzpaar Gentleman - "fop" und Gentleman - "squire" an die Seite stellt. Bei Ben Jonson gehört allerdings das erotische Interesse noch nicht so sehr zu dieser Kontrastfigur wie in der Restaurationskomödie. Winwife und der Kreis um Dame Pvrecraft (B. F.), vielleicht die drei Freunde und Morose (S. W.) sind zusätzliche Beispiele für Jonsons Komödie. In der Restaurationszeit treten die "wits" ja in jedem Lustspiel auf, so daß alle in Kap. V unter "citizen" genannten Dramen zugleich den Kontrast bieten. Eine letzte Form der Kontrastierung von Personen ist der Gegensatz von verschiedenartigen komischen Figuren, deren Torheiten durch den Kontrast sich noch deutlicher abheben. In diese Rubrik ist natürlich vor allem die schon genannte Kombination "fop" - „squire" zu setzen, für die außer den erwähnten auch Stephen-Matthew in E. M. I. und Sogliardo-Briske in E. M. O. noch gute Beispiele sind. - Novel und Plausible in Wycherleys PI. D. demonstrieren eine allgemeinere Form dieses Konstrastes, den Gegensatz zwischen dem roheren, mehr geräuschvollen und dem überfeinen Typus des Narren, der sich allerdings zumeist in der Version "squire" - "fop" findet. Abgesehen von dieser speziellen Ausprägung, werden verschiedene Abstufungen und Nuancierungen der komischen Figuren ständig gebraucht, z. B. Lord Froth und Brisk (Congreve, D.-D.), Daw und La Foole (S. W.) usw. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß Kontrastwirkungen ein wichtiges Element des Komischen sind. Unmöglich können hier die vielen Versuche zur grundsätzlichen Analyse des Komischen behandelt werden. Eine allgemeine Ästhetik des Komischen zu geben, ist nidit Aufgabe dieser Arbeit. Wir müssen uns begnügen, einen Autor heranzuziehen, dessen Erkenntnisse für den konkreten Anlaß dieser Untersuchung brauchbare Kategorien bieten. William Hazlitt bemüht sich in der ersten seiner "Lectures on the English Comic Writers" unter der Überschrift "On Wit and Humour" (The Complete Works of William Hazlitt in Twenty-One Volumes, Centenary Edition, ed. P. P. Howe, London, 1931, vol. VI), das gemeinsame Prinzip zu finden, das allen komischen Effekten zugrunde liegt. Er kommt zu dem Ergebnis: "The essence 62

of the laughable . . . is the incongruous . . . The principle of contrast is . . . the same in all the stages [of the laughable]." (pp. 7,8). Es mag dahingestellt bleiben, ob damit das Problem des Komischen bzw. Lächerlichen wirklich gelöst ist: Formen des Kontrastes und der Inkongruenz, die nicht als „komisch" zu bezeichnen wären, ließen sich ohne weiteres denken. Zweifellos beruhen auf diesen beiden eng verwandten Prinzipien aber viele Methoden komischer und satirischer Darstellung. Sie sind sogar so gebräuchlich und so allgemeiner Natur, daß ihre Aufspürung in der Komödie Jonsons und der "comedy of manners" kaum etwas über eine besondere Verwandtschaft aussagen würde. Es gibt aber einige spezielle Anwendungsweisen, die besser geeignet erscheinen, als Gemeinsamkeiten herangezogen zu werden. Am häufigsten wird bei Ben Jonson und in der Restaurationskomödie Inkongruenz in der Form der Affektation bloßgestellt: Alle "fops", "gulls" und "would-be wits" (s. Kap. V) sind Beispiele dafür. Ihr Mangel an "wit" ist die Ursache des ständigen Widerspruchs zwischen ihrem Anspruch auf Brillanz der Konversation und Eleganz der Manieren und ihren wirklichen Fähigkeiten. - Ihre Torheit zeigt sich besonders in der Absurdität der Wertmaßstäbe, in der Uberschätzung von Äußerlichkeiten und Trivalitäten und der Inkongruenz von Anlaß und Verhalten. Hierher gehört z. B. das Schwelgen in Flüchen bei Stephen und seinen Restaurationsnachfahren, die Konzentration auf die Kleidung bei Briske und späteren Modegecken. Die Konkretisierung in bestimmten Situationen finden wir etwa in Fitz-dottrells Enthusiasmus, als die „spanische Dame" Pug über die korrekte Behandlung einer Hündin und ihrer Welpen verhört: "The top of woman! All her sexe in abstract!" (D. is A. IV 4, 244). Monsieur de Paris' wehmütiger Abschied von seinem französischen Kostüm zeigt ebenfalls diese Diskrepanz zwischen Anlaß und Verhalten: "Adieu then, dear pantaloon! dear bel te! dear sword! dear peruke! and dear 'chapeau retroussé', and dear shoe, jarni! adieu! adieu! adieu! Hélas! hélas! hélas! . . ." (Wycherley, G. D.-M. I I I 1, p. 182). Ähnlich übertrieben beklagt der Landjunker Sir Credulous Easy den Tod seines Pferdes (Aphra Behn, Sir Patient Fancy I 1 - Plays, vol. I, p. 11) und preist dessen Standesgenosse Clodpate die Schönheit seines Pferdes und seines Hundes (Shadwell, Epsom-Wells III - Works ed. Summers, vol. II. pp. 148-49). - Ein weiterer komischer Effekt ist der Widerspruch zwischen verkündeten Grundsätzen oder Absichten und den wirklichen Handlungen: der Selbstwiderspruch, die Selbstentlarvung. So weist Shift entrüstet die Zumutung von sich, sein Rapier zu verkaufen, aber dann meint er doch ganz beiläufig: ". . . neuertheless if you haue a fancie to it, sir." (E. M. O. I l l 6, 83-84). Stephen wünscht sehnlichst ein Pferd zur Stelle, um den Boten zurückzuholen und verprügeln zu können. Als aber Brayne-worme ihm eines anbietet, macht er Ausflüchte: "But, I ha' no bootes, that's the spight on't." (E. M. I. I 3, 30). Olivia verrät stets ihr wahres Interesse an ihren zahlreichen "aversions" (wie Kleidung, Klatsch usw.), sobald sie ihre Abneigung kundgetan hat (Wycherley, Pl. D. II 1). Tattle, "a public professor of secrecy" in Congreves L. f. L. (I 2, p. 210), "will speak aloud in the posture of a whisper" (ib. p. 209). Alder63

man Smuggler rühmt sich seiner puritanischen Aktivitäten, während er zwischendurch (vermutlich von entsprechenden Gesten begleitet) lüsterne Bemerkungen zu Lady Lurewell macht (Farquhar, Const. C. II 4 - Dramatic Works, vol. I, p. 160). Wir sehen an diesen Beispielen, die noch erheblich vermehrt werden könnten, 71 wie bei dieser Form der Inkongruenz vielfach auch der Ben Jonson und den Restaurationsdramatikern gemeinsame Wille zur Demaskierung am Werke ist (s. o., Kap. I, „Realismus"). Ein Spezialfall dieses Selbstwiderspruchs ist die Gesellschaftslüge (s. Kap. VI). - Eine weitere Form des Kontrastes ist die Antiklimax. Shifts eben zitierte abschließende Bemerkung ist ein gutes Beispiel. Noch mehrere Belege für diese Technik ließen sich aus derselben Komödie beibringen, z. B. Sordidos groteske Geizreaktion, als er feststellt, daß die Bauern bei seiner Rettung vor dem Selbstmord den Strick zerschnitten haben: "How! cut the halter? Aye me, I am vndone, I am vndone . . . You thredbare horse-bread-eating rascals, if you would needes haue beene meddling, could you not haue vntied it, but you must cut it? and in the midst too! Aye me." ( I l l 8, 18-25). Daß Ben Jonson allerdings nicht auf einem Antiklimax-Effekt ohne Rücksicht auf andere Erfordernisse bestand, zeigt E. M. I.: In der Quarto platzt in den großen Eifersuchtskradi zwischen Thorello und Bianca, in den auch Lorenzo sen. verwickelt wird, plötzlich Guilliano mit der Frage nach seinem Mantel ("Oh sister did you see my cloake?" - V 1, 61); in der Folio aber ist Downerights Auftritt an der entsprechenden Stelle (V 10), wohl aus Gründen dramaturgischer Vereinfachung, ausgespart. In der Restaurationskomödie bietet sich besonders das "Aside" als ein geeignetes Mittel an, entsprechende Wirkungen zu erzielen; so enthüllen etwa die beiseitegesprochenen Bemerkungen von Careless, wie viel von seinen leidenschaftlichen Erklärungen an Lady Plyant zu halten ist: "Zoons! I'm almost at the end of my cant if she does not yield quickly." (Congreve, D.-D. IV 1, p. 152). Shadwell nutzt in "The Humorists" Crazys Krankheit, die ihn bei jeder etwas derberen Berührung heftige Schmerzen empfinden läßt, zu kräftigen Antiklimax-Effekten aus; z. B. wird Crazys Loblied auf die Sdiönheit durch einen beifälligen Schlag auf die Schulter von der alten Kupplerin Mrs. Errant zu einem unwürdigen Abschluß geführt (I - Works ed. Summers, vol. I, p. 196). Die Bloßstellung eines Feiglings durch seine plötzliche Wandlung von drohender Haltung zu kleinlautem Nachgeben (s. Kap. IV) kann ebenfalls mit der Technik der Antiklimax verbunden werden. - Eine enge Beziehung sieht Hazlitt zwischen dem Prinzip des Kontrastes und der "ambiguity" ("the . . . principle of ambiguity and contrast", a. a. O. p. 10). Auf diesen beiden Prinzipien beruht das Phänomen der „dramatischen Ironie". Ein besonders deutliches Beispiel findet sich etwa in Drydens "Sir Martin Mar-all", wo Warner Mrs. Millisent eingeredet hat, sein Herr verstelle sidi nur aus Liebe zu ihr als bäurischer Tölpel, weil ihr Vater doch keine "wits" leiden könne. Mrs. Millisent hält darum Sir Martins Taten für Beweise seiner hohen Verstellungskunst: "O cunning youth, he acts the fool most naturally." (II 2 - Works ed. Scott, vol. I l l , p. 29). Wir finden 64

sogar zu dieser besonderen Anwendung der dramatischen Ironie eine Analogie in Ben Jonsons E. M. O., V 2: Sogliardo wird der H o f d a m e Saviolina als Gentleman vorgestellt, der sich als Bauer gibt - eine Situation, die natürlich als ganzes mit dramatischer Ironie geladen ist! Ein etwas derbes Beispiel von Ironie erscheint in D. is A., wo Fitz-dottrell seinem als Modedame verkleideten Rivalen Wittipol seine Frau mit den - ihm unbewußt doppeldeutigen Worten übergibt: " I giue her vp heere, absolutely, to you, She is your owne. Do with her what you will!" (IV 4, 252-53). Schließlich ist die im nächsten Kapitel zu behandelnde spezielle „Hahnrei"Situation mit dramatischer Ironie verbunden: Der Betrogene freut sich darüber, wie dumm ein anderer ist. Dazu gehört Secvritys spöttisches Verhalten gegenüber dem vermeintlich hintergangenen Bramble (Eastward H o e I I I 2/3). Auch Woodlys Bemerkung über Bisket in Shadwells "Epsom-Wells" hat ironische Bedeutung: " . . . what a despicable thing a cuckold is . . . I would not be a Cuckold for the World," meint er (I 1 - Works ed. Summers, vol. II, p. 118), obwohl er selbst von Bevil betrogen wird! Weitere Beispiele f ü r dramatische Ironie ließen sich noch geben, etwa die Irreführung Don Diegos durch Gerrard in Wycherleys G. D.-M. (III 1, p. 190 und IV 1, p. 212 bezieht sich der Alte auf Gerrards Rolle als Tanzlehrer, während Gerrard diese Reden ironisch umdeutet auf seinen Plan, Hippolita zu entführen), doch mag das bisher Angeführte genügen, die Anwendung bei Jonson und in der Restaurationszeit zu zeigen. 72 Alle bisher beschriebenen Einzelphänomene dürften ausreichen zu illustrieren, daß Jonson und die Autoren des Restaurationslustspiels eine Reihe von komischen Techniken benutzen, die auf dem Prinzip des Kontrastes und der Inkongruenz beruhen. Es wäre natürlich riskant, auf dieser Grundlage allein eine Jonsonsche Tradition zu behaupten, aber in Verbindung mit den anderen Übereinstimmungen mögen auch diese Techniken an Bedeutung gewinnen. Bisweilen wird die Unverschämtheit als komischer Effekt genutzt, wenn sie einer der Charaktere als Mittel zum Bluff anwendet: Die eiserne Stirn, mit der Face die Nachbarn als Lügner bezeichnet ( - und zwar zunächst mit Erfolg! - ) , wirkt auf den Zuschauer erheiternd (Aich. V 2). Häufiger ist dieser Effekt in der Restaurationskomödie, da Frechheit zum Charakterbild des "wit" (im Umgang mit Damen und Toren) gehört. So fährt Bellamy, der von seinem Diener Maskall zum Astrologen „ernannt" wurde, dem in der Sterndeutung sehr beschlagenen Don Alonzo mit der Bemerkung über den Mund, die Termini hätten sich eben seit seiner Jugend geändert - was selbst Maskall zu dem Ausruf veranlaßt: "Did one ever hear so impudent an ignorance?" (Dryden, An Evening's Love II 1 - Works ed. Scott, vol. I I I , p. 263). Sowohl "wits" als auch andere Figuren bedienen sich, sobald sie bei gewissen Abenteuern ertappt werden, gern der Methode „Haltet den Dieb!" Besonders auffallend erscheint das Motiv in Shadwells "The Virtuoso": Die Gimcracks haben einander mit ihren Liebespartnern H a z a r d und Flirt überrascht, die ihrerseits wieder liiert sind - alle vier spielen jetzt die beleidigte Unschuld, die nur dem 65

Partner (bzw. der Partnerin) aufgelauert habe, um endlich Gewißheit über seine (bzw. ihre) Untreue zu erlangen (IV - Works ed. Summers, vol. I I I , pp. 151-53). Diese Ausprägung des Frechheitsmotivs findet sich bei Jonson nicht: Es ist bezeichnend, daß in einer entsprechenden Situation die Partner tatsächlich unschuldig sind (die Kitelys in E. M. I., IV 10). Aus dem modernen Drama (Shaw, Wilder, Brecht usw.) ist uns die dramaturgische Technik der Durchbrechung der Bühnenillusion vertraut. Besonders Shaw bedient sich des Illusionsbruches73 zu komischen Wirkungen (z. B. durch krasse Anachronismen). Es ist nicht überraschend, daß dieser Zug auch in dem satirisch-realistischen Lustspiel der hier zu betrachtenden Autoren zu beobachten ist. Hippolita in Wycherleys G. D.-M. spricht von sich als der möglichen Heldin einer noch zu schreibenden Komödie: "I am thinking if some little, filching, inquisitive poet should get my story, and represent it to the stage . . . " (V 1, p. 226). Ähnlich tut Alderman Smuggler einen Blick in die Zukunft: "'Tis ten to one now, but some malicious poet has my character upon the stage within this month." (Farquhar, Const. C. V. 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 217). In demselben Drama (V 1, pp. 210-11) macht Sir Harry Wildair in seinen illusionszerstörenden Kommentaren zu Angelicas rhythmisch stilisiertem Entrüstungsausbruch darauf aufmerksam, daß es sich hier um eine ungewöhnliche, eine theatralische Redeweise handelt (z. B.: "A million to one now but this girl is just come flush from reading the Rival Queens," p. 210). Auch die verschiedentlich vorkommenden leise selbstironischen Äußerungen der Restaurationsautoren über die Konventionen der Gattung wirken, Charakteren der Stücke in den Mund gelegt, illusionsaufhebend, z. B. Isabellas Bemerkung zu Lord Nonesuch am Ende von Drydens "The Wild Gallant", als sie und Constance verheiratet sind: "Come, nuncle, 'tis in vain to hold out, now 'tis past remedy: 'Tis like the last act of a play, when people must marry . . . " (V 3 - Works ed. Scott, vol. II, p. 103). Bei Ben Jonson ist der kommentierende "Chorus" ein Mittel der Illusionsaufhebung, z. B. in E. M. O., S. N., M. L., da hier eine Distanzierung vom Geschehen direkt ausgesprochen wird. Bei diesen Selbstdeutungen geht es durchweg um die Diskussion literarischer Probleme (s. Kap. V I : „Literatur als Gegenstand der Literatur"). Dabei kommt es zu förmlichen Selbstzitaten7S, wie etwa der Erwähnung von "Zeale-of-the-land Buzy" durch Gossip Censvre in S. N. (The third Intermeane . . ., 1. 51). Diese Selbstzitate aber erscheinen nicht nur im "Chorus", sondern auch innerhalb der Handlung selbst: Sir Diaphonous Silkworm spricht von "the Play there, the 'New Inne', Of Ionsons . . ." (M. L. I I I 6, 92-93), und besonders kompliziert liegt der Fall in D. is A., wo dieses Stück selbst von einem seiner Charaktere zitiert wird: " . . . that's a hyr'd suite, hee now has on, To see the 'Diuell is an Asse', today, in . . ." (I 4, 20-21). Diese Form der Distanzierung eines Dramas von sieb selbst ist auch durch moderne „Verfremdungseffekte" nicht zu überbieten. Man sollte sich aber 66

hüten, nun hinter dem gleichen Phänomen auch schon gleiche Absichten zu vermuten. Wenn Eliot es als Sinn der direkten Ansprache seiner drei Ritter an das Publikum in "Murder in the Cathedral" bezeichnet, "to shock the audience out of their complacency" ("Poetry and Drama", in: Selected Prose, edited by John Hayward, Penguin Books, no. 873, 1953, p. 78), so liegt hier eine antiillusionistische Tendenz vor, die nur als bewußte Wendung gegen die Illusionsfreudigkeit und Amüsierbereitschaft des Theaterpublikums im 19. und 20. Jahrhundert richtig zu verstehen ist. Ähnlich sind Brechts Absichten, von den weltanschaulichen Implikationen und Komplikationen einmal abgesehen, sicher auch vor dem Hintergrund der feierlichen „Kirchgangsstimmung" des gebildeten deutschen Zuschauers zu sehen. Die Notwendigkeit zu einer solchen Schockwirkung lag aber in der hier zu untersuchenden Epoche des englischen Dramas gar nicht vor, da die besonderen Aufführungsbedingungen (s. Abschnitt „Zuschauer" in Kap. VI) vor allem für die Komödie die Illusion einer in sich geschlossenen Bühnenwelt nicht aufkommen ließen: Wo das Publikum sich schon mit Zwischenrufen ins Spiel zu mischen pflegt bzw. überhaupt nicht zuhört, sind Illusionsdurchbrechungen sehr viel leichter und ohne gewichtige Folgen für das dramaturgische Gefüge einzuführen. Daß trotz dieser relativ offenen Form aber zumindest eine komische Wirkung beabsichtigt war, scheint mir außer Zweifel zu stehen. Eine bestimmte komische Technik, die mit den Mitteln der Wiederholung und Variation arbeitet und auch dem Motiv des „Redestroms" zugrunde liegt (s. Kap. IV: hierher gehören die Fälle, in denen das Opfer immer wieder vergeblich zu Wort zu kommen versucht), ist zwar recht deutlich in den hier zu erörternden Lustspielen ausgebildet, aber es erscheint doch recht zweifelhaft, ob deshalb eine engere Beziehung zwischen Jonson und der Restaurationskomödie zu konstatieren ist. Es handelt sich darum, daß eine Situation, ein Motiv mehrmals nacheinander in leicht abgewandelter Form vorgeführt werden und so der Zuschauer bald voll Vergnügen das gemeinsame "pattern" durchschaut. Die Wirkung auf den Zuschauer beruht also auf dieser vergnügten Wiedererkennung und Vorwegnähme eines bestimmten Motivs, eines bestimmten szenischen Musters. Offensichtlich ist diese Technik in Gaunerkomödien (wie etwa Thornton Wilders "Queens of France") besonders effektvoll zu verwenden, da sie die Unverfrorenheit der Betrüger und die Dummheit der Opfer besonders plastisch vor Augen stellt. Die Wiederholung und Variation kann einmal ganze Szenen und Episoden betreffen, also ein Strukturzug im größeren Rahmen der Akte oder des ganzen Dramas sein, sie kann sich aber auch nur innerhalb einer Szene oder Episode auf irgendwelche Wendungen oder Einzelmotive beschränken. Es leuchtet ein, daß diese Technik aber so elementarer Natur ist, - sie erscheint auch mehrfach bei Shakespeare - , daß es kaum gerechtfertigt sein dürfte, eine spezifisch Jonsonsche Tradition zu vermuten. Darum sei hier auf eine eingehende Darstellung verzichtet und eine weitere Erörterung mit Belegen einem Exkurs vorbehalten.74 Als letztes sollen in diesem Kapitel die sprachlichen Satire behandelt werden.

Mittel der Komik

und 67

Die Darbietung witziger Konversation ist kein besonderes künstlerisches Ziel der Jonsonschen Komödie. Selbst in S. W., wo mehr Konversationsszenen vorkommen als in den anderen Komödien, fehlen die für die "comedy of manners", speziell für Etherege und Congreve, charakteristischen eleganten "repartees". Im "Examen of the Silent Woman" gesteht Dryden zwar zu: "[Jonson] has here described the conversation of gentlemen in the persons of True-Wit, and his friends, with more gaiety, air, and freedom, than in the rest of his comedies." (Ker I, p. 86). Aber diese Bemerkung wird beträchtlich eingeschränkt durch sein Urteil über Trve-wit (den er Jonsons "masterpiece" nennt) in der "Defence of the Epilogue": "The best of his discourse is drawn, not from the knowledge of the town, but books; and, in short, he would be a fine gentleman in an university." (Ker I, p. 174). Bereits in Kap. I wurde der Jargon der "gulls" und "fops" als ein Aspekt des Realismus der Spradie behandelt. Die Übertreibung der Floskeln und Flüche aber ist ein sichtlich komischer Zug. Dem "gull" kommt es nicht auf wirkliche Qualitäten, wirkliche Kenntnisse an, sondern nur auf den Effekt, den die Illusion ihres Vorhandenseins hervorruft. Bezeichnend für diese Haltung ist eine Änderung, die Ben Jonson in der Folio von E. M. I. vorgenommen hat. In der Quarto sagt Stephano: " . . . and a man haue not skill in hawking and hunting now a daies, ile not giue a rush for him; hee is for no gentlemans company . . . " (I 1, 38-40). In der Folio aber lautet die Stelle: ". . . an' a man haue not skill in the hawking, and hunting-languages . . ." (I 1, 41-42). Allein das Vokabular ist wichtig, und zum Vokabular des Gentleman gehören Flüche und Floskeln, von denen der Aspirant, um es nur ja nicht zu verfehlen, besonders reichen und besonders kunstvollen Gebrauch macht. "Fye how you sweare," wirft Golding seinem Lehrling Quicksilver vor, aber dieser entgegnet: "Sfoot man I am a gentleman, and may sweare by my pedegree, Gods my life." (Eastward Hoe I 1, 104-106). Carlo empfiehlt Sogliardo, der gern ein Gentleman sein möchte, das Spiel zu lernen: " . . . and (euer when you lose) ha' two or three peculiar othes to sweare by that no man else sweares . . ." (E. M. O. I 2, 46-48). Squire Mockmode, der denselben Ehrgeiz hat, erkundigt sich: "Pray what are the most fashionable oaths in town?" (Farquhar, L . . . Bottle II 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 34). Stephen ist ganz Bewunderung für Bobadills Fruchtbarkeit: "Oh, he sweares admirably! (by PHAROAHS foot) (body of CAESAR) I shall neuer doe it, sure (vpon mine honor, and by Saint GEORGE) no, I ha' not the right grace." (E. M. I. I l l 5, 132-35). Aber was ist schon Bobadills "body of CAESAR", verglichen mit den Leistungen der Restaurationsgecken? Lord Foppington etwa, dieser "prince of coxcombs" (Vanbrugh, Rel. I I I 2, 130), ist nahezu unüberbietbar mit seinem "Strike me dumb, stap my vitals, strike me speechless, slit my windpipe" (passim). Sir Martin Mar-all, der vor seinem potentiellen Schwiegervater als biederer Landjunker posieren will, verrät sich durch seine floskelverzierte Redeweise als "fop" ( " I vow to gad", "in fine" - I I I 1, Works ed. Scott, vol. I I I , p. 30). Wittmore bedient sich der Geckensprache, um bei Isabella, um 68

deren H a n d er sidi angeblich bewirbt, möglichst keinen guten Eindruck zu machen: Madam, - as Gad shall save me, I'm the Son of a Whore, if you are not the most Belle Person I ever saw, and if I be not damnably in love with you; but a pox take all tedious Courtship . . (Behn, Sir Patient Fancy II 1 - Plays, vol. IV, p. 27). Beispiele dieser Art ließen sich beliebig vermehren. 75 Ein weiterer Aspekt der Geckenspradie neben den Floskeln ist die Jagd nach „originellen" Vergleichen: "Similes" oder "similitudes" sind eine besondere Freude der "fops". Sogar Roger, Stanfords Diener, ist von dieser Krankheit befallen; er bringt mehrfach neue Vergleiche, statt seinem H e r r n die gewünschte Auskunft zu geben, so d a ß dieser ihm droht: "One Similitude more, and H e Break that Fooles head of yours." (Shadwell, The Sullen Lovers I - Works ed. Summers, vol. I, p. 34). Witwoud bringt Mrs. Millamant zur Verzweiflung mit seinen Vergleichen: "Dear Mr. Witwoud, truce with your similitudes; for I'm as sick of 'em Wit. As a physician of good air. - I cannot help it, madam, though 'tis against myself." (Congreve, W. of W. I I 2, p. 345). - Bei Ben Jonson vertritt Carlo Bvffone in E. M. O. dieses Streben: „. . . with absurd simile's [he] will transforme any person into deformity . . .," heißt es in seinem Charakterporträt im Personenverzeidinis (Z. 26 f.). Über M a d ien te sagt er: " . . . his spirit's like powder, quick, violent: hee'le blow a man v p with a jest: I feare him worse then a rotten wall do's the cannon, shake an houre after, at the report." (I 2, 215-18). Die eigentlichen Toren aber widmen sich nicht so sehr diesem besonderen Aspekt der Geckensprache, sondern konzentrieren sich auf die Floskeln oder denken sich neue "salutations" f ü r die Dame aus (Hedon in C. R. II 2).7" Allerdings muß sich Asotvs einmal von Crites zurechtweisen lassen, als er zu einer Reihe von Vergleichen ansetzt: "Trusse vp your simile, Iacke-daw . . ." (C. R. V 4, 254). In W. of W. verwahrt sich Mrs. Millamant ausdrücklich dagegen, von ihrem zukünftigen Ehemann mit Kosenamen belegt zu werden, wie "wife, spouse, my dear, joy, jewel, love, sweetheart, and the rest of that nauseous cant, in which men and their wives are so fulsomely familiar . . ." ( I V 1 , p. 379). Diese Haltung ist f ü r die Heldinnen und Helden der Restaurationskomödie typisch: Ausdrücke ostentativer Zärtlichkeit wären mit ihrem ganzen Lebensstil, insbesondere ihrer Auffassung von der Ehe, unvereinbar. Congreve benutzt dementsprechend die allzu zärtliche Sprache als komischen Effekt in seinem O l d B. (V 1, pp. 53-55), wo Fondlewife und Laetitia so liebevoll zueinander sind (bzw. tun), daß ihre Redeweise albern und kindisch w i r d : " N a y , come kiss, buss poor N y k i n . . ." tröstet Fondlewife (p. 54), und Laetitia beginnt vor Rührung zu lispeln ("san't, dealous" statt "shan't, jealous", p. 55). In Drydens "Limberham" gebraucht Mrs. Brainsick die Kosespradie, um, wie Laetitia ihren Alderman, ihren bombastischen Haustyrannen vor gefährlichen 69

Entdeckungen zu bewahren (". . . Tum a'me, and buss, poor dear; piddee buss." - I I I 1 - Works ed. Scott, vol. VI, p. 56). Aphra Behns Sir Patient Fancy wird zärtlich, als er ein wenig angetrunken ist: ". . . my little Ape's Face . . . poor Gogle's sick . . . torn, torn . . ." (IV 3 - Plays, vol. IV, p. 75). Shadwell gebraucht ebenfalls die alberne Zärtlichkeit als komischen E f f e k t : In "Epsom-Wells" nennt Dorothy Fribble ihren finsteren Gatten "my dear honey" (II 1 - Works ed. Summers, vol. II, p. 126), Bisket seine energische Frau "my pretty Dear, poor Duck" (ib. p. 127 - später wird er erfindungsreicher: "She's my 'Cacara camouchi', my pretty Pigs nye . . .", I I I 1, p. 145); der alte Snarl und Mrs. Figgup in "The Virtuoso" sprechen diese Sprache wegen der komischen Kombination der beiden Charaktere mit besonderer Wirkung (z. B. "Prethee, dear N u m p s . . . I love n'own Buddy Mun." I I I - vol. I I I , pp. 138-39)." Ben Jonson f ü h r t die komische Wirkung ostentativ liebevoller Redseligkeit in B. F. vor; wenn auch Proctor Little-wit sich nicht zu den Exzessen der Restaurationstoren versteigt, ist seine Bewunderung für Wins Hütdien etc. doch lächerlich: "Sweete Win, let me kisse it! And, her fine high shooes, like the Spanish Lady! Good Win, goe a little, I would faine see thee pace, pretty Win! By this fine Cap, I could neuer leaue kissing on't." (I 1, 22-26). Albivs im "Poetaster", ein Pantoffelheld, redet seine Frau Chloe mit Kosenamen an, ohne aber auf Gegenliebe zu stoßen. (II 1). - Es ist wichtig, daß alle zitierten Gestalten, einschließlich des Römers Albivs (Mrs. Brainsick in "Limberham" ist allerdings soziologisch nicht ganz klar einzuordnen) dem Stande der "citizens" angehören. Für Autoren und Publikum war das Motiv offenbar mit dieser Klasse verbunden. Diese Assoziation wird explizit gemacht in Marstons "Dutch Courtezan", wo Crispinella ihre Schwester ermahnt: "Prithee call him not love, 'tis the drab's phrase: nor sweet honey, nor my coney, nor dear duckling, they are citizen terms . . (III 1, 138-40; Works ed. Bullen, vol. II). Mit Vorliebe benutzt Ben Jonson Fachsprachen und Jargons der verschiedensten Art. "Jargon is not limited by Jonson to the speech of the learned professions, nor to any particular class. H e must have felt the truth of Pennyboy Canter's contention that 'All the whole world are Canters'. His quarrel with all kinds of canting was that 'it affects the sense, it has not.'" (A. H . Sackton, Rhetoric as a Dramatic Language in Ben Jonson, N e w York, 1948, pp. 49-50 - die Zitate sind aus S. N . : IV 1, 56 bzw. IV 4, 75). Der Alchemistenjargon Svbtles (Aich.), der medizinische Jargon Doctor Ruts und Tim Items (M. L.), Everills Beschreibung der komplizierten Methoden, einen Streit beizulegen (D. is A. I I I 3, 120-43) sind Beispiele dieser Art. Die Zuhörer (d. h. Bühnencharaktere und Publikum) werden mit einer Menge unverständlicher Fachausdrücke überhäuft und verwirrt; so stellt der Autor den betrügerischen Charakter dieser Jargons heraus. Tatsächlich sind die jargonsprechenden Gestalten bei Jonson größtenteils Schwindler wie die erwähnten. Die satirische Absicht wird besonders deutlich in S. N . (s. die Hinweise auf 70

den alten Peni-boy in den eingangs dieses Abschnittes zitierten Bemerkungen Sacktons). - In der "comedy of manners" werden Berufs jargons nicht so häufig benutzt wie bei Jonson; dafür ist die Sprache der Gecken, die man ja auch als Jargon ansehen könnte, um so üppiger ins Kraut geschossen. Anders als bei Jonson werden auch meistens nicht mehr die Hörer des "cant" verspottet, weil sie sich betrügen lassen, sondern die Sprecher selbst, die jetzt zumeist keine Schwindler mehr sind, sondern ihr Gerede ernstnehmende Narren. Nicht ihre Schlechtigkeit wird bloßgestellt, sondern ihre Engstirnigkeit und Ichbezogenheit. Foresight in Congreves L. f. L., der "Astrology, Palmistry, Physiognomy, Omens, Dreams, & c . " verstehen will (Dramatis Personae, p. 198), führt insbesondere die Tradition des pseudowissenschaftlichen Jargons fort, dessen sich audi der ebenso törichte und abergläubische Fitz-dottrell in D. is A. (s. etwa seinen Diskurs über Erscheinungen, I 2), Svbtle und andere bedienen. Der Seemann Ben verziert alles, was er sagt, mit nautischen Vokabeln (L. f. L.). Die Witwe Blackacre in Wycherleys PI. D. spricht fast nur in juristischen Begriffen: Ihren Sohn Jerry nennt sie ihren "minor" und plagt jedermann mit komplizierten Berichten über ihre zahlreichen Rechtsstreitigkeiten (z. B. I 1, p. 390, wo Manly das Opfer ist). Ein wahres Genie in der Beherrschung aller möglichen Fachsprachen ist Sir Positive At-all, der Alleswisser in Shadwells "The Sullen Lovers". - Einige spezielle Jargons treten sowohl bei Jonson als auch in der Restaurationszeit auf. So findet der Puritanerjargon aus Aich. (Tribvlation und Ananias) und B. F. (Bvsy) in der Restaurationskomödie ebenfalls Vertreter, z. B. Mrs. Saintly in Drydens "Limberham", Mrs. Behns Sir Patient Fancy mit seinem Schreiber Abel (z. B. I I I 2 - Plays, vol. IV, p. 52: "Verily, verily, here be these Babes of Perdition, these Children of Iniquity . . . " ) , Alderman Smuggler in Farquhars Const. C. Die Medizinersprache, die Jonson z. B. in M. L. benutzt, erscheint bei Aphra Behn in "Sir Patient Fancy" (V 1, p. 95 - allerdings muß für dieses Stück natürlich auch die Einwirkung von Molieres „Eingebildetem Kranken", dem unmittelbaren Vorbild, berücksichtigt werden) und bei Shadwell in "The Humorists" (I - Works ed. Summers, vol. I, pp. 197-98: Crazy hat die Termini durch seine Krankheit gelernt). Juristenjargon78 erscheint außer im PI. D. (Widow Blackacre) auch in Shadwells "Amorous Bigotte", wo Tegue Fachausdrücke des Eherechts benutzt ( V I Works ed. Summers, vol. V, p. 75), also insbesondere (allerdings in sehr viel kleinerem Maße) den falschen Juristen in Jonsons S. W. (V 3) nacheifert. Astrologenjargon, wie ihn Svbtle gegenüber Drvgger anwendet (Aich., z. B. I 3, 52-57; II 6, 11-18), wird von Don Alonzo de Ribera (Dryden, An Evening's Love, z. B. II 1 - Works ed. Scott, vol. I I I , p. 263), dem als Astrologen verkleideten Lodwick (Behn, Sir Patient Fancy V 1 - Plays, vol. IV, p. 88), dem bereits genannten Foresight (Congreve, L. f. L., z. B. II, 1, p. 225) und Kite in Farquhars Reer. O. (IV 3) gebraucht. Bei Farquhar wird - wie meistens bei Jonson - auch wieder das Opfer des Jargons verspottet: Kite benutzt seine astrologischen Vokabeln (die er in unverschämter Selbstparodie mit gänzlich unpassenden Wörtern bereichert: "There's Leo, Sagitarius, Forceps, Furnes, Dixmude, Namur, Brussels, Charleroy, and so forth - twelve of 71

