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German Pages 229 Year 2016
Schriften zum Internationalen Recht Band 211
Die spanische Wirtschaftsverfassung aus rechtsvergleichender Sicht
Von Niclot von Stralendorff
Duncker & Humblot · Berlin
NICLOT VON STRALENDORFF
Die spanische Wirtschaftsverfassung aus rechtsvergleichender Sicht
Schriften zum Internationalen Recht Band 211
Die spanische Wirtschaftsverfassung aus rechtsvergleichender Sicht
Von Niclot von Stralendorff
Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät für Öffentliches Recht, Allgemeine Staatslehre, Völker- und Europarecht der Bucerius Law School Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.
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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany
ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-14469-3 (Print) ISBN 978-3-428-54469-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-84469-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Ich widme diese Doktorarbeit meinem lieben Großvater, Hasso v. Zitzewitz, mit dem ich so gerne auch diese Phase meines Lebens u. a. mit so mancher erfrischenden Diskussion über die vorliegende Arbeit geteilt hätte. Und ich widme diese Arbeit meinem lieben Papa, Lasco v. Stralendorff, dem wundervollsten Vater, den sich ein Kind nur wünschen kann und dem ich mein Leben lang jeden Tag von Neuem den „Lehrstuhl“ mit nach Hause bringen werde. Je schöner und voller die Erinnerung, desto schwerer ist die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. Dietrich Bonhoeffer
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – in Hamburg im Mai 2014 angenommen. Die mündliche Prüfung absolvierte ich am 24. Juni 2014. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Michael Fehling, sowie meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Mariano Bacigalupo Saggese, danke ich von ganzem Herzen für die geduldige Betreuung und Begutachtung der Arbeit sowie für die stetige geistige Unterstützung und weiterführenden Ratschläge. Von besonderer Bedeutung waren für mich ebenfalls die wissenschaftliche Mitarbeit und meine anfänglichen Recherchen am Consejo de Estado in Madrid. Es gibt wohl keine vergleichbare Institution, an der man den Geist der spanischen Verfassungsgebung von 1978 so nahe spüren kann wie in der Calle Mayor in Madrid. In besonderer Erinnerung bleiben mir die lebhaften Berichte und Erläuterungen zu der Verfassungsgebung und den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Zusammenhängen durch Excmo. Sr. D. Miguel Herrero y Rodríguez de Miñón. Auch ihm gilt mein aufrichtiger Dank. Diese Arbeit ist auch ein Produkt umfangreicher Reisetätigkeit. Die Kombination aus der Zeit in Hamburg, im vertrauten Madrid (wo ich bereits 2004/2005 für ein Jahr das spanische Studentenleben genießen durfte), in Heidelberg (am MPI für ausländisches öffentliches Recht), meiner alten Universitätsstadt Göttingen (wo mir insbesondere die Motivation für die zusammenfassenden Erkenntnisse der Dissertation nicht schwer fiel) und in der magisch anziehenden und Kraft spendenden Mecklenburger Heimat bleibt mir auch in Bezug auf das Dissertationsprojekt in unendlich schöner, vielseitiger und dankbarer Erinnerung. Usedom, Frühjahr 2016
Niclot v. Stralendorff
Inhaltsverzeichnis § 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . 17 A. Definition des Begriffes Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Bedeutung und Aufgabe des Wirtschaftsverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 C. Zwecke der Rechtsvergleichung im Wirtschaftsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . 19 I. Rechtsvergleichung zur Auslegung des bestehenden Rechts . . . . . . . . . . . . . 19 II. Rechtsvergleichung im Vorfeld der Verfassungsgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Rechtsvergleichung zum Zweck der Rechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . 21 IV. Rechtsvergleichung als Optimierungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 V. Praktisches rechtsvergleichendes Anliegen dieser Dissertation . . . . . . . . . . . 22 D. Methodische Besonderheiten der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht . . . . 23 I. Zulässigkeit der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Konkrete rechtsvergleichende Methodik dieser Dissertation . . . . . . . . . . . . . 24 1. Die spanische und deutsche Verfassung als Teil eines Rechtskreises . . . . 25 a) Rechtskreisbildung anhand der Stiltheorie von Zweigert . . . . . . . . . . . 25 b) Einfluss der materiebezogenen Relativität sowie neuerer historischer Entwicklungen auf die Rechtskreisbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 c) Orientierung der Constitución Española an der deutschen Verfassungsgestaltung – Konsequenzen für die Rechtskreisbildung . . . . . . . . 27 2. Mikro- und Makrovergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Empirische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Funktionelle Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5. Die besondere Bedeutung der normativen Kraft des Faktischen . . . . . . . . 30 E. Ausblick auf die Untersuchung der spanischen Wirtschaftverfassung . . . . . . . . . 31 § 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 A. Gesamtaussage des Grundgesetzes zur Wirtschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Die Rolle rechtsstaatlicher Grundsätze für die Wirtschaftstätigkeit . . . . . . . . . . . 36 I. Gesetzesvorbehalt und Flexibilität wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Gesetzesvorbehalt in der Leistungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
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Inhaltsverzeichnis III. Ökonomischer Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 IV. Verhältnismäßigkeit wirtschaftsregelnder Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Wirtschaft und Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Rechtliche Auswirkungen einer lakonischen Sozialverfassung . . . . . . . . . . . 42 II. Diskussionsansatz für eine weitergehende Ausgestaltung der deutschen Sozialverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 D. Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 E. Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 F. Unternehmensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 G. Verfassungsrechtlicher Schutz der kommerziellen Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . 52 H. Vereinigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Gleichheitsgebot im Wirtschaftsleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
§ 3 Europäische Wirtschaftsverfassung und nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 § 4 Die aktuelle spanische Wirtschaftsverfassung – ein erster Überblick . . . . . . . . . 58 § 5 Wirtschaftsregulierung im Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 A. Gesetzmäßigkeit der Wirtschaftsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I. Leyes Orgánicas (Organgesetze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Gesetzesgleiche Verordnungen (Decretos-leyes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Gesetzesvertretende Verordnungen (Decretos-legislativos) . . . . . . . . . . . . . . 67 IV. Untergesetzliche Verordnungen (Reglamentos) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 B. Gesetzesvorbehalt in der Leistungsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Ökonomischer Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Ökonomischer Vertrauensschutz und Rückwirkung von Gesetzen . . . . . . . . . 72 II. Ökonomischer Vertrauensschutz und Aufhebung von Verwaltungsakten . . . 73 D. Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 § 6 Wirtschaft und Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 A. Rechtliche Effektivität der Leitprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
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B. Rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte und -pflichten außerhalb des Kapitels der Leitprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 I. Recht auf Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 II. Pflicht zu arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Recht auf berufliches Fortkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 IV. Recht auf ausreichende Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C. Einfluss der Leitprinzipien auf den rechtlichen Sozialstandard . . . . . . . . . . . . . . 91 I. Sozialversicherungssystem (Art. 41 CE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Interpretation des Verfassungstextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Bedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Universalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Garantie von Mindestleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 d) Organisierung und Finanzierung durch den Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 e) Verbot des sozialen Rückschritts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 f) Pflicht des Gesetzgebers zur Verschaffung subjektiver Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 II. Verbraucherschutz (Art. 51 CE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Interpretation des Verfassungstextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 D. Einfluss faktischer Umstände auf die Interpretation sozialer Grundrechte und Leitprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 E. Soziale Grundrechte und Leitprinzipien als Rechtfertigung für die Beschränkung klassischer Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 F. Soziale Grundrechte und Leitprinzipien als Interpretationsmaßstab . . . . . . . . . . 103 I. Verhältnis zu anderen Verfassungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Sozialstaat und Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Sozialstaat und Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 G. Die Auswirkung sozialer Grundrechte und Leitprinzipien auf die Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 H. Reichweite des politischen Gestaltungsspielraumes im Lichte des wirtschaftlichen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Verfassungssystematische Einordnung der Verpflichtung zur Herstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Die Komponenten des Art. 40 I CE und ihr Verhältnis zueinander . . . . . . . . 110 III. Gewährleistung der Stabilität des Preisniveaus durch die spanische Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 IV. Konsequenzen der jeweiligen Komposition wirtschaftspolitischer Ziele . . . . 113 § 7 Wirtschaftsrelevante Grundrechte in der spanischen Verfassung . . . . . . . . . . . . 115
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§ 8 Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 A. Grundlegende Einordnung des Eigentums in das spanische Rechtssystem . . . . . 118 I. Definition des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Einschränkbarkeit durch gesetzesgleiche Regierungsverfügungen . . . . . . . . 119 III. Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 B. Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen – Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Erstmalige Regelung eigentumsrelevanter Rechtsverhältnisse – Wasserhaushaltsgesetz (Ley de Aguas) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Eigentumsrelevante Maßnahmen im Küsten- und Naturschutz . . . . . . . . . . . 126 III. Eigentumsrelevante Maßnahmen im Miet- und Pachtrecht . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Frage nach der Existenz einer Junktim-Klausel in Art. 33 III CE . . . . . . . . . . . . . 131 D. Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 E. Eigentumsfreiheit im europarechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 § 9 Die Dogmatik der klassischen Berufsfreiheit im spanischen Verfassungssystem 137 A. Berufsausübungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Berufszulassungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 C. Kritik und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 D. Berufsfreiheit im europarechtlichen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 § 10 Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A. Die Dogmatik der Unternehmensfreiheit in Art. 38 CE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 B. Intervention des Staates in die Unternehmensfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Die Konzeption des servicio público im Vergleich zur Daseinsvorsorge und den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . . . . . . 149 III. Das Interventionsinstrument der Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 11 Vereinigungsfreiheit und kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen . . . . . . . . . . . . 159 A. Obligatorische Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen . . . . . . . . 159 B. Staatliche Befugnisse im Rahmen von Arbeitskonfliktmaßnahmen . . . . . . . . . . . 163 I. Verhältnis von Art. 28 II CE und Art. 37 II CE zueinander . . . . . . . . . . . . . . 163
Inhaltsverzeichnis
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II. Ausgestaltung des Streikrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Träger des Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 2. Maßnahmen im Vorfeld des Streiks – Sicherung wesentlicher Dienste . . . 166 § 12 Verfassungsrechtlicher Schutz der kommerziellen Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . 170 § 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 A. Der gesetzgeberische Beurteilungsspielraum bei der Wirtschaftsregulierung . . . 174 I. Gleichheit im Schutz gegen Enteignungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Gleichheit und Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Ungleichbehandlungen innerhalb einer Berufsgruppe bzw. Tätigkeitsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Berufsgruppen bzw. Tätigkeitsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 B. Die Schutzpflicht des Staates zur Verfolgung wirtschaftlich gleicher Bedingungen für Männer und Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Die Verfassungsmäßigkeit von Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 § 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 A. Zusammenfassung und Bewertung der einzelnen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 185 B. Die spanische Wirtschaftsverfassung – eine abschließende Beurteilung . . . . . . . 197 Anhang – Auszug aus der Constitución Española . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226
Abkürzungsverzeichnis ABl. ADCL AEMR AEUV AGG AöR APUZ BArbG BGH BGHZ BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE CDP CE CIE CJP DA DöV DPC DVBl. EE EGMR EGV EMRK ESIC ET EU EuGH EuGHE EuGRZ EUV EZB FAZ FMStFG FMStG FS GewArch. GG
Amtsblatt Anuario de Derecho Constitucional Latinoamericano Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Archiv des öffentlichen Rechts Aus Politik und Zeitgeschichte Bundesarbeitsgericht Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Deutscher Bundestag Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Cuadernos de Derecho Público Constitución Española Cuadernos de Información Económica Constitución, Jurisdicción y Proceso Documentación Administrativa Die öffentliche Verwaltung Derecho Privado y Constitución Deutsches Verwaltungsblatt Estudios Empresariales Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EG-Vertrag Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte Escuela Superior de Gestión Comercial y Marketing Estatuto de Trabajores Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des EuGH Europäische Grundrechte Zeitschrift Vertrag über die Europäische Union Europäische Zentralbank Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Finanzmarktstabilisierungsgesetz Festschrift Gewerbearchiv Grundgesetz
Abkürzungsverzeichnis GO SH GR HandwO HGr. HPE HzA IAB ICADE ICESCR JA JöR JURA JuS JZ LAU LBE LEBEP LGT LO LPC LSP NJW NUE NVwZ NWVBl. NZA NZS OECD PBefG RAP RATC RDLRT RDM RDP REDA REDC REDT RENFE REP RGDA RGDT RIEE RIJ RL RMT y AS RPS Rspr. RSS
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Gemeindeordnung Schleswig-Holstein Grundrechte Handwerksordnung Handbuch der Grundrechte Hacienda Pública Española Handbuch zum Arbeitsrecht Loseblattsammlung Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Revista Universidad Pontificia Comillas Internationaler Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristen Zeitung Ley de Arrendamientos Urbanos Ley Básica de Empleo Estatuto Básico del Empleado Público Ley General Tributaria Ley Orgánica Ley de Procedimiento Administrativo Común Ley del Servicio Postal Universal y de Liberalización de los Servicios Postales Neue Juristische Wochenschrift Noticias de la Unión Europea Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälisches Verwaltungsblatt Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Organisation for Economic Co-operation and Development Personenbeförderungsgesetz Revista de Administración Pública Repertorio Aranzadi del Tribunal Constitucional Real Decreto Ley de Relaciones de Trabajo Revista de Derecho Mercantil Revista de Derecho Público Revista Española de Derecho Administrativo Revista Española de Derecho Constitucional Revista Española de Derecho del Trabajo Red Nacional de los Ferrocarriles Españoles Revista de Estudios Políticos Revista General de Derecho Administrativo Revista General de Derecho de Trabajo y de Seguridad Social Revista del Instituto de Estudios Económicos Revista de Investigaciones Jurídicas Relaciones Laborales Revista del Ministerio de Trabajo y Asuntos Sociales Revista de Política Social Rechtsprechung Revista de Seguridad Social
16 RVAP SSTC STC STS StWG TC UNED VBlBW VereinsG VG VorstAG VVDStRL VwVfG WRV WSI ZaöRV ZeuS
Abkürzungsverzeichnis Revista Vasca de Administración Pública Sentencias del Tribunal Constitucional Sentencia del Tribunal Constitucional Sentencia del Tribunal Supremo Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft Tribunal Constitucional Universidad Nacional de Educación de Distancia Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Vereinsgesetz Verwaltungsgericht Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Weimarer Reichsverfassung Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für europarechtliche Studien
§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der spanischen Wirtschaftsverfassung aus rechtsvergleichender Sicht. Dabei wird die Kenntnis der deutschen Wirtschaftsverfassung als grundsätzlich gegeben vorausgesetzt, an weniger problematischen Stellen auf die einschlägige Literatur und Rechtsprechung verwiesen und nur so weit näher auf diese eingegangen, als es für einen effizienten Rechtsvergleich notwendig erscheint. Das besondere Augenmerk ist auf die Darstellung und Auslegung der spanischen Wirtschaftsverfassung gerichtet, die somit der elementare Untersuchungsgegenstand ist. Auf dieser Grundlage aufbauend ist es weiteres Ziel der Arbeit, Lösungsansätze für verfassungsrechtliche Probleme und Diskussionen beider Länder zu ermitteln.
A. Definition des Begriffes Wirtschaftsverfassung Der Begriff Wirtschaftsverfassung liegt im Schnittfeld von Ökonomie und Jurisprudenz. Die Terminologie wurde ursprünglich von den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entwickelt und in ihrem weitesten Sinne als „politische Gesamtentscheidung über die Ordnung des nationalen Wirtschaftslebens“ verstanden.1 Wirtschaftsordnung2 und Wirtschaftspolitik gehören gerade aber auch zu den rechtlich geregelten Grundfragen des Staates. Daher wurde der Begriff Wirtschaftsverfassung auch bald von der Rechtswissenschaft übernommen und zu einem juristischen Terminus umgeformt. Eine Wirtschaftsverfassung im juristischen Sinne gibt es nicht seit jeher und überall, sondern nur dort, wo das Wirtschaftsleben durch ein Normsystem verbindlich geregelt ist.3 Uneinigkeit besteht jedoch über den Rang und Umfang dieser Normen. So umfasst die Wirtschaftsverfassung im engeren Sinne die Bestimmungen der Verfassung und des primären Gemeinschaftsrechts, die die Prinzipien und Regeln festlegen, nach denen sich die wirtschaftlichen Aktivitäten der 1
Vgl. Hatje, Wirtschaftsverfassung, S. 685. Die Begriffe Wirtschaftsordnung, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftssystem werden in den Wirtschaftswissenschaften oft synonym gebraucht. Der Begriff Wirtschaftordnung geht jedoch weiter. Unter diesem Begriff wird hier die Gesamtheit aller grundlegenden Regeln für den Aufbau und Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens verstanden; vgl. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S. 23; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 5, 16 f. 3 Vgl. Scorl, Begriff, System und Grenzen deutscher und europäischer Wirtschaftsverfassung, S. 340. 2
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
Bürger und des Staates zu richten haben. Das Wirtschaftsverfassungsrecht im weiteren Sinne umfasst hingegen die Gesamtheit aller Normen, die unabhängig vom rechtlichen Rang den Ablauf des Wirtschaftslebens grundlegend und dauernd bestimmen.4 Der vorliegende Untersuchungsgegenstand erstreckt sich zuvörderst auf den materiellen Teil5 der Wirtschaftsverfassung im erstgenannten Sinne, auf das einfachgesetzliche wirtschaftsrelevante Recht hingegen nur insoweit, als es der Anschaulichkeit halber erforderlich ist. Dabei ist nicht entscheidend, dass in der Verfassung ein unmittelbarer Hinweis auf eine wirtschaftliche Betätigung enthalten ist. Selbst eine wirtschaftlich neutrale Verfassung enthält Aussagen zum rechtlichen Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten, und ihre institutionelle und normative Dimension ist von entscheidender Bedeutung.6
B. Bedeutung und Aufgabe des Wirtschaftsverfassungsrechts Die Wirtschaft hat eine fundamentale Bedeutung für Existenz, Wohlstand und Fortschritt eines Volkes. Ihre Entfaltung hängt von den ihr zugrunde liegenden rechtlichen Vorgaben ab. Dabei spielt die Verfassung mit ihren Aussagen zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, den konkret in ihr enthaltenen Grundrechten, Wertentscheidungen und Legitimationsgrundlagen eine zentrale Rolle: Die Wirtschaftsverfassung stellt einen Bereich der Staatsverfassung dar, der als oberster Normenkomplex die Position und den Wirkungsbereich der einfachgesetzlichen Normen bestimmt. Neben dieser ermächtigenden und lenkenden Funktion7 sind ihre Bestimmungen von der Verwaltung und den Gerichten als unmittelbar geltendes Recht zu beachten. Dieses Hierarchieprinzip manifestiert sich in Art. 1 III, 20 III GG und Art. 9 I, 53 I CE.8 In dieser Funktion entfaltet die Verfassung und mit ihr auch deren wirtschaftsrelevanten Bestimmungen vollkommene Rechtsverbindlichkeit.9 Das Wirtschaftsverfassungsrecht ist sowohl in der deutschen als auch in der spanischen Lehre fest verankert und stellt hier wie dort einen Teil, konkretermaßen 4 Vgl. zu der Differenzierung: Ruffert, AöR 134 (2009), S. 199 m.w.N.; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 14; Scorl, Begriff, System und Grenzen deutscher und europäischer Wirtschaftsverfassung, S. 340; ebenso in der spanischen Literatur: Balado RuizGallegos, Notas sobre el modelo económico constitucional español, S. 35 m.w.N.; Santos, Modelo económico y unidad de mercado, S. 367 f. 5 Die kompetenzrechtliche Seite ist für die aufgeworfenen Fragestellungen weniger ergiebig und wird vom Schwerpunkt der Untersuchung ausgenommen. 6 Vgl. Herrero de Miñón, REDC 57 (1999), S. 12; Scheuner, Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, S. 20. 7 Vgl. Esteve-Pardo, Investieren in Spanien, S. 2. 8 Die in der Dissertation angesprochenen spanischen Verfassungsnormen sind im Anhang in der entsprechenden deutschen Übersetzung abgedruckt. 9 Vgl. Lerche, DVBl. 1976, S. 1961.
C. Zwecke der Rechtsvergleichung im Wirtschaftsverfassungsrecht
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die Basis für das Wirtschaftsverwaltungsrecht dar.10 Dabei hat es die Aufgabe, wirtschaftliche Freiheit und Gleichheit zu sichern, den Staat zur Steuerung der Wirtschaft zu legitimieren und sein Handeln im Interesse der wirtschaftlichen Freiheits- und Gleichheitswahrung zu begrenzen.11
C. Zwecke der Rechtsvergleichung im Wirtschaftsverfassungsrecht Die Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht verfolgt verschiedene Zwecke12, die insbesondere der rechtsvergleichenden Praxis im Wirtschaftsverfassungsrecht dienen können. Sie lassen sich in die folgenden wesentlichen Kategorien unterteilen:
I. Rechtsvergleichung zur Auslegung des bestehenden Rechts Die Rechtswissenschaft beschäftigt sich mit der Analyse und Fortentwicklung des bestehenden Rechts, das hierfür zunächst einer umfassenden Auslegung bedarf. Für die Auslegung des eigenen Rechts wird als Hilfsmittel aber gerade auch das ausländische Recht rechtsvergleichend herangezogen. Denn je weiter und umfassender der Erfahrungsschatz ist, aus dem man schöpfen kann, desto mehr Ansätze bieten sich für die Lösung der eigenen Rechtsprobleme. In diesem Sinne ist es Aufgabe der Rechtsvergleichung, die jeweiligen Regelungen, Bedürfnisse und Rechtsprobleme zu ermitteln und der Verschiedenheit sowie der Gemeinsamkeit von Rechtskreisen, Rechtssystemen, Rechtskulturen und Rechtstraditionen Rechnung zu tragen.13 Bei der Verfassungsauslegung können inhaltlich verwandte Rechtsordnungen Orientierung bieten, wenn die klassischen Auslegungscanones zunächst zu keinen eindeutigen Lösungen führen. Um der besonderen Bedeutung der Rechtsvergleichung Ausdruck zu verleihen, bezeichnet Peter Häberle diese als fünfte Auslegungsmethode.14 Sie ist jedoch vielmehr als ein Element der teleologischen Auslegung zu werten. Die Rechtsvergleichung befreit den Richter nicht von der Bindung an das Gesetz. Greift er bei unklarer Rechtslage auf eine ausländische gesetzliche 10
Vgl. Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 14; Maqueo Ramírez, RIJ 28 (2004), S. 653 ff.; vgl. auch Martin-Retortillo, Indice al Derecho Administrativo Económico, Bd. I. 11 Vgl. Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 14. 12 Vgl. zum Ganzen: Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht, S. 29 ff.; Sommermann, DöV 1999, S. 1019 ff.; Starck, JZ 1997, S. 1023 ff. 13 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 62 ff.; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 24. 14 Vgl. Häberle, JZ 1989, S. 916; ders., Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, S. 27, 36 ff.
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
oder judizielle Lösung zurück, muss er das zumindest im Rahmen von teleologischen Überlegungen begründen.15 Bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten und allgemeinen Verfassungsprinzipien greifen Verfassungsgerichte gelegentlich auf ausländisches Verfassungsrecht und dessen höchstrichterlichen Entscheidungen zurück.16 Spezifisch wirtschaftsverfassungsrechtliche Rechtsvergleiche lassen sich hier zwar bisher kaum finden, vergleichende Betrachtungen sind jedoch in beiden Verfassungsrechtsprechungen gegenwärtig. Beispielsweise hat das Tribunal Constitucional die Konzeption des Doppelcharakters der Grundrechte aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übernommen.17 Gleiches gilt für die horizontale Wirkung der Grundrechte, die selbst in der spanischen Verfassungsrechtsprechung mit dem deutschen Wort „Drittwirkung“ bezeichnet wird.18 Als Beispiele für die rechtsvergleichende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien nur die Bereiche der Meinungs-19 und Berufsfreiheit20 angeführt. Einen wirtschaftsspezifischen Rechtsvergleich zog das Bundesverfassungsgericht bei seiner Entscheidung zur Herabsetzung der Kilometerpauschale im Einkommenssteuerrecht.21
II. Rechtsvergleichung im Vorfeld der Verfassungsgebung Eine wichtige Rolle spielt die Rechtsvergleichung beim Erlass neuer staatlicher Verfassungen sowie bei Verfassungsreformen. Bewährte Lösungen anderer Verfassungsordnungen werden zur Kenntnis genommen und auch nicht selten rezipiert, 15
Vgl. auch Starck, JZ 1997, S. 1024. Vgl. Starck, JZ 1997, S. 1024; Cruz Villalón, Landesbericht Spanien, S. 197, 204 ff.; vertiefend zur rechtsvergleichenden Praxis des BVerfG vgl. Sommermann, HGr. I, § 16, Rn. 86 f.; Cárdenas Paulsen, Über die Rechtsvergleichung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 17 Vgl. SSTC 25/1981; 53/1985; zu den Quellen der spanischen Verfassungsrechtsprechung vgl. im Folgenden: http://www.boe.es/aeboe/consultas/bases_datos/jurisprudencia_constitucio nal.php. 18 Vgl. den umfassenden Überblick zu diesem Thema in García Torres/Jiménez Blanco, La „Drittwirkung“ en la jurisprudencia del Tribunal Constitucional. 19 Vgl. BVerfGE 7, 198, 208 (Lüth-Urteil), die Meinungsfreiheit wird in Bezug auf die amerikanische Rechtsprechung („the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“) als Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft und als eines der wichtigsten Menschenrechte bezeichnet. 20 Vgl. BVerfGE 47, 285, 322 zur Gebührenermäßigungsregelung bei der Tätigkeit von Notaren. Die Ermäßigung bei unbemittelten Personen sei sozialpolitsch gerechtfertigt. Die Einstufung der unentgeltlichen Tätigkeit freiberuflicher Rechtsanwälte als ungerechtfertigte Gleichbehandlung durch das österreichische Verfassungsgericht sei nicht heranzuziehen, da Notare einer anderen Rechtsstellung unterlägen. 21 Vgl. BVerfGE 27, 58, 66 f. Das Bestreben, einen unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, sei ein anzuerkennendes Motiv des Gesetzgebers, mit Verweis auf den österreichischen Verfassungsgerichtshof, Erk-Slg. Nr. 4958/1965, S. 194 f. 16
C. Zwecke der Rechtsvergleichung im Wirtschaftsverfassungsrecht
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wenn sie sich in das jeweilige Rechtssystem einfügen lassen. So inspirieren sich die Verfassungsgeber anhand des Vorrats an verallgemeinerten oder verallgemeinerungsfähigen Verfassungsprinzipien und -instituten.22 Erheblichen Einfluss hatte das Grundgesetz auf die Verfassungsgebung in Spanien Mitte der 70er Jahre.23 Insbesondere die Formulierungen des Rechtsstaatsprinzips und der Eigentumsfreiheit orientieren sich stark an denen des deutschen Grundgesetzes.24
III. Rechtsvergleichung zum Zweck der Rechtsvereinheitlichung Die fortschreitende europäische Rechtsvereinheitlichung hat dazu geführt, dass inzwischen mehr als 80 Prozent des in den Mitgliedstaaten geltenden Wirtschaftsrechts im weitesten Sinne Gemeinschaftsrecht ist.25 Insbesondere der Erlass von Verordnungen und Richtlinien setzt zwingend die tiefgehende Kenntnis der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Regelungen der EU-Mitgliedstaaten voraus. Die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben erfordert die Adaptionsfähigkeit des nationalen Rechts in jedem konkreten Einzelfall. Die Voraussetzungen und Grenzen der Umsetzbarkeit lassen sich hierbei den entsprechenden Verfassungsordnungen entnehmen. Auch zur Feststellung allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts und Völkergewohnheitsrechts bedarf es der Rechtsvergleichung. Sie stellt ein wichtiges Hilfsmittel dar, um das Bestehen internationaler Rechtsstandards zu erkennen und somit der globalen Rechtsvereinheitlichung Rechnung zu tragen.26 Die spanische Verfassung schreibt die Auslegung der Grundrechte explizit auch anhand bestehender internationaler Verträge vor. Wirtschaftsverfassungsspezifische Auswirkung hat diese Vorgabe insbesondere bei der Auslegung der wirtschaftlichen Kommunikations- und Vereinigungsfreiheit.27
22 Vgl. Starck, JZ 1997, S. 1024; Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht, S. 32; Häberle, Rechtsvergleichung im Kraftfeld des Verfassungsstaates, S. 92; Sommermann, DöV 1999, S. 1020 ff. 23 Vgl. Truyol y Serra, Das Bonner Grundgesetz und die spanische Verfassung von 1978, S. 235 ff. 24 Vertiefend zu der spanischen Rezeption deutscher Verfassungsnormen vgl. Einleitung § 5 (Rechtsstaat), Einleitung § 6 und § 6 B. IV. Exkurs (Sozialstaat), Einleitung § 8 (Eigentumsfreiheit) sowie Einleitung § 12 (kommerzielle Werbung). 25 Vgl. Rabe, NJW 1993, S. 1 f. 26 Vgl. Cárdenas Paulsen, Über die Rechtsvergleichung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 16; vertiefend vgl. Bernhardt, ZaöRV 24 (1964), S. 445 f.; Kaiser, ZaöRV 24 (1964), S. 401; Sommermann, DöV 1999, S. 1020. 27 Vgl. unter § 12.
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
IV. Rechtsvergleichung als Optimierungsmethode Schließlich dient die Rechtsvergleichung als Optimierungsmethode für die eigene Rechtsfortbildung. Die internationalen Wirtschaftsstandorte stehen miteinander in unmittelbaren Wettbewerb. Mithin bedarf es einer ständigen Revision und kritischen Würdigung des jeweiligen Istbestandes an wirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen. Übertragen in die Unternehmenssprache ist Rechtsvergleichung gleichbedeutend mit Benchmarking. Hierunter versteht man den Ansporn, das jeweilige Produkt zu optimieren, indem man von den Besten lernt.28 Hierzu gehört insbesondere auch der jeweilige Umgang mit den gegenwärtigen Auswirkungen der globalen Wirtschafts- und Schuldenkrise, die in Spanien durch das Platzen der Immobilienblase zu gravierenden Kettenreaktionen in den verschiedensten wirtschaftlichen Bereichen geführt hat. In solchen globalen Krisenzeiten können verfassungsrechtliche Vorgaben lenkend wirken und entscheidende Impulse zur Wiedererlangung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geben. Die Orientierung an effizienten Krisenbewältigungsmaßnahmen anderer Staaten trägt zur gesteigerten Attraktivität des eigenen Wirtschaftsstandortes bei.
V. Praktisches rechtsvergleichendes Anliegen dieser Dissertation Gewissermaßen werbend soll diese Dissertation gerade auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Spanien offenlegen. Deutschland ist nach Frankreich Spaniens zweitwichtigster Wirtschaftspartner auf der Welt. Rund ein Sechstel des spanischen Imports stammt aus Deutschland.29 Aber auch für Deutschland ist Spanien ein attraktiver Handelspartner. Mit etwa 4 Prozent verzeichnete das Land vor der Wirtschafts- und Schuldenkrise eine der höchsten wirtschaftlichen Wachstumsraten in Europa.30 Die Aussichten sind optimistisch, nach Bewältigung der Krisenfolgen ähnliche Bedingungen wiederzuerlangen.31 Im Jahre 2007 betrugen deutsche Importe aus und Exporte nach Spanien 21,1 Mrd. Euro und 48,2 Mrd. Euro. Für Deutschland rangierte Spanien als Handelspartner somit auf Rangnummer acht.32 Eine erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit erfordert die genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen für die private Wirtschaftstätigkeit. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund eines rechtlich und wirtschaftlich immer weiter zu28 29
tis.de. 30
Vgl. Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 25. Vgl. Erhebungen des Bundesamtes für Statistik, Berlin, abrufbar unter: http://www.desta
Vgl. Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, S. 4. Vgl. auch die optimistische Prognose des EU-Währungskommissars Olli Rehn gem. EurActiv.de unter http://www.euractiv.de/finanzen-und-wachstum/artikel/salgado-spanienbraucht-keine-hilfskredite-004630. 32 Vgl. Erhebungen des Bundesamtes für Statistik, Berlin, abrufbar unter: http://www.desta tis.de. 31
D. Besonderheiten der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht
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sammenwachsenden Europas. Eine umfassende rechtsvergleichende Darstellung und Auslegung der spanischen Wirtschaftsverfassung fehlt bisher. Das ist nicht verwunderlich, zumal die spanische Verfassung zu einer der jüngsten Europas zählt und dieses Jahr erst ihr 35-jähriges Jubiläum feiert. Diese Dissertation möchte die bisherige Forschungslücke schließen und einen umfassenden Überblick über die verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten in Spanien geben.
D. Methodische Besonderheiten der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht Eine allgemeinverbindliche Methodik der Verfassungsvergleichung ausfindig zu machen, erscheint unmöglich. Selbst in der vergleichsweise entwickelten Privatrechtsvergleichung gibt es keinen umfassend gesicherten Bestand methodischer Grundsätze.33 Erschwerend wirken zudem die durch die besondere Natur des Verfassungsrechts vorzunehmenden Änderungen. Die in dieser Dissertation angewandte Methodik soll nicht anhand streitiger Grundsatzfragen theoretischer Natur entschieden werden, sondern orientiert sich vielmehr an dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit.34
I. Zulässigkeit der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht Während das rechtsvergleichende Privatrecht auf eine alte methodische Tradition zurückblickt, lässt sich für das öffentliche Recht – speziell für das Verfassungsrecht – nicht das Gleiche feststellen. Dabei ist die vergleichende Praxis im Verfassungsrecht älter als das Bewusstsein ihrer Methode.35 Bereits Aristoteles erfasste und systematisierte 158 griechische Stadtverfassungen, die ihm – wenn sie auch mehr als Staatstheorien denn als Verfassungen i.S.d. Konstitutionalismus anzusehen sind – als Material für die Konkretisierung seiner Staatslehre dienten.36 Hingegen gingen die deutschen Standardwerke zur Verfassungsinterpretation bis zum 20. Jahrhundert mit
33 Kritische Bestandsaufnahme bei Markesinis, Rechtsvergleichung in Theorie und Praxis, S. 4 ff. 34 Vgl. Tschentscher, JZ 2007, S. 810 ff.; zu den Methoden der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht vgl. Mössner, AöR 99 (1974), S. 223 ff.; Sommermann, DöV 1999, S. 1021 ff.; Starck, JZ 1997, S. 1026 ff.; Strebel, ZaöRV 24 (1964), S. 405 ff.; Tantras, Die Anwendung der Rechtsvergleichung bei der Untersuchung des öffentlichen Rechts, S. 41 ff.; Wieser, Vergleichendes Verfassungsrecht, S. 38 ff. 35 Vgl. Kaiser, ZaöRV 24 (1964), S. 391; Tschentscher, JZ 2007, S. 807 m.w.N. 36 Vgl. Münch, ZaöRV 33 (1973), S. 128; Kaiser, ZaöRV 24 (1964), S. 392; in Originalübersetzung vgl. Schwarz, Politik – Schriften zur Staatstheorie.
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
keinem Wort auf die rechtsvergleichende Praxis im Verfassungsrecht ein.37 Dabei hat selbst das Bundesverfassungsgericht wiederholt rechtsvergleichende Untersuchungen angestellt, um Argumente für die Auslegung des Grundgesetzes zu gewinnen.38 Angesichts dieser selbstverständlichen Praxis ist es erstaunlich, dass sich die deutsche Literatur erst in den letzten Jahrzehnten mit den konkreten Methoden des Verfassungsvergleichs beschäftigt. Das liegt jedoch vor allem daran, dass keine andere Materie mit den individuellen historischen Erfahrungen so stark verwurzelt ist wie das öffentliche Recht.39 So kann selbst ein wortgleicher Satz in zwei historisch und staatlich individualisierten Rechtsgebieten zwei so unterschiedliche Bedeutungen haben, dass er einer Rechtsvergleichung nicht zugänglich ist. Berücksichtigt man jedoch die politischen und sozialen Einflüsse auf die Entstehung des jeweiligen Rechts, so mag eine Rechtsvergleichung auch im Verfassungsrecht durchaus fruchtbar sein. Inzwischen steht die Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht in ihrer Bedeutung der zivilrechtlichen kaum mehr nach.40
II. Konkrete rechtsvergleichende Methodik dieser Dissertation Insbesondere im Verfassungsrecht setzt ein effizienter Rechtsvergleich die Auswahl geeigneter Vergleichsordnungen (1.) und die Festlegung des anzuwendenden Vergleichsmaßstabes (2.) voraus. Aufbauend auf der richtigen Formulierung der zu untersuchenden Fragestellungen wird anhand der empirischen Methode (3.) der relevante Umfang der spanischen Wirtschaftsverfassung ermittelt. Mit Hilfe der funktionellen Methode (4.) werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum deutschen Modell analysiert und bewertet. Dabei ist stets auf die bereits zuvor angesprochenen besonderen Einflüsse auf das Verfassungsrecht achtzugeben und in die Überlegungen mit einzubeziehen. Schließlich wird immer auch der normative Wert der jeweiligen Bestimmungen zu untersuchen und zu der normativen Kraft des Faktischen in Beziehung zu setzen sein (5.). Die verschiedenen Methoden ergänzen sich gegenseitig und sollen, wo erforderlich, aufeinander aufbauen bzw. nebeneinander angewandt werden, um dem Anspruch an eine zweckmäßige, fundierte Untersuchung gerecht zu werden.41 Dabei 37
Vgl. Mössner, AöR 99 (1974), S. 194 m.w.N.; vgl. dann aber Jellinek, Allgemeine Staatslehre. 38 Vgl. die ausführliche statistische Übersicht in: Cárdenas Paulsen, Über die Rechtsvergleichung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; Mössner, AöR 99 (1974), S. 128 ff.; zur richterlichen Rechtsfortbildung und Gesetzesauslegung durch Rechtsvergleichung vgl. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 79, Fn. 25 – 27. 39 Vgl. Starck, JZ 1997, S. 1028. 40 Vgl. Trantas, Die Anwendung der Rechtsvergleichung bei der Untersuchung des öffentlichen Rechts, S. 27 ff.; Bernhardt, Betrachtungen zur Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, S. 701; Tschentscher, JZ 2007, S. 807. 41 Zur Zweckmäßigkeit der Integration von beschreibender und wertender Vergleichung vgl. Tschentscher, JZ 2007, S. 816.
D. Besonderheiten der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht
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stellt diese Vorgehensweise nur eine von vielen Möglichkeiten dar, die spanische Wirtschaftsverfassung rechtsvergleichend zu untersuchen. Auch eine noch so ausdifferenzierte und umfassende Methodenlehre kann keine Unfehlbarkeit für sich in Anspruch nehmen. Wie auch in der übrigen Rechtswissenschaft wird in der Rechtsvergleichung immer ein Restbereich bleiben, der der kritischen Wertung und somit einem subjektiven Moment unterliegt. Hier muss eine starre und allzu theoretische Methodenlehre der praktischen Evidenz den Vortritt gewähren. Zu den Punkten im Einzelnen: 1. Die spanische und deutsche Verfassung als Teil eines Rechtskreises Um die notwendige Vergleichbarkeit der Rechtsmaterien herzustellen, werden diese in bestimmte Rechtskreise eingeteilt. Die auf dem Gebiet des Privatrechts bekannte Lehre von den Rechtskreisen verfolgt dabei das Ziel, die Vielzahl der bestehenden Rechtsordnungen durch Identifizierung wesentlicher struktureller Gemeinsamkeiten auf einige wenige Grundtypen zurückzuführen. Hierdurch werden die Voraussetzungen für die vergleichende Untersuchung konkreter Regeln, Normen oder Institute – die Mikrovergleichung (vgl. 2.) – geschaffen. Diese kann ohne Kenntnis des strukturellen Kontextes, in den diese Normen und Institute eingebunden sind, oft gar nicht sinnvoll vorgenommen werden.42 Die Lehre von den Rechtskreisen soll zu einer umfassenderen Kenntnis der Rechtswirklichkeit beitragen und setzt dazu oberhalb der Makrovergleichung (vgl. 2.) an. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass die Vergleichung innerhalb verwandter Ordnungen am fruchtbarsten ist.43 Verwandte Ordnungen haben nur Staaten, die ähnliche Sachprobleme und eine ähnliche Rechtsstruktur aufweisen. Den Vergleicher interessiert, wie gleichartige Sachprobleme in den verschiedenen Rechtsordnungen gelöst werden. a) Rechtskreisbildung anhand der Stiltheorie von Zweigert Eine große Bedeutung in der Diskussion über die Rechtskreise hat die von Zweigert entwickelte Stiltheorie erlangt. Diese Theorie macht die Einteilung von einer ganzen Reihe von Faktoren sowohl genetisch entstehungsgeschichtlicher als auch rechtsstrukturellen Charakters abhängig, die in ihrer Gesamtheit den Stil einer Rechtsordnung ausmachen sollen.44 So wird zwischen dem romanischen, deutschen, angloamerikanischen, dem nordischen und dem ostasiatischen Rechtskreis unterschieden. Spanien zählt dieser Lehre nach zu dem von Frankreich geprägten romanischen Rechtskreis.
42
Vgl. Grote, AöR 126 (2001), S. 11 f. Vgl. Kaiser, ZaöRV 24 (1964), S. 397; Strebel, ZaöRV 24 (1964), S. 430; Mössner, AöR 99 (1974), S. 214. 44 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 62 ff. 43
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b) Einfluss der materiebezogenen Relativität sowie neuerer historischer Entwicklungen auf die Rechtskreisbildung Problematisch erscheint die oben angesprochene Einordnung jedoch vor dem Hintergrund der materiebezogenen Relativität der Rechtskreisbildung. Innerhalb ein und derselben Rechtsordnung kann das Privatrecht dem einen, das Verfassungsrecht jedoch einem anderen Rechtskreis angehören.45 In diesem Zusammenhang erfolgte die Bildung der Rechtskreise bislang durchweg auf der Grundlage des Privatrechts.46 Die entscheidenden Kriterien für den Stil der jeweiligen Rechtsordnungen stammen zudem – bezogen auf den romanischen und deutschen Rechtskreis – aus der vorkonstitutionellen Zeit. Sie tangieren mithin nicht die westeuropäischen Verfassungstraditionen, deren entscheidender Aufschwung erst nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden hat. Nach Krieg und Diktatur galt in den kontinentaleuropäischen Staaten das oberste Ziel, eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung zu errichten und auf ein stabiles institutionelles Fundament zu stellen. Hierbei kam der wirksamen Bindung der staatlichen Gewalt an die in der Verfassung niedergelegten Prinzipien einer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung eine zentrale Bedeutung zu.47 In Deutschland gab es die grundlegende Bereitschaft zu einer umfassenden Verrechtlichung politisch-administrativer Entscheidungsprozesse. Ihren positivrechtlichen Ausdruck fand diese Bereitschaft in der Bindung der staatlichen Gewalt an die Grundrechte und in einer bis dahin beispiellosen Ausdifferenzierung verfassungsgerichtlicher Verfahrensarten. Die französische Verfassungstradition stand der Kontrolle des Gesetzgebers durch die Gerichte bis zur V. Republik 1958 gänzlich ablehnend gegenüber.48 Bis zur Geburtsstunde der spanischen Verfassung von 1978 näherte sich der Grundrechtsschutz jedoch erheblich dem Niveau des deutschen Verfassungsrechts an. Um die Durchsetzung der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative in der Verfassungspraxis zu gewährleisten, wurde der Conseil Constitutionnel geschaffen49, der sicherstellen sollte, dass die Volksvertretung ihre durch die Verfassung fixierten Kompetenzen nicht überschritt.50 Mit der Grundsatzentscheidung 71 – 44 DC des Gerichts vom 16. Juli 197151 erlangte die auf die Menschen- und Bürgerrechtser45
Vgl. ders., Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 64. Vgl. auch Tschentscher, JZ 2007, S. 810. 47 Vgl. Grote, AöR 126 (2001), S. 50; Favoreu, Europe Occidentale, S. 17, 43. 48 Vgl. Bauer, Verfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz in Frankreich, S. 28 ff. 49 Verfassungsmäßige Verankerung im VII. Abschnitt der Verfassung vom 4. Oktober 1958; Organisation, Funktionsweise und Verfahrensgrundsätze geregelt in Loi organique vom 7. November 1958. 50 Vgl. Grote, AöR 126 (2001), S. 51; Bauer, Verfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz in Frankreich, S. 46 ff. 51 Vgl. Bauer, Verfassungsrechtlicher Grundrechtsschutz in Frankreich m.w.N., S. 56 ff. 46
D. Besonderheiten der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht
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klärung 1789 verweisende Verfassungspräambel dieselbe rechtliche Wertigkeit wie die Verfassungsartikel. Durch die Verfassungsreform vom 29. Oktober 1974 wurde schließlich die Antragsberechtigung für Normenkontrollverfahren auf die oppositionelle Minderheit erweitert.52 Durch diese Aufwertungen gewährleistet inzwischen auch die französische Verfassung einen effektiven Grundrechtsschutz.53 Mithin ist zumindest eine verfassungsrechtliche Differenzierung zwischen dem romanischen und deutschen Rechtskreis in diesem Sinne nicht mehr zeitgemäß. Praktische Konsequenz der Annäherung des französischen an das deutsche Verfassungsmodell ist der Umstand, dass sich Spanien bei seiner Verfassungsgebung von 1978 an Verfassungselementen beider Staaten orientiert hat.54 c) Orientierung der Constitución Española an der deutschen Verfassungsgestaltung – Konsequenzen für die Rechtskreisbildung Über das Argument der Relativität der Rechtskreisbildung hinaus spricht auch die junge spanische Verfassungsgeschichte selbst für die grundlegende Vergleichbarkeit der spanischen mit der deutschen Verfassung. Die spanischen Verfassungsgeber von 1978 folgten nach dem Tode Francos insbesondere dem Vorbild des Grundgesetzes. Das liegt daran, dass Deutschland im Jahre 1978 bereits einen erfolgreichen Wandel von der Diktatur zu einem demokratischen Rechtsstaat vollzogen hatte und Spanien mithin von diesen geschichtlich vorgelagerten Verfassungserfahrungen Deutschlands profitieren konnte.55 Die Regelungen des Grundgesetzes, des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichtes wurden unmittelbar als Vorlagen bei der Ausarbeitung der spanischen Regelungen über die Verfassungsgerichtsbarkeit zugrunde gelegt.56 Darüber hinaus orientieren sich die Inhalte vieler Grundrechte und Staatsprinzipien Spaniens an denen des Grundgesetzes.57 Diese Orientierung kommt schließlich auch im wirtschaftsrelevanten Bereich zum Ausdruck, insbesondere bei der Konzeption der Eigentums52
Ders., S. 62 ff. Zur gegenseitigen Annäherung der beiden Verfassungsmodelle vgl. auch Fromont, Die französische Verfassungstradition und das Grundgesetz, S. 37 ff. 54 Vgl. Truyol y Serra, Das Bonner Grundgesetz und die spanische Verfassung von 1978, S. 235 f.. 55 Bei der Verfassungsgebung hat neben der französischen und der italienischen Verfassung das Bonner Grundgesetz den stärksten Einfluss ausgeübt, vgl. Truyol y Serra, Das Bonner Grundgesetz und die spanische Verfassung von 1978, S. 235 f. 56 Vgl. Knaak, Der Einfluß der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit auf das System der Verfassungsgerichtsbarkeit in Spanien, S. 9 f. mit Fn. 7; Villalón, Landesbericht Spanien, S. 211; Truyol y Serra, Das Bonner Grundgesetz und die spanische Verfassung von 1978, S. 240. 57 Vgl. Llorente/Reyes, La Jurisdicción Constitucional, S. 831 f.; Truyol y Serra, Das Bonner Grundgesetz und die spanische Verfassung von 1978, S. 236 ff.; Cruz Villalón, Landesbericht Spanien, S. 202 ff. 53
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
ordnung.58 Aber auch Aspekte der Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie beispielsweise das Recht auf Arbeit, basieren auf Überlieferungen der spanischen Verfassung von 1931, die sich ihrerseits an der Weimarer Reichsverfassung orientiert hat.59 Solche sozialen Rechte finden sich teils auch in den aktuellen deutschen Landesverfassungen wieder.60 Mithin ist auch in dieser Hinsicht eine Verwandtschaft beider Länder zu verzeichnen. Die in diesem Unterkapitel angesprochenen Umstände sollen den Leser anregen, eine allzu starre Rechtskreisbildung kritisch zu überdenken.61 Die Annäherung des französischen an das deutsche Verfassungsmodell sowie die jeweilige Rezeption der spanischen Verfassungsgeber sprechen zumindest für eine Relativierung romanischdeutscher Rechtskreisunterschiede. Die Orientierung Spaniens insbesondere auch an der wirtschaftsbezogenen Verfassungsentwicklung Deutschlands stellt letztlich die optimale Voraussetzung für eine fruchtbare Rechtsvergleichung dar. 2. Mikro- und Makrovergleichung Gegenstand der Rechtsvergleichung können Rechtsordnungen als Ganzes, große Rechtsgebiete (sogenannte Makrovergleichung) sowie einzelne Rechtsinstitute oder Rechtsprobleme sein (Mikrovergleichung). Dabei enthüllt die Makrovergleichung erst das normative und soziale Geflecht als Ganzes, indem sie Auskunft gibt über die rechtssystematischen Zusammenhänge, Gesetzgebungstechniken, Methoden der Gesetzesauslegung, Tragweite von Präjudizien, Ausbildung des Rechtsstabes, Formen der Konfliktlösung und überhaupt über Geist und Stil der betreffenden Rechtsordnung.62 Eine ins Detail gehende Mikrovergleichung setzt eine vorangehende Makrovergleichung voraus. Ohne einen Überblick über die grundlegenden Zusammenhänge kann keine Mikrovergleichung vorgenommen werden.63 In der vorliegenden Arbeit steht die Mikrovergleichung insofern im Vordergrund, als dass einzelne Rechtsinstitute miteinander verglichen werden und die jeweilige Auslegung anhand von Rechtsprechung und Literatur untersucht wird. Bezogen auf 58
Vgl. bereits oben Fn. 24. Vgl. Truyol y Serra, Das Bonner Grundgesetz und die spanische Verfassung von 1978, S. 235. 60 Vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 179, Fn. 11 m.w.N. 61 Die umfassende Bildung neuer Rechtskreisstrukturen ist für die Fragestellungen dieser Arbeit unergiebig. Daher beschränkt sich die Untersuchung auf die kritische Prüfung überkommener Strukturen, die einer Vergleichbarkeit vermeintlich entgegenstehen. Zur grundsätzlichen Unergiebigkeit der Bildung von Verfassungsrechtskreisen vgl. Tschentscher, JZ 2007, S. 810. 62 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 4. 63 Vgl. Starck, JZ 1997, S. 1026; Trantas, Die Anwendung der Rechtsvergleichung bei der Untersuchung des öffentlichen Rechts, S. 56. 59
D. Besonderheiten der Rechtsvergleichung im Verfassungsrecht
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die spanische Verfassung spielt jedoch gerade Hintergrundwissen über die historischen, politischen und sozialen Gesamtzusammenhänge sowie Information über die verfassungsrechtliche Struktur des Staates und der Wirtschaft eine entscheidende Rolle. Daher wird zur Erörterung grundlegender Fragestellungen ebenfalls die Makrovergleichung angewandt. In diesem Sinne wird die spanische Wirtschaftsverfassung als Ganzes beleuchtet. 3. Empirische Methode Die empirische Methode umfasst die Vermittlung von fremden Rechtskenntnissen.64 Aufgrund von Sprachbarrieren ist diese Aufgabe nicht jedermann vergönnt. Durch diese Methode werden insbesondere praktische Untersuchungsziele gefördert, wie die Erleichterung der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen in der fremden Rechtsordnung. Darüber hinaus muss der Leser einer rechtsvergleichenden Arbeit das zugrundeliegende Material kennen, wenn er die Vergleichung nachvollziehen will. Eine rein empirische Darstellung vermittelt jedoch keine wesentlichen neuen Erkenntnisse. Daher darf sich die Rechtsvergleichung nicht mit dem bloßen Verfügbarmachen des Materials begnügen. Vielmehr müssen die jeweiligen Vergleichsobjekte gegenübergestellt, Parallelen und Unterschiede aufgezeigt und die gesammelten Informationen bewertet werden. Die eigentliche rechtsvergleichende Tätigkeit beginnt somit erst nach erfolgter Informationsvermittlung.65 Dennoch ist eine solche unverzichtbar und stellt das wesentliche Fundament für alle darauf folgenden Ausführungen dar. 4. Funktionelle Methode Das methodische Grundprinzip der gesamten Rechtsvergleichung ist das der Funktionalität. Unvergleichbares kann man nicht sinnvoll vergleichen und vergleichbar ist im Recht nur, was dieselbe Aufgabe, dieselbe Funktion erfüllt.66 Zumeist werden die gleichen Probleme in den unterschiedlichen Rechtsordnungen auf verschiedene Weise gelöst. Die Ausgangsfrage jeder rechtsvergleichenden Tätigkeit muss deshalb rein funktional gestellt, das zu untersuchende Problem frei von den Systembegriffen der eigenen Rechtsordnung formuliert werden.67 Gleiche Begriffe in verschiedenen Rechtsordnungen bedeuten oft inhaltlich nicht dasselbe. Die jeweilige Rechtsgeschichte sowie die sozialen und kulturellen Einflüsse können zu einer unterschiedlichen Auslegung ein und desselben Begriffes führen. Die Frage 64
Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtvergleichung, S. 42. Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 42; Trantas, Die Anwendung der Rechtsvergleichung bei der Untersuchung des öffentlichen Rechts, S. 43. 66 Vgl. Rheinstein, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 26. 67 Vgl. Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33. 65
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
muss also lauten, wie die in Vergleich gezogene Rechtsordnung das aus der eigenen Rechtsordnung bekannte Problem löst, welches unabhängig von ihr beschrieben wird.68 Insbesondere bei der Verfassungsvergleichung sind neben rechtlichen auch außerrechtliche Faktoren in die Betrachtung mit einzubeziehen. Der Rechtsvergleicher hat die historischen Wurzeln zu berücksichtigen, wenn er seine Aufgabe nicht verfehlen will. Als Beispiel sei die Grundkonzeption der deutschen Wirtschaftsverfassung genannt. Die Zurückhaltung der Verfassungsgeber mit der expliziten Einfügung wirtschafts- und sozialpolitischer Vorgaben kann er nur verstehen, wenn ihm die historischen Umstände der politischen Kompromissfindung bekannt sind. Zudem muss er wissen, dass die Verfassung ursprünglich lediglich als Übergangsmodell für eine nach der angestrebten Wiedervereinigung geplante gesamtdeutsche Regelung angesehen wurde.69 5. Die besondere Bedeutung der normativen Kraft des Faktischen Darüber hinaus ist Geist und Stil der jeweiligen Rechtsordnung sozial und kulturell geprägt.70 Mehr als jedes andere Rechtsgebiet ist das Verfassungsrecht dem Druck und Gegendruck der politischen und gesellschaftlichen Kräfte ausgesetzt, die miteinander um direkten oder indirekten Einfluss auf die politischen Zielbestimmungen des Gemeinwesens konkurrieren. Der ständige Wandel der politischen Konstellationen und die vielfältigen Aktivitäten intermediärer Gewalten führen dazu, dass die Verfassungspraxis häufig anders aussieht, als es der Verfassungstext vermuten lassen könnte.71 Als Beispiel sei hier die Sozialisierung gem. Art. 15 GG genannt. Die marktwirtschaftliche „Gestimmtheit“72 in der Bundesrepublik Deutschland hatte den Art. 15 GG zumindest bis zur Finanzkrise aus dem Gesichtsfeld der Öffentlichkeit verdrängt. Eine Vergesellschaftung bestimmter Industriebereiche nach diesem Artikel war bis vor Kurzem kein attraktives politisches Ziel. Ein ausländischer Jurist, der ohne Berücksichtigung der marktwirtschaftlichen Gestimmtheit in Deutschland eine Abhandlung über die Bedeutung des Art. 15 GG
68
Vgl. Starck, JZ 1997, S. 1027 f.; zur Notwendigkeit der Einnahme eines neutralen Standpunktes vgl. Sommermann, DöV 1999, S. 1017; Tschentscher, JZ 2007, S. 810 f. 69 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Papier, Wirtschaftsverfassung in der Wirtschaftsordnung der Gegenwart, S. 462 f. 70 Vgl. Starck, JZ 1997, S. 1028. 71 Vgl. Krüger, Eigenart, Methode und Funktion der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, S. 1398 ff. 72 Zurückgehend auf Krüger, Stand und Selbstverständnis der Verfassungsvergleichung, S. 5 ff.; Krüger sieht die Geistesverfassung und die Gestimmtheit der jeweiligen Gruppierungen als Faktor, der das Gewebe einer jeden Verfassung am stärksten bestimmt.
E. Ausblick auf die Untersuchung der spanischen Wirtschaftverfassung
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für die deutsche Wirtschaftsverfassung schriebe, könnte nur ein völlig verzeichnetes Bild der realen Wirtschaftsverfassung in der Bundesrepublik liefern.73 Die tatsächlichen Verhältnisse sind vornehmlich dann zu beleuchten, wenn das Recht nicht halten kann, was es verspricht. Eine juristisch noch so durchdachte Lösung ist dann nicht brauchbar, wenn sie ihre normative Kraft in der Wirklichkeit nicht entfalten kann. Hesse und Jellinek unterscheiden zwischen der rechtlichen und der wirklichen Verfassung. Rechtssätze seien unvermögend, staatliche Machtverteilung tatsächlich zu beherrschen. Die realen politischen Kräfte würden ihren eigenen Gesetzen gehorchen. Mithin seien die tatsächlich wirkenden Kräfte in Form von sozialen, politischen und ökonomischen Gegebenheiten sowie die geistige Situation der jeweiligen Zeit die wirkliche Verfassung eines Staates.74 Der normative Wert der rechtlichen Verfassung kann nur dann erkannt werden, wenn er zu der Wirklichkeit in Beziehung gesetzt wird und im unlösbaren Zusammenhang sowie gegenseitiger Bedingtheit zu dieser gesehen wird. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob die rechtliche Verfassung zu jeder Zeit die Wirklichkeit wiedergibt. Vielmehr soll sie auch Gestaltungsaufträge erteilen und sich an den Wandel der tatsächlichen Bedingtheiten anpassen können. Jedoch darf sie nicht die Grenzen überschreiten. Nach Hesse vermag die rechtliche Verfassung nicht zu erzeugen, was nicht schon in der individuellen Beschaffenheit der Gegenwart angelegt ist.75 Besondere Bedeutung erlangt die normative Kraft des Faktischen in der Sozialpolitik. Wünschenswerte soziale Grundrechte, wie ein Recht auf Arbeit, können nur insoweit realisiert werden, als es die tatsächlichen ökonomischen Gegebenheiten der Gegenwart hergeben. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Wunsch und Realität bestimmt die Diskussion um die erstrebenswerte Ausgestaltung einer Verfassung. Bereits verankerte soziale Grundrechte hingegen können nur im Lichte der Realität ausgelegt werden, will man ihnen ihren normativen Wert nicht von vornherein aberkennen.
E. Ausblick auf die Untersuchung der spanischen Wirtschaftverfassung Die Verfassung Spaniens von 1978 ist die zehnte Verfassung dieses Landes innerhalb von 150 Jahren.76 Nach dem Tode Francos kam es nach einem 40 Jahre 73 Vgl. auch Krüger, Eigenart, Methode und Funktion der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, S. 1400. 74 Vgl. Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, S. 3 ff.; Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 72. 75 Vgl. Hesse, Die normative Kraft der Verfassung, S. 6 ff. 76 Vgl. Schambeck, Die Verfassung Spaniens 1978, in: Miehsler, Festschrift für Alfred Verdross, S. 187 ff.
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
andauernden autoritären Regime nicht etwa zu einem radikalen politischen Umbruch, sondern zu einem – unter Wahrung der Fundamentalgesetze Francos – vom Volk mittels eines Referendums getragenen Konsens aller politischen Kräfte über die neue Constitución Española.77 Das Ringen um einen von allen an der Ausarbeitung beteiligten Parteien annehmbaren Kompromiss hat sich in einem relativen langen Verfassungstext mit 169 teilweise sehr komplexen Artikeln niedergeschlagen.78 Gerade im Bereich der wirtschaftsrelevanten Verfassungsvorschriften offenbaren sich die verschiedenen beeinflussenden Ideologien am klarsten.79 Eine eindeutige Einordnung der Wirtschaftsverfassung in eine bestimmte Kategorie der Bandbreite zwischen Markt- und Planwirtschaft scheint es hier nicht zu geben. Nach einer überblicksartigen Darstellung der deutschen Wirtschaftsverfassung (vgl. § 2) sowie der grundlegenden Relevanz europarechtlicher Vorgaben (vgl. § 3) wird somit vorab zu untersuchen sein, ob und gegebenenfalls zu wessen Gunsten das durch die unterschiedlichen Normen erzeugte Spannungsverhältnis von der Literatur und Rechtsprechung in Spanien gelöst wird (vgl. § 4). Im Anschluss gelangt der Verfasser über die Untersuchung der einzelnen Verfassungsbestimmungen zu einem eigenständigen Urteil. Die vom Rechtsstaatsprinzip geforderte Gesetzmäßigkeit der Wirtschaftsverwaltung führt insbesondere zur Untersuchung der verschiedenen Rechtsquellen. Die zusätzlichen Kategorien gesetzesgleicher und gesetzesvertretender Verordnungen der Exekutive versprechen zumindest auf den ersten Blick eine höhere Flexibilität in der Reaktion auf wirtschaftliche Krisenzeiten (vgl. § 5). Die explizite Verankerung zahlreicher sozialer Leitprinzipien und Grundrechte wirft die Frage nach ihrem Mehrwert gegenüber der vergleichsweisen lakonischen Ausgestaltung des Grundgesetzes auf. Anhand des Rechts auf Arbeit, der Pflicht zu arbeiten, dem Recht auf berufliches Fortkommen und auf ausreichende Vergütung wird die rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte- und -pflichten überprüft. Im Schwerpunkt wird weiterhin der Einfluss der Leitprinzipien auf den rechtlichen Sozialstandard sowie ihr Gewicht bei der Beschränkung klassischer Freiheitsrechte untersucht, immer im vergleichenden Blick auf das deutsche Sozialstaatsprinzip. Besondere Bedeutung kommt hier dem ausdrücklich geregelten Sozialversicherungssystem, dem Verbraucherschutz sowie dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht zu. Durch die jüngste Verfassungsreform hat eine staatliche Schuldenbremse Eingang in Art. 135 CE gefunden, insbesondere deren Auswirkungen auf das wirtschaftspolitische Ziel der Geldwertstabilität interessiert (vgl. § 6). 77 Vgl. López Pina, Die Entstehung der Verfassung, in: ders., Spanisches Verfassungsrecht, S. 19 ff. 78 Alleine der Grundrechtsteil besteht aus 46 Artikeln (Art. 10 bis 55 CE). 79 Zu den prägenden ideologischen Strömungen vgl. Martínez Sospedra, Aproximación al derecho constitucional español, S. 21 ff.; zu ihrem Spannungsverhältnis vgl. Martin-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 70 ff.; Albertí Rovira, La Constitución Económica de 1978, REDC 71 (2004), S. 123 ff.
E. Ausblick auf die Untersuchung der spanischen Wirtschaftverfassung
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Ein weiterer Gradmesser für die freie wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeit sind die jeweiligen Grund- und Gleichheitsrechte. Obwohl sich fast jedes Grundrecht direkt oder indirekt auf die wirtschaftliche Tätigkeit auswirkt, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die hierfür relevantesten. Hierzu zählen die Eigentums(Art. 33 CE), Berufs- (Art. 35 CE) und Unternehmensfreiheit (Art. 38 CE), die Vereinigungsfreiheit (Art. 22 CE), die wirtschaftliche Kommunikationsfreiheit (Art. 20 CE) sowie das wirtschaftliche Gleichheitsgebot (Art. 14 CE). Eingangs wird die besondere Eigenart der spanischen Grundrechtssystematik herausgestellt, die sich durch eine differenzierte Kategorisierung mit entsprechenden Schutzmechanismen auszeichnet (vgl. § 7). Bei der Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen wird auch im spanischen Rechtssystem zwischen entschädigungsfreien Inhaltsbestimmungen und entschädigungspflichtigen Enteignungen unterschieden. Die von der deutschen Systematik abweichende Abgrenzung wird anhand der Fallgruppen des Wasserhaushaltsgesetzes, des Küsten- und Naturschutzes sowie des Miet- und Pachtrechts dargestellt und auf ihre faktischen Auswirkungen überprüft (vgl. § 8). Bei der klassischen Berufsfreiheit besteht gegenüber dem durch die 3-Stufen-Theorie des BVerfG konkretisierten Art. 12 GG der auf den ersten Blick wesentliche Unterschied, dass lediglich die Berufswahl, nicht jedoch ihre Ausübung vom Schutzbereich des Art. 35 CE erfasst ist. Ob dieser Umstand auch im Ergebnis zu einem verringerten Schutzniveau führt, wird anhand der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung im konkreten Einzelfall untersucht (vgl. § 9). Die in Art. 38 CE geregelte Unternehmensfreiheit geht über das subsidiäre Auffanggrundrecht Art. 2 GG hinaus und verbürgt sich für eine marktwirtschaftliche Rechtsstruktur. Allerdings zeigt die Verfassung mit der ausdrücklichen Zulassung öffentlicher Unternehmen sowie dem Instrument der Wirtschaftsplanung explizite Grenzen für die subjektiven Rechte des Einzelnen auf. Im Schwerpunkt werden hier das Verhältnis von öffentlicher zu privater Wirtschaftstätigkeit sowie die Konzeption des servicio público im Vergleich zur Daseinsvorsorge und den europarechtlich vorgegebenen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse beleuchtet (vgl. § 10). Ein besonders effektives Instrument zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen bildet die Vereinigungsfreiheit. Interessant erscheint hier die Frage nach der negativen Vereinigungsfreiheit im Bereich von öffentlichen Zwangsverbänden. Darüber hinaus ist das Recht auf Bildung von Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 III GG) gerade auch in der spanischen Verfassung besonders stark ausgeprägt. Während Arbeitskonfliktmaßnahmen wie der Streik nach deutschem Recht in den meisten Fällen erst einer nachgelagerten gerichtlichen Kontrolle unterliegen, verfügt die spanische Verfassung über ein besonderes Instrumentarium zum Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Leistungsfähigkeit im Wege der Sicherung wesentlicher Dienste (vgl. § 11).
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§ 1 Die spanische Wirtschaftsverfassung als Untersuchungsgegenstand
Weiterhin ist die wirtschaftsverfassungsrechtliche Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit herauszustellen. Diese ist besonders im Hinblick auf den Schutz kommerzieller Werbung zu untersuchen. Die Untersuchung fördert zudem die besondere Bedeutung internationaler Verträge bei der Auslegung verfassungsrechtlicher Normen zutage (vgl. § 12). Im unauflösbaren Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Freiheitsrechten stehen die Gleichheitsrechte. Sie sichern die ökonomischen Freiheitsrechte vor staatlichen Privilegierungen und sonstigen Diskriminierungen und vermeiden somit die Verzerrung ökonomischer Chancen. Probleme entstehen bei der Frage, welche tatsächlichen Umstände als gleich zu beurteilen sind. Insoweit verfügt der Gesetzgeber über einen gewissen Beurteilungsspielraum, dessen Reichweite vergleichend in den wirtschaftlichen Bereichen der Eigentums- und Berufsfreiheit untersucht wird. Zudem steht die jeweilige Schutzpflicht des Staates zur Verfolgung der wirtschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen im Mittelpunkt des Interesses (vgl. § 13). Eine Zusammenfassung der ermittelten Ergebnisse erfolgt in § 14, kombiniert mit einer eigenen Einschätzung zur Sinnhaftigkeit etwaiger Änderungen bestehender verfassungsrechtlicher Ausgestaltungen. In diesem Rahmen gilt es auch herauszustellen, inwieweit die Interpretation und Umsetzung der jeweiligen Wirtschaftsverfassung von den Erfahrungen der jeweils anderen profitieren kann.
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick Die Fähigkeit zur kritischen Analyse eines fremden Rechtssystems setzt die Kenntnis des eigenen Systems und seiner wesentlichen Probleme voraus. Einleitend erfolgt somit ein kurzer Überblick über die deutsche Wirtschaftsverfassung und die sich aus ihr ergebenden Fragestellungen.
A. Gesamtaussage des Grundgesetzes zur Wirtschaftsordnung Anders als noch die Weimarer Reichsverfassung1 verfügt das Grundgesetz nicht über eine separate Teilverfassung des Wirtschaftssektors. Der spezifisch deutschen Diskussion über ein bestimmtes, in sich geschlossenes Wirtschaftssystem2 hat das Bundesverfassungsgericht eine Absage erteilt. In der Investitionshilfeentscheidung aus dem Jahr 19543 stellte es vielmehr die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes fest, die eine weitgehende wirtschaftspolitische Gestaltungsfreiheit unter Beachtung der verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen zur Folge hat.4 Neutralität ist demnach nicht mit Gleichgültigkeit gleichzusetzen. In der Gesamtschau der wirtschaftsrelevanten Bestimmungen trifft das Grundgesetz mit den einzelnen Grundrechten und Verfassungsprinzipien unterschiedliche Wertentscheidungen, die in wirtschaftspolitischer Eigenverantwortung durch den Gesetzgeber und die anderen staatsleitenden Organe miteinander in Einklang zu bringen sind.5 Beendet ist die Diskussion um die deutsche Wirtschaftsverfassung damit jedoch nicht. Mehr denn je stellt sich die Frage, ob ein solch lakonisches Wirtschaftsver1 Die Art. 151 ff. WRV enthielten eine 15 Artikel umfassende „Regelung der Ordnung des Wirtschaftslebens“; vgl. näher Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1, Rn. 14; Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 25 ff. 2 Ausgelöst durch Nipperdey, Wirtschaftsverfassung und Bundesverfassungsgericht; zur Diskussion vgl. die Zusammenfassung bei Huber, Der Streit um das Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 215. 3 Vgl. BVerfGE 4, 7, 17 f. 4 Vgl. in der fortlaufenden Verfassungsrechtsprechung BVerfGE 7, 377, 400; 14, 263, 275; 21, 73, 78; 25, 1, 19 f.; 30, 292, 317 ff.; dabei stellte das Miteinscheidungsurteil aus dem Jahre 1979 die einzelnen Grundrechte als zentralen Prüfungsmaßstab jeder wirtschaftspolitischen Tätigkeit heraus, vgl. BVerfGE 50, 290, 336 ff. 5 So auch Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 18 f.; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 3, Rn. 9.
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§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
fassungsmodell den Herausforderungen der Gegenwart gerecht wird. Stetig zunehmende Globalisierung, Ökonomisierung sowie veränderte gesellschaftliche Strukturen führen zu komplexen sozial- und wirtschaftspolitischen Fragestellungen. Mag unsere Wirtschaftsverfassung noch zu Zeiten der Investitionshilfeentscheidung und des Mitbestimmungsurteils die adäquaten Lösungen geboten haben, so werden wieder zunehmend Stimmen laut, die weitergehende Orientierungsmöglichkeiten fordern. Warum sollten nicht auch die über Jahrzehnte gewonnenen Resultate ökonomischer Vernunft in die Verfassung mit aufgenommen werden? Brauchen wird nicht gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten einen verlässlichen Halt in Form einer lenkend tätig werdenden Verfassung, die über die bloße Gewährung von Grundrechten und Etablierung von Verfassungsprinzipien hinausgeht? Die spanische Verfassung wählt den beredten Weg. Ob dieser die besseren Lösungen bietet, ist eine wesentliche Fragestellung dieser Arbeit.
B. Die Rolle rechtsstaatlicher Grundsätze für die Wirtschaftstätigkeit Einen wesentlichen Pfeiler der deutschen Wirtschaftsverfassung bildet das Rechtsstaatsprinzip. Die Vielschichtigkeit des Prinzips und die noch andauernde Diskussion über den genauen Begriffsinhalt6 veranlassen allerdings dazu, den Blickpunkt hier auf wirtschaftsbezogene Einzelaspekte zu konzentrieren.
I. Gesetzesvorbehalt und Flexibilität wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Maßnahmen Voraussetzung für wirtschaftliche Freiheit ist die sich aus Art. 20 III GG ergebende Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die den Gesetzesvorrang und -vorbehalt umfasst. Der Vorbehalt des Gesetzes besagt dabei, dass zumindest belastendes Verwaltungshandeln einer einfachgesetzlichen Grundlage bedarf.7 Schützt der Parlamentsvorbehalt einerseits die grundrechtlich verbürgte Freiheit der Wirtschaftstätigen, so bedarf es anderseits jedoch auch flexiblerer Instrumente, um durch detaillierte Rechtssetzung Feinsteuerungen vorzunehmen und schnell und effektiv auf wirtschaftliche Krisen reagieren zu können. Mit der Wesentlichkeitstheorie hat das BVerfG ein solches Instrument zur flexiblen Handhabung von Einzelfällen geschaffen. Hiernach muss der Gesetzgeber in den grundlegend normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen Entschei-
6 7
Vgl. Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 104 f. Vgl. ders.; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 49.
B. Rolle rechtsstaatlicher Grundsätze für die Wirtschaftstätigkeit
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dungen durch ein formelles Gesetz treffen.8 In den hiervon nicht betroffenen Bereichen kann hingegen auch die Exekutive selbst rechtsetzend tätig werden. Ein aktuelleres Beispiel stellt das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) vom 17. Oktober 2008 dar, das auf die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit von Finanzinstituten mit Sitz in Deutschland und die Vermeidung einer allgemeinen Kreditklemme abzielt. Das in diesem Rahmen verabschiedete Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) enthält in § 4 I eine Verordnungsermächtigung, auf deren Grundlage die Bundesregierung Durchführungsvorschriften, insbesondere auch Regelungen zur Garantieübernahme und Rekapitalisierung des Stabilisierungsfonds erlassen hat. Die Regelung der Durchführungsvorschriften durch den Gesetzgeber selbst wäre – im Hinblick auf das aufwendige Gesetzgebungsverfahren – nicht praktikabel gewesen. Dennoch stellt sich die Frage, ob es nicht Möglichkeiten gibt, die Exekutive auch in „wesentlichen“ Bereichen rechtsetzend tätig werden zu lassen, ohne hierdurch die Rechtsstaatlichkeit, insbesondere das Prinzip der Gewaltenteilung in Frage zu stellen. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten sind effektive wirtschaftslenkende Reaktionen gefragt. Aufwendige und zeitraubende parlamentarische Gesetzgebungsverfahren werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Diese Problematik ist angesichts zunehmend ungewisser Mehrheitsverhältnisse aufgrund der Destabilisierung klassischer „Volksparteien“ aktueller denn je.
II. Gesetzesvorbehalt in der Leistungsverwaltung Die Reichweite des Gesetzesvorbehaltes im Bereich der Leistungsverwaltung ist nach wie vor umstritten. Die Problematik stellt sich insbesondere bei der Gewährung wirtschaftlicher Subventionen. Das Subventionsvolumen der öffentlichen Hand in Deutschland liegt derzeit zwischen 50 und 58 Mrd. Euro pro Jahr. Die gewerbliche Wirtschaft ist dabei mit 19,4 Mrd. Euro der größte Subventionsempfänger. Allein die Ausgaben des Bundes sind gegenüber dem Jahre 2007 um 6 Mrd. Euro gestiegen, was vor allem an den Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise liegt.9 Angesichts dieses bedeutenden Umfangs muss sich nicht nur die Eingriffs-, sondern auch die Leistungsverwaltung an rechtsstaatlichen Grundsätzen messen lassen. Das BVerfG hat die Lehre vom Totalvorbehalt abgelehnt10, sodass grundsätzlich bereits die Bereitstellung der Subventionsmittel im Haushaltsplan ausreicht.11 Der 8
Vgl. Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 105; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 8, Rn. 14; BVerfGE 33, 125 (Facharztentscheidung: Vorgaben für Eingriffe in die Berufsfreiheit durch Satzung); 49, 89, 126 f. (AKW Kalkar: Wesentliche Entscheidungen im Technikrecht); 83, 130, 142 (Mutzenbacher: keine ausreichende Regelung der Bundesprüfstelle in § 9 II des Gesetzes über die Verbreitung jungendgefährdender Schriften); BVerfG NJW 1998, S. 2515, 2520 (Rechtschreibreform: zählt nicht zu den wesentlichen Entscheidungen, die der Gesetzgeber selbst hätte treffen müssen). 9 Vgl. Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 765. 10 Vgl. differenzierende Betrachtung hinsichtlich des Erfordernisses des Gesetzesvorbehaltes in BVerfG, NJW 1989, S. 2877; BVerfG, NJW 1997, S. 1975 ff.
