Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition 3534238168, 9783534238163

Das Buch gibt einen allgemein verständlichen, kompakten Überblick in Geschichte, Glauben und Liturgie der orthodoxen Kir

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German Pages 203 [215] Year 2013

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Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im (ost-) römischen Reich
Die Orthodoxen Kirchen im Osmanischen Reich
Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum: Alexandreia, Antiocheia, Jerusalem und Zypern
Die Russische Orthodoxe Kirche
Die Serbische Orthodoxe Kirche
Die Rumänische Orthodoxe Kirche
Die Bulgarische Orthodoxe Kirche
Die Georgische Orthodoxe Kirche
Die Kirche von Hellas
Die Polnische Orthodoxe Kirche
Die Orthodoxe Kirche von Albanien
Die Orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei
Die orthodoxen Kirchen Finnlands und Estlands
Die Japanische Orthodoxe Kirche: Orthodoxie im fernen Osten
Die orthodoxen Kirchen in Nordamerika
Die orthodoxen Kirchen mit nicht-kanonischem Status (Ukraine)
Liturgie und Spiritualität in den orthodoxen Kirchen
Orthodoxe Theologie der Gegenwart und moderne Fragen
Kirche und Staat/Kirche und Nation in den orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition
Die orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog
Literaturverzeichnis
Personenregister
Ortsregister
Verzeichnis der Mitarbeiter
Informationen Zum Buch
Informationen Zum Autor
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Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition
 3534238168, 9783534238163

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Thomas Bremer, Hacik Rafi Gazer, Christian Lange (Hrsg.)

Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2013 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Einbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Einbandabbildung: „Virgin and The Child Flanked“ © istockphoto / nexusseven Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-23816-3 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70979-3 eBook (epub): 978-3-534-70980-9

Inhalt

Vorwort................................................................................................................................VII Thomas Bremer, Hacik Rafi Gazer, Christian Lange Einleitung.............................................................................................................................. IX Christian Lange Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im (ost-) römischen Reich............................................................................................................ 1 Hacik Rafi Gazer Die Orthodoxen Kirchen im Osmanischen Reich ................................................................ 15 Dietmar W. Winkler Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum: Alexandreia, Antiocheia, Jerusalem und Zypern........................................................................................................... 23 Rudolf Prokschi Die Russische Orthodoxe Kirche.......................................................................................... 33 Rade Kisić Die Serbische Orthodoxe Kirche.......................................................................................... 45 Daniel Munteanu, Björn Röhrer-Ertl Die Rumänische Orthodoxe Kirche...................................................................................... 53 Julia Lis Die Bulgarische Orthodoxe Kirche....................................................................................... 61 Michael Kohlbacher Die Georgische Orthodoxe Kirche........................................................................................ 71 Dimitrios Moschos Die Kirche von Hellas........................................................................................................... 77

V

Inhalt

Björn Röhrer-Ertl Die Polnische Orthodoxe Kirche.......................................................................................... 85 Michael K. Proházka Die Orthodoxe Kirche von Albanien.................................................................................... 89 Pavel Milko Die Orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei................................... 95 Aappo Laitinen Die orthodoxen Kirchen Finnlands und Estlands............................................................... 101 Berislav Župarić Die Japanische Orthodoxe Kirche: Orthodoxie im fernen Osten....................................... 107 Mark Stokoe Die orthodoxen Kirchen in Nordamerika............................................................................111 Thomas Bremer Die orthodoxen Kirchen mit nicht-kanonischem Status (Ukraine)..................................... 115 Basilius J. Groen Liturgie und Spiritualität in den orthodoxen Kirchen......................................................... 121 Assaad Elias Kattan Orthodoxe Theologie der Gegenwart und moderne Fragen............................................... 137 Thomas Bremer Kirche und Staat/Kirche und Nation in den orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition............................................................................................... 153 Johannes Oeldemann Die orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog................................................................ 163 Literaturverzeichnis............................................................................................................ 183 Personenregister.................................................................................................................. 192 Ortsregister.......................................................................................................................... 197 Verzeichnis der Mitarbeiter................................................................................................. 202

VI

Vorwort Das Thema dieses Buches sind die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition. Nach der mittlerweile in zweiter Auflage erschienenen Einleitung in die altorientalischen Kirchen ist es nun das Anliegen dieses Bandes, in den Glauben, die Geschichte und die Gegenwart der orthodoxen Kirchen einzuführen; und zwar der orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition. Doch nicht nur das: Fragestellungen nach aktuellen Strömungen in der orthodoxen Theologie, grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Staat und Kirche sowie die Rolle der orthodoxen Kirchen im modernen ökumenischen Dialog erweitern die Themenbreite. Auf diese Weise hoffen die Herausgeber, eine zwar breit angelegte, aber dennoch allgemein verständliche, gut lesbare und trotzdem wissenschaftlich fundierte Einführung zu bieten. Erfreulicherweise hat sich eine ganze Reihe von orthodoxen, katholischen und evangelischen Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern und aus unterschiedlichen akademischen Disziplinen dazu bereit erklärt, an dem Buch mitzuarbeiten. Hierfür gebührt ihnen der Dank der Herausgeber. Ebenso wollen diese den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, die zum Entstehen dieses Buches beigetragen haben. Bertram Giele und Adrian Schütte (beide Münster) haben sich um Indices und Register verdient gemacht. Guido Apel (Bamberg) hat die Übersichtsgraphiken und Karten gezeichnet; und Björn Röhrer-Ertl (Kiel) hat in gewohnt zuverlässiger Art und Weise den Satz erstellt, die Druckvorbereitung akribisch begleitet und ist unkompliziert eingesprungen. Darüber hinaus wollen die Herausgeber den Geldgebern danken, welche die aufwändige Druckvorbereitung dieses Bandes überhaupt erst ermöglicht haben. Das sind die Erzdiözese Bamberg (vertreten durch H.H. Domkapitular Luitgar Göller) und die Stiftung Pro Oriente in Wien (mit ihrem Präsidenten Dr. Johann Marte). Schließlich ist es den Herausgebern ein Anliegen, der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt (und hier besonders Carolin Köhne und Anja Bäumel) ihren Dank auszusprechen, die das Erscheinen dieses Buches konstruktiv begleitet haben. Das Wissen um die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition beschränkt sich im Westen immer noch häufig auf die einschlägige Fachwelt sowie auf wenige interessierte Kreise. Darüber hinaus ist dieses Wissen oft von Stereotypen und Vorurteilen geprägt. Deshalb ist es der Wunsch der Herausgeber, dass dieser Band zu einer erweiterten Kenntnis der orthodoxen Kirchen beitragen möge.

Im Herbst 2012

Thomas Bremer (Münster) Rafik H. Gazer (Erlangen) Christian Lange (Bamberg)

VII

Einleitung Thomas Bremer, Hacik Rafi Gazer, Christian Lange

1. Die Kirchen der östlichen Traditionen Die östlichen christlichen Kirchen lassen sich in drei Gruppen gliedern:

Unter der katholischen Kirche verstehen wir im Westen gemeinhin die römischkatholische Kirche, die natürlich nicht zu den östlichen Kirchen gehört. Jedoch gibt es innerhalb der katholischen Kirche zahlreiche kleinere Teilkirchen, die durch Kirchenunionen entstanden sind, welche Bischöfe östlicher Kirchen im Lauf der Jahrhunderte mit dem Römischen Stuhl eingegangen sind. Daher untergliedert sich die katholische Kirche heute neben der römischen Kirche in zahlreiche mit Rom unierte katholische Kirchen östlicher Riten. Sie sind aber nicht der Gegenstand dieses Buches. In der Folge der christologischen Diskussionen des 5. bis 7. Jh. sind die altorientalischen Kirchen der Christen des Orients einen eigenen Weg gegangen, da sie sich seit der Regierungszeit des Kaisers Justinianos (527–565) von der Reichskirche des Römischen bzw. Byzantinischen Reiches getrennt organisierten. Unter den Oberbegriff der orientalisch-orthodoxen Kirchen werden dabei diejenigen Kirchen der Armenier, der Syrer, der Kopten und der Äthiopier eingeordnet, die untereinander in KirchengemeinIX

Thomas Bremer, Hacik Rafi Gazer, Christian Lange

schaft stehen und an der miaphysitischen Christologie des Kyrillos von Alexandreia festhalten. Eine eigene Untergruppe innerhalb der altorientalischen Kirchen stellt die (Assyrische) Apostolische Kirche des Ostens dar, die auf dem Christentum des Perserreiches im heutigen Iran fußt und eine eigenständige Christologie ausgeprägt hat, die sich von allen anderen östlichen Kirchen unterscheidet. Die jüngere theologische Forschung und der moderne ökumenische Dialog haben zum Ergebnis gebracht, dass die Gläubigen dieser östlichen Kirchen nicht länger als Monophysiten oder Nestorianer bezeichnet werden sollten, weil beide Fachbegriffe das eigentliche Anliegen ihrer Christologie nur in unzureichender Art und Weise – und daher missverständlich – wiedergeben. Auch diese Kirchen sind nicht das Hauptthema dieses Einführungsbandes. Der Gegenstand dieses Buches ist vielmehr die dritte Gruppe von östlichen Kirchen, nämlich die der orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition.

2. Die Familie der orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition Die Familie der orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition schließt alle diejenigen Kirchen ein, die im allgemeinen Bewusstsein als klassisch „orthodox“ angesehen werden. Sie bekennen sich alle zur christologischen Aussage des Konzils von Chalkedon (451), weshalb sie die Konfessionskunde – in Unterscheidung zu der miaphysitischen Christologie der orientalisch-orthodoxen Kirchen – auch oftmals als die Kirchen der chalkedonensischen Orthodoxie anspricht. Da diese orthodoxen Kirchen demnach ebenso die gleiche Christologie teilen wie sie sich zur gleichen Ritusfamilie, nämlich der byzantinischen, zählen, verstehen sich die orthodoxen Kirchen als eine einzige Kirche, als die eine orthodoxe Kirche. Weil sich, wie in den Kapiteln 2 und 3 dieses Bandes zu zeigen sind wird, die geschichtliche Entwicklung dieser einen Kirche jedoch unterschiedlich darstellt, ist es üblich geworden, von den orthodoxen Kirchen im Plural zu sprechen (vgl. Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens, S. 11). Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition selbst untergliedern sich wiederum in kanonische Kirchen, autonome Kirchen und unkanonische Kirchen. In der vollen Kirchengemeinschaft untereinander stehen diejenigen vierzehn kanonischen Kirchen, die ihr kirchliches Oberhaupt, zumeist Patriarch genannt, selbst wählen, also autokephal sind, sowie die sechs autonomen Kirchen. „Autonome“ orthodoxe Kirchen regeln zwar ihre inneren Angelegenheiten selbst, empfangen das Myron, das Salböl, das sie für bestimmte liturgische Handlungen benötigen, jedoch weiterhin von der Mutterkirche, aus der sie hervorgegangen sind. Sie sind also nicht in vollem Umfang selbstständig. Dadurch unterscheiden sie sich von den autokephalen Kirchen. Als unkanonisch werden im Gegensatz zu den autokephalen und den autonomen Kirchen hingegen diejenigen Kirchen bezeichnet, deren Status und Legitimität – zumeist auf Grund von unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Jurisdiktion oder Liturgie – unter den orthodoxen Kirchen selbst umstritten sind. X

Einleitung

Nicht zur Familie der orthodoxen Kirche(n) zählen die unierten katholischen Ostkirchen, die heute Teilkirchen der katholischen Kirche sind (vgl. S. XI).

XI

Thomas Bremer, Hacik Rafi Gazer, Christian Lange

3. Die zweifache Bedeutung der Bezeichnung „orthodox“ Bisher ist in dieser Hinführung viel von der orthodoxen Kirche oder den orthodoxen Kirchen die Rede gewesen. Doch was heißt dies eigentlich? Die Bezeichnung orthodox kommt aus dem klassischen Griechischen und hat eine zweifache Bedeutung: Zum Einen bringt die Selbstbezeichnung „orthodox“ zum Ausdruck, dass sich die orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition selbst als „rechtgläubig“ verstehen. Damit ist gemeint, dass diese Kirchen für sich den Anspruch erheben, sie hätten unbeirrt an der Tradition der Kirche festgehalten, wie sie in den von ihnen anerkannten sieben ökumenischen Konzilien und in den Schriften der Kirchenväter formuliert worden sei. Auf der anderen Seite beschreibt der Begriff „orthodox“ aber auch die „rechte Art der Verehrung Gottes“ in der göttlichen Liturgie der orthodoxen Kirche(n).

4. Die byzantinische Ritusfamilie Bereits in der Alten Kirche haben sich verschiedene kirchliche Zentren herausgebildet, deren Bischöfen die Synoden des Altertums eine besondere Rolle zugewiesen haben. Im Imperium Romanum waren dies im Osten Alexandreia, Jerusalem und Antiocheia sowie ab dem 4. und 5. Jh. darüber hinaus die neue Hauptstadt Konstantinopel. Aus den griechisch- wie syrischsprachigen liturgischen Formen Antiocheias sind sowohl der west- als auch der ostsyrische Ritus hervorgegangen. Über die Vermittlung Konstantinopels ist dabei der byzantinische Ritus entstanden, zu dem sich die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition bekennen. Daher können orthodoxe Christen den Ritus ihrer eigenen Kirche bei der Teilnahme an einer liturgischen Feier in einer der anderen kanonischen Kirchen wiedererkennen, da er – bis auf die Sprache – fast völlig identisch ist. In diesen Gemeinsamkeiten in der rechten Verehrung Gottes zeigt sich das östliche Verständnis von der Gemeinschaft der „einen“ orthodoxen Kirche.

5. Der Aufbau des Buches Dieser Band untergliedert sich in drei Teile. Im ersten Kapitel werden allgemeine Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte bis zur Gegenwart aufgezeigt. Der zweite Hauptteil konzentriert sich auf die einzelnen orthodoxen Kirchen, die nach kanonischen, autonomen und Kirchen mit umstrittenem Status gegliedert werden – wobei aus Platzgründen nur einige dieser Kirchen in diesem Band behandelt werden können. Ein dritter Abschnitt diskutiert übergreifende Fragestellungen wie diejenige nach Liturgie und Spiritualität. Ein Glossar, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie eine Übersicht der Mitarbeiter an diesem Band runden schließlich die Darstellung ab. XII

Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im (ost-) römischen Reich Christian Lange Als im Zuge der Missionierung der slavischen Völker neue orthodoxe Kirchen entstanden, konnte das Christentum im (ost-) römischen Reich bereits auf Jahrhunderte Theologie- und Kirchengeschichte zurückblicken. Daher übernahmen die jungen Kirchen weitgehend die theologischen Klärungen, welche sich bis dahin in der Kirche des Imperiums, der „Reichskirche“, ergeben hatten. Es ist deshalb das Anliegen dieses einleitenden Kapitels, Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte aufzuzeigen, bevor die einzelnen orthodoxen Kirchen gesondert behandelt werden sollen.

1. Die Ökumenischen Konzilien der Reichskirche Sobald Kaiser Konstantinos (306–337) dem Christentum im 4. Jh. den Status einer im Imperium Romanum geduldeten Religion einräumte, ergab sich für die Kirche ein neues Instrument, um theologische Streitfragen zu lösen: die reichsweite Synode. Zu ihr riefen die Kaiser die Bischöfe des Imperiums zusammen, damit diese mit dem Beistand des Hl. Geistes die aufgeworfenen Fragen ihrer Zeit beantworten konnten. Allerdings sind nicht alle diese Zusammenkünfte gleichermaßen angenommen worden. Daher haben sich nur sieben von ihnen als so genannte ökumenische Konzile durchgesetzt: Die Synoden von Nikaia (325), Konstantinopel (381), Ephesos (431), Chalkedon (451), Konstantinopel II (553), Konstantinopel III (680/81) sowie Nikaia II (787). Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition erkennen sie als ebenso verbindlich an wie die katholische Kirche. Die altorientalischen Kirchen sowie die Kirche im Perserreich sind hingegen einen anderen Weg gegangen.

1.1 Die Frage nach der Einheit Gottes: Die Konzilien von Nikaia (325) und Konstantinopel (381) Die Frage, welche sich die Theologen im 4. Jh. vor allem stellten, war, wie der christliche Gott als ein einziges göttliches Wesen bekannt werden könne, wenn es neben dem göttlichen „Vater“ auch einen göttlichen „Logos“ oder „Sohn“ gebe. Ein alexandrinischer Priester namens Areios (ca. 260–336) versuchte eine Antwort auf diese Herausforderung dadurch zu finden, dass er alleine Gott, den Vater, als „ohne Anfang“ und „ungeworden“ bezeichnete. Demgegenüber betrachtete er den göttlichen Sohn, den Logos, das Wort des göttlichen Vaters, als dessen Geschöpf. Deshalb 1

Christian Lange

habe es, so argumentierte Areios, auch eine Zeit gegeben, in welcher der Gott-Logos noch nicht existiert habe – nämlich vor seiner Schaffung durch den göttlichen Vater (Opitz: Urkunden 6). Auf diese Weise meinte der Alexandriner offenbar, die Einheit des christlichen Gottes, den Monotheismus, wahren zu können. Die Gegenposition zu den Vorstellungen des Areios vertraten der Erzbischof von Alexandreia, Alexandros, sowie sein theologischer Berater und Nachfolger, Athanasios (ca. 298–373). Beide betrachteten den christlichen Gott als ein einziges göttliches Wesen (ousia). Daher teilten für sie Vater wie Sohn das eine göttliche Wesen; und demzufolge waren für sie beide, „Vater“ wie „Sohn“, ohne Anfang und ungeschaffen. Sie erklärten daher, der göttliche Vater habe seinen Logos, sein Wort, aus sich selbst heraus geboren – und eben nicht, wie Areios meinte, geschaffen (DH Nr. 125). Damit aber war für sie der göttliche Logos ebenso vollständig Gott wie der Vater. Auch wenn sich diese Position auf dem ersten reichsweiten Konzil in Nikaia (325) durchsetzte, durchzogen die sich anschließenden Erörterungen noch fast das gesamte 4. Jh. Eine Lösung zeichnete sich erst ab, als die maßgeblich von den drei aus Kappadokien stammenden Theologen Basileios von Kaisareia (ca. 330–379), Gregorios von Nazianzos (ca. 329–390) und Gregorios von Nyssa (ca. 335–390) geprägte „neunizänische“ Theologie die Begriffe Wesen (ousia) und konkrete Wirklichkeit (hypostasis) voneinander schied. In ihrer begrifflichen Einteilung umschrieb der Terminus Wesen (ousia) von da an den allgemeinen Charakter oder die Natur einer Sache, beispielsweise die Gattung des Menschen. Mit dem Wort Hypostase (hypostasis) bezeichnete Basileios demgegenüber die konkrete individuelle Verwirklichung einer Gattung mit den ihr jeweils eigenen Wesensmerkmalen (idiomata), also etwa den einzelnen konkreten Menschen als Paulus, Petrus oder Andreas (PG 31, 889). Auf dieser begrifflichen Grundlage war es möglich, den christlichen Gott als das eine göttliche Wesen zu beschreiben, welches sich den Menschen im Laufe der Geschichte in den drei göttlichen Hypostasen oder Personen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes offenbart habe. Eine später als zweites ökumenisches Konzil anerkannte

2

Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich

Synode in Konstantinopel (381) beschrieb diesen Glauben als für die Reichskirche verbindlich (Thdt. hist. eccl. 5, 9, 11). Damit war theologisch festgehalten, dass der Gott-Logos und der Hl. Geist ebenso vollständig Gott seien wie der göttliche Vater. Es gebe innerhalb des einen göttlichen Wesens keinen Bruch. Die neue Frage lautete daher nun: Ist der Gott-Logos auch ein vollständiger Mensch?

1.2 Die Frage nach dem Christus: Von Ephesos (431) bis Konstantinopel II (680/81) 1.2.1 Die Schulen von Alexandreia und Antiocheia In der Herausforderung, Christi Dasein als vollständiger Gott und vollständiger Mensch zu beschreiben, verfolgten im 5. Jh. zwei theologische Richtungen zwei Ansätze: Die Schulen von Alexandreia und Antiocheia. Die antiochenische Schule betonte dabei die Zweiheit der Naturen (physeis) von Gottheit und Menschheit. Deren Einung (henosis) ergab die eine Person (prosopon) des einen Christus. Auf diese Weise suchten Theologen wie Theodoros von Mopsuestia (ca. 350–428) zu unterstreichen, dass der Christus ein vollständiger Mensch (anthropos) gewesen sei. Die Dogmengeschichte bezeichnet das antiochenische Schema daher als das Logos-Anthropos-Modell. Die Alexandriner gingen dagegen eher vom Gedanken der Einheit aus, wenn sie – unter Bezug auf Joh 1,14 – den Gott-Logos zum handelnden Subjekt im Inkarnationsgeschehen machten. Daher bezeichneten sie den Fleisch gewordenen Gott-Logos als eine – und zwar aus vollständiger Gottheit und vollständiger Menschheit zusammengesetzte – Natur (physis), eine Hypostase (hypostasis) und eine Person (prosopon). Klassisch für diese Auffassung ist die Formel von der einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos (mia physis tou theou logou sesarkomene) geworden. In der Dogmengeschichte trägt diese Vorstellung die Bezeichnung Logos-Sarx-Schema. Der wichtigste Vertreter dieser Richtung, Kyrillos (ca. 375–444), formulierte diese Position folgendermaßen: „Wer zu behaupten wagt, der Christus sei ein Mensch, der Gott [in sich] trägt, und nicht vielmehr wahrhaftig [selbst] Gott als einziger und natürlicher Sohn, weil ja der [Gott-]Logos Fleisch geworden ist und uns gleich Anteil an Fleisch und Blut gehabt hat, der sei aus der Kirche ausgeschlossen“ (DH Nr. 256). In diesem Textauszug zeigt sich die Befürchtung der Alexandriner, der eine Christus werde in zwei selbstständig handelnde Subjekte „gespalten“, wenn die Antiochener von zwei Naturen (en dyo physesin) nach der Einung von Gottheit und Menschheit in dem einen Christus sprächen. Daher bestand Kyrillos von Alexandreia darauf, dass Maria die Mutter des Gott-Logos (theotokos) genannt werde, weil sie diesen ja „in [seinem] Fleisch“ geboren habe (DH Nr. 252). Hätte Maria nämlich nicht den Gott-Logos im Fleisch zur Welt gebracht, dann hätte sie – so die Befürchtung – nur einen einfachen Menschen geboren, den der göttliche Vater erst zu einem späteren Zeitpunkt zu seinem Sohn erhoben habe – eine Lehrmeinung, die bereits als Adoptianismus von früheren Bischofsversammlungen im Imperium Romanum verurteilt worden war. 3

Christian Lange

Während sich die Alexandriner derart darum sorgten, die Antiochener wollten den einen Christus in zwei Christusse spalten, hegten die Antiochener umgekehrt die Befürchtung, die Alexandriner verkürzten die menschliche Natur in dem einen Christus, wenn sie von der einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos redeten. Denn wenn es vor der Einung von Gottheit und Menschheit in dem einen Christus zwei Naturen gebe, nach deren Einung aber nur noch eine, so stellte sich für die Antiochener die Frage, wo die menschliche Natur in dem Christus denn geblieben sei. Der theologische Gegner des Kyrillos, Nestorios von Konstantinopel (ca. 381–451), schrieb daher: „Siehe, wie sie zuerst [… ] die gemeinsamen Namen für die Gottheit und für die Menschheit […] setzen […], damit durch das Voranstellen der Namen, die jede der beiden Naturen gemeinsam kennzeichnen, weder das, was zur Sohnschaft und zum Herr-Sein gehört, zerschnitten wird, noch das, was zu den Naturen gehört, in Gefahr gerät, sich in der Einzigkeit der Sohnschaft zu vermischen und zu verschwinden“ (DH Nr. 251a). 1.2.2 Das Konzil von Ephesos (431) Zwischen den Jahren 428 und 433 führte die Frage nach der korrekten Bezeichnung für die Mutter Gottes zu einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen den Erzbischöfen von Alexandreia und Konstantinopel, Kyrillos und Nestorios. Die Kontroverse spitzte sich in dem Konzil von Ephesos (431) zu. Auf diesem trennten sich die beiden Lager – Rom und Alexandreia gegen Antiocheia und Konstantinopel – in zwei sich bekämpfende Synoden, die ihre wichtigsten Anführer gegenseitig verurteilten. In theologischer Hinsicht endete die Auseinandersetzung mit dem Kompromiss einer Einigungsformel (Formula Unionis) zwischen Kyrillos und Johannes, dem Erzbischof von Antiocheia, aus dem Jahr 433 (DH 271–273). Dieses Einigungspapier bekräftigte einerseits, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos ein vollständiger Mensch sei: „Unser Herr Jesus Christus, [sei] […] vollkommener Gott und vollkommener Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib“ (DH Nr. 272). Deshalb „teile [der Gott-Logos] [seiner] Menschheit nach unser [menschliches] Wesen“ (DH Nr. 272). Andererseits erklärte die Ausgleichsformel jedoch auch Maria zur Gottesgebärerin (DH Nr. 272) – womit sich scheinbar der Alexandriner durchsetzte. Kirchenpolitisch verfestigten diesen Eindruck die Absetzung und Verbannung des Nestorios. Spätere Synoden verstanden unter dem Konzil von Ephesos (431) aus diesem Grunde auch nur noch die „kyrillische“ Teilsynode. Die „Gegensynode“ der Antiochener fiel weitgehend unter den Tisch – obwohl sie einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der Einigungsformel geleistet hat (Grillmeier: Jesus der Christus im Glauben der Kirche I, 703–707). 1.2.3 Das Konzil von Chalkedon (451) Der Friede zwischen Alexandreia und Antiocheia hielt nur etwa eine Generation. Im Jahr 448 griff nämlich ein extremer Anhänger der kyrillischen Christologie mit dem Namen Eutyches von Konstantinopel (ca. 378–454) den Kompromiss der von Johannes von Antiocheia und Kyrillos von Alexandreia geschlossenen Übereinkunft des Jahres 433 an. In Anlehnung an die alexandrinische Mia-Physis-Formel lehnte es der Vorsteher eines Klosters in der Kaiserstadt offenbar ab, nach der Einung von Gottheit 4

Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich

und Menschheit in Christus von zwei Naturen (physeis) zu sprechen. Nach den auf dem Konzil von Chalkedon (451) zitierten Akten seines Prozesses wollte Eutyches nur noch eine einzige, das aber heißt: göttliche, Natur bekennen [(ACO II/1,1), 144, 18–20 [Nr. 542]] – womit Eutyches die Wesensgleichheit (Homoousie) der menschlichen Natur in Christus mit uns Menschen (homoousios hemin) geleugnet zu haben scheint. In der Dogmengeschichte nennt man diese Lehrmeinung Monophysitismus. Die Verurteilung des Eutyches durch eine Bischofsversammlung in Konstantinopel (448) löste zwei weitere reichsweite Synoden aus: Zunächst rehabilitierte eine (zweite) Synode in Ephesos (449) unter dem Vorsitz des Dioskuros von Alexandreia den Archimandriten und erklärte die Einigungsformel für ungültig. Sie widerspreche der Bestimmung der „kyrillischen“ Synode von Ephesos (431), nach der es „niemandem erlaubt sei, einen anderen Glauben vorzubringen, niederzuschreiben oder zusammenzustellen als den, der von den heiligen, in Nizäa versammelten Vätern mit dem Heiligen Geist beschlossen worden sei“ (DH Nr. 265). Der Alexandriner ging während der Synode jedoch offenbar so rabiat gegen seine Gegner vor, dass Erzbischof Flavianos von Konstantinopel zu Tode kam. Papst Leo sprach daher von einer „Räubersynode“, einem latrocinium. Nach einem Wechsel auf dem kaiserlichen Thron bot sich im Jahr 451 die Möglichkeit der Revision: Das Konzil von Chalkedon (451) bekräftigte die Verurteilung des Eutyches und setzte Dioskuros wegen seines Vorgehens in Ephesos (449) ab – zwar nicht aus dogmatischen, sondern aus disziplinarischen Gründen. Dennoch endete mit dieser Niederlage die Vormachtstellung der Kirche des Nillandes. Auch in einem weiteren Punkt setzte sich das Konzil von Chalkedon (451) über die „kyrillische Synode“ von Ephesos (431) hinweg: Es formulierte den Christusglauben neu – und zwar nicht, wie es unterstrich, als Ergänzung zum Glauben von Nikaia (325), sondern als „Erläuterung“ und zur Abwehr der neuen Irrlehren des Nestorios sowie des Eutyches (DH Nr. 300). In diesem Ansinnen folge es daher den Synoden von Konstantinopel (381) sowie Ephesos (431), welche eben solches zur Abwehr der „neuen“ Häresien ihrer Zeit getan hätten (DH Nr. 300). Damit aber erlangte die Synode von Konstantinopel des Jahres 381 die Anerkennung als „ökumenisches Konzil“. Die Synode stellte fest: „Unser Herr Jesus Christus ist als ein und derselbe Sohn zu bekennen, vollkommen in der Gottheit und vollkommen in der Menschheit […], [der] in zwei Naturen (en dyo physesin) unvermischt (asygchytos), unverändert (atreptos), ungeteilt (adiairetos) und ungetrennt (achoristos) […] in einer Person (eis hen prosopon) und Hypostase (kai mian hypostasin) [erkannt werde]“ (DH Nr. 302). 1.2.4 Der Neuchalkedonismus und das zweite Konzil von Konstantinopel (553) Die Absetzung des Dioskuros als Erzbischof von Alexandreia machte die Synode von Chalcedon (451) in Ägypten nicht unbedingt beliebt. Darüber hinaus erblickten Anhänger der Christologie des Kyrillos in der Festlegung, dass der eine Christus „in zwei Naturen“ (en dyo physesin), aber nicht „aus zwei Naturen“ (ek dyo physeon) sei, einen Rückfall in Nestorianismus. Daher lehnten viele Christen in Ägypten und Syrien die Synode ab. Weil sich ihre Bischöfe – wie etwa Timotheos Ailuros – aber ebenso 5

Christian Lange

von Eutyches und jedem Monophysitismus abgrenzten, hat die jüngere Forschung angeregt, ihre in der alexandrinischen Tradition verwurzelte und auf die kyrillische Mia-Physis-Formel hinweisende Christologie als Miaphysitismus zu kennzeichnen. Da sich das Konzil von Chalkedon (451) jedoch nicht nur auf die Synoden von Konstantinopel (381) und Ephesos (431) berief, sondern auch auf das Lehrschreiben, das Papst Leo von Rom an Flavianos von Konstantinopel gerichtet hatte, den so genannten Tomus Leonis oder die Epistola dogmatica ad Flavianum Episcopum (DH. Nr. 300), hielten die Päpste in Rom jedoch mit gleicher Entschiedenheit am Chalcedonense fest. Auch in Palästina fanden sich überwiegend Anhänger der Synode – hatte diese doch Juvenalis von Jerusalem zum Erzbischof einer eigenen Kirchenprovinz erhoben, indem sie drei Metropolien aus der Diözese des Erzbischofs von Antiocheia herauslöste. Entlang diesen Frontlinien rangen in dem Jahrhundert nach der Synode beide Seiten darum, ihre jeweilige Lehre zur allgemein anerkannten Lehre zu erheben. Die Kaiser in Konstantinopel schwankten dabei in ihrer Politik. Erst die Regierungszeit des Justinianos (527–565) sah daher das endgültige Zerbrechen der Einheit der Reichskirche.

In den ersten Jahren seiner Herrschaft suchten Justinianos und seine theologischen Berater offenbar die Vorbehalte der miaphysitischen Kyrillianer gegen das Chalcedonense zu zerstreuen. Dies erstrebten sie in erster Linie dadurch, dass sie eine Frage theologisch beantworten wollten, welche die Synode von Chalkedon (451) offen gelassen hatte: nämlich die Problematik, wer in dem einen Christus eigentlich das handelnde Subjekt darstelle. In Anlehnung an Kyrillos bestimmten die Theologen des Neuchalkedonismus dazu die Hypostase des (Fleisch gewordenen) Gott-Logos (DH Nr. 253). In dieser Hypostase (hypostasis) erlangten sowohl die vollständige Gottheit des Herrn ihre natürliche Existenz als auch dessen vollständige Menschheit. Beide seien in ihr „enhypostasiert“. Auf diese Weise komme es zu einer wahren Einung der Hypostase 6

Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich

nach, zu einer henosis kath‘ hypostasin (DH Nr. 255). Durch diese Lehre von der Enhypostasie sollte eine Brücke zu den Gegnern des Chalcedonense geschlagen werden. Als sich jedoch auch dieser Einigungsversuch nicht den gewünschten Erfolg zeigte, änderte der Kaiser seine Politik. Nach dem Bericht des Evagrios setzte Justinianos nach einer Synode in Konstantinopel (535) auf eine eigene, chalkedontreue Hierarchie: „Justinian hat eine gesetzliche Bestimmung erlassen, in der er Severus, Anthimus und andere anathematisiert und die Anhänger ihrer Dogmen den härtesten Strafen unterworfen hat, so dass es von da an im Bereich der jeweiligen Kirchen keine Abspaltung mehr gab, sondern die Patriarchen einer jeden Diözese miteinander in Übereinstimmung waren und die Bischöfe der Städte ihren Exarchen folgten“ (Evagr. h.e. IV, 11). Seit der Synode von Konstantinopel (535) gab es daher zwei getrennte kirchliche Bischofslinien: Auf der einen Seite standen die chalkedontreuen „Leute des Kaisers“, für die sich bald der aus dem Aramäischen entlehnte Name „Melkiten“ einbürgerte. Auf der anderen Seite bildeten sich die eigenständigen Kirchen der Kopten, Syrer und der Armenier. Damit aber war die Einheit der einen römisch-byzantinischen Reichskirche zerbrochen. Das zweite Konzil von Konstantinopel (553) war daher eher nurmehr das Ergebnis der Diskussion um die Durchsetzung des Neuchalkedonismus in der verbliebenen kaisertreuen Kirche des Imperiums als ein erneuer Versuch eines Ausgleiches. 1.2.5 Die Einigungsversuche unter Kaiser Herakleios (610–641) und das dritte Konzil von Konstantinopel (680/681) Zu Beginn des 7. Jh. unternahm Kaiser Herakleios (610–641) noch ein letztes Mal einen Einigungsversuch mit den Gegnern des Chalcedonense – allerdings vor einem neuen zeitgeschichtlichen Hintergrund. Denn in den Jahren zwischen 609 und 619 gelang es den Persern, die Ostprovinzen des Imperiums zu erobern. Anscheinend zogen der Kaiser und seine Berater die Schlussfolgerung, dass die Spaltung der Christen in Chalkedonbefürworter wie –gegner zu dieser Niederlage des Reiches beigetragen habe. Sie bemühten sich daher erneut um die Gegner der Synode; und zwar mit einem neuen Ansatz: dem Miaenergetismus. Anstelle sich weiter über die Frage zu streiten, ob der eine Christus nun „in zwei Naturen“ (en dyo physesin) oder „aus zwei Naturen“ (ek dyo physeon) sei, solle man sich doch lieber darauf verständigen, von einer Wirkweise (energeia) zu sprechen, die von dem einen Christus ausgehe. Anknüpfen konnten beide Seiten damit an die Christologie des Kyrillos von Alexandreia, der in seiner Auslegung des Johannesevangeliums in Bezug auf die Auferweckung der Tochter des Jairus dargelegt hatte: „Er [sc. Christus] macht lebendig als Gott durch den Befehl, der alles bewirkt. Er belebt aber auch durch das Berühren seines heiligen Fleisches. Dadurch erweist er die eine, aus beiden zusammengewachsene Wirkweise“ (PG 73, 577C). Der besondere Reiz an diesem Ansatz lag in seiner hohen Akzeptanzfähigkeit. Für die Gegner von Chalkedon ergab sich die Betonung einer gott-menschlichen Wirkweise (mia theandrike energeia) aus ihrer Grundüberzeugung, dass es nur die eine Natur (mia physis) des Fleisch gewordenen Gott-Logos gebe. Wenn daher von dem Christus eine Bewegung ausgehe, dann löse diese der Fleisch gewordene Gott-Logos aus – und zwar als vollständiger Mensch und vollständiger 7

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Gott (Severos von Antiocheia, CSCO 64, 82, 26–31). Die Aussage von der einen Wirkweise (energeia) war aber auch für neuchalkedonensische Autoren annehmbar – als eine Folge ihrer Anerkennung der Hypostase des Gott-Logos als dem handelndem Subjekt in dem Christus. Deshalb schreibt etwa der Pro-Chalcedonenser Theodoros von Pharan: „Denn alles nimmt seinen Anfang und kommt sozusagen hervor aus der Weisheit, Güte und Kraft des [Gott-] Logos durch die Vermittlung der vernunftbegabten Seele und des Leibes. Deshalb ist geschehen und geschieht all dies durch die eine Wirkweise (mia energeia) ein und desselben Erlösers“ (ACO II/1)), 120, 21 – 27 [Nr. 3]). Verhandlungen in den Jahren 629 und 633 führten daher letztmals zur Wiederherstellung der Kircheneinheit: Zwischen 629 und 631 zwischen der Reichskirche und dem miaphysitischen Erzbischof von Antiocheia, Athanasios; im Jahr 631 in Theodosiopolis mit dem Katholikos der Armenier, Esdras; und im Jahr 633 gelang schließlich die Kirchenunion mit den „Severianern“ Ägyptens. Der Widerstand gegen diese Einigungspolitik ging diesmal jedoch von Jerusalem aus – von Erzbischof Sophronios (ca. 560–638). Während für einige Neuchalkedonenser wie Theodoros von Pharan die Aussage von der einen Wirkweise (mia energeia) annehmbar war, lehnte Sophronios dies ab: Er legte den Schwerpunkt wieder auf die Ebene der beiden Naturen (physeis). Wenn es demnach – im Sinne der Definition von Chalkedon (451) – zwei Naturen in dem einen Christus gebe, dann müsse es auch zwei Wirkweisen (energeiai) geben. Denn schließlich habe auch Papst Leo festgehalten, dass eine jede der beiden Naturen in Christus das wirke, was ihr eigentümlich sei (agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est) [DH Nr. 294]. Zwar modifizierten der Kaiser und Patriarch Sergios ihre Formel auf einer Synode auf Zypern (634), doch zogen sie ihren Vorschlag im Jahr 638 mit einem Anschlag an der Hagia Sophia, der Ekthesis, zurück. An Stelle von einer Wirkweise (mia energeia) solle nun mehr von einem Willen in Christus gesprochen werden (((ACO II/1)), 156,27– 162, 23)). Den Kirchenunionen mit den Gegnern von Chalkedon (451) war damit freilich die Grundlage entzogen. Daher endete der letzte Versuch, die Kircheneinheit in der Reichskirche zu bewahren, in dem gleichen Jahr 638, in dem die Araber die heilige Stadt Jerusalem eroberten. Nach einer nurmehr innerhalb der Reichskirche erbittert geführten Diskussion um die Lehre von dem einen Willen (thelema) in Christus bekannte sich das dritte Konzil von Konstantinopel (680/681) endgültig zum Chalcedonense.

1.3 Der Byzantinische Bilderstreit und das zweite Konzil von Nikaia (787) Da sich die wichtigen östlichen Bischofssitze seit dem 7. Jh. unter der Herrschaft der Araber befanden, wurde die neue theologische Auseinandersetzung im 8. und 9. Jh. weitgehend in der verbliebenen (ost-) römischen Reichskirche ausgetragen: Der Streit um die Bilder (eikones). In ihr ging es in erster Linie um die Frage, ob es erlaubt sei, Bilder (eikones) von Christus anzufertigen. 8

Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich

Gegen die liturgische Verehrung der Bilder wandten sich die so genannten Ikonoklasten. Sie argumentierten einerseits mit dem Bilderverbot des Dekaloges (Ex 20,4), das auch für Christen weiterhin gelte. Andererseits wiesen sie auf die christologische Seite der Problemstellung hin. Denn es sei nur möglich, die menschliche Seite des Christus darzustellen, nicht jedoch die göttliche. Demzufolge zerreiße ein Christusbild entweder den einen Christus in zwei – was Nestorianismus entspreche. Oder aber es vermische Gottheit und Menschheit – womit Eutychianismus vorliege (Thümmel: Konzilien zur Bilderfrage, 70). Die ikonoklastische Synode von Hiereia (754) formulierte entsprechend: „Denn dieser verfertigte ein Bild und nannte es ‚Christus’; und es bedeutet der Name ‚Christus’ Gott und Mensch. Folglich ist es auch ein Bild Gottes und des Menschen. Und folglich stellte er [...] das Nichtdarstellbare der Gottheit mit der Darstellung des geschaffenen Fleisches zusammen dar, beziehungsweise vermischte jene unvermischbare Einheit, wobei er der Gesetzlosigkeit der Vermischung verfiel und dadurch der Gottheit zwei Lästerungen zufügte durch die Darstellung und durch die Vermischung. Eben diesen Lästerungen unterliegt nun auch derjenige, der das Bild verehrt“ (Krannich: Die ikonoklastische Synode von Hiereia 754, 252 AB).

Für den liturgischen Gebrauch der Christusbilder sprachen sich hingegen die Ikonodoulen aus. Hinsichtlich des Bilderverbotes aus dem Alten Testament (Ex 20,4) verwies der Kirchenvater Johannes von Damaskus (ca. 650–754) auf die Menschwerdung Gottes: „Wenn der Körperlose um deinetwillen Mensch wird, dann darfst du das Bild seiner menschlichen Gestalt malen“ (PG 94, 1240); und in Bezug auf die christologische Problematik erklärte das bilderfreundliche Konzil von Nikaia II (787) unter Berufung auf den Kirchenvater Basileios von Kaisareia: „‚Denn die Verehrung des Bildes geht auf das Urbild über‘ und wer das Bild verehrt, verehrt in ihm die Hypostase des darin Abgebildeten“ (DH Nr. 601). In Anlehnung an neuplatonisches Denken unterschied die Synode also zwischen dem Urbild (prototypos) und dem Abbild (eikon). Wer daher das Christusbild in der Liturgie der Kirche kultisch verehre, der bete in Wahrheit das Urbild, d.h. die Hypostase des Fleisch gewordenen Gott-Logos, also den Christus selbst, an (Thümmel: Konzilien zur Bilderfrage, 180–182). 9

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Der Byzantinische Bilderstreit lässt sich grob in vier Abschnitte gliedern. Eine unter Kaiser Leon III. (717–741) einsetzende Phase des Bildersturmes fand ihren Höhepunkt auf der ikonoklastischen Synode von Hiereia (754). Unter Kaiserin Eirene (780–803) schwang das Pendel jedoch erstmals in Richtung der Bilderbefürworter zurück. Es konnte das zweite Konzil von Nikaia (787) zusammentreten, das die kultische Verehrung der Christusbilder theologisch begründete. Nach einer zweiten Periode des Ikonoklasmus unter Kaiser Leon V. (815–820) setzten sich die Bilderbefürworter unter Kaiserin Theodora II. (830–856) endgültig durch. Noch heute begehen in Erinnerung an eine bilderfreundliche Synode in Konstantinopel im Jahr 843 die orthodoxen Kirchen deshalb am ersten Sonntag der Fastenzeit das Fest der Orthodoxie.

2. Das Auseinanderleben mit dem lateinischen Westen Hatten die seit dem 7. Jh. unter arabischer Herrschaft stehenden Patriarchate des Ostens im Byzantinischen Bilderstreit nur noch eine untergeordnete Rolle gespielt, so waren die folgenden Jahrhunderte von fortschreitender Entfremdung zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten geprägt. Hier taten sich verschiedene Konfliktfelder auf. Zum einen rangen beide Seiten um die Missionierung der slavischen Völker. Zum anderen stritten Rom und Konstantinopel um die kirchliche Oberhoheit über Süditalien und den Balkan. Schließlich führten die vom lateinischen Westen ausgehenden Kreuzzüge zur Eroberung der Kaiserstadt durch die Kreuzritter.

2.1 Das Ringen um die Missionierung der slavischen Völker Wahrscheinlich seit dem ausgehenden 8. Jh. wirkten lateinische Missionare im Großmährischen Reich. Als dessen Herrscher im 9. Jh. in einen politischen Gegensatz zum ostfränkischen Reich gerieten, wandte sich Rostislav an Kaiser Michael III. (842–867) mit der Bitte um die Entsendung von griechischen Missionaren. Dieser erkannte die sich bietende Chance und entsandte die heute als Slavenapostel verehrten Brüder Konstantinos (ca. 826–869) und Methodios (ca. 815–869) in den Westen. Um die neuen Gläubigen in ihrer Landessprache unterweisen zu können, entwickelten die beiden das glagolitische Alphabet. Damit legten sie die Grundlage für eine „gesamtslavische Kult- und Schriftsprache“ (Padberg: Christianisierung im Mittelalter, 125). Gerade in diesem Ansinnen weckten Konstantinos und Methodios den Widerspruch der ostfränkischen Kirche. Deren Bischöfe vertraten die Auffassung, die Liturgie dürfe nur in den drei Sprachen gefeiert werden, in denen Jesus auf dem Kreuz als König der Juden bezeichnet worden sei, d.h. Hebräisch, Griechisch, Lateinisch. Die slavische Landessprache sei nicht zulässig. Damit brach der so genannte Dreisprachenstreit aus. Zwar erlangten Methodios und Konstantinos zunächst von Papst Hadrian II. (867–872) in Rom die Zustimmung zu ihrem Handeln – wobei Konstantinos den Mönchsnamen 10

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Kyrillos annahm, unter dem er eher bekannt geworden ist. Nach dem Sturz Rostislavs im Jahr 870 näherte sich der neue Herrscher Svatopluk jedoch wieder dem ostfränkischen Reich an. Methodios wurde verbannt; und die Schüler der beiden Brüder nach Bulgarien auswandern, wo sie ihr missionarisches Werk fortsetzten. Aus dem glagolitischen wurde dabei das kyrillische Alphabet entwickelt.

Während sich im Großmährischen Reich der lateinisch-westliche Einfluss durchsetzte, nahm die Entwicklung in Bulgarien einen anderen Verlauf. Wohl auf Grund des politischen Gegensatzes zum (ost-) römischen Kaiserreich, unterstellte Khan Boris I. (852–889) im Jahr 866 Bulgarien dem Papst. Davon aufgeschreckt, berief Patriarch Photios (858–867 und 878–886) eine allgemeine Synode nach Konstantinopel (867), welche die Vorherrschaft der Kaiserstadt über die Kirche in Bulgarien bekräftigte. Bulgarien erhielt einen eigenen Erzbischof, der jedoch in Konstantinopel geweiht wurde. Als Sprache der Liturgie ersetzte allerdings das Kirchenslavische das bis dahin vorherrschende Griechische. Es konnte sich auch in vielen Bereichen halten, als Bulgarien unter dem Kaiser Basileios II. (976–1025) in das Reich eingegliedert wurde. Über die Person des Photios kam es indes zu einer zeitweiligen Aufkündigung der Kirchengemeinschaft zwischen Rom und Konstantinopel. Wie in Bulgarien, setzte sich auch im Reich der Kiever Rus’ die östliche Form des Christentums durch. Nach der traditionellen Zeitrechnung ließ sich nämlich im Jahr 988 der Fürst Vladimir I. (978–1015) von Kiev mit vielen seiner Untertanen im Fluss Dnjepr taufen. Mit dieser Entscheidung Vladimirs ergab sich die bis heute weitgehend vorherrschende Teilung: Die westslavischen Völker sind daher heute meistens katholisch, die süd- und ostslavischen gehören hingegen eher einer orthodoxen Kirche an. 11

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2.2 Die weitere Entfremdung: das Jahr 1054 Die beispielsweise im Dreisprachenstreit zu Tage tretenden Gegensätze zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten unterstrichen, wie sehr sich Rom und Konstantinopel mittlerweile entfremdet hatten. Auch kirchenrechtlich traten sie nun in einen Gegensatz. Auf der einen Seite besaß der römische Papst Rechte auf dem Balkan, welche Konstantinopel zurückzudrängen suchte. Auf der anderen Seite unterstanden süditalische Bistümer dem Patriarchen in Konstantinopel, auf welche Rom Ansprüche erhob. Vor diesem politischen Hintergrund scheinen beide Parteien ihre Positionen auch theologisch voneinander abgegrenzt zu haben. So schloss einerseits Patriarch Michael Kerullarios im Jahr 1053 lateinische Kirchen in Konstantinopel mit dem Argument, dort würden ungesäuerte Brote für die Feier der Eucharistie verwendet. Andererseits thematisierte der päpstliche Legat Humbertus von Silva Candida bei Verhandlungen in der Kaiserstadt am Bosporus die Frage nach dem rechten Verständnis vom Hervorgehen des Hl. Geistes. In Übereinstimmung mit der griechischen Fassung des Glaubensbekenntnisses des Konzils von Konstantinopel (381) lehrten die (Ost-) Römer, dass der Hl. Geist „aus dem Vater hervorgehe.“ Die Lateiner verwendeten jedoch seit dem elften Jahrhundert den Zusatz „und dem Sohn“ (filioque). Es scheint, dass der römische Papst wegen dieser „Hinzufügung“ zum althergebrachten Glaubensbekenntnis der Kirche im Jahr 1014 (nach anderer Meinung im Jahr 1009) erstmals aus den Diptychen der Kirche von Konstantinopel gestrichen worden ist (Bayer: Das morgenländische Schisma, 41). Als Verhandlungen zwischen den beiden Seiten im Jahr 1054 in Konstantinopel scheiterten, sprach der päpstliche Gesandte den Kirchenbann gegen den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Michael Kerrularios, aus. Der frühere Münchner Byzantinist Hans-Georg Beck hat zu diesem Akt angemerkt: „Ein formales Schisma zwischen beiden Kirchen kann kaum konstatiert werden. Aber worauf es im Laufe der Geschichte ankommt, ist, dass hier ein starker Akzent gesetzt wurde: Abkühlung bis zum Nullpunkt, von der sich beide Kirchen bis zum 15. Jh. nicht mehr erholen. Man versteht sich nicht mehr, und man will sich nicht mehr verstehen, weil man schon zu lange aneinander vorbei gelebt hat“ (Beck: Geschichte der orthodoxen Kirche, D147).

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Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte der orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich

2.3 Die Kreuzzüge und das erste Schisma im Osten Die nun spürbaren Gegensätze vertieften sich in der Zeit der Kreuzzüge. Zwar hatte Kaiser Alexios Komnenos (ca. 1081–1118) den Westen um militärische Unterstützung gebeten. Doch führte der Ehrgeiz vor allem des Bohemund von Tarentum zum ersten „echten“ Schisma am Sitz eines der fünf altkirchlichen Patriarchate. Als die lateinischen Kreuzfahrer nämlich im Juni 1098 die Stadt Antiocheia einnahmen, residierte dort der griechische Patriarch Johannes IV Oxos. Der päpstliche Legat Adhemar von Le Puy bestätigte ihn zunächst im Amt. Nach den lateinischen Gesta Francorum wurde der erste lateinische Bischof für das Bistum Albara von dem griechischen Patriarchen Johannes geweiht (Gesta Francorum X.31 (ed. Brehier, 166–168)). Doch nach dem Tod Adhemars im August änderte der Normanne seine Politik. Zum einen sicherte er sich die weltliche Herrschaft über die Stadt am Orontes. Zum anderen bat er den lateinischen Patriarchen Dagobert von Jerusalem um die Weihe von lateinischen Bischöfen für seine Grafschaft, weswegen Johannes IV. im Jahr 1100 die Stadt Antiocheia verließ. Sir Steven Runciman merkte daher zu diesen Vorgängen an: „One can therefore say that a schism started in Antioch in 1100, with two rival lines of Patriarchs, each claiming to be in the apostolic succession“ (Runciman: The Eastern Schism, 92). Ihren traurigen Höhepunkt fanden diese Auseinandersetzungen, als ein lateinisches Kreuzfahrerheer im Jahr 1204 Konstantinopel selbst eroberte, die Stadt ausplünderte und ein lateinisches Kaiserreich errichtete. Das Schisma zwischen West und Ost wird daher „von den meisten Historikern auf das Jahr 1204 datiert“, merkt der Theologe Johannes Oeldemann an (Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens, 38).

2.4 Die letzten Unionsversuche mit dem lateinischen Westen Das (ost-) römische Reich hat sich von den Geschehnissen des Jahres 1204 nie mehr erholt. Angesichts der zunehmenden Gefahr für den Bestand des verbliebenen Restreiches unternahmen jedoch noch einmal zwei (ost-) römische Kaiser den Versuch einer Kirchenunion: Michael VIII. (1261–1282) und Johannes VIII. (1425–1448). 2.4.1 Das Konzil von Lyon (1274) Während sich die (Ost-) Römer wieder in ihrer Hauptstadt einrichteten, erweitere Karl von Anjou (1227–1285) seine Herrschaft. Da er auch in Griechenland über mehrere Brückenköpfe verfügte, erkannte Michael VIII. (1261–1282) im Papst offenbar den einzigen, der Konstantinopel vor einer neuerlichen Invasion bewahren könne (Roberg: Die Union, 26–27). Dieser stellte allerdings hohe Bedingungen: Zunächst müssten die theologischen Streitfragen geklärt werden. Unter diesem Druck übersandte der Kaiser ein Glaubensbekenntnis (DH Nr. 851–861), in welchem er auf wesentliche Forderungen der Lateiner einging: Der Basileus bestätigte, dass der Hl. Geist „aus dem Vater und dem Sohn hervorgehe“ (ex Patre Filioque procedentem) [DH Nr. 853]. Er erkannte an, dass die Römische Kirche die Eucharistie „aus ungesäuertem Brot“ gültig spenden könne 13

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(sacramentum Eucharistiae ex azymo conficit eadem Romana ecclesia) [DH Nr. 860]; und er gestand zu, dass diese den „höchsten und vollsten Primat und die Herrschaft über die gesamte katholische Kirche inne [habe]“ (summum et plenum primatum et principatum super universam Ecclesiam catholicam obtinet) [DH Nr. 861]. Die (ost-) römischen Gesandten unterzeichneten die Unionspunkte (vgl. Roberg: Das Konzil von Lyon, 237). Klaus Schatz merkt dazu an: „Die ‚Union‘, die auf dem Konzil mit den griechischen Gesandten abgeschlossen wurde, war ‚Diktat statt Dialog‘. Ihr theologisches ‚Konsensdokument‘, das Glaubensbekenntnis des Kaisers, war nicht Ergebnis eines bilateralen theologischen Dialogs, sondern Niederschlag westlicher theologischer Entwicklung, die den Griechen [...] aufoktroyiert wurde“ (Schatz: Allgemeine Konzilien, 116). Michaels Nachfolger als Kaiser, sein Sohn Andronikos II. (1282–1328), kündigte die Union nach seiner Thronbesteigung auf. 2.4.2 Das Konzil von Florenz (1439) Anders stellte sich die Lage im 15. Jh dar. Das Herrschaftsgebiet des Kaisers war mittlerweile weitgehend auf Konstantinopel reduziert. Daher erhoffte sich Johannes VIII. (1425–1448) militärische Unterstützung. Im Westen standen sich gerade Papst und Konzil gegenüber. Papst Eugen IV. (1431–1447) erkannte deshalb in einer Kirchenunion einen entscheidenden Vorteil in dem Ringen. Kaiser wie Papst waren daher am Zustandekommen einer Übereinkunft zwischen ihren Kirchen sehr interessiert. Bei den Verhandlungen kam man zu dem Ergebnis, dass in Bezug auf das Hervorgehen des Hl. Geistes beide Formeln – das lateinische „und dem Sohn“ (Filioque) wie das griechische „aus dem Vater“ (ek tou patros) – zulässig seien (Schatz: Allgemeine Konzilien, 155). In der Bulle Laetentur coeli (DH Nr. 1300–1308) wurde darüber hinaus verkündet, dass der Leib Christi „mit ungesäuertem wie mit gesäuertem Weizenbrot wahrhaft zustande gebracht“ werde (in azymo sive fermentato pane triticeo corpus Christi veraciter confici) [DH Nr. 1303]. Des Weiteren wurde festgehalten, dass „der heilige Apostolische Stuhl […] den Primat über den gesamten Erdkreis inneha[be]“ (sanctam Apostolicam Sedem […] in universum orbem tenere primatum) [DH Nr. 1307] – auch wenn „selbstverständlich“ (videlicet) den Patriarchen des Ostens „all ihre Privilegien und Rechte [bewahrt blieben]“ (salvis privilegiis omnibus et iuribus eorum) [DH Nr. 1308]. Klaus Schatz urteilt deshalb: „So kam 1439 das Unionsdekret Laetentur coeli zustande. Obwohl nicht in jeder Hinsicht voll ausgereift und aus heutiger ökumenischer Sicht ungenügend, war es damals jedoch theologisch und auch ökumenisch keine schlechte Leistung“ (Schatz: Allgemeine Konzilien, 156). Dennoch war in Konstantinopel „der Empfang […] kühl bis frostig, von Begeisterung kann jedenfalls nicht gesprochen werden“ (Beck: Geschichte der orthodoxen Kirche, D25). Trotz heftigen internen Auseinandersetzungen wurde die Union im Dezember 1452, in „einem Augenblick höchster Not“ (Schatz: Allgemeine Konzilien, 157) in der Hagia Sophia verkündet. „Für das Schicksal der Hauptstadt war es [jedoch] zu spät. Ein halbes Jahr nach dieser Feierlichkeit wurde Byzanz türkisch und bald darauf der Unionsgegner Georgios Scholarios der erste Patriarch unter dem Halbmond“ (Beck: Geschichte der orthodoxen Kirche, D253). 14

Die Orthodoxen Kirchen im Osmanischen Reich Hacik Rafi Gazer

1. Hinführung In der Zeit zwischen dem 14. und dem 20. Jh. gerieten zahlreiche christliche Kirchen des Ostens unter die Herrschaft des Osmanischen Reichs. Über Jahrhunderte hinweg lebten Christen der altorientalischen, orthodoxen, katholischen – und später der anglikanischen, reformatorischen und freikirchlichen – Tradition im osmanischen Staat, der mehrheitlich nach der sunnitisch-islamischen Konfession ausgerichtet war. In diesem Beitrag richtet sich der Fokus auf die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition, die miteinander in Kirchengemeinschaft stehen. Für diese Kirchen sind die Konzilsbeschlüsse der ersten sieben ökumenischen Konzile der römischen bzw. byzantinischen Reichskirche des 4. bis 8. Jh. lehramtlich verbindlich. Sie standen und stehen trotz mancher geographischer und sprachlicher Entfernung miteinander in Bekenntnisgemeinschaft und gehören derselben Liturgiefamilie an. Die mit der katholischen Kirche unierten Kirchen werden hingegen nur am Rande erwähnt werden. In den meisten Gebieten des Osmanischen Reichs waren christliche Kirchen beheimatet, in Anatolien, auf dem Balkan, auf der Krim, in Georgien, in Syrien, in Palästina, in Jordanien, in Israel, im Libanon, in Ägypten, auf Zypern, im Irak und im Jemen. Die historische Ausdehnung des Osmanischen Reiches entwickelte sich in folgenden Phasen: Zunächst breitete sich das Osmanische Reich aus der heutigen Osttürkei vom 14. bis 16. Jh nach Nordwestanatolien sowie Südostanatolien aus. Im 17. Jh. erreichte es seine höchste Ausdehnung. Seit dem 18. und 19. Jh. verlor es hingegen immer mehr an Macht und Einfluss. Schließlich ging es zu Beginn des 20. Jh. unter. Das Osmanische Reich herrschte als ein theokratischer Staat und war zugleich der mächtigste islamische Staat im Nahen Osten. Unter dem osmanischen Sultan Yavuz Selim war seit dem Jahr 1517 das Kalifat von Ägypten nach Istanbul verlegt worden. Selims Nachfolger bauten dieses Amt kontinuierlich aus. Die osmanischen Sultane waren daher Staatsoberhäupter und Kalifen zugleich. Bis zum Untergang des Osmanischen Reiches im Jahr 1917 verkehrten die christlichen Kirchenoberhäupter, insofern sie mit dem Staatsoberhaupt – also dem Sultan – zu tun hatten, zugleich mit dem Stellvertreter des Propheten selber in unterschiedlichen Rechts- und Loyalitätsverhältnissen. Die Geschichte der orthodoxen Kirchen verlief im multireligiösen und multiethnischen Osmanischen Reich, das sich über drei Kontinente erstreckte, je nach Region und Zeitabschnitt unterschiedlich. Die Donaufürstentümer Walachei und Moldau hatten als Vasallenfürstentümer beispielsweise Steuerverpflichtungen gegenüber dem Sultan. In den rumänischen Fürstentümern gab es keine türkische Präsenz. Im Nahen Osten sowie in Nordafrika lebten die orthodoxen Christen in der Zeit der osmanischen Eroberung schon seit einigen Jahrhunderten als christliche Minderheiten in islamisch-arabisch 15

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geprägten Mehrheitsgesellschaften. In Georgien ist eine eigene Situation zu beobachten. Insgesamt ging aber für die orthodoxen Kirchen spätestens mit dem Fall von Konstantinopel 1453 ihre seit den Zeiten Kaiser Konstantins bestehende gemeinsame Tradition, ja ihre „orthodoxe Einheit“ zu Ende. Die Suche nach einer neuen orthodoxen Einheit und die Befreiung vom osmanischen Joch stand in der Zeit zwischen Mitte des 15. bis zu Beginn des 20. Jh. auf der Tagesordnung aller orthodoxer Kirchen, die politisch unter osmanischer Oberhoheit lebten.

2. Die Rechtslage der Orthodoxen Kirchen Die Sultane am Bosporus verwalteten als Staatsoberhäupter und Kalifen das Osmanische Reich nach den Rechtsnormen und Prinzipien des Islams. Demnach waren alle christlichen Untertanen, d.h. auch die orthodoxen Christen der byzantinischen Tradition, in den neueingegliederten Gebieten des Osmanischen Reichs den muslimischen Untertanen rechtlich nicht gleichgestellt. Christen waren im Osmanischen Reich geduldete Bewohner. Sie waren im Unterschied zu den Muslimen gegenüber dem Staat zusätzlichen Steuerpflichten unterworfen. Orthodoxe Christen hatten auf Grund ihrer Nichtzugehörigkeit zum Islam (Gayrimüslim) auch besondere Auflagen betreffs ihrer Kleidung, des Haus- und Sakralbaus und der öffentlichen Ausübung der Religion zu erdulden. Ebenfalls wurden sie von der Ausübung bestimmter Berufe ausgeschlossen. Die osmanisch-islamischen Herrscher übernahmen bei der Gestaltung ihres Staates vieles von den (ost-) römischen Herrschern. Das betraf aber nicht die Rolle des Kaisers als Förderer der Kirche. In mancher Hinsicht allerdings bekamen die orthodoxen Patriarchen – und insbesondere der Ökumenische Patriarch – für ihre Kirchen eine exponiertere Stellung, als dies vor dem Fall der Stadt der Fall gewesen war. Diese neue Stellung brachte mehr Verpflichtungen sowie Abhängigkeiten vom Sultan mit sich. Eine der Hauptaufgaben des Patriarchen und seiner Metropoliten bestand darin, von den orthodoxen Kirchenmitgliedern (Reaya/Herde) als christliche Untertanen bzw. Schutzbefohlenen (Dimmi) die Gizya (Schutzsteuer) einzuziehen und abzuliefern. Für die einzelnen Christen veränderte sich in der osmanischen Zeit durch die beschriebenen zusätzlichen finanziellen Steuerlasten ihre gesamte Lage grundlegend. Diese betraf auch das Bild der Gläubigen von ihrer Kirche. Da diese ständig unter dem Druck stand, die geforderte Steuer an die osmanischen Autoritäten abzuführen, erschien die Kirche den Gläubigen immer mehr als eine Art von Finanzbehörde. Häufig waren die geistlichen Amtsträger daher auf Almosenreisen in Richtung Russland oder rumänische Fürstentümer anzutreffen, um die Mittelknappheit zu mildern. Die Steuerschulden belasteten das Kirchenvolk und das Mönchtum. Zunehmend erlebten die Christen, dass sie, anders als im (ost-) römischen Kaiserreich, kaum noch Handlungs-, Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten als Kirche besaßen. Das Amt des Ökumenischen Patriarchen wurde im Osmanischen Reich nach einem Pachtverhältnis Mukataa vom osmanischen Staat verpachtet. Der Patriarch und die 16

Die Orthodoxen Kirche(n) im Osmanischen Reich

Metropoliten mussten vor ihrer Amtsübernahme dem Sultan eine Abgabe, Pike, abliefern. Damit wurden diese Ämter auf Dauer käuflich. Zusätzlich zu diesen Abgaben hatte der Patriarch selbst qua Amt jährlich eine weitere Abgabe zu zahlen. Diese Praxis hatte zur Folge, dass es im Laufe des 17. und 18. Jh. zu häufigen Amtswechseln und zu einer Diskontinuität in der Leitung der orthodoxen Kirche kam. Nicht nur der Ökumenische Patriarch, sondern auch die in Istanbul tagende Synode verlor zunehmend ihre Mitgestaltungsmöglichkeit im Staat. Repräsentative Elemente der Kirche gingen verloren. Die wirtschaftlich einflussreichen Kaufmannsfamilien der Phanarioten, der griechischen Oberschicht in der Stadt Konstantinopel, wurden für die Wahl und die Amtseinsetzung des Patriarchen in der Stadt am Bosporus maßgebend. In den strukturellen Veränderungen des 1. Jh. nach der osmanischen Eroberung blieb zwar die Ausbildungsstätte des Patriarchats bestehen. Die Auswanderung von namhaften gelehrten Theologen in Richtung Westen, nach Venedig, Padua oder Rom, führte auf Dauer zur Schwächung der theologischen Ausbildung vor Ort. Gegen diese Verfallserscheinungen wurden Gegenmaßnahmen eingeleitet. Im Jahre 1593 wurde in Konstantinopel/Istanbul die theologische Akademie des Patriarchats vom Ökumenischen Patriarchen Jeremias II. erneuert. Nun konnten in Venedig und Padua ausgebildete Gelehrte wieder in Konstantinopel/Istanbul lehren. Der Versuch, dieses Konzept auch an anderen Orten zu verwirklichen, gelang nicht durchgängig. An der theologischen Akademie in Athen konnten beispielsweise zwar die Theologen Nikodemos von Pherai und Theophilos Korydalleos lehren, doch wurde die Akademie im Jahr 1607 wegen angeblicher Spionage von den Osmanen geschlossen. Isolation und kulturelle Verarmung waren die langwierigen Folgen. Im Laufe des 15. und 16. Jh. verloren mehrere orthodoxe Ethnien zudem ihre kirchliche Souveränität. Viele Patriarchate, die sich bis dahin unabhängig vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel selbst verwalteten und ihre Kirchenleitung jeweils selbst wählten, wurden nun, da ihre Nationen politisch dem Osmanischen Reich eingegliedert worden waren, auch der Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel/Istanbul unterstellt. Für viele Völker brachte die erste Zeit unter osmanischer Herrschaft doppelte Verluste, den Verlust der politischen wie der kirchlichen Unabhängigkeit. Eine Folge war die wirtschaftlich-kulturelle Verelendung in Griechenland, Serbien, Bulgarien, Rumänien und Albanien, aber auch in den Bereichen der orthodoxen Patriarchate von Antiocheia und Alexandreia sowie in Jerusalem.

3. Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel 3.1 Die innere Struktur des Ökumenischen Patriarchates Bis zur Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 residierte der Ökumenische Patriarch an der Kathedrale der Heiligen Weisheit, der Hagia Sophia. Diese größte Kirche der damaligen Christenheit wurde nach der Eroberung der Stadt umgehend in eine Moschee 17

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umgewandelt. Der Sitz des Patriarchen wanderte daher in den nächsten Jahrhunderten innerhalb der Stadt umher. In den Jahren 1453–1456 residerte der Erzbischof der untergegangenen Kaiserstadt in der Zwölfapostelkirche. Als diese Kirche zur Fatih Moschee (Eroberer-Moschee) umgewandelt wurde, zog das Patriarchat in den Jahren 1456–1586 in die Kirche der Gottesmutter des Pammakaristoskloster; doch auch diese Kirche wurde 1591 zur Fethiye Mosche umgewandelt. In den Jahren 1586–1597 fand der Ökumenische Patriarch vorübergehend eine Heimat in der Kirche des BlachernenPalastes, von wo er in den Jahren 1597–1602 in das Kloster St. Demetrios einzog. Schließlich wurde das Ökumenische Patriarchat nach den Wanderjahren im Jahr 1602 in den Stadtteil Fener in die Hl. Georgios-Kirche verlagert, wo es sich bis heute befindet. Diese nicht immer freiwilligen Umzüge zeigen die nach dem Untergang des (ost-) römischen Reiches herrschende Unbeständigkeit sehr deutlich. Dieselbe Diskontinuität lässt sich auch im Hinblick auf die Amtsinhaber beobachten. In den Jahren 1454 bis 1901 amtierten 116 Ökumenische Patriarchen im Osmanischen Reich. In den Jahren 1595 bis 1695 gab es allein 31 Amtsinhaber. Der Ökumenische Patriarch musste für die staatlichen Autoritäten vertrauenswürdig und staatstreu sein. Ausländern war beispielsweise die Übernahme des Patriarchats nicht gestattet. Nicht nur der Amtsinhaber musste im Osmanischen Reich geboren sein, auch sein Vater sollte Angehöriger des osmanischen Staates (gewesen) sein. Solange der Patriarch nicht in Konflikt mit dem Staat geriet und nicht gegen die kirchliche Ordnung und deren Riten verstieß, durfte er lebenslänglich im Amt bleiben. Der Patriarch wurde, nachdem er von der Synode gewählt worden war, vom Sultan nach Zahlung des Beratpihkes in seinem Amt bestätigt. Außerdem wurden bei Amtsantritt weitere Steuern fällig. Der Ökumenische Patriarch konnte vom Sultan auf Beschwerde der Gemeinden entlassen werden. Gründe waren z. B., wenn der Patriarch ohne Synodenbeschluss selbstständig Entscheidungen getroffen hatte. Aus Alters- oder Krankheitsgründen traten Patriarchen auch selber zurück. Weitere Gründe für eine Entlassung aus dem Amt waren Bestechlichkeit, z.B. bei der Einsetzung von Metropoliten, oder Versäumnisse bei Finanzpflichten. Ein Entlassungsgrund war der Vorwurf, dass von Seiten des Patriarchen Aufstände gegen den osmanischen Staat organisiert oder angestiftet wurden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Staat sich das Recht vorbehielt, Patriarchen ein- und abzusetzen und sie anschließend auf den Hl. Berg Athos abzuschieben. Der Staat hatte damit eine einschneidende Möglichkeit, Einfluss auf viele Vorgänge des Patriarchats auszuüben. Dem Ökumenischen Patriarchen wurde von Seiten des osmanischen Staates ein Yeniceri als Begleiter zur Verfügung gestellt. Weitere Personen, genannt Yasakci/Hizmetci, begleiteten die Metropoliten, die aus den Provinzen zur Abrechnung der Steuer nach Istanbul kamen. Sie hatten im Patriarchat ein eigenes Zimmer. Diese staatlich benannten Personen waren auch bei der Auslieferung von Geistlichen beteiligt, gegen die ein kirchliches Disziplinarverfahren lief. Durch die staatlichen Mitarbeiter (Yeniceri sowie Yasakci/Hizmetci) hatte der osmanische Staat ständige Aufseher sowohl über den Ökumenischen Patriarchen als auch über die ihm unterstehenden Metropoliten. So konnte der osmanische Staat in die inneren Angelegenheiten des Ökumenischen Patriarchats ebenso eingreifen wie in die der jeweiligen Metropoliten. 18

Die Orthodoxen Kirche(n) im Osmanischen Reich

Diese Metropoliten unterlagen ebenfalls einer finanziellen Pflicht gegenüber dem Staat. Vor ihrem Amtsantritt mussten sie Pihke zahlen. Im Jurisdiktionsbereich des Ökumenischen Patriarchats gab es zwischen 88 und 117 Metropoliten. Bei den Besuchen ihrer Gemeinden wurden sie von den Yasakcis begleitet. Der Staat übte durch seine Mitarbeiter konkret Kontrolle über die Arbeit der Metropoliten in den Gemeinden aus. Nur dem Patriarchen in Istanbul war es prinzipiell gewährt, Metropoliten auszuwählen, um den Patriarchen zu unterstützen. Manche Amtsgeschäfte konnten nur in Zusammenarbeit des Patriarchen mit einem Metropoliten abgewickelt werden. Der Staat ließ aber nicht immer eine entsprechende Ernennung zu. Religionswechsel war im Osmanischen Reich bis zur ersten Hälfte des 19. Jh. nur in eine Richtung möglich. Orthodoxe Christen durften zum Islam konvertieren, aber nicht umgekehrt. Erst die Tanzimat-Reformen ermöglichten einen Religionswechsel aus dem Islam in das Christentum, aber auch den Konfessionswechsel innerhalb derselben Religion. Die orthodoxen Kirchen hatten im Falle eines Konfessionswechsels eines ihrer eigenen Kirchenmitglieder keine Rechtsbefugnis. Die orthodoxen Priester mussten die Angelegenheit vor den islamischen Kadis abwickeln und nicht im Patriarchat, bzw. in den Metropolitansitzen. Die Heirat orthodoxer Frauen mit muslimischen Männern war erlaubt. Kinder aus diesen Ehen gehörten automatisch zum Islam. Orthodoxen Männern war es hingegen nicht erlaubt, islamische Frauen zu heiraten. In solchen Fällen war die Heirat der Männer mit islamischen Frauen mit der Konversion zur islamischen Religion verbunden. Amtliche Bekanntmachungen in Bezug auf die orthodoxen Christen wurden über den Patriarchen abgewickelt. Sie hatten als Mittler zu agieren und waren für die Durchsetzung zuständig. Die Patriarchen handelten eindeutig als staatliche Beamte des osmanischen Staates. Ab 1741 bis 1860 musste die Wahl des Patriarchen von den Ältesten der fünf Diözesen Herakleia, Kyzikos, Nikomedeia, Nikaia und Chalkedon freigegeben werden. Erst dann konnten die genehmigten Kandidaten von der Synode gewählt werden. Später partizipierten auch die Diözesen Derkos, Kaisareia und Antiocheia an dieser Regelung.

3.2 Die Außenbeziehungen des Ökumenischen Patriarchats Das Verhältnis zu den außerhalb des Osmanischen Reiches liegenden orthodoxen Kirchen gestaltete sich außergewöhnlich schwierig. Das anfängliche Wohlwollen von Seiten des osmanischen Staates änderte sich und wurde mehr und mehr von Misstrauen bestimmt. Während einer Almosenreise des Patriarchen Jeremias II. nach Moskau im Jahr 1589 verlieh dieser der russisch-orthodoxen Kirche den Patriarchatsstatus. Somit erhielt der christliche orthodoxe Staat im Norden einen eigenen Patriarchen. Patriarch Jeremias II. kehrte, zwar misstrauisch beobachtet vom osmanischen Staat, jedoch reich beschenkt in die Stadt Konstantinopel/Istanbul zurück. Bisweilen waren die Verbindungen des Ökumenischen Patriarchen zu den außerhalb des osmanischen Territoriums liegenden byzantinisch-orthodoxen Geistlichen geradezu verhängnisvoll. Der Ökumenischen Patriarch Gregorios V. Angelopoulos setzte 19

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sich zu Beginn des 19. Jh. für die Freiheit Griechenlands ein. Er wurde deshalb vom osmanischen Staat immer wieder seines Amtes enthoben. Er bezahlte seinen Einsatz mit dem Leben. Auf Anordnung des osmanischen Sultans wurde er am Ostersonntag, dem 10. April 1821, in Istanbul erhängt. Sein Leichnam wurde im Ornat ins Meer geworfen. Beigesetzt wurde er zunächst in Odessa. Seit 1871 werden seine Gebeine in der Kathedrale von Athen aufbewahrt. Russland hatte angesichts dieser Ereignisse beim osmanischen Sultan in Konstantinopel/Istanbul interveniert. Insbesondere setzte sich das russische Kaiserreich für die Erlaubnis ein, die beschädigten Kirchen und Klöster wieder herzustellen. In Folge des griechischen Aufstands waren viele griechisch-orthodoxe Kirchen und Klöster verbrannt und zerstört sowie viele Geistlichen ermordet worden. Sultan Mahmut II. (1808–1839), der zunächst geplant hatte, alle griechischen Untertanen zu ermorden, erlaubte den geflohenen Untertanen dann doch die Rückkehr. Es bedurfte also auch einer Restaurierung der religiösen Versorgung. Für das Ökumenische Patriarchat entwickelte sich die Beziehung zur orthodoxen Kirche in Griechenland als Verlust. Der politischen Unabhängigkeit folgte 1833 die Autokephalieerklärung der Kirche Griechenlands. Die autokephale Kirche von Griechenland wurde jedoch erst im Jahr 1850 vom Ökumenischen Patriarchat anerkannt. Gegenüber der katholischen Kirche war aus Sicht des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel Vorsicht geboten. Kontakte mit dem Apostolischen Stuhl wurden nicht unbedingt als Stärkung der Position der orthodoxen Seite erfahren. Jeder Annäherungsversuch konnte von den osmanischen Autoritäten als Verrat und Loyalitätsabbruch betrachtet werden. Darüber hinaus konnte jede Annäherung auch in kirchlicher Hinsicht ihren Preis kosten, da die katholische Kirche an der Bildung neuer Unionen von orthodoxen Christen mit dem Apostolischen Stuhl – wie der in Brest 1595/1596 – interessiert war. Besonders attraktiv wurde der lateinische Westen, als im Jahr 1577 in Rom für griechische Gelehrte das Athanasiuskolleg gegründet wurde. Seit dem Aufkommen der Reformation im 16. Jh. gab es auch Kontakte zwischen den orthodoxen Patriarchen und reformatorischen Theologen, z. B. nach Wittenberg und Tübingen. Der Briefwechsel aus den Jahren 1573 bis 1578 zwischen Theologen der Evangelischen Fakultät der Universität Tübingen und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel blieb aber ohne nennenswerte Folgen. Die Bemühungen des Theologen und Patriarchen Kyrillos Lukaris zu Beginn des 17. Jh. um Kontakt zum reformierten Zweig der Reformation erwiesen sich ebenfalls nicht als sehr fruchtbar.