'em . . .", IV 3 - Dramatic Works, vol. II, p. 191) zur Betrügerei, und Clinchers Vorlesen aus Kapitän Fireballs Seetagebudi zeigt die Frustration des Laien, der so tut, als ob er alles verstünde (Sir H . W. III 1 - vol. I, pp. 280-81). Die Berufsjargons sind also, wenn sie audi nidit mehr ein ganzes Drama beherrschen (z. B. Aldi.), in der Restaurationszeit durchaus nodi beliebt als komisches und satirisdies Mittel. 7 ' Der komische Effekt des Bildungsanmaßung entlarvenden falschen Gebrauchs schwieriger Wörter, durch Mrs. Malaprop in Sheridans "The Rivals" sprichwörtlich geworden, spielt in der "comedy of manners" keine Rolle und braucht darum hier nidit weiter erörtert zu werden. 80

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K A P I T E L

IV

Einzelne Szenen, Motive, Effekte In diesem Kapitel sollen einige speziellere Übereinstimmungen aufgeführt werden, die sich nicht unter einen der bisher erörterten allgemeineren Aspekte einordnen lassen oder ein allgemeines Prinzip in besonderer Prägung zeigen. Eine der Lieblingsbeschäftigungen der in den Restaurationskomödien geschilderten Gesellschaft ist das Lästern: " . . . all wits rail," sagt Dapperwit, allerdings mit einer für einen "would-be wit" typischen Übertreibung, die aber dennoch für die Mehrzahl der Charaktere der Wahrheit sehr nahekommt (Wycherley, Love . . . W. II 1, p. 40). Captain Fireball kann es nicht begreifen, wie gelassen sein Bruder die Mitteilung aufnimmt, daß man sehr schlecht über ihn und seine Frau gesprochen habe: " . . . if they abused me, they are my friends . . m e i n t Colonel Standard (Farquhar, Sir H. W. I 1 - Dramatic Works, vol. I, p. 244). Congreve verlegt in seinem ersten Stüde, Old B., eine Lästerszene hinter die Bühne und läßt Belinda ganz erfrischt sagen: "Nay, we have spared nobody, I swear. Mr. Sharper, you're a pure man; where did you get this excellent talent of railing?" (IV 5, p. 65). Im D.-D. führen die Froths und Mr. Brisk eine Lästerszene auf der Bühne vor (III 3, pp. 147-48). Jeder der Lästerer trägt darin seinen Teil zu dem Konzert bei, man ergänzt und übertrumpft sich gegenseitig. Dieselbe dialogische Form liegt auch der entsprechenden Szene in Wytherleys PI. D. zugrunde (II 1, p. 400-04), nur daß Olivia durch ihre Mundfertigkeit Novel immer wieder um sein gutes Recht betrügt. Mrs. Tricksy und Woodall lästern gemeinsam über Mrs. Brainsick in Drydens "Limberham" (II 2 - Works ed. Scott, vol. VI, p. 41). In demselben Stück gibt Mrs. Pleasance eine Art Lästersolo (III 1, pp. 52-53), allerdings über Anwesende, die sie mit scharfer Zunge bloßstellt. Dapperwit lästert allein über Abwesende (Love . . . W. II 2, pp. 21-22), in gemilderter Form tut das auch Medley in Ethereges M. of M. (II 1, 108 ff.). - Ben Jonson hat schon beide Variationen in seinen Dramen. Carlo Bvffone in E. M. O. lästert stets allein. Dagegen sind die Hofdamen in C. R. (IV 1) gemeinsam um die kritische Betrachtung ihrer Verehrer bemüht, ebenso geben dort Cvpid und Mercvry zusammen die satirischen Charakterporträts der Vorbeikommenden (II 1-4), und schließlich machen sidi Fvlvia und ihre Zofe in Cat. untereinander über Sempronia lustig (III, 1-85). 8 1 Der betrogene Ehemann ist eine häufige Figur in der Restaurationskomödie. Ein besonderer mit dieser Gestalt verbundener Effekt ist, daß der Hahnrei selbst dem Rivalen die Frau oder Braut zuführt. So bringt Pinchwife in 73

Wycherleys C. W. seine Frau zu Horner, weil er sie für seine Schwester Alithea hält (V 1-2). Sir Patient Fancy in Aphra Behns gleichnamiger Komödie unterstützt den Rivalen nach Kräften, da er Fainlove für einen Anbeter seiner Tochter hält, während dessen beschwörende Reden an Lady Fancy direkt und nicht etwa als Vermittlerin gerichtet sind (IV 2 - Plays, vol. IV, p. 69; vorher hat Sir Patient sogar einen Brief gebracht, den sie an Fainlove geschrieben, aber geistesgegenwärtig mit dem Namen der Stieftochter unterzeichnet hatte p. 68). Shadwell benutzt das Motiv in "Epsom-Wells": Einmal lädt Bisket ("citizen" und Pantoffelheld) auf Befehl seiner Frau deren Liebhaber Rains ein, mit ihr "Cribach" zu spielen (I 6 - Works ed. Summers, vol. II, p. 118), dann stellen Bisket und Fribble ihren „Freunden" Cuff und Kick ihre Frauen vor und preisen sie sogar an wie zu versteigernde Sklavinnen (III 1, pp. 145-46), was natürlich nicht ohne Folgen (V 1, pp. 175-76) bleibt. Für dieses Motiv gibt es schon gewisse Parallelen bei Jonson. In Volp. bringt Corvino, von der Aussidit auf die Erbschaft geblendet, Celia zu Volpone (II 6/7, I I I 7). Fitz-dottrell in D. is A. erlaubt Wittipol gegen Überlassung eines kostbaren Mantels, eine Viertelstunde in seiner Gegenwart zu seiner Frau zu sprechen (I 6),82 und schließlich übergibt er sogar dem als vornehme Dame verkleideten Nebenbuhler die eigene Frau (IV 4, besonders Z. 252 f.). Ein wesentlicher Unterschied zu den entsprechenden Beispielen der Restaurationszeit besteht allerdings: Bei Ben Jonson wird der erfolgreiche Betrug nicht im Sinne Horners und seiner Zeitgenossen ausgenutzt (s. o., Kap. II, S. 48). Es liegt auf der Hand, daß die Ahnungslosigkeit des Hahnreis sich besonders eignet, mit dem Effekt dramatischer Ironie verbunden zu werden; einige Beispiele wurden deshalb schon im vorigen Kapitel erwähnt (s. S. 65). Auch Secvrity in "Eastward Hoe" gehört in diesen Zusammenhang: Zwar führt er nicht selbst dem Rivalen die Frau zu, aber er trägt eifrig dazu bei, die Entführung gelingen zu lassen, da er Bramble für das Opfer hält (III 2/).M Die Kosmetik wird gelegentlich zum Objekt spöttischer Darstellung in szenischer Form oder auch (häufiger) in bissigen Kommentaren. So wird Lady Wishfort bei ihrer Toilette gezeigt (Congreve, W. of W. I I I 1). Auch Lady Galliard kleidet sich an und schmückt sich auf der Bühne, doch steht dies nicht im Mittelpunkt der Szene (Behn, The City Heiress II 2 - Plays, vol. II, p. 200-02). Harriet spricht boshaft über Lady Dapper (Etherege, M. of M. I I I 1, 16-18). Sir Samuel preist, als Frau verkleidet, allerlei Kosmetika an (Shadwell, The Virtuoso I I I - Works ed. Summers, vol. III, p. 146). Bei Ben Jonson geben Trve-wit und Clerimont eine Beschreibung der diesbezüglichen Vorgänge und eine Diskussion über das Sdiminken (S. W. I 1), praktische Vorführung und sachkundige Gespräche sind vereint in Sej. (II, 59-138) und Cat. (II, 1-215). M Doch bleibt auch die männliche Eitelkeit nicht verschont. Ein ganzer Schwärm von Händlern und Bedienten bemüht sich um die Ausstaffierung des "Beau" in den Ankleideszenen und verwandten Episoden. Lord Foppington in Vanbrughs Rel. ist von allerlei dienstbereiten Händlern umgeben (I 3, 18-160). Lucinda hat einen Traum über ihren zukünftigen Verehrer Mockmode gehabt 74

( " H e appeared crowded about with a dancing-master, pushing-master, musicmaster, a n d all the throng of beau-makers . . . " , Farquhar, L . . Bottle I I Dramatic Works, vol. I, p. 12), der sich zumindest teilweise erfüllt (II 2, pp. 33 f f . erscheint Mockmode mit Tanz- und Fechtlehrer). Audi Benjamin Wouldbes Hofhaltung beim Ankleiden ("Frisure attending . . . a levee of Gentlemen, in waiting"; Farquhar, The Twin-Rivals, Bühnenanweisung III 1 - vol. II, p. 49) ist vielleicht hierher zu rechnen. Die großartigen Vorbereitungen des Marquis zum Duell (Sir H . W. V 5 - vol. I, p. 311) und seine Rüdtverwandlung vom Duellanten im Feditkostüm zum gewöhnlichen " f o p " (ib. p. 313) dürften als Variante dieses Motivs aufzufassen sein. Ben Jonson bringt mehrfach derartige Szenen: Peni-boy junior in S. N . (I 1/2, besonders I 2, 129-44), Mercvry und Amorphvs in C. R. (die Vorbereitungen f ü r den Wettkampf im höfisch-galanten Zeremoniell, V 4, 291-422) und Fvngoso in E. M. O. (IV 7 wird er mit "Taylor", "Shoo-Maker" und "Haberdasher" gezeigt) sind Beispiele. Mit den Affektationen und Prätentionen der "fops" und ähnlicher Figuren sind noch weitere komische Motive verbunden. Zu diesen gehört die Selbstdarstellung des Gecken, der, naiv in Bewunderung seiner selbst verloren, mimisch „die Federn spreizt". Dieses Sich-Spreizen in Form eines mimischen Solos gezierter Gesten und dergl. bezieht seine komische Wirkung auf den Zuschauer vor allem aus der törichten Selbstgefälligkeit, mit der der Geck seine „Nummer" äußerlicher Verhaltensweisen im Zirkus der Gesellschaft vorf ü h r t oder die er bei der „Einstudierung" an den Tag legt. So wird z. B. gezeigt, wie der Geck (besonders um auf eine Dame Eindruck zu machen) umhertänzelt, wie er trällert und singt. Sir Fopling Flutter führt seine Talente vor in Ethereges M. of M. (IV 1/2), Brisk will auf diese Art Lady Froth bezaubern (Congreve, D.-D. IV 2, besonders pp. 158-59). Sir Timothy Treat-all sucht Diana zu erobern unter ständigem "bowing and smirking" (Behn, The City Heiress I I I 1 - Plays, vol. II, pp. 209-11 - Bühnenanweisung pp. 209-10). Brisk in Shadwells "The Humorists" tänzelt und singt mit Vorliebe, allerdings audi wenn keine Damen anwesend sind, sondern nur seine Mitnarren (z. B. III - Works ed. Summers, vol. I, pp. 217-18; IV, p. 232; I I I , p. 221, kämmt er summend seine Perücke). Sir Samuel H e a r t y in "The Virtuoso" weiß sich in seiner Verkleidung als Bedienter nicht anders zu helfen, als daß er nach Geckenart ein Lied singt, um die boshafte Angebetete auf seinen GentlemanStatus aufmerksam zu machen (II - vol. I I I , p. 121). Sir Positive trägt seine neue Komposition vor, wozu N i n n y - falsch - taktiert und Woodcock tanzt (The Sullen Lovers I - vol. I, pp. 25-26); N i n n y und Woodcock wollen Emilia betören und produzieren sich gleichzeitig rezitierend und singend (IV, pp. 65-66, 68). In "The Virtuoso" besdireibt Bruce f ü r Clarinda, wie sich ein " f o p " beim Hofieren verhält: " . . . with his full plumes, strutting and rustling about his Mistress, like a Turky-cock, baiting her with brisk aiery motion, and fashionable nonsence, thinking to carry her by dint of Periwig and Garniture, or by chanting some pretty foolish sonnet . . . " ( I l l , p. 134). 75

Woodly in "Epsom-Wells" macht Carolina die moderne Art des Hofierens vor, "the gay, brisk way of this present day and hour": "Sings, dances and combs his Peruque." (II 1 - vol. II, p. 123). Ähnlich imitieren und parodieren Harriet und Young Bellair die modisdie Art des Flirts, um die Eltern zu täuschen (Etherege, M. of M. III 1, 147-81). Young Mirabel instruiert Duretete über die beste Methode der Eroberung: " . . . t u r n you about upon your heel with a jaunty air; hum out the end of an old song; cut a cross caper, and at her again." Duretete macht es nach, aber es gelingt nicht redit (Farquhar, The Inconstant I 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 342 - dies Motiv ist nicht in Fletchers "Wild-Goose Chase" enthalten). - Audi bei Jonson finden wir verschiedene Varianten dieses Motivs. So präpariert Macilente in E. M. O. Sogliardo für seinen Besuch bei der Hofdame Saviolina und beschreibt ihm die höfische Form der Galanterie (V 1, besonders Z. 51-60). Briske zieht zwischen seinen Komplimenten nicht nur an der Pfeife, sondern begleitet sich schließlich auf der "violl" (E. M. O. III 9). Asotvs in C. R. (III 5) wird mit Amorphvs bei der Probe einer Liebesszene gezeigt, ähnlich wie Duretete in "The Inconstant". Andere Szenen, in denen eine komische Figur bei der Einstudierung gezeigt wird, kommen in E. M. I. vor: Bobadill übt sich vor einem Pfosten im Fechten (IV 7, 12 ff.), Stephen übt seine Redensarten vor einem Pfahl (III 5, 140 ff.). Pvntarvolo, Briske und Bvffone beobachten Shift: "See now he is expostulating with his rapier! looke, looke. Carl[o], Did you euer, in your daies, obserue better passion ouer a hilt?" (E. M. O. I l l 6,5-8). Ähnlich macht der Marquis „Lockerungsübungen" vor dem Duell (". . . flourishes about the stage" - Farquhar, Sir H. W. V 5 - Dramatic Works, vol. I, p. 311). Melantha als weibliche Variante des "fop" übt vor dem Spiegel neue Posen (Dryden, Marriage a-la-Mode III 1 - Works ed. Scott, vol. IV, pp. 286-87). Sir Fopling beklagt sich, daß Dorimant keinen Spiegel im Zimmer habe: "In a Glass a man may entertain himself - . . . Correct the Errours of his motions and his dress . . (Etherege, M. of M. IV 2, 89-92). Auch von Briske wird in seinem Charakterporträt im Personenverzeichnis gesagt: "[He] practiseth by his glasse how to salute" (E. M. O., Herford/Simpson III, p. 424, Z. 37 f.), allerdings kommt eine entsprechende Szene im Text nicht vor.85 Es gehört zu den Eigenarten der um gesellschaftliche Anerkennung bemühten Gecken, mit ihren zahlreichen Eroberungen zu prahlen, während ihr wirkliches Prestige bei den Damen durchaus nicht so groß ist. Marston beschreibt diesen Typus in seiner dritten Satire im Anhang zu "The Metamorphosis of Pygmalion's Image": "When as thou hear'st me ask spruce Duceus From whence he comes; and he straight answers us, From Lady Lilla; and is going straight To the Countess of ( - ) , for she doth wait His coming, and will surely send her coach, Unless he make the speedier approach . . . " - ; 76

aber die Wahrheit sieht anders aus: "He never durst unto these ladies show His pippin face . . . " (11. 75-85; Works ed. Bullen, vol. I l l , p. 279 - Hinweis auf diese Stelle im Kommentar zu E. M. O. II 6, 19-23, Herford/Simpson IX, p. 442). Fastidiovs Briske zählt stolz seine Affären auf (E. M. O. II 6, 19-23), und Amorphvs spricht von den Damen, die auf seinen Reisen an ihrer Liebe zu ihm gestorben sind (C. R. IV 3, 274-88). Für die Restaurationskcmödie liefert natürlich Tattle, "a half-witted Beau, vain of his amours" (Congreve, L. f. L., Dramatis Personae, p. 198) immer wieder Beispiele, aber auch Captain Bluffe beruft sich auf seine amourösen Erfolge (Congreve, Old B. V 2, p. 81). Ähnlich prahlt Farquhars Captain Brazen mit seiner Unwiderstehlichkeit (Reer. O. III 2 Dramatic Works, vol. II, p. 170). Shadwell führt in "The Humorists" gleich drei Gecken vor, die sich häufiger ihrer Erfolge rühmen: Crazys "Humour" ist seine große Anziehungskraft, aber zu konkreten Szenen der „Selbstberühmung" führt dieser Zug vor allem bei Brisk (z. B. III - Works ed. Summers, vol. I, p. 221: " . . . two Ladies fell in love with me one day at the King's Play-house, and are in desperate condition at this very time, for this Perywig . . . " ; ähnlich p. 223), und Drybob singt im Wettstreit mit Brisk (der bei dieser Gelegenheit audi noch einmal dick aufträgt) sein eigenes Loblied ("Is any man in Europe more notorious among Ladies . . . than Drybob?" - V, p. 243). Eine weibliche Abart tritt in "Epsom-Wells" auf: "Mrs. Jilt, A silly, affected Whore, that . . . is always boasting of Love-Letters and mens favours . . . " (Dramatis Personae - Works ed. Summers, vol. II, p. 101); auch Mrs. Friske und Mrs. Striker in "The Humorists" zeigen einmal diesen Zug, als sie sich gegenseitig in der Prahlerei mit ihren Eroberungen übertrumpfen (III, pp. 225-26). Da es sich hier nicht nur um ein in einzelnen Szenen auftretendes Motiv handelt, sondern schon um einen Personentypus, wird im nächsten Kapitel noch einmal darauf zurückzukommen sein (s. „Angeber"). Wenn einer der Toren an einem Duell beteiligt ist, ergeben sich weitere Möglichkeiten für komische Effekte. Meistens kommt es nicht zum Kampf, weil die "fops" recht vorsichtig sind: Sir Nicholas Cully bezahlt doch lieber seine Spielschulden, als es ernst wird (Com. R. III 5), ebenso rutscht Daw und La Foole das Herz in die Hosen (S. W. IV 5, - Herford/Simpson führen in ihrer Einleitung dieses Szene auf das Duell Viola - Aguedieek in Shakespeares "Twelfth Night", II 4, zurück: vol. II, p. 73), und Sir Diaphonous Silkworm vermeidet den Kampf durch theoretische Erörterungen über Formen der Tapferkeit (M. L. III 6). - Crazy und Drybob versuchen erst, einander mit Drohreden Angst zu machen, dann erfolgt ein komisches Duell mit recht wechselvollem Verlauf (Shadwell, The Humorists III - Works ed. Summers, vol. I, pp. 215-17). Nicoll (41955, p. 257) weist noch auf das Duell zwischen Anthony und Cudden in Orrerys "Mr. Anthony" (III 1) hin. Das Duell zwischen Lord Foppington und Loveless (Vanbrugh, Rel. II 1), das mit einer kleinen Verletzung endet, die aber mit großem Aufwand beachtet wird, erinnert an 77

Briskes Beridit in E. M. O. (IV 6,66-122) über sein Duell, in dem erst Blut fließt, als er sich mit einem Sporn versehentlidi die Wade ankratzt.86 Das Duell dient dazu, die Feigheit einer komischen Gestalt bloßzustellen. Dasselbe wird dadurch erreicht, daß renommierende Gecken in aller Öffentlichkeit Prügel einstecken. So geht es schon Bobadill mit dem derben Landjunker Downe-right (E. M. I. IV 7, 129 ff.), ebenso muß sich sein Nachfahr Captain Bluffe samt seinem Gönner Sir Joseph Wittol von Sharper schlagen lassen (Congreve, Old B. I I I 3, p. 44), und Gerrard zwingt Monsieur zu komischen Sprüngen (Wycherley, G. D.-M. V 1, pp. 220-21). Burr tritt seinen falschen Freund Failer mit Füßen, worauf Constance zu diesem bemerkt: "You bore it with a most heroic patience." (Dryden, The Wild Gallant I I Works ed. Scott, vol. II, p. 51). Hüffe wird von Stanford getreten, worauf er sich würdevoll-gekränkt zurückzieht (Shadwell, The Sullen Lovers I I I Works ed. Summers, vol. I, p. 48); etwas später spielt er vor dem Mittoren Woodcock den Erzürnten und macht für den Zusdiauer seine klägliche Rolle noch deutlicher: " . . . if he had pleased he might have dealt with me at another rate, as I hope to live I had a fighting Sword by my side near six foot long at that very time, and he to kick a Man." ( I l l , p. 55). Brisk erzählt unter triumphierendem Gelächter, wie er einen "gallant" so sehr gereizt habe, daß dieser ihn "Son of a Whore" nannte und schließlich mit Fußtritten traktierte (The Humorists I I I - vol. I, p. 217). In Farquhars Const. C. werden gleich zwei Personen verprügelt: Clincher Senior, der "Beau", durch Colonel Standard (III 5 - Dramatic Works, vol. I, p. 183) und Alderman Smuggler, der "citizen", durch Wildair (II 5, pp. 166-67). Die Demaskierung eines Feiglings wird auch gezeigt durch seine plötzliche Wandlung von herausfordernder Kühnheit zu kleinlautem Nachgeben, wenn seine Drohungen in demselben Ton beantwortet werden. Hier entsteht ein besonderer Antiklimax-Effekt (s. o., Kap. I I I ) : Die große Herausforderungsgeste endet mit einer lahmen Entschuldigung. Stephens Streitlust in E. M. I. begünstigt solche Wirkungen; am deutlichsten wird das Motiv in I 3, wo der junge Kno'well Stephens „Zorn" erregt durch sein Lachen (bescnders Z. 79-90 - dies Motiv fehlt in der Quarto). Tvcca im "Poetaster" wird plötzlich bescheiden, als ihn der Lictor nach seiner Drohung zu Fall bringt: "Lict. What will you doe, sir? Tvcc. Kisse thy hand . . ." (III 4, 15-20 - Zitat Z. 18 f.). Der streitsüchtige Kastrill in Aich, wird auf einmal höflich, als ihm Love-Wit entsprechend anwortet (V 5, 129-38). 87 - In "The Sullen Lovers" von Shadwell riskiert es Woodcock einmal, Sir Positive At-all zu widersprechen, zieht dann aber seine Herausforderung gleich wieder zurück (IV - Works ed. Summers, vol. I, p. 72). Drybob in "The Humorists" vergißt seine „witzige" Spottlust, als ihn Crazy um Aufklärung über eine Pointe ersucht (II - ib., p. 214). Zwischen Alderman Smuggler und dem entlassenen Offizier Standard entspinnt sich folgender Dialog: 78

"Sir, you .re Stand. Wlat, sir? Smttg. Sir,I say that you are Stand. Wlat, sir? Smug. Dioanded, sir that's all." (Farquhar, Const. C. I 1 - Dramatic Works, vo. I, p. 132). Streitszenen ils komischer Effekt sind bei Ben Jonson und in der Restaurationskomödie zu finden. Aich, beginnt gleich mit dem großen Krach zwischen Svbtle und Fae, den Dol zu Ende bringt (I 1). Das allmähliche Anwachsen der Erregung hs zum heftigen Wortgefecht wird gezeigt im Streit Vrslas mit Qvarlovs und Vin-wife (B. F. II 5) und in der Szene zwischen Carlo Bvffone und Pvntarvoli (E. M. O. V 6). Auch Lucy und Setter in Congreves Old B. steigern sich zu immer heftigeren Attacken gegeneinander ( I I I 2, p. 40), und Don Diego in Wycherleys G. D.-M. läßt sich mehrfach zu Wortwechseln reizen (mit seinr Schwester über den vermeintlichen Tanzlehrer, I I 2,pp. 164-66 und I I I 1, p. 1:7; mit Monsieur über spanische und französische Hosen, I I I 1, pp. 178-82). Dybob und Crazy beschimpfen sich vor ihrem Duell (Shadwell, The Humoristsiii - Works ed. Summers, vol. I, pp. 2 1 5 - 1 6 - s. o.). In Farquhars L . . . Bittle fallen heftige Ausdrücke zwischen Rigadoon und Nimblewrist ( I I 2 — Damatic Works, vol. I, pp. 3 8 - 4 0 ) ; Oriana und Mirabel drohen einander das Salimmste an für die gemeinsame Ehe (The Inconstant II 1 - ib., pp. 3 5 5 - 5 6 ) ; Airelia und Captain Trueman steigern sich in die höchste Erregung (The Tvin-Rivals III 3 - vol. II, pp. 68-69), ebenso Melinda und Silvia in Reer. O. (I 2 - ib., pp. 137-38). Einen besondren Effekt, der mit den Streitszenen z. T. verbunden ist, stellen die kräftigen Schimpfkanonaden dar. Bei Jonson sind es besonders Personen niederen kandes, die ihr Herz auf diese Weise erleichtern, z. B. Vrsla in B. F. ( I I 5, besonders Z. 120-37 gegen Qvarlovs und Win-wife) und die Figuren des Alh. (Svbtle-Face am Anfang, Dol und Svbtle gegen Face und der Chorus de Betrogenen V 5, in den sich aber auch Epicvre Mammon mischt). Das Rötaurationslustspiel bezieht noch eine weitere Wirkung daraus, daß diese Seriei derber Ausdrücke Mitgliedern der Gesellschaft, insbesondere den Damen, in den Mund gelegt werden. Lady Wishfort in W. of W. (z. B. I I I 1, V 1) ist :in Musterbeispiel: "boudoir Billingsgate", "raey eloquence of the elevated fihwife" sind die Ausdrücke, mit denen Meredith ihren Stil kennzeichnet (In Essay on Comedy and the Uses of the Comic Spirit, 3rd Edition, Westmnster, 1903, p. 39). Daß diese unbekümmerte Redeweise für die Damen der Retaurationsgesellschaft nicht gerade ungewöhnlich war, erhellt aus der bereits oben angeführten Anekdote über Wycherleys Bekanntschaft mit der Herzo;in von Cleveland (s. Ende Kap. I). Auch Lady Squeamish (WyAerley, C . W . I V 3, p. 324), die Witwe Blackacre (PI. D. I I 1 gegen ihre beiden Beverber, I I I 1 gegen einen ihrer Rechtsbeistände) und Sir Paul und Lady Plyait (Congreve, D.-D. II 1 gegen Mellefont) gehören zur besseren Gesellschat. In Drydens "Sir Martin Mar-all" beschimpft der Diener den Herrn wegen sener Dummheit ( I V 1 - Works ed. Scott, vol. I I I , p. 52), der 79

Herr den Diener wegen seiner Frechheit (ib. p. 63 - in Molares "L'Etourdi" sdiilt nur der Herr). Komisch wirkt das Leiden der Charaktere, die einem unaufhaltsamen Redestrom ausgesetzt sind, aber zugleidi ist diese Geschwätzigkeit selbst ein komischer Effekt. La Foole ringt nadi Atem (wie Clerimont boshaft bemerkt), als er seine Rede beendet hat (S. W. I 4, besonders Z. 70). Volpone wird gemartert durch Lady Wovld-bee, "My Madam, with the euerlasting voyce" (III 5, 4 - Redestrom I I I 4). 88 Mrs. Polishs Wortschwall ist nicht aufzuhalten (M. L. I 5). Ebenso läßt sich Lady Plyant ungern unterbrechen (Congreve, D.-D. II 1, pp. 127-28 und III 2, pp. 140-41), auch Lady Arabellas unglücklicher Mann, Lord Loverule, hat unter ihrer Zungenfertigkeit zu leiden (Vanbrugh, A Journey to London II 1 - vol. II, pp. 338-39), und Melantha ist so unerbittlich gegen Palamede (Dryden, Marriage a-la-Mode II 1 - Works ed. Scott, vol. IV, pp. 263-64, ähnlidi gegen Doralice und Palamede pp. 268-69) wie Olivia gegen Novel (Wydierley, PI. D. II 1, pp. 401-03). Sir Positive At-all wird durch Lovell und Carolina zu einem ungestümen Sprechtempo angestachelt, weil er zu allen ihren immer schneller aufeinanderfolgenden Themen etwas verkünden will (Shadwell, The Süllen Lovers IV - Works ed. Summers, vol. I, p. 74), Brisk läßt Drybob nicht zu Wort kommen (The Humorists III - ib., p. 224). Don Alonzo de Ribera hört nur die eigene Stimme gern (Dryden, An Evening's Love IV 2, pp. 311-12 und III 1, pp. 280-81 - Works ed. Scott, vol. III). Mrs. Pleasance in Drydens "Limberham" (III 1 - vol. VI, pp. 52-53) spricht zwar nicht so viel, aber die Schärfe benimmt den anderen doch den Atem, der ihnen sonst wegen der Quantität der Worte vergeht. Clincher (Senior) in Farquhars Sir H. W. redet viel durcheinander (III 1 Dramatic Works, vol. I, p. 279). Duretete (Farquhar, The Inconstant I i 2 ib., p. 360) und Wilding (Behn, The City Heiress II 1 - Plays, vol. II, p. 189) lassen die Vorwürfe Bisarres bzw. Mrs. Clackets ruhig über sich ergehen, so daß der komische Effekt der Frustration des Opfers, das entrinnen oder selbst zu Wort kommen möchte, hier fehlt.89 Übergroße Höflichkeit wirkt komisch, wenn sie zum Selbstzweck wird und über dem Austausch von Komplimenten die Handlung, die diese einleiten sollten, nicht zur Ausführung kommt. So gibt es eine Verzögerung durch wechselseitige Komplimente in Vanbrughs Pr. W., als Lady Brüte Lady Fanciful zur Tür begleitet (III 1, 350-363), und in Wycherleys PI. D., wo allerdings nicht Manly, sondern nur Plausible überhöflich ist (I 1, pp. 377-78). Mockmode und Lyric komplimentieren sich an der Tür, bis durch ein Mißverständnis ein Streit entsteht (Farquhar, L . . . Bottie I I I 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 66). Vielleicht gehört in diesen Zusammenhang die Szene in Farquhars "The Inconstant", in der sich Lamorce, als feine Dame verkleideter Lockvogel einer Diebsbande, von Mirabel längere Zeit nötigen läßt, doch seine Kutsche zu benutzen ("He seems to press, she to decline it, in dumb show." - Bühnenanweisung V 1 - ib., p. 403). In Aphra Behns "Sir Patient Fancy" können sidi der als Arzt verkleidete Sir Credulous Easy und seine echten Kollegen aus Höflichkeit nicht einigen, wer zuerst Platz nehmen solle, und das umständliche 80