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§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
Haushaltsplan ist nach Art. 110 II S. 1 GG Bestandteil des Haushaltsgesetzes und nimmt dementsprechend an dessen formeller Gesetzesqualität teil. Zudem genügt laut BVerwG neben dem Gesetz „jede andere parlamentarische Willensäußerung, insbesondere die etatmäßige Bereitstellung der zur Subvention erforderlichen Mittel“12. Nach der Wesentlichkeitstheorie ist eine formelle Gesetzesgrundlage nur dann erforderlich, wenn die gesamtwirtschaftliche Bedeutung, die Höhe der Subvention oder die Auswirkungen auf den Wettbewerb so bedeutend sind, dass es einer gesetzgeberischen, über die haushaltsmäßige Ausweisung hinausgehenden Entscheidung bedarf.13 Jedenfalls ist eine formelle gesetzliche Grundlage dann notwendig, wenn grundrechtssensible Bereiche betroffen sind. Dies gilt insbesondere bei Pressesubventionen, die die Gefahr mit sich bringen, die Staatsfreiheit und Kritikfähigkeit der Presse zu gefährden.14 Aber auch die Rechte von Konkurrenten aus Art. 3 I, 12 GG werden betroffen, wenn sie aus dem Kreis der Subventionsempfänger ausgeschlossen werden. Schließlich werden durch Subventionen an Vereine, die vor Sekten warnen, Rechte aus Art. 4 I, II GG berührt.15 Im Einzelnen ist das Erfordernis des Gesetzesvorbehalts in der Leistungsverwaltung jedoch noch umstritten.16
III. Ökonomischer Vertrauensschutz In der deutschen Verwaltungspraxis ist der Vertrauensschutz eine wesentliche Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Wirtschaftsspezifisch manifestiert er sich insbesondere bei der Entscheidung über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte, insbesondere von Subventionen. Handelt es sich um einen pekuniären Verwaltungsakt, so wird der Bewilligungsbescheid gem. § 48 II VwVfG nur dann aufgehoben, wenn das öffentliche Interesse diesbezüglich das private Interesse an der Aufrechterhaltung überwiegt. Die Rechtsprechung tendiert inzwischen dazu, das Vertrauen des Bürgers gegenüber dem öffentlichen Interesse stärker als bisher in den Vordergrund zu rücken.17 11
Vgl. BVerwGE 6, 282, 287; 58, 45, 48; BVerwG, NJW 1977, S. 1838. Vgl. BVerwGE 58, 45, 48. 13 Vgl. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6, Rn. 16; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 105; vgl. hinsichtlich der Wesentlichkeit auch BVerfGE 58, 257, 268; BVerwGE 47, 194, 198. 14 Vgl. BVerfG, DVBl. 1989, S. 870; BVerfGE 80, 124, 131 ff.; BVerwGE 30, 191; BVerwG, DVBl. 1992, S. 1038; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6, Rn. 16; Pitschas, Grundlagen und Entwicklungen des deutschen Subventionsrechts, S. 24. 15 Vgl. BVerwGE 90, 112, 122 f. 16 Vgl. zur Diskussion auch Bauer, DöV 1983, S. 53 ff.; Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 281, 299; Stern, JZ 1960, S. 518 ff. 17 Während bis Ende der 50er Jahre die Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte wie ein „Damoklesschwert über dem Haupt des Privaten“ schwebte, hat sich das praktische Regel12
B. Rolle rechtsstaatlicher Grundsätze für die Wirtschaftstätigkeit
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Das BVerfG sieht diesen weitgehenden Bestandsschutz explizit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips an und erweitert ihn in seiner Entscheidung zum Entzug von Vertriebenenausweisen erstmals auch auf nicht pekuniäre Verwaltungsakte.18 Problematisch ist, dass sich das Gericht mit dieser Entscheidung gegen das in der Systematik des § 48 VwVfG zum Ausdruck kommende Bestreben des Gesetzgebers richtet, mit dem Grundsatz eines weitreichenden Bestandschutzes zu brechen.19 Dabei billigt das BVerfG dem Gesetzgeber nach wie vor die Gestaltungsfreiheit zu, innerhalb des Rechtsstaatsprinzips die verschiedenen Teilprinzipien – hier materielle Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit – unterschiedlich zu gewichten.20 Inzwischen wird § 48 III VwVfG vermeintlich verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass der Bestandsschutz bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme nach § 48 I S. 1 VwVfG Vorrang hat, wenn sich enttäuschtes Vertrauen nicht durch Geld ausgleichen lässt.21 Diese Widersprüche offenbaren eine fehlende fundierte Aufbereitung des deutschen Vertrauensschutzprinzips. Während die Rechtsprechung zur Ausdehnung des Vertrauensschutzes in Form des Bestandsschutzes tendiert, der Gesetzgeber den Bestandsschutz hingegen einzuschränken versucht, führt schließlich die Beihilfenbeschränkung des EU-Rechts zum Schutze chancengleichen Wettbewerbs gewissermaßen zu einem Wirkungsvorrang gemeinschaftlicher Interessen.22 Mithin stellt sich die Frage, wie der Vertrauensschutz gestaltet werden könnte, um allen unterschiedlichen Tendenzen gleichermaßen Rechnung zu tragen und der Wirtschaft weitestgehende Rechtssicherheit zu gewährleisten.
IV. Verhältnismäßigkeit wirtschaftsregelnder Maßnahmen Eines der wesentlichsten Kontrollmaßstäbe für die Ausübung staatlicher Gewalt stellt das Verhältnismäßigkeitsprinzip dar. Durch dieses werden unverhältnismäßige
Ausnahme-Verhältnis seither in sein Gegenteil verwandelt, vgl. zur historischen Entwicklung Bullinger, JZ 1999, S. 905 f.; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 196 ff. 18 Vgl. BVerfGE 59, 128, 166 f. 19 Für nicht pekuniäre Verwaltungsakte soll gem. § 48 I, III VwVfG Vertrauensschutz lediglich in Form eines Geldausgleichs gewährt werden. 20 Vgl. die gesetzliche Aufrechterhaltung von unanfechtbaren Steuerbescheiden aus der Zeit vor Nichtigerklärung der zugrundeliegenden Steuernorm, BVerfGE 7, 194, 195 f.; Bekanntmachung von Bebauungsplänen, BVerfGE 65, 283, 290; nach dem BVerfG haben sowohl Rechtssicherheit wie Einzelfallgerechtigkeit als Teilprinzipien des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang, womit dem Gesetzgeber im Rahmen einer gestaltenden Entscheidung freistehe, welchem der beiden Grundsätze er den Vorrang gebe. 21 Vgl. BVerwGE 68, 159, 163 unter Berufung auf BVerfGE 59, 128, 164 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 34; Bullinger, JZ 1999, S. 907. 22 Vgl. Bullinger, JZ 1999, S. 905 ff.
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§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
Übergriffe in Rechtspositionen des Einzelnen verhindert.23 Jede wirtschaftsregelnde Maßnahme muss einen legitimen Zweck verfolgen, geeignet, erforderlich und angemessen sein.24 Die Geeignetheit erfordert eine Prognoseentscheidung, für die dem Gesetzgeber eine weitreichende Einschätzungsprärogative zuerkannt wird. Eine sich auf den Warenverkehr sowie die Automobilindustrie auswirkende generelle Geschwindigkeitsbegrenzung zum Zwecke eines verminderten Waldsterbens ist nur dann geeignet, wenn bewährte Hypothesen einen Zusammenhang zwischen verringertem Schadstoffausstoß und Verbesserung der Waldstruktur herstellen.25 Hier hilft dem Gesetzgeber die Einschätzungsprärogative, zumal die Ursachen für das Waldsterben komplex sind und der Nachweis eines entsprechenden Zusammenhangs mit letzter Gewissheit nur schwer zu führen sein wird.26 Erforderlich ist eine wirtschaftsregelnde Maßnahme dann, wenn keine anderen, gleich geeigneten, jedoch milderen Mittel zur Verfügung stehen. Um den Verbraucher vor Lebensmitteltäuschungen zu schützen, hatte der Gesetzgeber ein Verbot für gewerbsmäßiges Inverkehrbringen von mit Schokolade verwechselbaren Lebensmitteln angeordnet. Das BVerfG sieht das Verbot als verfassungswidrig an, da der Verbraucherschutz genauso gut durch ein Kennzeichnungsgebot verwirklicht werden könne.27 Unangemessen ist eine Maßnahme dann, wenn sie die Freiheit stärker beschränkt, als der Zweck es rechtfertigt. Im Einzelnen ist hier eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen.28 Als Mitauslöser der Finanzkrise wurden unter anderen auch falsche Vergütungsanreize genannt. In dieser Konsequenz hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) verabschiedet. Dabei handelt es sich um einen massiven Eingriff in die privatwirtschaftliche Vergütungspolitik als Teil der Privatautonomie. Die widerstreitenden Interessen waren eingehend gegeneinander abzuwägen, wobei das öffentliche Interesse an der Vermeidung weiterer Krisen überwogen hat.29 Als wesentliches Instrument der Feinsteuerung staatlicher Wirtschaftsmaßnahmen bringt das Verhältnismäßigkeitsprinzip gegenläufige Rechtspositionen zum Ausgleich. Bei vielen der im Folgenden zu behandelnden Probleme ist die Verhältnismäßigkeit der entscheidende Gradmesser. Unabdingbare Voraussetzung für 23
Vgl. Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 107; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 75 ff. 24 Vgl. BVerfGE 65, 1, 35; 67, 157, 173; näher zu den einzelnen Prüfungsschritten: Schnapp, JuS 1983, S. 850 ff. 25 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 293 f. 26 Zu den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Geschwindigkeitsbegrenzung, zu dem Ursachenzusammenhang und der allgemeinen Diskussion vgl. Der Spiegel, 41/1984, Tempolimit: Taktik statt Taten, abrufbar unter http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13511022.html. 27 Vgl. BVerfGE 53, 135, 145 f.; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 108. 28 Vgl. BVerfGE 30, 292, 316; BGH, NJW 1999, S. 3406 ff. 29 Vgl. hierzu eingehend Winarzki, Staatliche Eingriffe in die privatwirtschaftliche Vergütungspolitik vor dem Hintergrund der aktuellen Kapitalmarktgesetzgebung.
C. Wirtschaft und Sozialstaat
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eine rechtsvergleichende Untersuchung ist die Darstellung des spanischen Instrumentariums, seiner praktischen Anwendung und der daraus folgenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der jeweiligen Interessengewichtung.
C. Wirtschaft und Sozialstaat Das öffentliche Wirtschaftsrecht ist nach dem Grundgesetz von einem Dualismus staatlicher Intervention und wirtschaftlicher Freiheit geprägt.30 Maßgeblich verantwortlich hierfür ist das in Art. 20 I GG verankerte Sozialstaatsprinzip, das sich als verbindliche Verfassungsnorm hauptsächlich an den Gesetzgeber richtet. Diesem obliegt es, volkswirtschaftlich die Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen privates Wirtschaften zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz ermöglicht wird.31 Anders als die Weimarer Reichsverfassung32 und zahlreiche Länderverfassungen33 enthält das Grundgesetz keine sozialen Grundrechte. Der Gesetzgeber muss das objektive Verfassungsprinzip grundsätzlich34 zunächst in einfaches Recht umsetzen, um subjektive Rechtspositionen erzeugen zu können.35 Wenn dem Staat bei der Ausgestaltung auch ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt wird36, so konkretisiert das BVerfG in seiner Rechtsprechung doch die sich aus Art. 20 I GG ergebenden Aufträge. Hierzu gehören die Sozialgestaltung37, die Sorge für soziale Sicherheit38, soziale Leistungserbringung39 sowie die Verfolgung sozialen Ausgleichs.40 30
Vgl. Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 15. Vgl. Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 108 f.; BVerfGE 1, 105. 32 Vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 179 ff. m.w.N.; Frotscher/Kramer, Rn. 25 ff.; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 14; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 98. 33 Vgl. Überblick bei Gode, DVBl. 1990, S. 1210 f.; Lange, Soziale Grundrechte in der deutschen Verfassungsentwicklung und in den derzeitigen Länderverfassungen, S. 54 ff.; Durner, Wirtschaftsverfassung, § 11, Rn. 39 ff., 45. 34 Vgl. BVerwGE 1, 159, 161; 71, 139, 141; BVerfGE 82, 60, 85; im Überblick Gode, DVBl. 1990, S. 1209 f. 35 Vgl. anhand der Numerus-Clausus-Entscheidung in BVerfGE 33, 303, 331: „Die wesentlichen Entscheidungen über die Voraussetzungen für die Anordnung absoluter Zulassungsbeschränkungen und über die anzuwendenden Auswahlkriterien hat der Gesetzgeber selbst zu treffen.“ 36 Vgl. BVerfGE 1, 97, 105; 29, 221, 235; Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 99. 37 Beispielsweise durch Steuergesetzgebung, vgl. zur Ökosteuer BVerfGE 110, 274. 38 Zum Sozialversicherungssystem als besondere Ausprägung des Sozialstaatsprinzips vgl. BVerfGE 1, 97; 28, 324; zur Sozialhilfe vgl. BVerfGE 22, 180, 204; zur gesetzlichen Krankenversicherung vgl. BVerfGE 115, 25, 42 f. 39 Insbesondere auch in Form der Daseinsvorsorge; zur Sicherstellung der Energieversorgung vgl. BVerfGE 66, 248, 258. 31
42
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
Angesichts stetig wachsender sozialer Herausforderungen bietet die deutsche Konzeption des Sozialstaatsprinzips genügend Anlass zur Diskussion:
I. Rechtliche Auswirkungen einer lakonischen Sozialverfassung Das Bekenntnis Deutschlands zum Sozialstaat manifestiert sich in erster Linie41 in Art. 20 I GG. Im Gegensatz zu anderen Verfassungen verzichtet das Grundgesetz auf eine explizit ausgestaltete Sozialverfassung im Sinne eines in sich geschlossenen Systems. Für die weitergehende Konkretisierung verfügt das BVerfG zwar über eine fundierte Rechtsprechung. Schon früh hat das Gericht jedoch die Grenzen der judikativen Tätigkeit aufgezeigt und auf das rechtsstaatliche Gebot der Gewaltenteilung verwiesen.42 Mit Hilfe der „beredten“ spanischen Sozialverfassung soll untersucht werden, welche rechtlichen Auswirkungen die Anzahl sozialgeleiteter Normen in der Praxis hat. Führt die explizite verfassungsrechtliche Forderung des Verbraucherschutzes und eines Sozialversicherungssystems zu der Gewährleistung eines höheren Schutzniveaus? Spielen umfangreich verankerte soziale Belange eine gewichtigere Rolle bei der Abwägung mit widerstreitenden Interessen? Diese Fragen gilt es zu beantworten, um beurteilen zu können, ob die Qualität des Sozialstaates insgesamt von der Quantität und Detailliertheit seiner verfassungsrechtlichen Ausgestaltung abhängt.
II. Diskussionsansatz für eine weitergehende Ausgestaltung der deutschen Sozialverfassung Die Antworten auf die sich aus § 2 C. I. ergebenden Fragestellungen sollen im Anschluss die seit langem geführte Diskussion um eine weitergehende Ausgestaltung der deutschen Sozialverfassung43 bereichern. Hierzu gehört auch die Frage nach dem Sinn der Einführung sozialer Grundrechte. Welche rechtlichen Auswirkungen beispielsweise hätte die verfassungsrechtliche Verankerung eines Rechts auf Arbeit? Ablehnende Stimmen weisen immer wieder auf die historischen Erfahrungen mit der 40
Förderung der Chancengleichheit durch gezielte Arbeitsmarktpolitik, vgl. BVerfGE 21, 245, 251; 100, 271, 284; 103, 293, 307. 41 Abgesehen von einigen weiteren sozialstaatlichen Elementen, die insbesondere in Art. 109 II GG (wirtschaftliches Gleichgewicht) und Art. 14 II GG (Sozialnützigkeit des Eigentums) zum Ausdruck kommen. 42 Vgl. BVerfGE 1, 97: „Das Bundesverfassungsgericht ist keine gesetzgebende Körperschaft, und es ist nicht seine Sache, sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen. Die gerichtliche Feststellung aber, daß eine Unterlassung des Gesetzgebers verfassungswidrig sei, würde eine solche Verschiebung der staatlichen Zuständigkeiten auslösen.“ 43 Vgl. stellvertretend für viele Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 177 ff.; Lübbe-Wolff, JöR 53 (2005), S. 1 ff.; Polakiewicz, ZaöRV 54 (1994), S. 340 ff. m.w.N. in Fn. 2.
C. Wirtschaft und Sozialstaat
43
Weimarer Reichsverfassung44 hin und führen die faktische Begrenzung sozialstaatlicher Gewährleistungen durch den Vorbehalt des Möglichen45 an. In der Tat kann die Verfassung selbst keine sozialen Verhältnisse schaffen oder gestalten. Die Steuerungskraft des Rechts wird durch die normative Kraft des Faktischen begrenzt.46 Dieser Maßgabenvorbehalt kommt in der deutschen Verfassungsrechtsprechung insbesondere durch das Numerus-Clausus-Urteil zum Ausdruck.47 Es bleibt zu untersuchen, welche rechtliche Effektivität in Spanien mit sozialen Grundrechten verbunden wird und inwieweit der tatsächliche Wohlstand mehr von der Realität denn durch verfassungsrechtliche Vorgaben bestimmt wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine detailliertere Sozialverfassung auch ein höheres Niveau an Rechtssicherheit zur Folge haben könnte. Die ursprüngliche Zurückhaltung des BVerfG als Ausdruck eines judicial self-restraint48 zugunsten der Gestaltungsfreiheit des demokratisch legitimierten Gesetzgebers scheint sich tendenziell zu wandeln. Mit zunehmenden Ausgestaltungsdefiziten des Gesetzgebers sieht sich das Verfassungsgericht genötigt, immer detailliertere Vorgaben von nahezu einfachgesetzlicher Rechtsqualität zu schaffen, wie insbesondere die jüngere Rechtsprechung zur Steuergesetzgebung und Pflegeversicherung zeigt.49 Hierin ist die Gefahr des Einstiegs in eine verfassungsgerichtlich dynamisierte Sozialstaatsverfassung50 zu sehen. Die Grenzen zwischen verfassungsgerichtlicher Kontrolle und Überschreitung des Gewaltenteilungsprinzips erweisen sich freilich als fließend. Eine detailliertere Sozialverfassung könnte allerdings die Gestaltungsaufträge an den Gesetzgeber derart präzisieren, dass dieser zu einer differenzierteren Umsetzung animiert wird. Käme man dadurch dem Ziel näher, die verfassungsgerichtliche Tätigkeit auf seine ureigensten Aufgaben zu beschränken, wäre schon viel erreicht.
44
Vgl. Gode, DVBl. 1990, S. 1212; Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 179 f. Vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 177 ff.; Lübbe-Wolff, JöR 53 (2005), S. 5 f.; Polakiewicz, ZaöRV 54 (1994), S. 387. 46 Vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 177. 47 Vgl. BVerfGE 33, 303, 330 ff.; 43, 291, 313 ff.: „(..) Teilhaberechte (..) stehen (..) unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann.“; vgl. auch BVerfGE 90, 107, 116; 96, 288: „Dieser Vorbehalt ist Ausdruck dessen, daß der Staat seine Aufgabe, ein begabungsgerechtes Schulsystem bereit zu halten, von vornherein nur im Rahmen seiner finanziellen und organisatorischen Möglichkeiten erfüllen kann, und erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber auch andere Gemeinschaftsbelange berücksichtigen und sich die Möglichkeit erhalten muß, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für solche anderen Belange einzusetzen, wenn er dies für erforderlich hält.“ 48 Polakiewicz, ZaöRV 54 (1994), S. 387. 49 Vgl. BVerfGE 93, 121 ff.; 94, 241 ff.; 99, 216 ff.; 99, 246 ff.; 99, 268 ff.; 99, 273 ff.; BVerfG, NJW 2001, S. 1707 ff., 1709 ff.; Scholz, APUZ B 37 – 38/2001, S. 10, 13 f.; vgl. auch Großfeld, NJW 1995, S. 1719 ff.; Walter, AöR 125 (2000), S. 517 ff.; Scholz, APUZ B 16/1999, S. 3 ff. 50 Vgl. Scholz, APUZ B 37 – 38/2001, S. 10; Zastrow, FAZ (4. April 2001), Nr. 80, S. 1. 45
44
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
Eine dadurch auch rechtlich stabilisierte Gesetzgebung würde zu einer insgesamt höheren Rechtssicherheit für die betroffenen Wirtschaftsakteure führen.
III. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht Einer besonderen sozialpolitischen Bedeutung kommt dem verfassungsrechtlich in Art. 109 II GG gesondert verankerten Auftrag zur Herstellung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht zu. Als konjunkturpolitischer Maßstab macht die Vorschrift der Wirtschafts- und Finanzpolitik richtungsweisende Vorgaben, ohne dabei die Entscheidungsorgane in der Wahl ihrer Mittel einzuschränken. Trotz der überwiegenden Abkehr von der keynesianischen Konjunkturpolitik51 sieht das BVerfG das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht weiterhin als gültigen verfassungsrechtlichen Maßstab für die Überprüfung eines Haushaltsgesetzes an und attestiert dem Begriff dabei eine Entwicklungsoffenheit.52 Die Bedeutung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts wird derzeit durch das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG)53 weiter konkretisiert. Gem. § 1 II StWG sind die wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen in der Weise zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichen Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen. Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht setzt damit einen Zustand voraus, in dem die genannten vier Ziele möglichst weitgehend verwirklicht sind. Da aber eine gleichzeitige Erreichung aller Ziele kaum möglich ist, wird hinsichtlich der Konstellation des § 1 II StWG auch von einem „magischen Viereck“ gesprochen.54 Klarzustellen ist jedoch, dass § 1 II StWG keine verfassungsrechtliche Festschreibung des Begriffs „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht“ bewirkt, sondern vielmehr eine von vielen möglichen Ausgestaltungsformen darstellt. Aus diesem Grund bieten sich gerade auf diesem Feld interessante Möglichkeiten des Rechtsvergleichs. Im Vordergrund steht die Frage nach anderweitigen Ausgestaltungsmöglichkeiten und etwaig damit verbundenen Vorteilen. Hinsichtlich der mitbestimmenden Faktoren interessiert zudem, in welcher Beziehung diese zueinander stehen. Die auf den Wortlaut des § 1 II StWG gestützte These von der Gleichran-
51 Vgl. von Arnim, Volkswirtschaftspolitik, S. 151 ff.; zu konkret ausgestalteten Formen der Wirtschaftspolitik vgl. auch Zimmermann/Hinte/Thalmaier, Ursachen und Wege zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. 52 Vgl. BVerfGE 79, 311, 332 ff., 336 ff. 53 „Stabilitätsgesetz“ vom 8. Juni 1967, BGBl. I, S. 582. 54 Vgl. von Arnim, Volkswirtschaftspolitik, S. 153, 168; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 112 f.
C. Wirtschaft und Sozialstaat
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gigkeit der Ziele55 stößt dort auf ihre Grenzen, wo diese miteinander kollidieren. So führt beispielsweise die Förderung strukturellen und technischen Fortschritts zwar zu erhöhtem Wirtschaftswachstum, kann aber ebenso einen Anstieg von Arbeitslosigkeit im Bereich geringer qualifizierter Stellen nach sich ziehen. Die vor kurzem erfolgte billionenschwere Ausgabe zinsgünstiger 1-Prozent-Kredite der EZB an die europäischen Banken zur Stabilisierung der Finanzwirtschaft und Förderung des Wirtschaftswachstums gefährdet gleichzeitig das von der EU in den Vordergrund gerückte Ziel der Preisstabilität. Dementsprechend ist die generelle Gleichrangigkeit der Ziele je nach konkret vorliegender Situation im Sinne einer gefährdungsbestimmenden Rangfolge zu verstehen, die die einzelnen Ziele je nach ihrer Dringlichkeit in den Vordergrund rückt, die nachteilige Beeinträchtigung der übrigen Ziele dabei jedoch möglichst gering zu halten versucht.56 Faktisch werden diese Direktiven aber wieder durch die jeweiligen politischen Interessen beeinflusst: Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit mag ein attraktiveres politisches Ziel darstellen und auf kurze Sicht eine effektivere Außenwirkung nach sich ziehen als Maßnahmen zum Erhalt der Preisstabilität. Neben den Zielen des magischen Vierecks wurde in der Vergangenheit auch immer wieder das nicht in § 1 II StWG enthaltene Ziel einer gerechten Einkommensverteilung genannt. Dieses stellt jedoch bereits ein Teil des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 I GG dar und ist im Zuge der sozialen Realisierung der vergangenen 100 Jahre durch die Entwicklung des Arbeits- und Sozialrechts weitgehend verfolgt worden.57 In dieser Hinsicht schließt das Stabilitätsgesetz andere Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik keineswegs aus, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 StWG ergibt. Die von der deutschen Konzeption abweichende Verpflichtung zur Herstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach spanischem Recht bleibt zu untersuchen. Dabei wird im Ergebnis auch hier entscheidend sein, inwieweit die Umsetzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen von der Verfassung geprägt oder vielmehr faktischen politischen Interessen ergeben ist. Dabei mag die Frage nach der Weite des politischen Gestaltungsspielraums bei entsprechender Zurückhaltung der Justiz eine wesentliche Rolle spielen.
55
Vgl. von Arnim, Volkswirtschaftspolitik, S. 168. Vgl. Badura, Peter, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 112 f., Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 112. 57 Vgl. Pütz, Wirtschaftspolitik, S. 40; von Arnim, Volkswirtschaftspolitik, S. 171 m.w.N. 56
46
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
D. Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen Seit dem Nassauskiesungsbeschluss des BVerfG vom 15. Juli 198158 hat sich das Verständnis von der staatlichen Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen grundlegend weiterentwickelt. Im Mittelpunkt steht dabei die rechtliche Differenzierung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie stets entschädigungspflichtiger Enteignungen. In Abgrenzung zur Berufsfreiheit schützt Art. 14 GG das Erworbene als Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung, Art. 12 GG hingegen den Erwerb und somit die Betätigung selbst.59 Bloße wirtschaftliche Chancen und Erwartungen haben bei der eigentumsrechtlichen Einordnung mithin keine Relevanz. Die Konkretisierung der von Art. 14 GG erfassten Rechtspositionen obliegt dem einfachen Gesetzgeber, dessen Handeln maßgeblich von der in Art. 20 I GG und Art. 14 II GG verankerten Sozialbindung des Eigentums beeinflusst wird. Zu unterscheiden ist diese sozialgeprägte Ausgestaltung des von Art. 14 GG erfassten Schutzbereichs (Inhalts- und Schrankenbestimmung60) von einer ausnahmsweisen (teilweisen) Entziehung des Eigentums im Sinne einer gemeinwohlorientierten Enteignung61. Obwohl die Inhalts- und Schrankenbestimmung als eigentumsrelevante Maßnahme62 festlegt, was überhaupt als Eigentum angesehen werden darf, und schutzwürdige Positionen damit erst definiert, wird eine solche häufig als ähnlich belastend empfunden wie eine Enteignung. Dabei unterliegt die Enteignung gem. Art. 14 III GG mit der stets gegebenen Entschädigungspflicht im Grundsatz höheren rechtlichen Anforderungen. Die Schwierigkeit liegt darin, eine genaue Abgrenzung zwischen beiden eigentumsrelevanten Maßnahmen vorzunehmen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Dem Eigentümer eines von Leitungsführungsrechten betroffenen Grundstücks ist nur schwer zu vermitteln, dass eine diesbezüglich einzutragende Grunddienstbarkeit eine entschädigungspflichtige Teilenteignung, eine auf Gesetz gründende Duldungspflicht hingegen lediglich eine entschädigungslose Inhaltsbestimmung darstellen soll.63
58
Vgl. BVerfGE 58, 300. Vgl. BVerfGE 88, 366, 377; BGH, NJW 1996, S. 2422 f. 60 Vgl. BVerfGE 52, 1, 27; 72, 66, 76. 61 Vgl. BVerfGE 52, 1, 27; 72, 66, 76. 62 Der Begriff der eigentumsrelevanten Maßnahme wird hier als übergeordneter Begriff verwendet, zumal bei der Inhalts-und Schrankenbestimmung genau genommen von einem Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG nicht gesprochen werden darf. 63 Nach der noch zu erörternden Abgrenzung anhand formeller Kriterien stellt sich hier zudem die Problematik eines möglichen Formmissbrauchs des Gesetzgebers, der durch die Wahl der Inhaltsbestimmung möglicherweise seiner Entschädigungspflicht entgehen könnte, vgl. Rennert, VBlBW 1995, S. 44; Pietzcker, JuS 1991, S. 371. 59
D. Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen
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Bis zum Nassauskiesungsbeschluss konnte eine für im Einzelfall zu gravierend erachtete Inhaltsbestimmung in eine entschädigungspflichtige Enteignung umgedeutet werden, ohne dass davon die Verfassungsmäßigkeit des betreffenden Gesetzes berührt gewesen wäre. Anhand materieller sich am Gleichheitssatz bzw. an wirtschaftlichen Wertungen orientierender Abgrenzungskriterien stellten die Fachgerichte auf das erlittene Sonderopfer bzw. die Schwere der Maßnahme ab und gingen nach dem Grundsatz „dulde und liquidiere“ vor.64 Diese Grundsätze kollidierten jedoch mit dem Normverwerfungsmonopol des BVerfG und der in Art. 14 III GG festgeschriebenen Junktim-Klausel. Die Heilung eines im Grunde verfassungswidrigen Gesetzes durch Gewährung einer Entschädigung durch die Fachgerichte belastete außerplanmäßig den Staatshaushalt und ließ an dem Prinzip der Gewaltenteilung zweifeln. Zudem führte das damit verfolgte Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit angesichts der Entscheidungsverlagerung von der Legislative auf die Judikative zu Einbußen im Hinblick auf die Rechtssicherheit.65 Das BVerfG stellte in seinem Beschluss66 den Vorrang des Primärrechtsschutzes heraus, der sich aus dem Vorrang der Eigentumsbestandsgarantie vor der Wertgarantie67 ergebe. Nach dieser Rechtsprechung ist die Umdeutung einer Inhaltsbestimmung in eine Enteignung untersagt, da beide Maßnahmen in einem aliud-Verhältnis stehen. Die Enteignung stellt die (teilweise) Entziehung bestehender Eigentumspositionen durch konkret-individuellen Hoheitsakt dar und zielt somit lediglich auf die Zuordnung der Eigentumsposition zu einem bestimmten Rechtsträger ab. Die abstrakt-generell ausgestaltete Inhaltsbestimmung hingegen verfolgt eine grundlegende inhaltliche (Um-)Gestaltung des Eigentums. Fraglich sind die Konsequenzen dieser Rechtsprechung. Das BVerfG setzt anstelle von materiellen auf formelle Abgrenzungskriterien und schränkt damit den Anwendungsbereich enteignender Maßnahmen ein. In unserer Eigentumsordnung wird die Enteignung als Ausnahmeszenario angesehen und gem. Art. 14 III GG hohen Anforderungen unterworfen. Dementsprechend wird eine hoheitliche Maßnahme nur in vergleichsweise seltenen Fällen final auf den Eigentumsentzug abzielen. Im Gegenzug weitet sich der Umfang an Inhaltsbestimmungen erheblich aus. Dabei besteht aus Sicht der betroffenen Wirtschaftssubjekte die Gefahr, dass der Primärrechtsschutz angesichts zunehmend überwiegender sozialer Belange keinen entsprechenden Erfolg verspricht.68 64
Vgl. Kimminich, La propiedad en la constitución alemana, S. 163 f.; Rennert, VBlBW 1995, S. 41 f. 65 Vgl. auch Rennert, VBlBW 1995, S. 42. 66 Vgl. BVerfGE 58, 300, 331; vgl. auch BVerfG NJW 1999, S. 2877; NJW 2003, S. 196 f. 67 Vgl. BVerfGE 100, 226, 240 f.; vgl. auch BVerwGE 84, 361; 94, 1; BGHZ 126, 379. 68 Solange nur der – gleichwohl schwer zu bestimmende – Kernbereich der Privatnützigkeit des Eigentums nicht angetastet wird; zweifelhaft erscheint dies aber z. B. bei dem mit strengen staatlichen Auflagen versehenen ursprünglich anvisierten Sanierungsplan der West LB. Hinsichtlich des weitreichenden Eingriffs in die individuelle Eigentumsfreiheit wäre nach früherer Rspr. wohl auch die Annahme einer Enteignung vertretbar gewesen.
48
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
Die Verfassungsmäßigkeit von Inhaltsbestimmungen wird zudem durch die insbesondere in der Pflichtexemplar-Entscheidung69 als zulässig und erforderlich erachtete Möglichkeit gewährleistet, diese u. a. in Härtefällen einer Kompensationsregelung zuzuführen70. Dies scheint auf den ersten Blick zwar die Rechte der Wirtschaftssubjekte zu stärken. Da solche Härtefälle jedoch wiederum anhand der Schwere der Maßnahme bzw. des Bestehens eines Sonderopfers bestimmt werden, gelangt die Doktrin gleichermaßen durch die Hintertür zurück zu den materiellen Abgrenzungskriterien und zu einem faktischen Verfall in die Ausgestaltung der früheren Rechtsprechung.71 Damit scheint der wesentliche Mehrwert des Nassauskiesungsbeschlusses und seiner Folgen in Frage gestellt. Mit der Sozialisierung enthält Art. 15 GG eine besondere Form der Enteignung, die statt in individueller in abstrakt-genereller Form erfolgt. Enteignungsfähig sind nur Grund und Boden, Naturschätze (z. B. Atomkraft, Kohle) sowie Produktionsmittel (z. B. Fabrikanlagen) mit dem Ziel, diese in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft zu überführen.72 Die praktische Bedeutung in der bisherigen Wirtschaftsausgestaltung Deutschlands tendiert bislang gegen null. Im wirtschafsverfassungsrechtlichen Gefüge ist er jedoch als Indiz für die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes zu sehen.73 Eine denkbare Überführung der Produktionsmittel in die Gemeinwirtschaft nach Art. 15 GG ist in Bezug zu Art. 129 II der spanischen Verfassung zu setzen, nach dem die öffentliche Gewalt den Arbeitnehmern den Zugang zum Eigentum an den Produktionsmitteln ermöglicht. Fraglich ist, inwieweit von dieser Gestaltungsoption Gebrauch gemacht wird und welchen Einfluss die spanische Verfassung in diesem Zusammenhang vergleichsweise ausübt.
E. Berufsfreiheit Art. 12 GG ist das zentrale Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigung und garantiert das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen und 69
Vgl. BVerfGE 58, 137, 148 ff. Vgl. nur BVerfGE 70, 191, 201; 83, 201, 211 ff.; BVerfG, NJW 1998, S. 367; NJW 1999, S. 2877. 71 Beispiele für den weiten Anwendungsbereich von Inhaltsbestimmungen mit entsprechenden Übergangs- bzw. Kompensationsbestimmungen: Einordnung der Entwertung „wohlerworbener Rechte“ als Inhaltbestimmung und Verlagerung der Problematik auf die Frage nach der Zulässigkeit einer Rückwirkung vgl. BVerfGE 31, 275, 289 f.; 83, 201, 211 ff.; weitere Beispiele für „entschädigungspflichtige“ Inhaltsbestimmungen im Natur- und Denkmalschutz sowie im Immissionsschutzrecht vgl. Rennert, VBlBW 1995, S. 46 ff. 72 Vgl. Schell, Art. 15 GG im Verfassungsgefüge; BVerfGE 12, 354, 363 ff. 73 Vgl. Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 104; Bäumler, GewArch. 1980, S. 287 ff.; vgl. auch Durner, Wirtschaftsverfassung, § 11, Rn. 28. 70
E. Berufsfreiheit
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damit die Grundlage der Lebensführung selbst zu bestimmen.74 Neben der Berufswahl schützt Art. 12 GG als einheitliches Grundrecht auch die Berufsausübung.75 Dabei werden nicht nur die gesetzlich fixierten Berufsbilder, sondern auch aufgrund der fortschreitenden, technischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung neu entstandene Berufe mit erfasst.76 Beruf ist somit jede auf Dauer angelegte Betätigung zur Schaffung und Erhaltung der Lebensgrundlage.77 Schutz vor wirtschaftlicher Konkurrenz bietet Art. 12 I GG grundsätzlich nicht. Ein Wettbewerbsverhältnis aufgrund einer konkurrierenden Inanspruchnahme des Freiheitsrechts aus Art. 12 I GG ist die natürliche Folge der Ausübung der Berufsfreiheit durch jeweils voneinander unabhängige Grundrechtsträger.78 Nach Art. 12 I S. 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden. Auch hier lässt sich die Berufsausübung von der Berufswahl nicht immer klar trennen, sodass der Regelungsvorbehalt entgegen dem Gesetzeswortlaut auf den einheitlichen Schutzbereich der Berufsausübung und Berufswahl bezogen wird.79 Der Gesetzeswortlaut betont die Freiheit der Berufswahl und die Regelungsmöglichkeit der Berufsausübung.80 Diesem Umstand wird im Rahmen der Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit Rechnung getragen. In der Tat berühren Beschränkungen der Berufsausübung die Wirtschaftssubjekte nicht so sehr wie Beschränkungen der Berufswahl, weil der gewählte Beruf bereits aufgenommen ist. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG die sogenannte 3-Stufen-Theorie entwickelt, die auf dem Grundsatz basiert, dass die Regelungsbefugnis des Staates umso freier ist, je mehr sie nur eine reine Berufsausübungsregelung ist, und umso begrenzter, je mehr sie die Berufswahl berührt.81 Eine Einteilung in bestimmte Regelungsstufen wird in der Literatur teilweise als zu starr und unflexibel angesehen.82 Tatsächlich können sich reine Berufsausübungsregelungen in ihrer Wirkung als Zulassungsbeschränkungen auswirken. Das Bundesverfassungsgericht stellt jedoch klar, dass sich eine allzu schemenhafte Einordnung des jeweiligen Eingriffes grundsätzlich verbietet und folgt einer dementsprechenden flexiblen Argumentationsfigur.83 Eine den Einzelfall berücksichtigende Anwendung
74
Vgl. Papier, VVDStRL 35 (1977), S. 55; Papier, DVBl. 1984, 801. Vgl. BVerfGE 84, 132, 146; 97, 169, 175; BVerwGE 96, 292, 296; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 16. 76 Vgl. BVerfGE 97, 12, 32; Gusy, JA 1992, S. 257, 261. 77 Vgl. BVerfGE 97, 228, 252; 105, 252, 265; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 12, Rn. 5. 78 Vgl. BVerfGE 55, 261 ff.; 94, 372, 395, 399; BVerfG, NJW 2003, 3472 f.; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 122 m.w.N. 79 Vgl. BVerfGE 7, 377, 402; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 123. 80 Vgl. Durner, Wirtschaftsverfassung, § 11, Rn. 14. 81 Entwickelt im sogenannten Apotheken-Urteil BVerfGE 7, 377. 82 Vgl. Ipsen, JuS 1990, S. 634 ff.; Langer, JuS 1993, S. 202; Brandt, JA 1998, S. 82 ff. 83 Vgl. BVerfGE 25, 1, 12; 30, 292, 313; 33, 125, 161; 77, 84, 106. 75
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§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
der 3-Stufen-Theorie bringt somit keine Bedenken mit sich. Dabei stellt sie sich im Endeffekt als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Im spanischen Verfassungsrecht ist die Berufsausübungsfreiheit gerade nicht vom Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst. Lediglich die freie Berufswahl wird durch Art. 35 CE geschützt. Fraglich ist, wie diese beiden Komponenten voneinander abgegrenzt werden und insbesondere, ob die Berufsfreiheit durch eine solche Konzeption staatlichen Eingriffen gegenüber weiter geöffnet ist als nach deutschem Verfassungsrecht. Zudem ist von Interesse, wie die Dogmatik der Berufsfreiheit im Bereich der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung staatlicher Eingriffe ausgestaltet ist. Anhand der Untersuchung des Art. 35 CE und seiner praktischen Ausprägung im Wirtschaftsverwaltungsrecht lässt sich möglicherweise auch die Frage nach der Unabdingbarkeit der deutschen 3-Stufen-Theorie beantworten, insbesondere, wenn andere dogmatische Lösungen zu einem vergleichbaren Ergebnis führen.
F. Unternehmensfreiheit Art. 2 I GG schützt die persönliche Entfaltungsfreiheit eines jeden Wirtschaftsbürgers. Zu seinem Schutzbereich zählt neben der Wettbewerbsfreiheit mit dem Recht auf freien Zugang zum Markt und auf unreglementiertes wirtschaftliches Verhalten sowie der Vertragsfreiheit besonders auch die Unternehmensfreiheit.84 Unter Letzterer versteht man die Freiheit selbstverantwortlicher unternehmerischer Dispositionen über den Einsatz der Betriebs- und Investitionsmittel, die Preisgestaltung, die Werbung und allgemein das Verhalten des Unternehmens im marktwirtschaftlichen Wettbewerb.85 Probleme ergeben sich bei der Abgrenzung zu Art. 12 GG. Allgemein gilt, dass Art. 2 I GG ein subsidiäres Auffanggrundrecht darstellt und lediglich für solche Bereiche und Tätigkeiten gilt, die keinem spezielleren grundrechtlichen Schutzbereich zugeordnet sind.86 So hat das BVerfG entschieden, dass die berufliche Werbung87, die berufsbezogene Vertragsgestaltung88 und das Verhalten des Unternehmens im Wettbewerb89 Gegenstand des Art. 12 I GG sind. Dennoch bleibt noch ein restlicher Anwendungsbereich im Rahmen der unternehmerischen Handlungsfreiheit. Die Konkurrenzverhältnisse hat das BVerfG jedoch auch hier nicht eindeutig dargestellt.90 Der Eingriff in die Unternehmens-
84 85 86 87 88 89 90
Vgl. BVerfGE 4, 7, 15 f.; 32, 311, 317; 50, 290, 369 ff.; 65, 196, 210; 95, 173, 188. Vgl. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 347. Vgl. BVerfGE 21, 227; 68, 193, 223; 80, 137, 152 ff. Vgl. BVerfGE 85, 97, 104; 85, 248, 256; 94, 372, 389; BVerfG, DVBl. 1997, S. 548. Vgl. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 17. Vgl. BVerfG, DVBl. 2005, S. 106 f. Vgl. BVerfGE 8, 274, 328; 50, 290, 366.
F. Unternehmensfreiheit
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freiheit durch die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand und die Bildung öffentlicher Monopole müsse somit vorrangig an Art. 12 GG gemessen werden.91 Als schärfste Form der Zulassungsbeschränkung ist das absolute Betätigungsverbot für private Wirtschaftsteilnehmer anzusehen. Zu einem solchen Betätigungsverbot führen insbesondere staatliche und kommunale Berufsmonopole.92 Die Berechtigung eines solchen Monopols ist an Art. 12 I GG und nach dem Bundesverfassungsgericht anhand der 3-Stufen-Theorie zu prüfen. Dabei fließen jedoch Gemeinwohlbelange verkörpernde Sonderregelungen wie Art. 28 II GG und Art. 33 GG besonders in die Abwägung mit ein.93 Unter dem Druck des Gemeinschaftsrechts und aus Gründen der Deregulierung wurden mehrere Monopole aufgegeben bzw. duale Formen geschaffen, die die Ausübung des jeweiligen Berufes auch für Private sichern.94 Der öffentliche Vorbehalt wirtschaftlicher Tätigkeiten im Bereich der Daseinsvorsorge ist in seiner Reichweite mit der Konzeption des servicio público nach Art. 128 II der spanischen Verfassung zu vergleichen. Im deutschen Recht hat sich die Rolle des Staates mit der Zeit von dem Verständnis einer Erfüllungsverantwortung für die der Daseinsvorsorge unterfallenden Leistungen weg hin zum Verständnis einer Gewährleistungsverantwortung gewandelt. Nach dem Konzept der Gewährleistungsverantwortung stellt der Staat die Erfüllung öffentlicher Aufgaben sicher. Diese Gewährleistung umfasst jedoch nicht, dass der Staat diese Aufgaben auch selbst erfüllt (so aber nach dem Konzept der Erfüllungsverantwortung). Die Erledigung der Aufgaben kann somit auch durch Private erfolgen, wobei der Staat das Instrument der Regulierung einsetzt, mit welchem er seiner Gewährleistungspflicht nachkommt.95 Neben der konkreten verfassungsrechtlichen Ausgestaltung spielen insbesondere der Einfluss nationaler historischer Entwicklungen einerseits und der Einfluss europarechtlicher Vorgaben wie die Konzeption der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse andererseits eine maßgebliche Rolle. Fraglich ist hier,
91 Zu dem Verhältnis von der öffentlichen zur privaten wirtschaftlichen Betätigung vgl. eingehender § 10 B. I.; hinsichtlich der Zulässigkeit öffentlicher Monopole im Rahmen der Daseinsvorsorge vgl. § 10 B. II. 92 Zum Beispiel Veranstaltung von Sportwetten, Lotto und Toto: BVerwG, GewArch 2001, S. 334 ff.; BVerwGE 114, 92, 102; Dietlein/Thiel, NWVBl. 2001, S. 170 ff.; Rausch, GewArch 2001, S. 102 ff. 93 Vgl. BVerfGE 73, 280, 292 f.; 96, 158, 163; vgl. auch Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 150 f. 94 Vgl. Stober, NJW 1997, S. 889 ff.; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 116 ff. 95 Vgl. Eifert, Regulierungsstrategien, § 19, S. 1075 ff.; Fehling, Die Verwaltung 34 (2001), S. 25 ff.; ders., Regulierung als Staatsaufgabe im Gewährleistungsstaat Deutschland, S. 91 ff.; ders., Verschiedene Arten demokratischer Steuerung am Beispiel der deutschen Straßen- und Eisenbahninfrastruktur, S. 93 ff.; Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung; DöV 1997, S. 433 ff.
52
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
inwieweit vor dem Hintergrund der europarechtlichen Regulierung überhaupt ein gewisser Spielraum für nationale Eigenheiten verbleibt.
G. Verfassungsrechtlicher Schutz der kommerziellen Werbung Der Absatz wirtschaftlicher Produkte wird in erheblicher Weise durch kommerzielle Werbung gefördert. Hiervon profitieren nicht nur die produzierenden Unternehmen selbst, sondern insbesondere auch Radio, Television und Presse als übertragende Medien. Dementsprechend ist das Interesse an einem hohen rechtlichen Schutzniveau zugunsten kommerzieller Werbung offensichtlich. Die in Art. 5 I S. 1 GG verankerte Meinungsäußerungsfreiheit gestattet es jedem, seine Meinung in Wort, Schrift, Bild oder sonstiger Weise zu äußern und zu verbreiten. Nach wohl herrschender Ansicht ist auch die Werbung als Meinung im hier genannten Sinn anzusehen.96 Sie will ihre Auffassung über die Güte eines Gegenstandes verbreiten und den Adressaten überzeugen.97 Damit enthält sie wesentliche wertende Elemente. Zweifel bestehen jedoch dann, wenn durch Werbung ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgt werden und das vermeintliche Ziel des Art. 5 I S. 1 GG – die Förderung des Meinungsbildungsprozesses zur Stärkung demokratischer Strukturen – einzig zum Deckmantel kommerzieller Interessen verkommt. Im Ergebnis ändert jedoch der Umstand, dass neben der Meinungsäußerung hauptsächlich wirtschaftliche Vorteile verfolgt werden, an der grundlegenden Einordnung nichts. Art. 5 I S. 1 GG hat als Kommunikationsgrundrecht eine Komplementärfunktion zu den Wirtschaftsgrundrechten, die nur dann effektiv genutzt werden kann, wenn der Schutz der wirtschaftlichen Entfaltung umfassend abgesichert ist.98 Das BVerfG bestärkt diese Einschätzung insbesondere in seinen Benetton-Entscheidungen.99 In diesen erteilt es der Ansicht des BGH, derart eigennützige Werbezwecke verfolgende sozialkritische Meinungsäußerungen seien per se sittenwidrig, eine eindeutige Absage. Der BGH habe die besondere Tragweite des Art. 5 I S. 1 GG verkannt. Aus den Entscheidungen ergibt sich die Unschädlichkeit
96
Vgl. von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 5, Rn. 11; Lerche, Werbung und Verfassung, S. 76 ff.; Di Fabio, NJW 1997, S. 2863 f. 97 Vgl. Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 162, Rn. 23. 98 Vgl. Lerche, Werbung und Verfassung, S. 76 ff.; Di Fabio, NJW 1997, S. 2863. 99 Vgl. BVerfGE 102, 347, 359 (Benetton I); 107, 275, 280 (Benetton II); dabei ging es insbesondere um die Vereinbarkeit eines Werbeverbotes mit Art. 5 I S. 1 GG bei der äußerlich zusammenhangslosen Verwendung sozialkritischer Motive, wie ölverschmutzter Vögel, Kinderarbeit und eines nackten menschlichen Gesäßes mit dem Stempelaufdruck: „HIV-positiv“, untermalt mit dem Slogan des Unternehmens: „United Color of Benetton“.
H. Vereinigungsfreiheit
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rein wirtschaftlicher Interessen, solange nur auch wertende Elemente vorhanden sind, die einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten.100 Da kommerzielle Werbung in vielen Fällen auch der Verbesserung beruflicher Chancen dient, besteht dann Idealkonkurrenz mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit. Hierdurch wird der Streit um die Anwendbarkeit der Meinungsäußerungsfreiheit jedoch nicht hinfällig. Denn als Komponente der Berufsausübungsfreiheit bedarf es für staatliche Eingriffe einer vergleichsweise geringeren Rechtfertigung als für Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit, die in ihrer Bedeutung für die freiheitliche, demokratische Ordnung besonders schützenswert ist. Im spanischen Recht stellt sich hinsichtlich des Schutzes der kommerziellen Werbung durch die Berufsfreiheit bereits die Frage, ob diese als eine berufsausübende Tätigkeit überhaupt von Art. 35 CE erfasst wird. Besonders interessant erscheint darüber hinaus die Auslegung der Meinungsäußerungsfreiheit im Kontext internationaler Verträge. Der Einfluss internationaler Verträge auf die nationale Verfassungsauslegung ist im spanischen Recht hier besonders offensichtlich und bietet einen besonderen Anreiz für weitergehende Lösungsansätze.
H. Vereinigungsfreiheit Durch Art. 9 GG werden das Recht zur Bildung von Vereinen und Gesellschaften (Abs. 1) sowie das Recht zur Bildung von Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Abs. 3) gewährleistet. Neben dem Recht des Einzelnen auf freie soziale Gruppenbildung101 ist das Recht der Assoziationsfreiheit über Art. 19 III GG auch als Kollektivrecht zu verstehen. In dieser Ausgestaltung ergänzt Art. 9 GG die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie mit dem Ziel der wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit. Von dem Recht umfasst ist die Freiheit, privatrechtliche Vereinigungen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben (sogenannte positive und negative Vereinigungsfreiheit). Dabei ist umstritten, ob neben der freiwilligen Vereinigung auch öffentlich-rechtliche Zwangsvereinigungen wie beispielsweise IHK und Handwerkskammern vom Schutzbereich umfasst sind. Dieser Streit hat besonders im Rahmen der negativen Vereinigungsfreiheit seine Auswirkung, wo es mit der Zwangsmitgliedschaft auch um die finanziellen Interessen der Mitglieder geht. Eine bedeutende Auffassung stellt auf die parlamentarischen Beratungen zum Grundgesetz ab, in deren Verlauf an dem herkömmlichen Vereinsbegriff festgehalten wurde, der einen freiwilligen Zusammenschluss voraussetzt und der dem des § 2 VereinsG sinngemäß entspricht.102 Unge100
175. 101
Vgl. auch die auf dieser Linie zuvor ergangene Rspr. mit BVerfGE 30, 336, 352; 71, 162,
Vgl. BVerfGE 38, 281, 302 f.; 50, 290, 353. Vgl. Darstellung in JöR n.F., Bd. 1, S. 117, 123 ff.; vgl. auch BVerfG, GewArch. 2002, S. 111 ff. 102
54
§ 2 Die deutsche Wirtschaftsverfassung im Überblick
achtet des in Betracht kommenden Grundrechts ist nach Ansicht des BVerfG zu prüfen, ob die Pflichtmitgliedschaft der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben dient und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.103 Im Ergebnis stellt die spanische Verfassungsrechtsprechung an die Zulässigkeit der obligatorischen Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen vergleichsweise höhere Anforderungen. Dabei steht die Argumentation beider Verfassungsgerichte im Hinblick auf die Auslegung der negativen Vereinigungsfreiheit im Mittelpunkt des Interesses. Voraussetzung für das Vorliegen einer Koalition i.S.d. Art. 9 III GG ist eine frei gebildete, gegnerfreie, unabhängige Vereinigung, die das Ziel der Wahrung der mitgliedschaftlichen Interessen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und tarifpolitischer Tätigkeit haben muss, wobei nicht zwingend Bereitschaft zum Arbeitskampf bestehen muss.104 Geschützt wird die Betätigung zur Erreichung des Koalitionszweckes.105 Die vorgenommenen Einschränkungen sind so zu verstehen, dass eine gewisse Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers und der Gerichte besteht, sodass ein Eingriff nur vorliegt, wenn die Koalitionsfreiheit in ihrem Kern betroffen oder in der Peripherie unter Missachtung der Wertungen des Art. 9 III GG geregelt wird. Systematisch wird man Art. 9 II GG nicht als Schranke des Art. 9 III GG sehen können, sodass nur die Einschränkung kraft kollidierenden Verfassungsrechts bleibt.106 Im spanischen Recht existieren umfassende Regelungen, die das Recht zur Vertretung der jeweiligen wirtschaftlichen Interessen anerkennen. Einen besonderen verfassungssystematischem Schutz genießt dabei das Streikrecht nach Art. 28 II CE. Art. 37 II CE hingegen, der ebenfalls das Recht der Arbeitgeber auf kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen anerkennt, ist Teil der zweiten Grundrechtsgruppe, die vergleichsweise weniger geschützt wird. Ein weiterer Untersuchungsgegenstand wird damit sein, wie dieses Spannungsverhältnis im konkreten Einzelfall gelöst wird. Das Streikrecht wird durch die spanische Verfassung zumindest explizit weiter eingeschränkt als durch das Grundgesetz. Im Mittelpunkt steht dabei die Sicherung der für die Gemeinschaft wesentlichen Dienste im Wege eines Gesetzgebungsauftrags. Es bleibt zu untersuchen, ob ein höherer Grad an Rechtssicherheit erreicht werden kann, wenn der Staat präventive Eingriffsbefugnisse verliehen bekommt und die Kontrolle von wirtschaftlich relevanten Streikmaßnahmen nicht lediglich der Rechtsprechung überlassen wird. 103 Vgl. BVerfG, GewArch. 2002, S. 111 ff.; vgl. auch BVerwG, NJW 1997, S. 814; BVerwGE 107, 169, 173; zum Meinungsstand vgl. Tettinger, DöV 1995, 169 ff.; Schmidt-Trenz, Die Logik kollektiven Handelns bei Delegation, S. 167 ff.; Jahn, GewArch 1999, S. 449 ff. 104 Vgl. BVerfGE 18, 18, 31; Friauf/Höfling, Grundgesetz, Art. 9 III, Rn. 67 ff. m.w.N. 105 Vgl. BVerfGE 84, 212; 93, 352; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 3, Rn. 35. 106 Zu der Einschränkung des Rechts auf Durchführung von Arbeitskonfliktmaßnahmen, insbesondere von Streik, vgl. eingehender § 11 B. II.
I. Gleichheitsgebot im Wirtschaftsleben
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I. Gleichheitsgebot im Wirtschaftsleben Gleichheitsgewährleistungen sichern die ökonomischen Freiheitsrechte vor staatlichen Privilegierungen und sonstigen Diskriminierungen. Art. 3 GG fordert, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind (Abs. 1). Gleichzeitig gebietet er die wirtschaftliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen (Abs. 2) und verbietet die Diskriminierung aufgrund bestimmter personenbezogener Eigenheiten (Abs. 3). Aufgrund des Art. 1 III GG sind entgegen dem Wortlaut des Art. 3 I GG alle Träger staatlicher Gewalt zur Gleichbehandlung verpflichtet. Für die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen verwendet das Bundesverfassungsgericht eine differenzierende Prüfformel. Die Bindung an Art. 3 I GG ist umso enger, je mehr ein personenbezogenes Differenzierungskriterium den nach Art. 3 III GG verbotenen Merkmalen ähnelt und je mehr sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt.107 Hinsichtlich der von der Verfassung vorgegebenen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist der Gesetzgeber im Wege einer aktiven Schutzpflicht gehalten, bei berufsrechtlichen Regelungen Benachteiligungen oder Bevorzugungen zu vermeiden und gleiche Erwerbschancen einzuräumen.108 Traditionelle Prägungen eines Lebenssachverhaltes reichen für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht aus.109 Lediglich objektive biologische oder funktional arbeitsteilige Geschlechtsunterschiede, die vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten lassen, sind geeignet, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.110 In dieser Arbeit soll vergleichsweise untersucht werden, wie weit der gesetzgeberische Spielraum bei der Vereinheitlichung bzw. Differenzierung wirtschaftlicher Sachverhalte reicht. Dabei wird das Gleichheitsgebot im Zusammenspiel mit unterschiedlichen Grundrechten, insbesondere mit der Eigentums- und Berufsfreiheit, untersucht. Im Sinne gleicher Erwerbschancen von Männern und Frauen werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen beider Nationen an wirtschaftliche Quotenregelungen geprüft. Ausgangspunkt werden hier u. a. auch die realen Gegebenheiten sein, die einen entscheidenden Einfluss auf die Notwendigkeit staatlicher Schutzmaßnahmen haben. 107
Vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 1975, 1979; BVerfG, NJW 1998, S. 3109, 3111; Sachs, JuS 1997, S. 124 ff.; Jarass, NJW 1997, S. 2545 ff.; zu dem entsprechenden Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers in den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen vgl. näher § 13 A. 108 Vgl. BVerfGE, NJW 2004, S. 146, 149; Hofmann, JuS 1988, S. 249 ff. 109 Vgl. BVerfGE 84, 9, 17; 85, 191, 207; 87, 234, 258; 89, 234, 258; Huster, AöR 118 (1993), S. 109 ff. 110 Beispielsweise Mutterschaftsbestimmungen, BVerfGE 6, 388, 422 f.; 84, 9, 17; zu dem Schutzauftrag des Staates in Bezug auf die berufliche Gleichstellung, insbesondere im Zusammenhang mit Quotenregelungen vgl. § 13 B.
§ 3 Europäische Wirtschaftsverfassung und nationales Recht Die Analyse des bestehenden spanischen Wirtschaftsverfassungssystems darf sich nicht in der Heranziehung nationaler Normen erschöpfen. Mit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags zu den Europäischen Gemeinschaften am 12. Juni 1985 und durch die Aufnahme des europäischen Gemeinschaftsrechts in die spanische Rechtsordnung durch das Ley Organica 10/1985 mit Inkrafttreten am 1. Januar 19861 übertrug Spanien seine Hoheitsgewalt in dem von den Verträgen bestimmten Umfang, wie von Art. 93 CE vorgesehen, auf die supranationale Ebene. Seither erweist sich Spanien als besonderer Motor der europäischen Integration. Nach der gescheiterten Umsetzung der Europäischen Verfassung setzte sich Spanien intensiv für die Rettung deren Substanz ein. Das Gesetz zur Ratifikation des Lissaboner Vertrags stellt besonders symbolträchtig die Verknüpfung zwischen der EU-Grundrechte-Charta und den spanischen Grundrechten her. Art. 2 des Organgesetzes legt fest, dass die spanischen Grundrechte in Übereinstimmung mit der Charta der Grundrechte ausgelegt werden sollen. Im Gegensatz dazu folgen die anderen Mitgliedstaaten lediglich der Regelung des Art. 51 der Charta, nach dem die europäischen Grundrechte nur bei der Durchführung des Rechts der Union Anwendung finden. Sowohl nach spanischen als auch nach deutschem Recht genießt das europäische Primär- und Sekundärrecht im Falle eines Konfliktes Anwendungsvorrang.2 Aufgrund der immensen europarechtlichen Wirtschaftsregulierung wird – soweit relevant – immer auch zu untersuchen sein, wie weit der Gestaltungsspielraum der nationalen Wirtschaftsverfassungen im konkreten Einzelfall reicht. Der Lissaboner Vertrag gibt wesentliche wirtschaftliche Grundentscheidungen vor. Das zentrale wirtschaftliche Ziel der Europäischen Union ist die Verwirklichung des Binnenmarktes. In Art. 26 II AEUV wird dieser definiert als Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren (Art. 28 ff. AEUV), Personen (Art. 45 ff. AEUV), Dienstleistungen (Art. 49 ff. AEUV) und Kapital (Art. 63 ff. AEUV) gewährleistet sein soll. Im Spannungsverhältnis zu diesen Vorgaben stehen 1 Vgl. Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 199 ff.; López-Pina, Markt und öffentliches Interesse, S. 139; Esteve-Pardo, Investieren in Spanien, S. 10; Albero Gabaldón, Nuestro Estado de derecho, S. 104 ff. 2 Vgl. Herdegen, Europarecht, § 9, Rn. 1 f.; Oppermann, Europarecht, § 7, Rn. 12; Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 5, S. 103 ff., 114; vgl. auch EuGH, Rs. 6/64 (Kosta/ENEL), Slg. 1964, S. 1251 ff.; EuGH Rs. 106/77 (Simmental), Slg. 1978, S. 629 ff.; in der spanischen Rspr. vgl. STC 23/1991.
§ 3 Europäische Wirtschaftsverfassung und nationales Recht
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die sozialgeprägten Normen, die insbesondere in Art. 151 – 161 AEUV niedergeschrieben sind. Ziel der Sozialpolitik ist die Förderung der Beschäftigung, die Angleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, ein angemessener sozialer Schutz, der soziale Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotenzials und die Bekämpfung von Ausgrenzungen. Ebenfalls werden Aspekte wie Arbeitssicherheit, soziale Sicherheit, die Bekämpfung von Ausgrenzungen sowie die Gleichstellung von Mann und Frau verfolgt.3 Nun bedeutet das Prinzip des Anwendungsvorranges nicht per se, dass nationale Wirtschaftsregelungen hinfällig wären. Ihr Spielraum bemisst sich vielmehr nach dem Inhalt europarechtlicher Vorgaben, nach der Reichweite der Kompetenz sowie danach, an wen die jeweiligen Vorgaben gerichtet sind (an die europäischen Organe, die Mitgliedstaaten oder an den einzelnen Bürger). Zudem kommt der Anwendungsvorrang nur dann zur Geltung, wenn ein Konflikt zwischen europäischem und nationalem Wirtschaftsrecht besteht. Die Frage nach dem Einfluss der europäischen Wirtschaftsverfassung auf die Entfaltungsfreiheit des spanischen und deutschen Wirtschaftsrechts kann damit kaum abstrakt beantwortet werden. Trotz gängiger Qualifizierungen der europäischen Wirtschaftsverfassung als System der „mixed economy“4 oder einer relativen Offenheit5 lässt sich die Reichweite des europarechtlichen Einflusses nur im Rahmen der konkreten nationalen Verfassungsnormen bestimmen. Soweit entsprechendes Konfliktpotenzial besteht, wird dieses dort behandelt.
3 Zur europäischen Wirtschaftsverfassung vgl. näher Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 3, Rn. 37 ff.; Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 22 ff.; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 2, Rn. 38 ff.; Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 60 f. 4 Vgl. Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 203, der von einer „mixed economy“ spricht. 5 Vgl. Scorl, Begriff, System und Grenzen deutscher und europäischer Wirtschaftsverfassung, S. 360 f.; Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 25.
§ 4 Die aktuelle spanische Wirtschaftsverfassung – ein erster Überblick Auffällig ist, dass die spanische Verfassung über eine hohe Zahl wirtschafts- und sozialrelevanter Normen verfügt. Die Idee der Integration sozialrelevanter Normen in die Verfassung und somit die Schaffung der Grundlagen für den Eingriff des Staates in die liberale Wirtschaftstätigkeit ist der zweiten republikanischen Verfassung von 1931 und damit auch der Weimarer Reichsverfassung von 1919 entnommen.1 Genau wie diese Verfassungen widmet der aktuelle Verfassungstext ein eigenes Kapitel der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Zudem verleiht Kapitel VII mit seinen Planinstrumenten sowie der öffentlichen wirtschaftlichen Initiative dem Staat eine Reihe von Ermächtigungen, die für sich gesehen den Eindruck eines planwirtschaftlichen Staatsmodells erwecken.2 Allerdings enthält der Verfassungstext auch liberale Grundrechte und Verfassungsprinzipien wie die Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft, das Recht auf Eigentum und die freie Wahl von Beruf und Ausbildungsstätte. Das Rechtsstaatsprinzip schützt u. a. die Ausübung dieser Grundrechte. Insgesamt handelt es sich somit um wirtschaftsrechtliche Extrempositionen, die allesamt in der Verfassung vereint sind. Fraglich ist, wie dieser Mischbestand aus liberalen Grundrechten und staatlichen Eingriffsermächtigungen auf den ersten Blick gedeutet werden kann. Fasst man die verschiedenen verfassungsrechtlichen Entscheidungen zusammen, so scheint eine Wirtschafts- und Sozialverfassung von ausdrücklich bestimmter Marktwirtschaft (Art. 38 CE) mit erheblichen sozialen Korrekturen und staatlichen Interventionsmöglichkeiten normiert zu sein. Aber ist damit das Wirtschaftssystem auf die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft festgelegt? Das spanische Verfassungsgericht und die überwiegende Literatur kommen zu einem hiervon abweichenden Ergebnis: In seinem Urteil vom 16. November 1981 urteilt das Tribunal Constitucional erstmals zu dem wirtschaftsverfassungsrechtlichen Rahmen und bezeichnet das spanische Wirtschaftssystem als offen und flexibel. Es existiere kein bestimmtes Wirtschaftsverfassungsmodell. Die Wirtschaftsverfassung bestehe vielmehr aus den Normen, die die Verfassung vorgebe und die dazu bestimmt seien, den grundlegenden Rahmen für die Struktur und das Funktionieren der wirtschaftlichen Aktivität abzustecken. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens sei jedes in Betracht kom-
1
Vgl. Esteve-Pardo, Investieren in Spanien, S. 13 f.; eingehend auch Linde Paniagua, Introducción als sistema económico en la constitución española; vgl. zu dem historischen Einfluss näher den Exkurs in § 6 B. IV. a.E. 2 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. X, S. 30.
§ 4 Die aktuelle spanische Wirtschaftsverfassung – ein erster Überblick
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mende Wirtschaftsmodell denkbar.3 In seiner Entscheidung wurde das Verfassungsgericht durch die Neutralitätsthese des deutschen BVerfG im Zusammenhang mit dessen Investitionshilfeentscheidung4 inspiriert, ohne jedoch ausdrücklich den Begriff der wirtschaftsbezogenen Neutralität zu verwenden. In der herrschenden Literatur wird teils eine wirtschaftsbezogene Neutralität der Verfassung angenommen, teils wird von der verfassungsrechtlichen Garantie eines bestimmten, wenn auch sehr offenen Wirtschaftsmodells ausgegangen.5 Die resultierende Schlussfolgerung, dass die Verfassung der spanischen Wirtschafts- und Sozialpolitik einen Entscheidungsspielraum belässt, ist aufgrund ihrer Stellung an der Spitze der Normenhierarchie nicht gerade überraschend. Interessant ist vielmehr, wie groß dieser Rahmen genau ist und ob eher liberale oder soziale Tendenzen überwiegen. Dabei sind folgende Bedenken hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung des wirtschafts- und sozialpolitischen Rahmens zu äußern, die im weiteren Verlauf der Arbeit zu überprüfen sind: Aus der Existenz eines breiten Spektrums der gegensätzlichsten Normen kann nicht geschlossen werden, dass alle diese Normen nebeneinander uneingeschränkt anwendbar wären. Gerade wenn die Normen, wie im Verfassungstext der Fall, zueinander in Beziehung gesetzt werden, kann ein zunächst großzügig erscheinender Rahmen sehr schnell schrumpfen. Darüber hinaus ist die Anzahl sozialgeprägter Normen im spanischen Verfassungstext zwar auffallend. Die Anzahl von Normen eines bestimmten Charakters muss jedoch nicht unbedingt ein Indiz dafür sein, dass sich die Wirtschaftsverfassung auch inhaltlich in eine bestimmte Richtung bewegt. Vielmehr spielen die Justiziabilität und die Ausgestaltung der Schutzmechanismen bei der Bestimmung des rechtlichen Wertes einer bestimmten Norm eine wesentliche Rolle. Die vorgenannten Fragen können nur nach einer eingehenden Analyse der einzelnen Verfassungsbestimmungen selbst beantwortet werden.
3 Vgl. STC 1/1982; Brewer-Carias, Reflexiones sobre la Constitución económica, S. 3842 ff. 4 Vgl. BVerfGE 4, 7; Albertí Rovira, REDC 71 (2004), S. 126. 5 Vgl. zu den Stimmen in der Literatur: García Pelayo, Consideraciones sobre las clausulas económicas de la Constitución, S. 28 ff.; Menéndez, HPE 94 (1985), S. 47 ff.; Martín-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 77 ff.; Aragón Reyes, Libertades económicas y Estado social, S. 7 f.; vgl. auch Herrero de Minón, REDC 57 (1999), S. 11 ff.
§ 5 Wirtschaftsregulierung im Rechtsstaat Explizite Hinweise auf den Rechtsstaat erfolgen in der spanischen Verfassung an zwei Stellen: Zum einen macht die Präambel deutlich, dass die spanische Nation ihren Willen verkündet, einen Rechtsstaat zu festigen, der die Herrschaft des Gesetzes als Ausdruck des Willens des Volkes sicherstellt.1 Zum anderen bestimmt Art. 1 I CE, dass sich Spanien als sozialer und demokratischer Rechtsstaat konstituiert. Detaillierte Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips finden sich dann in verschiedenen Verfassungsbestimmungen, die zumindest ihrem Wortlaut nach in beredter Weise den wesentlichen Inhalt wiedergeben, den wir diesbezüglich aus dem deutschen Recht kennen.2 Zusammengefasst manifestiert sich das Rechtsstaatsprinzip maßgeblich in der Gewaltenteilung, der Herrschaft des Gesetzes, der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und in der Ausrichtung an der Verwirklichung von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Sicherheit, d. h. von Werten, die anhand der Grundrechte umgesetzt werden.3 Einen Rechtsstaat hatte es in der Franco-Zeit wenn überhaupt nur partiell gegeben. Der wesentliche Unterschied zum heutigen System war der Umstand, dass die Staatsleitung selbst nicht dem Gesetz unterworfen und deren Macht somit nicht kontrollierbar war. Nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichts kennzeichnet den Rechtsstaat die Anerkennung der Grundrechte, nicht bloß als Individualrechte zur Begrenzung der staatlichen Gewalt, sondern als „wesentliche Elemente der Ordnung des Gemeinwesens“.4 In der spanischen Literatur wird der Standpunkt vertreten, dass der größte ausländische Einfluss auf die spanische Verfassung vom deutschen Grundgesetz aus-
1
Bereits in der Präambel erfolgt zudem der Hinweis auf eine gerechte Wirtschaftsordnung. Vgl. Art. 9 I CE (Bindung der Staatsgewalten an die Verfassung und die übrige Rechtsordnung), Art. 9 III CE (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Hierarchie und Publizität der Normen, Rückwirkungsverbot, Rechtssicherheit, Staatshaftung und Willkürverbot), Art. 66 CE (gesetzgebende Gewalt des Parlaments und Kontrolle der Regierungstätigkeit), Art. 103 I CE (Grundsätze der Verwaltung: Hierarchie, Dezentralisierung, Dekonzentration und Koordination, Bindung der Verwaltung an das Gesetz und das Allgemeinwohl), Art. 106 I CE (Kontrolle der Verordnungsgewalt und der Gesetzmäßigkeit durch die Gerichte), Art. 117 I (Bindung der Gerichte an das Gesetz). 3 Vgl. Dìaz, Der soziale und demokratische Rechtsstaat, S. 122; Albero Gabaldón, Nuestro Estado de Derecho, S. 43 f. 4 Vgl. STC 25/1981; Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, S. 10 f.; Dìaz, Der soziale und demokratische Rechtsstaat, S. 119 ff. 2
A. Gesetzmäßigkeit der Wirtschaftsverwaltung
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gegangen ist.5 Auffallend ist in der Tat die Rezeption zahlreicher Rechtsinstitute aus dem Grundgesetz.6 Doch welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Wirtschaft? Im Fokus steht die vergleichende wirtschaftsrelevante Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. Dabei interessieren insbesondere die Gesetzmäßigkeit der Wirtschaftsverwaltung (A.), der Gesetzesvorbehalt in der Leistungsverwaltung (B.), der ökonomische Vertrauensschutz (C.) und das wirtschaftsbezogene Verhältnismäßigkeitsprinzip (D.).
A. Gesetzmäßigkeit der Wirtschaftsverwaltung Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erfährt ihre dogmatische Ausgestaltung in dem Grundsatz des Gesetzesvorrangs und nach einem großen Teil der Theorie auch in dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts.7 Die Flexibilität wirtschaftsregulierender Maßnahmen hängt insbesondere von dem rechtlichen Verständnis des Gesetzesvorbehalts ab. Im Grundsatz darf hiernach das Parlament alle in Betracht kommenden Wirtschaftsmaßnahmen durch Gesetz regeln. Bestimmte Materien dürfen hingegen nur durch parlamentarisches Gesetz, nicht jedoch durch die Exekutive geregelt werden.8 Ebenso wie im Grundgesetz sind die jeweiligen Gesetzesvorbehalte über die gesamte spanische Verfassung verteilt.9 Innerhalb der vorbehaltenen Materien ist es möglich, durch parlamentarisches Gesetz die Exekutive zur Rechtssetzung zu ermächtigen, um in den vorgegebenen Grenzen detaillierte Ausgestaltungen vorzunehmen. Um auch in der Praxis jedem Bürger ein möglichst weitgehendes Maß an wirtschaftlicher Freiheit gewähren zu können, ist es notwendig, dass der Staat die Wirtschaftstätigkeit lenkt und, soweit erforderlich, in diese regulierend eingreift. Gerade in 5
Vgl. Varela Diez, La Constitución española en el marco del derecho constitucional comparado, S. 13, 18 ff.; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución Española, Bd. XII, S. 7; Cruz Villalón, Bericht Spanien, S. 90 f. 6 Vgl. insbesondere Cruz Villalón, Landesbericht Spanien, S. 193, 219 ff.; Knaak, Der Einfluss der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit auf das System der Verfassungsgerichtsbarkeit in Spanien, S. 30 ff.; García Alvarez, La Constitución española, S. 579 ff.; Varela Diez, La Constitución española en el marco del derecho constitucional comparado, S. 13, 19; Rubio Llorente, La Constitución como fuente de derecho, S. 49, 58; Teile der Lehre sehen den Gesetzesvorbehalt nur eingeschränkt von dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erfasst, zu den Auswirkungen für die Leistungsverwaltung vgl. unter § 5 B. 7 Vgl. Parejo Alfonso, Derecho Administrativo, S. 116 ff.; Gallego Anabitarte, RAP 150 (1999), S. 75, 106; vgl. im deutschen Recht Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 1 ff. 8 Vgl. Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 2, S. 42 f. 9 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. I, Art. 9, S. 493.
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§ 5 Wirtschaftsregulierung im Rechtsstaat
wirtschaftlichen Krisenzeiten mehren sich die Rufe nach erhöhter staatlicher Regulierung. Dabei ist aber nicht nur die Reichweite des staatlichen Eingriffs, sondern auch dessen Flexibilität entscheidend. Endlose parlamentarische Debatten über die gesetzliche Einführung bestimmter Maßnahmen, deren Ausgang von immer schwerer zu erzielenden Mehrheiten abhängig sind, führen nicht immer zu einer pragmatischen und effektiven Lösung wirtschaftlicher Krisen. Zwangsläufig kommt es zu einem Spannungsverhältnis. Einerseits besteht das Interesse an einer möglichst weitgehenden Handlungsfreiheit der Regierung und Exekutive mithilfe ihrer Verordnungsgewalt. Andererseits hat der Rechtsstaat auch den Willen des gesamten Volkes zu respektieren, der durch die parlamentarische Gesetzgebung ausgeübt wird.10 Das Wesentlichkeitsprinzip als Instrument der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Legislative und Exekutive ist auch im spanischen Verfassungsrecht bekannt. Der parlamentarische Gesetzgeber hat die wesentlichen Bereiche der verfassungsrechtlich vorbehaltenen Materien selbst zu treffen. Die übrigen Bereiche können – soweit der Gesetzgeber nicht tätig wird – auch durch die Exekutive geregelt werden.11 Doch statt auf die Wesentlichkeit der Materie abzustellen, wird die Frage nach dem Gesetzesvorbehalt im spanischen Recht vielmehr an die Frage der Regelungsdichte geknüpft. Insbesondere wird die pauschale Delegation gesetzgeberischer Befugnisse an die Verwaltung im grundrechtsrelevanten Bereich verboten.12 Grundlegende Unterschiede in der rechtspraktischen Handhabung der Kompetenzabgrenzung im spanischen und deutschen Recht lassen sich jedoch nicht feststellen. Teilweise löst aber auch die im Vergleich zum Grundgesetz differenziertere spanische Rechtsquellenlehre das Spannungsverhältnis zwischen Exekutive und Legislative. Dazu soll im Folgenden ein Überblick über die spanischen Rechtsquellen und ihre wirtschaftliche Relevanz gegeben werden:
I. Leyes Orgánicas (Organgesetze) Bei den spanischen Parlamentsgesetzen wird ihren gesetzgeberischen Anforderungen nach zwischen Leyes Ordinarias und Leyes Orgánicas unterschieden. Die Leyes Ordinarias entsprechen dabei den deutschen Gesetzen, für die es einer einfachen parlamentarischen Mehrheit bedarf und die nach deutschem Recht den Anforderungen der für die wirtschaftsrelevanten Grundrechte relevanten Gesetzesvorbehalte genügen. Die Organgesetze sind neben den Leyes Ordinarias ebenfalls für 10 Vgl. Melero Alonso, Cuadernos Constitucionales de la Cátedra Fadrique Furió Ceriol 38/ 39 (2002), S. 190 f.; Estévez Araujo, Estructura y límites del Derecho como instrumento del Estado social, S. 154. 11 Vgl. Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 2, S. 42 f.; Rubio Llorente, REDC 39 (1993), S. 23 f.; Sánchez Morón, Discrecionalidad administrativo y control judicial, S. 108. 12 Vgl. auch García de Enterrìa/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. I, S. 270 ff.; Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 347.