4. Die Lage der orthodoxen Christen im Osmanischen Reich Der Ökumenische Patriarch war für alle orthodoxen Untertanen des Osmanischen Reichs zuständig. Er besaß damit eine ihm vom osmanischen Sultan übertragene herausragende Stellung gegenüber allen anderen bis dahin existierenden orthodoxen Patriarchaten und Erzbistümern. Die Angehörigen der anderen christlichen Patriarchate 20

Die Orthodoxen Kirche(n) im Osmanischen Reich

und Kirchen wurden nach und nach dem Ökumenischen Patriarchat unterstellt. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgte für manche ein Hin und Her zwischen Selbstständigkeit und Unterstellung. Die Selbstständigkeit der Kirchen entwickelte sich in manchen Fällen parallel zur politischen Unabhängigkeit der Völker. Ob, wie immer wieder behauptet wird, das Patriarchat für das Familienrecht, das Eherecht und das Erbrecht aller orthodoxen Untertanen des Osmanischen Reiches zuständig gewesen ist, kann auf Grund der Quellenlage nicht positiv beantwortet werden. Sicher lässt sich belegen, dass es für die orthodoxen Untertanen immer wieder einzelne lokale gesetzliche Regelungen gab, die unabhängig vom Ökumenischen Patriarchat vollzogen wurden. Das Wort Millet kommt vom arabischen Wort Mille und bedeutet so viel wie „ein Wort“. Eine Gruppe von Menschen, die Anhänger einer Wort- bzw. Buchreligion waren, wurden im Osmanischen Reich daher Millet genannt. Millets waren also keineswegs nur Juden und Christen, sondern alle Angehörigen einer Buchreligion, auch die Muslime gehörten dazu. Die Gleichsetzung von Millet und Nation ist eine spätere Entwicklung und hat mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes nicht mehr viel zu tun. Die Bevölkerung des Osmanischen Reiches war in zwei Teile aufgeteilt: die Muslime und die Nicht-Muslime. Die Angehörigen der muslimischen Millets gehörten überwiegend zur sunnitischen Konfession. Die Angehörigen der christlichen Millets verteilten sich auf verschiedene christliche Kirchen (Orthodoxe, Orientalisch-Orthodoxe, Katholiken, Protestanten). Die Angehörigen der Millets waren keineswegs immer Teil einer Minderheit. Der Status der nicht-muslimischen Millets weist in der 700jährigen Geschichte des Osmanischen Reiches je nach Epoche und Ort einige Besonderheiten auf. In Bezug auf die Rechte und Pflichten der christlichen Bevölkerung brachten historische Veränderungen wie etwa die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 oder die „Reformen“ in der Tanzimatszeit der 1830er und 1850er Jahre Veränderungen mit sich. Nach dem Jahr 1453 waren für viele Jahrhunderte nur drei große Millets, nämlich diejenigen der Juden, der Orthodoxen sowie der Armenier, von den Osmanen anerkannt. Im Laufe des 19. Jh. entstanden aber weitere Millets, so zum Beispiel ein armenisch-katholischer Millet (1831), ein katholischer Millet (1850), oder ein armenisch-protestantischer Millet (1878). Die bereits seit der Eroberungszeit bestehenden Millets erhielten im 19. Jh. eigene Verfassungen; im Jahr 1862 die Orthodoxen, 1863 die Armenier und 1865 die Juden. Auch die nicht-muslimischen Millets unterstanden mit allen Untertanen des Osmanischen Reiches dem islamischen Recht der Scharia. Nur in religiösen Fragen durften nicht-muslimische Millets ihre Angelegenheiten innerhalb ihrer Religions- bzw. Konfessionsgemeinschaft regeln Die höchsten Geistlichen der nicht-muslimischen Millets, z.B. der Oberrabiner der Juden, der Ökumenische Patriarch der orthodoxen Christen oder der ArmenischApostolische Patriarch wurden Milletbashehe (Oberhaupt) genannt. Sie hatten einen Status wie Staatsbeamte. Dieses Amt konnte vom osmanischen Staat gegen Bezahlung an Bewerber verpachtet werden. In der Forschung wird deshalb zunehmend von einem Iltizam-System (Verpachtungssystem) gesprochen. Auf Grund des neu erschlossenen Quellenmaterials wird die herkömmliche Bezeichnung Millet-System für den Status der nicht-muslimischen Buchreligionen neu zu überdenken sein. 21

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5. Ausblick Mit der Abwehr der Türken vor Wien im Jahr 1683 begann allmählich der Niedergang der Osmanen. Im Friedensvertrag von Karlowitz 1699 sicherten sich die christlichen Staaten Rechte und Gebiete auf dem europäischen Kontinent. Seit 1740 trat Frankreich als Schutzmacht der lateinischen Katholiken, aber auch für die orientalischen katholischen unierten Christen im Osmanischen Reich auf. Mit dem Vertrag von Kücükkaynarca 1774 sicherte sich Russland als Protektoratsmacht Rechte über die orthodoxen Untertanen im Osmanischen Reich. In Paragraph 7 des Vertrag von Aynali Kavak 1779 wurde es den Christen erlaubt, neue Kirchen zu bauen und die vorhanden zu renovieren. Mit der Tulpenzeit setzte im Osmanischen Reich eine Orientierung nach Westen ein. Sie wurde durch die Tanzimatreformen vom 3. November 1839 und durch Islahan vom 18. Februar 1856 vorangetrieben. Die Reformepoche dauerte bis zum Jahr 1876. Im Rahmen der Tanzimatreformen sollten für Christen viele der bis dahin herrschenden Diskriminierungen geändert werden. Auf dem Reformprogramm standen u.a. folgende Punkte: Zivile Gleichstellung von Christen und Muslimen, Gleichheit vor Gericht, Gleichheit bei Steuerabgaben, Recht zum Neubau von Kirchen sowie der Renovierung und der Wiederherstellung von alten Kirchen und Sakralbauten. Es kam in der Tanzimatperiode aber auch immer wieder zu Konflikten. Die muslimische Bevölkerung leistete vielfach Widerstand gegen die Gleichbehandlung ihrer christlichen Mitbürger. Als Russland 1853 eine Bestätigung des Vertrags von 1774 verlangte, in welchem es als Schutzmacht der orthodoxen Christen der byzantinischen Tradition im Osmanischen Reich vorgesehen war, verweigerten die Osmanen diese. Der Krimkrieg brach aus. In Paragraph 8 des Pariser Vertrags von 1856 wurde den Christen in allen Belangen die gleichen zivilen und politischen Rechte zugesichert. In dieser Zeit kam es zu einem wahren Boom des Kirchenbaus im Osmanischen Reich. Durch die Lockerung in der Religionspolitik im Rahmen der Reformzeit im 19. Jh. hatten sich auch die katholische, die anglikanische und verschiedene protestantische Kirchen und Gemeinschaften außerhalb von Istanbul in verschiedenen Provinzen des Osmanischen Reiches niederlassen dürfen. Diese konfessionelle Vielfalt brachte allerdings neue Konflikte zwischen den einheimischen autochthonen christlichen Kirchen und den neu zugezogenen christlichen Gemeinschaften mit sich. Ebenso kam es zu Konflikten zwischen den letzteren und den alteingesessenen Muslimen. Das in Auflösung befindliche Osmanische Reich war nicht mehr in der Lage, dieser multikonfessionellen und religiösen Koexistenz und den damit einhergehenden Konflikten Herr zu werden. Mit der wachsenden religiösen Vielfalt korrespondierte nach wie vor nicht das Prinzip der Gleichstellung der Religionen im Staat. Die Lösung wurde vielmehr in der ethnisch, konfessionell und religiös homogen konzipierten neuen gegründeten Republik Türkei gesucht. Darin war für orthodoxe Christen der byzantinischen Tradition kein Raum vorgesehen. Der in der osmanischen Zeit bestehende modus vivendi wurde für mehr als das nächste Jahrhundert aufgegeben. 22

Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum: Alexandreia, Antiocheia, Jerusalem und Zypern Dietmar W. Winkler Bei der Ausformung der Patriarchatsstruktur der östlichen Kirche spielte der Einfluss der Großmetropolen Alexandreia und Antiocheia eine wesentliche Rolle. Bis in die Mitte des 2. Jh. existierten die einzelnen christlichen Gemeinden noch weitgehend gleichberechtigt nebeneinander. Zugleich entstand aber das Bedürfnis, jene Probleme, die den rechten Glauben betrafen und über die einzelne Ortsgemeinde hinausgingen, durch Zusammenkünfte mit benachbarten Gemeinden zu lösen. Mit Synodalbriefen wurden die Ergebnisse kommuniziert. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Frage nach der rechten kirchlichen Überlieferung, die man besonders bei jenen Gemeinden gewahrt sah, die von einem Apostel gegründet worden waren. Bischofssitze, die in „apostolischer Sukzession“ standen, errangen besondere Bedeutung, denn sie seien Garanten dafür, dass das Traditionsgut treu und wahr weitergereicht wurde.

1. Die Entwicklung von Patriarchaten Bei der Vielzahl apostolischer Gründungen im Osten ließ sich ein Vorrang eines Bischofssitzes vor anderen Kirchen nicht leicht ableiten. Schon ab dem 3. Jh. kam daher auch ein politisches Prinzip hinzu, wonach es sinnvoll erschien, den Zusammenschluss mehrerer Bistümer den Verwaltungseinheiten des Römischen Reiches anzugleichen. Ihrer Bedeutung entsprechend wurden die jeweiligen Provinzhauptstädte (Metropolen) zu Sitzen eines Erzbischofs (Metropoliten), dem besondere Funktionen wie etwa die Leitung des Bischofskollegiums seines geographischen Herkunftsgebietes zukamen. Das Konzil von Nikaia im Jahr 325 lässt bereits die Entfaltung von kirchlichen Großregionen gemäß den Reichsdiözesen erkennen, die jeweils einen Obermetropoliten an ihrer Spitze haben. Kanon 6 bestätigte den diesbezüglichen Vorrang als „altes Gewohnheitsrecht“ der Bischöfe von Rom (im Westen), Alexandreia und Antiocheia (im Osten). Dieser konnte bei Rom und Antiocheia mit Berufung auf Petrus, bei Alexandreia mit Verweis auf den Petrusschüler Markus apostolisch begründet werden. Dass die apostolische Sukzession jeweils auf das Haupt des Apostelkollegiums zurückführbar war, unterstützte die Vorrangstellung. Überdies handelte es sich auch um die Bischofssitze der wichtigsten Städte der jeweiligen Kulturräume, d.h. nach heutigen modernen geographischen Verhältnissen von Europa, Afrika und Asien. Dem Bischof von Jerusalem, das nach den Zerstörungen im 1. und 2. Jh. erst in konstantinischer Zeit wieder an Bedeutung erlangte, wird mit Kanon 7 ein Ehrenrang vor anderen Me23

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tropoliten zugestanden, aber nicht in dem gleichen jurisdiktionellen Sinn, wie er den drei anderen Hauptstädten des Osten zugestanden worden war. Nach der Weihe der Stadt Konstantinopel (330) und der Verlagerung des politischen Schwergewichts des Römischen Reiches in den Osten ließ der Kaiser auch den Erzbischof der neuen Hauptstadt in seinem Rang erheben. Der zuvor unbedeutende Sitz wurde aus dem Metropolitanverband des Erzbischofs von Herakleia in Kleinasien herausgelöst. Auf dem Konzil von Konstantinopel (381) bekam er als „Neues Rom“ den Ehrenprimat nach dem „Alten Rom“ (Kanon 3). Ein Vorgang, der nicht friktionsfrei verlief, da nunmehr Konstantinopel gegenüber Alexandreia und Antiocheia die Vormachtstellung erhielt, ohne diese apostolisch begründen zu können. Dies wurde im Nachhinein mit der Andreaslegende ebenso petrinisch saniert, denn Andreas, sowohl Bruder des Petrus als auch erstberufener Apostel, habe den Ort Byzanz am Bosporus missioniert. Historisch ist dies ebenso plausibel wie der Aufenthalt des Petrus in Rom. Die Frage der Rangordnung Konstantinopels war noch im 5. Jh. akut. So versuchte das Konzil von Chalkedon (451) die Diskussion zu einem Abschluss zu bringen und verlieh dem Neuen Rom mit Kanon 28 den gleichen Ehrenrang wie dem Alten Rom, was von diesem bis heute bestritten wird. Das Konzil von Chalkedon (451) löste auch Jerusalem aus dem Jurisdiktionsbereich von Antiocheia und erhob es zum „Patriarchat“ – eine Bezeichnung, die allerdings erst ab dem 6. Jh. allgemein geläufig wurde. Über die Konzile von Nikaia (325), Konstantinopel (381) und Chalkedon (451) bildeten sich also in der östlichen Reichshälfte vier Patriarchate heraus – Konstantinopel, Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem – die gemeinsam mit dem Apostolischen Stuhl in Rom die sogenannte Pentarchie („Fünfherrschaft“) bildeten. Im 6. Jh., zur Zeit Kaiser Justinians, konkretisierte sich dieser Gedanke einer polyzentrischen überregionalen Kirchenstruktur in der theologischen Literatur und Kanonistik und galt noch im 9. Jh. selbst in Rom als passendes Konzept der Kircheneinheit. Ein solches ist die Pentarchie für die Orthodoxie als Kirchenmodell der Einheit in der Vielfalt bis heute.

2. Entfaltung und Aderlass in der Spätantike Vor der Gründung Konstantinopels war Alexandreia im Osten des Römischen Reiches die kulturell und ökonomisch wichtigste Stadt. Durch die geographische Geschlossenheit und dem wirtschaftlichen Reichtum entwickelte sich für den Erzbischof von Alexandreia eine besondere Machtfülle in seinem Gebiet. Die Ägyptische Kirche war selbstbewusst, in sich geschlossen und straff geführt. Mit seinen etwa 100 Bistümern im 4. Jh., die auch Libyen einschlossen und bis Nubien und Äthiopien ausstrahlten, war der Erzbischof von Alexandreia das einflussreichste Oberhaupt der östlichen Kirche. Die Schule von Alexandreia entwickelte sich überdies als das ausschlaggebende intellektuelle Zentrum, das u.a. mit Origenes, Klemens, Athanasios und Kyrillos die antike christliche Theologie nachhaltig prägte. Hinzu kommt die Entwicklung des 24

Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum

christlichen Mönchtums in den Wüsten Ägyptens mit herausragenden Gestalten wie Antonios, Pachomios und Shenute von Atripe, die der Kirche spirituelle Kraft und Führung gaben. Bis zur arabischen Eroberung stand Alexandreia mit der neu gegründeten Kaiserstadt am Bosporus im Konkurrenzkampf, und so auch die Metropoliten bzw. Patriarchen der beiden Städte. Diese Rivalitäten bildeten das kirchenpolitische Substrat zu den christologischen Auseinandersetzungen des 5. und 6. Jh.. Antiocheia, der Tradition nach die erste Cathedra Petri und die Stadt, wo gemäß Apg 11,26 die Anhänger Jesu erstmals „Christen“ genannt wurden, war das wichtigste frühchristliche Missionszentrum. Nach der Zerstörung Jerusalems war die Mittelmeermetropole jener Ort, von wo aus das Evangelium weiter nach Kleinasien, in den Kaukasus, nach Arabien und Persien getragen wurde. Antiocheia brachte bedeutende Kirchenväter und theologischen Denker hervor, unter ihnen Ignatios, Johannes Chrysostomos, Diodoros von Tarsus und Theodoros von Mopsuestia. Von hier aus entfalteten sich auch die großen asketisch-monastischen Bewegungen Syriens. Im frühen 4. Jh. umfasste die Metropolie Antiocheia fünfzehn Kirchenprovinzen, die von Zypern bis Mesopotamien und vom Sinai bis zum Kaukasus reichten. Allerdings war der geographische Raum nie so homogen wie jener in Ägypten. So war der Einfluss des Patriarchats v.a. jenseits des Römischen Reiches in Persien, Georgien und Armenien gering. Auch verlor das Patriarchat durch die Erhebung Konstantinopels (381), die Gründung des Patriarchats von Jerusalem (451) und die Autokephalie von Zypern auf dem Konzil von Ephesus (431) kontinuierlich an Gebieten und somit an politischem und kirchlichen Einfluss. Zypern war als Gründung von Paulus und Barnabas von alters her eine selbstständige Kirche. Zwar beanspruchte der Erzbischof von Antiocheia die Oberhoheit, doch das Konzil von Ephesus (431) bestätigte die traditionelle Unabhängigkeit. Im Bereich der griechischen Orthodoxie gilt der orthodoxe Metropolit von Zypern bis heute als der ehrwürdigste nach den Patriarchen der Pentarchie. Der Bischof von Jerusalem war zunächst ein Suffragan des Metropoliten von Caesarea. Auch wenn die „Mutter aller Kirchen“ von jeher besonderes Ansehen genoss, wurde Jerusalem aufgrund der faktischen Auslöschung der Christengemeinden in den jüdisch-römischen Kriegen der ersten beiden Jahrhunderte erst auf dem Konzil von Chalkedon (451) zum Patriarchat erhoben, indem die ehemalige antiochenische Metropolien Caesarea, Skythopolis und Petra zuerkannt wurden. Die christologischen Auseinandersetzungen um die Konzile von Ephesos (431) und Chalkedon (451), die weit bis in das 6. Jh. reichten, führten zur folgenschweren Aufsplitterung der Patriarchate von Alexandreia und Antiocheia. Alexandreia war das Zentrum der anti-chalkedonensischen Bewegung und sah durch das Bekenntnis von Chalkedon (451) den wahren Glauben des Kyrillos von Alexandreia verraten. Aber auch Antiocheia war nicht unwesentlich gegen das Konzil gestellt und hatte später mit Severos (512–518) einen Patriarchen, der in theologischer Brillanz die antichalkedonensische Christologie präzisierte. Erst die pro-chalkedonensische Restauration unter den Kaisern Justinos und Justinianos brachten die Wende, aber auch das endgültige Schisma. Lösten sich bis dahin Konzilsgegner und -befürworter auf den Bischofsstühlen ab, so erhob Kaiser Justinian 535–536 ausschließlich chalkedontreue Männer zu 25

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Bischöfen. Damit wurde die bischöfliche Hierarchie verdoppelt: Fortan gab es eine pro- und eine anti-chalcedonensische Linie. Die Anti-Chalkedonenser wurden unter Militärdruck ins Exil, in die Wüste oder in den Untergrund gedrängt. Dennoch blieb fast das ganze Patriarchat von Alexandreia in der Opposition und bildet heute die koptisch-orthodoxe Kirche, während nur ein griechischer Rest kaisertreu („melkitisch“) und in der reichskirchlichen Pentarchie verblieb. Ebenso gespalten wurde das Patriarchat von Antiocheia, wobei vor allem die griechischsprachige Bevölkerung bei der Reichskirche verblieb. Das anti-chalkedonensische Bruchstück formte der große Teil der syro-aramäischen Christen, die heute die syrisch-orthodoxe Kirche bilden. Das Patriarchat von Jerusalem blieb mit großer Mehrheit pro-chalkedonensisch. Dies hat einerseits mit der Verteidigung der chalkedonischen Lehre durch die Mönche, vor allem des Sabas-Klosters, zu tun. Andererseits ist dies aber auch dem Umstand zu verdanken, dass hier der theologische Streit nicht in dem Ausmaß mit nicht-theologischen Faktoren vermischt wurde, wie in Ägypten und Syrien. Dort vermengte sich die Auflehnung gegen das Konzil mit Widerstand gegen die kaiserliche Religions- und Reichspolitik. Zypern war insgesamt außerhalb des Horizonts der Auseinandersetzungen und blieb pro-chalkedonensisch.

3. Unter muslimischer Herrschaft Die (ost-) römische Armee wurde in der Schlacht am Yarmuk 636 von den muslimischen Arabern geschlagen. Antiocheia fiel im Jahr 637, Jerusalem 638 und Alexandreia im Jahr 642. Besonders die vom (ost-) römischen Kaiser in Konstantinopel verfolgten Christen, die das Credo der Konzilien von Ephesos (431) und Chalcedon (451) nicht annahmen, sahen die Muslime oftmals wie eine christliche Sekte und zunächst als Befreier. Die römische Gesetzgebung und Staatsreligion betraf sie nun nicht mehr. Die pro-chalkedonensischen Patriarchate von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem waren nun aber gemeinsam im selben Machtbereich, wie die anti-chalkedonensischen Kopten, Syrisch-Orthodoxen und die (ostsyrische) Kirche des Ostens des persischen Sassanidenreiches. Sie verloren ihre privilegierte Stellung und die regelmäßige Verbindung zum Patriarchat von Konstantinopel, das alleinig im (ost-) römischen Reich verblieb. Aufgrund ihrer mutmaßlichen Verbindung zum Kaiser erlitt die griechische Bevölkerung anfänglich Verfolgungen. Viele Griechen, vor allem des antiochenischen Patriarchates, wanderten daher in das (ost-) römische Reich ab, während die syrischen Christen einen besseren Zugang zu den ebenso semitischen Arabern fanden. Die einzelnen Kalifen nahmen durchaus unterschiedliche Haltungen gegenüber der christlichen Bevölkerung ein. Vor allem mussten sich die Muslime zunächst des (ost-) römischen Verwaltungsapparates zur Administration der neueroberten Gebiete bedienen und Christen hatten in der Anfangsphase hohe Staatsämter inne. Ein melkitischer Christ des Patriarchats von Antiocheia, der Großvater des bedeutenden orthodoxen 26

Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum

Kirchenschriftstellers Johannes von Damaskos (650–754), war beispielsweise der erste Finanzminister der Omayaden. Auch beginnt mit dem Schüler des Johannes und späteren Bischof von Harran, Theodor Abū Qurrah (750–825), die Reihe der prominenten arabisch schreibenden griechischen Theologen. Christen als Anhänger einer Buchreligion genossen durch ein Abkommen (dhimma) einen gewissen Schutz. Eine Sondersteuer (jizyah) bewahrte sie theoretisch vor der Annahme des Islam und vor dem Kriegsdienst. Allerdings entstand mit der Zeit ein Zweiklassensystem, das durch Kleidervorschriften für Christen auch sichtbar war. Wer diesen Status vermeiden und/oder die zusätzlichen Steuern für die Christen sparen wollte, trat zum Islam über. In der Zeit des „Byzantinischen Bilderstreites“ im 8. und 9. Jh. berief man sich im (ost-) römischen Reich auf die Theologie des Johannes von Damaskos, der am Kalifenhof aufgewachsen war und später in das Sabaskloster eintrat. Obwohl die Verbindung nach Konstantinopel schwierig war, wandten sich die griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem mit einer Synode in Jerusalem (745) gemeinsam gegen den Ikonoklasmus, was im muslimischen Umfeld umso bemerkenswerter erscheint. Auch während der zweiten ikonoklastischen Periode schrieben die Patriarchen Christophoros I. von Alexandreia (805–836) und Basileios von Jerusalem (820–838) an Kaiser Theophilos und traten für die Bilderverehrung ein. Gleichwohl setzte im griechisch-orthodoxen Patriarchat von Alexandreia der Niedergang ein. Es war gegenüber den anti-chalkedonensischen orthodoxen Kopten ohnehin schon in der Minderheit; in der islamischen Zeit aber ging die Zahl der Bischöfe, Klöster und Kirchen noch mehr zurück. Nahezu achtzig Jahre (651–727) blieb das Patriarchat unbesetzt. Es konnte sich erst im Jahr 750 neu organisieren, verblieb künftig aber unter Konstantinopler Einfluss. Noch im 7. Jh. hatten sich Kopten und Griechen der alten alexandrinischen Liturgie bedient; von nun an bis zum 12. Jh. wurde diese aber im griechisch-orthodoxen Patriarchat durch die byzantinische völlig ersetzt. Die Verbindungen des Patriarchats von Antiocheia zum Kalifenhof waren zur Zeit der Omayaden-Dynastie wechselhaft. Die Kalifen versuchten Einfluss auf die Patriarchenwahl zu gewinnen, um die Verbindung zu Konstantinopel zu unterbinden. Daher blieb der Patriarchenstuhl de facto oft unbesetzt. In einer dieser Zeiten der Sedisvakanz (702–742) kam es zu einer weiteren Teilung der antiochenischen Cathedra, denn die pro-chalkedonensischen, aber als „Monotheleten“ verdächtigten Maroniten, wählten mit einigen benachbarten Bischöfen einen eigenen Patriarchen von Antiocheia. Wegen der bedrängenden Politik der arabischen Herrscher zogen sie sich in das unwegsame Bergland des Libanon zurück oder flohen nach Zypern. Damit verlor das griechischorthodoxe Patriarchat von Antiocheia nach dem Aderlass durch die Anti-Chalkedonenser auch das letzte syrische Element. Die (Ost-) Römer vermochten 969 die Stadt wieder in ihren Besitz zu bringen, sodass bis zur Eroberung durch die Seldschuken 1085 das Patriarchat wieder aufblühte. Auch hier fand nun ein Rituswechsel statt, der bis Ende des 12. Jh. abgeschlossen war: Die angestammte antiochenische Tradition wurde durch die Gottesdienstordnung von Konstantinopel ersetzt. In Antiocheia wie auch Alexandreia setzte sich zudem allmählich das Arabische anstelle der orientalischen Sprachen als Medium der Kanzleien der Patriarchen durch. 27

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Große Ausstrahlung für die orthodoxe Theologie und Liturgie erlangte das südlich Jerusalems gelegen Mar Sabas Kloster. Dort wirkten u.a. Johannes von Damaskos, Theodor Abu Qurra, Kosmas der Melode, Michael Synkellos und Theodor Studites. In Jerusalem hatte die Christenheit mit der omayadischen Herrschaft von Kalif ‘Abd al-Malīk (646–705) zur Kenntnis zu nehmen, dass die Muslime ihre Herrschaft auch mit einem Bauprogramm zu demonstrieren suchten. Dies inkludierte 691 die Errichtung des Felsendoms zu Ehren Abrahams und Muhammads inmitten der heiligen Stadt. Jerusalem hatte auch kontinuierlich Verbindung zu wallfahrenden lateinischen Christen. Im Jahr 800 gewährte der in Bagdad residierende abbasidische Kalif Harun ar-Rāshīd Karl dem Großen freien Zugang der westliche Christenheit zu den heiligen Stätten. Jerusalem wurde zum Ort der Auseinandersetzung und Begegnung der drei monotheistischen Religionen, wie auch der östlichen und westlichen Christenheit. Unter dem 969 in Ägypten an die Macht gekommenen Fatimiden Kalif al-Hakim kam es 1009 zur Zerstörung der Grabeskirche (orthodox: Auferstehungskirche) in Jerusalem. Allerdings hingen muslimische Repressalien immer von den jeweiligen Herrschern ab. So blieb auch die (ost-) römische Regierung, die die Situation der Christen in diesen Gebieten besser kannte als der Westen, stets diplomatisch, während im Abendland die Zerstörungen den Gedanken grundlegten, die heiligen Stätten seien zu befreien. Mit dem Abschluss eines Vertrags (1027) zwischen dem Kalifat und Konstantinopel zur Abwehr der Seldschuken kehrte im Osten wieder religiöse Toleranz ein. Der (ost-) römische Kaiser wurde als Schutzherr des orthodoxen Christentums anerkannt und zerstörte Kirchen wiedererrichtet. Unter Kaiser Konstantinos IX. Monomachos (1042–1055) konnte der Wiederaufbau der Auferstehungskirche vollendet werden. Zypern war von Anbeginn der omayadischen Herrschaft bis zum 10. Jh. wiederholt Ziel von arabischen Angriffen. Mehrfach wurde die Insel überfallen und geplündert. Aber nicht alle Schwierigkeiten stammten allein von den Arabern. So versuchte Kaiser Justinianos II. (685–695/705–711), die Bevölkerung nach Kyzikos am Marmarameer umzusiedeln und Kalif ‘Abd al-Malīk protestierte gegen die Deportationen. Das Konzil von Trullo (Quinisextum 691) bekräftigte daher die Autokephalie der zypriotischen Kirche und musste sich mit dem Problem des ausgesiedelten zypriotischen Klerus beschäftigen. Unter Theodosios III.(715–717) kehrten die Vertriebenen wieder zurück; der Friedensvertrag zwischen dem Kaiser in Konstantinopel und den Arabern wurde erneuert. Kirchen und Basiliken konnten nun wieder hergestellt werden. Die Trennungsgeschichte zwischen Rom und Konstantinopel betraf die Patriarchate des Orients zunächst nur peripher. Vermittelnd griff Patriarch Petros III. von Antiocheia in die Wirrnisse um die Geschehnisse zwischen Rom und Konstantinopel im Jahr 1054 ein. Er wandte sich sowohl an Papst Leo IX. als auch den Ökumenischen Patriarchen Michael Kerullarios von Konstantinopel, um sie zu einer einsichtigen Haltung zu bewegen. Mit diesem Jahr war das Schisma zwischen östlichem und westlichem Christentum keineswegs endgültig vollzogen. Die drei Patriarchate von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem, die unter muslimischer Herrschaft standen, bedurften aber (ost-) römischer politischer wie finanzieller Unterstützung. Dies förderte die Hinwendung zu Konstantinopel ebenso wie die gemeinsame ostkirchliche Tradition. 28

Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum

In liturgischer Hinsicht wurde dies besonders anschaulich. Insbesondere haben aber die Kreuzzüge zum Bruch zwischen allen östlichen Patriarchaten und Rom geführt.

4. Das Zeitalter der Kreuzzüge Im Jahr 1055 nahmen die Seldschuken Bagdad ein und drängten weiter gegen das (ost-) römische Reich. Kaiser Romanos IV. Diogenes (1068–1091) war entschlossen, sie abzuwehren, wurde jedoch 1071 nördlich des Van-Sees geschlagen. Schon 1070 war Jerusalem erobert worden, 1084 ging auch Antiocheia verloren. Als sich Kaiser Alexios I. Komnenos an den Papst in Rom um Hilfe wandte, nützte dieser die Gelegenheit, um seine universale Stellung im europäischen Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium zu festigen. Urban II. (1088–1099) wollte die Kirche als zielgebende Ordnungsmacht in Mitteleuropa etablieren, das nach dem Ende des karolingischen Reiches in sich befehdende adlige Einflussgebiete zerfallen war. 1098 besetzten die Kreuzritter Antiocheia und schon ein Jahr später Jerusalem. Sukzessive wurde das ganze Küstengebiet erobert und durch einen Gürtel von Kreuzfahrerburgen abgesichert. Während der fränkischen Invasion (1096–1270) geschah das für die pro-chalkedonensische Orthodoxie Ungeheuerliche: Völlig unkanonisch wurden die Patriarchate von Antiocheia (1098), Jerusalem (1099) und Alexandreia (1219) beseitigt und lateinische Patriarchen eingesetzt. Ein christlich-lateinisches Königreich Jerusalem wurde errichtet, das unter Balduin I. von Bouillon (1100–1118) mit den Grafschaften Edessa und Tripolis sowie dem Fürstentum Antiocheia seine größte Ausdehnung fand. Im August 1100 musste der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiocheia, Johannes VII. Oxos, ins Exil nach Konstantinopel fliehen. Der Patriarch von Jerusalem, Symeon, war mit seinem Klerus schon 1091 nach Zypern ausgewichen. Die lateinischen Patriarchen wurden gegen den Willen der Orthodoxie eingesetzt und der ostkirchliche Klerus jurisdiktionell den Lateinern unterstellt. Die griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem residierten von da an vielfach im Phanar und blieben auch nach dem Fall der Kreuzfahrerstaaten in Abhängigkeit von Konstantinopel. Als Saladin Jerusalem 1187 von den Kreuzfahrern zurückerobert hatte, übergab er die Grabeskirche wieder der griechisch-orthodoxen Kirche. Auch der Patriarch von Antiocheia konnte wieder in seine Stadt zurückkehren, wechselte in der Folge aber wiederholt seinen Wohnsitz. Seit dem 14. Jh. residiert er in Damaskus. In Zypern war 959 wieder die (ost-) römische Oberhoheit hergestellt worden. 1191 eroberte aber der englische König Richard I. Löwenherz die Insel, der sie als Basis für den Dritten Kreuzzug benützte. Bis 1671 stand Zypern daher unter verschiedener lateinischer Herrschaft und war für den Westen eine wichtige Nachschubbasis im östlichen Mittelmeer. Unter anderen regierten der Templer-Orden, das lateinische Königreich von Jerusalem, die französischen Lusignanen und ab dem Jahr 1489 die Venezianer. Während der abendländischen Herrschaft wurde die Orthodoxie der lateinischen 29

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Hierarchie unterworfen. Mit der Constitutio Cypra von Papst Alexander IV. (1260) wurde Zypern sogar direkt dem Apostolischen Stuhl unterstellt. Den katholischen Unionsversuchen traten die orthodoxen Patriarchen des Orients vehement entgegen. Auf der Synode von Konstantinopel 1451 verurteilten die Patriarchen von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem die Union des Konzils von Florenz (1439) und erklärten jene Geistlichen, die der unionsfreundliche Patriarch von Konstantinopel, Metrophanes II., eingesetzt hatte, für abgesetzt. Die von den Kreuzfahrern errichteten lateinischen Patriarchate bestanden de facto nur so lange wie die Kreuzfahrerstaaten selbst, blieben jedoch nominell lange bestehen und hinterließen tiefe Wunden in der pro-chalkedonensischen Orthodoxie. Die formelle Aufhebung der lateinischen Patriarchate von Konstantinopel, Alexandreia und Antiocheia im Jahre 1964 durch Papst Paul VI. (1963–1978) war daher ein ökumenisch hervorragender Akt. Lediglich das lateinische Patriarchat von Jerusalem war im Jahr 1847 aus anderen Beweggründen wieder errichtet worden und besteht bis heute.

5. Im Osmanischen Reich Im Jahr 1453 eroberten die Osmanen die Stadt Konstantinopel, die ein Jahrtausend lang das christliche Abendland gegen Perser und Araber verteidigt hatte. Ab 1517 war der gesamte nahöstliche Raum der alten Patriarchate und die Insel Zypern unter osmanischer Herrschaft. Die nichtmuslimischen Konfessionen wurden als „(Glaubens-) Nation“ (millets) anerkannt, die ihre inneren Angelegenheiten selbst regeln durften. Gemäß dem Millet-System suchte der osmanische Staat jeweils ein Oberhaupt pro religiöser Gemeinschaft. So übertrug der Sultan die Verantwortung für alle orthodoxen, d.h. pro-chalkedonensischen, Untertanen dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Die Gläubigen der griechisch-orthodoxen Patriarchate von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem wurden dabei dem „Rhomäischen Religionsvolk“ (Rum millet) eingegliedert und ihre Patriarchen zu Titularwürdenträgern, die sich zudem häufig in Konstantinopel aufhielten. Die seit der muslimischen Eroberung starke arabische Prägung des Patriarchates wurde wieder zurückgedrängt, denn die Verbindung zu den Phanarioten in Konstantinopel unterstützte die Gräzisierung. In Alexandreia existierte die griechisch-orthodoxe Kirche bis zum 19. Jh. fast nicht mehr. Anfang dieses Jahrhunderts wurde die Kirche überhaupt nur von einem Archimandriten geleitet, den der Phanar in das Nilland entsandte. Erst im Jahr 1846 gestatteten die Osmanen wieder die Wahl eines eigenen griechisch-orthodoxen Patriarchen, der von nun an in Ägypten residierte. Auch das Patriarchat von Antiocheia sank in die Bedeutungslosigkeit, blieb aber durch die Jahrhunderte hindurch bestehen. Ab dem Jahr 1724 gestattete Konstantinopel nur Griechen, den Patriarchenstuhl einzunehmen, obwohl sich neben dem Griechischen nun auch das Arabische als Liturgiesprache durchsetzte. Erst ab 1898 gelang es, einen arabischen Patriarchen einzusetzen. 30

Die orthodoxen Kirchen im Orient und Ostmittelmeerraum

In Jerusalem unterstützten die Osmanen die Griechen, um den lateinischen Einfluss zurückzudrängen. Der griechisch-orthodoxen Kirche oblag es, die heiligen Stätten zu pflegen, eine Aufgabe der sich die 1662 gegründeten „Hagiographiten“ (Bruderschaft vom Hl. Grab) annahmen. So erfuhren die Patriarchen von Jerusalem hohe Wertschätzung in der Gesamtorthodoxie. Allerdings blieb der griechische Einfluss umfassend, was ab dem 19. Jh. russische Interventionen heraufbeschwor. Ab 1860 wurde die Wahl des Patriarchen von Jerusalem wieder von Konstantinopel unabhängig. Die katholischen Missionen der Jesuiten, Kapuziner und Karmeliten erwirkten im 18. Jh. die Gründung einer griechisch-katholisch melkitischen Kirche, die in Einheit mit Rom steht. Im Patriarchat von Antiocheia führten Zwistigkeiten zwischen Aleppo und Damaskus im Jahr 1724 zur Wahl eines pro-katholischen Patriarchen, den der Patriarch von Konstantinopel nicht anerkannte, sehr wohl aber Papst Benedikt XIII., der ihm 1729 das Pallium als Zeichen der vollen Kirchengemeinschaft überreichte. Konstantinopel setzte daraufhin einen eigenen Patriarchen ein. Seither ist Antiocheia auch noch in einen griechisch-orthodoxen und einen katholischen „melkitischen“ Teil zerschnitten. Im Jahr 1838 wurden die katholischen Patriarchatsbefugnisse auch auf die byzantinischen Katholiken Alexandreias und Jerusalems ausgebreitet. Im Jahr 1848 anerkannte die Pforte das griechisch-katholisch melkitische Patriarchat von Antiocheia, Alexandreia und Jerusalem als eigene Millet. Durch die langanhaltende lateinische Unterdrückung begrüßten die Zyprioten im Jahr 1517 die Osmanen geradezu als Befreier. Die Osmanen wussten die positive politische Stimmung zu nützen und errichteten die Orthodoxe Kirche mit allen autokephalen Rechten und Pflichten wieder, gliederten sie aber auch in die Rum Millet ein. Zur Zeit des griechischen Unabhängigkeitskrieges (1821) ließ die Pforte jedoch den Erzbischof, der für die Loyalität der Bevölkerung zuständig war, mit drei weiteren Bischöfen und fast fünfhundert Klerikern und Geistlichen ermorden. Nach der Neuordnung Südosteuropas 1878 kam die Insel unter britische Herrschaft, die orthodoxe Bevölkerung war jedoch bereits mehrheitlich griechischen-nationalen Zielen zugewandt.

6. Im Spannungsfeld des Nahen Ostens Zu Beginn des 20. Jh. wurde die politische Landkarte, in denen sich die alten Patriarchate des Orients und die Kirche von Zypern befinden, neu gestaltet. Der Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, die Neuordnung des Nahen Ostens nach dem Ersten Weltkrieg, das Ende der französischen und britischen Protektorate, die Gründung Israels nach dem Zweiten Weltkrieg und der seither anhaltende Nahostkonflikt sind nur einige Eckpunkte, die die politische, ökonomische und soziale Situation der Kirchen andeuten. 1899 wurde in Alexandreia die Patriarchenwahl von Konstantinopel unabhängig. Das Patriarchat erlebte nach dem I. Weltkrieg durch orthodoxe griechische und arabische Zuwanderer einen Aufschwung. Auch schloss es sich der ökumenischen Bewegung 31

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an und war 1948 Gründungsmitglied des Weltkirchenrates. In dieser Zeit begann auch die Ausdehnung der Jurisdiktion auf das subsaharische Afrika. Seit den 1930er Jahren schlossen sich in Uganda unter Führung eines ehemaligen Anglikaners einheimische Afrikaner der griechisch-orthodoxen Kirche an. Diese Gruppe erfreut sich eines wachsenden afrikanischen Klerus mit Metropolien in Äthiopien, Ghana, Kamerun, Kenia, Libyen, Madagaskar, Mozambique, Südafrika, Tansania, Uganda, Zaire und Zimbabwe. Die Liturgie wird in verschiedenen Sprachen gefeiert. Die Loslösung von Konstantinopel gestaltete sich im Falle Antiocheias als schwierig. Längst waren die Mehrheit der Gläubigen des Patriarchates Araber, dennoch setzte Konstantinopel beharrlich einen Griechen als Oberhaupt ein. 1899 gelang es – ebenso wie in Alexandreia mit Hilfe Russlands –, erstmals einen Araber zum Patriarchen zu wählen. In der Folge führte dies zu kurzfristigen Schismen durch den Gegensatz zwischen einer nach Griechenland und einer nach Moskau ausgerichteten Kirchenpolitik. 1948 trat auch dieses Patriarchat dem Weltkirchenrat bei. Mit dem ab 1979 amtierenden Patriarchen Ignatius IV. Hazim wird zwar die griechische Herkunft angeführt, aber vor allem das arabische Profil des Patriarchats betont, zumal es Syrien, Libanon, Kuweit, Iran und Irak umfasst. Schon im 19. Jh. gab es erste Auswanderungen in die neue Welt, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh. fortsetzten. Metropolien konnten in Nordamerika, Argentinien, Brasilien und Australien errichtet werden. Auch in Jerusalem griff Russland ab dem 19. Jh. vermehrt in die Ereignisse des Patriarchats ein und auch hier kam es wegen der Frage, ob der Patriarch griechisch oder arabisch sein sollte, zeitweilig zu einem Schisma. Mit der Teilung Palästinas 1948 wurde das Patriarchat territorial zerrissen und seit der Eroberung der Altstadt 1967 ist der Patriarchensitz in Israel. Dem Patriarchat ist überdies das autonome Erzbistum des Berges Sinai zugeordnet. Dies war zwar auf einer Synode in Konstantinopel 1575 für autokephal erklärt worden, was allerdings von der Gesamtorthodoxie, insbesondere von Alexandreia, nicht anerkannt wurde. Es besteht im Wesentlichen aus dem Katharinenkloster, das durch Ikonen und Handschriftenfunde im 19./20. Jh. berühmt wurde. Wie alle Kirchen des Nahen Ostens, haben auch die drei griechisch-orthodoxen Patriarchate von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem in der Neuzeit durch die verschiedenen Nahostkonflikte und die politischen Umwälzungen mit einer anwachsenden Abwanderung ihrer Gläubigen in erster Linie in die Länder des Westens zu ringen. In Zypern ist die erste Hälfte des 20. Jh. von der Unabhängigkeitsbewegung der griechisch-orthodoxen Bevölkerung, sich von den Briten zu befreien und den Anschluss (Henosis) an das griechische Mutterland zu erreichen, gekennzeichnet. Dies führte zeitweilig zu Sedisvakanzen und zu Verbannungen von Bischöfen. Dennoch war die orthodoxe Kirche von Zypern im Jahr 1948 Gründungsmitglied des Weltkirchenrates. 1959 einigten sich Großbritannien, Griechenland und die Türkei auf die politische Souveränität der Insel und Erzbischof Makarios III. wurde der erste Staatspräsident. Drei Jahre später brach ein Bürgerkrieg zwischen türkischer Minderheit und griechischer Mehrheit aus, der unterstützt durch die türkische Invasion 1974 zur Teilung der Insel führte, die bis heute das kirchliche Leben negativ beeinflusst. 32

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1. Anfänge der Christianisierung – Taufe der Kiever Rus’ Der Legende nach habe bereits der Apostel Andreas auf seiner Reise nach Rom am Schwarzen Meer am Ufer des Flusses Dnjepr unterhalb von Bergen Rast gemacht und seinen Jüngern angekündigt, dass hier eine große Stadt mit vielen Kirchen entstehen werde. „Und nachdem er hinaufgegangen war auf diese Berge, segnete er sie und errichtete ein Kreuz. Und nachdem er zu Gott gebetet hatte, stieg er herab von diesem Berg, wo später Kiev entstand.“ (Hauptmann/Stricker: Dokumente, Text 1, 38). Auch wenn diese Legende aus dem 11. Jh. später im gläubigen Volk sehr verbreitet war, wird man die ersten Kontakte dieses Gebietes mit dem Christentum zeitlich viel später ansetzen müssen. In der zweiten Hälfte des 9. Jh. konnte sich in Kiev eine varägisch-skandinavische Fürstenherrschaft etablieren, die durch regen Handel mit der Metropole Konstantinopel und damit auch mit dem Christentum byzantinischer Prägung in Berührung kam. Das Verhältnis zwischen Kiev und Konstantinopel war aber auch durch kriegerische Auseinandersetzungen geprägt, die unter der Fürstin Olga, die sich im Herbst 945 taufen ließ, eingestellt wurden. Erst unter ihrem Enkelsohn Vladimir (980–1015), der sich, nach der Überlieferung des zaristischen Russland, im Jahr 988 taufen ließ und auch das ihm unterstellte Volk zur Massentaufe im Frühjahr desselben Jahres aufforderte, nahm die slavische Bevölkerung das Christentum an. Zweifelsohne verband der weltliche Herrscher mit dieser christlichen Taufe auch bestimmte politische Erwartungen, die sich aber nur teilweise erfüllten. Durch die Vorleistungen der beiden Slavenapostel Kyrillos und Methodios und die Erfahrungen der Griechen in der ersten Slavenmission im 9. Jh. konnten die heiligen Schriften und die liturgischen Texte relativ rasch übersetzt und somit das Christentum schnell verbreitet werden, wenn auch im einfachen Volk Elemente des althergebrachten Glaubens noch lange erhalten geblieben sein dürften. Unter der Herrschaft des Großfürsten Jaroslav („des Weisen“) kam es im 11. Jh. zu einer Blütezeit auf politischem, kulturellem und religiösem Gebiet. Das berühmte Kiever Höhlenkloster (Pečerskaja Lavra) wurde gegründet und war bis zur Zerstörung der Stadt Kiev durch die Tataren im Jahr 1240 das bedeutendste geistliche Zentrum in dieser Region. Es stand in der großen ostkirchlichen Tradition des Heiligen Berges Athos und des Studiou Klosters in Konstantinopel und war Vorbild für weitere Klostergründungen in dieser Zeit. In diesen christlichen Klöstern wurden die wichtigsten Zeugnisse der altrussischen Literatur geschaffen, u.a. die berühmte Nestorchronik aus dem Jahr 1113. Die kirchliche Abhängigkeit von der „Mutterkirche“ Konstantinopel wurde vor allem bei der Bestellung der kirchlichen Hierarchie, besonders beim Metropoliten von Kiev, 33

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deutlich sichtbar. Die vom Ökumenischen Patriarchen eingesetzten Kirchenvorsteher in Kiev, die selbst häufig Griechen waren und kaum die Landessprache beherrschten, mussten alle zwei Jahre nach Konstantinopel reisen, um dort Rechenschaft abzulegen. Nach dem Tod des Fürsten Jaroslav des Weisen (1054) kam es zur allmählichen Zersplitterung des Kiever Staats in kleine Teilfürstentümer, die dann die Verteidigung des alten Kiever Reiches nach außen unmöglich machte. Als die vereinigten mongolischen Stämme (die ‚Tataren‘) im 13. Jh. heranrückten, gelang es ihnen in relativ kurzer Zeit, praktisch ganz Russland zu erobern; im Jahr 1240 fiel auch Kiev. Wenn auch die Kirche unter den Wirren der Eroberung litt, ermöglichte es ihr die Toleranz der Tataren in Fragen der Religion, sich verhältnismäßig rasch wieder zu konsolidieren und an der weiteren Entwicklung des Landes maßgeblich mitzuwirken.

2. Der Aufstieg Moskaus – weltliches und geistliches Zentrum Ende des 12. Jh. kommt es zum Zerfall der Kiever Rus’ und allmählich verlagert sich das Machtzentrum nach Norden. Zunächst behielt der Großfürst Andrej, der Kiev im Jahr 1169 erobert hatte, den Titel eines Großfürsten von Kiev, obwohl er in der Stadt Vladimir, nordöstlich von Moskau, residierte. Diese Entwicklung hatte auch Auswirkungen auf die kirchliche Hierarchie. Der Metropolit von Kiev siedelte 1299 – nach der Zerstörung seiner Residenzstadt durch die Tataren – nach Vladimir um; auch er behielt seinen Titel „Metropolit von Kiev“ bei. Langsam erlangte das 1147 erstmals urkundlich erwähnte Moskau immer größere Bedeutung, was letztendlich 1325 auch zu einer Verlegung der Residenz des Metropoliten von Vladimir nach Moskau führte. Der allmähliche politische Aufstieg Moskaus wirkte sich zunächst noch nicht auf die kirchlichen Verhältnisse zur „Mutterkirche“ in Konstantinopel aus. Erst unter dem Großfürsten Vasilij I. (1389–1425) gab es erste Anzeichen einer möglichen Veränderung. Sein Vater Dmitrij Donskoj hatte 1380 in der Schlacht auf dem Schnepfenfeld (Kulikovo pole) einen Sieg über die Tataren errungen. Auch wenn dies noch keine endgültige Befreiung vom Tatarenjoch war, hatten diese doch durch die Niederlage gegen die christlichen Streitkräfte den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren. Das gewachsene Selbstbewusstsein des Großfürsten zeigte sich daran, dass Vasilij dem Metropoliten von Moskau fortan verbot, den (ost-) römischen Kaiser von Konstantinopel im Gottesdienst zu kommemorieren. Die Reaktion des Ökumenischen Patriarchen Antonios IV. von Konstantinopel auf diese Eigenmächtigkeit des Großmetropoliten von Moskau aus dem Jahr 1393 fiel klar und unmissverständlich aus: „Der heilige Kaiser hat eine große Bedeutung für die Kirche. […] Es ist unmöglich, daß die Christen eine Kirche, aber keinen Kaiser haben.“ (Hauptmann/Stricker: Dokumente: Text 51, 197f.) Auch wenn das einstige (ost-) römische Weltreich am Ende des 14. Jh. auf die Größe eines von den Osmanen bedrängten Stadtstaates geschrumpft war, behielten die traditionellen Beziehungsmuster im Staatsdenken der (Ost-) Römer noch ihre Gültigkeit. 34

Die Russische Orthodoxe Kirche

3. Autokephalie und Zarenherrschaft Um die Mitte des 15. Jh. kam es zu tiefgreifenden politischen Veränderungen, die sich auch auf die kirchlichen Strukturen auswirkten. Durch den Fall von Konstantinopel (1453) und die Befreiung Russlands vom „Tatarenjoch“ trat eine endgültige Verschiebung der Machtverhältnisse zugunsten des Moskauer Großfürsten ein. Bereits 1448 löste sich die russische Kirche einseitig aus ihrer jurisdiktionellen Unterstellung unter die Kirche von Konstantinopel, indem sie eigenständig ihr Oberhaupt, den Metropoliten von Moskau wählte und damit ihre kirchliche Unabhängigkeit (= Autokephalie) erklärte. Vorausgegangen waren Konflikte mit dem griechischen, unionswilligen Metropoliten Isidor von Kiev, der die Beschlüsse des Konzils von Ferrara-Florenz (1439) in seinem Jurisdiktionsgebiet durchzusetzen suchte. Großfürst Vasilij II. ließ ihn kurzer Hand festnehmen und in Gewahrsam halten. Später gelang ihm die Flucht in den Westen nach Rom, wo er 1463 als Kardinal der römischen Kirche starb. Zum Nachfolger als Metropolit von Kiev setzte der Großfürst jetzt – ohne Zustimmung Konstantinopels – seinen Kandidaten Iona, den bisherigen Bischof von Rjazan, ein. Das Selbstverständnis der Großfürsten definierte sich nach dem Aufstieg Moskaus und der sogenannten Sammlung der russischen Lande neu. Man orientierte sich jetzt an der (ost-) römischen Kaiservorstellung, trat sozusagen das Erbe des untergegangenen politischen und kirchlichen Machtzentrums an. Schon der Nachfolger Vasilijs II., Ivan III. (1462–1505), der als „Sammler der russischen Lande“ in die Geschichtsbücher einging, begann sich in Dokumenten gelegentlich als „Selbstherrscher“ und „Kaiser“ bzw. „Zar“ zu bezeichnen. Solche Erbansprüche konnte er durch die Hochzeit mit Sofia Palaiolog, der Nichte des letzten (ost-) römischen Kaisers im Jahr 1472, untermauern. Auch übernahm er in seinem Titel die Vorstellung vom Gottesgnadentum: „durch Gottes Gnade Herrscher von ganz Russland“ (vgl. Döppmann: Russische Orthodoxe Kirche, 56). Auf dieser Linie liegt auch die berühmt gewordene Theorie von dem Mönch Filofej von Pskov, der um das Jahr 1510 in seinem Schreiben an einen Moskauer Beamten in Pskov u.a. gegen die Lateiner polemisiert und seine vielzitierte Theorie vom „Dritten Rom“ anschloss, indem er formulierte, dass der Moskauer Herrscher „auf dem Erdenrund der einzige Zar über die Christen und Zügelhalter der heiligen göttlichen Altäre der heiligen ökumenischen und apostolischen Kirche ist […]. Denn zwei Rome sind gefallen, und das dritte steht, ein viertes aber wird es nicht geben.“ (Hauptmann/Stricker: Dokumente, Text 74, 253). Auch wenn diese Theorie praktisch kaum große Bedeutung erlangte und im Westen oft überinterpretiert wurde, macht sie doch das Denken der damaligen Zeit deutlich: Die russische Kirche hatte mit ihrem Zaren das lange bewunderte Vorbild Konstantinopel abgelöst, auch wenn der Ersthierarch in Moskau noch nicht den Titel eines Patriarchen trug. Entscheidend war die Existenz der weltlichen Macht, die Existenz des christlichen Kaisers (Zaren). Aus der zweiten (umstrittenen) Ehe Vasilijs III. ging jener Herrscher hervor, der als erster offiziell zum Zaren gekrönt wurde: Ivan IV. mit dem Beinamen „der Schreckli35

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che“ (1533–1584). Der damalige Metropolit von Moskau, Makarij (1543–1564), der dem jungen Großfürsten half, seine Macht gegenüber den Bojaren, einer Schicht von adeligen Großgrundbesitzern, zu verteidigen, hatte die Idee, den knapp Siebzehnjährigen zum Zaren zu krönen. Nach dem Vorbild der (ost-) römischen Kaiserzeremonie wurde Ivan 1547 zum „von Gott gekrönten“ Zaren und damit saß auf dem Thron von Moskau der einzige orthodoxe Zar der Welt. Auch wenn Patriarch Joasaph II. (1555–1565) von Konstantinopel die Krönung durch den Metropoliten von Moskau für ungültig erklärte, bestätigte er kraft eigener Autorität nachträglich diesen Akt (vgl. Hauptmann/Stricker: Dokumente, Text 89, 284). In weiterer Folge sahen es die russischen Zaren als Erfüllung ihrer Pflicht, sich tatkräftig in kirchliche Angelegenheiten einzumischen, was nicht immer zum Segen für die weitere Entwicklung der Kirche war. Noch fehlte die Vollendung der kirchlichen Selbstständigkeit – die Erhebung Moskaus zu einem Patriarchat. Als Patriarch Jeremias II. von Konstantinopel aus der Verbannung zurückgekehrt war und das Patriarchat verarmt und verschuldet vorfand, reiste er 1588 nach Moskau mit der Absicht, dort finanzielle Unterstützung zu bekommen. Von der Außenwelt streng abgeschirmt, wurde der Patriarch mit seinem Gefolge in Rjazan untergebracht. Im Auftrag des Zaren – der den Aufenthalt des Patriarchen von Konstantinopel in Russland als günstige Gelegenheit erkannte – verhandelte Boris Godunov mit Patriarch Jeremias II. über die Erhebung der Moskauer Kirche zum Patriarchat. Nachdem der Patriarch zunächst keine Bereitschaft signalisierte, diesem Ansinnen zuzustimmen, wurde ihm vorgeschlagen, seinen eigenen Sitz nach Moskau zu verlegen und als Patriarch in Russland zu bleiben. Schließlich gab Jeremias II. seinen Widerstand auf und führte den bisherigen Metropoliten Iov in sein Amt als „Patriarch von Moskau und der ganzen Rus’ und der nördlichen Lande“ ein. Die Entscheidung wurde nachträglich auf mehreren Synoden in Konstantinopel bestätigt. Damit war zum ersten Mal in der Neuzeit ein Patriarchat gegründet worden, das, nach der traditionellen Reihenfolge aus der Antike, nach den Sitzen von Konstantinopel, Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem an die fünfte Stelle gereiht wurde.

4. Armut der Mönche – großer Besitz der Klöster? Gegen Ende des 15. Jh. gewannen die Klöster in Russland immer mehr Bedeutung auch in wirtschaftlicher Hinsicht, denn sie besaßen zusammen etwa ein Drittel des Landes. Dies führte zu einem innerkirchlichen Konflikt und Richtungsstreit unter den Mönchen. Die Auseinandersetzungen drehten sich insbesondere um die Frage des Klosterbesitzes. Wie kann ein Mönch in einem wohlhabenden Kloster, das große Ländereien und ganze Dörfer sein eigen nennt, das Armutsgelübde glaubwürdig verwirklichen? Der Anführer der Kritiker, der sogenannten „Uneigennützigen“, war der Mönch Nil Sorskij, der – nach einem längeren Aufenthalt auf dem Hl. Berg Athos – in der unwegsamen sumpfigen Gegend am Flüsschen Sora versuchte, die altkirchliche Praxis 36

Die Russische Orthodoxe Kirche

der Eremitenkolonie neu zu beleben, um das Ideal der Armut und des Schweigens mit Gemeinschaftselementen zu verbinden. Nil und sein Freund Innokentij († 1497) hatten den Hl. Berg Athos nach dem Sieg der Hesychasten, einer Gruppe von Mönchen, die von einer besonderen mystischen Spiritualität geprägt war, besucht. Nil wurde dort zu einem Anhänger der Hesychasmus und suchte fortan die Abgeschiedenheit und Ruhe, die Schönheit der mystischen Versunkenheit in dem geistigen Gebet, in der „Bewahrung des Herzens“ und in der „Nüchternheit des Geistes“. Er hielt den abgelegenen Skit am besten dafür geeignet, ein streng geregeltes, asketisches Leben in Wachsamkeit und Enthaltsamkeit, in Beten und Schweigen zu führen. Er lehnte – wie schon erwähnt – Klostergüter strikt ab; der Mönch sollte durch seiner Hände Arbeit sein Brot verdienen und mit den Armen teilen. Auch trat Nil gegen eine allzu aufwändige Ausstattung der Kirchen und der kirchlichen Geräte ein. Trotz vehementen Einsatzes unterlag Nil beim Sobor, der Landessynode der russischen Kirche, von 1503 und zog sich in seinen Skit, seine Klostergründung, zurück, um fortan nur noch für seine Schüler zu leben und über das Heil ihrer Seelen zu wachen. Er starb am 7. Mai 1508. Obwohl die Akten keine Angaben darüber enthalten, wann der Starez (= Mönchsvater) Nil Sorskij heiliggesprochen wurde (etwa Ende des 18. oder Anfang des 19. Jh.), wurde er vom gläubigen Volk und von den frommen Pilgern, die den Weg durch den sumpfigen Urwald zum Nil-Sorskij-Skit kannten, schon längst als ein Heiliger verehrt. Sein „Gegenspieler“ war der Mönch (und spätere Abt) Josif von Volokolamsk, der davon überzeugt war, dass Klöster Besitz haben müssen, damit sich die Mönche – materiell abgesichert – besonders dem Studium der Theologie und den geistlichen Aufgaben widmen können. In seiner von ihm abgefassten Klosterregel („Geistliches Testament“) wird die starke Betonung der Koinonia (des Gemeinschaftslebens) und des äußerlich guten Benehmens des Mönches deutlich. Hauptaugenmerk legte er auf die „vorbildliche Belehrung“ und auf die „buchstäbliche“ Ausführung der Ritualvorschriften. Der ganze asketische Rigorismus des Josif war bestrebt, hauptsächlich das Klosterleben in seinem äußeren Ablauf bis in die kleinste Einzelheit zu regeln und zu bestimmen. Für ihn stand unter den drei Gelübden des Mönchtums der Gehorsam an erster Stelle; in der peinlich gewissenhaften Reglementierung sah er das beste Mittel, diesen Gehorsam zu erhalten. Nach seiner Auffassung sollte das Kloster eine Art kirchlich-pädagogische Anstalt werden, um die künftige Hierarchie auszubilden und zu prägen. Es ging ihm um die Autorität der zukünftigen Bischöfe, die vorwiegend regieren und verwalten sollten. Josif sah eine enge Verbindung zwischen den Aufgaben der Kirche und denen des Staates. Der Bischof war für Josif ein Diener der Kirche und des Staates zugleich; das Kloster selbst sah er als eine Art von kirchlich-staatlicher Anstalt. Aus diesem Leitgedanken ging die Idee des begründeten Anspruches der Klöster auf die Vermögensrechte hervor, auf Klostergüter und Bauernschaft. Um eine Möglichkeit zu haben, die kirchliche Hierarchie gezielt heranzubilden, musste das Kloster zunächst wirtschaftlich und finanziell gesichert werden. Wie bereits erwähnt, konnten sich die Anhänger Josifs beim Sobor durchsetzen, was nicht verwunderlich ist, weil eine Reihe der anwesenden Bischöfe aus dem Volokolamsker Kloster stammten. Dieser Sieg Josifs war von epochemachender Bedeutung, weil 37

Rudolf Prokschi

die „Josifljaner“ sich allmählich zur einflussreichsten Gruppe der russischen Kirche entwickelten. Von Seiten des Staates gab es im Laufe der Geschichte immer wieder Versuche, an den reichen Besitz der Kirche heranzukommen. Aus diesem Grund musste die russische Kirche mit ihren großen Besitztümern bis zur Revolution von 1917 in gewisser Loyalität mit der weltlichen Autorität stehen.

5. Zeit der Wirren – Aufstieg und Fall des Patriarchen Nikon Bereits unter Boris Godunov, der mit Hilfe des einflussreichen Patriarch Iov im Jahr 1598 auf den Zarenthron kam, begannen die Unruhen und die politische Instabilität, die zu einer vorübergehenden polnischen Herrschaft in Moskau führte. Die Konsolidierung des Landes wurde durch das neue Adelsgeschlecht der Romanovs eingeleitet, wobei Patriarch Filaret – der Vater des neuen Zaren Michail, der 1618 aus der polnischen Gefangenschaft heimkehrte und vom Patriarchen Theophanes von Jerusalem 1619 inthronisiert wurde – eine bedeutende Rolle spielte. Anders als zur Zeit des Zaren Ivan IV., der noch autokratisch auch über die Kirche seines Reiches geherrscht hatte, gab es jetzt eine „Doppelspitze“: Zar und Patriarch – der weltliche Herrscher und das kirchliche Oberhaupt standen sich gleichberechtigt gegenüber. Unter Michails Sohn und Nachfolger Aleksij (1645–1676) schien es, dass die Stellung des Patriarchen noch mehr als eine Gleichberechtigung mit dem Zaren erreichen könne. Auch Aleksij war – wie sein Vater – bei seiner Thronbesteigung noch sehr jung und verließ sich deshalb bei Konflikten auf eine sogenannte „Bruderschaft“, einen Beraterkreis aus geistlichen Vertrauten. Außerdem war er religiös geprägt und besuchte gerne Klöster und Gottesdienste. Als Patriarch Josif 1652 starb, bat der Zar den Metropoliten Nikon von Novgorod und Velikij Luki, sich zum Patriarchen (1652–1666) wählen zu lassen. Nikon nahm die Patriarchenwürde nur unter der Bedingung an, dass der Zar ihm Gehorsam schwören solle, und dieser stimmte zu. Während der Abwesenheit des Zaren im Polen- und Schwedenkrieg vertrat ihn Nikon als weltlichen Herrscher. Im von ihm gegründeten Kloster Neu-Jerusalem westlich von Moskau begann man mit der Errichtung einer Nachbildung der Jerusalemer Grabeskirche. In der Kirche waren fünf Sitze für die Patriarchen vorgesehen; der mittlere Thron sollte Nikon selbst gehören. Das ehrgeizigste Projekt des neuen Moskauer Patriarchen bestand darin, die russischen liturgischen Eigenheiten zu eliminieren und wieder zu den ursprünglichen griechischen Formen zurückzukehren. Damit wollte er die völlige Übereinstimmung mit der Orthodoxie bewahren und auf eine gewisse Vormachtstellung der russischen Kirche innerhalb der Gesamtorthodoxie hinarbeiten. Doch seine Reformen lösten in der russischen Kirche einen schweren Konflikt aus, der letztlich zu seiner Absetzung 1666 und zu einer Spaltung (Raskol) innerhalb der russischen Kirche führte. Der inzwischen älter gewordene Zar Aleksij versuchte sich von der Vormundschaft Nikons zu befreien und wandte sich an die übrigen vier Patriarchate. Im Dezember des Jahres 1666 wurde 38

Die Russische Orthodoxe Kirche

Patriarch Nikon seines Amtes enthoben, wobei „die griechischen Kirchenfürsten nach griechischem Brauch die Unterordnung der geistlichen Gewalt unter die Spitze der weltlichen Macht verkündeten“ (Amman: Abriß, 288). Die erbitterten Gegner Nikons, die als „Altgläubige“ bezeichnet wurden, warfen dem Patriarchen vor, den Glauben der Väter zu ändern und mit seinen Reformen die christliche Tradition zu untergraben. Auch nach der Absetzung des Patriarchen Nikon führte der Zar das Reformprogramm weiter. Trotz harter Verfolgungsmaßnahmen durch die zaristische Polizei und später – nach der Revolution – durch die Kommunisten besteht die Kirche der Altgläubigen in Russland bis in die Gegenwart.

6. Peter der Große – Beginn der Synodal-Periode Die so genannten petrinischen Reformen gingen an der Kirche als einer die damalige Gesellschaft mittragenden und mitprägenden Kraft nicht vorbei. Bisher hatte es ein sehr enges Verhältnis zwischen Staat und Kirche gegeben; die Würde und Vollmacht des Herrscheramtes hatte man von dessen göttlicher Legitimation her verstanden. Als Anhänger der frühen Aufklärung ließen sich Zar Peter I. und seine Berater vom Grundsatz der staatlichen Zweckmäßigkeit leiten, d.h. die irdischen Ordnungen und Gewalten besaßen ihren Wert in sich selbst, ohne einer religiösen Legitimation zu bedürfen. Mit Beginn des Jahres 1700 schaffte Peter aus Nützlichkeitsgründen die bisherige Jahreszählung ‚ab Erschaffung der Welt‘ ab und führte die im Westen gebräuchliche „nach Christi Geburt“ ein. Außerdem verlegte er den Jahresbeginn vom 1. September auf den 1. Januar. Die Kirche sollte ab jetzt – wie jede andere Kraft im Staate – zum Dienst für den Staat verpflichtet werden. Vorbild für Peter war offenkundig die Unterordnung der Kirche von England unter ihren König. Peter akzeptierte aus politischen Motiven die religiöse Verklärung des Moskauer Zarentums, die jetzt auf ihn übertragen wurde: der Zar wurde zum Vollstrecker des göttlichen Willens. Es kam zur Entwicklung einer strikten Staatskirche, wobei die Aufgabe der Kirche darin bestand, das Volk zu guten Menschen, vor allem zu guten Untertanen zu erziehen, die bereitwillig dem absoluten Willen des Herrschers folgten. Patriarch Adrian (1690–1700) war nicht so kämpferisch wie seine Vorgänger, vertrat aber die gleichen Grundsätze. So entstanden große Spannungen zwischen Peters Reformideen (westlich geprägte Lebensart) und der Kirche: Abschneiden der Bärte, Tragen neuer Kleidung, Einführung des Tabakrauchens. Manche orthodoxe Kreise sahen in diesen Reformen einen Angriff auf den christlichen Glauben und auf die orthodoxe Kirchlichkeit und lehnten die Reformvorschläge Peters strikt ab. Der Staat brauchte zur Kriegsführung und zum Bau einer russischen Flotte große finanzielle Mittel und wollte dafür den gewaltigen Besitz der Kirche nutzen. Die Kirche, vor allem die Klöster, waren der größte Grundbesitzer des Landes mit vielen 39

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Privilegien. Auf diese richtete sich der Blick des Staates. In neuen Erlassen von 1696 und 1698 wurden jährliche Rechenschaftsberichte über Vermögen für Klöster und Eparchialbischöfe verpflichtend. Bauten und Reparaturen durften nur mit Genehmigung des Zaren durchgeführt werden. Patriarch Adrian antwortete darauf, indem er kanonisch und historisch die Unantastbarkeit der kirchlichen Rechte und Besitztümer verteidigte. Nach dem Tod des Patriarchen Adrian im Oktober 1700 ließ Peter keine Neuwahl zu, sondern setzte einen Patriarchatsverweser ein: den theologisch und kulturell aufgeschlossenen Ukrainer, Bischof Stefan Javorskij (†1722), der damals 41 Jahre alt war. Als Patriarchatsverweser hatte er nur eingeschränkte Vollmachten. Peter setzte neue weltliche Kontrollorgane ein, die sich immer stärker in rein kirchliche Angelegenheiten einmischten, so bei Fragen der Berufung in kirchliche Ämter, der Weihe von Archimandriten, den Kirchenbau, die Verteilung des Myron, die jährliche Beichte, Strafen für ungebührliches Verhalten im Gottesdienst etc. Stefan Javorskijs Verhältnis zum Zaren war zunächst kühl, später gespannt; er wich aber einer direkten Konfrontation aus. In Feofan Prokopovič (1681–1736) fand Peter einen seinen Vorstellungen entsprechenden Berater und Bischof. Sein Werdegang war ähnlich gelagert wie der des Stefan Javorskij: zeitweilig studierte er bei den Jesuiten an der Universität Gregoriana in Rom, er war ausgebildeter Professor für Poetik, Rhetorik und Philosophie; von 1711–1716 leitete er als Rektor die bekannte Kiever Akademie. Peter erhob ihn 1718 zum Bischof von Pskov und betraute ihn mit der Ausarbeitung einer neuen Kirchenordnung (ähnlich dem staatlichen Kollegiensystem). Gegen seine Ernennung zum Bischof erhob sich Widerstand im Episkopat, weil man ihm vorwarf, er habe protestantische Neigungen. Im Gegensatz zu Javorskijs „katholisierenden“ Tendenzen war Prokopovič ein radikaler Gegner der katholischen Kirche, vermutlich aufgrund seiner römischen Erfahrungen. Folgenschwer erwies sich, dass Prokopovič, über die bisherige Bindung von Kirche und Staat hinausgehend, die Grundlagen für ein Staatskirchentum schuf, durch das die Kirche zum Werkzeug des russischen Zarentums wurde. In seinen Schriften verteidigte er die uneingeschränkte Macht des absolutistischen Herrschers. 1721 wurde das neue Geistliche Reglement verbindlich. An Stelle des Patriarchen trat als Kirchenleitung ein „Geistliches Kollegium“ („Heiligster regierender Synod“), das sich aus Bischöfen und Archimandriten zusammensetzte. In der kollegialen Leitung war die Gefahr eines Aufbegehrens der Kirchenleitung gegen die Staatsmacht wesentlich vermindert. In diesem neuen Kollegium – so wurde argumentiert – sei der oberste Grundsatz der orthodoxen Konziliarität („Sobornost’“) verwirklicht. Es fand auch seine Anerkennung durch die Patriarchen von Konstantinopel und Antiocheia. Doch erfolgte seine Einsetzung sicher nicht aufgrund kanonischer Erwägungen, sondern wegen des staatlichen Nützlichkeitsprinzips. Den Vorsitz hatten der Präsident (Metropolit Javorskij) und zwei Vizepräsidenten (einer davon war Bischof Prokopovič, der Javorskij nach dessen Tod nachfolgte) inne. Alle Mitglieder mussten – ähnlich wie die Beamten und Militärs – einen Eid unterzeichnen, der die Verpflichtung enthielt, dem Zaren und der Zarin „ein treuer und gehorsamer Knecht und Untertan zu sein“. Zur staatlichen Kontrolle wurde von Peter I. ein Oberprokuror („unser Auge und Anwalt für die Staatsangelegenheiten“) eingesetzt, dem zugleich die Synodalkanzlei 40

Die Russische Orthodoxe Kirche

unterstand. Den Höhepunkt an Macht erreichten die Oberprokuroren in der Kirche des Zarenreiches vor allem dann im 19. Jh. (besonders unter Konstantin Pobedonoscev). Worin lagen die konkreten Reformmaßnahmen der Zeit der Regentschaft des Zaren Peter I.? Zunächst im Mönchtum. Da Zar Peter überhaupt kein Verständnis für asketische Ideale und mönchische Beschaulichkeit hatte, ging er gegen „Nichtstuer“, die, seiner Meinung nach, dank des gewaltigen Landbesitzes der Klöster auf Kosten anderer lebten, strikt vor. Mit dem Erlass von 1701 mussten Klöster Verwundete, Kranke und aus dem Dienst entlassene, ältere Soldaten sowie Arme und Bedürftige aufnehmen, betreuen und auf eigene Kosten versorgen. Die Gründung von neuen Einsiedeleien („Widerstandsnester“) wurde verboten. Die in den Klöstern lebenden jungen Mädchen sollten nach Ansicht Peters heiraten; erst ab dem 40. Lebensjahr durften sie zu Nonnen geweiht werden. Für die Mönche wurde als Mindestalter 30 Jahre festgesetzt; die Mönchsanzahl sollte nicht erhöht werden. Der Zar wollte verhindern, dass sich desertierte Soldaten und entflohene Leibeigene durch den Eintritt ins Kloster ihren Pflichten entzogen. Die Klöster hatten Schulen für Waisen einzurichten. Die Mönche sollten sich durch handwerkliche Arbeit selbst unterhalten, die Nonnen durch Handarbeit. Als Elite-Kloster wurde damals die Aleksandr-Nevskij-Lavra in St. Petersburg gegründet. Dort wurden zukünftige Äbte und vor allem Bischöfe für das ganze Reich nach den Vorstellungen der Regenten herangebildet, damit sich kein größerer Widerstand gegen seine Reformen formieren konnte. Insgesamt wurden die Rechte des Episkopats spürbar eingeschränkt. Ab Oktober 1725 gab es auch einen neuen Modus der Bischofswahl: der hl. Synod schlug zwei Kandidaten vor, von denen der Monarch einen auswählte.

7. Das Landeskonzil von 1917/18 Als Zar Nikolaus II. nach der bürgerlichen Revolution im März des Jahres 1917 abdanken musste, erkannte die Kirchenleitung den Kairos und begann sofort mit den konkreten Vorbereitungen für ein Landeskonzil. Bereits im Jahr 1905 konnte der hl. Synod aufgrund der Zustimmung des Zaren einen Vorbereitungsausschuss unter dem Vorsitz des damaligen Metropoliten von St. Petersburg, Antonij Vadkovskij, einberufen, dem rund 10 Bischöfe, 14 Laienprofessoren der Theologie, einige Kleriker und eine Reihe weiterer Fachleute und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehörten. Auf Wunsch des Zaren wurden die Beratungen des Vorbereitungsausschusses im Dezember 1906 für beendet erklärt, obwohl noch viele wichtige Fragen unerörtert geblieben waren. Sämtliche Arbeitspapiere und Entwürfe kamen damals ins Synodalarchiv, wurden aber zur unmittelbaren Vorbereitung eines Konzils wieder aufgegriffen. Der hl. Synod setzte im Mai 1917 einen Vorkonziliaren Rat mit insgesamt 60 delegierten Vertretern aus den verschiedenen klerikalen Ständen und Bereichen der Seelsorge (Bischöfe, Priester, Mönche und Laien) ein, die die Aufgabe hatten, die inhaltlichen Schwerpunkte des einzuberufenden Konzils für die russische Kirche vorzubereiten. 41

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Am 15./28. August 1917 (Hochfest der Entschlafung der Gottesmutter) wurde das lange vorbereitete und von vielen ersehnte Landeskonzil mit bischöflichen Gottesdiensten in 33 Kirchen Moskaus und einer anschließenden Sternprozession zum Roten Platz feierlich eröffnet. Der wohl bedeutsamste und nachhaltigste Beschluss des Konzils fiel schon während der ersten Sitzungsperiode unmittelbar nach der „Oktoberrevolution“: die Wiedererrichtung des Patriarchats. In mehreren Wahlgängen wurden drei Kandidaten ermittelt, wobei das Los auf den Moskauer Metropoliten Tichon fiel. Die feierliche Amtseinführung fand im Rahmen einer göttlichen Liturgie am 5./18. November 1917 in der Christus-Erlöser Kirche statt. Dass der neue Patriarch mit dieser Würde eine schwere Bürde auf sich nahm, war ihm wohl bewusst, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte, wie grausam und unerbittlich die neuen kommunistischen Machthaber in den kommenden Jahren gegen die Kirche vorgehen würden. Das sollte er kurze Zeit später am eigenen Leib zu spüren bekommen. Aufgrund der schwierigen politischen Lage – das Verhältnis zwischen den Bol’ševiki und der Kirche verschlechterte sich zusehends – gerieten die Konzilsväter mit ihrem vorgesehenen Arbeitsprogramm stark unter Zeitdruck. Außerdem litt das Konzil unter starkem Geldmangel. Auf vielen Sitzungen wurde endlos darüber beraten, wie die Kirchenleitung angesichts der gewaltsamen Übergriffe und Gräueltaten gegenüber kirchlichen Amtsträgern und Gläubigen angemessen reagieren sollte, um das angespannte Verhältnis nicht noch mehr zu verschlechtern. Aufgrund der langen Liste von unerledigten Fragen und unbehandelten Arbeitspapieren fasste man in der letzten Sitzung den Beschluss, im Frühjahr 1921 ein weiteres Konzil abzuhalten, doch die kommunistischen Machthaber ließen eine solche weitere Synode nicht mehr zu.

8. Der Kampf um das Überleben – die Zeit der Verfolgung Erklärtes Ziel der Revolutionäre war es, die Kirche vollständig zu vernichten. So griff man staatlicherseits auch auf die Kirchenstrukturen ein, um die Beziehung der Bischöfe und Priester zu ihren Gläubigen zu zerstören. Die Kirche sollte als Religionsträgerin nur noch den Bedürfnissen von einzelnen Personen dienen, aber keine hierarchische Organisationsform und keine gesellschaftspolitische Macht haben. In mehreren Wellen kam es während des Sowjet-Regimes zu systematischen Verfolgungen von Gläubigen und zur Zerstörung von Gotteshäusern. Insbesondere die Klöster wurden enteignet und die Mönche und Nonnen vertrieben. Erst während des Zweiten Weltkriegs – nachdem die Kirche den Staat im Krieg moralisch und finanziell unterstützt hatte – war Stalin bereit, gewisse Zusagen zu machen und u.a. die Wahl eines neuen Patriarchen nach 18 Jahren patriarchenloser Zeit zuzulassen. Natürlich wurden nur den Behörden genehme Priestermönche zur Bischofsweihe zugelassen. Das ganze kirchliche Leben – sofern es das überhaupt gab – war der staatlichen Kontrolle und oft auch der Willkür 42

Die Russische Orthodoxe Kirche

einzelner Parteifunktionäre unterworfen. Der Geheimdienst und der „Rat für religiöse Angelegenheiten“ achteten genau darauf, was im Innenraum der Kirche vorging. In dieser Phase konnte die russische Orthodoxie nicht an Reformen denken, sondern es war durch viele Jahre ein Kampf ums Überleben. Von den 1914 rund 40.000 Pfarrgemeinden waren 1940 nur noch etwa 500 übrig geblieben. Durch die Eroberung der baltischen Länder und der Westukraine einerseits, aber auch durch die gewaltsame Integration der griechisch-katholischen Gemeinden im Jahre 1946 wuchs die Anzahl auf ca. 14.000. In der Verfolgungszeit unter Chruščov wurde diese Zahl wieder halbiert und die der Klöster auf ihren niedrigsten Stand – nämlich 16 – gebracht.

9. Wiedergeburt nach der Wende Am Beginn der Wende unter Michail Gorbatschow bot die Kirche ein uneinheitliches Bild, das von Unsicherheit, vielleicht auch etwas Angst geprägt war. Beim so genannten „August-Putsch“ des Jahres 1991 waren auf beiden Seiten Bischöfe zu finden, die sich aber mit ihren Meinungen weitgehend zurückhielten. Patriarch Aleksij II. (Rüdiger), der erst kurz zuvor (1990) auf den Patriarchenstuhl gewählt worden war, nahm die Rolle eines friedlichen Vermittlers ein, ohne sich einer bestimmten „Fraktion“ zuzuwenden, um ein Blutvergießen zu verhindern. In dieser Phase war noch nicht klar, wie sich der weitere Verlauf der Geschichte Russlands gestalten würde. Bereits unter der Amtsführung von Präsident Boris Jelzin entstand eine neue Qualität in der Beziehung zwischen Staat und Kirche. Bei der Inauguration Jelzins zum Präsidenten der Russischen Föderation waren der Patriarch und weitere orthodoxe Hierarchen im Kremlpalast anwesend. Patriarch Aleksij II. erteilte zum Abschluss seiner Ansprache dem Präsidenten seinen Segen. Diese Linie setzte sich unter Jelzins Nachfolgern V. Putin und A. Medvedev ungebrochen fort, ja wurde noch verstärkt. Putin erhielt nach seiner erfolgreichen Wahl den patriarchalen Segen in der ehemaligen Krönungskirche im Kreml. Im geltenden Religionsgesetz werden vier Religionsgemeinschaften traditionell bezeichnet (Orthodoxie, Islam, Judentum, Buddhismus). Auch in der Praxis erhält die Russische Orthodoxe Kirche eine Reihe von Privilegien, um ihre Rolle als staatstragende Glaubensgemeinschaft zu dokumentieren. Der Orthodoxen Kirche wurde und wird immer deutlicher eine identitätsstiftende Rolle (russische Tradition, Patriotismus) eingeräumt, die auch mit dem probeweise eingeführten Unterrichtsfach „Grundlagen der orthodoxen Kultur“ an ausgewählten öffentlichen Schulen unterstrichen werden sollte. Inzwischen gibt es auch Versuche mit konfessionellem schulischen Religionsunterricht. Heute – nach rund zwei Jahrzehnten – ist die Russische Orthodoxe Kirche aus dem offiziellen gesellschaftlichen Leben in Russland nicht mehr wegzudenken und überall präsent. Im Februar 2011 beschloss die Bischofssynode in Moskau, dass Geistliche der Russischen Orthodoxen Kirche in Ausnahmefällen offiziell für politische Ämter kandidieren dürfen, ohne jedoch Parteimitglieder zu sein. 43

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Begründet wird diese Entscheidung im Blick auf die Ukraine, wo es galt, die Russische Orthodoxe Kirche gegen „schismatische und andersgläubige Kräfte“ zu verteidigen. Nach dem Tod von Patriarch Aleksij II. im Jahre 2008 wurde Metropolit Kirill I. von Smolensk und Kaliningrad, der langjährige Präsident des kirchlichen Außenamtes, im Jahr 2009 mit überwältigender Mehrheit von den Delegierten des Landeskonzils zum neuen Patriarchen gewählt. Mit seinen Antrittsbesuch beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. in Istanbul gelang es ihm, ein neues Kapitel in den durch die estnische Orthodoxie stark belasteten Beziehungen zwischen Moskau und Konstantinopel zu eröffnen, das sich auch in Zukunft auf die Gesamtorthodoxie positiv auswirken wird. Eine offene Frage bleibt die Lage der Orthodoxie in der Ukraine: bei seinem Pastoralbesuch 2010 machte Patriarch Kirill deutlich, dass er auch in Zukunft an der Zugehörigkeit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche zum Moskauer Patriarchat festhalten will und für ihn eine Lösung des Konflikts nur darin bestehe, dass die unkanonischen Kirchen bereit sind, sich dem Führungsanspruch Moskaus zu unterwerfen. Der politische Wandel brachte für die Russische Orthodoxe Kirche neue und ungeahnte Möglichkeiten, die die Kirche auch in vielerlei Hinsicht nützen konnte. In den vergangenen 20 Jahren wurde sehr viel für den Wiederaufbau auf allen Ebenen und in allen Bereichen des kirchlichen Lebens geleistet, insbesondere im Aufbau von Ausbildungsstätten für Kleriker und kirchlichen Bildungseinrichtungen für Laien. Bei vielen Anlässen betonte Aleksij II. die große Bedeutung der Klöster und dankte allen Mönchen und Nonnen für ihren großartigen Einsatz. Bereits Ende 1997 gab es in der Russischen Orthodoxen Kirche wieder 210 Mönchs- und 228 Nonnenklöster; laut Statistik vom Dezember 2008 waren es bereits über 800 Niederlassungen. Bei der Neuevangelisierung der Bevölkerung spielen die modernen Kommunikationsmittel eine immer stärker werdende Rolle. Patriarch Kirill trat schon vor Jahren als Metropolit regelmäßig im Fernsehen zu aktuellen Fragen des Glaubens und der christlichen Lebensführung auf. Das aktuelle Leben und Wirken der Kirche wird auf zwei offiziellen Internetseiten dokumentiert, wobei den öffentlichen Auftritten des Patriarchen, seinen Pastoralreisen und offiziellen Visitationen breiter Raum gegeben wird.