Getue wiederholt sich gleich darauf zwischen zwei anderen Ärzten und dem Patienten (V 1 - Plays, vol. IV, p. 89). In "The City Heiress" bedankt sich Mrs. Closet so lange für das empfangene Bestechungsgeld, daß Wilding seinen Zweck, mit Lady Galliard alleingelassen zu werden, bedroht sieht (IV 1 vol. II, p. 227). Ebenso wird Stanford durch Huffes umständliche Danksagungen geplagt (Shadwell, The Süllen Lovers II - Works ed. Summers, vol. I, p. 34), und im vierten Akt (pp. 62-63) entschuldigt sich Sir Positive At-all wiederholt, weil er Emilia und Stanford verlassen muß. Zwischen Theodosia und den Damen Friske und Striker, die mit ihr sprechen wollen, entwickelt sich bei der Begrüßung eine Art Wettbewerb in Komplimenten (Shadwell, The Humorists V - ib., p. 247). - In Ben Jonsons "The Case is Alterd" üben sich Finio und Pacue, denen sich Onion begeistert zugesellt, in allerlei Begrüßungszeremonien (IV 3, besonders Z. 56 bis Ende). Vor allem ist dieses komische Motiv in dem höfischen Galanteriewettkampf zwischen Mercvry und Amorphvs dargestellt: Beim letzten Gang will jeder dem andern unter vielen Komplimenten den Vortritt lassen (C. R. V 4, 489-501). M Svbtles Konsultationen in Jonsons Aldi, mögen in den Sprechstunden ähnlicher Betrüger in Drydens "An Evening's Love" (III 1, pp. 271-79; IV 2, pp. 303-7 - Works ed. Scott, vol. I I I ) und Farquhars Reer. O. (Kite, IV 3) Nachahmung gefunden haben. Die Eitelkeit des Sängers, der sich erst lange nötigen läßt, aber in Wirklichkeit darauf brennt, sein Werk vorzutragen, wird von Ben Jonson im "Poetaster" lächerlich gemacht (Hermogenes, II 2, 108-200). Ebenso zieren sich Brainsick in Drydens "Limberham" (III 1 - Works ed. Scott, vol. VI, p. 60) und Sir Fopling Flutter in Ethereges M. of M. (IV 2, 125-44). Eine besondere Übereinstimmung besteht zwischen E. M. O. und "The Wild Gallant" von Dryden: Carlo Bvffones absurdes Selbstgespräch und „Trinksolo" (E. M. O. V 4, 42 bis Ende) findet eine Entsprechung in Justice Trice' Verhalten, der erst mit sich selbst trinkt, spielt und streitet und schließlich den Tisch umwirft (The Wild Gallant I 3 - Works ed. Scott, vol. II, pp. 37-38) und später mit sich selbst Karten spielt (IV 1, pp. 71-72). Ein ernstes Motiv ist die plötzliche Bekehrung des Lebemannes, die als Bestandteil einer besonderen Grundsituation bereits erwähnt wurde (s. o., Kap. II). Ben Jonson führt dieses Motiv in der Komödie vor, und zwar in der Bekehrungsszene in D. is A. (Wittipol und Mrs. Fitz-dottrell, IV 6). Solche Szenen erscheinen dann natürlich wieder gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als die sentimentale Mode sich durchzusetzen beginnt gegen den Zynismus der hohen Restaurationszeit. Wir finden das Motiv um die Jahrhundertwende vor allem in der sich entwickelnden "sentimental comedy" bei Cibber und Steele, aber auch die späten Vertreter des Sittenlustspiels, Farquhar und Vanbrugh, scheinen angesteckt: Farquhar läßt Richmore durch Trueman zur Anständigkeit gegen Clelia bekehrt werden (The Twin-Rivals V 3 - Dramatic Works, vol. II, p. 104), in Vanbrughs Rel. bekehrt sich Worthy durch Amandas Tugend (V 4, Z. 173 bis Ende). Es scheint allerdings fraglich, ob man für solche Szenen eine Beziehung zu Ben Jonson annehmen kann. 91 81

K A P I T E L

V

Der Personenbestand Eine der auffallendsten Eigenschaften des Personenbestandes der Restaurationskomödie, auch speziell der "comedy of manners", ist seine Konventionalität: Immer wieder erscheinen Variationen derselben Grundtypen (s. o., Ende Kap. II). Für diese Stereotypie gibt es sicherlich bestimmte Gründe. Einen hat Hazlitt genannt, indem er auf die besondere Beschaffenheit der geschilderten Gesellschaft hinweist und die in ihr stark hervortretende Tendenz zu Affektation und Imitation betont ( - die "fops" usw. sind ja durch diese Tendenz bestimmt): "The genteel comedy exists only in towns, and crowds of borrowed characters, who copy others as the satirist copies them . . ." (Lectures on the English Comic Writers, Lecture I I : On Shakspeare and Ben Jonson - The Complete Works of William Hazlitt in Twenty-One Volumes, Centenary Edition, ed. P. P. Howe, London, 1931, vol. VI, p. 36). Zusätzlich zu dieser besonderen Tendenz wird überhaupt die Beschränkung auf e i n Milieu ihre Wirkung gehabt haben: Zur Darstellung kommt allein die Lebensform der "Town", d. h. des Kreises der z. T. mehr oder weniger locker mit dem H o f e verbundenen aristokratischen Müßiggänger und ihrer Anhänger, dem sowohl Autoren als audi Publikum angehören. Ein weiterer Grund dürfte zu suchen sein in der Neigung der Schauspieler, sich auf bestimmte Typen zu spezialisieren: ". . . The majority took up one line, and aided thus in establishing those 'stock' characters which appear in comedy after comedy, in tragedy after tragedy during those forty years." (Nicoll 4 1955, p. 65) Aber nicht nur die Bühnenpraxis, sondern auch theoretische Anschauungen fördern die Tendenz zur Typisierung. Es wurde schon bei der Erörterung des "Humour"-Begriffs auf die Notwendigkeit des repräsentativen Charakters hingewiesen, die sich aus Ben Jonsons satirischer Absicht ergibt, aber auch f ü r die Restaurationskomöde gilt (s. o., S. 55). Shadwell ist in vielem sidier nicht als Kronzeuge f ü r die "comedy of manners" geeignet, aber er spricht in der Vorrede zu "The Humorists" einen wohl f ü r die ganze Restaurationskomödie charakteristischen Kunstwillen aus, wenn er sagt, daß die Darstellung gewisser Narrheiten und Schwächen in komischen Gestalten nicht auf bestimmte Individuen gemünzt sei: ". . . [it] does not reflect upon any particular man, but upon very many of the same kind . . ." (Works ed. Summers, vol. I, p. 186). D a ß im Rahmen solcher typischen Zeichnung allerdings immer noch Gelegenheit bleibt f ü r persönliche Satire, versteht sich von selbst, aber das hebt ja den grundsätzlichen Willen zur Typisierung nicht auf. Schließlich ist nicht zu vergessen, daß der Begriff des "Decorum" im strengeren Sinne ja dem Dichter 82

ebenfalls die Schaffung bestimmter Typen mit feststehenden Charakterzügen vorschreibt. Auch diese Kunstanschauung, von den Renaissancekritikern auf Grund gewisser Stellen bei Aristoteles und Horaz ausgebaut und zum ästhetischen Gesetz erhoben (s. darüber Spingarn, Ren., pp. 85-88), mag auf die Restaurationszeit nachgewirkt haben. Es sind also verschiedene Ursachen zusammengetroffen, die den Gebrauch bestimmter ständig wiederkehrender Typencharaktere begünstigen, für die vielfach Ben Jonson schon Vorbilder liefert. Hazlitt teilt die Gesellschaft der Restaurationskomödie in drei Stufen ein, die sich durch ihren verschieden hohen Anteil an "wit" und Eleganz der Sitten unterscheiden: . . the union of the three gradations of artificial elegance and courtly accomplishments92 in one class, of the affectation of them in another, and of absolute rusticity in a third, forms the highest point of perfection of the comedies of this period . . ." (Lectures . . ., a.a.O., p. 37). Am vielfältigsten sind die Übereinstimmungen zwischen Jonson und der Restaurationskomödie bei den m ä n n l i c h e n Charakteren. Diese sollen daher zuerst betrachtet werden, und zwar erscheint es zweckmäßig, die von Hazlitt genannten drei Schichten (Vollendung von "wit" und Eleganz Affektation - "rusticity") als „Großgruppen" voranzustellen. Diesen wären noch die "citizens" als ganz außerhalb der „Eleganzskala" stehende vierte Gruppe zuzugesellen. Dann erst wird auf speziellere Aspekte einzugehen sein. Die wichtigste Gruppe in der Restaurationskomödie, die eigentlichen Helden, sind die "wits", die gescheiten, sympathischen (bzw. sympathisch gemeinten) jungen Lebemänner der "Town", über deren Leben als Motto Bellmours Ausruf stehen könnte: "...wit, be my faculty, and pleasure my occupation..." (Congreve, Old B. I 1, p. 10). Die einzige Form des Broterwerbs, der man sich in diesen Kreisen hingibt, besteht darin, die Mittel für eine sorglose Lebensführung durch einen einzigen Coup zu beschaffen: Man sucht die drohende Enterbung abzuwenden (Davphine in S. W., Valentine in Congreves L. f. L.) oder befreit sich durch eine gute Partie von allen Sorgen, d. h. man sichert sich eine reiche Erbin (Dorimant/Harriet in Ethereges M. of M., Gerrard/Hippolita in Wycherleys G. D.-M., Win-wife/Grace in B. F., Edward Kno'well/Mrs. Bridget in E. M. I., Young Fashion/Miss Hoyden in Vanbrughs Rel.) oder eine gutgestellte Witwe (Ironside/Lady Loadstone in M. L., Qvarlovs/Dame Pvrecraft in B. F., Sir Frederick Frollick/Mrs. Rieh in Ethereges Com. R., auch Freeman/Widow Blackacre in Wycherleys PI. D.). (S. Kap. II, S. 49 f.). Da bei der letztgenannten Methode allerdings das finanzielle Interesse nidit im Vordergrund zu stehen braucht, ergibt sich schon ein Ubergang zu dem von Bellmour genannten Vergnügen. Den Inhalt dieses Vergnügens hat Farquhar im Titel seines ersten Stückes ausgesprochen: "Love and a Bottle"! Diesen Vergnügungen gibt man sich schon in sehr jungen Jahren mit wahrhaft erschöpfender Intensität hin. "Is it not better to let Life go out in a blaze than a snuff?" sagt Raines zu Bevil in Shadwells "Epsom-Wells" (I 1 - Works ed. Summers, vol. II, p. 109), und etwas später gesellt sich Woodly, der noch unter den Folgen einer alkoholischen Nacht leidet, zu den beiden: 83

"See how my hand shakes this Morning. Raines. O let me kiss that hand; he must be an illustrious Man whose hand shakes at 22. Wood . . . faith I take pains and live as fast as I can . . . Bev. Thou art in the right, and a Pox on them that live slowly, lazily, and soberly." (ib.). Was hier von Shadwell etwas überspitzt formuliert wird, ist im Grunde die Lebenshaltung aller Herren des Restaurationslustspiels, natürlich auch der Gecien. Allerdings wird das zweite Element des Vergnügens, die Flasche, für die szenische Darstellung in der "comedy of manners" weniger verwendet: Das Trinken und Betrunkensein auf der Bühne überläßt man den gröberen Typen, z. B. den Landjunkern. Dagegen wird das erotische Abenteuer zur Hauptbeschäftigung der Helden. Lovebys Ausspruch in Drydens Komödie "The Wild Gallant" läßt in etwas übersteigerter Form das große Lebensinteresse des Gentleman deutlich werden: "I swear not, I drink not, I curse not, I cheat not; they are unnecessary vices: I save so mudi out of these sins, and take it out in that one necessary vice of wenching." (IV 1 - Works ed. Scott, vol. II, p. 73). In dieser dominierenden Stellung des Sexuellen, die bei einigen der jungen Herren ganz offensichtlich Promiskuität zum Ideal und Lebensinhalt werden läßt (z. B. Horner in Wydierleys C. W., auch Bellmour in Congreves Old B. und Roebuck - der aber nur davon spricht - in Farquhars L . . . Bottie), unterscheidet sich die „comedy of manners" allerdings wesentlich von Jonsons Komödien: Zwar unterhalten sich auch Clerimont und Trve-wit in S. W. über die Salondamen, aber in der tatsächlichen Handlung haben sie anderes zu tun.83 Abgesehen von diesem Unterschied, sind die geistigen Qualitäten der jungen Gentlemen Benjonsons und der Restaurationsdramatiker einander sehr ähnlich. John Dennis gibt in seiner Verteidigung Ethereges gegen Steeles Attacke (Spectator 65) für einen "fine gentleman" die Definition: ". . . one who is qualify'd in Conversation, to please the best Company of either Sex . . ." (A Defence of Sir Fopling Flutter, a Comedy Written by Sir George Etheridge, 1722, in: The Critical Works of John Dennis, ed. E. N. Hooker, Baltimore, 1943, vol. II, p. 245). Zweifellos ist bei Jonson die für die "comedy of manners" charakteristische Form der Konversation mit ihren eleganten "repartees", den Wendungen ins Allgemeine, den Sentenzen noch nicht ausgebildet, doch sind zwanglose Gesprächszenen der Gentlemen schon vorhanden (S. W., besonders am Anfang). Vor allem aber haben Jonsons "wits" schon denselben mitleidlos sdiarfen Intellekt, der mit spöttischer, ja verachtungsvoller Überlegenheit die Affektationen und Narrheiten der komischen Figuren aufdeckt. Die "wits" selbst sind durchweg nicht Objekte der Komik, auch in der Restaurationskomödie nicht (wenn man von solchen Randfällen wie Rangers Verlegenheiten in Wycherleys Love . . . W. und Woodlys Hahnreistellung in Shadwells "Epsom-Wells" absieht). Vielmehr ist es gerade ihre Funktion, die Gecken und Narren bloßzustellen: "Edward Kno'well is left . . . not so mudi a Hu84

morist himself as one who contributes to procure the saving ridicule and exposure for the Humorists proper - a young University man of wit and culture about town, whose ironical sarcasm of various shades . . . is the principal instrument in the intellectual discomfiture of the gulls." (Herford/ Simpson I, p. 349, Einleitung zu E. M. I.). Mit diesen Worten ist nicht nur die Rolle der "wits" bei Jonson, sondern audi in der "comedy of manners" umschrieben. Es ist verständlich, daß die "wits" (bzw. einige von ihnen) in dieser Eigenschaft gewisse Züge des weiter unten zu betrachtenden „Lästermaul"Typus haben (s. auch Kap. I I I : „Kommentator"), aber Dapperwits bereits zitiertes "all wits rail" (s. o., S. 73) ist eine übertreibende Verallgemeinerung: Ranger und Vincent wenden sich gerade dagegen, daß Dapperwit den andern jeweils hinter seinem Rücken verlästert (Wycherley, Love . . . W. I 2). Der Spott der echten "wits" richtet sich gegen Dummheit und Affektation, nicht aber gegen ihresgleichen. Untereinander wahren sie durchaus eine gewisse Solidarität der Gleichgesinnten, bzw. sie werden überhaupt in Gruppen von Freunden auf die Bühne gestellt. Im Streben nach Freundschaft sieht J. H . Wilson einen wesentlichen Zug der "Court Wits", trotz all ihres Zynismus: ". . . they put their faith in each other, and agreed that 'if there bee a reall good upon earth, 'tis in the name of friend.'" (The Court Wits of the Restoration, Princeton/Oxford, 1948, p. 17). Sicher ist es bedeutsam, daß von den sonst gewiß nicht problembeschwerten Sittenlustspielen zwei das Motiv des ungetreuen Freundes als wesentliches Handlungselement enthalten (Wycherleys PI. D. und Congreves D.-D.). Die Tatsache, daß Bevil seinen Freund Woodly zum Hahnrei macht, wird ausdrücklich als ungewöhnlich bezeichnet und mit einer recht sophistischen Erklärung von Bevil zu rechtfertigen gesucht (EpsomWells I 1 - Works ed. Summers, vol. II, p. 109). D a ß die Freundschaft für den Gentleman der Restaurationskomödie ein wesentlicher Zug ist, läßt sich auch erschließen aus der komischen Bemerkung des um seine Ausstattung als "wit" bemühten "would-be wit" Mockmode: "I have got a mistress, a dancing and fencing-master; and now I want only a friend to be a fine gentleman." (Farquhar, L . . . Bottle III 1 - Dramatic Works, vol. I, p. 65). Allerdings beweist sich diese Freundschaft der "wits" aktiv vor allem darin, daß man die komischen Figuren ohne Skrupel zugunsten des Freundes betrügt: So bemühen sich Trve-wit, Clerimont und Davphine gemeinsam darum, Morose zu narren, und Well-bred schaltet Kitely und dessen Frau aus, damit der junge Kno'well Mrs. Bridget heiraten kann (S. W. bzw. E. M. I.). Sowohl bei Jonson wie in der Restaurationskomödie gilt eben der Grundsatz, daß Dummheit nicht nur keinerlei Rücksicht verdient, sondern sogar jede List rechtfertigt; dementsprechend bringt z. B. Win-wife Bartholmew Cokes um die ihm zugedachte Verlobte (B. F.), und Sharper denkt sich nichts dabei, Wittol um .£ 100 zu erleichtern (Congreve, Old B. II 1). Bei der Beschreibung der "wits" wurden bisher schon einige der Charaktere genannt. Es dürfte genügen, jetzt nur die Vertreter des Typus bei Jonson insgesamt aufzuführen: Win-wife und Qvarlovs (B. F.), Wittipol und Manly (D. is A.), Well-bred und Kno'well (E. M. I.), Davphine, Clerimont und Trve-wit 85

(S. W.); nicht ganz zu den "wits" gehören Ironside und Compasse (M. L.). Für die Restaurationskomödie könnte man auf jedes einzelne Stück hinweisen, z. B. Ethereges She wou'd . . . (Courtall und Freeman) und M. of M. (Dorimant, Medley, Young Bellair), Wycherleys Love . . . W. (Ranger, Vincent, Valentine) und C. W. (Horner, Harcourt, Dorilant), Congreves Old B. (Bellmour, Vainlove, Sharper) und L. f. L. (Valentine, Scandal), Vanbrughs Rel. (Young Fashion, Loveless, Worthy) etc. Es erhebt sich die Frage, ob sich innerhalb der großen Gruppe der "wits" noch wieder konstante Untergruppen feststellen lassen. Dapperwits fünf "rates of wits" (Love . . . W. II 1, pp. 40-41), die eine solche feinere Klassifizierung nahezulegen scheinen, sind wohl kaum allgemein anwendbare objektive Kategorien, sondern Mittel zur indirekten Charakterisierung eines "would-be wit", der eben alles übertreiben muß. Immerhin ist festzustellen, daß einige der Gentlemen zum Typus „Lästermaul" (s. u.) tendieren. Eine zweite relativ deutlich erkennbare Gruppe ist in der "comedy of manners" eigentlich nur einmal bei Etherege (Sir Frederick Frollick in Com. R.) und dann wieder häufiger bei Farquhar (Roebuck in L. . . . Bottie, Sir Harry Wildair in Const. C. und Sir H. W.) vertreten: der lärmend-fröhliche, zeitweilig angetrunkene, etwas derbere Typ des "wit". Diese Qualitäten sind aber sonst in der Restaurationskomödie den komischen Figuren, besonders den Landjunkern, vorbehalten: Der echte "wit" legt mehr Wert auf Eleganz der Manieren. Ben Jonson hat ebenfalls nur eine komische Figur, die diesem Typus zuzuredinen ist: Anaides in C. R., der trotz seines Landbesitzes wohl nicht als Landjunker, sondern als Karikatur des gewöhnlichen "gallant" gemeint ist. Jedenfalls spricht ihm Mercvry die derben Züge zu: "Hee is a great proficient in all the illiberall sciences, as cheating, drinking, swaggering, whoring, and such l i k e . . . " (II 2, 91-93). Aber bei anderen Dramatikern der Zeit Jonsons erscheint der Typ häufiger.94 Außer diesen beiden Untergruppen sind weitere Klassifizierungen nicht zu erkennen. Zwar werden die Gentlemen in den Dramen meist verschieden akzentuiert (Clerimont in S. W. ist etwas leichtsinniger, heiterer, dagegen Trve-wit etwas temperamentvoller, hitziger veranlagt; Vincent in Love . . . W. steht zwischen dem etwas flatterhaften Ranger und dem gar zu heftigen Valentine), aber weiter als bis zu der Feststellung einer solchen allgemeinen Tendenz zur Nuancierung der "wits" innerhalb der einzelnen Komödien kann man m. E. nicht gehen." Die wohl größte Gruppe bilden die Gecken, die sich für "wits" halten, aber in Wirklichkeit nur "would-be wits" sind. Für diesen Typ gebraucht Ben Jonson den Begriff "gull", in der Restaurationszeit erscheinen die Bezeichnungen "fop", "beau" und "wit". Diese drei Ausdrücke sind in der Restaurationskomödie nicht immer klar zu trennen. Eine gewisse Vermischung wird nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, daß sich die Toren selbst als "wits" bezeichnen (z. B. Dapperwit in Wycherleys Love . . . W.). So kann denn auch dieses Wort eine Bedeutungsversdiiebung erfahren, die es geradezu in sein Gegenteil verkehrt: In Farquhars L . . . Bottie wird es nur auf die modische Kleidung bezogen, nicht auf irgendwelche geistigen Qualitäten (Lucinda, die Heldin, sagt 86

über Roebuck: "His mien and air show him a gentleman, and his clothes demonstrate him a wit." - I 1 - Dramatic Works, vol. I, p. 14). Derselbe Autor läßt seinen sympathisch gemeinten Sir H a r r y Wildair sich zu der Gruppe der "beaux" rechnen (Const. C., Sir H . W.). Trotz dieser Überschneidungen kann aber doch gesagt werden, daß meistens die Bezeichnung "wit" positiv gemeint ist und den intelligenten jungen Lebemännern zukommt, während " f o p " und "beau" (dieses erscheint besonders bei Farquhar häufiger als in früheren Jahren) mit negativer Betonung auf die Toren angewandt werden. Insbesondere wird " f o p " f ü r die Modegedcen gebraucht. Jedenfalls darf uns diese gewisse Unklarheit der Terminologie nicht verleiten, die nichtkomischen Gentlemen (bzw. "wits") mit ihren komischen Nachahmern unterschiedslos zusammenzuwerfen. Diese beiden Gruppen haben natürlich gemeinsame Interessen, vor allem das Intrigieren; auch die echten "wits" legen Wert auf elegante Kleidung (z. B. Dorimant in Ethereges M. of M. I 1, 360-64), und dann lästern sie immer wieder über törichte Figuren. Was sie jedoch von den Toren unterscheidet, ist ihre Intelligenz; die "would-be wits" dagegen ahmen nur übertreibend die Äußerlichkeiten nach. Schon Congreve hatte Anlaß, sich in der Widmung von W. of W. über die voreiligen Kritiker zu beschweren, die einen echten "wit" nicht von einem "Witwoud" unterscheiden konnten (Mermaid Series, p. 314). Später unterlag dann Macaulay einem ähnlichen Mißverständnis, als er Wycherley vorwarf, er gäbe seinen "coxcombs" zu viel Selbsterkenntnis mit, so d a ß sie den echten "wits" gleichkämen (T.B.Macaulay, Essay über "The Dramatic Works of Wycherley, Congreve, Vanbrugh, and Farquhar . . . By Leigh H u n t " = Comic Dramatists of the Restoration, in: Critical Sc Historical Essays . . . in 5 vols., vol. IV, Leipzig, 1850 - Tauchnitz' "Collection of British Authors", vol. 188 - p. 175). Doch beruht dieser Einwand auf falscher Interpretation einiger Äußerungen Sparkishs: Diese Aussprüche sind nämlich keineswegs von beträchtlicher Intelligenz zeugende Selbstkritik, sondern sie sind als Prahlereien gemeint; sie stellen nicht von Sparkish durch scharfe Beobachtung gewonnene Selbsterkenntnis dar, sondern sein Wunschbild! " . . . - we wits rail and make love often, but to show our parts: as we have no affections, so we have no malice . . .," sagt Sparkish zu Alithea (C. W. II 1, p. 273), aber an den wirklichen Fähigkeiten ("parts") fehlt es ihm ja gerade! Wir müssen solche Formulierungen schon als ganz „naiv" nehmen, zumindest vom Standpunkt der Toren aus gesehen. Bei Ben Jonson spielen noch die Standesunterschiede f ü r die Typen der Affektation eine gewisse Rolle: Die "town gulls" (Matthew in E. M. I., Cloue und Orenge in E. M. O.) sind Söhne von H a n d w e r k e r n und Krämern der "City", sie wollen die ihnen auch sozial nicht zustehenden Manieren der Gelehrsamkeit und feineren Bildung nachäffen oder gar in den höfischen Kreis aufgenommen werden (Asotvs in C. R.). Diese Unterschiede treten in der "comedy of manners" zurück: Der Hof erscheint gar nicht mehr als Gegenstand der Darstellung, und die " T o w n " ist jetzt eine einheitliche Gruppe. Die N a r ren, die in diesen Komödien auftreten, sind nicht mehr wegen ihrer sozialen Stellung, sondern nur wegen ihrer geistigen Mängel minderwertig und lächer87

lieh, was besonders an Figuren wie Lord Plausible (Wycherley, PL D.), Lord Foppington (Vanbrugh, Rel.), Lord und Lady Froth (Congreve, D.-D.) klar wird. Wir können deshalb für die "comedy of manners" auf die Unterscheidung von "courtier" und "town gull" verzichten und uns begnügen, die Formen der Affektation bei Jonson aufzusuchen, ohne ihre soziale Herkunft zu berücksichtigen. Allen Gecken sind gewisse Züge gemeinsam. Eine dieser Gemeinsamkeiten wurde bereits genannt: die Übertreibung äußerlicher Merkmale der echten "wits". Dazu gehört die affektierte, mit Floskeln, Flüchen und "similitudes" durchsetzte Redeweise (s. o., Kap. III, S. 68 f.), und natürlich ist das Interesse für die Mode nicht einzig auf ausgesprochene Modegecken beschränkt. Ein wesentlicher Zug aller Gecken ist die mit ihrer Dummheit eng verbundene Ichbezogenheit, ihre Eitelkeit auf nicht vorhandene Gaben (s. auch Kap. IV: „Selbstdarstellung des Gecken"). Ben Jonson läßt seine Toren in C. R. aus der von Echo verfluchten Narzißquelle, der "Fountayne of selfe-Loue" trinken (I 2, 89). Lord Froths Verliebtheit in sich selbst ist symptomatisch für die Restaurationsgecken. Auf seine Frage an Cynthia, ob Mellefont sie wohl ebenso lieben werde, wie er Lady Froth liebe, erhält er die zunächst bestürzende Antwort: "I believe he'll love me better." Aber ihre ironische Begründung ("Because he has not so much reason to be fond of himself.") nimmt er voll Dankbarkeit und gänzlich ohne Mißtrauen entgegen: "Oh, your humble servant for that, dear madam." (Congreve, D.-D. I I 1, p. 121). Eine besondere Ausprägung dieser Eitelkeit ist das Prahlen mit erotischen Erfolgen. Bereits im vorigen Kapitel wurde die Vorführung des amourösen Angebers in besonderen „Selbstberühmungsszenen" dargestellt. Fast alle Gecken verraten irgendwann einmal dieses Überzeugtsein von ihrer Unwiderstehlichkeit. Es wurden schon einige Vertreter dieses besonderen Aspektes der Gecken genannt: Briske (E. M. O.), Amorphvs (C. R.), Tattie (Congreve, L. f. L.), Crazy, Brisk und Drybob (Shadwell, The Humorists), Captain Brazen (Farquhar, Reer. O.), Mrs. Jilt als weibliche Variante (Shadwell, Epsom-Wells), auch der bisher noch nicht erwähnte Marquis in Farquhars Sir H. W. rühmen sich ohne Grund ihrer Wirkung auf das andere Geschlecht. Besonders Tattie, Crazy, Brazen, der Marquis und Mrs. Jilt sind Spezialisten auf diesem Gebiet. Bei Ben Jonson tritt dieser Aspekt in den genannten Figuren nur als einer unter mehreren auf, ist aber nicht zu einem speziellen Typus gesteigert wie bei einigen seiner Zeitgenossen.®6 Captain Brazen und sein Kollege Bluffe (Congreve, Old B.) zeigen, daß diese besonderen Ambitionen auch außerhalb der Gruppe der eigentlichen Gecken eine Rolle spielen, nämlich bei den "milites gloriosi"97, die allerdings in der "comedy of manners" weniger stark hervortreten. Mit dem "miles gloriosus" und auch der Mehrzahl der Landjunker hat der Geck noch eine weitere Eigenschaft gemein: seine außerordentliche Zurückhaltung bei drohenden Auseinandersetzungen. In einer Zeit, die eine gewisse Rauflust und "impudence" zum Bild des jungen Herrn zählt, wird natürlich der enthüllende Kontrast zwischen dem bloßen Vorgeben dieser Qualitäten und der tatsächlichen Feigheit zu einem wirkungsvollen Zug vieler komischer Figuren. Im 88

vorigen Kapitel wurden bereits einzelne komische Motive behandelt, die sich dieser Charaktereigenschaft bedienen (s. „Duell", „Prügel", „plötzliche Wandlung"). Zu den ängstlichen Gecken gehören bei Jonson besonders Stephen und Matthew (E. M. I.), in der Restaurationskomödie vor allem Brisk (Shadwell, The Humorists), Foppington (Behn, The City Heiress) und Sir Timorous, "a bashful knight" (Dryden, The Wild Gallant - Works ed. Scott, vol. II, D r a matis Personae, p. 22). Aber die anderen "fops" und "beaux" sind ebenfalls keine Helden. - Als eine letzte allen Gecken gemeinsame Eigenart wäre ihre Unselbständigkeit zu nennen. Diese Qualität ist natürlich wesensmäßig dem Geckentum überhaupt eigen, da es ja eine Lebensform der Nachahmung ist. Aber dieser Zug wird noch besonders hervorgehoben, wenn die Gestalten sich nicht nur an ihr abstraktes Ideal des falschen "wit" halten, sondern ihr Verhalten direkt nach konkreten Vorbildern ausrichten, wie Stephen nach Bobadill (E. M. I.), Fvngoso nach Briske (E. M. O.); Clincher Senior zeigt die mangelnde Originalität des Gecken in aller Deutlichkeit, als er den Befehl Sir H a r r y Wildairs, seine Kutsche an einen bestimmten Punkt zu beordern, w ö r t l i c h übernimmt und noch ein "too" anfügt (Farquhar, Const. C. I 1 Dramatic Works, vol. I, p. 140). Damit wäre also eine ganze Skala von Eigenschaften der Gecken zusammengestellt.' 8 Man kann nun die Gecken der Restaurationskomödie insgesamt in zwei große Gruppen einteilen: 1. die "would-be wits", worunter wir diejenigen Toren verstehen wollen, die sich der Affektation des "wit" schuldig machen, d. h. die vor allem durch geistige Brillanz glänzen wollen; 2. die eigentlichen "fopsdie Modegecken, die ihr gesellschaftliches Ansehen durch Überbetonung der äußeren Eleganz zu erringen hoffen. Natürlich gibt es hier wieder Überschneidungen; denn ein ausgesprochener Modegeck wie Sir Fopling Flutter kann auch literarischen Ehrgeiz entwickeln, und schon in Ben Jonsons S. N . wird halb spöttisch die geistanregende Wirkung eleganter Kleidung diskutiert: " Belieue it Sir, That clothes doe much vpon the wit, as weather Do's on the braine . . . . . . I haue had Gallants, Both Court and Countrey, would ha' fool'd you v p In a new suite, with the best wits in being . . . " (I 2, 108-14). Der " f o p " und der "would-be wit" sind nicht streng zu scheidende Typen, sie stellen nur verschiedene Akzentuierungen desselben Strebens nach gesellschaftlicher Anerkennung dar. Der "would-be wit" also ist vor allem bemüht, durch Geist und brillante Einfälle zu glänzen. Dapperwits Jagd nach neuen Vergleichen in Wydierleys Love . . . W. (s. o., Kap. I I I , „Vergleiche" zu diesem Aspekt der Geckensprache) ist ebenso bezeichnend wie Hedons Anstrengungen, sich neue "salutations" auszudenken (C. R. I I 1). Cordatvs' Bemerkung über Carlo Bvffones scharfe 89