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die Regulierung wirtschaftlicher Grundrechte relevant, bedürfen jedoch einer absoluten parlamentarischen Mehrheit und können nur durch das nationale Parlament (die Leyes Ordinarias hingegen auch durch die Gesetzgebungskammern der Autonomen Gemeinschaften) verabschiedet werden.
1. Anwendungsbereich Anhand der Organgesetze wird die Wirtschaftsregulierung des Staates im Vergleich zum deutschen Recht im Hinblick auf das Mehrheitserfordernis zwar erschwert. Allerdings sind die praktischen Auswirkungen beschränkt, denn das Verfassungsgericht legt den Bereich, der durch ein Organgesetz geregelt werden muss, restriktiv aus. Nach Art. 81 I CE sind Organgesetze u. a. solche Gesetze, die die Entwicklung der Grundrechte und der öffentlichen Freiheiten betreffen. Das Verfassungsgericht hat sich mit den Begriffen Grundrechte und öffentliche Freiheiten sowie Entwicklung befasst: In den Anwendungsbereich fallen nur die in Art. 15 bis 29 CE normierten Grundrechte (u. a. Meinungsäußerungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit), nicht aber der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 14 CE und die Grundrechte mit abgeschwächtem Schutz nach Art. 30 bis 38 CE (u. a. Eigentums-, Unternehmensund Berufsfreiheit) und Art. 39 bis 52 CE (Richtlinien für die Sozial- und Wirtschaftspolitik).13 Diese Auffassung begründet das Gericht damit, dass der Begriff der Grundrechte und öffentliche Freiheiten aus Art. 81 I CE mit der Überschrift des ersten Abschnitts des zweiten Kapitels (Art. 15 bis 29 CE) übereinstimmt. Die Gegenansicht in der Literatur bezieht Art. 81 I CE auf alle Grundrechte des Titel I, der alle in diesem enthaltenen Rechte als solche qualifiziert.14 Hiergegen spricht aber zum einen die auch im Übrigen präzise Wortwahl der Verfassung: Art. 53 I S. 1 CE spricht von Rechte und Freiheiten und meint damit auch ausdrücklich die Rechte des 2. Kapitels. Art. 86 I CE macht besonders kenntlich, dass von ihm alle Grundrechte im Sinne des Titel I erfasst sind. Zum anderen würde eine extensive Auslegung des Art. 81 I CE verkennen, dass das absolute Mehrheitserfordernis die Ausnahme ist. Die gesetzgeberische Tätigkeit würde ansonsten erheblich behindert.15 Fraglich ist weiterhin, was unter der Entwicklung dieser Rechte zu verstehen ist. Eine Auffassung in der Literatur setzt die beim allgemeinen Gesetzesvorbehalt in Art. 53 I S. 2 CE verwendete Bezeichnung regulación mit desarollo (Entwicklung) 13
Vgl. STC 76/1983; zur Grundrechtssystematik vgl. unten § 6 A., § 7. Vgl. Pèrez Luño, Derechos Humanos, S. 191 f.; eine andere Auffassung will parallel zu Art. 53 II CE neben Art. 15 bis 29 CE zumindest auch Art. 14 und 30 CE mit einbeziehen, vgl. García de Enterría/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. I, S. 138; Mendoza Oliván, Tipología de los leyes en la Constitución, S. 75, 91. 15 Vgl. auch Martínez Sospedra, Aproximación al derecho constitucional español, S. 170; Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 81 I, IV 3, S. 854. 14
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gleich und versteht Art. 53 I S. 2 CE somit in der Weise, dass jegliche Regulierung in diesem Bereich durch ein Organgesetz vorgenommen werden müsse.16 Die herrschende Meinung folgt aber auch hier einer restriktiven Auslegung. Die Entwicklung eines Grundrechts liegt nur dann vor, wenn die betreffende Vorschrift direkt auf die Ausgestaltung oder Konkretisierung des Grundrechts abziele17, dieses somit in wesentlichen Gesichtspunkten geregelt18 oder eingeschränkt19 werde. Hingegen fallen keine anderen gesetzlichen Regelungen in den Anwendungsbereich, die die betreffenden Rechte nur mittelbar, nicht jedoch gezielt berühren. Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass der Anwendungsbereich der Organgesetze zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht überschaubar bleibt. Wesentliche Wirtschaftsgrundrechte wie Eigentums-, Berufs- und Unternehmensfreiheit sowie das Gleichheitsgebot sind hiervon nicht betroffen. Innerhalb der ersten Grundrechtsgruppe bleiben damit lediglich die Meinungsäußerungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit berührt. Als besondere Beispiele dienen hier das Versammlungsgesetz vom 15. Juli 198320 und das Vereinigungsgesetz vom 22. März 200221, welche die jeweiligen Rechte in ihren wesentlichen Grundzügen regeln. Auch wenn für die Entwicklung der entsprechenden Grundrechte nach der deutschen Verfassung keine absolute Mehrheit erforderlich ist, so werden Art. 5 GG (Beschränkung nur durch allgemeine Gesetze, zum Schutz der Jugend und persönlicher Ehre), Art. 8 GG (Beschränkung nur von Versammlungen unter freiem Himmel, ansonsten nur grundrechtsimmanente Schranken) und Art. 9 GG (lediglich Verbot bestimmter Vereinigungen, ansonsten ebenfalls nur grundrechtsimmanente Schranken) auf andere Weise weitergehend geschützt. Von einer vergleichsweise erleichterten Eingriffsmöglichkeit der deutschen öffentlichen Gewalt kann mithin nicht die Rede sein.
II. Gesetzesgleiche Verordnungen (Decretos-leyes) Bei dem in Art. 86 CE definierten Decreto-ley handelt es sich um eine Regierungsverordnung im Range eines Gesetzes, welche keiner vorherigen Ermächtigung durch das Parlament bedarf.22 Sie ermöglicht, spontan und flexibel Maßnahmen gegen das Auftreten konjunktureller Krisen zu ergreifen. Daher ist es gerade im wirt-
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Vgl. Fernández Villaverde, S. 125. Vgl. Gálvez Montes, El ámbito material y formal de las leyes orgánicas, S. 921, 930; de Esteban/López Guerra, El Régimen Constitucional Español, Bd. 1, S. 214. 18 Vgl. SSTC 6/1982; 93/1988; 173/1998. 19 Vgl. STC 101/1991. 20 Ley Orgánica 9/1983, abrufbar unter http://www.boe.es. 21 Ley Orgánica 1/2002, abrufbar unter http://www.boe.es. 22 Vgl. STC 60/1986. 17
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schaftlichen Bereich eine besonders häufig auftretende Norm.23 Gerade im Kampf gegen die aktuelle Wirtschaftskrise wurde sie immer wieder herangezogen, so beispielsweise durch Real Decreto-ley 2/200824 für Maßnahmen zum Aufschwung der wirtschaftlichen Aktivitäten, durch Real Decreto-ley 7/200825 in Verbindung mit dem Plan konzertierter Aktionen der Länder in der Euro-Zone, Real Decreto-ley 2/200926 zur Förderung der Beschäftigung und zum Schutz der Arbeitslosen, Real Decreto-ley 7/200927 zur Gewährung günstiger Kredite zur Finanzierung von Kraftfahrzeugen oder durch Real Decreto Ley 9/200928 zur Bankenrestrukturierung. Dieser weite Anwendungsbereich lässt sich nicht alleine mit dem Wortlaut des Art. 86 CE erklären. Denn hiernach dürfen sich die Decretos-leyes nicht auf die „Ordnung der grundlegenden Institutionen des Staates, auf die im Titel I geregelten Rechte, Pflichten und Freiheiten der Bürger, auf die Ordnungen der Autonomen Gemeinschaften oder auf das allgemeine Wahlrecht“ beziehen. Zudem bedarf die Verordnung einer außergewöhnlichen und dringenden Notwendigkeit.29 Die durch die Verfassung auferlegten Grenzen der Anwendbarkeit wurden durch das Verfassungsgericht in der Vergangenheit erheblich abgemildert. Das Tribunal Constitucional führte in seinem Urteil vom 4. Februar 198330 aus, dass das Decreto-ley als gesetzliches Instrument zu verstehen sei, welches eine Reaktion auf sich ändernde Situationen des alltäglichen Lebens ermögliche. Die Notwendigkeit einer nach Art. 86 CE entsprechenden Rechtfertigung orientiere sich an den konkreten Regierungszielen. Die Verordnung sei auch dann zulässig, wenn die wirtschaftliche Situation des Landes schnelle Lösungen fordere. In seinem Urteil vom 21. Januar 199331 hob das Verfassungsgericht erneut die besondere Bedeutung der Regierungsverordnung für die Wirtschaftspolitik in Krisenzeiten hervor. Allerdings nahm
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Vgl. Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 69. Real Decreto-ley 2/2008 de medidas de impulso de la actividad económica vom 21. April 2008, abrufbar unter http://www.boe.es. 25 Real Decreto-ley 7/2008 en relación con el Plan de Acción Concertada de los Países de la Zona Euro vom 13. Oktober 2008, abrufbar unter http://www.boe.es. 26 Real Decreto-ley 2/2009 de medidas urgentes para el mantenimiento y el foment del empleo y la protección de personas desempleadas vom 6. März 2009, abrufbar unter http:// www.boe.es. 27 Real Decreto-ley 7/2009 de concesión de un crédito extraordinario para la ayuda a la adquisición de vehículos vom 22. Mai 2009, abzufbar unter http://www.boe.es. 28 Real Decreto-ley 9/2009 sobre reestructuración bancaria y reforzamiento de los recursos propios de las entidades de crédito vom 26. Juni 2009, abrufbar unter http://www.boe.es. 29 Vgl. zu der Interpretation dieser Voraussetzungen Barreiro González, DPC 17 (2003), S. 45 ff. 30 Vgl. STC 6/1983, zu der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts insgesamt in diesem Zusammenhang vgl. Salas Hernández, Los Decretos-leyes en la Constitución española de 1978, S. 123 ff.; Diez Moreno, HPE 80 (1983), S. 177 f.; zum Fall Rumasa (STC 2/1983) vgl. Ginard, RAP 104 (1984), S. 355 ff. 31 Vgl. STC 23/1993. 24
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sich das Verfassungsgericht in einer neueren Rechtsprechung32 wieder zurück, indem es die dargelegte Regierungsbegründung als zu abstrakt und theoretisch hinstellte und die Kontrolldichte entsprechend verstärkte. Angesichts des weiterhin vielfältigen Erlasses von Decretos-leyes lässt sich jedoch an der praktischen Etablierung einer erhöhten Kontrolldichte zweifeln.33 Um den Grundsatz der Gewaltenteilung zu gewährleisten, sind die Decretos-leyes lediglich vorübergehender Natur. Sie unterliegen der sofortigen Überprüfung und Abstimmung durch das Parlament, welches die Verordnung innerhalb einer Frist von 30 Tagen bestätigen oder zurückweisen muss.34 Zudem besteht die Möglichkeit, das Decreto-ley in ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren überzuführen und entsprechende Änderungen vorzunehmen.35 In der Praxis stellt ein solches Gesetzgebungsverfahren eine beliebte Variante der Regierung dar, um sich mithilfe einer kleineren Partei und eines entsprechenden Kompromisses die notwendigen Mehrheitsverhältnisse für die Perpetuierung des Gesetzes zu verschaffen. Das Instrument des Decreto-ley findet im deutschen Recht keine Entsprechung. Es ist zudem auch nicht mit der aus Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung bekannten Notverordnung vergleichbar, nach der der Reichspräsident bei einer erheblichen Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gesetzesgleiche Verfügungen zu erlassen befugt war. Im Gegensatz zu Art. 86 CE war von Art. 48 WRV die Befugnis umfasst, bestimmte Grundrechte außer Kraft zu setzen. Diese Befugnis ist von Art. 86 CE nicht gedeckt. Allerdings kann eine allzu geringe Kontrolldichte des Verfassungsgerichts zu einem Missbrauch der Verordnungsgewalt führen und damit das Gewaltenteilungsprinzip untergraben. Zwar liegt die endgültige Entscheidungsbefugnis in den Händen des Parlaments, allerdings kann der Erlass der Verordnung faktisch zu einer vorweggenommenen – dann auch endgültigen – Entscheidung über die geregelte Materie führen. Denn ist die Maßnahme erst einmal eine Zeit lang wirksam und führt sie zu einer positiven Resonanz in der Bevölkerung, dann wird deren Aufhebung gleichwohl schwerer fallen. Ein Indiz hierfür könnte der Umstand sein, dass in den Jahren 1986 bis 2001 von 290 Decretos-leyes lediglich sechs im Nachhinein aufgehoben wurden.36 Bezeichnend ist auch die Anzahl der Decretos-leyes (290) im Vergleich zu der Anzahl an parlamentarischen Gesetzen in derselben Periode (845)37, was die besondere Bedeutung dieses Instrumentariums vergegenwärtigt. Dem Ziel einer fle-
32 Vgl. STC 68/2007; vgl. den Kommentar zu dieser Rechtsprechung in Sanz Pérez, RATC 10 (2007), S. 1509, 1517 ff. 33 Vgl. nur die Zahl aktueller Decretos-leyes unter http://www.boe.es. 34 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, S. 1368; Tur Ausina, El control parlamentario de los Decretos-leyes, S. 41 ff., 123 ff., 129 ff. 35 Vgl. Salas Hernández, Los Decretos-leyes en la Constitución española de 1978, S. 103 ff. 36 Vgl. Tur Ausina, El control parlamentario de los Decretos-leyes, S. 203. 37 Vgl. ders.
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xiblen Reaktion auf wirtschaftliche Krisenzeiten dient das Decreto-ley dabei in jedem Fall.
III. Gesetzesvertretende Verordnungen (Decretos-legislativos) Eine weiteres Instrument der wirtschaftlichen Regulierung durch die Exekutive stellt das in Art. 82 CE geregelte Decreto-legislativo dar. Diese gesetzesvertretende Verordnung kann die Regierung auf Grundlage einer gesetzlichen Delegation des Gesetzgebers erlassen. Ausgeschlossen sind dabei allerdings die von den Organgesetzen erfassten Materien. Nach Art. 82 CE bestehen zwei Arten der Gesetzesdelegation. Einerseits kann die Regierung dazu ermächtigt werden, bereits bestehende Gesetze aus verschiedenen Regelwerken in ein Gesetz zusammenzufassen (textos refundidos). Andererseits kann die Regierung bestimmte Rechtsgebiete auch materiell en detail weiterentwickeln, wenn sie hierzu durch ein Rahmengesetz ermächtigt worden ist (texto articulado).38 Die Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung sind dabei streng. Das Gesetz muss ausdrücklich die konkrete zu regelnde Materie angeben und hierfür eine Frist bestimmen. Eine Subdelegation kommt nicht in Betracht. Durch die Publizierung der jeweiligen Verordnung erschöpft sich die Delegation. Das Decreto-legislativo steht zwar im Range eines Gesetzes, kommt der untergesetzlichen Verordnung jedoch bei weitem näher als ein Decreto-ley. Denn die gerichtliche Kontrolle über deren Gesetzmäßigkeit findet nicht vor dem Verfassungsgericht, sondern im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit statt.39 Allerdings führt der Gesetzesrang dazu, dass das Parlament bei einem Konflikt zwischen dem Decreto-legislativo und einem später verabschiedeten Parlamentsgesetz zu dessen Gültigkeit zunächst das Delegationsgesetz aufheben muss. Zudem genügt das Decreto-legislativo stets den Anforderungen an die verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalte in den wesentlichen wirtschaftlichen Materien der Eigentums-, Berufs- und Unternehmensfreiheit.40 Vergleichbar ist dieses Instrument mit der untergesetzlichen Verordnung nach deutschem Recht, deren Voraussetzungen in Art. 80 GG geregelt sind. Auch hier müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Delegation ausdrücklich gesetzlich bestimmt sein. Aufgrund der zuvor genannten Wirkungen des Decreto-legislativo sind die Voraussetzungen im spanischen Recht jedoch gleichwohl strenger. 38 Vgl. auch Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, S. 1352 ff.; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución Española de 1978, Bd. VII, Art. 82, S. 83 ff.; Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 72 f. 39 Vgl. Sainz Moreno, RAP 93 (1980), S. 219 ff., 229. 40 Vgl. eingehender zum Verhältnis der Legislative zur Exekutive in diesem Zusammenhang García de Enterría, Legislación delegada, potestad reglementaria y control judicial.
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Für die materielle detaillierte Entwicklung gesetzlich vorbestimmter Materien spielen die zuvor genannten textos articulados eine erheblich geringere Rolle als die untergesetzlichen Normen (reglamentos), deren Erlass sich vielfach flexibler gestaltet.41 Einen wesentlichen Anwendungsbereich erfahren hingegen die textos refundidos. Dabei erschöpft sich die Tätigkeit der Regierung nicht in der rein formellen Zusammenfassung verschiedener Gesetzestexte. Denn auch der Auftrag zur Verschaffung weitergehender Transparenz und zur Harmonisierung der verschiedenen Gesetze kann von der Delegation umfasst sein.42 Dabei sind die Grenzen zwischen formeller und materieller gesetzgeberischer Tätigkeit häufig fließend. Eine solche Tätigkeit der Regierung wäre nach deutschem Recht nicht möglich. Die seit vielen Jahren geplante Zusammenfassung der verschiedensten umweltgesetzlichen Bestimmungen in ein Gesamtwerk als Umweltgesetzbuch ist eine eindeutig parlamentarische Tätigkeit, die in ihren Einzelheiten womöglich auf weniger Widerstand stoßen würde, wenn sie auf die Regierung delegiert werden könnte. Ein wesentliches Beispiel für die besondere Rolle einer transparenten Gesetzeszusammenfassung und -harmonisierung im Wege eines Decreto-legislativo ist das Gesetz über das spanische Sozialversicherungssystem, welches durch Real Decreto Legislativo 1/1994 vom 20. Juni 1994 in Kraft getreten ist. In diesem Gesetz werden wesentliche Strukturen des Sozialversicherungssystems wie soziale Hilfe und Dienstleistungen, Arbeitslosenschutz, Schutz der Familie (einschließlich Mutterschutz) und Rentenversicherung zusammengefasst und die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen miteinander harmonisiert. Das ursprüngliche Delegationsgesetz vom 20. Dezember 199043 wurde hinsichtlich seiner Fristen mehrfach verlängert, u. a. durch die Gesetze vom 30. Juli 199244 und vom 29. Dezember 199345 über dringende Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung und des Arbeitslosenschutzes sowie über finanzielle Beihilfen für Arbeitslose. Insbesondere die rechtliche Harmonisierung führt aufgrund ihres weitergehenden Spielraumes zu einer rechtsgestalterischen Tätigkeit der Regierung, die im deutschen Recht in der Weise nicht denkbar wäre. Während die Verordnung nach deutschem Recht lediglich gewährleistet, dass bestimmte wirtschaftliche Bereiche in die Tiefe technisch detaillierter ausgestaltet werden, führt die Harmonisierung von Rechtsvorschriften zu einer grundlegenderen Rechtsgestaltung in die Breite.46
41 Vgl. § 5 A. IV.; vgl. zu den textos articulados allerdings die Delegation zur Angleichung eines großen Teils des spanischen Wirtschaftsrechts an das EG-Recht aufgrund des Rahmengesetzes vom 27. Juli 1985. 42 Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 73. 43 Ley 26/1990, abrufbar unter http://www.boe.es. 44 Ley 22/1992, abrufbar unter http://www.boe.es. 45 Ley 22/1993, abrufbar unter http://www.boe.es. 46 Vgl. auch Esteve-Pardo, Investieren in Spanien, S. 8; Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 73.
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IV. Untergesetzliche Verordnungen (Reglamentos) Der größte Teil an wirtschaftlichen Regelungen wird durch untergesetzliche Verordnungen getroffen. Mit Art. 97 CE erkennt die spanische Verfassung die Verordnungsgewalt der Regierung explizit und durch die Anerkennung der Autonomie (Art. 137, 140 und 141 II CE) auch die Verordnungsgewalt der Autonomen Gemeinschaften und der weiteren Selbstverwaltungskörperschaften implizit an.47 Die Bezeichnung als Reglamento erstreckt sich auf jegliche untergesetzliche Norm, gleichwohl ob es sich um staatliche Verordnungen (Reales Decretos oder Órdenes Ministeriales) oder um Verordnungen der Autonomen Gemeinschaften (Decretos oder Órdenes de las Consejerìas), der lokalen Gebietskörperschaften (Ordenanzas Municipales) oder anderer Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. reglamentos de las Universidades, del Banco de Espana, de la Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones) handelt.48 Mit ihrem detaillierten Inhalt haben sie eine besondere wirtschaftliche Bedeutung, zumal die Gesetze zumeist nicht alle konjunkturellen Schwankungen und konkreten technischen Lösungen des alltäglichen Wirtschaftslebens abdecken können.49 Ein typischer Fall ist dabei Art. 23 des Gesetzes von Castilla und León zur Vorbeugung von Drogen- und Alkoholabhängigkeit. Um den Missbrauch des Alkoholkonsums zu verringern, sollen die Gemeindeverwaltungen nähere Bestimmungen zu der Einrichtung entsprechender Verkaufsstätten und ihrer Distanz zueinander erlassen. Die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben durch die Exekutive greift zweifelsfrei in die Unternehmensfreiheit der jeweiligen Verkäufer ein.50 Vergleichbar mit Art. 80 I GG sind jedoch Inhalt, Zweck und Ausmaß der nachfolgenden Regelungen hinreichend gesetzlich vorbestimmt.51 Allerdings verhalten sich nicht alle Fälle so eindeutig. Die spanische Verfassung zeichnet sich durch die Besonderheit aus, das sie ein subsidiäres Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit wie Art. 2 I GG nicht kennt. Im Zusammenhang mit der Verordnungsgewalt der Exekutive stellt sich damit die Frage, ob Art. 97 CE in den nicht verfassungsrechtlich vorbehaltenen Materien eine autonome Rechtsetzungskompetenz (d. h. ein Handeln ohne gesetzliche Ermächtigung) begründet. Der Einfluss der deutschen Staats- und Verwaltungsrechtslehre führt so weit, dass 47 Vgl. hierzu García de Enterría/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. I, S. 187; Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 2, S. 55; Santamaría Pastor, Principios de Derecho Administrativo General, S. 350, 359 f.; vgl. auch STC 135/1992. 48 Vgl. Santamaría Pastor, Principios de Derecho Administrativo General, S. 322, 350; Cosculluela Montaner, Manual de Derecho Administrativo, S. 109 f. 49 Vgl. Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 76 f. 50 Vgl. ders., S. 77. 51 Zu dem entsprechenden Erfordernis vgl. Baño León, Los límites constitucionales de la potestad reglamentaria; Santamaría Pastor, Principios de Derecho Administrativo General, S. 348.
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viele Verfassungsrechtler aus der Verfassung einen allgemeinen gesetzlichen Eingriffsvorbehalt herauslesen, ohne dabei das Fehlen eines subsidiären Auffanggrundrechtes zu berücksichtigen. Sie berufen sich dabei jedoch in erster Linie auf Art. 103 I CE, der die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht vorschreibt.52 Ein gewichtiger Teil der Lehre befürwortet zwar keine autonome Verordnungsgewalt in materiellen Rechtsbereichen, wohl aber zumindest in organisatorischen Bereichen.53 Dieser Auffassung folgt auch das Tribunal Supremo. Dabei kommt es jedoch bisweilen zu Abgrenzungsschwierigkeiten, die selbst das Gericht nicht zufriedenstellend lösen kann: So handelt es sich bei dem Real Decreto 1119/1989 vom 15. September 1989 laut Gericht um eine zulässige sogenannte unabhängige Verordnung (reglamento independiente) im organisatorischen Bereich.54 Dabei regelt die Verordnung den Verkehr spezieller Schiffe in spanischen Hoheitsgewässern und schreibt in diesem Zusammenhang die Kennzeichnung der Schiffe, die vorherige Anmeldung der Ankunft im Hafen sowie den Abschluss entsprechender Versicherungen vor. Hierbei geht es jedoch um Bestimmungen, die in ihrer Wirkung über den rein organisatorischen Bereich hinausgehen.
B. Gesetzesvorbehalt in der Leistungsverwaltung In der Eigenschaft der Grundrechte als Abwehrrechte kommt der Gesetzesvorbehalt in erster Linie bei Eingriffen des Staates in die Rechte des Bürgers zur Geltung. Fraglich ist, ob ein entsprechender Gesetzesvorbehalt auch bei der Leistungstätigkeit der Verwaltung erforderlich ist. In Deutschland wird diese Frage kontrovers vor dem Hintergrund diskutiert, dass die Vorteile des Leistungsempfängers gleichzeitig auch Eingriffe in die Rechte möglicher Konkurrenten darstellen können.55 Auch in Spanien ist diese Frage nicht unumstritten. Ein Teil der Lehre geht von einem Totalvorbehalt aus56, während sich der andere Teil an dem gemäßigten Standpunkt des deutschen Verwaltungsrechts orientiert.57 Die Leistungstätigkeit der
52 Vgl. Santamaría Pastor, Principios de Derecho Administrativo General, S. 94, 346 f.; García de Enterría/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. I, S. 213 ff.; vgl. zu der Diskussion auch Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 346 ff. 53 Vgl. García de Enterría/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. I, S. 213 ff. 54 Vgl. STS, Urteil vom 9. Februar 1996 (Az. 1812). 55 Vgl. zum Meinungsstand im deutschen Recht oben § 2 B. II. 56 Vgl. García de Enterría/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. I, S. 438 ff.; Gallego Anabitarte, RAP 150 (1999), S. 75, 107; vgl. auch Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 333, 346. 57 Vgl. Santamaría Pastor, Principios de Derecho Administrativo General, S. 84, der in diesem Zusammenhang auch die Verbindung zu der gesetzesunabhängigen Verordnungsgewalt herstellt; Gallego Anabitarte, RAP 150 (1999), S. 75 ff., 107; dieser Teil der Lehre sieht den Gesetzesvorbehalt dementsprechend auch nicht von dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der
B. Gesetzesvorbehalt in der Leistungsverwaltung
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Verwaltung, insbesondere die Subventionierung, wurde bisher nur bruchstückhaft geregelt. Nach überwiegender Ansicht ist der Haushaltsplan eine hinreichende gesetzliche Grundlage.58 In diesem Zusammenhang sorgt das spanische Subventionsgesetz (Ley 38/2003) vom 17. November 2003 für Klarheit. Zum Verwaltungsverfahren stellt das Gesetz klar, dass die öffentliche Verwaltung zunächst einen Strategieplan zu erstellen hat, der den Prinzipien der Öffentlichkeit, Transparenz, Objektivität, Gleichheit (bzw. Diskriminierungsverbot) und Effektivität zu genügen hat.59 Die Subvention muss im Haushaltsplan enthalten sein und die konkreten Einzelheiten der Subventionsvergabe müssen öffentlich bekannt gemacht werden. Dies geschieht beim Staat durch eine orden ministerial und in den örtlichen Körperschaften durch eine ordenanza general oder ordenanza específica60. Diese Verordnungen müssen die Anforderungen an die Subventionsempfänger, Frist und Form des Subventionsantrags, das Verfahren, die Subventionshöhe, den Zweck der Subvention, Bedingungen und Sanktionen präzisieren sowie im Amtsblatt (boletin oficial) der jeweiligen bewilligenden Körperschaft veröffentlicht werden.61 Wie auch nach deutschem Recht haben alle Verwaltungseinheiten die Vergabe von Subventionen ab einer bestimmten Mindesthöhe präventiv zur Überprüfung der Übereinstimmung mit den Regeln des gemeinsamen Marktes der Europäischen Kommission zuzuleiten. Das Zuleitungsverfahren wird durch Real Decreto 1755/1987 vom 23. Dezember 1987 koordiniert. Die präzise Regelung des Subventionsverfahrens verbleibt somit nach wie vor in den Händen der Exekutive. Allerdings werden durch das Subventionsgesetz Mindestanforderungen festgeschrieben, allen voran die Bereitstellung der Mittel im Haushalt sowie die Chancengleichheit der potenziellen Subventionsempfänger. Darüber hinaus wird durch die zu veröffentlichende Verordnung die Publizität gewahrt und zudem die konkrete rechtliche Grundlage für die Bewilligung im Einzelfall geschaffen.
Verwaltung erfasst; die differenzierte Regelung der Gesetzesvorbehalte in der Verfassung sprächen gegen einen generellen Totalvorbehalt. 58 Vgl. Ferreiro Lapatza, Curso de Derecho Financiero Espanol, S. 751 ff.; vgl. insgesamt auch Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 333, 346. 59 Vgl. hierzu auch ausdrücklich die Präambel des Subventionsgesetzes der Autonomen Gemeinschaft der Balearen (Ley 5/2002) vom 21. Juni 2002. 60 Vgl. zur Verordnungs- und Satzungsgewalt oben § 5 A. II. 61 Zu der spanischen Konzeption der Subventionsvergabe vgl. auch Cosculluela Montaner/ López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 16, S. 245 ff.; Bacigalupo Saggese, El derecho comunitario de las ayudas de Estado y su articulación con el derecho español de las subvenciones y las ayudas a las actividades económicas, S. 189 ff.
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C. Ökonomischer Vertrauensschutz Als anerkannter Inhalt des Gesetzmäßigkeitsprinzips gilt, dass Tatbestand und Rechtsfolge für Eingriffe der öffentlichen Gewalt im Gesetz vorausbestimmt sein müssen.62 In diesem Zusammenhang verbietet die Verfassung in Art. 9 III CE den rückwirkenden Erlass sanktionierender Normen, die sich ungünstig oder restriktiv auf die Rechte des Einzelnen auswirken.
I. Ökonomischer Vertrauensschutz und Rückwirkung von Gesetzen Entscheidend für die Reichweite des Rückwirkungsverbotes ist, was unter einer Sanktionsnorm i.S.d. Art. 9 II CE zu verstehen ist. Hinsichtlich der legislativen Tätigkeit umfasst das Verbot rückwirkender Gesetzgebung nicht nur das Sanktionsrecht in Form einer Verhängung von Strafen und Bußgeldern. Der Sanktionsbegriff des Art. 9 III CE ist vielmehr weit auszulegen und umfasst jeglichen Eingriff in die individuellen wirtschaftlichen Freiheitsrechte, wie sie im ersten Titel der spanischen Verfassung verankert sind. Darüber hinaus ist das Rückwirkungsverbot gem. Art. 9 III CE hingegen nicht anwendbar.63 Das Verfassungsgericht hat seine Grundsätze zur gesetzlichen Rückwirkung vornehmlich im Bereich der Steuergesetzgebung entwickelt: Demnach verfüge der Gesetzgeber außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 9 III CE über einen weiten politischen Gestaltungsspielraum.64 Allerdings könne die Rückwirkung mit anderen Verfassungsprinzipien wie der Rechtssicherheit in Konflikt treten.65 Die bestehende Rechtsordnung könne zwar nicht für die Ewigkeit festgeschrieben werden, die Rechtssicherheit schütze jedoch das berechtigte Vertrauen der Bürger gegenüber willkürlichen und unvorhersehbaren, rückwirkenden Änderungen in der Gesetzgebung.66 Die Verfassungsmäßigkeit einer rückwirkenden Norm sei im konkreten Einzelfall anhand der jeweiligen Umstände und des Grades der Rückwirkung zu beurteilen.67 Insgesamt nähert sich das Tribunal Constitucional auch bei der Kategorisierung rückwirkender Normen sehr der Rechtsprechung des BVerfG an. Es unterscheidet zwischen der eigentlichen Rückwirkung (auch Rückwirkung des höchsten Grades 62
Vgl. Hill/Pitschas, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, S. 135. Vgl. SSTC 126/187; 159/1990; 173/1996; 182/1997; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, S. 563. 64 Vgl. SSTC 150/1990; 182/1997. 65 Vgl. SSTC 126/1987; 173/1996; 182/1997. 66 Vgl. SSTC 126/1987; 150/1990; 182/1997; 234/2001. 67 Vgl. SSTC 126/1987; 150/1990; 197/1992; 173/1996; 182/1997; 234/2001; vgl. weitergehend Bacigalupo Saggese, DA 263 – 264 (2002), S. 105 ff. 63
C. Ökonomischer Vertrauensschutz
73
genannt) und der uneigentlichen Rückwirkung (auch Rückwirkung mittleren Grades genannt). Die Definition und die entsprechenden Kriterien für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze stimmen mit denen für die echte und unechte Rückwirkung nach deutschem Recht überein.68 Auch das Tribunal Supremo erkennt den weiten Gestaltungsspielraum sowie die vom Verfassungsgericht entwickelten Kriterien an. Mit dem Real Decreto 2351/2004 vom 23. Dezember 2004 hatte es eine Regelung zu beurteilen69, die die Berechnung der Subventionen für die Produktion elektrischer Energie zu Lasten der betroffenen Unternehmen abänderte. Laut Gericht sei die bisherige Regelung nicht gegen zukünftige Modifikationen abgesichert. Die Prinzipien der Rechtssicherheit und des berechtigten Vertrauens könnten keine unabänderliche Gesetzgebung garantieren. Zwar sei eine gewisse Stabilität der rechtlichen Rahmenbedingungen erforderlich. Die Investitionen der betroffenen Unternehmen müssten sich angesichts einer vernünftigen und vorhersehbaren Subventionierung rechnen können. Allerdings seien sich die Unternehmen auch bewusst, dass sie in einem in erheblicher Weise von Subventionierungen abhängigen Markt tätig werden. Angesichts der Knappheit öffentlicher Kassen hätten die Unternehmen auch mit den Risiken aus Änderungen in der Gesetzgebung entsprechend zu rechnen. In diesem Sinne widerspreche die neue Regelung nicht den Prinzipien der Rechtssicherheit und des berechtigten Vertrauens.70
II. Ökonomischer Vertrauensschutz und Aufhebung von Verwaltungsakten Im Verwaltungsrecht ist das Vertrauensschutzprinzip vor allem in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelt worden, der in diesem Bereich vorwiegend vom deutschen Recht inspiriert wurde.71 Zuletzt bezieht sich die spanische Lehre auch zunehmend direkt auf die deutsche Konzeption des Vertrauensschutzes.72 Wirtschaftlich relevant wird sie insbesondere bei der Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte.73 68 Vgl. SSTC 126/1987; 150/1990; 197/1992; 173/1996; 182/1997; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, S. 564; vgl. zum Ganzen Hernández Marín, El principio de irretroactividad, S. 3291 ff. 69 Vgl. STS vom 25. Oktober 2006 (RJ 2006/8824). 70 Vgl. auch Bacigalupo Saggese, Otrisí 6 (2011), S. 20 ff. 71 Vgl. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 114; Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 333, 351; Castillo Blanco, La protección de confianza en el derecho administrativo, S. 29 f. 72 Vgl. Castillo Blanco, La protección de confianza en el derecho administrativo, S. 129; García Luengo, El principio de la confianza en el derecho administrativo, S. 29. 73 Die Lehre von der Nichtigkeit und Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten, umgesetzt in Art. 62 und 63 des spanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, erinnert im Grundsatz nahezu übereinstimmend an die deutsche Ausgestaltung, vgl. Ley 30/1992 de Régimen Jurídico de las
74
§ 5 Wirtschaftsregulierung im Rechtsstaat
Art. 3 I des spanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (LPC) schreibt vor, dass die Verwaltung bei ihrem Handeln die Prinzipien von Treu und Glauben (buena fe) und des Schutzes berechtigten Vertrauens (confianza legítima) zu beachten habe. Nach Art. 106 LPC darf ein Verwaltungsakt nicht aufgehoben werden, wenn die Aufhebung den Grundsätzen der Gleichheit, von Treu und Glauben, den Rechten anderer oder den Gesetzen zuwiderläuft.74 Die spanische Literatur leitet den Vertrauensschutz aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit her75 und verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Werke von Ossenbühl und Blanke76. Anders als nach §§ 48, 49 VwVfG verfügt das LPC über keine entsprechend differenzierte Ausgestaltung der Aufhebungsvoraussetzungen für begünstigende Verwaltungsakte. Die Rechtsprechung hat grundlegende Kriterien für die Aufhebung bisher nur rudimentär festgelegt. So verstärke eine im Vertrauen auf behördliches Handeln vorgenommene Investition den Schutz des berechtigten Vertrauens bei der Entscheidung über die Aufhebung der Begünstigung.77 Das berechtigte Vertrauen sei hingegen dann nicht schutzwürdig, wenn der Bürger durch irreführende oder falsche Informationen zu der begünstigenden Entscheidung der Verwaltung beigetragen habe.78 Vielmehr werde sein Vertrauen nur geschützt, wenn der Bürger zuvor seine Sorgfaltspflichten beachtet hat, deren Reichweite sich nach der Komplexität der Materie und nach den Umständen des konkreten Einzelfalls bestimme.79 In der Literatur wird hinsichtlich der Voraussetzungen teilweise wie im deutschen Recht danach unterschieden, ob es sich um die Rücknahme eines rechtswidrigen oder den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts handelt. Bei der Rücknahme rechtwidriger Verwaltungsakte kommen die Kriterien denen des § 48 II Nr. 1 – 3 VwVfG sehr nah.80 Allerdings wird bei der Entscheidung über die Rücknahme eine Abwägung des berechtigten Vertrauens mit dem öffentlichen InAdministraciones Públicas y del Procedimiento Administrativo Común vom 26. November 1992; Santamaría Pastor, La nulidad de pleno derecho de los actos administrativos, S. 223. 74 Vgl. auch von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 114; Hill/Pitschas, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, S. 127, 138; zu Bestandskraft und Vertrauensschutz von Entscheidungen im spanischen Verwaltungsrecht vgl. Díez Sastre/Weyand, Verwaltungsrecht in Spanien, S. 280 ff.; in der spanischen Literatur vgl. näher zum Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht García de Enterría/Fernández, Curso de derecho administrativo, Bd. I; Gonzáles/ Gonzáles, Comentarios a la Ley de Régimen Jurídico de las Administraciones Públicas y del Procedimiento Administrativo Común, Art. 106 LPC. 75 Vgl. Parejo Alfonso, Derecho Administrativo, S. 692; Präambel des Ley 4/1999 vom 13. Januar 1999 zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes. 76 Vgl. Bocanegra, Lecciones sobre el acto administrativo, S. 237 f. mit Verweis auf Ossenbühl, Die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte, und Blanke, Vertrauensschutz im deutschen und europäischen Verwaltungsrecht. 77 Vgl. STS vom 1. Februar 1990, Az. 1258 und vom 31. März 1998, Az. 3082. 78 Vgl. STS vom 15. Januar 1999, Az. 269. 79 Vgl. STS vom 17. Februar 1997, Az. 1147 und vom 24. September 1996, Az. 6855. 80 Vgl. Bocanegra, Lecciones sobre el acto administrativo, S. 239 f.
C. Ökonomischer Vertrauensschutz
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teresse abgelehnt. Hierdurch würde nicht nur die Rechtssicherheit nachteilig berührt. Auch könne der verfassungsrechtlich explizit verankerte Schutz des berechtigten Vertrauens nicht durch das bloße öffentliche Interesse aufgehoben werden. In der Abwägung wird zudem ein Risiko für willkürliche Entscheidungen gesehen.81 Diese Ansicht spricht auf den ersten Blick für einen eingeschränkten Prüfungsumfang der Verwaltung bei der Entscheidung über die Rücknahme rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakte und damit für eine höhere Rechtssicherheit. Gleichzeit scheint dem Prinzip des Vertrauensschutzes gegenüber der deutschen Konzeption ein höheres Gewicht verliehen zu werden. Nach der deutschen Konzeption kommt es hingegen zu Widersprüchen. Während § 48 II VwVfG das Ergebnis der Abwägung zwischen Vertrauensschutz und öffentlichem Interesse dem konkreten Einzelfall vorbehält und § 48 III VwVfG den Bestandsschutz gegenüber der Ersetzung des Wertinteresses in den Hintergrund treten lässt, tendiert die Rechtsprechung zunehmend zur Stärkung des Bestandsschutzes.82 Vor diesem Hintergrund scheint die spanische Konzeption einen konsequenteren Weg einzuschlagen. Auf den zweiten Blick ist jedoch fraglich, welcher Mehrwert durch die spanische Konzeption erreicht wird. Zwar wird das Prinzip des Vertrauensschutzes insofern gestärkt, als dass eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse nicht zu erfolgen hat. Allerdings richtet sich die Beurteilung des berechtigten Vertrauens selbst laut spanischer Rechtsprechung nach den Umständen des konkreten Einzelfalles und enthält somit ebenfalls entsprechende Wertungen. So kann beispielsweise das Vertrauen auf die – letztlich rechtwidrige – Genehmigung des Betriebs eines Atomkraftwerkes nicht losgelöst vom besonderen öffentlichen Interesse an sicheren Lebensverhältnissen betrachtet werden. Durch dieses öffentliche Interesse wird die Berechtigung des Vertrauens selbst wesentlich beeinflusst. Zudem ist zweifelhaft, warum die Abwägung zwischen Vertrauensschutz und öffentlichem Interesse das Risiko willkürlicher Entscheidungen in sich bergen soll. Sowohl nach deutschem als auch nach spanischem Recht unterliegt die Abwägung der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Beurteilungsspielräume zugunsten der Verwaltung ergeben sich insoweit nicht. Vor diesem Hintergrund vermag dieses Argument nicht zu überzeugen. Allerdings wird zumindest vordergründig das Prinzip des berechtigten Vertrauens gestärkt und eine Argumentationshilfe dafür geschaffen, um zumindest in Zweifelsfällen dem Bestandsschutz den Vorrang einzuräumen. Auch die Kriterien für den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts sind mit den Prinzipien des § 49 II, III VwVfG vergleichbar. Der Schutz des berechtigten Vertrauens schließe im Grundsatz den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte aus. Ausnahmen seien nur dann zu machen, wenn das Vertrauen nicht schutzwürdig sei. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn der Empfänger einer Subvention nicht den Zweck verfolgt, der mit ihrer Zuwendung beabsichtigt gewesen sei. Zudem sei 81 82
Vgl. ders., S. 240. Vgl. hierzu oben § 2 B. III.
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§ 5 Wirtschaftsregulierung im Rechtsstaat
das Prinzip des Vertrauensschutzes dann nicht anwendbar, wenn die Verwaltung im Gegenzug für den Widerruf eine geldwerte Entschädigung vorsehe. Durch die Entschädigung werde nämlich die bestehende Rechtsposition nicht aufgehoben, sondern lediglich in die Erfüllung des Wertinteresses umgewandelt. Bestehende Rechtspositionen dürften ohne Rücksicht auf das Vertrauensschutzprinzip jedoch nur dann enteignet werden, wenn die bestehende Rechtposition in Geld messbar sei. Der Widerruf in Verbindung mit einer Entschädigung komme daher nicht für den Widerruf eines akademischen Titels oder der Staatsbürgerschaft in Frage.83 Mit dieser Auslegung werden die Probleme vermieden, die sich bei der wortlautgetreuen Anwendung des § 48 III VwVfG ergeben. Nach § 48 III VwVfG kann ein nicht auf Geldleistung oder teilbare Sachleistung bezogener Verwaltungsakt grundsätzlich (ohne qualifizierte Anforderungen) aufgehoben und im Falle eines schutzwürdigen Vertrauens eine Entschädigung gewährleistet werden. Eine solche Vorgehensweise hat gerade bei der Entziehung der Staatsbürgerschaft nur wenig Sinn, da insbesondere hier kein Wertinteresse, sondern lediglich Bestandsinteresse besteht. Die spanische Konzeption führt hier zu eindeutigeren und konsequenteren Ergebnissen.
D. Verhältnismäßigkeitsprinzip Auch in der spanischen Verfassung ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht ausdrücklich verankert.84 Als allgemeiner Rechtsgrundsatz wird es jedoch aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Willkürverbot abgeleitet85, welches unabhängig vom Gleichheitsgebot in Art. 9 III CE geregelt ist. Zudem wird es auf die Lehre von den Grundrechtsschranken gestützt. Die Grundrechte dürfen danach von den öffentlichen Gewalten nur soweit beschränkt werden, als es zum Schutz der öffentlichen Interessen und der Rechte Dritter unerlässlich ist.86 Zunächst war der praktische Anwendungsbereich des Prinzips im Wesentlichen auf das Straf- und Sanktionsrecht87, die Gefahrenabwehr und das Disziplinarwesen88 beschränkt.89 Inzwischen ist das 83
Vgl. Bocanegra, Lecciones sobre el acto administrativo, S. 241. Den einzigen expliziten verfassungsrechtlichen Ausdruck findet das Verhältnismäßigkeitsprinzip in Art. 17.2 CE bei der vorläufigen Festnahme. 85 Vgl. Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 333, 350; Martínez Soria, Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien, S. 290; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 190. 86 Vgl. Bacigalupo/Velasco, Die Verwaltung 36 (2003), S. 333, 350; Barnés, El principio de proporcionalidad, CDP 5 (1998), S. 15, 19 f.; Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 243 ff.; vgl. auch die Ähnlichkeit zur deutschen Konzeption mit BVerfGE 19, 242, 384 f.; 61, 126, 134; 107, 299, 316 ff. 87 Vgl. García de Enterría/Fernández, Curso de Derecho Administrativo, Bd. II, S. 181 f.; vgl. auch STS vom 8. Juli 1989 (Az. 5592); STS vom 13. Oktober 1989 (Az. 8386); STS vom 18. April 1990 (Az. 3601); STS vom 16. Mai 1990 (Az. 4167). 88 Vgl. Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 132. 84
D. Verhältnismäßigkeitsprinzip
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Verhältnismäßigkeitsprinzip Hauptinstrument der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Verwaltung geworden90 und findet in den verschiedensten Bereichen des Verwaltungsrechts Anwendung91. Im Wirtschaftsverwaltungsrecht wird es besonders dann relevant, wenn es um die Begrenzung der wirtschaftsrelevanten Grundrechte oder um das Sanktionswesen geht.92 Die dogmatische Entwicklung des Grundsatzes ist dabei unter besonderem Einfluss des deutschen Verfassungsrechts erfolgt.93 Über einen großen Zeitraum hinweg fehlte es bei der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung jedoch an einer einheitlichen Terminologie. Zumeist wurde die Verhältnismäßigkeit lediglich als Angemessenheit, somit als Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, definiert.94 Das aus dem deutschen Recht bekannte Verständnis der Verhältnismäßigkeit als dreistufige Abfolge von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit kam durch das Verfassungsgericht erstmals in den 90er Jahren zum Ausdruck. Seitdem ist diese Dogmatik immer wieder bestätigt worden.95 In seinem Urteil vom 3. März 200596 hatte das Verfassungsgericht über die Verhältnismäßigkeit einer Enteignung von Grundstücken auf der Grundlage eines Einzelfallgesetzes zu entscheiden. Das Gesetz sollte dem Zweck dienen, den parlamentarischen Sitz der Kanarischen Inseln zu erweitern. Das Verfassungsgericht verweist auf seinen Prüfungsmaßstab und stellt fest, dass das Einzelfallgesetz geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein müsse. Hinsichtlich des letzteren Kriteriums verlangt es eine Abwägung der verfolgten Zwecks mit dem öffentlichen Interesse und den Auswirkungen auf andere Verfassungsgüter und die Interessen Dritter. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist ein stetiger Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit von Eingriffen in die wirtschaftlich relevanten Grundrechte. Die Gewichtung der jeweiligen Interessen bleibt den Umständen des konkreten Einzelfalls vorbehalten.97
89 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip zählt auch nicht zu den Grundprinzipien des Verwaltungsverfahrens, wie sie in Art. 3 Ley 30/1992 niedergeschrieben sind. 90 Vgl. Barnés, CDP 5 (1998), S. 15, 22. 91 Vgl. Koch; Der Gundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 132 f.; Martínez Soria, Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien, S. 290; Hill/Pitschas, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, S. 127, 137. 92 Vgl. Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 1, S. 30. 93 Vgl. Pedraz Penalva, CJP, 1990, S. 347 ff.; Camino Vidal Fueyo, ADCL 2 (2005), S. 427, 441 ff. 94 Vgl. SSTC 3/1983; 104/1978; 50/1995; Barnés, RAP 135 (1994), S. 495, 532 f.; Koch, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 133 ff. 95 Vgl. SSTC 66/1995; 48/2005; 70/2002; Medina Guerrero, CDP 5 (1998), S. 119, 121 ff. 96 Vgl. STC 48/2005. 97 Vgl. näher zu der Gewichtung der jeweiligen Interessen insbesondere unten in § 9 (Eigentumsfreiheit), § 10 (Berufsfreiheit) und § 11 (Unternehmensfreiheit).
§ 6 Wirtschaft und Sozialstaat Art. 1 I CE weist erhebliche Ähnlichkeit zu Art. 20 I GG auf, indem beide Verfassungen von der Struktur eines sozialen und demokratischen Rechtsstaates ausgehen. Bis auf wenige weitere Ausnahmen lässt es das Grundgesetz mit dem Sozialbezug auf sich bewenden, sodass der Legislative und dem BVerfG bei der Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips wesentliche Rollen zukommen.1 Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Roman Herzog bezeichnet das als unbestimmte Generalklausel ausgestaltete Sozialstaatsprinzip als das umstrittenste verfassungsrechtliche Prinzip der gesamten politischen Landschaft der Bundesrepublik, dessen inhaltliche Konkretisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit die größten Schwierigkeiten bereite.2 Im Hinblick auf die Bedeutung dieses Prinzips für das Wirtschaftsleben ist Ballerstedt der Auffassung, dass eine freiheitliche soziale Wirtschaftsverfassung die Erfüllung des Sozialstaatsgebotes in der Wirtschaftsordnung sei.3 Wirtschaft und Sozialstaat lassen sich kaum voneinander trennen, da der Sozialstaat nach dem Verständnis des Grundgesetzes eine wesentliche Voraussetzung für ein gesundes und ausgeglichenes Wirtschaftsleben darstellt. Während das Prinzip im Grundgesetz als nicht wesentlich detaillierte Blankettnorm ausgestaltet ist4, findet sich in der spanischen Verfassung eine umfassende Reihe an Bezugsnormen. Allen voran stehen in diesem Zusammenhang die sogenannten sozialen Grundrechte sowie die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik, die außer dem Recht auf Arbeit in Art. 35 CE zuvörderst im Titel I der Verfassung (Art. 39 bis 52 CE) verankert sind. Hierzu gehören insbesondere der Verbraucherschutz (Art. 51 CE), das Sozialversicherungssystem (Art. 41 CE) sowie das in Art. 40 CE näher konkretisierte wirtschaftliche Gleichgewicht.5 Angesichts dieser einerseits lakonischen, andererseits beredten Ausgestaltung der jeweiligen Wirtschafts- und Sozialverfassung stellt sich für die Optimierung des deutschen Wirtschaftsverfassungsrechts die entscheidende Frage, welche Vorteile 1
Vgl. oben § 2 C. Vgl. Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 20 VIII, Rn. 1. 3 Vgl. Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 1, 50 f.; zum Verhältnis Wirtschaftsordnung-Sozialstaatsprinzip im deutschen Recht vgl. Schwark, Antrittsvorlesung, S. 1 ff. 4 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 914. 5 Vgl. zur Konkretiesierung des Art. 1 I CE durch die jeweiligen sozialen Grundrechte und Leitprinzipien SSTC 6/1981; 19/1982; 81/1982; 98/1983; 83/1984; Sánchez Agesta, Sistema político de la Constitución Española de 1978, S. 102; Aparicio Pérez, Introducción al sistema político y constitucional español, S. 96 f.; Garrorena Morales, El Estado español como Estado social y democrático de Derecho, S. 76; Fernández-Miranda Campoamor, REDC 69 (2003), S. 173. 2
A. Rechtliche Effektivität der Leitprinzipien
79
oder Nachteile die spanische Ausgestaltung mit sich bringt. Dementsprechend wird der Reihe nach auf die rechtliche Effektivität der Leitprinzipien (A.) und sozialen Grundrechte (B.), auf die Frage, ob durch eine beredte Ausgestaltung ein höherer rechtlicher Sozialstandard gewährleistet wird (C.), auf die durch die Realität gesetzten Grenzen des Wirtschafts- und Sozialstandards (D.), auf die Gewichtung der sozialen Rechte bei der Abwägung mit individuellen Freiheitsgrundrechte (E.), auf die Rolle der Leitprinzipien als Interpretationsmaßstab (F.) sowie auf die Auswirkung auf die Rechtssicherheit (G.) eingegangen. Die Weite des politischen Gestaltungsspielraumes soll insbesondere im Zusammenhang mit dem Prinzip des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (H.) beleuchtet werden.
A. Rechtliche Effektivität der Leitprinzipien Art. 20 I GG verleiht keine unmittelbaren subjektiven Rechte6, sondern richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, der den sozialen Standard innerhalb der vom BVerfG gesetzten Grenzen7 auszugestalten hat. Trotz einer auf den ersten Blick abweichenden Ausgestaltung gilt dieser Grundsatz auch für das spanische Verfassungsrecht: Die Grundrechte und Grundpflichten (Titel I) werden mit den Grundrechten und öffentlichen Freiheiten (Art. 10 bis 29 CE), den Rechten und Pflichten der Bürger (Art. 30 bis 38 CE) und den Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik (Art. 39 bis 52 CE) in drei Gruppen eingeteilt, die einen in vorbezeichneter Reihenfolge abgestuften Rechtsschutz erfahren. Insbesondere die wirtschaftlichen und sozialen Rechte sind innerhalb der Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik (sogenannte Orientierungsgrundrechte) geregelt und grenzen sich deutlich von den klassischen Freiheitsrechten der westlichen Verfassungsmodelle ab.8 Trotz ihrer teilweisen subjektiven Formulierung, ihrer Ausrichtung auf den Schutz einzelner Bürger oder Gruppen und ihrer Verortung im Titel I als sogenannte soziale Grund6
Teilweise wird die Rechtsprechung (insbesondere BVerwGE 1, 159 ff.) in dogmatisch nicht ganz differenzierter Weise dahingehend verstanden, dass aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG selbst ein unmittelbares subjektives Recht auf Gewährleistung eines Existenzminimums abgleitet wird. Dabei wird jedoch nicht immer berücksichtigt, dass die Bestimmung der Höhe des Existenzminimums nicht dem BVerfG, sondern – wie generell Art. 20 I GG – vielmehr der konkretisierenden Ausgestaltung des Gesetzgebers unterliegt. 7 Vgl. unter zahlreichen anderen Entscheidungen nur BVerfGE 82, 80 ff.; 1, 97, 105; 50, 57, 108 (Existenzminimum); BVerfGE 29, 402 ff. (steuerliche Regelungen zum Konjunkturzuschlag); BVerfGE 26, 7 ff. (Objektsteuer); BVerfGE 13, 259 (Differenzierung nach Grad der sozialen Schutzbedürftigkeit bei Leistungen des Staates); BVerfGE 12, 354, 363 ff. („Volkswagengesetz“ mit Regelung zugunsten einkommensschwacher Schichten); BVerfGE 8, 274, 329 (Sozialstaatsprinzip im Preisgesetz); BVerfGE 14, 263, 286 (Expropriierung von Kleinaktionären); BVerfGE 87, 153, 170 f. (Steuerfreiheit des erarbeiteten Existenzminimums, allerdings ebenfalls unter Bezugnahme auf Art. 2, 6, 12, 14 GG). 8 Vgl. Polakiewicz, ZaöRV 54 (1994), S. 351.
80
§ 6 Wirtschaft und Sozialstaat
rechte gewähren sie keine gerichtlich unmittelbar durchsetzbaren Rechte. Auch der auf die anderen beiden Grundrechtsgruppen gem. Art. 53 I CE anwendbare Gesetzesvorbehalt und die Wesensgehaltsgarantie bleibt diesen vorenthalten. Die Reichweite des Rechtsschutzes der sozialen Grundrechte ist in Art. 53 III CE geregelt. Hiernach liegen die Anerkennung und Achtung sowie ihr Schutz insbesondere der einfachen Gesetzgebung zugrunde. Sie können vor den Gerichten lediglich nach Maßgabe der sie konkretisierenden Gesetze geltend gemacht werden. Trotz des durch Art. 53 III CE erheblich eingeschränkten Schutzniveaus ist sich die herrschende Lehre einig, dass es sich bei den Leitprinzipien um echte Rechtsnormen mit verbindlichem Charakter handelt.9 Nach Art. 9 I CE seien alle Organe der öffentlichen Gewalt an die Verfassung und damit auch an die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik gebunden. Art. 53 III CE dürfe nicht so verstanden werden, dass die Inhalte der Leitprinzipien nur dann eine verbindliche Richtschnur für die Rechtsprechung darstellten, wenn ein einfaches Gesetz dies ausdrücklich vorsehe. Zum Ausdruck solle vielmehr gebracht werden, dass durch die Verfassung selbst keine subjektiven Rechte für den Bürger begründet würden, die dieser vor den Gerichten geltend machen könnte. Eine subjektive Rechtsposition könne nur durch einfaches Gesetz eingeräumt werden. Unberührt bleibe aber die verfassungsrechtliche Verbindlichkeit, die zumindest im Wege einer Normenkontrolle durchgesetzt werden könne. Diesbezügliche Anhaltspunkte liefert auch der Verfassungsvorentwurf zu Art. 53 III CE im Anteproyecto Constitucional, der ausdrücklich festlegt, dass die Leitprinzipien nicht direkt als subjektive Rechte vor den Gerichten eingeklagt werden können. Auch das spanische Verfassungsgericht bekräftigt seit jeher die verbindliche Wirkung sämtlicher Verfassungsnormen.10 Bei ihnen handele es sich um in vollem Umfang unmittelbar anwendbares Recht, das für seine Verbindlichkeit keiner weiteren Ausgestaltung oder Konkretisierung des Gesetzgebers bedürfe.11 Die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik bezeichnet das Verfassungsgericht durchgehend als verbindliche Verfassungsaufträge (mandatos constitucionales).12 Adressat der Leitprinzipien sei in erster Linie der Gesetzgeber, der die Pflicht habe, alle zur effektiven Gewährleistung der wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.13 Aber auch die Verwaltung habe bei ihren Entscheidungen die Inhalte der Leitprinzipien gem. Art. 103 I CE zu berücksichti9
Vgl. Prieto Sanchís, Estudios sobre derechos fundamentales, S. 193 ff.; Rubio Llorente, La Constitución Española y las Fuentes del Derecho, S. 68; de Esteban/Lòpez Guerra, El Régimen Constitucional Español, Bd. I, S. 344 ff. 10 Vgl. ständige Rechtsprechung seit SSTC 4/1981; 15/1982; 16/1982; 77/1982; 80/1982. 11 Vgl. SSTC 15/1982; 16/1982. 12 Vgl. SSTC 31/1984; 83/1984; 86/1985; 45/1989; 113/1989; 210/1990. 13 Vgl. Carmona Cuenca, REP 76 (1992), S. 103, 118; diese Pflichten sollten jedoch nicht mit den aus dem Grundgesetz bekannten Schutzpflichten gleichgesetzt werden, da diese häufig mit unmittelbaren subjektiven Rechtspositionen verbunden werden, die nach der spanischen Verfassung gerade nicht bestehen.
A. Rechtliche Effektivität der Leitprinzipien
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gen, so beispielsweise bei der Verteilung des Steueraufkommens (Art. 31 II CE) und der Verwendung der Haushaltsmittel (Art. 134 I CE).14 Wie bereits festgestellt, ist das Normenkontrollverfahren auch auf die Kontrolle der Befolgung von Leitprinzipien anwendbar.15 So hat das Verfassungsgericht die Begrenzung der Rentenhöhe durch das Haushaltsgesetz auch anhand Art. 50 CE (Schutz der Rentner)16 bzw. die Verfassungsmäßigkeit des Sozialversicherungssystems anhand Art. 41 CE geprüft17. Eine andere Frage ist, welche Kontrolldichte diese gerichtliche Überprüfung hat. Hierzu stellt das Verfassungsgericht fest, dass dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen sei. Dieser unmittelbar demokratisch legitimierte politische Gestaltungsspielraum dürfe nicht durch die Judikative eingeschränkt werden. Für die Justiziabilität der gesetzgeberischen Ausgestaltung von Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik bedeutet dies, dass die Gesetze zwar der verfassungsrechtlichen Kontrolle unterworfen sind, diese im Einzelfall jedoch sehr beschränkt sein kann.18 Im Falle des Sozialversicherungssystems nach Art. 41 CE hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass nur ein Minimum an sozialversicherungsrechtlichen Leistungen für jeden Bürger garantiert sein müsse.19 Teilweise wird in der Literatur in diesem Zusammenhang von institutionellen Garantien20 gesprochen, in der Weise, dass die Leitprinzipien unabhängig von ihrer dogmatischen Verortung eine Kontrolle für die Einhaltung von Mindeststandards darstellen, wie etwa die Existenz eines öffentlichen Gesundheitswesens und einer gesetzlichen Sozialversicherung.21 Die Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle leitet das Verfassungsgericht teils aus der verfassungstextlichen Formulierung, teils aus der systematischen Verortung der Leitprinzipien her: Nur selten enthalten sie ihrem Wortlaut nach unmittelbar vollziehbare Gebote. In den meisten Fällen geben sie lediglich Richtlinien und Grundsätze staatlichen Handelns an. Aus den eher vage gefassten und in weiten Teilen interpretationsbedürftigen Leitprinzipien ergeben sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts keine verbindlichen Verfassungsgebote hinsichtlich 14 Vgl. Cobreros Mendazona, RVAP 19 (1987), S. 27, 55 ff.; Prieto Sanchís, Estudios sobre derechos fundamentales, S. 197. 15 Vgl. Prieto Sanchís, Estudios sobre derechos fundamentales, S. 194; Ull Pont, Conflicto entre derechos personales y derechos sociales, S. 1960; bei der Normenkontrolle handelt es sich wie im deutschen Verfassungsrecht sowohl in abstrakter als auch in konkreter Hinsicht um ein objektives Beanstandungsverfahren, welches nicht vom einzelnen Bürger beantragt werden kann; STC 45/1989; Carmona Cuenca, REP 76 (1992), S. 103, 119. 16 Vgl. STC 134/1987. 17 Vgl. STC 103/1983. 18 Vgl. de Otto, Derecho constitucional – Sistema de fuentes, S. 48. 19 Vgl. Prieto Sanchís, Estudios sobre derechos fundamentales, S. 195 f.; STC 103/1983. 20 Vgl. Cámara Villar/Cano Bueso, Estudios sobre el Estado social, S. 103; Cossio Díaz, Estado social y derechos de prestación, S. 281 ff. 21 Vgl. Cámara Villar/Cano Bueso, Estudios sobre el Estado social, S. 98, 103 ff.; STC 32/ 1981.
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§ 6 Wirtschaft und Sozialstaat
konkreter gesetzgeberischer Maßnahmen.22 Dementsprechend ist die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Leitprinzipien im Wesentlichen auf evidente Verstöße begrenzt.23 Die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik stehen ihrer rechtlichen Effektivität nach dem in Art. 20 I GG verankerten Sozialstaatsprinzip näher, als auf den ersten Blick angenommen. Auch nach deutschem Recht bedarf es der weiteren Konkretisierung durch den Gesetzgeber, auch im Hinblick auf die Verschaffung konkreter subjektiver Rechtspositionen. Die verfassungsrechtliche Kontrolle anhand des Art. 20 I GG respektiert ebenfalls das Prinzip der Gewaltenteilung und beschränkt sich im Grundsatz auf die Kontrolle evidenter Verstöße.24 Die Beschränkung auf die Kontrolle evidenter Verfassungsverstöße kommt insbesondere auch bei der Beurteilung gesetzgeberischen Unterlassens zum Tragen. Ähnlich wie bei der Justiziabilität bereits erfolgter gesetzgeberischer Maßnahmen stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten die Gerichte haben, wenn der Gesetzgeber die Umsetzung sozialer und wirtschaftlicher Verfassungsaufträge unterlassen hat. Ein Verstoß gegen Handlungspflichten aufgrund von gesetzgeberischem Unterlassen schließt das Verfassungsgericht nicht grundsätzlich aus. Ein solcher Verstoß komme in Betracht, wenn die Verfassung dem Gesetzgeber die Notwendigkeit auferlege, Normen zur Entwicklung der Verfassung zu erlassen und der Gesetzgeber diesem Gebot nicht nachkomme.25 Trotz der Bezeichnung der Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik als Verfassungsaufträge hält das Verfassungsgericht ein verfassungswidriges Unterlassen hinsichtlich der Entwicklung dieser Normen aufgrund ihrer Rechtsnatur nur in seltensten Ausnahmefällen für denkbar. Hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle bringt das Verfassungsgericht seine Ansicht besonders deutlich in einem Urteil zur Ehegattenbesteuerung26 zum Ausdruck: „… die Natur der Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik, die in Kapitel III des Titel I unserer Verfassung aufgeführt sind, lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass eine Gesetzesnorm wegen Unterlassens als verfassungswidrig angesehen wird, das heißt weil sie isoliert betrachtet das an die öffentlichen Gewalten und insbesondere an den Gesetzgeber gerichtete Gebot nicht beachtet, in denen sich im allgemeinen jedes dieser Prinzipien konkretisiert. Es ist nicht auszuschließen, dass die Verbindung zwischen einem dieser 22 Vgl. STC 127/1987 (Festlegung sozialversicherungsrechtlicher Leistungen); STC 70/ 1991 (Sozialversicherung); STC 222/1992 (Familie). 23 Vgl. de Otto, Derecho constitucional – Sistema de fuentes, S. 48. 24 Es ist jedoch zunehmend zu beobachten, dass die Verfassungsgerichte von dieser selbstauferlegten Zurückhaltung abweichen. In manchen Fällen profilieren sie sich bei der Interpretation verfassungsrechtlich vage ausgestalteter sozialer Gebote als Ersatzgesetzgeber, indem sie teils sehr detaillierte Vorgaben zur Gestaltung des Sozialsystems angeben. Die Auswirkungen eines solchen „Richterrechts“ auf die Rechtssicherheit in beiden Ländern bleibt für F. zu untersuchen. 25 Vgl. STC 24/1982; 74/1987; 87/1989. 26 Vgl. STC 45/1989.
A. Rechtliche Effektivität der Leitprinzipien
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Prinzipien und den Grundrechten (…) eine Prüfung dieser Art ermöglicht (…), oder, vor allem, dass das Leitprinzip als ein Kriterium benutzt wird, um über die Verfassungsmäßigkeit einer positiven Handlung des Gesetzgebers zu entscheiden, wenn diese sich als eine Norm mit erheblichen Auswirkungen auf die von der Verfassung geschützte Einrichtung darstellt.“
Zu weiteren Auswirkungen dieser Feststellungen im konkreten Fall kam es nicht, da die Ehegattenbesteuerung nicht lediglich wegen gesetzgeberischen Unterlassens in Frage stand. Vielmehr stand insbesondere die Kontrolle positiver Handlungen des Gesetzgebers anhand des höherrangigen Gleichheitssatzes im Fokus der Untersuchung. Allerdings findet sich in diesem Urteil ein Hinweis darauf, dass das Verfassungsgericht die Leitprinzipien trotz der gemeinsamen Fassung unter Titel I (Grundrechte und -freiheiten) nicht als Grundrechte im traditionell rechtlichen Sinne (derechos fundamentales) ansieht. Das Gericht erwägt jedoch die Möglichkeit, dass auch die Leitprinzipien den gerichtlich weiterreichenden Schutz dieser traditionellen Grundrechte genießen, wenn sie mit ihnen in Verbindung stehen. Ein Beispiel hierfür wäre die Regelung der Rechte von Verbraucherschutzvereinigungen, die neben dem Leitprinzip des Art. 51 CE untrennbar auch das mit dem weitestreichenden Rechtsschutz ausgestattete Vereinigungsrecht (Art. 22 CE) betreffen. In diesem Falle käme sogar eine individuelle Verfassungsbeschwerde aufgrund der Verletzung subjektiver Rechte in Betracht (Art. 53 II CE), in deren Rahmen das Verfassungsgericht einen Verstoß gegen die Leitprinzipien des dritten Kapitels mit prüft. Unabhängig von dieser Möglichkeit der mit anderen Grundrechten verbundenen Kontrolle durch das Verfassungsgericht ist eine Verfassungswidrigkeit aufgrund unterlassener bzw. aus Sicht des Antragstellers nicht richtig erfolgter Umsetzung und damit ein Verstoß gegen die im dritten Kapitel niedergelegten Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik außerhalb der Verletzung von Minimalstandards kaum denkbar.27 Wie im deutschen Recht wird auch in Spanien zwischen absolutem und relativem Unterlassen unterschieden.28 Während bei einem relativen Unterlassen der Hauptgesichtspunkt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung auf einem Verstoß gegen den Gleichheitsgedanken aus Art. 14 CE und Art. 9 II CE liegt29, gestaltet sich die Überprüfung der Verfassungswidrigkeit aufgrund absoluten Unterlassens aus oben genannten Gründen schwierig.30 Die Beurteilung der politischen Rechtsgestaltung unterliegt in erster Linie dem Volk, das durch die Wahlen direkten Einfluss auf die
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Vgl. auch STC 32/1983 (Existenz eines öffentlichen Gesundheitswesens); STC 103/1983 (Sozialversicherung). 28 Vgl. Figueruelo Burrieza, REP 81 (1993), S. 47, 67. 29 Vgl. STC 45/1989; Cobreros Mendazona, RVAP 19 (1987), S. 27, 42 f. 30 Vgl. Figueruelo Burrieza, REP 81 (1993), S. 47, 68; Prieto Sanchís, Estudios sobre derechos fundamentales, S. 198.
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politischen Kräfteverhältnisse und Inhalte nehmen kann.31 Weitere Möglichkeiten der Einflussnahme auf eine bestimmte Gesetzgebung stellen das in Art. 29 CE verbürgte Petitionsrecht und die gesetzgeberische Volksinitiative nach Art. 87 III CE dar.32 Weiterhin existiert das Institut des Volksverteidigers (Defensor del Pueblo), ein Ombudsmann, der in seinen jährlichen Berichterstattungen an das Parlament die Untätigkeit des Gesetzgebers anmahnen kann.33 Schließlich kann das Verfassungsgericht – allerdings in ihrer Wirkung unverbindliche – Empfehlungen an den Gesetzgeber aussprechen.34
B. Rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte und -pflichten außerhalb des Kapitels der Leitprinzipien Neben der klassischen Berufsfreiheit sieht die spanische Verfassung in Art. 35 I CE mit dem Recht auf Arbeit, der Pflicht zu arbeiten, dem Recht auf berufliches Fortkommen und auf ausreichende Vergütung solche sozialen Grundrechte vor, die dem Grundgesetz in dieser konkreten Art fremd sind. Zu berücksichtigen ist hier, dass Art. 35 CE unter die zweite Grundrechtsgruppierung fällt und die vorgenannten Rechte mithin nicht ohne weiteres als bloße Orientierungsgrundrechte eingestuft werden können.
I. Recht auf Arbeit Das Recht auf Arbeit (derecho al trabajo) wirft dann Probleme auf, wenn man es – wie der Wortlaut vermuten lässt – als subjektives Recht auf Verschaffung eines Arbeitsplatzes auffasst. Zwar verbietet sich aufgrund seiner systematischen Stellung die Interpretation als rein objektives Verfassungsprinzip, welches die öffentliche Gewalt zur Vollbeschäftigungspolitik veranlasst.35 Aber auch eine subjektive wortlautgetreue Auslegung stößt angesichts der angespannten Arbeitsmarktlage auf die Grenzen des faktisch Möglichen.36 Wollte das Recht auf Verschaffung eines Arbeitsplatzes realisierbar sein, dürfte die Verfassung selbst nicht von dem Bestehen von Arbeitslosigkeit ausgehen. Das Gegenteil ist der Fall. Bereits Art. 41 CE spricht von einem Sozialversicherungssystem, das insbesondere bei Arbeitslosigkeit aus31
Vgl. Cobreros Mendazona, RVAP 19 (1987), S. 27, 48. Vgl. Cobreros Mendazona, RVAP 19 (1987), S. 27, 49. 33 Vgl. Bernecker, Spanien-Lexikon, S. 128. 34 Vgl. Figueruelo Burrieza, REP 81 (1993), S. 47, 70. 35 Diese Funktion wird ja zudem bereits durch Art. 40 I CE erfüllt, vgl. auch unten § 6 H. II. 36 Vgl. Alarcón Caracuel, RPS 121 (1979), S. 5, 33; Aparicio Pérez, El Estado social en la jurisprudencia del Tribunal Constitucional, S. 47, 57. 32
B. Rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte und -pflichten
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reichenden Beistand und soziale Leistungen gewährleisten muss. Zudem würde ein unbedingtes Recht auf Arbeit wohl mit der Unternehmensfreiheit anderer Marktteilnehmer, insbesondere möglicher Arbeitgeber kollidieren.37 Die Dogmatik des Rechts auf Arbeit hat das TC im Wesentlichen anhand seiner Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit der Herabsetzung des Renteneintrittsalters bestimmt.38 Das Recht auf Arbeit erübrige sich nicht allein mit der Freiheit zu arbeiten. Vielmehr sei hierunter in der Tat das Recht auf einen Arbeitsplatz zu verstehen. Dabei sei das kollektive Verständnis im Sinne einer Vollbeschäftigungspolitik von Art. 40 I CE gedeckt. In individueller Hinsicht konkretisiere Art. 35 I CE das Recht auf Arbeit als gleiches Recht aller auf einen konkreten Arbeitsplatz, soweit die notwendigen Befähigungserfordernisse erfüllt seien. Zudem umfasse es ein Recht auf Kontinuität in der Beschäftigung. Hieraus folge das Verbot der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne entsprechende Rechtfertigung.39 Aus dem Kontext ergibt sich, dass sich das subjektive Recht auf einen bestimmten Arbeitsplatz unter den zuvor genannten Voraussetzungen nur auf die vorhandenen, durch die Vollbeschäftigungspolitik erhaltenen oder geschaffenen Arbeitsplätze bezieht.40 Im Anschluss an die Erörterung der verschiedenen Dimensionen des Art. 35 und 40 CE stellt das TC fest, dass durch die Altershöchstgrenze das subjektive Recht der betroffenen Arbeitnehmer auf Beibehaltung des Arbeitsplatzes eingeschränkt werde. Bei der Sondierung der in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe macht es zunächst deutlich, dass eine Begründung des Renteneintrittalters mit einer geminderten Arbeitsfähigkeit bzw. mit dem Gesundheitsschutz für ältere Arbeitnehmer in verfassungswidriger Weise den Wesensgehalt des Art. 35 I CE verletze und zudem unangemessen sei. Insbesondere auch Art. 40 I CE könne nicht als zulässige Schranke des Rechts auf Arbeit gesehen werden. Auch wenn durch das vorgezogene Renteneintrittsalter u. a. der Jugendarbeitslosigkeit begegnet werden solle, stelle dies keinen Aspekt einer Vollbeschäftigungspolitik, sondern vielmehr einen Umverteilungsaspekt dar, der nicht von Art. 40 I CE erfasst sei. Eine Politik der Vollbeschäftigung solle hingegen vermeiden, dass das Recht auf Arbeit einer Bevölkerungsgruppe eine andere Bevölkerungsgruppe hiervon ausschließe.41 Eine Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 35 I CE mit dem Zweck, Grundrechte Dritter zu schützen, erachtet das Verfassungsgericht hingegen als zulässig und führt dabei Art. 29 II AEMR an. Weiter bezieht sich das TC auf Art. 4 ICESCR (Internationaler Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte), nach dem das Gemeinwohl (Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit) eine zulässige Grundrechts37
Vgl. auch BVerfG, NJW 2003, S. 2815. Vgl. SSTC 22/1981; 99/1987. 39 Vgl. Lalinde/Ramírez, Estudios sobre la Constitución española de 1978, S. 160. 40 Vgl. Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 179. 41 Vgl. auch Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 600. 38
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schranke darstellt, sowie auf das Solidaritätsprinzip (Art. 2 CE) und das materielle Gleichheitsgebot (Art. 9 II CE). Allerdings sei das Renteneintrittsalter dementsprechend nur dann gerechtfertigt, wenn der weggefallene Arbeitsplatz durch einen nachrückenden Arbeitnehmer ersetzt werde. Im Grundgesetz existiert im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung und zahlreichen Länderverfassungen42 kein solches soziales Grundrecht auf Arbeit. Zur Begründung wird u. a. die Schwächung der normativen Kraft aufgrund der Diskrepanz zwischen hochgestecktem Verfassungsziel und Realisierungsdefizit angeführt. Verfassungslyrik habe hingegen mangels Justiziabilität nichts in einer harten normativen Verfassung zu suchen.43 Dementsprechend stellt sich die Frage nach dem Mehrwert der spanischen Verfassungsausgestaltung. Das TC konkretisiert das Recht als diskriminierungsfreien Zugang zu bestehenden Arbeitsplätzen und als Verbot der ungerechtfertigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eben diese Funktion übernimmt jedoch im deutschen Recht Art. 12 GG, der gegebenenfalls durch Art. 3 GG und Art. 20 I GG ergänzt wird. So wird Art. 12 GG auch als Teilhabe- und Leistungsrecht interpretiert, welches in der Verfassungsrechtsprechung insbesondere durch das gleiche Zugangsrecht zu staatlichen Leistungseinrichtungen zum Ausdruck kommt.44 Auf einfach-gesetzlicher Ebene sorgen u. a. das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und das Kündigungsschutzgesetz für den Schutz der Arbeitnehmer. Ein geringeres Schutzniveau ist trotz lakonischer Verfassungsausgestaltung dementsprechend nicht ersichtlich. Lassen sich die vermeintlichen Vorteile eines Rechts auf Arbeit dem Grundgesetz jedoch bereits im Wege der Interpretation entnehmen, so bleibt im Ergebnis lediglich die von den Befürwortern anvisierte Identifikations- bzw. Integrationsfunktion. Identifikationsstiftende Wirkung lässt sich aber nicht durch eine entsprechende Formulierung erreichen, sondern stellt sich vielmehr als eine Frage der Verfassungspraxis dar.45 Von einem wesentlichen Mehrwert eines verfassungsrechtlichen verankerten Rechts auf Arbeit kann dementsprechend nicht gesprochen werden.