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Die Serbische Orthodoxe Kirche Rade Kisić Die Geschichte der autokephalen Serbischen Orthodoxen Kirche fängt 1219 mit der Einrichtung einer eigenständigen Kirchenorganisation für Serbien an. Die Anfänge des Christentums bei den Serben liegen aber viel früher zurück. Nach der Einwanderung der Serben auf die Balkanhalbinsel im 6. und 7. Jh. kamen die Serben wahrscheinlich zum ersten Mal mit den organisierten missionarischen Tätigkeiten der byzantinischen und der lateinischen Kirche in Berührung. Die Annahme des Christentums durch Massentaufen (die erste im 7. und die zweite im 9. Jh.) wurde mit den Kämpfen um den unabhängigen Staat verbunden und war mehr oder weniger erfolgreich. Der polytheistische Glaube und heidnische Gepflogenheiten waren tief verwurzelt und mischten sich mit neuen christlichen Überzeugungen. Die Einführung des slavischen Alphabets und die Verbreitung des Evangeliums in Volkssprache im 9. Jh. trugen jedoch wesentlich zur breiteren Akzeptanz des Christentums unter den Serben bei und resultierten im Auftreten erster mönchischer Gemeinschaften. In dieser Hinsicht trieb besonders die Arbeit zweier Schüler der Brüder Kyrillos und Methodios, Kliment und Naum, die Evangelisierung der Serben voran, indem die beiden die Verbreitung des kyrillischen Alphabets förderten und slavisch-sprechende Priester ausbildeten. Die Übersetzungen der Heiligen Schrift und der wichtigsten Gottesdienstbücher in die Landessprache eröffneten dem Volk den Zugang zur christlichen Lehre und ermöglichten eine breitere Akzeptanz. Die These, die Bekehrung der Serben sei unter Fürst Mutimir (bis 891) vollzogen worden, lässt sich heute kaum beweisen. Andererseits werden in den serbischen Gebieten im 9. und 10. Jh. die ersten Diözesen erwähnt (Belgrad, Braničevo, Ston, Ras, Lipljan, Niš, Prizren).

1. Die Autokephalie In den Jahren 1018 bis 1219 standen alle Bistümer in den serbischen Gebieten unter der Jurisdiktion des Erzbischofs von Ohrid, der vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel berufen wurde. Nachdem Serbien unter Führung des Großžupans Stefan I. Nemanja (1169−1196) die lange erstrebte politische Unabhängigkeit vom (ost‑) römischen Reich erreichte, suchte das Land auch die kirchliche Unabhängigkeit, weil es üblich war, dass die kirchliche Autonomie der politischen folgte. Für Serbien war die kirchliche Autonomie eine heikle Frage, weil die beiden konkurrierenden Mächte, der lateinischsprachige Westen und der griechischsprachige Osten, ihr Einflussgebiet auf der Balkaninsel nach Kräften zu erweitern suchten. 45

Rade Kisić

Abgesehen von einigen Teilen Serbiens, die unter dem Einfluss der katholischen Bistümer an der Adria-Küste standen, bekannte sich jedoch die Mehrheit der Serben zum byzantinisch-orthodoxen Christentum, so dass sich kirchen- und außenpolitisch das Land entscheidend der Kirche von Konstantinopel zuwandte. Kirchenpolitisch schwankte zwar noch der Nachfolger von Stefan Nemanja, Stefan der Erstgekrönte (1196−1227), zwischen dem Westen und dem Osten. 1217 nahm er sogar eine Krone von Papst an. Als aber das Land die Autokephalie für die Serbische Orthodoxe Kirche erhielt, besiegelte Serbien seine östliche kirchenpolitische Orientierung. Die prägende Rolle beim Erlangen der Autokephalie spielte der jüngste Sohn des Großžupan, Rastko (1175−1235). Bereits mit 16 Jahren reiste er auf den Berg Athos, wo er im russischen Kloster des Heiligen Panteleimon sein Mönchsgelübde ablegte und Mönch mit dem Namen Sava wurde. Zusammen mit seinem Vater, Stefan Nemanja, der mittlerweile ebenfalls Mönch unter dem Namen Simeon geworden war, gründete der Hl. Sava im Jahr 1198 das serbische Kloster Chilandar auf dem Berg Athos. Dort blieb der Hl. Sava wahrscheinlich bis zum Jahr 1207, in dem er die leiblichen Überreste seines Vaters mitnahm und nach Serbien zurückreiste, um seine zerstrittenen Brüder zu versöhnen. Als er nach Serbien zurückgekehrt war, wurde er zum Archimandriten des Klosters Studenica ernannt, in dem von dieser Zeit an die Reliquien des Hl. Simeon aufbewahrt wurden. Als Archimandrit von Studenica (bis zum Jahr 1217) ließ der Hl. Sava zahlreiche Kirchen und Klöster errichten. Es stellte sich allerdings bald heraus, dass für die weitere Evangelisierung des Volkes sowie für die förderliche Organisation des kirchlichen Lebens die Schaffung einer unabhängigen serbischen Kirche unabdingbar sei. Da zur dieser Zeit Stefan der Erstgekrönte eine Krone von Papst annahm und die Position Serbiens von den benachbarten Ländern bedroht wurde, entschied sich der Hl. Sava, die Autokephalie für die serbische Kirche vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel zu ersuchen. Er reiste nach Nikaia, wo infolge der Eroberung der Stadt Konstantinopel durch lateinische Kreuzritter im Jahr 1204 und der Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches der (ost-) römische Kaiser Theodoros Laskaris und der Ökumenische Patriarch Manuel Sarantenos im Exil weilten, und erhielt vom Ökumenischen Patriarchen im Jahr 1219 die Autokephalie für die Serbische Orthodoxe Kirche. Gleichzeitig wurde der Hl. Sava mit dem Titel „Erzbischof der serbischen und der Küstenländer“ zum ersten Oberhaupt für die serbische Kirche geweiht. Nach seiner Rückkehr – zusammen mit einigen Mönchen vom Berg Athos – in Serbien widmete sich der Hl. Sava der neuen Kirchenorganisation. Neben den drei bestehenden Diözesen (Ras, Prizren, Lipljan) gründete er acht neuen Bistümer (Žiča, Hum, Zeta, Hvostan, Toplica, Budimlje, Dabar und Moravica). Auf der Rückkehr nach Serbien verfasste er in Thessaloniki den Gesetzkodex (Krmčija), der als die Anweisung für die Verwaltung der Diözesen der serbischen Kirche diente. Darüber hinaus beschäftige sich dieser Gesetzeskodex mit den Fragen des Zivilrechts und stellte das erste geschriebene serbische bürgerliche Gesetzbuch dar. Die folgende Zeit war eine Blütezeit für das kirchliche und kulturelle Leben des mittelalterlichen serbischen Staates. Die vom Hl. Sava eingerichtete Kirchenorganisation schuf die notwendigen Voraussetzungen für die weitere Evangelisierung des Volkes, 46

Die Serbische Orthodoxe Kirche

die bald vollkommen abgeschlossen war. Im ganzen Staat wurden zahlreiche Kirchen und Klöster mit prachtvollen Kirchenmalereien gegründet, von denen einige heute Teil des UNESCO-Welterbes sind. Als vielleicht die besten Beispiele dieser Kultur dürfen die Klosterkirchen von Studenica, Dečani, Gračanica und Peć gelten. Der Hl. Sava schrieb mehrere Klosterregeln (u.a. für die Klöster Chilandar und Studenica), die das mönchische Leben regeln. Nicht nur das kirchliche, sondern auch das kulturelle Leben in Serbien war im Aufschwung begriffen. Zahlreiche (meist kirchliche) Bücher wurden vervielfältigt und in das ganze serbische Land versandt. Am Hochfest der Himmelfahrt Christi im Jahr 1221 berief der Hl. Sava ein Staatund Kirchenkonzil in das Kloster Žiča, das damals der Sitz des serbischen Erzbischofs war, der jedoch im Jahr 1253 nach Peć verlegt wurde. Um auch die politische Unabhängigkeit des Landes abzusichern, krönte er seinen Bruder, Stefan den Erstgekrönten, zum ersten serbischen König. Während des Konzils hielt er seine Homilie über den wahren Glauben, in der er die Anwesenden über die christlichen Wahrheiten belehrte. Es setzte sich dabei auch dafür ein, dass alle Gläubigen die wahre christliche Lehre bekennen und dass sie die neue kirchliche Hierarchie annehmen. Die Verkündigung und die Gestaltung der Kirchenorganisation in Serbien blieben auch weiterhin seine Hauptaufgabe als Erzbischof. Gegen Ende seines Lebens ernannte er Arsenius von Srem zu seinem Nachfolger. Während der Rückkehr von seiner zweiten Pilgerreise nach Jerusalem starb der Hl. Sava 27. Januar 1236 in Trnovo (Bulgarien).

2. Das Patriarchat Das weitere Leben der mittelalterlichen serbischen Kirche war durch die enge Zusammenarbeit zwischen der serbischen Kirche und dem serbischen Staat gekennzeichnet. Die Herrscher ließen zahlreiche Kirchen und Klöster bauen und ausschmücken und spendeten Geld für kirchliche Aktivitäten. Diese enge Verbindung zwischen der Kirche und dem Staat wurde besonders offensichtlich, als sich König Dušan (1331−1355), der das Territorium des serbischen Staates stark erweiterte, zum Kaiser ernennen ließ. Am Palmsonntag des Jahres 1346 wurde die serbische Kirche auf dem Konzil in Skopje, auf dem der bulgarische Patriarch, der Erzbischof von Ohrid sowie die griechischen Bischöfe und Äbte des neuen serbischen Territoriums anwesend waren, in den Rang eines Patriarchates erhoben. Erster Patriarch der neuen serbischen Kirche wurde Joanikije I. Er führte den Titel „Patriarch der serbischen Länder und der Küstenländer“. Am Osterfest des gleichen Jahren 1346 krönte der neue Patriarch König Dušan zum ersten serbischen Kaiser sowie Dušans Sohn Uroš zum serbischen König. Durch die neue Kirchenorganisation wurden die Diözesen von Raszien, Zeta, Prizren und Skopje in den Rang einer Metropolie erhoben. Unter den im Jahr 1346 neu errichteten Metropolien hatte die Metropolie von Skopje eine Ehrenposition inne, weil Skopje zu jener Zeit der Sitz des serbischen Kaisers war. 47

Rade Kisić

Diese Erhebung in den Rang eines Patriarchates stieß auf wenig Verständnis in Konstantinopel. Auf Initiative von Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos sprach der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Kallistos, im Jahr 1352 das kirchliche Anathema über die serbische Kirche aus. Wegen der gemeinsamen Bedrohung durch die osmanischen Türken kam es jedoch relativ schnell zu Annäherungsversuchen zwischen der serbischen Kirche und dem Ökumenischen Patriarchat. Patriarch Kallistos selbst unternahm im Jahr 1364 in Serres mit der serbischen Kaiserin Jelena Verhandlungen über die Wiederherstellung der Kircheneinheit auf. Diese Verhandlungen resultierten zuerst in einer partikularen Einheit des Gebietes von Seeres mit dem ökumenischen Patriarchat. Die endgültige Kircheneinheit wurde auf die Initiative der Athos-Mönche erzielt, die erfolgreich zwischen Serbien und Konstantinopel vermittelten. Im Jahr 1375 erkannte Patriarch Philotheos endgültig das serbische Patriarchat an und das Anathema wurde aufgehoben bzw. die Kircheneinheit wiederhergestellt.

3. Die osmanische Herrschaft Das Anathema störte natürlich das Verhältnis zwischen den beiden Patriarchaten, aber für die Kirche in Serbien dauerte die Blütezeit weiter an. Der serbische Kaiser Dušan gründete das Kloster der Heiligen Erzengel bei Prizren (1347) und beschenkte andere Klöster reichlich. Das kirchliche Leben entwickelte sich weiterhin und prägte das Leben des Staates. Dieser Blütezeit der Kirche und des serbischen Staates wurde erst durch die osmanische Besetzung Serbiens ein Ende gesetzt. Nach dem Tod des serbischen Kaisers Dušan (1355) ging die Gewalt der Zentralregierung unter seinem Nachfolger Uroš, der den Beinamen „der Schwache“ erhielt, dermaßen zurück, dass die lokalen Herrscher die Macht übernahmen. Die Uneinigkeit der lokalen Herrscher erschwerte die Verteidigung gegen die militärisch ohnehin überlegenen Türken erheblich. Eine erste Niederlage erlitten die Brüder Mrnjavčević im Jahr 1371 in der Schlacht am Fluss Marica. Daraufhin vereinte Fürst Lazar Hrebeljanović die meisten serbischen Gebiete und versuchte, den Türken Widerstand zu leisten. Seine Armee unterlag jedoch im Jahr 1389 dem zahlenmäßig viel stärkeren Feind in der Schlacht auf dem Amselfeld im Kosovo. Wenngleich nach dieser Niederlage Serbien zum Vasallenstaat des Osmanischen Reiches (für eine gewisse Zeit) wurde, konnte sich das Land unter der Führung von Lazars Sohn, dem Despoten Stefan Lazarević († 1427), wirtschaftlich erholen. Diese Erholung machte sich auch im Kirchenbau bemerkbar. Aus dieser Zeit stammen einige der bekanntesten Klöster Serbiens: Manasija (bzw. Resava) und Kalenić. Viele Mönche aus dem Osten (u.a. Hesychasten), die aus Konstantinopel vor den Türken flohen und nach Serbien kamen, förderten zusammen mit einheimischen Mönchen aus Serbien das kirchliche Leben in allen Aspekten. Aus dieser Zeit stammt auch die „Schule von Resava“, in der die literarischen Werke übersetzt und vervielfältigt wurden. Diese kleine „Renaissance“ nicht nur des kirchlichen, 48

Die Serbische Orthodoxe Kirche

sondern auch des kulturellen Lebens in Serbien endete mit dem Fall Serbiens unter die osmanische Herrschaft im Jahr 1459. Die folgende Zeit, in der osmanische Türken das Land regierten, stellte das ganze Land und die Kirche vor eine schwere Prüfung. Das normale Funktionieren des kirchlichen Lebens wurde fast unmöglich gemacht. Viel kirchliches Eigentum wurde enteignet, andererseits musste die Kirche beträchtliche Beiträge als Steuer an die neuen osmanischen Autoritäten abgeben. Die Kirchenkonzile konnten nicht einberufen werden, so dass die Besetzung einiger Bischofstühle und sogar des Patriarchenstuhles der serbischen Kirche nicht regelmäßig durchgeführt werden konnte. Diese Situation versuchte das Erzbistum von Ohrid auszunutzen und seinen Jurisdiktionsbereich zu erweitern. Aus diesem Grunde verurteilte das Erzbistum die Bemühungen des Metropoliten von Smederevo, Paulus, um die Wiederherstellung des Patriarchats.

4. Die Erneuerung des Patriarchats Wenngleich das Patriarchat nicht offiziell abgeschafft wurde, konnte das kirchliche Leben nicht normalisiert werden. Der entscheidende Schritt zur Erneuerung des serbischen Patriarchats von Peć kam von der türkischen Seite, und zwar von Großwesir Mehmed Pascha Sokolović, der als serbisches Kind in die Türkei verschleppt und dort islamisiert wurde. Da die Türken die Beziehungen zu den Serben und somit zur serbischen Kirche, die eigentlich die einzige repräsentative Instanz des Volkes war, verbessern wollten, ergriff Mehmed Pascha Sokolović die Initiative und erneuerte das serbische Patriarchat. Zum ersten Patriarchen wurde sein eigener Bruder Makarije Sokolović (1557−1571) ernannt. Das Patriarchat umfasste alle Serben, d.h. alle, die in den türkischen Gebieten, in Österreich-Ungarn und Dalmatien lebten. Viele Bistümer wurden erneuert und neue gegründet, so dass es insgesamt um die 40 Bistümer gab (darunter auch in Trebinje - Tvrdoš, Vršac, Buda). Mit der Erneuerung des eigenen Patriarchats für die serbischen Christen in den verschiedenen Herrschaftsgebieten änderte sich die Rolle der serbischen Kirche im Osmanischen Reich. Ähnlich wie der ökumenische Patriarch von Konstantinopel wurde der serbische Patriarch auch der weltliche Anführer seines Volkes und regelte die weltlichen Angelegenheiten der serbischen Christen. Er sammelte die Steuern ein und hatte richterliche Befugnisse bei Ehestreitigkeiten. Der neue Status des Patriarchen ermöglichte auch eine gewisse Normalisierung des kirchlichen Lebens, so dass neue Klöster und Kirchen erbaut bzw. ältere repariert wurden. Obwohl sich die Lebensumstände für Kirche und für das Volk einigermaßen verbesserten, blieben die Freiheitsbestrebungen lebendig erhalten. Als zu jener Zeit einzige funktionierende Institution vereinigte die Kirche das Volk, und viele Kirchenvertreter nahmen an den Aufständen gegen die Türken teil. In den österreichisch-türkischen Kriegen im 17. und 18. Jh. kämpften die Serben erfolglos gegen die Türken. Als Kon49

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sequenz mussten sie in zwei großen Emigrationen (1690 und 1740) unter der Führung des Patriarchen Arsenije III Čarnojević und Arsenije IV Jovanović das Land verlassen und sich auf dem Gebiet Österreichs und Ungarns ansiedeln.

5. Die Auflösung des Patriarchats Nach diesen Auswanderungen verschlechterte sich die Lage der Kirche in Serbien wesentlich. Die Türken verloren das Vertrauen in die Loyalität der Kirche und setzten die Kirchenvertreter unter Druck. Die Einnahmen der Kirche nahmen ab und sie konnte die hohen Steuern nicht zahlen. Dazu kamen noch die griechischen Bischöfe aus Konstantinopel (die sog. Fanarioten, die ihren Namen von dem Stadtteil Fanar in Konstantinopel/Istanbul haben), die zeitweise den Thron des Patriarchen übernahmen und von denen sich einige leider wenig um die Kirche kümmerten. Wegen der hohen Schulden wurde das Patriarchat von Peć schließlich 1766 aufgelöst und sein Jurisdiktionsbereich dem Ökumenischen Patriarchat unterstellt. Durch die Auflösung des Patriarchats verlor die serbische Kirche nicht nur ihre Autokephalie, sondern auch ihre Einheit. Auf dem Gebiet Serbiens wurden griechische Bischöfe ernannt, von denen einige ihre pastoralen Tätigkeiten vernachlässigten und mehr die Interessen des Osmanischen Reiches vertraten. Sie führten die Liturgie in griechischer Sprache ein, so dass auch die Sprache ein großes Hindernis für das Volk war. Das gesamte Kirchenleben war zu dieser Zeit auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Verbesserung der Situation trat erst ein, als Serbien unter Fürst Miloš 1830 als Fürstentum anerkannt wurde. Im nächsten Jahr wurde eine autonome Metropolie in Serbien gegründet und vom ökumenischen Patriarchen anerkannt. Nachdem Serbien auf dem Berliner Kongress 1878 als unabhängiger Staat anerkannt wurde, erlangte diese Metropolie 1879 die Autokephalie. Die Metropoliten der neuen Metropolie bemühten sich sehr um die Organisation des kirchlichen Lebens. Metropolit Mihailo Jovanović (1859−1881; 1889−1898) arbeitete an der Ausbildung der Priester und an der Übersetzung gottesdienstlicher und liturgischer Bücher aus dem Russischen. Er stiftete Fonds für Familien von verstorbenen Priestern und verlieh Stipendien an Schüler und Studenten. Kirchen und Klöster wurden in Serbien aufgebaut und repariert. Auf dem Gebiet von Österreich-Ungarn wurde am Anfang des 17. Jh. eine serbische Metropolie gegründet, die zuerst unter der Jurisdiktion des serbischen Patriarchats stand und später unabhängig wurde. Aufgrund der verliehenen Privilegien konnte die Metropolie von Karlovac mit russischer Hilfe das Kirchenleben erfolgreich gestalten. Andererseits mussten die Kirche und das Volk den ständigen Kampf um die Erhaltung der nationalen und religiösen Identität in einem überwiegend katholischen Land aushalten. Mit ähnlichen Problemen wurden auch die Serben in Dalmatien konfrontiert. Die venezianischen und später österreichischen Behörden versuchten stets, die serbische Kirche zu einer Union mit dem Apostolischen Stuhl von Rom zu bewegen. Nach 50

Die Serbische Orthodoxe Kirche

Auflösung des Patriarchats befand sich die Kirche in Bosnien und Herzegowina, die dem Ökumenischen Patriarchat unterstellt blieb, in einer schwierigen Lage. Als das Land im Jahr 1878 von Österreich-Ungarn besetzt wurde, gewährte das Patriarchat in Konstantinopel eine Autonomie für die serbische Kirche in Bosnien und Herzegowina. Als erster Metropolit wurde Sava Kosanović gewählt, der jedoch wegen Spannungen mit den neuen Autoritäten bald seinen Posten aufgeben musste. Teile Südserbiens und Mazedoniens wurden zuerst dem Ökumenischen Patriarchat und dann 1870 dem bulgarischen Exarchat unterstellt. Das Gebiet von Niš, Pirot, Vranje wurde jedoch im Jahr 1878 wieder ein Teil Serbiens, so dass die serbische Kirchenorganisation erneuert werden konnte. Die anderen Gebiete blieben jedoch bis zum Jahr 1920 außerhalb der Jurisdiktion der serbischen Kirche, obwohl die Präsenz der Kirche (z.B. durch das Bildungswesen) in diesen Gegenden lebhaft war. Dank der Tatsache, dass Montenegro nie vollkommen vom Osmanischen Reich regiert wurde, musste die Kirche in Montenegro nach der Auflösung des serbischen Patriarchats nicht die Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel annehmen. Bis zur Vereinigung mit dem Patriarchat im Jahr 1920 blieb die Metropolie von Montenegro unabhängig und von einem Metropolit geleitet, der gleichzeitig (von 1697 bis 1851) weltlicher Herrscher von Montenegro war. Einige der bekanntesten Metropoliten aus dieser Zeit waren Petar I Petrović (der Hl. Petar von Cetinje; † 1830) und Petar II Petrović Njegoš († 1851), der auch ein großer Dichter war.

6. Die Vereinigung des Patriarchats Auf die Wiedervereinigung mussten die serbischen Regionalkirchen bis zum Jahr 1920 warten. Da sich ein Großteil der Jurisdiktionsbereiche der Regionalkirchen sich seit dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) im neu gebildeten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen befand, wurde dadurch die Vereinigung der einzelnen serbischen Teilkirchen wesentlich erleichtert. Mit dieser Absicht erklärte sich auch der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel einverstanden und gewährte im Jahr 1920 die Vereinigung der Kirchen und die Wiederherstellung des Serbischen Patriarchats. Zum ersten Patriarchen wurde der Metropolit von Belgrad, Dimitrije (1920−1930), gewählt. In der Zeit zwischen den Weltkriegen begann eine große Erneuerung der ganzen Kirche. Das heutige Gebäude des Sitzes des Patriarchats sowie das Kloster Vavedenje wurden errichtet und die Arbeiten an der größten Orthodoxen Kirche, der des Heiligen Savas wurden aufgenommen. Die Orthodox-Theologische Fakultät begann mit ihrer Arbeit. 1931 wurde die neue Verfassung der Serbischen Orthodoxen Kirche erlassen. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) wurde diese Entwicklung abrupt unterbrochen. Viele Bischöfe (u.a. der Metropolit Petar sowie die Bischöfe Platon und Sava) wurden getötet und der damalige Patriarch Gavrilo (1938−1950) in dem Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Insgesamt 515 Geistliche, Mönche und 51

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Theologielehrer der Serbischen Orthodoxen Kirche wurden von den Nationalsozialisten und ihren Helfershelfern getötet. Zahlreiche serbische Kirchen wurden zerstört. Trotz ihrer Opfer und ihrer Bemühungen um die Freiheit des Landes genoss die serbische Kirche nach dem Ende des Krieges wenig Respekt bei der neuen kommunistischen Regierung Jugoslawiens. Unter dem Vorwand der Trennung zwischen der Kirche und dem Staat wurden viele Kirchengüter beschlagnahmt und die Kirche aus dem öffentlichen Leben vertrieben. Die Orthodox-Theologische Fakultät wurde aus der Universität in Belgrad ausgeschlossen. Wenngleich man hier von einer stillschweigenden Verfolgung der Kirche sprechen konnte, setzte die serbische Kirche ihre Arbeit fort. Es wurden neue Diözesen im Ausland gegründet, und die theologischen Schulen in Sremski Karlovci und im Kloster Krka nahmen die Arbeit auf. Die serbische Kirche konnte das Problem der Abspaltung einiger US-amerikanischer Diözesen im Jahr 1992 erfolgreich lösen, während die Abspaltung der sog. Mazedonischen Orthodoxen Kirche in Skopje leider immer noch andauert und bis heute ungelöst ist. Der Zusammenbruch Jugoslawiens in der Folge der Umbrüche in Osteuropa nach dem Ende des Kalten Krieges (1989) stellte die Serbische Orthodoxe Kirche vor neue Herausforderungen. Während der jugoslavischen Bürgerkriege (1991–1999) wurden die serbischen Bistümer in Kroatien und in einigen Teilen Bosniens und Herzegowinas teilweise verwüstet, weil das Volk gewaltsam umgesiedelt wurde und seine Kirchen zerstört wurden. Eine ähnliche Katastrophe traf auch die serbische Kirche im Kosovo und in Metochien, wo die Mehrheit des serbischen Volkes vertrieben wurde, und wo zahlreiche Kirchen und Klöster dem Erdboden gleichgemacht wurden. Nach dem Krieg verbesserte sich jedoch die Lage der serbischen Kirche in Kroatien und Bosnien und Herzegowina, und die serbische Kirche vermochte ihre Mission fortzusetzen. Davon zeugt der Besuch des serbischen orthodoxen Patriarchen beim Staatspräsidenten Kroatiens, der im Frühjahr 2012 in Zagreb stattfand. In Mostar (Bosnien und Herzegowina) werden derzeit die Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit und der Sitz des Bischofs von Zahumlje und Herzegowina erneuert. Die Aussichten im Kosovo bleiben hingegen leider ganz düster. Das verbleibende serbische Volk lebt in gewissen Ghettos, während die Klöster (z. B. Dečani) unter internationalem Polizeischutz stehen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Eine Besserung dieser schwierigen Lage ist derzeit nicht absehbar. Nach der Absetzung des Milošević-Regimes (2000) erhoffte sich die serbische Kirche mit Recht eine bessere Position in der serbischen Gesellschaft und die Wiedergutmachung der Ungerechtigkeiten, die sie von der kommunistischen Regierung erleiden musste. Vieles ist in dieser Richtung geschehen, aber es bleibt jedoch immer noch vieles auf der Agenda. Dabei ist besonders die Rückgabe von beschlagnahmten Gütern zu erwähnen, die nur schleppend vorankommt. Andererseits steht heute vor dem öffentlichen Wirken der Kirche in Serbien kein Hindernis. Der Religionsunterricht an den Schulen wurde im Jahr 2001 eingeführt und die Orthodox-Theologische Fakultät wurde im Jahr 2004 wiederum in die Universität von Belgrad aufgenommen. Dank ihrer Arbeit wird die Serbische Orthodoxe Kirche in vielen Umfragen als Institution bestätigt, in die die meisten Serben ein großes Vertrauen haben. 52

Die Rumänische Orthodoxe Kirche Daniel Munteanu und Björn Röhrer-Ertl Die Rumänische Kirche stellt eine Besonderheit in der Orthodoxie dar. Die nach Mitglieder zweitgrößte orthodoxe Kirche sieht sich als „Synthese von Latinität und Orthodoxie“ (Dumitru Stăniloae nach D. Pacurariu, Geschichte, S. 85).

1. Ethnischer Wandel an der Grenze zwischen Ost und West Seit der Teilung des Imperium Romanum im Jahre 395 in zwei Herrschaftsgebiete mit jeweils einem eigenen Kaiser in Rom und Konstantinopel gehörte die seit der Reform durch Kaiser Diocletianus (284–305 n. Chr.) am Ende des dritten Jahrhunderts mehrfach unterteilte frühere Provinz Moesia zum östlichen Reichsteil. Das im Jahre 29 v. Chr eroberte Gebiet an der unteren Donau war als kaiserliche Provinz eine Militärprovinz, die direkt dem Kaiser – und nicht dem Römischen Senat – unterstellt war. Unter Kaiser Traianus (98–117 n. Chr.) wurden sämtliche Militärprovinzen an der Donau mit der Kommandosprache Latein ausgestattet, wodurch sie von den sonst üblichen Regelungen der zivilen Verwaltung im Osten (Griechisch) und im Westen (Latein) abwichen. In der Völkerwanderungszeit wurde vom Kaiser in Konstantinopel nur ein einziger slavischer Stamm als Foederati – also kriegerische Stämme, die auf römisches Reichsgebiet übertraten und, unter Wahrung der Rechtslage der vorhandenen Bevölkerung, mit der Reichsverteidigung beauftragt wurden – aufgenommen: die Anten in der Provinz Dacia inferior. In dieser Ansiedlung als Foederati liegt wahrscheinlich der Grund dafür, dass in den späteren Fürstentümern Moldau und Walachei bis heute eine romanische Sprache überdauerte; denn die einwandernden Slaven erlernten im Laufe der Zeit die Sprache der einheimischen Bevölkerung, die zu schützen ihre Aufgabe war: eine Form des Lateinischen, das so genannte Vulgärlatein – das gleichermaßen von den Veteranen des römischen Heeres gesprochen wurde, die, nach Ablauf einer 25jährigen Dienstzeit, ebenfalls in den römischen Grenzregionen angesiedelt wurden.

2. Anfänge und zeitweiliges Verschwinden des Christentums an der unteren Donau Spätestens mit der so genannten Mailänder Vereinbarung aus dem Jahr 313, früher bekannter als Mailänder Edikt, beendete Kaiser Konstantin der Große (306–337 n. Chr.) 53

Daniel Munteanu, Björn Röhrer-Ertl

die Verfolgung des Christentums. Sehr bald begann sich das Christentum daraufhin auszubreiten und sich eine eigene, nun mehr nicht mehr durch den römischen Staat bedrohte Organisation aufzubauen. Zwar berichtet der Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea, dass der Apostel Andreas bei den Skythen das Evangelium verkündete (Hist. Eccl. III, 1, PG 12, 91–92); historisch greifbar wird christliches Leben jedoch erst im 4. Jh.: Denn unter den Teilnehmern am ersten ökumenischen Konzil von Nicaea (325) wird ein Bischof von Tomis aus der Provincia Scythia Minor, dem heutigen Constanţa, erwähnt. Im sechsten Jahrhundert gründete dann Kaiser Justinian I. (527–565) das Erzbistum Iustiniana Prima, unter dessen Zuständigkeitsbereich auch die Gebiete nördlich der Donau fielen. Für die Kirchengeschichte bedeutsame Persönlichkeiten wie Johannes Cassianus (* um 360, in der Scythia Minor; † um 435 in Massilia [heute Marseille]), der die ersten Mönchregeln des Westen formulierte, oder der Skythe Dionysius Exiguus (* um 470; † um 540), welcher die christliche Zeitrechnung berechnete und begründete, stammten aus dieser Region. In ihrer Eigenwahrnehmung verliefen daher für die Rumänische Orthodoxe Kirche die Ethnogenese der Rumänen mit der Christianisierung parallel. Deswegen wird häufig das orthodoxe Christentum als Wesensmerkmal der rumänischen Nation – ähnlich die römisch-katholische Kirche als Wesensmerkmal für die polnische Nation – genannt. Darin sieht sie sich durch archäologische Funde bestätigt. Als die awarisch-bulgarisch-slavischen Völkerwanderungswelle dieses Gebiet erreichte, fand sie daher ein bereits weitgehend christianisiertes Gebiet vor. Diese Welle löschte jedoch die meisten christlichen Gruppen aus und ersetzte sie durch slavischheidnische Kulte. Das Christentum musste daher einen neuen Anfang machen. Die erneute Mission dieses Raumes konnte erst nach Abschluss der awarischbulgarisch-slavischen Völkerwanderungswelle im neunten Jahrhundert erfolgen. Die neue Missionswelle ging dabei erneut von Konstantinopel aus; sie bediente sich – nach der Entwicklung des glagolitischen und kyrillischen Alphabetes – des Kirchenslavischen als Sprache für die Liturgie. Dadurch gerieten die christlichen Missionare in einen Gegensatz zur weiterhin romanisch sprechenden einheimischen Bevölkerung.

3. Die kirchliche Reorganisation der Moldau und der Walachei Nach dem Untergang des Zweiten Bulgarenreiches (1040–1396) geriet das Gebiet in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Osmanischen Reich. Es entstanden südlich und östlich der Karpaten die Fürstentümer der Walachei und der Moldau. Hohe Tributzahlungen an den Sultan sowie umfangreiche militärische Unterstützungsleistungen verhinderten eine Islamisierung des Gebietes und sicherten eine gewisse Eigenständigkeit und Dauerhaftigkeit. Somit konnte eine kirchliche Reorganisation durchgeführt werden, die eine eigenständige kirchliche Struktur schuf – unter Jurisdiktion des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Im Jahr 1359 wurde für die Walachei eine Metropo54

Die Rumänische Orthodoxe Kirche

lie mit Sitz in Curtea de Arges errichtet. Diese wurde zuerst 1517 nach Târgovişte, dann 1668 nach Bukarest verlegt, wo noch heute ihr Sitz ist. Das Fürstentum Moldau erhielt im Jahr 1386, 1401 durch den Patriarchen von Konstantinopel bestätigt, einen eigenen Metropoliten, der seinen Sitz in Suceava nahm, jedoch ab dem 17. Jahrhundert in Jaşi residiert. Die zweite Metropolie für das Fürstentum wurde im Jahr 1370 in Severin errichtet. Im 15. und 16. Jh. wurde durch die Errichtung der Bistümer in Râmnicu Vâlcea (um 1503) und Buzău (um 1504) die Reorganisation in der Walachei abgeschlossen. Das Fürstentum Moldau erhielt im selben Zeitraum mit den Bistümern Roman, Rădăuţi und Huşi die türkischen Gebiete nördlich der Donau mit der Errichtung der Proilaver Metropolie seine kirchliche Organisation. Diese Zeit ist auch von einer regen Bautätigkeit gekennzeichnet, in der die Orthodoxe Kirche architektonisch ihren eigenen Weg zwischen dem vom griechischen Denken geprägten Osten und dem lateinischen Europa suchte. Diese Verbindung fand ihren Höhepunkt in der Errichtung der Moldauklöster im 15. und 16. Jh., die seit 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Sie sind auch sichtbares Zeichen der Mönchsbewegung, die im 15 Jh. vom Berg Athos aus einsetzte und sich über das gesamte Gebiet ausbreitete. Gleichzeitig nahm die Orthodoxe Kirche nach dem Untergang Konstantinopels 1453 die Rolle des Förderers der Kirche von der untergegangen Krone Byzanz an. So förderte sie insbesondere auf dem Balkan und dem östlichen Mittelmeerraum sowohl finanziell als auch konzeptionell wie personell den Bau kirchlicher Gebäude, der Kunst und Kultur sowie der Bildung in diesen Ländern. Obwohl die Orthodoxe Kirche sich hierauf beschränkte, wurde sie durch die Annahme dieser Rolle zum Zentrum der europäischen Orthodoxie im Osmanischen Reich („Byzanz nach Byzanz“). Das Verhältnis zwischen den christlichen Bistümern und dem dem Osmanischen Sultan untergebenen Fürstentümern war durch eine gewisse „Symphonie“ nach dem Modell des (ost-) römischen Reiches geprägt. Die Metropoliten residierten dort, wo auch die politische Führung ihren Sitz nahm. Die christlichen Fürsten verstanden sich als „Schirmherren“ bzw. als Beschützer der Kirche. „Sie waren die bedeutendsten Stifter von Klöstern und Kirchen, die sie mit allem, was diese benötigten, ausstatteten. […] Die Metropoliten beider Länder nahmen im Staat denselben Rang ein, wie ihn der Patriarch gegenüber dem byzantinischen Kaiser hatte“, wie Dumitru Pacurariu in seiner Geschichte der Rumänischen Orthodoxen Kirche feststellt (S. 146).

4. Siebenbürgen: Die Wiege des modernen „Rumänisch“ In Gegensatz zur Walachei und zur Moldau ist Siebenbürgen, nach seinem lateinischen Namen auch Transsilvanien genannt, durch besondere Kämpfe zwischen Ungarn und später Habsburg auf der einen und dem Osmanischen Reich auf der anderen Seite geprägt worden. Teilweise durch bewusste Ansiedlung, teilweise durch Abwerbung aus dem Tross des Zweiten Kreuzzuges (1144 veranlaßt, 1147–1149 durchgeführt) 55

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siedelten sich Menschen an, die überwiegend aus dem Mittelrhein- und Moselgebiet, aus Flandern und der Wallonie stammten. Auf Grund von archäologischen Befunden scheint es jedoch gesichert, dass die Spuren kirchlichen Lebens älter sind als die erste Nachricht über einen Erzbischof von Transsilvanien um 1377. Die Errichtung eines Fürstentums Siebenbürgen nach dem Jahr 1526 ließ es zum Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen werden. Diese Phase der Unsicherheit durch die wechselseitigen Einfälle von Türken und Christen sollte rund 200 Jahre andauern, obwohl Siebenbürgen um das Jahr 1530 unter die Oberhoheit des Osmanischen Reiches geriet. In dieser Phase wurden durch das Ökumenische Patriarchat bischöfliche orthodoxe Zentren in Dăbâca, Vad, Feleac, Geoagiu, Bălgrad (heute Alba Iulia), Ienopole, Caransebeş, Arad und Oradea errichtet. Die siebenbürgischen Siedler nahmen jedoch bald die Reformation an, insbesondere das lutherische Bekenntnis, welches von den siebenbürgischen Fürsten gefördert wurde. Ihre Missionierungstätigkeit unter den einheimischen orthodoxen Christen weckte freilich das bis heute andauernde Misstrauen auf der orthodoxen Seite, das sich auch auf den katholischen Orden der Jesuiten erstreckte, dessen Priester gleichermaßen ab dem 16. Jahrhundert in Siebenbürgen aktiv wurden – insbesondere im Bereich der schulischen Bildung. Diese unsichere politische Großwetterlage in Siebenbürgen war wohl ein wichtiger Faktor für die Ausprägung eines rumänischen Selbstbewusstseins; da einerseits von außen einfallende osmanische Plünderer (= „Renner und Brenner“) das Leben der einheimischen orthodoxen Christen erschwerten und andererseits reformatorische Christen wie Katholiken danach strebten, diese zur Konversion zu bewegen, entstanden eigene Schriften orthodoxer „rumänischer“ Christen. Der Diakon Coresi (†1583) wirkte in Kronstadt (heute: Braşov) und engagierte sich intensiv für die Einführung des Rumänischen als Kirchen- und Liturgiesprache. Dazu veröffentlichte er im Jahr 1560–1581 zahlreiche liturgische Bücher, die er selbst übersetzte. Weitere Schritte zum Rumänischen als Kirchen- und Liturgiesprache waren die Veröffentlichung einer Homiliensammlung im Jahr 1643, des Neuen Testamentes 1648, der Psalmen 1673, des Liturgiebuches 1679 und 1683 sowie der vollständigen Heiligen Schrift im Jahr 1688. Dies geschah oft unter Mitarbeit der meist deutschsprachigen siebenbürgener Siedler, die über den Buchdruck verfügten sowie als Evangelische Erfahrungen in der Übersetzung der Heiligen Schrift gesammelt hatten, sowie unter Förderung der ungarischen Magnaten, die durch die Förderung des Rumänischen und der Orthodoxie sowie Sicherheitsgarantien osmanische christliche Leibeigene zum Übertritt in ihre Leibeigenschaft zu bewegen und somit ihre Herrschaft auszuweiten versuchten. Im Jahr 1574 wurde in Hermannstadt (heute: Sibiu) eine Metropolie für Siebenbürgen errichtet. Mit den Frieden von Karlowitz 1699 endete für Siebenbürgen die Zeit der Unsicherheit als Vasallenstaat des Osmanischen Reiches. Das Gebiet wurde Teil der HabsburgerMonarchie. Die orthodoxe Kirche war im katholischen Reich der Habsburger nunmehr nur noch geduldet. 1701 wurde die 1574 errichtete orthodoxe Metropolie aufgehoben und durch ein mit Rom uniertes katholisches Bistum ersetzt. Wien verfolgte dabei die Politik, auf der einen Seite den katholischen Glauben zu fördern, auf der anderen Seite die rumänische Orthodoxie in eine einheitliche politische Struktur zu integrieren. 56

Die Rumänische Orthodoxe Kirche

5. Die Orthodoxe Kirche während der Entstehung der rumänischen Nation Ab dem 18. Jahrhundert übertrugen die osmanischen Sultane zunehmend die Herrschaft in der Walachei und der Moldau phanariotischen Familien, also Griechen, die den Fall Konstantinopels im Jahr 1453 und die darauf einsetzende Deportation überlebten. Diese galten bis zum Griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821–1829) den osmanischen Autoritäten als besonders loyale nicht-muslimische Untertanen, die durch die Zusammenarbeit mit einer vom Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel eingesetzten griechischen bischöflichen Hierarchie die Unabhängigkeitsbestrebungen in den beiden christlichen Fürstentümern unterbinden sollten. Diese Politik stieß offenbar auf den Widerstand der einheimischen Bevölkerung, die in der Folge ein eigenes orthodoxes „rumänisches“ Selbstverständnis entwickelte. Dieses wurde befördert, als es dem Nicht-Phanarioten Alexandru Ioan Cuza (1820–1873) gelang, im Jahr 1859 die beiden Fürstentümer als „Fürstentum Rumänien“ miteinander zu vereinen Zur Entstehung einer eigenen orthodoxen Landeskirche trug jedoch in erster Linie der Russisch-Osmanische Krieg (1877–1878) bei, der in Rumänien auch als der „Rumänische Befreiungskrieg“ bezeichnet wird; denn an seinem Ende stand die formale staatliche Unabhängigkeit Rumäniens, bestätigt durch den Berliner Kongress im Jahr 1878 – allerdings unter dem Verlust des östlichen Teils des Fürstentums Moldau an das zaristische Russland. Im Jahr 1881 nannte sich der Hohenzollen-Sigmaringer Carol I. „König von Rumänien“. Der staatlichen folgte im Jahr 1885 die kirchliche Unabhängigkeit, als der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel die Kirche in den Vereinigten Fürstentümern Moldau und Walachei in die Autokephalie entließ.

6. Die Orthodoxe Kirche zwischen 1918 und 1945 Der Zusammenbruch der Habsburger Monarchie im Ersten Weltkrieg (1914–1918) brachte für Rumänien erhebliche Gebietszuwächse mit sich. Siebenbürgen, die Bukowina, Bessarabien und ein Teil des Banats wurden rumänisch. Am 4. Februar 1925 unterzeichnete die Heilige Synode die „Urkunde für die Gründung des Rumänischen Orthodoxen Patriarchats“. Die in den neu gewonnenen Gebieten vorhandene Struktur wurde durch ein Organisationsgesetz 1925 angepasst. In dieser Zeit verstand sich die Orthodoxe Kirche sehr wohl als Bewahrerin und Gestalterin rumänischer Identität. Dies sollte zum Konflikt mit den kommunistischen Machthabern führen.

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7. Die Orthodoxe Kirche unter kommunistischer Herrschaft (1945/47–1989) Nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) geriet Rumänien unter sowjetischen Einfluss. Anfangs eher zurückhaltend, wurde die Umgestaltung zur sozialistischen Gesellschaft nach der Ausrufung der Volksrepublik Rumänien im Jahr 1947 immer gravierender. Die Rumänische Arbeiterpartei setzte sich dabei das Ziel, die Nation zu einer vollständigen sozialistischen Gesellschaft im Sinne des Marxismus-Leninismus zu transformieren, die sie 1965 ausrief. Wichtiger Baustein hierfür war die Zurückdrängung der orthodoxen Kirche und die Übertragung ihrer Rolle als Bewahrerin und Gestalterin der rumänischen Identität auf die Rumänische Arbeiterpartei. Bereits im Jahr 1944 wurden über tausend orthodoxe Priester in Arbeitslager am Donau-Schwarzmeer-Kanal und nach Sibirien deportiert, deren letzten Überlebende erst im Jahr 1964 entlassen wurden. 1948 wurde der Religionsunterricht verboten, die Theologische Fakultät in Suceava geschlossen. 1959 erfolgte dann die Auflösung von Klausen (rum. schit) und Klöstern. Ordensleute wurden zur Umerziehung in ihre Familien oder in Fabriken geschickt, Kirchen und gottesdienstliche Stätten systematisch zerstört. Diese Verfolgung und Unterdrückung erreichte ihren Höhepunkt unter Nicolae Ceauşescu (1918–1989). Sein 1983 bis 1989 errichtetes Haus des Volkes, heute Parlamentspalast genannt, war für den diktatorisch regierenden Staatspräsidenten Zeichen und Mittelpunkt einer rumänischen Identität, die von der nunmehr Rumänischen Kommunistischen Partei erhalten und gestaltet wird; denn das Gebäude wurde auf einem im Jahr 1977 durch ein Erdbeben zerstörten Altstadtviertel errichtet, in dem sich alleine zwölf für die orthodoxe Kirche Rumäniens wichtige Basiliken befanden. In dem Gebäudekomplex fanden nicht nur sämtliche politischen Gremien und nationalen kulturellen Einrichtungen ihren Sitz. Lage und Architektur des Parlamentpalastes ordneten die Stadt und damit auch die Basiliken der orthodoxen Kirche des Landes dem Palast zu und sind in ihrer Größe diesem untergeordnet. Mit diesem Bau war der Parlamentspalast ein sichtbares Symbol des absoluten, totalitären Herrschaftsanspruches von Ceauşescu.

8. Die Orthodoxe Kirche seit 1989 Die rumänische Revolution von 1989 brachte nach Sturz und Hinrichtung Nicolae Ceauşescus wieder eine freiheitliche Ordnung, in der die orthodoxe Kirche sich frei entfalten konnte. Klöster wurden wieder eröffnet, kirchliches Leben vielfältig und öffentlich prägend wieder aufgenommen. Aufgrund der multiethnischen Geschichte Rumäniens und der Erfahrungen des Lebens unter einem totalitären Regime arbeitete die Rumänisch-Orthodoxe Kirche nicht nur mit allen anderen autokephalen orthodo58

Die Rumänische Orthodoxe Kirche

xen Patriarchaten und Kirchen zusammen. Sie nahm auch Beziehungen und Dialoge mit den altorientalischen, mit der katholischen Kirche, der Altkatholischen Kirche, mit der Anglikanischen Kirche und einer Reihe von reformatorischen kirchlichen Gemeinschaften auf. 1961 wurde die Rumänische Orthodoxe Kirche Mitglied im Weltkirchenrat. Aktiv bringt sie Theologen in den unterschiedlichen Kommissionen des Ökumenischen Rates der Kirchen und bei Dialoggesprächen im Rahmen der Konferenz Europäischer Kirchen ein. Der ökumenische Dialog ist ein besonderes Anliegen S.E., Patriarch Daniel Ciobotea, der seit 2007 der Rumänischen Orthodoxen Kirche vorsteht. Ebenso nimmt der Vertreter der Rumänischen Orthodoxen Kirche bei der Europäischen Union, Metropolit Nifon Mihaita, aktiv und konstruktiv am Interreligösen Dialog teil. Im September 2007 war die Rumänische Orthodoxe Kirche Gastgeberin der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu (früher Herrmannstadt). Derzeit arbeitet die Orthodoxe Kirche an einen Konzept für eine neue pastoralmissionarische Strategie in Rumänien sowie an einer klaren kritischen Rezeption des sozialen, kulturellen und politischen Leben in Rumänien.

9. Die Organisation der Orthodoxen Kirche heute Die Rumänische Orthodoxe Kirche besitzt heute fünf gesetzgebende und ausführende Gremien: • Die Heilige Synode ist die höchste Autorität der Kirche. Sie entscheidet abschließend bei allen dogmatischen und kanonischen Fragen aller Art und behandelt ebenso Fragen kirchlichen Lebens. Ihre Mitglieder sind Geistliche aller kirchlichen Hierarchieebenen. • Die Ständige Synode tagt zwischen den Sitzungen der Heiligen Synode und besteht allein aus dem Patriarchen, den amtierenden Metropoliten sowie dem Sekretär der Heiligen Synode. • Die Nationale Kirchenversammlung ist das zentrale repräsentative Organ. Sie ist für alle Fragen der Verwaltung und der Finanzen zuständig und beschließt alles, was nicht in die Zuständigkeit der Heiligen Synode fällt. Ihre Mitglieder werden für vier Jahre bestimmt. Dabei ist jede Eparchie durch einen Geistlichen und zwei Laien vertreten. • Der Nationale Kirchenrat ist das oberste Verwaltungsorgan sowohl für die Heilige Synode als auch für die Nationale Kirchenversammlung. Ihre Mitglieder – drei Geistliche und sechs Laien – werden für vier Jahre gewählt. Die Patriarchalen Verwaltungsräte sind geborene, ständige Mitglieder. • Der Patriarch ist der oberste Geistliche der Rumänischen Orthodoxen Kirche und damit geborenes Mitglied und Vorsitzender dieser vier Leitungsorgane.

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Daniel Munteanu, Björn Röhrer-Ertl

Die jetzige Bistumsstruktur der Rumänischen Orthodoxen Kirche zählt sechs Metropolien mit eigenen Erzbistümern und Bistümern in Rumänien und drei Metropoliten im europäischen Ausland (Paris, Nürnberg, Chişinău), das Erzbistum von Nord- und Südamerika, das Bistum von Dacia Felix in Serbien, das Bistum von Ungarn, sowie das Bistum von Australien und Neuseeland.

10. Die Situation in der Republik Moldau Mit der Teilung des Fürstentums Moldau 1885 wurde die Moldauisch-Orthodoxe Kirche als eine dem Moskauer Patriarchat unterstehende autonome orthodoxe Kirche gegründet. Unabhängig von der nationalen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder und Geistlichen war sie für den nunmehr zum zarischen Russland gehörigen Teil der Moldau zuständig. Im Jahr 1918 wurde die Orthodoxe Kirche Bessarabiens als eine dem Bukarester Patriarchat, d.h. der Rumänischen Orthodoxen Kirche unterstehende orthodoxe Kirche gegründet, deren kanonischer Status umstritten ist. Nachdem im Jahr 1991 die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik als „Republik Moldau“ die staatliche Unabhängigkeit von der UdSSR erklärte, bekannte sich 1992 eine Mehrheit der rumänischsprechenden orthodoxen Geistliche zur Orthodoxe Kirche Bessarabiens und verlangte die Zuordnung zum Bukarester Patriarchat. Die Regierung der Republik Moldau, die sich an Moskau orientiert, interpretierte diese Forderung als Teil der Bewegung, die eine Vereinigung der Republik Moldau mit Rumänien fordert, und unterband diesen Konflikt mit allen Mitteln. Allerdings beurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2001 diese Zurückweisung als Verletzung der Religionsfreiheit und verurteilte die Republik Moldau. Der Gegensatz zwischen beiden orthodoxen Gruppen blieb bestehen, auch wenn er zur Zeit als frozen conflict gilt.

11. Zusammenfassung Die Rumänische Orthodoxe Kirche ist heute selbstbewußte Mittlerin zwischen der griechisch geprägten Kirche des Osten und der lateinischen Kirche des Westen. Ihre geographisch wie sprachliche Brückenkopffunktion zwischen West und Ost sieht sie als eine an, die ihr eine besondere Stellung nicht nur unter den orthodoxen Kirchen, sondern im Gefüge aller christlichen Kirchen verleiht. Daher nimmt sie offen an Austausch zwischen und dem Dialog unter den christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ein. Sie versteht sich bis heute als Bewahrerin und Gestalterin der rumänischen Identität, die entscheidend zur Erhaltung des christlichen Lebens in den Wirren der Jahrhunderte seit den Anfängen des Christentums in dem Land beitrug. 60

Die Bulgarische Orthodoxe Kirche Julia Lis

1. Von den Anfängen bis zur Osmanenherrschaft Die Bulgarische Orthodoxe Kirche kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, auch wenn sie ihre Eigenständigkeit in heutiger Form erst im Jahr 1870 erlangt hat. Bischofssitze gab es auf dem heute bulgarischen Territorium bereits im 4. Jh., wovon z.B. die Tatsache zeugt, dass im Jahr 342 oder 343 eine reichsweite Synode der Kirche im Imperium Romanum in Serdica (heute: Sofia) abgehalten wurde. Im Zuge der Völkerwanderung siedelten sich die sogenannten Protobulgaren auf der Balkanhalbinsel an. Sie errichteten ein einheitliches Herrschaftsgebiet, das auch von slavischen Stämmen besiedelt war. Khan Boris I. (852–889) war an einer Christianisierung dieses Staates gelegen, um seine Herrschaft nach außen hin zu festigen und auch Bündnisse mit anderen europäischen Ländern zu ermöglichen. Zwischen Konstantiopel und Rom war inzwischen ein Streit um die kirchenrechtliche Vorherrschaft über das Bulgarenreich entbrannt. Obwohl Khan Boris zuerst Verhandlungen mit dem fränkischen König Ludwig geführt hatte, entschied er sich schließlich, das Christentum 864/865 von Konstantinopel anzunehmen, versuchte aber in seinem Reich selbstständige Kirchenstrukturen zu etablieren, die ihm eine Kontrolle über die Kirche ermöglichten. So bat er etwa Papst Nicolaus I. um die Entsendung von Geistlichen, was zu einem Konflikt zwischen Konstantinopel und Rom um die kirchliche Oberhoheit über Bulgarien führte. In der Auseinandersetzung setzte sich schließlich Konstantinopel durch, so dass die bulgarische Kirche zu einem autonomen Erzbistum wurde, an dessen Spitze ein vom Patriarchen von Konstantinopel eingesetzter Primas stand. Im 10. Jh. erlebt das Bulgarenreich unter (ost-) römischem Einfluss eine kulturelle Blütezeit. Zugleich fand unter Zar Simeon dem Großen (893–927) auch eine Slavisierung der bulgarischen Kirche statt, die sich in einer Übersetzung von liturgischen Texten aus dem Griechischen und der Verwendung des Altkirchenslavischen in der Liturgie niederschlug. In diese Zeit fällt auch das Leben und Wirken des wohl bekanntesten Heiligen und Schutzpatrons Bulgariens, Ivan oder Joan von Rila (gest. 946), der als Einsiedler lebte und das berühmte Rila-Kloster gründete, das sich im 14. Jh. zu einem Zentrum des kulturellen und religiösen Lebens entwickeln sollte. Spätestens in der Regierungszeit von Zar Peter (927–969) wurde dann auch ein eigenes bulgarisches Patriarchat errichtet, womit die Selbstständigkeit der bulgarischen Kirche endgültig gesichert war. Dieses Patriarchat existierte jedoch nur bis zum Jahr 1018, als das bulgarische Reich von Konstantinopel erobert wurde. Als das zweite bulgarische Reich im Jahr 1185/86 errichtet wurde, erfolgte zuerst wieder eine Annäherung an Rom, welche helfen sollte, die Eigenständigkeit der bulgarischen Kirche gegenüber dem 61

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Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel zu sichern. Das Bündnis mit den Lateinern war jedoch nicht von langer Dauer, so dass sich das bulgarische Reich wieder an Konstantinopel und das Ökumenische Patriarchat annäherte, was im Jahr 1235 in der erneuten Anerkennung des bulgarischen Patriarchats durch Konstantinopel resultierte. Im Jahr 1396 wurde das Bulgarenreich schließlich von den türkischen Osmanen erobert. Die Eroberung brachte einen kulturellen und kirchlichen Niedergang mit sich, der auch dadurch bedingt war, dass viele Angehörige der gebildeten Schicht ins Exil gingen. Da im Osmanischen Reich die Untertanen nicht nach ethnischer Herkunft, sondern nach Religionszugehörigkeit einem Millet zugeordnet wurden, gehörten die Bewohnerinnen und Bewohner des ehemaligen Bulgarenreiches jetzt zum orthodoxen Millet, an dessen Spitze der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel stand. Der Patriarch wurde durch ein innerkirchliches Verfahren bestimmt, dann aber vom Sultan ernannt. Er war nicht nur für religiöse Angelegenheiten zuständig, sondern auch mit Verwaltungsaufgaben, wie etwa der Eintreibung von Steuern, in seinem Millet betraut und für das Wohlverhalten der ihm unterstellten Christinnen und Christen verantwortlich. Vermehrt wurden nun auch in Bulgarien Griechen als Bischöfe eingesetzt und Versuche unternommen, in die Liturgie die griechische Sprache einzuführen. Zwar gelang es den Klöstern und dem niederen Klerus die kirchlichen Traditionen zu bewahren, doch wurden geistige Impulse und kulturelle Entwicklungen, die in jener Zeit entstanden, in Bulgarien nicht aufgegriffen. Eine wichtige Rolle spielte aber die soziale wie kulturelle, besonders auch literarische, Tätigkeit der Klöster. Die Osmanenzeit war geprägt von einem weitgehend friedlichen Zusammenleben der unterschiedlichen Ethnien, bei gleichzeitiger Wahrung einer gewissen kulturellen und religiösen Selbstständigkeit. Die Christinnen und Christen bildeten zwar eine unterprivilegierte Minderheit, ihr rechtlicher Status war jedoch gesichert. So waren die meisten Christinnen und Christen mit ihrer Lage weitgehend zufrieden und Volksaufstände und Revolten stellten seltene Ausnahmen dar. Im 19. Jh. erst drangen die in Westeuropa entstandenen Gedanken über ein nationales Bewusstsein auch nach Südosteuropa vor und weckten unter den christlichen Völkern des Balkans den Wunsch nach politischer und kirchlicher Selbstständigkeit.

2. Das Streben nach nationaler und kirchlicher Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert Im Jahr 1870 ermöglichte der Sultan die Gründung eines bulgarischen Exarchats, also eines geistlichen Territoriums, welches über eine gewisse kirchliche Selbstständigkeit verfügte. Das Exarchat bedeutete einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Eigenständigkeit der bulgarischen orthodoxen Kirche. Als der Exarch Antim I. dann im Jahr 1872 die Unabhängigkeit der bulgarischen orthodoxen Kirche ausrief, kündete der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel ihr die Kirchengemeinschaft auf. Folge 62

Die Bulgarische Orthodoxe Kirche

dieses Schismas war die Isolation der bulgarischen orthodoxen Kirche, da sie auch von den anderen orthodoxen Kirchen nicht anerkannt wurde. Mit dem kirchlichen Unabhängigkeitsstreben ging auch das Streben nach einem eigenen bulgarischen Staat einher. Dies wird etwa an der Gestalt des Mönchsdiakons Ignatij deutlich, der unter dem Namen Vasil Levski vom Trojan-Kloster aus den bewaffneten Kampf gegen die Osmanen organisierte und deswegen im Jahr 1873 hingerichtet wurde. Auch Exarch Antim setzte sich für die Unabhängigkeitsbewegung der Bulgaren ein und wurde im Jahr 1877 nach Kleinasien in die Verbannung geschickt. Nach dem russisch-türkischen Krieg wurde im Jahr 1878 ein bulgarisches Fürstentum errichtet, wobei allerdings das heutige Südbulgarien um Plovdiv unter türkischer Oberhoheit verblieb. Das erschwerte die Verwaltung der Kirche, da für die dem Osmanischen Reich zugehörige Region weiterhin der Exarch zuständig war, der in Konstantinopel residierte, während der zum Fürstentum Bulgarien gehörige Teil dem heiligen Synod unterstand. Im Jahr 1885 wurden beide Teile zu einem Staat vereinigt. Da die bulgarische Kirche nicht vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel anerkannt wurde, gab es Stimmen, die für eine Kirchenunion mit dem Apostolischen Stuhl von Rom plädierten. Im Jahr 1907 unterbreitete der katholische Erzbischof von Bulgarien der Bulgarischen Orthodoxen Kirche gar einen offiziellen Unionsvorschlag, der die Erhebung der bulgarischen Kirche zum Patriarchat vorsah. Diese Vorschläge wurden auch deshalb zurückgewiesen, weil sich bereits eine starke Verbindung zwischen nationaler und religiöser Identität herausgebildet hatte und für viele, wie etwa den Exarchen Antim, ein guter Bulgare auch orthodox sein musste. Neben dem Engagement vieler Mitglieder der Kirche im Kampf um die nationale Unabhängigkeit trug auch die Beschäftigung mit russischen Autoren zur Herausbildung einer nationalreligiösen Identität bei. Insbesondere sind hier die Slavophilen zu nennen, die die Besonderheiten der Slaven gegenüber dem Westen betonten und für den solidarischen Zusammenschluss der slavischen Nationen warben. Die enge Verbindung zwischen Kultur, Nation und Religion, wie sie von den Slavophilen angestrebt wurde, hatte auch Auswirkungen auf die Haltung intellektueller Kreise in Bulgarien. Die Sympathien für Russland und die Hervorhebung der Bedeutung der Orthodoxie führten zu Spannungen zwischen der Kirche und dem bulgarischen Zaren Ferdinand I., der selbst römischer Katholik war und wenig Verständnis für orthodoxe Befindlichkeiten hegte. Innerkirchlich war die Ausbildung einer ausreichenden Zahl von orthodoxen Geistlichen für die bulgarische Kirche von großer Bedeutung. Um diese zu ermöglichen, wurde bereits im Jahr 1874 eine theologische Schule im Peter-und-Paul-Kloster bei Ljaskovec eröffnet, der die Gründung von Geistlichen Seminaren in Sofia und Plovdiv folgte. Ein Theologiestudium war jedoch bis zur Eröffnung der Theologischen Fakultät an der Universität in Sofia im Jahr 1923 nur im Ausland möglich. Viele der bulgarischen orthodoxen Geistlichen erhielten deswegen ihre theologische Ausbildung in Russland, was sich in einer russophilen Einstellung, gerade unter den Bischöfen, niederschlug. Die Anerkennung ihrer kirchlichen Unabhängigkeit durch das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel konnte die bulgarische Kirche im Jahr 1945 unter dem Exarchen Stefan erreichen. Die Folge dieser kanonischen Anerkennung der bulgari63

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schen orthodoxen Kirche war, dass die Kirchengemeinschaft, die seit dem Jahr 1872 nicht mehr bestanden hatte, wieder aufgenommen werden konnte.

3. Die Situation der Kirche im kommunistischen Bulgarien Während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) stand Bulgarien auf der Seite des nationalsozialistischen Deutschlands, was – zum Beispiel wenn es um die Haltung gegenüber den Juden und den Rassismus ging – zu einer Distanzierung der Bulgarischen Orthodoxen Kirche vom Staat führte. So protestierte im Jahr 1943 der Heilige Synod der Bulgarischen Orthodoxen Kirche gegen die Verfolgung der Juden. Daher begegnete die Kirche dem Umsturz am 9. September 1944, der zur Umgestaltung Bulgariens in einen sozialistischen Staat führte, zuerst mit einer gewissen Offenheit. Die antisowjetische Haltung der bulgarischen Kirche wie auch ihre guten Beziehungen zu Deutschland führten jedoch bald zu Problemen mit dem neuen Regime. Zahlreiche Priester wurden getötet oder in Lager gebracht. Exarch Stefan, der zuvor ein Buch unter dem Titel „Die soziale Frage im Lichte des Evangeliums“ veröffentlicht hatte, welches von der bulgarischen Presse als antikommunistisch kritisiert wurde, musste sein Amt 1948 niederlegen und lebte fortan unter Bewachung in einem bulgarischen Dorf. Viele Kirchen und Klöster wurden abgerissen oder in Museen umgewandelt. Ein Großteil des kirchlichen Grundbesitzes wurde vom Staat beschlagnahmt. Die offizielle Stellung der Kirche war paradox: Einerseits legte die Verfassung die Trennung von Kirche und Staat fest, andererseits ermöglichte es ein „Gesetz über die Glaubensbekenntnisse“ dem Staat, auf die Leitung der Kirche, ihre Auslandsbeziehungen, die Entlassung von Geistlichen und den Unterricht an kirchlichen Ausbildungsstätten Einfluss zu nehmen. Die Versuche, die Kirche weitgehend aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und gut zu überwachen, blieben nicht folgenlos: Der Kirchenbesuch und auch die Zahl der Mönche gingen stark zurück. Orthodoxe Feste waren keine arbeitsfreien Tage mehr oder wurden in staatliche Feiertage umgewandelt. Es gab auch Bemühungen, neue säkulare Rituale einzuführen, die christliche Riten wie die Taufe oder die kirchliche Beerdigung ersetzen sollten. Teilweise wurden diese Maßnahmen durch finanzielle Zuwendungen für diejenigen unterstützt, die auf kirchliche Zeremonien verzichteten. Sie konnten sich aber dennoch kaum durchsetzen. Der Religionsunterricht in den staatlichen Schulen wurde untersagt, so dass eine Glaubensunterweisung in den Gemeinden eingerichtet werden musste. Die religiöse Hochschulausbildung wurde staatlicherseits erschwert, indem man etwa die Theologische Fakultät aus der Universität von Sofia ausgliederte, in eine Geistliche Akademie umgestaltete und die Zulassung von Studierenden stark reglementierte. Auch soziale und caritative Tätigkeiten konnte die Bulgarische Orthodoxe Kirche aufgrund der rechtlichen und finanziellen Bedingungen im sozialistischen Staat nun nicht mehr ausüben. Ihr Wirken blieb somit auf den kultisch-liturgischen Bereich beschränkt. 64

Die Bulgarische Orthodoxe Kirche

Eingeschüchtert durch die Verfolgungen und Repressionen verhielt sich die Kirche dem Regime gegenüber weitgehend kooperativ, betonte den eigenen Patriotismus und die positive Haltung Russland gegenüber. Der Staat wiederum war bemüht, den Schein der Religionsfreiheit zu wahren und ermöglichte die Teilnahme kirchlicher Vertreter an internationalen Konferenzen und Dialogen wie auch die Wiedereinführung des Patriarchats, was ohne Beratung mit dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel geschah und somit zu einem Konflikt führte, der erst im Jahr 1961 wieder beigelegt werden konnte. Bischöfe und Priester nahmen an staatlichen Veranstaltungen teil und Vertreter der kommunistischen Partei betonten bei offiziellen Anlässen, dass die Orthodoxie einen großen Beitrag für die kulturelle Entwicklung des Landes geleistet habe.

4. Neue Situation nach 1989 Die Änderungen in der staatlichen Kirchenpolitik erfolgten in Bulgarien nicht schlagartig, sondern vollzogen sich in kleinen Schritten. Im Mai 1989 wurde ein „Unabhängiges Komitee zur Verteidigung der religiösen Rechte, der Gewissensfreiheit und der geistigen Werte“ gegründet, das unter anderem die Nichteinmischung des Staates in religiöse Belange und ein Ende der Diskriminierung von Gläubigen forderte. Das Patriarchat und die bulgarischen Bischöfe wandten sich jedoch ausdrücklich gegen dieses Komitee. Allerdings richtete im Dezember 1989 der Heilige Synod 28 Forderungen an den Vorsitzenden der bulgarischen Nationalversammlung, die denen des Komitees in vielem ähnelten und auch die Rückerstattung staatlich enteigneter Kirchengebäude beinhalteten. Im Januar 1990 wurde die Freiheit in der Wahl und beim Vollzug eines religiösen Bekenntnisses in der Verfassung festgeschrieben; das alte Religionsgesetz blieb bis 2003 bestehen, wobei die der Verfassung widersprechenden Bestimmungen seit dem Jahr 1992 keine Anwendung mehr fanden. In der neuen Verfassung von 1991 wurde die Orthodoxe Kirche als traditionelle Religionsgemeinschaft in Bulgarien bezeichnet. Auch im neuen Religionsgesetz von 2003 wird die Rolle besonders betont, die die Bulgarische Orthodoxe Kirche bei der Herausbildung der bulgarischen Kultur gespielt hat. Ferner wurde verfügt, dass Religionsgemeinschaften soziale sowie erzieherische Aktivitäten entfalten können und alle Religionsgemeinschaften außer der Bulgarischen Orthodoxen Kirche unter Patriarch Maksim einer Registrierungspflicht unterliegen. Gegen die Bestimmungen über die Registrierung haben die Vertreter der anderen christlichen und islamischen Religionsgemeinschaften protestiert, weil sie darin eine Bevorzugung der Bulgarischen Orthodoxen Kirche erblicken. Die Geistliche Akademie wurde im Jahr 1991 wieder in die Theologische Fakultät der Universität „Heiliger Kliment von Ochrid“ zurückverwandelt. Es wurde auch eine weitere Theologische Fakultät in Tarnovo eingerichtet. Außerdem ist eine theologische Ausbildung in Blagoevgrad und in Schumen möglich; ein Priesterseminar gibt es neben Sofia auch in Plovdiv. Lange wurde über die Einführung von Religionsun65

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terricht in den staatlichen Schulen diskutiert, wobei auch die Frage im Raum stand, wie dieser Unterricht gestaltet werden sollte. Die Positionen reichen dabei von der Befürwortung eines Unterrichts, der die Verbreitung des orthodoxen Glaubens als Teil der nationalen Erziehung zum Ziel haben sollte, bis hin zu der Meinung, dass es sich um einen allgemein religionskundlichen Unterricht handeln sollte. Seit dem Jahr 1997/98 ist es möglich, dass Religion als Wahlfach an öffentlichen Schulen angeboten wird. Jedoch nimmt nur eine kleine Minderheit von Schülerinnen und Schülern am Religionsunterricht teil. Die Kirche plädiert für einen verpflichtenden konfessionellen Religionsunterricht, ohne diesen jedoch aus ihren eigenen Mitteln finanzieren zu können. Ein anderes Problem stellt die Anstellung geeigneter Religionslehrerinnen und -lehrer dar. Zwar gibt es viele an den theologischen Fakultäten ausgebildete orthodoxe Lehrerinnen; das Finanzierungsproblem führt jedoch dazu, dass meist auf ältere Lehrerinnen und Lehrer zurückgegriffen wird, die durch Fortbildungen auf die Erteilung von Religionsunterricht vorbereitet werden sollen. Nicht selten handelt es sich dabei um Lehrkräfte, die zu kommunistischen Zeiten weltanschaulichen Unterricht durchgeführt haben und denen man nun ein neues Betätigungsfeld zuweisen muss. Unzufrieden mit der Situation des staatlichen schulischen Religionsunterrichts, haben orthodoxe Priester und Theologen seit dem Jahr 1999 die Gründung von Sonntagsschulen in den Gemeinden angeregt. Die dort erteilte Katechese soll in den Kindern den Glauben wecken oder stärken und ihnen zudem ein christliches moralisches Wertefundament vermitteln, das ihnen Lebensorientierung bietet. Ein weiteres, noch unerledigtes Problem stellt die Rückgabe von Kircheneigentum dar, das in kommunistischer Zeit verstaatlicht worden war. Zusammen mit Mängeln bei der Verwaltung und Bewirtschaftung des Kirchenbesitzes ist das ein Grund dafür, dass sich die finanzielle Situation der Bulgarischen Orthodoxen Kirche schwierig darstellt. Die finanziellen Probleme führen dazu, dass in vielen Fällen Priester, die ohnehin oftmals sehr schlecht bezahlt werden, keine regelmäßigen Gehaltszahlungen bekommen und auf Nebenerwerbstätigkeiten angewiesen sind. Zurzeit werden die Priestergehälter vom jeweiligen Bistum bezahlt, wenn es auch Überlegungen gibt, dass – dort, wo die orthodoxen Bistümer finanzielle Schwierigkeiten haben – die jeweiligen Kirchengemeinden zur Finanzierung ihrer Priester verpflichtet werden sollen. Nach dem Wandel im Jahr 1989 ergaben sich für die Kirche auch neue Möglichkeiten eines gesellschaftlichen und sozialen Engagements. Es wird vor allem durch von Laien gegründete Organisationen wie Bruderschaften oder auch die Pokrov Stiftung betrieben, die sich sowohl für die bessere Bildung der bulgarischen orthodoxen Priester und Laien, für die Verlagsarbeit wie auch für zahlreiche soziale Projekte engagiert. Aber auch vielen Priestern ist es gelungen, in Eigenregie eine Gemeindearbeit aufzubauen, die soziales Engagement wie die Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge oder die Jugendarbeit umfasst. Diese Aktivitäten sind jedoch nicht kirchlich institutionalisiert, sondern beruhen eher auf dem Engagement der einzelnen Gläubigen und Kleriker. In Bulgarien ist nach dem Ende des Kommunismus eine weniger starke religiöse Renaissance als in anderen orthodoxen Ländern wie Russland, Rumänien oder Serbien zu beobachten. Zwar bezeichnen sich in repräsentativen Umfragen rund 82 % der 66

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Bulgaren als orthodox, doch besuchen die meisten die Kirche lediglich im Zusammenhang mit feierlichen Anlässen wie einer Taufe, einer Hochzeit oder hohen Festtagen, ohne der Religion für das persönliche oder gesellschaftliche Leben eine größere Bedeutung beizumessen. Viele von ihnen sind weder getauft noch gläubig, sondern identifizieren sich lediglich mit der Orthodoxie, weil diese einen Teil ihrer nationalen und kulturellen Identität als Bulgaren ausmacht. Einige der Orthodoxie verbundene Intellektuelle versuchen, diese Verbindung zwischen Nation und Orthodoxie stark zu betonen, um so eine identitätsstiftende Basis für die bulgarische Gesellschaft nach dem Zusammenbruch des Kommunismus zu schaffen. Politisch wurde diese Idee etwa von der national orientierten Bewegung um den früheren bulgarischen König und späteren Ministerpräsidenten Simeon Sakskoburggotski aufgenommen. Die geringere Bedeutung der Religiosität geht auch einher mit einer, verglichen mit den Nachbarländern Serbien, Rumänien und Griechenland, kleinen Zahl von Berufungen für das Mönchsleben. Die Gesamtzahl der Mönche und Nonnen beläuft sich in der Kirche auf etwa 200. Das erschwert auch die Rekrutierung kirchlicher Führungspersönlichkeiten, da ja orthodoxe Bischöfe aus dem Mönchtum hervorgehen müssen.

5. Die Kirchenspaltung Die veränderte Situation nach 1989 hat die Bulgarische Orthodoxe Kirche auch vor die schwierige Aufgabe der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit in der kommunistischen Zeit gestellt. Im Jahr 1992 wurde Patriarch Maksim von einer Gruppe von Bischöfen und Theologen der Kollaboration mit der Kommunistischen Partei Bulgariens beschuldigt. Da sie die Wahl Maksims aus dem Jahr 1971 nicht länger als kanonisch anerkannten, weil aufgrund der politischen Situation keine Gemeindeund Diözesanwahlen hatten stattfinden können, akzeptierten sie ihn nicht länger als Patriarchen, sondern ließen bei der Direktion für die Glaubensbekenntnisse einen neuen, alternativen Synod registrieren. Die antikommunistische Regierungspartei „Union der Demokratischen Kräfte“ unterstützte die Gegner von Patriarch Maksim. Am 31. Mai 1992 wurden die Kirchengebäude gewaltsam an diesen neuen Synod übergeben. Er hatte somit Zugriff auf wichtige Teile des Kirchenbesitzes, so auf Gebäude im Stadtzentrum von Sofia, und zeitweilig auch auf die kircheneigene Kerzengießerei, die eine bedeutende Einnahmequelle darstellte. Dieser finanzielle Aspekt verschärfte den Konflikt zwischen den beiden Parteien innerhalb der bulgarischen Kirche zusätzlich. Im Januar 1996 versammelten sich die Anhänger des alternativen Synods zu einem eigenen Kirchenvolkskonzil und wählten den Metropoliten von Nevrokop, Pimen, zum neuen Patriarchen der Bulgarischen Orthodoxen Kirche. Die Gemeindepriester, die sich geistlich weiter als Teil der einen Kirche ansahen, konnten sich nun aussuchen, wessen Jurisdiktion sie sich unterstellten. Dabei spielten häufig auch auch praktische Aspekte eine Rolle, wie etwa die Frage von regelmäßigen Gehaltszahlungen. 67

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Diese Situation, in der es zwei parallele Kirchenstrukturen gibt, war auch für die Gesamtorthodoxie unbefriedigend, und so unternahmen der Ökumenische Patriarch Bartholomaios wie auch der damalige Moskauer Patriarch Aleksij II. Versuche, eine Versöhnung zwischen beiden Gruppierungen herbeizuführen, was durch eine Art Panorthodoxes Konzil in Sofia (30.9–1.10.1998) bewirkt werden sollte. Zwar baten die Bischöfe und Priester, die sich dem alternativen Synod angeschlossen hatten, öffentlich um Vergebung und unterstellten sich Patriarch Maksim, doch hielt die Versöhnung nicht lange an, da sich bereits wenige Tage später ungefähr zwanzig Geistliche von ihrer Buße lossagten. Nach dem Tod von Pimen im Jahr 1999 wurde Bischof Inokentij zur neuen Hauptfigur im alternativen Synod, ohne sich allerdings als Patriarch zu bezeichnen. 2001 gewann Simeon Sakskoburggotski, der als Kind zwischen 1943 und 1946 König gewesen war, die Parlamentswahl und wurde so neuer Ministerpräsident. Er stellte sich von Anfang an entschieden auf die Seite von Patriarch Maksim. Das neue Religionsgesetz, das 2003 in Kraft trat, legte fest, dass die einzige Religionsgemeinschaft, die sich nicht offiziell registrieren muss, die Bulgarische Orthodoxe Kirche unter Patriarch Maksim ist und das unter diesem Namen keine zweite Kirche registriert werden kann. Es wurde somit beschlossen, dass der alternative Synode auch nicht über Kircheneigentum der Bulgarischen Orthodoxen Kirche verfügen darf. Orthodoxe Kirchen, die nicht vom Patriarchat unter Maksim genutzt werden, sind folglich in illegalem Gebrauch. Auf dieser Rechtsgrundlage fand 2004 ein Polizeieinsatz statt, bei dem Kirchen und Klöster, die von den Anhängern des alternativen Synods übernommen worden waren, geräumt und an die Bulgarische Orthodoxe Kirche unter Maksim übergeben wurden. Auch wenn so der alternative Synod einen entscheidenden Rückschlag erleiden musste und massiv an Bedeutung verlor, war damit weder die Frage nach der Rolle der Kirche im kommunistischen Staat und ihrer Verstrickung in das damalige Regime geklärt noch das Ansehen der Kirche wiederhergestellt, welches durch die Spaltung gelitten hatte. Auch auf rechtlicher Ebene ging der Streit weiter. Die Anhänger des alternativen Synods klagten vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg gegen den Staat Bulgarien, weil sie in der staatlichen Einmischung einen Angriff auf die Religionsfreiheit sahen, die in den Europäischen Verträgen festgeschrieben sei. Im Jahr 2009 entschied der Europäische Gerichtshof der Menschenrechte in Straßburg, dass das bulgarische Religionsgesetz aus dem Jahr 2002 gegen das Prinzip der religiösen Neutralität des Staates verstoße. Die Enteignung der Gotteshäuser des alternativen Synods widerspreche daher dem in den Europäischen Verträgen verankerten Prinzip der Religionsfreiheit. Auf die Schadensersatzforderungen, die vom alternativen Synod gegen Patriarch Maksim ebenfalls erhoben worden waren, ging das Gericht jedoch nicht ein. Dieses Urteil stieß in vielen orthodoxen Kreisen auf Unverständnis. Dem Gerichtshof wurde vorgeworfen, sich unberechtigt in die inneren Angelegenheiten Bulgariens und seiner Kirche eingemischt zu haben, ohne Berücksichtigung der besonderen kulturellen und religiösen Gegebenheiten. Auch die Bulgarische Orthodoxe Kirche brachte ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass hier ein internationales Gericht in Fragen entscheide, die ihre kanonische Verfassung und Einheit beträfen. Das Land Bulgarien reichte Revision gegen das Urteil ein, die jedoch abgewiesen wurde. 68

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6. Ökumene und Interreligiöser Dialog In mittelalterlicher Zeit wurde die auf bulgarischem Herrschaftsgebiet lebende jüdische und armenische Minderheit weitgehend tolerant behandelt. Seit Beginn der Osmanischen Herrschaft konvertierten immer wieder Christinnen und Christen zum Islam, auch weil eine solche Konversion den Aufstieg in höhere Positionen ermöglichen und Steuererleichterungen bewirken konnte. Neben diesen bulgarischstämmigen Muslimen, die als Pomaken bezeichnet werden, gibt es in Bulgarien auch Türkinnen und Türken, Tatarinnen und Tataren sowie Roma, die muslimischen Glaubens sind. Während der kommunistischen Zeit hatten besonders die Muslime türkischer Herkunft unter staatlichen Repressionen zu leiden; so wurden sie etwa gezwungen, statt ihrer muslimischen neue, bulgarisch-slavische Namen anzunehmen. Gegenwärtig gibt es an einigen Stellen Kontakt und auch Zusammenarbeit – so beteiligen sich Muslime durch Geldspenden oder Mitarbeit an der Errichtung neuer Kirchen. Das mag auch darin begründet sein, dass es gerade in der religiösen Praxis Gemeinsamkeiten gibt. So haben Christen und Muslime gemeinsame Wahlfahrtsstätten und es gibt Heilige, die unter verschiedenen Namen von Muslimen wie Christen verehrt werden. In interreligiöser Hinsicht erscheint auch die Rettung der bulgarischen Juden während des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) als ein wichtiges Erinnerungsmoment, um die religiöse Toleranz der bulgarischen orthodoxen Kirche herauszustellen. Dennoch muss man feststellen, dass es, wie in anderen Ländern, auch in Bulgarien einen Antisemitismus gegeben hat, der sich teilweise aus einem kirchlichen Antijudaismus speiste. Während des Zweiten Weltkriegs wurden Jüdinnen und Juden durch ein im Jahr 1941 von der pro-deutschen Regierung erlassenes „Gesetz zum Schutz der Nation“ zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse herabgestuft und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Die Deportation in Vernichtungslager konnte jedoch verhindert werden. Unter den christlichen Religionsgemeinschaften stellen nach der Orthodoxie die Katholikinnen und Katholiken die größte Gruppe dar. Sie sind gesellschaftlich integriert und akzeptiert. Das Verhältnis zur Bulgarischen Orthodoxen Kirche ist jedoch nicht ganz frei von Spannungen, was etwa in der ablehnenden Haltung des Synods im Vorfeld des Papstbesuchs im Jahr 2002 zum Ausdruck kam. Ferner sind viele kleinere evangelikale Kirchen in Bulgarien aktiv. Wie in anderen Ländern, engagieren sie sich besonders stark im caritativen Bereich. Dennoch begegnen ihnen weite Kreise der bulgarischen Gesellschaft mit Misstrauen. Dies hatte auch zufolge, dass einige dieser Kirchen Probleme bei der nach dem Religionsgesetz von 2002 notwendig gewordenen Registrierung durch staatliche Stellen hatten. Mit dem Theologieprofessor Stefan Cankov hatte die Bulgarische Orthodoxe Kirche einen international bekannten Vertreter, der sich zwischen den Jahren 1920 und 1945 stark im ökumenischen Dialog engagierte. Seit 1930 gehörte er den Leitungsgremien des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen an. 1961 wirkte er am Eintritt der bulgarischen Kirche in den Ökumenischen Rat der Kirche mit. 69

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Im Jahr 1978 kam es im Rahmen der „Herrnhut-Gespräche“ zu einem offiziellen theologischen Dialog der bulgarischen Kirche mit dem Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR, dem einzigen zwischenkirchlichen Dialog, den die Bulgarische Orthodoxe Kirche bislang führte. Zwischen 1978 und 1986 fanden vier solche Gespräche statt, ein fünftes erfolgte 1992 mit der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gegenwärtig stellt vor allem das Verhältnis zu den oft als „Sekten“ bezeichneten evangelikalen Gemeinschaften ein Problem für die Ökumene dar. Die Kritik an der Registrierung dieser Religionsgemeinschaften und der Vorwurf, dass sie eine aggressiv gegen die orthodoxe Kirche ausgerichtete Mission betrieben, haben mit dazu beigetragen, dass diese im April 1998 aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen ausgetreten ist. Als weiteren Grund für den Austritt nannte die bulgarische Kirche die mangelnden Fortschritte im multilateralen Dialog. Trotz des Austritts bestehen jedoch weiterhin ökumenische Kontakte. Auch hat eine bulgarische Delegation an der Generalversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 2006 in Porto Alegre teilgenommen. Insgesamt sind das ökumenische und interreligiöse Verhältnis jedoch als ambivalent zu bezeichnen. Auf der einen Seite gibt es positive Zusammenarbeit und Toleranz. Daneben stößt man aber auch auf religiösen und konfessionellen Fundamentalismus. Wichtige Hindernisse im innerbulgarischen Dialog stellen auch die Ungleichheit im Hinblick auf Gläubigenzahlen und damit auch auf gesellschaftlichen Einfluss dar, sowie die enge Verbindung zwischen Orthodoxie und bulgarischer Nation. Ein weiteres Problem ist das geringe religiöse Wissen, sowohl im Hinblick auf die Praxis und Lehre anderer Religionsgemeinschaften wie auch im Hinblick auf die eigene Tradition.