Zunge (". . . hee will sooner lose his soule then a iest," E. M. O., Induction, 3 5 9 - 6 0 ) findet eine spätere Entsprechung in Dapperwits Schlußcouplet: "For loss of happy thought there's no amends; For his new jest true wit will lose old friends." (Wycherley, Love . . . W. V 1, p. 104). Die Beschreibung, die Mirabell von Witwoud gibt ( " H e is a fool with a good memory, and some few scraps of other folks' wit . . .," W. of W. I 2, p. 326), zeigt nur, wie der "would-be" der Restaurationszeit sich noch genau an das Rezept hält, das schon Amorphvs dem jungen Asotvs gibt: " . . . as your eares doe meet with a new phrase, or an acute jest, take it in: a quicke nimble memory will lift it away, and, at your next publique meale, it is your owne . . ." (C. R . I I I 1, 4 2 - 4 5 ) . Shadwell läßt Bruce in seiner bereits teilweise zitierten Beschreibung des werbenden Gecken (s. o., S. 7 5 : „Sich-Spreizen") auch das Prunken mit gestohlenen Geistesblitzen anführen: " . . . treating her with nothing but ends of Plays, or second-hand Jests, which he runs on tick with witty men for, and is never able to pay them again . . ." (The Virtuoso I I I 1 - Works ed Summers, vol. I l l , p. 134). Crazy in " T h e Humorists" hält es für durdiaus erlaubt, Zitate aus Dramen wie eigenes Gewädis zu benutzen: " . . . 'tis a shifting Age for Wit, and every body lies upon the Catdi." ( I I I 1 - vol. I, p. 2 2 2 ) . " Ein besonderes Bedürfnis nach Selbstbestätigung treibt den "would-be wit" dazu, über alle und alles zu lästern, Dapperwits Definition des "true wit" ist im Grunde die Definition des Imitators: ". . . his wit lies in damning all but himself . . ." (Wycherley, Love . . . W. I I 1, p. 41). Horner stellt fest: ". . . every raw, peevish, out-of-humoured, affected, dull, tea-drinking, arithmetical fop, sets up for a wit by railing at men of sense . . ." (Wycherley, C. W. II 1, p. 278). Als Sir Credulous Easy von Lodowick hört, Leander habe " a pretty Town-Wit", meint er: "I'll warrant he writes Lampoons, rails at Plays, curses all Poetry but his owne, and mimicks the Players . . . " (Behn, Sir Patient Fancy I V 1 - Plays, vol. I V , p. 56). Diese Verbindung des "wouldbe wit" mit dem Motiv des übertriebenen Lästerns finden wir schon in Ben Jonsons S. N. ausgesprochen, wo Master Fitton als "leerer" bezeichnet wird, was man folgendermaßen erklärt: " A Wit. / Or hälfe a Wit . . . " (I 2, 6 5 - 6 6 ) . Dem Typus des "would-be wit" sind bei Jonson La Foole und Daw (S. W.), auch John Little-wit (B. F., besonders I 1 - hier ist allerdings der Kult des " w i t " nur Selbstzweck, nicht Mittel des gesellschaftlichen Ehrgeizes) zuzurechnen; ebenso ist Matthew (E. M. I.) um geistige Verfeinerung bemüht; die "leerers" in S. N . kultivieren besonders eine Seite des "would-be", nämlich das Lästern; Anaides und Hedon gehören als "would-be courtiers" in diese Gruppe. Carlo Bvffone in E. M. O., dessen "Humour" das Lästern ist, zeigt bereits den Übergang von der Spottlust des intelligenten Gentleman zum Lästern um jeden Preis. Von den Verfassern der "comedies of manners" haben Wycherley und Congreve diesen Typus besonders gepflegt mit Dapperwit (Love . . . W.), Sparkish (C. W.) und Novel, "a pert railing Coxcomb" (Pi. D. - Dramatis Personae, p. 374), sowie Brisk (D.-D.), Tattle (L. f. L.) und

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Witwoud (W. of W.). Bei Vanbrugh und auch bei Etherege fehlt der eigentliche "would-be wit": Lord Foppington (Rel.) und Sir Foppling Flutter gehören, ihren Namen entsprechend, mehr zu der nächsten Gruppe, den "fops". Graham weist hin auf Tim Winelove in D'Urfeys "The Fool Turn'd Critic" und Sir Sackful Simile in "The Bath" desselben Autors ("The Jonsonian Tradition in the Comedies of Thomas D'Urfey", MLQ 8, 1947, pp. 48-49). K. M. Lynch nennt Puny in Cowleys "Cutter of Coleman Street", der besonders Vergleiche und Intrigen liebt (The Social Mode of Restoration Comedy, pp. 99-101). Natürlich zeichnet audi Shadwell solche Typen, z. B. Drybob in "The Humorists", Ninny in "The Sullen Lovers", den leidenschaftlich Intrigen inszenierenden Sir Samuel Hearty in "The Virtuoso". Der Alleswisser Sir Positive Atall (The Sullen Lovers) und der Naturwissenschaftler Sir Nicholas Gimcrack (The Virtuoso) gehören aber wohl nur bedingt hierher, da sie in etwas anderer Weise als die Gecken mit ihrem Geist prunken. Eine Sonderform des "would-be wit" ist der dilettantische Dichterling, der natürlich bei Jonson, dem professionellen Dichter, viel herber behandelt wird als bei den Autoren der Restaurationskomödie, die sich ja alle als Dilettanten betrachteten. Beispiele in Ben Jonsons Komödien sind Matthew ( " [ I ] ouerflow you hälfe a score, or a dozen of sonnets, at a sitting," E. M. I. III 1, 92-93), Hedon (C. R.), Daw (S. W.), Madrigal (S. N.). In der eigentlichen "comedy of manners" vertreten Ethereges Sir Fopling Flutter, Congreves Brisk mit seinem weiblichen Pendant, Lady Froth, (D.-D.) und Wycherleys Essayschreiber Major Oldfox (PI. D.) die Gattung. Audi Dogrel in "The Guardian" von Cowley gehört dazu (Hinweis bei K. M. Lynch, The Social Mode of Restoration Comedy, p. 100). Ninny in "The Sullen Lovers" von Shadwell wird als "conceited Poet" bezeichnet (Dramatis Personae - Works ed. Summers, vol. I, p. 14). Brainsicks Beschreibung seines dichterischen und kompositorischen Schaffens erinnert sehr an Matthews Fruchtbarkeit: " . . . down I put the notes slapdash, made words to them like lightning; and I warrant you have them at the circle in the evening." (Dryden, Limberham I I I 1 - Works ed. Scott, vol. VI, p. 60). Von dem so entstandenen Lied allerdings hören wir nur die erste Zeile, doch werden uns sonst mehrfach die holprigen Produkte der Dichterlinge vorgeführt: Sir Foplings Lied (Etherege, M. of M. IV 2, 132-39: er reimt "me rest" auf "dearest"), Lady Froths "heroic poem" und Brisks "epigrammatic sonnet" (Congreve, D.-D. I l l 3, pp. 146-48), Ninnys Gedicht (Shadwell, The Sullen Lovers I 1 - Works ed. Summers, vol. I, pp. 23-24), Matthews "Elegie", etwas ungenau aus Marlowes "Hero and Leander" zitiert (E. M. I. IV 2, 42-45), Sir John Daws "madrigalls" (S. W. II 3, 25-40 und 123-31). Der " f o p " oder Modegeck kultiviert nicht seinen schwachen Geist, sondern mehr die Außenseite: Für ihn besteht die Vollkommenheit des "man about town" in der eleganten Kleidung. Hazlitts Bemerkung über Sir Fopling Flutter könnte mit einer gewissen Berechtigung audi für die anderen Modenarren gelten: "He is a suit of clothes personified." (Lectures on the English Comic Writers, Lecture I I I : On Cowley, Butler, Suckling, Etherege, &c., in: The Complete Works of William Hazlitt in Twenty-One Volumes, Centenary 91

Edition, ed. P. P. Howe, London, 1931, vol. VI, p. 68). Monsieur de Paris versteigt sich zu dem Ausruf: "Auh - I could kneel down and varship a pair of gentil pantaloons." (Wycherley, G. D.-M. I I I 1, p. 178). Die gleiche Hochachtung f ü r seinen Anzug spricht schon Silkworm aus, als Ironside ein gefülltes Weinglas an seinem Kopf zerschlagen h a t : "There's nothing vexes me, but that he has staind My new white sattin Doublet . . ." (M. L. I l l 4, 7-8). Außer Silkworm sind von Ben Jonsons "gulls" besonders Briske und noch mehr sein Nachahmer Fvngoso (E. M. O.) der modischen Ausstattung zugetan, auch Peni-boy junior legt großen Wert auf sein Äußeres (S. N., s. o., Kap. IV: „Ankleideszene"), ebenso natürlich die Höflinge in C. R. (besonders Mercvry und Amorphvs in der „Ankleideszene", V 4).100 - In der Restaurationskomödie ist außer den genannten Sir Fopling Flutter und Monsieur de Paris besonders Vanbrughs Lord Foppington zu erwähnen (Rel.). Lovewell rät dem etwas rustikalen Roebuck (der sich allerdings nicht daran hält), nicht so viel Geld zu vertrinken, sondern es in der modischen Ausrüstung des "beau" anzulegen, "in sweet-powder, cravats, garters, snuffboxes, ribbons . . ." (Farquhar, L . . . Bottle II 1 - Dramatic Works, vol. I, p. 28). Sir H a r r y Wildair in Farquhars Const. C. und Sir H . W. ist zwar keine komische Figur, aber er wendet doch der äußeren Ausstattung viel Aufmerksamkeit zu. Auch die folgenden Charaktere sind nicht ausgesprochene Modegecken, jedoch tritt in den genannten Beispielen das Motiv der modischen Kleidung stark hervor. So ist Sir Nicholas Cully stolz auf seine bei 16 Händlern zusammengesuchte Kleidung (Etherege, Com. R. IV 2, 15-17). Rakehell empfiehlt Sir Oliver eine große Perücke etc., damit er den Damen gefalle (She wou'd . . . I I I 3, 128-69). Auch Lord Froth und Mr. Brisk in Congreves D.-D. legen Wert auf ihr Aussehen, und Tattie erscheint zumindest dem Seebären Ben als ein allzu geleckter "fair-weather spark" (L. f. L. I I I 3, p. 251). Außerhalb der eigentlichen Sittenkomödie gehören u. a. auch Brisk in Shadwells "The Humorists" (z. B. I I I 1 - Works ed. Summers, vol. I, p. 222: "You must know that I do value my self upon my Cloaths, and the judicious wearing of 'em.") und John Crownes "Sir Courtly Nice" zu diesem Typus. 101 Besonders eindrucksvoll ist in der "comedy of manners" eine spezielle Abart des Modenarren vertreten: Ethereges Sir Fopling Flutter und Wycherleys Monsieur de Paris (Wycherley, G. D.-M.) sind bedingungslose Anbeter französischer Mode und Etikette. Diesem Typus gehört bereits Ben Jonsons Briske an, den Cordatvs vorstellt als "Monsieur F A S T I D I V S BRISKE, otherwise cal'd the fresh Frenchefied courtier." (E. M. O. I 3, 194-95). In seinem Epigramm L X X X V I I I (On English Movnsievr) wird dieser Typ ebenfalls satirisch behandelt, und in C. R. siegt Mercvry als "Monsieur, or frendi-behau'd gentlem a n " (V 4, 12) über die anderen Arten höfisch-modischen Zeremoniells. Shadwell wendet sich gegen die Autoren, die glauben, mit einigen "French words" schon einen " H u m o u r " gezeichnet zu haben (Widmung an den Herzog von Newcastle zu "The Virtuoso", Works ed. Summers, vol. I I I , p. 101). In seiner Anmerkung zu dieser Stelle verweist der Herausgeber Summers auf Frendi92

love in "The English Monsieur" von James Howard, Melantha in Drydens "Marriage a-la-Mode" und den bereits genannten Monsieur de Paris in Wycherleys G. D.-M. als Parodien französisierender Affektation (ib., p. 383). Bereits bei der Behandlung der Kontrastierung von Typen wurde auf die Temperamentsunterschiede der Gecken hingewiesen (s. o., Kap. I I I , S. 62), wie sie besonders das Paar Novel-Plausible (PI. D) zeigt: Der lärmend-prahlerische und der schüchtern-höfliche Typus stehen sich hier gegenüber. Diese leise Abart ist bei Jonson nicht als besonderer Typ ausgeprägt, wenn auch Matthew (E.M.I.) und Fvngoso (E. M. O.) sehr behutsam auftreten. Novels lärmendes Ideal von "wit" und "humour" (". . . being mischievous [ = making a noise, and breaking windows] is a sign of wit" - Wycherley, PI. D. V 2, p. 492), das in Ethereges Cully (Com. R.) eine Parallele hat, weist auf einen Zug der "wits" hin, den in positiver Form Cullys Vorbild, Sir Frederick Frollick (Com. R.), verkörpert (s. o., S. 86). Ben Jonsons Gentlemen haben diese etwas laute Art nidit, aber komische Figuren wie La Foole (S. W.) und Anaides (C. R.) kommen Novel schon näher. Diese beiden Figuren schlagen die Brücke zu der jetzt zu betrachtenden großen Typengruppe, die von Hazlitt mit dem Stichwort "rusticity" gekennzeichnet wird, zu den Landjunkern. Die Vertreter dieses Typus sind allesamt ungehobelt. Sie imitieren und übertreiben besonders gern die lauten, derben Seiten des Lebens der Londoner Gesellschaft (s. Sir Frederick Frollick), weil sie ihrem Wesen entsprechen. Trinken, Randalieren, Fluchen sind ihre besonderen Fertigkeiten. Im Zustande alkoholischer Beschwingtheit sind sie besonders lebensfroh und liebebedürftig, dann singen sie mit kräftiger Stimme deutliche Lieder; selbst ein so schüchterner Vertreter des Typus wie Sir Joseph Wittol wird unternehmungslustig ("we'll wallow in wine and women!" - Congreve, Old B. IV 4, p. 61), und Sir Olivers Vorstellungen von "Gentleman-like recreations" (Etherege, She wou'd . . . I I , 81-82) ähneln denen Sir Josephs genau so wie Sir Wilfulls Ideale (W. of W. IV 2, pp. 384-87). Mit den geistigen Qualitäten der Landjunker ist es oft nicht weit her: "as dull as a country squire," sagt Hippolita in Wycherleys G. D.-M. (II 2, p. 60), und Rigadoon faßt die allgemeine Wertschätzung, die der Landjunker in der "town" genießt, zusammen, als er Mockmode rät, sich auf seinen Titel "Squire" nichts einzubilden (". . . squire and fool are the same thing here." - Farquhar, L . . . Bottle II 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 34). Ferner zeichnen sich die "Squires" - wie alle komischen Figuren - bei aller Lautstärke meist durch eine erstaunliche Vorsicht in der Behandlung von Streitigkeiten mit den energischen Gentlemen der "Town" aus (s. Kap. IV, "Duell"), wenn sie nicht überhaupt zu den um feinere Sitten bemühten - und daher besonders schüchternen - Vertretern ihrer Klasse gehören. Ben Jonson hat nicht eigentlich Trinkszenen der Landjunker dargestellt (wie etwa Shakespeare in "Twelfth Night", II 3, das Gelage Sir Toby Belchs), aber die einzelnen Züge des "country squire in town" finden wir schon in seinen Werken. Stephen ist ein ängstlich-dummer Junker, der vor allem neue Flüche und "the hawking, and hunting-languages" (E. M. I. I 1, 41-42) lernen will. 93

Sein Gegenpart Downe-right ist zwar nicht feige, aber in seiner Streitsucht dafür noch ungehobelter. Sogliardos ganzer Ehrgeiz geht dahin, das Tabakrauchen möglichst gut zu beherrschen, und sein törichter Neffe Fvngoso ist vergeblich um Anschluß an die Mode bemüht (E. M. O.): Der Landjunker wird zum Modegeck! La Foole in S. W. scheint eine ähnliche Zwischenfigur zu sein wie der bereits erwähnte „Höfling" Anaides in C. R. (s. o., S. 86), denn er hat Pächter auf dem Lande (I 4, 65), ist sehr furchtsam und prahlerisch ("one of the Braueries", I 3, 29) und verkündet stolz: "I haue beene a mad wag, in my time . . . " (I 4, 57-58). Er deutet also den in der Restaurationszeit mehrfach mit der Landjunkerfigur verbundenen Altersunterschied immerhin schon an (s. o., S. 61 f. und Anm. 70), wenn auch im weiteren Verlauf des Stückes sein Alter nicht direkt zur Komik benutzt wird und auch den Gentlemen der Generationengegensatz hier nicht bewußt zu sein scheint. "Kastrill, The angry Boy" in Aich., wird bei aller Streitlust vorsichtig, als er Wiederstand erfährt (V 5); er ist erst seit kurzem in London ("but yong About towne," - III 4, 19-20), obwohl er es leugnet; wie Sogliardo will er in der Stadt vor allem das Rauchen lernen und es dann auf dem Lande üben (ib., 24-25). Cokes (B. F.) ist ein unbedarfter halbwüchsiger Junker vom Lande. In Ethereges erster Komödie, Com. R., spielt Palmer Sir Nicholas Cully einen lärmend fröhlichen Mann vom Lande vor (II 3), Cully selbst verbindet die Nachahmung von Sir Frederick Frollicks temperamentvoller Art mit einer besonders ängstlichen Natur. Sir Oliver Cockwood und Sir Joslin Jolley (She wou'd . . .) stellen den Typ des "boisterous squire" in besonders reiner Form dar. Old Bellairs etwas altmodisch-derbe Fröhlichkeit und plumpe Neckerei im Umgang mit Emilia zeigen zugleich den Unterschied der Generationen durch den Kontrast zu seinem städtisch eleganten Sohn (M. of M.; s. o., Kap. I I I : „Generationengegensatz"). Bei Wycherley tritt der Typus kaum auf, nur Jerry (PI. D.) ähnelt Bartholmew Cokes. Congreve zeichnet Landjunker in den Gestalten des ängstlichen Sir Joseph Wittol, "of Wittol Hall, in comitatu Bucks." (Old B. II 1, p. 23) und des trinkfreudigen Sir Wilfull Witwoud (W. of W.). Sir Sampson Legend (L. f. L.) ähnelt Old Bellair. Audi Sailor Ben (L. f. L.) in seiner derben Fröhlichkeit hat manches mit dem Junkertyp gemein, mit dem ihn auch K. M. Lynch (The Social Mode of Restoration Comedy, p. 192) in Verbindung bringt. 102 Bei Vanbrugh gehören Sir Tunbelly Clumsey (Rel.) und Sir John Brute und seine Kumpane (Pr. W.) in die Tradition des lauten Landjunkers. Auch Farquhar zeichnet einige Vertreter des Typus, z. B. Old Mirabel in "The Inconstant" (sein Vorbild bei Fletcher, LaCastre in "The Wild-Goose Chase", zeigt noch keine Landjunkerzüge), der zugleich im Generationengegensatz zu seinem Sohn steht, Clincher Junior in Const. C., der sich allerdings schnell zum "Beau" mausert (s. o., Kap. III: „Ungleiche Brüder") und auch den groben Squire Sullen in Beaux-Strat. Mockmode in L . . . Bottie ist ein etwas merkwürdiger Fall: Er ist ein Landjunker mit Universitätsbildung, der sich als Geck aufspielt, wie schon sein Name verrät ("a young Squire, come newly from the University, and setting up for a Beau", Dramatis Personae - Dramatic Works, vol. I, p. 6). Dryden zeichnet 94

einen Vertreter des lauten, etwas älteren Landjunkertyps in Justice Trice, der dem Alkohol zugetan ist, den Damen auf den Rücken schlägt ("Claps their backs." - The Wild Gallant I 3 - Works ed. Scott, vol. II, p. 38) und singt (s. auch oben, S. 81); Moody, der alte Squire in "Sir Martin Mar-all", ist derb in seiner Sprache und verknöchert, die unternehmungslustigen Züge fehlen ihm, nur gegen Ende will er dodi noch ein Tänzchen wagen (V 3 - vol. I I I , pp. 87-88; diese Figur ist nicht in M o l a r e s "L'Etourdi" vorgebildet). Aphra Behns Landjunker kommen aus Devonshire: der lüsterne, derb-frohe Sir Anthony Meriwill, "an old Tory Knight of Devonshire" (The City Heiress, Dramatis Personae - Plays, vol. II, p. 171) und der junge Sir Credulous Easy, "a foolish Devonshire Knight" (Sir Patient Fancy, Dramatis Personae vol. IV, p. 5), der wie Mockmode (und Charles Meriwill in "The City Heiress") eine akademische Erziehung genossen hat, f ü r den es aber nichts Schöneres gibt als "Hawking, Drinking, and Whoring" (II 1, p. 30). Shadwells Clodpate, der London hassende "Country Justice" in "Epsom-Wells", vermeidet es, in einem Kampf seine Freunde zu unterstützen (III 1 - Works ed. Summers, vol. II, p. 150), und im betrunkenen Zustande packen ihn, wie die meisten seiner Genossen (auch Aphra Behns Junker), Sangesfreude und Unternehmungslust (IV 1, pp. 150-52); der namenlose "Country Gentleman" in "The Sullen Lovers" zeichnet sich nur durch seine spridiwortgespickte Redeweise aus. Einige Beispiele für den Landjunker in der Spätzeit gibt J. Loftis (Comedy and Society from Congreve to Fielding, Stanford, 1959, - ch. I I I : The Survival of the Restoration Stereotypes, 1693-1710, pp. 74-76): Sir Timothy Witless und Sohn (Thomas Wright, The Female Virtuoso - 1693), Sir H a r r y Gubbin und sein Sohn H u m p h r e y (Steele, The Tender Husband 1705), Sir Barnaby Buffler (Ravenscroft, The Canterbury Guests - 1694), Swash (George Powell, Cornish Comedy - 1696), der ältere Clerimont (Mary Pix, The Beau Defeated - 1700), Clodhopper (anon.. The Intriguing Widow 1705) und Squire Empty of Essex (William Taverner, The Maid the Mistress - 1708). Graham verweist auf den "country gull" Toby in D'Urfeys "Madam Fickle" 103 ("The Jonsonian Tradition in the Comedies of Thomas D ' U r f e y " , M L Q 8, p. 48). Ein besonderes Objekt des Spottes der " T o w n " und ihrer Bünenautoren sind die Kaufleute der "City", die ja als Hochburg des Puritanismus von jeher sehr theaterfeindlich war. Der "citizen" wird meist dargestellt als ein etwas bejahrter Trottel, der ohne Skrupel zu betrügen ist. Seine H a u p t f u n k t i o n im Drama scheint es zu sein, den Gentlemen Gelegenheit zum Seitensprung zu geben: "The cuckoldom, of ancient right, to cits belongs," heißt es im Epilog zu Congreves D.-D. (Mermaid Series, p. 190). Ähnliche „programmatische" Formulierungen der Hahnreifunktion des "citizen" finden sich noch an verschiedenen Stellen in der Restaurationskomödie; als etwa Sir Patient Fancy am Ende von Aphra Behns gleichnamiger Komödie feststellt, daß seine Frau ihn nur geheiratet hat, um ihren mittellosen Liebhaber Wilding auszuhalten, muß er sich von diesem sagen lassen: "Many a wealthy citizen, Sir, has contributed to the Maintenance of a 95

younger Brother's Mistress; and you are not the first Man in Office [Sir Patient ist Alderman!] that has been a Cuckold, Sir." (V 1 - Plays, vol. IV, p. 103). Zur Erhöhung der Wirksamkeit dieses Motivs wird der "citizen" oft als allzu zärtlicher, liebevoller Ehemann dargestellt, der unter heftiger Eifersucht leidet bzw. ein recht ängstlicher Pantoffelheld ist. Da die ältlichen Aldermänner etc. sich meistens wesentlich jüngere Frauen gewählt haben, sind ihre Besorgnisse wegen der jungen Gentlemen und auch ihre lächerlich erscheinende Abhängigkeit (s. auch Kap. I I I : „Ausdrücke ostentativer Zärtlichkeit") nicht ganz ohne psychologische Begründung. Eine wichtige Rolle spielt in der Zeichnung der Londoner Kaufleute ihr Puritanismus. Mit dieser Seite des Typus ist bei Jonson und in der Restaurationszeit ein anderer Aspekt eng verbunden: die Heuchelei. Religiöser Fanatismus wird eben satirisch interpretiert als Verstellung, die ganz anderen Zielen dienen soll. Zu diesen oftmals unter dem Mäntelchen der Sittenstrenge verborgenen Charakterzügen zählt vor allem die Habgier, und in der Restaurationszeit tritt auch die sexuelle Abenteuerlust hinzu. Natürlich werden die genannten Züge nicht bei jedem einzelnen Vertreter des Typus allesamt verwendet, aber es treten doch immer mehrere zusammen auf. Die Hahnreifunktion erfüllen Congreves Alderman Fondlewife (Old B.), Sir Paul Plyant (D.-D.), Foresight (L. f. L.), Bisket und Fribble (Shadwell, Epsom-Wells), Sir Nicholas Gimcrack (The Virtuoso), Sir Patient Fancy (Aphra Behn, Sir Patient Fancy), Sir Cautious Fulbank (Behn, The Lucky Chance). G. B. Alleman (Matrimonial Law and the Materials of Restoration Comedy, Wallingford, Pa., 1942, p. 138) verweist u. a. noch auf Testy in Burnabys "The Ladies Visiting-Day" (1701) und Gomez in Drydens "The Spanish Friar", Graham (MLQ 8, p. 48) auf Peregrine Bubble, "a credulous cuckold", in D'Urfeys "A Fond Husband". Wycherleys Don Diego wird zwar nicht zum Hahnrei gemadit, aber er verliert seine Tochter an den Gentleman Gerrard. Drydens Limberham, der allerdings nicht eindeutig als "citizen" zu erkennen ist, wird von seiner Mätresse betrogen. In Jonsons B. F. überläßt Little-wit seine Frau nichtsahnend professionellen Kupplern. Fitz-dottrell (D. is A.), obwohl nicht ausdrücklich als Kaufmann gekennzeichnet (er spricht sogar das Betrügen der Leute aus der "City" als sein Ziel aus: "We'll take in Cittizens, Commoners, and Aldermen . . .", II 1, 42), erfährt doch das Schicksal des Betrogenwerdens; er hat mit Foresight im besonderen die Neigung zum Aberglauben und die übertriebene Eifersucht gemein. Die Eifersucht und das damit verbundene Los des Betrogenwerdens sehen wir auch an Secvrity in "Eastward Hoe" dargestellt. Kitely (E. M. I.) entgeht diesem Schicksal, aber die Angst, zum Hahnrei gemacht zu werden, läßt auch ihn nicht zur Ruhe kommen. Eifersüchtig sind auch Fondlewife in Congreves Old B., Sir Paul Plyant im D.-D. (zumindest zeitweilig, und zwar bei der falschen Gelegenheit), Sir Patient Fancy in Mrs. Behns Komödie desselben Titels, Sir Cautious Fulbank, dessen Habgier allerdings noch stärker ist (s. IV 1 - Plays, vol. I I I , pp. 229-30) in "The Lucky Chance". Besonders Pinchwife ist 96

von Eifersucht geplagt; wenn er audi selbst kein "citizen" ist, taucht doch bei ihm sofort die Assoziation zu diesem Typus auf, als er Horners offensichtliche Fortschritte bei Margery mit einem Stöhnen quittiert: " . . . yet I must have a city [!] patience." (C. W. I l l 2, p. 305). Zu den überzärtlichen Ehemännern und Pantoffelhelden, die mit einer mehr oder weniger energischen Frau verheiratet sind, gehören Deliro in E. M. O., Otter in S. W., Albivs im "Poetaster", Fondlewife in Congreves Old B., Bisket in Shadwells "Epsom-Wells", Sir Nicholas Gimcrack in "The Virtuoso", auch der "Kind Keeper" Limberham in Drydens gleichnamigem Stück. Graham (MLQ 8, pp. 48-49) nennt einige Parallelen bei D'Urfey: Cocklebrain in "A Fool's Preferment", Dick Stockjobb in "The Richmond Heiress", Sir Oliver Oldgame in "The Bath". Sir Oliver Cockwood in Ethereges She wou'd . . . und Sir Paul Plyant, "an uxurious, foolish, old Knight" in Congreves D.-D. (Zitat p. 104, Dramatis Personae) sind zwei Pantoffelhelden, die nicht bzw. nicht mit Sicherheit den "citizens" zugerechnet werden können, aber sonst scheint dieser Zug tatsächlich im wesentlichen mit dieser Klasse verbunden zu werden.104 - Sir Paul und Lady Plyant stellen eine Verkörperung des Paares „alter Mann und junge Frau" dar, das meistens auch durch Angehörige der "City" vertreten wird. Bei Ben Jonson gehören Fitz-dottrell und Mrs. Frances in D. is A. und Secvrity und Winifred in "Eastward Hoe" zu dieser Verbindung, in der Restaurationszeit Alderman Fondlewife in Congreves Old B., Foresight in L. f. L., Sir Patient Fancy in Aphra Behns gleichnamiger Komödie, Sir Cautious Fulbank und Sir Feeble Fainwood in Mrs. Behns "The Lucky Chance", Don Francisco (natürlich kein Bürger der Londoner "City") in "The False Count", audi Pinchwife (ebenfalls kein "citizen") in Wycherleys C. W. Als Puritaner werden bei Ben Jonson besonders der abergläubische Sir Poule Eitherside (D. is A.) und als weibliche Variante Dame Pvrecraft (B. F.) gezeichnet. Sonst führt Jonson zwar mehrfach Vertreter dieser Richtung vor, aber sie sind nicht Kaufleute, sondern Prediger, die von ihrer Religion leben (s. u. „Geistliche"). In der Restaurationszeit hat Mrs. Behn mehrfach diesen Typ des puritanischen "citizen" geschildert, z. B. mit Sir Patient Fancy in der Komödie gleichen Namens, Sir Timothy Treat-all in "The City Heiress" und natürlich auch in "The Round-Heads". Alderman Gripe ist ein heuchlerischer Puritaner, "a canting rogue" (Wydierley, Love . . . W. I I I 3, p. 72), ebenso sein Standesgenosse Smuggler in Farquhars Const. C.; als weibliche Vertreterin erscheint in Drydens "Limberham" Mrs. Saintly, "an hypocritical fanatic, landlady of the boarding-house" (Dramatis Personae - Works ed. Scott, vol. VI, p. 14). Die drei zuletztgenannten Figuren zeigen zugleich die Heuchelei des Puritaners deutlich ausgebildet, und zwar besonders die sexuelle Heuchelei.105 Außerdem sind sie alle drei habgierig (was z. T. mit Heuchelei verdeckt wird): Gripe wird ausdrücklich als "a covetous, lecherous, old Usurer of the city" beschrieben (Wycherley, Love . . . W., Dramatis Personae, p. 10). Diesen Zug haben audi Sir Patient Fancy (Aphra Behn) und Lord Nonsuch (Dryden, The Wild Gallant - audi er ist Puritaner). Ein groteskes Beispiel der durch nichts zu erschütternden materiellen Gesinnung des Kaufmanns bietet 97

D o n Diego, der selbst im Zustande großer Erregung das Jahreseinkommen seines N e f f e n auf den Penny genau angeben kann (Wycherley, G. D.-M. III 1, p. 180). Balderdash verbietet Benjamin Wouldbe, an dessen Ruin er mitschuldig ist, mit frommen Sprüchen sein Haus, als dieser sein Geld verpraßt hat (Farquhar, The Twin-Rivals I 1 - Dramatic Works, vol. II, p. 19).109 Besonders widerwärtig ist die Habgier von Bisket und Fribble in Shadwells "EpsomWells", die Kick und Cuff, mit denen sie ihre Frauen in flagranti ertappt haben, zwecks Schadenersatzes vor Gericht bringen wollen: " . . . I have known a man recover 4 or 500 1. in such a Case, and his Wife not one jot the worse." ( V I - Works ed. Summers, vol. II, p. 179). Audi Sir Cautious Fulbank, der seine Frau f ü r eine N a d i t im Spiel an Gayman verliert, ist ein sehr unerfreulicher Fall (Behn, The Lucky Chance IV 1 - Plays, vol. III, pp. 229-30 - der Titel spielt auf dieses Ereignis an: "The Lucky Chance; or, An Alderman's Bargain"). Hier zeigt sich eine deutliche Parallele zu Corvino in Volp., der ja ebenfalls seine Frau f ü r materiellen Gewinn einem andern überläßt. Corvino ist natürlich kein Londoner "citizen", aber er wird im Personenverzeichnis ausdrücklich als "a Merchant" bezeichnet. Secvrity ist ein habgieriger alter Wucherer ("Eastward H o e " - allerdings tritt in demselben Stüde der großzügige Goldschmied Tovchstone auf, ebenfalls ein Bürger der "City"). Eine ähnliche Wuchererfigur ist Peni-boy the Vncle in S. N . Die Geschäftstüchtigkeit der Kaufleute und H a n d w e r k e r wird gebrandmarkt, wenn Jonson den Goldschmied Gvilt-head zu seinem Sohn sagen läßt: "Wee Citizens neuer trust, but wee doe coozen." (D. is A. III 1, 22). Unter den habgierigen Opfern des Aldi, sind Abel Drvgger, der einen Tabakhandel begründen will, und die beiden Puritanerprediger Tribvlation und Ananias, die allerdings keine Kaufleute sind. Die bisherigen Beispiele zeigen, wie bestimmte Aspekte des "citizen"-Typus in einigen Figuren verschieden stark akzentuiert erscheinen. Aber natürlich finden sich auch Gestalten, die mehrere dieser Züge in sich vereinen, z. B. Secvrity in "Eastward Hoe" (Wucherer, besorgt um sein Geld - eifersüchtig wegen seiner jungen Frau - wird durch Sir Petronel betrogen: Hahnrei), Alderman Smuggler in Farquhars Const. C. (Puritaner - Heuchler, speziell auf sexuellem Gebiet - geizig: er sucht sogar die Geliebte zu betrügen! D u m m k o p f ) oder Sir Patient Fancy (Puritaner - habgierig - heuchlerisch Hahnrei - allzu zärtlicher Ehemann). Zum Schluß dieses Abschnittes sollen noch einige Exemplare des habgierigen, reichen, heuchlerischen, dummen, betrogenen "citizen" aus der Zeit um die Jahrhundertwende angeführt werden, die bei John Loftis genannt werden (Comedy and Society from Congreve to Fielding, Stanford, 1959 - Chapter I I I : The Survival of the Restoration Stereotypes, 1693-1710): Sir George Grumble und Gattin (Thomas Dilke, The City-Lady - 1697), Alderman Whim (ders., The Lover's Luck - 1695), Dick Stock jobb (D'Urfey, The Richmond Heiress - 1693; Loftis p. 55: "an uxorious husband with a flirtatious wife"), Squeezwit, "A Foolish Citizen, very desirous of being thought a Wit", und 98