II. Pflicht zu arbeiten Dem Recht auf Arbeit in Art. 35 I steht die Pflicht zu arbeiten gegenüber. Hierdurch wird die soziale Funktion betont, die die Arbeit als fundamentale Aktivität zur Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts erfüllt. Diese Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts hat sich die spanische Nation in der Präambel der Verfassung zur Aufgabe gesetzt, um würdige Lebensverhältnisse für alle zu sichern. Es geht 42 Zu der Interpretation der sozialen Landesgrundrechte als bloße Programmsätze vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 184 f., Fn. 44. 43 Vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 179 f., 181 f. m.w.N. 44 Vgl. BVerfGE 33, 303 ff. (Numerus-Clausus). 45 Vgl. auch Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 198.
B. Rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte und -pflichten
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somit um die Verpflichtung, eine Tätigkeit oder Funktion wahrzunehmen, die zum materiellen oder geistigen Fortschritt der Gesellschaft beiträgt. Die Verknüpfung des Rechts auf Arbeit und der Pflicht zur Arbeit mit der Aufgabe des Staates zur Verfolgung einer Vollbeschäftigungspolitik (Art. 40 I CE) bildet eine effektive Methode, um dieses Ziel zu erreichen.46 Bei der Pflicht zu arbeiten handelt es sich jedoch nicht um eine verfassungsrechtliche, durch Sanktionen verfolgbare Verpflichtung, sondern vielmehr um eine soziale, moralische Pflicht.47 Eine andere Auslegung stünde im Widerspruch zu der Praxis, in der ein solches Verständnis aufgrund der bestehenden Arbeitsmarktlage zu einer bloßen Förmelei verkäme.48 Zudem verbietet bereits die negative Berufsfreiheit sowie die von Spanien unterzeichneten internationalen Menschenrechtsabkommen jegliche Form der Zwangsarbeit.49 Die Pflicht zu arbeiten ist jedoch in anderer Hinsicht rechtlich verbindlich. Im Zusammenhang mit dem in Freiheit gewählten Beruf wird die Pflicht verbunden, die hierdurch auferlegten Aufgaben sorgfältig und nach bestem Gewissen zu erfüllen.50 Weiterhin kann die Pflicht zu arbeiten zur Rechtfertigung einer entsprechenden Gesetzgebung herangezogen werden, die Arbeitsunwilligkeit durch Entzug sozialer Leistungen wirtschaftlich sanktioniert.51 Wenn auch das Grundgesetz keine Pflicht zu arbeiten enthält, werden doch die gleichen Effekte auf andere Art herbeigeführt. Die Obliegenheit zur Übernahme zumutbarer Arbeit gilt trotz negativer Berufsfreiheit. Denn Art. 12 GG gewährleistet zwar das „Recht zur Faulheit“, nicht jedoch das „Recht auf fremdfinanzierte Faulheit“.52 Dementsprechend hat nur derjenige ein Recht auf Arbeitslosen- bzw. Sozialhilfe, der gem. §§ 103, 134 AFG bzw. § 25 BSHG der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Mithin besteht auch im deutschen Recht eine zumindest faktische Arbeitspflicht.53
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Vgl. Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 420. 47 Vgl. Alarcón Caracuel, RPS 121 (1979), S. 5, 36 f.; Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 420; vgl. auch STC 107/1984; vgl. auch Art. 163 WRV, Art. 166 III Verf. Bayern, Art. 28 II Verf. Hessen, Art. 53 II Verf. RheinlandPfalz und in diesem Zusammenhang Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 188 f. 48 Vgl. Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 420. 49 Vgl. Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 208; Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional Bd. I, S. 600. 50 Vgl. STC 26/1987; Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 420; vgl. auch Art. 5a ET. 51 Vgl. Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 209. 52 Vgl. Wimmer, Soziale Grundrechte, S. 188 f. m.w.N. in Fn. 73. 53 Vgl. auch Böckenförde/Jekewitz/Ramm, Soziale Grundrechte, S. 91.
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III. Recht auf berufliches Fortkommen Das durch Art. 35 I CE eingeräumte Recht auf berufliches Fortkommen wird als Auftrag an die öffentliche Gewalt verstanden, entsprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen.54 Diesem Auftrag ist der Gesetzgeber in den Art. 23 ff. ET nachgekommen. Hierunter fallen u. a. Weiterbildungsmaßnahmen unter Freistellung von der Arbeitszeit (Art. 23 ET) sowie gleiche berufliche Aufstiegschancen innerhalb des Unternehmens nach Bildung, Eignung, Dienstalter und den organisatorischen Möglichkeiten des Arbeitgebers (Art. 24 ET), soweit dies im Tarif- oder Arbeitsvertrag vorgesehen ist (Art. 25 ET). Der Verfassungsauftrag gewinnt besonders vor dem Hintergrund an Bedeutung, dass Arbeit die Funktion einer freien Persönlichkeitsentfaltung übernehmen soll.55 Das Verbot jeglicher Diskriminierung im Beruf ergibt sich im deutschen Recht aus Art. 12, 3 I und 33 II GG. Für Verstöße gegen gleiche Aufstiegschancen gewähren §§ 2 I 1 Nr. 1/2, 15 AGG eine entsprechende Entschädigung. Aus dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete Rechte auf Weiterbildung konkretisieren sich u. a. in den Weiterbildungsgesetzen der Länder. Mithin bedarf es auch in diesem Fall keiner expliziten Verankerung eines sozialen Grundrechts, um dieselben rechtlichen Effekte erzielen zu können.
IV. Recht auf ausreichende Vergütung Eine wesentliche Ausprägung des als Verfassungsauftrag56 verstandenen Rechts auf ausreichende Vergütung stellt der berufsübergreifende gesetzliche Mindestlohn (Salario Mínimo Interprofesional – SMI) dar. Dieser wird auf Grundlage des Art. 27 ET jährlich nach vorheriger Anhörung der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände durch die Regierung festgesetzt. Er bemisst sich u. a. anhand des Verbraucherpreisindizes, des Bruttoinlandsproduktes und der allgemeinen wirtschaftlichen Konjunktur. Im Jahr 2011 betrug er 748,30 Euro monatlich57 und wurde angesichts der schwierigen Wirtschaftslage erstmals bis auf weiteres eingefroren.58 Nach Art. 35 I CE gilt der Lohn als Lebensgrundlage für den Arbeitnehmer und dessen Familie. Im Vordergrund bei der Berechnung des SMI steht demnach nicht der Wert der Arbeit, sondern das Prinzip der Bedarfsdeckung.59 Nach der Verfas54
Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. III, Art. 35, S. 467, 472 f. Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. III, Art. 35, S. 578. 56 Vgl. Montoya Melgar, RPS 121 (1979), S. 315, 336. 57 Berechnet auf zwölf Monatsgehälter im Jahr, entspricht 21,38 Euro/Tag bzw. 3,89 Euro/ Stunde. 58 Vgl. hierzu näher den Artikel „Rajoy congela el salario mínimo por primera vez desde que se creó“, El País, abrufbar unter http://elpais.com/diario/2011/12/29/economia/13251132 01_850215.html. 59 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Contitución, Art. 35, S. 718, 722 f. 55
B. Rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte und -pflichten
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sungsrechtsprechung60 sei es Aufgabe des sozialen und demokratischen Rechtsstaats, einen Mindestlohn zu bestimmen, um dadurch dem Verfassungsgebot des Art. 35 I CE zur Durchsetzung zu verhelfen. Die wirtschaftlichen Akteure würden jedoch nicht darin eingeschränkt, höhere Mindestlöhne in den jeweiligen Berufszweigen zu schaffen. Sowohl die staatliche Festlegung des Mindestlohns als auch die autonome Lohngestaltung in den jeweiligen Tarifverträgen müsse unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung erfolgen. Das Verfassungsgericht stellt mithin die Vertragsautonomie zwischen Arbeitgeber und -nehmer keineswegs in Frage, sondern sieht diese vielmehr als Ergänzung zu dem staatlichen Mindestlohn. Damit ist weiterhin die verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie gewährleistet. Ein berufsübergreifender gesetzlicher Mindestlohn besteht in Deutschland nicht, wäre jedoch trotz Einschränkung der durch Art. 9 III GG gewährleisteten Tarifautonomie im Grundsatz verfassungsrechtlich unbedenklich. Durch Allgemeinverbindlichkeitserklärungen können zwar schon jetzt branchenspezifische Mindestlöhne etabliert werden, diese setzen jedoch das Bestehen eines Tarifvertrages voraus. Zudem führen tarifvertragliche Öffnungsklauseln zunehmend dazu, dass Unternehmen betrieblich flexible Gestaltungen wählen und von der Tarifbindung ausgenommen sind.61 Im Zuge der Mindestlohndebatte wurde das bisher weitgehend wirkungslose Mindestarbeitsbedingungengesetz vom 11. Januar 1952 reformiert und die Möglichkeit zur Schaffung gesetzlicher Mindestlöhne inhaltlich fortentwickelt. Die Argumente für und gegen einen gesetzlichen Mindestlohn sind bekannt. Gegner befürchten Arbeitsplatzverluste bei Geringverdienern, die Verlegung von Arbeitsplätzen ins Ausland sowie zunehmende Schwarzarbeit aufgrund von Gehaltsanpassungen nach unten. Befürworter sehen den Mindestlohn als Kompensation für eine zurückgehende Tarifbindung, als Entlastung des Staatshaushaltes sowie als Motor der Konjunktur.62 Die Ausgestaltung im spanischen Recht zeigt, dass der Mindestlohn jedoch auch andere Funktionen erfüllen kann. Um der Tarifautonomie möglichst großen Handlungsraum zu belassen und die oben genannten negativen Folgen zu vermeiden, wird dieser bewusst auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau gehalten.63 Mit derzeit 3,89 Euro/Stunde liegt er bei ca. 40 Prozent des spanischen Durchschnittseinkommens.64 Eine umso größere Bedeutung erlangt er dafür als Referenzwert für das nationale Arbeitslosengeld, das Eingliederungsgeld nach längerer Arbeitslosigkeit und für Abfindungen bei vorzeitiger Auflösung eines Arbeitsvertrages.
60
Vgl. STC 31/1984. Vgl. Kohaut/Ellguth, IAB-Kurzbericht 16/2008, S. 1 ff. 62 Zur Diskussion um die Auswirkungen des Mindestlohns in Spanien vgl. Dolado/Felgueroso, Moneda y Credito 204 (1997), S. 213 ff. 63 Vgl. Dolado/Felgueroso, Moneda y Credito 204 (1997), S. 214 ff. 64 Vgl. auch Fernández/Meixide/Simón, Tribuna de Economía, Nr. 833, S. 184. 61
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Exkurs: Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund der Leitprinzipien und sozialen Grundrechte Ihren wesentlichen Einfluss findet das in Art. 1 I CE verankerte Sozialstaatsprinzip nach unbestrittener Auffassung der spanischen Lehre sowohl in verfassungstextlicher als auch entstehungsgeschichtlicher Hinsicht im deutschen Recht. Die Formulierung des Art. 1 I CE erfolgte in starker Anlehnung an ihre deutsche Entsprechung in Art. 20 I, 28 I GG.65 Auch die verfassungsrechtliche Ausgestaltung, namentlich die Inkorporierung zahlreicher sozialgeprägter Normen wie die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik in den Verfassungstext, erinnert an die zweite republikanische Verfassung von 1931, die die Weimarer Reichsverfassung diesbezüglich als Vorbild hatte. Die Monarchie wurde 1931 durch die Ausrufung der zweiten spanischen Republik zu Fall gebracht. Der Versuch eines Bruchs mit der Jahrhunderte alten Monarchie schlug jedoch offenkundig fehl und mündete in den Bürgerkrieg in den Jahren 1936 bis 1939. Ein Grund für den Fehlschlag war, dass der Verfassungstext nicht von der großen Mehrheit der politischen Kräfte getragen wurde. Weder die Verfassung noch die politischen Kräfte waren in der Lage, die Gesellschaft entsprechend zu integrieren. Dennoch spielt die Verfassung von 1931 für das gegenwärtige System eine entscheidende Rolle. Neben der Machtverteilung und der Verteilung von Rechten versuchte sie, erheblichen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben zu nehmen. Nach dem Ende des ersten Weltkriegs hatten die sozialistischen Parteien erheblichen Auftrieb bekommen und forderten eine größere Intervention des Staates in die Wirtschaft.66 Die Weltwirtschaftskrise von 1929 wirkte sich indirekt auch im binnenmarktorientierten Spanien aus. Die spanische Wirtschaft war auf den ständigen Zufluss ausländischer Investitionen angewiesen, die sich aufgrund der Krise zunehmend verringerten. Zudem führte zunehmende Kapitalflucht zu steigender Arbeitslosigkeit und verschärfter Armut. Die Verfassung enthielt zum ersten Mal Bestimmungen über den wirtschaftlichen Bereich mit starkem sozialen Einschlag. Als subjektives Recht wurde die Wirtschafts- und Gewerbefreiheit anerkannt, sofern Gesetze aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen von allgemeinem Interesse keine Einschränkungen vornehmen (Art. 33). Der Staat konnte gem. Art. 44 „durch Gesetz in Tätigkeit und Koordinierung von Industrie und Betrieben eingreifen, wenn die Rationalisierung der Produktion und die nationalen wirtschaftlichen Interessen es erfordern“. Zudem wurden das Recht und die Pflicht zur Arbeit konstituiert. Insgesamt ist der Verfassung von 1931 erstmals ein überwiegend sozialistischer Charakter zuzuschreiben. 65 Vgl. García Pelayo, Las transformaciones del Estado contemporáneo, S. 92; Fernández Segado, El sistema constitucional español, S. 119; ders., Las constituciones históricas, S. 560 f.; Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 110; Aparicio Pérez, El Estado social en la jurisprudencia del Tribunal Constitucional, S. 47 f. 66 Vgl. Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Econòmico, S. 26.
C. Einfluss der Leitprinzipien auf den rechtlichen Sozialstandard
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Wie bereits angeklungen, hatte einen erheblichen Einfluss in diesem Zusammenhang auch die Weimarer Reichsverfassung67 von 1919, vor allem bezogen auf das Kapitel „Das Wirtschaftsleben“ (Art. 151 ff. WRV).68 Vergleichbar sind die sozialen Rechte mit denen der Weimarer Republik insoweit, als dass diese auch damals lediglich als Staatsziele angesehen wurden, die im Wesentlichen durch den Gesetzgeber ausgestaltet wurden. Der entscheidende Unterschied besteht jedoch darin, dass die Grundrechte der Weimarer Reichsverfassung lediglich für die Exekutive, nicht jedoch für die Legislative unmittelbar verbindliches Recht darstellten. Im Ergebnis hat sich die verfassungsgebende Gewalt an der Ausgestaltung der republikanischen Verfassung von 1931 sowie der Weimarer Reichsverfassung orientiert, ohne jedoch die Erkenntnisse aus den jeweiligen historischen Erfahrungen zu vernachlässigen. Die Aufnahme sozialgeprägter Leitprinzipien trotz eingeschränkter rechtlicher Effektivität ist dem Umstand geschuldet, dass die verfassungsgebende Gewalt in der Zeit des Übergangs zwischen Diktatur und Demokratie nach einem breiten politischen Kompromiss gesucht hat, der ebenfalls die Interessen starker sozialer Strömungen berücksichtigen wollte. Dieser Kompromiss schlägt sich aktuell insbesondere in der abgestuften Grundrechtsdogmatik nieder.69 Exkurs Ende
C. Einfluss der Leitprinzipien auf den rechtlichen Sozialstandard Wenn die rechtliche Effektivität der Leitprinzipien auch beschränkt sein mag, so stellt sich die Frage, ob eine beredt ausgestaltete Sozialverfassung zu der Forderung eines höheren Sozialstandards führt, als dies bei einer lakonischen Sozialverfassung der Fall ist. Exemplarisch soll diese Frage anhand der jeweiligen Vorgaben für das Sozialversicherungssystem (I.) und den Verbraucherschutz (II.) untersucht werden.
I. Sozialversicherungssystem (Art. 41 CE) Nach Art. 41 CE wird die öffentliche Gewalt beauftragt, ein System der Sozialversicherung für alle Bürger zu unterhalten, das im Bedarfsfalle ausreichenden Beistand und soziale Leistungen gewährleistet. Die Inkorporierung eines sozialen 67
Vgl. Esteve-Pardo, Investieren in Spanien, S. 13 f. Abgedruckt bei Stober, Quellen zur Geschichte des Wirtschaftsverwaltungsrechts, S. 204 ff. 69 Vgl. Jímenez Campo/Porres Azcona, RDP 74 (1979), S. 83 ff.; Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, S. 87 ff. 68
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Sicherungssystems in den Verfassungstext erfolgte vor dem Hintergrund einer tiefgreifenden Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit in den 70er Jahren.70 Während das bestehende System in einem Sozialstaat heutzutage nicht mehr wegzudenken wäre, gab es damals auch kritische Stimmen. Die Belastung der Unternehmen mit der Pflicht, Beiträge zu leisten, erschwerte nach Ansicht vieler die Ankurbelung der Wirtschaft, das Überleben der Unternehmen und schließlich die Schaffung von Arbeitsplätzen.71 1. Interpretation des Verfassungstextes Mit Art. 41 CE wurde eine Norm geschaffen, die in vielen Belangen präzisierungsbedürftig ist. Die Verfassung gibt keine exakte Definition, was unter einer Sozialversicherung zu verstehen ist. Während im verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilungssystem zwischen der Grundlagengesetzgebung der Sozialversicherung durch den Zentralstaat (Art. 149 I Nr. 17 CE) und der Kompetenz der Autonomen Gemeinschaften zur Regelung der sozialen Fürsorge (Art. 148 Nr. 20 CE) unterschieden wird, umfasst die Sozialversicherung nach dem Wortlaut des Art. 41 CE soziale Fürsorge und soziale Leistungen. Der verfassungsrechtliche Inhalt dieser Begriffe, vor allem der Unterschied zwischen sozialer Fürsorge und sozialen Leistungen, bleibt auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte weitgehend unklar.72 Nach herrschender Ansicht ist der Sozialversicherungsbegriff weit zu fassen, um dem Art. 41 CE im Interesse des Bürgers einen möglichst weiten Anwendungsbereich zu belassen. Der Vorschrift unterfallen soziale Vorsorge (prevision social), öffentliche Fürsorge (asistencia pública), soziale Fürsorge (asistencia social) und soziale Dienstleistung (servicio social).73 Eine eingegrenztere Auslegung würde die soziale Realität verkennen und den Auftrag zur Unterhaltung des bestehenden Systems leugnen.74 Damit ist die Auslegung des Begriffs der Sozialversicherung im spanischen Recht gewissermaßen ergebnisorientiert. Sie stellt ein besonderes Beispiel dafür dar, welch gewichtigen Einfluss faktische Umstände (d. h. u. a. die Knappheit wirtschaftlicher Ressourcen) auf die Interpretation rechtlicher Konzepte haben können. Diese Art der Auslegung ist dem deutschen Verfassungsrecht jedoch nicht fremd. Die Sozialversicherung wird als unbestimmter Rechtsbegriff lediglich in der konkurrierenden Kompetenzzuweisung des Art. 74 Nr. 12 GG aufgeworfen. Dem BVerfG nach sei der Begriff Sozialversicherung als weitgefasster verfassungs70 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 41, S. 86; ders., Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 106. 71 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 106. 72 Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Art. 41, S. 91; ders., Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 110. 73 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 121 f. 74 So auch das Verfassungsgericht in SSTC 76/1986; 146/1986; 124/1989; 27/1983; 46/ 1985.
C. Einfluss der Leitprinzipien auf den rechtlichen Sozialstandard
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rechtlicher Gattungsbegriff zu verstehen.75 Neue Lebenssachverhalte könnten in das Gesamtsystem Sozialversicherung einbezogen werden, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen dem Bild entsprächen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt sei.76 Mit dieser Interpretation geht das BVerfG von einem dynamischen Begriff der Sozialversicherung aus, der den Anwendungsbereich des Art. 74 Nr. 12 GG bestimmt. Nach spanischem Verfassungsrecht erfolgt jedoch eine Abgrenzung des Begriffs der Sozialversicherung zu der in Art. 43 CE gesondert geregelten Gesundheitsfürsorge. Die Anerkennung des Rechts auf Gesundheitsschutz und die differenzierte Festlegung bestimmter Leitprinzipien in Art. 43 I und II CE sprächen für eine von der Sozialversicherung unabhängigen Gestaltung des Gesundheitsdienstes.77 Diese Abgrenzung lasse jedoch den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unberührt, der diesem gerade aufgrund der unbestimmten Formulierung des Art. 41 CE zuerkannt werde78. Das Verfassungsgericht beschränkt seine Kontrolldichte im Übrigen auf die Einhaltung des Willkürverbotes.79 Das spanische Verfassungsgericht hat den Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit durch vier zwingend zu beachtende Charakteristiken eines Sozialversicherungssystems abgesteckt. Hierzu gehören die Prinzipien der Bedürftigkeit [a)] und der Universalität [b)], die Garantie von Mindestleistungen [c)] sowie die Organisation und Finanzierung durch den Staat [d)]. Zur Erhaltung des Status quo wird zudem in beiden Ländern über ein Verbot des sozialen Rückschritts in Bezug auf die Sozialversicherung diskutiert [e)]. Schließlich stellt sich die Frage, inwieweit der Gesetzgeber zur Verschaffung subjektiver Rechtspositionen verpflichtet ist [f)]. a) Bedürftigkeit Wie nach deutschem Recht muss das soziale Sicherheitsnetz in Spanien an der Bedürftigkeit orientiert sein und darf einerseits nicht nur einzelne, andererseits nicht alle in Betracht kommenden Risiken abdecken.80 Indizien für soziale Sicherungsfälle stellen die in den Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik aufgeführten Lebenssituationen und Bevölkerungsgruppen dar.81 Art. 41 CE betont den Fall der Arbeitslosigkeit, welcher aber keineswegs als abschließend zu betrachten ist. Die 75
Vgl. BVerfGE 11, 105, 112. Vgl. BVerfGE 75, 108 ff. 77 Borrajo Dacruz, RSS 8 (1980), S. 7 ff., 27. 78 Vgl. Borrajo Dacruz, Estudios sobre la Constitución, S. 1485; López Barja de Quiroga, Lecciones de Seguridad Social, S. 30. 79 Vgl. STC 38/1995; vgl. auch SSTC 184/1990; 70/1991. 80 Vgl. STC 103/1983; Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 41, S. 775 ff.; San Martín Larrinoa, REDT 68 (1994), S. 991 f. 81 Vgl. Valdés Dal-Ré, RL 22 (1994), S. 1, 4. 76
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explizite Aufnahme in den Artikel wird durch das besondere Anliegen des Verfassungsgebers und der schwierigen Arbeitsmarktsituation im Zeitpunkt der Verfassungsentstehung gerechtfertigt.82 b) Universalität Nach Art. 41 CE muss das Sozialversicherungssystem für alle Bürger gelten. Dabei stellt das Verfassungsgericht fest, dass die Zugehörigkeit zum sozialen Sicherungssystem nicht allein von der Erwerbstätigkeit und der darauf gründenden Beitragszahlung abhängen darf.83 Das früher vornehmlich beitragsgebundene Sicherungssystem musste vom Gesetzgeber daraufhin Schritt für Schritt umgestellt werden, sodass die Anspruchshöhe inzwischen nicht mehr allein von der Höhe der Beitragsleistung abhängt.84 Ein unmittelbarer subjektiver Anspruch auf einen bestimmten Leistungsbetrag besteht jedoch nicht.85 Die Höhe der Leistung hängt auch immer von der Finanzierung des Gesamtsystems der Sozialversicherung ab.86 Nach deutschem Recht setzt eine Versicherung begrifflich zwar die Verteilung eines Risikos auf eine organisierte Vielheit voraus, die nicht die Gesamtheit aller Staatsbürger sein muss. Gesamtstaatliche Risiken sind hingegen aus Steuermitteln zu finanzieren. Im Ergebnis ist die Universalität aber auch im deutschen Recht ein Strukturelement der Sozialversicherung. Beispielsweise sind Beamte und Selbständige nicht arbeitslosenversichert, können bei Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit jedoch eine Grundsicherung in Anspruch nehmen. c) Garantie von Mindestleistungen Garantiert werden Mindestleistungen. Nach Art. 41 CE müssen die soziale Fürsorge und die sozialen Leistungen ausreichend sein. Dementsprechend muss der Gesetzgeber Minimalstandards festgelegen, die das Existenzminimum berücksichtigen.87 Als Richtlinie für die Frage, was als ausreichend im Sinne von Art. 41 CE gilt, zieht der Gesetzgeber den gesetzlichen Mindestlohn heran.88
82
Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 41, S. 87, 105. Vgl. SSTC 103/1983; 65/1987; 37/1994; de Esteban/López Guerra, Régimen constitucional, S. 326. 84 Vgl. San Martín Larrinoa, REDT 68 (1994), S. 993; Borrajo Dacruz, Estudios sobre la Constitución, S. 1497. 85 Vgl. SSTC 103/1993; 121/1983; 134/1987. 86 Vgl. auch STC 134/1987. 87 Vgl. STC 103/1983; Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 41, S. 95. 88 Vgl. Aznar López/Niño Ráez/Orozco Jiménez, REDT 23 (1985), S. 337; Valdés Dal-Ré, RL 22 (1994), S. 8; Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 41, S. 106 f.; zum Mindestlohn vgl. § 6 B. IV. 83
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d) Organisierung und Finanzierung durch den Staat Schließlich muss das Sozialversicherungssystem vom Staat organisiert und finanziert werden.89 Wie bereits festgestellt, bezieht sich die Finanzierung jedoch nur auf den Grundbedarf.90 Ergänzende Leistungen können über eine private Versicherung abgeschlossen werden, gehören jedoch nicht zum Strukturelement des sozialen Versicherungssystems. Dabei ist die Formulierung in Art. 41 CE a. E. missverständlich, nach der zusätzliche Leistungen frei sind. Bei solchen zusätzlichen Leistungen handelt es sich nicht mehr um Sozialversicherungsleistungen im oben genannten Sinn.91 Die Vorschrift stellt dem Bürger lediglich frei, eigenverantwortlich für einen über den Grundbedarf hinausgehenden Schutz zu sorgen. Auch nach deutschem Recht erfolgt die Organisation und Finanzierung durch den Staat bzw. durch öffentlich-rechtliche Körperschaften unter Staatsaufsicht. Der historische Begriff der Sozialversicherung setzt dabei eine Pflichtmitgliedschaft voraus. Dementsprechend müssen Versicherungsbefreiungen zugunsten von privaten Versicherungen die Ausnahme bleiben.92 Insoweit besteht aber kein Widerspruch zur spanischen Verfassung, da diese im Hinblick auf private Versicherungen nur von zusätzlichen Leistungen spricht, die das gesetzliche Sozialversicherungssystem nicht ersetzen können. e) Verbot des sozialen Rückschritts? Im Rahmen des Art. 41 CE wird über ein Verbot des sozialen Rückschritts diskutiert. Ein Teil der Literatur argumentiert dabei mit der im Futur formulierten Form des Unterhaltens des Sozialversicherungssystems. Diese zukunftsorientierte Formulierung führe dazu, dass einmal gewährte Sozialstandards künftig nicht zurückgenommen werden dürften.93 Der Großteil der Literatur sieht in dem Wortlaut des Art. 41 CE jedoch keine Verpflichtung zur Beibehaltung des einmal gewährten Standards.94 Die zukunftsorientierte Formulierung bedeute nichts anderes als eine schlichte Aufgabenzuweisung an den Staat. Höchstrichterlich ist die Frage um das soziale Rückschrittsverbot zumindest noch nicht abschließend geklärt worden. Ein Indiz gegen ein solches Rückschrittsverbot könnte jedoch dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 21. Juli 1987 entnommen 89
Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 124. Vgl. STC 65/1987. 91 Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 115; vgl. auch Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 41, S. 779; STC 37/1994. 92 Dieses Regel-/Ausnahmeverhältnis wird für die Krankenversicherung u. a. durch die Existenz von Jahresarbeitsentgeltgrenzen erreicht, nachdem eine Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht unterhalb eines bestimmten Einkommensgrenze nicht erfolgen darf. 93 Vgl. Borrajo Dacruz, La Seguridad Social en el marco jurídico constitucional, S. 100 f. 94 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 41, S. 97; Aznar López/Niño Ráez/Orozco Jiménez, REDT 23 (1985), S. 349; Valdés Dal-Ré, RL 22 (1994), S. 6. 90
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werden. Dort wird zu der Frage Stellung genommen, ob eine im Haushaltsgesetz festgeschriebene Höchstgrenze von Altersruhegeldern der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungswidrig sei. Dabei weist das Gericht zunächst die Behauptung der Verletzung subjektiver Rechte, wie zuvor vom höchstinstanzlichen Arbeitsgericht (Tribunal Central de Trabajo) angenommen, zurück. Ein Anspruch der Versicherten auf ein zukünftiges Altersruhegeld in einer bestimmten Höhe bestehe grundsätzlich nicht. Aus Art. 41 CE ergebe sich lediglich das Recht auf ausreichende Hilfe und Sozialleistungen in Notlagen in Form eines Mindeststandards. Dieser sei jedoch durch die Festsetzung des Höchstbetrages offensichtlich nicht berührt worden. In dieser Hinsicht bewegt sich das Verfassungsgericht ganz auf der Linie seiner gewöhnlichen Tendenz, dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungssystems einen weiten Gestaltungsspielraum zu belassen. Hinsichtlich des in Frage stehenden sozialen Rückschrittverbots (irregresividad de la Seguridad Social) stellt das Verfassungsgericht fest, dass weder die Verpflichtung bestehe, die Altersruhegelder in der ursprünglich gesetzlich vorgesehenen Höhe auszuzahlen, noch eine jährliche Erhöhung vorzunehmen. Aus Art. 41 CE ergebe sich lediglich ein angemessener Schutz in Notlagen. Etwas anderes könnte jedoch aus Art. 50 CE gefolgert werden. Dort wird das wirtschaftlich gesicherte Einkommen mittels angemessener und in regelmäßigen Abständen angepasster Renten gewährleistet. Nach Auffassung des Verfassungsgerichts sei die „Angemessenheit“ der Rente unter Berücksichtigung des gesamten Rentensystems zu bestimmen. Dabei seien vor allem die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die begrenzten wirtschaftlichen Ressourcen zu berücksichtigen. Einer isolierten Betrachtung jedes einzelnen Rentenfalls erteilt das Verfassungsgericht somit eine Absage. Auch die von Art. 50 CE regelmäßig vorgesehene Rentenanpassung müsse keine jährliche Rentenerhöhung bedeuten. Die Festlegung einer Obergrenze für neu zu gewährende Altersruhegelder halte sich innerhalb der zulässigen Einschätzung des Gesetzgebers. Das Verfassungsgericht hat es vermieden, zur verfassungsrechtlichen Existenz und Reichweite des sozialen Rückschrittverbots allgemein Stellung zu beziehen. Seine Ausführungen im Rahmen des oben erläuterten STC 134/1987 lassen jedoch die Deutung zu, dass verfassungsrechtliche Schranken der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit allenfalls bei einem umfassenden Abbau öffentlicher Leistungen, nicht jedoch bei einer begrenzten Umverteilung der knappen finanziellen Ressourcen gesetzt werden.95 Auch im deutschen Recht zeichnet sich die Tendenz nach einer Ablehnung des sozialen Rückschrittverbotes ab. Das Sozialversicherungssystem zeichnet sich insbesondere durch die verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung sozialer Mindeststandards aus. Darüber hinaus verfügt der Gesetzgeber über einen weitgehenden Gestaltungsspielraum, der ihn nicht daran hindert, den jeweiligen Sozialstandard an 95 Vgl. Rodríguez de Santiago, La administración del Estado social, S. 49; Jiménez Campo, Derechos fundamentales, S. 130.
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die finanziellen Begebenheiten, notfalls auch nach unten, anzupassen. Selbst ein ersatzloser Abbau sozialer Leistungen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit nicht der soziale Mindeststandard unterschritten wird.96 Nach Ansicht in der Literatur sei eine Festlegung sozialer Standards für die Ewigkeit zudem in demokratischer Hinsicht bedenklich, da hierdurch die Zukunftsoffenheit und Neubestimmbarkeit demokratischer Entscheidungen konterkariert werde.97 f) Pflicht des Gesetzgebers zur Verschaffung subjektiver Rechtspositionen Auch wenn die Leitprinzipien keine unmittelbaren subjektiven Rechtspositionen vermitteln, so wird der Gesetzgeber durch Art. 41 CE doch verpflichtet, dem einzelnen Bürger solche auf einfachgesetzlicher Ebene einzuräumen.98 Über Art. 10 II CE sind bei der Interpretation der Grundrechte des Titel I auch die Inhalte internationaler Verträge zu berücksichtigen. Nach Art. 9 ICESCR erkennen die Vertragsstaaten das Recht eines jeden auf soziale Sicherheit ihm Rahmen eines Sozialversicherungssystems an. Nach Art. 22 AEMR hat jedermann als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit und einen Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen. Eine vergleichbare Auslegung kann der deutschen Rechtsprechung zur Sozialfürsorge entnommen werden. So folgt aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG ein Fürsorgeanspruch und damit ein Anspruch auf ein Mindestmaß an staatlicher Unterstützung, deren subjektivrechtliche Ausgestaltung (Umfang und Höhe der zu beanspruchenden Leistungen) vom Gesetzgeber festzulegen ist.99 Die Rechtsprechung und Literatur sind sich insoweit einig, dass im Mittelpunkt des Sozialstaatsprinzips ein objektiver Grundsatz stehe, der vornehmlich den Gesetzgeber in die Pflicht nehme. Erst durch die Leistungsgesetzgebung würden klagbare subjektive Rechtspositionen begründet.100
II. Verbraucherschutz (Art. 51 CE) Ausführlich behandelt Art. 51 CE die Pflichten der öffentlichen Gewalt zur Förderung des Verbraucherschutzes. Dabei hebt sich die spanische Verfassung in 96 Vgl. Schmidt-Aßmann, FS-Mußgnug, S. 36; Neumann, NZS 1998, S. 401 ff.; Isensee, FS-Broermann, S. 365 ff.; Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 450 f.; BVerfGE 39, 302, 314. 97 Vgl. Heinig, Der Sozialstaat im Dienst der Freiheit, S. 451. 98 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 41, S. 117. 99 Vgl. BVerwGE 1, 159 ff.; BVerfGE 125, 175 ff. 100 Vgl. BVerfGE 65, 182, 193; 75, 348, 359 f.; 82, 60, 79; Bethge/von Coelln, Grundriss Verfassungsrecht, S. 72.
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diesem Punkt von den klassischen westlichen an Freiheitsrechten orientierten Verfassungsmodellen ab101 und folgt vielmehr der portugiesischen Konzeption. Danach hat der Staat die Aufgabe, den Verbraucher insbesondere durch die Förderung der Bildung von Interessensvertretungen zu schützen.102 Gerade aufgrund dieses progressiven sozialen Inhalts haben sich die linken verfassungsgebenden Kräfte Spaniens für eine entsprechende Verankerung eingesetzt.103 Art. 51 CE konkretisiert den materiellen Gleichheitssatz gem. Art. 9 II CE: Der im Wirtschaftsleben typischerweise in puncto Information unterlegene Verbraucher ist eine schutzbedürftige Zielgruppe, um reale Gleichheit zu erreichen.104 1. Interpretation des Verfassungstextes Die spanische Verfassung geht sogar über die portugiesische Konzeption hinaus und gestaltet den Verbraucherschutz in seinen drei Abschnitten relativ detailliert. Bei dem Verbraucherschutz handelt es sich im Gegensatz zum Sozialversicherungssystem um eine Querschnittsmaterie, die gleichermaßen das öffentliche Recht, das Zivil- und das Strafrecht betrifft. Dementsprechend findet der Schutz auf Grundlage des Ley General para la defensa de los consumidores y usuarios105 Eingang in die verschiedensten gesetzlichen Bereiche. Während die Verbrauchereigenschaft im deutschen Recht vornehmlich in § 13 BGB definiert ist und grundsätzlich jede natürliche Person umfasst, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, ist der spanische Verbraucherbegriff weiter gefasst. Als Verbraucher ist jede natürliche und juristische Person zu bezeichnen, die am wirtschaftlichen Kreislauf auf dem Gebiet des Verbrauchs und der Dienstleistungen teilnimmt106 und sich in einer gegenüber ihrem Handelspartner unterlegenen Position befindet.107 Die Unterlegenheit beruht dabei auf der von Werbung beeinflussten Urteilsfähigkeit, auf der fehlenden Möglichkeit der Qualitätsprüfung und auf dem fehlenden Einfluss auf die Preisgestaltung.108
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Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 51, S. 390. Vgl. Art. 81 der portugiesischen Verfassung vom 2. April 1976. 103 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 51, S. 390. 104 Vgl. Bercovitz Rodriguez-Cano, Estudios jurídicos sobre protección de los consumidores, S. 22, 28. 105 Ley 26/1984 vom 19. Juli 1984, abrufbar unter http://www.boe.es; wesentlicher Auslöser dieser Gesetzgebung war der Speiseölskandal im Jahre 1981, bei dem durch Vergiftung ca. 650 Menschen starben und ca. 25000 Menschen zu Schaden kamen; vgl. hierzu auch Adomeit, Einführung ins spanische Recht, S. 28. 106 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 855. 107 Vgl. Bercovitz Rodríguez-Cano, Estudios jurídicos sobre protección de los consumidores, S. 28. 108 Vgl. ders., S. 22 f. 102
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Art. 51 I CE fordert den Einsatz wirksamer Maßnahmen auf den explizit erwähnten Gebieten der Sicherheit, der Gesundheit und der Verteidigung der legitimen wirtschaftlichen Interessen. Die Bezeichnung der speziellen Regelungsbereiche wird insgesamt als missglückt bezeichnet. Zum einen sei diese Aufzählung nicht abschließend und in der Weise nicht notwendig.109 Zum anderen seien die Bereiche der Sicherheit und der Gesundheit bereits hinreichend durch Art. 15 CE (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) und von Art. 43 CE (Gesundheitsschutz) erfasst.110 Bei der Verteidigung legitimer wirtschaftlicher Interessen seien nur solche Interessen schutzwürdig, die nach Abwägung mit anderen Interessen einen höheren Stellenwert einnähmen. Nur so habe die Aufnahme der Legitimität einen Sinn, zumal illegitime Interessen per se nicht schutzwürdig seien.111 Der Einsatz wirksamer Maßnahmen wird dahingehend gedeutet, dass der Staat – bei entsprechender Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes – die weitergehende Aufgabe habe, den Verbraucher bei der gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte zu unterstützen, um u. a. Hürden wie die Beweislast und das Prozesskostenrisiko zu beseitigen.112 In Art. 51 II CE werden mit der Erziehung und Information diejenigen Mittel genannt, mit deren Hilfe der Verbraucherschutz verwirklicht werden soll. Die Erziehung der Verbraucher sei in diesem Zusammenhang nach Ansicht in der Literatur hinreichend durch Art. 27 CE gewährleistet.113 Einen eigenständigen Charakter habe somit lediglich die Verbraucherinformation. Ziel dieser Information sei es, dem Verbraucher die Kenntnis der Vor- und Nachteile eines bestimmten Produktes zu vermitteln und ihm somit eine freie Entscheidung zwischen verschiedenen Produkten zu ermöglichen.114 Dabei kann die Informationsvermittlung von den staatlichen Behörden an den Verbraucher, durch die Einrichtung von Verbraucherberatungsstellen oder durch Auferlegung von Informationspflichten an private Unternehmer erfolgen. Die freie Urteilsbildung über ein bestimmtes Produkt wird insbesondere durch die Werbung beeinflusst. Ihre Kontrolle durch entsprechende gesetzliche Maßnahmen ist ein indirektes, aber effektives Mittel zur Förderung der neutralen Informations109 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 51, S. 418; Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 857. 110 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 856. 111 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución Art. 51, S. 399; ders., Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 51, S. 418. 112 Vgl. Bercovitz Rodríguez-Cano, Estudios jurídicos sobre protección de los consumidores, S. 26; Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 857; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 399; ders., Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 51, S. 417. 113 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. IV, Art. 51, S. 420; Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 867 f. 114 Vgl. STC 71/1982; Sequeira Martín, REDC 10 (1984), S. 114; Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 869.
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vermittlung.115 Das Ley General de Publicidad schützt die Verbraucher beispielsweise vor Schleichwerbung und gewährleistet das Verbot unterschwelliger Beeinflussung. Besonderes verfassungsrechtliches Gewicht wird den Verbraucherschutzorganisationen verliehen, die von den öffentlichen Gewalten zu fördern sind. Die Förderung aus der Hand des Staates schließt dabei aber eine Ersetzung durch den Staat aus.116 Des Weiteren sind die öffentlichen Gewalten verpflichtet, die Organisationen bezüglich der den Verbraucherschutz betreffenden Fragen anzuhören. Diese Anhörungspflicht bedeutet jedoch nicht, dass die Verbraucherinteressen auch immer rechtlich bindend sind.117 Art. 51 III CE sieht vor, dass ein Gesetz im Rahmen der Bestimmungen der Absätze 1 und 2 den Binnenhandel und das System der Genehmigung von Handelsprodukten zu regeln hat. Auch bei diesem Gesetzgebungsauftrag handelt es sich nach Ansicht in der Literatur um eine überflüssige Regelung. Ein Gesetzgebungsauftrag ergebe sich bereits hinreichend aus den ersten beiden Absätzen des Art. 51 CE. Effektive Verbraucherschutzmaßnahmen umfassten notwendigerweise auch die Regelung durch den Gesetzgeber.118 Insgesamt kann trotz der beredten Ausgestaltung des Verbraucherschutzes in der spanischen Verfassung keine Veranlassung zu einem höheren Schutzniveau gesehen werden, als dies nach der eher lakonischen Ausgestaltung im deutschen Grundgesetz der Fall wäre. Das Erfordernis des Verbraucherschutzes ergibt sich aus Art. 20 I GG sowie mittelbar aus den in erster Linie konkurrierenden Gesetzgebungsverteilungen des Art. 74 GG. Als ein von anderen Rechtsgebieten schwer abgrenzbarer Teilbereich unterfällt der Verbraucherschutz u. a. der Gesetzgebung im Bürgerlichen Recht (Art. 74 Nr. 1 GG, insbesondere im Miet- und Kaufrecht) und der Gesetzgebung im öffentlichen Recht (insbesondere zum Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln sowie Bedarfsgegenständen, Art. 74 Nr. 20 GG). In der spanischen Verfassung wird mit Art. 51 I CE zwar das Effektivitätsgebot explizit hervorgehoben, die daraus abgeleiteten besonderen Folgen (Unterstützung bei gerichtlicher Geltendmachung der Verbraucherrechte, u. a. durch Beweislastregelungen und Minimierung von Prozesskostenrisiken) sind aber auch nach deutschem Recht gewährleistet (vgl. die verfahrensrechtlichen Beweiserleichterungen, das Institut der Prozesskostenhilfe sowie das besondere rechtliche Gehör, welches Verbraucherschutzverbänden durch das Verbandsklagerecht im Unterlassungsklagengesetz eingeräumt wird). Auch wenn die Definition des Begriffs Verbraucher im spanischen Recht eher nach dem Gesichtspunkt der Unterlegenheit definiert wird und danach 115
Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Consttitución, Art. 51, S. 869. Vgl. Bercovitz Rodríguez-Cano, Estudios jurídicos sobre protección de los consumidores, S. 22, 27. 117 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 51, S. 873. 118 Vgl. Bercovitz Rodríguez-Cano, Estudios jurídicos sobre protección de los consumidores, S. 22, 27. 116
D. Einfluss faktischer Umstände auf die sozialen Grundrechte
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weiter gefasst ist, ergibt sich hieraus im Ergebnis kein weitgehendes Schutzniveau. Die rein tätigkeitsbezogene Definition im BGB wird in den konkreten Rechtsgebieten durch die Rechtsprechung entsprechend angepasst.119 Im Übrigen wird ein vergleichbares Schutzniveau im Verbraucherschutz insbesondere durch das EU-Recht gewährleistet (Art. 12, 114, 169 AEUV sowie Art. 38 EU GR Charta). Insbesondere Art. 169 AEUV erinnert in seiner Konzeption an Art. 51 CE. Hiernach leistet die Union zur Förderung der Verbraucherinteressen und zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie zur Förderung ihres Rechtes auf Information, Erziehung und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen. Art. 12 AEUV verpflichtet zudem alle Gemeinschaftsorgane, auch bei der Verfolgung anderer Vertragsziele den Erfordernissen des Verbraucherschutzes Rechnung zu tragen. Damit wird der Verbraucherschutz zu einem abwägungserheblichen Belang, der mit kollidierenden Belangen in ein Verhältnis praktischer Konkordanz zu bringen ist.120 Die Umsetzung dieser europarechtlichen Vorgaben erfolgt durch die Gemeinschaftsorgane insbesondere anhand von Richtlinien, die einheitliche Mindeststandards für die Mitgliedstaaten vorgeben.121 Nach Art. 169 IV AEUV sind die Mitgliedstaaten jedoch nicht gehindert, darüber hinausgehende Maßnahmen zu ergreifen. Weitergehende verbraucherschützende Maßnahmen sind durch die spanische und deutsche Verfassung jedoch nicht geboten. Sie stehen nach beiden Verfassungen gleichermaßen zur Disposition des über einen entsprechenden Gestaltungsspielraum verfügenden Gesetzgebers.
D. Einfluss faktischer Umstände auf die Interpretation sozialer Grundrechte und Leitprinzipien Wie bereits untersucht, wird der tatsächliche Verwirklichungsgrad der sozialen Grundrechten und Leitprinzipien über einen verfassungsrechtlich garantierten Mindeststandard hinaus letztlich durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt, der über einen entsprechenden politischen Gestaltungsspielraum verfügt. Dieser Umstand gilt für das spanische und deutsche Recht gleichermaßen und ergibt sich denknotwendig aus den objektiven Grenzen der vorhandenen organisatorischen und finanziellen Mittel: Die Wirtschaftskrise hat sich in Spanien insbesondere in den Bereichen des Wohnungsbaus niedergeschlagen, der zu Spitzenzeiten jährliche Wachstumsraten im 119
Vgl. insbesondere die Frage, ob Arbeitnehmer in ihrem Verhältnis zum Arbeitgeber als Verbraucher anzusehen sind, BArbG, NZA 2006, S. 324, 328; BVerfG, NZA 2007, S. 85, 86. 120 Vgl. Calliess/Ruffert, EUV/EGV Kommentar, Art. 153 EGV, Rn. 21, zur umweltrechtlichen Querschnittsklausel, Art. 6 EGV, Rn. 6. 121 Vgl. insbesondere die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG vom 25. Mai 1999.
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§ 6 Wirtschaft und Sozialstaat
zweistelligen Bereich aufwies. Auch der Automobilsektor verzeichnete von Januar bis Dezember 2011 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Rückgang von 17,7 Prozent bei Kfz-Neuzulassungen. Die Arbeitslosenquote, die von 1994 bis 2007 noch von 24,2 Prozent auf 8,2 Prozent zurückgegangen war, hat sich bis Oktober 2012 wieder auf 24,6 Prozent erhöht, was einer Anzahl von 5,69 Millionen Arbeitslosen entspricht. Die Verschuldensquote betrug im Jahr 2011 68,5 Prozent, das Haushaltsdefizit 8,9 Prozent.122 Legt man diese wirtschaftlichen Verhältnisse zugrunde, zeigt sich, dass die normative Kraft der Verfassung nur so weit reichen kann, wie ihr durch die Realität erlaubt wird. Es erscheint klar, dass ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Arbeit vor diesem Hintergrund nicht wörtlich genommen werden kann. Die realen wirtschaftlichen Verhältnisse fungieren somit als eigenständiger Interpretationsmaßstab der rechtlichen Sozialkonzeption in beiden Rechtsordnungen. Allgemein wird in diesem Zusammenhang von dem Vorbehalt des Möglichen oder auch der normativen Kraft des Faktischen gesprochen.123
E. Soziale Grundrechte und Leitprinzipien als Rechtfertigung für die Beschränkung klassischer Freiheitsrechte Eine besondere Rolle spielen die sozialen Grundrechte und Leitprinzipien bei der Rechtfertigung für die Beschränkung klassischer Freiheitsrechte. Laut Tribunal Constitucional bedarf es für die Beschränkung der Freiheitsrechte einer Abwägung mit anderen verfassungsrechtlich verbürgten Rechten und Prinzipien.124 So wird der Umweltschutz (Art. 45 CE) bzw. der Schutz der Familie (Art. 39 I CE) herangezogen, um die Rechte des Grundstückeigentümers125 bzw. des Vermieters126 verfassungsgemäß einzuschränken. Zudem dienen die Leitprinzipien der Schaffung realer Gleichheit (Art. 9 II CE), auch wenn hierdurch die formelle Gleichheit gem. Art. 14 CE beeinträchtigt wird, beispielsweise im Zusammenhang mit Quotenregelungen für behinderte Menschen (Art. 49 CE) bei öffentlichen Stellenausschrei-
122 Vgl. statistische Erhebungen des Auswärtigen Amtes, Stand Oktober 2012, abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de. 123 Vgl. für das deutsche Recht: BVerfGE 33, 303, 330 ff.; 43, 291, 313 ff.; 90, 107, 116; 96, 288 ff.; Lübbe-Wolff, JöR 53 (2005), S. 5 f.; für das spanische Recht: STC 189/1987; Rodríguez de Santiago, La administración del Estado social, S. 49. 124 Vgl. SSTC 120/1990; 57/1994. 125 Vgl. im Wasserrecht (Ley de Aguas) SSTC 227/1988; 66/1991. 126 Vgl. im Mietrecht SSTC 222/1992, 89/1994; vgl. näher auch die vergleichende Untersuchung zu der Beschränkung des Eigentums durch soziale Leitprinzipien in § 7 B.
F. Soziale Grundrechte und Leitprinzipien als Interpretationsmaßstab
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bungen.127 Die eingeschränkte rechtliche Effektivität der Leitprinzipien verbietet lediglich der Judikative, sich an Stelle des Gesetzgebers mit eigenen Kriterien sozialpolitisch zu betätigen und damit das Prinzip der Gewaltenteilung aufzuweichen. Für die Argumentation bei der Abwägung verschiedener verfassungsrechtlicher Interessen entfalten die Leitprinzipien hingegen uneingeschränkte Verbindlichkeit. Ihre verfassungssystematische Stellung spielt hierbei keine entscheidende Rolle.128 Allerdings kann aus der beredten Ausgestaltung der spanischen Leitprinzipien nicht gefolgert werden, dass diese bei der Abwägung mit den jeweiligen Freiheitsrechten einen gewichtigeren Stellenwert einnehmen als nach deutschem Recht Art. 20 I GG. Wie bereits festgestellt, hat das BVerfG die einzelnen Ausprägungen des Sozialstaatsprinzips in seiner umfassenden Rechtsprechung hierzu entwickelt. Diese einzelnen Ausprägungen entfalten als Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips eine gleichrangige Wirkung wie die spanischen Leitprinzipien, auch wenn sie nicht explizit im deutschen Verfassungstext verankert sind. Andererseits kann aus der verfassungssystematischen Stellung der Leitprinzipien auch nicht gefolgert werden, dass diese bei der Abwägung mit den klassischen Freiheitsrechten einen weniger gewichtigen Stellenwert haben als die unmittelbar einklagbaren Schutzrechte des Grundgesetzes. So ist der Schutz der Familie in der spanischen Verfassung in Art. 39 I CE als Leitprinzip konzipiert, während das Grundgesetz dasselbe Recht als Grundrecht mit uneingeschränkter rechtlicher Effektivität (vergleichbar mit den spanischen Grundrechten der ersten Gruppierung wie die Vereinigungsfreiheit) konzipiert. Dennoch hat der Schutz der Familie bei der Abwägung mit widerstreitenden verfassungsrechtlichen Interessen in beiden Verfassungen einen vergleichbaren rechtlichen Stellenwert, wie u. a. die bereits zuvor erwähnte Rechtsprechung zum sozialen Mietrecht zeigt.129
F. Soziale Grundrechte und Leitprinzipien als Interpretationsmaßstab Weitestgehende Einigkeit besteht auch darin, dass die Leitprinzipien als Interpretationsrichtlinien für den gesamten Verfassungstext und die einfache Rechtsordnung dienen.130 So gilt eine begünstigende Neuregelung zum Bezug von Witwenund Altersrente auch für Rentenempfänger, deren Ansprüche schon vor Inkrafttreten des Gesetzes bestanden haben, wenn das Gesetz keine eindeutige Bestimmung über den begünstigten Personenkreis trifft. Art. 50 CE (Schutz der Rentner) i.V.m. 127
Vgl. STC 269/1994; zur wirtschaftlichen Gleichbehandlung von Männern und Frauen vgl. näher § 13 B. 128 Vgl. Rodríguez de Santiago, La administración del Estado social, S. 48. 129 Vgl. auch § 7 B. III. 130 Vgl. STC 19/1982; Cobreros Mendazona, RVAP 19 (1987), S. 27; Prieto Sanchís, Estudios sobre derechos fundamentales, S. 195.
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§ 6 Wirtschaft und Sozialstaat
Art. 9 II CE und dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 1 I CE erfordern bei mehreren Interpretationsmöglichkeiten diejenige Lösung, die dem betroffenen Bürger die günstigste Position verschafft.131 Als Argumentationshilfe werden sie zudem bei der Auslegung und Gewichtung einzelner Grundrechte herangezogen.132 So hat die besondere sozialstaatliche Ausprägung des Streikrechts gem. Art. 28 II CE nach Ansicht des Verfassungsgerichts zur Folge, dass die in Art. 37 II CE für Unternehmer gewährleistete Garantie, kollektive Kampfmaßnahmen ergreifen zu dürfen, aufgrund der grundsätzlich unterlegenden Verhandlungsposition der Arbeitnehmer für Unternehmer nicht in gleichem Maße gelte. Demnach ist eine Regelung verfassungswidrig, die dem Unternehmer die Aussperrung als Druckmittel in einer Streiksituation erlaube.133 Die Leitprinzipien spielen schließlich eine gewichtige Rolle bei der Interpretation des formellen Gleichheitssatzes gem. Art. 14 CE. Sie können nach Ansicht des Verfassungsgerichts als Legitimation für das aktive Tätigwerden der öffentlichen Gewalt mit dem Ziel der Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dienen.134
I. Verhältnis zu anderen Verfassungsprinzipien Für die Gewichtung des Sozialstaatsprinzips bei der Verfassungsinterpretation ist die Untersuchung des Verhältnisses zu anderen Verfassungsprinzipien unerlässlich. Nach Art. 1 I CE konstituiert sich Spanien als sozialer und demokratischer Rechtsstaat. Sozialstaatsprinzip, Demokratieprinzip und Rechtsstaat sind somit in einem Satz aneinandergereiht und untrennbar miteinander verbunden. Fraglich ist jedoch, welche Gewichtung die einzelnen Elemente untereinander aufweisen. 1. Sozialstaat und Rechtsstaat Zunächst ist zu problematisieren, inwieweit das Verständnis vom Rechtsstaat das Verständnis des Sozialstaates beeinflusst. Ein Teil der Literatur sieht in diesen Prinzipien einen grundlegenden strukturellen Unterschied, der eine gleichrangige Position auf Verfassungsebene ausschließt.135 Grund hierfür sei die unterschiedliche 131
Vgl. STC 19/1982. Vgl. auch Aparicio Pérez, El Estado social en la jurisprudencia del Tribunal Constitucional, S. 47, 61. 133 Vgl. STC 11/1981, vgl. näher zur Bedeutung im spanisch-deutschen Rechtsvergleich § 11 B. 134 Vgl. STC 16/1995; vgl. zur Interpretation des Art. 14 CE bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Arbeitsleben STC 250/2000; vgl. zum spanisch-deutschen Rechtsvergleich näher § 13 B. 135 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 1, S. 23, 27. 132
F. Soziale Grundrechte und Leitprinzipien als Interpretationsmaßstab
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juristische Effektivität von traditionellen rechtsstaatlichen freiheitlichen Grundrechten einerseits und sozialstaatlichen Leistungsverpflichtungen andererseits: Die klassischen Freiheitsrechte nach Art. 53 I CE unterliegen der Wesensgehaltsgarantie und können zudem gem. Art. 53 II CE teilweise mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik als Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips vermitteln hingegen keine subjektiven Rechte. Diese Ansicht geht so weit, dass sie den vorgenannten sozialrechtlichen Bestimmungen keine verfassungsrechtliche Verbindlichkeit zuspricht.136 Dementsprechend sei das Rechtsstaatsprinzip in seiner Gewichtung höher als das Sozialstaatsprinzip einzustufen. Hiernach würde auch die zuvor angesprochene Möglichkeit der Einschränkung freiheitlicher Grundrechte durch die Leitprinzipien zu verneinen sein, da eine Abwägung immer zu Lasten des Sozialstaatsprinzips und seiner konkretisierenden Leitprinzipien ginge. Dieser Standpunkt überzeugt jedoch nicht. Trotz beschränkter Kontrollmöglichkeit sind die Leitprinzipien rechtlich bindend. Zudem kann außerhalb der rechtlichen Effektivität kein wesentlicher Strukturunterschied ausgemacht werden. Der Rechtsstaat zeichnet sich u. a. durch Gesetzmäßigkeit, Gewaltenteilung und Rechtssicherheit aus. Diese Prinzipien stellen sich der Idee des Sozialstaates jedoch nicht entgegen, sondern sind vielmehr geeignet, dessen Prinzipien umzusetzen und zu ergänzen. Geraten traditionelle Grundrechte und sozialstaatliche Bestrebungen miteinander in Konflikt, so handelt es sich um rechtliche Unterschiede, nicht jedoch um unüberwindbare Gegensätze. Aus dem Umfang der Kontrollmöglichkeit kann bei gleichbleibender Verbindlichkeit gem. Art. 9 III CE nicht auf die Gewichtung der einzelnen Elemente bei einer Abwägung geschlossen werden. Auch wenn das Wesensgehaltsprinzip gem. Art. 53 I CE auf die Leitprinzipien nicht anwendbar ist, so wird dieses durch das Erfordernis gewisser sozialrechtlicher Mindeststandards ersetzt. Auch die teilweise dogmatische Verortung als institutionelle Garantie spricht gegen eine bedeutungsmäßige Ignorierung der Leitprinzipien. Dieser Linie folgend sieht das Verfassungsgericht ebenfalls keinen strukturellen Unterschied, sondern spricht von einer Fortentwicklung des Rechtsstaates zum sozialen Rechtsstaat. Dabei obliege dem Rechtsstaat außer dem Schutz der Freiheitsrechte des einzelnen gleichrangig die Gewährleistung des friedlichen Zusammenlebens der Gemeinschaft. Das Sozial- und Rechtsstaatprinzip verfügen mithin im Grundsatz über einen gleichen Rang.137 Sowohl nach spanischem als auch nach deutschem Verfassungsverständnis treten das Sozial- und Rechtsstaatsprinzip regelmäßig miteinander in Konflikt. Der Grund liegt darin, dass der Rechtsstaat vor allem der Freiheit des Einzelnen und seiner 136
Vgl. ders., S. 23, 28. Vgl. insbesondere STC 18/1984; vgl. hierzu näher auch Tomás y Valiente, Unser Verfassungsstaat, S. 150 f. 137
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Rechte dient, während der Sozialstaat in die Freiheitrechte des Einzelnen eingreift. Der Konflikt muss dabei durch eine Abwägung im konkreten Einzelfall gelöst werden. Dieser Umstand ändert jedoch nichts an der abstrakten Gleichrangigkeit beider Prinzipien.138 2. Sozialstaat und Demokratieprinzip Nach der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Sozialstaat und Rechtsstaat soll nun das Verhältnis zwischen Sozialstaat und Demokratieprinzip beleuchtet werden. In der Weise, wie das Verfassungsgericht in dem sozialen Rechtsstaat die Fortentwicklung des liberalen Rechtsstaates sieht, geht ein Teil der Lehre beim demokratischen Rechtsstaat von einer Fortentwicklung des sozialen Rechtsstaates in Richtung eines sozialistischen Systems aus. Der Sozialstaat sei in einem liberalen Rechtsstaat im Sinne eines Wohlfahrtsstaates nur dazu da, in Notsituationen aktiv einzugreifen. Durch die demokratische Willensbildung solle hingegen die faktische Gleichheit aller Bürger erreicht werden und somit eine sozialistische Gesellschaftsund Wirtschaftsordnung geschaffen werden.139 Demgegenüber ist jedoch einzuwenden, dass durch die Willensbildung des Volkes und die Wahl der obersten Staatsgewalten zwar die Mehrheit bestimmen kann, was durch den Sozialstaat zu schützen sei. Die demokratische Mehrheit kann aber auch zugleich die schützenswerten Güter von Minderheiten beeinträchtigen.140 Das Demokratieprinzip bedeutet insbesondere, dass der Gesetzgeber durch das Volk legitimiert wird und in seiner Macht durch die Verfassung begrenzt ist. Aus Art. 1 I CE und den übrigen Verfassungsbestimmungen geht jedoch kein zwingender Hinweis auf ein sozialistisches Staatsverständnis hervor. Zudem muss sich jedes Verständnis von einer bestimmten Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung innerhalb des Rahmens des von der Verfassung her Zulässigen halten.141 Das Demokratieprinzip als Prinzip der Teilhabe des Bürgers am politischen Leben und der Meinungsfreiheit steht gleichrangig neben dem sozialen Rechtsstaat. Diesem Standpunkt folgt ebenfalls das Tribunal Constitucional und betont die für die Demokratie notwendige Pluralität und Parteienvielfalt. Anders als zwischen li-
138
Vgl. zum deutschen Recht Degenhart, Staatsorganisationsrecht, S. 219 f.; Capuno, Rechtsstaat und Sozialstaat, Ergänzung oder Ausbeutung ?, S. 8 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, S. 923; Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 729; zum spanischen Recht: Martín-Retortillo, Derechos fundamentales y Constitución, S. 163 ff.; Rodríguez de Santiago, La administración del Estado social, S. 19 ff. 139 Vgl. Tomás y Valiente, Unser Verfassungsstaat, S. 152 f.; Díaz, Der soziale und demokratische Rechtsstaat, S. 137 ff., 142 ff. 140 Vgl. auch den Zusammenhang zwischen Demokratie und politischem Pluralismus, Tomás y Valiente, Unser Verfassungsstaat, S. 156 f. 141 Vgl. Tomás y Valiente, Unser Verfassungsstaat, S. 153.
G. Auswirkung sozialer Grundrechte auf die Rechtssicherheit
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beralem und sozialem Rechtsstaat bestehe zwischen sozialem und demokratischem Rechtsstaat kein Verhältnis im Sinne einer Fortentwicklung.142 Auch nach deutschem Verfassungsverständnis ist ein solches Fortentwicklungsverhältnis abzulehnen. Das Sozialstaatsprinzip unterliegt über gewisse verfassungsrechtlich garantierte Mindeststandards hinaus der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, der seine Entscheidungen je nach den politischen Mehrheitsverhältnissen und dem Wandel der Zeit vornimmt. Damit spricht das Demokratieprinzip gerade gegen eine dauerhafte Entwicklung in eine bestimmte politische, gesellschaftliche und damit auch wirtschaftstheoretische Richtung, wie es bei mit einem sozialistischem Wirtschaftsmodell der Fall wäre.
G. Die Auswirkung sozialer Grundrechte und Leitprinzipien auf die Rechtssicherheit Wie bereits untersucht, hält sich das spanische Verfassungsgericht im Grundsatz aus sozialpolitischen Entscheidungen heraus und überlässt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung sozialer Rechtspositionen. Die Kontrolle soll sich im Ergebnis auf die Einhaltung bestimmter sozialer Mindeststandards beschränken. Genau dieses Verständnis spiegelt sich in der verfassungssystematischen Stellung der sozialen Grundrechte und Leitprinzipien wider. Fraglich ist jedoch, ob diese Konzeption auch in der Lage ist, für ausreichend Rechtssicherheit zu sorgen. Die Verfassungsrechtsprechung sieht sich dem Spannungsverhältnis ausgesetzt, dem Gesetzgeber einerseits Raum für einen zukunftsoffenen sozialen Wandel zu belassen, andererseits aber auch zu gewährleisten, dass besagte Mindeststandards eingehalten werden. Im deutschen Verfassungsrecht lässt sich die Tendenz beobachten, dass das BVerfG immer wieder von der selbstauferlegten Zurückhaltung abweicht und mit immer detaillierteren Vorgaben gewissermaßen die Aufgabe des einfachen Gesetzgebers übernimmt.143 Der Streit über den Umfang sozialer Mindeststandards im Grenzbereich der Gewaltenteilung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Legislative kann dazu führen, dass die normative Kraft der Verfassung in Frage gestellt wird. Sollte der Verfassung in diesem Zusammenhang aber nicht gerade die Aufgabe zukommen, mit detaillierteren Vorgaben die Grundlage für eine rechtlich stabilisierte Gesetzgebung und entsprechende Rechtssicherheit zu legen? Sieht man den Auslöser dieser Problematik in einer lakonischen Sozialverfassung, die sich wie das Grundgesetz mit dem Inhalt sozialer Mindestvorgaben zurückhält und auf die karge Ausgestaltung des Art. 20 I GG beschränkt, so unterliegt 142 Vgl. STC 18/1981, vgl. auch Tomás y Valiente, Unser Verfassungsstaat, S. 156; Díaz, Der soziale und demokratische Rechtsstaat, S. 147 f. 143 Vgl. die entsprechenden Nachweise unter § 2 C. II.
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man einer Täuschung. Denn trotz der beredten Ausgestaltung der spanischen Sozialverfassung stellt sich dort ebenfalls die Frage nach der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den öffentlichen Gewalten.144 Einerseits betont das Tribunal Constitucional, dass es nicht seine Aufgabe sei, den parlamentarischen Gesetzgeber zu ersetzen und über die verfassungskonforme Auslegung hinaus seiner Ansicht nach bessere Interpretationsmöglichkeiten rechtlicher Konzeptionen vorzuschreiben.145 Andererseits weicht es jedoch immer wieder von dieser selbstauferlegten Zurückhaltung ab. Besonders ist dieses Verhalten von der ursprünglichen Möglichkeit der präventiven Normenkontrolle begünstigt worden, durch die sich das Verfassungsgericht immer wieder dazu verleiten ließ, darzulegen, welche genauen Modifikationen zu einer Verfassungsmäßigkeit des zukünftig zu verabschiedenden Gesetzes führen würden.146 Aber auch unabhängig von dieser Kontrollmöglichkeit nimmt das Gericht Wertungen vor, die eigentlich der Legislative obliegen. So modifizierte es das Sozialversicherungssystem, indem es das Rentensystem für Witwer an das für Witwen anpasste.147 Damit erweiterte es die sozialen Leistungen des Gesetzes über das Sozialversicherungssystem, ohne dass dies durch den Gesetzgeber vorgesehen war.148 Zudem erweiterte es den in Art. 58 I des Mietgesetzes vorgesehenen todesbedingten Eintritt des Ehegatten in den Mietvertrag auf nichteheliche Lebenspartner.149 Zwar stützte sich das Verfassungsgericht in seinen Urteilen jeweils auf die formelle Gleichbehandlung in Verbindung mit den entsprechenden sozialen Leitprinzipien, überließ dem Gesetzgeber dabei aber nicht die Chance, die jeweiligen verfassungsrechtlichen Missstände durch eine eigenständige politische Konzeption zu beseitigen. Dieses gerichtliche Tätigwerden im Grenzbereich der Gewaltenteilung führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Diese wurde in dem Fall der mietrechtlichen Rechtsnachfolge noch dadurch verstärkt, dass das Gericht nicht festlegte, welche Voraussetzungen an eine nichteheliche Lebensgemeinschaft zu knüpfen seien.150 Zudem hatte das Gericht zuvor in einem vergleichbaren Fall zur Frage der Erweiterung des Übergangs von Rentenansprüchen auf nichteheliche Lebenspartner noch
144
Vgl. hierzu insbesondere Gascón Abellán, REDC 41 (1994), S. 63 ff. Vgl. SSTC 5/1981; 11/1981; 58/1982; 77/1985; 108/1986; Gascón Abellán, REDC 41 (1994), S. 67 f. 146 Vgl. Pérez Royo, REDC 17 (1986), S. 137 ff.; die umfassende Kritik führte zur Abschaffung dieser präventiven Normenkontrolle im Jahr 1985. 147 Vgl. STC 103/1983. 148 Vgl. hierzu näher Gascón Abellán, REDC 41 (1994), S. 71 f.; Rodríguez-Piñero Bravo-Ferrer, Igualdad y no discriminación en el empleo, S. 475 f. 149 Vgl. STC 222/1992. 150 Vgl. Gascón Abellán, REDC 41 (1994), S. 72 ff. 145
H. Reichweite des politischen Gestaltungsspielraumes
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anders entschieden, ohne seine spätere Abweichung von dieser Rechtsprechung besonders zu begründen.151 Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass auch ein mittels Leitprinzipien verfassungstextlich konkretisiertes Sozialstaatsprinzip nicht konkret genug ist, um eine stabilisierte Gesetzgebung zu begünstigen. Auch im spanischen Recht schreitet das Verfassungsgericht im Grenzbereich der Gewaltenteilung ein, um aus seiner Sicht verfassungsrechtlich gebotene soziale Mindeststandards zu gewährleisten. Dieses Ergebnis verwundert aber insofern nicht, da der Inhalt und Umfang sozialer Rechte dem Wandel der Zeit unterliegen. Die Verfassung hingegen beansprucht fortdauernde Verbindlichkeit und muss über den wirtschaftlichen und sozialen Wandel erhaben sein. Die sozialen Leitprinzipien liegen damit im Spannungsverhältnis zwischen ihrem Anspruch auf normative Kraft und einer notwendigen Entwicklungsoffenheit. Diesem Umstand trägt ihre verfassungssystematische Stellung Rechnung, indem Art. 53 III CE einerseits ihre Verbindlichkeit festschreibt, ihre konkrete Ausgestaltung jedoch dem einfachen Gesetzgeber überlässt. Dabei lässt sich in der verfassungsrechtlichen Konzeption beider Länder aber nicht vermeiden, dass das Verfassungsgericht im Grenzbereich der Gewaltenteilung versucht, soziale Mindeststandards notfalls aktiv zu bestimmen, um seiner Rolle als Hüter der Verfassung gerecht zu werden.
H. Reichweite des politischen Gestaltungsspielraumes im Lichte des wirtschaftlichen Gleichgewichts Bezüge zu der Herstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts finden sich in der spanischen Verfassung insbesondere in Art. 40 I CE. Demnach fördert die öffentliche Gewalt im Rahmen einer Politik wirtschaftlicher Stabilität die für den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt und für eine gerechtere Verteilung des regionalen und persönlichen Einkommens günstigen Bedingungen. Ganz besonders betreibt sie eine auf die Vollbeschäftigung ausgerichtete Politik. Während das deutsche Stabilitätsgesetz die konkrete Ausgestaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichts auf einfachgesetzlicher Ebene vornimmt, geht die spanische Verfassung selbst weitergehend ins Detail. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist Art. 40 I CE der Inbegriff der spanischen Wirtschaftsverfassung und der sozialen und wirtschaftlichen Leitprinzipien.152
151 152
Vgl. STC 184/1990. Vgl. STC 1/1982.
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I. Verfassungssystematische Einordnung der Verpflichtung zur Herstellung des wirtschaftlichen Gleichgewichts Im Unterschied zur deutschen Verfassung wird das wirtschaftliche Gleichgewicht verfassungssystematisch losgelöst von den haushaltsrechtlichen Bestimmungen behandelt. Inhaltliche Auswirkungen hat diese unterschiedliche Konzeption jedoch nicht. Der Haushaltsplan ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen. Angesichts dieser Funktion hat die öffentliche Gewalt bei der Festsetzung der finanziellen Mittel die verfassungsrechtlichen Grundsätze zu achten und sich insbesondere an den Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik zu orientieren. Damit ist die Beachtung des wirtschaftlichen Gleichgewichts eines der wesentlichen Ziele der Haushaltspolitik.