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Die Georgische Orthodoxe Kirche Michael Kohlbacher

1. Anfänge zwischen den Weltreichen der Römer und Perser Georgien ist ein von Gebirgszügen geprägtes Land zwischen dem großem und dem kleinen Kaukasus; es wird durch das Surami-Gebirge in zwei unterschiedliche Landesteile unterteilt. Westgeorgien hat ein feucht-warmes Klima, das für die Landwirtschaft sehr günstig ist, und wird vom Fluss Rioni, der ins Schwarze Meer mündet, durchzogen. Seit alters her ist diese Region (griechisch: Kolchis; später Lazike) durch Handel mit der griechischen Kultur eng verbunden. Ostgeorgien (Kartli und Kacheti; griechisch: Iberia) ist durch hohe Gebirgszüge zerklüftet und durch ein trockenes Klima geprägt; der Fluss Kura/Mtqvari und seine Zuläufe gliedern die Landschaft. In der Spätantike wurde Ostgeorgien von Armenien und Syrien kulturell beeinflusst und zeitweise auch von den persischen Sasaniden und ihren Großkönigen im Zweistromland beherrscht. Die Anfänge des Christentums in Georgien liegen im Dunkeln. Die westgeorgische Küstenregion hatte bereits im frühen 4. Jh. mehrere griechische Bistümer (Pityus, Phasis). Ostgeorgien wurde wohl um das Jahr 330 herum christlich; der älteste Bericht über die Mission durch eine Kriegsgefangene findet sich in der lateinischen Kirchengeschichte des Rufinus (hist. eccl. X, 11; um 400 nach griechischen Quellen in Palästina verfasst). Spätere georgische Traditionen nennen sie Nino; als Verwandte des Erzbischofs von Jerusalem sei sie von diesem entsandt worden. Im Mittelalter wird diese Gründungslegende mittels einer Missionierung durch die Apostel Andreas an der Schwarzmeerküste und Simon dem Kananäer überboten. Georgische Bischöfe nahmen im Jahr 419 an der Synode des Sasanidenreiches in Seleukeia-Ktesiphon teil. Auf dem Konzil der römischen Reichskirche in Ephesos im Jahr 431 fand sich Jeremias, Bischof der Iberer, ein. Als Staatsgeisel kam das Königskind Nabarnugi nach Konstantinopel und wurde dort als Patenkind des Kaiserpaares aufgezogen. Im Jahr 436 reiste er mit einem Begleiter nach Palästina und nahm den Mönchsnamen Petros an († 491). Als Asket in Jerusalem und in der Gazaregion bekannt („der Iberer“), wurde der Georgier im Jahr 451 zum anti-chalcedonensischen Bischof von Maiuma bei Gaza geweiht und weihte seinerseits im ägyptischen Exil 456 Timotheos Ailuros zum alexandrinischen Patriarchen. Sein Kloster bei Gaza wurde zu einem Zentrum der anti-chalcedonensischen Mönchsopposition Palästinas und prägte auch Severos (ca. 465–538), der von 512–518 der anti-chalcedonensische Patriarch von Antiocheia war, und Johannes Rufus, der ihm als Bischof nachfolgte. Zahlreiche Georgier kamen als Pilger nach Palästina; mehrere georgische Klöster sind belegt und teilweise auch archäologisch dokumentiert. Daraus ergab sich eine starke kirchliche Anlehnung der georgischen Tradition an die Jerusalemer Bräuche. 71

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Liturgische Bücher und asketische Schriften wurden in das Altgeorgische übersetzt. In den Handschriftensammlungen des Sabas-Klosters, auf dem Sinai und im Heilig Kreuz-Kloster, haben sich zahlreiche alte georgische Handschriften (10.–12. Jh.; Inschriften und Palimpseste noch älter) erhalten. So bewahren georgische Handschriften liturgische Texte, deren griechische Originale im Rahmen einer späteren „Erneuerung“ nach konstantinopolitanischem Vorbild in der griechischen Kirche Palästinas im 11. Jh. obsolet wurden. Sie besitzen daher eine hohe historische Bedeutung. Ebenso eng waren die Beziehungen zu den benachbarten Armeniern. Auf den Schöpfer des armenischen Alphabetes Mesrop/Maschtotz wird auch das ähnliche altgeorgische Alphabet zurückgeführt; jedenfalls kam es noch im 5. Jh. zu einer georgischen Bibelübersetzung. Die erste erhaltene Erzählung von einem Martyrium galt der nach Georgien verheirateten armenischen Prinzessin Schuschanik († ca. 480). Fürst Vachtang Gorgasal († 502) kämpfte zusammen mit den armenischen Fürsten gegen die Versuche der Sasaniden, die armenischen Christen zum Übertritt zum persischen Zoroastrismus zu zwingen, und starb dabei als Märtyrer. An der armenischen Synode in Dwin (506) nahmen 24 georgische Bischöfe mit Katholikos Gabriel teil; nicht aber an der Synode in 555. Im sechsten Jahrhundert begründeten die „13 syrischen Väter“ das ostgeorgische Mönchtum und legten dabei den Grundstein für mehrere Klöster (Garedscha; Schio-Mgvime). Nach einem heftigen Streit zwischen dem armenischen Katholikos Abraham I. (607–615) und dem georgischen Katholikos Kyrion I. (595–610), der in der armenischen Dokumentensammlung „Buch der Briefe“ erhalten ist, kam es 608 zur dauerhaften Trennung zwischen den benachbarten Kirchen. Die Georgier lehnten sich seitdem nicht nur politisch, sondern auch kirchlich und theologisch eng an das christliche Kaiserreich von Konstantinopel an. Sie gehören daher heute der Familie der pro-chalcedonensischen orthodoxen Kirchen an.

2. Das arabische Emirat Tbilisi Im zweiten Drittel des 7. Jh. breiteten sich die islamischen Araber über den gesamten Orient aus und veränderten die politische Lage grundlegend. Mehrere georgische Fürstentümer existierten unabhängig oder als Untergebene des Emirats von Tbilisi (645–1021). Die neuen Herrscher unterstützten einen Übertritt zum Islam. Phasen des Zusammenlebens wechselten mit Zeiten der Verfolgung und Zerstörung christlicher Einrichtungen. Das Mönchtum übernahm die Bewahrung der christlichen Tradition, die geistliche Betreuung und kirchliche Bildung. Neu errichtete und ausgebaute Klosterschulen bewahrten mit einer eigenen Liturgie die georgische Sprache und Literatur; so beförderten sie den Erhalt der nationalen Identität der Georgier. Im Südwesten begann die Familie der Bagratiden eine politische und kulturelle Expansion. Zahlreiche Klöster wurden zwischen 750 und 1000 – zunächst im Südwesten – gegründet und zu kulturellen Zentren ausgebaut. Aschot I. wurde im Jahr 813 72

Übersicht zur Kirchengeschichte Georgiens

vom Kalifen zum ‚Fürsten von Kartli‘ ernannt und Adarnase erhielt im Jahr 888 den Königstitel verliehen. In Ostgeorgien ging von den Aktivitäten des Mönches Georg von Chandzta († 861) eine Erneuerungsbewegung aus; seine Lebensbeschreibung (Mitte 10. Jh.) ist ein wichtiges Dokument des Neuanfanges dieser Epoche. Diese kulturellen Ausstrahlungen bereiteten auch einer politischen Zusammenführung der östlichen Landesteile unter einem georgischen Herrscher den Weg. Auf dem Heiligen Berg der griechischen Mönche wurde im Jahr 980 auch ein georgisches Kloster gegründet (Iwiron = Kloster der Georgier). Die beiden Vorsteher Euthymios († 1028, von 1002–1016 Hegumen) und Georg († 1065, seit ca. 1044 Hegumen) waren zudem als Übersetzer und Schriftsteller aktiv; als geistliche Ratgeber wirkten sie vom Berg Athos aus bis nach Ostgeorgien. Mit ihren sich getreu an aktuellen griechischen Schriften orientierenden Übersetzungen begründeten sie eine neue Phase der georgischen Literaturgeschichte. Dieser neue Abschnitt bedeutete zugleich eine starke theologische und liturgische Ausrichtung am Vorbild der orthodoxen Kirche von Konstantinopel und drängte den Jerusalemer Einfluss zurück.

3. Das goldene Zeitalter in einem geeinten georgischen Königreich (11.–13. Jh.) Bagrat III. konnte im Jahr 1008 die meisten georgischen Gebiete vereinen und residierte in Kutaisi. Die kulturelle Blütezeit erlebte Georgien unter David (1089–1125) „dem Erbauer“, Demetrios I. (1125–1156), Georg III. (1156–1184) und Königin Tamara (1184–1213), einer Epoche großer politischer Stabilität. Unter Katholikos Melchisedek wurde die Kathedrale der Stadt ausgebaut; die Bauinschrift (1020) ist der früheste Beleg für den Titel Katholikos-Patriarch. Eine Synode in der Stadt Ruis-Urbnisi im Jahr 1103 legte eine Neuorganisation der etwa 30 Bistümer fest und übernahm den byzantinischen Nomokanon als Grundlage des georgischen Kirchenrechtes. In Jerusalem wurde das Heilig Kreuz-Kloster zum Zentrum für die georgischen Christen im Heiligen Land ausgebaut. Rund um die Stadt Antiocheia in Syrien blühten zahlreiche georgische Klöster, wo bedeutende Übersetzer in das Georgische wie Georg und Ephrem (ca. 1060–1100 als Mönch) arbeiteten. Für die Georgier im Westen des (ost-) römischen Reiches erbaute der Großdomestikos Grigor Pakurianos 1083–1084 ein georgisches Kloster in Bulgarien (Petric‘oni; heute: Batschkovo). Nach dem Studium von Theologie und Philosophie Mitte des 11. Jh. in Konstantinopel, u.a. bei Johannes Italos und Michael Psellos, begann Johannes Petric‘i, anspruchsvolle theologische und philosophische Werke in das Georgische zu übersetzen; er schuf dabei erstmals eine philosophische Fachterminologie in Georgisch und wurde so für Jahrhunderte prägend. Er kehrte nach 1076 zurück nach Georgien, ging wegen Anfeindungen ins Kloster Petric’oni und lebte schließlich bis zum Tode (ca. 1125) 73

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in Gelat’i. Arsen war zunächst bei Antiocheia Schüler Ephrems, studierte dann im Mangana-Kloster in Konstantinopel und kehrte als geachteter Gelehrter nach Georgien zurück; dort gründete er die berühmte theologische Hochschule in Gelat’i (1105) und später eine weitere in Iqalt’o, das ganz im Osten liegt.

4. Spielball der Mongolen, Türken und Perser Die Georgier gerieten erneut in den Grenzbereich von zwei um ihren Einfluss kämpfenden Großmächten. Nach den schweren Zerstörungen durch die Mongolen im zweiten Drittel des dreizehnten Jahrhunderts und durch Tamerlan (Timur Lenk) im Jahr 1403 kämpften die osmanischen und persischen Herrscher um die Vorherrschaft in der Region. Georgien zerfiel erneut in verschiedene Vasallenfürstentümer und wurde von zahlreichen Raubzügen der kriegführenden Truppen zerstört. Besonders die im Kriegsdienst stehenden georgischen Adeligen erklärten häufiger ihren Übertritt zum Islam, um Zweifel an ihrer Loyalität zu zerstreuen. Kirchen wurden zerstört, Klöster verlassen, das kulturelle Erbe konnte nicht mehr gepflegt werden. In Westgeorgien entstand ein zweites Katholikat in Bicvinta (13. Jh. bis 1814, seit ca. 1660 in Kutaisi). Durch die katholischen Missionare (Franziskaner, Dominikaner, Kapuziner) im Orient und die zahlreichen Gesandtschaften nahm auch die europäische christliche Öffentlichkeit immer wieder am Schicksal der orientalischen Christenheit Anteil. In dem Jahr 1522–1553 wurde Tbilisi von Ismail, dem Gründer der muslimischen Safaviden-Dynastie, besetzt; zahlreiche Kirchengebäude wurden entweiht und eine Moschee errichtet. 1578 eroberten die Osmanen Zentralgeorgien und wandelten weitere Kirchenbauten in Moscheen um. Unter Schah Abbas I. hatten die Georgier erneut schwer zu leiden, zumal viele die Aufforderung zur Konversion zum Islam missachteten. Die Königin K’etevan wurde nach zahlreichen Folterungen im Jahr 1624 in Schiraz öffentlich hingerichtet. Andreas Gryphius hat ihr mit dem Drama „Katharina von Georgien“ (1653; 1664 publiziert) ein literarisches Denkmal gesetzt. Im 18. Jh stabilisierten sich die politischen und ökonomischen Verhältnisse in Georgien. Herakle II. (1744–1798) konnte im Jahr 1762 Kacheti mit Kartli vereinen. Im dem vereinten Königreich setzte eine kulturelle Blüte ein, das „Silberne Zeitalter“. Von seinen Taten hatte auch G. E. Lessing Kunde (in ‚Minna von Barnhelm‘ lobend erwähnt). Damals begann der Druck von Büchern in Georgisch, zunächst in Russland, später auch in Georgien selbst (Bibeln, Liturgisches). Herakle II. schloss im Jahr 1783 ein Beistandsbündnis mit der russischen Zarin Katharina II. Der Katholikos Anton I. Batonischvili (1744–55 und 1763 –88) weilte vorübergehend in Moskau im Exil und wurde Mitglied im Geistlichen Rat der Moskauer Kirche. Er bemühte sich um eine Erneuerung der geistlichen georgischen Literatur. Dennoch unterblieb die russische Unterstützung, als im Jahr 1795 erneut eine persische Besetzung von Tbilisi erfolgte. Im Südwesten setzte eine weitgehende Islamisierung der Bevölkerung ein. 74

Übersicht zur Kirchengeschichte Georgiens

5. Teil des Zarenreiches Die Annäherung an das russische Zarenreich als neuer politischer Großmacht im kaukasischen Raum hatte für die Georgier unerwünschte Konsequenzen; denn der russische Zar Alexander I. (1801–1825) annektierte nach dem Tode von König Georg XII. im Jahr 1801 Ostgeorgien und im Jahr 1810 auch Westgeorgien unter Berufung auf den Beistandsvertrag. Der georgische Katholikos wurde zur Abdankung gezwungen und durch einen Exarchen der orthodoxen Moskauer Kirche ersetzt. Von da an wurden nur noch Russen zu Bischöfen in Georgien eingesetzt. Die georgische Liturgiesprache wurde durch das Russische ersetzt. Georgische Mönche wurden gelegentlich zu Priestern und Bischöfen russisch-orthodoxer Bistümer geweiht. Versuche der Georgier zur Wiedererlangung der kirchlichen Selbstständigkeit wurden abgewiesen. Wertvolle Teile der Kirchenschätze (Ikonen, gottesdienstliche Geräte aus Gold und Silber, alte Handschriften) gelangten nach Russland oder verschwanden einfach. Ein Teil der Bevölkerung mied die russisch-sprachigen Gottesdienste und wurde entkirchlicht. In abgelegenen Regionen wurde das Georgische hingegen aufrecht erhalten. Gegen die Übermacht aus Moskau entstand eine tiefe Abneigung. In dieser Zeit studierte auch ein gewisser Soso Dschugaschvili im Theologischen Seminar in Tbilisi; er wurde später als Josif Vissarionovitsch Stalin bekannt.

6. Auf dem Weg in die Moderne Georgier beteiligten sich an den Protesten des Jahres 1905, es folgten Strafaktionen durch zaristische Kosaken. Parallel zu der kirchlichen Reorganisation auf dem großen Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche erklärte sich die georgische Kirche am 21. März des Jahres 1917 für unabhängig und errichtete die Autokephalie neu. Ein eigener Katholikos wurde gewählt: Kyrion II. Doch die Russische Orthodoxe Kirche erkannte diesen Akt nicht an. Georgien erklärte daher am 26. Mai 1918 die Unabhängigkeit, wurde aber 1921 durch die Rote Armee besetzt und zu einem Teil der ‚Transkaukasischen Sozialistischen Sowjetrepublik‘ (1922–1937) erklärt; seit dem Jahr 1937 bestand die Georgische Sozialistische Sowjetrepublik. Es folgte eine schwere Verfolgung aller Christen mit der Zerstörung vieler Kirchen und Klöster. Erst 1943 akzeptierte das Moskauer Patriarchat die Autokephalie der Georgischen Orthodoxen Kirche. Seit Anfang der 1960er Jahre bemühten sich kirchliche Gelehrte um eine Übersetzung der Schriften des Neuen Testamentes ins Neugeorgische. Nach dem Moskauer Patriarchat trat auch die Georgische Orthodoxe Kirche im Jahr 1962 dem Ökumenischen Rat der Kirchen bei. Innerhalb der Sowjetunion wurde nach und nach mehr kirchliches Leben möglich. Katholikos Ilya I. (seit 1977) war 75

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ökumenisch sehr aktiv und zeitweise im Präsidium des Ökumenischen Rats der Kirchen (1979–1983). Erst am 23 Januar.1990 erkannte auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel die georgische Autokephalie als kanonisch an. Mit der Auflösung der UdSSR wurde Georgien am 9. April 1991 zu einem selbständigen Staat. Die staatliche Neuorganisation in Freiheit förderte den Wiederaufbau und Ausbau der Kirchen und Klöster, forderte zugleich aber auch verstärkten diakonischen Einsatz bei geringen finanziellen Mitteln. Starke antiökumenische Kräfte, besonders in konservativen und altkalendarischen Mönchskreisen am Berg Athos und in Russland, gewannen auch in Georgien erheblichen Einfluss in den Klöstern. Um eine innere Spaltung zu vermeiden, trat die georgische Kirche, wie auch die Bulgarische Orthodoxe Kirche, im Jahr 1997 aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen aus. Im Jahr 1999 ließ auch das Moskauer Patriarchat seine Mitgliedschaft im Ökumenischen Rat der Kirchen ruhen. Der Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Georgischen Republik wurde zu einer weiteren schweren Belastung. Unter den angespannten ökonomischen Bedingungen leidet die Georgische Orthodoxe Kirche.

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Die Kirche von Hellas Dimitrios Moschos

1. Die Phase der Emanzipation (1821–1850) Die Kirche von Hellas (Ekklêsia tês Hellados) ist aus der Verselbstständigung eines Teiles der griechischsprachigen Bevölkerung auf dem Südbalkan entstanden, die nach dem Befreiungskampf der Griechen gegen das Osmanische Reich im Jahr 1821 stattfand. Bis zu diesem Jahr gehörten alle im Osmanischen Reich lebenden Orthodoxen geistlich dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel an. Der Beitrag der Orthodoxie zum Gestaltungsprozess des griechischen nationalen Bewusstseins und die Entstehung eines autoritären Staates unter den europäischen Großmächten prädestinierte die Entwicklung des kirchlichen Lebens innerhalb eines Staatskirchentums, das die Stellung der Kirche von Griechenland gegenüber den konkurrierenden Religionen zwar rechtlich absicherte, andererseits aber eine enge Kontrolle über sie ausübte. Nach dem Jahr 1821 zerbrach die Einheit mit dem Ökumenischen Patriarchat. Die neugebildete Nationalversammlung beauftragte den Bischof von Androussa, Ioseph, der von ihr auch zum Minister für Religionsangelegenheiten ernannt wurde, Probleme kirchlicher Verwaltung mit dem aus fünf Mitgliedern bestehenden Kirchenrat zu lösen (1831). Zu dieser Zeit polemisierten die Verfechter der kirchlichen Unabhängigkeit, die für eine friedliche Kooperation mit der neu gegründeten Monarchie des von den europäischen Großmächten eingesetzten minderjährigen Wittelsbacher Königs Otto und vor allem mit der für die kirchlichen Angelegenheiten zuständigen Regentschaft optierten, gegen diejenigen Gegner der Autokephalie, die für eine kirchenpolitische Front mit den orthodoxen Großmächten plädierten und den westlichen Einfluss verurteilten. Während zu den Ersten der Archimandrit Theoklêtos Pharmakidês (1784–1860) zählte, gehörte zu den anderen Konstantinos Oikonomos (1780–1857), einer der bedeutendsten Theologen jener Zeit, Traditionalist und Verfechter der jurisdiktionellen Abhängigkeit von Konstantinopel. Am 23. Juli 1833 wurde eine neue Verfassung für die Kirche des Königreiches Hellas erlassen und eigenwillig die Kirche Griechenlands als völlig unabhängig vom Patriarchat erklärt. Konstantinopel verweigerte die sakramentale Kommunion mit der jungen autokephalen Kirche, so dass ein Schisma zwischen den beiden griechischsprachigen kirchlichen Strukturen entstand. Die Regentschaft führte das Staatskirchentum als notwendige Modernisierung ein, das jedoch zu radikalen Änderungen im alltäglichen kirchlichen Leben führte, wie zum Beispiel die gewaltsame Auflösung von 394 angeblich nicht lebensfähigen Klöstern von insgesamt 563 und die Konfiszierung ihres Eigentums als Sanierungsmaßnahme. Die Kirche wurde von einer Synode mit fünf vom Staat ernannten Mitgliedern (davon zwei Erzpriester und drei Priester bzw. Mönche) verwaltet, die allerdings eher dem bayerischen Oberkonsistorium oder der Synode der russischen Kirche als einer 77

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bischöflichen Synode des orthodoxen kanonischen Rechtes ähnelte. Zentrale Figur war der königliche Staatsprokurator, ohne dessen Bewilligung jede Entscheidung null und nichtig war. Die Kirche Griechenlands bestand am 10. November 1833 aus zehn gleichberechtigten Bistümern. Parallel dazu wurde im Jahr 1837 die Universität von Athen mit der ersten theologischen Fakultät gegründet. Viele der Professoren wurden seitdem in Deutschland ausgebildet. Das erlaubte diesen einerseits einen besseren Einblick in den internationalen Forschungsstand der Theologie, ließ ihnen andererseits aber angesichts des Historismus und der deutschen Schultheologie wenig Spielraum für originelles Denken. Am 29. Juni 1850 gewährte das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel nach langen Vorbesprechungen offiziell die Autokephalie Griechenlands mit einem Synodalbeschluss (Tomos von 1850). Voraussetzung der Gewährung war die Verwaltung der Kirche fern von „jeder staatlichen Einmischung“ durch eine ständige und kanonisch gebildete Bischofssynode.

2. Von der Erklärung der Autokephalie bis zur territorialen Integration (1850–1922) Der griechische Staat folgte den Anordnungen des Patriarchatstomos mit den Gesetzen 200 und 201 von 1852 nur sehr zögernd. Sah das Gesetz 200 eine kirchliche Verwaltung aus 24 gleichberechtigten Bistümern unter dem Metropoliten von Athen vor, wurde dennoch die staatliche Kontrolle nur gemäßigt, aber keineswegs vollkommen aufgehoben. Die bunte Landschaft von religiösen Initiativen, die allerlei Kritik am etablierten staatskirchlichen Komplex übten, wurde zwar durch synodale Reklamation aber letztendlich durch die entschlossenen restriktiven Maßnahmen des bracchium saeculare unterdrückt. Ein Beispiel ist der von der westlichen Aufklärung beeinflusste Kleriker (und ausgewiesene Kämpfer im Befreiungskampf) Theophilos Kaïrês (1784–1853), der zusammen mit seiner caritativen Arbeit eine völlig eigene auf dem französischen Theismus verankerte Religion verkündete. Nach seiner Exkommunikation durch das Ökumenische Patriarchat (1848) wurde er von der griechischen Regierung verbannt und trotz der Garantie der Gewissensfreiheit im neuen, 1844 beschlossenen Grundgesetz vor Gericht und ins Gefängnis gebracht (1852), wo er kurz danach starb. In eine andere Richtung bewegte sich der Mönch Christoforos Panagiotopoulos, der sog. „Papoulakos“ (1770–1861), der als Wanderprediger auf der Peloponnes nicht nur Missetaten tadelte, sondern sich auch gegen die moderne Technik und schließlich gegen den katholischen König Otto selbst wandte. Um ihn bildeten sich zahlreiche antiottonische Schwärmer, was zu schweren Unruhen auf der Peloponnes führte. Das bewirkte seine Einkerkerung im Jahre 1852 und seine Verbannung auf die Insel Andros im Jahre 1854, wo er im Jahr 1861 starb. Beide Fälle zeigen die Nachfrage nach Erneuerung des kirchlichen Lebens von der Basis aus, und nicht nur durch staatskirchliche Verwaltungsmaßnahmen von oben. Um Papoulakos bewegte sich ein Kreis mit 78

Die Kirche von Hellas

traditionalistischen und antiwestlichen Zügen, der eine prorussische Außenpolitik propagierte, da Russland noch als Beschützerin der orthodoxen Völker auftrat. Der Kreis bildete die sog. Philorthodoxos Hetaireia („Orthodox gesinnte Gesellschaft“), deren Mitglieder einen neuen religiösen Reformer in der Person von Apostolos Makrakis (1831–1905) fanden, der v.a. in Patras lebte und heftig die korrumpierten Sitten des Klerus, die Simonie, die kirchliche Führung, aber auch die theologischen Fakultäten und jede Modernisierungstendenz kritisierte. Seine Predigt zeigte auch apokalyptische und prophetische Züge, die komplementär zum Aufgang der Romantik und des griechischen Irredentismus (die sog. „Große Idee“) betrachtet werden, welche die nationale Rhetorik und die Außenpolitik und dadurch auch die Rolle der Kirche bis 1920 beherrschten. Er stellte sich oft als Prophet dar, der das griechische Heer siegreich nach Konstantinopel führen würde. Doch Makrakis, seine Zeitung Logos sowie sein Verein „Johannes der Täufer“ wurden sowohl wegen häretischen anthropologischen Lehren von der Synode (1878) als auch mehrmals von der staatlichen Justiz (1870, 1879, 1881) verurteilt. Allerdings waren seine Werke und seine Predigtaktivität auf dem Land sehr beliebt, während seine Kritik gegen Simonie nicht unberechtigt war, wie sich aufgrund der Verurteilung von Ministern und Klerikern wegen Bestechung (1875) herausstellte. Seine Aktivität ist, abgesehen von prophetischen Exzessen und Einmischung in die Politik, mehreren späteren Reformorganisationen – wie der 1887 gegründeten Anaplasis und der von einem seiner Schüler namens Efsevios Matthopoulos 1907 gegründeten Zoi („Leben“) – zum Vorbild geworden. Auch um die Übersetzung der Heiligen Schrift ins Neugriechische debattierten heftig die Traditionalisten mit den Erneuerern. Da die Übersetzung aus dem Beginn des 19. Jh. deutlich von den britischen Missionsgesellschaften als Propaganda-Werkzeug konzipiert und durchgeführt wurde, gab es immer ein gewaltiges Misstrauen gegen solche Versuche, die 1901 in blutigen Unruhen kulminierten (die sog. „Evangelika“). Inzwischen kam die Zeit eines territorialen Zuwachses des Königreichs. Nach der Absetzung des Königs Otto im Jahre 1862 wurde Wilhelm Georg Christian von Glücksburg als Georg I. (1863–1913) auf dem griechischen Thron eingesetzt. Als Mitgift brachte er die bis dahin unter britischer Herrschaft stehenden und von Griechen bewohnten Ionischen Inseln ins griechische Territorium. Die Eingliederung der fünf für die neuen Gebiete geistlich zuständigen Bistümer der Kirche Griechenlands wurde nicht ohne Proteste am 9. Juli 1866 vom Patriarchat genehmigt. 1881 sprach der Berliner Kongress Griechenland Thessalien zu, und somit wurden weitere Bistümer der Kirche Griechenlands mit dem Patriarchalakt im Mai 1882 untergeordnet. Nach dem „unglücklichen“ Krieg mit den Osmanen 1897 und dem Befreiungskampf von Kreta sind neue politische und soziale Ideen zur Erneuerung in die griechische Politik unter dem jungen, aus Kreta stammenden Politiker Eleftherios Venizelos gekommen (Militäraufstand von 1909). Der Wandel im Staatsapparat und die Modernisierung des politischen Systems (neue Verfassung von 1911) führte zu einer selbstbewussten Außenpolitik, deren Früchte die für Griechenland erfolgreichen Balkankriege waren (1912–13), die zur Annexion fast aller von Griechen bewohnten Gebiete auf dem Balkan durch das griechische Königreich führten. Die Verwirklichung der „Großen Idee“ 79

Dimitrios Moschos

und der Wiederaufbau des (ost-) römischen Reiches schienen nah zu sein. Doch kurz danach begann die Phase der Spaltung zwischen den liberalen bürgerlichen Mächten unter Venizelos, der im Ersten Weltkrieg (1913–1918) für den Beitritt Griechenlands auf der Seite der Entente eintrat und die Bildung einer separatistischen Revolutionsregierung in Thessaloniki ankündigte, und den Verfechtern des neuen Königs Konstantin XII. (1913–1917, 1920–1922), der wegen seiner Verwandtschaft mit dem deutschen Kaiser für die Neutralität Griechenlands plädierte. Letzterer erreichte v.a. arme und agrarische Bevölkerungsschichten. Venizelos setzte sich schließlich durch, so dass am 14. Juni 1917 in Athen eine rechtmäßige Regierung gebildet wurde. Die Kirche wurde auch in diesen Streit verwickelt. Am 12. Dezember 1916 beteiligte sich ein royalistischer Teil der Kirche unter dem Metropoliten von Athen, Theoklêtos Minopoulos, am sog. „Anathema“ gegen Venizelos. Nach dem Sieg von Venizelos wurde eine Synode „der Würdigsten“ gebildet, die einen neuen „liberalen“ Metropolit (Meletios Metaxakês) ernannte und die am Anathema beteiligten Hierarchen bestrafte. Die tiefe Spaltung konnte die Mobilisierung Griechenlands im Weltkrieg und die dadurch erfolgten neuen Territorialgewinne nicht verhindern (1917). Doch sie bewirkte die Zersplitterung der Einheit der politischen und militärischen Kräfte während des Feldzuges ins zerfallende Osmanische Reich und die Verseuchung des politischen Lebens in der ganzen Zwischenkriegszeit. Bei den Wahlen von 1920 verlor Venizelos die Mehrheit, und die royalistische Regierung setzte die Entthronung von Meletios und die Rückkehr von Theoklêtos durch. Der Feldzug zur Sicherstellung der durch dem Vertrag von Sèvres (1919) zugesprochenen Gebiete Kleinasiens endete mit einer Niederlage und der brutalen Verfolgung der dort lebenden Griechen. Das kirchliche Leben muss vor diesem Hintergrund erklärt werden. Viele Hierarchen des Ökumenischen Patriarchats in Nordgriechenland und Kleinasien, die energisch für die nationalen Interessen der Griechen im Osmanischen Reich gekämpft hatten, wurden von den Jungtürken verfolgt und oft gewalttätig ermordet. Viele sind später nach Griechenland geflohen oder ihre Sitze sind einfach der griechischen Kirche unterstellt worden. Viele – wie Chrysanthos Philippidês, Spyridon Vlachos – brachten reiche Erfahrungen der politisch agierenden Kirche zu Gunsten des nationalen Interesses in die Kirche Griechenlands mit.

3. Ernüchterung und Modernisierung in der Zwischenkriegszeit (1922–1940) Die Katastrophe von 1922 und ihre Folgen (Griechisch-Türkischer Bevölkerungsaustausch, Vertrag von Lausanne 1923) brachten das Ende der „Großen Idee“ und den Zerfall des Ökumenischen Patriarchats aus einem führenden kirchenpolitischen Machtzentrum innerhalb des Osmanischen Reiches (i.e. unter den Orthodoxen im weiten Ostmittelmeerraum) zu einem religiösen Betreuer einer winzigen Minderheit in der säkularen Türkischen Republik. Das bedeutete eine neue Rolle für die Kirche 80

Die Kirche von Hellas

Griechenlands, welche viele Patriarchatsdiözesen de facto leitete und als spirituelle und kulturelle Nachfolgerin für die griechischsprachigen Orthodoxen auftrat. Zugleich war die Katastrophe von 1922 für die unbeliebte Monarchie verheerend. Die Glücksburger Dynastie wurde abgesetzt, und eine demokratische Republik ausgerufen. Diese neue Situation traf auch die kirchlichen Angelegenheiten. Am 31.12.1923 wurde ein neues Gesetz abgestimmt, wonach die Kirche sich durch eine Synode aller amtierenden Bischöfe Altgriechenlands unter dem (jetzt so genannten) Erzbischof von Athen verwalten ließ, derer Sitzung der Staatsprokurator nur mit beratender Stimme beiwohnte. Gleichzeitig führte sie den gregorianischen Kalender in den Kirchenfestzyklus ein. Ein Teil der Hierarchie und der Gläubigen weigerte sich, den neuen Kalender zu akzeptieren, und bildete die abgesonderte Griechische Religionsgemeinschaft der „wahren Orthodoxen“, die 1935 als Verein zivilrechtlich anerkannt wurde. Die Altkalendarier sind bis heute eine kleine Gruppe, in der anti-ökumenisch gerichtete Gläubige beheimatet sind. Die Bistümer der „neuen Länder“ wurden nun von Athen aus verwaltet. Das wurde mit einem neuen Patriarchatstomos von 1928 bestätigt, nach dem die Kirche Griechenlands diese Bistümer „vormundschaftlich und auf Zeit“ verwalten darf. Die Kirche von Kreta ist bis zum heutigen Tag kirchlich autonom geblieben. Doch die Freiheit vor staatlicher Einmischung dauerte nicht lange. Nach dem Jahr 1925 veranlasste das gespaltene und durch Einmischung der Militärs beherrschte politische Leben die Instrumentalisierung der Kirchenverwaltung mit alten (1852) und neuen (26.09.1925 und Nr. 5438/29.04.1932) Gesetzen (z. B. eine oligarchische „ständige“ Synode als Vertreterin der Vollversammlung aller amtierenden Hierarchen). Zu dieser Zeit stellten auch Industrialisierung und Radikalisierung der bis dahin agrarischen Bevölkerung die Kirche vor die Notwendigkeit der Erneuerung des kirchlichen Lebens. Die Reforminitiativen des 19. Jh. hatten nun einen großen Zulauf. Die 1907 gegründete Laien-Bruderschaft Zoi bildete ein Könobium aus zölibatären Theologen, die als ihre Aufgabe die Innere Mission und die Erweckung der christlichen Sitten verstanden.

4. Das Gespenst des Totalitarismus (1936–1950) In einer Wende des noch lauernden Konfliktes zwischen Royalisten und Demokraten wurde König Georgios II. (1922–1924, 1935–1946) aus dem Exil ins Land zurückgeholt (1935). Die darauf folgende politische Krise führte am 4.8.1936 zu einer Diktatur mit faschistischen Charakteristika, jedoch mit anglophiler Außenpolitik. Die Rhetorik der Nationalromantik und des Antikommunismus beherrschten seitdem nicht nur die Kirche, sie brachten auch die direkte Kontrolle der Kirchenleitung durch die Diktatur mit sich – beispielsweise, als die Wahl des ehem. Metropoliten von Trebizont, Chrysanthos Philippidês, im Jahre 1938 zum Erzbischof von Athen gegen den rechtmäßig nach dem Kirchenrecht gewählten Damaskênos Papandreou (1941–1949) durchgesetzt wurde. Doch gerade das nationale Selbstbewusstsein erlaubte der Kirche, als de facto und de 81

Dimitrios Moschos

jure führende politische Macht der Nation von Haus aus zur Zeit des antifaschistischen Krieges (1940–41) und der Besatzung der Achsenmächte (Deutschland, Italien, Bulgarien, 1941–1944) aufzutreten. Eine theologische Verarbeitung des Faschismus und des Nationalsozialismus hat es mit Ausnahme der Arbeit von Gerasimos Konidaris nicht gegeben. Doch das Selbstverständnis der Kirche als Bevollmächtigte der Nation und des nationalen Kampfes erklären ihre politische Handlungen, wie das verachtende Benehmen von Chrysanthos den Besatzungsmächten und ihrer Quislingregierung gegenüber, die politische Intervention des daraufhin (erneut) gewählten neuen Erzbischofs Damaskênos von Athen zur Freilassung von Geiseln und zur Rettung von Juden neben seinen caritativen Initiativen wie seine „Nationale Organisation kirchlicher Solidarität“ sowie die offene Zusammenarbeit vieler Metropoliten mit dem bewaffneten Widerstand (mancher sogar mit der linken Nationalen Befreiungsfront). Als der alte Zwist zwischen Royalisten und Demokraten sich zu einem offenen Konflikt zwischen den linken Guerillas und den Nationalisten entwickelte (1945–1950), wobei letztere durch Großbritannien und die USA politisch und militärisch unterstützt wurden, kehrte die Kirche ein weiteres Mal zur engen Verbindung mit dem Staat zurück. Fast alle Erzbischöfe versuchten nach dem Jahr 1944 eine „überparteiische“ Rolle zu spielen, während die Ernennung des Erzbischofs Damaskênos zum Regenten auf Zeit den relativen Erfolg dieser Rolle bestätigt. Die Kirche war jedoch insgesamt vom Geist der legalistischen Mobilmachung gegen die „Meuterei“ der Kommunisten beherrscht. Dazu trugen auch die transformierten Laien-Bewegungen bei, vor allem die Zoi-Bewegung. Im Jahr 1937 vereinigte sich Zoi mit dem vom Neukantianismus beeinflussten Universitätsprofessor Alexandros Tsirintanis (1903–1977) und der von ihm gegründeten „Christlichen Wissenschaftlervereinigung“ in einem gemeinsamen Projekt, das sich an die gebildeten Bürger Griechenlands wandte und die Zeitschrift Aktines („Strahlen“) herausgab. In den 1940er Jahren wurde mit der Unterstützung des königlichen Hauses die Bewegung um Aktines zu einer Bastion der antikommunistischen Ideologie und breitete sich nach dem Krieg rasch mit tausenden Sonntagschülern, Bibelkreisen oder Caritas-Aktionen und einer hohen Mobilisierung der lebendigsten Teile der griechischen Gesellschaft aus. Im Jahr 1946 wurde die Erklärung der christlichen Wissenschaftlervereinigung publiziert (Diakeryxis), in der Tsirintanis die christliche Ideologie als Heilmittel gegen den Materialismus und den Marxismus betrachtete. Auf diese Weise entwickelte sich Zoi von einer an Predigt und Katechese orientierten Erweckungsbewegung zu einem Riesenmechanismus einer mit christlicher Ideologie und normativer Ethik konsolidierten politischen Front. In der Zwischenzeit versuchten verschiedene Erzbischöfe alte organisatorische Probleme zu lösen. Am 23.09.1943 (inmitten der NS-Besatzung) wurde eine neue Grundordnung der Kirche Griechenlands erlassen, die am 26.03.1946 der freie Staat billigte. Dadurch wurden die Heilige Synode der Hierarchie (als Vollversammlung aller Metropoliten) und ihre Vertretung durch die „ständige“ Synode der 12 Metropoliten festgelegt. 1942 wurde die Theologische Fakultät an der Universität von Thessaloniki eröffnet. 1952 erreichte Erzbischof Spyridon Vlachos (1949–1956) die Finanzierung des Klerus durch den staatlichen Haushalt gegen die Enteignung des größten Teiles 82

Die Kirche von Hellas

des ländlichen Besitztums der Kirche. 1948 trat die Kirche Griechenlands dem ÖRK bei. Dennoch dauerten die Diskussionen über die Zusammensetzung der Delegationen bis in die 1960er Jahre, was die Zurückhaltung vieler Bischöfe anschaulich macht.

5. Die Kirche im Nachbürgerkriegsstaat (1950–1974) Obwohl der Bürgerkrieg gegen 1950 zu Ende war, lebte Griechenland in einer gelähmten Demokratie, in der es nicht nur Pressezensur und Verbot der Kommunistischen Partei gab, sondern auch viele Verdächtige für ihre linke Besinnung in Lagern auf isolierten Inseln verbannt wurden und Militärgerichtshöfe häufiger auch in Strafgerichtsprozessen für Zivilisten Recht sprachen. In dieser Konstellation sprach die Kirche die Sprache der Nationalrhetorik, stellvertretend für die gesamte Nation – allerdings mit einer engen antikommunistischen Konnotation. Durch diese Entwicklung wurde die Kirchenführung als antikommunistisches Werkzeug verwendet, wie die Zusammensetzung der Synode aus den im Bürgerkrieg und in den Lagern tätigen Militärpfarrern beweist. Trotzdem spielte die alte Nationalrhetorik ihre Rolle, und demzufolge fand die Kirchenführung ihre Rolle besser in Kämpfen für brennende Fragen der nationalen Integration (wie das Schicksal Zyperns und der griechischen Minderheit in Südalbanien), manchmal auch gegen mächtige Alliierte (Großbritannien), während die schwere Artillerie der antikommunistischen Propaganda die „Erweckungsmächte“ der ZoiBewegung bildeten. Die Kirche blieb unter der engen Kontrolle der Umwälzungen der Staatspolitik bis zum schicksalhaften Eingriff der Diktatur der Obristen (1967), die ein prominentes Mitglied der Zoi, Hieronymos Kotsonis (1905–1988, Amtszeit 1967–1973) zum Erzbischof von Athen und andere Zoi-Anhänger zu Metropoliten erhoben haben. Das trug rasch zur Disqualifizierung sowohl der Bischöfe als auch der Zoi-Bewegung als Kollaborateure der Diktatoren bei. Zoi war ohnehin schon in den 1960er Jahren gespalten, was ihren Niedergang nur beschleunigte.

6. Zur Zeit des europäischen und globalen Zusammenwachsens Die Disqualifizierung der Erweckungsbewegungen und die ständigen Eingriffe des Staates in die Bischofssynode riefen nach radikalen Änderungen. Nach dem dramatischen Sturz der Diktatoren 1974 und nach der türkischen Zypern-Invasion begann der Aufbau eines modernen demokratischen Rechtsstaates: ein neues Grundgesetz wurde gebilligt (1975) und eine neue Verfassung der Kirche Griechenlands wurde erarbeitet (Ges. 590 von 1977), die seitdem die inneren Angelegenheiten, v.a. die Funktion der Bischöfe innerhalb der Kirche regelt. Nach diesem Grundgesetz wird die Kirche 83

Dimitrios Moschos

Griechenlands von der „ständigen Heiligen Synode“ aus 12 Metropoliten regiert (je sechs aus dem alten Königreich und aus den Metropolien der der Kirche seit 1928 unterstehenden „Neuen Länder“), die durch jährliche Rotation von der Vollversammlung der 82 amtierenden Metropoliten, der sog. „Heiligen Synode der Hierarchie Griechenlands“, bestimmt werden. Die Synode tagt einmal jährlich und in Sonderfällen, z. B. bei Neuwahl eines Metropoliten oder eines Erzbischofes. Beide Synoden haben als Vorsitzenden den Erzbischof von Athen. Die Amtszeit aller Bischöfe (wenn sie nicht mit Amtsenthebung bestraft werden) ist lebenslang. Allerdings gehören einige Teile des griechischen Territoriums anderen kirchlichen Regelungen an. So bleiben Kreta und die klösterliche Gemeinde auf dem Berg Athos (die seit 1970 aufblüht) autonom, unter der Aufsicht des Patriarchats von Konstantinopel, Kreta mit einer eigenen Synode, während die Inseln der Dodekanes direkt vom Patriarchat verwaltet werden. Die Ausbildung der Kleriker und Religionslehrer wird von den zwei Theologischen Fakultäten, und die Ausbildung von Klerikern und kirchlichen Mitarbeiter wird von den vier kirchlichen Hochschulen (Athen, Thessaloniki, Ioannina und Kreta) ermöglicht. Zu den wichtigsten Publikationsmitteln gehören die theologische Zeitschrift Theologia und die Zeitschrift Ekklêsia sowie der kirchliche Rundfunksender in Athen. Die letztendlich geschaffene institutionelle Unabhängigkeit der Kirchenstrukturen vom Staat bedeutet nicht, dass die Kirche keine Rolle im öffentlichen Handlungsraum spielt, zumal dort politische Denkströmungen sehr stark mit Elementen der orthodoxen Tradition interagieren. Der Zerfall des in Denkweise und Strukturen konservativen Nachbürgerkriegsstaates und des Antikommunismus (1974) bewirkte den Ausbruch einer bis dahin unterdrückten antikolonialistischen und marxistischen politischen Rhetorik und einer radikalen und zugleich antiwestlichen populistischen Politik („Griechenland den Griechen“, „der dritte Weg zum Sozialismus“). Dazu passte eine „Backto-the-roots“-Bewegung in der Theologie, die schon in den 1960er Jahren entwickelt wurde und jetzt eine breite Resonanz fand, und zusammen mit der heftigen Kritik der pietistischen Ethik der Bruderschaften einen besonderen Wert auf die Bedeutung des Bischofsamts, die Theologie der ersten Kirchenväter und die Frömmigkeit der Askese und der Ikonenverehrung legte. Zu deren Vertretern zählen Chrêstos Yannaras (geb. 1935), Panayiotis Nellas (1946–1986) und Johannes Zizioulas (geb. 1931). Eine zweite Folge der Wende von 1974 ist, dass der moderne Staat die Kirche nicht mehr zu instrumentalisieren braucht. Das eröffnete eine rege Diskussion über die Stellung der Kirche in einer säkularen Gesellschaft. Diese intensivierte sich seit dem Zerfall der kommunistischen Regime auf dem Balkan (seit 1989) und der zunehmenden Einmischung der EU in die griechische Innenpolitik, gegen die sich viele kirchliche Kreise wehrten. Trotz der traditionalistischen anti-westlichen Argumentation gegen die Säkularisierung seitens einiger Teile der Kirche (v.a. unter Erzbischof Christodulos Paraskevaidês 1998–2008), welche diese „Back-to-the-roots“-Theologie in reaktionäre Richtung ausdeuten suchten, ist sich die Kirchenführung des Wandels ihrer Identität und Arbeitsweise von einer romantisch verstandenen Verkörperung der Nation zu einem zivilgesellschaftlichen Faktor in den Rahmen der modernen Gesellschaft und des Rechtsstaates bewusst, wie ihre internationale und ökumenische Aktivität zeigt. 84

Die Polnische Orthodoxe Kirche Björn Röhrer-Ertl Die Polnische Orthodoxe Kirche stellt eine Besonderheit dar: obwohl mit sehr alten Wurzeln, ist die Kirche in ihrer heutigen Gestalt ein Spiegelbild der Geschichte und Gesellschaft Polens im 20. Jh.

1. Vorgeschichte Im 14. Jh. wurde das Königreich Polen erneuert. Das Gebiet an der Weichsel wurde unter anderem um Galizien-Wolhynien erweitert, in welchem sich eine orthodoxe Bevölkerungsmehrheit befand. Diese gehörte den Ruthenen an, die als Vorfahren der Weißrussen und der Ukrainer gelten. Insgesamt zeichnete sich das Königreich durch eine konfessionelle und ethnische Vielfalt aus. Problematisch war im ausgehenden Mittelalter dennoch das Miteinander der Konfessionen und Ethnien. Lediglich in den Städten Magdeburger Rechtes galt für die städtischen Organe der Grundsatz der Parität, insbesondere für die Parität von Katholiken und Orthodoxe. In den übrigen Landesteilen besaß die polnische Szlachta, die den polnischen Adel stellte, erhebliche Privilegien, die erst mit der Lubliner Union von 1569 endeten; hier gelang den ruthenischen Bojaren die Anerkennung ihrer Gleichstellung mit der polnischen Szlachta. Die orthodoxe Kirche war Teil der Metropolie von Kiew, die 1439 durch den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel neu errichtet und 1460 endgültig anerkannt wurde. Trotz des Ausbaues der lateinischen Kirchenorganisation als Teil der polnischen (weltlich-königlichen) Organisation im Lande der Rus gab es doch schließlich im 16. Jh. und bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jh. ein im Großen und Ganzen friedliches Miteinander aller christlichen Konfessionen, das sich durch Reformen und Reformbewegungen in allen Konfessionen auszeichnete. So wurden durch orthodoxe Geistliche, die der polnische Historiker Jerzy Kłoczowski mit „Stadtbrüder“ beschreibt (TRE XVI, S. 763), Schulen gegründet, im wolhynischen Ostróg (heute: Ostroh) wurde eine Akademie durch den ruthenischen Magnaten Konstantyn Ostrogski (1527–1608) gestiftet, an der Alt- bzw. Kirchenslavisch, Griechisch und Latein unterrichtet wurden. Damit vollzog die Orthodoxie in den von ihr geprägten Gebieten im polnischlitauischen Großreich eine ähnliche Entwicklung wie die lateinischen Konfessionen.

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Björn Röhrer-Ertl

2. Die Spaltung der polnischen Orthodoxie Diese Reformen hatten nicht nur eine Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung zur Folge, z.B. durch Erneuerung, zum guten Teil ja Errichtung eines Schulwesens. Es stellt sich ebenso die Frage nach der für die Orthodoxie im Königreich angemessenen Stellung im öffentlichen Leben. Auf der Synode von Brest 1596 wurde eine Kirchenunion mit Rom beschlossen, die sich an der Union von Florenz 1439 orientierte. Ziel war es, der griechisch-katholischen Kirche in Polen mit ihrem Metropoliten einen gleichrangigen Platz neben der römisch-katholischen Kirche zu erhalten. Dies erfüllte sich jedoch nicht. Die ruthenischen Bojaren, die eine Einordnung in die römisch-katholische Kirche und damit einen Verlust ihrer in der Lubliner Union zugestandenen Privilegien fürchteten, leisteten Widerstand gegen die neu gegründete unierte Kirche. Ebenso anerkannte der König nur die untere Hierarchieebene der griechisch-katholischen Kirche in Polen, so dass die Zuerkennung eines gleichrangigen Platzes neben der römisch-katholischen Kirche verwehrt blieb. 1620 wurde die orthodoxe Hierarchie wieder vom König anerkannt, rechtlich abgesichert wurde sie erst in den Jahren 1632–1635. Weitere Versuche, hier eine orthodox-katholische Union zu schaffen, scheiterten. Insbesondere das durch König Władysław IV Waza (1632–1648) initiierte Thorner Religionsgespräch (Colloquium Charitativum) 1645 brachte keine unmittelbaren Ergebnisse. Damit existierten in der polnisch-litauischen Adelsrepublik zwei östliche Kirchen.

3. Die Folgen der Teilungen Polens für die Orthodoxe Kirche Die Teilungen Polens schwächten die Position der orthodoxen Kirche in Polen. Insbesondere der Verlust der Gebiete östlich des Dnjepr 1772 ließ die orthodoxe Kirche Polens in ihrem Kampf gegen die griechisch-katholische Kirche zurückfallen. Die damit verbundene Eingliederung dieser Gebiete in die orthodoxe Kirche Russlands ließ die orthodoxe Kirche Polens in Mitgliederzahl und Verbreitungsgebiet empfindlich schrumpfen. 1795 gelangte das Hauptverbreitungsgebiet der orthodoxen Kirche unter russischen Einfluss. Während das katholische Christentum zurückgedrängt wurde und vor allem sein Schulwesen zum Teil aufgehoben, zum Teil deutlich zurückgefahren wurden – polnische Historiker wie Jerzy Kłoczowski sehen deswegen in diesem russisch verwalteten Gebiet den größten zivilisatorischen Rückschritt –, wurde das orthodoxe Kirchen- und Schulwesen deutlich gefördert. Die Kirche wurde aus der Jurisdiktion des Metropoliten von Kiew herausgelöst und der russischen Kirche unterstellt. Dadurch nahm die orthodoxe Kirche nicht mehr an der Entwicklung der polnischen Nation unmittelbar und prägend teil. 86

Die Polnische Orthodoxe Kirche

4. Die Orthodoxie im unabhängigen Polen 1918–1945 Die Unabhängigkeit Polens nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) hatte eine Euphorie im nationalen Bewusstsein der Polen zur Folge. Diese Unabhängigkeit in allen Teilen zu dokumentieren und den unabhängigen Staat zu sichern, war eines der wesentlichen Ziele der polnischen Regierung. In den damals „Ostpolen“ genannten Gebiete in Galizien sowie östlich Białystoks waren zum Teil geschlossene Siedlungsgebiete der Ukrainer, Weißrussen sowie orthodoxer Polen, die sich nun als Minderheit in einem Staat wiederfanden, in dem vor allem die römisch-katholische Kirche für die polnische Nation identitätsbildend wurde. 1922 wurde auf der Synode von Warschau die Trennung von Moskau beschlossen, was das Verhältnis zur polnischen Regierung entspannte. Diese Erklärung der Autokephalie wurde vom Ökumenischen Patriarchen 1924 anerkannt, das Moskauer Patriarchat verbat sich dies als Einmischung in innere Angelegenheiten und anerkannte die Autokephalie der Polnischen Orthodoxen Kirche nicht. Die Zeit zwischen den Weltkriegen war von inneren Konflikten geprägt: So gehörten die Gläubigen mehrheitlich der ukrainischen Ethnie an, während die Bischofsstühle durchgehend mit Geistlichen russischer Nationalität besetzt wurden. So konnte Ukrainisch nicht als Liturgiesprache eingeführt werden. Auch stand die orthodoxe Kirchenleitung in einem sehr angespannten Verhältnis zur polnischen Regierung; denn sie unterstellte dieser, sie würde die katholische Kirche in ihrem Handeln, Orthodoxe zur Konversion zu zwingen, unterstützen, indem sie orthodoxe Gotteshäuser gewaltsam schließe oder zerstöre. 1939 wurde infolge des Hitler-Stalin-Paktes der Osten Polens sowjetisch besetzt. Die orthodoxe Kirche wurde hier wieder dem Moskauer Patriarchat unterstellt. Lediglich im deutsch besetzten Teil Polens blieb die Polnische Orthodoxe Kirche selbstständig.

5. Die Orthodoxe Kirche im modernen Polen 1945 gelangten weite Teile Ostdeutschlands unter polnische Verwaltung, während das so genannte „Ostpolen“ an die UdSSR fiel. In der „Operation Weichsel“ (Akcja Wisła) wurden daher aus diesem Ostpolen auch Ukrainer nach dem früher deutschen Schlesien, Hinterpommern und Ostpreußen zwangsweise umgesiedelt. Hier entstanden dadurch neue orthodoxe Gemeinden. Dennoch hatte die orthodoxe Kirchenführung erhebliche Mühe, die in der polnischen kommunistischen Propaganda oft gewählte Kurzformel Katholik = Pole, Orthodoxer = Russe zu durchbrechen und die kommunistische Führung von ihrer Treue zum polnischen Staat zu überzeugen. Die meisten Angehörigen der orthodoxen Kirche wohnen bis heute im Raum Białystok. 87

Björn Röhrer-Ertl

1948 wurde der Metropolit von Warschau wegen seiner antikommunistischen Haltung durch die kommunistische Führung festgenommen und für abgesetzt erklärt. Im selben Jahr wurde die Synode von Warschau einberufen. Diese bat das Moskauer Patriarchat, die vom Ökumenischen Patriarchen 1924 erteilte Autokephalie für null und nichtig zu erklären. Dieser Bitte kam das Moskauer Patriarchat, das diese Erklärung der Autokephalie bis dahin nicht anerkannt hatte, daher gerne nach und veröffentlichte zugleich ein eigenes Autokephalie-Statut für die polnische Kirche. Dennoch blieb der Sitz des Metropoliten bis 1951 vakant; diese Vakanz wurde erst durch die Berufung des Erzbischofs von Lwow durch das Moskauer Patriarchat beendet. Am 26. Februar 1970 gab sich die Polnische Orthodoxe Kirche ein eigenes Statut, das dann am 10. Februar 1995 durch eine Neufassung ersetzt wurde, die bis heute Gültigkeit besitzt.

6. Kirchenorganisation und ökumenische Beziehungen Das Statut der Polnischen Orthodoxen Kirche vom 10. Februar 1995 gliedert die Polnische Orthodoxe Kirche in eine einzige Metropolie (Metropolia). Diese ist in Diözesen (diecezje) unterteilt, die wiederum in Dekanate (dekanaty) und Pfarreien (parafie) untergliedert sind. Die oberste Instanz der orthodoxe Kirche nach § 4 Abs. 1 ihres Statutes vom 10. Februar 1995 ist das Lokalkonzil (Sobór Lokalny), das aus dem Metropoliten von Warschau und ganz Polen, allen Diözesan- und Weihbischöfen, je einem geistlichen und einem weltlichen Vertreter je Dekanat, einem Vertreter je Kloster und einem Vertreter jeder geistlichen Schule besteht. Daneben sieht das Statut der orthodoxen Kirche ein Bischofskonzil (Święty Sobór Biskupów) vor. Dessen Aufgaben sind vor allem theologischer und liturgischer Art. Zusätzlich entscheidet das Bischofskonzil über Errichtung oder Veränderungen der Dekanate und ist die zweite und letzte Instanz der kirchlichen Gerichtsbarkeit. Zuletzt entscheidet das Bischofskonzil über die Berufung zum Bischof und ggf. über seine Absetzung. Damit behandelt das Bischofskonzil alle Angelegenheiten des Klerus und der Bistumsorganisation und hat zusätzlich eine Art Kontrollfunktion inne, da es die Arbeit des Lokalkonzils billigt. Die orthodoxe Kirche ist seit 1961 Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen und der Konferenz Europäischer Kirchen. Eine Besonderheit stellte die besonders vertiefte und intensive Partnerschaft mit der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen mit Sitz in Magdeburg dar, die 2008 in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland aufging. 1985 begann diese Partnerschaft mit Jugendbegegnungsprojekten. Derzeit sind die seit 2002 jährlich stattfindenden Partnerschaftskonsultationen der wichtigste Baustein dieser Partnerschaft. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beider Kirchen konsultieren sich jedes Jahr zu einem Thema oder Themenkreis wie Jugendarbeit oder Kirchenmusik jeweils im Wechsel in Polen und in Mitteldeutschland. 88

Die Orthodoxe Kirche von Albanien Michael K. Proházka

1. Geschichtliche Entwicklung bis zur Gegenwart Jenes Gebiet, das die heutige Republik Albanien umfasst, lag in der Antike an der Nahtstelle zwischen Ost und West und war somit vielfältigen politischen und kulturellen Einflüssen ausgesetzt. Die zentralen Städte waren seit jeher multiethnisch; Griechen, Lateiner und Illyrer lebten hier zusammen und beeinflussten einander. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich das Christentum sehr früh verbreitete. Nach kirchlicher Tradition geht seine Ausbreitung auf den Apostel Paulus zurück. Der Hl. Astios, der Bischof von Dyrrhachium (dem heutigen Durrës), soll unter Kaiser Traianus (98–117) das Martyrium erlitten haben. Das Konzil von Nikaia (325) unterstellte ganz Illyrien der Jurisdiktion des Bischofs von Rom. Die Teilung des Römischen Reiches in eine östliche (mit Sitz in Konstantinopel) und eine westliche Hälfte (mit Sitz in Mailand, später Ravenna) im Jahre 395 brachte den südlichen Teil Illyriens immer stärker in den Einflussbereich von Konstantinopel, auch die Liturgie war vom byzantinischen Ritus geprägt. Da der nördliche Teil zum Westreich fiel, dominiert dort bis heute das katholische Bekenntnis. Im Jahr 731 wurde die bis dahin unter der Jurisdiktion Roms gebliebene Metropolie Durrës durch Kaiser Leon III. dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel unterstellt. Als es im Jahre 927 zur Errichtung des ersten bulgarischen Patriarchats kam, wurde die Mehrheit der Bistümer unter dessen Jurisdiktion gestellt, Durrës blieb aber weiterhin beim Patriarchat von Konstantinopel. Nach der Zerschlagung des Bulgarischen Reiches im Jahre 1018 kam der Großteil der Bistümer wieder zum Patriarchat Konstantinopel, einige Bistümer im Süden des heutigen Albanien wurden jedoch dem Erzbistum von Ohrid, das unabhängig war, unterstellt. Die osmanische Eroberung im 15. Jh. brachte den Islam in Albanien hinzu, der sich bald zur Mehrheitsreligion entwickelte. Die orthodoxen Diözesen Albaniens wurden unter die Jurisdiktion eines autokephalen Erzbistums gestellt. Der starke Druck der Osmanen hatte eine große Auswanderungswelle im 15. und 16. Jh. nach Süditalien zur Folge. Deren Nachfahren leben in den so genannten griechisch-albanischen Diözesen (Italo-Albanesi auch Greci-Albanesi) von Lungro und Piana degli Albanesi in Süditalien und Sizilien und sind mit dem Apostolischen Stuhl in Kirchengemeinschaft verbunden („uniert“). Im 17. Jh. kam es zu einer erneuten Blüte der orthodoxen Kirche, da diese von türkischer Seite – im Gegensatz zu den Katholiken– nicht verfolgt wurde. Als zu Beginn des 17. Jh. die Metropolie von Korça errichtet wurde, führte dies zu einem Aufblühen der orthodoxen Kirche auch in dieser Region. 1766 wurden die orthodoxen Albaner erneut der Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel unterstellt, was zu einer starken „Hellenisierung“ der Kirche führte und zur Folge hatte, dass der orthodoxe Klerus sich eine Vereinigung Südalbaniens mit dem neu 89

Michael K. Proházka

entstandenen griechischen Staatsgebiet wünschte. So gab es Ende des 19. Jh. sechs orthodoxe Bischofssitze, die alle mit griechischsprachigen Amtsträgern besetzt waren (Durrës, Elbasan, Berat, Korça, Gjirokastra und Kolonja). Das 20. Jh. brachte einschneidende Veränderungen für die albanisch-orthodoxe Kirche mit sich. Albanische Auswanderer in die USA begannen dort mit der Errichtung einer unabhängigen albanischen Kirchenstruktur. So wurde 1908 in Boston die erste Liturgie in albanischer Sprache gefeiert. 1919 wurde der in den USA zum Priester geweihte Albaner Fan Noli Bischof der albanisch-orthodoxen Kirche in Amerika, einer eigenständigen Diözese unter der Jurisdiktion des ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel – vergleichbar dem griechisch-orthodoxen Erzbistum von Amerika. Während der Balkankriege 1912/13 waren die griechischen Bischöfe Albaniens auf der Seite ihres Mutterlandes, so dass es nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) zu einer verstärkten national-albanischen Bewegung kam, welche die Ablösung der albanischen Diözesen vom Patriarchat von Konstantinopel anstrebte. Die Entstehung einer autokephalen albanisch-orthodoxen Kirche wurde vom albanischen Staat unterstützt, von den Ökumenischen Patriarchen Gregorios VII. (1923/24) und Konstantin VI. (1924/25) aber verhindert. Im Jahr 1921 kam es zu einem Landesverweis der vier griechischstämmigen Bischöfe, im Jahre 1922 wurde das Albanische als Liturgiesprache eingeführt. Im Jahre 1929 erklärte sich die albanisch-orthodoxe Kirche für autokephal und machte Bessarion Juvani zum Metropoliten. Das Patriarchat Konstantinopel reagierte darauf mit der Absetzung aller albanischen Bischöfe, was zur Folge hatte, dass alle griechischen Priester und Repräsentanten des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel ausgewiesen wurden. Im Jahre 1937 erkannte Patriarch Benjamin I. (1936–1946) die Autokephalie der albanischen Kirche an. Auch wurde im Zuge dessen ein eigenes Priesterseminar in Korça eingerichtet.Während des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) kam es zum vergeblichen Versuch der italienischen Besatzer, den Anschluss an die unierten Italo-Albaner zu erzwingen. Damals umfasste die albanisch-orthodoxe Kirche an die 449 Gemeinde- und Mönchspriester. Als der kommunistische Parteivorsitzende Enver Hoxha im Jahre 1944 die Unabhängigkeit Albaniens ausrief, hatte das auch für die – zunächst von den kommunistischen Machthabern tolerierte – orthodoxe Kirche Albaniens weitreichende Konsequenzen. Erzbischof Kristofor Kisi (seit 1937) wurde am 25. August 1949 wegen angeblicher „faschistenfreundlicher Betätigung“ abgesetzt und in ein Kloster verbannt; er verstarb im Jahre 1958. Der nun zum Oberhaupt gewählte Erzbischof Paisios Vodica, der vom Patriarchat Konstantinopel erst nach dem Tode von Erzbischof Kissis offiziell anerkannt wurde, galt als Vertrauensmann der Regierung. Aber der Druck der kommunistischen Regierung nahm ständig zu, die Sakramentenspendung wurde zusehends erschwert, immer mehr Kirchen beschlagnahmt, der Regierung nicht genehme Priester verschleppt und durch willfährige Geistliche ersetzt. Zudem wurden die Geistlichen vom Staat – allerdings sehr gering – besoldet, um so einen direkten Einfluss ausüben zu können. Als Erzbischof Paisios im Jahre 1966 verstarb, wurde Damian Kokonesi zu seinem Nachfolger gewählt, aber schon ein Jahr nach seinem Amtsantritt verhaftet. Er verstarb im Jahr 1973 im Gefängnis. Dies bedeutete nun den letzten Angriff auf 90

Die Orthodoxe Kirche von Albanien

die Kirche, indem weitere Bischöfe (nämlich die von Elbasan, Pojan, Berat, Korytza und Agyrokastron) inhaftiert und teils sogar erschossen wurden. Die Beziehung zum russisch-orthodoxen Patriarchat von Moskau wurde strengstens untersagt, die letzten vier Klöster und die Theologische Lehranstalt geschlossen. Die Ausrufung von Albanien zum „ersten atheistischen Staat der Geschichte“ Anfang 1967 beendete das öffentliche religiöse Leben für alle Bekenntnisse und damit wurde auch die albanisch-orthodoxe Kirche endgültig vernichtet. Erst nach dem Sturz des kommunistischen Regimes im Herbst 1990 konnten wieder öffentlich orthodoxe Gottesdienste gefeiert werden. Der Neuanfang nach dem Sturz des kommunistischen Regimes stellte die orthodoxe Kirche Albaniens anfänglich vor eine völlig neue Situation, die mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Es ist der außerordentlichen Persönlichkeit des Erzbischofs Anastasios (Yannoulatos) zu verdanken, dass der Wiederaufbau der kirchlichen und spirituellen Struktur so konsequent und erfolgreich vonstattengehen konnte. Seitdem befindet sich die Kirche Albaniens in einem ständig verbesserten Wiederaufbau.

2. Erzbischof Anastasios Yannoulatos – der Erneuerer der orthodoxen Kirche Albaniens Anastasios Yannoulatos, (auch: Giannoulatos, griechisch: Αναστάσιος Γιαννουλάτος; albanisch: Anastas Janullatos) wurde am 4. November 1929 im griechischen Piraeus geboren. Nach dem Besuch und Abschluss des Gymnasiums, in dem sich seine hervorragenden intellektuellen Fähigkeiten schon abzeichneten, studierte er an der theologischen Fakultät der nationalen Kapodistrias-Universität Athen, wo er mit summa cum laude abschloss. Schon während seiner Studienzeit engagierte er sich intensiv in der Bildungsarbeit für die orthodoxe Jugend (zuerst in der Bruderschaft Zoi, dann in der Jugendbewegung Syndesmos), die ihn in Kontakt mit der ökumenischen Bewegung brachte. So wurde er 1961 Mitglied im Missionskomitee des Ökumenischen Rats der Kirchen. 1959 begründete er die zweisprachige Vierteljahreszeitschrift Porefthendes („Geht doch!“), die sich auch mit Fragen der Mission beschäftigte. Im Jahre 1960 wurde er zum Diakon und am 24. Mai 1964 zum Priester geweiht. Nach seiner Weihe ging er sofort als Missionar nach Uganda, musste aber wegen einer schweren Malariaerkrankung nach Europa zurückkehren. Mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung betrieb er in den Jahren 1965–1969 ein Postgraduiertenstudium an den Universitäten Hamburg und Marburg. Zum Doktor der Theologie wurde er im Jahre 1970 in Athen mit dem Thema: The Spirits Mbandwa and the Frame of their Cult: A Reserach on the African Religion of Western Uganda promoviert. Mittlerweile zum Archimandriten ernannt, erhielt er die Position eines Sekretärs für die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen in der Kommission für Missionierung und Evangelisierung im Ökumenischen Rat der Kirchen. 1972 wurde er außerordentlicher Professor für Religionsgeschichte in Athen und im selben Jahr zum Titularbischof von Androussa 91

Michael K. Proházka

ernannt. Ebenso wurde er Generaldirektor der Apostoliki Diakonia der Kirche von Griechenland. In dieser Zeit veröffentlichte er als erster Gelehrter in Griechenland eine Gesamtübersicht des Islam und forderte nachdrücklich zum interreligiösen Dialog auf. Im Jahr 1981 übernahm er auf Ersuchen des griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandreia, Nikolaos, das Amt des Erzbischofs von Ostafrika, wobei sich seine Jurisdiktion über Kenia, Uganda und Tansania erstreckte. In dieser Periode förderte er das Entstehen und die Ausbildung eines einheimischen Klerus. Im Jahr 1982 wurde das orthodoxe Seminar in Nairobi wiedereröffnet. Anastasios weihte 62 Absolventen dieses Seminars zu Priestern und Diakonen sowie weitere 42 zu Lektoren. 1991 wieder nach Griechenland zurückgekehrt, wollte er seine ursprüngliche akademische Arbeit wieder aufnehmen, wurde jedoch im Juli desselben Jahres vom Ökumenischen Patriarchat nach Albanien gesandt, um dort Erkundigungen über den kirchlichen Zustand einzuholen. Er fand dort katastrophale Zustände vor: Von den ehemals 440 Priestern hatten nur noch 22, die meisten davon alt und gebrechlich, überlebt. Erzbischof Anastasios ging mit voller Tatkraft an seine neue Aufgabe heran und berief eine Kirchenversammlung ein, die Beratungen über den Wiederaufbau der Kirche ins Auge fasste. Als sich herausstellte, dass kein geeigneter Kandidat für das Amt des Ersthierarchen der albanisch-orthodoxen Kirchen gefunden werden konnte, wurde Anastasios selbst vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel mit dem Einverständnis der Hl. Synode gewählt. Dabei sollte der neu ernannte Erzbischof keine nationalistischen oder ethnischen Grenzen berücksichtigen. Erzbischof Anastasios wollte aber ebenso die Zustimmung des einheimischen Klerus sowie der orthodoxen Bevölkerung. Auch die Regierung gab ihre Zustimmung. So wurde Anastasios Yannoulatos am 24. Juni1992 zum Erzbischof von Tirana und ganz Albanien ernannt und am 2. August desselben Jahres feierlich inthronisiert. Nun sollten sich seine jahrzehntelangen Erfahrungen in der Missionsarbeit voll und ganz bewähren. Mit Zielstrebigkeit und Konsequenz ging Anastasios an seine neue Aufgabe heran. Äußere Voraussetzung dafür war die neue Staatsverfassung, die Albanien als „laizistischen Staat“ definiert, in dem Religionsfreiheit herrscht. Durch sein Engagement und seine außerordentlich charismatische Persönlichkeit befindet sich die orthodoxe Kirche Albaniens auf einem guten Weg in die Zukunft. Der ökumenische und der interreligiöse Dialog werden intensiv gepflegt und auch kirchliche Krisen, wie der Wechsel von griechischstämmigen Bischöfen zu einheimischen Hierarchen oder disziplinäre Probleme, werden lösungsorientiert angegangen – immer in Geiste der Dialogbereitschaft und der Versöhnung.

3. Neustruktuierung der kirchlichen Hierarchie Die Leitung der Albanischen Orthodoxen Kirche (Albanisch: Kisha Orthodhokse Autoqefale e Shqipërisë) obliegt dem Ersthierarchen und Erzbischof von Tirana, Anastasios gemeinsam mit dem Heiligen Synod (Synode aller Bischöfe). Ebenso gibt 92

Die Orthodoxe Kirche von Albanien

es einen Rat, der aus Klerikern und Laien besteht und der alle Fragen der Verwaltung (Finanzen und Administration) behandelt. 1993 wurde das Kirchenstatut ergänzt und der neuen Realität entsprechend aktualisiert. Der Heilige Synod wurde im Jahr 1998 wieder errichtet. Vorausgegangen waren massive Unstimmigkeiten innerhalb der Kirche Albaniens, weil nur griechischstämmige Bischöfe die Diözesen leiteten und sich kein einziger albanischer Bischof unter ihnen befand. Erzbischof Anastasios löste dieses Problem mit der Zustimmung des Ökumenischen Patriarchen dadurch, dass zwei der griechischen Bischöfe resignierten, wobei Metropolit Ignatios Bischof der Eparchie von Berat wurde. Archimandrit Joani Pelushi wurde Metropolit von Korça, Kosma Qirjo Bischof von Apolonia. Im Jahre 2006 wurde drei albanische Priester zu Bischöfen geweiht: Dhimitri Sinaiti für die Diözese Gjirokastra, Nikolla Hyka folgte dem im Jahre 2000 verstorbenen Bischof Kosma Qirjo nach und Andon Merdani wurde Bischof von Kruja. 2006 erhielt der Heilige Synod ein neues Statut, und am 12. April 2007 konnte die orthodoxe Kirche Albaniens den 70. Jahrestag der Verleihung ihrer Autokephalie feierlich begehen. Der Besuch des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios im November 1998 war ebenfalls ein Beweis für den erfolgreichen Wiederaufbau der kirchlichen Strukturen und einer lebensfähigen, lebendigen Kirche in Albanien. Zurzeit besteht der Heilige Synod der albanischen Kirche aus folgenden Mitgliedern: Erzbischof Anastasios als Vorsitzender, Metropolit Ignatios von Berat, Metropolit Joani von Korça, Metropolit Dhimitri von Gjirokastra, Bischof Nikolla von Apolonia, Bischof Andon von Kruja, sowie dem Generalsekretär, Erzpriester Jani Trebicka. Die Lebenskraft der wiedererstarkten Albanischen Orthodoxen Kirche ist auch durch einen intensiven Kirchenbau gekennzeichnet: Zwischen 1991 und 2001 hat die orthodoxe Kirche fast 300 Gotteshäuser eröffnet. Bis zur Jahresmitte von 2001 wurden 80 neue Kirchen gebaut, 70 Kirchen in großem Ausmaß restauriert und mehr als 140 Kirchen gründlich repariert, was auch einen nicht unbedeutenden wirtschaftlichen Faktor darstellt. Auch wurden fünf Klöster wieder zu neuem monastischen Leben erweckt. In den ländlichen Regionen Südalbaniens gibt es einige kulturhistorisch wertvolle Bauten, die aber einer gründlichen Restaurierung harren. Die demographischen Verschiebungen in Albanien haben in den vergangenen Jahren auch zu einem Zuzug tausender Orthodoxer nach Tirana geführt. Deshalb baut die Kirche derzeit im Zentrum der Hauptstadt eine neue Kathedrale, die der Auferstehung Christi geweiht ist. Neben der Kathedrale ist ein Verwaltungsgebäude für den Heiligen Synod im Entstehen begriffen. In den Jahren 1996 bis 2001 wurden 120 Diakone zu Priestern geweiht.

4. Liturgie und Liturgiesprache Die Liturgiesprache ist nun das moderne Albanisch, da die Gottesdiensttexte Anfang des 20. Jh. vom Erzbischof und kurzzeitigen albanischen Ministerpräsidenten Theophan (Fan) Stylian Noli übersetzt wurden, die nun in einer überarbeiteten Ausgabe aus 93

Michael K. Proházka

den 1990er Jahren benützt wird. In der Region um die Städte Gjirokastra, Himara und Saranda – nahe der griechischen Grenze und der Insel Korfu – existiert eine griechische Minderheit, bei der die Liturgie auch in griechischer Sprache zelebriert wird. In den USA werden die Gottesdienste auch auf Englisch gefeiert. Erzbischof Anastasios forcierte den Gebrauch des Albanischen und gab selbst darin ein Vorbild, indem er die Sprache gründlich erlernte und das Albanische in Liturgie und Predigt benützt.

5. Bildungswesen, Sozialarbeit und Ökumene Im selben Zeitraum wurden 20 Gebäude errichtet bzw. renoviert, die nun die Theologische Akademie von Durres beherbergen. Bemerkenswert ist, dass diese Akademie auch für Frauen zugänglich ist. Ebenso ermöglichte Erzbischof Anastasios die Errichtung eines Gymnasiums und einer Druckerei. Unter seiner Ägide wird die kirchliche Monatsschrift Ngjallja (Funken) herausgegeben, des Weiteren eine Kinderzeitschrift, eine Zeitschrift für Studenten und ein englischsprachiges Nachrichtenblatt News from Orthodoxy in Albania. Auch die Radiostation Ngjallja geht auf seine Initiative zurück. Ebenso ermöglichen ein holzverarbeitender Betrieb und eine Kerzenmanufaktur die Schaffung von Arbeitsplätzen in einer wirtschaftlich schwachen Region. Das kirchliche Hilfswerk Diakonia Agapes ist hervorragend organisiert und betreibt unter anderem Spitäler, Polikliniken, mobile Zahnkliniken, Schulen, Kindergärten und ist ebenso in der Gefängnisseelsorge wie der Obdachlosenhilfe intensiv engagiert. Die „Verkündigungsklinik“, die sich in der Verwaltung der orthodoxen Kirche Albaniens befindet, gehört mittlerweile zu den Topkliniken des Landes. Diese sozialen Aktivitäten sind aber nicht nur auf die Gläubigen beschränkt, sondern für alle, gleichgültig welcher Religionszugehörigkeit, ebenso auch für Atheisten. Um die Flüchtlinge aus dem Kosovo zu versorgen, schloss Erzbischof Anastasios kurzfristig das Priesterseminar, damit die Priesteramtskandidaten sich an den sozialen Aktivitäten beteiligen konnten. Bezüglich der ökumenischen Arbeit gehen von Erzbischof Anastasios zahlreiche Impulse aus. Die orthodoxe Kirche Albaniens ist als einzige Kirche des Landes Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen. Auch finden regelmäßige Kontakte, gegenseitige Besuche an hohen Feiertagen zwischen katholischen und orthodoxen Hierarchen statt. Im Jahre 2009 kam es zu einem historischen Besuch bei Papst Benedikt XVI. im Vatikan. In diesem Zusammenhang stattete Erzbischof Anastasios dem von Papst Gregor XIII. im Jahre 1576 errichteten Pontificio Collegio Greco einen Besuch ab und traf mit dem dortigen katholischen Rektor, Archimandrit Manel Nin OSB, zusammen. Auch wenn die Ökumene vor Ort im alltäglichen Leben naturgemäß ausbaufähig ist, können die Verdienste von Erzbischof Anastasios nicht hoch genug gewürdigt werden. Nach all den Jahren von Unterdrückung und der schwierigen Phase des Wiederaufbaus hat die orthodoxe Kirche Albaniens genug Lebenskraft entwickelt, um ihre vielfältigen Aufgaben auch in Zukunft erfüllen zu können. 94

Die Orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei Pavel Milko Die Orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei ist eine der jüngsten orthodoxen Kirchen. Die Autokephalie wurde ihr zwar vom Moskauer Patriarchat am 8. Dezember 1951 erteilt, von der griechischen Welt wurde sie aber nicht akzeptiert. Erst nach der Stabilisierung der Beziehungen und nach komplizierten Verhandlungen gewährte ihr der Ökumenische Patriarch am 27. August 1998 die kirchliche Eigenständigkeit. Obwohl die Geschichte der Selbstständigkeit der Kirche kurz ist, sind die historischen Wurzeln, auf die sie zurückweist, sehr tiefgehend und unter den slavischen Ländern die ältesten. Ihre Geschichte wird jedoch von periodischen tragischen Einmischungen des Staates in die kirchlichen Angelegenheiten begleitet.