Sneaksby, "A Foolish Hen-peck'd City Jeweller" (George Powell, A Very Good Wife - 1693; zitiert Loftis p. 55), Gripe, "A Merchant, old, Testy, Lascivious and Miserable" (ders., The Cornish Comedy - 1696; zitiert Loftis p. 56), Sir Wordly Fox, "An Oliverian Colonel, a cunning griping Sharper: a Widower, but privateley keeps a Mistress" (Henry Higden, The Wary Widow - 1693; zitiert Loftis p. 56), Alderman Furr (Edward Ravenscroft, The Canterbury Guests - 1694), Deputy Driver (Baker, Hampstead Heath - 1705; Loftis p. 59: "hypocritical Nonconformist stockjobber"), Sir Solomon Sadlife (C. Cibber, The Double Gallant - 1707), Sir Toby Doubtful (Mrs. Centlivre, Love's Contrivance - 1703; Loftis p. 65: "'an old City Knight', avaricious and lustful"), Sir Richard Plainman und "Sago, A Drugster in the City, very fond of his Wife" (dies., The Basset-Table - 1705; zitiert Loftis p. 66), Sir Francis Gripe und Sir Jealous Traffick (dies., The Busy Body - 1709). Alle diese Beispiele mögen zeigen, wie weit verbreitet der Typus des "citizen" auch am Ende der hier zu untersuchenden Periode war.107 Die bisher behandelten Gruppen, einschließlich der "cits", bestanden aus soziologisch klar einzuordnenden Typen. Etwas außerhalb der Gesellschaftsordnung stehen die Nachfahren eines sehr alten Typus, des "miles gloriosus". Bobadill in E. M. I wurde bereits in der Einleitung als Jonsonsche Ausgestaltung dieses Typus betrachtet. Der "miles" ist vor allem charakterisiert durch die Diskrepanz zwischen seinen verkündeten kriegerischen Fähigkeiten und der höchst unkriegerischen Ängstlichkeit, die ihn in den Gefahren des Londoner Alltags überfällt und ohne Wiederstand Prügel einstecken läßt (s. o., Kap. I V : „Prügel"). Dieses Los erfahren Bobadill, Captain Bluffe in Congreves Old B., Failer in Drydens "The Wild Gallant", Hüffe in Shadwells "The Sullen Lovers"; Tvcca im "Poetaster" gibt klein bei, bevor er Prügel einsteckt (s. o., S. 78), ebenso wie Kick und Cuff in Shadwells "Epsom-Wells" ( I I - Works ed. Summers, vol. II, pp. 114-15). Nimblewrist, der Fechtlehrer in Farquhars L . . . Bottie, tritt nur kurz auf, aber seine Prahlerei wird bald entlarvt, als ihm sein ungeschickter Schüler Mockmode in einem Übungsfeditkampf den Kopf blutig schlägt (II 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 38). Die Prahlerei mit sexuellen Erfolgen ist kein besonderer Zug der Jonsonschen "milites", aber einige Vertreter des Typus in der Restaurationszeit tun sich in dieser Art hervor, z. B. Captain Bluffe in Congreves Old B. und Captain Brazen in Farquhars Reer. O. (s. o., S. 77, 88 und Anm. 97). Ein besonders wichtiger Aspekt dieser Figuren ist, daß sie sich als Parasiten an einen meist recht schüchternen Gecken hängen. Wie sich Bobadill in E. M. I. Matthew und Shift in E. M. O. Sogliardo widmen, so kümmert sich Bluffe im Old B. um Sir Joseph Wittol, spielt den auf ausländischen Schlachtfeldern erfahrenen militärischen Experten, der sich die Berichte von seinen Heldentaten nur un99

gern entreißen läßt, - und ist vor allem an seines Gönners Geldbeutel interessiert. Ähnliche Parasiten sind Failer und Burr, "hangers-on of Sir Timorous" (Dryden, The Wild Gallant), sowie Kids und C u f f , die besonders Bisket und Fribble, die beiden "citizens", beim Spiel ausplündern (Shadwell, EpsomWells). Lynch (The Social Mode of Restoration Comedy, pp. 100, 189-90) weist außerdem hin auf Cutter in Cowleys "The Guardian" und auf Bounce in William Mountforts "Greenwidi P a r k " , Hackum in Shadwells "Squire of Alsatia" (die letzten beiden werden schon von Gildon/Langbain genannt: The Lives and Characters of the English Dramatick Poets . . . , p. 25), Bilboe in Wilsons "The Cheats". Graham verweist auf Young Bragg in D'Urfeys "Love for Money" (MLQ 8, p. 49). - Es ist natürlich nicht zu übersehen, daß der Typus in der eigentlichen "comedy of manners" nicht so häufig vertreten ist. Die Komik wird im Unterschied zu früheren Zeiten 108 mehr aus andersartigen Typen bezogen, was zur Hauptsache an der Abgeschlossenheit des Milieus liegen mag. Die Verwendung des Alters für komische Typen ist selbstverständlich nicht auf Ben Jonson und die Restaurationsdramatiker beschränkt, deshalb soll sie nur kurz behandelt werden. Bei der Besprechung des „Generationengegensatzes" (s. o., K a p . III) wurde bereits einiges über die Darstellung der Alten als Kontrastfiguren zu den Jungen gesagt. In der Restaurationszeit wird das Motiv des Alters vor allem mit zwei soziologischen Gruppen komischer Typen verbunden, den Landjunkern und den "citizens". Die negativen Züge der alten Leute, wie sie sich in den hier zu untersuchenden Lustspielen darstellen, sind Halsstarrigkeit, Streitsucht, Herrschsucht und Neid gegenüber der jüngeren Generation, Uberschätzung der Vergangenheit, Verachtung der Gegenwart. Von Ben Jonsons Figuren gehören hierher Morose in S. W., in gemäßigter Form auch der alte Kno'well in E. M. I., der ein wenig die Herrschsucht des Alters zeigt, ferner der Wucherer Peni-boy in S. N . und Corbaccio in Volp., die Zeichnungen monomanischer Habgier sind, wobei letzterer noch stärker als Bild senilen Verfalls wirkt. Eine besondere Form ist der alte Geck, der sich seiner Jugendstreiche rühmt, wie La Foole in S. W.: " . . . I haue beene a mad wag, in my t i m e . . . " (I 4,57-58). In der "comedy of manners" sind Old Bellair (Etherege, M. of M.), Sir Sampson Legend (Congreve, L. f. L.), der alte Mirabel ("an aged gentleman of an odd compound, between the peevishness incident to his years, and his fatherly fondness towards his son" - Farquhar, The Inconstant, Dramatis Personae - Dramatic Works, vol. I, p. 330) mehr oder weniger mürrische Väter wie Kno'well. Graham (MLQ 8, pp. 48-49) nennt Captain Tilbury in "Madam Fickle" und Old Bragg in "Love for Money" als Vertreter des Vatertyps bei D ' U r f e y . Foresight zeigt die Halsstarrigkeit des Alters besonders deutlich (Congreve, L. f. L.), Snarl (Shadwell, The Virtuoso) ist eine abstoßende Verkörperung seniler Züge (s. auch Anm. 70). Zugleich zeigt Snarl die Ablehnung der Gegenwart und Hochschätzung der vergangenen Epoche, die auch D o n Diego in Wycherleys G. D.-M., Novel im PI. D. (mit seiner Vorliebe für "that facetious noble way of wit, quibbling", V 2 , p. 492) und Moody i n D r y d e n s "Sir Martin Mar-all" vertreten ( " . . . the old squire . . . stands up for the old 100

Elizabeth way in all things . . I 1 - Works ed. Scott, vol. I I I , p. 8). Die etwas derbe Fröhlichkeit mit einem gewissen Zurückblicken auf vergangene Taten zeigen Sir Oliver Cockwood und Sir Joslin Jolley (Etherege, She wou'd . . .), Old Bellair (M. of M.), Sir Sampson Legend (Congreve, L. f. L.) und Mrs. Behns Sir Patient Fancy. Es ließen sich f ü r die Zeichnung des Alters natürlich noch weitere Beispiele geben. D a aber dieses Motiv, wie bereits gesagt wurde, so häufig auftritt in der Komödie aller Zeiten und eine spezielle Beziehung zwischen Jonson und den Restaurationsdramatikern darum nicht mit Sicherheit anzunehmen ist, kann auf eine weitere Ausführung verzichtet werden. 109 Es mag auch genügen, auf die eingehende Darstellung in dem schon mehrfach zitierten Buch von Elizabeth L. Mignon (Crabbed Age and Youth: the Old Men and Women in the Restoration Comedy of Manners, Durham, N . C., 1947) zu verweisen. Mignon allerdings - und das ist f ü r unser Thema von Interesse - scheint trotz der Geläufigkeit des Motivs den Jonsonschen Verkörperungen eine besondere Rolle zuzusprechen: sie weist hin auf Morose, Corbaccio und Bvsy [?] und betont, daß die betreffenden Dramen in der Restaurationszeit sehr populär waren (p. 9). Die bisher erörterten Typen, besonders die eingangs dargestellten soziologischen Gruppen, setzen sich zusammen aus einer Reihe von Zügen, die einen bestimmten Komplex von Verhaltensweisen konstituieren. N u n bleiben noch einige Typen zu behandeln, die gekennzeichnet sind durch eine besondere Verhaltensweise oder Eigenart, die aber auch mit anderen Funktionen im Drama und entsprechenden Eigenschaften verbunden sein oder als spezielle Abwandlungen der bereits erwähnten komplexeren Typen auftreten können. Den T y p des Lästermauls hat Ben Jonson besonders in Carlo Bvffone gezeichnet: "an impudent common iester, a violent rayler . . ." (E. M. O., Induction, 357). Die gleiche Verachtung durch den Autor bzw. seine Sprecher t r i f f t Anaides ("impudence it seife", C. R. I I 2, 79) und auch die "ieerers" in S. N . In der Restaurationszeit ist das Lästern ein gerngeübter Brauch, an dem alle mehr oder weniger Anteil haben (s. o., Kap. IV, „Lästerszene", Kap. V, S. 90). Dennoch vertreten einige Personen den Typus besonders deutlich: Dapperwit in Wycherleys Love . . . W., Scandal in Congreves L. f. L., Medley in Ethereges M. of M. Hierbei fällt auf, daß nur Dapperwit eine negativ gesehene Figur ist; Scandal und der wesentlich harmlosere Medley gehören zu den positiv gesehenen echten "wits". George Meredith meint in seinem "Essay on Comedy and the Uses of the Comic Spirit" (3rd Edition, Westminster, 1903) auf S. 53: "Tartuffe is the father of the hypocrites." So einleuchtend diese Feststellung von heute aus gesehen auch scheinen mag, ist sie f ü r die Restaurationskomödie doch nicht ohne weiteres zu akzeptieren. Gerade die Gestalt des religiösen Heuchlers hat Jonson schon in B. F. gezeichnet mit seinem Zeal-of-the-Land Bvsy. Im Epilog zu Medbournes Ubersetzung der Moliereschen Komödie, "Tartuffe; or, The French Puritan" (1670), wird der Titelheld mit Bezug auf einen der beiden Puritaner in Aich, als "our Monsieur Ananias" bezeichnet, und außerdem findet sich eine Anspielung auf Bvsy; das zeigt, wie sehr diese Figuren als allgemein 101

bekannt angesehen wurden (die Stelle wird zitiert bei G. E. Bentley, Shakespeare & Jonson: their Reputations in the Seventeenth Century Compared, Chicago, 1946, Second Impression, Zitatband, p. 141). Der puritanische "citizen" als Heuchler ist uns bereits begegnet. Die rein weltliche Form des Heuchlers ist in den Komödien Jonsons nur durch Volpone und Mosca vertreten. In der "comedy of manners" sind besonders Vernish (Wycherley, PI. D.), Maskwell (Congreve, D.-D.) und Fainall (W. of W.) Repräsentanten dieses Typus, der wohl in Shakespeares Jago seine stärkste Verkörperung gefunden hat. Audi Lady Codswood (Etherege, She wou'd . . .), Vernishs Komplizin Olivia (PI. D.) und in gewissem Sinne sogar Horner (C. W.) sind hierher zu rechnen.110 Farquhar zeichnet Heuchelei in Vizard (Const. C.) sowie Mrs. Clearaccount, Mr. Subtleman und Benjamin Wouldbe (alle in "The TwinRivals"); der letztere ruft beim Empfang der von ihm selbst gefälschten Nachricht vom Tode seines Bruders aus: "Oh, my fate! a father and a brother in one day! Heavens! 'tis too much." (II 3 - Dramatic Works, vol. II, p. 39). Sir Sampson Legend in Congreves L. f. L. dürfte anzusehen sein als ein Nachkomme der spleenigen Reisenden, die Ben Jonson inPvntarvolo (E. M. O.), Politiqve Wovld-bee (Volp.) und Amorphvs (C. R.) dargestellt hat. Sir Politiqve ist, wie sein Name besagt, zugleich ein besonders törichter Amateurpolitiker. Zu diesem Typ gehört auch der Puritaner und Whig Sir Timothy Treat-all (Behn, The City Heiress), der überall Anschläge auf sein Leben wittert und seinem sich als polnischen Gesandten ausgebenden Neffen die Lüge, daß man ihn auf den polnischen Thron berufen wolle, sofort glaubt. Sir Patient Fancy in Mrs. Behns gleichnamiger Komödie ist gleichfalls politisch interessiert. Clincher in Farquhars Sir H. W., "the Jubilee Beau turned Politican" (Dramatis Personae - Dramatic Works, vol. I, p. 238), sagt über sich selbst: "Politics, politics, stark mad with politics." (IV 1, p. 287). Der Landjunker Clodpate in Shadwells "Epsom-Wells" läßt sich über weltpolitische Fragen vernehmen, z. B. über Polen, die bessere Qualität des "true English Ale" gegenüber den französischen Weinen etc. (IV 1 - Works ed. Summers, vol. II, pp. 150-51). Ein Vielwisser (oder sogar Alleswisser) ist Sir Positive At-all in "The Sullen Lovers" von Shadwell, und Sir Nicholas Gimcrack, der große Naturphilosoph, "The Virtuoso", will plötzlich auch etwas von Taranteln (III 1 - vol. III, p. 142) und Gespenstern (IV 1, p. 161) verstehen. Vielleicht liegt hier eine Reminiszenz an Crispinus vor, der, als er Horace belästigt, ebenfalls alles mögliche weiß, alles mögliche ist (Poetaster III 1, 20-28). Für die w e i b l i c h e n Charaktere der Restaurationskomödie lassen sich Vorbilder bei Ben Jonson nicht in so reichem Maße finden. Die weiblichen Entsprechungen zu den "wits" fehlen in Jonsons Komödien ganz: Seine sympathischen Mädchen und jungen Frauen sind zu passiv (z. B. Grace Welborne in B. F., Mrs. Fitz-dottrell in D. is A., Celia in Volp.), um mit den witzigen, gescheiten, gewandten und mutwilligen Restaurationsdamen verglichen werden zu können. 102

Die den Landjunkern entsprechende Gestalt des derb-naiven Landmädchens, das unbedingt einen Mann, am besten einen Gentleman, haben will, ist in den "comedies of manners" mit Miss Prue (Congreve, L. f. L.), Miss Hoyden (Vanbrugh, Rel.) und auch Mrs. Pinchwife (Wydierley, C. W.) vertreten. Ben Jonson zeichnet diesen T y p nur in Awdrey (A Tale of a Tub). Nach H e r f o r d / Simpson (vol. I, p. 300, Einleitung zu "A Tale of a Tub") ist aber die Figur des robusten, heiratslustigen Landmäddiens eine Art antiromantischer Typus des elisabethanischen Theaters überhaupt (s. Silena in Lylys "Mother Bombie", Mall in "The Two Angry Women of Abingdon" von H e n r y Porter). Der großen Gruppe der Gecken entsprechen die Gestalten weiblidoer Affektation, die in der Restaurationskomödie ein beliebter Gegenstand der Darstellung sind. Das künstlich-gezierte, affektierte Benehmen der Gesellschaftsdamen, z. T. mit Heuchelei, d. h. amouröser Anfälligkeit, verbunden, zeigen besonders Mrs. Loveit (Etherege, M. of M.), Lady Flippant (Wydierley, Love . . . W.), Lady Fidget und ihre Freundinnen (C. W.), Olivia (Pi. D.), Belinda (Congreve, Old B.), Lady Froth (D.-D.), Melantha (Dryden, Marriage a-la-Mode), Lady Fanciful (Vanbrugh, Pr. W.), Melinda (Farquhar, Reer. O.). 111 Auch Mrs. Frail (Congreve, L. f. L.), Mrs. Marwood und sogar Mrs. Millamant (W. of W.) sind nicht frei von dieser Eigenart vieler Gesellschaftsdamen der Restaurationszeit. Harriet parodiert in ihrer Imitation des Flirts mit Young Bellair (Etherege, M. of M. I I I 1, 147-81) das affektierte Verhalten der Dame von Welt. Eine besondere Form, in der sidi Affektation äußert, ist der Gebrauch affektierter Sprache. Hierher gehören natürlich Melantha mit ihrer Vorliebe für französische Vokabeln (Dryden, Marriage a-la-Mode), dann Aurelia (Dryden, An Evening's Love: einen Spiegel nennt sie "counsellor of the graces", I I I 1 - Works ed. Scott, vol. III, p. 272) und Lady Vaine (". . . very talkative and impertinently affected in her Language . . ."; Shadwell, The Sullen Lovers, Dramatis Personae - Works ed. Summers, vol. I, p. 15). Bei Ben Jonson sind es besonders die Hofdamen, die den Typus weiblicher Affektation vertreten: Saviolina in E. M. O., die törichten vier Damen in C. R. (besonders " P H I LAVTIA, selfe-Loue", Induction, 72), Livia in Sej., Fvlvia, Sempronia in Cat. Aber auch in der realen Londoner Gesellschaft findet sich der Typus der "Lady of spirit . . . woman of fashion", wie sie Ben Jonson nennt (D. is A. I V 4, 156; s. auch U n d . XV, 82): die "Ladies Collegiates" in S. W., Lady Taile-bvsh und Lady Either-side in D. is A. Eine besondere Art der Torheit ist die Eitelkeit auf den eigenen Geist: Schon Saviolina (E. M. O.) und Philavtia (C. R.) sind verliebt in ihren Witz, ebenso wie Lady Froth in Congreves D.-D. Dieser Typus der Affektation, der also den eigentlichen männlichen "would-be wits" besonders entspricht, ist am extremsten ausgebildet in den Blaustrümpfen. Ben Jonson stellt solche Damen mehrfach dar: die "Ladies Collegiates" (S. W.), Lady Wovld-bee (Volp.), Sempronia, die ältliche Intellektuelle mit intimer Kenntnis der Tagespolitik und exzentrischer Vorliebe f ü r Kosmetik (Cat., besonders II, 90-215). Drydens Melantha (Marriage a-la-Mode) und wohl auch Widow Blackacre (Wydierley, PI. D.) sind zu diesem T y p zu redinen. Ein wahres Monstrum an literarischem 103

Ehrgeiz und intellektueller Eitelkeit ist Lady Froth (Congreve, D.-D.), die "Songs, elegies, satires, encomiums, panegyrics, lampoons, plays, or heroic poems" in ihren Bereich zählt (II 1, p. 118). Lady Knowell, "an affected learned Woman" (Aphra Behn, Sir Patient Fancy, Dramatis Personae - Plays, vol. IV, p. 5) spricht sogar Griechisch. Bisarre, "a whimsical lady" (Farquhar, The Inconstant, Dramatis Personae - Dramatic Works, vol. I, p. 330) versteht sich zwar auf die philosophische Terminologie (II 1, p. 350), aber sonst überwiegt in ihr die Munterkeit, mit der sie den ebenfalls gelehrten Duretete plagt. Meredith sieht hier wieder einmal Molares Einfluß: "Ladies . . . whose language wears the nodding plumes of intellectual conceit, are traceable to Philaminte and Bilise of the Femmes Savantes", sagt er ganz allgemein über die Komödie (An Essay on Comedy and the Uses of the Comic Spirit, 3rd Edition, Westminster, 1903, p. 53). Fvlvia in Cat. zeigt einen besonderen Typus der vornehmen Frau, die Modedame: " . . . When knew you me Appeare, two dayes together, in one dressing?" (II, 12-13). Sempronia im gleidien Drama ist ebenfalls sehr an der Verschönerung interessiert, wie auch Livia in Sej. Schönheitspflege betreibt (II, besonders 59-138). Lady Either-side und Lady Taile-bvsh erweisen sich im Gespräch mit dem verkleideten Wittipol vollends als Kosmetikexperten (D. is A. IV 4). Lady Wishfort in Congreves W. of W. und audi Lady Fanciful in Vanbrughs Pr. W. legen Wert auf ihr Aussehen, und Olivias Vorliebe für neue Kleider wird als eine ihrer "aversions" demaskiert (PI. D. II 1). Es hat aber dieser Aspekt des Lebens der Gesellschaftsdamen nicht zur Entwicklung einer besonderen Bühnenfigur geführt, die etwa dem männlichen Modegecken voll entspräche. Zwar finden wir gelegentlich satirische Bemerkungen oder Schilderungen des Typus, wie Harriets Und Busys Gespräche über "Lady Dapper" im M. of. M. (III 1, 10-19), aber nicht seine Verkörperung auf der Bühne. In Ethereges Com. R. führt Wheadle als Köder für Cully einen besonderen Frauentypus an: " . . . another lovely brisk Woman, newly married to a foolish Citizen, who will be apt enough to hear Reason from one that can speak it better then her Husband . . . " (I 3, 56-8). Das ist die naseweise junge Bürgersfrau, mit einem älteren Mann verheiratet, die gern einmal Abwechslung möchte. Schon bei der Behandlung der "citizens" war auf diesen Typus hinzuweisen. Ben Jonson hat ihn in Win Little-wit (B. F.) gestaltet; auch Fallace (E. M. O.) ist mit ihrem Mann nicht zufrieden, sie bewundert den Höfling Fastidivs Briske. In der "comedy of manners" ist natürlich die Hahnreifunktion des "citizen" ein stehender Witz. Laetitia Fondlewife (Congreve, Old B.), Margery Pinchwife (Wycherley, C. W.), auch Mrs. Foresight (Congreve, L. f. L.) und Lady Plyant (D.-D.) sind junge Frauen, die ihren älteren Männern Horner aufsetzen. Mrs. Brainsick (Dryden, Limberham) gehört zwar wie Lady Plyant soziologisch nicht eindeutig in diese Klasse, auch ist ihr Mann nicht eifersüchtig, sondern eingebildet, aber die Verbindung von Abwechslungsbedürfnis und "appearance of simplicity" (I 1 - Works ed. Scott, vol. VI, 104

p. 22) läßt sie doch als vom gleichen Schlage erscheinen. Shadwell hat verschiedentlich Bürgersfrauen auf die Bühne gebracht, z. B. Dorothy Fribble und die tyrannische Mrs.Bisket in "Epsom-Wells", Striker, "A Habberdashers Wife, a vain fantastick Strumpet, very fond and jealous of Crazy," in "The H u morists" (Zitat Dramatis Personae, Works ed. Summers, vol. I, p. 191 - ihr Mann tritt allerdings nicht in Erscheinung). O b man Lady Fancy in Mrs. Behns "Sir Patient Fancy" zu diesem Typus rechnen kann, ist fraglich: Sie scheint eher zum Typus der abgebrühten Gesellschaftsdame zu gehören. 112 Fallace in E. M. O. und Mrs. Bisket in Shadwells "Epsom-Wells" verkörpern zusätzlich zu ihrer Stellung als Bürgersfrauen einen allgemeineren Typus der Ehefrau: den Drachen, der den Mann unter dem Pantoffel hat. Dazu gehören auch Lady Plant in Congreves D.-D., Laetitia Fondlewife (die allerdings nicht so offen tyrannisch ist) in Old B., Lady Cockwood in Ethereges She wou'd . . . und auch Mrs. Tricksy (in ihrem Verhältnis zu ihrem "Keeper") in Drydens "Limberham". Der T y p der lüsternen Alten wird in gewisser Weise von Jonson in B. F. vorweggenommen: D a m e Pvrecraft wirft sich Qvarlovs beinahe an den Hals (V 2, 16-74).11® Eine große Rolle spielt dieser Typus in der Restaurationszeit: Lady Flippant (Wycherley, Love . . . W.), Lady Codewood (Etherege, She wou'd . . .), Lady Touchwood (Congreve, D.-D.), Lady Wishfort (W. of W.), Lady Loveyouth (Shadwell, The Humorists), Lady Fantast (Bury-Fair), Belliza (The Amorous Bigotte), Lady Maggot (The Scowrers), Lady Gimcrack (The Virtuoso), Lady Shacklehead (The Lancashire Witches), Lady Youthly (Behn, The Younger Brother), Lady Knowell (Sir Patient Fancy: Lady Knowell, zugleich Blaustrumpf, verfolgt aber Leander Fancy, der eigentlich ihre Tochter liebt, nur, um Leanders Onkel, Sir Patient, zu hintergehen - sie handelt also im Interesse der jungen Leute). Sie alle sind solche Gestalten, ebenso wie Widow Lockit in Southernes "Oroonoko" (Hinweis bei C. Leech, "Restoration D r a m a : the Eearlier Phase", E I C I, 1951, p. 147). Sogar zur Titelfigur wird der Typ in Bettertons "The Amorous Widow" (1670). In gewisser Hinsicht ist ja auch Lady Cockwood die „Titelfigur" in "She wou'd if she cou'd"! - Ein deutlicher Unterschied gegenüber der Witwe Pvrecraft ist es, daß die entsprechenden Damen der "comedy of manners" z. T. noch verheiratet sind (z. B. Lady Cockwood, Lady Touchwood). Auch ist die lüsterne Alte jetzt nicht mehr Randfigur, sie wird vielmehr als wichtiges handlungsförderndes Element genutzt (z. B. Lady Cockwood in She wou'd . . ., Lady Loveyouth in "The Humorists", Lady Knowell in "Sir Patient Fancy"), besonders als enttäuschte Intrigantin, die das H a u p t p a a r zu ruinieren sucht (Lady Touchwood, Lady Wishfort). Eine spezielle Übereinstimmung ergibt sich zwischen Wycherleys C. W. und Jonsons S. W.: Das literarische Damenkränzchen ähnelt den drei ostentativ „tugendhaften" Freundinnen bei Wycherley. In beiden Fällen treten die Frauen stets zusammen auf, sie werden verbunden durch ein gemeinsames Interesse oder vielmehr eine gemeinsame Affektation, die ihrem eigentlichen Wesen keineswegs entspricht (Literatur und Gelehrsamkeit bzw. "Honour"), 105

und die von Lady Fidget und ihren Freundinnen praktizierte Lebenshaltung ist vorgeformt in dem von Mrs. Mavis verkündeten Prinzip der "Ladies Collegiates": "We are riuers, that cannot be call'd backe, madame: shee that now excludes her louers, may liue to lie a forsaken beldame, in a frozen bed." (S. W. I V 3, 43-45). Zum Abschluß dieses Kapitels sollen noch einige Berufstypen behandelt werden, die sich jeweils durdi bestimmte Funktionen oder Verhaltensweisen auszeichnen. Die Heuchelei der Puritaner wurde bereits bei der Behandlung der "citizens" als wesentlicher Zug genannt.114 Ben Jonson zeichnet seine Puritaner mit Vorliebe als professionelle Prediger, als Geistliche, die hinter Sophistereien ihren krassen Egoismus verbergen. Ananias und Tribvlation in Aich, und Bvsy in B. F. sind Vertreter der Gattung in Jonsons Komödien, Bull in Vanbrughs Rel. und Saygrace, Lord Touchwoods "chaplain" in Congreves D.-D., sind ebenfalls gewissenlose Geistliche. Tegue O Divelly in Shadwells "The Lancashire Witches" und "The Amorous Bigotte" ist ein katholischer Priester ohne moralische Hemmungen. Ein besonderer Zug der puritanischen Prediger ist ihre Gefräßigkeit, die vielfach offenbar ihre spezifische Form der Habgier ist. Bvsy in B. F. wollte eigentlich nur zur Gesellschaft mitessen, aber später sagt Knock-hvm über ihn: ". . . two and a hälfe [pigs] he eate to his share. And he has drunke a pailefull [of beer]." ( I l l 6, 50-51). 115 Svbtle bemerkt zu Tribvlation: " . . . Nor shall you need, ore-night to eate huge meales, To celebrate your next daies fast the better . . ." (Aich. I I I 2, 74-75). Als Sir Timothy in Behns "The City Heiress" erfährt, daß auch einige nonkonformistische Prediger zum Essen gekommen seien, meint er: "Nay, then we shall have a clear Board; for your true Protestant Appetite in a Lay-Elder, does a Man's Table Credit." (III 1 - Plays, vol. II, p. 206). Ähnlich wird in Drydens "Sir Martin Mar-all" auf den guten Appetit (und die Bestechlichkeit) des ebenfalls nicht auftretenden "Mr. Ball, the non-conformist", angespielt ( V I - Works ed. Scott, vol. I I I , p. 87). Sir Patient Fancy, der allerdings kein Prediger ist, setzt mit dem Bericht über seine täglichen Mahlzeiten das Ärztekollegium in Erstaunen (Behn, Sir Patient Fancy V 1 - Plays, vol. IV, P-

>" Der Leporellotyp des flinken, gescheiten und frechen Dieners wurde bereits in Kapitel II bei der Behandlung seiner dramaturgischen Funktion als „Regiefigur" erörtert. Deshalb können wir uns hier mit einigen ergänzenden Hinweisen begnügen. Zusätzlich zu den erwähnten Dienern der Restaurationskomödie (Warner in Drydens "Sir Martin Mar-all", Maskall in "An Evening's Love", Setter in Congreves Old B., Roger in Shadwells "The Sullen Lovers") sind noch einige Vertreter dieses Standes zu nennen, die sich vor allem durch eine gewisse Mundfertigkeit und Frechheit auszeichnen, aber an den Intrigen gar nicht oder höchstens als ausführendes Organ oder in untergeordneter Rolle beteiligt sind, z. B. Brush in Farquhars L . . . Bottie und Dicky in Const. C., Jeremy in Congreves L. f. L., Waitwell in W. of W., Lory in Vanbrughs Rel. 106 92

Die Zofen, munter, gescheit und frech, spielen zwar in der Restaurationskomödie eine große Rolle, da aber bei Ben Jonson nur Galla eine (zudem noch recht schüchterne) Vertreterin ihrer Zunft ist, kann in unserem Zusammenhang auf eine eingehendere Behandlung dieser Gestalt verzichtet werden.116 Juristen treten verschiedentlich auf, meist nur als komisch gemeinte Randfiguren. Justice Clement in E. M. I. und Justice Trice in Drydens "The Wild Gallant" sind ältere Richter, die ihre Rechtsprechung mit derb-fröhlicher, lauter Jovialität verbinden; auch Justice Balance in Farquhars Reer. O. gehört bedingt in diese Gruppe. Sir Povle Either-side in D. is A. und Justice Overdoo in B. F., eine der Hauptgestalten in diesem Drama, zeichnen sich vor allem durch ihren Eifer und ihre Dummheit aus.117 Practice in M. L. ist auch nicht besonders gescheit, obwohl er gerissen sein möchte. Picklock in S. N. und Voltore in Volp. sind vollends gewissenlose Juristen, 118 die allerdings letzten Endes doch scheitern. Diese Gattung Rechtsbeflissener vertritt auch der betrügerische Subtleman in Farquhars "The Twin-Rivals"; Wycherley läßt im PI. D. eine ganze Reihe von wenig erfreulichen Juristen auftreten. "Buderam, a Lawyer", in Congreves L. f. L. und der Richter in Vanbrughs Pr. W. sind Nebenfiguren, die als besonderes Kennzeichen höchstens eine gewisse Ängstlichkeit aufweisen. Der gewandte, auf seinen Vorteil bedachte Arzt wird in Jonsons M. L. (Doctor Rut) und Vanbrughs Rel. (Syringe) gezeigt. Auch in Aphra Behns (sich allerdings auf Molieres „Eingebildeten Kranken" stützendem) "Sir Patient Fancy" werden die Ärzte als habgierige, gewissenlose Quacksalber dargestellt, die in ihren Komiteebesprechungen nur die Rechnung aushandeln und stets ihre eigenen Medizinen verschreiben (V 1). Pullin in "The Humorists" von Shadwell ist eine komische, mit Spott überschüttete Figur. Es ist in diesem Kapitel eine ganze Reihe von Typen zur Sprache gekommen, von den Hauptfiguren bis zu den untergeordneten Chargen. Zwar variierte die Zahl der gefundenen Belege etwas, entsprechend der Wichtigkeit: Während z. B. für die "wits" aus der großen Fülle nur einige Gestalten als exemplarische Vertreter genannt werden konnten, waren die Randfiguren z. T. überhaupt nur in wenigen Komödien zu verzeichnen. Weitere Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Komplexität der Typen und der Möglichkeit, klar geprägte spezifische Eigenschaften festzustellen: Während die "wits", die Gecken, die "citizens" durch einen ganzen Komplex deutlich umrissener Verhaltensweisen recht genau bestimmt erschienen, waren etwa für die Ärzte und Juristen außer dem Vokabular (und einer gewissen moralischen Anfechtbarkeit) feststehende Züge nicht überall zu erkennen. Insgesamt zeigt sich aber in dem Zusammenspiel all dieser Typen trotz des Fehlens der weiblichen "wits" bei Ben Jonson ein breiter Strom Jonsonscher Tradition in dem Personenbestand der Restaurationskomödie.