II. Die Komponenten des Art. 40 I CE und ihr Verhältnis zueinander Hinsichtlich seiner Komponenten legt Art. 40 I CE den Schwerpunkt zunächst auf den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt und die gerechte Verteilung des Einkommens. In diesem Sinne habe der Staat die Aufgabe, sowohl auf regionaler als auch auf gesamtstaatlicher Ebene für innere und äußere wirtschaftliche Stabilität zu sorgen.153 Mit dem Ziel eines vergleichbaren Lebensstandards in allen Regionen bestimmt Art. 138 CE ergänzend, dass der Staat die wirksame Realisierung der Solidarität gewährleistet, indem er sich für die Herstellung eines angemessenen und gerechten wirtschaftlichen Gleichgewichts zwischen den verschiedenen Teilen des Staatsgebietes einsetzt.154 Ein wesentliches Mittel zur Verfolgung dieses Zieles ist das Ley 22/2001 vom 27. Dezember 2001, welches den finanziellen Ausgleich zwischen den autonomen Gemeinschaften regelt. Art. 40 I S. 2 CE betont in besonderer Weise die Gewährleistung einer Vollbeschäftigungspolitik. Unter Vollbeschäftigungspolitik wird die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die die Unausgewogenheiten zwischen Angebot und Nachfrage an Arbeitsplätzen im Wege kurz-, mittel- oder langfristiger Förderungsmaßnahmen ausgleichen.155 Das im Jahre 1980 in Kraft getretene Ley bàsica de empleo (LBE)156 konkretisiert das Ziel der Vollbeschäftigungspolitik. Mit Art. 2 LBE werden Ziele wie die Anhebung des Beschäftigungsgrades, die Transparenz des Arbeitsmarktes und die Mobilität der Arbeitskraft verfolgt, um Angebot und Nachfrage zu einer größtmöglichen Übereinstimmung zu bringen. Die beschäfti153
Vgl. SSTC 96/1984; 150/1990. Vgl. auch STC 146/1992. 155 Vgl. López-Monis de Calvo, RSS 12 (1981), S. 156; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 40, S. 76. 156 Ley 51/1980 vom 8. Oktober 1980, abrufbar unter http://www.boe.es. 154
H. Reichweite des politischen Gestaltungsspielraumes
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gungsfördernden Maßnahmen werden im Estatuto de Trabajores157 (ET) aufgezählt. Hierunter fallen u. a. Zeitarbeitsverträge158, Subventionen159 sowie Begrenzung der Überstunden (Art. 35 ET) und Bestimmung des Renteneintrittsalters160 (Art. 6 I ET). Fraglich ist, in welchem Verhältnis die einzelnen Komponenten des Art. 40 I CE zueinander stehen. Die Betonung der Vollbeschäftigungspolitik durch Art. 40 I S. 2 CE wird in der Literatur teilweise dahingehend gedeutet, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einen Schwerpunkt der wirtschaftspolitischen Tätigkeit des Staates einnehmen soll. Demnach solle sogar das Ziel stabiler wirtschaftlicher Verhältnisse der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit untergeordnet werden.161 Das Tribunal Supremo hingegen verleiht den einzelnen Zielen keine vorrangige Wirkung, sondern stellt lediglich fest, dass es Aufgabe des Parlaments sei, die Gewichtung zwischen den verschiedenen Zielen vorzunehmen.162 Das Verfassungsgericht stellt zudem fest, dass die Verfassung über eine Reihe von sozialen und wirtschaftlichen Zielen verfügt, die entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen auf dem gesamten nationalen Territorium erfordern.163 Aus der Rechtsprechung kann damit eine Gleichrangigkeit der einzelnen Komponenten gefolgert werden. Im Falle eines Konfliktes zwischen den Zielen obliegt es dem Gesetzgeber, seinen politischen Gestaltungsspielraum zu nutzen und die jeweils gefährdungsbestimmende Vorrangigkeit zu berücksichtigen. Damit bewegt sich die Interpretation des Verhältnisses der wirtschaftspolitischen Ziele zueinander ganz auf der Linie der deutschen Rechtsprechung.164 Dennoch ist die besondere Hervorhebung der Vollbeschäftigungspolitik durch Art. 40 I S. 2 CE nicht zu ignorieren. Vermittelnd könnte man das Verhältnis in der Weise auslegen, dass sich die öffentliche Gewalt der Vollbeschäftigungspolitik zu jeder Zeit gegenwärtig sein müsse. Eine vorrangige Verfolgung anderer Ziele wäre aber solange nicht verfassungswidrig, wie dadurch eine langfristige Besserung der Beschäftigungslage nicht gefährdet werde. Durch eine solche Auslegung wird einerseits der von der Rechtsprechung beabsichtigte weite politische Gestaltungsspielraum berücksichtigt, andererseits wird der besonderen Betonung der Vollbeschäftigungspolitik – zumindest symbolisch – Rechnung getragen. Symbolisch deswegen, da wohl kaum eine Situation denkbar ist, in der die Verfolgung anderer stabilitätsfördernder Maßnahmen zu einer langfristigen Gefahr für die Vollbeschäftigungspolitik führt. Die Kontrolle des Verfassungsgerichts beschränkt sich 157
Ley 8/1980 vom 10. März 1980, abrufbar unter http://www.boe.es. Vgl. auch Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 40, S. 81; Real Decreto 2720/1998 vom 18. Dezember 1998 zur Konkretisierung des Art. 15 ET. 159 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. IV, Art. 40, S. 82; Real Decreto 2317/1993 vom 29. Dezember 1993. 160 Vgl. auch Real Decreto-Ley 14/1981 vom 20. August 1981. 161 Vgl. Garrido Falla, Comentarios a la Constitución, Art. 40, S. 771 ff. 162 Vgl. Tribunal Supremo (Sala cuarta), Urteil vom 8. Juni 1995 (Az. 4772). 163 Vg. STC 1/1982. 164 Vgl. zur deutschen Rspr. näher § 2 C. III. 158
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zudem auch hier lediglich auf evidente Verstöße, die angesichts der Schwere einer Abschätzung langfristiger Folgen wohl kaum in Betracht kommen.
III. Gewährleistung der Stabilität des Preisniveaus durch die spanische Verfassung Als Hauptziel der Geldpolitik ist die Geldwertstabilität anzusehen. Durch diese wird die Erreichung aller anderen wirtschaftspolitischen Ziele wesentlich begünstigt. In diesem Sinne schreibt Art. 109 II GG die Einhaltung einer entsprechenden Haushaltsdisziplin vor, die den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung trägt. Dabei stellt eine verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse ein wesentliches Mittel dar, um das Ziel der Geldwertstabilität und damit die Stabilität des Preisniveaus zu verfolgen. In diesem Zusammenhang bedarf es für die Aufnahme von Krediten nach Art. 115 I GG einer gesetzlichen Grundlage. Gem. Art. 109 III GG darf der Haushalt im Grundsatz nicht mithilfe von Krediten ausgeglichen werden. Als fixe Grenzen darf durch den Bund ein Haushaltsdefizit von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Bezug auf die jährliche, nicht konjunkturbedingte Nettokreditaufnahme nicht überschritten werden. Den Ländern wird sogar jegliches strukturelles Defizit verboten. Das zulässige konjunkturelle Defizit hingegen ist nach den Vorschriften der Europäischen Kommission zu berechnen. Eine Abweichung von der Grenze des strukturellen Haushaltsdefizites ist nur für die Fälle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, erlaubt. Eine vergleichbare Regelung ist im September 2011 in Art. 135 der spanischen Verfassung eingefügt worden. Der wesentliche Unterschied zur deutschen Ausgestaltung ist, dass lediglich das Prinzip der Haushaltsstabilität verfassungsrechtlich verankert worden ist, die Bestimmung einer Höchstgrenze für eine strukturelle Kreditaufnahme jedoch dem einfachen Gesetzgeber überlassen wird. Für das Gesetz ist dabei vorgesehen, dass sich die jährliche strukturelle Nettokreditaufnahme des Staates auf 0,26 Prozent, die der Autonomen Regionen auf 0,14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes belaufen soll. Die Kommunen dürfen hingegen kein strukturelles Defizit aufweisen. Ein weiterer Unterschied findet sich in der Festsetzung der Ausnahmen. Der Verfassungstext übernimmt insoweit nahezu wörtlich die Regelung des Art. 109 III GG, sieht aber zusätzlich eine Ausnahme für ökonomische Rezessionen vor. Angesichts des historischen Dezentralisierungsprozesses in Spanien und der damit verbundenen hohen Kosten für den umfangreichen Verwaltungsapparat stellt die Schuldenbremse einen Versuch dar, die öffentliche Gewalt in ihrer Haushaltspolitik zu disziplinieren. Zudem soll die verfassungsrechtliche Verankerung Vertrauen im Hinblick auf ausländische Investitionen schaffen und damit die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens stärken. Gegner befürchten angesichts der Einsparungen
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hingegen einen Abbau des Sozialstaates zugunsten einer neoliberalen Wirtschaftspolitik. Fraglich ist, inwieweit die rechtliche Effektivität der Haushaltsdisziplin gewährleistet ist. Kritik wird insbesondere an der Trennung von konjunkturellen und strukturellen Schulden geübt. Die methodischen Probleme bei der Berechnung der konjunkturellen Komponente führen zu einem nicht zu unterschätzenden Spielraum der Regierung für eine weitergehende Staatsverschuldung. Zudem ist zu kritisieren, dass keine verbindlichen Tilgungsfristen für Kredite vorgesehen sind, die über die maximale Grenze hinaus in Notzeiten aufgenommen werden dürfen. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als dass die spanische Verfassung gegenüber dem Grundgesetz den Ausnahmenkatalog auch auf ökonomische Rezessionen erweitert hat. Damit ist eine erweiterte Kreditaufnahme bereits dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn sich das spanische Wirtschaftswachstum in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativ entwickelt.165 Schließlich überlässt die spanische Verfassung die Festlegung des maximalen strukturellen Haushaltsdefizits dem einfachen Gesetzgeber. Eine Anhebung der maximalen Verschuldungsquote ist entsprechend einfacher möglich als nach deutschen Recht. Dort bedarf es für die Anhebung einer verfassungsändernden parlamentarischen Mehrheit. Damit ist der politische Gestaltungsspielraum hinsichtlich einer Staatsverschuldung in Spanien insgesamt größer, als dies aufgrund der höheren Anforderungen des Grundgesetzes im deutschen Recht der Fall ist.
IV. Konsequenzen der jeweiligen Komposition wirtschaftspolitischer Ziele Die spanische Verfassung konkretisiert die wirtschaftspolitischen Komponenten zur Verfolgung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Gegensatz zum Grundgesetz weitgehend selbst, setzt dabei aber von dem deutschen Gesetzgeber nach § 1 StabG abweichende Schwerpunkte. Die gerechte Einkommensverteilung, im Grundgesetz von Art. 20 I GG erfasst, wird durch Art. 40 I CE explizit erwähnt und durch Art. 138 CE zudem ergänzt. Dies mag seinen besonderen Grund darin haben, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen spanischen Regionen seit jeher erheblich voneinander unterscheiden. Die Angleichung der Lebensverhältnisse aneinander war ein besonderes Anliegen der verfassungsgebenden Gewalt, welches sich konsequenterweise explizit im Verfassungstext niedergeschlagen hat. Vergleichbare strukturelle Unterschiede zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands kamen erst mit der Wieder165 Vgl. Lexikon Rechnungswesen, abrufbar unter http://www.rechnungswesen-verstehen. de/lexikon/rezession.php.
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vereinigung auf, zu einer Zeit, in der das Stabilitätsgesetz bereits existierte. Ebenso historische Gründe können für die besondere Betonung der Vollbeschäftigungspolitik angeführt werden. Wie bereits untersucht, ist diese Schwerpunktsetzung den progressiven Kräften der verfassungsgebenden Gewalt zu verdanken, die sich – ausgehend vom Verfassungsmodell der zweiten republikanischen Verfassung von 1931 – erfolgreich für eine weitgehende Verankerung sozialer Gewährleistungen einsetzten. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist hingegen kein explizites Ziel der spanischen Verfassung. Lediglich das Verfassungsgericht betont das Ziel einer inneren und äußeren wirtschaftlichen Stabilität.166 Das Ziel der Geldwertstabilität ist – wie zuvor untersucht – erst jüngst durch die Verankerung einer verfassungsrechtlichen Schuldenbremse wesentlich gestärkt worden. Trotz dieser unterschiedlichen Schwerpunktsetzung ist der Rechtsprechung ein vorrangiges wirtschaftspolitisches Ziel nicht zu entnehmen. Vergleichbar setzt auch das Grundgesetz keine vorrangigen wirtschaftspolitischen Ziele fest, sondern überlässt dem Gesetzgeber weitestgehenden Gestaltungsspielraum. Selbst das im Stabilitätsgesetz verankerte sogenannte magische Viereck ist vom einfachen Gesetzgeber entwicklungsoffen konzipiert. Dem in beiden Verfassungen bestimmten Ziel des wirtschaftlichen Gleichgewichts ist dabei imminent, dass die wirtschaftspolitischen Maßnahmen nach einer gefährdungsbestimmenden Reihenfolge vorzunehmen sind. Die jeweilige verfassungstextliche Ausgestaltung ist damit in erster Linie aus historischen Beweggründen heraus zu erklären. Konsequenzen für den jeweiligen Schwerpunkt wirtschaftspolitischer Maßnahmen hat sie jedoch nicht. Indem die spanische Verfassung zumindest symbolisch die Vollbeschäftigungspolitik durch Art. 40 I S. 2 CE hervorhebt, kommt sie der Realität aber insoweit näher, dass faktische politische Interessen die Vollbeschäftigungspolitik populärer erscheinen lassen, als dies bei der Verfolgung einer ausgeglichenen Handelsbilanz oder der Geldwertstabilität der Fall sein mag. Soweit diese Realitätsnähe jedoch überhaupt als messbar bezeichnet werden kann, wirkt sie sich weniger auf den normativen Wert der Verfassung im Sinne einer erhöhten Verbindlichkeit, sondern allenfalls auf einen erhöhten Grad ihrer Integrationsfähigkeit aus. Letztlich wird auch die Weite des politischen Gestaltungsspielraumes nicht dadurch modifiziert, dass die spanische Verfassung die Komponenten für ein wirtschaftliches Gleichgewicht teilweise selbst konkretisiert, anstatt diese Aufgabe dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen. Wie das Grundgesetz zeichnet sich auch die spanische Verfassung durch ihre weitgehende Entwicklungsoffenheit aus und schreibt in nicht abschließender Weise lediglich diejenigen Ziele nieder, die sich ebenfalls dem Grundgesetz im Wege der Auslegung entnehmen lassen.
166
Vgl. SSTC 96/1984; 150/1990.
§ 7 Wirtschaftsrelevante Grundrechte in der spanischen Verfassung Nach der Darstellung und vergleichenden Auslegung der für die Wirtschaft wesentlichen Verfassungsprinzipien sollen im Folgenden die wirtschaftsrelevanten Grundrechte näher untersucht werden. Im Rahmen des Sozialstaatsprinzips1 ist der Verfasser bereits vertieft auf die sogenannten Orientierungsgrundrechte eingegangen und hat deren rechtliche und faktische Tragweite untersucht. Die spanische Verfassungssystematik offenbart jedoch im Gegensatz zu der deutschen insgesamt drei Grundrechtsgruppierungen, deren ersten beiden in den folgenden Kapiteln relevant werden. Kennzeichnend für die spanische Verfassung ist dabei, dass nicht alle Grundrechte denselben Schutz genießen. Das jeweilige Schutzniveau richtet sich nach Art. 53 CE. Die erste Gruppierung (Art. 14 bis 29 CE), auch die Gruppe der Basisgrundrechte genannt, genießt den besonderen Schutz eines auf dem Vorzugs- und Schnelligkeitsprinzip basierenden Grundrechtsschutzverfahrens mit Suspensiveffekt2 vor den Verwaltungsgerichten und nach Erschöpfung des Rechtsweges der Verfassungsbeschwerde vor dem Tribunal Constitucional. Zu diesen Grundrechten zählen u. a. das wirtschaftliche Gleichheitsgebot gem. Art. 14 CE sowie die Vereinigungs- (Art. 22 CE) und Kommunikationsfreiheit (Art. 20 CE). Eine grundlegende Ausgestaltung dieser Rechte kann nur mittels eines Organgesetzes3 beschlossen werden. Dabei muss gemäß Art. 53 I CE der Wesensgehalt des eingeschränkten Grundrechts beachtet werden. Für die zweite Gruppierung (Art. 30 bis 38 CE), auch Gruppe der ergänzenden Grundrechte genannt, gilt zwar ebenfalls das Wesensgehaltsprinzip, die Grundrechte sind aber nur mit einem einfachen Gesetzesvorbehalt ausgestattet. Zudem sind die Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber der ersten Gruppierung gekürzt, wie aus dem Umkehrschluss aus Art. 53 II CE zu entnehmen ist. Gegen in Betracht kommende Verstöße kommt kein unmittelbares subjektives Rechtsschutzverfahren wie die Verfassungsbeschwerde in Betracht. Dieser auf den ersten Blick abgeschwächte Schutz trifft insbesondere auf die Eigentumsfreiheit (Art. 33 CE), die Berufsfreiheit (Art. 35 CE) sowie die Unternehmensfreiheit (Art. 38 CE) zu.
1
Vgl. oben § 6. Vgl. Martínez Soria, Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien, S. 366 f. 3 Vgl. oben § 5 A. I. 2
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Damit hat die spanische Verfassungsrechtsprechung hinsichtlich der Ausbildung und Rechtsfortbildung der für die Wirtschaft wesentlichen Grundrechte Eigentums-, Berufs- und Unternehmensfreiheit nicht dieselbe weitreichende Bedeutung, wie dies beim BVerfG der Fall ist. Die weiteren rechtlichen Konsequenzen hieraus bilden einen der folgenden Untersuchungsschwerpunkte.
§ 8 Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen Das Eigentum stellt als besondere Ausprägung der Menschenwürdegarantie und der damit verbundenen persönlichen Entfaltungsfreiheit1 wohl eine der wichtigsten Grundlagen wirtschaftlichen Handelns dar. Wie unschwer zu erkennen, hat sich der spanische Verfassungsgeber bei der Formulierung des Art. 33 CE an Art. 14 GG orientiert2 : Art. 33 I CE: „Das Recht auf Privateigentum und das Erbrecht werden anerkannt.“
Art. 33 II CE: „Die soziale Funktion dieser Rechte grenzt ihren Inhalt nach Maßgabe der Gesetze ab.“
Art. 33 III CE: „Niemand darf seiner Güter und seiner Rechte enteignet werden, es sei denn aus gerechtfertigten Gründen des öffentlichen Nutzens oder des Interesses der Allgemeinheit sowie gegen entsprechende Entschädigung und nach Maßgabe der Gesetze.“
Die Bedeutung der Sozialbindung des Eigentums schlägt sich im Gegensatz zu Art. 14 I S. 1 GG3 bereits im ersten Absatz des Art. 33 CE nieder. Nicht das Grundrecht des (bestehenden) Eigentums (derecho de propiedad) wird anerkannt, sondern vielmehr das Recht auf Eigentum (derecho a la propiedad). Damit stellt Art. 33 I CE das Recht einer jeden Person auf Zugang zum Eigentum und den Auftrag an die öffentlichen Gewalten heraus, die entsprechenden Bedingungen hierfür zu fördern.4 Gestützt wird diese Interpretation auf Art. 129 II CE, der den Zugang der Arbeitnehmer zum Eigentum an den Produktionsmitteln vorsieht, sowie auf den materiellen Gleichheitssatz des Art. 9 II CE5. Art. 33 I CE distanziert sich somit von der traditionellen Konzeption des Privateigentums, wie sie seit der Erklärung der Menschenrechte von 1789 vorherrschte. Die Verfassung hinterfragt 1
Vgl. Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 165; Rey Martinez, DPC 3 (1994), S. 184; im deutschen Recht vgl. BVerfGE 24, 389; 31, 229, 239. 2 Vgl. Timmermann, Soziale Funktion und Umweltfunktion des Eigentums in der spanischen und in der kolumbianischen Verfassung, S. 25; Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 158, Fn. 1. 3 Art. 14 I S. 1 GG: Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. 4 Vgl. Ojeda Marín, El contenido económico de las constituciones modernas, S. 49 f. 5 Art. 9 II CE beauftragt die öffentlichen Gewalten, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Freiheit und Gleichheit des Einzelnen und der Gruppe, in der er sich einfügt, real und wirksam sind, und die Hindernisse zu beseitigen, die ihre volle Entfaltung unmöglich machen.
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nunmehr den individuellen Charakter des Grundrechts und verleiht diesem eine Legitimation, die in besonderer Weise dem Allgemeinwohl verbunden ist.6 Die ausdrücklich in Art. 33 II CE erwähnte Sozialbindungsklausel ist somit als logische Konsequenz dieser Interpretation anzusehen. Ob dieser damit besonders hervorgehobene Sozialbezug im Gegenzug auch zu einer weiteren Einschränkung der Privatnützigkeit des Eigentums führt, wie dies im deutschen Recht der Fall ist, soll unter anderem im Folgenden untersucht werden. Untersuchungsgegenstand hierbei ist die Abgrenzung der den Schutzbereich definierenden im Grundsatz entschädigungsfreien Inhaltsbestimmung von der stets entschädigungspflichtigen Enteignung sowie die sich hieraus ergebenden Konsequenzen (B.). Eng verknüpft mit dieser Problematik sind die sich aus Art. 33 III CE ergebenden Voraussetzungen der Enteignung, insbesondere die Frage nach einer aus Art. 14 III GG bekannten Junktim-Klausel (C.). Geringen Einfluss auf die praktische Eigentumsgestaltung dürften im Ergebnis die nach Art. 129 II CE denkbare Sozialisierung der Produktionsmittel (D.) sowie die europarechtlichen Vorgaben (E.) haben. Zunächst wird jedoch eine grundlegende Einordnung des Eigentums in das spanische Rechtssystem vorgenommen. Dabei sollen im Vergleich zum deutschen Recht Gemeinsamkeiten, jedoch auch die besonderen Unterschiede herausgestellt werden. Letztere kristallisieren sich insbesondere bei den Fragen nach der Qualität des Gesetzesvorbehalts und dem verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz (A.).
A. Grundlegende Einordnung des Eigentums in das spanische Rechtssystem Die differenzierte Interpretation des Art. 14 GG durch das BVerfG als oberstem Hüter des Grundgesetzes sucht seinesgleichen. In der Tat fällt die spanische Verfassungsrechtsprechung vergleichsweise dünn aus. Grund hierfür ist der – unten zu erörternde – gegenüber dem deutschen Recht eingeschränkte gerichtliche Grundrechtsschutz, der dem TC nur relativ wenig Gelegenheit zur Interpretation gelassen hat. Derweil hat das Gericht in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht einen einzigen Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit festgestellt.7 Dennoch hat es in einigen richtungsweisenden Entscheidungen die grundlegende Dogmatik der Eigentumsfreiheit entwickelt.8 6
Vgl. Font Galán, Constitución económica y derecho de la competencia, S. 115. Vgl. Barnés, Propiedad, Expropiación y Responsabildidad, S. 31 f. 8 Zur Enteignung der Konzerngruppe Rumasa vgl. SSTC 111/1983; 166/1986; 67/1988; 6/ 1991; zum Kontrahierungszwang im Mietrecht vgl. STC 89/1994 (arrendamientos forzosas); zur andalusischen Bodenreform vgl. STC 37/1987 (reforma agraria andaluza); zur Herabsetzung des Rentenalters für Richter vgl. STC 108/1986, für Beamte vgl. STC 99/1987, STC 149/1991(Ley de Costas); zum Wasserhaushaltsgesetz (Ley de Aguas) vgl. 227/1988 sowie im Bereich des Naturschutzes vgl. STC 179/1989 (Ley madrileña de la Cuenca alta del Manzanares); aus der neueren Zeit vgl. STC 204/2004 (Übergang von Kontoguthaben an den 7
A. Einordnung des Eigentums in das spanische Rechtssystem
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I. Definition des Schutzbereichs Die Abgrenzung des Schutzbereichs gegenüber der Berufsfreiheit wird aus der deutschen Verfassungsrechtsprechung eins zu eins übernommen.9 Dasselbe gilt für die grundlegende Ausprägung der Eigentumsfreiheit als subjektives Abwehrrecht (derecho subjetivo de defensa) sowie in seiner objektiven Funktion als Institutsgarantie (vertiente objetiva o institucional).10 Besonders hervorzuheben ist auch im spanischen Recht der Auftrag zur Ausgestaltung des Eigentums durch den einfachen Gesetzgeber (derecho de configuración legal).11 Das Verfassungsgericht spricht in seiner Entscheidung zur andalusischen Bodenreform von einer großen Variationsbreite bei der Ausgestaltung des Eigentums, die dem Wandel der Zeit unterliege und durch die verschiedenen Gesetze zum Ausdruck komme. Privatnützigkeit (utilidad individual), Sozialbindung (función social) sowie der Wesensgehalt (contenido esencial) als Schranken-Schranke würden die Rahmenbedingungen für die jeweilige Definition des Eigentums bilden.12 Auch diese Konzeption gleicht der dogmatischen Ausgestaltung des Art. 14 GG.
II. Einschränkbarkeit durch gesetzesgleiche Regierungsverfügungen Die Vorbildfunktion des Art. 14 GG für die spanische Verfassungsgebung darf jedoch nicht zu dem Irrtum verleiten, man könne die Interpretation der deutschen Eigentumsfreiheit vollständig auf Art. 33 CE übertragen. Zum einen werden beide Grundrechte trotz dieser Gemeinsamkeiten unter den verschiedenen gesellschaftlichen und verfassungshistorischen Bedingungen unterschiedlich ausgelegt.13 Zum anderen ist der Schutz des Eigentums durch die spanische Verfassung schwächer Staat) und STC 48/2005 (Legislativenteignung zur Erweiterung des Parlamentssitzes auf Canarias). 9 Vgl. STC 227/1988; Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 173 mit Verweis auf BVerfGE 88, 366, 377; zur Abgrenzung nach deutschem Recht vgl. näher § 2 D. 10 Vgl. nur SSTC 37/1987; 204/2004, wobei die Ideen vom genauen Anwendungsbereich der objektiven Komponente unterschiedlicher nicht sein könnten, vgl. Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 173 f. m.w.N.; das TC verwendet den Begriff insbesondere im Zusammenhang mit der sozialen Funktion des Eigentums, vgl. u. a. STC 111/1983 (Rumasa). 11 Vgl. Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 159, wobei der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung jedoch den Wesensgehalt (contenido esencial) zu beachten habe. 12 Vgl. STC 37/1987 (reforma agraria andaluza); vgl. auch STC 227/1988 (Ley de Aguas); für die Literatur stellvertretend Gayo de Arenzana, Configuración constitucional de la propiedad privada, S. 601 f., 610; Barral i Viñals, Un nuevo concepto de propiedad: la function social como delimitadora del derecho, S. 645. 13 Vgl. Timmermann, Soziale Funktion und Umweltfunktion des Eigentums in der spanischen und in der kolumbianischen Verfassung, S. 5; zu den Grenzen der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht vgl. Starck, JZ 1997, S. 1026 f.
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ausgestaltet als in Deutschland.14 Dies ist die rechtstechnische Folge der drei Stufen umfassenden Grundrechtssystematik, die dem Eigentum als ergänzendes Grundrecht der zweiten Grundrechtsgruppierung lediglich abgeschwächten Schutz verleiht.15 Gem. Art. 53 I S. 2 CE unterliegt die Eigentumsfreiheit dem einfachen Gesetzesbzw. Ausgestaltungsvorbehalt. Im Gegensatz zu den Basisgrundrechten, die nur durch ein Organgesetz geregelt werden dürfen, unterliegt dieser keinen qualifizierten Anforderungen. Zu seiner Verabschiedung ist gem. Art. 79 II CE eine relative parlamentarische Mehrheit ausreichend. Die Eigentumsfreiheit dürfte also nur durch ein formelles Gesetz oder aufgrund eines solchen beschränkt bzw. ausgestaltet werden. Diese scheinbar eindeutige Systematik hat das Verfassungsgericht jedoch für Art. 33 CE in seiner Rechtsprechung zum Fall Rumasa aufgeweicht. Für den Schutz der spanischen Eigentumsfreiheit stellt dieser Fall eine entscheidende Weiche: Rumasa war ein spanischer Großkonzern, zu dem 222 Firmen, davon allein 18 Banken, zählten. Alle Unternehmen gehörten der Familie Ruiz Mateos. Als der Konzern durch riskante Geschäfte in Schwierigkeiten geriet und zusammenzubrechen drohte, griff Anfang 1983 die sozialistische Regierung unter Felipe Gonzalez ein. Obwohl es nach Ansicht vieler genügt hätte, die Bankenaufsicht einzuschalten, enteignete und verstaatlichte die Regierung den Konzern mit der Begründung, Kunden und Arbeitnehmer schützen zu wollen.16 Die Enteignung wurde auf eine gesetzesgleiche Verfügung der Regierung (decreto-ley) gem. Art. 86 I CE gestützt. Nach Art. 86 I CE kann die Regierung im Falle einer außerordentlichen und dringenden Notwendigkeit provisorische gesetzesgleiche Verfügungen erlassen, die sich jedoch nicht auf die in Titel I geregelten Rechte, Pflichten und Freiheiten der Bürger beziehen dürfen.17 Art. 33 CE ist aber gerade ein Teil dieser in Titel I geregelten Rechte. Dem Verfassungswortlaut nach zu urteilen, wäre die Enteignung des Rumasa-Konzerns verfassungswidrig erfolgt, da eine solche nur durch oder aufgrund eines parlamentarischen Gesetzes erfolgen dürfte. Im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle18 beschäftigte sich das Verfassungsgericht mit dem Fall und ließ das decreto-ley im Ergebnis ausreichen. Die Eigentumsfreiheit erscheine wegen ihrer systematischen Stellung und verfassungsrechtlichen Ausgestaltung als ein abgeschwächtes subjektives Recht. Die in Art. 33 III CE vorgesehene Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit bedürfe nicht
14 Vgl. Timmermann, Soziale Funktion und Umweltfunktion des Eigentums in der spanischen und in der kolumbianischen Verfassung, S. 43. 15 Vgl. oben § 7. 16 Vgl. zu den geschichtlichen Ereignissen Ibler, JZ 1999, S. 291. 17 Vgl. oben § 5 A. II. 18 Vgl. STC 111/1983.
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in jedem Fall einer parlamentarischen Grundlage, sondern sei in einer Notlage ausnahmsweise durch eine bloße gesetzesgleiche Verfügung zulässig.19 Fraglich sind die sich hieraus ergebenden Konsequenzen. Zwar ist auch bei den decreto-leyes die parlamentarische Kontrolle gewährleistet.20 Wie durch Art. 86 II CE vorgesehen, hat der spanische Gesetzgeber im Fall Rumasa die Verfügung innerhalb der vorgeschriebenen Frist durch ein parlamentarisches Gesetz ersetzt.21 Dennoch ist dieses besondere Initiativrecht der Regierung in ihrer Auswirkung nicht zu unterschätzen. Eine zuvor erfolgte vertiefte parlamentarische Debatte über ein formelles Enteignungsgesetz wäre wohl eher auf Widerstand in der Opposition gestoßen und hätte den Alternativvorschlag (Einschalten der Bankenaufsicht) erheblich gestärkt. Auf diese Weise war es der Regierung jedoch möglich, gewissermaßen vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Weg zu einer nachträglichen parlamentarischen Bestätigung war dann durch anderweitige politische Zugeständnisse an die mehrheitsbeschaffenden Splitterparteien – faktisch außerhalb des Parlaments – eröffnet.
III. Verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz Für die Konzerngruppe Rumasa wirkte sich die Kombination der gesetzesgleichen Verfügung mit der ohnehin nur subsidiär zulässigen Legislativenteignung22 besonders gravierend aus, wie sich durch einen Vergleich des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes nachvollziehen lässt.23 Nach Art. 53 I, 161 I lit. A CE ist lediglich das Normenkontrollverfahren statthaft. Die abstrakte Normenkontrolle kann aber gem. § 162 CE nicht von der betroffenen Person selbst eingelegt werden. Fraglich ist, ob der relativ schwache Schutz der Eigentumsfreiheit durch die Auslegungsregel des Art. 10 II CE oder aber durch den Schutz auf dem Umweg über andere Grundrechte gestärkt werden kann: Zwecks Anbindung an das europäische Grundrechtsschutzniveau wurde Art. 10 II CE als Auslegungsregel in der spanischen Verfassung verankert. Danach müssen die Grundrechte in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen von Spanien ratifizierten grundrechtsrelevanten Abkommen ausgelegt werden. Im ersten Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention schützt der Art. 1 die Eigentumsfreiheit in stärkerem Maße als die spanische Verfassung. Grundsätzlich müsste Spanien nach Art. 10 II CE dementsprechend seinen Grundrechtsschutz anpassen. Allerdings läuft 19
Vgl. auch Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 164. Vgl. § 5 A. II. 21 Ley de Conversión 7/1983 vom 29. 6. 1983. 22 Vgl. hierzu näher Pardo Falcón, El tribunal constitucional y la propiedad, S. 76 f.; Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 186 f. 23 Vgl. oben § 7. 20
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hier die Klausel des Art. 10 II CE leer: Spanien beharrte auf seinem Grundrechtsschutzniveau und stellte die Ratifizierung nach Art. 64 EMRK unter den Vorbehalt nach Maßgabe des Art. 33 CE.24 Eine weitere Möglichkeit wäre, einzelne Aspekte der Eigentumsbeschränkung einem Grundrecht der ersten Gruppierung zuzuordnen und somit in den Genuss eines deutlich höheren Rechtsschutzes zu kommen. So kann die Beschränkung des Eigentums auch als Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 14 CE gesehen werden, wenn dem Eigentümer im Vergleich zu anderen ein Sonderopfer auferlegt wird und für die Ungleichbehandlung eine entsprechende Rechtfertigung fehlt. Auf diesem Weg kann sich der klagende Bürger mit der Verfassungsbeschwerde an das Verfassungsgericht wenden oder das besondere Grundrechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Anspruch nehmen.25 Im Fall Rumasa wurde der Konzern ein Jahr nach der Enteignung und Verstaatlichung wieder privatisiert. Die Unternehmerfamilie leitete aus der Nachwirkung ihrer Eigentumsfreiheit ein bevorzugtes Recht zum Rückkauf der Unternehmensanteile her, da in ähnlich gelagerten Fällen bereits auf diese Weise verfahren worden war. Die Versagung des Angebots zum Rückkauf sah sie als Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit und den Gleichheitssatz. In seiner dritten Rumasa-Entscheidung26 stellt das Verfassungsgericht fest, dass ein solcher Sachverhalt grundsätzlich gegen den Gleichheitssatz verstoßen könnte, wenn die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sei. Allerdings sei in den ähnlich gelagerten Fällen ein Rückübertragungsrecht nur bei der Verfehlung des mit der Enteignung verfolgten Zwecks entstanden. Bei Rumasa war der verfolgte Zweck, die Sanierung des Konzerns durch den Staat, aber gerade erreicht worden. Somit gehe es auch nicht um die Rückgängigmachung einer Enteignung, sondern um eine erneute Privatisierung nach vollständiger Erreichung des Enteignungszweckes. Zudem liege auch kein Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit vor, da sich ein Rückübertragungsanspruch allenfalls aus einfachem Recht, nicht jedoch aus Art. 33 CE ergebe. Der Kläger erreichte hier zwar sein Ziel, über den Umweg des Gleichheitssatzes gem. Art. 14, 53 II CE die Verfassungsbeschwerde erheben zu können. Diese blieb im Ergebnis jedoch ohne Erfolg. Zudem ist zu berücksichtigen, dass ein Verstoß gegen Art. 14 CE auch immer die Darlegung konkreter vergleichbarer Umstände voraussetzt, dem ein bloßer Verweis auf das Bestehen eines Sonderopfers gegenüber der Allgemeinheit kaum genügt. Wer sich gegen eine Beschränkung der Eigentumsfreiheit durch administrative Maßnahmen wehren will, ist zunächst auf den allgemeinen Verwaltungsprozessweg beschränkt. Dieser ist zum einen sehr langwierig – der Durchlauf aller Instanzen
24
Abrufbar unter http://www.boe.es. Vgl. Timmermann, Soziale Funktion und Umweltfunktion des Eigentums in der spanischen und in der kolumbianischen Verfassung, S. 93 f. 26 Vgl. STC 67/1988. 25
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dauert in der Regel sieben bis acht Jahre.27 Zum anderen existiert im spanischen Verwaltungsprozessrecht in der Regel kein effektiver vorläufiger Rechtsschutz. Die Wirkungen der zu überprüfenden hoheitlichen Maßnahme unterliegen nicht dem Suspensiveffekt.28 Insgesamt zeigt sich somit, dass der eigentumsbezogene Grundrechtsschutz hinter dem Standard des deutschen Rechts zurückbleibt und allenfalls über Umwege in einem vergleichbaren Maße eingefordert werden kann.
B. Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen – Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung Bei der Ausgestaltung des Eigentums durch den einfachen Gesetzgeber stellt sich die Frage, ob die Privatnützigkeit gegenüber der Sozialbindung weiter in den Hintergrund gedrängt wird, als dies im deutschen Recht der Fall ist. Ein Anhaltspunkt hierfür könnte die besonders starke Ausprägung sozialorientierter Normen in der spanischen Verfassung selbst sein. So ist gem. Art. 128 I CE der gesamte Reichtum des Landes dem allgemeinen Interesse untergeordnet, wobei insbesondere das Eigentum den Reichtum im wirtschaftlichen Prozess manifestiert.29 Zudem finden sich in den Leitprinzipien zur Sozial- und Wirtschaftspolitik zahlreiche Bestimmungen, die die soziale Funktion des Eigentums konkretisieren.30 Doch verleiht dieser Umstand dem Gesetzgeber auch die Legitimation, das Eigentum weitergehend zu Lasten der Privatnützigkeit auszugestalten? Um diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst die Abgrenzungskriterien zwischen einer bloßen Inhaltsbestimmung und einer entschädigungspflichtigen Enteignung ermittelt werden. In der Rechtsprechung des TC ist die Tendenz zu einer Kombination von formellen und materiellen Abgrenzungskriterien zu entdecken. Zunächst stellte das
27
Vgl. Martínez Soria, Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien, S. 300. 28 Vgl. ders., S. 298 ff., 369; im Fall Rumasa legte das Zivilgericht das decreto-ley im Wege der konkreten Normenkontrolle dem Verfassungsgericht vor. In seiner zweiten Rumasa-Entscheidung erklärte das Gericht die Verordnung jedoch für verfassungsgemäß, vgl. STC 166/ 1986. 29 Vgl. Bassols Coma, Constitución y sistema económico, S. 123. 30 Zum Beispiel in Art. 46 CE (Erhaltung des historisch, kulturellen und künstlerischen Erbes, Art. 47 CE (Bodennutzung im Interesse der Allgemeinheit), Art. 51 CE (Verbraucherschutz); vgl. auch Bassols Coma, Constitución y sistema económico, S. 123; Font Galán, Constitución económica y derecho de competencia, S. 149 f.
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Gericht neben der Finalität der Maßnahme31 darauf ab, ob es sich um eine konkretindividuelle oder aber abstrakt-generelle Maßnahme handele. Nur bei der Ersteren entstehe ein Sonderopfer zu Lasten des Betroffenen, das die Einordnung als entschädigungspflichtige Enteignung zur Folge habe.32 Dieses Kriterium stieß jedoch gerade bei stärker belastenden Gesetzen auf seine Grenzen, von denen jeder Bürger gleichermaßen betroffen war. Daher führt das Verfassungsgericht in seinen späteren Entscheidungen ergänzend materielle Kriterien an und zieht die Grenze zur Enteignung dort, wo der Wesensgehalt (contenido esencial) der betroffenen Rechtsposition berührt ist.33 So hatte das Gericht über ein Gesetz zu entscheiden, das den Übergang von Kontoguthaben auf den Staat anordnet, wenn sein Inhaber innerhalb einer Frist von 20 Jahren nicht hierüber verfügt. Das TC stellte hier auf die Schwere des Eingriffs ab, die jedoch aufgrund der langfristigen Vorhersehbarkeit und der Zumutbarkeit, durch entsprechendes Handeln dem Eigentumsübergang vorzubeugen, nicht gegeben sei.34 Nach der Auffassung des Verfassungsgerichts ist der Wesensgehalt für jeden Eigentumstyp eigens zu bestimmen und dabei eng mit dessen sozialer Funktion zu verknüpfen.35 Dieses Kriterium macht indes die Abgrenzung nicht leichter, zumal hiernach die soziale Funktion des Eigentums sowohl Reichweite als auch Schranken der entschädigungsfreien Inhaltsbestimmung bestimmt. Auf der Suche nach einer abstrakten Definition des Wesensgehalts als absolute Grenze hat das Verfassungsgericht in anderen Entscheidungen ein Minimum an verbleibender Privatnützigkeit gefordert, durch die das Eigentum noch als solches zu erkennen sei.36 Dabei spiele insbesondere die historische Entwicklung eine entscheidende Rolle.37 Weiterhin verknüpft das Verfassungsgericht den Wesensgehalt mit dem Verbleib wirtschaftlicher Rentabilität bzw. Nutzens.38 Als zusätzlicher Test für die Wahl der jeweiligen eigentumsrelevanten Maßnahme dient das aus der deutschen Verfassungslehre39 übernommene Prinzip der Verhält31 Vgl. zu der Definition anhand der Finalität der Maßnahme auch Barnés, Propiedad, Expropiación y Responsabildidad, S. 42. 32 Vgl. STC 99/1987 (Herabsetzung des Rentenalters bei Beamten). 33 Vgl. STC 227/1988 (Ley de Aguas); STC 204/2004 (Übergang von Kontoguthaben auf den Staat). 34 Vgl. STC 204/2004. 35 Vgl. SSTC 37/1987; 89/1994; 170/1989. 36 Vgl. STC 204/2004. 37 Vgl. insbesondere die geschichtliche Analyse bei der Frage nach der Inkompatibilität von Beamten, STC 178/1989; nach dem Privateigentum am Grundwasser, STC 227/1988; nach dem Schutzzweck der Regelungen städtischer Mietwohnungen, STC 89/1994; nach dem gesetzlichen Eigentumsübergang bei der Besitzaufgabe hinsichtlich von Gegenständen, STC 204/ 2004; vgl. auch Rey Martinez, DPC 3 (1994), S. 176. 38 Vgl. SSTC 11/1981; 37/1987; 89/1994; vgl. auch Leguina Villa, DPC 3 (1994), S. 22; Barnés, Propiedad, Expropiación y Responsabildidad, S. 29, 47 f. 39 Vgl. nur BVerfGE 20, 351, 361; 58, 137, 148.
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nismäßigkeit (justificación constitucional). Eine Maßnahme darf nicht weiter reichen, als dies erforderlich und angemessen ist, um das jeweilige soziale Interesse zu verteidigen.40 Besonders zu berücksichtigen ist hier jedoch der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. Das Verfassungsgericht verweist regelmäßig auf die politische und soziale Einschätzungsprärogative der Legislative und hält sich bei der Kontrolle der Erforderlichkeit entsprechend zurück.41 Nach der Darstellung dieser Abgrenzungskriterien stellt sich die Frage nach den Unterschieden zu der Einordnung im deutschen Recht. Zwar setzt das BVerfG seit dem Nassauskiesungsbeschluss verstärkt auf formelle Abgrenzungskriterien. Angesichts der besonderen Konstruktion der entschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung spielen jedoch im konkreten Einzelfall die materiellen Kriterien wieder eine entscheidende Rolle. Die im Ergebnis interessierende Frage nach der Reichweite entschädigungsloser Inhaltsbestimmungen lässt sich mithin nur anhand einer vergleichenden Einzelfalldarstellung für typisierte Regelungsbereiche beantworten:
I. Erstmalige Regelung eigentumsrelevanter Rechtsverhältnisse – Wasserhaushaltsgesetz (Ley de Aguas) Das Verfassungsgericht sieht den Genehmigungsvorbehalt für die Nutzung des Grundwassers als entschädigungsfreie Inhaltsbestimmung an.42 Dabei handele es sich um eine abstrakt-generelle Regelung, die kein Sonderopfer erfordere (formelles Kriterium), sondern um eine in die Zukunft gerichtete Festlegung der Nutzung im Gemeinbesitz stehender Güter. Auch der Wesensgehalt zuvor bestandener Eigentumspositionen (contenido esencial als materielles Kriterium) sei nicht berührt. Wenn zuvor in Verbindung mit dem Grundstückseigentum eine faktisch unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit des Grundwassers bestanden habe, sei diese Möglichkeit als rechtliches Nullum zu sehen. Die bloße Erwartung einer auch fortan nicht geregelten Rechtslage sei nicht schutzwürdig. Der Gesetzgeber sei vielmehr verpflichtet, das allgemeine Interesse an einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen zu verteidigen, wobei das TC als verfassungsrechtliche Bezugsnorm insbesondere die sozialorientierte Regelung der Gemeingüter nach Art. 132 I, II CE anführt.43
40 Vgl. STC 89/1994; Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 178 ff.; Barnés, Propiedad, Expropiación y Responsabildidad, S. 29 f. 41 Vgl. SSTC 111/1983; 166/1986; 6/1991; Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 165 f.; Pardo Falcón, El tribunal constitucional y la propiedad, S. 78 f., 85 f.; zum Beurteilungsspielaum der Legislative im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz vgl. auch näher § 13 A. I. 42 Vgl. STC 227/1988 (Ley de Aguas). 43 Vgl. insoweit auch die Einschätzung der besonderen Bedeutung des Grundwassers durch das BVerfG in BVerfGE 10, 89, 113.
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Damit geht die Reichweite der entschädigungslosen Inhaltsbestimmung hier nicht weiter als im deutschen Recht. Vergleichbar ist insoweit der Nassauskiesungsbeschluss44 des BVerfG. Danach könne das Grundwasser aufgrund seiner besonderen Bedeutung für das Gemeinwohl Gegenstand einer entschädigungsfreien gesetzlichen Regelung sein, die dessen Nutzung unter Genehmigungsvorbehalt stellt. Die Kiesentnahme sei von der gesetzlichen Regelung mit eingeschlossen, da sie mit dem Ziel, sauberes Grundwasser zu gewinnen, kollidiere.45 Zwar geht es in dieser Entscheidung nicht um die Nutzung des Grundwassers selbst, sondern mit der Kiesentnahme um die Nutzung bereits zuvor bestehenden Eigentums.46 Allerdings waren die Eigentumsverhältnisse an den mit dem Grundwasser kollidierenden Rechtsgütern bisher auch noch nicht vollständig geregelt. Beide Entscheidungen beantworten damit die Frage nach der Einordnung einer Regelung, die nicht bestehende Rechtsverhältnisse erstmalig für die Zukunft definiert, in gleichem Maße.
II. Eigentumsrelevante Maßnahmen im Küsten- und Naturschutz Besondere Bedeutung für die Abgrenzung eigentumsrelevanter Maßnahmen hat die Verfassungsrechtsprechung zum spanischen Küstengesetz47 (Ley de Costas) erlangt. Nach Art. 132 II CE steht die unmittelbare Küstenzone im öffentlichen Eigentum. Das Küstengesetz gewährleistet den Schutz der Küste vor zunehmender Bebauung. In der im Anschluss an die direkte Uferzone angrenzenden 100 m breiten Schutzzone gibt es zwar Privateigentum. Durch das Küstengesetz wird diese Zone jedoch für künftig unbebaubar erklärt, ohne dass hieraus eine Entschädigungspflicht abgeleitet würde. Das Verfassungsgericht sieht in dieser Regelung eine bloße Inhaltsbestimmung, da insbesondere der Wesensgehalt des Eigentums (materielles Abgrenzungskriterium) an den jeweiligen Grundstücken nicht berührt sei. Über das Grundstück könne weiterhin verfügt werden, selbst Landwirtschaft könne ohne Genehmigung betrieben werden. Das Verbot einer bestimmten Nutzung führe mithin nicht zur Aberkennung sämtlicher Eigentumsrechte.48
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Vgl. BVerfGE 58, 300 ff. Vgl. zu der Ausgestaltung des Wasserhaushaltsgesetzes in diesem Zusammenhang Kahl, La conservación del medio ambiente y el derecho de propiedad en Alemania, S. 758 ff. 46 Was auch der Grund dafür war, dass eine zusätzliche Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgte, die aufgrund ausreichender Übergangsregelungen den Anforderungen des BVerfG jedoch standhielt. 47 Vgl. STC 149/1991. 48 Vgl. Bassols Coma, El derecho de propiedad y la conservación del medio ambiente, S. 735 ff. 45
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Ein weiterer bedeutender Fall in der spanischen Verfassungsrechtsprechung behandelt den Naturschutz. Mit dem Regionalpark hat die autonome Gemeinschaft von Madrid eine neue Kategorie an Naturschutzgebiet geschaffen.49 In Art. 14 bis 22 des Ley 1/1985 sind nach der von der Verwaltung festzulegenden jeweiligen Schutzzone unterschiedliche Nutzungsbeschränkungen des Privateigentums vorgesehen. Diese umfassen einerseits das Verbot des Kfz-Betriebs, der Jagd und Fischerei, der Installation sportlicher Anlagen, der Außenwerbung und des Abbaus von Bodenschätzen. Andererseits werden die land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit sowie die Bebaubarkeit von Grundstücken eingeschränkt. Das Verfassungsgericht sieht in diesem Gesetz eine im Grundsatz zulässige entschädigungsfreie Inhaltsbestimmung des Eigentums. Der Gesetzgeber habe die Belange des Naturschutzes (Art. 45 CE) hinreichend mit den wirtschaftlichen Interessen der Eigentümer abgewogen. Im konkreten Einzelfall könne die Inhaltsbestimmung allerdings in eine Enteignung umschlagen. Das sei dann der Fall, wenn die Maßnahmen mit der herkömmlichen, traditionell gefestigten Grundstücksnutzung kollidierten. Eine entsprechende Entschädigung sei hierfür jedoch gesetzlich vorgesehen. Damit erfolgt die entscheidende Abgrenzung anhand rein materieller Kriterien. In Bezug auf die Nutzungsbeschränkung von Grundstücken existieren im deutschen Recht vergleichbare Fälle. So ist die zukunftsgerichtete gesetzliche Nutzungsfestlegung mittels formeller Kriterien als Inhaltsbestimmung anzusehen.50 Werden durch eine solche Bestimmung bereits erworbene Rechtspositionen entwertet, ändert sich an dieser Einordnung grundsätzlich nichts. Die Problematik wird vielmehr auf die Frage nach der Zulässigkeit einer Rückwirkung verlagert.51 Der Inhalt des Eigentums wird dementsprechend von neuem definiert. Auch die gesetzliche Erklärung bestimmter Gebiete zum Naturschutzgebiet mit einhergehenden massiven Auflagen für die Land- und Forstwirtschaft ist als Inhaltsbestimmung zu qualifizieren. Sie ist die Folge einer angemessenen Abwägung wirtschaftlicher Interessen mit dem Naturschutz. Das gilt auch dann, wenn damit bisher zulässige Nutzungen verboten werden.52 Allerdings erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip gegebenenfalls die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Schutzzonen sowie die Aufnahme von Übergangsbestimmungen. Zudem kann die Aufnahme von Härtefallklauseln erforderlich sein, die eine einzelfallbezogene Kompensation herbeiführen.53 49
Ley 1/1985 vom 23. Januar 1985 (Parque regional de la Cuenca Alta); zur Rspr. vgl. STC 170/1989. 50 Vgl. nur das Buchendom-Urteil des BGH in BGH, DVBl. 1957, S. 861; DöV, 1958, S. 311, mit der besonderen Betonung auf die sogenannte Situationsgebundenheit des Grundstückes; vgl. auch BGHZ 23, 20, 31. 51 Vgl. BVerfGE 31, 275, 289 f.; 83, 201, 211 ff. 52 Vgl. nur BVerfGE 61, 291, 307, 312 f.; BVerwGE 67, 84, 86; 67, 93, 95; 84, 361, 370 f.; BGH, NJW 1977, S. 945. 53 Vgl. zum Kompensationserfordernis im Natur- und Denkmalschutzrecht auch Kahl, El derecho de propiedad y la conservacción del medio ambiente, S. 775 ff.
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Die Abgrenzung eigentumsrelevanter Maßnahmen anhand formeller Kriterien führt zwar dazu, dass im deutschen Recht als Inhaltsbestimmungen angesehen wird, was nach spanischem Recht bereits die Schwelle zur Enteignung überschreitet. Dieser Unterschied wirkt sich für den Betroffenen jedoch nicht wesentlich aus. Denn nach deutschem Recht ist auch eine Inhaltsbestimmung ausnahmsweise kompensationsbedürftig, wenn sie subjektive Rechtspositionen ansonsten unverhältnismäßig einschränken würde. Bei der Frage nach der Entschädigungspflicht kommt es im Ergebnis in beiden Ländern auf materielle Kriterien an. Die eigentumsrelevante Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers reicht mithin in keinem Land ersichtlich weiter. In beiden Rechtsprechungen gilt gleichermaßen der Grundsatz, dass der gesetzgeberische Spielraum umso größer ist, je weiter das Eigentum mit in das soziale Interesse eingebunden ist.54 Eine in beiden Ländern vergleichbare Bedeutung erlangt dieser Grundsatz bei der Gestaltung immobiliarer Güter wie Grund und Boden. Das BVerfG55 führt hierzu aus: „Die Tatsache, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, verbietet es, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen; eine gerechte Rechtsordnung und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern.“
Beinahe inhaltsgleich betont das TC die besondere Sozialpflichtigkeit von Grund und Boden.56
III. Eigentumsrelevante Maßnahmen im Miet- und Pachtrecht Für Wohnraummietverhältnisse gilt vorrangig zum spanischen Zivilgesetzbuch (código civil) das LAU (Ley 29/1994 de arrendamientos urbanos). Ein solches Mietverhältnis liegt dann vor, wenn der Hauptzweck der Wohnung darin besteht, dem Mieter als ständiger Wohnsitz zu dienen. Abzugrenzen ist damit zu Verträgen über Objekte, die zu touristischen oder geschäftlichen Zwecken, als zweiter Wohnsitz oder saisonal angemietet werden. Die Verträge nach dem LAU können im Gegensatz zum deutschen Recht nur auf bestimmte Zeit geschlossen werden, wobei unbefristete Verträge als für ein Jahr geschlossen gelten. Unterschieden wird zwischen Mietverträgen von bis zu oder über fünf Jahren Laufzeit. Wird ein Vertrag über einen Zeitraum von unter fünf Jahren geschlossen, verlängert sich dieser nach dem Willen 54
Vgl. BVerfGE 53, 292; Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 178. Vgl. BVerfGE 21, 73, 82 f.; 52, 1 ff. 56 Vgl. STC 37/1987 (andalusische Bodenrefom), in der das Gericht betont: la especial transcendencia de la propiedad inmobiliaria, lo que es facilmente explicable, entre otras razones, por el carácter no renovable o naturalmente limitado en su extensión de este tipo de bienes. 55
B. Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen
129
des Mieters automatisch um ein Jahr bis zu einem Zeitraum von fünf Jahren. Der Vermieter darf außer bei besonderen Verstößen nur im Falle des Eigenbedarfs dann vorzeitig kündigen, wenn diese Möglichkeit ausdrücklich vereinbart worden ist. Die Mietzinserhöhung ist während der ersten fünf Jahre an den Verbraucherpreisindex gebunden, danach gilt weitgehende Vertragsfreiheit. Bis 1995 war das ohnehin mieterfreundliche Wohnraummietverhältnis von wesentlich weitergehenden Eingriffen in die Rechte des Eigentümers betroffen. Das LAU von 1964 ist heute noch auf Verträge anwendbar, die vor dem 09. 05. 1994 geschlossen worden sind. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit kann der Mieter immer wieder die Verlängerung verlangen, womit eine faktische Unkündbarkeit besteht. Mieterhöhungen sind kaum möglich.57 Eine ähnliche rechtliche Situation gilt für Mietverhältnisse über Geschäftsräume. Das Real Decreto-Ley 2/1985 gilt für Mietverträge zwischen dem 09. 05. 1985 und dem 31. 12. 1994 und hat die rechtliche Situation nicht wesentlich zugunsten der Eigentümer verbessert. Das spanische Verfassungsgericht bekam das Gesetz im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle vorgelegt und befand die jeweiligen Regelungen für verfassungsgemäß.58 In einem ersten Schritt ging es auf die Einordnung des Gesetzes als Inhaltsbestimmung ein. Dem Gesetzgeber obliege, die Grenzen des Eigentums zu bestimmen, wobei er an dessen Wesensgehalt gebunden sei. Trotz des Rechts des Mieters auf einseitige Vertragsverlängerung bei gleichbleibendem Mietzins sei der wirtschaftliche Nutzen des Eigentums nicht vollständig aufgehoben. Das Eigentum sei immer noch als solches erkennbar. In einem zweiten Schritt ging das TC auf die Verhältnismäßigkeit (justificación constitucional) ein. Mit den Regelung der Wohnraummieten würden die sich aus Art. 47 und 39 I CE ergebenden Ziele verfolgt, das Recht auf eine würdige und angemessene Wohnung sowie der soziale und wirtschaftliche Schutz von Familien. Bei den Mieten über Geschäftsräume stünden als Regelungszweck die Rechte aus Art. 35 CE (Recht auf Arbeit), Art. 38 CE (Unternehmensfreiheit) und Art. 40 CE (wirtschaftlicher Fortschritt) im gesetzgeberischen Interesse. In der Tat ist die spanische Gesellschaft bei Entstehung des Gesetzes von wirtschaftlicher Notlage und außerordentlicher Wohnungsknappheit betroffen gewesen. Mithin erlangte die soziale Funktion des Eigentums eine umso größere Bedeutung. Hiergegen wendeten die Kläger ein, die im Zeitpunkt der Gesetzgebung bestehende gesellschaftliche Situation hätte sich inzwischen wesentlich verändert. In der heutigen Zeit seien die entsprechenden gesetzlichen Regelungen unverhältnismäßig. Das Verfassungsgericht entschied, dass eine solche Einschätzung nur durch den Gesetzgeber vorzunehmen sei. Die Judikative dürfe nicht in die politische und so-
57 So existieren bis heute Verträge, bei denen der Mieter nicht mehr als 100 Euro für eine Drei-Zimmer-Wohnung bezahlt. 58 Vgl. STC 89/1994.
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§ 8 Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen
ziale Einschätzungsprärogative der Legislative eingreifen. Dies gebiete das Prinzip der Gewaltenteilung. In Deutschland fand und findet das Mietrecht keine in dem Maße vergleichbare Ausgestaltung. Allerdings existierte bei den sogenannten Schrebergartengrundstücken eine vergleichbare Regelung. Aufgrund der Zunahme und Verdichtung der Bevölkerung in den Städten wurde das Kleingartenwesen geschaffen. Es erlangte besondere Bedeutung bei der Ernährung einzelner Bevölkerungsgruppen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde den Erwerbslosen zunehmend Kleingartenland zur Verfügung gestellt, um deren wirtschaftliche Lage zu erleichtern. In der Kündigungsschutzverordnung von 1944 war vorgesehen, dass sich die auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Pachtverträge nach Ablauf auf unbestimmte Zeit verlängerten. Eine Erhöhung des Pachtzinses war nicht möglich, vielmehr orientierte sich dieser an dem landwirtschaftlichen Ertragswert. Durch Gesetz vom 28. 06. 1969 wurden die außerordentlichen Kündigungsgründe unwesentlich erweitert, allerdings war die Kündigung weiterhin von einer behördlichen Genehmigung abhängig. Auch hier hatte sich das Verfassungsgericht im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle mit dem Fall zu beschäftigen.59 Es folgt bei der Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung rein formellen Kriterien. Die abstrakt-generelle Festlegung der Rechte und Pflichten des Eigentümers für die Zukunft stelle eine Inhaltsbestimmung dar, die jedoch einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen werden müsse. Einmal mehr betont das Verfassungsgericht, dass eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung nicht in eine Enteignung umgedeutet und durch eine gesetzlich nicht vorgesehene Entschädigung geheilt werden könne. Das Kleingartengesetz führe nicht zum Entzug bestehender Eigentumspositionen, sondern stelle eine bloße Inhaltsbestimmung (im oben genannten Sinne) dar. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist ein gravierender Unterschied zu der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts zu entdecken. In der Inhaltsbestimmung sieht das BVerfG einen schwerwiegenden Eingriff in die Verfügungsbefugnis des Eigentümers. Der Kündigungsschutz sei weitergehend ausgestaltet als im sozialen Mietrecht, obwohl der Pächter eines Kleingartens inzwischen auf vergleichsweise geringeren Schutz angewiesen sei. Die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich angesichts des sozialen Wandels seit Entstehung des Gesetzes wesentlich geändert. Kleingärten würden nicht mehr zur Existenzsicherung benötigt, sondern dienten nur noch der Erholung. Vor diesem Hintergrund könne das Kleingartengesetz in der heutigen Zeit nicht mehr als verhältnismäßig angesehen werden. Im Gegensatz zum TC billigt das BVerfG dem Gesetzgeber keinen Beurteilungsspielraum zu, sondern übernimmt die Einschätzung der gesellschaftlichen Entwicklung vielmehr selbst. Mit anderen Worten: Das Kleingartengesetz wäre vom spanischen Verfassungsgericht womöglich als verfassungsgemäß eingestuft worden. 59
Vgl. BVerfGE 52, 1 ff. (Kleingarten-Entscheidung).
C. Frage nach der Existenz einer Junktim-Klausel in Art. 33 III CE
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Damit vertieft sich der Eindruck, dass das spanische Verfassungsgericht der Legislative hinsichtlich der Regulierung der Eigentumsfreiheit einen weiteren Spielraum belässt, als dies im deutschen Recht der Fall ist. Insbesondere auch im Fall Rumasa kommt der besondere Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers zum Ausdruck, der sich neben der Geeignetheit auch auf die Erforderlichkeit des Inhalts gesetzlicher Bestimmungen bezieht.60 Das TC geht dort nicht mit einem Wort auf möglicherweise gleich geeignete, die vermögenswerten Rechte der Unternehmerfamilie weniger beeinträchtigende Maßnahmen ein.61 Dabei wären anstelle der Enteignung durchaus mildere Maßnahmen denkbar gewesen, wie beispielsweise über Art. 128 II CE der Eingriff in die Unternehmensleitung mittels weitreichender Auflagen.
C. Frage nach der Existenz einer Junktim-Klausel in Art. 33 III CE Art. 14 III GG fordert eindeutig, dass das enteignende Gesetz selbst die Art und Weise der Entschädigung regelt. Diese sogenannte Junktim-Klausel erfüllt damit drei wesentliche Funktionen: (1) Die Klausel ist Bedingung für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. (2) Sie dient der Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, selbst festzulegen, was er als Enteignung ansieht und was nicht. (3) Sie dient dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Etatvorbehalt des Parlaments. Der Verwaltung und den Gerichten wird verboten, eine gesetzlich nicht vorgesehene Entschädigung zu gewähren. Damit gilt der Vorrang des Primärrechtsschutzes. Aus dem Wortlaut des Art. 33 III CE62 geht die Existenz einer Junktim-Klausel nicht eindeutig hervor. Er kann vielmehr in beide Richtungen ausgelegt werden.63 Auch das spanische Verfassungsgericht hat diese Frage bisher nicht explizit beantwortet. Aus seiner Rechtsprechung zum Ley madrileña de la Cuenca alta del Manzanares64 könnte ein entsprechendes Erfordernis entnommen werden. Der Gesetzgeber lege selbst die Grenze fest, ab der eine Enteignung gegeben sei, und regele für diesen Fall die Entschädigungspflicht.
60
Vgl. auch Pardo Falcón, El tribunal constitucional y la propiedad, S. 78 f., S. 85 f. Bestätigt wird dieser Eindruck auch durch die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der andalusischen Bodenreform, STC 37/1987, und mit der Erweiterung des Parlamentssitzes von Canarias, STC 48/2005, mit der das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber sogar im Hinblick auf die Wahl eines Einzelfallgesetzes einen weitgehenden Beurteilungsspielraum lässt. 62 Niemand darf seiner Güter und seiner Rechte enteignet werden, es sei denn aus gerechtfertigten Gründen des öffentlichen Nutzens oder des Interesses der Allgemeinheit sowie gegen entsprechende Entschädigung und nach Maßgabe der Gesetze. 63 Vgl. Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 194. 64 Vgl. STC 170/1989, siehe auch § 7 B. II. 61
132
§ 8 Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen
Eindeutiger hingegen fällt das Gegenbeispiel aus. In einem ähnlichen Fall zum Naturschutzrecht hat der Gesetzgeber für den Fall sich enteignend auswirkender Maßnahmen keine Entschädigung vorgesehen. Das TC65 geht davon aus, dass das gesetzgeberische Schweigen zur Entschädigungspflicht nicht zu einem Verstoß der in Art. 33 III CE gemachten Vorgaben führe. Im Falle einer Enteignung seien dann die allgemeinen Regeln der Staatshaftung anwendbar.66 Damit ist im Ergebnis anzunehmen, dass das Verfassungsgericht aus Art. 33 III CE keine Junktim-Klausel herleitet. Die spanische Literatur hingegen hält die im deutschen Recht erfolgte Ausgestaltung für erforderlich und verweist dabei auf die oben genannten Vorteile.67 Fraglich ist jedoch, welche tatsächlichen Vorteile sich hieraus für die spanische Rechtskonstellation ergäben: Wie bereits festgestellt, erfolgt die Abgrenzung bei den eigentumsrelevanten Maßnahmen im spanischen Recht vorwiegend anhand materieller Kriterien. Mithin kann eine entschädigungsfreie Inhaltbestimmung im konkreten Einzelfall in eine entschädigungspflichtige Enteignung umschlagen. Da es für den Gesetzgeber nur schwer möglich sein wird, jeden Einzelfall vorherzusehen, könnte er sich veranlasst sehen, jeder gesetzlichen Regelung im Zweifel eine Härtefallklausel beizufügen. Hierdurch würden aber die anvisierte Rechtssicherheit und das Prinzip der Gewaltenteilung nicht wesentlich gestärkt. Denn im Einzelfall entscheiden dann wieder Verwaltung und Gerichte, ob ein sich als Enteignung auswirkender Härtefall gegeben ist. Dabei ist der Beurteilungsspielraum umso größer, je mehr die gesetzlichen Regelungen von – häufig erforderlichen – unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt sind. So werden auch im deutschen Recht wesentliche aus dem Nassauskiesungsbeschluss hergeleitete Vorteile in Frage gestellt. Die formellen Abgrenzungskriterien führen nur zu scheinbar größerer Rechtssicherheit. Denn in der Gesetzgebungspraxis hat sich mit den Härtefallklauseln das Modell kompensationspflichtiger Inhaltsbestimmungen durchgesetzt. Faktisch erschließt sich jedoch kein wesentlicher Unterschied zwischen kompensationspflichtigen Inhaltsbestimmungen nach deutschem Recht und im konkreten Einzelfall entschädigungspflichtigen Enteignungen nach spanischem Recht. Im Ergebnis entscheiden immer materielle Kriterien, die vom Gesetzgeber nicht vollumfänglich vorhergesehen werden können. Als positive Folge des Nassauskiesungsbeschlusses kann zwar der Vorrang des Primärrechtsschutzes angesehen werden, wenn die gesetzliche Regelung keine er65
Vgl. STC 28/1997 (Es Trenc-Salobrar de Campos). Unklar bleibt dabei, ob der TC auf die allgemeine – nach h.M. nicht auf die Legislative anwendbare – Regelung des Art. 106 II CE oder aber auf die Entschädigungsregelungen des Baugesetzbuchs (ley de régimen del suelo) abstellt, vgl. dazu Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 193 f. 67 Vgl. Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 193 f.; Barnés, Propiedad, Expropiación y Responsabildidad, S. 43; García de Enterría, RAP 1993, S. 149. 66
D. Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum
133
forderliche Entschädigung vorsieht. Hierdurch soll insbesondere der sich aus Art. 14 GG ergebende Vorrang der Eigentumsbestandsgarantie vor der Eigentumswertgarantie herausgestellt werden. Dieser Vorteil kann jedoch nicht eins zu eins in das spanische Rechtssystem übertragen werden. Denn die Stärkung der Eigentumsbestandsgarantie wirkt sich nur dann entsprechend aus, wenn der Primärrechtsschutz eine dem deutschen Recht vergleichbare Ausprägung erfährt. Gegen eigentumsrelevante gesetzliche Maßnahmen ist im spanischen Recht für den Betroffenen jedoch keine unmittelbare Rechtsschutzmöglichkeit gegeben. Vor diesem Hintergrund lässt sich die spanische Dogmatik ohne Junktim-Klausel entsprechend besser erklären. Durch den Grundsatz „dulde und liquidiere“ wird der eingeschränkte Primärrechtsschutz kompensiert. Diese Ansicht wird auch durch das BVerfG gestützt, das einer der spanischen Konzeption vergleichbaren Rechtsprechung des Reichsgerichts eine historische Berechtigung zuerkennt: Unter der Weimarer Reichsverfassung gab es keinen Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze, und gegen Einzelenteignungsakte war lediglich der Vortrag unzureichender gesetzlicher Ermächtigung möglich. Dieses Defizit im Primärrechtsschutz war durch die Ausdehnung der sekundären Entschädigungsgewährung kompensiert worden. Unter dem Grundgesetz hätten sich diese Umstände wesentlich geändert, sodass nunmehr der Primärrechtsschutz vorrangig in Anspruch zu nehmen sei.68
D. Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum Art. 129 II CE regelt verschiedene Teilhabeformen in Unternehmen und beauftragt den Gesetzgeber, entsprechende Maßnahmen zu treffen, um den Arbeitnehmern den Zugang zum Eigentum an den Produktionsmitteln zu ermöglichen. Die Überführung der Produktionsmittel in das Gemeineigentum erinnert an die Vergesellschaftung auf der Grundlage des Art. 15 GG. In der bisherigen Praxis spielt dieser Gesichtspunkt des Art. 129 II CE wie auch Art. 15 GG keine wesentliche Rolle, zumal der Gesetzgeber von einer entsprechenden Gestaltungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.69 Die Literatur sieht Art. 129 II CE als Blankettnorm, die die inhaltliche Ausgestaltung der künftigen Gesetzgebung überlasse.70 Letztlich handele es sich um den Versuch, den Produktionsprozess umfassend zu harmonisieren, ohne dabei den Rahmen der Marktwirt68 Vgl. BVerfGE 24, 367, 404; 31, 275, 285; vgl. zu dieser Argumentation auch Rennert, VBlBW 1995, S. 43. 69 Vgl. Casas Baamonde/Rodríguez-Piñero, Comentarios a la Constitución Española, S. 1990. 70 Vgl. Ojeda Aviles/Rodríguez-Sañudo, Estructura de la empresa, S. 225; Tamames, Introducción a la Constitución española, S. 180.
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§ 8 Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen
schaft zu sprengen.71 Die systematische Stellung der Norm sowie ihre grammatikalische Ausgestaltung72 zeige, dass sie keinesfalls die Eigentums- und Unternehmensfreiheit in Frage stellen dürfe.73 Jegliche hierauf bezogene Gesetzgebung wird mithin die zuvor untersuchten Grundsätze der Eigentumsfreiheit berücksichtigen müssen.
E. Eigentumsfreiheit im europarechtlichen Kontext Nach der vergleichenden Untersuchung eigentumsrelevanter Positionen ist von weiterem Interesse, ob und inwieweit die jeweilige rechtliche Konzeption des Eigentums von europarechtlichen Vorgaben beeinflusst wird. Nach Art. 345 AEUV bleibt die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. Damit handelt es sich um die einzige Vorschrift in den Verträgen, in der ein Sektor von vorneherein aus der Zuständigkeit der Gemeinschaft ausgeklammert wird.74 In Art. 345 AEUV manifestiert sich die Sorge der Gründungsmitglieder, dass durch die Gründung der Wirtschaftsgemeinschaft eine Änderung der Eigentumsordnung in den einzelnen Mitgliedstaaten erfolgen könne. Gerade in der Nachkriegsphase traten unterschiedliche Konzeptionen über Art und Umfang der Einwirkung des Staates auf den Wirtschaftsablauf und über das Modell eines gemeinsamen Marktes zutage.75 Dementsprechend unterschiedlich waren die Eigentumsverhältnisse in den verschiedenen Gründungsstaaten ausgestaltet. Dabei ging es im Wesentlichen um die autonome Gestaltung der Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln.76 In der spanischen Verfassung zeigt sich in Art. 129 II CE die mögliche Intervention des Staates, der entsprechende Mittel vorsehen kann, um den Arbeitnehmern den Zugang zum Eigentum an den Produktionsmitteln zu ermöglichen. In Deutschland erfüllt Art. 15 GG eine ähnliche Funktion. Während der Grad der Verstaatlichung in Spanien und Deutschland jedoch in der Verfassungswirklichkeit eher gering ist, haben Italien und Frankreich nach dem Krieg eine Vergesellschaftung wichtiger Industriebereiche erfahren.77 71
Vgl. de la Villa Gil, La participación de los trabajadores en la empresa, S. 20. Die Formulierung in der Zeitform Futur (establecerán) legt nahe, dass der Gesetzgebungsauftrag nicht als Verpflichtung, sondern vielmehr als eine mögliche Gestaltung eigentumsrelevanter Positionen zu verstehen ist. 73 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. X, S. 106 f., 116. 74 Vgl. auch Fehling, Problems of Cross Subsidisation, S. 129 ff. 75 Vgl. Callies/Ruffert, EUV/EGV Kommentar, Art. 295 EGV, Rn. 2; bezüglich der unterschiedlichen Konzeptionen vgl. Müller-Armack, Auf dem Weg nach Europa, S. 72 ff., 108. 76 Vgl. Burghardt, Die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten und der EWG-Vertrag, S. 28 ff. 77 Vgl. Everling, FS-Raiser, S. 379, 384 ff.; Huth, Die Sonderstellung der öffentlichen Hand in den Europäischen Gemeinschaften, S. 35 ff. 72
E. Eigentumsfreiheit im europarechtlichen Kontext
135
Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, ihre Eigentumsordnung nach den eigenen Vorstellungen auszugestalten, entbindet sie jedoch nicht, die sonstigen materiellen Binnenmarktregelungen zu beachten. Art. 345 AEUV darf nicht zu einer unterschiedlichen Geltung der Wettbewerbsordnung im Binnenmarkt führen. Nach Art. 106 AEUV müssen öffentliche und private Unternehmen wettbewerbsrechtlich grundsätzlich gleich behandelt werden. Der Tatbestand der Beihilfe i.S.d. Art. 107 AEUVerfährt insofern durch Art. 345 AEUV keine Modifikation. Gleiches gilt für die Bindung an die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot.78 Nach Ansicht der Kommission79 beschränkt sich Art. 345 AEUV auf den kompetentiellen Konflikt, der die Frage betrifft, ob die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten über die Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung entscheiden. Der Vertrag lässt nicht die gesamte Eigentumsordnung unberührt, sondern allein die wirtschaftspolitisch motivierte Eigentumszuordnung in private oder öffentliche Trägerschaft. In diesem Zusammenhang besteht ein enger Bezug zu Art. 37 AEUV, der nicht zur Abschaffung, sondern nur zur diskriminierungsfreien Umformung der staatlich verantworteten Handelsmonopole verpflichtet. Die Europäische Union darf dementsprechend keine Privatisierungs- bzw. Sozialisierungsmaßnahmen vornehmen, wohl aber den Umfang der Sozialpflichtigkeit des Eigentums festlegen und sogar Maßnahmen mit enteignendem Charakter vornehmen, ohne dabei die grundsätzliche Eigentumszuordnung der Mitgliedstaaten in Frage zu stellen.80 Auch wenn Art. 345 AEUV keine subjektiv-rechtlichen Eigentumsgarantien enthält, so verbietet er nicht, solche im Unionsrecht zu etablieren.81 Der in Art. 17 EU GR Charta gewährte Eigentumsschutz wird dementsprechend nicht aus Art. 345 AEUV, sondern aus den in Art. 6 EUV genannten Rechtserkenntnisquellen abgeleitet.82 Der EuGH kann sich in diesem Zusammenhang auf die ihm in Art. 19 EUV eingeräumte Kompetenz zur Wahrung des Rechts bei der Anwendung der Verträge stützen. Der Schutzbereich des Art. 17 EU GR Charta wird unter Beachtung des Art. 345 AEUV maßgeblich durch die Normen der Mitgliedstaaten geregelt. Zu den Grundsätzen aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen gehören das Sacheigentum sowie nicht körperliche Gegenstände wie Forderungsund geistige Eigentumsrechte83. Nicht dem Schutzbereich unterfallen das Vermögen als solches84, bloße Erwartungen, Gewinnaussichten, ein bestimmter Marktanteil85 78
Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 21, Rn. 41. Vgl. Europäische Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. EG 1996 Nr. C 281/3 und KOM (2000) 580. 80 Vgl. Streinz, EUV/ EGV Kommentar, Art. 295 EGV, Rn. 2, 13; Mischko, Schlußantrag zu EuGH, Rs. C-363/01, Slg. 2003, I-11 893, Ziff. 37 ff. (Flughafen Hannover-Langenhagen). 81 Vgl. Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, S. 35. 82 Vgl. auch Art. 52 IV EU GR Charta. 83 Vgl. EuGHE 1998, I-1953, Rs. C-200/96 (Metronome). 84 Vgl. EuGHE 1991, I-415, Rs. C-92/88 (Süderdithmarschen). 85 Vgl. EuGHE 1994, I-4973, Rs. C-280/93 (Bananenmarkt). 79
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§ 8 Gestaltung eigentumsrelevanter Rechtspositionen
oder Mindestpreisregelungen86. Das Eigentum kann nach Art. 17 EU GR Charta aus Gründen des öffentlichen Interesses unter den weiteren Voraussetzungen einer Gesetzesgrundlage und einer angemessenen Entschädigung entzogen werden. Hinsichtlich der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen ergeben sich keine grundsätzlichen Unterschiede zu der Auslegung der spanischen Eigentumsfreiheit. Die Eigentumszuordnung fällt in die ausschließliche Kompetenz der nationalen Wirtschaftsverfassung und der in dessen Rahmen agierenden Wirtschaftspolitik. Lediglich die materiell-rechtlichen Vorgaben der EU sind durch das nationale Recht zu beachten. Hierzu zählen insbesondere die Grundfreiheiten, die beihilferechtliche Qualifizierung gem. Art. 106 ff. AEUV sowie das Diskriminierungsverbot gem. Art. 18 AEUV. Die grundsätzliche Entwicklung der Eigentumsfreiheit gem. Art. 33 CE im Rahmen der nationalen Wirtschaftsverfassung bleibt somit durch die europarechtlichen Vorgaben in weiten Teilen unberührt.
86
Vgl. EuGHE 1980, I-907, Rs. 154/78 (Valsabbia).