1. Die Anfänge der Kirche Die orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei versteht sich selbst als die Fortsetzung der großmährischen Mission. Auch nach der Verdrängung der Mission des Kyrillos und Methodios im 9. Jh. hielt sich nämlich der slavische Gottesdienst in Böhmen und in der Slowakei bis zum Anfang des 12. Jh., in deren östlichen Regionen sogar bis in die Gegenwart. An dieser Tatsache änderte auch die „Užhoroder Union“ eines Teiles der Gläubigen mit dem Apostolischen Stuhl von Rom im Jahr 1649 kaum etwas. Es ist bemerkenswert, dass die ältesten tschechischen Heiligen, Wenzel, Ludmilla und Prokop, eng mit dem slavischen Gottesdienst verbunden sind; vor allem die Heilige Ludmilla wird in der russischen Kirche geehrt. Die orthodoxe Kirche nimmt auch zu Jan Hus und zu Hieronymus von Prag einen positiven Standpunkt ein.

2. Die neuen Anfänge der Kirche in der Habsburgermonarchie Nach Jahrhunderten der Vorherrschaft des lateinischen Christentums fällt die Erneuerung der orthodoxen Kirche in Tschechien, in der Slowakei und in Karpato-Russland in die zweite Hälfte des 19. Jh. In Prag fanden seit dem Jahr 1874 regelmäßig orthodoxe Gottesdienste in der St.-Nikolaus-Kirche auf dem Altstädter Ring statt. Ihnen stand ein Priester der russischen orthodoxen Kirche vor. In den Matrikeln wurden die orthodoxen Tschechen zuerst dem Priester der griechischen orthodoxen Kirchengemeinde in Wien, seit dem Jahr 1874 hingegen dem Priester der serbischen Kirchengemeinde zugerechnet. Als eigene orthodoxe Kirche konnten sich die orthodoxen Tschechen während der Habsburgermonarchie nicht organisieren. Bessere Bedingungen für die Entstehung einer eigenen Kirchenstruktur traten erst im Jahre 1918 ein. 95

Pavel Milko

3. Die orthodoxe Kirche in der Tschechoslowakischen Republik Zu Beginn des 20. Jh. prallten in dem Kerngebiet der späteren tschechoslowakischen Republik zwei unterschiedliche Konzepte aufeinander, wie eine eigene orthodoxe Kirche errichtet weden könne. Nach der Ansicht des Erzbischofs Savvatij (Antonín Jindřich Vrabec), der in Russland studiert hatte und einige Zeit in der Ukraine wirkte, konnte das Volk nichts anderes befriedigen als vollständige und reine Orthodoxie. Dagegen stand das Konzept des Bischofs Gorazd (Matěj Pavlík), der die Gläubigen nach und nach für die Orthodoxie begeistern und ihnen – vielleicht im modernistischen Sinne – eine spezifische und den lokalen Bedingungen angepasste Form der Orthodoxie anbieten wollte. Aus diesen Wurzeln erwuchs die Tschechoslowakische Kirche, als nach den Weihnachtstagen des Jahres 1919 einzelne Gläubige aus der katholischen Kirche austraten und eine eigene orthodoxe Gemeinschaft bildeten. Es hat den Anschein, als hätten viele Tschechen und Slowaken die katholische Kirche als ein Werkzeug der habsburgischen Politik verstanden, von der sie sich nach der staatlichen Unabhängigkeit zu emanzipieren suchten. Einer der führenden Köpfe dieser Bewegung war Matěj Pavlík, der spätere Bischof Gorazd. Als mehrheitlich erwies sich in der Gründungsphase und später die liberal-radikale Richtung, die von Karel Farský geleitet wurde.

4. Zwischen Serbien und Konstantinopel Auch wenn die Anfänge des Christentums im heutigen Tschechien und in der Slowakei aus Konstantinopel stammten, herrschte in der Habsburgerzeit die serbische Jurisdiktion vor. Aus administrativen Gründen wünschte sich die junge orthodoxe Kirche jedoch einen eigenen Bischof. Zuerst wandten sich die Vertreter der jungen Kirche an das serbische orthodoxe Patriarchat. Die Verhandlungen führten nicht zum gewünschten Erfolg. Es bleibt eine Aufgabe der Forschung, zu untersuchen, inwieweit bei dieser Zurückhaltung auf der serbischen Seite die modernistische Bewegung eine Rolle gespielt haben könnte. Denn es wäre möglich, dass in der serbischen Kirche die Furcht vorherrschte, die Bestrebungen der orthodoxen Tschechen nach kirchlicher Eigenständigkeit könnten für die katholischen Kroaten in Jugoslawien zum Vorbild werden. Da die russische orthodoxe Kirche in der Folge der Revolution des Jahres 1917 wenig Hilfestellung leisten konnte, wandten sich die Repräsentanten der jungen orthodoxen Gemeinschaft an den Ökumenischen Patriarchen in Konstantiopel, Meletios – wahrscheinlich auf Empfehlung des Metropoliten Antonij Chrapovickij, der den Archimandriten Savvatij schon seit seinen Schuljahren kannte und seine schützende Hand über ihn hielt. Bereits am 6. März 1923 wurde Savvatij vom Patriarchen zum orthodoxen Erzbischof von Prag und der ganzen Tschechoslowakei erhoben. Während eine Mehrzahl der tschechischen Orthodoxen diesem Kurs gefolgt zu sein scheint, regte sich im slowakischen Landesteil Widerstand gegen diese Pläne. Vertreter slowakischer Christen wandten sich erneut an die serbische Kirche, die nun am 25. Sep96

Die Orthodoxe Kirche der tschechischen Länder und der Slowakei

tember 1921 in Belgrad mit Matěj Pavlík (Bischof Gorazd) einen eigenen Metropoliten einsetzte. Im Zuge eines zwischenstaatlichen Abkommens erkannte die Regierung der Tschechoslowakischen Republik am 22. November 1925 die serbische Jurisdiktion an. Die Staatsorgane inszenierten daraufhin einen personellen Umsturz innerhalb der Kirche. In dessen Folge wurde der von Konstantinopel geweihte Erzbischof Savvatij ab- und an seiner Stelle Bischof Gorazd als neues Oberhaupt der Kirche eingesetzt. Als Begründung für diesen Eingriff beriefen sich die Befürworter einer Hinwendung zu Serbien auf einen Verwaltungsakt, mit dem der Ökumenische Patriarch die serbische Kirche als autokephal anerkannt und ihr die orthodoxen Christen auf dem Gebiet des ehemaligen Habsburger-Reiches unterstellt haben soll. Zu belegen ist ein solcher Akt in den Quellen freilich nicht. In gleicher Weise spricht die praktische Politik des Ökumenischen Patriarchats gegen eine solche Vereinbarung. Die negativen Folgen dieses staatlichen Eingreifens in die inneren Angelegenheiten der Kirche lassen sich jedoch bis heute beobachten. Bischof Gorazd nahm nun freilich nach dem Jahr 1925 eine führende Rolle in der tschechischen Orthodoxie ein. Seine Eparchie versorgte er mit liturgischen Büchern, Lehrmaterialien und verschiedenen Bildungsschriften.

6. Die Sonderrolle der östlichen Karpaten Eine Sonderrolle nahm in diesen Auseinandersetzungen der östliche Teil der Republik ein, in dem sich der slavische Ritus seit dem 9. Jh. behauptet hatte – auch wenn in diesem Landesteil gleichermaßen die Užhoroder Union formal in Kraft gesetzt wurde. Daher konnte sich eine orthodoxe Gemeinschaft erst zu Beginn des 19. Jh. wieder festigen. Ein führender Repräsentant dieser Gruppe war der Hl. Aleksej Kabaljuk, der im Jahr 2001 heilig gesprochen worden ist. Für die Wiederbelebung eines orthodoxen Lebens wirkte sich die Unterstützung der Mönche des russischen Klosters des Heiligen Iov Počájevskij, mit einer Druckerei in Ladomírová, aus, das mit dem Segen des Erzbischofs Savvatij gegründet wurde und unter der Leitung des Archimandriten Vitalij (Maksimenko) stand. Sie trugen entscheidend zur inneren Erneuerung der Orthodoxie bei – auch wenn viele Gläubige auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen wie politischen Lage in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderten.

7. Die orthodoxe Kirche im Zweiten Weltkrieg (1939–1945) Die Besetzung der Tschechoslowakischen Republik durch Hitler-Deutschland im Jahr 1938 stellte auch die orthodoxe Kirche vor eine große Herausforderung. Bereits vor dem Einmarsch der deutschen Truppen warnte Bischof Gorazd vor den Gefahren des Faschismus. Nach dem Ende der staatlichen Eigenständigkeit wurden die Verbindungen nach Serbien unterbrochen. Daher unterstellte sich Bischof Gorazd vorübergehend der russischen Exilkirche. Als im Jahr 1942 tschechische Widerstandskämpfer den Stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, 97

Pavel Milko

ermordeten und in der Krypta der orthodoxen Kathedrale von Prag entdeckt wurden, setzte eine besonders schwere Phase der Verfolgung ein. Die orthodoxe Kirche wurde verboten. Am 4. September 1942 wurden Bischof Gorazd und seine engsten Mitarbeiter hingerichtet. Ihre Angehörigen starben in deutschen Konzentrationslagern, wie auch Erzbischof Savvatij. Viele orthodoxen Priester wurden verschleppt.

8. Zwischen Belgrad und Moskau: Die Kirche im kommunistischen Staat Weil mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1939–1945) die östlichen Landesteile Karpato-Russlands an die Sowjetunion fielen, mussten auch die dortigen orthodoxen Gemeinden neu organisiert werden. Sie unterstellten sich der russischen orthodoxen Kirche. Auch die vom Krieg schwer gebeutelte tschechoslowakische Kirche versuchte , sich von der serbischen Kirche frei zu machen, indem sie sich – wie der kommunistische Staat – nach Russland orientierte. Aus der heutigen Sicht erscheint diese Hinwendung gleichsam wie eine natürliche Entwicklung. Doch unterstreicht das Beispiel des A.V. Cervín, wie umstritten diese Politik offenbar war. Denn dieser erbat bereits im Mai 1945 die Weihe eines neuen orthodoxen Erzbischofs. In der Folgezeit übten die staatlichen Organe auf ihn einen besonderen Druck aus. In den Vordergrund drängte sich daher Boris Cerkes, in dem viele den verlängerten Arm des Regimes sahen. Vor diesem Hintergrund entschied die Eparchieversammlung der tschechoslowakischen Orthodoxie am 8. November 1945 in Olmütz das offizielle Ausscheiden aus der serbischen Jurisdiktion. Der Hl. Synod der russischen Kirche befürwortete am 14. Januar 1946 die Aufnahme der tschechoslowakischen Kirche. In Prag wurde ein Exarchat des Moskauer Patriarchats errichtet, dem alle orthodoxen Gemeinden unterstellt wurden. Der Bischof von Prag, Elevferij (Voroncov), wurde zum Erzbischof und Metropoliten erhoeben. Dessen Kirche verstärkten im Jahr 1947 etwa 30.000 orthodoxe Tschechen aus Wolhynien, die ihre Heimat verlassen mussten. Ihrer Zuwanderung wegen wurden am 7. Dezember 1949 eigene Eparchien in Olmütz, Brünn, Preschau und Michalovce errichtet. Um den Priestermangel abzumildern, wurde im Jahr 1948 ein Priesterseminar in Karlsbad errichtet, das jedoch bereits im Jahr 1950 nach Prag verlegt und in die Orthodoxe Theologische Fakultät der Universität umgewandelt wurde. Einen Erfolg erzielte die junge orthodoxe Kirche in ihrem Streben nach Autokephalie; denn am 10. Oktober 1951 entließ der Hl. Synod der russischen orthodoxen Kirche die orthodoxe Kirche der Tschechoslowakei in die Unabhängigkeit. Sie wurde am 8. Dezember 1951 verkündet. Erstes Oberhaupt wurde Erzbischof Elevferij.

9. Die Politik gegen die katholischen Ostkirchen Geprägt wurde die Kirchenpolitik der neuen Tschechoslowakischen Republik auch durch ein staatlicherseits verhängtes Wirkungs- und Tätigkeitsverbot gegen die 98

Die Orthodoxe Kirche der tschechischen Länder und der Slowakei

griechisch-katholische Kirche. Dieser staatliche Eingriff unterstellte eine beachtliche Anzahl an Katholiken zwangsweise der orthodoxen Kirche. Dies kompromittierte die „natürliche“ Rückkehrbewegung nachdrücklich. Als die griechisch-katholische Kirche in der Tschechoslowakischen Republik nach 1968 wieder tätig werden durfte, kehrten daher viele Gläubige in diese katholische Teilkirche zurück.

10. Die orthodoxe Kirche unter kommunistischer Herrschaft Gemeinhin gilt die orthodoxe Kirche in der Tschechoslowakei als besonders konform und mit dem Regime kooperationsbereit. Demgegenüber muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Vertreter der Kirche zu der Zeit der kommunistischen Machtergreifung auf gerade einmal zwanzig Jahre der kirchlichen Eigenständigkeit zurückblicken konnte. Sie erlagen daher leicht der Manipulation durch den kommunistischen Staat und seine geschickt agierenden Behörden. Trotz dieser nicht leichten Periode überlebte die orthodoxe Kirche dank der Tapferkeit und des Glaubens der Geistlichen und Gläubigen. Als Beispiel kann auf das Wachsen der Preschauer Fakultät verwiesen werden, von deren Professoren bedeutende Arbeiten auf dem Gebiet der Liturgiewissenschaft (Kormaník), der Patrologie (Pružinský), der Dogmatik (Belejkanič), der Kirchengeschichte und der Kyrill-MethodForschung (Aleš), aber auch der neutestamentlichen Forschung geleistet wurde. Die heute lehrenden Professoren sind Schüler dieser Gründergeneration. Sie haben teilweise im Ausland studiert, haben Zugang zur internationalen Forschungsliteratur und sind in den aktuellen Diskussionen innerhalb der orthodoxen Theologie gut bewandert.

11. Die orthodoxe Kirche seit dem Umbruch 1989 Seit den Veränderungen, die der Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 mit sich gebracht hat, kann sich die orthodoxe Kirche wieder frei entwickeln. Die staatliche Trennung der ehemaligen Tschechoslowakischen Volksrepublik in einen tschechischen und einen slowakischen Staat hat auch in der Kirche zu der Überlegung geführt, die Kirchenstruktur der staatlichen anzupassen. An Stelle dessen entschied sich der Eparchierat jedoch dafür, zwei selbstständige Metropolieräte einzusetzen und die beiden Erzbischöfe von Prag und Preschau zu Metropoliten zu erheben. Einem jeden von den beiden wurde die Möglichkeit eingeräumt, zum höchsten Repräsentanten der einen gemeinsamen orthodoxen Kirche aufzusteigen. Die „orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei“, wie sie sich seit dem Untergang der Tschechoslowakischen Volksrepublik nennt, wurde am 27. August 1998 vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel in die Autokephalie erlassen. Da der Tomos zur Segnung der Autokephalie des Patriarchats jedoch nicht auf die veränderte kirchliche Struktur eingeht, übergeht die orthodoxe Kirche einzelne der Bestimmungen stillschweigend. 99

Pavel Milko

Heute kann sich die orthodoxe Kirche frei äußern und entwickeln. Eingeschränkt wird sie eher durch den Mangel an geeigneten Kirchenräumen, eine gering bemessene finanzielle Ausstattung und eine niedrige Anzahl von Priesteramtskandidaten und Mönchen. Im Unterschied zu anderen Kirchen wächst jedoch die Zahl der Gläubigen stetig an. Seit dem Jahr 2011 kann man in der Tschechischen Republik orthodoxe Theologie an der Karls-Universität in Prag studieren, und zwar an der Hussitisch-Theologischen Fakultät, an der ein „Institut des östlichen Christentums“ eingerichtet worden ist. An der Spitze der Kirche steht der Metropolit, den die Kirchenversammlung wählt. Der Metropolit übt – zusammen mit der Heiligen Synode – die volle geistliche Kirchenverwaltung aus. Die Heilige Synode wird von Bischöfen gebildet, die den Kirchendienst ausüben. Den Vorsitz führt der Metropolit, der sie mindestens zweimal im Jahr zusammenruft. Vor kurzem wurden alle Eparchialbischöfe zu Erzbischöfen erhoben, im Unterschied zu den Hilfsbischöfen (Vikaren). Das derzeit residierende Oberhaupt der orthodoxen Kirche der tschechischen Länder und der Slowakei ist der Erzbischof von Prag, Kryštof Pulec. Der Erzbischof von Preschau und der ganzen Slowakei ist Ján Holonič, der Erzbischof von Olmütz und Brünn Simeon Jakovljevič und der Erzbischof von Michalovce und Košice Juraj Stránský. Die Hilfsbischöfe sind Jáchym (Hrdý), der Vikar der Eparchie von Olmütz und Brünn, und Tichon, der Bischof von Komárno, der Hilfsbischof der Preschauer Eparchie. Das höchste verfassungsgebende, verwaltungsrechtliche und kirchlich-kanonische Organ der Kirche ist die Synode, die alle sechs Jahre zusammenkommt und den Metropoliten wählt. Der Metropolierat ist das Exekutivorgan der Synode zur Gebietsverwaltung der Kirche. Er versammelt sich mindestens viermal im Jahr. Das höchste Verwaltungsorgan auf der Ebene der einzelnen Eparchien ist die Eparchialversammlung, die sich alle drei Jahre trifft und den Bischof wählt. Ihr Exekutivorgan ist der Eparchialrat, der – ebenfalls – einmal im Quartal zusammentritt. Auf ähnliche Weise werden auch die Pfarrsprengel geleitet. In allen Verwaltungsorganen soll mindestens ein Drittel der Teilnehmer aus den Reihen der orthodoxen Laien stammen. Obwohl nach orthodoxem Verständnis auf dem Gebiet einer autokephalen orthodoxen Kirche kanonisch keine weitere orthodoxe Kirche wirken darf, werden gelegentlich das Bulgarische oder das Moskauer Patriarchat in Tschechien und der Slowakei aktiv. Auch die ukrainische orthodoxe Kirche kümmert sich um ukrainische Christen, die in einem der beiden Staaten leben. Schließlich gibt es auch drei Pfarrsprengel der griechischen Altkalendarierkirche. Daher gestaltet sich heute das kirchliche orthodoxe Leben in Tschechien und der Slowakei als vielschichtig und lebendig.

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Die orthodoxen Kirchen Finnlands und Estlands Aappo Laitinen Aus dem Finnischen übersetzt von Klaus-Jürgen Trabant

1. Die Anfänge der orthodoxen Kirche in Finnland Die ersten christlichen Einflüsse verbreiteten sich in Finnland gegen Ende des ersten Jahrtausends während der Wikingerzeit. Damals trafen die Finnen auf ihren Handelsreisen sowohl in Schweden als auch an den Ufern der Flüsse Russlands auf Vertreter des neuen Glaubens. Vom frühen Einfluss des östlichen Christentums zeugen zahlreiche Wörter, die in der finnischen Sprache Eingang gefunden haben. Finnland und das Baltikum sind zwischen den Hauptströmungen des Christentums gelegen. Von Westen aus sorgten Schweden, Dänen und Deutsche für die Verbreitung des Christentums. Im Osten befand sich dagegen die Handelsrepublik Novgorod, welche das orthodoxe Christentum repräsentierte. Als eine Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen zu Beginn des zweiten Jahrtausends wurden die östlichen Teile Finnlands und der Ostsee zwischen dem westlichen und dem östlichen Christentum aufgeteilt. Der größte Teil des heutigen finnischen Gebiets verblieb im Einflussbereich des schwedischen Reiches und der westlichen Kirche. In den östlichen Teilen des Landes, vor allem in Karelien, lebte jedoch eine kleine orthodoxe Minderheit. Im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit führten Schweden und Russland immer wieder Kriege um die Herrschaft über die östlichen Teile der Ostsee. Im Frieden von Stolbova 1617 gelangten die Gebiete von Ladoga und Nordkarelien unter schwedische Herrschaft. Die Schweden standen vor der Frage, was mit der orthodoxen Bevölkerung des Gebietes geschehen sollte. Man wollte die Orthodoxen nicht lutherisch taufen, also zum offiziellen Glauben des schwedischen Reiches bekehren. Sie konnten daher weiterhin ihre eigene religiöse Tradition ausüben. Auch wenn Finnen und Karelier ihre Sprachen gegenseitig verstanden, hielt man die Karelier vor allem aufgrund ihrer Religion für Russen. Und in der Tat siedelten viele Karelier später nach Russland um, da sie sich von der neuen Obrigkeit oft abweisend behandelt fühlten. Nichtsdestotrotz war die Führung des schwedischen Reiches darum bemüht, sich um die religiösen Bedürfnisse all seiner Bewohner zu kümmern. Die Orthodoxen in den östlichen Regionen des Reiches brauchten Pfarrer, welche aus Novgorod, vom Gebiet des Nachbarreiches, herangeholt wurden. Die Schweden standen der ganzen Angelegenheit aus verständlichen Gründen mit großem Misstrauen gegenüber. So kam es, dass die Anwerbung von Pfarrern aus dem Osten verboten wurde, und König 101

Aappo Laitinen

Gustav II. Adolf beschloss, einen eigenen Bischof für die orthodoxe Bevölkerung des Reiches zu besorgen. Als Bischof stellte man sich einen politisch akzeptablen, der Obrigkeit loyalen Mann vor, dessen Weihe durch den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel erfolgen sollte. Von diesem Plan wurde jedoch Abstand genommen, da Schweden Russland nicht unnötig provozieren wollte. Somit beschafften sich die Orthodoxen auch weiterhin ihre Pfarrer aus dem Osten. Als eine Folge des Großen Nordischen Krieges (1700 – 1721) und anderer Kriege während des 18. Jahrhunderts fielen viele östlich gelegenen Teile des schwedischen Reiches an Russland. In Folge dieser Gebietsabtretungen gelangte der größte Teil der Orthodoxen unter die Jurisdiktion der russischen Kirche. Gegen Ende des Jahrhunderts gab es nur noch 2.700 Orthodoxe in Finnland, deren Priester Russen waren.

2. Die Stellung der Kirche während der russischen Herrschaft Im Winter 1809 führte Russland einen siegreichen Krieg gegen Schweden und eroberte nahezu ganz Finnland. Zar Alexander I. sicherte zu, dass die lutherische Religion, die Privilegien der Stände und die Grundgesetze des Landes nicht gefährdet seien. Finnland wurde jedenfalls zu einem Teil Russlands, dessen orthodoxe Staatskirche vom Zaren mit Unterstützung des wichtigsten Verwaltungsorgans der Kirche, des Heiligen Synod, geführt wurde. Gegenseitige Bekehrungsversuche von Orthodoxen und Lutheranern wurde um des religiösen Friedens willen untersagt. Allerdings brachte der Wechsel von der schwedischen Herrschaft zur russischen Obrigkeit zahlreiche Verbesserungen für die Stellung der Orthodoxen in Finnland mit sich. Sie bekamen u. a. das Recht, Feiertage gemäß ihrem eigenen Kalender zu halten und nicht gleichzeitig mit der lutherischen Mehrheit, wie es früher angeordnet war. Zugleich wurde den aus Finnland gebürtigen oder dort ständig wohnenden Orthodoxen das Recht auf Ausübung öffentliche Ämter erteilt. Die Gesetzesänderungen vom Anfang des 19. Jh. machten die orthodoxe Kirche faktisch zur zweiten Staatskirche in Finnland. Auch wenn sich die Lage der orthodoxen Christen auf Erlassebene verbesserte, verblieben sie doch in vieler Beziehung in einer schwächeren Position im Vergleich zu der lutherischen Bevölkerung. Die orthodoxen Gemeinden in den östlichen Landesteilen Finnlands waren weitab stellten für qualifiziertere Pfarrer keine Verlockung dar. Da der größte Teil der Pfarrer russisch sprach, blieben sie der einheimischen Bevölkerung fremd. Zudem stützte sich das finnische Verwaltungssystem bei der Durchführung lokaler administrativer Aufgaben weitgehend auf Pfarrer und Gemeinden, und die lediglich russisch sprechenden Pfarrer vermochten hier ihren Verpflichtungen nicht nachzukommen. Die lutherischen Pfarrer mussten deshalb diese Aufgaben für sie übernehmen. Dazu kommt noch, dass die Alphabetisierung und die Volksbildung in den östlichen Teilen des Landes schwächer waren als andernorts in Finnland. Verbesserungen gab es allmählich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Entsprechend den Vorschriften der Heiligen Synode begann man, von den Pfarrern einen Nachweis der 102

Die orthodoxen Kirchen Finnlands und Estlands

Kenntnis der finnischen Sprache zu verlangen oder zumindest die ernsthafte Absicht, diese zu erlernen. Auch das Ausbildungsniveau der Pfarrer sollte verbessert werden. Das finnischsprachige Gottesdienstleben begann sich zu entwickeln, aber innerhalb der orthodoxen Kirche gab es weiterhin Spannungen zwischen finnisch-national gesinnten und russischen Mitgliedern. Der Heilige Synod stellte sich hinter die letztere und gründete im Jahr 1892 das Bistum Vyborg, das die in Finnland gelegenen Gemeinden enger an die russische Kirche band. Die sich das Finnentum auf die Fahnen schreibenden Orthodoxen gründeten hingegen im Jahr 1885 die Bruderschaft der Heiligen Sergei und Herman, die eine Zeitschrift mit Namen Aamun Koitto (Morgenröte) herausgab. Die Zeitschrift wurde später zu einem halboffiziellen Organ der Kirche. Die Nationalgesinnten wollten keine Gleichsetzung von Russentum und Orthodoxie, denn die lutherische Mehrheit der Bevölkerung des Landes stand der orthodoxen Kirche mit Misstrauen gegenüber. Im Lande durchlebte man daher während der letzten Jahrzehnte des 19. Jh. eine Zeit, in der die russische Obrigkeit als Unterdrücker auftrat, die das Großfürstentum Finnland zu russifizieren suchte.

3. Die Kirche im selbstständigen Finnland Nachdem Russland 1904 in einen Krieg mit Japan geraten war, brachen im Lande Unruhen aus. Der Druck durch die Erschwernisse des Krieges entlud sich in allgemeiner Unzufriedenheit und Forderungen nach Reformen. Der Zar musste dem nach Reformen verlangenden Volk Zugeständnisse machen und seine eigene Macht einschränken. Ein Generalstreik, der im Herbst 1905 ausbrach, breitete sich bis nach Finnland aus, mit der Folge, dass Finnland ein parlamentarisches Regierungssystem erhielt. Als die Zarenherrschaft 1917 endgültig zerbrach, erklärte sich Finnland für unabhängig. Das orthodoxe Bistum Finnland geriet im Zuge der russischen Revolution und der Unabhängigwerdung Finnlands in wirtschaftliche Not, denn die Zentralregierung der orthodoxen Kirche Russlands war nicht mehr in der Lage, es weiter zu finanzieren. In dieser schwierigen Lage wandten sich die Orthodoxen an die finnische Regierung um Hilfe. Diese stand dem Ansinnen positiv gegenüber und beschloss eine gesetzliche Neuordnung der Stellung der Kirche. Im Herbst 1918 gründete die Regierung daher eine neue orthodoxe Kirchengemeinschaft. Ziel war die Gründung einer nationalgesinnten und selbstständigen autokephalen orthodoxen Kirche. Die oberste Verwaltung der Kirche oblag der Staatsgewalt, doch zugleich erhielt die Kirche gegenüber ihren Mitgliedern das Besteuerungsrecht. Die orthodoxe Kirche erhielt zudem das Selbstbestimmungsrecht in geistlichen und kanonischen Angelegenheiten. In der Praxis verblieb die oberste Entscheidungsgewalt aber doch beim Staat, falls sich Nationalgesinnte und Russischgesinnte in diesen Fragen nicht einigen konnten. Damit war die orthodoxe Kirche in Finnland in starkem Maße eine Staatskirche. Ihre offizielle Stellung wurde sowohl in der Verfassung (sog. Regierungsform) Finnlands als auch im Gesetz über die Religionsfreiheit von 1922, in dem der lutherischen und orthodoxen Kirchengemeinschaft eine Sonderstellung eingeräumt wurde, formal bestätigt. 103

Aappo Laitinen

Gleichzeitig mit der Neuordnung der Stellung der Kirche in der finnischen Gesetzgebung wurde auch eine klare Abgrenzung gegenüber der orthodoxen Kirche Russlands vollzogen. Eine von den Bolschewiken kontrollierte Kirche, die der orthodoxen Kirche von Finnland übergeordnet wäre, wollte man nicht anerkennen. Allerdings meinten die finnischen Orthodoxen auch, dass sich ihre Kirche nicht einseitig für autokephal erklären könnte, sondern dazu eine formale Anerkennung benötigte. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel hieß die Finnen unter seiner Jurisdiktion willkommen, machte aber zugleich deutlich, dass für ihn eine autokephale Stellung der orthodoxen Kirche in Finnland nicht in Frage komme. Die orthodoxe finnische Kirche beugte sich dieser Forderung. Sie wurde daher zwar faktisch autonom, blieb aber im kanonischen Sinne abhängig vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel. Die orthodoxe Kirche Finnlands nahm die finnischsprachige Liturgie und den gregorianischen Kalender in Gebrauch. Die Veränderungen nährten die Zwistigkeiten zwischen finnisch-national Gesinnten und den prorussisch Eingestellten. Der Streit über den Kalender führte sogar zur Ausweisung einiger Mönche des Klosters Valamo aus Finnland. Doch allmählich fand die Arbeit der Kirche stabilere Formen. Ihre Aufgaben konzentrierten sich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen vor allem auf Karelien, wo der größte Teil der orthodoxen Christen wohnte. In den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs (1939–1945) verlor Finnland weite Teile seiner östlichen Gebiete an die Sowjetunion. Die Bevölkerung dieser Gebiete musste ihre Heimat verlassen. Sie wurden in verschiedenen Teilen Finnlands neu angesiedelt. Die Orthodoxe Kirche in Finnland reagierte auf diese Situation, indem sie ihre Arbeit auf ganz Finnland ausdehnte und dort neue Gemeinden gründete. Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau geriet die Kirche in eine staatspolitische Krise, die ihre Wurzeln in der weltpolitischen Lage hatte. Die orthodoxe Kirche Russlands versuchte nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) ihre Oberhoheit über die Kirchen in den Ländern im Nahbereich um die Sowjetunion zu stärken, und das Moskauer Patriarchat forderte auch von der Kirche Finnlands die Rückkehr unter seine Herrschaft. Die Mehrheit der finnischen Orthodoxen lehnte diese Forderung jedoch ab und erhielt dabei Rückendeckung vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Im Jahre 1955 entschied die Orthodoxe Kirche Finnlands, dass für eine Änderung ihrer kanonischen Stellung kein Anlass bestehe. Die kanonische Krise wurde beendet, als das Moskauer Patriarchat die finnische Entscheidung akzeptierte. Nach dem Krieg wurden auch die Verwaltung der Kirche und die Struktur der Bistümer weiterentwickelt. Der Sitz des orthodoxen Erzbischofs wurde in Kuopio angesiedelt, und der zweite Bischofssitz kam von dem an die Sowjetunion abgetretenen Vyborg nach Helsinki. Im Jahre 1979 wurde in Oulu in Nordfinnland ein drittes Bistum der orthodoxen Kirche in Finnland eingerichtet. Vor allem aufgrund von Einwanderung erhöhte sich Anfang des 20. Jh. die Zahl der Kirchenmitglieder und beträgt heute etwa 61.000 Personen. Von diesen sprechen etwa fünf Prozent Russisch als Muttersprache. Daneben gibt es in Finnland einige dem Moskauer Patriarchat unterstehende Gemeinden. Die Frage nach der Stellung der orthodoxen Kirche zum Moskauer Patriarchat löst auch heute noch Diskussionen aus. 104

Die orthodoxen Kirchen Finnlands und Estlands

4. Die Orthodoxe Kirche in Estland Das Christentum gelangte in das Gebiet von Estland etwa zur gleichen Zeit wie nach Finnland, nämlich schon Anfang des 11. Jh. Auch Estland befand sich im Schnittpunkt zwischen der westlichen und östlichen Hauptrichtung des christlichen Glaubens. Anders als in Finnland, handelte es sich bei den Estland missionierenden Kreuzfahrern jedoch überwiegend um Deutsche und Dänen. Der Einfluss der Orthodoxen war dagegen vor allem in Südostestland spürbar. Das erste sich der östlichen Tradition verpflichtet fühlende Kloster wurde 1473 in Petseri (Pečory) gegründet. Der deutschen Herrschaft folgte im 17. Jh. die schwedische, und in Folge des Großen Nordischen Krieges wurde Estland 1721 zu einem Teil Russlands. Die Stellung der Orthodoxie verfestigte sich mit der neuen russischen Oberherrschaft. Die ersten estnischsprachigen Gottesdienste wurden in den 1750er Jahren in Tallinn abgehalten. Allerdings stellte die Orthodoxie nur eine kleine Minderheit im überwiegend lutherischen Estland dar. Die Zahl der Orthodoxen stieg jedoch in den 1840er Jahren an, als sich viele landlose Bauern der Orthodoxie in der Hoffnung zuwandten, dadurch eine Verbesserung ihrer schwierigen Lage erreichen zu können. Es gab nämlich Gerüchte, nach denen zur Orthodoxie Übergetretenen Land geschenkt würde. Schätzungen zufolge konvertierten so mehrere zehntausend Menschen zur Orthodoxie. Auch das im lettischen Riga 1847 gegründete orthodoxe Pfarrerseminar trug mit zur Ausbreitung der Orthodoxie im Baltikum bei. Die Erstarkung des orthodoxen Glaubens zeigte sich auch in der Gründung neuer Klöster in ganz Estland. Am Ende des Jahrhunderts trieb man Maßnahmen einer Russifizierung durch den Bau zahlreicher orthodoxer Kirchen voran. Zu ihnen gehörte auch die in Tallinn gut sichtbar auf dem Domberg (Toompea) errichtete orthodoxe Aleksandr-Nevskij-Kathedrale. Nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) erklärte sich Estland im Jahr 1918 für unabhängig. Das baltische Territorium bildete ursprünglich ein einziges orthodoxes Bistum. Als Auswirkung der russischen Revolution wurde jedoch in Estland ein eigenes Bistum gegründet. Die Orthodoxen im unabhängigen Estland träumten von einer autokephalen Kirche in ihrem Land. Der Plan blieb unerfüllt, aber 1920 bewilligte der Heilige Synod Russlands der estnischen Kirche eine weitgehende interne Autonomie. Wie in Finnland, wurde die orthodoxe Kirche auch in Estland misstrauisch beäugt. Man hielt sie für russisch und die orthodoxen Christen für unzuverlässige Bürger. Vor allem aus diesem Grunde beschloss die Kirchensynode der orthodoxen Kirche Estlands im Jahr 1922, sich vom Moskauer Patriarchat loszusagen. An Stelle dessen wandte sie sich dem ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel zu. Der Ökumenische Patriarch Meletios IV. erkannte die autonome Stellung der Kirche Estlands 1923 gleichzeitig mit der Autonomie der orthodoxen Kirche Finnlands an. Allmählich nahm die Wertschätzung des orthodoxen Christentums in Estland zu. Die Stellung der Kirche wurde auch im estnischen Grundgesetz 1937 anerkannt, wo es heißt, dass der Metropolit des Landes von Amts wegen Mitglied des Oberhauses des Parlaments sei. Diese günstige Entwicklung brach jedoch in Folge des Zweiten 105

Aappo Laitinen

Weltkriegs (1939–1945) und der Besetzung durch die Sowjetunion ab. Die Tätigkeit der Kirche geriet in Schwierigkeiten. Unter den während der Sowjetherrschaft getöteten oder nach Sibirien verschleppten Esten waren sowohl orthodoxe Priester als auch Laien. Zugleich wurde auch die Frage nach der kanonischen Stellung der Kirche aktuell. Unter Leitung des nach Schweden geflüchteten Metropoliten Alexander wurde die sog. Flüchtlingskirchensynode als Repräsentantin der autonomen Orthodoxen Kirche von Estland gegründet. Die in Estland zurückgebliebene orthodoxe Pfarrerschaft kehrte in das Moskauer Patriarchat zurück; und in Estland entstand das Bistum Tallinn der russisch-orthodoxen Kirche, dem diese Priester unterstanden. Während der Sowjetzeit sank die Zahl der Orthodoxen in Estland schätzungsweise auf ein Viertel gegenüber der Zeit vor dem Krieg. Als Estland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 erneut die staatliche Unabhängigkeit erlangte, wurde die Frage nach der Beziehung der estnischen orthodoxen Kirche zu Moskau und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel erneut aktuell. Der Streit zwischen den beiden Patriarchaten blieb ungelöst, und somit gibt es gegenwärtig in Estland zwei orthodoxe Kirchen: Zum einen die dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel unterstehende Apostolische Orthodoxe Kirche Estlands; und zum anderen die zum Moskauer Patriarchat gehörende Estnische Orthodoxe Kirche.

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Die Japanische Orthodoxe Kirche: Orthodoxie im fernen Osten Berislav Župarić Die Geschichte der Orthodoxie in Japan ist jung und gut dokumentiert. Aufgrund ihrer geringen Größe spielte die Japanische Orthodoxe Kirche eher eine marginale Rolle im politischen und gesellschaftlichen Leben Japans, weshalb eine Einmischung des Staates in die Angelegenheiten der orthodoxen Kirche nur selten geschah.

1. Die Anfänge der orthodoxen Kirche in Japan Der Beginn der Orthodoxie in Japan ist unmittelbar mit der Eröffnung des russischen Generalkonsulats im Jahre 1858 in Hakodate, auf der nördlichen japanischen Insel Hokkaido, verbunden. Wenige Jahre zuvor hatten die US-Amerikaner die Öffnung Japans erzwungen und eine über zweieinhalb Jahrhunderte dauernde Abschottung des Inselreiches beendet. Die langjährige freiwillige Isolation der Japaner war eine Methode, sich vor allem vor dem christlichen Fremdeinfluss zu schützen. Die politischen Umbrüche in der japanischen Gesellschaft in den nachfolgenden Jahren (Meiji-Restauration) brachten jedoch eine Modernisierung des Landes mit sich. Diese ermöglichten es christlichen Missionaren erneut, das Land Nippon zu betreten. Der erste orthodoxe Priester auf japanischem Boden, Vater Vasilij Machov, sorgte für die spirituellen Bedürfnisse der Angestellten des eingerichteten russischen Konsulats. Aufgrund einer Erkrankung kehrte er jedoch bereits nach kurzer Zeit nach Russland zurück, woraufhin sich der russische Konsul mit der Bitte um einen jungen und gut ausgebildeten Priester an den Heiligen Synod der Russischen Orthodoxen Kirche wandte. Der Synod entsandte daraufhin den 24-jährigen Nikolaj Kasatkin, welcher als Priestermönch die Reise antrat. Die Geschichte seines Lebens und seiner Taten füllt bis heute die meisten Zeilen in den Büchern über die Japanische Orthodoxe Kirche. Nikolaj erreichte Japan im Jahre 1861 – zu einer Zeit, als missionarische Aktivitäten in dem Land noch unter Todesstrafe standen und die japanische Gesellschaft gegenüber Ausländern zutiefst misstrauisch war. Dank der Ratschläge von Bischof Innokentij Veniaminov, der als Missionar auf der Inselgruppe der Aleuten tätig war und dem Nikolaj auf seiner Reise nach Japan zum ersten Mal begegnete, konnte der junge Mönch viele wertvolle missionarische Anregungen in die Tat umsetzen. Nikolaj setzte sich intensiv mit der japanischen Sprache, Geschichte und Kultur auseinander und begann damit, die Heilige Schrift in das Japanische zu übersetzen – eine Arbeit, die er unbeirrt bis zum Lebensende täglich für mehrere Stunden verrichtete. Sein charismatisches Auftreten und seine überzeugende Art führten dazu, dass, noch ehe im Jahr 1873 die Todesstrafe aufgehoben wurde, die ersten Japaner zur 107

Berislav Župarić

Orthodoxie konvertierten. Nikolajs Aktivitäten wurden offiziell vom Moskauer Patriarchat anerkannt und der Priestermönch zum Archimandriten und Vorsteher dieser russischen orthodoxen Mission ernannt. Im Jahr 1879 erhob Moskau die Mission mit 7.000 Konvertiten in den Rang eines Bistums und Nikolaj wurde zum Bischof geweiht. Die Orthodoxe Kirche in Japan wuchs zu Zeiten des Bischofs Nikolaj (Kasatkin) um etwa 1.000 Konvertiten pro Jahr, so dass man damit begann, orthodoxe Schulen und Kirchen zu errichten. 1884 wurde in Tokyo der erste Grundstein für den Bau der Kathedrale der Heiligen Auferstehung im byzantinischen Stil gelegt. Die im großen Kanto-Erdbeben von 1923 stark beschädigte und wieder aufgebaute Kathedrale ist heute besser bekannt unter dem Namen Nikolai-do – das Haus von Nikolaj. Als Japan und Russland 1904 ihre diplomatischen Beziehungen abbrachen, entschloss sich Bischof Nikolaj dazu, in Tokyo zu bleiben und ermunterte seine Gläubigen für den Sieg des jeweiligen Vaterlandes zu beten und alles zu tun, was deren Vaterland von ihnen erwartete, „nicht aber aus Hass zum Feind, sondern aus Liebe zum eigenen Volk“. Als Russe aber zog er sich während des Krieges aus dem öffentlichen Leben zurück. Für die 70.000 russischen Soldaten, die im Krieg gefangen genommen waren, sorgten russisch sprechende japanische Priester. Bischof Nikolaj verstarb 1912 und hinterließ eine Kirche mit etwa 33.000 Gläubigen, vielen Pfarreien und einem ausgebildeten Klerus. Der Kyoter Bischof Sergej (Tikhomirov) übernahm daraufhin die Leitung der Kirche, doch die politischen Entwicklungen im In- und Ausland bremsten ein weiteres Wachstum der Kirche stark ab. Die Russische Revolution 1917 hatte auch erschwerte Kontakte zur Russischen Orthodoxen Kirche und die Streichung ihrer finanziellen Hilfe für die Mission zur Folge. In der nachfolgenden Zeit der Umbrüche in der Russischen Orthodoxen Kirche blieb Bischof Sergej dem Patriarchat von Moskau weiterhin treu, weswegen er seitens der japanischen Regierung unter Spionageverdacht stand.

2. Die Spaltung der orthodoxen Kirche in Japan Vor dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) nahmen die aggressiven militärischen Tensionen in Japan zu. Auch unter den japanischen Priestern wurden die Rufe nach der Unabhängigkeit von Moskau sowie nach einem eigenen Kirchenvorsteher laut. Als dann 1939 ein Gesetz erlassen wurde, nach welchem die Oberhäupter von religiösen Gemeinschaften ethnische Japaner sein mussten, sah Erzbischof Sergej sich dazu gezwungen, die finanziellen und organisatorischen Angelegenheiten der Kirche abzugeben. Unter dem japanischen Klerus entbrannte daraufhin ein Fraktionskampf um den hohen hierarchischen Posten. Sowohl die japanische Regierung als auch die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland (ROKA) versuchten, einen loyalen Kandidaten durchzubringen. So weihten die Bischöfe der russischen orthodoxen Auslandskirche im Jahr 1941 in Harbin den Priester Johann Ono, der den Namen Nikolaj annahm, zum neuen orthodoxen Bischof der Haupt- und kaiserlichen Residenzstadt Tokyo. 108

Die Japanische Orthodoxe Kirche: Orthodoxie im fernen Osten

Die Spaltung, welche die Bischofsweihe von Nikolaj (Ono) durch die russische Bischöfe in der Japanischen Orthodoxen Kirche hervorgerufen hatte, konnte jedoch schnell beigelegt werden, da das Lokalkonzil der Japanischen Orthodoxen Kirche ihn im Nachhinein offiziell als Vorsteher bestätigte. Nachdem er die Leitung der Kirche übernommen hatte, wandte er sich an den Stellvertreter des russischen Patriarchen, Sergej (Stragorodski), und übertrug die Jurisdiktion an das Moskauer Patriarchat. Im August 1945 kapitulierte Japan und die US-amerikanischen Truppen besetzten das Land. Im großen Interesse der Amerikaner war es auch, die Beziehung zwischen der japanischen und der russischen Kirche zu unterbinden. So verweigerte die Besatzungsmacht die Einreise der zwei von Moskau entsandten Bischöfe und erreichte es schnell, dass die finanziell abhängige Kirche in die Obhut der damaligen US-amerikanischen Metropolie der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland gelangte. Da Bischof Nikolaj (Ono) mit einem kleineren Teil der Gläubigen dem Moskauer Patriarchat treu blieb, kam es erneut zu einer inneren Spaltung der Kirche. Es gab von nun an zwei orthodoxe Bischöfe in Tokyo – einen amerikanischen und einen moskautreuen. Als Bischof Nikolaj (Ono) später die Seite wechselte, bestätigte Moskau den kleinen Rest der ihr treu gebliebenen und von Bischof Nikolaj verlassenen Gläubigen als die Wahre Japanische Orthodoxe Kirche. Diese amerikanisch-russische Spaltung wurde erst mit der Autonomie, die die Japanische Orthodoxe Kirche vom Moskauer Patriarchat im Jahre 1970 erlangte, überwunden. In der Zeit der US-amerikanischen Jurisdiktion wechselten sich insgesamt fünf Bischöfe am Bischofssitz von Tokyo ab – und keiner von ihnen war Japaner. Das Konzil der Wahren Japanischen Orthodoxen Kirche und ihr neues Oberhaupt Bischof Nikolaj (Sayama) waren aktiv bemüht, die Orthodoxe Kirche in Japan zu vereinen und sie in die Obhut der Mutterkirche zurück zu führen. Außerdem wollten sie die Besitztümer der Kirche, die nun von US-amerikanischen Bischöfen verwaltet wurden, auf gerichtlichem Wege zurückerhalten.

3. Die Wiedervereinigung der orthodoxen Kirche in Japan Der Weg für die Wiedervereinigung eröffnete sich plötzlich, als die US-amerikanische Metropolie selbst ihre Beziehung zum Moskauer Patriarchat klärte und auf die weitere Leitung der Japanischen Orthodoxen Kirche verzichtete. Diese Nachricht kam für die beiden Orthodoxen Kirchen in Japan unerwartet. 1969 bat das Konzil der Japanischen Orthodoxen Kirche das Moskauer Patriarchat um die Gewährung der kanonischen Autonomie. Am 10. April 1970 kam der Heilige Synod dieser Bitte nach und sprach außerdem den Gründer der Japanischen Orthodoxen Kirche, Erzbischof Nikolaj (Kasatkin), heilig. Der letzte US-amerikanische Bischof in Japan, Vladimir (Nagosky), wurde in seinem Amt als Vorsteher der Kirche von Japan bestätigt, während die Wahre Japanische Orthodoxe Kirche aufgelöst und ihr Vorsteher, Bischof Nikolaj (Sayama), zum Vertreter des Patriarchen in Japan ernannt wurde. Bischof Vladimir (Nagosky) erklärte ein Jahr später seinen Rücktritt und kehrte nach Amerika zurück. 1972 übernahm der junge einheimische Bischof Theodosius 109

Berislav Župarić

(Nagashima) die Leitung der Kirche und blieb fast drei Jahrzehnte im Amt. Im Mittelpunkt seiner Aktivitäten standen die Ausbildung der Priester und ihre Aufgabe als Prediger in der Kirche. Seine Priester ließ er dennoch zum größten Teil in den orthodoxen theologischen Seminaren in den Vereinigten Staaten von Amerika ausbilden.

4. Die Gegenwart der orthodoxen Kirche in Japan Der heutige Metropolit von Tokyo, Daniel (Nushiro), wurde im Jahre 2000 gewählt. Zur Inthronisation des Bischofs Daniel reiste auch das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Aleksij II, nach Japan. Es war das erste Mal, dass ein Moskauer Patriarch die Japanische Orthodoxe Kirche besuchte. Heute gibt es in Japan drei orthodoxe Bistümer. Das Bistum von Ostjapan in Sendai wird seit dem Jahr 2000 von Bischof Serafim (Tsujie) geleitet und hat knapp über 3000 Gläubige. Das Bistum von Westjapan in Kyoto hat zurzeit keinen eigenen Bischof, der in dieser Stadt residiert, da der Kyoter Bischof Daniel (Nushiro) zum Metropoliten von Tokyo ernannt worden ist. Die Zahl der Gläubigen im Bistum Kyoto liegt bei etwa 2000. Das Erzbistum von Tokyo hat ca. 4500 aktive Mitglieder. Dazu kommen noch die Gläubigen aus den orthodoxen Ländern, die vorübergehend in Tokyo arbeiten. Neben den beiden Bischöfen sind in der Pastoral der Japanischen Orthodoxen Kirche weitere 23 Priester und 12 Diakone in etwa 67 Pfarreien tätig. Zu den größten Herausforderungen der Kirche gehören die Ausbildung von Priestern und Mönchen. Außerdem will man verstärkt der sinkenden Zahl der Gläubigen in Folge der weitgehenden Säkularisierung des Landes entgegenwirken. Die Autonomie der Orthodoxen Kirche in Japan ist seitens des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel und der meisten anderen autokephalen Kirchen nicht anerkannt. Die Liturgie wird in japanischer Sprache gefeiert.

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Die orthodoxen Kirchen in Nordamerika Mark Stokoe Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christian Lange

Heute lebt über eine Million orthodoxer Christen in den Vereinten Staaten in 2.600 selbstständigen Pfarreien und über 50 Diözesen. Sie gehören zu 13 eigenständigen kanonischen „Jurisdiktionen“, die wiederum selbst Verwaltungseinheiten von acht verschiedenen orthodoxen Kirchen darstellen. Diese Zersplitterung der orthodoxen Kirchen mag eine der wichtigsten Erklärungen für die andauernden Debatten sein, welche die Gegenwart der Orthodoxie und der orthodoxen Kirchen gerade in den Vereinigten Staaten von Amerika berühren.

1. Die Anfänge des orthodoxen Christentums in Nordamerika Die ersten orthodoxen Missionare erreichten Nordamerika am 24. September 1794. Obwohl diese Missionsreise nur von sechs Männern unternommen wurde, führte sie trotz mancher Schwierigkeiten rasch zu Erfolgen. Auf Grund des Wirkens von Männern wie German von Alaska († 1837), Jakob Netsvetov († 1864) und Innokentij, dem Metropoliten von Moskau und Missionar von ganz Amerika († 1879), existierte eine eigenständige Diözese mit 12.000 Christen, als das Territorium von Alaska im Jahr 1867 an die Vereinigten Staaten von Amerika verkauft wurde. Nur sieben Jahre später verlegte Bischof John (Mitropolosky) seinen Sitz von Sitka nach San Francisco. 35 Jahre später, im Jahr 1909, gab es bereits einige hunderttausende orthodoxe Christen in Nordamerika. Dieses rasche Anwachsen des Bevölkerungsanteils von orthodoxen Christen ist jedoch weniger ein Ergebnis von missionarischer Tätigkeit, sondern eher von Einwanderung von orthodoxen Christen. Der ad hoc-Charakter dieser Einwanderung, ihre große Anzahl, ihre kulturelle und sprachliche Vielschichtigkeit sowie ihre Absicht, nur wenige Jahre im Land zu bleiben, verhinderte den planvollen Ausbau eines orthodoxen kirchlichen Lebens. Orthodoxe Gemeinden waren in der Neuen Welt eher spontane Angelegenheiten. Die meisten entstanden aus lokalen, weltlichen oder ethnischen „Bruderschaften“, die ursprünglich gegründet wurden, um die Einwanderer aus bestimmten Gegenden zusammenzuschließen – beispielsweise durch ein funktionierendes Bestattungswesen. Als dann Heiraten oder Taufen notwendig wurden, luden diese „Bruderschaften“ Priester dazu ein, in den neuen Gemeinden dauerhaft zu wirken. Das Ergebnis dieses vielfach zu beobachtenden Prozesses war die Entstehung eines sich immer weiter ausdehnenden Netzwerkes von eigenständigen orthodoxen Pfarrgemeinden auf der Basis der ethnischen Herkunft, die 111

Mark Stokoe

von „Ethnarchen“ geführt wurden, d.h. Priestern, von denen man erwartete, dass sie die religiösen, sozialen und kulturellen Aufgabenstellungen lösten, ohne dass es dazu einer übergeordneten bischöflichen Struktur bedurft hätte. Alleine der früheren russisch-orthodoxen Mission in Alaska unter der Leitung des Erzbischofs Tichon, der von 1898 bis 1907 der Kirche von Nordamerika und von 1917 bis 1925 der Kirche von Russland vorstand, gelang es, ein geordnetes kirchliches Leben in traditionellen Formen aufrecht zu erhalten. In den Jahren 1890 und 1891 gelang es beispielsweise Alexis Toth (†1909), 65 unierte katholische Gemeinden zum Übertritt zur orthodoxen Kirche zu bewegen. Dieser beeindruckende Mensch war dazu in der Lage, die einheimischen indianischen Ureinwohner Alaskas, Russen, „unierte“ russische Katholiken, Araber und andere Nordamerikaner in einer funktionierenden Metropolie zu vereinen, der er selbst als Erzbischof in New York vorstand. Für die wachsende Gruppe von serbischen und griechischen Immigranten wurden weitere Gemeinden eingerichtet, die sich ebenfalls der Erzdiözese des Erzbischofs Tichon unterstellten. Deshalb plante Tichon die Etablierung einer eigenen Diözese für Kanada im Jahr 1898. Er gründete im Jahr 1905 das erste orthodoxe Kloster auf nordamerikanischem Boden; und er berief die erste nordamerikanische Synode, den „All-American Sobor“, im Jahr 1907, eine neue Institution der Kircheneinheit für Bischöfe, Kleriker und Laien aus jeder der einzelnen Pfarreien der Erzdiözese von Nordamerika.

2. Die Besonderheit der orthodoxen Kirche in Nordamerika Die Oktoberrevolution (1917), der russische Bürgerkrieg (1918–1922) und der endgültige Sieg der Kommunisten beeinträchtigte jedoch diese Blüte der nordamerikanischen Diözese. Ein organisatorisches wie strukturelles Chaos trat ein, das von inneren Auseinandersetzungen begleitet war. Ukrainische Christen gründeten im Jahr 1918 eine eigene Erzdiözese von Nordamerika, ebenso die Griechen (1921), Serben (1924), Rumänen (1929), Albanier (1932) und Karpatho-Russen (1936). Trotz diesen negativen Begleiterscheinungen waren das die entscheidenden Jahre, die der orthodoxen Kirche in Nordamerika das Gesicht gaben, das sie bis heute prägt. Dies sind eine weitgehende ethnische Homogenität sowie Pfarrgemeinden, die sich eher auf ihre inneren Angelegenheiten konzentrieren, als dass sie sich von aus dem Ausland stammenden Bischöfen hineinreden lassen. Da der so genannte Johnson-Reed Act aus dem Jahr 1924 die weitere Einwanderung in die Vereinigten Staaten einschränkte, waren spätere Einwanderungsschübe von orthodoxen Christen das Ergebnis von politischen Auseinandersetzungen. So flohen in den Jahren vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) etwa 100.000 osteuropäische orthodoxe Christen in die Vereinigten Staaten. Zu ihnen kam die Exilleitung der Russischen Orthodoxen Kirche im Jahr 1946. Als Ergebnis der Auseinandersetzungen um die Insel Zypern gelangten ca. 160.000 griechische Einwanderer in die Vereinigten Staaten. Nach dem libanesischen Bürgerkrieg waren es um das Jahr 112

Die orthodoxen Kirchen in Nordamerika

1980 herum große Zahlen von arabischen orthodoxen Christen, sowie nach dem Zusammenbruch von Jugoslawien in den 1990er Jahren Serben, Makedonier und Albaner. Diese Immigranten verstärkten das ethnische Element in den orthodoxen Pfarrgemeinden – auch gegen den Grundsatz des gesamtorthodoxen Kirchenverständnisses, nach dem es nur eine bischöfliche Hierarchie an einem Ort zur gleichen Zeit geben darf. In Wirklichkeit war eher das Gegenteil der Fall: Mit Ausnahme der Griechen, die ihr Schisma im Jahr 1930 überwanden, sowie der Araber, die dazu im Jahr 1975 imstande waren, ist eine jede der orthodoxen Hierarchien als Ergebnis des „Kalten Krieges“ heute noch gespalten, wobei der eine Teil der Gläubigen die Gemeinschaft mit den alten, historisch gewachsenen Patriarchaten aufrechterhielt, der andere sich hingegen der Exilkirche anschloss. Deshalb verstehen sich heute die meisten der orthodoxen Pfarrgemeinden als ethnisch bestimmt. Sie sehen ihre Aufgabe in erster Linie darin, die ursprüngliche Sprache und Kultur des Heimatlandes in der Fremde zu bewahren. Die einzige Ausnahme von diesem Standardschema stellte die erwähnte Erzdiözese des Bischofs Tichon dar, die nach dem Jahr 1922, dem Jahr des Endes des Russischen Bürgerkrieges, keine weiteren Einwanderungswellen in großem Umfang mehr erlebte. Da es die sowjetischen Machthaber verhinderten, dass die Diözese Kontakt zum Moskauer Patriarchat aufrechterhielt, erklärte sie sich als „vorübergehend autokephal“; und zwar auf dem vierten „All-American Sobor“ im Jahr 1924. Es war gerade diese synodale Versammlung des „All-American Sobor“, die es der nordamerikanischen Erzdiözese gestattete, sich trotz allen Spannungen weiterhin zu behaupten.

3. Die Idee einer eigenen orthodoxen Kirche von Amerika Als in den 1950er Jahren eine neue Generation von US-amerikanischen orthodoxen Kirchenführern wie Georges Florovsky (Dekan 1949–1955), Alexander Schmemann (Dekan 1955–1984) und John Meyendorff (Dekan 1984–1992) heranwuchs, die alle am St. Vladimir’s Seminary in New York wirkten, begann die Idee einer theologisch wie missionarisch wirkenden orthodoxen Christenheit in Nordamerika Früchte zu tragen. Die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden unterschiedlicher Jurisdiktion wurde möglich (von den Gegnern fälschlicherweise als „panorthodoxe“ Bestrebungen verunglimpft), so dass im Jahr 1960 die „Standing Conference of the Canonical Orthodox Bishops of America“ (SCOBA) ins Leben gerufen werden konnte. Auf dieser Grundlage erblühten die orthodoxen Gemeinden an vielen Orten in den 1960er und 1970er Jahren neu auf, die unter anderem auch davon getragen wurde, dass das Englische das Kirchenslavische und andere Sprachen als Sprache der Liturgie ersetzten. Neue Gemeinden wurden gegründet. Protestanten und Katholiken konvertierten zur Orthodoxie. Atheisten traten den orthodoxen Gemeinden bei. Die Erzdiözese hat in jenen Jahren um einen Weg gerungen, um ihren umstrittenen jurisdiktionellen Status zu festigen – und das besonders, seitdem sich ihre Vertreter und die des Moskauer Patriarchats auf den Versammlungen des Weltkirchenrates 113

Mark Stokoe

immer häufiger begegneten. Der betagte Ökumenische Patriarch Athenagoras von Konstantinopel wies einen Anlauf der Erzdiözese im Jahr 1965, die Autokephalie zu gewinnen, mit dem berühmt gewordenen Hinweis zurück, die Nordamerikaner sollten ihre Probleme doch am Besten im Konsens mit dem Moskauer Patriarchat direkt lösen. Zur Überraschung vieler folgte die Erzdiözese diesem Vorschlag, indem sie im Jahr 1970 von der Russischen Orthodoxen Kirche den Status der kanonischen Autokephalie erlangte. Der vierzehnte „All-American Sobor“, der ausdrücklich in der Nähe des Ortes der ersten Versammlung im Jahr 1907, dem St.-Tichon-Kloster, abgehalten wurde, beschloss, die Erzdiözese in die „Orthodoxe Kirche von Amerika“ umzubenennen. Folgerichtig betrachtete er sich selbst als „1st All-American Council“. Innerhalb von nur drei Jahren folgten diesem Zusammenschluss die bis dahin unabhängigen Jurisdiktionen der Rumänen, Bulgaren und Albanier. Während also etwa ein Drittel der historisch gewachsenen orthodoxen Kirchen diesen kanonischen Status der orthodoxen Kirche von Amerika anerkannte, lehnte ihn ein weiteres Drittel ab – insbesondere die Griechische Orthodoxe Kirche. Das dritte Drittel, wie die Griechische Orthodoxe Kirche von Antiocheia, die Rumänische Orthodoxe Kirche oder die Serbische Orthodoxe Kirche, haben es abgelehnt, sich formal zu der Frage zu äußern – womit sie de facto die Autokephalie der orthodoxen Kirche von Amerika anerkannten. Dennoch ist die Orthodoxe Kirche von Amerika heute nur der zweitgrößte Zusammenschluss von orthodoxen Christen in Nordamerika. Zahlenmäßig umfassen ihre Mitglieder nur ein Sechstel der Gläubigen der Diözese des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel. Die griechisch-orthodoxe Erzdiözese ist nicht nur zahlenmäßig die stärkste, sondern auch die finanziell wohlhabendste, die durch das politische Geschick ihrer Anführer die größte Aufmerksamkeit in den Vereinigten Staaten auf sich zieht. Daher hat das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel wenig Interesse daran, die Orthodoxe Kirche von Amerika offiziell als kanonisch anzuerkennen.

4. Die Gegenwartslage Seit der Erklärung ihrer Autokephalie als Orthodoxe Kirche von Amerika ist die Anzahl der Diözesen, Gemeinden, Kleriker, Gläubigen und Klöster dieser orthodoxen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten, in Kanada und in Mexiko stark angewachsen. In ethnischer, sozialer, wirtschaftlicher und geographischer Hinsicht spiegelt diese Kirche Nordamerika wieder. Ihre Kleriker betreuen heute etwa 650 Gemeinden. Sie feiern die göttlichen Geheimnisse in vielen Sprachen. Etwa 150.000 Gläubige sind Konvertiten, darunter eine knappe Mehrheit der rund 700 Priester und acht Bischöfe. Diese Gemeinden sind sehr aktiv im Internet, indem sie für eine gemeinsame orthodoxe Mission, Sozialarbeit und religiöse Erziehung werben. Die Orthodoxe Kirche von Amerika stellt daher einen innerhalb der Orthodoxie einmaligen Versuch dar, die ethnischen und kulturellen Schranken zu überwinden und für eine selbstbewusste, missionarisch wirksame und autokephale orthodoxe Kirche in Amerika zu werben. 114

Die orthodoxen Kirchen mit nicht-kanonischem Status (Ukraine) Thomas Bremer Aus der Reihung der fünf Patriarchate in der Antike entwickelte sich im Lauf der Jahrhunderte innerhalb der Orthodoxie eine kanonische Reihenfolge der autokephalen Kirchen. Nach der Trennung zwischen Rom und den Kirchen des Ostens rückte aus der Sicht der Ostkirchen das Patriarchat von Konstantinopel an die erste Stelle der besonders hervorgehobenen Bischofssitze, gefolgt von Alexandreia, Antiocheia und Jerusalem. Nach der Autokephalie der russischen Orthodoxie wurden dieser Kirche im 16. Jahrhundert der Rang eines Patriarchats und die fünfte Stelle in der Reihung zuerkannt. Später kamen weitere Kirchen hinzu, vor allem in Südosteuropa. Allerdings war die Bedeutung dieser Reihung bzw. des Vorrangs der ersten Kirche oft umstritten. Das lässt sich schon daran beobachten, dass der römische Stuhl im ersten Jahrtausend häufig für sich Zuständigkeiten beanspruchte, die von den östlichen Kirchen nicht anerkannt wurden; die meisten Konflikte zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel gingen aus solchen unterschiedlichen Interpretationen der Rolle des protos hervor. Schon während des ersten Jahrtausends gerieten die reichskirchlichen Patriarchate im Osten (außer Konstantinopel) unter islamische Herrschaft, was ihre Bedeutung erheblich einschränkte. Dazu kam, dass sie durch das Erstarken der nicht-chalcedonensischen Kirchen im 5. und 6. Jh. viele ihrer Gläubigen verloren; eine Entwicklung, die sich fortsetzte, als die neuen muslimischen Herrscher die christlichen Kirchen nicht mehr besonders unterschieden. Faktisch vertrat das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel das östliche Christentum allein, während die anderen Kirchen etwa auf Synoden nur symbolisch vertreten wurden. Nach dem Fall der Kaiserstadt an die muslimischen Osmanen im Jahr 1453 geriet die Kirche von Konstantinopel in eine ähnliche Lage. Deren Patriarch konnte zwar seines Amtes walten und erhielt von den Osmanen noch zusätzliche Aufgaben verliehen, doch hatte er kaum noch politische Einflussmöglichkeiten. Die russische Orthodoxie, die in einem großen und mächtigen Staat mit einem orthodoxen Herrscherhaus lebte, gewann mehr und mehr an Ansehen und Bedeutung. Mehrfach hielten sich Patriarchen des Ostens in Moskau auf, um politische Unterstützung, vor allem aber finanzielle Hilfe zu erlangen. Die russische Kirche, besonders aber die Zaren, verlangten zuweilen Gegenleistungen für ihre finanzielle Unterstützung. Diese Umstände sind zu beachten, wenn historische Gründe für diese oder jene Vorrechte angeführt werden. Die Kirchen konnten damals nicht frei und unabhängig agieren, sondern waren von den politischen Umständen – Osmanenherrschaft, Interessen der Zaren, finanzielle Situation – abhängig. In dieser Zeit war faktisch die Kirche von Moskau die wichtigste unter allen autokephalen orthodoxen Kirchen, selbst wenn die althergebrachte Reihenfolge der Bischofssitze nie geändert und von Moskau immer anerkannt wurde. 115

Thomas Bremer

1. Die Veränderungen im 20. Jahrhundert Mit dem 20. Jh. veränderte sich die Situation noch einmal grundlegend, weil sich die Landkarte der orthodoxen Staaten veränderte. Die südosteuropäischen Staaten hatten fast alle die staatliche Unabhängigkeit erlangt. Fast gleichzeitig begann aber für die russische Kirche ein langes Martyrium, das sie an den Rand ihrer physischen Existenz brachte. Viele orthodoxe Russen emigrierten, andere befanden sich nun in Staaten, die es vorher nicht gegeben hatte (Estland, Lettland) und deren Territorium bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (1914–1918) zum Russischen Reich gehört hatte. Somit entstanden neue orthodoxe Kirchenorganisationen, denen gegenüber sich die russische Mutterkirche unterschiedlich verhielt: Während sie etwa die aus der Emigrantentradition stammende so genannte Auslandskirche rundweg ablehnte (erst 2007 kam es zur endgültigen Versöhnung und Vereinigung der beiden Kirchen), entließ sie die aus russischer Mission entstandene orthodoxe Kirche in Japan 1970 in die Autonomie sowie die „Orthodoxe Kirche von Amerika“ im gleichen Jahr in die Autokephalie. Diese Akte Moskaus wurden allerdings von den anderen orthodoxen Kirchen nicht anerkannt. Im Hintergrund steht hierbei der Anspruch des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, für diejenigen Orthodoxen zuständig zu sein, die nicht in mehrheitlich orthodoxen Staaten leben. Demnach sollten also etwa die Orthodoxen Japans nach der Auffassung des Ökumenischen Patriarchats in kirchlicher Hinsicht dem Stuhl von Konstantinopel untergeordnet sein (weil es eben für Orthodoxe in nichtorthodoxem Kontext zuständig ist), während sie nach russischer Auffassung zum Moskauer Patriarchat gehörten sollten, da sie, wie die Geschichte lehre, aus der russischen Tradition stammten.

3. Die Situation nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Diese Spannung, die in den unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Zuständigkeiten zwischen dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und dem Patriarchat von Moskau zugrunde gelegt ist, hat sich nach dem Ende der Sowjetunion im Jahr 1989 noch einmal verstärkt. Besonders eklatant ist das am Beispiel der Ukraine zu sehen. Doch auch in anderen Republiken der einstigen UdSSR finden sich Konfliktfelder, sei es mit Konstantinopel (wie in Estland), sei es mit der orthodoxen Kirche von Rumänien (in der Republik Moldova). Die Situation wird dadurch noch erschwert, dass sich häufig bei der betroffenen Bevölkerung Aversionen gegen die eine oder die andere kirchliche Jurisdiktion finden lassen, weil sie mit nationalen Kriterien in Zusammenhang gebracht werden. So ist bei den Gemeinden in Estland, die die Oberhoheit des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel anerkennen, ein Widerstand gegen „Moskau“ zu verspüren, weil man die Geschichte des 20. Jh. in diese kirchliche Frage hineinlegt – die Mehrheit der Gemeindemitglieder sind ethnische Esten. Die ortho116

Die orthodoxen Kirchen mit nicht-kanonischem Status (Ukraine)

doxen Gemeinden in Estland, die sich hingegen in Gemeinschaft mit dem Moskauer Patriarchat befinden, bestehen vorwiegend aus ethnischen Russen, die sich ihrerseits nicht von der spirituellen und jurisdiktionellen Verbindung mit ihrer Mutterkirche von Moskau in ihrem usprünglichen Heimatland trennen lassen wollen.

4. Das Problem eines fehlenden anerkannten Verfahrens Diese kurzen Bemerkungen zeigen, dass es in den Kirchen der Orthodoxie kein allgemein anerkanntes Verfahren dafür gibt, wie ein Kirche die Autokephalie erlangen kann, ob durch Zuerkennung durch die bisherige Mutterkirche oder durch einen Akt des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. Zuweilen wird auch argumentiert, dass bislang jede Autokephalie dadurch zustande gekommen sei, dass eine Kirche sie für sich beansprucht habe, und es immer eine mehr oder weniger lange Zeit gedauert habe, bis diese Kirche von den anderen schließlich anerkannt worden sei. Die patristische Begründung für die Autokephalie wird häufig im Kanon 34 der Apostolischen Kanones gesehen, einer Kompilation von Kirchenordnungen, die wohl aus dem späten 4. Jh. stammt. Dort heißt es, dass die Bischöfe eines jeden ethnos einen protos unter sich kennen sollten. Im Verständnis des Begriffs ethnos liegt der Kern des Problems: Meint man damit eine Nation im modernen Sinne, so passt die russische Auffassung viel eher, wonach etwa die Orthodoxen in Estland, die zumeist ja Russen sind, dem Moskauer Patriarchat unterstehen sollten. Versteht man ethnos hingegen als modernen Staat, so gilt die Position von Konstantinopel, da ja Estland ein eigener Staat ist. Allerdings stößt die Interpretation eines spätantiken Begriffs hier an ihre Grenzen und kann daher eigentlich nicht zur Lösung des Problems dienen. Die Orthodoxie wird vielmehr einen Weg finden müssen, Kirchen die Autokephalie zu verleihen, der allgemein anerkannt wird. Dazu ist es notwendig, dass sowohl die legitimen Interessen von Angehörigen einer Nation also auch die eines Staates, auch und gerade die eines jungen Staates, die ihnen gebührende Berücksichtigung und Anerkennung finden.

5. Der Problemfall Ukraine Es gibt wohl kein orthodox geprägtes Land, in dem die kirchlichen Verhältnisse ähnlich unübersichtlich sind wie in der Ukraine. Die kirchlichen und auch politischen Spannungen, die bei der 1020-Jahr-Feier der „Taufe der Rus’“ Ende Juli 2008 zu beobachten waren, machen das etwa deutlich. Die Situation lässt sich ohne einen Blick in die Geschichte nicht verstehen. Daher muss diese kurz skizziert werden.

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5.1 Die Frage der Entstehung Die Bezeichnung „Rus’“ für das Gebiet, das christianisiert wurde, deutet die Problematik schon an: So nannten sich die ostslavischen Stämme, die ihr Zentrum in Kiev hatten und die dort im 10. Jh. von Konstantinopel aus das Christentum empfingen. Durch die Mongoleneinfälle und andere Entwicklungen bedingt, verlagerte sich das Zentrum der „Rus’“ nach Norden, bis es im 13. Jh. in Moskau blieb. Kiev geriet unter wechselnde, meist westliche Einflüsse. Nach russischer Betrachtungsweise handelte es sich bei dieser Entwicklung um eine Verschiebung nach Norden (dafür spricht auch die Tatsache, dass die Metropoliten noch Jahrhunderte nach der Umsiedlung den Titel „von Kiev“ trugen), aus ukrainischer Sicht jedoch um zwei unterschiedliche Entwicklungen: nämlich eine frühe Entstehung von Machtstrukturen um Kiev und eine spätere – davon unabhängige – im Norden. Im 17. Jh. gelangten die Stadt Kiev und Teile der heutigen Ukraine, nach einer längeren Periode unter polnisch-litauischer Herrschaft, bis in das 20. Jh. staatlich zu Russland; die orthodoxe Kirche dort wurde Metropolie des Moskauer Patriarchats und blieb es bis zum Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991.

5.2 Die drei „orthodoxen Kirchen“ Heute gibt es in der Ukraine drei Kirchen, die für sich in Anspruch nehmen, die legitime Heimat der orthodoxen Christen in der Ukraine zu sein. Es sind dies neben der russischen orthodoxen Kirche unter dem Patriarchen von Moskau die „Ukrainische Orthodoxe Kirche“ und die „Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche“. Als der damalige Metropolit Filaret (Denisenko), übrigens der erste Ukrainer seit vielen Jahren auf diesem Sitz, bei der Moskauer Kirchenleitung nicht erreichen konnte, dass die orthodoxe Kirche in der Ukraine autokephal wurde, trat er zunächst von seinem Amt zurück; das Moskauer Patriarchat gewährte der Kirche in der Ukraine einen halbautonomen Status. Nach kurzer Zeit gründete Filaret jedoch seine eigene Kirche, die er die „Ukrainische Orthodoxe Kirche“ nannte und die üblicherweise mit dem Zusatz „Kiever Patriarchat“ gekennzeichnet wird. Er gewann die Unterstützung der Regierung und die einiger Priester und Bischöfe. Nach dem Tod des ersten Patriarchen wurde er selbst zum Patriarchen gewählt. Die Russische Orthodoxe Kirche hat ihn daraufhin laisiert und schließlich aus ihrer Gemeinschaft exkommuniziert. Gleichzeitig trat eine weitere orthodoxe Kirchenorganisation auf, die bislang nur in der Emigration, vor allem in Nordamerika, existiert hatte. Diese „Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche“ war in den Wirren nach der Oktoberrevolution 1917 unter unkanonischen Umständen gegründet worden und hatte nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) im Exil durch die Kirche von Konstantinopel, der sie sich unterstellte, eine ordentliche Hierarchie erlangt. Nun gründete man in der Ukraine selbst Gemeinden und Bistümer und wählte ebenfalls einen Patriarchen. Nach kurzzeitigen Versuchen, mit Filaret zusammenzuarbeiten, spalteten sich beide Kirche im Sommer 1993 endgültig. 118

Die orthodoxen Kirchen mit nicht-kanonischem Status (Ukraine)

5.3 Die Griechisch-Katholische Kirche Dazu kam, dass vor allem im Westen des Landes die griechisch-katholische („unierte“) Kirche erstarkte, die dort bis zum Jahr 1946 dominierte, ehe sie von den Sowjets verboten wurde. Nach dem Ende der sowjetischen Herrschaft traten in kurzer Zeit viele Gläubige und Priester, oft ganze Gemeinde von der (russischen) Orthodoxie zur griechisch-katholischen Kirche über. Die bisher einzige legale Kirche, die des Moskauer Patriarchats, verlor im Westen des Landes einen Großteil ihrer Gemeinden; und auch im Rest des Landes verminderte sich die Zahl ihrer Gemeinden erheblich. Es gab nun also vier Kirchen, neben der griechisch-katholischen drei orthodoxe, die sich auf die östliche Tradition beriefen. Dazu kamen die römisch-katholische Kirche und zahlreiche protestantische Kirchen und kirchliche Gemeinschaften. Von den orthodoxen Kirchen ist nur eine kanonisch in dem Sinne, dass sie von der Weltorthodoxie anerkannt wäre, nämlich diejenige, die in Gemeinschaft mit Moskau steht.

5.4 Die Faktoren, die die Gegenwartslage bestimmen Die Situation der Orthodoxie in der Ukraine wird von mehreren weiteren Faktoren beeinflusst. Einerseits gibt es ein sehr starkes nationales Element; es gibt viele Bewohner des Landes, die sich als Russen oder doch wenigstens als Russischsprachige verstehen (vor allem in den östlichen Regionen und auf der Krim). Für sie ist die Verbindung mit Moskau auch in kirchlicher Hinsicht wichtig. Vor allem im Westen des Landes, in der Region Galizien, herrscht ein sehr starkes ukrainisches Bewusstsein vor. Dort wird die Kirche des Moskauer Patriarchats als „ausländische“ Kirche wahrgenommen, und man hält, soweit man orthodox ist, entweder zum Kiewer Patriarchat, oder, wenn die Person Filaret zu suspekt erscheint, zur autokephalen orthodoxen Kirche. In dieser Region ist auch die Hochburg der griechisch-katholischen Kirche, welche die ukrainische Selbstständigkeit gegenüber Moskau immer betont hat. Neben dem nationalen Element spielt andererseits auch die ukrainische Politik eine wichtige Rolle. Die verschiedenen Regierungen der Ukraine hatten seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1989 immer das Bedürfnis, die Souveränität ihres jungen Staates zu betonen, zumal er im Ausland oft noch im engen Zusammenhang mit Russland gesehen wurde. Eine einzige orthodoxe Kirche auf dem Territorium des ukrainischen Staates würde solche Bemühungen unterstützen; daher haben alle bisherigen Präsidenten (wenn auch auf unterschiedliche Weise) versucht, das Schisma zu überwinden. Wie so oft, wenn politische Faktoren auf kirchliche Dinge Einfluss zu nehmen versuchen, waren diese Bemühungen auch hier nicht von Erfolg gekrönt. Ein weiterer Faktor ist die Rolle des Patriarchats von Konstantinopel. Obwohl es keine offiziellen Äußerungen in dieser Richtung gibt, wird der Ökumenische Patriarch immer wieder von Moskau verdächtigt, die nicht-kanonischen Kirchen in der Ukraine zu legitimieren, indem er sie unter seine Jurisdiktion nehme. Es gibt gewisse historische Gründe, nämlich die kirchliche Oberhoheit Konstantinopels über Kiev bis 119

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zum 17. Jh. sowie eine umstrittene Übertragung der Jurisdiktion auf Moskau, die eine solche Interpretation stützen könnten. Sie werden freilich weniger von Konstantinopel als vielmehr von interessierten Kreisen in Kiev immer wieder angeführt. Im Juli 2008 fanden in Kiev Feierlichkeiten zur 1020. Wiederkehr der „Taufe der Rus’“ statt. Anlässlich dieses Ereignisses kamen sowohl der russische Patriarch Aleksij als auch der Ökumenische Patriarch Bartholomaios in die ukrainische Hauptstadt. Bereits im Vorfeld hatte es heftige Gerüchte gegeben, Bartholomaios werde die nichtkanonischen Kirchen anerkennen. Vor allem der damalige Präsident des Landes Viktor Juschtschenko und sein Apparat haben sehr stark in diese Richtung agiert; dass ihnen die Aufwertung des Status dieser Kirchen am Herzen lag, war offensichtlich, zumal der Präsident aus seiner Sympathie für die Ukrainische Orthodoxe Kirche des Kiever Patriarchats keinen Hehl machte. Kirchlich-kanonische Kriterien spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle. Doch weder traf sich der Ökumenische Patriarch offiziell mit Vertretern der nicht-kanonischen Kirchen, noch gab es sonstige Zeichen der Unterstützung dieser Kirchen. Vielmehr wurde bei der Begegnung der Patriarchen betont, dass die Probleme auf dem Weg des Dialogs zu suchen seien. Es zeigt sich also, dass sich in der Orthodoxie der Ukraine viele der Schwierigkeiten widerspiegeln, die die Orthodoxie generell bewegen: Politische Interferenzen, nationale Ambitionen und unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit die Zuständigkeiten des Patriarchats von Konstantinopel reichen. Nicht nur, aber doch sehr häufig, bestehen diese Konflikte zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und einer anderen autokephalen Kirche. Das ist ein Zeichen dafür, dass die herkömmlichen zwischenkirchlichen Grundsätze und Verfahrensweisen der Orthodoxie in einer sich verändernden Welt nicht mehr genügen, um angemessen auf alle Situationen zu reagieren. Der Weg des Dialogs zwischen den Kirchen würde auch einer großen Zahl von orthodoxen Gläubigen in der Ukraine entgegenkommen, wie eine im Jahr 2007 veröffentlichte Studie zeigt. Zermürbt von den jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Kirchen, bekannten 63 Prozent der befragten orthodoxen Christen in der Ukraine, dass sie sich lieber als einfach orthodox bekennen würden, als sich über die Zugehörigkeit zu einer der genannten Kirchen zu definieren. Wie drängend dieser Aufruf an die orthodoxen Kirchen in der Ukraine ist, verdeutlicht eine weitere Zahl: So bekannten sich in der gleichen Untersuchung 75 Prozent aller Befragten zugehörig zum orthodoxen Glauben. Zeitgleich steigt jedoch die Zahl derjenigen, für die die faktische Pluralität der Kirchen im Moment nicht überwindbar scheint. Die unterschiedlichen Ansichten und Interessen sollten vielmehr in gegenseitiger Akzeptanz und gelebter Toleranz ausgehalten werden – auch dies ein Appell an die Kirchen, die massiven Auseinandersetzungen zu überwinden, um ihre Kräfte vielmehr in der Seelsorge bündeln und konzentrieren zu können. Dieser Beitrag ist eine gekürzte Version eines Artikels des Verfassers mit dem Titel „Zu den Brennpunkten der innerorthodoxen Diskussionen“, publiziert in: Una Sancta 63 (2008), S. 184–193.