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K A P I T E L

VI

Themen In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche Themen und Probleme sowohl bei Ben Jonson als auch in der "comedy of manners" hauptsächlich szenisch behandelt werden, welche Lebensformen, welche Gehalte Gegenstand theatralischer Darstellung sind, sei es mit satirischer Absicht, sei es ohne eine solche Färbung. Es ist klar, daß dabei in etlichen Punkten nur das Fazit aus den vorangegangenen Kapiteln zu ziehen sein wird und deshalb kurze Andeutungen geniigen können. Das Milieu der "comedy of manners" ist die "Town", ihr Hauptgegenstand ist die realistische Schilderung der Sitten, der Lebensform dieser modischen Gesellschaftssphäre. Damit ist natürlich die Parallele zu Ben Jonson offensichtlich: Die realistische Darstellung des Londoner Lebens im D r a m a gehört zu seinen wichtigsten Leistungen f ü r die Entwicklung des englischen Lustspiels (s. o., Erster Teil, Kap. I), seine "gulls" sind Karikaturen der modischen Gesellschaft seiner Zeit, und die drei Freunde in S. W. ähneln doch schon sehr den Gentlemen späterer Jahre. Freilich bleibt zu fragen, ob Ben Jonson schon genau dieselben Formen und Inhalte gesellschaftlichen Lebens auf die Bühne gebracht hat, die später die "comedy of manners" bestimmen. Für die Restaurationszeit gibt uns Gatty in Ethereges She wou'd . . . eine spöttische Beschreibung des Lebenskreises der Gentlemen: "Truly you seem to be men of great imployment, that are every moment ratling from the Eating-Houses to the PlayHouses, from the Play-Houses to the Mulberry-Garden . . ." (II 1, 140-43). Damit sind die Schauplätze abgesteckt f ü r dieses allein dem Vergnügen gewidmete Leben (wir erinnern uns an das bereits zitierte Wort Bellmours: "pleasure [be] my occupation", Congreve, Old B. I 1, p. 10). Wesentlicher Inhalt dieses Vergnügens ist das amouröse Abenteuer (s. o., Kap. V: "wits"). Besonders die außerordentliche Laxheit der Sexualmoral, die ständig wiederkehrende Geringschätzung der Ehe, ja sogar die Propagierung der Promiskuität sind f ü r die Restaurationskomödie so charakteristisch, daß Macaulay sich zu dem entrüsteten Ausruf veranlaßt fühlte: " . . . in truth this part of our literature is a disgrace to our language and our national character." (Essay über "The Dramatic Works of Wycherley, Congreve, Vanbrugh, and Farquhar . . . By Leigh H u n t . . = Comic Dramatists of the Restoration, in: Critical and Historical Essays . . ., 5 vols., vol. IV, Leipzig 1850 - Tauchnitz' "Collection of British Authors", vol. 188 - p. 148). Ben Jonson läßt zwar einige Randfiguren Ansichten vertreten, die diesem Aspekt der Restaurations108

mentalität verwandt sind; z. B. liegt Mrs. Mavis' oben zitiertes Prinzip der "Ladies Collegiates" (s. K a p . V: „Damenkränzchen") ebenso in dieser Richtung wie Lady Eithersides Bemerkung in D. is A.: "If no body should loue mee, but my poore husband, I should e'[e]n 1 1 9 hang my seife." (IV 4, 97-98). Aber derartige Gestalten sind nur von untergeordneter Bedeutung und gehören keinesfalls wie die Gentlemen des Restaurationslustspiels zu den H a u p t p e r sonen. In seinen Komödien f ü h r t Jonson die szenische Realisierung dieser Prinzipien nicht vor, auf der Bühne wird diese auf übersteigerten erotischen Genuß und ständiges Amüsement ausgerichtete Lebensform, deren Adepten sidi nur zwischen den Parks und den Theatern bewegen, nicht dargestellt. Immerhin zeigen Stellen in seinem Gedicht "An Epistle to a Friend, to perswade him to the Warres" (Und. XV), daß eine solche Lebensweise seinem satirischen Blidc schon aufgefallen war. 120 Ein anderer Aspekt des modischen Gesellschaftslebens allerdings ist auch in Jonsons Komödien schon voll entwickelt, wenn auch diese Gesellschaft zu seiner Zeit noch nicht als soziologisch und geographisch bestimmbare Gruppe so klar zu erkennen ist wie die " T o w n " der Restaurationsepoche. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, das wohl immer auftritt, wo in einer Gesellschaft gewisse Verhaltensweisen als normative Modeideale den Nachahmungstrieb der Unfähigen reizen. Ben Jonsons "gulls" und die Gecken der Restauration (ebenso wie ihre weiblichen Entsprechungen) zeigen als Grundzug die Eigenschaft aller sozialen Ehrgeizlinge, deren Wollen ihr Können übersteigt: die Affektation (s. auch Kap. I I I , "Humour"-Theorie). "A pox on 'em, and all that force nature, and would be still what she forbids 'em! Affectation is her greatest monster," (Wycherley, C. W. I 1, p. 257) - das ist nicht nur H o m e r s Urteil über Sparkish, sondern es ist das allgemeine Urteil der echten "wits" über die Hauptschwäche ihrer Zeit. Zweierlei Bedeutung hat das Wort "affectation" in diesem Zusammenhang: 1. Geziertheit, Unnatürlichkeit, Manieriertheit des Benehmens, das den Unbegabten wie ein schlechtpassender Anzug sitzt; 2. Anmaßung gesellschaftlicher Tugenden (vor allem des "wit"), die einem nicht zukommen. Natürlich sind diese beiden Bedeutungen, die hier zum Zwecke der systematischen Klarheit getrennt wurden, in Wirklichkeit eng verbunden und deshalb schwer zu unterscheiden: Gerade die zitierte Bemerkung Horners zeigt, wie in dem Begriffskomplex "affectation" die beiden Bedeutungsnuancen der Unnatürlichkeit (". . . force nature . . .") und Anmaßung (". . . would be still w h a t she forbids 'em . . .") zusammenfließen. 121 Die Symptome und Formen der Affektation wurden schon bei der Behandlung der männlichen und weiblichen Gecken etc. (s. Kap. V) erörtert. D o r t wurde auch auf den allen Typen der Affektation gemeinsamen Zug der Eigenliebe hingewiesen, den ja Ben Jonson in C. R., wo die Toren aus der Narzißquelle trinken, zum Zentrum seiner Darstellung gemacht hat (s. o., S. 88). Eine ironische Beschreibung der "Beaux", deren Eigenliebe zur Selbstanbetung übersteigert ist, gibt Rigadoon in Farquhars L . . . Bottie seinem Schüler Mockmode und dessen Diener: "[They are a ] sort of Indians in their religion, they worship the first 109

thing they see in the morning . . . Their own shadows in the glass . . . " (II 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 35). Eine Sonderform der Affektation ist die Nachahmung ausländischer Manieren und Moden. Insbesondere sind es die Vertreter der Verehrung für alles Französische in Mode und Etikette, die in der Restaurationskomödie und bei Jonson erscheinen (s. o., Kap. V, S. 92 f.). Auch über die spezielle Figur des geistig beschränkten Modenarren hinaus finden sich Hinweise auf das Thema der Französelei, und zwar dramatisiert in Verhaltensweisen bestimmter Gestalten (s. z. B. Sir Harry Wildair in Farquhars Const. C., besonders 114 — Dramatic Works, vol. I, p. 162, und die französische Vokabeln sammelnde Melantha in Drydens "Marriage a-la-Mode") oder als direkte Invektiven in Dialogabschnitten (z. B. mehrfach bei Shadwell: in "The Humorists" - I I , Works ed. Summers, vol. I, pp. 193-94 - unterhalten sich Crazy und Mrs. Errant darüber, daß alles französisch sei; in "Epsom-Wells" - I 1, vol. II, p. 106 - und "The Virtuoso" - II 1, vol. III, p. 131 - äußern sich Bruce und Longvil bzw. Snarl abfällig über die jungen Gecken, die sich in Frankreich ihre Politur holen). 1 " Daneben gibt es die Anhänger der spanischen Mode: Wittipol in D. is A. gibt sich als englische Dame aus, die auf Grund ihrer Reisen die Gebräuche Spaniens vorbildlich beherrscht (IV 4); Don Diego folgt fanatisch der längst altmodisch gewordenen spanischen Sitte (Wycherley, G. D.-M.); auch Tom Pistole in D'Urfeys "The Old Mode and the New" gehört zu diesem Typus (Hinweis bei Graham, MLQ 8, p. 49); Farquhar läßt den alten Mirabel sich in ein spanisches Gewand verkleiden (The Inconstant III 3 - Dramatic Works, vol. I, p. 373, - in Fletchers "Wild-Goose Chase" erscheint Orianas Bruder als "Savoyan Lord" verkleidet). Auch der Gegensatz zwischen der etwas veralterten spanischen und der neueren französischen Mode, den wir z. B. in Wycherleys G. D.-M. zwischen dem alten Narren Don Diego und dem jungen Gecken Monsieur de Paris finden, wird bereits in Jonsons D. is A. ausgesprochen, als die beiden Londoner Damen bei Wittipols Bericht über spanische Sitte zu dem Schluß kommen: " . . . 'Tis more French, And Courtly ours . . ." (IV 4, 92-93).12S Ein hin und wieder satirisch demaskierter Zug der feinen Gesellschaft ist ihre geheuchelte Herzlichkeit: Die Gesellschaftslüge wird als Sonderform des „Selbstwiderspruchs" vorgeführt (s. Kap. III). In Jonsons "Poetaster" gibt Crispinus Chloe Ratschläge über die vornehmste Art, Gäste zu behandeln: " . . . if you will entertaine them most courtly, you must doe thus: as soon as euer your maide . . . brings you word they are come; you must say (A poxe on 'hem, what doe they here?) And yet when they come, speake them as faire, and giue them the kindest welcome in wordes, that can be." (II 1, 143-48). Carlo Bvffone handelt in etwa nach diesem Rezept und wird von Macilente nicht ohne Grund als "good JANUS" angesprochen (E. M. O. I 2, 203). In der Restaurationskomödie ist das Verlästern ja ein allgemeiner Brauch, und auch 110

die nachfolgende Herzlichkeit gegenüber den O p f e r n ist nicht ungewöhnlich. Als Beispiel mag hier die überschwenglich freundliche Begrüßung des gerade noch mit Bosheit diskutierten Lord Plausible durch Olivia und Novel in Wydierleys PI. D. dienen (II 1, p. 404). 124 Eliza gibt'zu diesem Vorgang einen ihrer spöttisch-zornigen Kommentare (ib.). Stehendes Motiv der Restaurationskomödie ist die Dreiteilung in die Lebenskreise " T o w n " - " C o u n t r y " - "City". So deutlich ausgesprochen wie in der Restaurationszeit wird diese Dreiteilung bei Ben Jonson noch nicht; zwar kommen in seinen Komödien Vertreter der drei Lebensbereiche vor (statt der "Town" allerdings erscheinen Repräsentanten der höfischen Gesellschaft bzw. ihrer Randbezirke), doch bestimmt die Dreiteilung nicht direkt die Struktur des Personenbestandes und wird nicht immer wieder in Anspielungen als eine Art Leitthema benutzt. Ständiges Objekt satirischer Ausfälle in der "comedy of manners" sind das Landleben und die Gestalten der Provinzgesellschaft. Der Landjunker ist ein beliebtes komisches Motiv (s. o., Kap. V), und f ü r die Damen und Herren der Londoner Gesellschaft scheint es nichts Schlimmeres zu geben, als auf dem Lande, fern von den Vergnügungen der " T o w n " , leben zu müssen. "Why, wou'd it not make any one mad to hear thee bewail the loss of the Country?" r u f t Gatty zornig Ariana zu (Etherege, She wou'd . . . I 2, 129-30), und dieselbe H a l t u n g kommt in vielen Bemerkungen und kleinen Erxkursen verschiedener Komödien zum Ausdruck, z. B. in dem belustigten Bericht von der Begegnung mit der Landjunkerfamilie, den Beilinda im M. of M. gibt (V 1, 25-59; ebenso ihre Namensschwester in Congreves Old B., IV 4, pp. 60-61), in Emilias ironischem Loblied auf das Landleben (Shadwell, The Süllen Lovers IV 1 - Works ed. Summers, vol. I, p. 69). Die Figur des Landjunkers ist auch bei Jonson vorhanden, aber es fehlen die eingestreuten allgemeinen Tiraden gegen die Trostlosigkeit des Lebens in der Provinz. Z w a r ist unter den Verhaltensregeln, die Gertrvde ihrer zukünftigen Zofe gibt, auch der Befehl: ". . . laugh at countrie Gentlewomen" (Eastward H o e II 2, 360-61), doch ist dies nur eine einmalige Erwähnung des Motivs, die nicht dramatisch genutzt wird." 5 Auch die "City" und ihre Bewohner, die Kaufleute mit ihren Frauen, sind regelmäßig Ziel des Spottes in der Restaurationskomödie (s. o., Kap. V: "citizen" und „Bürgersfrau"). Mit Vorliebe werden gerade an dieser Klasse einige negative geistige und moralische Qualitäten demonstriert, die größtenteils schon bei der Behandlung des "citizen"-Typus in Kap. V erwähnt wurden. Nicht genannt wurde allerdings der Snobismus, d. h. der soziale Ehrgeiz tieferstehender Schichten, der ein recht häufiges Thema bei Ben Jonson und auch seinen Zeitgenossen ist 126 : Die "town gulls" Matthew und Asotvs (E. M. I. bzw. C. R.) zeigen als Söhne von "Citizens" besonders die Verbindung zur Satire gegen das Bürgertum, Briske will als H ö f l i n g gelten (E. M. O.), Fitzdottrell Herzog werden (D. is A.), Sogliardo hat sich ein "gentleman"-Patent gekauft (E. M. O. III 4, 52-54). In der Restaurationszeit kommt das Motiv des Snobismus noch verschiedentlich vor. Dryden verkörpert diesen Trieb in III

Frances Bibber, die gern "Madam Bibber" sein möchte (The Wild Gallant, besonders I V 1 - Works ed. Scott, vol. II, pp. 80-81; V 3, p. 105), und Melantha, der "town lady", die gern am Hofe verkehren möchte und trotz fortwährender Enttäuschungen nicht zurückzuweisen ist (Marriage a-la-Mode, besonders I I I 1: " I declare, I had rather of the two be rallied, nay, 'mal traitée' at court, than be deified in the town; for, assuredly, nothing can be so 'ridicule' as a mere town lady." - Vol. IV, p. 282). Ein besonders deutliches Beispiel dafür, daß mit Titelsucht verbundener gesellschaftlicher Ehrgeiz nicht ausgestorben ist, bietet Lord Foppington: £ 10 000 hat er für seinen Titel bezahlt (Vanbrugh, Rel. I 3, 16)! Im allgemeinen aber tritt in der eigentlichen "comedy of manners", in den Komödien von Etherege, Wycherley, Congreve, Farquhar, Vanbrugh (abgesehen von der genannten Ausnahme), die durch Herkunft bedingte Minderwertigkeit als komisches Motiv zurück: Die Gecken werden zur Zielscheibe des Spottes wegen ihrer geistigen Mängel. Auch das Geltungsstreben des "citizen" wird von den bedeutenderen Autoren nicht besonders angeprangert. Es wird nicht als handlungsauslösendes oder -vorantreibendes Element benutzt, sondern erscheint höchstens einmal als beiläufig anklingendes und nicht weiter verfolgtes Nebenmotiv: Mrs. Behns Sir Timothy Treat-all ist bedrückt, als Jervice ihm sagt, daß keine Mitglieder des Adels unter seinen Gästen seien (The City Heiress I I I 1 - Plays, vol. II, pp. 205-6). Sonst aber spielt der Snobismus der reichen Kaufleute als Thema der Satire erst bei einer Reihe von untergeordneten Autoren gegen Ende der Periode, d. h. Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts, als der Westen Londons immer mehr audi von dieser Klasse bewohnt wird, eine größere Rolle. Beispiele dieser Art führt J. Loftis an (Comedy and Society from Congreve to Fielding, Stanford, 1959, Ch. I I I . The Survival of the Restoration Stereotypes, 1693-1710, besonders pp. 54-61): Thomas Dilke, The City Lady (1697): Lady Grumble, "A City Lady lately remov'd into Covent Garden, in all things affecting quality" (zitiert Loftis p. 54); George Powell, A Very Good Wife (1693): Sneaksby; ders., The Cornish Comedy 1696): Gripe; Edward Ravenscroft, The Canterbury Guests (1694): Furr; Mary Pix, The Beau Defeated (1700): reiche Kaufmannswitwe, "bent on social climbing" (Loftis p. 56); Charles Burnaby, The Ladies' Visiting Day (1701): Sir Testy Dolt leidet unter dem Ehrgeiz seiner Frau (ähnlich Sir Solomon Sadlife in Colley Cibbers "The Double Gallant", 1707); Thomas Baker, Hampstead Heath (1705): Deputy Drivers junge Frau Arabella; (über Baker und Burnaby sagt Loftis auf p. 57: "[they] satirize the social ambitions of the merchants . . . " ) Mrs. Centlivre, The Basset-Table (1705): Sago wird durch den Ehrgeiz seiner Frau fast ruiniert. Nur kurz angesprochen wurde oben die Neigung zum Aberglauben, die zwar 112

kein Privileg der "citizens" ist, aber dodi an ihnen verschiedentlich gezeigt wird: Fitz-dottrell in Jonsons D. is A. und Foresight in Congreves L. f. L. sind solche Fälle (s. o., S. 96). Die Astrologie als Mittel zum Betrug wird in Farquhars Reer. O. vorgeführt (Kites Sprechstunde, IV 3), Lodwick in Mrs. Behns "Sir Patient Fancy" verkleidet sich als Astrologe (V 1 - Plays, vol. IV, p. 88), Mopus in Wilsons "The Cheats" (1663) wirkt als Astrologe und Quacksalber. Auch Mr. Gazer in der anonymen Komödie "The Counterfeit Bridegroom" (1677) gehört hierher (Hinweis auf diese und einige andere der genannten Figuren bei M. Summers in seiner Shadwell-Ausgabe, vol. I, p. 312 = Anmerkung zu "The Humorists" V 1, p. 242). Astrologie und überhaupt Aberglauben spielen aber in der "comedy of manners" eine recht geringe Rolle: Man hat jetzt andere Arten der Narrheit zu verspotten, besonders die Affektation. Jonson benutzt den Aberglauben mehrfach als Objekt seiner Satire, z. B. in D. is A. (Fitz-dottrells Interesse an Teufelsbeschwörungen, I 2/3; Either-sides Leichtgläubigkeit, die ihn Fitz-dottrells Besessenheit für echt halten läßt, V 8) und besonders in Aich., wo vor allem die Aldiemie als Betrug dargestellt wird (einige spezielle Formen des Aberglaubens sind Dappers Verlangen, die "Queen of Faerie" zu sehen, I 2 und häufiger, und Drvggers Glaube an Magie, Astrologie etc., I 3 u. ö . ) . m Die Habgier ist ein Thema, das in der Restaurationszeit am Beispiel des "citizen" abgehandelt wird. Häufiger ist es noch in der Zeit Jonsons: Zum wesentlichen Antrieb der Hauptfiguren wird die Habsucht in Volp., und auch in Aldi, ist sie wichtige Triebkraft (s. auch Kap. V).128 Der einzige Charakterzug, der auch in der Restaurationskomödie so etwas wie moralische Entrüstung hervorruft, ist die Heuchelei. Besonders Wycherleys PI. D. und Congreves D.-D. drehen sich um dieses Thema: Im Mittelpunkt steht der Heuchler in der Gestalt des ungetreuen Freundes. Über die Arten des Heuchlers, die Verbindung mit Habgier und sexueller Abenteuerlust wurde bereits im vorigen Kapitel gehandelt (s. o., "citizen", „Heuchler"). Vielleicht ließe sich die „Gesellschaftslüge" (s. o.) als eine harmlose, sozusagen „erlaubte" Form der Heudielei ansehen. Den Fanatismus, die Heuchelei, die Habgier der Puritaner, die ebenfalls meist mit der "City" verbunden werden, hat Ben Jonson mehrfach geschildert. In der Restaurationszeit wird der Puritanismus besonders von Mrs. Behn satirisch dargestellt (z. B. Sir Patient Fancy, The City Heiress, The RoundHeads). In der eigentlichen "comedy of manners", d. h. bei Etherege, Wycherley, Congreve, Vanbrugh und Farquhar, sind direkte Anspielungen relativ selten: Gripe in Wycherleys Love . . . W. und Smuggler in Farquhars Const. C. sind dramatische Verkörperungen dieser Riditung; Sir Nicholas Cully in Ethereges Com. R. ist nur durch seinen Titel in den "Personae Dramatis" (p. [3]: "Knighted by Oliver") mit dem Puritanismus verbunden; Congreves Tribulation Spintext, den Bellmour nachahmt (Old B. IV 1, p. 51: "Enter Bellmour in fanatic habit"), tritt überhaupt nicht auf. Die Helden der Restaurationskomödie, die Gentlemen der "Town", folgen dem Grundsatz, den ausgerechnet Aphra Behn von ihrem jungen Tory Wilding aussprechen läßt: 113

"Let Politicians plot, let Rogues go on In the old beaten Path of Forty one; Let City-Knaves delight in Mutiny, The Rabble bow to old Presbytery; Let petty States be to confusion hurl'd, Give me but Woman, I'll despise the World." (The City Heiress I I I 1 - Plays, vol. II, p. 223, - diese Verse beschließen den Akt). Entsprechend verhalten sich auch die Autoren, zumindest die bedeutenderen, in ihren Lustspielen: Man begnügt sich mit gelegentlichen spöttischen Seitenhieben auf den Puritanismus, die aber keineswegs den Ton des Ganzen bestimmen. Die satirischen Angriffe auf den Puritanismus als politische Macht, die besonders bei einigen weniger bekannten Autoren neben Mrs. Behn in Komödien und auch ernsten Dramen stärker hervortreten, erörtert Allardyce Nicoll in einem Aufsatz ("Political Plays of the Restoration", MLR 16, 1921, pp. 224-42). In seinem PI. D. gibt Wycherley auch eine Satire auf Mißbrauche der Rechtspflege (die käuflichen Zeugen, die "Knights of the Post", V 3) und die Geschäftstüchtigkeit der Juristen (III 1). In Farquhars "The Twin-Rivals" spielen zweifelhafte juristische Manöver mit Hilfe falscher Zeugen eine wichtige Rolle für die ganze Handlung (s. z. B. II 3 - Dramatic Works, vol. II, p. 41). Sir Timothy brüstet sich, daß die "City" alles in ihrem Interesse verdrehen könne (Behn, The City Heiress III 1 - Plays, vol. II, p. 211; V 1, p. 260). Ben Jonson stellt in Volp. eine Gerichtszene dar, in der das Böse über das Gute siegt, wiederum durdi falsche Zeugen (IV 5/6). Ein besonders gewissenloser Jurist ist Picklock in S. N., der gleich Vater und Sohn Peni-boy betrügen will. Practice in M. L. macht Silkworm ein günstiges Angebot: " . . . let me pack your Jury." (III 4, 6). So sehen wir, wie die Kritik an einem bestimmten Mißstand zwar nidit dominierend erscheint, aber doch über das ganze 17. Jahrhundert hinweg in satirischen Anspielungen immer wieder laut wird. Eine weniger direkte, weniger konkret stoffliche Parallele ist die Bloßstellung der Dummheit der komischen Gestalten durch ihre Vorführung als Opfer betrügerischer Manöver: Das "cony-catching"1*** in den verschiedensten Formen kehrt ständig wieder. Man kann also dieses Prinzip (bzw. die in ihm vom Zuschauer mit beträchtlicher Schadenfreude erkannte Moral, daß nämlich mit Habgier und ähnlichen schlechten Eigenschaften verbundene Dummheit harte Strafe verdient) wohl zu den thematischen Hauptlinien der realistischen Komödie Ben Jonsons und der Restaurationszeit rechnen. Am deutlichsten wird es in Jonsons Gaunerkomödien, etwa in Aich, und Volp., und in den Scheinund Narrenhochzeiten des Restaurationslustspiels (s. Kap. II, S. 51 und Anm. 58). Bereits in Kap. III wurde bei der Erörterung der komischen Technik des „Illusionsbrudis" kurz das Verhalten des Publikums angesprochen. Tatsächlich gehört die Auseinandersetzung mit einem ganz bestimmten Typus des Zuschauers zu den ständigen Themen der hier zu behandelnden Dramen. So läßt der 114

Autor im "Prologve for the Stage" zu S. N . den Sprecher eine Bitte an das Publikum übermitteln: "[he] prayes you'll not preiudge his Play for ill, Because you marke it not, and sit not still; But haue a longing to salute, or talke With such a female, and from her to walke With your discourse, to what is done, and where, How, and by whom, in all the towne; but here." (11. 7-12). Eine wahre Plage für Verfasser und Schauspieler müssen diese Gecken gewesen sein, die nur ins Theater gingen, um sich selbst zur Schau zu stellen. 12 ' Während der Vorstellung unterhielten sie sich laut und ungeniert und machten vernehmlich ihre Kommentare zum Geschehen auf der Bühne, oder sie platzten mitten in die Aufführung hinein, blieben nur kurze Zeit, wobei sie sich auf die eben beschriebene Weise bemerkbar machten, und verschwanden dann, wenn es ans Bezahlen gehen sollte. Noch in der Restaurationszeit gehörte ein solches Verhalten, besonders das geräuschvolle Betreten und Verlassen des Theaters während der Vorstellung, zu den Privilegien der Gentlemen; allerdings saßen sie erst gegen Ende der Periode wieder wie zur Zeit Shakespeares und Jonsons auf der Bühne (Nicoll, 4 1955, pp. 11-12). Wenn auch die Autoren dieses Benehmen in kritischer Absicht meist den Gecken zuschrieben, zeigt das fortwährende Auftreten solcher Anspielungen, daß der pädagogische Erfolg nicht sehr groß gewesen sein kann. Ben Jonson läßt in der "Indvction" zu C. R. einen der drei Knaben zum Ergötzen seiner Kollegen einen pfeifenrauchenden Kritikaster mimen (116-31), und Damplay in den "Chorus"-Szenen zu M. L. ist ein Zuschauer, der durchaus das ihm zustehende Recht zu nörgeln ausüben will. Valentine in "The Case ist Alterd" ergeht sich über das kritische Publikum (z. B. II 7, 40-44). Die "Gossips" in D. is A. sind alles andere als qualifizierte Theaterbesucher. Fitz-dottrell in D. is A. will im Theater nur seinen neuen Umhang zeigen und im übrigen Schauspieler und Dichter ärgern: "If I could but see a piece - . . . Come but to one act, and I did not care But to be seen to rise, and goe away, To vex the Players, and to punish their Poet Keepe him in awe!" ( I l l 5, 41-45). In der Restaurationskomödie führt uns Shadwell Theater auf der Bühne vor: Der vierte Akt seiner Komödie "The True Widow" spielt im Zuschauerraum und auf der Bühne eines Theaters; die Kommentare der Gecken und ihr Interesse an allerlei Ablenkungen werden gezeigt, schließlich führt ein Streit im Publikum zum Abbruch der Vorstellung. Sonst aber hören wir nur indirekt von dem Benehmen der "would-be wits", die laut Zwischenrufe machen und sich mehr um die "vizard masks" als das Stück kümmern: " S o loud the Din, that who the Play wou'd hear Might be as well Inform'd at Home, as there . . . " (Robert Gould, The Play-House, A Satyr - abgedruckt in M. Summers, The Restoration Theatre, London, 1934, Appendix I - Zitat p. 298). 130 Zu diesen 115