§ 9 Die Dogmatik der klassischen Berufsfreiheit im spanischen Verfassungssystem Neben den sogenannten sozialen Grundrechten1 enthält Art. 35 I CE das klassische Recht auf freie Wahl des Berufs. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt durch das umfassende Arbeitnehmerstatut (Estatuto de los Trabajadores)2 und die jeweiligen Tarifverträge, die zu den verbindlichen Quellen des Arbeitsrechts gehören.3 Gem. Art. 36 CE regelt der Gesetzgeber zudem die Besonderheiten der Berufskammern und die Ausübung der mit Titel versehenen Berufe. Hierunter werden diejenigen Berufe gefasst, für die eine Hochschulausbildung mit akademischem Grad erforderlich ist.4 Nachfolgend sollen die Dogmatik der Berufsfreiheit und ihre Auswirkungen in beiden Rechtsordnungen miteinander verglichen werden. Art. 12 GG erfasst neben der freien Wahl des Berufs auch die Berufsausübungsfreiheit. Die Unterscheidung beider Komponenten wirkt sich auf die Eingriffs- und Rechtsfertigungsebene fort. Mit der 3-Stufen-Theorie hat das BVerfG eine differenzierte Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips geschaffen.5 Nach spanischem Verständnis hatte das Recht auf freie Berufswahl ursprünglich das fundamentale Ziel, altertümliche Arbeitssituationen wie das Sklaventum zu überwinden. Dementsprechend stellt es sich wie im deutschen Recht einerseits in seiner positiven Komponente (Freiheit der Wahl einer beruflichen Tätigkeit), andererseits in seiner negativen Komponente (Freiheit, eine konkrete Arbeit zu verweigern) dar.6 In wirtschaftlicher Hinsicht bietet Art. 12 GG wie auch Art. 35 I CE keinen Schutz vor Konkurrenz. Die freie Berufswahl ist Ausdruck der freien Persönlich1 Recht auf Arbeit, Recht auf berufliches Fortkommen und ausreichende Vergütung; zu ihrer inhaltlichen Tragweite vgl. bereits § 6 B. I., III., IV. 2 Vgl. Art. 35 II CE sowie Real Decreto Legislativo 1/1995 (ET) in seiner ursprünglichen Fassung vom 24. März 1995. 3 Zu der verbindlichen Wirkung der Tarifverträge vgl. Art. 37 I CE, Art. 3 I b) ET. 4 Für diese Berufe hat der Staat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 149 I Nr. 30 CE, vgl. daher zu den Kompetenzstreitigkeiten in der spanischen Verfassungsrechtsprechung: Art. 36 CE verneinend für Versicherungsmakler (STC 330/1994), Wirtschaftsprüfer (STC 386/1993), bejahend für Psychologen (STC 42/1986), für Ärzte vgl. Verfassungsbeschwerde wegen Zwangsmitgliedschaft in der Berufskammer (STC 131/1989). 5 Näher zur dogmatischen Ausgestaltung der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG vgl. § 2 E. 6 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. III, Art. 35, S. 578; Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 600.
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§ 9 Die Dogmatik der Berufsfreiheit im spanischen Verfassungssystem
keitsentfaltung. Sie darf grundsätzlich auch dann nicht eingeschränkt werden, wenn in bestimmten Berufszweigen eine arbeitskraftmäßige Sättigung eingetreten ist. Der freie Wettbewerb und somit auch die Konkurrenz sind dabei gerade Ausdruck dieses Grundrechts. Der freie Wettbewerb kann eine faktische Begrenzung der Berufsfreiheit darstellen, wobei hier alleine das Leistungsprinzip der ausschlaggebende Faktor ist.7 Die spanische Dogmatik der Berufsfreiheit kann über diese anfängliche Einordnung hinaus jedoch nicht als entsprechend ausgereift bezeichnet werden. Grund hierfür ist wie schon bei Art. 33 CE die systematische Verortung in den Bereich der zweiten Grundrechtsgruppierung. Die Kontrolle des Verfassungsgerichts erfolgt fast ausschließlich anhand von Kompetenzstreitigkeiten. Auf die konkrete Ausgestaltung des Art. 35 I CE geht das TC vornehmlich im Zusammenhang mit konkreten Normenkontrollen ein, bei denen es um den Rechtsschutz des vor den Instanzgerichten klagenden Bürgers geht. Die Vorlage des möglicherweise verfassungswidrigen Gesetzes ist jedoch vorbehaltlich der Entscheidung der jeweiligen Gerichte. Dementsprechend ist auch nicht hinreichend geklärt, wo die genaue Trennlinie zwischen dem Recht auf Arbeit (derecho al trabajo) und dem Recht auf freie Berufswahl (derecho a la libre elección de profesión u oficio) zu ziehen ist. In der untersuchten Rechtsprechung bildet sich die Tendenz heraus, dass auf das Recht auf Arbeit dann abgestellt wird, wenn es um solche Berufszulassungsbeschränkungen geht, die nicht im Einfluss des Betroffenen stehen.8 Auf die Frage nach der freien Berufswahl kommt es hingegen dann an, wenn der Zugang bzw. Verbleib im Beruf von dem Verhalten des Betroffenen selbst abhängt.9 Da sich in diesem Zusammenhang jedoch noch keine als gefestigt zu bezeichnende Rechtsprechung herausgebildet hat, ist die hier erfolgte Abgrenzung einer stetigen Überprüfung zu unterziehen. Weitergehende Auswirkungen hat sie im Ergebnis jedoch nicht, da Berufszulassungsschranken insgesamt einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 35 CE darstellen. Etwas anderes gilt für Berufsausübungsregelungen. Nach der Interpretation des spanischen Verfassungsgerichts schütze Art. 35 CE nicht die Ausübung jeder beliebigen Aktivität, sondern das Recht zur Wahl des Berufs, dessen Ausübung durch die verschiedensten Rechtsnormen eingeschränkt werden könne. Die Regelung der
7
Vgl. Martín-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 1350. Somit ähnlich wie die sich als objektive Berufszulassungsschranken auswirkenden Eingriffe im deutschen Recht, z. B. bei Altersgrenzen für die Berufstätigkeit (SSTC 22/1981; 99/ 1987). 9 Ähnlich wie die subjektiven Berufszulassungsschranken im deutschen Recht, z. B. Genehmigungsvorbehalte und Eignungsprüfungen (SSTC 122/1989; 330/1994; 118/1996) sowie die zwingende Mitgliedschaft in Berufsverbänden (SSTC 89/1989;42/1986), bei Letzteren handelt es sich zwar im Prinzip um eine Berufsausübungsregelung, die sich jedoch angesichts des engen Zusammenhangs mit den besonderen Berufsvoraussetzungen als subjektive Zulassungsbeschränkung auswirkt. 8
A. Berufsausübungsregelungen
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verschiedenen Berufe und unternehmerischen Aktivitäten im Konkreten stelle mithin keinen Eingriff in die durch Art. 35 CE geschützten Rechte dar.10 Auch nach Ansicht in der Literatur besteht eine kategorische Trennung zwischen dem Recht, sein Beruf oder Gewerbe in Freiheit zu wählen, und der Ausübung jeder konkreten Aktivität. Art. 35 I CE beschränke sich darauf, die Wahlmöglichkeit zwischen dem, was erlaubt sei, anzuerkennen. Hieraus könne jedoch nicht abgeleitet werden, dass jede Aktivität für jeden Bürger realisierbar sei.11 Nur die Mindermeinung sieht Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit gleichermaßen von Art. 35 I CE geschützt. Sie orientiert sich in ihrer Argumentation dabei an der vorherrschenden Auslegung im deutschen Recht, die die Berufsausübung als ständige Manifestation der Berufswahl sieht.12 Die herrschende Ansicht der Rechtsprechung und Literatur zugrundegelegt, führt die unterschiedliche Interpretation der Berufswahlfreiheit in beiden Ländern zu der Frage, ob der berufsrelevante Grundrechtsschutz in Spanien dadurch verkürzt wird. Die spanische Eingriffs- und Schrankendogmatik soll für Berufsausübungsregelungen einerseits und Berufszulassungsschranken andererseits anhand konkreter Fälle in der Verfassungsrechtsprechung untersucht werden.
A. Berufsausübungsregelungen Die Dogmatik des Rechts auf freie Berufswahl wurde in Spanien wesentlich anhand einer konkreten Normenkontrolle zum Apothekengesetz fortentwickelt.13 Berufsrechtliche Regelungen zu Abstandsgeboten zwischen einzelnen Apotheken sowie dem Erfordernis einer Mindesteinwohnerzahl für deren Etablierung werden vom spanischen Verfassungsgericht als Berufsausübungsregelung eingeordnet. Dass die freie Berufsausübung nicht von Art. 35 CE geschützt werde, könne jedoch nicht zu willkürlichen Regelungen führen. Dies folge aus dem in Art. 1 I, 9 III und 103 I CE verankerten Legalitätsprinzip. Auch die Exekutive dürfe nur aufgrund einer hinreichenden gesetzgeberischen Ermächtigung handeln. Im Falle des Apothekengesetzes ergebe sich dieser allgemeine Gesetzesvorbehalt jedoch bereits aus Art. 36 CE. Zudem bedürfe jegliches staatliche Handeln grundsätzlich eines legitimen öffentlichen Zwecks und unterliege dem strikten Verhältnismäßigkeitsprinzip. Bei den konkreten Berufsausübungsregelungen sei ein vernünftiges Allgemeininteresse verfolgt worden.14 10
Vgl. STC 83/1984 (Apothekengesetz); STC 225/1993 (Ladenöffnungszeiten). Vgl. Martín-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 1337 ff. 12 Vgl. Pérez Royo, Curso de Derecho Constitucional, S. 557 ff. 13 Vgl. STC 83/1984. 14 Vgl. auch STC 225/1993 zu den Ladenöffnungszeiten; bei STC 83/1984 wird die konkrete Regelung nur aus dem Grunde für verfassungswidrig gehalten, da die Reichweite der hier 11
140
§ 9 Die Dogmatik der Berufsfreiheit im spanischen Verfassungssystem
Insgesamt führt die spanische Dogmatik zu den Berufsausübungsregelungen nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen als im deutschen Recht. Dort genügen auf der ersten Stufe bereits vernünftige, zweckmäßige Gründe des Gemeinwohls15, somit Kriterien, die im Ergebnis auch vom spanischen Verfassungsgericht gefordert werden. Zudem ist in der deutschen Verfassungsrechtsprechung kaum ein Fall ersichtlich, bei dem das Verfassungsgericht eine bloße Berufsausübungsregelung als verfassungswidrig angesehen hätte. Die Schwelle zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erfolgter Eingriffe ist vergleichbar gering. Sich praktisch auswirkende Unterschiede zwischen beiden Verfassungsinterpretationen gibt es mithin nicht.
B. Berufszulassungsschranken In der Literatur wird die besondere Bedeutung der Berufswahl für die Persönlichkeitsentfaltung betont, wodurch ein Eingriff besonderen Schranken zu unterwerfen sei.16 Das Verfassungsgericht bezieht sich in diesem Zusammenhang insbesondere auf Art. 36 CE. Die mit der obligatorischen Mitgliedschaft verbundenen Genehmigungsvorbehalte und Eignungsprüfungen in bestimmten Berufsgruppen werden vom Verfassungsgericht als Eingriff in die Freiheit der Berufswahl angesehen.17 Die konkreten Anforderungen an die Rechtfertigung solcher Eingriffe werden jedoch nicht einheitlich gehandhabt. Die Literatur orientiert sich teilweise an der im Apothekenurteil durch das BVerfG angewandten 3-Stufen-Theorie. Die Freiheit der Berufswahl dürfe nur dann beschränkt werden, wenn dies zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich sei.18 Teilweise wird auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit des Mittels in den Vordergrund gestellt.19 Das spanische Verfassungsgericht verfolgt keine durchgängige, mit der des BVerfG vergleichbare Schrankendogmatik. Bei seinen Urteilen zu der Zwangsregelnden Verordnung nicht von der Gesetzesgrundlage gedeckt war, vgl. zu der Zulässigkeit von reglamentos independientes auch § 5 A. IV. 15 Vgl. BVerfGE 7, 377, 405 f. 16 Vgl. Martín-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 1350; Tolivar Alas, REDA 62 (1989), S. 186, 202. 17 Im deutschen Recht wird bei der obligatorischen Mitgliedschaft die Anwendbarkeit des Art. 12 GG in Frage gestellt, wenn es um das Erfordernis einer berufsregelnden Tendenz geht (insbesondere bei der Handelskammer), vgl. Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, Rn. 607; da die Mitgliedschaft bei den Berufskammern jedoch nicht lediglich an die Beitragszahlungspflicht anknüpft, dürfte sich die Problematik hier nicht stellen. 18 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. II, Art. 35 CE, S. 534. 19 Vgl. Tolivar Alas, REDA 62 (1989), S. 186, 202; Alzaga Villaamil, Comentarios a las Leyes Políticas, Bd. II, Art. 35 CE, S. 534.
C. Kritik und Ausblick
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mitgliedschaft in der Ärzte-20 und Schifffahrtskammer21 sieht es die jeweiligen Regelungen von der Ermächtigung des Art. 36 CE gedeckt. Als Kompensation für den Zwang wird die durch Art. 36 CE vorgegebene demokratische Struktur der Berufskammern angesehen. Da der Gesetzgeber hinsichtlich dieser Berufsgruppen einen Ausgestaltungsauftrag habe, gebe es insoweit auch keinen Wesensgehalt, der zu beachten sei. Als Schranke existiere hier lediglich das Verhältnismäßigkeitsprinzip, konkret die Notwendigkeit der Verfolgung eines öffentlichen Interesses. In seinen Urteilen zu den Zulassungsvoraussetzungen für Fremdenführer22 und Personenbeförderer23 stellt das Verfassungsgericht auf die besonderen Gefahren ab, die aus dem Kontakt dieser Berufstätigkeiten zu den jeweiligen Kunden erwachsen. Der Dogmatik des BVerfG kommt es beim Personenbeförderungsgesetz am nächsten, wenn das TC dort das Transportwesen als Wirtschaftsgut von besonderer Wichtigkeit bezeichnet und auf das Erfordernis von Eignungsprüfungen im Hinblick auf die Sicherheit der Fahrgäste abstellt. Ein konkretisiertes Verhältnismäßigkeitsprinzip, wie im Fall der 3-Stufen-Theorie, existiert mithin im spanischen Recht nicht. Allerdings geht das TC genau wie das BVerfG einzelfallbezogen auf die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Maßnahme ein. Dabei ist nicht ersichtlich, dass im spanischen Recht die Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs vergleichsweise geringer wären. Berufskammern mit ihren jeweiligen Zulassungsausgestaltungen existieren ebenso im deutschen Recht. Auch die Personenbeförderung24 unterliegt vergleichbaren gesetzlichen Zulassungsschranken.
C. Kritik und Ausblick Selbst wenn die spanische Dogmatik der Berufsfreiheit auf den ersten Blick nicht so ausgereift erscheint wie im deutschen Recht, so wirken sich die Unterschiede im Ergebnis nicht aus. Damit stellt sich die Frage nach dem Mehrwert der jeweiligen theoretischen Besonderheiten. An der Interpretation des Art. 35 CE durch das spanische Verfassungsgericht wird in der Literatur teilweise Kritik geübt, zumal die Grenzen zwischen Berufswahl und Berufsausübung fließend sind. Eine dementsprechend schwierige Differenzierung führe zu Rechtsunsicherheiten darüber, welche Tätigkeiten schon bzw. noch in den Schutzbereich des Art. 35 CE fallen würden. Die Trennung der Berufswahl von der 20
Vgl. STC 131/1989. Vgl. STC 89/1989. 22 Vgl. STC 122/1989. 23 Vgl. STC 118/1996. 24 Vgl. §§ 2, 13 PBefG, die auch auf die Zuverlässigkeit als Eignungsvoraussetzung abstellen. 21
142
§ 9 Die Dogmatik der Berufsfreiheit im spanischen Verfassungssystem
Berufsausübung vergleicht Tolivar Alas in diesem Zusammenhang mit der Freiheit zur Wahl ohne das Recht, die zur Wahl stehenden Optionen zu erfahren.25 In der Tat lassen sich hier Parallelen zu der Diskussion um die 3-Stufen-Theorie im deutschen Recht ziehen. Die strikte Einteilung staatlicher Maßnahmen in Berufsausübungsregeln und Berufswahlbeschränkungen sieht auch das BVerfG als zu starr an. Dementsprechend verbiete sich jede schematische Einordnung. Vielmehr müsse einzelfallbezogen auf die jeweiligen Auswirkungen geachtet werden.26 Bei einer solchen Vorgehensweise stellt sich dann jedoch die Frage, welchen Mehrwert die Einteilung in Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen gegenüber einer bloßen Verhältnismäßigkeitsprüfung mit sich bringt. Praktisch erzeugt diese Theorie nur Vertrauen auf den falschen Grundsatz, dass sich die unterschiedlichsten Lebenssachverhalte in feststehende juristische Kategorien einordnen lassen und die konkrete Problemlösung damit abstrakt vorgegeben werden kann. Umgemünzt auf die spanische Diskussion stellt sich die Frage nach dem Sinn der Trennung beider Regelungstypen, wenn deren Abgrenzung voneinander in der Praxis kaum zu realisieren ist. Zudem hat der Umstand, dass die Berufsausübungsfreiheit nicht von Art. 35 CE erfasst ist, keinen messbaren Vorteil zugunsten des Allgemeinwohls. Denn auch Regelungen der Berufsausübung bedürfen im spanischen Recht einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Zugunsten von Rechtsklarheit wäre zu empfehlen, Berufsausübungs- und Berufswahlregelungen gleichermaßen unter den Schutz des Art. 35 CE zu stellen und eine starre Dogmatik wie die 3-Stufen-Theorie zu vermeiden. Am weitesten hilft noch das ursprüngliche Verständnis einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der die konkreten Folgen des Eingriffs mit dessen Nutzen abzuwägen sind. Je grundrechtssensibler sich die Maßnahme dabei auswirkt, desto höhere Anforderungen sind an seine Rechtfertigung zu stellen. Damit wären die positiven praktischen Ergebnisse der derzeit bestehenden Dogmatik beider Rechtsordnungen gesichert, ohne dass gut gemeinte, im Ergebnis jedoch verwirrende theoretische Kategorisierungen die jeweilige Problemlösung erschweren.
D. Berufsfreiheit im europarechtlichen Kontext Fraglich ist, ob und inwieweit die innerstaatliche Konzeption der Berufsfreiheit von den europarechtlichen Vorgaben beeinflusst wird. Die in Art. 15 EU GR Charta gewährleistete Berufsfreiheit bezieht sich auf die unselbständige berufliche Tätigkeit und wird durch Art. 16 EU GR Charta in Bezug auf die selbständige Tätigkeit sowie die umfassende Gewährleistung wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit ergänzt.27 Im 25 26 27
Vgl. Martín-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 1353. Vgl. BVerfGE 7, 377, 405 sowie Leitsatz Nr. 6 der Entscheidung. Vgl. auch EuGH, Verb. Rs. 63/84 und 147/84, Slg. 1985, S. 2857, Rn. 23.
D. Berufsfreiheit im europarechtlichen Kontext
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Gegensatz zu der spanischen Verfassung ist neben der Berufswahl auch explizit die Berufsausübung geschützt. Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit gelten die Grundsätze des Art. 52 I EU GR Charta, insbesondere der Gesetzesvorbehalt und das Wesensgehaltsprinzip. Bei der Rechtfertigung wird nicht ausdrücklich zwischen Eingriffen in die Berufswahl und Berufsausübung unterschieden. Der EuGH deutet eine Unterscheidung lediglich im konkreten Einzelfall an28 und trägt damit einer differenzierten Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung.29 Diese Konzeption stimmt mit der zuvor getätigten Empfehlung für die innerstaatliche Ausgestaltung der Berufsfreiheit überein. Sie vereint die praktischen Vorteile der deutschen und spanischen Rechtsordnung und gewährleistet ein gleichbleibendes Schutzniveau.
28 Vgl. EuGH, Rs. 44/79, Slg. 1979, S. 3727, Rn. 32; EuGH, Rs. 116/82, Slg. 1986, S. 2519, Rn. 27; EuGH, Rs. 234/85, Slg. 1986, S. 2897, Rn. 9. 29 Vgl. Calliess/Ruffert, EUV/EGV Kommentar, Art. 15, Rn. 10.
§ 10 Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft Im Gegensatz zur Mitgewährleistung der privaten Unternehmensfreiheit durch Art. 12, 2 I GG findet das Grundrecht in der spanischen Verfassung mit Art. 38 CE eine eigenständige Ausgestaltung. Der übergeordnete Untersuchungsgegenstand ist damit die Frage, ob sich durch diese ausdrückliche Verankerung der Unternehmensfreiheit gegenüber der lakonischen deutschen Systematik im Ergebnis etwas ändert (vgl. auch zu A.). Ausschlaggebend hierfür ist auch die Reichweite staatlicher Befugnisse in beiden Ländern. Die öffentliche Initiative in der spanischen Wirtschaft wird insbesondere durch Art. 128 II, 131 CE zum Ausdruck gebracht (B.). Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung zulässiger Eingriffe in die Unternehmensfreiheit soll anhand öffentlicher Unternehmen (B. I.), des Vorbehalts wesentlicher Dienstleistungen für die öffentliche Hand (B. II.) sowie anhand der Wirtschaftsplanung (B. III.) untersucht werden.
A. Die Dogmatik der Unternehmensfreiheit in Art. 38 CE Wie Art. 38 CE selbst bereits nahelegt, wird die Unternehmensfreiheit nicht grenzenlos gewährleistet. Zwar wird sie im Rahmen der Marktwirtschaft anerkannt. Die öffentlichen Gewalten gewährleisten und schützen die Ausübung dieser Freiheit und die Verteidigung der Produktivität jedoch auch gemäß den Erfordernissen der allgemeinen Wirtschaft und gegebenenfalls der Planung. Das bedeutet, dass die Freiheit des Einzelnen dort endet, wo die mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen übereinstimmende Marktwirtschaft selbst beeinträchtigt wird und Marktversagen droht. Das spanische Verfassungsgericht sieht in Art. 38 CE eine subjektive und eine institutionelle Komponente. In subjektiver Hinsicht wird dem Einzelnen das Recht verliehen, Unternehmen zu errichten, auf dem Markt aktiv zu sein, die eigenen Ziele zu bestimmen und die unternehmerische Aktivität zu planen und zu organisieren. Seine Ausgestaltung findet das Recht in zahlreichen einfachgesetzlichen Normen, die die freie Konkurrenz im Interesse des Einzelnen schützen und solchen Situationen vorbeugen, die die Struktur des freien Marktes beeinträchtigen.1 1 Vgl. SSTC 46/1983; 88/1986; 225/1993; Díez Moreno, Libertad de empresa e iniciativa pública en la actividad económica, S. 219 ff.
A. Die Dogmatik der Unternehmensfreiheit in Art. 38 CE
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In seiner institutionellen Komponente wird die Unternehmensfreiheit in einem allgemeinen Rahmen verschiedener zentralstaatlicher und autonomer Gesetze ausgeübt, die die Marktwirtschaft in ihrer Gesamtheit ordnen. Besonders verknüpft wird das marktwirtschaftliche Prinzip dabei mit sozialstaatlichen Grundsätzen wie dem wirtschaftlichen Schutz der Familie (Art. 39 I CE), einer gerechteren Verteilung des Einkommens und des Reichtums (Art. 40 I CE), der Vollbeschäftigungspolitik (Art. 40 I CE), dem Verbraucherschutz (Art. 51 I CE) und dem Umweltschutz (Art. 45 CE).2 Der institutionellen Komponente misst das TC dabei ein besonderes Gewicht bei: Art. 38 CE verleihe dem Einzelnen kein unbedingtes Recht, jede beliebige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Die Unternehmensfreiheit sei vielmehr der gesetzlichen Ordnung unterworfen, die der Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems insgesamt diene.3 So sieht das Verfassungsgericht in der Begrenzung der Ladenöffnungszeiten keinen Verstoß gegen Art. 38 CE. Es betont vielmehr die Bedeutung des Verbraucherschutzes für eine funktionierende Marktwirtschaft und untersucht lediglich, ob die unternehmerische Tätigkeit künftig generell in Freiheit fortgeführt werden könne.4 Für die Betonung dieser institutionellen Komponente mag sprechen, dass die Unternehmensfreiheit als Grundrecht der zweiten Gruppe nicht direkt mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Dennoch kann hierdurch kein gegenüber dem deutschen Recht verkürzter materieller Schutz festgestellt werden, zumal ebenfalls der Gesetzvorbehalt gilt und der Wesensgehalt zu achten ist. Im Gegensatz zu Art. 2 I GG5 ist Art. 38 CE auch nicht subsidiär, falls bereits andere Grundrechte einschlägig sind.6 Gerade aufgrund seiner institutionellen Dimension wird Art. 38 CE ein eigenständiges Gewicht verliehen. Wird durch eine öffentliche Maßnahme jedoch gleichermaßen die Eigentumsfreiheit betroffen, so erlangt Art. 38 CE keine über Art. 33 CE hinausgehende Bedeutung. Denn soweit die Regelung den verfassungsrechtlichen Garantien des Eigentums standhält, so gilt dies erst recht für die Unternehmensfreiheit.7 Insoweit dürften sich die Unterschiede zu der deutschen Dogmatik im Ergebnis nicht auswirken. Ein Grund für die ausdrückliche Verankerung der Unternehmensfreiheit dürfte zudem die explizite Gegenüberstellung von privater (Art. 38 CE) und öffentlicher wirtschaftlicher Initiative (Art. 128 II, 131 CE) in der Wirtschaft sein. Da die – sich als Eingriff in Art. 38 CE auswirkende – öffentliche Initiative jedoch anderen Rechten und Gütern von Verfassungsrang dient, ergibt sich auch hierdurch kein 2 Vgl. STC 227/1993; Font Galán, Constitución económica y derecho de competencia, S. 149 f.; Sánchez Blanco, El sistema económico de la Constitución española, S. 59. 3 Vgl. STC 83/1984. 4 Vgl. STC 225/1993. 5 Vgl. BVerfGE 68, 193, 223; 80, 137, 152 ff.; Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 130. 6 Vgl. Rojo Fernández-Río, RDM 169 – 170 (1983), S. 309 ff.; Rodríguez de Santiago, RAP 177 (2008), S. 173. 7 Vgl. Rodríguez de Santiago, RAP 2008, S. 173; SSTC 37/1987; 89/1994.
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§ 10 Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft
wesentlicher Unterschied zu der deutschen Systematik. Auch die subjektiven Rechte aus Art. 2 I GG stehen unter dem Vorbehalt der Rechte anderer sowie der verfassungsmäßigen Ordnung. Vieles spricht dafür, dass die spanische Ausgestaltung der Unternehmensfreiheit nichts anderes als die beredte Variante, umgekehrt die deutsche Ausgestaltung lediglich die lakonische Variante eines im Ergebnis vergleichbaren Inhalts ist. Diese These soll im Folgenden anhand der Reichweite von Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die private Wirtschaftstätigkeit überprüft werden.
B. Intervention des Staates in die Unternehmensfreiheit Die Interventionsmöglichkeiten des Staaten in die private unternehmerische Tätigkeit sind mannigfaltig und werden insbesondere durch Art. 128 II CE konkretisiert: 1. „Die öffentliche Initiative im Wirtschaftsleben wird anerkannt.“ 2. „Durch Gesetz können der öffentlichen Hand wesentliche Mittel oder Dienste vorbehalten werden, besonders im Falle eines Monopols.“ 3. „Ebenso kann das Eingreifen in Unternehmen beschlossen werden, wenn das allgemeine Interesse dies erforderlich machen sollte.“
Eine weitere entscheidende Bedeutung enthält das staatliche Instrument der Wirtschaftsplanung, die insbesondere in Art. 131 CE zum Ausdruck kommt: „Der Staat kann mittels Gesetz die allgemeine Wirtschaftstätigkeit planen, um die kollektiven Bedürfnisse zu decken, die Entwicklung der Regionen und Sektoren auszugleichen und zu harmonisieren und das Wachstum des Einkommens und des Reichtums sowie deren gerechtere Verteilung zu fördern.“
I. Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen Die öffentliche Initiative ermöglicht dem Staat u. a., selbst unternehmerisch tätig zu werden und in Konkurrenz mit der privaten Wirtschaftstätigkeit zu treten. Dabei dient sie zum einen als Instrument der Sozialpolitik, insbesondere im Rahmen des servicio público, um für eine gerechte Verteilung lebensnotwendiger Güter und Dienste zu sorgen.8 Zum anderen wird sie als Instrument der Wirtschaftspolitik eingesetzt, um die Stabilität des Wirtschaftswachstums, des Preisniveaus und des Außenhandels zu gewährleisten sowie um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.9 Darüber 8
Vgl. unten § 10 B. II. Vgl. Casas Baamonde, Comentarios a la Constitución Española, Art. 128, S. 1978; vgl. diese Ziele auch im Rahmen der Wirtschaftsplanung, unten § 10 B. III. 9
B. Intervention des Staates in die Unternehmensfreiheit
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hinaus ist fraglich, welche Grenzen in beiden Rechtsordnungen in Bezug auf den Zweck und die Reichweite öffentlicher Wirtschaftstätigkeit bestehen. Ebenso wie im deutschen Recht ist in Spanien umstritten, ob unter der öffentlichen Initiative im Sinne des Art. 128 II CE auch rein erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten erfasst werden, die keinem unmittelbaren öffentlichen Zweck dienen. Das Grundgesetz trifft in diesem Zusammenhang keine klare Aussage.10 Argumente für eine erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates stellen die Hinweise in Art. 110 I, 134 und 135 VI GG dar.11 Allerdings finden sich keine expliziten Ermächtigungsgrundlagen. Vor allem Art. 28 II GG geht in seiner Ermächtigung zugunsten der Gemeinden nicht über den Bereich der Selbstverwaltung im Sinne einer dienenden Funktion hinaus.12 Die Rechtsprechung und Teile der Literatur sehen Art. 12, 14 GG als nicht berührt an, da grundsätzlich kein Schutz vor Konkurrenz gewährt werde.13 Auch der Subsidiaritätsgrundsatz sei nur in Bezug auf die Europäische Union zu beachten.14 Andere Teile der Literatur stellen die grundrechtsdienende Funktion der öffentlichen Gewalt heraus und bejahen einen Eingriff nicht nur im Falle eines inkongruenten Marktverhaltens oder eines Verdrängungswettbewerbs.15 Zudem sei ein wesentlicher Grund für die Steuerhoheit, dass anderweitige Einnahmen nicht erzielt werden könnten.16 Zumindest erfordere die erwerbswirtschaftliche Betätigung jedoch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, und ihr öffentlicher Zweck dürfte nicht nur in der gemeinwohlorientierten Verwendung erzielter Gewinne bestehen.17 Auch in Spanien ist dieser Streit nicht abschließend geklärt. Der Wortlaut der öffentlichen Initiative unterscheidet nicht zwischen erwerbswirtschaftlicher und verwaltungsrechtlicher Tätigkeit, was für die Zulässigkeit aller wirtschaftlichen Handlungsformen der öffentlichen Gewalt spricht. Nach Art. 31 II CE ist zudem beim Einsatz staatlicher Mittel die Wirtschaftlichkeit ein wesentlicher Gradmesser.18 Dies spricht für eine möglichst wirtschaftliche Nutzung der ohnehin verwendeten Mittel im Wege der Randnutzung und damit für eine entsprechende Gewinnmitnahme, beispielsweise bei der Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die wohl 10
Vgl. BVerfGE 4, 7, 18; 50, 290 f.; Papier, FS-Selmer, S. 459 ff. Vgl. Gusy, JA 1995, S. 167 f.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 92 ff. 12 Vgl. Burgi, NVwZ 2001, S. 601 ff.; Schink, NVwZ 2002, S. 133. 13 Vgl. BVerfGE 24, 236, 251; BVerwG, DöV 1987, S. 851 f.; Pieroth/Hartmann, DVBl. 2002, S. 421 ff. 14 Vgl. BVerwGE 23, 306 f.; Häberle, AöR 199 (1994), S. 184; Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, S. 162 ff. 15 Vgl. Weiss, Privatisierung und Staatsausgaben, S. 259; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, S. 102 ff. 16 Vgl. BVerfGE 93, 121, 134; 93, 319, 342 ff.; Hösch, Die kommunale Wirtschaftstätigkeit, S. 63; Weiss, Privatisierung und Staatsaufgaben, S. 225 ff. 17 Vgl. Ehlers, DVBl. 1998, S. 498 f.; Suerbaum, Kommunale und sonstige öffentliche Unternehmen, § 13, Rn. 29 f.; BVerfGE 61, 82, 100, 107; 93, 319, 342. 18 Vgl. Bassols Coma, Constitución y sistema económico, S. 171 f. 11
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§ 10 Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft
herrschende Meinung beruft sich jedoch auf Art. 103 CE, nach dem die öffentliche Verwaltung in objektiver Weise dem Interesse der Allgemeinheit zu dienen hat. Eine erwerbswirtschaftliche Betätigung dürfe nicht lediglich der Etatbeschaffung, mithin nicht nur mittelbar öffentlichen Zwecken dienen.19 Die öffentliche Wirtschaftstätigkeit an sich berührt jedoch wie im deutschen Recht nicht den Schutzbereich der Unternehmensfreiheit, zumal es auch im spanischen Recht keinen Schutz vor Konkurrenz gibt.20 Damit nähert sich der Diskussionsstand in beiden Rechtsordnungen erheblich einander an. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Einordnung ist der Gesetzgeber jedoch befugt, weitergehende Grenzen für die öffentliche Wirtschaftstätigkeit zu ziehen. So bestimmt beispielsweise die schleswig-holsteinische Gemeindeordnung differenzierte Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung und privatrechtlichen Beteiligungen der Gemeinde. Nach § 101 I GO SH darf die Gemeinde nur dann ein Unternehmen betreiben, wenn ein öffentlicher Zweck dies rechtfertigt, ein angemessene Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und dem Bedarf der Gemeinde besteht und wenn der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erfüllt werden kann. Im spanischen Recht legen Art. 61 ff. Ley 6/1997 fest, dass öffentliche Unternehmen nur durch ein Gesetz gegründet werden können, welches den jeweiligen Zweck und die Organisationstruktur im Einzelnen bestimmt.21 Das mögliche Erfordernis eines öffentlichen Zwecks darf nicht mit der Frage nach der Subsidiarität staatlichen Unternehmertums verwechselt werden. Das Subsidiaritätsprinzip betrifft das Verhältnis zwischen öffentlicher und privater Wirtschaftstätigkeit und reicht hinsichtlich seiner Voraussetzungen weiter: Eine öffentliche Wirtschaftstätigkeit wäre hiernach nur dann zulässig, wenn die private Initiative nicht den erwünschten Erfolg verspricht bzw. gänzlich ausbleibt.22 Nach Vertretern dieser Ansicht würde eine uneingeschränkte Anerkennung der öffentlichen wirtschaftlichen Initiative dem Grundgedanken des Art. 38 CE widersprechen.23 Die herrschende Meinung spricht allerdings für eine Coinitiative zwischen privater und öffentlicher Wirtschaftstätigkeit, da Art. 38 und 128 II CE insoweit gleichrangig seien.24 Die Tätigkeit des Staates als Unternehmer sei nicht die Konsequenz einer subsidiären Pflicht, sondern vielmehr die Errungenschaft eines Rechts, das die Freiheit der öffentlichen Initiative in der Wirtschaft anerkenne. Bürger und Staat 19
Vgl. auch Veiga Copo, ICADE 58 (2003), S. 213 ff.; Ortega Bernado, RAP 169 (2006), S. 55 ff.; Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. X, Art. 128, S. 45 ff.; a. A. Casas Baamonde, Comentarios a la Constitución Española, Art. 128, S. 1978, wonach auch die Etatbeschaffung ein ausreichender öffentlicher Zweck ist. 20 Vgl. Casas Baamonde, Comentarios a la Constitución Española, Art. 128, S. 1979. 21 Ley 6/1997 de Organizacion y Funcionamiento de la Administración General de Estado vom 14. April 1997. 22 Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. X, Art. 128, S. 45 ff. 23 Vgl. insbesondere Ariño Ortiz, RAP 88 (1979), S. 55 ff. 24 Vgl. Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 194 ff.; Dejuán Aseño, REDA 25 (1980), S. 255 ff.; Rojo Fernández-Río, RDM 169 – 170 (1983), S. 309 ff.
B. Intervention des Staates in die Unternehmensfreiheit
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stünden insoweit gleichberechtigt nebeneinander, es sei denn, die wirtschaftliche Tätigkeit ist gem. Art. 128 II 2. Alt. CE dem Staat vorbehalten.25 Auch die Verfassungsgeschichte spricht für dieses Ergebnis. Die Aufnahme einer ausdrücklichen Subsidiaritätsklausel in Art. 122 II des Verfassungsentwurfs wurde nach eingehender Beratung abgelehnt.26 Im Ergebnis entspricht diese Auslegung ebenfalls der Einordnung im deutschen Recht. Schließlich setzt die öffentliche Wirtschaftstätigkeit weiterhin voraus, dass für die öffentliche und private Initiative im Grundsatz die gleichen Rahmenbedingungen zu gelten haben. Auch wenn sich dieses Erfordernis nicht direkt aus Art. 128 CE ergibt, so geht hier ein entscheidender rechtlicher Impuls von der Europäischen Union aus. Zwar verhält sich die EU gegenüber der Zuordnung des Eigentums in öffentliche oder private Trägerschaft neutral, darüber hinaus gilt jedoch ein strikter Gleichbehandlungsgrundsatz, der durch die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs konkretisiert wird. Verboten sind mithin alle staatlichen Maßnahmen, die die freie Konkurrenz zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen beeinträchtigen. Ausnahmen bestehen nach Art. 14, 106 II AEUV lediglich für Dienstleistungen von besonderem wirtschaftlichem Interesse, deren Übereinstimmung mit den Konzepten der Daseinsvorsorge und des servicio público27 im Folgenden zu untersuchen ist.
II. Die Konzeption des servicio público im Vergleich zur Daseinsvorsorge und den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Nach Art. 128 II 2. Alt. CE können der öffentlichen Hand durch Gesetz wesentliche Dienste vorbehalten werden, besonders im Falle eines Monopols. Im unmittelbaren Zusammenhang hiermit steht die spanische Konzeption des servicio público. Die Einordnung öffentlicher Wirtschaftstätigkeit als servicio público hat erhebliche Auswirkungen auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, zumal die entsprechenden Dienstleistungen in die öffentliche Aufgabenträgerschaft übergehen und aufgrund ihrer Bedeutung für die Gemeinschaft eine finanziell bevorzugte Ausgestaltung erfahren. Gleichzeitig kann die ausschließlich öffentliche Wirtschaftstätigkeit einen Eingriff in die Unternehmensfreiheit darstellen, der einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf.28
25
Vgl. Font Galán, Constitución económica y derecho de competencia, S. 160. Vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Casas Baamonde, Comentarios a la Constitución Española, Art. 128, S. 1977 f.; anders noch während des franquistischen Regimes aufgrund des Einflusses der katholischen Kirche, vgl. declaración XI 4 del Fuero de Trabajo. 27 Im Folgenden auch bezeichnet als öffentliche Dienstleistung. 28 Vgl. auch Bassols Coma, Constitución y sistema económico, S. 196. 26
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§ 10 Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft
Die Entwicklung des servicio público wurde wesentlich durch die Konzeption des französischen service public beeinflusst und führte gleichermaßen zu einer eigenständigen Rechtsmaterie öffentlicher Dienstleistungen.29 Obwohl sich der servicio público als Tätigkeit der leistenden Verwaltung im Kern mit dem französischen Ansatz deckt, hat er jedoch nicht die gleiche grundlegende Funktion für das spanische Verwaltungsrecht.30 Ebenso wie bei der deutschen Konzeption der Daseinsvorsorge basiert die Einordnung als öffentliche Dienstleistung nicht auf der Verfassung, sie wird vielmehr durch den Gesetzgeber vorgenommen. Die Verfassung selbst bestimmt nur die Rahmenbedingungen, wie im spanischen Recht durch Art. 38 und 128 II 2. Alt. CE. Art. 128 II 2. Alt. CE stellt an den servicio público im Gegensatz zur öffentlichen Wirtschaftstätigkeit im freien Wettbewerb erhöhte Anforderungen. Neben dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage muss es sich bei den vorbehaltenen Diensten um wesentliche, mithin für die Gemeinschaft lebensnotwendige Leistungen handeln.31 Dabei gewährt das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber einen erheblichen Einschätzungsspielraum. So sei gegen Ausgestaltung des Fernsehens als servicio público verfassungsrechtlich nichts einzuwenden, auch wenn aus rechtspolitischer Sicht eine andere Auffassung vertretbar sei.32 Die Nennung des Monopols in Art. 128 II 2. Alt. CE ist missverständlich. Sie soll nicht bedeuten, dass hier die Wesentlichkeit des Dienstes per se gegeben wäre, sondern stellt lediglich ein Indiz dar. Die Existenz eines Monopols in nicht für die Gemeinschaft wesentlichen Wirtschaftsbereichen muss durch antimonopolistische Gesetzgebung oder durch Schaffung weiterer, wenn auch öffentlicher Unternehmen im freien Wettbewerb bekämpft werden. Eine ausschließlich öffentliche Wirtschaftstätigkeit würde hingegen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Unternehmensfreiheit darstellen.33 Durch die Erklärung zum servicio público begründet der Gesetzgeber die ausschließliche öffentliche Aufgabenträgerschaft, wodurch die jeweilige Dienstleistung einem besonderen öffentlichen Regime unterstellt wird.34 Bei der Aufgabenerfüllung werden traditionell jedoch in höherem Maße private Unternehmen mit eingebunden (gestión indirecta)35, als dies zumindest ursprünglich im deutschen Recht der Fall 29 Vgl. Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 185 f.; Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 64 ff. 30 Vgl. Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 64 ff.; Ambrosius, WSI 10 (2008), S. 529. 31 Vgl. STC 26/1981. 32 Vgl. SSTC 12/1982; 206/1990; 127/1994; beachte jedoch die zunehmende Technisierung, die zur Liberalisierung des Marktes im Bereich des Fernsehens führte, vgl. Miguez Macho, RGDA 25 (2010), S. 35 f.; Gonzáles Botija, NUE 296 (2009), S. 153 ff. 33 Vgl. Maqueo Ramírez, RIJ 28 (2004), S. 692. 34 Vgl. Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 64 ff.; Parejo Alfonso, Servicios públicos y servicios de interés general, S. 476 ff. 35 Vgl. hierzu den französischen Einfluss, der insbesondere durch das Solidaritätsprinzip gekennzeichnet war, Bullinger, JZ 2003, S. 599 ff.
B. Intervention des Staates in die Unternehmensfreiheit
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war.36 Die staatliche Überwachung wird dabei durch Konzessionsverträge gewährleistet.37 Von dieser Konzeption des servicio público propio ist der servicio público impropio zu unterscheiden. Unter Letzterem werden dem Gemeinwohl dienende öffentliche Dienstleistungen verstanden, die durch private Unternehmen im freien Wettbewerb ausgeführt werden. Sie unterliegen zwar in Form von gesetzlichen Tarifen und Genehmigungsvorbehalten ebenfalls der Regulierung durch die öffentliche Verwaltung, die wirtschaftliche Initiative liegt hier jedoch in den Händen des freien Wettbewerbs.38 Unterschiede liegen damit im Wesentlichen in der Reichweite der staatlichen Regulierung. Als praktisches Beispiel dient hier der öffentliche Personennahverkehr in Bezug auf die Beförderung mit Taxen. Während das Beförderungswesen in Spanien dem freien Wettbewerb unterliegt und als servicio público impropio ausgestaltet ist, ist Aufgabenträger im deutschen Recht der Staat, der die Zulassung gem. §§ 8, 13 PBefG lediglich in Abhängigkeit von einem Nahverkehrsplan und der Sättigung des Marktes gewährleistet.39 Der deutsche Begriff der Daseinsvorsorge geht auf Forsthoff zurück, der die Verwaltungsrechtsdogmatik um das Konzept der Leistungsverwaltung erweiterte, durch welches das Verhältnis des Einzelnen zum leistungsgewährenden Staat bestimmt wurde. Die in Erfüllung der sozialen Verantwortung erfolgende Betätigung des Staates nannte Forsthoff Daseinsvorsorge.40 Ebenso wie im spanischen Recht werden die entsprechenden Dienstleistungen einem besonderen öffentlichen Regime unterworfen, dessen Verantwortung beim Staat liegt. Im Gegensatz zu Spanien wurden die öffentlichen Dienstleistungen traditionell überwiegend unmittelbar durch den Staat im Wege der Erfüllungsverantwortung, d. h. durch die Leistungsverwaltung, gewährt.41 Damit unterscheiden beide Rechtsordnungen im Rahmen der Konzeption des servicio público/der Daseinsvorsorge zwischen Gewährleistungsverantwortung (im Spanischen: gestión indirecta) und Erfüllungsverantwortung (im Spanischen: gestión directa). Die Aufgabenträgerschaft jedoch, d. h. die primäre Verantwortlichkeit, verbleibt in den Händen der öffentlichen Hand. Damit ist die Daseinsvorsorge mit dem Konzept des servicio público insofern vergleichbar, als dass durch sie die Aufgabenerfüllung durch Privatpersonen im Wege der staatlichen Gewährleistungsverantwortung (gestión indirecta) nicht ausgeschlossen ist. Nicht nur aus Gründen der europäischen Liberalisierung, sondern ebenso aus der Wirtschaftlichkeit heraus hat die Tendenz zur zumindest formellen Privatisierung er36 Vgl. Ambrosius, WSI 10 (2008), S. 527 ff.; Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 64 ff. 37 Vgl. Rivero Ortega, Derecho administrative economic, S. 186 ff.; Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 64 ff. 38 Vgl. Rivero Ortega, Derecho administrative economic, S. 186 ff.; Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 64 ff. 39 Vgl. auch Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, Fn. 146. 40 Vgl. Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 15 ff.; vgl. zum Ganzen auch Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger. 41 Vgl. Bullinger, JZ 2003, S. 598 ff.; vgl näher § 2 F.
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§ 10 Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft
heblich zugenommen.42 Die Konzeptionen haben sich auch darüber hinaus zunehmend einander angenähert. Wurde mit der Zuordnung zur Daseinsvorsorge ursprünglich noch die Geltung eines öffentlichen Sonderstatusverhältnisses zwischen Leistungserbringer und -empfänger verbunden, so kann inzwischen aus der Begrifflichkeit selbst keine konkrete Rechtsfolge mehr abgeleitet werden.43 Selbst die Anwendbarkeit des öffentlichen Rechtsweges ist in beiden Rechtsordnungen nicht zwingend und hängt insbesondere von der Einordnung der jeweiligen Rechtsprechung ab.44 Sowohl in Spanien als auch in Deutschland wird unter der Daseinsvorsorge bzw. dem servicio público die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit lebenswichtigen Gütern in öffentlicher Aufgabenträgerschaft verstanden. Zu diesen Gütern zählten zumindest ursprünglich u. a. Schwimmbäder, Kindergärten, Bibliotheken, das grundlegende Bildungswesen, Post, Telekommunikation, Informationsmedien, Transport, Abfallbeseitigung, Wasser und Energie.45 Durch eine zunehmende Liberalisierung sind mit der Zeit jedoch immer mehr Bereiche in die private Aufgabenträgerschaft mit freiem Wettbewerb übergegangen, wie sich insbesondere auch in Spanien zeigt.46 So stellt die Elektrizitätsversorgung seit 1997 kein servicio público mehr dar.47 Dasselbe gilt für den Gassektor seit dem Gesetz vom 7. Oktober 1998.48 Seit der Umstrukturierung des Telekommunikationssektors im Jahr 2003 sind auch hier die meisten Leistungen als servicio público aufgehoben worden.49 Auch wenn das Schienennetz weiterhin in öffentlicher Hand bleibt, wurde mit Gesetz vom 18. November 2003 auch im Schienenverkehr der Umfang der öffentlichen Trägerschaft erheblich reduziert.50 Mit der Liberalisierung ging jedoch 42
Vgl. Bullinger, JZ 2003, S. 601 f. Vgl. ders.; Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 25; Parejo Alfonso, Servicios públicos y servisios de interés general, S. 479 ff. 44 Vgl. Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 38, 64 ff. 45 Vgl. Uplegger, Gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge versus Binnenmarkt ohne Wettbewerbsverzerrung, S. 4; durch Art. 86 III des Ley 7/1985 Reguladora de las Bases del Régimen Local vom 2. April 1985 wird den Gemeinden u. a. die Aufgabenträgerschaft für die Wasserversorgung, die Abfallbeseitigung und die öffentlichen Verkehrsmittel vorbehalten; vgl. hierzu auch Cuchillo, Diritto Publico 4 (1998), S. 833 f.; kritisch: Martín-Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 317 f.; zum Ganzen vgl. Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 15, S. 237 ff. 46 Vgl. zum Liberalisierungsprozess Ezquerra Huerva, RVAP 70 (2004), S. 56 ff.; Gonzáles-Varas, Los mercados de interés general. 47 Vgl. Ley 54/1997 vom 27. November 1997; vgl. auch Muñoz Machado, Derecho público y mercado, capítulo IV: La electricidad. 48 Vgl. Ley del Sector de Hidrocarburos 34/1998 vom 7. Oktober 1998. 49 Vgl. Ley General de Telecomunicaciones 32/2003 vom 3. November 2003; de la Quadra Salcedo, Tomás, Liberalización de las telecomunicaciones. 50 Vgl. zu der Tendenz zur Liberalisierung der wirtschaftlichen Tätigkeit bei fortbestehendem Vorbehalt für die öffentliche Infrastruktur Ezquerra Huerva, RVAP 70 (2004), S. 62 f.; Caballero Sánchez, Infraestructuras en red y liberalización de servicios públicos. 43
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eine stärkere öffentliche Regulierung einher, die sich inzwischen insbesondere in der Verpflichtung zu Universaldienstleistungen zeigt.51 Diese Liberalisierung steht auch im unmittelbaren Zusammenhang mit der europarechtlichen Konzeption der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Nach Art. 106 I AEUV ergeben sich für Unternehmen in öffentlicher und privater Trägerschaft grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten. Art. 14 AEUV stellt jedoch die besondere Bedeutung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse innerhalb der gemeinsamen Werte der Union und für die Förderung des sozialen und territorialen Zusammenhalts heraus. In diesem Zusammenhang sieht Art. 106 II AEUV vor, dass ebenfalls auf diese Dienste die Vorschriften der Verträge, insbesondere der Wettbewerbsregeln, anwendbar sind, soweit hierdurch nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert wird. Laut EuGH handelt es sich bei Art. 106 II AEUV um eine Ausnahme zu den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften, die im Sinne des gemeinschaftsrechtlichen effet útile eng auszulegen ist.52 Die Definitionsbefugnis überlässt das Gericht dennoch den Mitgliedstaaten, wobei Kriterien wie die gemeinwohldienende Funktion als Orientierung dienen. Die Entscheidung der Mitgliedstaaten, bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten als Dienste im Sinne des Art. 106 II AEUV zu qualifizieren und diese ggf. dem freien Wettbewerb zu entziehen, unterliegt dabei lediglich der Kontrolle auf offenkundige Fehler.53 Angesichts der bestehenden Zurückhaltung des EuGH und der gem. Art. 106 III AEUV zur konkreteren Ausgestaltung befugten Kommission wird der mitgliedstaatliche Gestaltungsspielraum im Zusammenhang mit der Daseinsvorsorge bzw. dem servicio público nicht wesentlich beeinträchtigt.54 Diese Tendenz wird durch die entwicklungsoffene Konzeption des servicio público in der spanischen Verfassung noch wesentlich begünstigt. Das Verfassungsgericht sieht den Vorbehalt wesentlicher Dienste als eine von vielen Optionen
51
Vgl. zu der Reduzierung des öffentlichen Sektors auch Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, S. 66 f.; die erhöhte öffentliche Regulierung der liberalisierten Sektoren geht insbesondere mit der Etablierung spezialisierter Regulierungsbehörden einher, so beispielsweise die Comisión Nacional de Energía oder die Agencia Estatal de Radiocomunicaciones, vgl. Ezquerra Huerva, RVAP 70 (2004), S. 66. 52 Vgl. in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Beweislastumkehr in EuGHE I 1997, S. 5699, 5778; EuGHE I 1997, S. 5815, 5834. 53 Vgl. Uplegger, Gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge versus Binnenmarkt ohne Wettbewerbsverzerrung, S. 8; Calliess/Ruffert, EGV/EUV Kommentar, S. 528. 54 Vgl. in diesem Zusammenhang aber die Anpassung der spanischen Gesetze an die europarechtliche Terminologie, so bezeichnet u. a. Art. 1 II LSP (Ley 24/1998 del Servicio Postal Universal y de Liberalización de los Servicios Postales vom 13. Juli 1998) und Art. 2 I LGT (Ley 32/2003 General de Telecomunicaciones vom 3. November 2003) Post und Telekommunikation als Dienste von allgemeinem Interesse, die in freiem Wettbewerb geleistet werden; Art. 2 II LSH (Ley 34/1998 del sector de hidrocarburos vom 7. Oktober 1998) bezeichnet den Gassektor als eine Aktivität von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.
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an, zwischen denen sich der Gesetzgeber entscheiden könne.55 Der Gestaltungsspielraum reiche in jegliche Richtung. Demnach ist auch die Entscheidung des Gesetzgebers, den Rundfunk zum servicio público (öffentliche Aufgabenträgerschaft bei großenteils privater Ausführung) zu erklären, verfassungsgemäß. Zwar greife die Entscheidung in die durch Art. 38 CE verbürgte Unternehmensfreiheit ein. Mit ihr verfolge der Gesetzgeber aber das legitime und besonders bedeutende Ziel, den gleichen Zugang eines jeden zu den entsprechenden Informationsquellen und damit die Verwirklichung der Rechte Dritter zu gewährleisten.56 Ob dieses Ziel allerdings auch auf andere Weise erreicht werden könnte, obliegt demnach der Beurteilung des Gesetzgebers. Die Entscheidung für den öffentlichen Vorbehalt eines Dienstes sei zudem nicht auf alle Ewigkeit festgeschrieben. Die Änderungen der technischen Bedingungen und der infrastrukturellen Kosten, aber auch die Änderungen der sozialen Werte könnten zu einer Revision dieser Entscheidung führen.57 Die Anpassungsfähigkeit des spanischen Rechtssystems an europarechtliche Vorgaben zeigt sich auch insbesondere im Bereich öffentlicher Subventionen. Gem. Art. 107 I AEUV werden staatliche Beihilfen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Hierzu können im Prinzip auch solche Beihilfen zählen, die sich auf die Erbringung von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse beziehen.58 Nach der AltmarkTrans-Rechtsprechung liegt eine Beihilfe i.S.d. Art. 107 I AEUV dann vor, wenn der Wert des gewährten Vorteils die Mehrkosten des betreffenden Unternehmens für die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse übersteigt und dadurch ein wettbewerbswidriger Vorteil verursacht wird.59 Hingegen ist von Art. 107 I AEUV kein finanzieller Ausgleich erfasst, der lediglich die Gegenleistung für eine besondere gemeinwirtschaftliche Pflicht wie den Universaldienst darstellt. Nach der EuGH-Rechtsprechung müssen für diesen europarechtskonformen finanziellen Ausgleich vier Voraussetzungen erfüllt sein: (1) Der Ausgleich muss der Erfüllung einer klar definierten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung dienen. (2) Der Ausgleich muss anhand objektiver und transparenter Parameter berechnet sein. (3) Der Ausgleich darf lediglich den Kosten für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Pflicht unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns entsprechen. (4) Die Höhe des Ausgleichs muss anhand der Kosten bestimmt werden, die ein durchschnittliches Unternehmen
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Vgl. SSTC 12/1982; 127/1994. Vgl. STC 127/1994. 57 Vgl. SSTC 12/1982; 206/1990; 88/1995. 58 Vgl. Uplegger, Gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge versus Binnenmarkt ohne Wettbewerbsverzerrung, S. 8 f. 59 Vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, C-280/00; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22. November 2011, C-53/00. 56
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in einer entsprechenden Branche zu tragen hätte.60 In diesem Zusammenhang leistet das spanische Subventionsgesetz61 einen erheblichen Beitrag zur Rechtssicherheit, indem es der Exekutive eindeutige Vorgaben macht, wie die jeweilige Subventionsvergabe öffentlich darzustellen ist. Die Festlegung des Zwecks und der Voraussetzungen und insgesamt die Gewährleistung eines transparenten Systems der öffentlichen Subventionsvergabe lässt deutlich erkennen, ob es sich um eine Art. 107 AEUV unterfallende Beihilfe mit wettbewerbsgefährdendem Charakter oder aber um einen finanziellen Ausgleich für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen handelt. In diesem Punkt ist das spanische Recht transparenter als das deutsche, in dem die ihren Inhalten nach vergleichsweise weniger konkretisierenden Haushaltsgesetze zumeist die einzige gesetzliche Grundlage für die Subventionsvergabe darstellen. Die Konzeption der staatlich vorbehaltenen Dienste zeigt sich in beiden Verfassungen gleichermaßen offen. Während die spanische Verfassung die diesbezügliche Befugnis des Gesetzgebers explizit erwähnt, enthält das Grundgesetz lediglich Hinweise auf die grundrechtliche Begrenzung einer solchen Befugnis. Rechtliche Unterschiede im Hinblick auf die Weite des politischen Gestaltungsspielraumes ergeben sich hieraus jedoch nicht. Lediglich der politische Gestaltungsspielraum selbst wird in manchen Bereichen unterschiedlich genutzt, was jedoch eher auf das historische Verständnis öffentlicher Dienstleistungen zurückzuführen ist. Die im spanischen Recht traditionell ausgeprägte höhere Beteiligung Privater bei der Erledigung von Aufgaben in öffentlicher Trägerschaft macht es dem spanischen Rechtssystem leicht, sich den Erfordernissen einer zunehmenden Öffnung gegenüber dem freien Wettbewerb anzupassen. Die durch das Verfassungsgericht bestätigte Entwicklungsoffenheit der Konzeption des servicio público trägt wesentlich hierzu bei.
III. Das Interventionsinstrument der Planung Die wirtschaftliche Planung steht im sichtbaren Kontrast zu den klassischen Freiheitsrechten. Nicht nur, weil hierdurch die Unternehmensfreiheit generell eingeschränkt wird, sondern auch, weil die freie private Initiative hierdurch grundlegend beeinflusst wird. Die Einführung dieses Interventionsinstruments in die spanische Verfassung entspricht dem Ergebnis der Debatte der verfassungsgebenden Kräfte um ein dezentralisiertes, marktwirtschaftliches bzw. zentralisiertes, planwirtschaftliches System.62 Nach Art. 38 CE schützt und gewährleistet die öffentliche Gewalt die 60 Vgl. zur Zusammenfassung der EuGH-Rechtsprechung Uplegger, Gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge versus Binnenmarkt ohne Wettbewerbsverzerrung, S. 9; Werner/ Quante, ZeuS 1 (2004), S. 85. 61 Vgl. Ley 38/2003 vom 17. November 2003; vgl. in diesem Zusammenhang auch oben § 5 B. 62 Vgl. Maqueo Ramírez, RIJ 28 (2004), S. 699.
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Ausübung der Unternehmensfreiheit und die Erhaltung der Produktivität im Einklang mit den Erfordernissen der allgemeinen Wirtschaft und ggf. der Planung. Nach Art. 131 I CE kann der Staat mittels Gesetz die allgemeine Wirtschaftstätigkeit planen, um die kollektiven Bedürfnisse zu decken, die Entwicklung der Regionen und Sektoren auszugleichen und zu harmonisieren und das Wachstum des Einkommens und des Reichtums sowie deren gerechtere Verteilung zu fördern. Die verfassungsrechtliche Konzeption der Planung zeigt jedoch bereits, dass hierunter nicht ein sozialistisches Ziel der Planwirtschaft verstanden werden kann.63 Art. 131 I CE schreibt die Planung nicht zwingend vor, sondern etabliert sie als eine mögliche Option der Wirtschaftsregulierung. Auch Art. 38 CE erwähnt das Instrument der Planung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Unternehmensfreiheit, die hierdurch nicht aufgehoben werden darf.64 In der Tat hat es seit Inkrafttreten der spanischen Verfassung auch noch keinen allgemeinen Wirtschaftsplan gegeben. Der letzte allgemeine Plan wurde 1973 und somit in der vorkonstitutionellen Zeit verabschiedet.65 Die Planung als mögliche Variante der staatlichen Intervention in die privatwirtschaftliche Tätigkeit muss, soweit sie die Unternehmensfreiheit nicht generell in Frage stellt, in Übereinstimmung mit dieser interpretiert werden.66 Die Festlegung zukünftiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ist unabhängig von der expliziten verfassungstextlichen Verankerung sowohl in Spanien als auch in Deutschland allgemein üblich. Das wohl bekannteste Planinstrument stellt dabei der Haushaltsplan dar, der mit der Bereitstellung der entsprechenden finanziellen Mittel auch einen wesentlichen Einfluss auf die private wirtschaftliche Aktivität hat.67 Wie bereits festgestellt68, ist die Haushaltsplanung in der spanischen Verfassung anders als nach dem Grundgesetz losgelöst von der Verfolgung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geregelt. Dieser verfassungssystematische Unterschied wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, zumal das wirtschaftliche Gleichgewicht auch nach spanischem Verständnis bei jeglicher staatlicher Planung zu berücksichtigen ist.69 So verfolgt insbesondere das gemäß den Vorgaben des reformierten Art. 135 CE
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Vgl. de Vergottini, RVAP 33 (1992), S. 140 f. Vgl. Ojeda Marín, El contenido económico de las constituciones modernas, S. 63; Bassols Coma, Constitución y sistema económico, S. 228, 236 f.; Martín Retortillo, Derecho Administrativo Económico, S. 411 ff. 65 III. Plan zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, vgl. Cosculluela Montaner/ López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 11, S. 206. 66 Vgl. Veiga Copo, ICADE 58 (2003), S. 22 ff.; Font Galán, RDM 1979, S. 205 ff., 228; Bassols Coma, Constitución y sistema económico, S. 26 ff. 67 Vgl. de Vergottini, RVAP 33 (1992), S. 140 f. 68 Vgl. § 6 H. I. 69 Vgl. Sanz Morata/Garcia Nistal, EE 52 (1982), S. 5 f. 64
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jüngst verabschiedete Haushaltsstabilitätsgesetz das Ziel eines wirtschaftlichen Gleichgewichts.70 In einzelnen wirtschaftlichen Sektoren, insbesondere im Bereich der Infrastrukturen, der wirtschaftlichen Netze und in der Energiewirtschaft, spielt das Instrument der Planung in beiden Ländern nicht mehr die gleiche gewichtige Rolle wie einst, bedingt durch die immer detaillierteren Vorgaben der Europäischen Union. Einen gleichermaßen gewichtigen Stellenwert hat die Planung jedoch weiterhin insbesondere im Bereich der städtebaulichen Ordnung, in der Raumordnung sowie im Umweltrecht.71 Im Gegensatz zu konkreten wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Maßnahmen stellt die Planung zunächst lediglich einen mittelbaren Eingriff in die Rechte der Bürger dar. Denn sie verfolgt in erster Linie das Ziel, ein einheitliches, plangemäßes Handeln der Verwaltung zu gewährleisten und dementsprechend lediglich diese zu binden.72 Um jedoch eine höhere unmittelbare Effizienz zu erzielen, ging man in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts dazu über, Verträge mit den Bürgern über dessen Einhaltung zu schließen. Als Gegenleistung des Staates dienten öffentliche Unterstützungen verschiedenen Inhalts. Dies führte zu einer faktisch wirkenden Verbindlichkeit für die privaten Wirtschaftssubjekte, da diejenigen Marktteilnehmer, die keinen Vertrag eingehen wollten, im Vergleich zu ihren Konkurrenten wirtschaftlich schlechtere Bedingungen zu befürchten hatten. Ein solches wettbewerbsverzerrendes Verhalten ist unter der neuen Verfassung und mit dem Eintritt Spaniens in die Europäische Union nicht mehr möglich.73 Eine weitere Möglichkeit der Wirtschaftsplanung stellt in diesem Zusammenhang das Instrument konzertierter Aktionen dar, durch das eine erhöhte Akzeptanz der Planung in der Wirtschaft selbst erzeugt werden soll. Unter einer konzertierten Aktion versteht man die Interessenabstimmung zwischen verschiedenen wirtschaftspolitischen Akteuren, um unter Hintanstellung divergierender kurzfristiger Zielsetzungen ein mittel- oder langfristig besseres Gesamtergebnis erzielen zu können.74 Ihren Ursprung findet diese Idee im deutschen Stabilitätsgesetz von
70 Vgl. insbesondere die Präambel des Ley Orgánica 2/2012 de Estabilidad Presupuestaria y Sostenibilidad Financiera vom 27. April 2012; Utrilla de la Hoz, CIE 219 (2010), S. 29 ff.; vgl. hierzu auch oben § 6 H. III. 71 Vgl. für Spanien insbesondere Rivero Ortega, Derecho administrativo económico, S. 183 f. m.w.N.; zum Umweltrecht vgl. insbesondere Ley 9/2006 sobre evaluación de los efectos de determinados planes y programas en el medio ambiente vom 28. April 2006. 72 Vgl. Garrido Falla, El modelo económico en la Constitución española, S. 59; Ojeda Marín, El contenido económico de las constituciones modernas, S. 63; Ausnahmen hierzu treten im Baurecht auf, wonach Bebauungspläne hinsichtlich bestimmter Feststellungen unmittelbare Außenwirkung entfalten können. 73 Vgl. Cosculluela Montaner/López Benítez, Derecho Público Económico, Tema 11, S. 207 f. 74 Vgl. Scharpf, Sozialdemokratische Krisenpolitik in Europa, S. 153 ff.
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1967.75 Nachdem das offizielle Instrument der konzertierten Aktion durch den endgültigen Austritt der Gewerkschaften im Jahr 1978 erheblich an Bedeutung verlor, wurde mit dem Bündnis für Arbeit unter der rot-grünen Koalition im Jahr 1999 gewissermaßen ein Versuch unternommen, dieses wieder aufleben zu lassen. Die Abstimmung zur Arbeitsmarktpolitik zwischen Staat, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften wurde im Jahre 2003 allerdings für gescheitert erklärt. In Spanien stoßen konzertierte Aktionen gleichermaßen auf Schwierigkeiten bei der Abstimmung zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen Akteuren. Ein besonderes Beispiel stellt hier der Pakt von Toledo dar, eine parlamentarische Kommission unter Beteiligung wirtschaftlicher Akteure, die sich mit der Rentenreform beschäftigt und deren Ziel es ist, die Nachhaltigkeit des Sozialversicherungssystems zu gewährleisten. Immerhin wurde durch entsprechende Verhandlungen erreicht, finanzielle Anreize für die Verlängerung des Arbeitslebens zu schaffen sowie das System des Umlageverfahrens und die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge beizubehalten. Allerdings kam es im Zusammenhang mit der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre zu keiner weitergehenden Übereinstimmung darin, wie einem vorzeitigen Renteneintritt wirksam entgegnet werden könnte. Nach wie vor führen zahlreiche Möglichkeiten eines vorzeitigen Renteneintritts76 dazu, die anvisierten Effekte zu konterkarieren.77 Letztlich hat das Instrument der Planung in Spanien trotz seiner verfassungstextlich umfangreichen Ausgestaltung keinen gewichtigeren Stellenwert als im deutschen Recht. Auch in diesem Bereich erklärt sich die verfassungsrechtliche Verankerung wiederum lediglich mit dem Kompromiss der verschiedenen Interessen folgenden verfassungsgebenden Kräfte. Die spanische Verfassungssystematik räumt dem Gesetzgeber einen weiten politischen Gestaltungsspielraum ein, der seine Grenzen lediglich in den verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsrechten des einzelnen Bürgers findet. Diese Grenzen werden unmittelbar jedoch zumeist erst durch die auf Grundlage der Planung erfolgende konkrete Wirtschaftsregulierung der Verwaltung tangiert, da die Planung grundsätzlich keine unmittelbare imperative Außenwirkung hat.
75
Vgl. auch zur Anerkennung in der spanischen Literatur García Echevarría, ESIC-Market 42 (1983), S. 90 f., 97. 76 Wie beispielsweise tarifvertragliche Verpflichtungen und die weiterhin bestehende gesetzliche Möglichkeit eines vorzeitigen Renteneintritts im Alter von 61 Jahren. 77 Vgl. Monereo Pérez, RGDT 25 (2011), S. 1 ff.
§ 11 Vereinigungsfreiheit und kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen Die spanischen Verfassungsgeber haben dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit einen weiten Anwendungsbereich eingeräumt und die staatliche Interventionsmöglichkeit zugunsten der freien Entfaltung des Rechts auf ein Minimum reduziert. Gerechtfertigt war dieses Vorgehen vor dem Hintergrund der franquistischen Herrschaft, unter der die Vereinigungsfreiheit besonders starken Restriktionen unterworfen war.1 Dementsprechend gehört das Grundrecht zusammen mit der Versammlungs- und Kommunikationsfreiheit sowie dem Mitwirkungs- und Petitionsrecht zu den sogenannten politischen Rechten, die als Grundrechte der ersten Gruppe dem höchsten Schutzmechanismus unterworfen sind.2 Angesichts der von Art. 22 CE mit umfassten negativen Vereinigungsfreiheit stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die obligatorische Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen als verfassungsgemäß angesehen werden kann (A.). Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit steht die Funktion der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie finden in der spanischen Verfassung mit Art. 7, 28 I und 37 I CE eine eigenständige Ausgestaltung, die in Bezug auf Arbeitskonfliktmaßnahmen von Art. 28 II und 37 II CE flankiert wird. Insbesondere das Streikrecht stellt ein probates Mittel der Arbeitnehmerseite dar, um das notwendige Verhandlungsgleichgewicht herzustellen und die jeweiligen arbeitsrechtlichen Interessen zu verfolgen. Gleichzeitig droht jedoch ein immenser wirtschaftlicher Schaden, wenn dieses missbraucht wird. Fraglich ist, wie weit die staatlichen Befugnisse in der jeweiligen Rechtsordnung reichen, um ein ausgewogenes Kräfteverhältnis der sozialen Akteure zu gewährleisten (B.).
A. Obligatorische Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen Die Organisation bestimmter wirtschaftlicher Sach- und Lebensbereiche wird durch Kammern wahrgenommen, die den Status öffentlich-rechtlicher Körperschaften haben und damit Organe mittelbarer Staatsverwaltung sind. Dazu gehören 1
Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. II, Art. 22, S. 611. Vgl. Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 216 f.; hinsichtlich der einfachgesetzlichen Ausgestaltung durch Organgesetz vgl. LO 1/ 2002 vom 22. März 2002. 2
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§ 11 Vereinigungsfreiheit und kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen
insbesondere die Kammern für Industrie, Handel und Schifffahrt (cámaras de comercio, industria y navegación), aber auch die Landwirtschaftskammern (cámara agraria), städtische Bodenverbände (cámara de la propiedad urbana) sowie die Berufskammern3 für Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten etc. (colegios profesionales). Im Gegensatz zu reinen sektoriellen Interessenverbänden kennzeichnet sie die Verpflichtung auf das Allgemeininteresse. Die Vertretung der privaten Interessen ihrer Mitglieder spielt nur eine untergeordnete Rolle und ist lediglich Mittel zum Zweck. Durch die Beteiligung der Wirtschaftssubjekte wird die Staatsverwaltung entlastet und ihr Sachverstand in eigenen Angelegenheiten genutzt. Zudem entlastet die dezentralisierte Organisation den Staatshaushalt, zumal die Finanzierung in erster Linie durch die Beiträge der gesetzlich zur Mitgliedschaft verpflichteten Berufsgruppen erfolgt. Nach ständiger Verfassungsrechtsprechung sind die Kammern keine Vereinigungen i.S.d. Art. 22 CE, da schon kein subjektives Recht bestehe, diese zu gründen.4 Entgegen der Auffassung in der Literatur5 hindert diese Einordnung das TC jedoch nicht daran, die obligatorische Mitgliedschaft als Eingriff in die negative Vereinigungsfreiheit an Art. 22 CE zu messen. Nachvollziehbar ist diese Einordnung vor dem Hintergrund, dass in der spanischen Verfassung ein Auffanggrundrecht wie der deutsche Art. 2 I GG nicht existiert und ein Ausweichen auf die Berufsfreiheit als Bestandteil der zweiten Grundrechtsgruppe nicht denselben verfassungsrechtlichen Schutz genießt.6 Erstmals wurde die Verfassungsmäßigkeit der Kammern am Beispiel der Handelskammer durch das deutsche BVerfG untersucht.7 Das Gericht hält die Pflichtmitgliedschaft für verfassungskonform, zumal die Handelskammer keine partiellen Interessen vertrete, sondern vielmehr dem Zweck einer objektiven Wirtschaftsver3
Auf die jeweiligen Berufskammern wird im Folgenden nicht näher eingegangen, ihre Existenz rechtfertigt sich jedoch durch ihre besondere öffentliche Funktion (Etablierung der entsprechenden Berufsordnung mit internem Kontroll- und Sanktionssystem zur Sicherung der Qualität) sowie durch ihre innere demokratische Struktur (STC 89/1989), vgl. auch Art. 36 CE; zu ihrer Verfassungsmäßigkeit vgl. SSTC 123/1987 (abogados); 131/1989; 35/1993 (medicos); 74/1994 (administradores de fincas); 194/1998 (profesores de educación física). Zu beachten ist jedoch, dass das TC die Berufskammern für Sekretäre, Kontrolleure und Schatzmeister der lokalen Verwaltung für verfassungswidrig erklärt hat, da alle diese Berufsgruppen in der öffentlichen Verwaltung tätig seien, der Gesetzgeber hingegen den Status und die Tätigkeit bereits eingehend geregelt habe, vgl. SSTC 76/2003; 96/2003; 108/2003. 4 Vgl. SSTC 67/1985; 89/1989; 131/1989; 139/1989; 244/1991; 194/1998; 76/2003. 5 Vgl. nur Martín-Retortillo, REDA 90 (1996), S. 187 f. 6 Die Einordnung der Pflichtmitgliedschaft in den Schutzbereich des Art. 2 GG durch das BVerfG (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 – Az. 1 BvR 1806/98) hat im Ergebnis keine Auswirkungen, da der Rechtfertigungsaufwand insoweit der gleiche bleibt; zu der Diskussion im deutschen Recht vgl. auch BVerfGE 10, 89, 102; 38, 281, 297 f.; BVerwG, NJW 1998, S. 3510 ff.; bzgl. der Handwerkskammer vgl. BVerwG, NJW 1999, S. 2292; kritisch von Mutius, Jura 1984, S. 196. 7 Vgl. BVerfGE 15, 235, 241; NVwZ 2002, 335 f.; vgl. auch García de Enterría, RAP 139 (1996), S. 156 ff.
A. Obligatorische Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen
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waltung diene. Die obligatorische Mitgliedschaft sei erforderlich, um über einen umfassenden Kreis an Wirtschaftsexperten zu verfügen. Ohne die Teilnahme sämtlicher Handelskreise sei die Objektivität nicht gewährleistet, und es bestünde die Gefahr, dass vermögende Unternehmerkreise ihren Einfluss einseitig zugunsten eigener Interessen ausübten. In Spanien hat sich in diesem Zusammenhang eine weitaus umfangreichere und differenziertere Rechtsprechung herausgebildet. Das liegt an dem besonderen öffentlichen Interesse, zumal die Debatte über das Kammerwesen eng mit den Erfahrungen aus der Zeit des franquistischen Regimes verbunden wird, in der ein Großteil der Kammern ihren gesetzlichen Ursprung fanden. Das TC hält die öffentlich-rechtliche Organisation der Kammern unter drei Voraussetzungen für zulässig: (1) Durch sie darf die positive Vereinigungsfreiheit der Mitglieder nicht eingeschränkt werden. (2) Die Pflichtmitgliedschaft darf nur ausnahmsweise erfolgen. (3) Die Organisation bedarf einer ausreichenden Rechtfertigung; insbesondere darf es kein milderes Mittel geben, um den jeweiligen öffentlichen Zweck zu erreichen. Vor diesem Hintergrund hat das TC die städtischen Bodenverbände für verfassungswidrig erklärt.8 Sie waren ursprünglich als private Vereinigungen errichtet worden, um ausschließlich die privaten Interessen einzelner Eigentümer zu vertreten. Durch Real Decreto vom 16. Juni 1907 wurden sie verstaatlicht und später unter dem autoritären Regime in Körperschaften mit obligatorischer Mitgliedschaft umgewandelt. Unter der Verfassung von 1978 sei bereits Art. 103 I CE verletzt, nach dem die öffentliche Verwaltung in objektiver Weise dem Interesse der Allgemeinheit dienen müsse, die Verfolgung rein privater Interessen hingegen ausgeschlossen sei. Auch die spanischen Landwirtschaftskammern wurden als privatrechtliche Vereinigungen besonderer Art gegründet, um auf der Grundlage von Art. 13 der Verfassung vom 30. Juni 1876 „Ziele des gesellschaftlichen Lebens“ zu verfolgen. Später wurden diese Vereinigungen als „öffentlich“ qualifiziert, ihre Mitgliedschaft blieb jedoch trotz des maßgeblichen Einflusses der französischen Gesetzgebung zunächst freiwillig. Nach zahlreichen Reformen wurde schließlich die Pflichtmitgliedschaft eingeführt, und ihre ursprünglichen öffentlichen Aufgaben – die Beratung der Regierung, Zusammenarbeit mit der Verwaltung und Wahrnehmung von delegierten technischen Verwaltungsaufgaben – wurden erheblich zugunsten der Vertretung privater Interessen eingeschränkt. Die Landwirtschaftskammern verhandelten nunmehr mit der Verwaltung über Schutzpreise für landwirtschaftliche Produkte und schlossen Tarifverträge mit den jeweiligen Gewerkschaften. In der Folge wurden sie durch das TC für verfassungswidrig erklärt.9
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Vgl. STC 113/1994. Vgl. SSTC 132/1989; 139/1989.