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Liturgie und Spiritualität in den orthodoxen Kirchen Basilius J. Groen In den orthodoxen Kirchen gilt die Feier der Liturgie als der Höhepunkt des ChristSeins, des kirchlichen Handelns und des spirituellen Lebens. Geleitet vom Hl. Geist vergegenwärtigen die Gläubigen das Mysterium des Bundes zwischen Gott und seinem Volk: ein Mysterium, das im Leben, im Sterben und in der Auferstehung Jesu Christi sowie in der Gabe des Hl. Geistes und der Erwartung der Wiederkunft des Herrn kulminiert. Insbesondere die Eucharistiefeier wird als der Gottesdienst par excellence bezeichnet; es ist üblich, sie schlechthin als die ‚Liturgie‘ oder die ‚Göttliche Liturgie‘ zu bezeichnen. Die gottesdienstliche Feier wird als so wichtig betrachtet, dass Katechese und Seelsorge vor allem dazu dienen sollen, die gläubigen Menschen zur Liturgie hinzuführen. Die dienende Nächstenliebe muss dann das im Gottesdienst gefeierte Liebesgebot konkret ausführen. Daher könnte man Diakonie – nach dem rumänischen Theologen Ion Bria – auch als ‚Liturgie nach (oder vor) der Liturgie‘ bezeichnen.

1. Der byzantinische Ritus Wenn man von der orthodoxen Liturgie redet, wird oft der Begriff ‚byzantinischer Ritus‘ verwendet. Mit dem Begriff ‚Ritus‘ wird im breiten Sinn das Gesamterbe einer Kirche gemeint: nicht nur die Liturgie, sondern auch das kanonische Recht, die Dogmatik, die moralischen Vorschriften, die Spiritualität und die religiöse Volkskultur. All diese Aspekte beeinflussen einander und bilden in der Regel eine vielgestaltige Einheit. Im engen Sinn kann ‚Ritus‘ auch eine bestimmte liturgische Symbolhandlung bedeuten; so kann man beispielsweise vom ‚Taufritus‘ oder ‚Weihrauchritus‘ sprechen. Die zunächst sehr pluriforme liturgische Landschaft zur Zeit der frühen Kirche orientierte sich allmählich immer mehr auf einige Großstädte wie Alexandreia, Antiocheia, Konstantinopel und Rom und auf die dortigen Kirchenstrukturen. Es entwickelten sich in diesen Zentren und um sie herum im Lauf der Zeit bestimmte Liturgiefamilien, die man je nach ihrem Zentrum ‚antiochenisch‘ bzw. ‚syrisch‘, ‚alexandrinisch‘ oder ‚römisch‘ nennt. Der ‚byzantinische‘ Ritus entstand innerhalb des syrischen/ antiochenischen Ritus, inkorporierte jedoch auch Elemente anderer Liturgiefamilien, insbesondere der Gottesdienste der Hl. Stadt Jerusalem. Zudem übten die Gottesdienstformen der großen Klöster in der judäischen Wüste südlich von Jerusalem (besonders das Sabaskloster) sowie in Konstantinopel selbst (im Besonderen das Studiukloster) auch auf die Liturgie der diözesanen Kathedralen einen großen Einfluss aus: so wurde auch diese mehr monastisch und die Psalmenrezitation, eine überreiche meditative Hymnographie und asketische Bußübungen bekamen auch in den Bischofskirchen 121

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einen hohen Stellenwert. Aufgrund der Fähigkeit der byzantinischen Liturgie, andere Elemente zu integrieren und zu synthetisieren, kann man mit den beiden Liturgiewissenschaftlern Alexander Schmemann und Robert Taft wohl von der ‚byzantinischen Synthese‘ sprechen. Diese Liturgie war also ständigen Veränderungen unterworfen. Auch heute verändert sie sich noch; sie ist nicht statisch, sondern dynamisch. Zurzeit ist der byzantinische Gottesdiensttypus, dem ca. 85 Prozent der Gläubigen angehören, der in den Ostkirchen weitaus am meisten verwendete. Wie kam es dazu? Nach der Gründung der Stadt Konstantinopel und deren Erhebung zur Hauptstadt des (ost-) römischen Reiches ging der Stern dieser Stadt schnell auf. Die älteren Großstädte, Alexandreia in Ägypten und das syrische Antiocheia, wurden vom ‚Neuling’ bald überholt. Nach dem Entstehen der autonomen koptischen und syrischen Glaubensgemeinschaften im 6. Jh. gehörten nur noch wenige Christen in diesen Gegenden der (ost-) römischen Reichskirche an. Diese identifizierten sich allerdings so sehr mit Konstantinopel, dass sie schließlich ihre eigenen liturgischen Traditionen aufgaben und die Riten und Feierformen der (ost-) römischen Hauptstadt völlig übernahmen. Das Spezifikum der koptischen und syrischen Liturgie lebte in den koptischen und syrischen orthodoxen Kirchen weiter, wo es natürlich weiteren Entwicklungen unterlag. Während des 9. Jh. und später nahm der Einfluss Konstantinopels im Bereich der Liturgie, Sakralkunst und Spiritualität noch mehr zu, weil auch die bulgarischen, serbischen, rumänischen und russischen Staaten und Völker die griechische Version des christlichen Glaubens bevorzugten. Trotz zahlreicher kultureller und nationaler Unterscheidungen zwischen den einzelnen orthodoxen Kirchen bilden Liturgie und Spiritualität für ihre Angehörigen das Fundament ihres Glaubens. Der Glaube der Kirche drückt sich in der Liturgie aus. Wer den orthodoxen Glauben kennenlernen möchte, soll an der Feier der Liturgie teilnehmen und die liturgischen Texte und Handlungen studieren, denn dort offenbart sich, was die rechte Lobpreisung bzw. der rechte Glaube (beides: orthodoxia) ist. Im Folgenden sollen einige diesbezügliche Hauptlinien skizziert werdenen.

2. Taufe und Eucharistie Kirchlich-liturgisch betrachtet beginnt das christliche Leben eines neugeborenen Menschen im Prinzip bereits mit dem Namensgebungsritual acht Tage nach der Geburt und mit dem Kirchgang der Mutter vierzig Tage nach der Geburt. Allerdings handelt es sich hier eher um Sekundärriten, die längst nicht immer vollzogen werden.Viel wichtiger sind die Taufe und die damit einhergehende Salbung mit Chrisam (griechisch: Myron), die meistens einige Monate nach der physischen Geburt in ein und derselben Feier vollzogen werden. Entweder gleich danach oder an einem nächstfolgenden Sonntag findet die Erstkommunion statt. Das bedeutet, dass die drei Initiationssakramente in der Regel kurz nacheinander gefeiert werden. Obwohl die übergroße Mehrheit der 122

Liturgie und Spiritualität in den orthodoxen Kirchen

Täuflinge aus Kleinkindern besteht, kommt es durchaus auch vor, dass auch Erwachsene getauft werden. Im Fall von bereits christlich getauften Konvertiten ist die Praxis unterschiedlich: vielerorts reicht die Myronsalbung, andererswo (z.B. auf dem Athos) wird man nochmals, diesmal ‚richtig‘ getauft. Die Feier besteht zunächst aus dem Vollzug einiger Riten, die dem altkirchlichen Katechumenat entstammen, das heißt: der ehemaligen Vorbereitung auf das Christ-Werden. Bei diesen katechumenalen Riten handelt es sich vornehmlich um exorzistische Befehle und Rituale zur Vertreibung des Bösen. Unter anderem sagt der/die zu Taufende dem Teufel ab und wendet sich Christus zu. Dann wird das Taufwasser feierlich geweiht und zubereitet. Der ganze Körper des Täuflings wird mit Olivenöl gesalbt und dann wird er/sie im lauwarmen Taufwasser getauft. Die Taufe geschieht entweder durch dreimalige Immersion oder durch dreimalige Übergießung. Dabei sagt der Priester: „Der/die Diener/in Gottes N.N. wird getauft im Namen des Vaters. Amen; und des Sohnes. Amen; und des Heiligen Geistes. Amen“. Im Anschluss salbt der Priester Stirn, Augen, Nasenflügel, Mund, Ohren, Brust, Hände und Füße der neugetauften Person kreuzförmig mit Myron. Dabei sagt er: „Siegel der Gabe des Heiligen Geistes. Amen“. Das Myron besteht aus einem Olivenöl mit zahlreichen (bis zu sechzig!) Duftstoffen, das in der Regel im Ökumenischen Patriarchat oder den anderen Patriarchaten geweiht wird. Die Zubereitung findet ungefähr alle zehn Jahre in den ersten drei Tagen der Karwoche, die Weihe selbst in der Eucharistiefeier am Gründonnerstag statt. Es folgt bei der Taufe nun die Bekleidung mit einem weißen Kleid, die Überreichung der Kerze und das Scheren einiger Haare; letzteres ist ein Zeichen der Dienst- und Opferbereitschaft. Unter dem Singen eines sich auf die Taufe beziehenden Paulusverses (Gal 3,27) ziehen der Priester und der Pate mit dem/der Neugetauften in einer Prozession um das Taufbecken herum. Dann werden die Schriftlesungen vorgetragen (Röm 6,3–11 und Mt 28,16–20). Bei der im Anschluss oder erst einige Zeit später folgenden Kommunion wird der neugetaufte Christ am konsekrierten eucharistischen Brot und Wein teilhaftig. Es ist offenkundig, dass vor allem im Fall eines Kleinkindes der Rolle der Paten und Eltern große Bedeutung zukommt. Der Pate bzw. die Patin beantwortet die Tauffragen und spricht das Glaubensbekenntnis, zudem führt er/sie die Olivenölsalbung des Täuflings durch. Meistens bezahlt er/sie auch die Tauffeier. Die absolute Mitte des gottesdienstlichen und geistlichen Lebens ist die Feier der ‚Göttlichen Liturgie‘, die – vorzugsweise morgens – an Sonn- und Festtagen sowie an vielen Wochentagen zelebriert wird. Laut der orthodoxen liturgischen Theologie ist diese Feier eine wirkmächtige Symbolfeier, eine eindrucksvolle rituelle Darstellung und Verkündigung des Lebens, der Passion und der Auferstehung des Gottessohnes sowie der Geistgabe und der Erwartung der Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag. Vergangenheit, Heute und Zukunft werden hier miteinander verschränkt. In der Feier verwandelt der Hl. Geist die Opfergaben und die Gemeinde in Leib und Blut Christi. Christus selber ist sowohl der Darbringende als auch der Dargebrachte: Er bringt sich selbst dar und in der Feier wird sein Opfer, seine Selbst-Hingabe vergegenwärtigt. Die Eucharistie stellt für die daran Teilnehmenden das Sakrament des ganzheitlichen Heils und die Verbindung zwischen Himmel und Erde dar. Das Feiern der ‚Göttlichen 123

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Liturgie‘ ist eine profunde Kontemplation ihrer endgültigen Rettung, eine von der Hl. Dreifaltigkeit gegebene Möglichkeit zur Vergöttlichung (= die Vereinigung mit der Gottheit) des heilsbedürftigen Menschen, ein reales Abbild des himmlischen Urbildes. Das letzte ist eine eher neoplatonische Formulierung. In der griechisch-byzantinischen Theologie der Liturgie und Sakramente bedient man sich sowohl der biblischen Sprache als auch der Begrifflichkeit der antiken griechischen Philosophie, insbesondere der christianisierten neuplatonischen Weltanschauung. Die für den byzantinischen Ritus bezeichnende Synthese von Christentum und antikem Erbe lässt sich auch hinsichtlich der gesamten Theologie sowie der bildenden Sakralkunst und Architektur beobachten. Die Eucharistiefeier selbst besteht aus zwei Hauptteilen: a) der ‚Liturgie der Katechumenen‘ und b) der ‚Liturgie der Gläubigen‘: Der Lobpreis „Gesegnet sei das Königreich des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes jetzt und immer und in alle Ewigkeit. Amen“ eröffnet die eigentliche Feier. Danach werden vom Diakon oder dem Priester verschiedene Fürbitten gesungen. Der Chor antwortet „Herr, erbarme Dich“ und wird dies im Lauf der Feier noch häufig tun. Dann singt der Chor abwechselnd einige Antiphonen. Es folgt der ‚Kleine Einzug‘ mit dem Evangelienbuch vom Altarraum durch die nördliche Seitentür der Ikonostase in das Kirchenschiff hinein und durch die zentrale Königspforte der Ikonenwand zurück in den Altarraum. Nach weiteren Gesängen wird der Trisagion-Hymnus („Heiliger Gott, heiliger Starke, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser“) angestimmt. An einigen Sonn- und Festtagen wird stattdessen der Paulusvers Gal 3,27 bzw. das Troparion (Vers) „Rette, Herr, Dein Volk und segne Dein Erbe …“ gesungen. Danach werden eine Epistel aus den neutestamentlichen Briefen oder der Apostelgeschichte und ein Evangelium verlesen. Zurzeit gibt es einen Einjahreszyklus, das heißt: jedes Jahr gibt es im Prinzip etwa die gleichen Episteln und Evangelien. Mancherorts wird gleich nach dem Evangelium gepredigt, oft findet die Predigt erst kurz vor der Kommunion oder sogar am Ende der Feier statt; gelegentlich wird gar nicht gepredigt. Nach weiteren Fürbitten und Gebeten singt der Chor den Cherubim-Hymnus, in dem die Gemeinde dazu aufgefordert wird, wie die Cherubim die Hl. Trinität zu loben, alles Irdische abzulegen und den König der Herrlichkeit zu empfangen. Währenddessen spricht der Hauptzelebrant im Altarraum ein Gebet, in dem er seine Unwürdigkeit Gott gegenüber bekennt und ihn darum bittet, ihn zu reinigen. Dann ziehen im ‚Großen Einzug‘ die Vorsteher feierlich mit den zu konsekrierenden Gaben von Brot und Wein in das Kirchenschiff ein; die Prozessionsroute ist meistens gleich wie beim Kleinen Einzug, manchmal ziehen die Vorsteher durch das ganze Schiff. Vor der Ikonostase sprechen die Vorsteher Fürbitten für die Kirchenführung und andere Stände der Kirche, oft auch für die Zivilbehörden und alle Gläubigen. Im Altarraum tauscht der Klerus den Friedenskuss aus und es wird das Glaubensbekenntnis gesprochen bzw. gesungen. Danach wird das Hochgebet der eucharistischen Darbringung (griechisch: Anaphora) rezitiert. An einigen Orten geschieht dies laut, während anderenorts nur einige Stellen, wie z.B. der Einsetzungsbericht, laut vorgetragen werden und der Rest des Hochgebetes leise verlesen und vom Chorgesang überdeckt wird. In manchen Bistümern wird das laute Vortragen der Anaphora explizit gefördert, weil es sich um den Haupttext mit 124

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einem reichen theologischen Inhalt handelt. Die Anaphora beginnt mit dem Einführungsdialog: „Erheben wir die Herzen“, „Wir haben sie beim Herrn“, „Danken wir dem Herrn“ und „Das ist würdig und recht“. Der Priester sagt Gott Dank und es wird das „Heilig, heilig, heilig, Herr Sabaoth …“ gesungen. Nach einer lobpreisenden Überleitung folgen der Einsetzungsbericht: „Nehmt und esst …“ und „Trinket alle daraus …“, und die die Heilsgeschichte vergegenwärtigende Proklamation: „Gedenkend dieses heilsamen Gebotes … bringen wir Dir (Gott) das Deine vom Deinigen dar…“. Auch die Epiklese ist ein andachtsvoller Höhepunkt: Gott wird feierlich gebeten, seinen Geist auf die an der Liturgie Teilnehmenden und die Gaben herabzusenden und Brot und Wein in Leib und Blut Christi zu verwandeln. Nach der Anaphora und den Fürbitten um Rettung, Sündenvergebung usw. wird das Vater Unser gesprochen bzw. gesungen. Danach zeigt der Priester die eucharistischen Gaben der Gemeinde: „Das Heilige [d.h.: die Gaben] für die Heiligen [d.h.: die Gemeinde]“. Der Chor antwortet: „Einer ist heilig, einer ist der Herr, Jesus Christus, zur Herrlichkeit Gottes des Vaters. Amen“. Nun wird im Altarraum das Brot rituell gebrochen, Brot und Wein werden miteinander gemischt und es wird heißes Wasser als Zeichen der ‚Glut des Hl. Geistes‘ hinzugefügt. Der Klerus kommuniziert und lädt danach die Gemeinde zur Kommunion ein. Diese findet also unter beiderlei Gestalt statt: für den Klerus in getrennter Form, für das ‚Volk‘ in gemischter Form. Während der Priester mit einem kleinen Löffel die konsekrierten Gaben reicht, sagt er: „Der/die Diener/in Gottes N.N. kommuniziert am kostbaren und heiligen Leib und Blut unseres Herrn, Gott und Retters Jesus Christus zur Sündenvergebung und zum ewigen Leben.“ Nach der Kommunion singt der Chor: „Das wahre Licht sahen wir, himmlischen Geist empfingen wir, wahren Glauben fanden wir. Die unteilbare Dreifaltigkeit beten wir an, denn sie hat uns gerettet.“ Gegenüber dem Christusbildnis betet der Priester das Schlussgebet und segnet die Anwesenden. Im Anschluss wird normalerweise das Antidoron ausgeteilt, d.h. liturgisches Brot, das während des Hochgebetes gesegnet worden ist, allerdings nicht mit dem konsekrierten Brot zu verwechseln ist. Im Lauf der Zeit kristallisierten sich zwei Formulare für die Eucharistiefeier heraus: das für die Liturgie des hl. Basilius des Großen und das für die Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus. Ihr Hauptunterschied besteht im anderslautenden eucharistischen Hochgebet sowie in vielen Priestergebeten. Die Chrysostomusliturgie wird am häufigsten gefeiert. Die Basiliusliturgie mit ihrem langen poetischen Hochgebet wird an zehn wichtigen und alten Feiertagen gefeiert: am 24. Dezember und 5. Januar (Vorwegnahme von Weihnachten bzw. Epiphanie), an den fünf Sonntagen der Großen Vierzigtagezeit (aber nicht am Palmsonntag), am Gründonnerstag, Karsamstag (Vorwegnahme von Ostern) und am Fest des hl. Basilius selbst am 1. Januar. Gelegentlich werden noch andere Formulare für die Eucharistiefeier verwendet, zum Beispiel die Liturgie des hl. Gregorius und die des hl. Jakobus, die an ihren Festtagen benutzt werden können. Während der vorösterlichen Fastenzeit wird von Montag bis Freitag normalerweise keine Eucharistie gefeiert. Stattdessen wird an einigen Wochentagen ein spezifischer feierlicher Vesper- und Kommuniongottesdienst abgehalten, in dem die Teilnehmenden kommunizieren können (obwohl vielerorts dies nur wenige tun). Diese Wochentage 125

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sind normalerweise Mittwoch und Freitag in der Großen Vierzigtagezeit – in deren fünfter Woche auch Donnerstag – sowie Montag, Dienstag und Mittwoch in der Karwoche. Nach dem Vesperteil werden die eucharistischen Gaben im Großen Einzug mitgetragen. Dabei handelt es sich, was das Brot betrifft, um bereits in einer vorherigen Eucharistiefeier konsekriertes Brot, während der Wein erst jetzt dem Brot beigegeben und dadurch geheiligt wird. Es fehlen die Anaphora und das Brotbrechungsritual.

3. Das Kirchenjahr Das Kirchenjahr beginnt am 1. September. Das ganze Jahr ist mit religiösen Feiertagen gefüllt und wird durch die unbeweglichen und die beweglichen Feste geheiligt. ‚Unbeweglich’ heißt, dass diese Feste jedes Jahr auf das gleiche Datum fallen. Hier sind im Besonderen zu nennen: Geburt der Mutter Gottes (8. September), Kreuzerhöhung (14. September), Schutz der Mutter Gottes (1. Oktober; in Griechenland: 28. Oktober), Eingang der Mutter Gottes in den Tempel (21. November), Weihnachten (25. Dezember), Epiphanie (Taufe Christi; 6. Januar), Begegnung des Herrn (Darstellung des Herrn im Tempel; 2. Februar), Verkündigung an die Mutter Gottes (25. März), Verklärung des Herrn (6. August) und Heimgang der Mutter Gottes (15. August). Zudem gibt es die Feste prominenter Heiliger, beispielsweise das des hl. Georgs am 23. April, der hl. Konstantin und Helena am 21. Mai, der hl. Apostel Petrus und Paulus und aller Apostel am 29. bzw. 30. Juni, der hl. Paraskeva/Petka am 26. Juli, des hl. Demetrios am 26. Oktober und des hl. Nikolaus am 6. Dezember. Äußerst bedeutsam im Leben einer Pfarrgemeinde und der Klöster ist auch das alljährliche Patroziniumsfest. Am Weihnachtsfest wird des Mysteriums der Menschwerdung des Gottessohnes gedacht. Allerdings ist für viele Orthodoxe – jedenfalls für viele in Südosteuropa und im Mittleren Osten – die winterliche Weihnachtszeit emotional betrachtet weniger bedeutsam als die Frühlingsosterzeit. In Großteilen Russlands, Polens und Finnlands aber ist auch die Weihnachtszeit nicht nur theologisch, sondern auch gefühlsmäßig sehr wichtig. Die Zwölftage-Zeit (die ‚Raunächte‘-Zeit vom 25. Dezember bis 6. Januar) wird durch viele Bräuche gekennzeichnet: unter anderem durch das wiederholte Singen der Kalanda, d.h. für diese Jahreszeit bezeichnende Gesänge zum Segen und Wohl der Zuhörenden (und Spendenden!), durch Geschenke, den Weihnachtsbaum und den Weihnachtsmann, der in Griechenland mit dem Geschenke bringenden hl. Basilius identifiziert wird, ferner durch spezielle Speisen, Neujahr und auch durch die Große Wasserweihe am Epiphaniefest. Am 5. und 6. Januar nämlich wird – im Andenken an die Taufe Jesu im Jordan – Wasser feierlich gesegnet, wobei der Priester ein Kreuz in das Wasserbecken eintaucht. Die Große Wasserweihe vom 6. Januar findet vorzugsweise am Meer, an einem See oder Bach statt. Ein visueller Höhepunkt dieser Feier ist vielerorts das Hineinwerfen eines schönen Metallkreuzes durch den Bischof oder Priester in das Wasser: dies stellt zeichenhaft die Taufe Christi dar. Sobald das Kreuz 126

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untergegangen ist, tauchen junge Männer in das kalte Wasser hinein. Wer als erster das Kreuz an die Wasseroberfläche bringt, überreicht es dem Hauptzelebranten. In Russland nehmen einige Unerschrockene ein Bad in einem ins Eis gehauenen Loch im See oder Teich und möchten so an der heilsamen Wirkung der gesegneten Gewässer teilhaben. Nach der Feier nehmen die Gläubigen das heilige Wasser mit heim und verwenden es dort im Fall von Krankheit oder anderen Nöten zur Heilung und Segnung. Allerdings begehen längst nicht alle orthodoxen Kirchen die ‚unbeweglichen‘ Feste am gleichen Datum. Einige Kirchen (die Patriarchate von Jerusalem, Moskau und Serbien und die Kirchen Georgiens und Polens) sowie die Athosklöster, das Katharinakloster auf dem Berg Sinai und einige andere Gruppen, wie z.B. die nicht-kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirchen und die Gläubigen des Alten Kalenders in Bulgarien und Griechenland, verwenden noch den julianischen Kalender. Die meisten übrigen orthodoxen Kirchen verwenden den gregorianischen Kalender (d.h. den ‚verbesserten julianischen‘ Kalender). Bekanntlich stellt dieser eine revidierte und genauere Jahreszeitberechnung dar, die 1582 vom Papst Gregor XIII. eingeführt und seitdem nicht nur in der westlichen Welt, sondern auch anderswo immer häufiger verwendet wurde. Auch einige traditionell orthodoxe Staaten übernahmen diesen Kalender: unter anderen Bulgarien (ein Verbündeter Deutschlands und Österreichs im Ersten Weltkrieg) im Jahr 1916, die Sowjetunion 1918 und Griechenland 1923. Zurzeit liegt der julianische Kalender dreizehn Tage hinter dem gregorianischen zurück. Das bedeutet konkret, dass man sich, wenn beispielsweise im Moskauer Alltagsleben der 1. Januar gefeiert wird, kirchlich-liturgisch betrachtet, noch in der vorweihnachtlichen Fastenzeit befindet. Der Zyklus der ‚beweglichen‘ Feste des Osterfestkreises wird jedoch von fast allen orthodoxen Kirchen weiterhin nach dem julianischen Kalender gefeiert. Nur die finnische Orthodoxie sowie einige andere kleine orthodoxe Gruppen begehen auch den Osterzyklus nach dem gregorianischen Kalender. So können sie diesen Festkreis gemeinsam mit den anderen christlichen Kirchen in ihrem jeweiligen Land feiern. Mit ‚beweglichen‘ Festen ist also der Osterzyklus gemeint. Dieser Zyklus umfasst zunächst eine vorösterliche dreiwöchige Vorfastenzeit, in der man sich allmählich in den Geist des Fastens einleben sollte. Am letzten Sonntag dieser Vorbereitungszeit bitten die an der Liturgie Teilnehmenden sich gegenseitig um Vergebung und Versöhnung. Es folgt eine vierzigtägige Fastenzeit, dessen erster Tag der Reine Montag und dessen letzter Tag der Freitag vor dem Lazarussamstag ist. Letztgenannter Samstag (vgl. Joh 11,1–44) und der anschließende Palmsonntag markieren den Übergang zur Karwoche, eine strenge Fastenzeit, die nur rein rechnerisch nicht zu den vierzig Tagen gehört. Dann kommen Ostern selber und die fünfzig Tage danach; Höhepunkte nach Ostern sind die beiden Feste von Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Eine Woche nach Pfingsten wird das Allerheiligenfest gefeiert. Zwei auffällige Sonntage der Großen Vierzigtagezeit sind der erste und der dritte: a. Am ‚Sonntag der Orthodoxie‘ wird der Wiederherstellung der Ikonenverehrung im Jahr 843 gedacht. Es wird, meistens nach der Eucharistiefeier, eine Prozession mit Ikonen gehalten, es werden Fürbitten für die Lebenden und die 127

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Toten vorgetragen sowie Textstellen aus der damaligen feierlichen synodalen Erklärung (griechisch: Synodikon) verlesen. b. Bezeichnend für den ‚Sonntag der Kreuzverehrung‘ ist die Verehrung dieser wichtigsten christlichen Reliquie. Sie wird in einer Prozession herumgetragen, besungen und ehrfürchtig geküsst. Eine weitere beliebte Feier der Vierzigtagezeit ist der Gottesdienst des AkathistosHymnos. Es handelt sich hier um einen Gesang zu Ehren der Gottesmutter von hoher Qualität, dessen Text wahrscheinlich aus dem 5./6. Jh. stammt. Dieser aus 24 Strophen bestehende Gesang wird an fünf Freitagabenden gesungen: an den ersten vier Freitagen jeweils ein Viertel und am fünften Freitag der ganze Hymnus. In der Karwoche, die üblicherweise die Große Woche genannt wird, werden das Leiden, der Tod und die Auferstehung Christi ausführlich dargestellt und visuell dramatisiert. So werden diese Ereignisse in gewissem Sinne real vor Augen gestellt und erlebbar: Tatsachen aus der Vergangenheit werden gegenwärtige Ereignisse. Dadurch werden die Gläubigen selbst Teilnehmende und können sich mit den Hauptfiguren des liturgischen Dramas identifizieren. Besonders hervorzuheben sind: –– die Eucharistiefeier des Letzten Abendmahles Christi am Gründonnerstag; –– die Passionsfeier, die neben zahlreichen Hymnen zwölf Evangelien zählt; problematisch sind hier (sowie in einigen anderen Gottesdiensten der Karwoche) aber die Bezeichnung des jüdischen Volkes als ‚Gottesmörder‘ und einige einschlägige Schimpftiraden; –– der Epitaphios-Gottesdienst, in dem Christus gleichsam rituell beerdigt wird, aber gleichzeitig das Paradox des mächtigen Gottes, der durch seinen Tod den Tod besiegt, besungen wird; auf dem mit einem Blumenmeer geschmückten Grabestuch Christi (griechisch: Epitaphios; kirchenslawisch: Plaščanica) ist meistens der gestorbene Christus abgebildet. In der Osternacht wird das Licht der Auferstehung entzündet, das Auferstehungsevangelium (Mk 16, 1–8) verlesen und es klingt wiederholt – die gesamte Osterzeit hindurch – das folgende Troparion (Gesang): „Christus ist von den Toten auferstanden. Durch den Tod zertrat er den Tod und schenkte denen in den Gräbern das Leben.“ Es wird mit roten Eiern gepeckt und es werden Sonderspeisen, wie z.B. das Osterlamm, verzehrt. Die Gläubigen begrüßen sich in der Osterzeit mit den Worten: „Christus ist auferstanden“ und antworten jeweils dazu „Er ist wahrhaft auferstanden“. Fastenperioden spielen im Kirchenjahr eine wichtige Rolle: a. Vorösterliche Fastenzeit (siehe oben). b. Vierzigtägiges Fasten vor Weihnachten: 15. November – 24. Dezember. c. ‚Fasten der Apostel‘: von Montag nach Allerheiligen bis zum 28. Juni. Aufgrund der beweglichen Feste kann diese Fastenzeit lang oder kurz sein. d. ‚Fasten der Mutter Gottes‘: 1.–14. August. 128

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e. 5. Januar (Vorfest von Epiphanie), 29. August (Enthauptung Johannes des Täufers) und 14. September (Kreuzerhöhung). f. Mittwoch und Freitag (aber nicht in der festlichen Zeit zwischen Weihnachten und Epiphanie, in der Osterwoche und der Woche nach Pfingsten). Die Fastenzeit ist nicht nur eine Periode der Enthaltsamkeit, sondern dient auch der Selbstbesinnung, Einkehr und Buße sowie dem Tun von caritativen Werken und der Wiederherstellung von Gerechtigkeit. Ihre Intensität ist aber sehr unterschiedlich: manche fasten streng, andere suchen aufgrund ihrer Familie und ihres Berufes einen Kompromiss, wieder andere fasten kaum oder gar nicht. Was die Enthaltsamkeit von bestimmten Speisen und Getränken betrifft (Fleisch, Fisch, Öl, Eier, Milcherzeugnisse, Bier und Wein), werden für Sonntage und wichtige Feste die Vorschriften gelockert. Was die Woche betrifft, ist der Sonntag als Tag der Auferstehung Christi der Höhepunkt der Liturgie. Die Sonntagsfeier beginnt bereits mit der Vesper am Samstagabend, da laut der traditionellen byzantinischen (und jüdischen) Einteilung von Tag und Nacht ein neuer Tag mit Sonnenuntergang, daher liturgisch betrachtet mit der Vesperfeier beginnt. Jeder Tag hat eine spezifische Bedeutung. Am Montag wird der Engel gedacht, am Dienstag Johannes des Vorläufers (Täufers), am Mittwoch und Freitag der Passion Christi sowie der Mutter Gottes, am Donnerstag der Apostel, der Fußwaschung (vgl. Joh 13,3–17) und des hl. Nikolaus, und am Samstag der Märtyrer sowie der Verstorbenen. Es gibt zwei Samstage pro Jahr, an denen der Verstorbenen besonders gedacht wird: der zweite Samstag der Vorfastenzeit und der Tag vor Pfingstsonntag. Jeder Tag wird durch das Stundengebet geheiligt. Morgens früh werden die Matutin/ Laudes, zum Beginn des Abends die Vesper gebetet und gesungen. Diese Morgen- und Abendgottesdienste sind nicht nur für die Mönche und Nonnen gedacht, sondern finden auch in den Bischofskirchen und großen Pfarrgemeinden statt. Die Kleinen Stunden im Tagesablauf von Prim (Erste Stunde), Terz (Dritte), Sext (Sechste) und Non (Neunte), die Komplet (am Spätabend) und der Mitternachtsgottesdienst werden meistens nur in den Klöstern gebetet und gesungen. Einige Male pro Jahr, beispielsweise am 24. Dezember und 5. Januar, werden die Kleinen Stunden ausführlich und feierlich gebetet; im diesem Fall werden die Kleinen Stunden ‚Große Stunden‘ genannt und auch in vielen Pfarrgemeinden abgehalten. Bezeichnend für die liturgische Praxis der Athosklöster sowie vieler anderer Klöster sind auch die zahlreichen langen Nachtwachen.

4. Trauung, Ordination, Buße, Krankensalbung und Bestattung Für Paare, die eine Ehe eingehen möchten, wird die kirchliche Trauung gefeiert. Der Gottesdienst besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist für die Verlobung bestimmt; bezeichnend dafür ist die Übergabe der Ringe. Der zweite Teil ist die eigentliche Trauung; hier sind die Kränze/Kronen, die dem Paar aufgesetzt werden, auffällig. Obwohl 129

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in Griechenland jetzt eine separate standesamtliche Trauung möglich ist, bevorzugt die große Mehrheit der Brautpaare dort noch immer eine kirchliche Trauung. Ferner sieht die orthodoxe Kirche ein, dass eine Ehe scheitern kann. Aufgrund der Barmherzigkeit Gottes gestattet das kanonische Recht daher die Ehescheidung und eine zweite Ehe. Eine zweite liturgische Trauung, in manchen Fällen sogar eine dritte, ist also möglich. Laut dem Formular ist diese von einem Bußcharakter geprägt. Für zwei Menschen, die in einem Liebesverhältnis zusammenwohnen, ohne verheiratet zu sein, gibt es allerdings keine priesterlich-liturgische Segnung. Die meisten Priester und Diakone sind verheiratet. Dabei müssen sie die Trauung vor ihrer Weihe vollziehen. Auch verwitwete Priester dürfen nicht aufs Neue heiraten; in Reformkreisen wird jedoch zurzeit an eine Veränderung dieser Vorschrift gedacht. Bischöfe können nur aus dem Mönchstand gewählt werden und müssen daher zölibatär leben. Nur Männer können zur Priester- und zur Bischofsweihe zugelassen werden. Es gibt vereinzelte Diskussionen über die Frage, ob auch Frauen zum Presbyterat und zum Episkopat zugelassen werden können. Die meisten Orthodoxen beantworten diese Frage negativ. Bezüglich der Frage, ob das Diakonatsamt für Frauen wieder eingeführt werden kann, kann man jedoch weniger ablehnende Antworten verzeichnen. In Griechenland sind sogar einige Frauen sakramental zur Diakonin geweiht worden. Die schlichte Ordinationsliturgie für die drei unterschiedlichen Stufen des Weiheamtes wird vorzugsweise während der Sonntagseucharistie begangen. Es wird im Prinzip nur eine Person, nicht eine Gruppe von Weihekandidaten ordiniert. Die Hauptelemente jeder Weihe sind die Handauflegung durch den Bischof und Gebete. Das Kerngebet beginnt mit den bezeichnenden Worten: „Die göttliche Gnade, die immer das Schwache heilt und das Fehlende ergänzt, ernennt N.N. … Lasst uns nun für ihn beten, damit die Gnade des Allheiligen Geistes über ihn komme.“ Bei der Bischofsweihe ist die Anwesenheit von drei konsekrierenden Bischöfen erforderlich; während des Weihegebets wird das Evangelium über den Kopf des Kandidaten hingelegt. Der neugeweihte Bischof, Priester oder Diakon wird ebenfalls mit seinen spezifischen liturgischen Gewändern bekleidet. Hinterher bezeugen die übrigen Anwesenden, einschließlich der Gemeinde, ihre Zustimmung, indem sie dreimal „(Er ist) würdig!“ rufen. Anders als in der westkirchlichen katholischen Praxis werden weder Priester noch Bischöfe bei ihrer Weihe mit Myron gesalbt. Fromme und fähige Männer können ebenfalls zum Dienst als Lektor, Sänger oder Subdiakon beauftragt und gesegnet werden. Die Praxis der Beichte ist sehr unterschiedlich. Meistens legt der Priester nach dem Sündenbekenntnis der betreffenden Person die Stola auf dessen Kopf, verrichtet die Lossprechung und er teilt eine eventuell anfallende Bußübung mit. Es gibt auch Beichtväter, die mit ihren Beichtkindern seelsorgliche Gespräche führen und die Lebensprobleme im Geist des Evangeliums zu deuten versuchen. Unabhängig davon, ob man es bedauert oder nicht, muss man feststellen, dass die sakramentale Wiederversöhnung von den meisten Orthodoxen kaum oder nicht wahrgenommen wird und dass sie meistens ‚nur‘ als eine Art Andachtsbeichte vor der Kommunion fungiert. Die Krankensalbung wird in den meisten Fällen nicht für körperlich Kranke gefeiert, sondern sie kann eigentlich jederzeit stattfinden. Insbesondere wird sie zur Vorbereitung 130

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auf das Osterfest gefeiert. Dies geschieht in fast allen Kirchen am Großen Mittwoch (Mittwoch der Karwoche). Ähnliches kann zur Vorbereitung auf die Kommunion am Weihnachtsfest, am pfarrgemeindlichen Patronatsfest und an anderen Festen stattfinden. Priester und Theologen betonen, dass die Salbung der Heilung und Sündenvergebung dient. Viele andere Gläubige sehen in diesem Sakrament ein Mittel, das primär dem Wohlergehen dient, sowohl dem eigenen Wohlsein als auch dem der Familie oder des Hauses. Mancherorts wird aber auch im Fall von Krankheit und in der Todesstunde die kranke oder sterbende Person mit heiligem Öl gesalbt. Sterbenden wird meistens die Kommunion als Wegzehrung gespendet. Es kommt auch vor, dass die Krankensalbung in der Kirche an einem fixen Monatsdatum gefeiert wird oder (im Norden Griechenlands) zu Hause, wenn eine Familie in eine neue Wohnung umgezogen ist. Die Krankensalbung kann also eigentlich jederzeit gefeiert werden, ob nun jemand physisch krank ist oder nicht. Die Lesungen, Gebete und Gesänge schildern, wie Gott sich um den gefallenen und kranken Mensch kümmert und ihn wieder aufrichtet. Das Formular selbst ist lang und erfordert die Teilnahme von sieben Priestern. Nach dem Tod, meistens am nächsten Tag, wird man mit kirchlichen Zeremonien bestattet. Vielerorts gibt es unterschiedliche Formulare für Mönche, Priester, Laien, Männer, Frauen und Kinder, während an anderen Orten nur zwischen Erwachsenen und Kindern unterschieden wird. Die Formulare bestehen aus Psalmodie, anderen Gesängen, Gebeten, Fürbitten, Schriftlesungen (normalerweise 1Thess 4,13–17 und Joh 5,24–30), dem Intonieren der Seligpreisungen (Mt 5,3–12) und dem berührenden Letzten Kuss zum Abschied von der verstorbenen Person. Es wird also keine Eucharistie gefeiert. Am Grab wird vielerorts ein wenig Öl auf den Leichnam geschüttet und auf den Sarg etwas Erde geworfen. Die Hauptthemen des Begräbnisritus sind: die Bitte um Ruhe und Verzeihung für die Seele; Christus als der Herr des Lebens und des Todes; die Vergänglichkeit des Leibes und die Eitelkeit alles Irdischen; der Schmerz der Hinterbliebenen und das ewige Gedenken der verstorbenen Person. Die Kremation wird fast überall abgelehnt. Die orthodoxe Kirchenführung ist nämlich davon überzeugt, dass die Verbrennung der toten Leichname der Gläubigen nicht nur physisch, sondern auch geistlich destruktiv ist; darum ist es Orthodoxen fast überall verboten, das Verbrennen des Leichnams durchzuführen. Trotzdem kommen kirchliche Bestattungsrituale auch gelegentlich bei einer Kremation vor. Das geschieht insbesondere wegen Platzmangels auf den Friedhöfen in Großstädten, kaum auf dem Land. Am dritten und am neunten Tag nach dem Tod findet in der Kirche oder am Grab ein ‚Toten-Dreimalheilig‘ statt: Es werden einige Troparien und Fürbitten gesungen und es wird, wie bei der Bestattung, ein Gebet zum „Gott der Geister und allen Fleisches“ verlesen. Auch am vierzigsten Tag, ein halbes Jahr, ein Jahr und zwei Jahre nach dem Tod und so oft man will, werden Gedenkgottesdienste in der Kirche gehalten. Vielerorts wird danach eine süße Speise (kollyva) aus gequollenen Weizenkörnern, Nüssen und weiteren Ingredienzen an die Anwesenden verteilt und gegessen. Die Feiern von Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung, Trauung und Ordination werden auch mit dem Begriff ‚Mysterien‘ (griechisch: mystêria) subsumiert. In der westkirchlichen Tradition wird dieser Begriff gewöhnlich mit ‚Sakramente‘ 131

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übersetzt, wenn dies auch sprachlich und inhaltlich nicht ganz dasselbe ist. Was die Anzahl der Sakramente betrifft, erkennt auch das orthodoxe Christentum die Siebenzahl an. Auch ist sie davon überzeugt, dass Jesus Christus jedes davon selbst eingesetzt hat. Mit der genauen Siebenzahl, die für die katholische scholastische Sakramententheologie erst seit etwa dem 12. Jh. wesentlich geworden war, wurde die Ostkirche insbesondere auf dem Zweiten Konzil von Lyon (1274) konfrontiert. Allerdings war und ist diese fixe Zahl in der Orthodoxie nicht so wichtig: Gottes Gnade leuchtet ja in einer Vielzahl von gottesdienstlichen Ritualen auf. Auch der Mönchsweihe, Kaiser- und Königssalbung, Myronweihe, Kirch- und Altarweihe, Großen Wasserweihe oder dem Begräbnis maß man sakramentale Qualität bei. Erst im 17. Jh. – dazu vor allem von den konfessionellen Auseinandersetzungen mit dem katholischen und dem reformatorischen Christentum angeregt – legte die Orthodoxie die Siebenzahl mehr oder weniger definitiv fest. Nicht alle Sakramente haben jedoch den gleichen Stellenwert: die Taufe (einschließlich der Firmung) und die Eucharistie sind die weitaus bedeutsamsten. Zudem möchten orthodoxe Theologen eine allzu juristische Sicht in Bezug auf die Sakramente vermeiden. Statt genau zu definieren, wann und wie ein Sakrament ‚gültig‘ sei, möchte man lieber das Kommen der Hl. Dreifaltigkeit in einem konkreten Realsymbol und einem lebensnahen Ritual betonen. Auch hebt man hervor, dass dieses für die Menschen heilsame göttliche Wirken in ‚Zusammenarbeit‘ (griechisch: synergeia) mit dem Menschen geschieht.

5. Sinne und Ikonen In der Liturgie werden die menschlichen Sinne auf vielerlei Weise angesprochen: –– Lesungen, Fürbitten, Zurufe, Gesänge, Glockengeläut und Predigt für den Gehörsinn; –– Architektur, Fresken und Ikonen, Kerzen, lange und komplexe Riten sowie die Einrichtung des gesamten Gotteshauses für das Auge; –– Weihrauch und Chrisam für das Geruchsorgan; –– Kommunion von Leib und Blut Christi in den Gestalten von Brot und Wein und Antidoron für den Geschmack; –– Salbungen mit Öl, das Besprengen mit Wasser und das Küssen der Sakralgegenstände für den Tastsinn. Die in den Gottesdiensten verwendete Sprache stellt jedoch für die Nichtgebildeten häufig ein Problem dar. In der griechischen Tradition verstehen viele das Altgriechische nicht richtig. Auch in der russisch-orthodoxen Tradition verstehen zahlreiche Gläubige das Kirchenslavische nicht gut. In vielen griechischen und manchen russischen Kirchenkreisen wird daher zurzeit darüber diskutiert, ob man die heutige Volkssprache 132

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auch in der Liturgie verwenden müsste. Um dem Problem der Unverständlichkeit zu begegnen, ist es mittlerweile in einigen slavischen Kirchen, unter anderem in der russisch-orthodoxen Kirche, üblich geworden, die Schriftlesungen nicht nur während des Wortgottesdienstes im Kirchenslavischen, sondern kurz vor der Kommunion auch in der Muttersprache zu verlesen. Die rumänische, serbische und georgische Orthodoxie dagegen benutzen das Rumänische bzw. Serbische und Georgische als Liturgiesprache. Das ist namentlich für die Gebete und Schriftlesungen der Fall, nicht immer für die Gesänge. In Westeuropa und Nordamerika ist die Landschaft abwechslungsreich: in einigen Pfarrgemeinden wird die traditionelle Liturgiesprache benutzt, in anderen sucht man bewusst den Anschluss zur jeweiligen Muttersprache. In den orthodoxen Patriarchaten im Mittleren Osten ist die Praxis unterschiedlich: vielerorts wird arabisch gefeiert, aber auch griechisch und jeweilige andere Muttersprachen werden gepflegt. Beim Gebet spielt der menschliche Körper eine große Rolle. Die Gläubigen bekreuzigen sich oft, verbeugen sich aus Ehrfurcht, nehmen an langen Prozessionen teil, zünden Kerzen an und küssen Ikonen. Ikonen sind visuelle Darstellungen von Jesus Christus, der Gottesmutter Maria, von anderen Heiligen, Engeln, Festen und biblischen Ereignissen, die nach den ostkirchlichen Traditionen hergestellt werden. Dabei handelt es nicht nur um auf einem Holzbrett gemalte Abbildungen, sondern auch um Mosaike, Fresken, Metallgravuren oder Bilder auf Papier, die auf einem Brett aufgeklebt sind. Diese Darstellungen kamen erst nach einem ausgedehnten Prozess in der Alten Kirche auf, die Verehrung der Bilder entwickelte sich erst nach und nach und die Diskussion über diese Bilder dauerte über Jahrhunderte hinweg an und wurde manchmal sehr konfliktreich geführt. Vor allem durch den Sieg über die Gegner der Ikonenverehrung (‚Ikonoklasten‘) erhielten die Kultbilder in der Kirche und in der Liturgie einen noch höheren Stellenwert. Seit dieser Entwicklung ist der reale Gebrauch der Ikonen in der liturgischen Feier immer wichtiger geworden. Die Verehrung der Kultbilder wird offiziell legitimiert und theologisch, inklusive Ikonen, mit der Menschwerdung Christi und Gottes einschlägiger Annahme der Materie untermauert. In fast allen Gotteshäusern gibt es ein ikonographisches Programm. An wichtigen Stellen – in der Apsis, der Kuppel, an den Wänden und Türen – befinden sich angemessene Darstellungen, insbesondere der Protagonisten und Hauptereignisse aus dem Alten und dem Neuen Testament. In der Apsis thront oft die Gottesmutter und in der Kuppel Christus der ‚Allbeherrscher‘ (griechisch: Pantokratôr). Auf den Wänden des Altarraums sieht man eucharistische Szenen und führende Kirchenväter; auf den Wänden des Schiffes Bilder der Hauptfeste und der hl. Märtyrer sowie anderer Heiligen. Zudem wird der Altarraum durch die Ikonostase vom Kirchenschiff getrennt. Die untere Reihe dieser Ikonenwand zeigt die am meisten verehrten Ikonen Christi und der Gottesmutter sowie Darstellungen des hl. Johannes des Täufers, des Schutzpatrons der Kirche oder des Erzengels Michael. In einer oberen Reihe sind die Ikonen der Hauptfeste des liturgischen Jahres zu sehen. Auch das ‚Bittgebet‘ (griechisch: Deêsis) bildet häufig eine Sonderreihe. Mit Deêsis ist eine Darstellung des Christus Pantokrator gemeint, an seiner linken und rechten Seite Johannes der Täufer (der ‚Vorläufer‘) und die Gottesmutter. Die beiden Letzteren wenden sich flehend zu Jesus und legen Fürsprache 133

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für die Menschheit ein. Auf der Großen Deêsis werden auch Engel, Apostel und andere Heilige dargestellt. Vor allem in russischen Kirchen sieht man auch eine Reihe für die Propheten und die Vorväter des Alten Testaments. Ganz oben auf der Ikonostase ist ein großes Kreuz angebracht; links und rechts davon stehen meistens Maria und Johannes der Evangelist (vgl. Joh 19,25–27). Insbesondere in Russland durchlief die Ikonostase eine weitere Entwicklung und beinhaltet ein reiches theologisches Programm. Sie reicht dort oft bis unter die Decke und verhindert praktisch den Blick auf den Altar. Ebenso wie in Konstantinopel wurde die Wichtigkeit des Geheimnisses des Altars so stark unterstrichen, dass man der Ansicht war, dieses sei dem Blick der ‚einfachen Gläubigen‘ zu entziehen. Das weist darauf hin, dass auch in der Orthodoxie während des ersten Jahrtausends Prozesse vorkamen, welche die allgemeine Teilnahme der Gläubigen am vom Klerus geleiteten Gottesdienst allmählich zurückdrängten. Insbesondere die aktive Rolle von Frauen wurde immer mehr reduziert; so verschwand beispielsweise das in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends wichtige sakramentale Amt der Diakoninnen fast überall. Ferner wurde der Gottesdienst immer mehr professionalisiert und klerikalisiert, das heißt: vor allem Ritualexperten, wie Priester und Chorsänger, wurden für die Durchführung der Liturgie zuständig. Die sich entwickelnde Trennung zwischen Altarraum und Kirchenraum hat ihren Ursprung nicht nur in dem Wunsch, trotz des großen Andrangs der Gläubigen Ordnung zu bewahren, sondern ist auch auf das Konzept zurückzuführen, wonach das ‚Heiligste vom Heiligsten‘ nur von den Zelebranten und nicht vom ‚Volk‘ betreten werden durfte. Laut der byzantinischen liturgischen Theologie gibt es einen engen Zusammenhang zwischen den gemalten Bildern, der Architektur und Kircheneinrichtung und den vollzogenen gottesdienstlichen Ritualen. Sie sind ein Gesamtgebilde, das die Rettung der Gläubigen symbolisiert, ja von allen, die für das Glaubensmysterium aufgeschlossen sind. Die byzantinische liturgische Theologie betrachtet den Altarraum als ein Symbol des Himmels, des Paradieses und das Schiff als Symbol der Erde. Wenn man die Ikonostase in diesem Licht betrachtet, ist sie nicht nur die Trennung zwischen zwei Räumlichkeiten, sondern auch deren Verbindung. Dann verhüllt die Ikonostase nicht nur, sondern sie offenbart auch. In ihr lässt sich die ganze Heilsgeschichte sehen. Die Gläubigen sind davon überzeugt, dass die Kraft und die Gnade der dargestellten Personen im Bild gegenwärtig seien und dass daher diese Bilder verehrt werden können. Die Ikonen haben also für die Gläubigen eine quasi-sakramentale Bedeutung: das sichtbare Bild ist Träger einer göttlichen Wirklichkeit und Symbol der Transzendenz, es ist gleichsam ein ‚Fenster zur Ewigkeit‘, besser gesagt: ein ‚Fenster der Ewigkeit zur Menschheit‘. Ikonen sind eine liturgisch-spirituelle Theologie in Bildern. Sowohl in der Liturgie als auch in der Ikonenverehrung handelt es sich um die Erfahrung der Präsenz Gottes, um das neue Leben. Man könnte sogar sagen, dass die Liturgie selber eine Ikone ist. Wenn die Gläubigen die Liturgie feiern, sind sie die Träger des Bildes Gottes, eine vom ‚Ewigen Schoß des Erbarmens und der Gerechtigkeit‘ zusammengerufene Gemeinschaft. Die gemalte Ikone stellt dar, was Gläubige im Gottesdienst feiern. Viele Gläubige besitzen zu Hause eine eigene Ikonenecke, vor der sie sich verbeugen, bekreuzigen oder in der Früh ein Licht entzünden. Dort können sie ganz in Ruhe 134

Liturgie und Spiritualität in den orthodoxen Kirchen

ein persönliches Gebet sprechen, was während der formellen Feiern in der Kirche nicht immer möglich ist. Mit Hilfe dieser Bilder werden Kinder oder Gäste gesegnet. Auch Mönche und Nonnen haben natürlich eine Ikonenecke in ihrer Zelle, vor der sie beten und meditieren können. Reisende können unterwegs kleine Reiseikonen mit sich führen. In vielen Autobussen oder Taxen in Ost- und Südosteuropa und im Mittleren Osten befestigt der Fahrer vor sich nicht nur die Bilder seiner Sporthelden, sondern auch einige kleine Ikonen und ein Abwehrmittel gegen den ‚bösen Blick‘. Die kleinen Ikonen stellen hier nicht nur ein Frömmigkeitszeichen, sondern auch eine Art von Talisman für den Fahrzeuglenker dar. In der religiösen Volkskultur gibt es noch zahlreiche andere existentiell bedeutsame Bräuche.

6. Das Mönchtum und die Moderne Ein bedeutsames Merkmal orthodoxer Spiritualität ist der Rückzug aus der geschäftigen Welt und das Führen eines asketischen Lebens in einer klösterlichen Gemeinschaft. Klöster haben sich im Lauf der Jahrhunderte immer wieder zu hervorragenden Bildungsorten, die für die kulturelle und geistige Identität der jeweiligen Nation sehr wichtig waren, entwickelt. Bulgarische, serbische und zypriotische Klöster zum Beispiel sind also nicht nur Besinnungs- und Wallfahrtsorte, sondern auch Stätten, die für das literarische Erbe, die bildende Kunst und die nationale Identität äußerst bedeutend sind. Nach einer Probezeit legen Mönchs-Kandidaten und Nonnen die drei Gelübde von Gehorsam, Jungfräulichkeit und Besitzlosigkeit ab. Ihnen werden Haare geschoren, sie werden mit der monastischen Gewandung eingekleidet, bekommen einen neuen Namen und unterstehen weiterhin dem Abt bzw. der Äbtissin. Es gibt viel mehr Nonnen als Mönche. Jene, die durch viel Askese gereift sind, können später mit dem Großen Habit, auf dem die Leidensattribute Christi abgebildet sind, bekleidet werden. Einige Altväter (in der russischen Tradition: Starzen) dienen als Beichtväter und geistliche Begleiter, nicht nur für die eigene Gemeinschaft, sondern vor allem für Frauen und Männer, die in der gewöhnlichen Welt leben und sich an die Altväter um Lebensberatung wenden. Es gibt auch renommierte Altmütter mit zahlreichen geistlichen Kindern. Die meisten Klöster unterstehen dem Diözesanbischof, manche unmittelbar dem Patriarchen. Sie befinden sich nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Großstädten. Obwohl es keine Orden und Kongregationen wie im katholischen Westen gibt, können zwischen den orthodoxen Klöstern sehr wohl unterschiedliche Spiritualitätsformen existieren: das eine Haus spezialisiert sich mehr auf die Ikonenkunst, das andere auf die Erforschung der Schriften der Kirchenväter und anderer Manuskripte, wieder ein anderes auf Gesprächsseelsorge oder Obstbau. Zudem wird in einem Kloster das gemeinsame Leben betont, sowohl das gemeinsame Essen und Arbeiten als auch die gemeinsamen Gottesdienste im Tagesablauf, während im anderen jede/r sein oder ihr eigenes Leben führt und man nur für die Liturgie an Sonn- und Festtagen zusammen135

Basilius J. Groen

kommt. Einige andere wohnen völlig allein als Einsiedler; die Bedingung dazu ist eine erfahrene und gereifte Persönlichkeit. All diesen Kategorien gemeinsam ist jedoch das Leben in Askese, Besinnung und Teilnahme an der gemeinschaftlichen Liturgie. Ein wichtiger Akzent in der liturgisch-spirituellen Theologie ist die Betonung allumfassender menschlicher Erfahrung mit Gott, also nicht nur der Vernunft, sondern des ganzen Wesens. Betont wird gleichzeitig die Erkenntnis, dass Gott alles Menschliche übersteigt und unfassbar ist. Der hl. Gregorios Palamas (1296–1359) verteidigte den Hesychasmus gegen Kritiker, die der Meinung waren, dass man den transzendenten Gott nicht leibhaft erkennen könne. Palamas unterscheidet zwischen dem unfassbaren Wesen Gottes und den Energien Gottes. Obwohl Gottes Wesen unerkennbar ist, sind seine Energien erfahrbar für Menschen, die den geistlichen Weg des Hesychasmus gehen und aufgeschlossen für Gottes Wirken an der Liturgie teilnehmen. Die spirituelltheologischen Auffassungen von Gregorios Palamas wurden später unter der Bezeichnung Palamismus subsumiert und übten während der zweiten Hälfte des 20. Jh. in der orthodoxen Theologie teilweise einen großen Einfluss aus. Die orthodoxen Mönche und Nonnen verstehen sich oft als Träger/innen der genuin christlichen Tradition. Sie studieren die Schriften der Kirchenväter, Wüstenväter und -mütter sowie die Philokalia und pflegen und feiern sorgsam die Liturgie. Einige von ihnen kombinieren dies mit dem Verfassen von öffentlichen Manifesten, in denen der moderne Zeitgeist angeklagt wird und ‚Ketzereien‘ wie Multikulturalität, Synkretismus, Ökumenismus und interreligiöse Dialoge verurteilt werden. In den traditionell orthodoxen Gebieten in Osteuropa steht die monolithische Volkskirche mit einer intensiven Partizipation an den pfarrgemeindlichen liturgischen Kernfeiern heutzutage unter großem Druck. Moderne gesellschaftliche Prozesse wie Individualisierung, Detraditionalisierung und Pluriformisierung begegnen auch in jenen Gebieten. Die Frage ist legitim, ob es die fast die gesamte Bevölkerung umfassende liturgische Volkskirche dort überhaupt noch gibt. In Russland, Griechenland oder Bulgarien ist man immer mehr mit kleinen Kerngemeinden und einer großen pluriformen Gruppe von orthodox getauften Christen um diese herum konfrontiert. Ein wichtiger Punkt betrifft die Frage, ob eine Liturgiereform in der orthodoxen Kirche wünschenswert oder notwendig ist. Eine offizielle Liturgiereform kann in der Orthodoxie nur von der jeweiligen Heiligen Synode durchgeführt werden. Doch möchte kaum eine orthodoxe Kirche im Alleingang die Liturgie revidieren; man möchte diese Entscheidung einem großen pan-orthodoxen Konzil überlassen. Die Einberufung dieses Konzils kommt dennoch nur sehr schleppend voran. Zudem gibt es einflussreiche Gruppen, die zu Unrecht behaupten, dass die liturgische Tradition unveränderlich sei und dass sämtliche überlieferte Texte und Riten zum Wesen des Gottesdienstes gehören. Spiritualität hat mit An- und Zueignung zu tun. In einem langen Prozess lernt man eine passende Lebenshaltung. Das gilt auch für die ‚Schule‘ der Liturgie, die auf ein anderes Fühlen, die innere Umkehr der Teilnehmenden hinzielt. Die Schule der vom Hl. Geist geleiteten Spiritualität bewirkt Veränderungen, eine Katharsis, und trägt zum Verbundensein miteinander sowie zur Begegnung der Gemeinde mit dem Gottesmysterium bei, so dass dies erfahrbar wird: „Das wahre Licht sahen wir“. 136

Orthodoxe Theologie der Gegenwart und moderne Fragen Assaad Elias Kattan Mit der Notwendigkeit, sich mit Fragestellungen zu beschäftigen, die der Kontakt mit der europäischen Moderne aufwarf, wurde die orthodoxe Theologie in der zweiten Hälfte des 19. Jh. intensiv konfrontiert. Dies geschah vor allem im zarischen Russland, wo eine zunehmende Industrialisierung und die damit einhergehende Entstehung eines Bürgertums und einer liberal denkenden intelligentsia den Weg für eine Auseinandersetzung mit modernen Fragen ebneten. Dazu zählte etwa die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Freiheit oder nach Bedeutung und Wert des religiösen Pluralismus. Im russischen religiösen Denken an der Schwelle des 20. Jh. lässt sich das Sich-Einlassen auf die durch die Moderne hervorgerufenen Fragestellungen in unterschiedlicher Intensität beobachten. Die Theologie der geistlichen Akademien, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einen Aufschwung erlebten, unterscheidet sich zwar wesentlich vom Anliegen eines „Religionsphilosophen“ wie Vladimir Solov’ev (1853–1900), der, durch die westliche Philosophie herausgefordert, eine allumfassende Synthese von Theologie, Philosophie und Wissenschaft zu erarbeiten suchte. Doch auch in der Akademietheologie ist eine Rezeption und kritische Auseinandersetzung mit der westlichen Theologie deutlich zu spüren. Als Beispiel für ein genuines Interesse am Dialog mit der Moderne kann der russische Priester und Theologe Alexander Bucharev (1824–1871) angeführt werden. Obwohl Bucharev weniger ein spekulativer Denker als ein biblischer Theologe war, der für einen breiten Leserkreis schrieb, versuchte er, Theologie und Kunst zu verknüpfen, und plädierte für eine Öffnung der Philosophie, vor allem dem deutschen Idealismus gegenüber. Die letzten Dekaden vor der bolschewistischen Revolution im Jahr 1917 stehen für eine russische Renaissance in Philosophie, Literatur und Musik. Den damaligen russischen Intellektuellen und Künstlern gelang es, ein kulturelles Paradigma zu liefern, das mit den westeuropäischen Modellen in Paris, London, Berlin oder Wien zu konkurrieren vermochte. Kurz nach der Revolution aber wurden führende Persönlichkeiten der russischen intelligentsia, darunter Philosophen und Theologen, dazu gezwungen, ihr Heimatland zu verlassen und in Westeuropa Zuflucht zu finden. So etablierte sich zu Beginn in Frankreich, später in den USA, eine orthodoxe Theologie russischer Herkunft, die sich zum Hauptmotor orthodoxen theologischen Denkens im 20. Jh. entwickelte. Institutionell organisierten sich die russischen Diaspora-Theologen um das 1925 von russischen Emigranten gegründete theologische Institut Saint Serge. Im Jahre 1938 wurde in New York das Saint Vladimir’s Theological Seminary gegründet und zog nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) namhafte russische Theologen und Religionsphilosophen an. Dieser russischen Schule in der Diaspora verdankt die orthodoxe Theologie des 20. Jh. vieles an Erneuerungskraft sowie bahnbrechende theologische Ansätze. So entdeckte man die Verankerung der Ekklesiologie in der 137

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Eucharistie wieder, öffnete sich der anbrechenden ökumenischen Bewegung und setzte sich kreativ mit der westlichen Kultur auseinander. Zu den Hauptvertretern der orthodoxen Diaspora-Theologie russischer Prägung gehören Namen wie Sergej Bulgakov, Georges Florovsky, Nikolaj Afanasiev, Vladimir Lossky und Paul Evdokimov, später auch Alexander Schmemann und John Meyendorff. Thematisiert werden im Folgenden vier Bereiche, die sich für die heutige Debatte innerhalb der orthodoxen Theologie als besonders wichtig erweisen. Sie sollen als Beispiel dafür dienen, was orthodoxe Gegenwartstheologie beschäftigt. Konkret wird es zunächst um die sogenannte „neopatristische Synthese“ gehen, deren Bedeutung für das Verstehen heutiger orthodoxer Theologie nicht genug betont werden kann. Anschließend werden drei Themenkomplexe behandelt, an denen sich erkennen lässt, inwiefern und wie sich heutige orthodoxe Theologie auf neue Herausforderungen und Fragestellungen einzustellen vermag. Hierbei handelt es sich um die Auseinandersetzung orthodoxer Theologie mit Hermeneutik, um die Positionierung orthodoxer Theologen zur Frage nach dem Frauenamt und um den Beitrag zur Religionstheologie.

1. Die neopatristische Synthese Die orthodoxe Gegenwartstheologie ist stark von einem Modell theologischen Denkens geprägt, das auf Georges Florovsky (1893–1979) zurückgeht. Auf dem ersten internationalen Kongress für orthodoxe Theologie, der vom 29. November bis zum 6. Dezember 1936 in Athen stattfand, rief Florovsky zu einer neuen patristischen Synthese auf, etwas, was später als „neopatristische Synthese“ bezeichnet wurde. Florovsky war der Ansicht, dass die orthodoxe, vor allem die russische Theologie in der Moderne unter dem Einfluss westlicher Kategorien und Denkmuster verfremdet worden sei. Eine Befreiung von dieser Entfremdung schien ihm nur durch eine Rückkehr zum Geist der Kirchenväter möglich. Florovsky äußerte sich zwar so gut wie nie ausführlich darüber, was unter diesem Geist zu verstehen sei. Ihm ging es aber keineswegs um eine imitative Wiederholung patristischer Aussagen, sondern um einen kreativen Umgang mit der Tradition, der die orthodoxe Theologie dazu befähigen sollte, den gegenwartsbezogenen Fragestellungen des modernen Menschen gerecht zu werden. Bei der Rückkehr zum Geist der Väter hatte Florovsky zudem nicht nur eine methodische Option der theologischen Wissenschaft im Sinn, sondern auch eine spirituelle Erneuerung der gesamten Kirche. Dieser von Florovsky verkündigten Synthese liegt eine besondere Wertung des griechischen Elements im Christentum zugrunde. Denn seine Ausführungen auf dem Athener Kongress legen die Überzeugung nahe, die griechischen Kirchenväter hätten in ihrer Weise, sich die griechische Kultur anzueignen, ein allgemeingültiges und für alle Zeiten verbindliches Modell geliefert: „Der Hellenismus“, schreibt Florovsky, „ist eine beständige Kategorie der christlichen Existenz“ (Patristics, S. 242). Florovskys Aufruf in Athen nahm später programmatischen Charakter an. Für ihn selbst ging es 138

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jedoch nicht darum, sich vom Westen bzw. von modernen Fragen abzuwenden; vielmehr erstrebte er, ihnen anders zu begegnen: „Zu den Vätern zurückzukehren heisst (sic) jedoch nicht, aus der Gegenwart oder aus der Geschichte verschwinden, vom Schlachtfelde abtreten. Es gilt vielmehr, nicht nur die heilig väterliche Erfahrung zu bewahren und zu beschützen, sondern sie auch aufzudecken, von ihr hinaus ins Leben zu treten […]. Auch der orthodoxe Gedanke muss alle westlichen Schwierigkeiten und Anfechtungen erfühlen und durchleiden, gegenwärtig kann und darf er sie nicht mehr umgehen oder totschweigen. Dies führt aber dazu, dass er dem Westen schöpferisch und geistig begegnen muss“ (Florovsky, Einflüsse, S. 231). Florovsky entfaltete seinen theologischen Ansatz nicht nur in Auseinandersetzung mit der russischen Akademietheologie, sondern auch mit einer Richtung theologischen Denkens, die sich stark von der Religionsphilosophie Solov’evs beeinflussen ließ und deren Hauptvertreter Sergej Bulgakov (1871–1944) war. Im Unterschied zum jüngeren Historiker Florovsky war Bulgakov ein systematischer Theologe, der sich für die Idee eines christlichen Sozialismus einsetzte und die soziale Trägheit der orthodoxen Kirche stark kritisierte. Bulgakov, der ein Bewunderer Solov’evs war, sah in der Lehre des letzteren von der Weisheit (gr. sophia) Gottes, einer Art „Bindeglied zwischen der absoluten All-Einheit Gottes und der natürlichen Vielfalt der Welt“ (Schmid, S. 29f.), ein theoretisches Gerüst für seine eigene Soziallehre und ließ sich in seinen Schriften davon inspirieren. Gemäß dem Urteil des Liturgiewissenschaftlers Alexander Schmemann (1921–1983) unterscheidet sich der Ansatz Bulgakovs von dem Florovskys nicht nur im Verhältnis zur Religionsphilosophie Solov’evs, sondern auch in der Art und Weise, wie die Kirchenväter zu werten sind. Denn während Florovsky dem Hellenismus in seiner patristischen Ausformung ewige Bedeutung beimisst, muss die orthodoxe Theologie für Bulgakov zwar ihr patristisches Fundament bewahren, aber über die Kirchenväter hinausgehen, um der neuen, durch philosophische Entwicklung ausgelösten Situation entsprechen zu können. Die weitere Entwicklung orthodoxer Theologie im 20. Jh. zeigt, dass das neopatristische Programm Florovskys mit seinem Glauben an die Zentralität patristischen Denkens den religionsphilosophischen Ansatz Bulgakovs verdrängen und sich als das Paradigma orthodoxer Theologie schlechthin durchsetzen konnte. Vor allem Bulgakovs Sophia-Lehre wurde in etlichen Kreisen als häretisch empfunden, allenfalls als eine unnötige Spekulation. Die weitere Durchführung der neopatristischen Idee ist mit dem Namen Vladimir Lossky (1903–1958) verbunden, der in Russland als Sohn eines Philosophen geboren wurde. Er kam 1924 nach Frankreich und promovierte an der Pariser Sorbonne mit einer Dissertation über Meister Eckehart (ca. 1260–1328). Sein theologisches Hauptwerk „Mystische Theologie“ (fr. La théologie mystique de l’église d’Orient), in dem er die Hauptzüge orthodoxer Theologie wie Trinitätslehre, Christologie und Ekklesiologie mit einem besonderen Akzent auf Mystik behandelt, wurde auf Französisch geschrieben und leistete einen wesentlichen Beitrag zur Bekanntmachung orthodoxer Spiritualität im Westen. In seinen späteren Schriften reflektierte Lossky, ausgehend von der kirchenväterlichen Trinitätslehre, wie sie im vierten Jahrhundert formuliert wurde, über das Geheimnis der Person als freie und liebende Entität, die sich nicht auf ihre Natur 139

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reduzieren lässt, und legte dadurch ansatzweise das Fundament für eine orthodoxe Theologie der menschlichen Person. Losskys Wahrnehmung der orthodoxen Tradition bleibt dennoch aufs Ganze gesehen der Tendenz verhaftet, die Orthodoxie in ihrem Unterschied vom theologischen Erbe des Westens zu definieren. Dies hatte sicherlich zur Folge, dass Losskys Werk in der Art und Weise, wie es rezipiert wurde, zur Annahme nicht nur einer theologischen, sondern auch einer kulturellen Kluft zwischen der Welt des orthodoxen Ostens und des Westens führte, wie das Beispiel des griechischen Theologen Christos Yannaras (* 1935) belegt. Als Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen östlicher und westlicher Theologie wird in den Werken Losskys vor allem die Differenzierung zwischen dem Wesen (gr. ousia) Gottes und seinen Wirkkräften (gr. energeia) empfunden, die zwar über Maximus Confessor (ca. 580–662) bis zu den Kirchenvätern des 4. Jh. zurückverfolgt werden kann, aber erst von Gregorios Palamas (ca. 1296–1359) systematisiert wurde. Gegen die angeblich scholastische „Neigung“, Gott als einfache Essenz zu konzipieren, verteidigte Lossky den personenhaften Charakter des trinitarischen Gottes und beteuerte, dass die Unterscheidung zwischen Wesen und Wirkkraft es erlaube, Gott als Geheimnis erscheinen zu lassen, ohne die Tatsächlichkeit seines Wirkens in Schöpfung und Erlösung herunterzuspielen. Losskys Werk gab somit wichtige Impulse für eine rege Rezeption bestimmter Aspekte der Palamasschen Lehre in weiten Teilen der orthodoxen Welt, vor allem in Griechenland, Serbien und Rumänien, sowie für die Etablierung einer von Palamas inspirierten Theologie als einflussreiche Richtung orthodoxen Denkens im 20. Jh. (Neopalamismus). Die Arbeiten des Kirchenhistorikers und Byzantinisten John Meyendorff (1926–1992), der von vielen für einen weiteren Vertreter der neopatristischen Synthese gehalten wird, trugen entscheidend zur wissenschaftlichen Klärung der Frage bei, in welchem geistigen Kontext die palamitischen Schriften entstanden und mit welchen Fragestellungen sie sich auseinandersetzten. Doch der Neopalamismus bildet nicht das einzige Fundament neopatristischer Synthese. Die Palamassche Unterscheidung zwischen Wesen und Wirkkraft in Gott scheint z.B. bei dem griechischen Theologen Ioannis Zizioulas (geb. 1931), dem augenblicklichen Metropoliten von Pergamon, in den Hintergrund zu treten. Zizioulas, ein Schüler Florovskys, gilt heute als einer der kreativsten orthodoxen Theologen und wichtigsten Vertreter der neopatristischen Synthese. In seinem Werk widmet er sich der Aufgabe, anhand der Weiterentwicklung von patristischen Konzepten wie Person (gr. prosōpon) und Hypostase (gr. hypostasis) eine Ontologie zu entfalten, die mit postmoderner Philosophie ins Gespräch kommen kann. Eines der Schlüsselkonzepte seiner Theologie ist die Person bzw. Hypostase des Gott-Logos selbst, die unabhängig von der Unterscheidung zwischen Wesen und Wirkkraft als Begegnungsort von Göttlichem und Menschlichem fungiert und demnach als Grundlage für eine personenhafte, besonders durch Taufe und Eucharistie zu verwirklichende Gemeinschaft (gr. koinonia) zwischen Gott und Mensch aufgefasst wird. Vor allem Zizioulas’ Konzeption von der Kirche als Gemeinschaft von mit Christus vereinten freien Personen ist den zielsicheren historischen Arbeiten Nikolaj Afanasievs (1893–1966) verpflichtet, der die Eucharistie als Ort, an dem sich die Kirche verwirklicht und manifestiert, wiederentdeckte – et140

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was, was seitdem als „eucharistische Ekklesiologie“ bezeichnet wird. Die Ontologie der Person, wie sie bei Zizioulas zum Ausdruck kommt, scheint in vielerlei Hinsicht Florovskys Anliegen zu entsprechen, eine Theologie zu entwickeln, die gleichzeitig auf die Väter zurückgreift und sich an die Menschen in der Moderne richtet. Es gibt in der orthodoxen Theologie von heute kaum Einigkeit darüber, wie die neopatristische Synthese zu bewerten ist. Man beachte zunächst, dass das Erbe jener Theologen, die als neopatristisch gelten, nicht nur Überschneidungspunkte, sondern auch beträchtliche Differenzen aufweist. Doch abgesehen von den Divergenzen innerhalb des neopatristischen Lagers geht es heute um die viel gründlichere Frage, ob sich das neopatristische Programm als ausreichend für eine fruchtbare Begegnung der orthodoxen Theologie mit Moderne und Postmoderne erweist. Selbstverständlich darf man die Leistungen neopatristischer Theologen nicht leugnen. In vielerlei Hinsicht versetzten diese Leistungen die orthodoxe Theologie in die Lage, im Kontext der gesamten christlichen Theologie etwas Sinnvolles zu sagen und katholische wie protestantische Theologie zu inspirieren. Das gilt nicht nur für die Wiederentdeckung des Reichtums orthodoxer Theologie und Spiritualität, die vor allem durch Losskys Buch Mystische Theologie inauguriert wurde, sondern auch für die im Allgemeinen positive Rezeption der eucharistischen Ekklesiologie als gemeinsames Erbe der ungeteilten Kirche. Mit Recht kann man also von einer neuen Wahrnehmungsweise orthodoxer Theologie sprechen, die man dem neopatristischen Ansatz zu verdanken hat und die sich meistens im Kontext enger ökumenischer Zusammenarbeit zwischen Theologen wie Florovsky, Meyendorff und Zizioulas einerseits und katholischen und protestantischen Theologen andererseits anbahnte. Als theologische Idee, die den Anspruch darauf erhebt, ein allumfassendes Programm orthodoxer Theologie zu sein, ist die neopatristische Synthese dennoch mit nicht zu ignorierenden Aporien verbunden. Fraglich ist vor allem der von Florovsky propagierte Gedanke, der Hellenismus besitze für die orthodoxe Theologie einen allgemeingültigen Wert. Denn die von Florovsky verkündigte Zentralität des griechischen Elements scheint unter anderem dazu beigetragen zu haben, der orthodoxen Theologie den Charakter einer Reflexion zu verleihen, die sich stets an etwas Vergangenem orientieren muss. Hinzu kommt die Frage nach der Operabilität dieser Idee Florovskys, die sich nur dann klären lassen kann, wenn eine andere Frage beantwortet wird, nämlich inwiefern das postmoderne Denken, mit dem sich orthodoxe Theologie auseinandersetzen muss, die Sprache der antiken griechischen Philosophie spricht. Aufs Ganze gesehen haben zunehmend mehr orthodoxe Theologen der jüngeren Generation den Eindruck, dass das Programm der neopatristischen Synthese Defizite aufweist, und dass seine Rezeptionsweise des Öfteren daran schuld war, dass die orthodoxe Theologie des 20. Jh. bei wichtigen theologischen Entwicklungen wie Befreiungstheologie, politischer Theologie und feministischer Theologie am Rande blieb. Hinzu kommen ernstzunehmende Versuche seitens dieser Theologen, das Denken des Gregorios Palamas differenzierter wahrzunehmen und weniger schematisch und antiwestlich zu deuten. Bei dieser Kritik am neopatristischen Paradigma handelt es sich freilich nicht nur um das Anliegen jüngerer orthodoxer Theologen. Bereits vor etwa 25 Jahren wies ein bedeutender Vertreter orthodoxer Theologie, der französische Denker 141

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und Theologieprofessor Olivier Clément (1921–2009), auf die Mangelhaftigkeit der neopatristischen Synthese als Programm hin (Orient-Occident, S. 14). Gerade das Erbe seines Lehrers Paul Evdokimov (1900–1970), eines Laientheologen und überzeugten Ökumenikers, gilt für Clément als Modell der Überwindung der neopatristischen Synthese. Evdokimov war nicht nur um die Aktualisierung klassischer Züge orthodoxer Theologie und Spiritualität bemüht, sondern er suchte auch das Gespräch mit neuen theologischen Strömungen. Doch auch die Theologie Cléments selbst kann als ein Versuch angesehen werden, über den neopatristischen Ansatz hinauszugehen. Denn hier werden sowohl das Paradigma eines allgemeingültigen Hellenismus als auch eine Definition der Orthodoxie in Abgrenzung vom Westen anhand von selektiertem Palamasschem Gedankengut aufgegeben. Clément war ein produktiver Denker, der auf eine breite Palette von Themenfeldern einging. Sein Interesse galt vor allem der Frage, wie das Christentum in der Postmoderne eine Antwort auf die Herausforderung des Nihilismus geben könne. Als einen Versuch, ein theologisches Modell zu liefern, das zugleich von der neopatristischen Synthese profitiert und sie überwindet, gilt es heute, das Werk Cléments wissenschaftlich stärker in den Blick zu nehmen.