Störenfrieden gehört Sparkish in Wycherleys C. W . : ". . . the reason why we are so often louder than the players, is, because we think we speak more wit, and so become the poet's rivals in his audience . . ." ( I l l 2, p. 290). Lord Froths Absicht ist wie die Fitz-dottrells, " [ t o ] mortify the poets" (Congreve, D . - D . I 2, p. 112), indem er sich nämlidi durchaus nicht zum Lachen reizen läßt. Auf die Unsitte des Hin- und Herwanderns von Theater zu Theater spielt Etherege in She wou'd . . . an: "From one Play-house, to the other Play-house, and if they like neither the Play nor the Women, they seldom stay any longer than the combing of their Perriwigs, or a whisper or two with a Friend; and then they cock their Caps, and out they strut again." (I 2, 1 5 7 - 6 1 ) . Brisk und Drybob in " T h e Humorists" brüsten sich mit ihrer Selbstdarbietung im Theater ( V - Works ed. Summers, vol. I, p. 244), in " T h e Virtuoso" beschreibt Bruce das kraftmeierische Auftreten der kaum dem Knabenalter entwachsenen jungen Herrlein, "Such as come Drunk and Screaming into a Play-house, and stand upon the Benches, and toss their full Periwigs and empty Heads, and with their shrill unbroken Pipes, cry, 'Dam-me, this is a Damn'd Play; Prethee let's to a Whore, Jade!" (I - vol. I l l , p. 106). Anspielungen dieser Art auf das Benehmen des Publikums der Restaurationszeit kommen immer wieder vor, besonders in den Prologen und Epilogen zu den Komödien und auch den Tragödien der Periode. Es kann hier aber darauf verzichtet werden, noch mehr Belege anzuführen, da sowohl Nicoll ( 4 1955, Chapter One, The Theatre. I I . The Audience) als auch M. Summers (The Restoration Theatre, pp. 6 8 - 7 2 ) eine Reihe von weiteren Zitaten bringen. Gerade die Prologe und Epiloge, die in direkter Anrede des Publikums die Sache des Autors und der Aufführung vertreten, geben uns einen interessanten Aufschluß über den etwas aggressiven Ton, in dem die Verfasser mitunter zu ihren Zuschauern sprachen. Die spöttischen Attacken, die ja nur einem bestimmten Teil des Publikums gelten (in den Komödien selbst werden die negativen Züge stets den komischen Figuren zugesprochen und von den echten "wits" kommentiert), sind nämlich z. T . recht allgemein gehalten, aber offenbar wußten die Theaterbesucher der Restaurationszeit eine gewisse Frechheit (die ja auch zum Bild des Gentleman gehörte, s. o., Kap. I I I , S. 65) zu schätzen. So wird denn in den Prologen und Epilogen mit kleinen Seitenhieben nicht gespart; die "captatio benevolentiae" erfolgt mitunter auf recht ironische Art, z. B. im Epilog zu Congreves Old B . : "Why, that's some comfort to an author's fears, I f he's an ass, he will be tried by's peers." (p. 92). Auch bei Ben Jonson müssen sich verständnislose Zuschauer in den "Chorus"Szenen oftmals recht derbe Rügen gefallen lassen, z. B. Mr. Damplay in M. L . : "With whose borrowed ears, have you heard, Sir, all this while, that you can mistake the current of our Scene so?" (Chorus nach dem 3. Akt, Z. 4 f.). Vor allem erinnert die Vorrede zu Cat., " T o the Reader in Ordinairie", sehr an die Methode der Unverschämtheit, die drei Jahrhunderte später Bernard Shaw 116

kultivieren sollte: "[you] dislike the Oration of Cicero, in regard you read some pieces of it, at Sdioole, and vnderstand them not yet," wirft der Autor dem Leser vor (Herford/Simpson V, p. 432). Ben Jonsons "Chorus"-Szenen und "Inductions" (wie auch manche seiner Prologe) dienen, wie schon bei der Darstellung der Techniken des „Illusionsbruchs" und „Selbstzitats" (s. Kap. I I I ) angedeutet wurde, vor allem der Selbstdeutung des Autors durch Erörterung literarischer Fragen: Literatur erscheint als Gegenstand der Literatur. Mehrfach läßt Jonson in den Rahmendialogen eine als Freund oder Sprecher des Diditers gekennzeichnete Figur zu einigen als kritische Zusdiauer verkleideten Schauspielern sprechen (Cordatvs in E. M. O., "A Boy of the house" in M. L.). Der rein polemische "Poetaster" endet mit einem förmlichen Strafgericht über die Konkurrenten. Hier erfolgt also die „Antikritik" in direkter Form. Aber auch die indirekte Methode weiß Ben Jonson zu benutzen. Der "Stage-Keeper" in der "Indvction" zu B. F. ist mit seinen Verbesserungsvorschlägen eine offensichtlich ironisch gemeinte Figur. Auch die "Gossips" in S. N. sind ironische Darstellungen nicht besonders verständiger Zuschauer. Gossip Mirth erwähnt dazu noch Mrs. Trouble Truth, die in ihrer Kritik an D. is A. (das hier zitiert wird) krasse Unkenntnis verrät, wenn sie behauptet, der Autor stelle in allen seinen Dramen Teufel auf die Bühne (The first Intermeane . . ., 1. 49) und er bringe die weiblichen Zuschauer nur auf schlechte Gedanken (". . . he would learne vs all to make our husbands Cuckolds at Playes," ib., 11. 52-53). In solchen Figuren geht es natürlich nicht um Selbstdeutung des Autors, sondern um die polemische Verhöhnung kritischer Äußerungen - auch eine Form der literarischen Diskussion! In der Restaurationskomödie bedient man sidi gern der Prologe und Epiloge (abgesehen von den Widmungsgedichten und -Schriften) für literarische Anspielungen, insbesondere auf die vorangegangene Epoche des englischen Dramas (s. Zweiter Teil, Kap. I I : „Anspielungen"). Die illusionsaufhebende Wirkung einiger Äußerungen von Dramengestalten über gewisse Konventionen der ganzen Gattung wurde bereits erwähnt (s. o., Kap. I I I , „Illusionsbruch"): Diese Bemerkungen sind, vom Standpunkt des Autors gesehen, offenbar selbstironisch. Auch die Kritiker im Publikum werden durch spöttische Äußerungen, die Figuren des Dramas vorbringen, z. T. recht heftig attackiert: So gibt z. B. Lyric in Farquhars L . . . Bottie eine negative Beschreibung der "critics" (IV 2 - Dramatic Works, vol. I, p. 79). Besonders interessant erscheint die literarische Auseinandersetzung in Wycherleys PI. D., weil der Verfasser hier Personen des Stücks über eine eigene Komödie, nämlich C. W., diskutieren läßt und dabei auf geschickte Weise „Antikritik" übt, indem er die Einwände ausgerechnet der heuchlerischen und affektierten Olivia in den Mund legt (II 1, pp. 407-10). Es liegt auf der Hand, hierin eine Parallele zur „Kritik der Frauenschule" von Molière zu sehen.1®1 Wenn auch die Möglichkeit, daß Molière mit diesem Motiv unmittelbar auf Wycherley gewirkt hat, nidit schlankweg abzulehnen ist (gerade bei Einflußfragen sind endgültige und eindeutige Entscheidungen ja sehr schwer), darf dodi das Vorhandensein der einheimischen Tradition nicht übersehen werden: Literarische Polemik, die indirekte Methode der 117

„Antikritik" und auch die besondere Technik des „Selbstzitats" sind, wie wir festgestellt haben, schon für Ben Jonson nichts Ungewöhnliches (s. o. und K a p . III). Damit wären die wichtigsten Themen genannt, die der Jonsonschen Komödie und der "comedy of manners" gemeinsam sind. Zugleich ist nun der ganze Kreis der Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Lustspielgruppen abgeschritten. Zwei Fragen aber bleiben zum Schluß unserer Untersuchung noch zu beantworten, damit das Bild durdi Überbetonung des Ähnlichen nicht einseitig verzeichnet erscheint: 1. Wo liegen die wesentlichen U n t e r s c h i e d e zwischen Jonson und der "comedy of manners"? 2. Welche a n d e r e n T r a d i t i o n s s t r ö m e sind noch bedeutsam? Selbstverständlich können diese Fragen hier nur andeutungsweise behandelt werden. Die folgenden Ausführungen sollen nicht besondere Untersuchungen zu diesen Problemkomplexen ersetzen, sondern nur in der Besinnung auf mehr oder weniger allgemeinbekannte Fakten die bisher gegebene Darstellung der Tradition Ben Jonsons in der Restaurationskomödie abrunden.

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S C H L U S S T E I L

Unterschiede und Wirkungsfaktoren außer der Jonsonschen Komödie K A P I T E L

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Unterschiede zwischen Jonson und der Restaurationskomödie Schon bei der Behandlung der Gemeinsamkeiten war hin und wieder auch auf gewisse Verschiedenheiten hinzuweisen, da dramatische und komische Techniken, Charaktere usw. in abgewandelter Form oder mit unterschiedlicher Akzentuierung erscheinen. Im folgenden sollen noch einmal die wesentlichen Unterschiede im Zusammenhang betrachtet werden. Diese Unterschiede betreffen sowohl die Fragen des Gehalts und Stoffs als auch der Form. Stellen wir an den Beginn die elementare Frage nach der Absicht des Autors, die Frage nach der Auffassung, die der Verfasser von der Aufgabe der Dichtkunst, in unserem Falle der Komödie, hat! Ben Jonson hält sich hier an die Horazische Verbindung didaktischer und ästhetischer Wirkung, die Verbindung von Nutzen und Vergnügen: "Omne tulit punctum qui miscuit utile dulci lectorem delectando pariterque monendo." (Ars poética 343f. - zitiert Herford/Simpson I X , p. 420, Kommentar zu E. M. O.). Der zweite Prolog zu S. W. beginnt: "The ends of all, who for the Scene doe write, Are, or should be, to profit, and delight." Dieselbe Meinung wird auch an anderen Stellen ausgesprochen, z. B. im Vorspiel zu E. M. O. (1. 202) und im Prolog zu Aich.132 In der Praxis allerdings tritt bei Jonson die pädagogische Absicht stärker hervor, als solche prinzipiellen Äußerungen vermuten lassen. Für die Ausführung wird sein heftiges satirisches Temperament bestimmend, wie es Asper als Vertreter des Autors im Vorspiel zu E. M. O. zum Ausdruck bringt: " . . . Well I will scourge those apes . . ." (1. 117). Daß seine Satire sowohl intellektuell als auch moralisch sein kann, wurde bereits gesagt (s. o., Dritter Teil, Kap. I, S. 33). Ein Beispiel für vorwiegend moralische Kritik ist Volp.: Dieses schauerliche Gemälde der Selbstsucht, in dem die groteske Nebenhandlung mit den Wovld-bees nur ein schwaches Gegengewicht bildet, endet mit einem allgemeinen Strafgericht und zeigt so in extremer Form die Bitterkeit der Jonsonschen Satire. S. W. scheint zwar vor allem zur Unterhaltung des Publikums verfaßt und ist insofern für Jonson eine Ausnahme, aber auch hier wird die Kritik (in der in diesem Falle das intellektuelle Element überwiegt) an den negativ bewerteten komischen 119

Figuren mit aller Schärfe vorgebracht, und diese stehen am Schluß in ihrer ganzen Verächtlichkeit bloßgestellt da. Natürlich ist audi den Autoren der Restaurationskomödie das "utile dulci" bekannt - zumindest in der Theorie. Vanbrugh bezeichnet die Erziehung des Publikums sogar als Aufgabe der Komödie schlechthin: " . . . the business of Comedy is to shew people what they should do, by representing them upon the stage, doing what they should not." (A Short Vindication of the 'Relapse' and the 'Provok'd Wife', from Immorality and Profaneness - Sir John Vanbrugh, ed. W. C. Ward, London, 1893, vol. II, p. 396). Allerdings verliert diese Äußerung doch etwas an objektivem Wert, wenn man bedenkt, daß sie ja als Erwiderung auf Colliers Angriff gemeint ist und dem Verfasser also gewissermaßen abgenötigt wurde. Congreve meint in seinem Widmungsschreiben zum D.-D.: "It is the business of a comic poet to paint the vices and follies of humankind . . ." (To the Right Honourable Charles Montague, p. 101 der Ausgabe in der "Mermaid Series"); er dürfte damit wie Vanbrugh eine Entscheidung für das "utile" ausgesprochen haben, denn in der Formulierung "vices and follies" scheint eine didaktische Absicht impliziert. Die beiden entgegengesetzten Positionen des "prodesse" und "delectare", um ein anderes Horazisches Begriffspaar zu gebrauchen, vertreten Shadwell und Dryden, zwisdien denen es zu einer Art Kontroverse über diese Alternative kommt (s. dazu Spingarn II, pp. 339-40, Anmerkung des Herausgebers zu p. 153, 20: Shadwell, Preface to "The Humorists"). Dryden betont dabei die Rolle des Vergnügens in der Dichtkunst und besonders in der Komödie: " . . . delight is the chief, if not the only, end of poesy: instruction can be admitted but in the second place, for poesy only instructs as it delights . . ." (A Defence of an Essay of Dramatic Poesy, Ker I, p. 113), ". . . the chief end of [comedy] is divertisement and delight . . . the first end of Comedy is delight, and instruction only the second . . (Preface to an Evening's Love, Ker I, pp. 142-43). Shadwell dagegen entscheidet sich für das "prodesse": " . . . I must take leave to dissent form those, who seem to insinuate that the ultimate end of a Poet is to delight, without correction or instruction . . . " (Vorwort zu "The Humorists", Works ed. Summers, vol. I, pp. 183-84). Allerdings wird damit Dryden eine Position unterstellt, die er so extrem gar nicht eingenommen hatte. Die bisher zitierten Äußerungen gehören aber nur in den Bereich der Theorie. Wie sieht es mit der Praxis der Restaurationskomödie aus? Wird die Schilderung der negativen Seiten des Lebens, wie sie besonders Vanbrugh als Thema der Komödie bezeichnet - hierin Jonsons Grundsätzen im Prolog zu E. M. I. und in der "Induction" zu E. M. O entsprechend - auch wirklich zu ihrer Verurteilung? Zweifellos hat der dort propagierte Moral- und Sittenunterricht "ex negativo" gewisse Gefahren,13® die natürlich Collier nicht entgangen sind, denn er betont immer wieder, daß in den von ihm attackierten Komödien das Laster zu anziehend dargestellt würde (besonders Chap. IV: "The StagePoets make their Principal Persons Vicious, and reward them at the End of the Play." - A Short View of the Immorality and Profaneness of the English 120

Stage . . ., The Third Edition, London 1698, pp. 140 ff.). Tatsächlich tritt der pädagogische Trieb der Lustspielautoren in der "comedy of manners" praktisch wenig in Erscheinung. Einzig in Wycherleys PI. D. und weniger stark in Congreves Gegenstück, D.-D., ist etwas von der herben Aggressivität Jonsonscher Satire zu spüren: Hier wird in der Haupthandlung ein moralisches Übel, die Heuchelei und Verstellung eines falschen Freundes, dargestellt;1®4 allerdings wird diese Satire stärker als bei Jonson von anderen komischen Motiven umspielt (Freeman - Widow Blackacre, Brisk - Lady Froth usw.). Moralische Kritik ist also nicht eigentlich die Domäne der "comedy of manners", vor allem wird die sexuelle Freizügigkeit nicht zum Zwecke der Abschreckung vorgeführt! Die intellektuelle Satire dagegen nimmt einen breiten Raum ein: Die Figuren der Affektation gehören hierher. Aber in diesem Spott auf menschliche Schwächen ist von Aspers Willen zur Züchtigung doch wenig zu spüren. Mit einem kühl überlegenen Lachen, dem der bittere Unterton des Bessernwollens meist gänzlich fehlt, werden die Torheiten betrachtet. Dummheit ist eben unheilbar, und so dient die Bloßstellung des affektierten "wit" mehr dem Selbstgenuß des echten "wit" als der Bekehrung der Toren. Deutliche Veränderungen gegenüber Jonson sind auch in der Thematik zu bemerken, und zwar im Sinne einer Einschränkung. Auffallendster Zug der "comedy of manners" wie der Mehrzahl der Restaurationskomödien ist die Milieuverengung. Während bei Jonson neben der Sphäre der Gentlemen (dazu gehören z. B. die drei Freunde in S. W) auch ganz andere Lebenskreise dargestellt werden (die Welt des niederen Betruges wird in Aich, gezeigt, B. F. ist ein vielschichtiges Gemälde des Londoner Lebens), erscheint in der Sittenkomödie der Restauration allein die "Town". Diese Beschränkung ist durchaus absichtlich: "Gentlemen will now be entertained with the follies of each other; and, though they allow Cobb and Tib to speak properly, yet they are not much pleased with their tankard or with their rags. And surely their conversation can be no jest to them on the theatre, when they would avoid it in the street." (Dryden, Defence of the Epilogue, Ker I, p. 177). Alle anderen Lebens- und Gesellschaftssphären werden bewußt ausgeschaltet; der Schuster und die Obstverkäuferin in Ethereges M. of M. werden nur auf die Bühne gebracht, weil sie audi im täglichen Leben mit den Gentlemen in Berührung kommen. Wie der Hauptinhalt des Lebens der "Town" das amouröse Abenteuer ist, finden wir als das wichtigste Handlungselement in den diese Lebensform abspiegelnden "comedies of manners" die erotische Intrige. Bei Ben Jonson, der diese Lebensweise keineswegs billigt (s. o., Dritter Teil, Kap. VI, "Town", besonders Anm. 120) - womit zugleich ein Unterschied der moralischen Position klar wird finden sich dergleichen Verwicklungen zwar auch, aber nur als Randmotive (s. o., Dritter Teil, Kap. II, S. 50). Legitime Liebeshandlungen bieten seinem satirischen Temperament offenbar keinen rechten Ansatzpunkt. Illegitime Liebe ist zwar mehrfach in das Geschehen einbezogen, aber die Pläne werden im Unterschied zur Restaurationskomödie (die allerdings in 121

der Spätzeit von dem üblidien Muster abweicht: s. Dritter Teil, Kap. IV, „Bekehrungsszenen") nicht mit Erfolg durchgeführt: Eine Glorifizierung illegitimer Beziehungen oder auch nur ihre leichtfertige Behandlung wie in der Restaurationszeit ist ganz und gar nicht Ben Jonsons Sache. Auf dieses weitgehende Fehlen des Liebesmotivs bei Jonson weist Dryden hin: " . . . love, which is the foundation of ail comedies in other languages, is scarcely mentioned in any of his plays . . (Defence of the Epilogue, Ker I, p. 177). Die Darstellung der erotischen Intrigen in der Restaurationskomödie ist charakterisiert durch eine bestimmte Haltung der Geschlechter zueinander, die diesen Intrigen eine besondere Eigenart verleiht. Der Begriff "sex-antagonism", den etwa Dobree (Restoration Comedy, Oxford, 1924) mehrfach gebraucht, kennzeichnet die allgemeine Stimmung des Gegensatzes, der Widerspenstigkeit, fast könnte man sagen: einer gewissen kühlen Gegnerschaft, die in den Beziehungen der Geschlechter sogar bei den Liebespaaren ständig durchklingt und rein äußerlich in den Wortgefechten zwischen Damen und "wits" Gestaltung findet. Die erotischen Intrigen werden zu einer Auseinandersetzung, für deren Grundton die immer wieder gebrauchten Jagd- und Kriegsmetaphern aufschlußreich sind.135 Bei Jonson fehlt natürlich dieser ganze Komplex des "sex-antagonism", und es fehlt ebenso der sich besonders in der erwähnten Metaphorik kristallisierende Ton des Zynismus, der Härte gegenüber den Frauen, speziell den ehemaligen Geliebten (s. auch Anm. 135). 138 Eng verbunden mit der ständigen Schilderung erotischer Affären ist in der Restaurationszeit die ausgesprochene Vorliebe der Autoren für förmliche „Sexualpointen", d. h. die recht unverhüllte Darstellung sexueller Dinge (z. B. in der Porzellanszene, IV 3, in Wycherleys C. W., die wohl ein Musterbeispiel virtuoser Zweideutigkeit ist) und das stete Ansprechen des sexuellen Bereichs, auch im Zusammenhang mit ganz anderen Vorgängen (z. B. in Fainalls Vergleich zu Beginn von Congreves W. of W., der die Beziehung fast automatisch herstellt: "I'd no more play with a man that slighted his ill fortune than I'd make love to a woman who undervalued the loss of her reputation." - I I , p. 319). Allerdings gibt es innerhalb der Restaurationskomödie verschiedene Grade der Kraßheit: In Congreves letzter Komödie, W. of W., kommen, obwohl die Gestalt der Lady Wishfort dazu durchaus Möglichkeiten geboten hätte, solche deutlichen, z. T. pornographisch zu nennenden Züge wie etwa noch in seinem Old B., in Wycherleys C. W., Shadwells "Epsom-Wells" oder Drydens "Limberham" nicht mehr vor; bei Farquhar schließlich ist die sexuelle Freizügigkeit aus der Handlung ganz in den Dialog abgedrängt (s. Anm. 6). Ben Jonson dagegen erscheint in seinen Ausdrucksformen mitunter recht derb (z. B. Qvarlos über die dicke Vrsla, B. F. II 5, 81-82: "She'll make excellent geere for the Coach-makers, here in Smithfield, to anoynt wheeles and axell trees with."), aber ausgesprochene Sexualpointen sind weder in der szenischen Darstellung noch der Dialogformulierung sein Metier. Der alte Kno'well ergeht sich in einem Monolog über die Unsitte der Eltern, schon kleinen Kindern "bawdie songs" und Wörter wie "whore" beizubringen und später den Heranwachsenden ein zügelloses Leben vorzuleben (E. M. I. 115, besonders Z. 19-46). 122

Hierin kann man ihn wohl als Sprachrohr des Autors auffassen, der in einem seiner - ebenfalls in der Folio von 1616 abgedruckten - Epigramme (XLIX. To Play-Wright) sich ähnlich zu diesem Thema äußert: "PLAY-WRIGHT me reades, and still my verses damnes, He say es, I want the tongue of Epigrammes; I haue no salt: no bawdrie he doth meane. For wittie, in his language, is obscene. PLAY-WRIGHT, I loath to haue thy manners knowne In my chast booke: professe them in thine owne." (Herford/Simpson VIII, p. 42). Bereits in Kap. II des Dritten Teiles wurde auf den für die Restaurationskomödie charakteristischen Wirbel der Intrigen hingewiesen (s. o., S. 44). Damit sind, zusätzlich zur inhaltlichen Verlagerung der Intrigen in den sexuellen Bereich, formale Unterschiede hinsichtlich dieses audi bei Jonson schon stark ausgeprägten Handlungselementes angedeutet: In der "comedy of manners" sind die Intrigen zahlreicher, und sie sind komplizierter. Bei Ben Jonson treibt eine Person, die „Regiefigur", die Handlung voran, in der Restaurationszeit intrigieren fast alle miteinander und gegeneinander. Den engen Zusammenhang zwischen diesem formalen Aspekt der Komödie und der in ihr abgespiegelten Lebensweise zeigt besonders klar Courtalls vielzitierter - und auch in dieser Arbeit (S. 41) bereits angeführter - Ausspruch: " . . . a single intrigue in Love is as dull as a single Plot in a Play, and will tire a Lover worse, than t'other does an Audience." (Etherege, She wou'd . . . III 1, 106-08). Die Häufung immer komplizierterer Betrugsmanöver wird besonders deutlich in Congreves D.-D., wo Maskwells Ausreden und immer neue Intrigen gegen drei verschiedene Parteien (Lady Toudiwood, Lord Touchwood, Mellefont) in sich steigerndem Tempo aufeinander folgen und ständig gewagter werden, bis er schließlich der eigenen Geschwindigkeit zum Opfer fällt. An diesem Drama wird noch eine Besonderheit der Intrigen in der "comedy of manners" sehr gut sichtbar: Die Mittel der Intriganten sind jetzt feiner und eleganter. Ben Jonsons Intrigen sind oftmals bloßer, unverschämter Betrug, Lüge (Volpone stellt sich krank, als er vor Gericht soll - IV 6), oder es wird mit direkteren, stofflichen Mitteln gearbeitet, vor allem mit Verkleidungen (Epicoene, der verkleidete Junge; Wittipol in D. is A.). Natürlich ist das Verkleidungsmotiv auch in der Restaurationszeit überaus häufig, und es tritt audi in z. T. recht krassen Formen auf. Aber auf den Höhen der Gattung, z. B. in den Werken Congreves, weiß man doch audi sehr viel geschickter vorzugehen. Für diese „Vergeistigung" der Intrige ist eben Maskwell das beste Beispiel: Er lügt nicht einmal mehr, sondern sagt stets die „Wahrheit", d. h. er gesteht sogar kompromittierende Fakten ein, gibt ihnen aber eine etwas andere Interpretation. So wird also die Wahrheit zur sublimsten Form der Lüge: "No mask like open truth to cover lies, As to go naked is the best disguise." (D.-D. V 1, p. 175). 123

Ein letzter Punkt bleibt in diesem Zusammenhang zu nennen: In der "comedy of manners" wird das Intrigieren fast zum Selbstzweck, besonders in den Nebenhandlungen. Audi die Hauptintrigen, selbst wenn sie einer bestimmten Absicht dienen, werden mit einer gewissen sportlichen Freude inszeniert: ". . . oh, 'tis such a pleasure to angle for fair-faced fools!" ruft wiederum Maskwell aus (D.-D. II 1, p. 130). Volpones Genuß der eigenen Schlauheit (z. B. I 1, 30-32: " I glory More in the cunning purchase of my wealth, Then in the glad possession . . .") ist mehr ein renaissancehafter, ästhetisch gefärbter Machtgenuß als die Freude am prickelnden Reiz eines intellektuellen Schachspiels. - Vielleicht läßt sich der in diesem Abschnitt angedeutete Unterschied am klarsten negativ zeigen, wobei wieder die Verbindung zu den A b s i c h t e n der Autoren hergestellt wird: Es fehlt in der "comedy of manners" die Intrige mit satirischer Absicht, die man auch als „pädagogische" Intrige bezeichnen könnte (Macilente in E. M. O. ist dafür das beste Beispiel). Die wohl heute noch stärkste Wirkung der "comedy of manners", besonders der Werke von Etherege und Congreve, geht aus von der Eleganz der vorgeführten Lustspielkonversation, die gekennzeichnet ist durch geistreiche Wendungen von Gedanken ins Allgemeine, geschliffene, sentenzenhafte Abrundung der Formulierungen, intellektuelle Zuspitzung und Klärung der Aussage durch antithetische Form und amüsante, z. T. überraschende Vergleiche, blitzschnelle, schlagfertige Erwiderungen und Weiterführungen angesprochener Gedanken. Besonders dieser letztgenannte Aspekt, die mühelose (oder scheinbar mühelose) Betätigung des "wit" (hier wohl der modernen Bedeutung stark ähnelnd, s. o., S. 26) im Wechselspiel des Dialogs, die Bewährung im Wortgefecht, im intellektuellen Ballspiel der hin- und herfliegenden " r e p a r t e e s w i r d von Dryden gepriesen und als ein Hauptreiz der zeitgenössischen Komödie bezeichnet: "As for Comedy, repartee is one of its chiefest graces; the greatest pleasure of the audience is a chace of wit, kept up on both sides, and swiftly managed." (An Essay of Dramatic Poesy, Ker I, p. 72; ähnlich im Vorwort zu "An Evening's Love", Ker I, p. 139). Ben Jonson legt in seinen Komödien auf die Darstellung elegant-witziger Konversation keinen besonderen Wert, da es ihm mehr auf die Bloßstellung der Torheit ankommt als auf die Entfaltung der Eleganz. Wortwechsel bleiben meist im rein Persönlichen, in der direkten, oftmals derben Invektive. Das deutlichste Beispiel ist wohl der Streit zu Beginn von Aich. Es fehlt in den Jonsonschen Konversationsszenen (etwa in S. W.) das "repartee". Zwar scheint in der Formulierung des jungen Peni-boy das Prinzip des "repartee" ausgesprochen zu sein: "Call you this ieering? I can play at this, 'Tis like a Ball at Tennis." (S. N. IV 1, 21-22). Aber Almanacks Antwort läßt klarwerden, daß es sich bei diesem Ballspiel 124

nicht um das elegante Hin- und Herwerfen geistreicher Anspielungen handelt, sondern um bloße Beschimpfungen: " T i s indeed, Sir, When we doe speake at volley, all the ill We can one of another." (Ib., 23-25). Man könnte im Gegensatz zu der betont dialogischen, d. h. das "repartee" als wesentliches Element benutzenden Struktur des "wit" der Restaurationskomödie ("wit" hier wiederum als geistige Brillanz verstanden, s. o., S. 26) den "wit" der Jonsonschen Komödien als vorwiegend monologisch bezeichnen: Wichtigstes Requisit sind die "clenches", von Dryden bezeichnet als "the lowest and most grovelling kind of wit" (Defence of the Epilogue, Ker I, p. 173). Daß Ben Jonson in dieser Vorliebe für Wortspiele nur einer Stileigenart seiner Zeit folgte, braucht nicht besonders betont zu werden. Seine Wortspiele scheinen allerdings einen sehr buchgelehrten Anstrich zu tragen. Die Jonsonsche Technik zeigt sich recht deutlich an einer Stelle in C. R., wo Amorphvs von Mercvry u. a. mit folgenden Worten beschrieben wird: "He Walkes most commonly with a cloue, or pick-tooth in his mouth, hee is the very mint of complement, all his behauiours are printed, his face is another volume of essayes; his beard an Aristarchus." (II 3, 87-91). Hier entsteht also eine Assoziationskette: "cloue" = Zahnstocher / Gewürznelke - "mint" = Gewürz / Münze - "printed" = gemünzt, geschlagen / gedruckt - "volume of essayes" - Aristardius als gelehrter Autor. Eine solche Reihung von assoziativ ineinander übergehenden Metaphern unter Benutzung doppeldeutiger Wörter läßt die monologische Form dieses "wit" besonders klar hervortreten. In der Restaurationszeit wird das Worspiel als Zeichen geistiger Brillanz nicht nur von Dryden abgewertet. Wycherley führt uns im PI. D. einen lächerlichen Anhäger dieser längst überholten Künstelei vor: "that facetious noble way of wit, quibbling," ist für Major Oldfox noch das Höchste (V 2, p. 492). Dagegen tauchen bei Farquhar Wortspiele wieder auf, z. B. stellt sich die als Soldat verkleidete Silvia (also eine sympathisch gemeinte, eine nichtkomische Figur) folgendermaßen vor: "Captain Pinch: I cock my hat with a pinch, I take snuff with a pinch, pay my whores with a pinch." (Reer. O. V 2 - Dramatic Works, vol. II, p. 210). Daß schließlich auch bei Vanbrugh die Kunst der geschliffenen Konversation abnimmt, sei nur am Rande vermerkt. Hazlitt sagt über ihn: ". . . his best jokes are practical devices, not epigrammatic conceits." (Lectures on the English Comic Writers, IV: On Wycherley, Congreve, Vanbrugh, and Farquhar - Complete Works . . . ed. P. P. Howe, London, 1931, vol. VI, p. 84). Als letzter Aspekt der formalen Unterschiede zwisdien Jonsons Komödien und dem Restaurationslustspiel, speziell der "comedy of manners", soll die Behandlung der Charaktere betrachtet werden. Vielleicht lassen sich über diesen Punkt, bei aller in Anbetracht der Komplexität des Gebietes gebotenen Vorsicht, doch einige verallgemeinernde Aussagen machen. Ein deutlicher Unterschied zwischen den behandelten Dramengruppen scheint zu sein, daß die "Humours", d. h. sowohl die echten "Humours" im Sinne der 125

psychologischen Definition als auch die "humours of affectation", und die damit verbundenen sprechenden Namen überwiegend aus der Haupthandlung in die Nebenhandlungen zurücktreten. Das gilt natürlich nicht für Shadwell, und es gilt auch nicht für einige Komödien anderer Autoren, in denen komische Figuren zu Hauptakteuren werden (z. B. Drydens "Sir Martin Mar-all", Aphra Behns "Sir Patient Fancy", die allerdings beide trotz sprechender Namen nicht eindeutig als "Humours" zu klassifizieren sind), in denen also der Hauptteil des Geschehens sich wie bei Jonson um die Bloßstellung der Narren dreht. In der Mehrzahl der Restaurationskomödien aber, besonders in den Sittenlustspielen, deren Haupthandlung im wesentlichen darin besteht, daß die gescheiten Gentlemen mit den dazugehörigen jungen Damen zu einem Einverständnis kommen, treten "Humours" mit sprechenden Namen als Hauptfiguren nicht auf. Die deutlichste Ausnahme ist hier wieder einmal Wycherleys PI. D. Wenn echte "wits" mit sprechenden Namen versehen werden (was selten vorkommt), handelt es sidi um allgemeine Andeutungen ihres Temperamentes etc., nicht um genaue Eingrenzungen einer besonderen Funktion (z. B. Wildblood in Drydens "An Evening's Love"). Die weiblichen Hauptgestalten, d. h. die Erbinnen, tragen fast nie sprechende Namen (Alithea in Wycherleys C. W. ist ja ein so abstrakt-symbolischer Name, das er kaum zur spezifischen Charakterisierung dienen kann); vielleicht spielt hierfür die Tatsache eine Rolle, daß sie in der Jonsonschen Komödie keine Entsprechungen haben. Es fehlen in der "comedy of manners" die exzentrischen "Humours" vom Schlage Morose' (S. W.) und Typen, die nur aus e i n e r übersteigerten Eigenschaft oder fixen Idee bestehen, wie Macilente und Fvngoso in E. M. O. Ein Verzicht auf Ausgefallenheit der Typen (selbst die Prozeßsudit von Wycherleys karikierter Witwe Blackacre ist nidit so entlegen wie Morose' Geräuschempfindlidikeit), auf extreme Überspitzung und Einseitigkeit, eine gewisse Tendenz zu größerer Komplexität durch Kombination mehrerer Züge sind zu konstatieren (s. o., S. 57). Selbst die komischen Gestalten können jetzt „menschlichere", fast sympathische Züge tragen. Nahezu entwaffnend dürfte audi auf den zeitgenössischen Zuschauer Lord Foppingtons Bemühen um philosophische Ruhe ("for a philosophical air is the most becoming thing in the world to the face of a person of quality." - Vanbrugh, Rel. V 5, 278-79) gewirkt haben, und vor allem ist seine unerschütterliche Selbstgewißheit beinahe bewunderungswürdig, wenn er seinem Bruder, der ihn zornig als "prince of coxcombs" bezeichnet (III 2, 130), gelassen zur Antwort gibt: "Sir - I am praud of being at the head of so prevailing a party." (Ib., 131-32). Diese „Vermenschlichung" der komischen Figuren, diese Herabstimmung auf ein normaleres Maß durch die Wahl der charakteristischen Eigenschaft aus den in der Gesellschaft üblichen Torheiten und ihre Verquickung mit anderen Zügen, führt allerdings nicht zur Schaffung ganz individueller Charaktere: Die komischen Gestalten bleiben im Typischen, sie sind von außen, aus der Distanz gesehen, die Dimension des Seelischen wird ihnen nicht zugestanden. Es ist eine andere Frage, ob etwa die nichtkomischen Personen, also besonders die Gentlemen und ihre Damen, eine solche psychologisch motivierende, 126

verstehende, mitfühlende Darstellung u n d Individualisierung erfahren. 1 * 7 Man könnte freilich an einigen Stellen Ansätze zu einer gewissen Psychologisierung oder „Beseelung" von Hauptpersonen sehen. Als Beispiel mag hier Congreves Liebespaar in W. of W. stehen: Mirabeils Verhältnis zu Mrs. Millamant in seiner Mischung aus Faszination, lädielnder Kritik und leichter Hilflosigkeit (s. besonders Millamants erstes Auftreten, I I 2, pp. 344-49) und die Verbindung von Klugheit, leichter Affektiertheit und (in bezug auf Mirabell) Zuverlässigkeit in Mrs. Millamant selbst geben zumindest eine Andeutung individuell seelischer Vorgänge. Allerdings wird doch insgesamt die Vertiefung in das Innenleben der Gestalten nicht ernsthaft angestrebt. Im Mittelpunkt steht der "wit", nicht das Gefühl. Die elegante Konversation, die brillante Formulierung und der Spott über die Toren sind wichtiger als die psychologische Motivierung einer Handlung. Schließlich ist die Restaurationskomödie Ausdruck einer bestimmten Gesellschaft (bzw. Gesellschaftsschicht) und ihrer Lebensform, d. h. sie sieht die Menschen vor allem als Mitglieder dieser Gesellschaft und weniger als Individuen. Damit rücken von vornherein typische äußere Verhaltensweisen stärker in den Blickpunkt der Darstellung als individuelle innerseelische und innergeistige Vorgänge. - Im Hinblick auf die Zeichnung der nichtkomischen Charaktere ist also keine grundsätzliche Verschiedenheit der "comedy of manners" von der Komödie Jonsons festzustellen: Die Gentlemen (nur diese kommen ja wegen des Fehlens der jungen Damen bei Jonson f ü r den Vergleich in Betracht) zeigen auch in der Restaurationszeit eine starke Familienähnlichkeit untereinander. Als dramatische Figuren sind sie im wesentlichen bestimmt durch ihre einheitliche F u n k t i o n als Hauptträger der erotischen Intrigen in der Handlung und Sprachrohre des "wit" in der Konversation. Diese Art der Funktionalität begrenzt die Möglichkeiten verstehender, psychologisch motivierender Charakterzeichnung.