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Hingegen bestehen Landwirtschaftskammern im deutschen Recht fort. Obligatorische Mitglieder sind die Angehörigen der sogenannten grünen Berufe10, wobei im Schwerpunkt das Gesamtinteresse und nicht die partikulären Interessen der jeweiligen Berufsstände verfolgt werden. Fraglich ist, ob die landwirtschaftliche Verwaltungsorganisation nach spanischem Verständnis verfassungswidrig wäre. Das TC betont den Ausnahmecharakter der Pflichtmitgliedschaft und setzt deren Erforderlichkeit voraus. Bei der Beurteilung stehe dem Gesetzgeber zwar ein gewisser Spielraum zu, der durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar sei. Der Gesetzgeber müsse jedoch die realen Verhältnisse im jeweiligen Wirtschaftsbereich berücksichtigen.11 Das deutsche Beispiel zeigt hier, dass die Ziele der Landwirtschaft genauso gut durch die unmittelbare staatliche Verwaltung erreicht werden können. Während in den nördlichen und westlichen Bundesländern Landwirtschaftskammern in Form von öffentlich-rechtlichen Körperschaften bestehen, gibt es in den süd- und ostdeutschen Bundesländern keine eigenverantwortliche Kammern, sondern eine unmittelbare staatliche Agrarverwaltung in Form von Landwirtschaftsämtern. Die obligatorische Mitgliedschaft im Rahmen einer dezentralisierten Selbstverwaltung erscheint dementsprechend nicht erforderlich zu sein. Zu einer vergleichbaren Beurteilung kommen das TC und das BVerfG schließlich im Zusammenhang mit der Handelskammer. Während das TC diese in ihrer ursprünglichen gesetzlichen Ausgestaltung aus dem Jahre 1911 entgegen der Ansicht der Literatur für verfassungswidrig erklärte12, kam es hinsichtlich des inzwischen bereits in Kraft getretenen Gesetzes vom 27. März 1993 zu einer anderen Beurteilung.13 Mit der Gesetzesreform hat der Gesetzgeber die öffentliche Funktion der Kammern für Handel, Industrie und Schifffahrt besonders herausgestellt. Wesentliche Schwerpunkte werden seitdem neben der Beratung und Zusammenarbeit mit der Staatsverwaltung in der Förderung des Außenhandels und der Berufsausbildung gesetzt.14 Anders als die Landwirtschaftskammer und der städtische Bodenverband gründet die Handelskammer auf einer 200 Jahre alten europäischen Tradition, die die allgemeinen Interessen des Handels und der Industrie als besonderen Wert ansieht.
10 Hierzu gehören u. a. Landwirte, Winzer, Gärtner, Pferde-, Tier- und Forstwirte, Revierjäger, Hauswirtschafter, Molkereifachmänner, milchwirtschaftliche Laboranten, veterinärmedizinische Laboranten, landwirtschaftliche Brenner und Fachkräfte für Agrarservice. 11 Vgl. SSTC 132/1989; 139/1989; mit Hinblick auf die Kammern für Handel, Industrie und Schifffahrt vgl. STC 223/1994; STC 225/1994; STC 179/1994; STC 107/1996. 12 Vgl. STC 179/1994; zu der Einschätzung in der Literatur vgl. nur García de Enterría, RAP 139 (1996), S. 162. 13 Vgl. STC 107/1996 zu Ley 3/1993. 14 Hierbei handelt es sich zweifelsfrei um Ziele von Verfassungsrang: die Beratung der öffentlichen Verwaltung im Hinblick auf deren Effizienz (Art. 103 I CE), die Zusammenarbeit bei der beruflichen Ausbildung (Art. 40 II CE, Art. 35 I CE), der Außenhandel im Hinblick auf die Marktwirtschaft (Art. 38 CE), die Vollbeschäftigungspolitik (Art. 40 I CE), die Teilnahme der Bürger am wirtschaftlichen Leben (Art. 9 II CE).
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Die entsprechenden Ziele würden sich am effektivsten durch die wirtschaftliche Selbstverwaltung erreichen lassen.15
B. Staatliche Befugnisse im Rahmen von Arbeitskonfliktmaßnahmen Explizit gewährleistet das Grundgesetz mit Art. 9 III GG lediglich die Koalitionsfreiheit, zu deren Betätigungsumfang neben der Tarifautonomie jedoch ebenfalls das Recht auf Verfolgung der eigenen wirtschaftlichen Interessen mit Hilfe von Arbeitskonfliktmaßnahmen gehört.16 In Spanien wird das Recht der Arbeitnehmer und -geber auf kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen durch Art. 37 II CE anerkannt. Darüber hinaus hebt Art. 28 II CE das Recht der Arbeitnehmer auf Streik zur Verteidigung ihrer Interessen besonders hervor. Im Gegensatz zu Deutschland ist die Streikkultur in Spanien besonders ausgeprägt. Die Zahl der durch Streik und Aussperrung verlorenen Arbeitstage je 1000 Arbeitnehmer betrug in Spanien in den Jahren 2000 bis 2007 173, in Deutschland hingegen nur fünf.17
I. Verhältnis von Art. 28 II CE und Art. 37 II CE zueinander Im Zusammenhang mit den vorbenannten Verfassungsvorschriften können die Rechte der Arbeitgeber mit denen der Arbeitnehmer kollidieren. Das Verhältnis der Arbeitskampfmaßnahmen zueinander hat das spanische Verfassungsgericht anhand der Mittel des Streiks und der Aussperrung konkretisiert. Die Aussperrung durch den Arbeitgeber ist als mögliche Arbeitskampfmaßnahme von Art. 37 II CE erfasst. Allerdings hat dieses Mittel nach Ansicht des TC nicht dieselbe rechtliche Stellung wie das Streikrecht der Arbeitnehmer.18 Das Gericht betont die eigenständige und hervorgehobene Stellung des Streikrechts im Rahmen der ersten Grundrechtsgruppierung. Kommt es demnach zum Konflikt zwischen beiden Arbeitskampfmaßnahmen und droht die Wirkung des Streiks durch die Aussperrung aufgehoben zu werden, muss Letztere als Konsequenz der Abwägung beider Rechte zurücktreten. Neben dem systematischen Argument sprechen auch teleologische Gründe für diese Sichtweise. Das TC begründet seine Entscheidung mit der unterschiedlichen Ausgangposition beider Parteien. Die im Grundsatz existierende wirtschaftliche Überlegenheit der Arbeitgeber müsse durch den stärkeren Schutz des Streikrechts kompensiert werden. 15
Vgl. STC 107/1996; García de Enterría, RAP 139 (1996), S. 162 ff. Vgl. BVerfGE 92, 365 ff. 17 Vgl. OECD-Studie, abrufbar unter http://de.statista.com/statistik/daten/studie/4379/umfra ge/streik-verlorene-arbeitstage. 18 Vgl. im Folgenden STC 11/1981. 16
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Nehme man jedoch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangspositionen als Begründung für den Vorrang des Streikrechts, so laufe Art. 37 II CE keineswegs leer. Vielmehr komme es auf eine Abwägung beider Rechtspositionen im Einzelfall an. Eine Aussperrung wäre dementsprechend verfassungsgemäß, wenn sie dazu diene, die Verhandlungsparität zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite wiederherzustellen. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn sich die Arbeitgeberseite einer praktisch weit überlegenen Gewerkschaftsmacht gegenübersehe, die schon von Beginn der Auseinandersetzung an keine Verhandlungsbereitschaft zeige. Mit dieser Auffassung bewegt sich das spanische Verfassungsgericht auf der gleichen Linie wie das BVerfG und das BArbG.19 Allerdings nähern sich beide Jurisdiktionen dem Ergebnis von unterschiedlichen Ausgangspositionen her. Die deutsche Rechtsprechung sieht das Recht zur Aussperrung als grundsätzlich von Art. 9 III GG erfasst an und damit auf einer Stufe wie das Streikrecht, welches ebenfalls durch Art. 9 III GG geschützt wird.20 Die Ausübung des jeweiligen Rechts wird lediglich unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit gestellt. Die spanische Verfassung unterstellt hingegen beide Rechte unterschiedlichen Schutzniveaus, wodurch eine grundlegende wirtschaftliche Unterlegenheit der Arbeitnehmerseite indiziert wird. Das endgültige Resultat dieses Konfliktes wird jedoch ebenfalls nicht auf der abstrakten verfassungsrechtlichen Ebene ermittelt, sondern unterliegt der Abwägung im konkreten Einzelfall. Somit findet Art. 37 II CE weiterhin seine Berechtigung und spielt darüber hinaus auch gerade dann eine Rolle, wenn es um andere kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen geht. So sind zur Konfliktlösung u. a. die Mediation oder spezielle Streitschlichtungsverfahren denkbar.21
II. Ausgestaltung des Streikrechts Das Streikrecht hat in Deutschland keine einfachgesetzliche Ausgestaltung erfahren. Art. 9 III GG gewährt den Rechten der Arbeitskampfparteien unmittelbare Drittwirkung, die vor den Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit geltend gemacht werden kann. Die konkrete Ausgestaltung des Streikrechts erfolgt durch richterliche Rechtsfortbildung. Das Streikrecht der Arbeitnehmer verfügt durch Art. 28 II CE über ein vergleichbares verfassungsgerichtliches Schutzniveau wie Art. 9 III GG. Allerdings beauftragt Art. 28 II S. 2 CE den Gesetzgeber zur Ausgestaltung, einschließlich zur Sicherung der für die Gemeinschaft wesentlichen Dienste. Praktisch handelt es sich bei Art. 28 II CE jedoch um das einzige Grundrecht der ersten Gruppe, welches nicht durch ein entsprechendes Organgesetz gem. Art. 81 I CE entwickelt worden ist. 19 Vgl. BVerfGE 84, 212, 225; BArbGE 48, 194, 200; 33, 195, 203 ff.; 58, 138, 146 ff.; 104, 175 ff. 20 Vgl. BVerfGE 88, 103, 114; 92, 365, 393 f. 21 Vgl. Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 605.
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Vielmehr ist weiterhin das vorkonstitutionelle Real Decreto Ley de Relaciones de Trabajo 17/1977 (RDLRT) in Kraft, welches das Verfassungsgericht „übergangsweise“ – soweit verfassungsgemäß – für anwendbar erklärt hat.22 Diese gesetzesgleiche Verordnung aus der Zeit des Übergangs vom franquistischen Regime zur Demokratie (transición) enthält jedoch zahlreiche Ungenauigkeiten, die durch das TC in seiner umfassenden Rechtsprechung STC 11/1981 vom 8. April 1981 weitestgehend bereinigt worden sind. Die richterliche Rechtsfortbildung geht so weit, dass die detaillierte Verfassungsdoktrin bereits als Gesetzesvorlage für das entsprechende Organgesetz dienen könnte.23 Gleichzeitig wird jedoch der hieraus resultierende Missstand im Hinblick auf das Prinzip der Gewaltenteilung angeprangert. 1. Träger des Grundrechts Aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 V GG folgt im deutschen Recht das grundsätzliche Streikverbot für Beamte. Dabei wird strikt zwischen Beamten einerseits und öffentlich-rechtlichen Angestellten andererseits unterschieden. Längst wird diese Ansicht als nicht mehr zeitgemäß angesehen.24 Während das BVerwG jedoch weiterhin das Streikrecht für Beamte kategorisch ablehnt25, stuft das BVerfG zumindest den Einsatz von Beamten als Streikbrecher als rechtswidrig ein.26 Das VG Kassel hält das Streikverbot nur bei denjenigen Beamten für anwendbar, die in hoheitlichen Bereichen tätig sind. Lehrer seien mithin vom Streikverbot ausgenommen.27 Von einer eindeutigen Rechtslage kann im Gegensatz zum spanischen Recht nicht gesprochen werden. Aus Art. 28 II CE ergibt sich das Streikrecht für jeden Arbeitnehmer. Allgemeine Anerkennung hat das Streikrecht für Beamte und öffentlichrechtliche Angestellte gleichermaßen durch Art. 15 c Ley 7/200728 gefunden. Hinsichtlich seiner Ausgestaltung wird seit STC 11/1981 das RDLRT 17/1977 analog angewandt.29 Nur für bestimmte sensible Hoheitsbereiche wie die Polizei, Guardia 22
Vgl. STC 11/1981. Vgl. Quintanilla Navarro, RMT y AS 73, S. 337 ff.; Baylos Grau, DPC 1 (1993), S. 289 f.; kritisch insbesondere Cruz Villalón, RIEE 2 – 3 (2010), S. 163 ff. 24 Vgl. bereits Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, S. 105 ff., der bereits das Streikverbot als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums ablehnt. 25 Vgl. insbesondere das Fluglotsenurteil BVerwG vom 3. Dezember 1980 (Az. 1 B 86.79); vgl. in der neueren Rspr. VG Düsseldorf vom 15. Dezember 2010 (Az. 31 K 3904/10.0); VG Osnabrück vom 22. August 2011 (Az. 9 A 1/11), die trotz der entgegenstehenden EGMRRspr. das Streikrecht für Beamte als mit dem Kernbestand des Grundgesetzes nicht für vereinbar halten. 26 Vgl. BVerfG vom 2. März 1993 (Az. 1 BvR 1213/85). 27 Vgl. VG Kassel vom 27. Juli 2011 (Az. 28 K 574/10.KS.D). 28 Estatuto Básico del Empleado Público (LEBEP) vom 12. April 2007. 29 Vgl. auch Quintanilla Navarro, RMT y AS 73, S. 339 f.; Martínez Abascal, RIEE 2 – 3 (2010), S. 62 ff. 23
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Civil, Armee und Sicherheitsbeamte werden spezialgesetzliche Ausnahmen gemacht.30 Diese Regelung bietet eine entsprechend höhere Rechtssicherheit und überwindet überkommene traditionelle Rechtsvorstellungen. 2. Maßnahmen im Vorfeld des Streiks – Sicherung wesentlicher Dienste Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die Rechtsunsicherheit im deutschen Streikrecht zunehmend verstärkt. Galt früher noch das ultima ratio-Prinzip, gemäß dem erst nach Scheitern vorangegangener Tarifverhandlungen gestreikt werden durfte, verlagert sich der Streik inzwischen immer weiter in das Vorfeld. Warnstreiks und verhandlungsbegleitende Streiks werden nunmehr als probate Mittel angesehen, der Verhandlungsbereitschaft der Gegenseite den erforderlichen Nachdruck zu verleihen.31 Damit bewegt sich der Arbeitskampf jedoch stetig am Rande der Unverhältnismäßigkeit, die die Gefahr erheblicher wirtschaftlicher Schäden hervorruft. Übereinstimmung besteht darin, dass Arbeitskampfmaßnahmen die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Daseinsvorsorge sowie Rechte Dritter nicht in dem Maße beeinträchtigen dürfen, dass unangemessene Nachteile für die Allgemeinheit entstehen.32 Die hierzu ergehende Rechtsprechung unterliegt jedoch dem Wandel der Zeit und es besteht alles andere als eine verlässliche rechtliche Praxis.33 Im spanischen Recht wird hingegen durch Art. 3 III und 4 RDLRT bestimmt, dass die Arbeitnehmervertretung den Arbeitgeber und die öffentliche Verwaltung mindestens fünf Tage, im Bereich öffentlicher Dienste zehn Tage zuvor von ihrem konkreten Vorhaben zu unterrichten haben, um eine überraschende Wirkung zu vermeiden.34 Das Verfassungsgericht sieht diese gesetzliche Regelung als verhältnismäßiges Mittel an, um die vom Streik betroffenen Rechtsgüter angemessen zu schützen.35 Unterstützt wird dieser Zweck durch die Pflicht, spätestens ab dem Zeitpunkt der Unterrichtung mit der Gegenseite in Verhandlung zu treten.36 Droht ein
30
Vgl. nur Art. 6.8 LO 2/1986. Vgl. nur BArbG vom 17. Dezember 1976 (1 AZR 605/75); BArbG vom 12. September 1984 (1 AZR 342/83); BArbG vom 29. Januar 1985 (1 AZR 179/84); BArbG vom 21. Juni 1988 (1 AZR 651/86). 32 Vgl. BVerfGE 38, 281, 307; Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Art. 9 GG, Rn. 274; Hanau/Thüsing, Tarifautonomie im Wandel, S. 35 ff.; vgl. zum Fluglotsenstreik BGH vom 31. Januar 1978 (Az. IV ZR 32/77). 33 Vgl. zum Ganzen insbesondere Lehmann, FS-Buchner, S. 529 ff. 34 Vgl. Montoya Melgar, RIEE 2 – 3 (2010), S. 12 f.; Quintanilla Navarro, RMT y AS 73, S. 346 f.; für eine Vorankündigungspflicht im deutschen Recht vgl. ArbG Berlin, Urteil vom 29. April 2008, Az. 58 Ga 6014/08. 35 Vgl. SSTC 11/1981; 13/1986. 36 Vgl. Art. 8 II RDLRT; Montoya Melgar, RIEE 2 – 3 (2010), S. 19 f. 31
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schwerer Schaden für die nationale Wirtschaft, ist die Regierung zudem befugt, ein obligatorisches Schlichtungsverfahren anzuordnen.37 Eine weitere Besonderheit im spanischen Recht stellt der Auftrag des Art. 28 II S. 2 CE an den Gesetzgeber dar, die erforderlichen Garantien zur Sicherung der für die Gemeinschaft wesentlichen Dienste vorzusehen. Art. 10 II RDLRT lässt jedoch weitgehend offen, welche Art von Diensten hiermit gemeint sind. Das TC konkretisiert diesen unbestimmten Rechtsbegriff insoweit, dass sie für die Gemeinschaft lebensnotwendig38 und den Grundrechten und verfassungsmäßig geschützten Rechtsgütern zu dienen bestimmt sein müssen39. Hierzu zählen insbesondere der Luftverkehr40, Schienen- und öffentlicher Personennahverkehr41, der Sanitäts- und Pflegedienst sowie die stationäre Behandlung42, die Wasser- und Elekrizitätsversorgung und das Bildungswesen43. Im Rahmen dieser Dienste wird jedoch auch nur der für die Grundversorgung notwendige Bereich (servicios mínimos) vom Streikrecht ausgenommen.44 Dieser Bereich war beim Streik der spanischen Eisenbahn RENFE mit der Aufrechterhaltung des Betriebs von 79,9 Prozent der Arbeitskräfte nach Ansicht des Verfassungsgerichts überschritten.45 Aufgabe der Regierung bzw. der lokalen Verwaltung ist es mithin, durch eine Entscheidung im jeweiligen Einzelfall (decreto de servicios mínimos) die gegenläufigen Rechtsgüter zum angemessenen Ausgleich zu bringen. Nach Ansicht des TC müsse es eine öffentliche und unabhängige Instanz mit politischer Verantwortung gegenüber den Bürgern geben, um das Streikrecht in verhältnismäßiger Weise einschränken zu können.46 Widersetzen sich die Gewerkschaften den Vorgaben der Regierung, dürfen die Streikenden durch Beamte bzw. Arbeitnehmer aus anderen Betriebsteilen ersetzt werden. Diese Vorgehensweise würde ansonsten gegen Art. 6 V RDLRT verstoßen.47 Im Extremfall darf die Regierung gem. Art. 116 CE i.V.m. Art. 4 c LO 4/ 198148 sogar für einen Zeitraum von 15 Tagen den Alarmzustand ausrufen, der erst 37 Vgl. Art. 10 I RDLRT; Quintanilla Navarro, RMT y AS 73, S. 351; so wie im Falle des beabsichtigten Streiks der Pilotengesellschaft Sepla im April 2012, vgl. Handelsblatt vom 27. April 2012, abrufbar unter http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/ iberia-piloten-sagen-streiks-ab/6568042.html. 38 Vgl. STC 26/1981; vgl. auch Montoya Melgar, RIEE 2 – 3 (2010), S. 14 ff. 39 Vgl. SSTC 11/1981; 26/1981; 51/1986; 53/1986; 27/1989; 43/1990; 122/1990; 123/ 1990; 8/1992; 148/1993. 40 Vgl. SSTC 51/1986; 43/1990. 41 Vgl. SSTC 26/1981; 33/1981; 53/1986; 123/1990. 42 Vgl. SSTC 27/1989; 122/1990. 43 Vgl. SSTC 8/1992; 148/1993. 44 Vgl. SSTC 51/1986; 53/1986; Montoya Melgar, RIEE 2 – 3 (2010), S. 14 ff. 45 Vgl. STC 26/1981. 46 Vgl. SSTC 11/1981; 26/1981; 193/2006; 296/2006. 47 Vgl. Art. 6 VII RDLRT; Quintanilla Navarro, RMT y AS 73, S. 342 f.; STC 123/86. 48 Ley Orgánica 4/1981 de los Estados de Alarma, Excepción y Sitio vom 1. Juni 1981.
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hinsichtlich seiner Verlängerung der Zustimmung des Parlamentes bedarf. Durch die Ausrufung des Alarmzustandes werden die Arbeitnehmer dem Militärrecht unterstellt. Damit können sie wegen Befehlsverweigerung im Schnellverfahren nach militärischem Recht zu Freiheitsstrafen verurteilt werden, wenn sie der Anordnung zur Wiederaufnahme der Arbeit keine Folge leisten. Zu einem solchen Fall kam es unter der Verfassung von 1978 erstmals im Dezember 2010, als der wilde Streik der Fluglotsen nahezu den kompletten spanischen Luftraum lahmlegte.49 Ein solches Szenario wäre im deutschen Recht nicht denkbar. In Betracht käme lediglich der in Art. 80 a I, 87 a III GG vorgesehene Spannungsfall, in dem die Bundeswehr im Inneren zum Zivilschutz eingesetzt werden kann. Wegen des Grundsatzes der strikten inneren Neutralität der Bundeswehr wäre so eine Vorgehensweise jedoch nur im Vorfeld eines Verteidigungsfalles denkbar, um die Aufrechterhaltung des gewöhnlichen Lebensablaufes zu gewährleisten. Zudem wäre für die Feststellung gem. Art. 80 a I GG eine qualifizierte parlamentarische Mehrheit erforderlich. Abgesehen von dem Einsatz des Militärs hat die spanische Systematik gegenüber der deutschen den entscheidenden Vorteil, dass sich der Gesetzgeber selbst in den Arbeitskampf einschaltet und Vorkehrungen trifft, um sowohl eine ausgewogene Tarifautonomie zu gewährleisten als auch die schützenswerten Interessen Dritter zu verteidigen. Im konkreten Einzelfall entscheidet zwar die Verwaltung über den Umfang der Maßnahmen und ist angesichts vieler unbestimmter Rechtbegriffe einer häufigen Kontrolle der Gerichte unterworfen. Allerdings liegt das Initiativrecht hinsichtlich des Streikumfangs nicht ausschließlich in den Händen der den Interessen der Arbeitnehmer verschriebenen Gewerkschaften. Vielmehr entscheidet eine objektive, dem Allgemeinwohl verpflichtete und politisch verantwortliche Instanz. Zudem rückt die Kontrolle im Gegensatz zum deutschen Richterrecht grundsätzlich in das Vorfeld der Arbeitskampfmaßnahmen, womit unverhältnismäßig hohe wirtschaftliche Schäden vermieden werden können. Zwar ist auch die spanische Ausgestaltung des Streikrechts in einigen Punkten verbesserungsbedürftig. So wäre die Verabschiedung eines Organgesetzes im Gegensatz zur Beibehaltung des vorkonstitutionellen, teils sehr unbestimmten RDLRT wünschenswert. Als fortschrittlich kann jedoch die grundlegende Einmischung des Staates bezeichnet werden, um einen gerechten Ausgleich der jeweiligen Rechtsgüter zu gewährleisten. Im deutschen Recht enthält selbst Art. 9 III GG keine konkreteren Bestimmungen zur Ausgestaltung des Streikrechts. Die daraus folgende Rechtsunsicherheit ist kein hinnehmbarer Zustand. Die grundsätzliche Überzeugung davon, dass sich der Staat aus den Tarifverhandlungen einschließlich der zu diesem Zwecke geführten Konfliktmaßnahmen herauszuhalten habe, kann nur so weit gelten, als dass ein grundlegendes Verhandlungsgleichgewicht besteht und keine unangemessene Beeinträchtigung von Rechtsgütern unbeteiligter Dritter droht. Diese Voraussetzungen hat der Gesetzgeber zu gewährleisten. Entsprechende Regelungen wären auch in Deutschland verfassungsrechtlich unbedenklich. 49 Vgl. Artikel von n-tv vom 4. Dezember 2010, abrufbar unter http://www.n-tv.de/politik/ Spanischer-Luftraum-wieder-geoeffnet-article2073036.html.
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Gleichzeitig ist festzustellen, dass die deutsche Wirtschaftsverfassung im Bereich des Streikrechts vergleichsweise offener ist. Denn während nach dem Grundgesetz eine entsprechende Regulierung des Streikrechts möglich, jedoch nicht zwingend ist, kommt eine Enthaltung des Staates nach Art. 28 II, 37 II CE nicht in Betracht.
§ 12 Verfassungsrechtlicher Schutz der kommerziellen Werbung Auch in der spanischen Lehre stellt sich die Problematik, ob wirtschaftliche Kommunikation, insbesondere kommerzielle Werbung, von der verfassungsrechtlich verankerten Meinungsäußerungsfreiheit geschützt wird. Die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 20 CE) ist Bestandteil der ersten Grundrechtsgruppe, die durch die spanische Verfassung mit den weitestgehenden Schutzmechanismen ausgestattet ist. Wie bei der Vereinigungsfreiheit liegen auch hier die Gründe in den Erfahrungen mit dem franquistischen Regime, das alle von seiner Linie abweichenden Berichterstattungen und Meinungen nicht nur im politischen, sondern auch im moralischen und kulturellen Bereich strafrechtlich verfolgte.1 Nicht nur der textliche Ausgestaltung des Art. 20 I a) CE ähnelt Art. 5 I S. 1 GG. Das spanische Verfassungsgericht sieht ebenso wie das BVerfG die Meinungsäußerungsfreiheit als wesentliches Element der Demokratie an, da es die Voraussetzung für eine freie Meinungsbildung der Menschen schaffe und somit die Grundlage für eine pluralistische Gesellschaft setze.2 Geht man von diesen Grundüberlegungen aus, so stellt sich auch hier die berechtigte Frage, ob rein wirtschaftlichen Interessen dienende Werbung ihrem Sinn nach von Art. 20 I a) CE erfasst werden soll. Der TC hat diese Frage bisher nicht entschieden. Interessant erscheint jedoch die in Spanien erfolgte Auseinandersetzung mit der Problematik unter Zuhilfenahme der EMRK. Nach Art. 10 II CE sind die spanischen Grundrechte gemäß den ratifizierten internationalen Menschenrechtsabkommen, mithin auch EMRK-konform, auszulegen. Art. 10 I EMRK schließt mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung ausdrücklich auch die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten mit ein. Dass von diesen Nachrichten auch kommerzielle Werbung erfasst ist, ergibt sich aus der Entscheidung des EGMR „Casado Coca vs. Spanien“ vom 24. Februar 19943: Der Kläger war Mitglied der Anwaltskammer in Barcelona und hatte in einer lokalen Zeitung unter Angabe seiner Kanzleianschrift für seine Dienste geworben, obwohl dies von der spanischen Rechtsanwaltsordnung verboten war. Hinsichtlich der hieraus resultierenden anwaltsrechtlichen Disziplinarmaßnahmen rügte er die Verletzung seiner Meinungsäußerungsfreiheit. Die spanische Regierung hielt den 1
Vgl. Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 183. Vgl. SSTC 29/1990; 107/1988; 121/1989. 3 Vgl. EGMR vom 24. Februar 1994, Serie A, Nr. 285-A, vgl. http://www.dhcour.coe.fr/ Hudoc1doc/HEJUD/sift/451.txt. 2
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Zweck der Meinungsäußerungsfreiheit mit kommerzieller Werbung für nicht vereinbar. Wirtschaftswerbung trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei, sondern verfolge lediglich kommerzielle Zwecke. Der Gerichtshof hingegen erkannte einstimmig, dass auch kommerzielle Werbung vom Schutzbereich erfasst sei. Art. 10 I EMRK schütze nicht nur verschiedene Arten von Informationen, Ideen oder Ausdrucksformen, sondern auch Informationen wirtschaftlicher Natur.4 Im vorliegenden Fall habe die Werbung den Personen, die juristische Unterstützung gesucht hätten, die erforderliche Information verschafft. Geht man davon aus, dass kommerzielle Werbung grundsätzlich geeignet ist, den jeweiligen Adressaten die betreffende Information zu vermitteln und damit zu ihrer Entscheidung für ein bestimmtes Produkt beizutragen, so erfüllt sie auch die Anforderungen an die freie Meinungsäußerung i.S.d. Art. 20 CE und trägt zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Dann kann aber auch keine Rolle mehr spielen, dass der Werbende rein kommerzielle Zwecke verfolgt. Die Auslegung des Art. 10 I EMRK durch den EGMR hat über Art. 10 II CE somit einen entscheidenden Einfluss auf die Auslegung des Art. 20 I CE.5 Wie bereits in § 2 G. festgestellt, hat sich das BVerfG zu der Frage des Schutzes von kommerzieller Werbung in seinen Benetton-Entscheidungen eingelassen. Fraglich ist jedoch, inwieweit auch im deutschen Recht internationale Verträge Einfluss auf die Auslegung von Grundrechten haben können. Im deutschen Recht hat die EMRK durch das verabschiedete Zustimmungsgesetz den Status einfachen Rechts und ist zusammen mit der EGMR-Rechtsprechung bei der Auslegung des Verfassungsrechts mit zu berücksichtigen.6 Die Entscheidungen des EGMR gelten zwar grundsätzlich nur inter partes. Die zuvor untersuchte Auslegung des Art. 10 I EMRK lässt jedoch die grundlegende Ansicht des EGMR erkennen und kann sich möglicherweise auf zukünftige vergleichbare, vor deutschen Gerichten anhängige Rechtsstreitigkeiten auswirken. Art. 10 II CE führt nicht etwa dazu, dass der EMRK in Spanien verfassungsrechtlicher Rang zukäme. Die verfassungsrechtliche Verankerung stellt gewissermaßen das Pendant zu der deutschen Görgülü-Rechtsprechung dar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die explizite fehlende deutsche verfassungsrechtliche Verankerung der gerichtlichen Auslegung anhand internationaler Abkommen geringere Bedeutung zugemessen wird.7 Schließlich folgt aus der grundgesetzlichen Präambel 4
Vgl. EGMR vom 24. Februar 1994, Serie A, Nr. 285-A, Ziff. 35. Vgl. Alzaga Villaamil, Comentarios a la Constitución, Bd. II, Art. 20, S. 527 f. 6 Vgl. insbesondere BVerfG NJW 2004, S. 3407 ff. (Görgülü); BVerfGE 74, 358, 370; 75, 1, 19; 82, 106, 115; zu der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Sicherungsverwahrung vgl. BVerfG, NJW 2011, S. 1931 (Sicherungsverwahrung II); BVerfGE 109, 133 (Sicherungsverwahrung I), dazu EGMR, NJW 2010, S. 2495; BVerfGE 109, 190 (Nachträgliche Sicherungsverwahrung), dazu EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Application no., 6587/04. 7 Vgl. nur den Einfluss der EMRK-/EGMR-Rspr. auf die Entscheidungen des BVerfG in BVerfGE 74, 358, 370 (Unschuldsvermutung als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips); 5
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sowie aus Art. 1 II, 23 bis 26 und 59 II GG der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, der auch eine entsprechende Auslegung der Grundrechte fordert.8 Im deutschen Recht wird im Übrigen der Schutz kommerzieller Werbung mit durch Art. 12 GG übernommen, soweit berufliche Chancen gefördert werden sollen. Im spanischen Recht hingegen ist die kommerzielle Werbung als Modalität der Berufsausübung nicht vom Schutzbereich des Art. 35 CE erfasst, sodass die Auslegung anhand von Art. 10 II CE i.V.m. Art. 10 I EMRK von größerem Interesse sein mag. Allerdings ist auch nach deutschem Recht die Frage nach der Anwendbarkeit des Art. 5 I GG nicht zu vernachlässigen. Art. 5 I GG hat aufgrund seiner Bedeutung für die freie Meinungsbildung einen besonderen Stellenwert, der auch in der Argumentation gegen die Rechtfertigung entsprechender Eingriffe ein besonderes Gewicht haben kann. Die Auslegung der Meinungsäußerungsfreiheit anhand Art. 10 II CE i.V.m. Art. 10 I EMRK vergegenwärtigt jedoch zumindest die Bedeutung internationaler Abkommen für die Auslegung nationalen Wirtschaftsverfassungsrechts und mag daher auch als positives Beispiel bei Auslegungsschwierigkeiten in beiden Rechtsordnungen dienen.
BVerfGE 92, 91, 108 (Feuerwehrabgaben-Entscheidung); BVerfGE 111, 307 ff. (Görgülü); vgl. Limbach, EuGRZ 2000, S. 417 f. m.w.N. 8 Vgl. BVerfGE 63, 343, 370; 111, 307, 317 f.; Oster, JA 2007, S. 97.
§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot Der Gleichheitsgrundsatz als oberster Wert der Rechtsordnung1 wird bereits in Art. 1 I CE proklamiert. In formeller Hinsicht konkretisiert er sich ähnlich wie Art. 3 I GG durch Art. 14 CE, der neben den besonderen Diskriminierungsverboten die Gleichheit aller Spanier vor dem Gesetz hervorhebt, und leitet damit das Grundrechtskapitel der spanischen Verfassung ein. Seine systematisch privilegierte Stellung manifestiert seinen Charakter als verfassungsrechtliches Strukturprinzip2, das ebenso wie die Grundrechte der ersten Gruppe dem besonderen Schutz des Art. 53 II CE unterfällt. Auch andere Verfassungsvorschriften3 weisen explizit auf die formale Gleichheit in ihrer jeweiligen Rechtsmaterie hin, erlangen jedoch in dieser Hinsicht keine über Art. 14 CE hinausgehende eigenständige Bedeutung. Trotz seines Wortlautes ante la ley ist der Gleichheitssatz wie im deutschen Recht nicht nur als Rechtsanwendungsgleichheit, sondern auch als Rechtsetzungsgleichheit aufzufassen.4 Die Formulierung des Verfassungstextes deutet jedoch auf die vergleichbare historische Einschätzung hin, dass der Gesetzgeber als direkter Vertreter des Volkswillens geringeren Restriktionen unterworfen ist als die übrigen öffentlichen Gewalten.5 Das Wirtschaftsverwaltungsrecht kennzeichnet die gesetzgeberische Regulierung der verschiedensten Sektoren. Dabei ist es die Pflicht des Gesetzgebers, wesentlich Gleiches gleich, umgekehrt wesentlich Ungleiches entsprechend differenziert zu behandeln.6 Hinsichtlich der Differenzierungsziele, -kriterien und der Geeignetheit differenzierender Maßnahmen zur Zweckverfolgung 1 Vgl. zu diesem besonderen Status Guitiérrez de Cabiedas Hidalgo, Derecho a la igualdad y prohibición de discriminación, S. 33, Rn 1; Jímenez Campo, REDC 9 (1983), S. 71, 79. 2 Vgl. Jímenez Campo, REDC 9 (1983), S. 76; Rubio Llorente, La Constitución Española y las Fuentes del Derecho, S. 67; die Einordnung als Strukturprinzip deckt sich mit der Nichtanwendbarkeit des Art. 81 I CE, zumal der Gleichheitssatz nur in Verbindung mit konkreten rechtlichen Beziehungen zum Tragen kommt (SSTC 22/1981; 76/1983), auch ein Grund dafür, dass Art. 14 CE wie im deutschen Recht keinen als solchen zu bezeichnenden Schutzbereich aufweist. 3 So bespielsweise gem. Art. 35 CE das Verbot geschlechtlicher Diskriminierung im Arbeitsleben; gem. Art. 23 CE der Grundsatz gleichen Zugangs zu öffentlichen Ämtern; gem. Art. 31 CE die Gleichheit im Hinblick auf die Steuerpflicht. 4 Wie sich bereits aus Art. 9 I, 53 I 1 CE ergibt; vgl. auch STC 22/1981; Ortiz-Arce, REDC 11 (1984), S. 108 f. 5 Vgl. zur historischen Entwicklung auch Art. 4 der preußischen Verfassung sowie Art. 109 I der Weimarer Reichsverfassung; im spanischen Recht Jímenez Campo, REDC 9 (1983), S. 79 f.; Carmona Cuenca, REP 84 (1994), S. 268 f. 6 Vgl. Jímenez Campo, REDC 9 (1983), S. 89 ff.; Carmona Cuenca, REP 84 (1994), S. 267, 270; ständige Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfGE 3, 58, 135 f.
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§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot
stellt sich die Frage nach der Reichweite legislativen Beurteilungsspielraumes in beiden Rechtsordnungen. Die Antwort soll im Folgenden anhand einer Untersuchung praktischer Regulierungsbeispiele herausgearbeitet werden (A.). Im Hinblick auf besondere Diskriminierungsverbote befindet sich der Grundsatz wirtschaftlicher Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der aktuellen Diskussion aller europäischen Länder. Das bis heute bestehende traditionelle Ungleichgewicht fordert dem Staat nicht nur die Ahndung entsprechender formaler Ungleichbehandlung, sondern ebenfalls einen aktiven Ausgleich materieller Missstände ab. Dabei kollidieren materielles (Art. 9 II CE) und formales Gleichheitsgebot (Art. 14 CE) miteinander und müssen zum gerechten Ausgleich gebracht werden. Zu untersuchen ist, wie weit die verfassungsrechtliche Schutzpflicht beider Staaten reicht, um bestehende Differenzen aktiv zu nivellieren (B.).
A. Der gesetzgeberische Beurteilungsspielraum bei der Wirtschaftsregulierung Die Unterscheidung rechtlicher und politischer Gesichtspunkte bei der Kontrolle gesetzgeberischer Maßnahmen kann zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Das Prinzip der Gewaltenteilung verbietet dem Verfassungsgericht, die Zweckmäßigkeit eines Gesetzes zu überprüfen. Allerdings sind die Grenzen zwischen Legitimität und Opportunität häufig fließend.7 Bei der Kontrolle gesetzgeberischer Maßnahmen prüft das TC die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit des Differenzierungsziels sowie die Verhältnismäßigkeit des zur Zielerreichung angewandten Mittels.8 Aufgrund des politischen Gestaltungsspielraumes hält sich das Gericht bei der Kontrolle der Geeignetheit jedoch im Grundsatz insoweit zurück, als dass es lediglich prüft, ob das Mittel nach jeder möglichen Auslegung offensichtlich ungeeignet ist, das verfolgte Differenzierungsziel zu erreichen. Allerdings zeichnet sich tendenziell ab, dass der Prüfungsmaßstab umso strenger wird, je schutzwürdigere grundrechtliche Positionen neben Art. 14 CE berührt werden.9
I. Gleichheit im Schutz gegen Enteignungen Die rechtspolitische Diskussion über Maßnahmen zur Sicherung der Finanzmarktstabilität stand bereits in den frühen 80er Jahren auf der spanischen Tagesordnung. Zur Enteignung der Bankengruppe Rumasa gab es eine Reihe verfas7
Vgl. zum Diskussionsstand insgesamt Rodríguez-Zapata y Pérez, Desviación de poder y discrecionalidad del legislador, S. 529 ff.; konkret Garrorena, El lugar de la ley en la Constitución española, S. 78 ff.; Jímenez Campo, REDC 9 (1983), S. 100 ff. 8 Vgl. SSTC 192/1980; 75/1983. 9 Zur grundsätzlichen Einschätzung vgl. auch Jímenez Campo, REDC 9 (1983), S. 100 ff.
A. Der gesetzgeberische Beurteilungsspielraum bei der Wirtschaftsregulierung
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sungsgerichtlicher Entscheidungen10, die teilweise auch zu einer möglichen Verletzung des Art. 14 CE Stellung bezogen. Dabei wurde geltend gemacht, dass die öffentliche Gewalt in anderen Situationen finanzieller Krisen weniger einschneidende Maßnahmen gewählt hätte. In der Tat existierten u. a. mit dem Ley 110/1963 zur Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen bis dato lediglich einfachgesetzliche Mittel, die in ihren Auswirkungen für die private Wirtschaft wesentlich milder waren. Das Verfassungsgericht hielt das Enteignungsgesetz dennoch für verfassungsgemäß und stellte klar, dass es dem Gesetzgeber obliege, das bestehende Rechtssystem auf seine Krisenfestigkeit hin zu überprüfen und die für die konkrete wirtschaftliche Situation geeigneten Mittel zu wählen.11 Diese konkrete Einschätzung des Gesetzgebers kam auch in der entsprechenden Gesetzesbegründung zum Ausdruck. Demnach würden die bisher angewandten staatlichen Eingriffsmöglichkeiten nicht zu einer Lösung der strukturellen Problematik im Falle Rumasa führen, die die Gefahr eines negativen Ketteneffektes für das gesamte Wirtschaftssystem mit sich brächte.12 Wie in vielen europäischen Ländern wird auch in Deutschland die Verstaatlichung von Banken diskutiert. Zwar existiert keine konkret vergleichbare Verfassungsrechtsprechung. Wie jedoch das auf die Verstaatlichung der Hypo-Real-Estate zugeschnittene und am 9. April 2009 in Kraft getretene Rettungsübernahmegesetz zeigte, wird die als letztes Mittel mögliche Enteignung von Banken verfassungsrechtlich nicht in Frage gestellt. Dies gilt im Hinblick auf Art. 3 I GG selbst dann, wenn vergleichbare einschneidende Maßnahmen bisher nicht erfolgt sind. Allerdings hatte der Gesetzgeber auch ausreichende Vorkehrungen getroffen, um den jeweiligen Verfassungsvorgaben zu entsprechen. Als Zweck der Regelung wurde die Sicherung der Finanzmarktstabilität genannt (§ 1). Eine Enteignung durfte nur als ultima ratio erfolgen (§ 1 IV) und stand unter dem Vorbehalt der Entschädigung (§ 4). Die Möglichkeit der Enteignung war insgesamt befristet (§ 6 I) und im Falle einer nachhaltigen Stabilisierung bestand eine Pflicht zur Reprivatisierung mit entsprechendem Vorkaufsrecht der bisherigen Eigentümer (§ 6 II). Der bestehende legislative Beurteilungsspielraum bei der Wahl vergleichsweise stärker beschränkender Mittel wird auch indirekt durch das BVerfG-Urteil zum Mitbestimmungsgesetz gestützt. Was der Gesetzgeber angesichts des Art. 14 II GG für vernünftig hält, habe die Vermutung der Richtigkeit für sich. Bei dem gerechten Ausgleich zwischen dem privaten Eigentümerinteresse und der Sozialbindung verfüge der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum, der umso weiter reiche, je größer der soziale Bezug des Eigentumsobjekts sei.13 Aus diesem Gestaltungsspielraum folgt ebenfalls, dass der Gesetzgeber nicht durch Art. 3 I GG auf das bestehende Rechtssystem festgelegt ist. 10
Vgl. auch den Fall Rumasa in seiner Bedeutung für die dogmatische Entwicklung der Eigentumsfreiheit § 7. 11 Vgl. SSTC 111/1983; 116/1983. 12 Vgl. Präambel Ley 7/1983 vom 29. Juni 1983 (Real Decreto-ley 2/1983 vom 23. Februar 1983) in Boletín Oficial de Estado, 30. Juni 1983 Nr. 155, S. 18326. 13 Vgl. BVerfGE 50, 290, 340 f.
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§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot
Die jeweilige Reichweite staatlicher Maßnahmen unterliegt dem Wandel der Zeit und ihrer wirtschaftlichen Anforderungen. Die unterschiedliche politische Beurteilung bestimmter Krisenfälle und die entsprechend freie Wahl der wirtschaftspolitischen Instrumente ist dabei in beiden Rechtsordnungen die alleinige Aufgabe des Gesetzgebers.
II. Gleichheit und Berufsfreiheit Bei der Regulierung der Berufsfreiheit ist in beiden Rechtsordnungen die Tendenz erkennbar, dass das Verfassungsgericht den Gestaltungsspielraum der Legislative im Hinblick auf den Gleichheitssatz stärker einschränkt, als dies bei der Eigentumsfreiheit der Fall ist. Die Gründe mögen einerseits darin liegen, dass bei der mitbetroffenen Berufsfreiheit im Grundsatz keine Entschädigungsmöglichkeit besteht. Andererseits scheint die Berufsfreiheit in ihrer Funktion als Mittel zur Schaffung der Lebensgrundlage einen schutzwürdigeren Stellenwert einzunehmen als die Sicherung des bereits Erworbenen im Sinne eines zusätzlichen Komforts. Dies gilt jedoch nur insoweit, als dass es um die Ungleichbehandlung innerhalb einer bestimmten Berufsgruppe geht. Hingegen ist der legislative Beurteilungsspielraum wieder weiter, wenn es um die Frage geht, ob unterschiedliche Berufsgruppen miteinander vergleichbar sind. 1. Ungleichbehandlungen innerhalb einer Berufsgruppe bzw. Tätigkeitsstruktur Die gesetzliche Herabsetzung des Renteneintrittsalters wurde vom spanischen Verfassungsgericht als verfassungswidrig angesehen.14 Das Alter als Differenzierungskriterium diente zwar dem legitimen Ziel, die steigende Rate an Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das Gesetz sah jedoch keine Mittel vor, dieses Ziel in effektiver Weise zu gewährleisten, beispielsweise durch das Erfordernis einer zwingenden Neubesetzung frei gewordener Arbeitsplätze. Das TC stieg entsprechend tiefer in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ein und sah das Gesetz als ungeeignet an. In einer anderen Entscheidung wurde die gesetzliche Beschränkung des Zugangs zu einem Posten in der öffentlichen Verwaltung auf ein bestimmtes Höchstalter festgesetzt.15 Insgesamt sah das TC diese Regelung zwar als verfassungsgemäß an und billigte der Legislative einen entsprechenden Beurteilungsspielraum zu, das Urteil fiel mit Stimmgleichheit jedoch denkbar knapp aus. Gewichtige Bedenken standen dieser Entscheidung damit entgegen: Soweit der Gesetzgeber ab einem bestimmten Alter bestimmte Einschränkungen in der Eignung des Bewerbers er14 15
Vgl. STC 22 /1981. Vgl. STC 75/1983.
A. Der gesetzgeberische Beurteilungsspielraum bei der Wirtschaftsregulierung
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kenne, sei ein lediglich hierauf beruhendes Ausschlusskriterium unverhältnismäßig. Als milderes Mittel könne die Beurteilung des Alters in die konkrete Auswahlentscheidung mit einbezogen werden und durch einen entsprechenden persönlichen Eindruck des Bewerbers im konkreten Einzelfall revidiert sowie durch andere Fähigkeiten kompensiert werden. Auch das Interesse des Gesetzgebers an einer möglichst lang anhaltenden Kontinuität des Dienstpostens könne allein durch die Beschränkung des Zugangsalters nicht effektiv verfolgt werden. Auch so sei nicht gewährleistet, dass der Posten bis zum Renteneintrittsalter von derselben Person besetzt bleibe.16 Schließlich kann nach der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts das Alter nicht als einziges Differenzierungskriterium für die Höhe der Vergütung herhalten. Mit dem Real-Decreto 124/1982 über die Festlegung der Mindestlöhne in der Landwirtschaft, der Industrie und im Dienstleistungsgewerbe wurde 17- und 18Jährigen ein geringeres Mindestgehalt zugesprochen als älteren Arbeitnehmern. Diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze des Art. 14 CE, soweit die betroffenen Arbeitnehmer eine Arbeit von gleichem Wert ausübten wie die älteren Arbeitnehmer. In diesem Fall sei die Reduzierung des Gehaltes gegenüber den älteren Arbeitnehmern nicht gestattet. Im Übrigen könne die bestehende Regelung jedoch verfassungskonform ausgelegt werden.17 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können.18 Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.19 Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers seien umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, zu denen auch die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung zählt, nachteilig auswirke.20
16
Vgl. Voto Particular zu STC 75/1983 durch die Verfassungsrichter Doña Gloria Begué Cantón, Don Luis Díez-Picazo y Ponce de León, Don Francisco Tomás y Valiente, Don Rafael Gómez-Ferrer Morant und Don Antonio Truyol Serra, ebenfalls abrufbar unter http://www.boe. es. 17 Vgl. STC 31/1984; García Ortega, Las desigualdades salariales, S. 20 ff.; RodríguezPiñero, Igualdad y no discriminación en el empleo, S. 466. 18 Vgl. BVerfGE 126, 400, 416; 127, 263, 280. 19 Vgl. BVerfGE, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011, Az.: 1 BvR 2035/07; NVwZ 2011, S. 1316 f. 20 Vgl. BVerfGE 121, 317, 370.
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§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot
Bei der Einführung von Altersgrenzen für die Einstellung in die Beamtenlaufbahn billigt das BVerwG21 dem Gesetzgeber zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum zu. Dieser dürfe sich jedoch nicht in formelhaften Behauptungen erschöpfen, sondern müsse durch eine erkennbare Abwägung der sich gegenüberstehenden verfassungsrechtlichen Interessen ausgefüllt werden. Eine Altersbeschränkung beschränke Art. 3 I GG sowie den in Art. 33 II GG verankerten Leistungsgrundsatz. Eine Rechtfertigung könne gem. § 10 AGG lediglich durch die Verfolgung eines legitimen Ziels und anhand von objektiv erforderlichen und angemessenen Mitteln erfolgen. Im Ergebnis könne das Interesse des Staates an einer ausgewogenen Altersstruktur überwiegen, um den Umfang von Arbeitsleistung und von Versorgungansprüchen in ein angemessenes Verhältnis zu rücken. Wie in der spanischen Rechtsprechung wird auch dem Interesse an der Kontinuität des Dienstpostens ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt. Im Ergebnis bedarf es nach der Rechtsprechung beider Länder eines besonderen Begründungsaufwandes, um eine Altersbeschränkung zu rechtfertigen. In einer jüngeren Entscheidung hat das BArbG22 die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer im öffentlichen Dienst als Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gewertet. Sie sei nicht durch § 10 AGG zu rechtfertigen, da die Staffelung nicht geeignet sei, den Gesundheitsschutz älterer Beschäftigter zu erhöhen. Schließlich werden auch innerhalb des Gaststättengewerbes erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen gestellt. Das BVerfG stellt in seiner Entscheidung anschaulich dar, wie sich der Gesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative selbst an den Gleichheitssatz binde. Entscheide sich der Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums für ein Konzept des Nichtraucherschutzes in Gaststätten, das den Gesundheitsschutz im Ausgleich insbesondere mit der Berufsfreiheit der Gaststättenbetreiber verfolge, so müssten Ausnahmen vom Rauchverbot derart gestaltet sein, dass sie auch bestimmte Gruppen von Gaststätten – hier: die getränkegeprägte Kleingastronomie – miterfassten, um bei diesen besonders starke wirtschaftliche Belastungen zu vermeiden.23 Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass sowohl in der spanischen als auch in der deutschen Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung innerhalb ein und derselben Berufsgruppe bzw. Tätigkeitsstruktur gestellt werden, von denen der Gesetzgeber auch trotz seines besonderen Gestaltungsspielraumes nicht befreit ist. Dabei bezieht sich der Gestaltungsspielraum mehr auf das Ob denn auf das Wie des Tätigwerdens. Bei der Wahl der ent-
21
Vgl. BVerwG 2 C 18.07, Urteil vom 19. Februar 2009. Vgl. BArbG 9 AZR 529/10, Urteil vom 20. März 2012. 23 Vgl. BVerfGE 21, 317 ff. (Rauchverbot in Gaststätten), nicht amtlicher Leitsatz, abrufbar unter: http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv121317.html. 22
A. Der gesetzgeberische Beurteilungsspielraum bei der Wirtschaftsregulierung
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sprechenden Mittel hat er sich strikt an den Gleichbehandlungsgrundsatz zu halten, der nur durch eine konkrete sachbezogene Rechtfertigung überwunden werden kann. 2. Ungleichbehandlung zwischen verschiedenen Berufsgruppen bzw. Tätigkeitsstrukturen In einem anderen Urteil zur Herabsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters bei Beamten hatte das spanische Verfassungsgericht die Ungleichbehandlung gegenüber den Angestellten im öffentlichen Dienst zu beurteilen.24 Das Gericht deutet den Umstand, dass die Verfassung in Art. 35 II CE und Art. 103 III CE formal zwischen dem Gesetzgebungsauftrag in Bezug auf das estatuto de trabajadores und auf das estatuto de funcionarios públicos unterscheidet, als Hinweis auf die Zulässigkeit einer differenzierten Regelung. Bei dem Beamten- und Angestelltenverhältnis handele es sich um verschiedene rechtliche Regime, zumal Beamte und Angestellte verschiedene Rechte und Pflichten hätten. Ohne näher auf diese konkreten Unterschiede einzugehen, billigt das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber die entsprechende Wahl der politischen Gestaltungsoptionen zu und begrenzt seine Kontrollkompetenz lediglich auf willkürliche Ungleichbehandlungen. Auch in der deutschen Rechtsprechung werden zwischen Beamten- und Angestelltenverhältnissen grundlegende Strukturunterschiede gesehen25, die differenzierende Regelungen unter geringere Anforderungen stellen. So hält sich die Rechtsprechung auch grundsätzlich weiterhin an das Streikverbot für Beamte, obwohl eine Ungleichbehandlung in der heutigen Tätigkeitsstruktur kaum mehr gerechtfertigt erscheint und auch der besondere Beamtenstatus diese Regulierung eigentlich nur noch in den hoheitsrechtlich sensiblen Bereichen erfordert. In einem anderen Fall hatte ein spanischer Arzt gegen die Erhebung von Beiträgen geklagt, die aus seiner obligatorischen Zugehörigkeit zur Ärztekammer resultierten.26 Der Arzt machte eine Ungleichbehandlung mit anderen Berufsausübenden geltend, die nicht in Kammern organisiert und dementsprechend frei in der Ausübung ihres Berufes seien. Die Ungleichbehandlung werde zudem dadurch verstärkt, dass er in seinem bisherigen Berufsleben lediglich in einem öffentlichen Krankenhaus gearbeitet habe und damit ohnehin in eine entsprechende Verwaltungsstruktur integriert gewesen sei. An den wesentlichen Leistungen der Ärztekammer, von denen privat praktizierende Ärzte profitierten, habe er mithin nicht teilhaben können. Zumindest in öffentlichen Krankenhäusern arbeitende Ärzte würden gegenüber kammerfreien Berufsgruppen benachteiligt. Das TC hingegen legt lediglich den Maßstab des Willkürverbotes an und lehnt eine Verletzung des Art. 14 CE ab. Jedes Berufsverhältnis sei für sich zu beleuchten und könne nicht mit anderen Berufen 24 25 26
Vgl. STC 99/1987. Vgl. BVerwG 2 C 18.07, Urteil vom 19. Februar 2009, Rn. 14. Vgl. STC 131/1989.
180
§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot
verglichen werden. Die Kontrolldichte der gesetzlichen Regelung in Bezug auf Art. 14 CE fällt mithin relativ gering aus. Eine ähnlich geringe Kontrolldichte hat das BVerfG im Zusammenhang mit der Zulassungspflicht im Handwerksgewerbe an den Tag gelegt. Das Gericht hat den Befähigungsnachweis für verfassungsgemäß erachtet, auch wenn die industrielle Produktion bei gleicher inhaltlicher Tätigkeit von einem solchen Nachweis frei sei. Aufgrund der persönlichen handwerklichen Mitarbeit des Betriebsinhabers bestehe ein struktureller Unterschied zu der Tätigkeit eines industriellen Unternehmens. Dieser lasse eine entsprechend differenzierte Behandlung gerechtfertigt erscheinen.27 Diese Argumentation überzeugt jedoch vor dem Hintergrund nicht, dass vorrangiges Ziel der Handwerksordnung der Schutz von Gesundheit und Leben Dritter und damit die Gefahrenabwehr ist.28 Diese Gefahr ist nicht abhängig davon, ob es sich um einen Handwerksbetrieb oder ein Industrieunternehmen handelt. Zudem muss nicht der mitarbeitende Betriebsinhaber selbst die Meisterprüfung nachweisen können. Denn nach § 7 I HandwO ist hierzu lediglich der Betriebsleiter verpflichtet.29 Im Ergebnis bewegen sich beide Rechtsprechungen auf einer ähnlichen Linie, indem sie dem Gesetzgeber ohne konkret nachzuvollziehenden Hinweis auf die exakten Unterschiede in den jeweiligen Berufsgruppen und Tätigkeitsstrukturen einen weiten Gestaltungsspielraum im Hinblick auf eine differenzierende Regulierung zubilligen. Dies gilt auch dann, wenn sich die inhaltlichen Anforderungen an die Tätigkeiten, wie zuvor dargestellt, nicht wesentlich voneinander unterscheiden.
B. Die Schutzpflicht des Staates zur Verfolgung wirtschaftlich gleicher Bedingungen für Männer und Frauen In der spanischen Verfassungsrechtsprechung spielt die wirtschaftliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern eine gewichtige Rolle. Besonders im Arbeitsrecht hat sich in diesem Zusammenhang eine umfangreiche Doktrin herausgebildet. Von Anfang an hat das Verfassungsgericht bestätigt, dass eine Diskriminierung der Frau in der Arbeit nicht haltbar sei.30 Dabei hat sich die Rechtsprechung von einer ursprünglich wirtschaftlich neutralen Betrachtungsweise des Geschlechts hin zu den Grundsätzen der sogenannten positiven oder auch kompensatorischen Diskriminierung zugunsten der Frau entwickelt:
27 28 29 30
Vgl. BVerfGE 13, 97, 123. Vgl. BT-Drucks. 15/1206 S. 1 ff. Vgl. hierzu näher Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 222 ff. Vgl. SSTC 67/1982; 7/1983; 8/1983; 13/1983; 15/1983; 38/1984; 58/1984.
B. Die Schutzpflicht des Staates
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Art. 14 CE verpflichtet in diesem Zusammenhang wie Art. 3 II, III GG in zweierlei Hinsicht: einerseits zur Gleichheit vor dem Gesetz und andererseits zur Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechts. Letztere Pflicht stellt nicht lediglich das Spiegelbild des Gleichheitsgebots dar, sondern hat eine darüberhinausgehende besondere Bedeutung. Nach nordamerikanischem Vorbild wurde diese Bedeutung im Sinne einer „strict scrutiny“ zunächst darin gesehen, einen strengeren Rechtfertigungsmaßstab an den Tag zu legen.31 Diese verschärfte Kontrolldichte kombinierte das Verfassungsgericht mit einer stringent neutralen Interpretation des Gleichheitssatzes.32 Ein wesentliches Beispiel für eine solche formale Betrachtungsweise stellt das Urteil des spanischen Verfassungsgerichts zur Arbeit von Frauen in Minen dar. So war es Frauen verboten, im Inneren von Minen zu arbeiten. Damit sollte ursprünglich der Schutz von Frauen vor übermäßiger physischer Belastung gewährleistet werden. Das Verfassungsgericht sieht dieses Verbot in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 199233 als nicht mehr zeitgemäß an. Der legitime Schutzzweck dürfe nicht durch eine Regelung erfolgen, die Frauen in ihrer freien Entscheidung zur Berufswahl im Vergleich zu Männern einschränke. Die unterschiedliche physische Belastbarkeit könne nicht als generelles Kriterium für das Verbot herhalten. Der Schutzzweck könne vielmehr auch durch andere, wesentlich mildere Maßnahmen wie eine entsprechende Risikovorsorge und ärztliche Kontrolluntersuchungen gewährleistet werden. Mithin liege ein Verstoß gegen Art. 14 CE vor. Diese Rechtsprechung ist gut vergleichbar mit den Entscheidungen des BVerfG zum Nachtarbeitsverbot für Frauen34 bzw. zum Feuerwehrdienst35. Das Verbot laufe darauf hinaus, dass Frauen vor ihrer eigenen Entscheidung für einen bestimmten Beruf geschützt würden. Diese Rechtslage sei nicht haltbar. Vielmehr sei es das Recht eines jeden Individuums, die Vor- und Nachteile einer bestimmten Arbeit für sich selbst abzuwägen. Zudem habe die Zulassung zu einem bestimmten Beruf unabhängig von dem Geschlecht je nach der individuellen Tauglichkeit zu erfolgen. Ein genereller gesetzlicher Ausschluss sei hingegen unverhältnismäßig und verstoße gegen das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot. Das zuvor erwähnte, rein formale Verständnis des Gleichheitssatzes gem. Art. 14 CE vermag jedoch nicht die reale Chancenverteilung zwischen Männern und Frauen im Arbeitsleben zu berücksichtigen. Aufgrund der historisch bedingten benachteiligten Stellung der Frau erachtet es das spanische Verfassungsgericht inzwischen als erforderlich, das Gebot der Nichtdiskriminierung als Auftrag zu verstehen, um real ungleiche Verhältnisse auszugleichen. In diesem Zusammenhang 31 Vgl. STC 81/1982; Rodríguez-Piñero, Igualdad y no discriminación en el empleo, S. 474 f. 32 Vgl. SSTC 31/1984; 81/1982; 98/1983; 10/1985; 207/1987; 103/1983. 33 Vgl. STC 229/1992. 34 Vgl. BVerfGE 85, 191, 209 f. 35 Vgl. BVerfGE 92, 91, 110.
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§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot
erfüllt Art. 9 II CE eine Transformationsfunktion bei der Gestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit.36 Der materielle Gleichheitssatz garantiert dabei nicht die formale Gleichheit vor dem Gesetz, wie es bei Art. 14 CE der Fall ist, sondern die tatsächliche Gleichheit der Bedingungen bei der Ausübung der Grundrechte.37 Dieses tatsächliche Gleichheitsgebot kann auch zu Lasten der formalen Gleichheit gehen. Art. 9 II CE wird in diesem Sinne als Werkzeug zur Herbeiführung des sozialen Wandels begriffen. Insoweit wird von einem alternativen Gebrauch des Rechts (uso alternativo del derecho) gesprochen.38 Im Sinne des Auftrags zur weitergehenden Integration der Frauen in das Arbeitsleben hat das spanische Verfassungsgericht das eigentlich bestehende Diskriminierungsverbot vermeintlich in sein Gegenteil verkehrt und leitet aus Art. 14 CE ein Gebot der Bevorzugung des weiblichen Geschlechts her. Diese Auslegung wird auch als sogenannte positive oder auch kompensatorische Diskriminierung bezeichnet. Das Diskriminierungsverbot im Sinne eines Bevorzugungsgebots zugunsten der Frau sei gerade deswegen in Art. 14 CE verankert worden, um deren traditionell bestehende rechtliche und gesellschaftliche Benachteiligung zu beseitigen.39 So gebiete es Art. 14 CE, dass Arbeitnehmerinnen mit Kindern im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen in vergleichbarer Situation zusätzliches Geld ausbezahlt wird, um die Aufsicht über die Kinder während der Arbeitszeit sicherzustellen.40 Gleiches gilt für eine Tarifvereinbarung, die den Arbeitnehmerinnen einen Kostenzuschuss gewährt, um mit sichereren und damit teureren Transportmitteln zum Nachtdienst zu gelangen.41 Das Gebot der Bevorzugung dürfe jedoch nur so lange gelten, wie Frauen noch nicht in gleichem Maße in das Arbeitsleben eingebunden seien wie die Männer.42 Zudem seien nur solche Maßnahmen geboten, die der Eingliederung der Frau in das Arbeitsleben auch wirklich dienten, nicht jedoch die berufliche Integration verhinderten.43 So verstößt eine Regelung gegen Art. 14 CE, die Frauen eine Rente zuerkennt, wenn diese aufgrund der Pflege ihrer Familienangehörigen keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind und dementsprechend über kein eigenes Einkommen verfügen. Hierdurch würde der erlittene Nachteil, die
36 Vgl. Esteban, Constituciones españolas y extranjeras, S. 23 ff.; vgl. von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Art. 20, Rn. 17 f. 37 Vgl. Rodríguez Piñero, RPS 121 (1979), S. 381, 404; Sánchez Morón, RAP 89 (1979), S. 171, 184 ff. 38 Vgl. Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 118; Garrorena Morales, El Estado español como Estado social y democrático de Derecho, S. 62. 39 Vgl. SSTC 128/1987; 166/1988; 19/1989; 216/1991. 40 Vgl. STC 128/1987; Balaquer Callejon/Camara Villar, Manual de Derecho Constitucional, Bd. II, S. 89. 41 Vgl. STC 28/1992. 42 Vgl. STC 128/1987. 43 Vgl. STC 28/1992.
B. Die Schutzpflicht des Staates
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mangelnde Eingliederung in das Arbeitsleben, lediglich kompensiert, nicht jedoch die Integration gefördert werden.44 Auch nach deutschem Verfassungsrecht ist die öffentliche Gewalt gem. Art. 3 II GG befugt, Frauen mit dem Ziel realer Gleichheit im Arbeitsleben einseitig kompensatorisch zu fördern und damit über den Grundsatz der formalen Gleichbehandlung hinauszugehen.45 Allerdings muss die Förderung wie im spanischen Recht auch wirklich der Integration in das Arbeitsleben dienen. Dementsprechend ist eine Regelung verfassungswidrig, die lediglich Frauen eine Zahlung für in häuslicher Arbeit aufgebrachte Zeit zuspricht. Durch eine solche einseitige „Herdprämie“ werden traditionell familiäre Rollenbilder verfestigt und eine Integration in das Arbeitsleben geradezu verhindert.46 Insoweit sind die verfassungsrechtlichen Ansätze der realen Förderung zugunsten des unterrepräsentierten Geschlechts in beiden Ländern auf einer nahezu identischen Linie.
I. Die Verfassungsmäßigkeit von Quotenregelungen Durch das Gesetz zur Gleichstellung von Männern und Frauen47 wurde ein allgemeines System zur ausgeglichenen Repräsentation der Geschlechter in Form eines Quotensystems eingeführt. Schon zuvor hat das spanische Verfassungsgericht diese Möglichkeit im arbeitsrechtlichen Bereich zur besseren Integration von Behinderten in das Arbeitsleben zugelassen.48 Art. 23 II CE sieht den gleichen Zugang zu allen öffentlichen Ämtern vor. Wie durch das Verfassungsgericht bestätigt, hat die Auslegung des Art. 23 II CE in gleicher Weise wie bei Art. 14 CE zu erfolgen49, sodass eine Bevorzugung der Frau in Folge eines Quotensystems in allen Tätigkeitsstrukturen grundsätzlich zulässig sei. Dementsprechend regelt das Gesetz die Repräsentationsquoten der Frauen in den verschiedenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereichen. Unter anderem müssen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern in den Vorstandsetagen bis zum Jahr 2015 einen Frauenanteil von 40 Prozent erreichen. Dabei werden Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, bei der Vergabe staatlicher Aufträge bevorzugt behandelt. Diese Regelung unterliegt jedoch der Problematik, dass viele hierin einen Verstoß gegen die Unternehmensfreiheit nach Art. 38 CE sehen. Auch wenn sich das Ver44
Vgl. STC 3/1993. Vgl. Bierkamp, Das Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht, S. 35; Stahlhacke/Leinemann, HzA, Gruppe 10, Teilbereich 1, Rn. 140. 46 Vgl. Bierkamp, Das Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht, S. 35 ff.; Dieterich, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, GG Art. 3, Rn. 92. 47 Ley Orgánica 3/2007 vom 22. März 2007. 48 Vgl. STC 269/94. 49 Vgl. STC 75/1985. 45
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§ 13 Das wirtschaftliche Gleichheitsgebot
fassungsgericht lediglich zu der Vereinbarkeit der Quotenregelungen mit dem Gleichheitssatz nach Art. 14 CE50 äußert, so lässt sich doch seiner Argumentation eine Tendenz für die Verfassungsmäßigkeit auch im Verhältnis zu Art. 38 CE entnehmen. In seinem Urteil verweist das Verfassungsgericht auf die Vorgaben des EUVertrages51, der dem Gesetzgeber einen Auftrag zur Verwirklichung positiver Maßnahmen für die Gleichstellung der Frau verleiht. Die spanische Verfassung verfüge mit Art. 9 II CE über ein Instrument, um kompensatorisch wirkende Ungleichbehandlungen in Form von Quotenregelungen zu rechtfertigen. Der Auftrag des Art. 9 II CE zur Schaffung einer realen und effektiven Gleichheit im Wirtschaftsleben rechtfertige einen Eingriff in den formalen Gleichheitssatz.52 Im deutschen Recht sind Quotenregelungen zumindest als flexible Entscheidungsquoten verfassungsrechtlich unbedenklich. Hiernach dürfen bei der Einstellung Frauen bei gleicher Qualifikation im Grundsatz bevorzugt werden, solange die Einstellung des Mannes aus „sonstigen Gründen“ nicht kategorisch ausgeschlossen wird.53 Derartige Quotenregelungen finden sich insbesondere im Bereich des öffentlichen Dienstes wieder. Die Einführung von Frauenquoten in den Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen wird hingegen sehr kontrovers diskutiert. Jüngst ist ein Vorschlag zu Einführung einer festen Quote von 20 Prozent bis zum Jahr 2018 und von 40 Prozent bis zum Jahr 2023 im Bundestag gescheitert. Teilweise wird für eine flexible Quote plädiert, die eine entsprechende Selbstverpflichtung der Wirtschaft vorsieht und bei Misslingen eine feste Verpflichtung zu einer Quote von 30 Prozent ab dem Jahr 2020 vorsieht. Insgesamt regt sich hier jedoch erheblicher Widerstand aus der Politik und Wirtschaft. Damit tut sich Deutschland bei der Umsetzung wirtschaftlich bindender Quoten insgesamt erheblich schwerer, obwohl in beiden Verfassungsordnungen vergleichbare Voraussetzungen gelten. In diesem Zusammenhang zeigt sich, dass der Verwirklichungsgrad verfassungsrechtlicher Zielvorstellungen nicht von der Konzeption der Verfassung selbst, sondern vielmehr von den faktischen Gegebenheiten sowie dem gesellschaftlichen Selbstverständnis einer Nation abhängig sind.
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Vgl. STC 12/2008. Mit seinen Quotenregelungen geht das spanische Recht optimal auf die Bestimmungen des EU-Rechts ein. Nach Art. 157 IV AEUV und Art. 23 II EU GR Charta steht dem Grundsatz der Gleichheit die Einführung spezieller Vergünstigungen für das unterrepräsentierte Geschlecht nicht entgegen. 52 Vgl. zum Ganzen auch Álvarez Conde, Curso de Derecho Constitucional, Bd. I, S. 363 ff. 53 Vgl. Bierkamp, Das Diskriminierungsverbot im Arbeitsrecht, S. 38; Hergenröder, Arbeitsrecht Kommentar, GG Art. 3, Rn. 118. 51
§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung Zu Beginn der Untersuchungen hat der Verfasser die Frage nach der vergleichsweisen Einordnung der spanischen Wirtschaftsverfassung in das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Freiheitsrechten und staatlichen Regulierungsbefugnissen aufgeworfen. Darüber hinaus war es das Ziel, Lösungsansätze für die Auslegung und Optimierung des jeweiligen Verfassungsrechts zu finden sowie zu einem Urteil hinsichtlich der Reichweite der normativen Kraft der Verfassung zu gelangen. Anhand einer Aufschlüsselung der spanischen Verfassung in seine einzelnen für das Wirtschaftsleben wesentlichen Teile sollten die entsprechenden Ergebnisse ermittelt werden. Im Folgenden werden insbesondere die wesentlichen Unterschiede beider Verfassungsmodelle zusammengefasst, um im Anschluss die hieraus folgenden Erkenntnisse zu entwickeln. In diesem Sinne hat sich folgendes Bild ergeben:
A. Zusammenfassung und Bewertung der einzelnen Ergebnisse Bei der Untersuchung der rechtsstaatlichen Einflüsse auf das spanische Wirtschaftsrecht standen insbesondere die Bedeutung der Rechtsquellenlehre für den Gesetzesvorbehalt, die Bedeutung des Gesetzesvorbehaltes in der Leistungsverwaltung sowie die Ausgestaltung des ökonomischen Vertrauensschutzes im Mittelpunkt des Interesses. Ein wesentlicher Unterschied ist zwischen den jeweiligen Rechtsquellen festzustellen. Die spanische Verfassung verfügt über weitaus flexiblere Instrumente zur Regulierung des Wirtschaftslebens. Hervorzuheben sind dabei die Decretos-leyes sowie die reglamentos independientes. Durch die Decretos-leyes wird der Exekutive ermöglicht, eigenständig Recht im Range eines Gesetzes zu schöpfen, um auf plötzlich auftretende wirtschaftliche Krisen entsprechend reagieren zu können. Dabei besteht der entscheidende Vorteil, dass eine parlamentarische Mehrheit für die jeweiligen Maßnahmen erst im Nachhinein zustande kommen muss und die Exekutive in diesem Zusammenhang zu jeder Zeit handlungsfähig bleibt. Das Parlament verliert mithin sein Initiativrecht und aus der Untersuchung der faktischen Folgen hat sich ergeben, dass eine Aufhebung der Maßnahme ex post nur selten der Fall ist.