2. Hermeneutik Unter Hermeneutik versteht man die philosophische Reflexion über Bedingungen und Grenzen menschlichen Verstehens von Phänomenen, vor allem von geschriebenen Texten. Obwohl hermeneutische Überlegungen bis in die griechische Antike zurückreichen, geht man heutzutage davon aus, dass die Hermeneutik als wissenschaftliche Disziplin erst im 19. Jh. entstanden ist. Vorreiter des damaligen hermeneutischen Denkens waren Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und Wilhelm Dilthey (1833–1911). Eine Wende erlebte die Hermeneutik durch das epochemachende Werk Martin Heideggers (1889–1976) „Sein und Zeit“, in dem gezeigt wurde, dass das Verstehen nicht nur aus der wissenschaftlichen Tätigkeit der Interpretation hervorgeht, sondern eine Vorstruktur des Seins konstituiert. Denn die Dinge der Welt geben sich von vornherein als etwas Verstandenes zu erkennen. Eine Tür z.B. wird immer als Tür wahrgenommen, als etwas, was zwei Räume verbindet, und nie als bloßes Holz. Die Gegenstände, mit denen wir tagtäglich zu tun haben, sind demzufolge immer verstanden, sie besitzen einen Sinn, der jedem Versuch, Texte bzw. Kunstwerke zu interpretieren, vorausgeht. Diese durch Heidegger ausgelöste Wende erlaubte es der Hermeneutik, sich weiter zu entfalten. Erwähnenswert in dieser Hinsicht sind die Arbeiten des evangelischen Bibelwissenschaftlers Rudolf Bultmann (1884–1976), der zeigte, dass das Verstehen von Texten stets durch vorgegebene Fragen und Interessen der lesenden Person kanalisiert wird. Vor allem im Kontext theologischer Hermeneutik entwickelte Bultmann unter Rückgriff auf Heidegger sein berühmtes Entmythologisierungsprogramm. Hier nimmt er an, dass der biblische Diskurs mythisch strukturiert ist und somit ein 142

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Weltverständnis voraussetzt, das dem des modernen Menschen nicht entspricht. Um zugänglich zu werden, muss dieser Diskurs, so Bultmann, entmythologisiert und in eine Sprache übersetzt werden, die vom Existenzialismus Heideggers inspiriert ist. Doch nicht nur für Bultmann waren die Denkanstöße Heideggers Früchte bringend. Sie verhalfen vor allem dem Philosophen Hans-Georg Gadamer (1900–2002) dazu, ein hermeneutisches Gebäude aufzubauen, das bis heute durch seine Tiefe und Schärfe imponiert. Gadamer widerlegte den historistischen Grundsatz des 19. Jh., der Interpret müsse sich aus seinen „Vorurteilen“ befreien, und zeigte, dass das Verstehen gerade durch die Struktur des Vorverständnisses ermöglicht wird. Daraus resultierte nicht nur eine Rehabilitierung der Tradition, zu der der Interpret gehört, als Verstehensrahmen, sondern auch das Wissen darum, dass das Verstehen eine „Horizontverschmelzung“ bildet, eine dynamische Begegnung zwischen dem Horizont des Textes und jenem des Lesers. In vielerlei Hinsicht können die Arbeiten von Paul Ricoeur (1913–2005) als eine kritische und weiterführende Auseinandersetzung mit dem Gadamerschen Ansatz beschrieben werden, vor allem als Versuch, der hermeneutischen Frage nach der nicht mehr zu synthetisierenden Vielfalt der Auslegungsmethoden Rechnung zu tragen. Dass die Hermeneutik mehr als 150 Jahre nach ihrer Geburt kein abgeschlossenes Kapitel philosophischer Reflexion darstellt, sondern ein Hauptmerkmal postmodernen Denkens, belegen die Schriften des US-amerikanischen Theologen David Tracy (*1939). Wie verhält sich orthodoxe Theologie zur hermeneutischen Reflexion? Das orthodoxe Interesse an Hermeneutik hatte bisher seinen Ort vor allem in der Bibelwissenschaft. Texte orthodoxer Bibelwissenschaftler wie Evangelos Antoniadis und Antoine Kartaschoff, die auf dem oben erwähnten Athener Kongress 1936 vorgetragen wurden, verraten das Wissen um die damalige hermeneutische Debatte in der Theologie und darüber hinaus, obwohl eine fundierte Auseinandersetzung damit ausbleibt. Bestätigt wird diese Beobachtung durch das Beispiel von drei zeitgenössischen Bibelwissenschaftlern, nämlich John Breck, Theodor Stylianopoulos und Konstantin Nikolakopoulos, welche der Hermeneutik besondere Aufmerksamkeit schenken. Dagegen scheinen Theologen wie Bulgakov und Florovsky kein besonderes Interesse daran gehabt zu haben, mit den Erkenntnissen hermeneutischer Reflexion ins Gespräch zu kommen. Eine wichtige Ausnahme bildet Paul Evdokimov, der in einem langen Aufsatz die Prinzipien „orthodoxer“ Hermeneutik zu bestimmen versucht. Diese allgemeine Tendenz orthodoxer Theologie, die Hermeneutik in den Kompetenzbereich der Bibelwissenschaft zu rücken, hängt sicherlich mit der Tatsache zusammen, dass Hermeneutik weniger als Reflexion über Bedingungen und Grenzen menschlichen Verstehens überhaupt denn als Beschäftigung mit der Frage nach der Bibelinterpretation wahrgenommen wird. Hinzu kommt, dass die orthodoxe Theologie traditionellerweise keine systematische Theologie kennt. Daher scheinen klassische Fragen der philosophischen Hermeneutik wie die nach der Bedeutung des zeitlichen Abstandes fürs Verstehen oder nach der Perspektivität der Methoden in der orthodoxen Theologie kaum Platz zu haben. In seinem Buch The Power of the Word aus dem Jahre 1986 definiert der orthodoxe Bibelwissenschaftler John Breck (* 1939) das hermeneutische Problem als eines der Aktualisierung. Demnach läuft die hermeneutische Hauptfrage darauf hinaus, wie der 143

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biblische Text, nachdem er historisch-kritisch ausgelegt wurde, in den kulturellen Kontext des modernen Menschen übersetzt werden kann. Die so beschriebene hermeneutische Problematik erinnert stark an das Entmythologisierungsprogramm Bultmanns, mit dem sich Breck kritisch auseinandersetzt. Brecks Auffassung nach obliegt es allein dem Hl. Geist, die historischen Heilsereignisse in der Gegenwart zu aktualisieren. Der methodische Ausdruck dieser Rolle des Geistes ist die Typologie, eine Auslegungsweise, der man bei einigen Kirchenvätern und in der Liturgie begegnet. Denn die in der Schrift geschilderten Ereignisse gehören typologisch zusammen. Für Breck besagt Typologie nicht nur, dass z.B. alttestamentliche Geschehnisse auf neutestamentliche Heilstaten hindeuten, sondern auch, dass die von Christus vollzogenen Heilsereignisse auf nahezu sakramentale Weise in der alttestamentlichen Geschichte präsent sind. Es ist der Geist, der die heilsgeschichtlichen Ereignisse typologisch konstruiert, sie in der Liturgie vergegenwärtigt, den Gläubigen die Teilnahme an ihnen ermöglicht und den Exegeten ihre soteriologische Bedeutung erschließt. Daraus folgert Breck, dass Exegese keine reine Wissenschaft sein kann, sondern ein synergischer Prozess, der sich in der Kirche, vor allem im liturgischen Vollzug realisiert. Hierbei soll sich der Exeget gleichzeitig um den Sinn bemühen und versuchen, sich der Gnade des Hl. Geistes zu öffnen, um von ihm die rechte Leitung zu empfangen. Um die Schau göttlicher Wahrheit zu bezeichnen, die der Geist dem Exegeten gewährt, rekurriert Breck auf den Ausdruck Theoria, der somit terminologisch zum Träger seiner Hermeneutik wird. In seinen späteren Schriften wird Breck die Zentralität der Typologie nicht aufgeben. Hermeneutisch von Relevanz ist vor allem sein Versuch, die Stellung der Heiligen Schrift in der orthodoxen Kirche zu erhellen. Er macht geltend, dass zwischen Schrift und Tradition so etwas wie ein geschlossener Zirkel besteht. Die Schrift ist zwar die Norm, an der alle Tradition gemessen wird, sie ist aber auch in die Tradition eingebettet, und diese liefert die hermeneutische Gesamtperspektive, innerhalb derer die Schrift gelesen werden muss. Dass es sich hierbei nicht um einen Teufelskreis handelt, bewirkt der Hl. Geist, der in der Liturgie das Wort Gottes aktualisiert. Allein in der Liturgie, in der das Wort Gottes nicht nur verkündet, sondern auch gefeiert wird, kann die Hl. Schrift als Lebensquelle wiederentdeckt werden. Die Verankerung der Exegese im kirchlichen Kontext impliziert für Breck zwar nicht, dass die exegetischen Ergebnisse durch das kirchliche Dogma vorherbestimmt sein müssen. Orthodoxe Exegeten sollen aber ihre Reflexionen durch die Gesamtkirche überprüfen lassen. In seiner Einführung ins Neue Testament aus dem Jahre 1997 sieht Theodor Stylianopoulos, ein US-amerikanischer Bibelwissenschaftler griechischer Herkunft, die brennendste hermeneutische Herausforderung im Verhältnis zwischen Glaube und Vernunft. In dieser Hinsicht macht er geltend, dass man ohne den Glaubensakt und die Erfahrung jener Wahrheit selbst, die im biblischen Text zur Sprache kommt, den Text weder in seinem theologischen Wert verstehen noch seine spirituelle Kraft zutage treten lassen kann. Dies besagt natürlich nicht, die Rolle der Vernunft zu bestreiten. Diese kann nämlich dazu verhelfen, den Text besser zu verstehen und den Glauben vor dem Literalismus zu schützen. Besteht die Vernunft aber darauf, Gottes Präsenz und Handeln rational überprüfen zu können, überschreitet sie ihre Grenze zu einem 144

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Akt philosophischer Blindheit hin. Bibelforschung ist zwar frei, auch die sensibelsten dogmatischen Lehren in Frage zu stellen. Ein Bibelwissenschaftler kann aber den normativen Glauben der Kirche nicht bestimmen. Denn hier geht es um die gemeinschaftliche Dimension jeder Hermeneutik. Ideal wäre es, ein Gleichgewicht zwischen Hermeneutik des Glaubens, Hermeneutik der Vernunft und Hermeneutik der Kirche herzustellen. Nach diesen allgemeinen Überlegungen wendet sich Stylianopoulos der Aufgabe zu, sein hermeneutisches Modell darzulegen. Hier unterscheidet er drei Ebenen, eine exegetische, eine interpretatorische und eine transformative. Indem die exegetische Ebene versucht, die Bedeutung eines Textes in seinem historischen Zusammenhang zu erheben, geht sie „deskriptiv“ vor. Methodisch ist sie vor allem historisch-kritisch und literaturwissenschaftlich orientiert, obwohl andere Ansätze, etwa feministische, auch tiefgehende Beiträge leisten können. Die interpretatorische Ebene stellt sich als „auswertend“ dar, weil sie mit den Fragen, Bedürfnissen, Werten und Zielen der lesenden Person zusammenhängt. Hier plädiert Stylianopoulos erstens für ein Gleichgewicht zwischen Glaube und Vernunft, um der Gefahr von Rationalismus bzw. Fanatismus zu entrinnen. Er gibt aber gleichzeitig zu, dass es sich bei diesem Gleichgewicht um ein hypothetisches Ideal handelt, das nur an der jeweiligen Umgangsweise mit der Bibel intuitiv wahrgenommen werden kann. Zweitens bringt er das Konzept von Tradition ins Spiel und beteuert, dass die Herangehensweise jeder christlichen Gemeinschaft an die Schrift von der jeweiligen Tradition bestimmt sei. Die Christen tragen also die Doppellast, dem biblischen Zeugnis sowie ihrer jeweiligen kirchlichen Tradition treu zu bleiben. Hier können sie von den Kirchenvätern lernen, nicht Schrift gegen Tradition oder Vernunft gegen Glaube auszuspielen. Denn genauso, wie sich Tradition gegen die Bibel nicht entwickeln darf, darf die Hl. Schrift die Kreativität lebendiger Tradition nicht ersticken. Die transformative Ebene bei Stylianopoulos gilt der lebendigen Erfahrung dessen, was in der Hl. Schrift geoffenbart wurde. Diese Ebene setzt ein tiefes Einverständnis mit dem Wahrheitsanspruch biblischer Texte sowie das direkte Wirken des Hl. Geistes voraus. Wie kann man aber die spirituelle Erfahrung vor Abweichungen schützen? Als Kontrollinstanzen nennt Stylianopoulos den biblischen Text selbst und die Glaubensgemeinschaft. Ihnen kommt es zu, zwischen Transformation und reinem Subjektivismus zu unterscheiden. Fungiert die Schrift als Wegweiser für die Kirche mit ihren vielen Institutionen sowie Traditionen, erweist sich die Glaubensgemeinschaft als diejenige, welche die Geister testet. Doch dabei geht es keineswegs um mechanische Vorgänge. Denn die Reinterpretation von alten Elementen im Blick auf neue Bedürfnisse ist ein langwieriger Prozess, der mit dem Zeugnis der Hl. Schrift und dem Kern theologischer Tradition im Einklang sein muss und vom gesamten Volk Gottes verantwortet wird. Insofern ist der hermeneutische Weg unter der Leitung des Hl. Geistes offen bis zur Wiederkunft des Herrn. Die hier dargelegten hermeneutischen Ausführungen von Breck und Stylianopoulos weisen unverkennbare Gemeinsamkeiten auf. Sie heben z.B. die Wichtigkeit des liturgischen und kirchlichen Kontexts für einen adäquaten Umgang mit der Hl. Schrift hervor und sind sich in der Unverzichtbarkeit der historisch-kritischen Exegese für die Erschließung des biblischen Sinnes einig. Außerdem lässt sich bei Stylianopoulos 145

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eine Öffnung für weitere Auslegungsmethoden beobachten. Kann die Übernahme der historisch-kritischen Exegese als positive Rezeption eines Ertrags der Moderne seitens orthodoxer Bibelwissenschaftler erachtet werden, bleibt jedoch eine Auseinandersetzung mit der Frage nach der hermeneutisch nachgewiesenen Perspektivität der Methoden völlig aus. Dass exegetische Ergebnisse durch die vom Ausleger angewandten Methoden bedingt sind, was zu einer Aufeinanderbezogenheit von Methode und Ergebnis führt, wird von beiden orthodoxen Theologen wenig bedacht. Vor allem Brecks Privilegierung der Typologie erscheint in Hinblick auf die Frage nach der Methode als unbegründet. Denn warum muss sich der moderne orthodoxe Exeget der Typologie verpflichtet fühlen, und kann die liturgisch bedingte synergische Exegese nicht auch ohne sie gelingen? Es entspricht nämlich orthodoxer Erfahrung, dass viele Exegeten, Katecheten und Laien, welche die Hl. Schrift lesen und auslegen, an der vom Hl. Geist bewirkten Vergegenwärtigung der Heilsereignisse in der Liturgie teilzuhaben meinen, ohne die Typologie als Interpretationsmittel vorauszusetzen. Brecks und Stylianopoulos’ Überlegungen zeigen aber auch, dass es sich dabei um zwei verschiedene Entwürfe handelt, welche die hermeneutische Hauptfrage anders definieren und sie dementsprechend anders beantworten. Denn während Breck – in Auseinandersetzung mit Bultmann – die Aktualisierung als die Hauptfrage hermeneutischer Art wahrnimmt, scheint Stylianopoulos die hermeneutische Kernfrage im Verhältnis von Glaube und Vernunft zu sehen. Demzufolge stehen Breck und Stylianopoulos paradigmatisch für die Tatsache, dass es in der orthodoxen Theologie keine einheitliche Art und Weise gibt, der Hermeneutik gerecht zu werden, sondern ein ziemlich buntes Bild vorherrscht, obwohl Vertreter dieser Theologie in der Regel den Anspruch erheben, sie besitze ein großes Maß an Homogenität. Dennoch geht aus Stylianopoulos’ und Brecks Ausführungen hervor, dass die Frage nach dem Verhältnis von Heiliger Schrift und Tradition als eines der Hauptmomente hermeneutischer Reflexion in orthodoxer Theologie fungiert. Dass beide Wissenschaftler gegen den Versuch argumentieren, Schrift und Tradition gegeneinander auszuspielen, harmoniert mit der gewonnenen Erkenntnis, dass die Schrift in einen dynamischen Vorgang eingebettet ist, in jenen der Tradition als Rezeption, Interpretation und Weitergabe der Evangeliumsbotschaft. Was bei ihnen aber teilweise fehlt, ist eine stärkere Betonung der Schrift als normativer Größe gerade dann, wenn Spannungen zwischen Schrift und Tradition zu beobachten sind. Vor diesem Hintergrund darf die Gebundenheit einer christlichen Gemeinschaft an bestimmte Aspekte der eigenen Tradition, wenn es darum geht, die Schrift zu verstehen, nicht verabsolutiert werden. Vor allem Stylianopoulos scheint der Tatsache wenig Rechnung zu tragen, dass es bei Christen nicht nur Treue zur Tradition gibt, sondern auch Kritik an tradierten Interpretationsmodellen. Aufs Ganze gesehen kann man sagen, dass die Versuche orthodoxer Theologie, sich mit der philosophischen Dimension der Hermeneutik zu beschäftigen, spärlich bleiben. Und wenn das der Fall ist, geschieht es in der Regel mit dem Zweck, anhand von Gadamerschen Ansätzen eine Apologie der Tradition zu avancieren. Eine verantwortungsbewusste theologische Hermeneutik kann sich aber nicht leisten, daran vorbeizugehen, dass es gerade die philosophische Hermeneutik ist, welche die 146

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apriorischen Bedingungen des Verstehens sowie Konzepte wie Aktualisierung und zeitlichen Abstand gründlich erforschte. Dass Stylianopoulos beispielsweise die enge Verflochtenheit von „exegetischer“ und „interpretatorischer“ Ebene wenig beachtet und die Tatsache so gut wie ignoriert, dass es keine „deskriptive“ Exegese gibt, kann als Symptom für die Vernachlässigung wichtiger Ergebnisse der philosophischen Hermeneutik angesehen werden. Dennoch zeigen Stylianopoulos’ Reflexionen zu Glaube und Vernunft bzw. Brecks Überlegungen zum Verhältnis von historisch-kritischer Exegese zu älteren Auslegungsmethoden, wie stark sich orthodoxe Theologie, in der der Traditionsbegriff einen hohen Stellenwert genießt, vom postmodernen Denken herausgefordert fühlt. Dass es für orthodoxe Theologie im Kontext der Postmoderne ratsam, ja unentbehrlich ist, sich auf diese Fragen einzulassen, liegt daher auf der Hand.

4. Die Frage nach der Frauenordination Die orthodoxe Theologie wurde mit der Frage nach dem Frauenamt zum ersten Mal in den 60er Jahren des 20. Jh. konfrontiert. Dies geschah im Kontext des Ökumenischen Rates der Kirchen und in Folge der erstarkenden feministischen Bewegung in Westeuropa und den USA. Die damaligen Stellungnahmen zur Frauenordination, die ausnahmslos ablehnend waren, griffen auf Argumente nicht nur theologischer, sondern auch kanonischer und praktischer Art zurück. Eine wichtige Station auf dem Weg der Reflexion über die Rolle der Frauen in der orthodoxen Kirche war weiterhin eine internationale Konsultation orthodoxer Frauen, die auf Initiative des Ökumenischen Rates der Kirchen vom 11. bis zum 17. September 1976 im Agapia-Kloster in Rumänien stattfand. Zwölf Jahre später folgte in Rhodos eine Konsultation zu diesem Thema, die vom ökumenischen Patriarchen Demetrios I (1914–1991) initiiert wurde. Die Zahl der anwesenden Frauen betrug 18, ca. ein Drittel aller Teilnehmenden. Die Rhodos-Konsultation stellte das Ende einer Ära, in der die orthodoxe Kirche die Frage nach der Frauenordination als einen Fremdkörper empfand, und den Anfang einer vertieften Reflexion dar. Als äußerst positiv erscheint zunächst die Tatsache, dass dort zum ersten Mal in der Geschichte der orthodoxen Kirche Frauen in hoher Zahl an einer kirchlichen Versammlung solchen Ranges teilnehmen und gleichberechtigt diskutieren und abstimmen konnten. Hinzu kommt, dass das in Rhodos verabschiedete Dokument in der Geschichte begegnende, Frauen diskriminierende Praktiken, die der wahren Natur der Kirche Jesu Christi zuwiderlaufen, eingesteht. Dieses Dokument setzt sich schließlich für eine Wiederbelebung des so gut wie in Vergessenheit geratenen Frauendiakonats ein. Es fordert die Segnung theologischer und charismatischer Aktivitäten von Frauen durch einen spezifischen kirchlichen Akt. Dennoch wurde die Frauenordination in Rhodos zurückgewiesen. Diesbezüglich gibt sich das offizielle Dokument als zirkulär und inkohärent in seiner Argumentation zu erkennen. Denn hierbei geht es nicht darum, die Männerbeschränktheit des 147

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Priesteramts auf ihre theologische Adäquatheit hin kritisch zu überprüfen. Vielmehr wird diese Adäquatheit von vornherein vorausgesetzt. Die theologische Arbeit begnügt sich somit damit, sie zu suchen, zu explizieren und festzuhalten, um dadurch der Ansicht entgegenzutreten, die Ablehnung der Frauenordination in der Orthodoxie beruhe auf einem impliziten Glauben an die Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann. Zudem vermittelt die gegen die Frauenordination angeführte Beweisführung den Eindruck eines unsicheren Versuchs, Argumente von da und dort zu sammeln und ohne Konsistenz zu verweben. Drei Hauptgedanken stehen im Vordergrund: Erstens die Typologie „Eva-Maria“, die der paulinischen Typologie „Adam-Christus“ entsprechen und daher auch die spezifische Rolle der Frauen bestimmen soll. Zweitens die besondere Affinität zwischen dem Hl. Geist und den Frauen im Heilsplan Gottes, die durch das, was an Maria geschah, zum Ausdruck kommt, und bewirkt, dass die Frauen vom sakramentalen Priesteramt, das eng mit Christus verbunden ist, ausgeschlossen werden müssen. Drittens die ikonische Funktion des Priesters, der vor allem in der Liturgie Christus repräsentiert und deshalb auch ein Mann sein muss, während die Kirche, die aus Männern und Frauen besteht, durch Maria abgebildet wird. Aus der Aneinanderreihung dieser drei Argumente schließt das Rhodos-Dokument nebulös, dass die Vermischung der Rollen von Mann und Frau in Hinblick auf das Priesteramt eine Schwächung des trinitarischen Gleichgewichts zwischen Sohn und Hl. Geist hervorruft, und schreibt den Kirchen, die Frauen ordinieren, Probleme dieser Art zu. Näheres zu Form und Natur dieser Probleme sucht man erfolglos. Abgesehen vom Mangel an wissenschaftlicher Stringenz bedienen sich die oben erwähnten Argumente einer Reihe von fraglichen Verfahrensweisen; dazu zählen z.B. die Projektion des Geschlechterunterschieds auf die Trinitätslehre und die Neigung, Entwicklungen in anderen Kirchen rein theologisch zu deuten und dadurch ihre kulturelle und soziologische Komponente zu ignorieren. Fragt man danach, nach welchen Kriterien das männliche sakramentale Priesteramt als Ausdruck des „Bewusstseins“ der Kirche aufgefasst wird, gibt das Dokument keine Antwort. Vor allem die behauptete Affinität zwischen dem Hl. Geist und der Frau entbehrt ernsthafter Fundierung. Auch die Interpretation des liturgischen Aktes als eine Typologie, die männlich sein muss, steht im Gegensatz zum patristischen Grundgedanken, dass das Heilsgeschehen darauf beruht, dass der Sohn Gottes Mensch (anthrōpos), und nicht Mann (anēr), wurde. Die Rhodos-Konsultation war aber keineswegs das Ende der theologischen Diskussion über das Frauenamt. In den 1990er Jahren reagierten vor allem orthodoxe Frauen und versuchten, die Debatte weiterzuführen. Eine kritische Auseinandersetzung ermöglichte vor allem eine orthodox-altkatholische Konsultation zur Stellung der Frau in der Kirche und zur Frauenordination als ökumenischem Problem, die 1996 in Levadia (Griechenland) und Konstancin (Polen) stattfand. So warnt Kyriaki Karidoyanes FitzGerald, eine griechisch-amerikanische Theologin, vor der Eva-Maria-Typologie, wenn sie definierend statt beschreibend verwendet wird. Solch eine Verwendung könne dazu führen, das Person-Sein der Frau einzuschränken und sie zu einem Objekt zu machen, was dem orthodoxen Verständnis der Dreieinigkeit als freier Gemeinschaft göttlicher Personen, die einander in Liebe durchdringen, widerspreche. Darüber hinaus bekräftigt 148

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Anastasios Kallis, dass im Denken der Kirchenväter dem Geschlecht Christi keine soteriologische Bedeutung beigemessen wird. Im Sinne der symbolisch orientierten Bildertheologie repräsentiere der Vorsteher der eucharistischen Gemeinschaft weder die Männlichkeit Christi noch seine menschliche Natur, sondern den menschgewordenen Gott-Logos, der die ganze menschliche Natur angenommen habe. Die Ergebnisse dieser Konsultation scheinen keine besonders breite Rezeption erhalten zu haben. Doch im Jahre 2000 veröffentlichte der Ökumenische Rat der Kirchen ein Buch mit dem Titel The Ordination of Women in the Orthodox Church, das unter anderem zwei längere Aufsätze zur behandelten Frage enthält. Der erste Aufsatz ist die englische Übersetzung eines Textes von Elisabeth Behr-Sigel. Hier macht sie geltend, dass eine Verabsolutierung des geschlechtlichen Unterschieds zwischen Mann und Frau der altkirchlichen Theologie zuwiderläuft. Jegliche Projektion dieses Unterschieds auf die Trinität bzw. jegliche Überbetonung der Männlichkeit Christi stehe im Gegensatz zur Trinitäts- und Erlösungslehre der Väter. Anschließend beteuert Behr-Sigel, dass das ikonische Argument, der Priester sei Bild Christi und müsse deshalb ein Mann sein, dadurch entkräftet wird, dass der Priester nach orthodoxem Verständnis auch Sprachrohr der eucharistischen Versammlung ist, die aus Männern und Frauen besteht. Hinzu kommt, dass das typologische Verhältnis des Menschen, der die Eucharistie zelebriert, zu Christus keineswegs naturhaft, sondern charismatisch ist. Denn es wird vom selben Hl. Geist verwirklicht, der die eucharistische Versammlung in die Kirche verwandelt. Daraus schließt die Autorin, dass die priesterliche Funktion auch von einer Frau, die durch ihre Taufe sowieso zur Trägerin Christi wurde, erfüllt werden kann. Der zweite längere Aufsatz dieser Publikation wurde von Kallistos Ware, einem renommierten orthodoxen Bischof und Theologen aus England, verfasst. In einer früheren Version seines Aufsatzes aus dem Jahr 1978 sprach sich Ware gegen die Frauenordination aus. Zusätzlich zu dem Traditionsargument berief er sich auf die auf Christus bezogene Bildhaftigkeit des Priesters. Was Ware zwanzig Jahre nach der ersten Version seines Aufsatzes bieten möchte, ist eine Revidierung seiner Position. Er gibt zu, dass er inzwischen sehr zögert, die Möglichkeit der Frauenordination auszuschließen. Viele der Argumente gegen die Frauenordination scheinen ihm mittlerweile nicht mehr schlüssig zu sein. Obwohl er hier den Eindruck vermittelt, mit dem Traditionsargument immer noch zu sympathisieren, gesteht er, dass die Hinfälligkeit dieses Arguments darin besteht, die Nicht-Einführung der Frauenordination nicht erklären zu können. Weiterhin zeigt er die Gefahren eines naturalistischen Verständnisses des typologischen Verhältnisses zwischen Priester und Jesus und betont, dass die Männlichkeit Jesu, obwohl sie vorausgesetzt wird, im Glaubensbekenntnis, in der patristischen Soteriologie und in den liturgischen Texten kaum eine Rolle spielt. Ohne die Frauenordination zu akzeptieren, plädiert Ware zum Schluss dafür, die Frage als offen zu betrachten und fordert die Orthodoxen dazu auf, das Gespräch über sie in voller Aufgeschlossenheit gegenüber dem inspirierenden Hl. Geist zu vertiefen. Die Fähigkeit orthodoxer Theologie, die Frage nach der Frauenordination nach manchem Zögern zu verinnerlichen, zeigt die orthodoxe Bereitschaft, sich mit einem durch die Moderne aufgeworfenen Problem auseinanderzusetzen. Die Frauenfrage kann 149

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somit als ein weiteres Beispiel dafür dienen, ob und inwieweit die orthodoxe Theologie mit einer modernen Herausforderung fertig wird. Zwar vermittelt heute die orthodoxe Debatte über Frauenrolle und Frauenordination den Eindruck einer unabgeschlossenen Diskussion. Sie trägt aber insofern die Spuren einer modernen Herangehensweise, als sowohl Verfechter wie Kritiker der Frauenordination sich nicht mehr leisten können, sich auf einen unkritischen Traditionsbegriff zu berufen. Die Debatte in der Orthodoxie über das Frauenamt, obwohl sie unvollendet geblieben zu sein scheint, weist also die Merkmale einer tiefen Rückbesinnung auf den Umfang, die Bedeutung und die Aktualität von Tradition auf. Und gerade darin besteht ihr zukünftiges Potential.

5. Ansätze orthodoxer Religionstheologie Einer der ersten orthodoxen Theologen, der die Grundzüge einer Religionstheologie zu skizzieren versuchte, war Georges Khodr (* 1923), augenblicklicher Metropolit von Berg-Libanon im Patriarchat von Antiocheia. Khodr entfaltete seinen religionstheologischen Ansatz vor allem am Beispiel des Islam, den er von klein auf in seiner Heimatstadt Tripoli (Nordlibanon) kannte. 1971 hielt Khodr auf der Tagung des Zentralkomitees des Ökumenischen Rates der Kirchen in Addis-Abeba einen Vortrag mit dem Titel „Das Christentum in einer pluralistischen Welt“, in dem er die christlichen Kirchen zu einem Paradigmenwechsel in Hinblick auf ihr Verhältnis zu anderen Religionen und zur Entwicklung einer Religionstheologie aufrief, welche die Existenz von Wahrheitsspuren in anderen Religionen berücksichtigt. An die patristische Vorstellung des säenden Logos (gr. logos spermatikos) anknüpfend, anhand derer Justin der Märtyrer († ca. 165) die Existenz von Wahrheitsmomenten in der griechischen Kultur erklärte, kritisiert Khodr die Auffassung einer linearen Heilsgeschichte, die in Christus gipfelt und demzufolge keinen Raum für andere Erscheinungsweisen der Wahrheit außerhalb des Christentums lässt – vor allem für Religionen wie den Islam, die nach dem Christentum entstanden sind. Somit fordert Khodr die Christen dazu auf, den in den anderen Religionen „schlafenden Christus“ zu suchen. In seinen späteren Schriften sucht Khodr das theologische Gespräch mit dem Islam. In diesem Kontext scheint er auch dem Islam als religiöser Größe, und nicht nur seinen Anhängern, eine spirituelle Dynamik zuzuerkennen, die über das Ziel hinausginge, in den anderen Religionen einen schlafenden Christus zu wecken. Khodrs Bemühen um den theologischen Dialog mit den Muslimen verfolgt auch das Ziel, den Muslimen das Christentum verständlicher zu machen. Beachtenswert in dieser Hinsicht ist Khodrs Interpretation der Kreuzigung Jesu als islām im ursprünglichen Sinne des Wortes, d.h. als volle Hingabe an Gott. In den Augen Khodrs wurde Christus am Kreuz Gott zum islām, indem er sich dem Willen Gottes hingab und derart die Liebe vollendete. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Islam durch die Mehrheit seiner exegetischen Sprachrohre den Kreuzestod Jesu bestreitet und es Gott zuschreibt, Jesus durch einen anderen Menschen ersetzt zu 150

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haben, um seinen Propheten zu retten, trete er in Widerspruch zu sich selbst, indem er Jesus den bedingungslosen islām abspreche, für den er sich am Ölberg kurz vor seiner Kreuzigung nach einem dramatischen Ringen mit sich selbst entschieden habe. So verfehle der Islam, was seine Deutung des Kreuzesgeschehens anbelangt, das Ziel seiner eigenen spirituellen Dynamik und werde, wenn auch nur für eine kurze Weile, seinem Wesen untreu, das im Hingabe-Gedanken besteht. Ein anderer orthodoxer Theologe, der sich um die Entwicklung einer Religionstheologie bemühte, ist Anastasios Yannoulatos (* 1929), Erzbischof von Tirana und ganz Albanien. Yannoulatos profilierte sich als Missionar in Afrika, als Theologieprofessor in Athen und als großer Ökumeniker. Er strukturiert seine religionstheologischen Überlegungen dreistufig und sieht darin einen expliziten Bezug zur Trinitätslehre. Zunächst macht er geltend, dass es einen Gott gibt. Die verschiedenen Vorstellungen, welche die Menschen von ihm haben, dürfen über seine Einzigkeit und Einzigartigkeit nicht hinwegtäuschen. Gemäß orthodoxer Theologie bleibt dieser Gott in seinem Wesen zwar unzugänglich, seine Herrlichkeit aber durchdringt die gesamte Schöpfung. Alle Menschen haben, so Yannoulatos, dieselbe Würde, weil sie nach Gottes Ebenbild erschaffen sind. Besonders die Bünde, die Gott im Alten Testament schließt, sowie viele Aussagen der alttestamentlichen Propheten zeigen die Universalität des göttlichen Plans. In einem zweiten Stadium argumentiert Yannoulatos von der Christologie her und beteuert, dass sich in Jesus Gottes Herrlichkeit auf besondere Art und Weise manifestiert hat. Der Sohn Gottes ist „der Logos der Welt“, der sich vor seiner Menschwerdung auf vielfältige Art und Weise in Beziehung zu den Menschen setzte. Wie Khodr greift Yannoulatos hier auf die Kirchenväter zurück. Vor allem aber das durch die Inkarnation ermöglichte Heilsgeschehen erfasse die gesamte Menschheit, denn durch die menschliche Natur, die der Christus mit uns allen teilt, werde Gott alles Menschliche dargebracht. Drittens fokussiert Yannoulatos auf die Rolle des Hl. Geistes. Der Geist, der überall ist und alles erfüllt, vermittelt, so Yannoulatos, jedem Menschen die Liebe und die Kraft des trinitarischen Gottes und bewegt ihn dazu, sich auf die Suche nach der Wahrheit zu machen. Das Wirken des Geistes ist an seinen Früchten zu erkennen, unabhängig davon, zu welcher Religion die Menschen gehören. Durch das Einhalten von Gottes Geboten haben Menschen, auch wenn sie keine Christen sind, an der Gegenwart und Erleuchtung des trinitarischen Gottes Anteil. Aus den vorausgehenden, hier exemplarisch dargelegten Ausführungen resultiert, dass die orthodoxen Versuche, eine Religionstheologie zu entwickeln, insofern inklusivistisch bleiben, als die Wahrheitsspuren bei Anhängern anderer Religionen auf das Wirken Christi, des Hl. Geistes oder des trinitarischen Gottes insgesamt zurückgeführt werden. Dieser allgemeinen Tendenz scheint Khodr zwar nicht immer zu folgen, da er in einigen seiner Texte dem Islam als religiöser Größe unabhängig von Jesus bzw. vom Hl. Geist einen genuinen spirituellen Wert zuzubilligen vermag. Aber dieser Ansatz wird bei ihm meines Wissens nirgendwo systematisiert bzw. in die Richtung einer pluralistischen Theologie weiterentwickelt. Auch Yannoulatos, der Spuren von Wahrheit und Erleuchtung bei Menschen, die anderen Religionen angehören, durchaus wahrnimmt und theologisch darüber reflektiert, zögert, wenn es darum geht, diesen Religionen als 151

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Entitäten einen positiven Wert beizumessen. Diese inklusivistische Haltung scheinen auch andere Theologen, deren Ideen hier aus Platzgründen nicht thematisiert werden können, zu teilen. Das ist etwa der Fall bei dem griechisch-amerikanischen Theologen Emmanuel Clapsis, der in seinen interreligiösen Überlegungen das Gleichgewicht zwischen Christologie und Pneumatologie zu betonen pflegt. In Anbetracht der Tatsache, dass orthodoxe Theologen in der Regel viel Wert auf das altkirchliche Dogma wie Trinitätslehre und Christologie legen, scheint die Frage, ob sich innerhalb der Orthodoxie eine Art pluralistische Religionstheologie, die alle Religionen als gleichwertige Wege zu Gott erachtet, überhaupt entwickeln kann, durchaus berechtigt.

6. Fazit Trotz ihrer allgemeinen Tendenz, neopatristisch vorzugehen und die Kirchenväter als Ausgangspunkt theologischer Reflexion zu bevorzugen, weist die orthodoxe Theologie der Gegenwart eine beträchtliche Vielfalt auf. Dies gilt z.B. nicht nur für die verschiedenen Wege, die heutige orthodoxe Theologen in Bezug auf die Auswertung der neopatristischen Synthese einschlagen, sondern auch für die hermeneutischen Akzente, die sie setzen und anhand derer sie Fragen nach der Bibelexegese, der Frauenordination oder den anderen Religionen zu beantworten suchen. Dennoch gibt es meines Erachtens einen roten Faden, der orthodoxe Gegenwartstheologie verbindet, nämlich den Versuch, sich mit der Moderne auseinanderzusetzen. Zum Wesen der Moderne gehört es nämlich, das Überlieferte in Abrede zu stellen. Und gerade die Orthodoxie, in der der Traditionsbegriff einen hohen Stellenwert genießt, blieb vom Sieg modernen Denkens und Handelns nicht verschont. Seit mindestens 160 Jahren versucht die orthodoxe Theologie, mit dieser Herausforderung fertig zu werden und Antworten auf die durch die Moderne gestellten Fragen zu entwickeln. In zunehmendem Maße gehen jüngere Studien der Frage nach, wie die Orthodoxie in der Vergangenheit auf die Moderne reagierte und inwieweit sie moderne Elemente rezipierte. Für orthodoxe Theologie ist die Auseinandersetzung mit der Moderne aber nicht nur in der Vergangenheit anzusiedeln, sondern es handelt sich auch um eine Tagesordnung für die Gegenwart. In vielen orthodox geprägten Ländern sind in jüngerer Zeit Fragen in den Vordergrund gerückt, die ein sich verstärkendes Gefühl verraten, von den Werten der Moderne herausgefordert zu werden, Fragen etwa nach der orthodoxen Einstellung zu Säkularität oder nach dem Umgang mit Homosexualität. In den USA und Westeuropa hat die Suche orthodoxer Theologie nach einem neuen Paradigma schon längst begonnen. Und viele Ergebnisse der ökumenischen Arbeit, die in den vergangenen Jahrzehnten geleistet wurde, warten darauf, vertieft und in die kirchliche Praxis umgesetzt zu werden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Zukunft orthodoxer Theologie und Kirche unter anderem davon abhängt, wie sich die Auseinandersetzung der Orthodoxie mit der Moderne abspielen und zu welchen Ergebnissen sie führen wird. 152

Kirche und Staat/Kirche und Nation in den orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition Thomas Bremer Den orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition wird häufig eine große Nähe zu den Staaten nachgesagt, in denen sie leben, oder zu den Nationen, denen ihre Gläubigen angehören. Besonders im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen und Konflikten, die nach dem Ende der kommunistischen Regimes in Ost- und Mitteleuropa entstanden sind, ist dieser Zusammenhang kritisch genannt worden. Die Bindung der orthodoxen Kirchen an Staaten oder Nationen, so hieß es dann, mache sie kritiklos auch gegenüber solchen politischen Entwicklungen, die dem christlichen Ethos widersprechen. Auf den ersten Blick gibt es eine Reihe von Anhaltspunkten, die diesen Zusammenhang zu bestätigen scheinen; doch lassen sich auch Gegenargumente finden. So scheint ja bereits die Bezeichnung „Russische“, „Serbische“, „Rumänische“ etc. Orthodoxe Kirche für einen engen Bezug der Kirche Russlands (oder zu den Russen), Serbien (oder den Serben), Rumänien (oder den Rumänen) etc. zu sprechen. Andererseits muss darauf hingewiesen werden, dass gerade die alten Patriarchate des Orients nach Städten benannt sind, die wichtige Verwaltungszentren des Römischen Reiches waren (Konstantinopel, Alexandreia, Antiocheia), oder aufgrund ihrer zentralen Rolle im Evangelium (Jerusalem) große Bedeutung hatten; jedenfalls spielen hier die Kategorien Staat oder Nation bei ihrer Bildung keine Rolle. Viele orthodoxe Kirchen haben ein Jurisdiktionsgebiet, das sich über mehrere moderne Staaten zieht (Russland, Serbien), manche definieren sich als Kirchen in einem Staat oder einem Gebiet, ohne damit etwas über die nationale Zugehörigkeit ihrer Gläubigen zu machen (Konstantinopel, Antiocheia, Polen). In diesem Kapitel soll versucht werden, die Begriffe zu klären, darzustellen, wie sich diese Beziehungen in der byzantinischen Orthodoxie entwickelt haben und zu verdeutlichen, wie sie sich heute darstellen.

1. Die historischen Grundlagen Um die Beziehung zwischen Kirche und Staat in der Orthodoxie zu verstehen, ist ein Blick in die Geschichte des (ost-) römischen Reichs notwendig. Im 6. Jh. hatte sich das Christentum konsolidiert und war zur vorherrschenden Religion im Reich geworden. Die heidnischen Kulte wurden verboten, Juden wurden diskriminiert, das Kaiserhaus war zweifelsfrei christlich und die Kirche war „Reichskirche“ geworden. Es stellte sich die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis zwischen der kirchlichen und der staatlichen Gewalt, nach regnum und sacerdotium. 153

Thomas Bremer

Kaiser Justinianos I. regierte von 527 bis zu seinem Tod 565. Ihm gelang es, nach den Wirren der vorhergegangenen Jahrzehnte weite Gebiete des Mittelmeerraumes wieder für das Imperium zurückzuerobern, die durch die Wanderungen germanischer Völker für das Reich verloren gegangen waren. Er sorgte für eine größere Verbreitung des Christentums durch die Förderung der Kindertaufe und ein Verbot des Abfalls vom christlichen Glauben. Durch die Schließung der Akademie des Platon im Jahre 529 setzte er ein Zeichen, das später gern als das Ende der Antike gedeutet worden ist. Kaiser Justinianos kodifizierte auch das römische Recht. Von ihm stammt ein zentraler früher Text zum Verständnis des Kirche-Staat-Verhältnisses. Im Vorwort zur sechsten Novelle, die im Jahr 535 entstanden sein dürfte, beschreibt er das Verhältnis zwischen geistlicher Vollmacht (hierosyne) und staatlicher Herrschaft (basileia), die für ihn beide aus einer gemeinsamen Quelle, nämlich der Gnade Gottes, entstammen, als symphonia. Der Begriff bedeutet wörtlich „Zusammenklang“ und wurde später häufig als Umschreibung für die Beziehung zwischen beiden Realitäten im christlichen Osten verwendet. In dem justinianischen Text heißt es in deutscher Übersetzung: Zwei hervorragende Gaben Gottes haben die Menschen aufgrund seiner Menschenliebe erhalten, das Priestertum (hierosyne) und die staatliche Gewalt (basileia). Erstere dient den göttlichen Dingen, die zweite hat den Vorrang in den menschlichen Belangen und leitet sie sorgfältig. Beide kommen von ein und demselben Ursprung und ordnen das menschliche Leben. Um nichts sollten sich die Kaiser darum so kümmern wie um die Ehre der Priester, da sie ja auch für sie immer zu Gott beten. Denn wenn das Priestertum in jeder Hinsicht tadellos ist und bei Gott Vertrauen genießt, die staatliche Macht aber in rechter und angemessener Weise das ihr anvertraute Gemeinwesen ordnet, dann wird es einen guten Zusammenklang (symphonia) geben und dem Menschengeschlecht wird alles, was nützlich ist, gewährt.

Dieser Text war die Grundlage, auf der die (Ost-) Römer die Position der orthodoxen Kirche in ihrem Gemeinwesen verstanden und realisierten. Er ist nicht formal als staatstheoretisches Traktat aufgefasst worden, doch beschreibt er, wie man sich idealerweise den Zustand zwischen staatlicher und kirchlicher Gewalt vorstellte. Die Geschichte zeigte immer wieder, wie dieser Zusammenhang realisiert wurde. Einige Beispiele seien hierfür genannt: Zum einen kümmerten sich die Kaiser um die Glaubenseinheit im Reich. Nach den dogmatischen Klärungen der christologischen Fragen, die aber die Auseinandersetzungen darüber keineswegs beendeten, waren die Herrscher daran interessiert, die Streitigkeiten vor allem im Süden und im Südosten des Reichs, also in den Diözesen der Patriarchen von Alexandreia und Antiocheia, zu beenden. Sie unternahmen dazu verschiedene Vorstöße, von der polizeilichen oder militärischen Intervention bis zu theologischen Vermittlungsversuchen; das gilt auch für spätere Streitfragen. Das Henotikon, eine Einigungsformel aus dem Jahr 483, ist ein frühes Zeichen dafür; die kaiserlichen Interventionen im Zusammenhang mit dem Bilderstreit des 8. und 9. Jh. zeigen das ebenso wie das Engagement des letzten (ost-) römischen Kaisers beim Konzil von Florenz im 15. Jh. Zu diesem engen Verhältnis gehört auch das Phänomen, dass mehrfach in der (ost-) römischen Geschichte hohe staatliche Beamte, die weder Mönch noch Priester waren, zum Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel ernannt wurden. Die Ernennung 154

Kirche und Staat/Kirche und Nation in den Orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition

geschah in der Regel durch den Kaiser (oder – seltener – durch Wahl seitens eines kirchlichen Gremiums). Der Betreffende wurde dann innerhalb weniger Tage zum Diakon, zum Priester und zum Bischof geweiht und als Patriarch installiert. Mehrfach führte diese Vorgehensweise zu Konflikten mit dem römischen Bischof, der auf der Beachtung der kanonischen Fristen beharrte. Die Patriarchen Nikephoros (806–815) und Photios (858–867 und 878–886) sind Beispiele für solche Fälle. „Es liegt im System, dass Politik und Dogma austauschbar werden“, beschreibt der berühmte Byzantinist Hans-Georg Beck dieses System (Beck: Geschichte der orthodoxen Kirche, D 6). Er hat auch den treffenden Ausdruck von der „politischen Orthodoxie“ geprägt: Die Orthodoxie, die auf die polis bezogen ist, auf das Gemeinwesen, auf das Herrschaftssystem (es empfiehlt sich, in diesem Zusammenhang das Wort „Staat“ nur mit Vorsicht zu verwenden, da das (ost-) römische Reich ebenso wie alle anderen vormodernen Imperien völlig anders strukturiert war als moderne Staaten). Es zeigt sich also, dass in der Entwicklung des (ost-) römischen Reichs eine solche Nähe zwischen beiden Entitäten angelegt war, oder genauer: dass man dort die beiden Bereiche gar nicht als getrennte Wirklichkeiten empfand, sondern gewissermaßen als die beiden Seite einer Medaille, als unterschiedliche Ausprägungen ein und derselben Realität. Es ist zu beachten, dass diese Verhältnisse weder mit modernen Kategorien von Kirche-Staat-Beziehungen noch vor der Schablone von westlichen Vorstellungen, die sich anders entwickelt haben, adäquat betrachtet werden können.

2. Staat und Kirche Wie haben sich diese historischen Grundlagen im Laufe der Geschichte der Kirche weiterentwickelt? Der bedeutendste Einschnitt ist sicherlich die Tatsache gewesen, dass die spätantike römische Vorstellung von der einen christlichen Kirche in dem einen christlichen Staat nicht mehr durchzuhalten war. Die Reichstrennung in eine Ost- und eine Westhälfte, sichtbar zementiert durch die Krönung des fränkischen Königs Karl zum westlichen Kaiser durch den römischen Papst im Jahr 800, die Entstehung neuer Staatsgebilde mit einer eigenen orthodoxen Kirche (etwa das Reich der Kiever Rus’), das Schisma zwischen Ost- und Westkirche und der Untergang des (ost-) römischen Reichs im Jahr 1453 waren die Meilensteine, die deutlich machten, dass dieses Ideal politisch wie kirchlich nicht mehr zu verwirklichen war. Dennoch gab es einige Reflexe der alten Idee, vor allem im erstarkenden Russischen Reich. Der grundlegende und wichtige Unterschied dieses Reichs zu den anderen orthodoxen Kirchen und Christen mit längerer historischer Tradition lag darin, dass diese jetzt nicht mehr in einem Staatswesen lebten, das man als orthodox verstehen konnte – während dies in Russland der Fall war. Im Osmanischen Reich waren die orthodoxen Christen zunächst in ihren Stammgebieten zwar noch in der Mehrheit, doch verhielt sich der Staat ihnen gegenüber bestenfalls neutral-tolerierend; er war 155

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aber nicht mehr christlich geprägt. Der Islam kennt ja in der Theorie eine Duldung gegenüber den Buchreligionen, die im Osmanischen Reich auch oft Wirklichkeit war, abgelöst allerdings auch von Phasen unterdrückerischer Politik. Russland hingegen erwies sich jetzt als einziger „orthodoxer“ Staat, also als Gemeinwesen mit einem orthodoxen Herrscher und der Orthodoxie als allgemeinem Bekenntnis. Es liegt nahe, dass die (ost-) römische Tradition der Beziehung zur Kirche hier übernommen wurde, wie ja Russland überhaupt das Christentum in seinen Erscheinungsformen und Besonderheiten von Konstantinopel übernommen hatte. Zunächst war die Kirche in Russland nicht selbstständig, sondern von Konstantinopel abhängig (der Metropolit von Kiev, so der Titel des Kirchenoberhaupts auch nach der Übersiedlung nach Moskau, war formal ein Bischof des Ökumenischen Patriarchats). Erst im Zusammenhang mit dem Untergang des (ost-) römischen Reichs beanspruchte und erlangte die russische Orthodoxie die kirchliche Selbstständigkeit, die sie faktisch schon hatte, auch formell. Hierbei spielte der Großfürst eine wichtige Rolle. Mit diesem Schritt war nicht nur die kirchliche Unabhängigkeit von Konstantinopel vollzogen, sondern die Kirche orientierte sich jetzt in jeder Hinsicht an Russland als Staat. Augenfälliges Merkmal dafür war die Tatsache, dass nun sehr bald der Titel des Metropoliten geändert wurde in „…von Moskau und der ganzen Rus’“: Mit diesem Ausdruck war jetzt nicht mehr das Gebiet der alten Kiever Rus’ gemeint, das über lange Zeit in verschiedene Herrschaftsgebiete aufgeteilt war, sondern der vom Moskauer Großfürsten beherrschte Staat, das russische Reich. In dieser Logik lag es auch, dass sich die russische Kirche ein gutes Jahrhundert später die Anerkennung als Patriarchat verschaffte; die erste Schaffung eines Patriarchats seit der Antike. Mit diesen Prozessen war eine gewisse Zweiteilung der orthodoxen Welt gegeben: Während ein großer Teil der orthodoxen Gläubigen im Osmanischen Reich und damit unter islamischer Herrschaft lebten, also nicht in einem christlichen Staat, war Russland der einzige Staat, in dem die Orthodoxie (und nur sie) das privilegierte Bekenntnis war. Der Zar in Moskau war orthodox, und er verstand sich als Schutzherr der Orthodoxie – später übrigens auch der Orthodoxie im Osmanischen Reich. Die Vorstellung von Moskau als dem „dritten Rom“ war zwar in der Zeit ihrer Entstehung nicht sehr verbreitet, gibt jedoch dem neuen Selbstbewusstsein Ausdruck. Die enge Beziehung zwischen Kirche und Staat setzt in Russland die byzantinische Tradition fort: Die Herrscher waren in kirchliche Angelegenheiten involviert; sie ernannten teilweise die Bischöfe und Patriarchen, sie führten Verhandlungen mit kirchlichen Gesandtschaften aus dem Ausland, und sie waren es sogar, die sich für die Christianisierung des Landes entschieden hatten; die Annahme des Christentums im Kiever Reich war nicht Folge von Missionierung, sondern Beschluss des Großfürsten, der seinen Untertanen den neuen Glauben befahl. Deutlich lässt sich diese Beziehung auch an den Heiligsprechungen ersehen. Viele Heilige der Kirche waren Fürsten und Krieger, so dass die Kanonisierungen die Legitimität des Reiches unterstrichen. Im 15. Jahrhundert kam es in Russland zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Richtungen im Mönchtum, die auf dem Hintergrund der Staat-Kirche-Beziehungen zu sehen sind: Während sich die eine Richtung dafür aussprach, dass die Klöster arm 156

Kirche und Staat/Kirche und Nation in den Orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition

sein und sich in Distanz zum Staat halten sollten (die Begründung hierfür war, dass sie sich dann besser der Spiritualität und der Askese widmen könnten), argumentierte die andere Richtung mit der Notwendigkeit einer starken (und reichen) Kirche als bessere Unterstützung für den Staat. Tatsächlich setzte sich diese letztere Richtung durch. Die Loyalität gegenüber dem Staat bezieht sich nicht nur auf orthodox geführte Staaten. In der Zeit der osmanischen Herrschaft war der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel um Loyalität zu den muslimischen Herrschern bemüht, die in ihm ihrerseits einen Vertreter der christlichen Bevölkerung sahen und ihn dafür verantwortlich machen, dass diese dem Staat gegenüber loyal war. Die Osmanen fassten die Nicht-Muslime zu millets zusammen, die jeweils von ihren religiösen Führern geleitet wurden und relativ hohe Autonomie genossen. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel war das Oberhaupt des orthodoxen millet, leitete es nach innen und vertrat es nach außen gegenüber dem osmanischen Staat. Als sich im 19. Jh. die Orthodoxen im Reich immer mehr national differenzierten und es politische Emanzipationsbewegungen gab, versuchten die Patriarchen diese sogar zu mäßigen – die Loyalität zum Staat war größer als die zu den griechi-schen Konnationalen, die die Unabhängigkeit Griechenlands erkämpften. Russland war nur sehr früh, in der Zeit der Tatarenherrschaft (13./14. Jh.) für längere Zeit unter nichtorthodoxer Herrschaft; doch auch hier verpflichtete sich die Kirche sogar, für den Chan zu beten. Dafür erhielt sie – ebenso wie das Ökumenische Patriarchat im Osmanischen Reich – eine gewisse Rechtssicherheit, soweit es das in vormodernen Staatswesen geben kann, jedenfalls eine relativ große Autonomie. Der Staat konnte also auch dann Kooperationspartner der Kirche sein, wenn er gar nicht orthodox war. Mit der Entstehung von modernen, aufgeklärten Staaten änderte sich dieser Zusammenhang jedoch. In ihnen steht nicht mehr so sehr die Person des Herrschers im Vorderpunkt, sondern Institutionen, eine Verwaltung und geregelte Verfahren sorgen für die Abläufe im Staat. Für Russland wurde das durch die Reformen Peters des Großen (1694–1725) deutlich, die auch die Kirche umfassten. Sie wurde den Nützlichkeitserwägungen des Staates untergeordnet; insbesondere wurden große Teile des Kirchenbesitzes beschlagnahmt, und die Klöster wurden geschlossen, soweit sie nicht „nützliche“ Tätigkeiten verrichteten. Auch wurde das Amt des Patriarchen abgeschafft und durch ein Gremium („Heiligster Synod“) ersetzt, das unter der Kontrolle des Zaren stand. Dieser Zustand blieb bis zur Oktoberrevolution 1917 erhalten, als sich die staatlichen wie die kirchlichen Verhältnisse in Russland völlig veränderten. Während dieser Zeit, als die russische Kirche zwar in einem orthodoxen Staatswesen lebte, sich aber nicht frei entfalten konnte, weil die staatlichen Strukturen sie so stark vereinnahmt hatten, ging die osmanische Herrschaft in Südosteuropa allmählich zu Ende. Im Rahmen des nationalen Erwachsens entstanden neue Nationalstaaten (Griechenland, Serbien, Rumänien, Bulgarien), in denen die Orthodoxen die Mehrheit stellten. Hier kam es zu einem neuen Phänomen, nämlich der Orientierung an der Nation, von der im nächsten Abschnitt die Rede sein soll. Die orthodoxen Kirchen in diesen Staaten nahmen zwar die Selbstständigkeit wohlwollend auf, doch waren diese 157

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jungen, kleinen und zunächst instabilen Staaten noch keine geeigneten Partner für eine Beziehung im Sinne der früheren byzantinischen symphonia. In Russland hingegen war das 20. Jh. für die Kirche zunächst von der grausamen Verfolgung seit der Oktoberrevolution 1917 bis zum Zweiten Weltkrieg (1939–1945), dann der strengen Kontrolle der Kirche durch den Staat zwischen dem Kriegsende und dem Ende des sowjetischen Regimes geprägt. Die kommunistische Regierung versuchte zunächst jede Erscheinungsform von Religion physisch zu vernichten und brachte die Kirche damit in gerade zwei Jahrzehnten an den Rand ihrer Existenz. Als aber die deutsche Wehrmacht 1941 die Sowjetunion überfiel, war es das Kirchenoberhaupt, Metropolit Sergij, der die Gläubigen zur Verteidigung des Vaterlandes aufrief, noch bevor sich Stalin zum Krieg äußerte. Das ist eine erstaunliche Tatsache: Der Würdenträger ruft zur Verteidigung eines Staates auf, der die Kirche so blutig verfolgt hat, dass sie fast ausgelöscht war. Die Solidarität zum Staat, auch wenn er eine antikirchliche Regierung hat, war also wichtiger als die Möglichkeit, diese Regierung – um den Preis einer Kooperation mit dem Aggressor – beseitigen zu können. Es zeigt sich also, dass es in der Orthodoxie historisch zwei Ansätze zum Staat gibt, die auf verschiedenen Erfahrungen beruhen: Während in Russland die (ost-) römische Tradition großer Nähe zum orthodoxen Staat übernommen und weiterentwickelt wurde, gab es in Südosteuropa und im Nahen Osten aufgrund der jahrhundertelangen nichtchristlichen Obrigkeit für die orthodoxen Kirchen keine Möglichkeit, eine solche Nähe zu entwickeln und den Staat als Sachwalter ihrer eigenen kirchlichen Interessen zu entwickeln. Hier konzentrierten sich die Kirchen viel stärker auf die jeweilige Nation. Dieser Verbindung soll im folgenden Abschnitt nachgegangen werden.

3. Orthodoxie und Nation Die Nation ist ein relativ junges Phänomen. Zwar gibt es den Begriff schon seit langer Zeit, doch hatte er sehr unterschiedliche Bedeutungen und bezeichnete seit der Frühen Neuzeit vor allem den Adel. Im 19. Jh. jedoch kam es zur Entstehung von Nationen im modernen Sinn. Vor allem in Mittel- und Osteuropa entwickelten Menschen aufgrund verschiedener Faktoren (Sprache, Religion, Nachbarschaft o.a.) das Bewusstsein, zu einer eigenen Nation zu gehören. Hierbei handelt es sich um ein soziales Konstrukt; das heißt, es gibt keine objektiven Kriterien für die Zugehörigkeit zu einer Nation. Nationen werden „gemacht“, sie sind – zum Teil politisch geschaffene – künstliche Gebilde, aber dann existieren sie natürlich tatsächlich. Zur Konstruktion der Nationen im 19. und 20. Jh. gehören einige gemeinsame Elemente wie der Bezug auf eine möglichst lange gemeinsame Geschichte, die hohe Autorität der Nation (die sogar von ihren Angehörigen den Einsatz des eigenen Lebens zu ihrer Verteidigung verlangen kann) sowie die Vorstellung, dass für die Nation ein eigener Staat geschaffen werden müsse. Gerade die letzte Forderung führte in Gebieten mit national gemischter Bevölkerung 158

Kirche und Staat/Kirche und Nation in den Orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition

im 20. Jh. zu Phänomenen wie Bevölkerungsaustausch, ethnischen Säuberungen und Völkermord. Mit „Primordialismus“ wird die Überzeugung bezeichnet, dass es Nationen schon immer gegeben habe und dass die Entwicklungen des 19. und 20. Jh. nicht die Konstruktion, sondern vielmehr die Entdeckung der Nationen sei. Diese Position wird in der Forschung weitgehend abgelehnt, ist aber unter Nationalisten verbreitet. Wer sie vertritt, betont damit auch, dass die Nationen zur menschlichen Natur gehören und damit letzten Endes göttlichen Ursprungs sind. Die Nation bekommt dann geradezu ein religiöses Gewicht (was sich übrigens auch in der Bedeutung vieler Übernahmen nationalistischer Riten aus dem religiösen Bereich zeigt) und überzeitliche Bedeutung. Im 19. Jh. war der Nationalismus einer von mehreren Faktoren, der zur Schwächung und schließlich im frühen 20. Jh. zum Zerfall der Vielvölkerreiche in Europa beitrug. Für viele orthodoxe Kirchen fielen der aufkommende Nationalgedanke und die Bildung neuer Nationalstaaten zusammen. Die Nationen versuchten größere Autonomie oder Selbstständigkeit zu erkämpfen. Zunächst gelang das den Balkanvölkern, die bislang zum Osmanischen Reich gehört hatten. Nach der Revolution von 1821 wurde etwa Griechenland im Jahr 1830 als unabhängiger Staat anerkannt. Viele Griechen aber lebten nach wie vor unter der osmanischen Herrschaft, vor allem in Kleinasien, auf den Inseln im östlichen Mittelmeer und in Makedonien und Thessalien. Außerdem war für nationalbewusste Griechen nicht Athen, sondern Konstantinopel die „eigentliche“ Hauptstadt der Griechen – ein Konfliktpotenzial, das seine Wirkung bis weit in das 20. Jh. zeigen sollte. In Bulgarien ging die kirchliche Emanzipation der staatlichen voraus. Durch das gewachsene bulgarische Nationalbewusstsein entstand eine kirchliche Bewegung, die mit Hilfe der osmanischen Behörden eine eigene bulgarische Kirchenorganisation im Osmanischen Reich anstrebte und erreichte, das so genannte „Exarchat“. Das Ökumenische Patriarchat, zu dem die bulgarischen orthodoxen Christen bislang gehört hatten, ließ dieses Vorgehen als Phyletismus 1872 auf einer Synode verurteilen – damit ist gemeint, dass die nationale Zugehörigkeit (griech. phyle Stamm, Volk) über die Einheit der Kirche in einem staatlichen Gebilde (in diesem Fall: dem Osmanischen Reich) gestellt wird. Das führte zu einem über mehrere Jahrzehnte dauernden Schisma zwischen der bulgarischen Orthodoxie und den anderen orthodoxen Kirchen. Der bulgarische Staat erreichte seine Unabhängigkeit erst 1878. Die Serben lebten nicht nur im Osmanischen Reich, sondern zu einem Teil auch in der Habsburgermonarchie. Als Serbien 1867 endgültig den osmanischen Staatsverband verließ und unabhängig wurde, gab es mehrere Kirchenorganisationen, neben der Kirche in Serbien selbst auch noch etwa mehrere Bistümer in Ungarn, andere in Österreich und in Montenegro. Erst nach der Gründung Jugoslawiens nach dem Ersten Weltkrieg (1914–1918) wurde aus all diesen Kirchen das serbische Patriarchat 1920 gegründet. Das verweist darauf, dass das nationale Bewusstsein hier eine besonders große Rolle gespielt hat, da die Staatsgründung im Jahr 1867 noch nicht dafür gesorgt hatte, dass der größte Teil der Serben nun in einem Staat lebte. Die „serbische Frage“ war offen geblieben, und die institutionelle Zergliederung der Kirche war Zeichen 159

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dafür: Das Streben nach einer Vereinigung der „serbischen Länder“ war daher auch ein kirchliches Anliegen der Serbischen Orthodoxen Kirche. Es ist naheliegend, dass die hier beispielhaft genannten Staaten nicht Objekt einer „symphonischen“ Beziehung zur orthodoxen Kirche sein konnten. Dafür waren sie zu klein, zu jung und zu instabil, und dazu waren sie zu sehr moderne Staaten, trotz aller denkbaren Defizite, die sie hatten. Vor allem aber waren sie Produkt nationaler Bestrebungen. Bei den genannten Kirchen wurde die Nation zum entscheidenden säkularen Bezugspunkt, auf den hin sie sich in weltlicher Hinsicht orientierten. Sie war die bestimmende politisch-gesellschaftliche Kategorie der Zeit und der Region. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Verbindung von Kirche und Nation, gerade bei kleineren Nationen, keineswegs ein Spezifikum der Orthodoxie ist. Sie ist auch in westlichen Kirchen bekannt. Das bekannteste Beispiel für die katholische Kirche ist wohl Polen, wo man die Verbindung zwischen Kirche und Nation nur aus der Geschichte des 19. Jh. verstehen kann. Der Zusammenhang zwischen dem reformierten Bekenntnis und der niederländischen Nation ließe sich für den protestantischen Bereich anführen. Einige orthodoxe Kirchen jedoch haben sich unter anderen historischen Umständen entwickelt und waren daher in der Neuzeit nie einem Staat oder einer Nation nahe. Das gilt insbesondere für die Kirchen im Nahen Osten, die seit vielen Jahrhunderten in mehrheitlich islamischen Gesellschaften leben. In manchen von ihnen gibt es zwar heute ein deutliches arabisches Nationalbewusstsein, doch ist das keinesfalls dominant. Auch das griechische nationale Bewusstsein ist mancherorts (vor allem im Patriarchat von Jerusalem) nach wie vor präsent, ist aber kein bestimmendes Element für die Identität dieser Kirche. Das gilt ebenso für die Orthodoxe Kirche von Amerika, deren Entstehungsgeschichte ausdrücklich mit der Absicht verbunden war, den orthodoxen Bewohnern der Vereinigten Staaten auch in kirchlicher Hinsicht ein „amerikanisches“ Angebot zu machen, also eine Orthodoxie zu schaffen, die mit keiner nationalen Zugehörigkeit verbunden ist. Allerdings ist dieses Ziel nicht vollständig erreicht worden, da zwar ein großer Teil der orthodoxen Gläubigen in den USA zur OCA gehört, aber die Herkunftskirchen dort nach wie vor Gemeinden und Bistümer haben. Werfen wir noch einen Blick auf die heutige Situation. In vieler Hinsicht lässt sich sagen, dass die historisch bedingte Konzentration auf den Staat oder auf die Nation nicht mehr so deutlich gegeben ist. Das hängt mit den veränderten Umständen zusammen: Die orthodoxen Balkankirchen leben zum größten Teil in Nationalstaaten, in denen die Orthodoxie die Mehrheitsreligion darstellt, und Russland ist zwar immer noch ein Vielvölkerstaat, doch erstmals in seiner Geschichte leben Millionen von orthodoxen Russen außerhalb des eigentlichen Russland, etwa in der Ukraine, in Mittelasien oder im Baltikum. Damit kann sich die Kirche nicht alleine auf den Staat Russland konzentrieren. Sie definiert sich selber konsequent auch als „multinational“, womit sie zum Ausdruck bringen will, dass nicht nur ethnische Russen, sondern auch Angehörige anderer Nationen in Russland und im Ausland zu ihr gehören. Es zeigt sich somit, dass die Orthodoxie in Teilen eine besondere Nähe zum (christlichen) Staat herausgebildet hat, während sich die Haltung zur Nation nicht von dem unterscheidet, was sich auch in westlichen Kirchen feststellen lässt. Die Beziehung 160

Kirche und Staat/Kirche und Nation in den Orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition

zum Staat steht in einer langen historischen Tradition, zu der immer große Nähe zum orthodoxen Herrscher gehörte. Das Russische Reich kann hier als Nachfolger des (ost-) römischen Reichs gesehen werden, und selbst in der Zeit der Sowjetherrschaft gab es trotz aller Verfolgung eine enge Beziehung zum Staat. Die „Nation“ ist ein Konzept, das im östlichen Europa und damit auch in der orthodoxen Welt seit dem 19. Jh. auftaucht; daher ist nachvollziehbar, dass es für die orthodoxen Kirchen außerhalb Europas keine Rolle gespielt hat, während es für westliche Kirchen in der Region ebenfalls zu einem wichtigen identity marker wurde. Wir sehen also, dass es im Lauf der Geschichte und bei den verschiedenen orthodoxen Kirchen ganz unterschiedliche Modelle der Beziehung der Kirche zu den beiden wichtigsten Organisationsformen der Gesellschaft in der Neuzeit, Staat und Nation, gegeben hat. Keine von ihnen ist dogmatisch vorgegeben, keine ist daher unveränderlich. Die jeweiligen historischen und politischen Umstände haben eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Modelle gespielt. Verschiedene Versuche, ein bestimmtes Modell als allgemein gültig zu rechtfertigen, können daher nicht als maßgeblich angesehen werden, sondern haben ebenfalls nur zeitlichen Charakter.

4. Eine Stellungnahme aus der Orthodoxie Wenn Staat und Nation für die orthodoxen Kirchen eine so zentrale Rolle spielen, ist zu überlegen, wie sie sich selber zu diesen Phänomenen verhalten. Zunächst, d.h. nach der Definition von Kaiser Justinianos, wurde die Beziehung zwischen Kirche und Staat nur sehr selten auf einer theoretischen Ebene reflektiert. Erst durch den Anbruch der Moderne in der Neuzeit waren die einzelnen orthodoxen Kirchen gezwungen, über ihre Praxis Rechenschaft abzulegen. Das hängt auch mit den Veränderungen zusammen, die bisher für selbstverständlich gehaltene Praktiken außer Kraft setzten. Die Russische Orthodoxe Kirche hat im Jahr 2000 ein umfangreiches Dokument verabschiedet, das mit dem Titel „Grundlagen der Sozialkonzeption der Russischen Orthodoxen Kirche“ überschrieben ist. In diesem Papier legt die Russische Kirche ihre Haltung zu zahlreichen Themen dar, die die Beziehung zwischen der Kirche und der Welt betreffen. Ein eigenes Kapitel (II.) ist der Beziehung zur Nation, ein anderes (III.) der zum Staat gewidmet. Das Dokument ist von besonderer Bedeutung, weil es das erste Mal ist, dass auf höchster Eben einer orthodoxen Ortskirche zu diesen Themen Stellung bezogen wird. Allerdings handelt es sich um Aussagen der russischen Orthodoxie, die keine Verbindlichkeit für die Gesamtorthodoxie haben. Der Text versucht in Bezug auf die Nation den Zwiespalt zwischen der Universalität der Kirche und der Existenz von (modernen) Nationen zu überwinden. Dazu werden zunächst die biblischen Vorstellungen vom „Volk“, insbesondere vom Volk Israel, dargestellt, um dann zu sagen, dass die Christen das „Recht auf nationale Eigenart und nationale Selbstverwirklichung“ (II.2) haben; die Kirche verbinde diese beiden 161

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Prinzipien in sich. Durch die Verwendung der Begriffe „himmlisches Vaterland“ und „irdische Heimat“ werden diese beiden Aspekte verdeutlicht. Beispiele aus der russischen Kirchengeschichte verweisen darauf, dass die russische Kirche die eigene russische Nation im Laufe ihrer Geschichte immer hochgeschätzt hat. Dabei wird deutlich darauf hingewiesen, dass der Begriff sowohl im ethnischen als auch im politischen Sinne der Staatsbürgerschaft verstanden werden kann. Jeder Besserstellung von einzelnen Nationen gegenüber anderen wird deutlich widersprochen (II.4). In Bezug auf den Staat bietet der Text zunächst eine biblische Hinführung, um die Existenz und die Legitimität des Staates zu rechtfertigen. Er wird nach Röm 13 als Instanz verstanden, die „zur Abwehr des Bösen und zur Unterstützung des Guten“ (III.2) besteht. Deswegen sei der Staat von Christen grundsätzlich positiv zu sehen, dürfe aber nicht verabsolutiert werden. Insbesondere sei der wesensmäßige Unterschied zwischen dem („gewöhnlich … säkularen“, III.3) Staat und der Kirche zu sehen; beide Seiten hätten ihre Kompetenzen zu wahren und setzten dafür unterschiedliche Mittel ein. Wenn der Staat allerdings von den Gläubigen Glaubensabfall oder sündhaftes Tun verlange, „so ist die Kirche gehalten, dem Staat den Gehorsam zu verweigern“ (III.5) – ein bemerkenswerter Satz des Dokuments, der vielfach kommentiert wurde. In der Sowjetzeit ist das ja gerade nicht geschehen; die Kirche sichert sich somit in gewisser Weise gegen mögliche zukünftige unchristliche Regimes ab. Weiterhin geht der Text auf Staatsformen ein und spricht sich für ein System aus, in dem der Glaube eine möglichst wichtige Rolle spielt. Die Demokratie sei eine Herrschaftsform, die dem Rückgang des Glaubens in der Welt entspreche; man solle allerdings nicht ausschließen, dass bei einer möglichen „geistigen Wiedergeburt der Gesellschaft“ „die religiös höhere Form des Staatsaufbaus als natürlich erachtet wird“ (III.7); als ideales Beispiel wird die alttestamentliche Zeit der Richter betrachtet; die Monarchie sei schon Zeichen eines Rückgangs von Religiosität in der Gesellschaft. In dem Dokument zur Sozialethik nimmt die russische Orthodoxie also einerseits die grundsätzliche Unterschiedenheit von Kirche und irdischen Strukturen zur Kenntnis, andererseits versucht sie aber, die Realitäten von Staat und Nation theologisch so zu integrieren, dass es eine positive christliche Begründung und Wertung beider gibt. Die biblische und historische Argumentation hilft ihr dabei, die eigene kirchliche Dimension der Fragestellung zu stärken. Das entspricht einer Tendenz in der modernen Orthodoxie, auch wenn die explizite Beschäftigung mit diesen Themen und die Formulierung von theologischen Grundsätzen immer noch eher die Ausnahme bildet. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass solche Fragestellungen nach orthodoxer Überzeugung nicht zum eigentlichen Bereich der orthodoxen Theologie gehören. Die Haltung der Orthodoxie zu Staat und Nation muss also differenziert betrachtet werden, und sie erschließt sich nur bei Beachtung der historischen Gegebenheiten. Nur so lässt sich verstehen, wie die verschiedenen Haltungen entstanden sind, die sich finden lassen, und dass sie zeitlichen Charakter haben. Die Orthodoxie ist weder von ihrem Selbstverständnis noch von der Realität her angemessen zu erfassen, wenn man sich in diesen Fragen von Vorurteilen lenken lässt. Dass orthodoxe Kirchen zuweilen zur Festigung solcher Vorurteile beitragen, macht die Sache nicht einfacher. 162

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog Johannes Oeldemann Im Jahr 2010 haben viele Christen des 100-jährigen Jubiläums der ökumenischen Bewegung gedacht. In der Kirchengeschichtsschreibung gilt die Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910 als Geburtsstunde der modernen ökumenischen Bewegung. Vertreter der Orthodoxen Kirche waren an dieser Konferenz nicht beteiligt. Deutet das darauf hin, dass die Orthodoxe Kirche der ökumenischen Bewegung von Anfang an zurückhaltend gegenüberstand? Angesichts der aktuellen Spannungen zwischen orthodoxen und verschiedenen westlichen Kirchen könnte eine solche Vermutung naheliegen. Dennoch würde es die Geschichte der ökumenischen Bewegung verfälschen, wenn wir unsere heutige Wahrnehmung einfach in die Anfangszeit übertragen würden. Denn die Orthodoxe Kirche zählte zu den ersten christlichen Gemeinschaften, die sich im 20. Jh. explizit mit der ökumenischen Frage auseinandergesetzt haben. Der erste Teil dieses Beitrags skizziert daher das orthodoxe Engagement in der ökumenischen Bewegung und ihr Verhältnis zum Ökumenischen Rat der Kirchen. Nach dem Einblick in die multilateralen ökumenischen Kontakte folgt im zweiten Teil ein Überblick über die bilateralen Dialoge der Orthodoxen Kirche. Der dritte Teil geht abschließend auf die grundlegende Motivation des orthodoxen Engagements für die Ökumene ein.