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K A P I T E L

II

Wirkungsfaktoren außer der Jonsonschen Komödie Zum Abschluß wird die Frage zu beantworten sein, welche literarischen Kräfte außer der Jonsonschen Tradition eine Rolle gespielt haben bei der Ausbildung der Restaurationskomödie. Selbstverständlich kann es sich hier, in stärkerem Maße noch als bei der Erörterung der wesentlichen Unterschiede, nur um Andeutungen handeln. Für eine eingehendere Darstellung und weitere Literaturangaben zu verschiedenen Punkten kann auf Nicoll verwiesen werden (Chapter Three, I. Introductory: Elizabethan and Foreign Models •1955, pp. 181-93). Zwar dürften die wesentlichsten Züge der Gattung den einheimischen Traditionen zuzuschreiben sein, aber den ausländischen, d. h. dem spanischen und französischen Drama, kommt sicher auch eine gewisse Bedeutung zu. Wycherley zeigt in seinen frühen Werken stoffliche Anklänge an Calderón: Die Handlung von Love . . . W. weist Parallelen zu "Mañanas de abril y mayo" auf (s. J. U. Rundle, "Wydierley and Calderón: a Source for 'Love in a Wood'", PMLA 64, 1949, pp. 7 0 1 - 7 ) , in G. D.-M. sind einige Motive aus "El Maestro de Danzar" übernommen (s. Einleitung des Herausgebers W. C. Ward zu G. D.-M. in der Wycherley-Ausgabe der Mermaid Series, p. 127). Der bekannteste Fall einer direkten Beziehung der Restaurationskomödie zum spanischen Drama ist Samuel Tukes auf Wunsch des Königs angefertigte Bearbeitung von "Los Empeños de Seis Horas", die unter dem Titel "The Adventures of Five Hours" auch Pepys' Wohlgefallen erregte. 138 Es ist die Frage, ob über diese und einige andere stoffliche Beziehungen hinaus sich auch allgemeine Züge der spanischen Komödie in der Restaurationskomödie wiederfinden. Martin Hume sagt in seiner - allerdings schon älteren - Studie "Spanish Influence on English Literature" (London, 1905): "The main characteristics of all such dramas, and what really was the Spanish invention, was the machinery of the intrigue - rooms with hidden doors, secret staircases with facilities for the exchange of one personality for another, the ringing of changes on two or more pairs of lovers." (p. 283). Die ersten beiden Motive kommen zwar als äußere Voraussetzungen für den Ablauf einiger Intrigen auch in der "comedy of manners" vor, aber sie bestimmen keineswegs die Struktur. Das letztgenannte Motiv aber spielt gerade in dieser Gattung keine Rolle: Solche „romantischen" Verwicklungen entsprechen nicht ihrer Stimmung. Eine größere Bedeutung wird dem französischen zeitgenössischen Drama zugesprochen (das auch als wichtigster Vermittler des spanischen zu gelten hat, 128

s. Nicoli, 4 1 9 5 5 , p. 192; Hume p. 297). V o r allem ist die Wirkung Molières in einer großen Zahl von Arbeiten behandelt worden. Allerdings scheinen die Untersuchungen vielfach von der fragwürdigen Annahme ausgegangen zu sein, daß ein für uns so bedeutender Autor audi auf seine Zeitgenossen schon einen überragenden Einfluß gehabt haben müsse. Der ganze Fragenkomplex des Verhältnisses zwischen Molière und dem Restaurationslustspiel wird am eingehendsten von John Wilcox behandelt in seinem Buch "The Relation of Molière to Restoration Comedy" (New Y o r k , 1938), das bereits im Literaturbericht erwähnt wurde (s. o., Erster Teil, Kap. II). Wilcox formuliert den einleuchtenden methodischen Grundsatz : " . . . vague analogues between the work of Molière and Restoration playwrights must not be credited to the Frenchman when native dramatic tradition or the original genius of the English author is fully adequate to account for what we find." (p. 193). Er kommt für die Gesamtheit der englischen Dramatiker der Restaurationszeit zu dem Ergebnis: "Molière was a convenient source of good plots, nothing more." (p. 200). Aber selbst bei der Annahme stofflicher Entlehnungen sollte man bedenken, daß einzelne Motive, die bei Molière erscheinen, zugleich in der einheimischen Tradition stehen (z. B. die Kritik an den Kritikern in Wycherleys PI. D.). Ob darüber hinaus noch eine allgemeine Einwirkung von Molière auf die englischen Lustspielautoren vorliegt, wie Nicoli meint ( 4 1955, pp. 1 8 9 - 1 9 0 ) , dürfte schwer zu entscheiden sein, da sich dieser ungreifbare Einfluß anscheinend einer genaueren Festlegung entzieht. In zweierlei Hinsicht unterscheidet sich die "comedy of manners" ebenso sehr von Molière wie von Jonson: 1. in der Kultivierung des "wit" in der Konversation, des "repartee", 2. in der überaus starken Betonung des Sexuellen in erotischen Intrigen und „Sexualpointen". - Schon Dryden weist in seinem "Essay of Dramatic Poesy" darauf hin, daß bereits in der englischen Dramatik vor der Restaurationszeit, besonders bei Fletcher, das "repartee" gepflegt worden sei, " t o a much higher degree of perfection than the French poets can arrive at." (Ker I, p. 72). In einem generellen Vergleich des englischen und französischen Dramas im 17. Jahrhundert kommt T. C. Macaulay zu dem Schluß: "French comedy is not the comedy of repartee, the jousts of wit during which the action of a play is held up for verbal fence are absent from it. There are more 'good things' in many a single page of Congreve than in a whole play of Molière." ("French and English Drama in the Seventeenth Century: Some Contrasts and Parallels", E & S 20, 1934, pp. 6 9 - 7 0 ) . Ebenso fehlt bei Molière die für die englische Restaurationskomödie charakteristische Ausrichtung auf das Sexuelle: Überwiegende Beschäftigung mit erotischen Intrigen in der Haupthandlung, genußvolles Ausbreiten von Sexualpointen, Glorifizierung illegitimer Affären, der ganze Komplex des "sexantagonism" sind dem französischen Dichter fremd bzw. spielen keine wichtige Rolle in seinen Werken. Für diese beiden genannten Elemente, die also weder bei Molière noch Ben Jonson Entsprechungen haben, lassen sich einheimische Traditionen anführen, die durch einige von Jonsons Zeitgenossen vertreten werden.

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Auf die Bedeutung der Fletcherschen Komödie (vielleicht sollte man hier besser gleich, seinen zeitweiligen Mitarbeiter Beaumont einbeziehen) für die Pflege des "repartee" hat ja schon Dryden hingewiesen. Aber selbst Lylys Hofkomödien zeigen schon die Tendenz zur bewußten Pflege des Prosadialogs um seiner selbst willen: eine Haltung, die ja auch für die Restaurationsdramatiker charakteristisch ist. In Shakespeares großen Komödien, wie "Much Ado About Nothing", "Twelfth Night", ist die Freude am pointierten Dialog (allerdings besonders mit Hilfe der später verpönten "clenches"), ist die Betonung der Konversation deutlidi zu spüren. Speziell mögen Wortgefechte wie die zwischen Beatrice und Benedick für das leicht widerspenstige, spöttische Verhältnis der schlagfertigen Restaurationsdamen zu ihren Verehrern Vorbilder gegeben haben. Überhaupt zeigen ja einige der Frauen und Mädchen Shakespeares, etwa Beatrice in "Mudi Ado About Nothing", Portia im "Merchant of Venice", Rosalind in "As You Like It", in ihrer sympathischen Gescheitheit und Mundgewandtheit eine typologische Ähnlichkeit mit den mundfertigen, ein wenig kühl-widerspenstigen Heldinnen der Restaurationskomödie, z. B. Harriet in Ethereges M. of M., Mrs. Millamant in Congreves W. of W . 1 " Eine gewisse Tradition der sehr freien Behandlung sexueller Motive, der Vorliebe für Sexualpointen, überhaupt der Betonung solcher Motive im "plot", ist ebenfalls bei Jonsons Zeitgenossen festzustellen. Crispinellas lockere Reden in "The Dutch Courtezan" von Marston mögen diese Tendenz illustrieren. Aber besonders Fletcher (z. B. "Rule a Wife and Have a Wife", "The WildGoose Chase") und auch Jonsons Schüler Richard Brome ("The Sparagus Garden", "A Mad Couple Well Match'd") arbeiten in dieser Richtung, die sich schon bei Shakespeare deutlich zeigt (vgl. etwa E. Partridge, Shakespeare's Bawdy, London, 1947). Der Name John Fletchers war nun schon mehrfadi in diesem Kapitel zu nennen, und auch im „Zweiten Teil" (Kap. II, „Anspielungen") erschien er bereits als der mit Ben Jonson und Shakespeare in der Restaurationszeit am häufigsten in Anspielungen erwähnte ältere einheimische Dramatiker. Sicher kommt seinen (bzw. den von ihm mit Beaumont gemeinsam geschriebenen) Lustspielen eine große Bedeutung für die Entwicklung der englischen Komödie auf dem Wege zur besonderen Form der "comedy of manners" zu. Hier finden wir neben der Pflege des dialogischen "wit" vor allem schon den Bereich des Sexuellen in einer der Restaurationszeit verwandten Art einbezogen: Wir finden die Zusammenstellung von lebenslustigen Gentlemen und jungen Damen, die ebenso munteren Geistes wie sorglosen Temperamentes sind, deren gegenseitiges Verhältnis aber auch schon die mit dem Schlagwort "sex-antagonism" bezeichnete kühl-widerspenstige Färbung aufweisen kann; 140 wir finden die Neigung zur leichten, spielerischen Behandlung des ganzen Problemkreises der Erotik, die Freude an sexuellen Pointen und vor allem die Tendenz, die erotische Intrige zum Hauptinhalt zu machen. Nicoll weist besonders auf "The Wild-Goose Chase" hin: "Except for the absence in it of any strong impress of a social code, here is the same subservience of the plot to witty dialogue, the same air of graceful abandon, the same careless disregard of more sober 130

moral standards, as we find in the Restoration comedies. Reading this and other kindred dramas in the 'Beaumont and Fletcher' series we feel that we are indeed standing on the threshold of Charles' Whitehall or entering the gates of St. James's Park." ( 4 1955, p. 183). Allerdings spielen diese Dramen in einem geographisch unbestimmten Raum oder in den romanischen Ländern, in Frankreich, Spanien, Italien, nicht aber in der realen Gesellschaft: Diese eigentliche „Konkretisierung" hat also noch nicht stattgefunden. Noch etwas näher sind wir der "comedy of manners" schließlich in einigen Komödien Shirleys, z. B. " H y d e P a r k " und "The Lady of Pleasure", die auch im Milieu der Restaurationskomödie angesiedelt sind. Nicoll sagt: " . . . in these two plays Shirley came nearer than any of his companions to creating the formula upon which the comedy of manners was constructed." ( 4 1955, p. 184).141 Es ist klar, daß trotz der Ähnlichkeit noch deutliche Unterschiede zwischen Shirley und den Restaurationsdramatikern bestehen, ebenso wie die Fletchersche Komödie trotz aller Annäherung an den späteren Typus mit diesem bei weitem nicht identisch ist. Doch würde es zu weit führen, audi diese Unterschiede noch herauszuarbeiten. Eine besondere Bedeutung schreibt Nicoll ( 4 1955, pp. 184-85) im Anschluß an K. M. Lynch (The Social Mode of Restoration Comedy) der unter Königin Henrietta Maria blühenden "préciosité" bzw. den aus ihr entstehenden - z. T. ernstgemeinten, z. T. ironischen - Dramen Sir John Sucklings zu. Jedoch stellt der hier vorausgesetzte Ubergang der „platonischen" Form der Künstlichkeit des Gesellschaftslebens in eine extrem „antiplatonische" einen schon alchemistisch zu nennenden Verwandlungsprozeß in der Geistesgeschichte dar, der dem Verständnis nicht ohne weiteres eingeht (s. auch Anm. 20). Damit wären die neben Jonson für die Ausbildung der "comedy of manners" wichtigsten Faktoren zumindest im Umriß angedeutet. Natürlich ist das Thema nicht erschöpfend behandelt, aber Vollständigkeit war ja keineswegs beansprucht. Immerhin zeigt sich, daß in der "comedy of manners" eine ganze Reihe von Wirkungsfaktoren zusammengetroffen ist.142 Darunter kommt den einheimischen Traditionen offensichtlich eine größere Bedeutung zu als den ausländischen Einflüssen. Einen hervorragenden Platz aber nimmt, auch im Vergleich zu den anderen englischen Wirkungsströmen, die von Ben Jonson ausgehende Tradition ein. Jonsons Wirkung reicht vom Grundsätzlichen bis ins Besondere, von der bewußten Ausrichtung des englischen Lustspiels auf die kritisch-satirische Darstellung der realen Londoner Gesellschaft und der damit verbundenen Bevorzugung bestimmter Themen, von der A n k n ü p f u n g an die Prinzipien der klassischen realistischen Komödie über die Pflege wichtiger dramatischer und komischer Techniken bis zur Prägung wesentlicher Typen, ja sogar bis zur Verwendung einzelner Motive und Effekte.

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A N H A N G

I

Anmerkungen und Exkurse 1. Es wurde bewußt darauf verzichtet, für die Jonsonsche Komödie die Formel "comedy of humours" zu gebrauchen, um die Einengung auf einen Aspekt zu verhindern. Solcherlei Termini haben ja eine gewisse hypnotische Kraft, besonders wenn sie in Paaren auftreten: Dann nämlich werden im Bestreben, zu klaren Definitionen und deutlichen Differenzierungen zu kommen, die Unterschiede gern überbetont, die Gemeinsamkeiten außer acht gelassen. So macht dieser „antithetische Zwang" auch aus dem Begriffspaar "comedy of humours" — "comedy of manners" leicht einen Gegensatz, zumal die analoge Konstruktion der Bezeichnungen zu überspitzten Vergleichen reizt. Bonamy Dobree scheint in seinem Buch "Restoration Comedy" (Oxford, 1924) gegen diese Begriffshypnose nicht immer gefeit (z. B. p. 35). 2. Schon etliche Jahre vor Colliers leidenschaftlicher Attacke sind Angriffe gegen das Theater der Zeit zu registrieren. Darüber handelt besonders J . W. Krutch (Comedy and Conscience after the Restoration, New York, 1924 - Third Printing 1955). 1694 regt die "Society for the Reformation of Manners" in ihrer Schrift "Proposal for a National Reformation of Manners . . ." an, " T o supplicate their majesties, that the public play-houses may be suppressed." (Krutch p. 163). Weitere Äußerungen von Geistlichen und von Laien wenden sich schon vor 1698 ausdrücklich gegen die Zustände im Drama der Zeit. Krutch nennt auf S. 95 an Schriften nichtgeistlicher Autoren Robert Goulds Satire "The Playhouse" (1689), James Wrights "Country Conversations" (1694), die anonyme Schrift "A Reflection on our Modern Poesie" (1695) und das Vorwort zu Sir Richard Blackmores "Prince Arthur" (1695). Auch die Regierung unternimmt Schritte zur Säuberung des Theaters: Krutch zitiert (pp. 180-81) zwei entsprechende Befehle des jeweiligen Lord Chamberlain vom 24. Januar 1696 bzw. 4. Juni 1697. Die Tatsache, daß ähnliche Verordnungen auch noch in späteren Jahren immer wieder erlassen werden, scheint allerdings auf Schwierigkeiten bei der Durchführung zu deuten. - Collier ist also nicht zu überschätzen: ". . . his importance depends rather upon his vigor and freshness of application than on his originality." (Krutch p. 95). Aber auch seine fanatische Angriffslust hat ja der Restaurationskomödie nicht mit einem Schlage den Garaus gemacht. Die allmähliche Wandlung im Drama dürfte, wie die erwähnten Beispiele zeigen, auf eine Wandlung des gesamten Bewußtseins der Zeit bzw. das immer stärkere Hervortreten einer bestimmten Strömung innerhalb der geistigen Atmosphäre zurückzuführen sein: Collier ist nicht die alleinige Ursache dieser Veränderung, sondern nur ein (allerdings besonders deutlich erkennbares) Symptom. Das Datum für Colliers Stück ist wie die Daten aller Restaurationslustspiele nach Nicolls "Hand-list of Restoration Plays" ( = Appendix C in seinem "Restoration Drama") angegeben; die Jahreszahlen werden in der ganzen Arbeit nur nach der heute gebräuchlichen Zeitrechnung angegeben (also „24. Jan. 1696" statt „24. J a n . 1 6 9 5 - 9 6 " ) . 3. Der Begriff "comedy of manners" wurde zuerst von Charles Lamb in seinem Essay " O n the Artificial Comedy of the Last Century", 1822, angewandt, und zwar mit Bezug auf eine bestimmte Gruppe von Restaurationslustspielen. Zu dieser Zeit kam die ältere Bezeichnung "genteel comedy" allmählich außer Gebrauch, weil man das Wort "genteel" immer mehr mit der "lower middle class" verband. (F. W. Bateson, "Comedy of manners", E I C 1, 1951, pp. 8 9 - 9 3 ) .

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4. Natürlich soll ihr Erkenntniswert f ü r geistesgeschichtliche Betrachtungen und Gesamtdarstellungen literarhistorischer Abläufe nicht grundsätzlich bestritten werden, sofern man sich der Tatsadie bewußt bleibt, d a ß sie begriffliche Hilfskonstruktionen sind. 5. Die Unterschiede zur Gattung "sentimental comedy" in den Obergangsstufen allgemein darzustellen, w ü r d e den Rahmen dieser Bemerkungen, die ja nur einleitend auf ein anderes Thema hinführen sollen, ungebührlich übersteigen. Man müßte wohl f ü r jedes einzelne Stück eine genaue Überlegung anstellen. Immerhin seien einige Merkmale angeführt, die sich etwa bei Steele deutlich zeigen, ohne d a ß damit Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden soll: Reinigung der Sprache und der H a n d l u n g von Anstößigem, Bekehrung des leichtsinnigen Bösewichts am Schluß (das ist natürlich nichts Neues: vgl. etwa Shirleys " H y d e P a r k " ) und Sieg der Tugend, starke Betonung des Emotionalen, des Rührenden gegenüber dem " w i t " . In der Widmung an den H e r z o g von O r m o n d zu "The Lying Lover" (1703) schreibt Steele: "The design of [this comedy] is to banish out of conversation all entertainment which does not proceed f r o m simplicity of mind, good-nature, friendship, and honour." (Ridiard Steele, ed. G. A. Aitken, London, N e w York, n. d. - The Mermaid Series, p. 99). Er läßt also bezeichnenderweise "wit" f o r t ; die Freude des Zuschauers soll vielmehr herrühren aus dem ästhetischen Genuß moralischer Qualitäten, die im Dialog ausgesprochen werden. Über die Beschaffenheit dieser Freude sagt Steele 19 Jahre später im V o r w o r t zu "The Conscious Lovers": " . . . sure it must be an improvement of [comedy] to introduce a joy too exquisite for laughter . . ." (p. 270). O b einem solchen D r a m a noch die Bezeichnung "comedy" zukommt (selbst mit dem Attribut "sentimental"), ist eine andere Frage, da das eigentlich Komische nur noch in einigen Szenen gemäßigt zu Wort kommt. 6. Die besondere Mischung von Restaurationsethos und -motiven mit neuer biederer Gesinnung bei Farquhar kann hier nur angedeutet werden. - Z w a r wird in Farquhars Komödien noch eifrig intrigiert, doch es fällt auf, d a ß die auf illegitime Beziehungen gerichteten Intrigen, soweit sie wirklich auf der Bühne dramatisch vorgeführt werden, stets fehlschlagen, während aber nodi oft genug von erfolgreichen Unternehmungen gesprochen wird (z. B. brüstet sich Sir H a r r y Wildair, er habe die Schlüssel zu den meisten H i n t e r t ü r e n der Häuser um St. James' P a r k - Sir H a r r y Wildair IV 2, Dramatic Works, vol. I, pp. 297-98). Die Sexualmoral der Restaurationszeit ist also zwar aus dem Handlungsablauf verdrängt, im Dialog aber noch recht lebendig. Sir H a r r y ist der T y p des trinkfesten, munter sympathischen Helden (mit fast rustikalen Zügen) irischer H e r k u n f t , den Farquhar besonders dargestellt hat; dieser T y p hat nicht mehr die stilisierte intellektuelle Brillanz der Dorimant, H o r n e r etc., sondern zeigt auch durchaus gemüthafte Züge. - Interessant ist der Schluß von "The Inconstant" (1702), Farquhars Bearbeitung der "Wild-Goose Chase" Fletchers: Bei Fletcher überlistet O r i a n a den widerspenstigen Mirabell (sie!) dadurch, d a ß sie sich als fremde Dame verkleidet, der er schließlich einen Antrag macht; bei F a r q u h a r aber ist die fremde D a m e nicht O r i a n a , sondern der Lockvogel einer Räuberbande, und Oriana gewinnt Mirabels (sic!) Zuneigung dadurch, daß sie ihm das Leben rettet, was dem Leichtsinnigen verständlicherweise zu Herzen geht (". . . this was no human stratagem, but by my providential stars designed. . . . T o plunge me headlong in the snares of vice, And then to free me by the hands of virtue . . . , " - V 4, vol. I, p. 419). 7. " D r a m a t i c criticism in England began with Sir Philip Sidney. Casual references to the d r a m a can be f o u n d in critical writings anterior to the 'Defence of Poesy'; but to Sidney belongs the credit of having first formulated, in a more or less systematic manner, the general principles of dramatic art." (Spingarn, Ren. p. 282). "The sources of the dramatic criticism were the writings of the Italian critics, and these were entirely classical." (ib., p. 283). ". . . Sidney has the credit, however much he may have d r a w n f r o m Scaliger and others, of infusing the Aristotelian elements into English criticism, especially on the dramatic side." (Smith I, p. L X X I V , n. 8 133

Introduction). "In his pronouncement on the Unities, the neglect of which is his chief fault with the well-esteemed 'Gorboduc', he formulates a doctrine which, though disregarded by the Elizabethan Romantic Drama, passed into English criticism . . . " (ib. p. X L V ) . Anschließend an diese Erwähnung der drei Einheiten (die erste in englischer Sprache - s. Smith I, p. 398, Anm. zu 197,6 ff.) wendet sich Sidney audi in konkreten Beispielen gegen die Unwahrscheinlidikeiten des elisabethanischen Theaters (Smith I, p. 197), die geographische Weiträumigkeit ("Asia of the one side [of the stage], and Affrick of the other") und die raschen Szenenwechsel, die Schlachtenszenen, in denen ganze Armeen von vier Personen repräsentiert werden, die zeitliche Ausdehnung der Handlung, die das ganze Leben eines Fürsten von frühester Jugend an zeigt und sogar noch einige Kinder erwachsen werden läßt, "and all this in two hours apace." 7 a. Für die Schreibung der nicht in Abkürzungen zitierten Titel der Jonsonschen Stücke wurde die in den Seitenköpfen der Ausgabe von Herford/Simpson benutzte Fassung gewählt, seine Personennamen werden in der Schreibung der vorangestellten Rollenverzeichnisse wiedergegeben (jedoch werden die dort z. T. in Abkürzungen angegebenen Vornamen ausgeschrieben). - Dasselbe gilt sinngemäß für Titel und Charaktere anderer Dramatiker (z. B. Mrs. Behn), soweit in der jeweils benutzten Ausgabe (s. Literaturverzeichnis, Anhang I I I , A.) verschiedene Schreibungen vorkommen. 8. Auch Cynthia in Lylys "Endimion" schwankt zwischen Allegorie und Leibhaftigkeit, sie ist sowohl „Mond" als auch Königin, d. h. irdisches (wenn auch erhabenes) Wesen! 9. Jahreszahlen nach E. K. Chambers, The Elizabethan Stage, Oxford, vol. I I I , ch. xxiii, "Playwrights".

1923;

10. Auch bei Lyly, im "Endimion" (1588 - Datierung nach Chambers, s. Anm. 9), finden sich gewisse Vorklänge - allerdings nicht mehr - der "Humours", etwa in Sir Tophas' „Blutdurst", seiner Liebe zu der alten Hexe Dipsas. Sogar das Wort wird schon gebraucht für eine bestimmte Mißstimmung (Tellus will sich ihrem Kummer hingeben: " . . . the more bitternesse I feele, the more sweetnes I find . . . " - worauf Corsites bemerkt: "A humor contrary to your yeeres, and nothing agreeable to your sex." - I I I 2, 12-17; The Complete Works of John Lyly, ed. by R. W. Bond, Oxford, 1902, vol. III). 11. Hervorhebungen im Druck von mir vorgenommen. 12. George Whetstone, Dedication to "Promos and Cassandra" (Smith I, p. 59): "The Englishman . . . is most vaine, indiscreete, and out of order: he fyrst groundes his worke on impossibilities; then in three howers ronnes he throwe the worlde, marryes, gets Children, makes Children men, men to conquer kingdomes, murder Monsters, and bringeth Gods from Heauen, and fetcheth Diuels from Hel. And (that which is worst) their ground is not so vnperfect as their workinge indiscreete: not waying, so the people laugh, though they laugh them (for theyr follyes) to scorne. Manye tymes (to make mirthe) they make a Clowne companion with a Kinge; in theyr graue Counsels they allow the aduise of fooles; . . . " - die Ähnlichkeit zu einigen Einwendungen Sidneys (s. Anm. 7) liegt auf der Hand. 13. Piaton (bzw. Sokrates) spricht im 10. Buch der Politeia (596 D) ironisch von den wunderbaren Meistern, die eine Welt erschaffen, indem sie einen Spiegel nehmen und darin alles abbilden. Zu solchen Verfertigern eines Schattenbildes, bloßen Nachbildnern der Erscheinung, nicht einmal der Wahrheit, gehören die Maler und auch die Dichter. - In E. M. O. läßt Ben Jonson Cordatvs "Ciceros definition" der Komödie geben: "Imitatio vitae, Speculum consuetudinis, Imago veritatis." ( I I I 6, 206-7). Dieses Zitat wurde von Donat Cicero zugeschrieben (Spingarn, Ren., p. 104; Smith I, p. 369). Es wird in der dramatischen Theorie der Renaissance mit und ohne Stellenangabe häufig angeführt. Beispiele in der englischen Literatur sind Thomas 134

Lodge (in seiner "Defence of Poetry", 1579, wird "Tulley" zitiert - Smith I, p. 369) und Shakespeare (Hamlet spielt in seiner Rede an die Schauspieler auf diese Vorstellung an, I I I 2, 20-24). Auf weitere Bezugnahmen bei italienischen, französischen und spanischen Autoren der Renaissance verweisen Smith (I, p. 369) und Spingarn (Ren. p. 104). 13 a. Neuerdings hat M. T. Herrick (Comic Theory in the Sixteenth Century, Urbana, 1950 - Illinois Studies in Language and Literature, X X X I V , nos. 1-2) Ben Jonsons theoretische Äußerungen im Zusammenhang der Komödientheorie des gesamten 16. Jahrhunderts betrachtet; dodi gehört es nicht zu den Zielen der sehr umfassenden Untersuchung Herricks, Ben Jonsons Stellung innerhalb der Entwicklung des englischen Dramas zu erörtern. 14. Näheres zu diesem Typ wird in Kap. V des Dritten Teils auszuführen sein. 15. "In his servuce in the Low Countries, he had jn the face of both the Campes Killed one Enimie 8c taken opima spolia from him, and since his comming to England being appealed to the fields he had Killed his adversarie, which had hurt him jn the arme Sc whose sword was 10 Inches Longer than his, for the which he was Emprisoned and almost at the Gallowes." (Herford/Simpson I, p. 139, 244-49 - zur Frage des Kriegsdienstes Ben Jonsons s. auch "Life of Ben Jonson", ib., pp. 6-8). 16. Auch einige Stellen bei Shakespeare weisen auf diese „wissenschaftliche" Haltung der "milites gloriosi" hin, z. B. Touchstone in "As You Like It", V 4, 88-89: " O sir, we quarrel in print - by the book: as you have books for good manners . . ." - Über diese Kodifizierung des Duells in der Zeit Shakespeares und Jonsons allgemein s. auch A. Forbes Sieveking, Fencing and Duelling, in: Shakespeare's England, Oxford, 1917, vol. II, pp. 389—407. 17. Jonson selbst preist seinen Schüler Richard Brome in der Widmung zu dessen Komödie "A Northern Lasse" (1632) wegen seiner Gelehrigkeit: " go dessen Komödie "A Northern Lasse" (1632) wegen seiner Gelehrigkeit: " good applause, Which you haue iustly gained from the Stage, By obseruation of those Comick Lawes Which I, your Master, first did teach the Age." (Herford/Simpson V I I I , p. 409, "Ungathered Verse", No. X X X V I I I ) Einige Stimmen über Ben Jonson zu seinen Lebzeiten und nach seinem Tode mögen die Einschätzung illustrieren, die er bei seinen Zeitgenossen erfuhr. Diese Äußerungen sind ausgewählt aus dem umfangreichen Material, das unter der Uberschrift " Jonson's Literary Record" in Bd. X I der großen Ausgabe von Herford/Simpson (pp. 305-569) zusammengestellt ist. Die Reihenfolge richtet sidi (abgesehen von Sucklings spöttischer Bemerkung) nach dem Erscheinungsjahr. Es sind nur die hier relevanten Stellen zitiert; wo wegen des syntaktischen Zusammenhanges ein längeres Zitat nötig war, sind die wichtigen Formulierungen kursiv gesetzt. a) Jonson als "Humorist", d. h. Begründer der Humours. W. I. (John Weever) in "The Whipping of the Satyre", 1601: die Schwestern "Church" und "Commonwealth" beklagen sich über ihre Söhne, die sich von ihnen abgewandt und neue Namen angenommen haben "Each to his name his disposition fram'd Satfirist]. rough, severe: Ep[igrammatist]. skip-Iacke iester like: Hu[morist]. with newfangled neuterisme enflam'd . . ." Dazu kommentieren die Herausgeber: "'Neuterisme' should be 'neoterisme', novelty, the inventing of a new type of play." (p. 363). b) Francis Beaumont: Jonson als Lehrmeister. "To my deare friend, M r Beniamin Ionson, vpon his Foxe." (Widmung in der Quarto 1607) " I would haue showne T o all the world, the Art, which thou alone 135

Hast taught our tongue, the rules of Time, of Place, A n d other Rites, deliuer'd, with the grace of Comick stile, which onely, is farre more, Then any English Stage hath knowne before." (11. 11-16, p. 320). Nach dem Tode Ben Jonsons ist eine Reihe rühmender Stimmen zu verzeichnen. c) Aus "Jonsonus Virbius" (1638). N r . 5. Henry King: V p o n B E N . I O H N S O N . " . . . Thou taughtst the ruder Age, T o speake by G r a m m e r ; and reformd'st the Stage: Thy Comick Sock induc'd such purged sense, A Lucrece might have heard without offence." (11. 25-28, p. 441). N r . 10. William Abington: A N E L E G I E upon the Death of B E N . J O H N S O N , the most Excellent of English Poets. " The stage . . . . . . knowing how it owed it's life to Thee . . ." (11. 27-29, p. 447). N r . 15. ]. CI. (James Cleyton?): " W h o first r e f o r m ' d our Stage with justest Lawes, A n d was the first best Judge in his owne Cause?" (Z. 1 f., p. 450 - die A n t w o r t ist natürlich "Jonson", s. Z. 13, p. 451). N r . 19. Owen Felltham: T o the Memory of immortall B E N . " . . . now since J O H N S O N ' s gone, we well may say, The Stage hath seen her glory and decay. Whose judgement was't refined it? O r who Gave Lawes, by which hereafter all must goe, But solid JOHNSON