1. Die Orthodoxe Kirche und ihre multilateralen ökumenischen Kontakte Aus westlicher Sicht beginnt die ökumenische Bewegung mit der Weltmissionskonferenz von Edinburgh 1910. Im christlichen Osten markiert bereits ein Dokument aus dem Jahr 1902 den Beginn des ökumenischen Engagements der Orthodoxen Kirche. Die im Juni 1902 veröffentlichte Enzyklika des Ökumenischen Patriarchats von Konstantiopel (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 1–8) ist das erste Dokument, in dem deutlich zum Ausdruck kommt, dass die Sorge um die Einheit der Christen tief im Selbstbewusstsein der Orthodoxen Kirche verankert ist. Die Enzyklika von 1902 diente zunächst der innerorthodoxen Verständigung über die Beziehungen mit den westlichen Kirchen. Im Januar 1920 richtete das Ökumenische Patriarchat dann eine Enzyklika an alle christlichen Kirchen weltweit, in der erstmals die Gründung eines internationalen Bundes der christlichen Kirchen nach dem Vorbild des Völkerbundes angeregt wird (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 16–20). Darüber hinaus enthält die Enzyklika eine ganze Reihe von konkreten Vorschlägen, wie die Beziehungen zwischen den Kirchen verbessert werden 163

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könnten. Hierzu zählen beispielsweise Kontakte zwischen den theologischen Ausbildungsstätten und der Austausch von Studenten, die Diskussion über unterschiedliche Lehrauffassungen auf ökumenischen Konferenzen sowie pastorale Übereinkünfte im Blick auf gemischtkonfessionelle Ehen und Beerdigungen. Nachdem das Ökumenische Patriarchat mit der Enzyklika von 1920 ein Signal des Aufbruchs für ökumenische Kontakte gegeben hatte, engagierten sich Vertreter der Orthodoxen Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jh. in den Bewegungen für Glauben und Kirchenverfassung (Faith & Order) und für Praktisches Christentum (Life & Work), in denen die wichtigsten ökumenischen Akteure der damaligen Zeit zusammentrafen. Orthodoxe Bischöfe und Theologen nahmen sowohl an der ersten Weltkonferenz für Praktisches Christentum in Stockholm 1925 als auch an der ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne 1927 teil. Die orthodoxe Delegation wurde bei beiden Weltkonferenzen von Metropolit Germanos (Strenopoulos), Metropolit von Thyateira und Großbritannien (1872–1951), geleitet, dem in London residierenden Exarchen des Ökumenischen Patriarchats für Westeuropa. Seine Eröffnungsansprache bei der Lausanner Weltkirchenkonferenz 1927 verdeutlicht, mit welcher Einstellung die Orthodoxen in den ökumenischen Dialog eintraten. Demnach betrachtet die Orthodoxe Kirche „die Einheit im Glauben als eine Grundbedingung für die Wiedervereinigung der Kirchen“, verwerfe jedoch „jene engherzige Lehre, nach welcher eine einzelne Kirche in dem Bewusstsein, die allein wahre zu sein, darauf besteht, dass alle, die sich mit ihr wiedervereinigen wollen, in sie eintreten müssen“ (vgl. Sasse: Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung, S. 107). Es geht also aus orthodoxer Sicht nicht um eine „Rückkehr“ der getrennten Brüder und Schwestern in den Schoß der Orthodoxie, sondern um eine Einheit in den wesentlichen Glaubenslehren, wie sie in der Hl. Schrift, den Glaubensbekenntnissen der Alten Kirche und den Entscheidungen der ökumenischen Konzile des ersten Jahrtausends festgelegt sind. Für alle später entwickelten Glaubenslehren gelte, so Metropolit Germanos, der Grundsatz der Freiheit der theologischen Meinung, so dass „ein sehr weites Feld für die Diskussion offen bleibt“ (S. 108). Allerdings vermochte die Lausanner Konferenz nicht die hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen, die die Orthodoxen in sie setzten, so dass sie schließlich nur dem Bericht der zweiten Sektion über „Die Botschaft der Kirche an die Welt“ zustimmten, während sie sich bei den übrigen Sektionsberichten enthielten und in Sondervoten zu den Berichten die orthodoxe Position darlegten. Auch bei den Folgekonferenzen in Oxford und Edinburgh 1937 brachten die orthodoxen Delegierten ihre Glaubensüberzeugungen zum Teil in eigenen Erklärungen zum Ausdruck, wenn sie diese in den gemeinsam erarbeiteten Texten nicht ausreichend berücksichtigt fanden. Daran wird deutlich, dass es aus orthodoxer Sicht keine Verhandlungen in Glaubensfragen geben kann, sondern die orthodoxen Vertreter ihre Aufgabe vielmehr darin sehen, bei den Vertretern der anderen christlichen Kirchen um Verständnis für die orthodoxe Sichtweise zu werben. Dies haben die orthodoxen Theologen, die sich in den Bewegungen für Praktisches Christentum und für Glauben und Kirchenverfassung engagierten, durchaus mit Erfolg getan. Zu den herausragenden Repräsentanten der Orthodoxen Kirche in dieser Anfangsphase der ökumenischen Be164

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

wegung zählten neben Metropolit Germanos der griechische Kirchenrechtler Hamilcar Alivisatos (1887–1969), der bulgarische Theologe und Kirchenrechtler Stefan Zankov (1881–1965) sowie die beiden russischen Theologen Sergij Bulgakov (1871–1944) und Georges Florovsky (1893–1979). Metropolit Germanos und Georges Florovsky gehörten auch dem 1937 gebildeten „Vierzehner-Ausschuss“ an, der sich aus je sieben Vertretern der Bewegung für Praktisches Christentum und der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung zusammensetzte und die Aufgabe hatte, die Gründung eines Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) vorzubereiten, der beide Bewegungen vereinen sollte. Vertreter der Orthodoxen Kirche hatten somit aktiven Anteil an der Gründung des ÖRK, auch wenn das ökumenische Engagement auf orthodoxer Seite weithin „an der Weitsicht und dem Einsatz Einzelner“ (Rousse/Neil: Geschichte der ökumenischen Bewegung, S. 345) hing, die sich bemühten, die orthodoxe Perspektive in die sich entwickelnde ökumenische Bewegung einzubringen. Allerdings muss in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass es in dieser Zeit auch im Westen häufig Einzelpersonen waren, die sich für den Dialog engagierten, während die Kirchen insgesamt der ökumenischen Bewegung eher kritisch-distanziert gegenüberstanden. Den erwähnten Wegbereitern des ökumenischen Gedankens in der Orthodoxen Kirche ist es zu verdanken, dass sich mehrere orthodoxe Kirchen unter der Führung des Ökumenischen Patriarchats an der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Amsterdam 1948 beteiligten. Aber auch die Gegner des orthodoxen Engagements in der Ökumene traten auf einer Panorthodoxen Konferenz im Juli 1948, also kurz vor der Gründungsversammlung des ÖRK, an die Öffentlichkeit. In einer Erklärung der Konferenz, die aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums der Autokephalie der russischen Orthodoxie in Moskau stattfand, lehnten die Teilnehmer eine Beteiligung an der Gründung des ÖRK ab, weil sie darin das Bestreben sahen, eine „ökumenische Kirche“ zu gründen, was der orthodoxen Ekklesiologie zuwiderlaufe (Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 37–39). Offensichtlich war diese Erklärung jedoch auch auf politischen Druck des sowjetischen Regimes zustande gekommen. Denn zum einen fanden die positiven Voten zum ökumenischen Engagement, die es während der Konferenz durchaus gegeben hatte, keinerlei Widerhall in der offiziellen Abschlusserklärung. Zum anderen konnten die orthodoxen Kirchen im Einflussbereich Moskaus später – nach dem Ende der Stalin-Ära – unter veränderten politischen Vorzeichen 1961 bzw. kurz danach dem ÖRK beitreten. Eine wichtige Voraussetzung dafür hatte das Zentralkomitee des ÖRK 1950 mit der sogenannten „Toronto-Erklärung“ geschaffen, die – auch als Reaktion auf die Moskauer Erklärung – das Selbstverständnis des ÖRK zu klären versucht. Die „Toronto-Erklärung“ betont, dass der ÖRK keine „Über-Kirche“ ist und dass die Mitgliedschaft im ÖRK nicht bedeutet, dass eine Mitgliedskirche „ihre eigene Auffassung von Kirche relativiert“ (Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 810–821). Darüber hinaus nahm die dritte Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 durch die trinitarische Erweiterung der sogenannten „Basis“ des ÖRK ein zentrales Anliegen der Orthodoxen Kirche auf. Damit waren die Voraussetzungen für eine aktivere Beteiligung der Orthodoxen Kirche an der Arbeit des ÖRK geschaffen. 165

Johannes Oeldemann

Der Beitrag orthodoxer Theologen zu den multilateralen ökumenischen Gesprächen im Rahmen des ÖRK ist bislang noch kaum erforscht. Darstellungen der Geschichte des ÖRK konzentrieren sich meist auf die Vollversammlungen und die von ihnen verabschiedeten Erklärungen. Diese Dokumente vermögen jedoch nur einen geringen Teil des orthodoxen Beitrags zur ökumenischen Bewegung zu erfassen. Deutlicher als in den Beschlüssen der Vollversammlungen zeigt sich der orthodoxe Einfluss in den Dokumenten, die von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung erarbeitet wurden. Ein erstes Beispiel dafür ist die Erklärung der vierten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Montreal 1963 über das Verhältnis von „Schrift, Tradition und Traditionen“. Das Dokument ist das Ergebnis eines längeren Studienprozesses, zu dessen Initiatoren der russische orthodoxe Theologe Georges Florovsky gehörte. Im Laufe der Studienarbeit gelang es, vor allem auf der Grundlage verschiedener Beiträge orthodoxer Theologen zum Traditionsverständnis der Orthodoxen Kirche, die starre Gegenüberstellung von Schrift und Tradition zu überwinden und zentrale Grundpositionen sowohl der Orthodoxie (Primat der „Tradition“) als auch der Reformation (kriteriologische Funktion der Heiligen Schrift) zu integrieren. Ein zweites Beispiel für den aktiven Einfluss orthodoxer Theologen auf die Studienarbeit des ÖRK sind die 1982 in Lima verabschiedeten Konvergenzerklärungen über „Taufe, Eucharistie und Amt“. Die von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung unter dem Vorsitz des griechischen orthodoxen Theologen Nikos Nissiotis erarbeiteten „LimaDokumente“ zählen zu den bekanntesten und am weitesten verbreiteten Dokumenten in der Geschichte der ökumenischen Bewegung. Einflüsse der orthodoxen Theologie lassen sich dabei sowohl im Lima-Dokument über die Eucharistie als auch im LimaDokument über das Amt beobachten. William Lazareth, langjähriger Direktor von Faith and Order, bezeichnet die Konvergenzerklärungen von Lima daher als „das am meisten orthodox inspirierte Dokument“, das jemals von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung erstellt worden ist (vgl. Lazareth: „Holy Trinity and Holy Tradition“, S. 291). Ein drittes Beispiel für den Beitrag orthodoxer Theologen zur Arbeit des ÖRK ist das Studienprojekt „Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ausdruck des apostolischen Glaubens heute“, mit dem die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in den 1980er-Jahren das Desiderat der Orthodoxen aufnahm, sich bei der Formulierung der gemeinsamen Glaubensgrundlagen am Erbe der Alten Kirche zu orientieren. Das 1990 verabschiedete Studiendokument „Gemeinsam den einen Glauben bekennen“, das eine ökumenische Auslegung des Glaubensbekenntnisses von Nicaea-Konstantinopel (381) enthält, verdankt seine Entstehung und wesentliche Inhalte der engagierten Mitarbeit orthodoxer Theologen in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Zu den prägenden Persönlichkeiten der ökumenischen Bewegung von orthodoxer Seite zählten in der zweiten Hälfte des 20. Jh. neben dem bereits erwähnten griechischen Theologen Nikos Nissiotis (1924–1986) die russischen Theologen John Meyendorff (1926–1992) und Vitalij Borovoj (1916–2008), der rumänische Theologe Ion Bria (1929–2002) sowie der bulgarische Theologe Todor Sabev (1928–2008). Sie und viele andere orthodoxe Delegierte haben ihren Beitrag dazu geleistet, dass orthodoxes Gedankengut Eingang in die Arbeit und die Dokumente des 166

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

ÖRK fand. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus die Bedeutung der persönlichen Begegnungen, die durch ihre Mitarbeit in den Gremien des ÖRK ermöglicht wurden. Manche Gespräche auf den Fluren der Genfer Zentrale oder bei den Kursen im Institut in Bossey haben vermutlich eine wichtigere Rolle für die Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses und das Wachsen der ökumenischen Gemeinschaft gespielt als viele der Erklärungen und offiziellen Dokumente. Immer wieder haben die Vertreter der Orthodoxen Kirche ihre Mitarbeit im ÖRK auch kritisch reflektiert. So benennt der Bericht einer interorthodoxen Konsultation in Sofia 1981 neben positiven Aspekten auch Probleme, die sich aus der orthodoxen Beteiligung am ÖRK ergeben. Hierzu werden neben dem Arbeitsstil des Rates u.a. die Programmvorhaben gezählt, bei denen „Probleme, die der orthodoxen Tradition und dem orthodoxen Ethos fremd waren, z.B. die Ordination der Frauen zum Priesteramt als „Prioritätsfragen“ behandelt würden (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 307). Im Laufe der Zeit wurde der Ton der orthodoxen Stellungnahmen zur Arbeit des ÖRK kritischer. Deutlich wird dies in einer Erklärung der orthodoxen Delegierten bei der siebten Vollversammlung des ÖRK in Canberra 1991, in der diese ihre Befürchtung zum Ausdruck bringen, dass der ÖRK „nicht länger ein Instrument zur Herstellung der christlichen Einheit“ sei, sondern sich vielmehr zu einem unverbindlichen „Forum des Meinungsaustauschs, das nicht mehr über eine spezifisch christliche theologische Grundlage verfügt“, entwickle (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 546). Darüber hinaus kritisieren die orthodoxen Delegierten die Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb des ÖRK sowie die Erweiterung des Themenspektrums im Blick auf den interreligiösen Dialog. Kritische Stimmen zur Entwicklung des ÖRK finden sich auch in den Stellungnahmen einzelner orthodoxer Mitgliedskirchen im Rahmen der Vorbereitungen auf das 50-jährige Jubiläum des ÖRK, das 1998 bei der achten Vollversammlung in Harare begangen wurde. Schon im Vorfeld der Vollversammlung wurde eine Erklärung zum gemeinsamen Verständnis des ÖRK entworfen, um den unterschiedlichen Erwartungen der Mitgliedskirchen gerecht zu werden. Das Ökumenische Patriarchat, das Moskauer Patriarchat und die Rumänische Orthodoxe Kirche verfassten jeweils eigene Stellungnahmen zu diesem Entwurf, aus denen die orthodoxen Desiderate deutlich hervorgehen (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 617–642). Alle drei Stellungnahmen plädieren für eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche Ziel der ökumenischen Bewegung, die Wiederherstellung der sichtbaren Einheit, messen in diesem Zusammenhang der Arbeit der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung besondere Bedeutung bei, mahnen einen Konsens in ethischen Fragen an, verurteilen den Proselytismus und fordern strengere Kriterien bei der Aufnahme neuer Mitgliedskirchen sowie eine Überarbeitung der internen Entscheidungsprozesse. Nachdem diese Forderungen bei einem Vortreffen der orthodoxen Delegierten für die achte Vollversammlung noch einmal in einer Erklärung (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 723–727) gebündelt worden waren, setzte sich eine von der Vollversammlung eingesetzte „Sonderkommission zur orthodoxen Mitarbeit im ÖRK“ in den folgenden drei Jahren ausführlich mit den orthodoxen Be167

Johannes Oeldemann

denken auseinander und legte im Jahr 2002 einen Abschlussbericht vor, der konkrete Vorschläge für Änderungen in den Statuten und Arbeitsformen des ÖRK enthält (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 822–888). Dazu zählen strengere Kriterien für die Aufnahme neuer Mitgliedskirchen, neue Methoden zur Entscheidungsfindung im Konsensverfahren sowie Grundprinzipien für die Gestaltung „interkonfessioneller gemeinsamer Andachten“, die den Vorbehalten konservativer orthodoxer Kreise gegen „ökumenische Gottesdienste“ Rechnung tragen. Die Empfehlungen der Sonderkommission wurden vom Zentralausschuss des ÖRK gutgeheißen und die entsprechenden Verfahrensweisen erstmals bei der neunten Vollversammlung des ÖRK in Porto Alegre 2006 angewandt, die auch die von der Sonderkommission vorgeschlagenen Satzungsänderungen beschlossen hat. Nach den stürmischen Jahren rund um die Jahrtausendwende verläuft die orthodoxe Mitarbeit im ÖRK heute wieder in ruhigerem Fahrwasser, so dass der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. in seiner Predigt aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums des ÖRK im Februar 2008 von einer „heilsamen Krise“ sprach, die dazu geführt habe, „dass wir endlich aufrichtig, demütig und ohne Hintergedanken miteinander sprechen können…, während sie uns zugleich neue Kraft verliehen hat, unseren gemeinsamen Weg zur Einheit fortzusetzen“ (Orthodoxie aktuell 12 [2008], Nr. 26). Insgesamt hat die Präsenz der Orthodoxen im Ökumenischen Rat der Kirchen wesentlich dazu beigetragen, dass auch in der multilateralen Ökumene das Gespräch über die theologischen Grundlagen der christlichen Einheit eine wesentliche Rolle gespielt hat und weiterhin spielt.

2. Bilaterale Dialoge der Orthodoxen Kirche im Überblick Angesichts der dargelegten Schwierigkeiten auf der Ebene multilateraler ökumenischer Kontakte läge die Vermutung nahe, dass die Orthodoxen den Schwerpunkt ihrer zwischenkirchlichen Kontakte allmählich auf die bilateralen Dialoge verlagert haben. Dieser Annahme widerspricht jedoch die Tatsache, dass die meisten bilateralen Dialoge der Orthodoxen Kirche schon in den 1970er- und 80er-Jahren ihren Auftakt nahmen – mithin in der Zeit, die sich auch auf der multilateralen Ebene als eine fruchtbare Epoche für theologische Gespräche zwischen den Kirchen erwiesen hat. Und ebenso wie die orthodoxe Mitarbeit im ÖRK durchliefen auch viele bilaterale Dialoge in den 1990er-Jahren eine schwierige Phase, in denen die Gespräche ins Stocken gerieten und zum Teil bis heute nicht mehr fortgeführt werden konnten. Die Gründe dafür werden im abschließenden Teil dieses Beitrags zu untersuchen sein. Am Beginn der bilateralen theologischen Gespräche der Orthodoxen Kirche mit anderen christlichen Kirchen und Konfessionen stehen die vier Panorthodoxen Konferenzen, die zwischen 1961 und 1968 in Rhodos und Chambésy stattfanden. Die Delegierten der autokephalen orthodoxen Kirchen beschlossen auf diesen Konferenzen, mit Vertretern anderer christlicher Kirchen in das Gespräch zu treten und zu diesem 168

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

Zweck bilaterale theologische Kommissionen zu etablieren, in denen Vertreter aller orthodoxen Kirchen mitarbeiten sollten. Der Verlauf der einzelnen Dialoge wird im Folgenden jeweils in tabellarischen Übersichten zusammengefasst, aus denen die chronologische Abfolge und die behandelten Themen ersichtlich sind. Daran schließen sich erläuternde Bemerkungen an, die wichtige Schwerpunkte der thematischen Arbeit und der verabschiedeten Dokumente hervorheben und Gründe für Unregelmäßigkeiten oder Unterbrechungen im Dialog zu erläutern versuchen.

Bereits parallel zu den ersten Panorthodoxen Konferenzen begannen inoffizielle Gespräche zwischen Orthodoxen und Orientalisch-Orthodoxen. Die Kontakte zwischen Vertretern dieser Kirchen im Rahmen des ÖRK führten zu vier inoffiziellen Konsultationen (Aarhus 1964, Bristol 1967, Genf 1970, Addis Abeba 1971), die eine erste Annäherung ermöglichten (vgl. Kirchschläger/Stirnemann: Chalcedon und die Folgen, S. 52–66). Der offizielle theologische Dialog zwischen der Orthodoxen Kirche und den Orientalisch-Orthodoxen Kirchen begann aus unterschiedlichen Gründen zwar erst 1985, führte jedoch schon sehr bald zur Verabschiedung einer Gemeinsamen Erklärung zur Christologie (1989), in der eine Formulierung des in beiden Traditionen verehrten Kirchenvaters Kyrill von Alexandreia, der von der „einen Natur (Hypostase) des fleischgewordenen Logos Gottes“ spricht, als hinreichender Ausdruck des gemeinsamen Glaubens hervorgehoben wird (DwÜ II, S. 298–301). Schon ein Jahr später vertiefte eine zweite Erklärung der Dialogkommission die erzielte Übereinstimmung durch die gemeinsame Verurteilung der Irrlehren des Eutyches und des Nestorius und empfahl den Kirchen die Aufhebung der gegenseitigen Verurteilungen (DwÜ II, S. 302–304). Mit den Empfehlungen der dritten Vollversammlung „wurde im Grunde genommen die Arbeit der Gemischten Theologischen Kommission abgeschlossen“ (Martzelos: „Der theologische Dialog“, S. 190). Da jedoch auf beiden Seiten Unklarheit über die weiteren Schritte herrschte, erörterte die Dialogkommission bei ihrem bislang letzten Treffen 1993 die Frage, welche kirchlichen Autoritäten für die Aufhebung der Anathemata zuständig sind und wie die gemeinsamen Beschlüsse umgesetzt werden sollen (DwÜ III, S. 133–135). Leider wurden die Vorschläge der Kommission sowohl auf orthodoxer wie auch auf orientalisch-orthodoxer Seite nicht rezipiert, so dass der 169

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Dialog auf panorthodoxer Ebene zum Erliegen gekommen ist. Es gibt aber durchaus regelmäßige Kontakte zwischen einzelnen Ortskirchen, die in unmittelbarer räumlicher Nachbarschaft leben (Koptisch-Orthodoxes und Griechisch-Orthodoxes Patriarchat von Alexandreia, Syrisch-Orthodoxes und Rum-Orthodoxes Patriarchat von Antiocheia, Armenische Apostolische Kirche und Russische Orthodoxe Kirche). Dabei kam es auch zu bemerkenswerten Vereinbarungen im Blick auf die Zusammenarbeit im Bereich der Pastoral (vgl. OiD, S. 21–23). Doch die Frage einer möglichen Wiederaufnahme der Kirchengemeinschaft zwischen Orthodoxen und Orientalisch-Orthodoxen steht derzeit nicht auf der Tagesordnung.

Die Begegnung zwischen dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. von Konstantinopel und Papst Paul VI. im Januar 1964 in Jerusalem war der symbolische Auftakt für ökumenische Gespräche zwischen Orthodoxen und Katholiken. Schon im Dezember 1965 war man im Dialog zwischen Konstantinopel und Rom so weit voran170

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

geschritten, dass auf der letzten öffentlichen Sitzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) und zeitgleich in der Georgskathedrale des Ökumenischen Patriarchats die Tilgung der Bannsprüche von 1054 aus dem Gedächtnis der Kirche verkündet werden konnte (vgl. Oeldemann: Die Wiederentdeckung der Communio). In den folgenden Jahren intensivierten sich die Kontakte zwischen Rom und Konstantinopel durch regelmäßige Gespräche und gegenseitige Besuche. Diese im Tomos Agapis („Band der Liebe“) dokumentierte Vorbereitungsphase wird in der Literatur als „Dialog der Liebe“ bezeichnet. Darüber hinaus bemühte sich Rom auch um den Aufbau von Kontakten mit anderen orthodoxen Ortskirchen, insbesondere dem Patriarchat von Moskau. Mit der Russischen Orthodoxen Kirche wurden ab 1967 theologische Gespräche geführt, die sich zunächst mit sozialethischen Fragen befassten, später aber auch theologische Themen behandelten (OiD, S. 28–44). Daneben gab es mehrere Dialoginitiativen auf regionaler Ebene, die ebenfalls den Boden für die Aufnahme eines offiziellen theologischen Dialogs bereiteten. Hier sind in Deutschland die „Regensburger Ökumenischen Symposien“ (vgl. Gahbauer: Die Regensburger Ökumenischen Symposien) zu nennen, in Frankreich die Gespräche zwischen Orthodoxen und Katholiken zum pastoralen Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehen (OiD, S. 117–130) und in den USA die seit 1965 in halbjährlichem Abstand tagende „Orthodox-katholische Konsultation“, die zu Beginn ebenfalls vor allem über Fragen der pastoralen Praxis beraten hat, während später theologische Themen den Arbeitsschwerpunkt bildeten (OiD, S. 48–116). Beim ersten Besuch von Papst Johannes Paul II. im Phanar, dem Amtssitz des Ökumenischen Patriarchen, im November 1979 wurde schließlich der Beginn eines offiziellen theologischen Dialogs angekündigt, der im Unterschied zur vorbereitenden Phase als „Dialog der Wahrheit“ bezeichnet wird. Die Internationale orthodox-katholische Dialogkommission kam 1980 zu ihrer konstituierenden Sitzung auf Patmos und Rhodos zusammen und konnte in den 1980er-Jahren in rascher Folge drei bemerkenswerte Konsensdokumente zum Verständnis der Kirche und der Sakramente erarbeiten (DwÜ II, S. 531–567). In den 1990er-Jahren geriet der Dialog durch das Wiederaufleben der mit Rom unierten Ostkirchen in eine Krise, die die Dialogkommission durch eine ad hoc formulierte „Erklärung von Freising“ (1990) und das Dokument von Balamand (1993) zu entschärfen versuchte (DwÜ III, S. 555–567). Letztlich blieben die Auffassungen bezüglich der katholischen Ostkirchen jedoch so kontrovers, dass es nach der achten Vollversammlung in Baltimore (2000) de facto zu einem Abbruch des Dialogs kam. Nach vielfältigen Bemühungen um eine Entspannung konnte die Dialogkommission 2006 ihre Arbeit in neuer Zusammensetzung wiederaufnehmen und bereits im folgenden Jahr ein neues Dokument verabschieden, das nach dem Tagungsort kurz als „Ravenna-Dokument“ bezeichnet wird (DwÜ IV, S. 833–848). Darin konstatiert die Kommission, dass es auf allen Ebenen der Kirche (lokal, regional und universal) eine Interdependenz von Primat und Synodalität geben sollte. Damit erkennen die Orthodoxen erstmals die Notwendigkeit eines Primats auf der Ebene der Universalkirche an, während die Katholiken vor die Herausforderung gestellt werden, die synodalen Elemente im Leben der Kirche zu stärken. Derzeit befasst sich die Dialogkommission mit dem Verständnis des römischen Primats im ersten Jahrtausend. Eine vom Koordi171

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nierungskomitee bei seiner Tagung auf Kreta 2008 erarbeitete Textvorlage wurde bei den beiden jüngsten Vollversammlungen kontrovers diskutiert. Eine Unterkommission soll nun eine neue Textvorlage erarbeiten, die bei der nächsten Vollversammlung als Gesprächsgrundlage dienen soll. Der theologische Dialog zwischen Orthodoxen und Anglikanern hat bereits eine lange Vorgeschichte. Schon im 19. Jh. gab es intensive Kontakte zwischen anglikanischen und orthodoxen Theologen, die vor allem auf die Initiative der Oxford-Bewegung zurückgingen. In den 1920er- und 30er-Jahren erkannten mehrere orthodoxe Patriarchate die Gültigkeit der anglikanischen Weihen offiziell an (vgl. Thon: Quellenbuch, S. 506–510). Im Gegensatz dazu äußerte sich die oben erwähnte Moskauer Kirchenkonferenz 1948 ablehnend zur Frage der Gültigkeit der anglikanischen Weihen (vgl. Thon: Quellenbuch, S. 510–512). Daher beschloss die III. Panorthodoxe Konferenz im November 1964 die Bildung einer „Interorthodoxen theologischen Kommission für den Dialog mit den Anglikanern“, deren Aufgabe zunächst die Erarbeitung einer gemeinsamen Position der orthodoxen Seite sowie die Formulierung eines Themenkatalogs für den offiziellen Dialog war. Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten konnte sich die Internationale anglikanisch-orthodoxe Dialogkommission auf ihrer ersten Vollversammlung 1973 in Oxford sehr schnell auf einen gemeinsamen Arbeitsplan einigen. Die Kommission teilte sich in drei Unterkommissionen auf, die Textvorlagen für eine Gemeinsame Erklärung erarbeiteten, die dann schon auf der nächsten Vollversammlung der Kommission im August 1976 in Moskau verabschiedet werden konnte. Die sogenannte „Moskau-Erklärung“ nimmt Stellung zum Verständnis der göttlichen Offenbarung und in diesem Zusammenhang zur Bedeutung der Heiligen Schrift, zum Verhältnis von Schrift und Tradition sowie zur Autorität der Konzile, geht aber auch auf die Filioque-Klausel und das Verständnis der Eucharistie ein (DwÜ I, S. 81–89). Nach der relativ raschen Verabschiedung der „Moskau-Erklärung“ wollte sich die anglikanisch-orthodoxe Dialogkommission eigentlich ekklesiologischen Themen zuwenden. Aufgrund der beabsichtigten Einführung der Frauenordination bei den Anglikanern setzte sie sich auf einer Sondersitzung in Athen 1978 jedoch zunächst mit dieser Thematik auseinander. Die bei dieser Sitzung verabschiedete „AthenErklärung“ enthält getrennte Stellungnahmen der orthodoxen und der anglikanischen Kommissionsmitglieder zur Frage der Frauenordination, aus der die unterschiedlichen Sichtweisen beider Kirchen, aber auch die Uneinigkeit innerhalb der anglikanischen Delegation deutlich werden (DwÜ I, S. 90–97). In den folgenden Jahren widmete sich die Kommission der Erarbeitung einer zweiten Gemeinsamen Erklärung, die 1984 in Dublin verabschiedet werden konnte. Diese sogenannte „Dublin-Erklärung“ behandelt die Ekklesiologie, die Trinitätslehre und das Traditionsverständnis in beiden Kirchen (DwÜ I, S. 90–97). In einem Epilog zur „Dublin-Erklärung“ zieht die Dialogkommission eine Bilanz ihrer bisherigen Arbeit, in der eine Übereinstimmung in Grundfragen des Glaubens konstatiert, jedoch auch noch eine Reihe offener Fragen formuliert werden. Die dritte Dialogphase im orthodox-anglikanischen Dialog auf Weltebene begann 1989 und führte nach vielen Sitzungen im Jahr 2005 zur Verabschiedung der „Zypern-Erklärung“, die erstmals mit einem eigenen Titel versehen 172

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wurde: „Die Kirche des Dreieinen Gottes“ (DwÜ IV, S. 194–287). Das umfangreiche Dokument geht zunächst auf Fragen der Gotteslehre ein, bevor es sich ausführlich der Ekklesiologie widmet, wobei auch umstrittene Themen wie das Verhältnis von Frauen und Männern in der Kirche und die Verwendung der Begriffe Häresie und Schisma unbehandelt bleiben. In der derzeit laufenden vierten Dialogphase, die im Jahr 2009 mit einer Sitzung der Dialogkommission auf Kreta begann, widmen sich Anglikaner und Orthodoxe Fragen der christlichen Anthropologie.

Gespräche zwischen Orthodoxen und Altkatholiken gibt es schon seit dem ersten Altkatholischen Kongress 1871 in München, an dem einige orthodoxe Theologen teilnahmen, die in dieser sich vom römischen Primat abgrenzenden und auf die Alte Kirche berufenden Bewegung anfangs einen Partner sahen, der gewillt schien, die Grundprinzipien des orthodoxen Kirchenverständnisses im westlichen Kontext umzusetzen. In den folgenden Jahren kam es zu zahlreichen Begegnungen, deren Höhepunkt die so genannten „Bonner Unionskonferenzen“ der Jahre 1874 und 1875 waren. Nach der Utrechter Union von 1889 erhielten die inoffiziellen Kontakte zwischen Altkatholiken und Orthodoxen den Charakter eines offiziellen Dialogs, der durch die „Rotterdamer Kommission“ auf altkatholischer Seite und die „Petersburger Kommission“ auf orthodoxer Seite geführt wurde (vgl. Oeldemann: Die Apostolizität der Kirche, S. 55–65). In dieser Phase kam der russischen Kirche eine führende Rolle im Dialog mit den Altkatholiken zu, die sie nach der Oktoberrevolution 1917 nicht mehr wahrnehmen konnte. Dennoch wurden die Gespräche zwischen Orthodoxen und Altkatholiken fortgeführt, wobei nun das Ökumenische Patriarchat federführend wurde. 174

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

Der bilaterale Dialog zwischen Orthodoxen und Altkatholiken auf Weltebene wurde von der III. Panorthodoxen Konferenz 1964 initiiert, die eine Interorthodoxe Theologische Kommission für den Dialog mit den Altkatholiken einsetzte. Nachdem die Internationale Altkatholische Bischofskonferenz auf Bitten dieser Kommission in einem „Glaubensbrief“ und einer „Erklärung zur Filioque-Frage“ ihre Position in einigen umstrittenen Fragen dargelegt hatte, konnte die orthodox-altkatholische Dialogkommission 1973 zu ihrer konstituierenden Sitzung in Athen zusammenkommen und ein umfassendes Arbeitsprogramm vereinbaren (Orthodoxes Forum 4 [1990], S. 174–184). In den folgenden Jahren erarbeitete die Kommission in einem festen Arbeitsrhythmus mit Plenarsitzungen in zweijährigem Abstand gemeinsame Texte zu allen vereinbarten Themen sowie zusätzlich einen Text zum Verständnis von Kirchengemeinschaft (DwÜ I, S. 24–53; DwÜ II, S. 22–49). Auf diese Weise gelang es der Kommission, in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum von zwölf Jahren (1975–87) das gesamte thematische Spektrum zu bearbeiten. Der orthodox-altkatholische Dialog ist damit der erste und bisher einzige bilaterale ökumenische Dialog, der formell abgeschlossen werden konnte. Allerdings steht die erforderliche Rezeption der Dialogergebnisse durch die beteiligten Kirchen noch aus. Vor allem auf orthodoxer Seite gibt es Bedenken gegen eine offizielle Anerkennung des in den Dokumenten zum Ausdruck gebrachten Konsenses. Hierfür gibt es verschiedene Gründe: Zunächst ließen die von den Altkatholiken unterzeichneten Vereinbarungen über Interkommunion mit den Anglikanern und mit der Evangelischen Kirche in Deutschland die Orthodoxen zögern, einer Kirchengemeinschaft mit den Altkatholiken zuzustimmen. Dabei spielte u.a. die in diesen Kirchen bereits praktizierte Frauenordination eine wichtige Rolle. Als dann auch die deutschen Altkatholiken die Frauenordination einführten, war aus orthodoxer Sicht die gemeinsame Basis für den Dialog zerstört. Der orthodox-altkatholische Dialog kam, trotz verschiedener Versuche, gegenseitiges Verständnis in den umstrittenen Fragen zu erzielen, zum Erliegen und konnte bislang nicht fortgesetzt werden. Erste Kontakte zwischen Reformation und Orthodoxie gab es bereits im 16. Jh., als die Reformatoren sich um eine Bestätigung von orthodoxer Seite bemühten, dass ihre Anliegen der Lehre der Alten Kirche entsprächen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Briefwechsel zwischen dem Ökumenischen Patriarchen Jeremias II. und den „Tübinger Theologen“ in den Jahren 1573–81, in dem bereits viele Punkte zur Sprache kamen, die später in den theologischen Dialogen erneut thematisiert wurden. Im 20. Jh. kamen orthodoxe und protestantische Theologen zunächst im Rahmen der Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung wieder in direkten Kontakt. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) eine Vorreiterrolle für die Aufnahme bilateraler theologischer Gespräche. Neben Gesprächen mit Vertretern der Russischen Orthodoxen Kirche, die bereits 1959 begannen, führte die EKD auch Gespräche mit dem Ökumenischen Patriarchat und der Rumänischen Orthodoxen Kirche sowie der Evangelische Kirchenbund in der DDR mit der Bulgarischen Orthodoxen Kirche (OiD, S. 312–461). Auch in anderen Regionen wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren theologische Gespräche zwischen protestantischen und orthodoxen Theologen aufgenommen, beispielsweise zwischen 175

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Orthodoxen und Lutheranern in den USA oder zwischen den Orthodoxen in Russland und den Lutheranern in Finnland (OiD, S. 227–296).

Der offizielle Dialog zwischen Orthodoxen und Lutheranern auf Weltebene geht zurück auf eine Initiative der Orthodoxen, die 1968 die Bildung einer theologischen Kommission zur Vorbereitung eines Dialogs mit den Lutheranern beschlossen, die jedoch erst 1977 ihre Arbeit aufnahm. Das erste Treffen der Internationalen orthodox-lutherischen Dialogkommission fand 1981 in Espoo statt. In der ersten Dialogphase (1981–1993) erarbeitete die Kommission eine Reihe von Dokumenten zum Verständnis der göttlichen Offenbarung einschließlich des Verhältnisses von Schrift und Tradition sowie der Bedeutung der ökumenischen Konzile (DwÜ II, S. 260–271; DwÜ III, S. 96–99). Die zweite Dialogphase (1993–1998) war der Soteriologie, insbesondere dem Verständnis von Rechtfertigung und Heiligung gewidmet (DwÜ III, S. 99–106). Die derzeit lau176

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fende dritte Dialogphase (seit 2000) behandelt unter der Überschrift „Das Mysterium der Kirche“ ekklesiologische Fragen, wobei der Schwerpunkt auf dem Verständnis der Sakramente liegt. Dem orthodox-lutherischen Dialog auf Weltebene ist es gelungen, in seiner Arbeit einerseits die bereits vorliegenden Ergebnisse der regionalen Dialoge zu integrieren, andererseits aber auch thematisch eigene Akzente zu setzen. Die Initiative zu einem orthodox-reformierten Dialog auf Weltebene ging von reformierter Seite aus. Neben den sogenannten „Debrecen-Gesprächen“ (1972–87) [OiD, S. 299–308], an denen vor allem orthodoxe und reformierte Theologen aus Mittel- und Osteuropa beteiligt waren, wurde der Dialog durch drei inoffizielle Konsultationen zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und dem Reformierten Weltbund (1979–83) vorbereitet. Die Internationale orthodox-reformierte Dialogkommission nahm ihre Arbeit 1988 in Leuenberg auf und erarbeitete zunächst eine Gemeinsame Erklärung über das Verständnis der Trinität, die dann zwei Jahre später noch durch einen Text über bedeutende Merkmale der theologischen Rede über die Trinität vertieft wurde (DwÜ II, S. 318–330). Bereits 1994 verabschiedete die Kommission das nächste Dokument, eine Gemeinsame Erklärung zur Christologie (DwÜ III, S. 155–160). Ab 1996 widmete sich die Kommission ekklesiologischen Themen. Die Ergebnisse dieser Beratungen wurden 2005 in dem Dokument „Konvergenzen in der Lehre von der Kirche“ publiziert. Neben den erwähnten offiziellen theologischen Dialogen gab es auch eine ganze Reihe inoffizieller theologischer Gespräche. Zu Letzteren zählen die Gespräche zwischen Orthodoxen und Vertretern freikirchlicher Gemeinschaften (u.a. Methodisten und Baptisten) [OiD, S. 475–484], die jedoch bislang nicht zur Etablierung offizieller Dialogkommissionen geführt haben.

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Die offiziellen ökumenischen Dialoge der Orthodoxen Kirche haben zu einem durchaus bemerkenswerten theologischen Ertrag geführt, hatten andererseits aber kaum Auswirkungen auf das konkrete ökumenische Miteinander. Dies liegt vor allem daran, dass bislang keine offizielle Rezeption der Dialogergebnisse erfolgt ist. Eine erste Zwischenbilanz aus orthodoxer Sicht bietet der Beschluss der III. Vorkonziliaren Panorthodoxen Konferenz 1986 über „Die Beziehungen der Orthodoxen Kirche zur übrigen christlichen Welt“, der Stellungnahmen zu den einzelnen bilateralen Dialogen enthält (vgl. Baskedis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 379–387). Eine offizielle Stellungnahme zu den Dialogdokumenten bleibt jedoch dem geplanten Panorthodoxen Konzil vorbehalten. Dessen Vorbereitung zieht sich bereits seit Jahrzehnten hin, obwohl der Vorbereitungsprozess in jüngster Zeit an Dynamik gewonnen hat. Wenn das Konzil, wie in den jüngsten Stellungnahmen verlautbart, tatsächlich im kommenden Jahrzehnt zusammentreten wird, dürfte auch der ökumenische Dialog mit der Orthodoxen Kirche dadurch einen neuen Impuls erhalten.

3. Grundmotive des orthodoxen Engagements in der Ökumene Die Vielzahl der bilateralen Dialoge, die von der Orthodoxen Kirche im 20. Jh. geführt wurden, lässt die Frage nach der Motivation für dieses ökumenische Engagement aufkommen. Eine erste Antwort findet sich in der eingangs erwähnten Enzyklika des Ökumenischen Patriarchats aus dem Jahr 1920, die für die Wiederherstellung von „Aufrichtigkeit und Vertrauen unter den Kirchen“ plädiert und dementsprechend unterstreicht, dass es das Wichtigste sei, „dass die Liebe zwischen den Kirchen wieder angefacht und gestärkt wird, so dass einer den anderen nicht mehr als Feind und Fremdling, sondern als Verwandten und Hausgenossen in Christus ansieht“ (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 17). Die in Christus grundgelegte „Hausgenossenschaft“ (vgl. Eph 2,19) bildet somit die Basis für alle Kontakte der Orthodoxen Kirche mit anderen christlichen Kirchen. Wenn aber darüber hinaus die Frage gestellt wird, welcher ekklesiale Status den anderen christlichen Kirchen zukommt, dann sind die Antworten orthodoxer Theologen höchst kontrovers. Metropolit Ioannis Zizioulas, einer der führenden Vertreter der Orthodoxen Kirche im ökumenischen Dialog, konstatiert diesbezüglich selbstkritisch einen „ekklesiologischen Agnostizismus“ der orthodoxen Theologie, die noch zu keiner einheitlichen Bewertung der nichtorthodoxen Kirchen gefunden hat. Konservative Kreise ziehen eine strikte Trennlinie zwischen der Orthodoxen Kirche und den übrigen christlichen Kirchen. Für sie ist die Kirche Jesu Christi einzig und allein in der Orthodoxen Kirche verwirklicht. Alle anderen Christen sind irgendwann im Laufe der Geschichte vom wahren Glauben abgefallen, haben sich damit von der wahren Kirche getrennt und stehen somit heute außerhalb der ekklesialen Gemeinschaft. Die Wiederherstellung der Einheit der Kirche kann ihrer Auffassung nach nur durch Wiedereingliederung der 178

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

getrennten Christen in die Orthodoxe Kirche erfolgen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch eine große Gruppe orthodoxer Theologen, die wahren Glauben und damit authentisches Christsein außerhalb der Orthodoxen Kirche anerkennen. Sie betonen die in der Taufe begründete Gemeinschaft aller Christen und vertreten die Auffassung, dass die Grenzen der Kirche Jesu Christi nicht identisch mit den kanonischen Grenzen der Orthodoxen Kirche sind (vgl. Oeldemann: Orthodoxe Kirchen im ökumenischen Dialog, S. 147–175). Auch orthodoxe Theologen, die sich am ökumenischen Dialog beteiligen, gehen von der Identität der Orthodoxen Kirche mit der Kirche Jesu Christi aus, wollen den anderen Konfessionen jedoch aus unterschiedlichen Gründen ihre Kirchlichkeit nicht absprechen. Die Anerkennung der faktischen Existenz anderer Kirchen bildet daher die Basis für die Beteilung der Orthodoxen Kirche an der ökumenischen Bewegung. Dies ist auch der Grundtenor der Beschlüsse der III. Vorkonziliaren Panorthodoxen Konferenz von 1986. Der Beschluss über „Die Beziehungen der Orthodoxen Kirche zur übrigen christlichen Welt“ verleiht der Überzeugung Ausdruck, dass die Orthodoxe Kirche durch die theologischen Dialoge „allen, die sich außerhalb ihrer Grenzen befinden, ein dynamisches Zeugnis ihrer geistlichen Schätze gibt“ (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 379). Die Dialoge müssen „einerseits für alle aus der Vergangenheit ererbten oder erst vor kurzem entstandenen theologischen Divergenzen eine Lösung bieten und andererseits nach den gemeinsamen Elementen christlichen Glaubens suchen“ (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 381). Das Ziel des Dialogs sei „die Einheit im rechten Glauben und in der Liebe“ (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 381), wobei „die Eigenart der Probleme eines jeden bilateralen Dialogs … eine Differenzierung der zu befolgenden Methode“ erfordere (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 381). Dieselbe Panorthodoxe Konferenz hat noch ein zweites Dokument zur Rolle der Orthodoxie in der Ökumene verabschiedet. Dieses zweite Dokument, das unter der Überschrift „Orthodoxe Kirche und ökumenische Bewegung“ steht, geht stärker auf die Bedenken der Gegner des ökumenischen Engagements innerhalb der Orthodoxie ein und unterstreicht daher zu Beginn, dass die Orthodoxe Kirche der Überzeugung ist, „Träger und Zeuge des Glaubens und der Tradition der Einen, Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche zu sein“ (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 387). Die Einheit der Kirche komme „in der apostolischen Sukzession und der Vätertradition“ zum Ausdruck und werde „bis auf den heutigen Tag in ihr [der Orthodoxen Kirche, J.O.] gelebt“ (vgl. ebd.). Das Dokument betont die Identität der Orthodoxen Kirche mit der Kirche Jesu Christi, vermeidet jedoch, diese Identität exklusiv zu beanspruchen. Um möglichen Einwänden orthodoxer Fundamentalisten zu begegnen, wird hervorgehoben, dass die Orthodoxe Kirche „auf keinen Fall die Idee der ‚Gleichheit der Konfessionen‘“ akzeptiere, sondern „trotz ihrer Beteiligung am ÖRK ihrer Ekklesiologie, der Identität ihrer inneren Struktur und der Lehre der ungeteilten Kirche treu“ bleibe (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 389). Die Teilnahme der Orthodoxen an der ökumenischen Bewegung widerspreche daher „keineswegs der Natur und Geschichte 179

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der Orthodoxen Kirche“, sondern sei „vielmehr Ausdruck des apostolischen Glaubens … in einer Zeit mit neuen geschichtlichen Bedingungen und neuen existenziellen Fragen“ (vgl. Basdekis: Orthodoxe Kirche und Ökumenische Bewegung, S. 388). Die panorthodoxen Dokumente erkennen somit die veränderte Situation der Christenheit im 20. Jh. an und nehmen die Gegebenheit einer kirchlichen Pluralität zum Anlass, für ein glaubwürdiges Zeugnis des orthodoxen Glaubens im Kontext der ökumenischen Bewegung zu werben. Diese Einstellung spiegeln auch offizielle Erklärungen einzelner Patriarchate aus jüngerer Zeit wider. Zu den wichtigsten Stellungnahmen zählt sicherlich das im August 2000 von der Bischofssynode der Russischen Orthodoxen Kirche verabschiedete Dokument „Grundlegende Prinzipien der Beziehung der Russischen Orthodoxen Kirche zu den Nicht-Orthodoxen“ (in Auszügen auf Deutsch publiziert in: Ökumenische Rundschau 50 [2001], S. 210–215). Dieser Text unterstreicht einerseits sehr deutlich, dass die Orthodoxe Kirche die wahre Kirche Christi ist (1.1, 1.17) und es daher vorrangige Aufgabe der Orthodoxen sei, „in den Beziehungen mit den Nicht-Orthodoxen ein beständiges und unermüdliches Zeugnis abzulegen, das dazu führt, die Wahrheit, die in der Überlieferung ausgedrückt wird, zu entdecken und anzunehmen“ (3.1). Andererseits betont der Text aber auch: „Das Zeugnis kann kein Monolog sein – es setzt ein Zuhören und eine Gemeinschaft voraus. Der Dialog bedarf zweier Seiten, der gegenseitigen Offenheit für eine Gemeinschaft, der Bereitschaft zum Verständnis, nicht allein ‚offene Ohren‘, sondern auch ‚ein weites Herz‘ (2 Kor 6,11). Von daher muss eines der wichtigsten Probleme im Dialog der orthodoxen Theologie mit den NichtOrthodoxen das der theologischen Sprache, des Verständnisses und der Interpretation sein“ (4.5). Obwohl die Orthodoxe Kirche sich als „die Hüterin der Überlieferung und der Gnadengaben der Alten Kirche“ (3.1) versteht, erkennt sie an, „dass die eine und einzige katholische Wahrheit und Norm in verschiedenen kulturell-sprachlichen Kontexten auch in verschiedenen Formen ausgedrückt und verkörpert werden kann“ (4.7). Die Erklärung der Russischen Orthodoxen Kirche betont darüber hinaus, dass die nichtorthodoxen Gemeinschaften „niemals als völlig der Gnade Gottes verlustig gegangen angesehen“ wurden (1.15) und verweist zur Begründung auf die liturgische Tradition der Kirche, die verschiedene gottesdienstlichen Formen für die Aufnahme nichtorthodoxer Christen kennt (vgl. 1.17). Die Aussagen dieses Dokuments sind vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung der Bischöfe mit orthodoxen Fundamentalisten zu lesen, die der Hierarchie aufgrund ihres Engagements in der Ökumene „Verrat an der Orthodoxie“ vorwerfen. Das Dokument verteidigt daher nachdrücklich das ökumenische Engagement der Kirche, indem es die Treue zur eigenen Tradition unterstreicht, und soll zugleich „Türöffner“ für einen vertieften Dialog der Russischen Orthodoxen Kirche mit den anderen christlichen Konfessionen sein. Noch stärker als in Russland formieren sich die Gegner des ökumenischen Engagements in den letzten Jahren in der griechischsprachigen Orthodoxie. So wurde von einem Konvent orthodoxer Priester und Mönche in Griechenland im April 2009 ein „Glaubensbekenntnis gegen den Ökumenismus“ formuliert. Die öffentliche Debatte über dieses Pamphlet war offenbar der Anlass dafür, dass das Ökumenische Patriarchat 180

Die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog

in einer Enzyklika zum Sonntag der Orthodoxie am 21. Februar 2010 ein deutliches Plädoyer für die Fortsetzung des ökumenischen Dialogs formuliert hat. Die Enzyklika betont zunächst die Einheit der Orthodoxen Kirche und die Notwendigkeit, wie die Kirchenväter in einen Dialog mit der geistigen Umwelt zu treten, um den christlichen Glauben zu verkünden. Die Folgerung der Enzyklika lautet: „Eben diesen Dialog mit der Außenwelt fortzuführen, ist die Orthodoxie auch heute berufen, um wiederum ihr Zeugnis zu geben und damit zugleich auch den Leben spendenden Atem des Glaubens zu verbreiten. Dieser Dialog kann aber nicht zu denen, die draußen sind, gelangen, wenn er nicht zuerst von denen getragen wird, die den Namen ‚Christen‘ tragen. Es ist notwendig, dass zunächst wir Christen miteinander sprechen und unsere Differenzen ausräumen, damit unser Zeugnis gegenüber der Außenwelt glaubwürdig sei“ (Orthodoxie aktuell 3/2010, S. 17). Mit scharfen Tönen reagiert die Enzyklika auf die Vorwürfe der orthodoxen Fundamentalisten und warnt vor Fanatismus und Exklusivitätsansprüchen. Abschließend unterstreicht der Text: „Wer glaubt, dass die Orthodoxie die Wahrheit habe, fürchtet sich nicht vor dem Dialog, denn die Wahrheit wurde noch nie durch den Dialog in Gefahr gebracht“ (ebd., S. 18). Anknüpfend an diese Linie betonen die in der „Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland“ (OBKD) zusammengeschlossenen Bischöfe in einer im November 2011 verabschiedeten Erklärung unter der Überschrift „Die Orthodoxe Kirche in Deutschland und ihr Dienst an der Einheit der Christen“ (Orthodoxie aktuell 12/2011, S. 20-22), dass die Orthodoxe Kirche sich in Treue zum Gebot des Herrn verpflichtet wisse, „die beschädigte Einheit der Christen wiederherzustellen, zu bewahren und zu festigen“ (Nr. 7). Die orthodoxen Bischöfe würdigen das ökumenische Engagement der orthodoxen Gemeinden in Deutschland „mit Dankbarkeit und Freude“ (Nr. 14) und ermuntern dazu, im theologischen Dialog „die mögliche Vielgestaltigkeit der einen Tradition zu erforschen“ (Nr. 12). Insbesondere unterstreicht die Erklärung der OBKD den unlösbaren Zusammenhang zwischen dem „Dialog der Wahrheit“, d.h. der theologischen Arbeit an den bislang kirchentrennenden Fragen, und dem „Dialog der Liebe“, der darauf zielt, „die Gemeinschaft zwischen den Christen und ihr gemeinsames Zeugnis zu vertiefen“ (Nr. 9). Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass die Orthodoxe Kirche im ökumenischen Dialog Zeugnis für die Wahrheit geben will, wobei die Frage, in welcher Form dieses Zeugnis am besten gegeben werden sollte, innerorthodox nach wie vor umstritten ist. Das Grundmotiv des Zeugnisgebens für die Wahrheit birgt die Gefahr eines Monologs in sich, bei dem die Orthodoxen den anderen Kirchen ihre Sicht der Wahrheit vermitteln wollen. Zu Recht mahnen daher die orthodoxen Wortführer in der ökumenischen Bewegung, dass dieses Postulat als Ausgangspunkt für einen Dialog nur dann Sinn macht, wenn man bereit ist anzuerkennen, dass Wahrheit nicht an bestimmten theologischen Formulierungen, liturgischen Ritualen und anderen menschlichen Traditionen festgemacht werden kann. Positiv gewendet erinnert das Grundmotiv des Zeugnisgebens für die Wahrheit daran, dass die ökumenischen Dialoge kein Selbstzweck sind. Nach Joh 17,21 sollen Christen sich um die Einheit bemühen, „damit die Welt glaubt“. Viel zu oft standen binnenkirchliche Fragen im Fokus der ökumenischen 181

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Dialoge, während die Beziehungen der Kirche zur Welt vernachlässigt wurden. Wenn der Grundsatz, im ökumenischen Dialog Zeugnis für die Wahrheit zu geben, die am Dialog beteiligten Theologen immer wieder an die zentrale Aufgabe der gemeinsamen Verkündigung des Evangeliums erinnert, dann liegt darin ein zukunftsweisender Aspekt des orthodoxen Engagements in der ökumenischen Bewegung.

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Personenregister Bischöfe sind in der Regel mit ihrem Mönchsnamen aufgeführt; bei Bischöfen der Neuzeit steht der Familienname in Klammern dahinter. In Zweifelsfällen sind kurze Erläuterungen („armen. Bf.“) angefügt Abbas I. | 74 ‘Abd al-Malik | 28 Abraham, bibl. Stammvater | 28 Abraham I., armen. Katholikos | 72 Adarnase | 73 Adhemar v. Le Puy | 13 Adrian, russ. Patr. | 39f. Afanasiev, Nikolaj | 138, 140 Aleksij, russ. Zar | 38 Aleksij II. (Ridiger), russ. Patr. | 43f., 68, 110, 120 Aleš, Pavel | 99 Alexander, Metropolit | 106 Alexander I., russ. Zar | 75, 102 Alexander IV., Papst | 30 Alexandros, Bf. v. Alexandreia | 2 Alexios I. Komnenos | 13, 29 al-Ḥākim | 28 Alivisatos, Hamilcar | 165 Anastasios (Yannoulatos) | 91–94, 151 Andon (Merdani), alb. Bf. | 93 Andreas, Apostel | 2, 24, 33, 54, 71 Andrej, Großfürst v. Kiev | 34 Andronikos II., byz. Ks. | 14 Anthimus I., Patr. v. Konstantinopel | 7 Antim I., Exarch | 62f. Anton I. (Batonischvili), georg. Katholikos | 74 Antoniadis, Evangelos | 143 Antonij (Chrapovickij), russ. Metropolit | 96 Antonij (Vadkovskij), russ. Metropolit | 41 Antonios, Mönchsvater | 25 Antonios IV., Patr. v. Konstantinopel | 34 Areios | 1f. Arsen v. Iqalt’o, Mönch | 74 Arsenije III. Čarnojević, serb. Patr. | 50 Arsenije IV. Jovanović, serb. Patr. | 50 Arsenius (Arsenije) v. Srem, Ebf. v. Peć | 47 Aschot I. | 72 Astios, Hl. | 89 Athanasios, Bf. v. Alexandreia | 2, 24

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Athanasios, Bf. v. Antiocheia | 8 Athenagoras I. | 114, 170 Bagrat III. | 73 Balduin I. v. Bouillon | 29 Barnabas | 25 Bartholomäus I. | 44, 68, 76, 93, 120, 168 Basileios II., byz. Ks. | 11 Basileios v. Jerusalem, Patr. v. Jerusalem | 27 Basileios v. Kaisareia, Kirchenvater | 2, 9, 125f. Beck, Hans-Georg | 12, 155 Behr-Sigel, Elisabeth | 149 Belejkanič, Imrich | 99 Benedikt XIII., Papst | 31 Benedikt XVI., Papst | 94 Benjamin I.. Patr. v. Konstantinopel | 90 Bessarion (Juvani), alb. Metropolit | 90 Bohemund v. Tarentum | 12, 13 Boris I. | 11, 61 Borovoj, Vitalij | 166 Breck, John | 143–147 Bria, Ion | 121, 166 Bucharev, Alexander | 137 Bulgakov, Sergij | 138f., 143, 165 Bultmann, Rudolf | 142–144, 146 Cankov, Stefan | 69 Carol I. | 57 Ceauşescu, Nicolae | 58 Cerkes, Boris | 98 Cervín, A. V. | 98 Christodoulos (Paraskevaidês), gr. Ebf. | 84 Christophoros I. v. Alexandreia | 27 Chruščev, Nikita | 42 Chrysanthos (Philippidês), gr. Ebf. | 80–82 Clapsis, Emmanuel | 152 Clément, Olivier | 142 Coresi | 56 Cuza, Alexandru Ioan | 57

Personenregister Dagobert v. Jerusalem | 13 Damaskênos (Papandreou), gr. Ebf. | 81f. Damian, alb. Ebf. | 90 Daniel (Ciobotea), rum. Patr. | 59 Daniel (Nushiro), Metropolit v. Tokyo | 110 David d. Erbauer | 73 Demetrios I., Kg. v. Georgien | 73 Demetrios I., Patr. v. Konstantinopel | 147 Dhimitri (Sinaiti), alb. Metropolit | 93 Dilthey, Wilhelm | 142 Dimitrije, serb. Patr. | 51 Diocletianus | 53 Diodoros v. Tarsus | 25 Dionysius Exiguus | 54 Dioskuros v. Alexandreia | 5 Dmitrij Donskoj, Großfürst v. Moskau | 34 Dschugaschvili, Soso siehe Stalin, Josif V. Dušan siehe Stefan Uroš IV. Dušan Eirene | 9f. Elevferij (Voroncov) | 98 Ephrem | 73f. Esdras | 8 Eugen IV., Papst | 14 Eusebius v. Caesarea | 54 Euthymios | 73 Eutyches v. Konstantinopel | 4–6, 169 Evagrios | 7 Evdokimov, Paul | 138, 142f. Fan (Noli), alb. Bf. u. Politiker | 90, 93 Farský, Karel | 96 Ferdinand I., bulg. Zar | 63 Filaret (Denisenko), ukr. Patr. | 118f. Filaret, russ. Patr. | 38 Filofej v. Pskov | 35 FitzGerald, Kyriaki Karidoyanes | 148 Flavianos | 5f. Florovsky, Georges | 113, 138–141, 143, 165f. Gadamer, Hans-Georg | 143, 146 Gabriel I., armen. Katholikos | 72 Gavrilo, serb. Patr. | 51 Gennadios II., Patr. v. Konstantinopel siehe Georgios Scholarios Georg, Abt v. Athos | 73

Georg I., Kg. v. Griechenland | 79 Georg III., Kg. v. Georgien | 73 Georg XII., Kg. v. Georgien | 75 Georg v. Chandzta, Mönch | 73 Georgios II., Kg. v. Griechenland | 81 Georgios Scholarios | 14 German v. Alaska | 111 Germanos (Strenopoulos), Metropolit | 164f. Glücksburg, Wilhelm G. C. von siehe Georg I. Godunov, Boris | 36, 38 Gorazd (Pavlík) | 96–98 Gorbatschow, Michail | 43 Gregor XIII., Papst | 94, 127 Gregorios V. Angelopoulos, Patr. v. Konstantinopel | 19 Gregorios VII., Patr. v. Konstantinopel | 90 Gregor v. Nazianzos | 2 Gregor v. Nyssa | 2 Grigor Pakurianos, Großdomestikos | 73 Gryphius, Andreas | 74 Gustav II. Adolf | 102 Hadrian II., Papst | 10 Hārūn ar-Rashīd | 28 Heidegger, Martin | 142f. Herakle II. | 74 Herakleios | 6f. Heydrich, Reinhard | 97 Hieronymos (Kotsonis), gr. Ebf. | 83 Hieronymus v. Prag | 95 Hoxha, Enver | 90 Humbertus v. Silva Candida | 12 Hus, Jan | 95 Ignatij, Mönch | 63 Ignatios, Metropolit | 93 Ignatius IV. Hazim, Patr. v. Antiocheia | 32 Ignatius v. Antiocheia, Kirchenvater | 25 Ilya I. | 75 Iona I., Metropolit in Moskau | 35 Ioseph, gr. Bischof und Politiker | 77 Iov | 36, 38 Innokentij, Mönch | 37 Innokentij (Veniaminov), Metropolit v. Moskau | 107, 111 Inokentij, bulg. Bf.| 68

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Personenregister Isidor v. Kiev | 35 Ismail I., Schah | 74 Ivan III., russ. Großfürst | 35 Ivan IV. d. Schreckliche | 35f., 38 Ivan v. Rila siehe Joan v. Rila J Jáchym (Hrdý) | 100 Jairus | 7 Ján (Holonič), slowak. Ebf. | 100 Jaroslav d. Weise | 33f. Javorskij, Stefan | 40 Jelena | 48 Jelzin, Boris | 43 Jeremias, Bf. d. Iberer | 71 Jeremias II., Patr. v. Konstantinopel | 17, 19, 36, 175 Joan v. Rila | 61 Joani (Pelushi), alb. Metropolit | 93 Joanikije I. | 47 Joasaph II. | 36 Johannes, Ebf. v. Antiocheia | 4 Johannes, Evangelist | 134 Johannes IV., Patr. v. Antiochia | 12f., 29 Johannes VI. Kantakuzenos, byz. Ks. | 48 Johannes VIII., byz. Ks. | 13f. Johannes Cassianus, Mönch | 54 Johannes Chrysostomus, Patr. v. Konstantinopel | 25 Johannes v. Damaskus, Kirchenvater | 9, 27f. Johannes Italos, byz. Philosoph | 73 Johannes Paul II., Papst | 171 Johannes Petric’i | 73 Johannes Rufus, Bf. v. Maiuma | 71 Johannes d. Täufer | 129, 133 John (Mitropolosky) | 111 Josif, russ. Patr. | 38 Josif v. Volokolamsk, Mönch | 37 Juraj (Stránský), slow. Ebf. | 100 Juschtschenko, Viktor | 120 Justin d. Märtyrer | 150 Justinian I., byz. Ks. | XI, 6f., 24f., 54, 154, 161 Justinian II., byz. Ks. | 28 Justinos I., byz. Ks. | 25 Juvenalis v. Jerusalem | 6 Kabaljuk, Aleksej | 97 Kaïrês, Theophilos | 78

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Kallis, Anastasios | 148 Kallistos I., Patr. v. Konstantinopel | 48 Karl v. Anjou | 13 Karl d. Große | 12, 28, 155 Kartaschoff, Antoine | 143 Katharina II. | 74 K’etevan | 74 Khodr, Georges | 150f. Kirill I., russ. Patr. | 44 Klemens v. Alexandreia | 24 Kliment, Mönch | 45 Kłoczowski, Jerzy | 85f. Konidaris, Gerasimos | 82 Konstantin VI., Patr. v. Konstantinopel | 90 Konstantin XII., Kg. v. Griechenland | 80 Konstantinos siehe Kyrillos Konstantinos I. d. Große, byz. Ks. | 1, 16, 53 Konstantinos IX. Monomachos, byz. Ks. | 28 Kormaník, Peter | 99 Korydalleos, Theophilos | 17 Kosma (Qirjo), alb. Bf. | 93 Kosmas d. Melode | 28 Kristofor (Kisi), alb. Ebf. | 90 Kryštof (Pulec), Ebf. v. Prag | 100 Kyrill, Patr. v. Alexandreia | XII, 3f., 6f., 24f., 169 Kyrillos, Slavenapostel | 10f., 33, 45, 95 Kyrillos I. Lukaris, Patr. v. Konstantinopel | 20 Kyrion I., georg. Katholikos | 72 Kyrion II., georg. Katholikos | 75 Lazar Hrebeljanović, serb. Fürst | 48 Lazareth, William | 166 Leo I., Papst | 5f., 8 Leo IX., Papst | 28 Leon III., byz. Ks. | 9f., 89 Leon V., byz. Ks. | 9f. Lessing, Gotthold E. | 74 Levski, Vasil siehe Ignatij Lossky, Vladimir | 138–141 Ludmilla | 95 Machov, Vasilij | 107 Mahmut II. | 20 Makarij, Metropolit v. Moskau | 36 Makarije Sokolović, serb. Patr. | 49 Makarios III., Ebf. v. Zypern | 32

Personenregister Makrakis, Apostolos | 79 Maksim | 65, 67f. Manuel I., Patr. v. Konstantinopel | 46 Markus, Evangelist | 23 Maschtotz siehe Mesrop Matthopoulos, Efsevios | 79 Maximus Confessor | 140 Medvedev, Dmitrij | 43 Melchisedek | 73 Meletios IV. Metaxakês | 80, 96, 105 Mesrop | 72 Methodios, Slavenapostel | 10f., 33, 45, 95 Metrophanes II. | 30 Meyendorff, John | 113, 138, 140f., 166 Michael I. Kerullarios, Patr. v. Konstantinopel | 12, 28 Michael III., byz. Ks. | 10 Michael VIII., byz. Ks. | 13f. Michael Synkellos, Mönch | 28 Michail I., russ. Zar | 38 Mihailo (Jovanović), serb. Metropolit | 50 Miloš, serb. Fürst | 50 Muhammad | 28 Mutimir | 45 Nabarnugi siehe Petros d. Iberer Naum | 45 Nellas, Panayiotis | 84 Nestorius v. Konstantinopel | 4, 5, 169 Netsvetov, Jakob | 111 Nifon (Mihaita), rum. Metropolit | 59 Nikephoros | 155 Nikodemos v. Pherai | 17 Nikolaj (Kasatkin), jap. Ebf.| 107–109 Nikolaj (Ono), jap. Bf. | 108f. Nikolaj (Sayama), jap. Bf. | 109 Nikolakopoulos, Konstantin | 143 Nikolaus II., Papst | 12 Nikolaus II., russ. Zar | 41 Nikolaus VI., Patr. v. Alexandreia | 92 Nikolla (Hyka), alb. Bf. | 93 Nikon | 38f. Nil Sorskij | 36f. Nin, Manel | 94 Nino, georg. Heilige | 71 Nissiotis, Nikos | 166

Noli, Theophan S. siehe Fan (Noli) Oeldemann, Johannes | 13 Oikonomos, Konstantinos | 77 Olga | 33 Ono, Johann siehe Nikolaj (Ono) Origenes | 24 Ostrogski, Konstantyn | 85 Otto I., gr. Kg. | 77–79 Pachomios | 25 Pacurariu, Dumitru | 55 Paisios (Vodica), alb. Ebf. | 90 Palamas, Gregorios | 136, 140f. Panagiotopoulos, Christoforos | 78 Paul VI., Papst | 30, 170 Paulus, Apostel | 2, 25, 89, 126 Paulus, Metropolit v. Smederevo | 49 Pavlík, Matěj siehe Gorazd (Pavlík) Petar I. Petrović, Metropolit v. Montenegro | 51 Petar II. Petrović Njegoš, Metropolit v. Montenegro | 51 Petar v. Cetinje siehe Petar I. Petrović Peter I., bulg. Zar | 61 Peter I. der Große, russ. Zar | 39–41, 157 Petros III., Patr. v. Antiocheia | 28 Petros d. Iberer, Bf. v. Maiuma | 71 Petrus, Apostel | 2, 23, 24, 126 Pharmakidês, Theoklêtos | 77 Philotheos | 48 Photios | 11f., 155 Pimen, bulg. Metropolit | 67f. Platon, serb. Bf. | 51 Prokop, Heiliger | 95 Prokopovič, Feofan | 40 Pružinský, Štefan | 99 Psellos, Michael | 73 Putin, Vladimir | 43 Rastko Nemanjić siehe Sava, Hl. Richard I. Löwenherz | 29 Ricoeur, Paul | 143 Romanos IV. Diogenes | 29 Rostislav | 10f. Rufinus | 71 Runciman, Steven | 13

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Personenregister

Sabev, Todor | 166 Sakskoburggotski, Simeon | 67f. Saladin | 29 Sava, serb. Heiliger | 46f. Sava, serb. Bf. (20. Jh.) | 51 Sava (Kosanović), serb. Metropolit | 51 Savvatij (Vrabec) | 96–98 Schatz, Klaus | 14 Schleiermacher, Friedrich | 142 Schmemann, Alexander | 113, 122, 138f. Scholarios, Georgios siehe Georgios Scholarios Schuschanik | 72 Serafim (Tsujie) | 110 Sergej (Tikhomirov), jap. Ebf. | 108 Sergij (Stragorodski), russ. Patr. | 109, 158 Sergios I., Patr. v. Konstantinopel | 8 Severos v. Antiocheia | 7, 25, 71 Shenute v. Atripe | 25 Simeon, Hl. | 45f. Simeon I. d. Große | 61 Simeon (Jakovljevič), tschech. Bf. | 100 Simon d. Kananäer | 71 Sofia Palaiolog | 35 Sokolović, Mehmed P. | 49 Solov’ev, Vladimir | 137, 139 Sophronios | 8 Spyridon (Vlachos), gr. Ebf. | 80, 82 Stalin, Josif V. | 42, 75, 158 Stefan I., Exarch | 63f. Stefan I. Nemanja siehe Simeon, Hl. Stefan Nemanjić d. Erstgekrönte, serb. Kg. | 46f. Stefan Lazarević | 48 Stefan Uroš IV. Dušan, serb. Kg. | 47f. Stefan Uroš V. d. Schwache, serb. Kg. | 47f. Stylianopoulos, Theodor | 143–147 Svatopluk | 11 Symeon II., Patr. v. Jerusalem | 29 Taft, Robert | 122 Tamara | 73 Tamerlan siehe Timur Lenk Theodor Abū Qurra | 27f.

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Theodor Studites | 28 Theodora II. | 9f. Theodoros I. Laskaris, byz. Ks. | 46 Theodoros v. Mopsuestia | 3, 25 Theodoros v. Pharan | 8 Theodosios III., byz. Ks. | 28 Theodosius (Nagashima), jap. Metropolit | 109f. Theoklêtos (Minopoulos), gr. Metropolit | 80 Theophanes III., Patr. v. Jerusalem | 38 Theophilos | 27 Tichon, Bf. v. Komárno | 100 Tichon, russ. Patr. | 42, 112f. Timotheos II. Ailuros | 5, 71 Timur Lenk | 74 Toth, Alexis | 112 Tracy, David | 143 Traianus | 53, 89 Trebicka, Jani | 93 Tsirintanis, Alexandros | 82 Urban II. | 29 Uroš siehe Stefan Uroš V. d. Schwache Vachtang Gorgasal | 72 Vasilij I., Großfürst v. Moskau | 34 Vasilij II., Großfürst v. Moskau | 35 Vasilij III., Großfürst v. Moskau | 35 Venizelos, Eleftherios | 79f. Vitalij (Maksimenko) | 97 Vladimir I., Fürst v. Kiev | 11, 33 Vladimir (Nagosky), jap. Bf. | 109 Ware, Kallistos | 149 Wenzel | 95 Władysław IV. Waza | 86 Yannaras, Chrêstos | 84, 140 Yavuz Selim | 15 Zankov, Stefan | 165 Zizioulas, Ioannis | 84, 140f., 178

Ortsregister In das Ortsregister wurden geographische Bezeichnungen aufgenommen, wenn sie tatsächlich Orte meinen, nicht aber, wenn sie zur Kennzeichnung von Personen (Johannes von Damaskus) oder Ereignissen (Berliner Kongress) dienen.

Aarhus | 169 Aberdeen | 177 Abergavenny | 173 Addis Abeba | 150, 169, 173 Afrika | 23, 151 – Nordafrika | 15 – subsaharisches Afrika | 32 Ägypten | 5, 8, 15, 25f., 28, 30 Alaska | 111f. Alba Iulia | 56 Albanien | 17, 89–94 – Südalbanien | 83, 89, 93 Aleppo | 31 Alexandreia | XIV, 3f., 23–27, 30–32, 36, 115, 121f., 153 Allentown | 176 Amerika | 90, 109 – Nordamerika | 32, 60, 111–114, 118, 133 – Südamerika | 60 Amersfoort | 174 Amsterdam | 165 Anatolien (s. a. Kleinasien) | 15 Andros | 78 Antiocheia | XIV, 3f., 12f., 19, 23–27, 29, 31, 36, 73f., 115, 121f., 153 Arabien | 25 Arad | 56 Argentinien | 32 Armenien | 25 Asien | 23 – Mittelasien | 160 Athen | 17, 20, 78, 80f., 84, 91, 138, 151,159, 72–175 Äthiopien | 24, 32 Athos | 18, 33, 36f., 46, 55, 73, 76, 84, 123 Australien | 32, 60 Bad Segeberg | 176

Bagdad | 28f. Balamand | 170 Bălgrad siehe Alba Iulia Balkan | 10, 12, 15, 45, 55, 61f., 79, 84 – Südbalkan | 77 Baltikum | 101, 105, 160 Baltimore | 170f. Banat | 57 Bari | 170 Beirut | 177 Belgrad | 45, 52, 97f., 170 Berat | 90 Berlin | 137 Bessarabien | 57, 60 Białystok | 87 Bicvinta | 74 Blagoevgrad | 65 Böhmen | 95 Bonn | 174 Bosnien u. Herzegowina | 51f. Bossey | 167 Boston | 90 Braničevo | 45 Brasilien | 32 Braşov | 56 Bratislava | 176 Brest | 20, 86 Bristol | 169 Brünn | 98 Buzău | 55 Buda | 49 Budimlje | 46 Bulgarien | 11, 17, 61–69, 73, 127, 136, 157, 159 – Südbulgarien | 63 Bukarest | 55, 173 Bukowina | 57 Byzanz siehe Konstantinopel

197

Ortsregister Caesarea | 19, 25 Cambridge | 173 Canberra | 167 Canterbury | 173 Caransebeş | 56 Chalkedon | XII, 1f., 4–8, 19, 24f. Chambésy | 168, 173f., 177 Chania | 173 Chişinău | 60 Constanţa | 54 Curtea de Arges | 55 Dăbâca | 56 Dabar | 46 Dachau | 51 Dacia Felix | 60 Dalmatien | 49f. Damaskus | 29, 31, 176 DDR | 70, 177 Derkos | 19 Deutschland | 64, 78, 171, 181 – Ostdeutschland | 87 Dublin | 172f. Durau | 176 Durrës | 89f., 94, 173 Dwin | 72 Edessa | 29 Edinburgh | 163f. Elbasan | 90 Ephesos | 1–6, 25f., 71 Espoo | 176 Estland | 101, 105f., 116f. Europa | 23, 55, 91, 159 – Mitteleuropa | 29, 153, 158, 177 – Osteuropa | 52, 135f., 153, 158, 161, 177 – Südosteuropa | 31, 62, 115, 126, 135, 157f. – Westeuropa | 62, 133, 137, 147, 152 Feleac | 56 Finnland | 101–105, 126, 175 Flandern | 56 Florenz | 14, 30, 35, 86, 154 Frankreich | 137, 139, 171 Freising | 170

198

Galizien | 85, 87, 119 Gaza | 71 Gelat’i | 74 Genf | 167, 169 Geoagiu | 56 Georgien | 15f., 25, 71–76, 127 – Ostgeorgien | 71, 73, 75 – Westgeorgien | 71, 74f. – Zentralgeorgien | 74 Ghana | 32 Gjirokastra | 90, 93f. Griechenland | 13, 17, 20, 32, 67, 77–84, 92, 126f., 130, 136, 140, 157, 159, 180 – Nordgriechenland | 80, 131 Hakodate | 107 Harare | 167 Harbin | 108 Helsinki | 104 Herakleia | 19 Hermannstadt siehe Sibiu Hiereia | 9f. Himara | 94 Hinterpommern | 87 Hum | 46 Huşi | 55 Hvostan | 46 Ienopole | 56 Illyrien | 89 Ioannina | 84 Iqalt’o | 74 Irak | 15, 32 Iran | XII, 32 Israel | 15, 31f. Istanbul siehe Konstantinopel Italien – Süditalien | 10, 12, 89 Japan | 103, 107–110, 116 Jaşi | 55 Jemen | 15 Jerusalem | XIV, 8, 17, 23–29, 31f., 36, 38, 47, 71, 73, 115, 121, 153, 170 Jordanien | 15 Jugoslawien | 52, 96, 113, 159

Ortsregister Kacheti | 71, 74 Kaisareia siehe Caesarea Kamerun | 32 Kanada | 112, 114 Kappadokien | 2 Kappel | 177 Karelien | 101, 104 Karlsbad | 98 Karpaten | 54, 97 Karpato-Russland siehe Ukraine Kartli | 71, 74 Kaukasus | 25, 71 Kavala | 174 Kenia | 32, 92 Kiev | 33f., 118, 120 Kleinasien (s. a. Anatolien) | 25, 63, 80, 159 Kolonja | 90 Konstancin | 148 Konstantinopel | XIV, 1–8, 11–22, 24–30, 32–36, 44, 46, 48, 50f., 53–55, 57, 62f., 71, 73f., 79, 89, 96, 115, 118, 121f., 134, 153, 159, 166, 171 Korça | 89f., 93 Kosovo | 48, 52, 94 Kreta | 79, 81, 84, 170f., 173f.,176 Krim | 15, 119 Kroatien | 52 Kronstadt siehe Braşov Kuopio | 104 Kutaisi | 73f. Kuweit | 32 Kyoto | 110 Kyzikos | 19, 28 Ladoga | 101 Ladomírová | 97 Lausanne | 164 Lettland | 116 Leuenberg | 177 Levadia | 148 Libanon | 15, 27, 32 Libyen | 24, 32 Lima | 166 Limassol | 176f. Lipljan | 45f. Ljaskovec | 63 Llandaff | 173 London | 137, 164

Lungro | 89 Lyon | 13, 132 Madagaskar | 32 Magdeburg | 88 Mailand | 89 Makedonien | 51, 159 Mesopotamien | 25 Metochien | 52 Mexiko | 114 Michalovce | 98 Minsk | 177 Mittlerer Osten | 126, 133, 135 Moldau (Moldova) | 15, 53–55, 57, 60, 116 Montenegro | 51, 159 Montreal | 166 Moravica | 46 Moskau | 19, 32, 34–36, 38, 42–44, 74f., 98, 115, 118f., 127, 156, 165, 172f., 176 Mostar | 52 Mozambique | 32 München | 170, 174 Naher Osten | 15, 31f., 158, 160 Nairobi | 92 Neu-Delhi | 165 Neuseeland | 60 New York | 112f., 137 Nicaea (Nikaia) | 1f., 5, 8f., 10, 19, 23f., 46, 54, 89, 166 Nikomedeia | 19 Niš | 45, 51 Novgorod | 101 Nubien | 24 Nürnberg | 60 Odessa | 20, 173 Ohrid | 49, 89 Olmütz | 98 Oradea | 56 Oslo | 176 Österreich | 50, 159 Ostpreußen | 87 Ostróg | 85 Oulu | 104 Oxford | 164, 172f.

199

Ortsregister Padua | 17 Palästina | 6, 15, 32, 71f. Paphos | 170, 176 Paris | 60, 137 Patmos | 170f. Patras | 79 Peć | 47 Pečory | 105 Peloponnes | 78 Persien | 25 Petra | 25 Phanar | 29, 171 Phasis | 71 Piana degli Albanesi | 89 Piraeus | 91 Pirot | 51 Pittsburgh | 177 Pityus | 71 Plovdiv | 63, 65 Polen | 85–88, 126, 153, 160 Porto Alegre | 70, 168 Prag | 95, 98, 100 Preschau | 98, 100 Prizren | 45–48 Pskov | 35 Rădăuţi | 55 Râmnicu Vâlcea | 55 Ras | 45f. Raszien | 47 Ravenna | 89, 170 Regensburg | 171 Rhodos | 147, 168, 170f. Riga | 105 Rjazan | 36 Rom | 6, 10, 17, 20, 23f., 29, 33, 35, 40, 53, 121, 171 Roman | 55 Ruis-Urbnisi | 73 Rumänien | 17, 57–60, 66f., 140, 147, 153, 157 Russland | 16, 22, 34–36, 39, 43, 57, 60, 63, 66, 74–76, 79, 96, 98, 101–103, 105, 107f., 118f., 126f., 134, 136, 137, 139, 153, 155–158, 160, 175, 180 Salisbury | 173 Sambata de Sus | 177 San Francisco | 111

200

Sandbjerg | 176 Saranda | 94 Schiraz | 74 Schlesien | 87 Schumen | 65 Schweden | 101, 106 Seleukeia-Ktesiphon | 71 Sendai | 110 Serbien | 17, 45–52, 66f., 96f., 140, 153, 157, 159 Serdica siehe Sofia Serres | 48 Severin | 55 Sibirien | 58, 106 Sibiu | 56, 59, 177 Siebenbürgen | 55–57 Sigtuna | 176 Sinai | 25, 32, 72, 127 Sitka | 111 Sizilien | 89 Skopje | 47, 52 Skythopolis | 25 Slowakei | 95f., 100 Sofia | 61, 63–65, 67f., 167 Sowjetunion | 75, 98, 104, 106, 116, 118, 127, 158 Sremski Karlovci | 52 St. Petersburg | 41 Stockholm | 164 Ston | 45 Straßburg | 68 Suceava | 55, 58 Südafrika | 32 Syrien | 5, 15, 25f., 32, 71 Tallinn | 105f. Tansania | 32, 92 Târgovişte | 55 Tarnovo | 65 Tbilisi | 72, 74f. Theodosiopolis | 8 Thessalien | 79, 159 Thessaloniki | 46, 80, 82, 84 Tirana | 93 Tokyo | 108–110 Toplica | 46 Toronto | 173 Transsilvanien siehe Siebenbürgen

Ortsregister Trebinje | 49 Tripolis | 29, 150 Trnovo | 47 Tschechien | 95f., 96, 100 Tschechoslowakei | 95–99 Tübingen | 20 Türkei | 22, 32, 49 – Osttürkei | 15 Uganda | 32, 91f. Ukraine | 44, 95f., 98, 115–120, 160 – Westukraine | 43 Ungarn | 50, 55, 60, 159 USA | 90, 94, 97, 110–112, 114, 137, 147, 152, 160, 171, 175 Vad | 56 Venedig | 17 Vladimir | 34 Volos | 173, 177

Vranje | 51 Vršac | 49 Vyborg | 103f. Walachei | 15, 53–55, 57 Wallonien | 56 Warschau | 87f. Wien | 22, 95, 137, 170 Wittenberg | 20, 176 Wolhynien | 85, 98 Wyborg siehe Vyborg Zagorsk | 174 Zagreb | 52 Zaire | 32 Zakynthos | 177 Zeta | 46f. Žiča | 46 Zimbabwe | 32 Zypern | 8, 15, 23, 25–30, 32, 83, 112

201

Verzeichnis der Mitarbeiter Thomas Bremer ist Professor für Ökumenik und Friedensforschung am Ökumenischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Anschrift:

Ökumenisches Institut, Katholisch-Theologische Fakultät,



Hüfferstr. 27, D-48149 Münster/Westf.

Hacik Rafi Gazer ist Professor für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens am Fachbereich Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Anschrift:

Professur für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens,



Kochstr. 6, D-91054 Erlangen

Bert Groen ist Inhaber des UNESCO-Chair of Intercultural and Interreligious Dialogue in South-Eastern Europe am Institut für Liturgiewissenschaft, christliche Kunst und Hymnologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzen-Universität Graz. Er lehrt ebenso als Research Fellow und Visiting Professor für Liturgical Studies am Institute of Sacred Music der Yale University in New Haven, USA. Anschrift:

Institut für Liturgiewissenschaft, christliche Kunst und Hymnologie,



Heinrichgasse 78, A-8010 Graz

Assaad E. Kattan ist Professor für Orthodoxe Theologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Anschrift:

Lehrstuhl für Orthodoxe Theologie,



Hammer Str. 95, D-45153 Münster/Westf.

Rade Kisić ist Kirchenhistoriker und „Ass- Professor“ an der Orthodox-Theologischen Fakultät der Universität Belgrad. Anschrift:

Univerzitet u Beogradu - Pravoslavni bogoslovski fakultet, Mije Kovačevića 11B, SRB-11060 Beograd

Michael Kohlbacher ist Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Sinn (Lahn-Dill-Kreis, Hessen). Anschrift:

Wilhelmstr. 10, 35764 Sinn.

Aappo Laitinen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kirchengeschichte an der Universität Helsinki. Anschrift:

Teologinen tiedekunta, Kirkkohistorian osasto,



PL 33, FIN-00014 Helsingin yliopisto.

Christian Lange ist Akademischer Rat für die Fachwissenschaft Katholische Theologie im Department Fachdidaktiken sowie Privatdozent für Kirchengeschichte und Patrologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Anschrift:

Didaktik des Katholischen Religionsunterrichts,



Regensburger Str. 160, D-90478 Nürnberg

Julia Lis ist Promotionsstipendiatin der Volkswagenstiftung im Forschungsprojekt „Alte Grenzen und neue Fronten – Die orthodoxen Kirchen und die Europäische Union“ im Fach Katholische Theologie der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster.

202

Anschrift:

Ökumenisches Institut, Katholisch-Theologische Fakultät



Hüfferstr. 27, D-48149 Münster/Westf.

Verzeichnis der Mitarbeiter Pavel Milko ist Professor am Institut für das östliche Christentum der Hussitisch-Theologischen Fakultät an der Karls-Universität Prag. Anschrift:

UK Husitská teologická fakulta



CZ-140 21 Praha 4 - Krč, Pacovská 350/4

Dimitrios Moschos ist Dozent für Kirchengeschichte an der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen. Anschrift:

National and Kapodistrian University of Athens, Theological School, Faculty of Theology, University Campus (Ano Ilissia) GR-157 72

Daniel Munteanu ist Privatdozent und Wissenschaftlicher Assistent an der Professur für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens am Fachbereich Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Anschrift:

Professur für Geschichte und Theologie des christlichen Ostens,



Kochstr. 6, D-91054 Erlangen

Johannes Oeldemann ist Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn, Lehrbeauftragter für Ökumene und Konfessionskunde an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abt. Paderborn. Anschrift:

Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik,



Leostr. 19a, D-33098 Paderborn

Michael Prohazka OPraem ist Prämonstratenser-Chorherr und 57. Abt der Prämonstratenserabtei Stift Geras im Waldviertel. Anschrift:

Stift Geras,



Hauptstr. 1, A-2093 Geras

Rudolf Prokschi ist Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Historische Theologie und Geschichte des christlichen Ostens der Universität Wien. Anschrift:

Institut für Historische Theologie und Geschichte des christlichen Ostens,



Schenkenstraße 8-10, A-1010 Wien

Björn Röhrer-Ertl ist Diplom-Theologe Univ. Er lebt und arbeitet in Kiel. Anschrift:

Rutkamp 51, D-24111 Kiel

Mark Stokoe war Generalsekretär der Internationalen Orthodoxen Jugendbewegung Syndesmos sowie Youth Director der Orthodox Church in America. Zur Zeit arbeitet er als freier Autor. Stokoe ist Mitglied der St. Paul’s Church (OCA) in Dayton, Ohio, USA. Anschrift:

4451 Wagner Rd,



Dayton, OH 45440, USA.

Dietmar W. Winkler ist Universitätsprofessor für Patristik und Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Anschrift:

Fachbereich Bibelwissenschaft und Kirchengeschichte,



Universitätsplatz 1, A-5020 Salzburg

Berislav Župarić ist Diplom-Theologe und arbeitet am Centrum für Religiöse Studien der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. Anschrift:

Centrum für Religiöse Studien,



Hammer Str. 95, D-48153 Münster/Westf.

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Informationen Zum Buch Das Buch gibt einen allgemein verständlichen, kompakten Überblick in die Geschichte, den Glauben und die Liturgie der orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition. Übersichtstabellen, Karten und Grafiken erleichtern den Gebrauch dieses unverzichtbaren Überblickswerks.

Informationen Zum Autor Thomas Bremer, geboren 1957, ist Professor für Ökumenik und Friedensforschung am Ökumenischen Institut der Fakultät Katholische Theologie an der Universität Münster. Christian Lange, geb. 1972, ist Privatdozent für Kirchengeschichte und Akademischer Oberrat für die Fachwissenschaft Katholische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Herausgeber des WBG-Bandes »Die Taufe« (2008) und Mitautor des Bandes »Die altorientalischen Kirchen. Glaube und Geschichte« (2. Auflage 2011), sowie Autor der Werke »Einführung in die allgemeinen Konzilien« (2012) und »Eine kleine Geschichte des Christentums« (2012). Hacik Rafi Gazer, geboren 1963, ist Professor für die Geschichte und Theologie des Christlichen Ostens am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Erlangen-Nürnberg.