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§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung
Die Zulässigkeit gesetzesunabhängiger Verordnungen (reglamentos independientes) ist zwar umstritten, für eine solche spricht jedoch der Umstand, dass es in der spanischen Verfassung kein Auffanggrundrecht wie Art. 2 I GG gibt, aus dem sich zumindest ein mittelbarer Gesetzesvorbehalt für jegliche wirtschaftsrelevante Maßnahme herleitet. Die Anerkennung der unabhängigen Verordnung für organisatorische Maßnahmen hat den entscheidenden Nachteil, dass eine trennscharfe Abgrenzung zu materiellen Freiheitseingriffen nur schwer zu erzielen ist. Allein jedoch der Umstand, dass für den Erlass von Verordnungen keine explizite Verordnungsermächtigung erforderlich ist, sondern im Gegensatz zu den Bestimmungen des Art. 80 I GG auch ein die Verordnung begleitendes, jedoch nicht ermächtigendes Gesetz den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt genügt, spricht für einen gegenüber dem deutschen Recht weitergehenden Handlungsspielraum der spanischen Exekutive. Durch diese Instrumentarien ist es der Exekutive leichter möglich, flexibel gegen wirtschaftliche Missstände vorzugehen. Andererseits werden hierdurch rechtsstaatliche Grundsätze gemäß dem deutschen Verständnis bis zu einem bestimmten Grad aufgelockert, zumal die Rolle des unmittelbar vom Wahlvolk legitimierten Parlaments weiter in den Hintergrund gedrängt wird. Allerdings sind die Vorteile der flexiblen Handhabung wirtschaftspolitischer Maßnahmen höher als deren Nachteile zu erachten, denn neben der gebotenen Handlungsfähigkeit der Exekutive wird die Rolle des Parlamentes insgesamt nicht ignoriert. Diese Vorteile werden gerade dann sichtbar, wenn in Deutschland insbesondere bei abweichenden Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat die Handlungsfähigkeit des Gesetzgebers weitgehend eingeschränkt ist. Die Frage nach dem Erfordernis eines Gesetzesvorbehaltes in der Leistungsverwaltung wird durch beide Verfassungen nicht explizit beantwortet und ist auch insgesamt nicht abschließend geklärt. Allerdings geht der spanische Gesetzgeber mit dieser Rechtslage konsequenter um, indem er mit dem Subventionsgesetz für weitergehende Transparenz und Rechtssicherheit sorgt und damit klassischen rechtsstaatlichen Grundsätzen eher genügt. Er schreibt das generelle Prozedere der Subventionsvergabe fest und gibt der Exekutive damit eine detaillierte Orientierungsmöglichkeit. Im deutschen Recht hingegen bestehen neben den Haushaltsgesetzen keine konkreteren gesetzlichen Vorgaben. Die spanische Konzeption hat zudem den wesentlichen Vorteil, dass sich die Transparenz auch auf weitere rechtliche Fragestellungen auswirkt. So kann nach der Altmark-Trans-Rechtsprechung einfacher beurteilt werden, ob eine Subvention keine wettbewerbsverzerrende Wirkung, sondern lediglich den Ausgleich erhöhter Gemeinwohlverpflichtungen zum Gegenstand hat. Eine wesentliche Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ist schließlich der Schutz des berechtigten Vertrauens. Dieser wird insbesondere bei der Aufhebung wirtschaftlich begünstigender Verwaltungsakte relevant. Im Gegensatz zu den differenzierenden Aufhebungsvoraussetzungen nach §§ 48, 49 VwVfG stellt das spanische Recht über das Ermessen der Behörde hinaus keine erhöhten Anforderungen. Die Rechtsprechung und Literatur haben in diesem Zusammenhang jedoch ähnliche Kriterien wie im deutschen Recht herausgebildet. In dogmatischer Hinsicht besteht
A. Zusammenfassung und Bewertung der einzelnen Ergebnisse
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der Unterschied, dass nach spanischem Recht eine Abwägung anhand des öffentlichen Interesses explizit nicht stattfindet. Inhaltlich werden jedoch vergleichbare Erwägungen im Rahmen der Berechtigung des Vertrauens angeführt, sodass keine erkennbar unterschiedlichen Auswirkungen im Ergebnis bestehen. Grundsätzlich lässt sich nach spanischem Recht enttäuschtes Vertrauen in Geld entschädigen. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der betreffende Verwaltungsakt auch in Geld messbar ist. Durch die zurückhaltende gesetzliche Regulierung vermeidet das spanische Recht Widersprüche, wie sie im deutschen Recht insbesondere im Hinblick auf § 48 III VwVfG bestehen. Danach wird bei nicht in Geld messbaren Verwaltungsakten das Wertinteresse gegenüber dem Bestandsinteresse in den Vordergrund gerückt. Erst durch die Korrektur des BVerfG und des BVerwG wird der eigentlich deutliche Wortlaut wieder zugunsten des Bestandsschutzes zurechtgerückt. In beiden Rechtsordnungen lässt die Verfassung dem Gesetzgeber jedoch einen vergleichbar weiten Gestaltungsspielraum zur Austarierung der Interessen zwischen Bestandsschutz, Wertschutz sowie materieller Rechtmäßigkeit. Allerdings ist die spanische Umsetzung anpassungsfähiger, wie sich insbesondere auch hinsichtlich europarechtlicher Vorgaben zeigt. Im deutschen Recht müssen hier die §§ 48, 49 VwVfG zunächst in einer Art und Weise teleologisch reduziert werden, die nur mit viel Wohlwollen als noch vom Wortlaut gedeckt angesehen werden kann. Das Kernstück dieser Arbeit stellt die Untersuchung des Einflusses sozialer Grundrechte und Leitprinzipien auf die wirtschaftlichen Freiheitsrechte dar. Hierfür bietet die spanische Verfassung angesichts ihrer entsprechenden sozialrechtlichen Akzentuierung auch einen besonderen Anreiz. Zunächst ist der Verfasser auf die rechtliche Effektivität sozialer Grundrechte und Leitprinzipien eingegangen. Dabei hat sich herausgestellt, dass das deutsche Verständnis von der Bedeutung eines Grundrechts nicht uneingeschränkt auf das spanische System übertragen werden kann. Der rechtliche Wert der Leitprinzipien und der sogenannten Grundrechte der dritten Gruppe wird eher deutlich, wenn man sie nach dem spanischen Verständnis als Orientierungsgrundrechte bezeichnet, die sich in erster Linie an den Gesetzgeber richten. Dieser soll das Rechtssystem gemäß den verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgestalten. Angesichts der knappen wirtschaftlichen Ressourcen und der faktischen wirtschaftlichen Lage verfügt er jedoch über einen weiten Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum, der vom Verfassungsgericht nur hinsichtlich evidenter Verstöße bzw. dem Unterschreiten von sozialen Mindeststandards überprüft wird. Eine unmittelbare subjektive Rechtsposition zugunsten des Einzelnen vermitteln diese Orientierungsgrundrechte jedoch nicht. Damit erfüllen diese Rechte und Prinzipien eine vergleichbare Aufgabe wie das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 I GG. Etwas anders verhält sich dies für das in Art. 35 CE geregelte Recht auf Arbeit. Zwar vermittelt dieses ebenfalls wie die Orientierungsgrundrechte keinen unmittelbaren subjektiven Rechtsschutz, allerdings ist das Recht als Bestandteil der zweiten Grundrechtsgruppe einem höheren Schutzniveau unterworfen. In individueller Hin-
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§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung
sicht konkretisiert sich dieses als Recht auf chancengleichen Zugang zu einem bestimmten Arbeitsplatz sowie als Verbot einer ungerechtfertigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Anhand der Entscheidung zur Herabsetzung des Renteneintrittsalters hat das Verfassungsgericht sehr anschaulich die weiteren Kriterien entwickelt. So könne die Vollbeschäftigungspolitik nicht als Rechtfertigung dienen, da durch die Herabsetzung des Renteneintrittsalters lediglich eine Umverteilung der vorhandenen Arbeitsplätze stattfinde. Die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit hingegen eigne sich als eine hinreichende Rechtfertigung, jedoch nur dann, wenn die freiwerdenden Arbeitsplätze auch dementsprechend neu besetzt werden. Für eine solche Interpretation bedarf es jedoch nicht der expliziten Erwähnung eines Rechts auf Arbeit. Denn ein vergleichbares Ergebnis wird ebenfalls durch die entsprechende Auslegung des Art. 12, 3 I GG im deutschen Verfassungsrecht erreicht. Auch die explizit verankerte Pflicht zu arbeiten sowie das Recht auf berufliches Fortkommen dürfen nicht wörtlich verstanden werden. Die Pflicht zu arbeiten wird in erster Linie als eine moralische Verpflichtung verstanden, die sich als „hartes“ rechtliches Kriterium lediglich dahingehend auswirkt, dass bei Arbeitsunwilligkeit die Kürzung sozialer Leistungen droht. Das Recht auf berufliches Fortkommen konkretisiert sich im Wesentlichen in gleichen beruflichen Aufstiegschancen sowie in der rechtlich verankerten Möglichkeit der beruflichen Weiterbildung. Diese Auswirkungen werden aber ebenfalls durch die entsprechende Auslegung und einfachgesetzliche Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 I GG erreicht. Lediglich das Recht auf ausreichende Vergütung wird weitergehend als im deutschen Verfassungsrecht als Verfassungsauftrag zur Etablierung eines allgemeinen Mindestlohnes verstanden. Doch auch dieser führt zu keinem vergleichbar höheren Sozialstandard, zumal der Mindestlohn lediglich der Grundabsicherung dient, was auch seine Funktion als Referenzwert für die Höhe des Arbeitslosengeldes bestätigt. Um der Tarifautonomie weiterhin einen ausreichenden Gestaltungsspielraum zu belassen, wird er mit unter 4 Euro pro Stunde bewusst niedrig gehalten. Mit einer Höhe von 40 Prozent des spanischen Durchschnittseinkommens hat er im Arbeitsleben nur geringe praktische Durchschlagskraft. Die Diskussion im deutschen Recht bewegt sich somit auf einer anderen Ebene. Durch die Einführung eines allgemeinverbindlichen Mindestlohnes sollen Niedriglohnsektoren wie z. B. die Frisörgewerbe in ihrer derzeitigen Lohngestaltung erheblich modifiziert werden, was in der Praxis zu einer weitergehenden Einschränkung der jeweiligen Unternehmensfreiheit führen würde. Der Vergleich beider Rechtsordnungen zeigt in diesem Punkt die besondere Bedeutung der funktionalen Vergleichsmethodik. Aufgrund unterschiedlicher beabsichtigter Funktionen des Mindestlohns kann der entsprechende spanische Verfassungsauftrag nicht als Argument für die in Deutschland geführte Diskussion herhalten. Der pauschale Verweis der Befürworter des Mindestlohnes auf die allgemeinübliche Regelung in den meisten europäischen Ländern ohne Hinweis auf dessen unterschiedliche Funktionen ist dabei alles andere als überzeugend.
A. Zusammenfassung und Bewertung der einzelnen Ergebnisse
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Wenn in der rechtlichen Effektivität der Leitprinzipien und der sozialen Grundrechte nach diesen ersten Untersuchungen kein wesentlicher Mehrwert gegenüber der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung in Deutschland zu sehen ist, so stellt sich doch die Frage, welchen weitergehenden Einfluss diese Bestimmungen auf die Ausgestaltung des spanischen Wirtschaftsordnung haben könnten. Dabei wurde die These aufgeworfen, dass sich die Anzahl sozialer Verfassungsbestimmungen in einem praktisch höheren Sozialstandard auswirken könnte. In diesem Zusammenhang wurden Untersuchungen anhand des Sozialversicherungssystems und des Verbraucherschutzes durchgeführt. Die These konnte insoweit nicht bestätigt werden. Der Auftrag zur einfachgesetzlichen Etablierung eines Sozialversicherungssystems führt zu einer im Ergebnis vergleichbaren Ausgestaltung wie nach deutschem Recht. Insbesondere werden hierdurch lediglich Mindestleistungen garantiert, die die jeweilige Grundversorgung der Wirtschaftsbürger abdecken sollen. Ebenfalls sind private Sozialversicherungen in beiden Rechtsordnungen grundsätzlich frei, müssen aber grundsätzlich der Ausnahmefall bleiben. Auch ein soziales Rückschrittverbot kann aus Art. 41 CE nicht abgeleitet werden. Hierdurch würden in beiden Rechtsordnungen die Zukunftsoffenheit und Neubestimmbarkeit demokratischer Entscheidungen konterkariert. Im Verbraucherschutzrecht wird ein Mindestschutzniveau bereits durch die europarechtlichen Vorgaben gewährleistet. Die verfassungsrechtliche Verankerung führt in Spanien aber auch hier nicht zu einem grundlegend höheren Niveau als dies in Deutschland der Fall wäre. Die nicht wortlautgetreue Ausgestaltung des Rechts auf Arbeit und die hinsichtlich des Sozialversicherungssystems und des Verbraucherschutzes gefundenen Ergebnisse verwundern angesichts der Begrenzung sozialer Investitionsmöglichkeiten durch die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht. Die Wirtschaftskrise hat Spanien besonders schwer getroffen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse geben damit ein gutes Beispiel dafür ab, wie faktische Verhältnisse gewissermaßen in normativer Kraft erstarken und damit einen wesentlichen Anteil an der Auslegung der Verfassung haben können. Vor diesem Hintergrund erscheint für den juristischen Laien die Verankerung eines Rechts auf Arbeit geradezu höhnisch. Andererseits verleihen verfassungsrechtlich festgeschriebene soziale Mindeststandards wie das Sozialversicherungssystem auch nach außen hin Orientierung und Sicherheit. Die Frage nach der Rolle sozialer Grundrechte bei der Einschränkung klassischer Freiheitsrechte ist zwar im Grunde genommen eine Frage des konkreten Einzelfalls, die weitergehend insbesondere erst in den Kapiteln zur Eigentums-, Berufs- und Unternehmensfreiheit beantwortet werden konnte. Bereits hier kann jedoch festgestellt werden, dass die Anzahl der verfassungsrechtlich verankerten Sozialbestimmungen für die Reichweite freiheitsrechtlicher Beschränkungen keinen Ausschlag gibt. Dies folgt bereits daraus, dass das BVerfG vergleichbare Rechte aus Art. 20 I GG heraus entwickelt hat und die Konkretisierungen des BVerfG dabei Verfassungsrang einnehmen. Allenfalls die unterschiedliche Grundrechtssystematik könnte darauf schließen lassen, dass ein spanisches Grundrecht der dritten Gruppe weniger Gewicht entfaltet als deutsche Grundrechte. Doch gerade diese Vermutung
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§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung
ist anhand des Beispiels des Schutzes der Familie widerlegt worden. Im Ergebnis ist hier festzuhalten, dass die unterschiedliche Einstufung eines Grundrechts nach spanischem Reicht lediglich eine Aussage über dessen gerichtlichen Schutz und die Gestaltungsmöglichkeiten des Gesetzgebers trifft, nicht jedoch über die materielle Wertigkeit. Gem. Art. 9 I GG ist die öffentliche Gewalt an alle verfassungsrechtliche Bestimmungen gleichermaßen gebunden. Des Weiteren wurden die Auswirkungen sozialer Grundrechte und Leitprinzipien auf die verfassungsrechtlich gewährte Rechtssicherheit untersucht. Bei der lakonischen Ausgestaltung der deutschen Sozialverfassung ist zunächst festzustellen, dass das BVerfG zunehmend von seiner selbstauferlegten Zurückhaltung abweicht und durch detaillierte gesetzesgleiche Vorgaben die Grenzen der Gewaltenteilung zu überschreiten scheint. Angesichts der beredten spanischen Alternative wurde die These aufgeworfen, dass eine detailliertere Verfassungsausgestaltung für weiterreichende Rechtssicherheit sorgt und eine nachbessernde Rechtsprechung des Verfassungsgerichts erübrigt. Doch auch diese Annahme konnte nicht bestätigt werden. Auch dieses Ergebnis verwundert nicht. Denn die Verfassung kann nicht die Aufgabe des Gesetzgebers übernehmen und die jeweiligen Rechte entsprechend detailliert ausgestalten. Dieser Umstand stellt nicht ihren normativen Wert in Frage, sondern unterstreicht vielmehr ihre grundlegende Funktion als Rahmenordnung. Die einzelnen Leitprinzipien und sozialen Grundrechte bestimmen zwar den groben Inhalt sozialstaatlicher Gewährleistungen, nicht jedoch ihre Reichweite. Fungiert das Verfassungsgericht gewissermaßen als Gesetzgeber, so überschreitet es damit den Grundsatz der Gewaltenteilung. Veranlasst hierzu wird das Gericht jedoch durch die Versäumnisse des Gesetzgebers, nicht hingegen durch den Detailliertheitsgrad der Verfassung als Rahmenordnung. Bei der Verfolgung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist schließlich die Einführung der Schuldenbremse zur Stabilisierung des Geldwertes hervorzuheben. Hier haben sich die verfassungsgebenden Kräfte weitgehend an der Ausgestaltung der Art. 109, 115 GG orientiert. Angesichts des ebenso umfangreich wie kostenintensiven spanischen Verwaltungsapparats ist die Verankerung des Grundsatzes der Haushaltsdisziplin ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung. Allerdings stellt sich die Frage, warum der Schritt nicht konsequent zu Ende geführt worden ist. Stattdessen werden die Höhe der maximalen Verschuldung in die Hände des einfachen Gesetzgebers gelegt und weitergehende Ausnahmen bereits für Zeiten einfacher wirtschaftlicher Rezessionen gewährt. In den Ergebnissen sind die Sozialverfassungen beider Länder weitgehend vergleichbar. Rechtliche Abweichungen aufgrund des explizit verankerten Umfangs sozialstaatlicher Gewährleistungen ergeben sich kaum. Der Grund für die unterschiedliche Ausgestaltung kann damit lediglich in den jeweiligen historischen Begebenheiten gesehen werden. Während das Grundgesetz zunächst nur als Provisorium für eine mit der deutschen Einheit endgültigen auszugestaltenden Verfassung geplant war, ist die beredte spanische Alternative dem breiten politischen Konsens in der Zeit der tran-
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sición geschuldet. Die spanische Alternative bringt dabei über die bisherigen Erkenntnisse hinausgehende Vor- und Nachteile mit sich. Einerseits kann sie falsche Erwartungen wecken, wenn sie ihrem Wortlaut nach Rechte verspricht, die aufgrund der faktischen wirtschaftlichen Situation nicht realisiert werden können. Dieser Umstand kann insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten besonders schwer wiegen. Andererseits kann sie aber auch gerade in solchen Zeiten Orientierung bieten und darauf setzen, dass der mündige Bürger diese im Sinne eines Auftrags versteht. Dabei kann der Verfassung auch eine gewisse Signalwirkung beigemessen werden, die eine Rechtsentfremdung der Bevölkerung vermeiden hilft. Sie vergegenwärtigt dann zu jeder Zeit das politische Bestreben für eine schrittweise Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Über dieses „weiche“ Kriterium einer außerrechtlichen Integrationsfunktion hinaus führt eine beredt ausgestaltete Sozialverfassung nach der Meinung des Verfassers jedoch zu keinem wesentlichen Mehrwert. Nach der Integrationslehre von Smend ist es die Aufgabe des Staates, die Individuen in den politischen Prozess zu integrieren. Dabei soll der Integrationsprozess durch die Verfassung geordnet werden. In der Folge haben die Grundrechte auch im Sinne einer objektiven Werteordnung (vgl. insoweit auch das Lüth-Urteil des BVerfG) Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Rechtsordnung, sodass soziale Grundrechte auch als Auslegungsmaßstab in der einfachen Rechtsordnung herangezogen werden könnten. Allerdings kann die Auslegung des einfachen Rechts auch nur unter Berücksichtigung faktischer wirtschaftlicher Verhältnisse erfolgen. Wenn aber die Verwirklichung verfassungsrechtlicher Vorgaben im Endeffekt vom staatlichen Haushaltsbudget abhängig ist, führt dies letztlich zu einer Enttäuschung hinsichtlich der normativen Kraft der Verfassung. Diese Enttäuschung kann lediglich durch die zuvor angesprochene Orientierungs- und Signalwirkung (oder auch politische Integrationswirkung) wettgemacht werden kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die politische Integration der Bevölkerung durch eine ausgeprägte Sozialverfassung zwar durchaus wünschenswert ist, eine solche Integration in der heutigen Zeit in erster Linie aber wohl eher durch eine vernünftige und nachvollziehbare Tätigkeit der führenden politischen Akteure zu erreichen ist als durch verfassungsrechtliche Verheißungen. Dennoch befürwortet der Verfasser die Aufnahme sozialer Grundrechte in die Verfassung. Denn sie vergegenwärtigt zumindest eine politische Aufbruchstimmung, die einen zusätzlichen Ansporn zur Herstellung optimierter sozialer Verhältnisse bieten kann. Bei der Regulierung der Eigentumsfreiheit nach spanischem Recht verfügt die öffentliche Gewalt über eine im Ergebnis weitere Gestaltungsfreiheit als nach deutschem Recht. Das Verfassungsgericht selbst bezeichnet die Eigentumsfreiheit als ein subjektives abgeschwächtes Recht. Anhand der Rumasa-Entscheidungen hat es die Kriterien einer Enteignung entwickelt und dabei selbst eine gesetzesgleiche Verordnung der Regierung für ausreichend erachtet. Hinzu kommt, dass die Eigentumsfreiheit der zweiten Grundrechtsgruppe angehört und dementsprechend auf
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§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung
verfassungsgerichtlicher Ebene lediglich mit der Normenkontrolle als objektives Beanstandungsverfahren geltend gemacht werden kann. Abweichend von der deutschen Dogmatik gestaltet sich auch die Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und entschädigungspflichtiger Enteignung. Das Verfassungsgericht stellt im Wesentlichen auf materielle Kriterien ab, wenn es die Frage nach einer bereits vorliegenden Enteignung anhand der Schwere des Eingriffs bzw. der Berührung des Wesensgehaltes beantwortet. Das Erfordernis der JunktimKlausel ist in dogmatischer Hinsicht zwar abschließend nicht geklärt, die überwiegende Rechtsprechung spricht sich jedoch dagegen aus. Damit kann eine entschädigungsfreie Inhaltsbestimmung im konkreten Einzelfall in eine entschädigungspflichtige Enteignung umschlagen und der Betroffene auf den Sekundärrechtsschutz verwiesen werden. Dies erscheint vor dem Hintergrund konsequent, dass die Entschädigung als Ausgleich für den wesentlich abgeschwächten Primärrechtsschutz dient. Denn ein vorrangiger Verweis auf einen subjektiven Primärrechtsschutz ist nach der spanischen Systematik gerade nicht möglich. Zwar wird an der Abgrenzung anhand materieller Kriterien kritisiert, dass mithin die Entscheidung über eine Entschädigung häufig der Judikative überlassen und die Abgrenzung der Inhaltsbestimmung von der Enteignung allein auf den Einzelfall verlagert wird, was zu zunehmender Rechtsunsicherheit führe. Allerdings ist die spanische Ausgestaltung in der Abgrenzung zumindest konsequenter. Denn während die deutsche Rechtsprechung nach formellen Kriterien abgrenzt, lässt sie über die Hintertür wieder materielle Kriterien zu, wenn es um Härtefallregelungen bei der Inhaltsbestimmung geht. Die spanische Lehre lehnt die Existenz einer kompensationspflichtigen Inhaltsbestimmung hingegen gänzlich ab. Anhand von Fallgruppen hat der Verfasser zudem die Reichweite entschädigungsfreier eigentumsrelevanter Maßnahmen in beiden Verfassungsordnungen miteinander verglichen. Neben vielen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich die spanische Verfassung jedoch durch die weitergehende Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Das zeigt sich insbesondere im Fall Rumasa sowie bei der enteignenden Erweiterung des Parlamentssitzes von Canarias. In beiden Fällen konnte der Gesetzgeber den Eingriff mittels einer Legislativenteignung vornehmen, ohne auf deren Erforderlichkeit im Sinne des ultima ratio Prinzips hin überprüft zu werden. Auch die Beurteilung gesellschaftlich veränderter Verhältnisse im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit eigentumsrelevanter Maßnahmen überlässt das TC im Gegensatz zum BVerfG der Einschätzung des Gesetzgebers. Tendenziell verfügt die öffentliche Gewalt in Spanien über einen weiteren Spielraum bei der Beschränkung der Eigentumsfreiheit, was sie grundsätzlich jedoch nicht von ihrer Entschädigungspflicht entbindet. Damit wird die Bestandsgarantie gegenüber dem deutschen Recht weitergehend in Richtung Wertgarantie verschoben. Aus der Sicht des Staates hat dies gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten wieder den entscheidenden Vorteil, dass er anhand eines flexiblen Instrumentariums die jeweils geeigneten Maßnahmen zugunsten des Gemeinwohls vornehmen kann.
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Neben dem Recht auf Arbeit schützt Art. 35 CE auch die klassische Berufsfreiheit, deren dogmatische Ausgestaltung vergleichsweise untersucht wurde. Im Gegensatz zu Art. 12 GG unterfällt lediglich die Berufswahl, nicht jedoch die Berufsausübung, dem Schutzbereich des Art. 35 CE. Diese Trennung stößt auf praktische Schwierigkeiten bei der Abgrenzung, insbesondere bei der Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit einen eigenen Beruf oder lediglich eine alternative Ausübungsweise ein und desselben Berufs darstellt. Sie ist zudem auch nicht notwendig, da nach überwiegender Ansicht auch der staatliche Eingriff in die Berufsausübung einer gesetzlichen Rechtfertigung bedarf. Für die akademischen Berufe gilt der Gesetzesvorbehalt bereits aufgrund von Art. 36 CE. Für die übrigen Tätigkeiten gilt darüber hinaus der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass jede staatliche Handlung eines legitimen öffentlichen Zwecks bedarf, nicht willkürlich und im Ergebnis verhältnismäßig zu erfolgen hat. Wie bereits im Rahmen der gesetzesunabhängigen Verordnung festgestellt, existiert zwar in der spanischen Verfassung kein Auffanggrundrecht wie Art. 2 I GG. Allerdings dürfen gesetzesunabhängige Verordnungen nach überwiegender Auffassung lediglich in organisatorischen Bereichen ergehen, der bei fühlbaren Beschränkungen der Berufsausübung nicht mehr gegeben ist. Zudem ist die Anforderung an die Rechtfertigung eines Eingriffs nach deutschem Verfassungsrecht vergleichbar gering, wie auch die Rechtsprechung zeigt. Den Eingriff in die Berufswahl prüft das TC anhand eines differenzierten Verhältnismäßigkeitsprinzips, welches die Anforderungen umso höher stellt, je stärker der Eingriff in die Rechte des Betroffenen eingreift. Hierdurch gestaltet sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung flexibel und vermeidet Widersprüche, wie sie sich nach der bemüht austarierten 3-Stufen-Theorie ergeben. Dort versucht sich das BVerfG zunächst in einer generellen Kategorisierung der Eingriffe und Rechtsfertigungsanforderungen, um hiervon im Einzelfall wieder abzuweichen. Ein wesentlicher Mehrwert gegenüber einer einfach und flexibel gehandhabten Verhältnismäßigkeitsprüfung wie im spanischen Recht ist nicht ersichtlich. Art. 38 CE schützt die Unternehmensfreiheit im Rahmen der Marktwirtschaft und gegebenenfalls der Planung. Damit deutet der Wortlaut bereits die vom Verfassungsgericht entwickelte Interpretation an: Der individuelle Grundrechtsschutz wird durch die institutionelle Dimension des Art. 38 CE relativiert, indem der Staat die Gesamtverantwortung für eine intakte Marktwirtschaft trägt. In diesem Zusammenhang hat der Verfasser mit der öffentlichen Initiative in der Wirtschaft insbesondere die Zulässigkeit öffentlicher Unternehmen sowie die Konzeption des servicio público im Vergleich zur Daseinsvorsorge und den Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse untersucht. Trotz der expliziten Erwähnung der öffentlichen Initiative in Art. 128 II CE ist noch nicht abschließend geklärt, in welchem Verhältnis dieses zu der privaten Initiative steht. Der herrschenden Meinung zufolge besteht kein Subsidiaritätsverhältnis, sondern vielmehr eine gleichberechtigte Co-Initiative, bei der der Staat allerdings gem. Art. 103 CE einen öffentlichen Zweck verfolgen muss. Allerdings bietet Art. 38 CE wie Art. 12 GG keinen Schutz vor Konkurrenz, solange kein Verdrängungswettbewerb mithilfe marktinkongruenter Mittel stattfindet. Letztere Be-
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dingung wird zudem durch Art. 106 AEUV gewährleistet, der eine strikte Gleichbehandlung von öffentlichen und privaten Unternehmen vorschreibt. Auch die Konzeptionen des servicio público und der Daseinsvorsorge haben sich schon aufgrund der von der EU geforderten Liberalisierung im Laufe der Zeit erheblich einander angenähert. Dabei waren in den servicio público private Unternehmen bereits von Anfang an mehr eingebunden als nach der ursprünglichen Konzeption der Daseinsvorsorge. Beide Konzeptionen definieren sich durch die Erbringung von für die Lebensversorgung essenziellen Diensten in öffentlicher Aufgabenträgerschaft. Beide Rechtsordnungen unterscheiden weiterhin zwischen der Erbringung der Leistung durch den Staat (im Wege Erfüllungsverantwortung bzw. gestión directa) und durch Private (im Wege der Gewährleistungsverantwortung bzw. gestión indirecta). Doch trotz der gleichermaßen fortschreitenden Liberalisierung und des entsprechenden Übergangs der Dienste in den freien Wettbewerb hält der deutsche Staat tendenziell weitergehend an der alten Konzeption fest. Das zeigt sich insbesondere anhand des Beispiels des Personennahverkehrs, der hinsichtlich der Taxen im Gegensatz zu Spanien weiterhin in öffentlicher Aufgabenträgerschaft bleibt. Der verfassungsrechtlich gewährte politische Gestaltungsspielraum ist in beiden Staaten jedoch insgesamt vergleichbar. Trotz der expliziten Verankerung der Unternehmensfreiheit in der spanischen Verfassung reicht diese nicht erkenntlich weiter als nach deutschem Recht. Mit der gleichzeitigen Betonung der institutionellen Komponente und der öffentlichen Initiative in der Wirtschaft sowie der Planung stellt die spanische Konzeption, nach der sich individuelle Freiheitsrechte und gemeinwohlorientierte Eingriffsbefugnisse gegenseitig ausgleichen, nicht mehr als die beredte Alternative der deutschen Konzeption dar. Im Zusammenhang mit der Vereinigungsfreiheit wurde vergleichsweise die Rechtfertigung obligatorischer Mitgliedschaften in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, das grundlegende Verhältnis von Arbeitskonfliktmaßnahmen auf Arbeitgeber- und -nehmerseite zueinander sowie die konkrete Ausgestaltung des Streikrechts untersucht. Die spanische Rechtsprechung zu der Vereinbarkeit einer obligatorischen Mitgliedschaft mit der negativen Vereinigungsfreiheit ist um einiges detaillierter als im deutschen Recht. Während das BVerfG lediglich auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie den legitimen öffentlichen Zweck abstellt, legt das TC ein verglichenermaßen differenzierteres Prüfungsmodell zugrunde. Durch die obligatorische Mitgliedschaft dürfe eine weitergehende positive Vereinigungsfreiheit nicht ausgeschlossen werden. Die obligatorische Mitgliedschaft solle zudem nur die Ausnahme sein und lediglich für den Fall, dass kein milderes Mittel zur Erreichung des jeweiligen öffentlichen Zwecks zur Verfügung stünde. Hinsichtlich des öffentlichen Zwecks wird detailliert zur Verfolgung rein partikularer wirtschaftlicher Interessen abgegrenzt. Auch wenn diese Kriterien auf den ersten Blick an die einzelnen Bestandteile einer gewöhnlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung erinnern, scheint das TC insgesamt strenger mit der Zulassung öffentlicher Zwangsverbände umzugehen. Insbesondere das Beispiel der Landwirtschaftskammern zeigt, dass der politische Gestaltungsspielraum des deutschen Gesetzgebers in diesem Rechtsbe-
A. Zusammenfassung und Bewertung der einzelnen Ergebnisse
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reich weiter reicht. Grund hierfür sind wiederum die jüngeren historischen Erfahrungen Spaniens, die zu einer besonders ausgeprägten Sensibilität im Zusammenhang mit dieser Thematik führen. Während die Arbeitskonfliktmaßnahmen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber im deutschen Recht jeweils durch Art. 9 III GG geschützt werden, erfolgt die Absicherung nach spanischem Recht für die Arbeitgeber nach Art. 37 II CE und für die Arbeitnehmer nach Art. 28 II CE. Auch wenn hierdurch von der Reichweite des Rechtsschutzes her zwei unterschiedliche Grundrechtsgruppen betroffen sind, bestätigt die Verfassungsrechtsprechung das zu den Leitprinzipien und sozialen Grundrechten gefundene Ergebnis, dass die unterschiedlichen Stufen im Ergebnis keine Aussage zu dem jeweiligen Wert der Grundrechte treffen. Zwar spricht die Einordnung des Streikrechts in die zweite Grundrechtsgruppe für einen zumindest formal höherrangigen Schutz als in Bezug auf das Recht zur Aussperrung. Allerdings entscheidet im Endeffekt der konkrete Einzelfall, welchem Recht dann der Vorrang einzuräumen ist. So kann die Aussperrung ein legitimes Mittel sein, um eine zwischenzeitlich gestörte Verhandlungsparität wieder herzustellen. Damit ändert sich trotz der unterschiedlichen Grundrechtssystematik im Ergebnis nichts an der abstrakten Gleichrangigkeit der Rechte in beiden Verfassungsordnungen. In der spanischen Ausgestaltung des Streikrechts sind zwei wesentliche Vorteile gegenüber der deutschen Konzeption zu sehen: Zunächst wendet die Verfassung das Streikrecht im Grundsatz auf alle Arbeitnehmer, einschließlich der Beamten, an. Nur für besonders sensible Hoheitsbereiche wie die Polizei, die Armee sowie Sicherheitsbeamte werden spezialgesetzliche Ausnahmen gemacht. Eine solche Einordnung ist deutlicher und konsequenter als die nicht abschließend geklärte, an teilweise verkommenen Traditionen festhaltende deutsche Rechtslage zum Streikrecht von Beamten. Die grundlegende Einordnung des Streikverbotes als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 V GG ist nicht mehr zeitgemäß. Durch die Sicherung wesentlicher Dienste sowie durch spezialgesetzliche Ausnahmen für besonders sensible Hoheitsbereiche sorgt die spanische Verfassung für eine höhere Einzelfallgerechtigkeit sowie eine weitergehende Rechtssicherheit. Gleichzeitig zeigt sie eine geeignete Möglichkeit auf, wie Art. 33 V GG in Zukunft ausgelegt werden könnte: Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums kann als solcher nur bezeichnet werden, soweit er auch in der Gegenwart seine Geltung in Anspruch nehmen kann. Mit dieser Interpretation wäre das Grundgesetz wesentlich entwicklungsoffener. Schließlich mischt sich die Exekutive im Wege der Sicherung wesentlicher Dienste im Gegensatz zum deutschen Recht aktiv in die Ausgestaltung des Streikrechts ein. Hierdurch wird die grundsätzlich zu respektierende Tarifautonomie auch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, zumal die effektive Absicherung grundlegender Versorgungsbedürfnisse einen zumindest gleich hohen Stellenwert wie das Streikrecht einnimmt. Mit Art. 9 III GG ist das Grundgesetz zwar vergleichsweise offener, eine entsprechende Handhabung wie im spanischen Recht wäre jedoch
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§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung
angesichts der drohenden Unterversorgung und des wirtschaftlichen Schadens durchaus zulässig und ratsam. Denn eine vorab festgelegte gesetzliche Grundabsicherung ist generell verlässlicher als das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte im Zusammenhang mit einem ggf. korrigierenden Eingriff der Rechtsprechung. Im deutschen Recht war lange Zeit umstritten, ob auch rein kommerzielle Interessen verfolgende Werbung in den Schutzbereich des Art. 5 I GG fällt und sich dementsprechend als vollwertiges Element des Meinungsbildungsprozesses betrachten darf. Mit den Benetton-Entscheidungen hat das BVerfG klargestellt, dass sozialkritische Äußerungen als Mittel für eigennützige Werbezwecke sehr wohl von Art. 5 I GG erfasst werden und nicht als sittenwidrig bezeichnet werden dürfen. Entscheidend für Art. 5 I GG sei lediglich das Vorhandensein eines wertenden Elements, welches bei der Werbung nahezu immer gegeben ist. In der spanischen Rechtsprechung ist diese Problematik noch nicht abschließend geklärt, Art. 10 II CE bietet jedoch eine explizite Grundlage für die Auslegung nationaler Grundrechte anhand internationaler Verträge: So wirkt sich die Interpretation des EGMR im Hinblick auf Art. 10 I EMRK ebenfalls auf den spanischen Grundrechtsschutz aus. Dasselbe Ergebnis wird im deutschen Recht zwar anhand der Grundsätze der Görgülü-Entscheidung sowie der Völkerrechtsfreundlichkeit erzielt, allerdings hilft eine explizite Verankerung in der Art des Art. 10 II CE, internationale Verträge und die dazu ergehende Rechtsprechung weiter in das Bewusstsein der nationalen Rechtsprechung zu rücken, um dadurch auf einen größeren Fundus praktischer Lösungsansätze zurückgreifen zu können. Die Schwerpunkte im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz wurden in der Untersuchung der Reichweite des legislativen Gestaltungsspielraumes sowie der Schutzpflicht des Staates zur Nivellierung realer Ungleichheiten gesetzt. Anhand der Bildung von Fallgruppen in den Bereichen der Eigentums- und Berufsfreiheit kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass der Gestaltungsspielraum in beiden Verfassungsordnungen umso geringer ist, je sensiblere Grundrechtsbereiche betroffen sind. Tendenziell ist der legislative Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsfreiheit höher als bei der Berufsfreiheit, was jedoch insoweit lediglich für die Regulierung innerhalb einer bestimmten Berufsgruppe bzw. Tätigkeitsstruktur gilt. Die Kontrolldichte der Verfassungsgerichte erscheint in diesem Zusammenhang in beiden Rechtsordnungen nahezu gleich. Auch die Schutzpflicht des Staates zur Nivellierung von real unterschiedlich wirtschaftlicher Chancenverteilung zwischen Männern und Frauen hat in beiden Staaten vergleichbare rechtliche Voraussetzungen. Die Aufgabe des Art. 3 II GG übernimmt in Spanien der materielle Gleichheitssatz gem. Art. 9 II CE. Während sich die Diskussion um die gesetzliche Verankerung staatlich festgelegter Quoten zugunsten beruflicher Posten für Frauen in Deutschland eher schwer tut, ist Spanien in diesem Punkt mehrere Schritte voraus. Der Grund hierfür kann jedoch nicht in der erheblich sozial gefärbteren spanischen Verfassung, sondern vielmehr in dem jeweiligen gesellschaftlichen Selbstverständnis gesehen werden. Die berufliche Ei-
B. Spanische Wirtschaftsverfassung – eine abschließende Beurteilung
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genständigkeit von Frauen in Spanien ist traditionell stärker ausgebildet als in Deutschland. Dementsprechend stößt die Verankerung von Quotenregelungen im spanischen Rechtssystem auf wesentlich geringeren Widerstand. Auch hier zeigt sich wieder einmal, dass die Gestaltung des jeweiligen Rechtssystems mehr von der gesellschaftlichen und sozialen Gestimmtheit als von verfassungsrechtlichen Vorgaben abhängig ist. Die gesellschaftliche Komponente macht es im Endeffekt schwierig, rechtliche Konzeptionen auf andere Rechtsordnungen zu übertragen, da eine vergleichbar reale Umsetzung hierdurch in keiner Weise gewährleistet ist.
B. Die spanische Wirtschaftsverfassung – eine abschließende Beurteilung Die vergleichende Untersuchung zu der Umsetzung der Quotenregelungen als Ausgangspunkt nehmend, zeigt sich, dass die normative Kraft einer Verfassung keineswegs von ihrem Wortlaut, sondern vielmehr von ihrer Übereinstimmung mit der gesellschaftlichen Gestimmtheit abhängig ist. Um ihre volle Wirkung entfalten zu können, muss sie möglichst spiegelbildlich das gesellschaftliche Selbstverständnis einer Nation wiedergeben. Dabei ist dieses zwar einerseits zukunftsoffen, andererseits zu einem wesentlichen Teil jedoch auch geprägt von den historisch gewachsenen Überzeugungen und Erfahrungen. Mit der spanischen Verfassung ist diese Voraussetzung in besonderer Weise erfüllt. Die Verfassungsgeber haben versucht, aus den negativen historischen Erfahrungen zu lernen und die positiven Errungenschaften auch unter der neuen Verfassung fortzuführen. Dabei haben sie sich nicht nur auf ihre eigene Historie beschränkt, sondern ebenfalls Verfassungsmodelle anderer Länder zum Vorbild genommen. Beabsichtigt war eine stabile, dauerhafte Verfassung, die von möglichst allen politischen und gesellschaftlichen Strömungen mitgetragen werden sollte. In Deutschland hingegen war das Grundgesetz zunächst lediglich als Provisorium gedacht, zumal insbesondere die territorialen Fragen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges noch nicht abschließend geklärt waren. Besonderer Ausdruck der historischen Erfahrungen ist der besondere soziale Einschlag der spanischen Verfassung, die insgesamt gesehen über einen höheren wirtschaftlichen Regulierungsgrad als das Grundgesetz verfügt. Das wiederum bedeutet jedoch nicht, dass die individuellen Freiheitsrechte hierdurch in einem höheren Maße beschränkt werden als nach deutschem Recht. Allenfalls mag dies für die Eigentumsfreiheit gelten, bei der der spanische Gesetzgeber einen weitergehenden Gestaltungsspielraum hat und sich der Bestandsschutz tendenziell weiter in die Richtung des Schutzes der Wertinteressen verschiebt. Darüber hinaus besteht aber doch jedenfalls der Eindruck einer vergleichbar offenen Wirtschaftsverfassung wie im deutschen Recht.
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§ 14 Zusammenfassung und abschließende Bewertung
Der Einfluss der öffentlichen Gewalt auf die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung wird akzentuierter und damit nach der Meinung des Verfassers geschickter eingesetzt als durch das deutsche Grundgesetz. Dabei hat die Wirtschaftsregulierung keinen Selbstzweck, sondern dient im Endeffekt einer gesunden, möglichst gut funktionierenden Marktwirtschaft. In diesem Sinne bieten die spanische Verfassung und ihre einfachgesetzliche Umsetzung zahlreiche Lösungsansätze für wirtschaftsverfassungsrechtliche Probleme im deutschen Recht: (1) Durch die Stärkung der Exekutive im Wege einer differenzierteren Rechtsquellenlehre wird mehr Flexibilität bei der Reaktion auf kurzfristig auftretende wirtschaftliche Krisenzeiten geschaffen. (2) Die Verabschiedung konkretisierender Gesetze kann zu einer erhöhten Transparenz und Rechtssicherheit führen, wie die Handhabung des spanischen Subventionsrechts zeigt. (3) Soziale Grundrechte und Leitprinzipien können eine weitergehende Orientierung (im Sinne einer politischen Integration) sowie einen zusätzlichen Ansporn zur Herstellung optimierter sozialer Verhältnisse geben, die in der Gegenwart mehr denn je gefragt sind. Dabei gehen sie nicht zu Lasten der klassischen Freiheitsrechte. Der besondere Stellenwert der faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse sowie das Erfordernis internationaler Wettbewerbsfähigkeit zerstreuen die Befürchtung übermäßiger staatlicher Eingriffe in die freie Wirtschaftstätigkeit. Zudem ergänzen sich soziale Grundrechte und wirtschaftliche Freiheitsrechte weitgehend, indem Erstere gerade dem Interesse der Letzteren dienen. Ohne soziale Verantwortlichkeit kann es keine Chancengleichheit und ohne Chancengleichheit keine wirtschaftliche Freiheit für alle geben. (4) Eine gesetzliche Regulierung der Tarifautonomie führt zu einer effektiveren Vermeidung von Unterversorgung und wirtschaftlich unverhältnismäßigen Schäden. Wie bereits die Statistik über die vergleichsweise Praktizierung der Streikkultur zeigt, wird das Streikrecht durch eine solche Regulierung in keiner Weise nachteilig beeinträchtigt. Der Staat ist in diesem Zusammenhang nach Ansicht des Verfassers verpflichtet, aktiv die notwendige Sicherheit zu gewährleisten und sich nicht nur auf den korrigierenden Eingriff der Rechtsprechung zu verlassen. Dass die spanische Verfassung jedoch über keinen übermäßigen Regulierungsdrang verfügt, zeigen ihre liberalen Tendenzen im Zusammenhang mit der negativen Vereinigungsfreiheit und der Konzeption des servicio público. Sie lernt aus ihren negativen Erfahrungen aus den Zeiten der Diktatur und veranlasst das Verfassungsgericht zu einem sensiblen Umgang mit öffentlichen Zwangsverbänden. Zudem ist sie traditionell offen gegenüber der privaten Beteiligung an der öffentlichen Aufgabenträgerschaft. Wo im deutschen Recht eine Überregulierung bzw. zu ausgefeilte Dogmatik zu einem – Widersprüche erzeugenden – starren Systemdenken führen kann, hält sich
B. Spanische Wirtschaftsverfassung – eine abschließende Beurteilung
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die spanische Verfassungsauslegung entsprechend zurück. Die einfach, jedoch sachgerecht gehaltene Prüfung bzw. Konzeption @ der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Berufsfreiheit (im Gegensatz zur deutschen 3-Stufen-Theorie), @ der Aufhebung von Verwaltungsakten (im Gegensatz zur widersprüchlichen Umsetzung des § 48 III VwVfG, wobei sich das BVerfG zu einer nahezu wortlautverletzenden Auslegung gezwungen sieht) sowie @ der Abgrenzung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung (im Gegensatz zur rein formellen Einordnung im deutschen Recht, die sich einem widersprüchlichen Verhalten durch die Zulassung kompensationsfähiger Inhaltsbestimmungen ausgesetzt sieht) vermeidet eher Widersprüche und führt zu einer unmittelbaren Einzelfallgerechtigkeit. Auch wirkt die spanische Verfassung in manchen Bereichen anpassungsfähiger gegenüber europarechtlichen Entwicklungen und internationalen Verträgen. Art. 10 II CE verhilft zu möglichen Lösungsansätzen, die weiter in das Bewusstsein der öffentlichen Gewalt gerückt werden, ohne dabei einen bestimmten Lösungsweg zwanghaft vorzugeben. Sie trifft mit dieser Mischung aus einer vernünftigen Zurückhaltung einerseits und einer ausdrücklichen, jedoch gemäßigten Verleihung von Eingriffsbefugnissen andererseits – sei es durch konkrete Vorgaben für den Gesetzgeber, sei es durch die Überlassung eines weitgehenden Gestaltungsspielraumes – ein akzentuiertes Verhältnis zwischen individueller wirtschaftlicher Freiheit und gemeinwohlorientierter Beschränkung. Damit löst sie ebenfalls das Spannungsverhältnis zwischen der Erwartung einer detailverbundenen normativen Kraft und ihrer Funktion als entwicklungsoffenen Rahmenordnung. Die gesellschaftliche Akzeptanz der spanischen Verfassung spiegelt sich in ihrer fortdauernden Beständigkeit wider. Innerhalb ihres 35-jährigen Bestehens wurde sie lediglich zweimal reformiert: einmal im Rahmen des Beitritts zur Europäischen Union und einmal jüngst hinsichtlich der Verankerung der Schuldenbremse. Die Verfassungsgeber haben viele deutsche Konzeptionen auf die spanische Verfassung übertragen und gemäß ihrem nationalen Verständnis angepasst. Das Ergebnis ist jedoch wesentlich mehr als lediglich die Zusammenfassung verschiedener fremder Ideen. Sie bietet speziell auf die spanische Wirtschaftsordnung zugeschnittene Lösungsansätze, die nun ihrerseits als brauchbares Vorbild für die Auslegung des Grundgesetzes und mögliche zukünftige Verfassungsreformen dienen können.
Anhang – Auszug aus der Constitución Española PRÄAMBEL Die spanische Nation, von dem Wunsch beseelt, Gerechtigkeit, Freiheit und Sicherheit herzustellen und dem Wohl aller ihrer Bürger förderlich zu sein, verkündet in Ausübung ihrer Souveränität ihren Willen, das demokratische Zusammenleben im Schutze der Verfassung und der Gesetze und im Rahmen einer gerechten Wirtschafts- und Sozialordnung zu gewährleisten; einen Rechtsstaat zu konsolidieren, der die Herrschaft des Gesetzes als Ausdruck des Willens des Volkes gewährleistet; alle Spanier und Völker Spaniens bei der Ausübung der Menschenrechte und bei der Pflege ihrer Kultur und Traditionen, Sprache und Institutionen zu schützen; den Fortschritt von Wirtschaft und Kultur zu fördern, um würdige Lebensverhältnisse für alle zu sichern; eine fortgeschrittene, demokratische Gesellschaft zu errichten; bei der Vertiefung friedlicher und von guter Zusammenarbeit gekennzeichneter Beziehungen zwischen allen Völkern der Erde mitzuwirken. Kraft dessen beschließen die Cortes und ratifiziert das spanische Volk die folgende Verfassung: VORTITEL Artikel 1 1. Spanien konstituiert sich als demokratischer und sozialer Rechtsstaat und bekennt sich zu Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und politischem Pluralismus als obersten Werten seiner Rechtsordnung. Artikel 7 Die Gewerkschaften und Unternehmerverbände verteidigen und fördern die ihnen eigenen wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Ihre Gründung und die Ausübung ihrer Tätigkeit sind im Rahmen der Achtung der Verfassung und des Gesetzes frei. Ihre innere Struktur und ihre Arbeitsweise müssen demokratisch sein. Artikel 9 1. Die Bürger und die öffentlichen Gewalten sind an die Verfassung und die übrige Rechtsordnung gebunden. 2. Den öffentlichen Gewalten obliegt es, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Freiheit und Gleichheit des Einzelnen und der Gruppe, in die er sich einfügt, real und wirksam sind, die Hindernisse zu beseitigen, die ihre volle Entfaltung unmöglich machen oder erschweren, und die Teilnahme aller Bürger am politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben zu erleichtern. 3. Die Verfassung gewährleistet das Prinzip der Legalität, die normative Rangordnung, die Öffentlichkeit der Normen, die Nichtrückwirkung der Sanktionsnormen, die sich ungünstig oder restriktiv auf die Rechte des Einzelnen auswirken, die Rechtssicherheit, die Verantwortlichkeit und das Verbot der Willkür seitens der öffentlichen Gewalten.
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TITEL I – Die Grundrechte und -pflichten Artikel 10 1. Die Würde des Menschen, die ihm zustehenden unverletzlichen Menschenrechte, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung des Gesetzes und der Rechte anderer sind Grundlage der politischen Ordnung und des sozialen Friedens. 2. Die auf die in der Verfassung anerkannten Grundrechte und -freiheiten bezüglichen Normen werden in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den von Spanien ratifizierten internationalen Verträgen und Abkommen über die gleiche Materie ausgelegt. KAPITEL 2 – Rechte und Freiheiten Artikel 14 Die Spanier sind vor dem Gesetz gleich, und niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seines Geschlechtes, seiner Religion, seiner Anschauungen oder jedweder anderer persönlicher oder sozialer Umstände diskriminiert werden. ABSCHNITT 1 – Die Grundrechte und die öffentlichen Freiheiten Artikel 20 1. Folgende Rechte werden anerkannt und geschützt: a) das Recht auf freie Meinungsäußerung und Verbreitung von Gedanken und Meinungen in Wort, Schrift oder jedwedem anderen Medium; (…) d) das Recht auf freie und wahre Berichterstattung sowie deren Empfang über jedwedes Verbreitungsmedium. Artikel 22 1. Das Recht, Vereine zu bilden, wird anerkannt. Artikel 27 1. Alle haben das Recht auf Erziehung. Die Freiheit des Unterrichts wird anerkannt. Artikel 28 1. Alle haben das Recht, sich frei einer Gewerkschaft anzuschließen. (…). Die Gewerkschaftsfreiheit schließt das Recht auf Gründung von Gewerkschaften und auf freien Anschluss an dieselben ein, sowie das Recht der Gewerkschaften, Konföderationen zu bilden und internationale Gewerkschaftsorganisationen zu gründen oder sich solchen anzuschließen. Niemand darf zum Eintritt in eine Gewerkschaft gezwungen werden. 2. Das Recht der Arbeitnehmer auf Streik zur Verteidigung ihrer Interessen wird anerkannt. Das Gesetz zur Regelung der Ausübung dieses Rechtes wird die erforderlichen Garantien zur Sicherung der für die Gemeinschaft wesentlichen Dienste vorsehen.
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Anhang – Auszug aus der Constitución Española ABSCHNITT 2 – Die Bürgerrechte und -pflichten
Artikel 33 1. Das Recht auf Privateigentum und das Erbrecht werden anerkannt. 2. Die soziale Funktion dieser Rechte grenzt ihren Inhalt nach Maßgabe der Gesetze ab. 3. Niemand darf seiner Güter und seiner Rechte enteignet werden, es sei denn aus gerechtfertigten Gründen des öffentlichen Nutzens oder des Interesses der Allgemeinheit sowie gegen entsprechende Entschädigung und nach Maßgabe der Gesetze. Artikel 35 1. Alle Spanier haben die Pflicht zu arbeiten und das Recht auf Arbeit, auf die freie Wahl des Berufes oder Gewerbes, auf sozialen Aufstieg mittels der Arbeit und auf ausreichende Vergütung zur Deckung ihrer Bedürfnisse und derjenigen ihrer Familie. In keinem Fall darf es zu einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts kommen. 2. Das Gesetz wird ein Arbeitnehmerstatut vorsehen. Artikel 36 Das Gesetz wird die Besonderheiten der Rechtsordnung der Berufskammern und die Ausübung der mit Titel versehenen Berufe regeln. Die interne Struktur und Arbeitsweise der Kammern müssen demokratisch sein. Artikel 37 1. Das Gesetz gewährleistet das Recht auf kollektive Verhandlung zwischen den Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sowie die Verbindlichkeit der getroffenen Abkommen. 2. Das Recht der Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf kollektive Arbeitskonfliktmaßnahmen wird anerkannt. Das Gesetz zur Regelung der Ausübung dieses Rechtes wird ungeachtet eventueller Beschränkungen die erforderlichen Garantien zur Sicherung der für die Gemeinschaft wesentlichen Dienste vorsehen. Artikel 38 Die Freiheit des Unternehmens im Rahmen der Marktwirtschaft wird anerkannt. Die öffentlichen Gewalten gewährleisten und schützen die Ausübung dieser Freiheit und die Verteidigung der Produktivität gemäß den Erfordernissen der allgemeinen Wirtschaft und gegebenenfalls der Planung. KAPITEL III – Die Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik Artikel 39 1. Die öffentlichen Gewalten sichern der Familie einen sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Schutz zu. Artikel 40 1. Die öffentlichen Gewalten sorgen im Rahmen einer wirtschaftlichen Stabilitätspolitik für die für den sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt günstigen Voraussetzungen und eine gerechtere Verteilung des regionalen und persönlichen Einkommens. Ganz besonders führen sie eine auf die Vollbeschäftigung ausgerichtete Politik durch.
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2. Die öffentlichen Gewalten fördern gleichfalls eine auf die Gewährleistung der Berufsausbildung und -umschulung zielende Politik; sie sorgen für Arbeitssicherheit und -hygiene und garantieren die notwendige Ruhezeit durch Arbeitszeitbegrenzung sowie regelmäßigen bezahlten Urlaub und die Förderung entsprechender Erholungsstätten. Artikel 41 Die öffentlichen Gewalten unterhalten ein System der Sozialversicherung für alle Bürger, das im Bedarfsfalle ausreichenden Beistand und soziale Leistungen gewährleistet, insbesondere im Falle der Arbeitslosigkeit. Zusätzliche Leistungen sind frei. Artikel 45 1. Alle haben das Recht, eine der Entwicklung der Person förderliche Umwelt zu genießen sowie die Pflicht, sie zu erhalten. Artikel 46 Die öffentlichen Gewalten gewährleisten die Pflege und fördern die Bereicherung des historischen, kulturellen und künstlerischen Erbes der Völker Spaniens und der darin enthaltenen Güter ungeachtet ihres Rechtsstatus und ihrer Trägerschaft. Das Strafgesetz verfolgt jeden Verstoß gegen dieses Kulturgut. Artikel 47 Alle Spanier haben das Recht auf eine würdige und angemessene Wohnung. Die öffentlichen Gewalten fördern die notwendigen Voraussetzungen und setzen die entsprechenden Vorschriften für die Ausübung dieses Rechtes fest. Sie regeln die Bodennutzung im Interesse der Allgemeinheit und zur Verhinderung der Spekulation. Die Gemeinschaft ist am Mehrwert beteiligt, den die Städtebautätigkeit der öffentlichen Einrichtungen erzeugt. Artikel 50 Die öffentlichen Gewalten gewährleisten den Bürgern im vorgerückten Alter mittels angemessener und in regelmäßigem Abstand angepasster Renten ein wirtschaftlich gesichertes Auskommen. Außerdem werden sie mittels eines Systems sozialer Leistungen, die sich auf ihre spezifischen Probleme auf den Gebieten der Gesundheit, Wohnung, Kultur und Muße richten, ungeachtet der familiären Verpflichtungen ihr Wohl fördern. Artikel 51 1. Die öffentlichen Gewalten gewährleisten den Schutz der Verbraucher und Benutzer durch den Einsatz wirksamer Maßnahmen auf den Gebieten der Sicherheit, der Gesundheit und der Verteidigung der legitimen wirtschaftlichen Interessen derselben. 2. Die öffentlichen Gewalten fördern die Information und Erziehung der Verbraucher und Benutzer sowie ihre Organisationen; Letztere werden in allen Fragen, die sie betreffen, nach Maßgabe des Gesetzes gehört. 3. Das Gesetz regelt im Rahmen der Bestimmungen von Absatz 1 und 2 den Binnenhandel und das System der Genehmigung von Handelsprodukten.
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Anhang – Auszug aus der Constitución Española Artikel 52
Das Gesetz regelt die Berufsverbände, die sich für die Verteidigung der ihnen eigenen wirtschaftlichen Interesen einsetzen. Ihre innere Struktur und ihre Arbeitsweise müssen demokratisch sein KAPITEL IV – Die Garantien der Grundfreiheiten und -rechte Artikel 53 1. Die im zweiten Kapitel dieses Titels anerkannten Rechte und Freiheiten sind für alle öffentlichen Gewalten bindend. Nur durch Gesetz, das in jedem Fall ihr Grundgehalt achten muss, kann die Ausübung dieser Rechte und Freiheiten geregelt werden, die gemäß den Bestimmungen von Art. 161, 1 a) geschützt sind. 2. Jeder Bürger kann mittels eines auf dem Vorzugs- und Schnelligkeitsprinzip beruhenden Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten und gegebenenfalls mittels einer Verfassungsbeschwerde (recurso de amparo) vor dem Verfassungsgericht um den Schutz der in Art. 14 und dem ersten Teil des zweiten Kapitels anerkannten Freiheiten und Rechte ersuchen. Letztere Beschwerde ist auf die in Art. 30 anerkannte Wehrpflichtverweigerung aus Gewissensgründen anwendbar. 3. Die Anerkennung und Achtung sowie der Schutz der in Kapitel III anerkannten Prinzipien liegen der positiven Gesetzgebung, der Rechtspraxis und dem Verhalten der öffentlichen Gewalten zugrunde. Sie können vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur nach Maßgabe der diesbezüglichen Gesetze geltend gemacht werden. KAPITEL II – Die Ausarbeitung der Gesetze Artikel 81 1. Organgesetze sind solche Gesetze, die sich auf die Entwicklung der Grundrechte und der öffentlichen Freiheiten beziehen, solche, die die Autonomiestatuten und das allgemeine Wahlsystem billigen, sowie die übrigen Gesetze, die in der Verfassung vorgesehen sind. 2. Die Billigung, Änderung oder Aufhebung der Organgesetze erfordert die absolute Mehrheit des Kongresses bei einer endgültigen Abstimmung über den Gesamtentwurf. Artikel 82 1. Die Cortes Generales können der Regierung die Befugnis erteilen, Normen mit Gesetzesrang über bestimmte in Artikel 81 nicht enthaltene Materien zu erlassen. 2. Die Gesetzgebungsermächtigung muss mittels eines Rahmengesetzes erfolgen, wenn es sich um die Abfassung von Texten in Artikeln handelt, oder mittels eines ordentlichen Gesetzes, wenn es um die Zusammenlegung verschiedener Rechtstexte zu einem einzigen geht. 3. Die Gesetzgebungsermächtigung muss der Regierung ausdrücklich für konkrete Sachgebiete und unter Angabe der für die Ausführung festgesetzten Frist übertragen werden. Die Ermächtigung erlischt, sobald die Regierung die entsprechende Norm veröffentlicht hat. Sie darf nicht als stillschweigend oder als auf unbegrenzte Zeit erteilt verstanden werden. Sie erlaubt ebenso wenig eine Weiterübertragung an behördliche Instanzen, die nicht mit der Regierung identisch sind. 4. Die Rahmengesetze grenzen das Ziel und die Reichweite der Gesetzgebungsermächtigung sowie die Grundsätze und Kriterien, denen bei ihrem Gebrauch zu folgen ist, genau ab.
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5. Die Genehmigung für die Zusammenlegung von Rechtstexten bestimmt den normativen Bereich, auf den sich der Inhalt der Ermächtigung bezieht, und legt im Besonderen fest, ob sie sich auf die bloße Formulierung eines einzigen Textes erstreckt oder ob sie auch die Regelung, Klärung und Harmonisierung der Rechtstexte einschließt, die zusammenzulegen sind. 6. Unbeschadet der Zuständigkeit der Gerichte können die Ermächtigungsgesetze in jedem Fall zusätzliche Kontrollmöglichkeiten festlegen. Artikel 83 Die Rahmengesetze dürfen in keinem Fall: a) eine Abänderung des Rahmengesetzes selbst billigen, b) die Befugnis für den Erlass von rückwirkenden Normen erteilen. Artikel 85 Die Verfügungen der Regierung, die eine delegierte Gesetzgebung beinhalten, werden als gesetzgebende Verordnungen (decretos legislativos) bezeichnet. Artikel 86 1. Im Falle einer außerordentlichen und dringenden Notwendigkeit kann die Regierung provisorische gesetzgebende Verfügungen in Form von Gesetzesverordnungen (Decretosleyes) erlassen, die sich jedoch nicht auf die Ordnung der grundlegenden Institutionen des Staates, auf die in Titel 1 geregelten Rechte, Pflichten und Freiheiten der Bürger, auf die Ordnung der Autonomen Gemeinschaften oder auf das allgemeine Wahlrecht beziehen dürfen. 2. Die Gesetzesverordnungen müssen unverzüglich dem Kongress vorgelegt werden, der hierzu einberufen wird, sofern er sich nicht in einer Sitzungsperiode befindet, und müssen innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Verkündigung einer Debatte und Gesamtabstimmung unterworfen werden. Der Kongress muss sich innerhalb dieser Frist ausdrücklich über die Bestätigung oder Aufhebung äußern. Zu diesem Zweck sieht die Geschäftsordnung ein summarisches Sonderverfahren vor. 3. Innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist können die Cortes die Gesetzesverordnungen im Eilverfahren wie Gesetzesentwürfe behandeln. TITEL IV – Regierung und Verwaltung Artikel 97 Die Regierung leitet die Innen- und Außenpolitik, die Zivil- und Militärverwaltung und die Verteidigung des Staates. Ihr obliegt die exekutive Funktion und die Verordnungsgewalt gemäß der Verfassung und den Gesetzen. Artikel 103 1. Die öffentliche Verwaltung dient in objektiver Weise dem Interesse der Allgemeinheit und handelt in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Wirksamkeit, Hierarchie, Dezentralisierung, Entkonzentrierung und Koordination, wobei sie voll dem Gesetz und dem Recht unterliegt.
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Anhang – Auszug aus der Constitución Española Artikel 106
1. Die Gerichte kontrollieren die Verordnungsgewalt und Gesetzmäßigkeit der Verwaltungshandlungen sowie die Unterwerfung der Letzteren unter die Zwecke, die sie rechtfertigen. 2. Privatpersonen haben gemäß den Gesetzesbestimmungen, außer in Fällen höherer Gewalt, das Recht auf Entschädigung eines jeden Schadens, der ihren Gütern und Rechten zugefügt wird, vorausgesetzt, dass der Schaden Folge der Tätigkeit der öffentlichen Dienste ist. TITEL VII – Wirtschaft und Finanzen Artikel 128 1. Der gesamte Reichtum des Landes in seinen verschiedenen Formen und unbeschadet seiner Trägerschaft ist dem allgemeinen Interesse untergeordnet. 2. Die öffentliche Initiative im Wirtschaftsleben wird anerkannt. Durch Gesetz können der öffentlichen Hand wesentliche Mittel oder Dienste gesichert werden, besonders im Falle eines Monopols; ebenso kann das Eingreifen in Unternehmen beschlossen werden, wenn das allgemeine Interesse dies erforderlich machen sollte. Artikel 129 1. Das Gesetz legt die Formen der Beteiligung der Interessierten an der sozialen Sicherheit und an der Tätigkeit derjenigen öffentlichen Organen fest, deren Funktion sich direkt auf die Lebensqualität oder das Allgemeinwohl richtet. 2. Die öffentlichen Gewalten fördern die verschiedenen Formen der Beteiligung innerhalb der Unternehmen sowie die Genossenschaften mittels der entsprechenden Gesetzgebung. Sie sehen ebenfalls die Mittel vor, die den Arbeitnehmern den Zugang zum Eigentum an den Produktionsmitteln ermöglichen. Artikel 130 1. Die öffentlichen Gewalten sorgen für die Modernisierung und Entwicklung aller Wirtschaftsbereiche, insbesondere der Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei und des Handwerks wegens, um den Lebensstandard aller Spanier einander anzugleichen. 2. Dem gleichen Zweck dient eine Sonderbehandlung der Gebirgszonen. Artikel 131 1. Der Staat kann mittels Gesetz die allgemeine Wirtschaftstätigkeit planen, um die kollektiven Bedürfnisse zu decken, die Entwicklung der Regionen und Sektoren auszugleichen und zu harmonisieren und das Wachstum des Einkommens und des Reichtums sowie deren gerechtere Verteilung zu fördern. 2. Die Regierung arbeitet gemäß den ihr von den Autonomen Gemeinschaften vorgelegten und aus der Beratung und Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und anderen Berufs-, Unternehmer- und Wirtschaftsverbänden hervorgegangenen Vorschlägen die Planungsprojekte aus. Zu diesem Zweck wird ein Rat gegründet, dessen Zusammensetzung und Funktionen durch Gesetz geregelt werden.
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Artikel 132 1. Das Gesetz regelt die Rechtslage des Staats- und des Gemeindebesitzes, und zwar unter Achtung der Prinzipien der Unveräußerlichkeit, Unverjährbarkeit und Unpfändbarkeit, sowie seine Entwidmung. 2. Zum Staatsbesitz gehört, was das Gesetz bestimmt; in jedem Fall die Küstenzone, Strände, Hoheitsgewässer und die natürlichen Hilfsmittel des Wirtschaftsgebietes und des Festlandsockels. 3. Das Gesetz regelt das Staats- und das Nationalvermögen, ihre Verwaltung, ihren Schutz und ihre Erhaltung. Artikel 135 1. Die öffentliche Verwaltung passt alle ihre Handlungen dem Grundsatz der Haushaltsstabilität an. 2. Der Staat und die Autonomen Gemeinschafen dürfen nicht über ein strukturelles Defizit verfügen, welches den von der Europäischen Union für die Mitgliedstaaten gesetzten Rahmen überschreitet. Ein Organgesetz setzt die dem Staat und den Autonomen Gemeinschaften gewährten Obergrenzen für das strukturelle Defizit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt fest. Die lokalen Gebietskörperschaften müssen einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen. 3. Der Staat und die Autonomen Gemeinschaften bedürfen für die Aufnahme von Schulden einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Die Kreditaufnahme zur Begleichung des Zinsen und des Kapitals der öffentlichen Schuld verstehen sich immer als Ausgabenposten im Rahmen des Haushalts. Ihre Rückzahlung ist von oberster Priorität. (…). Die Summe der öffentlichen Schulden aller öffentlicher Gewalten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt dürfen nicht den durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgesetzten Referenzwert übersteigen. 4. Die Obergrenze des strukturellen Defizits und der öffentlichen Schuld darf lediglich in den Fällen einer Naturkatastrophe, einer wirtschaftlichen Rezession oder in Situationen eines außergewöhnlichen Notfalls, der der Kontrolle des Staates entgleitet und der erheblich der finanziellen Situation, der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit oder dem Sozialstaat schadet, überschritten werden. Dafür bedarf es der Bestätigung einer absoluten Mehrheit der Abgeordneten des Parlaments. 5. Ein Organgesetz entwickelt die in diesem Artikel festgelegten Grundsätze. (…). In jedem Fall bestimmt es: a) Die Festlegung der jeweiligen Obergrenzen für das strukturelle Defizit und die öffentliche Schuld, die Ausnahmevoraussetzungen hierfür (…). b) Die Methodik und das Verfahren für die Berechnung des strukturellen Defizits. c) Die Verantwortlichkeit der jeweiligen öffentlichen Verwaltung im Falle der Nichterfüllung der Ziele im Zusammenhang mit der Haushaltsstabilität. (…)
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Anhang – Auszug aus der Constitución Española TITEL IX – Das Verfassungsgericht
Artikel 161 1. Das Verfassungsgericht ist für das gesamte spanische Gebiet zuständig und besitzt Entscheidungsbefugnis in folgenden Fällen: a) Verfassungsbeschwerden wegen Verfassungswidrigkeit von Gesetzen und rechtskräftigen normativen Bestimmungen. Die Erklärung der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm mit Gesetzesrang, die von der Rechtsprechung ausgelegt worden ist, besitzt Wirkung auf Letztere; ergangene Entscheidungen verlieren jedoch nicht den Wert einer rechtskräftig entschiedenen Sache. b) Verfassungsbeschwerden wegen Verletzung der in Artikel 53.2 dieser Verfassung enthaltenen Rechte und Freiheiten (recurso de amparo), und zwar in den vom Gesetz vorgesehenen Fällen und Formen. Artikel 162 1. Ermächtigt sind: a) für die Einlegung der Verfassungsbeschwerde der Regierungspräsident, der Volksverteidiger, fünfzig Abgeordnete, fünfzig Senatoren, die ausführenden Kollegialorgane der Autonomen Gemeinschaften und gegebenenfalls die Versammlungen derselben; b) für die Einbringung der Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung von Rechten und Freiheiten (recurso de amparo) alle natürlichen oder juristischen Personen, die ein legitimes Interesse anführen, sowie der Volksverteidiger und die Staatsanwaltschaft. Artikel 163 Wenn ein rechtsprechendes Organ in einem Verfahren der Ansicht ist, dass eine auf den entsprechenden Fall anwendbare Norm mit Gesetzesrang, von deren Gültigkeit der Urteilsspruch abhängt, verfassungswidrig sein könnte, bringt es die Frage vor das Verfassungsgericht, und zwar gemäß den Voraussetzungen, in der Form und mit den Auswirkungen, die das Gesetz vorsieht und die keinesfalls aufhebenden Charakter haben können.
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Sachverzeichnis 3-Stufen-Theorie 33, 49 ff., 137, 140 ff., 193 alternativer Gebrauch des Rechts 182 Altershöchstgrenze 85 antimonopolistische Gesetzgebung 150 Anwendungsvorrang 56 f. Arbeitskonfliktmaßnahmen 33, 54, 159 f., 162 ff., 194 f. Außerrechtliche Faktoren 30 Aussperrung 104, 163 f., 195 Autonome Gemeinschaften 63, 65, 69, 92, 110, 127 Bankenrestrukturierung 65 Basisgrundrechte 115, 120 Benchmarking 22 Benetton-Entscheidung 52, 171, 196 Berufsausübungsregelung 49, 137 ff., 139 ff. Berufsfreiheit 20, 33 f., 46, 48 ff., 84, 87, 119, 137 ff., 160, 176 ff., 193 Berufskammern 137, 141, 160 Berufsmonopol 53 Berufswahl 33, 49 f., 137 ff., 139 ff., 181 Berufszulassungsschranken 137 ff. Bestandsschutz 39, 75, 187, 197 Beurteilungsspielraum 34, 75, 125, 130 ff., 174 ff., 187 Bodenreform 119 Constitución Española 27, 32 Daseinsvorsorge 33, 51, 149 ff., 166, 193 f. deutsche Wirtschaftsverfassung 35 ff. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse 33, 51, 149 ff. Diskriminierungsverbot 71, 135 f., 173 ff., 182 Drittwirkung 20, 164
Eigentumsfreiheit 21, 115, 118 ff., 131, 134 f., 145, 176, 191 f., 196 f. Eigentumsordnung 27, 47, 134 f. Einschätzungsprärogative 40, 125, 130, 178 empirische Methode 29 Enteignung 33, 46 ff., 77, 118 ff., 128, 131 ff, 174 ff., 191 f., 199 Erfüllungsverantwortung 51, 151, 194 EU-Grundrechte-Charta 56 Finanzmarktstabilisierungsgesetz 37 Franco 27, 31, 32, 60, Französische Verfassungstradition 26 f. funktionelle Methode 29 gefährdungsbestimmende Reihenfolge 45, 114 Geldwertstabilität 32, 112, 114 gerechte Verteilung des Einkommens 45, 109 f., 113, 145 f., 156 gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 44 gesetzesgleiche Verordnungen (Decretosleyes) 64 ff. gesetzesvertretende Verordnungen (Decretos-legislativos) 67 ff. Gesetzesvorbehalt 36 ff., 61 ff., 67, 70, 80, 115, 118, 139, 143, 185 f., 193 gesetzgeberisches Unterlassen 82 f. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 36, 60 ff. gestión directa 151, 194 gestión indirecta 150 f., 194 Gewährleistungsverantwortung 51, 151, 194 Gewaltenteilungsprinzip 43, 66 Gewinnmitnahme 147 Gleichheitsrechte 33 f. Gleichstellung von Männern und Frauen 34, 57, 183 f. grundrechtssensibler Bereich 38 Grundsätze des Berufsbeamtentums 165, 195
Sachverzeichnis Härtefallklausel 127, 132 Haushaltsgesetz 38, 44, 81, 96, 155, 186 Haushaltsplan(ung) 37 f., 71, 110, 156 Hierarchieprinzip 18 Immobilienblase 22 Inhalts- und Schrankenbestimmungen 46 ff. inkongruentes Marktverhalten 147, 193 Intervention des Staates 146 ff., 155 ff., 159 ff. Investitionshilfeentscheidung 35 f., 59 judicial self-restraint 43 Jugendarbeitslosigkeit 85, 176, 188 Junktim-Klausel 47, 118, 131 ff. Justiziabilität 59, 81 f., 86 keynesianische Konjunkturpolitik 44 klassische Freiheitsrechte 32, 102, 189 Koalitionsfreiheit 54, 159, 163 kommerzielle Werbung 52 f., 170 ff. Kommunikationsfreiheit 33, 115, 159 Kontrolldichte 66, 81, 93, 180 f., 196 konzertierte Aktionen 65, 157 f. Kündigungsschutzgesetz 86 Ladenöffnungszeiten 145 lakonisch 32, 35, 42, 78, 86, 91, 100, 107, 144, 146, 190 Landesverfassungen 28 Lehre von den Rechtskreisen 25 Leistungsverwaltung 37 f., 61, 70, 151, 185 f. Leyes Ordinarias 62 ff. Leyes Orgánicas 62 ff. Lissaboner Vertrag 56 magisches Viereck 44 f. Makrovergleichung 25, 28 f. marktwirtschaftliche Gestimmtheit 30, 197 materiebezogene Relativität der Rechtskreisbildung 26 Methodik der Rechtsvergleichung 23 ff. Mikrovergleichung 25, 28 Mindestpreisregelungen 136 Mindeststandards 81, 96, 101, 105, 107, 109, 187, 189 Mixed Economy 57
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Nassauskiesungsbeschluss 46 ff., 25 f., 132 normative Kraft des Faktischen 31, 43, 102, 189 Notverordnung 66 Numerus-Clausus-Urteil 43 obligatorische Mitgliedschaft 159 ff., 194 öffentliche Initiative 144 ff. öffentliche Unternehmen 148 öffentliche Zwangsverbände 33, 53, 194, 198 ökonomischer Vertrauensschutz 38 f., 61, 72 ff., 185 Optimierungsmethode 22 Orientierungsgrundrechte 79, 84, 115, 187 Pakt von Toledo 158 Pflegeversicherung 43 Pflicht zu arbeiten 86 ff., 188 Pflichtexemplar-Entscheidung 48 Preisstabilität 45 Privatrechtsvergleichung 23 Quotenregelungen 55, 102, 183 ff., 196 f. Recht auf Arbeit 31, 78, 84 ff., 102, 129, 138, 187, 193 Recht auf ausreichende Vergütung 88 ff., 188 Recht auf berufliches Fortkommen 32, 84, 88 ff., 188 rechtliche Effektivität 32, 43, 79 ff., 91, 103, 113, 187 Rechtsanwendungsgleichheit 173 Rechtsetzungsgleichheit 173 Rechtskreisbildung 25 ff. Rechtssicherheit 39, 43 f., 47, 54, 72 ff., 79, 105, 107, 131 f., 155, 166, 186, 190, 195, 198 Rechtsstaatsprinzip 21, 32, 36, 38 f., 58, 60 f., 76, 105, 186 Rechtsvereinheitlichung 21 Renteneintrittsalter 85 f., 111, 158, 176 f., 179, 188 Rückwirkungsverbot 72 ff. Rumasa 120 ff., 131, 174 f., 191 f. Schuldenkrise 22 Schutzpflicht des Staates 34, 180 ff., 196
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Sachverzeichnis
Selbstverwaltungskörperschaften 69, 147, 162 servicio público 41, 146, 149 ff., 193 f., 198 Sonderopfer 47 f., 122, 124 f. Sozialbindung des Eigentums 46, 117 ff., 123, 175 soziale Grundrechte 31, 102 ff., 191, 198 soziale Leitprinzipien 32, 78 ff. sozialer Rückschritt 93, 95 ff. sozialer und wirtschaftlicher Fortschritt 86 f., 109 f., 129 Sozialisierung 30, 48, 118, 135 Sozialpolitik 28, 31, 57 ff., 146 Sozialstaatsprinzip 32, 41 f., 45, 78 f., 82, 88, 90, 97, 103 ff., 107, 109, 115, 187 f. Sozialstandard 32, 79, 91 ff., 188 f. Sozialversicherungssystem 32, 42, 68, 78, 81, 84, 91, 93 ff., 108, 158, 189 Staatsverschuldung 113 Stabilitätsgesetz 45, 109, 114, 157 Streikrecht 54, 104, 159, 163 ff., 194 f., 198 subjektives Recht 84, 90, 120, 160 Subsidiaritätsprinzip 147 ff., 193 Subventionen 37 f., 71, 73, 111, 154 Suspensiveffekt 115, 123 Tarifautonomie 89, 159, 163, 168, 188, 195, 198 Totalvorbehalt 37, 70 Tribunal Constitucional 20, 58, 65, 72, 102, 106, 108, 115 Tribunal Supremo 70, 73, 111 Umlageverfahren 158 untergesetzliche Verordnungen (Reglamentos) 69 ff. Unternehmensfreiheit 33, 50 ff., 58, 64, 67, 69, 85, 115 f., 129, 134, 144 ff., 183, 188 f., 193 f. Untersuchungsgegenstand 17 ff.
Verbraucherschutz 32, 40, 42, 78, 91, 97 ff., 145, 189, Verbraucherschutzvereinigungen 83 Verdrängungswettbewerb 147, 193 Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen 33, 53 Vereinigungsfreiheit 21, 33, 53 ff., 63, 103, 159 ff., 170, 194 Verfassungsgebung 20 f., 27, 119 verfassungsgerichtlich dynamisierte Sozialstaatsverfassung 43 Verfassungsprinzipien 20 f., 35 f., 58, 72, 104, 115 Vergütungspolitik 40 Verhältnismäßigkeits(prinzip) 39 f., 50 Vollbeschäftigungspolitik 85, 87, 110 f., 114, 145, 188 Vorbehalt des Gesetzes 36, 54, 61, 76 ff., 127, 129 f., 137 ff., 164, 166, 174, 176 f., 192 f., 199 Vorrang des Primärrechtsschutzes 47, 131 f. Vorzugs- und Schnelligkeitsprinzip 115 Wasserhaushaltsgesetz 33, 125 f. Weimarer Reichsverfassung 28, 35, 41 Wesentlichkeitstheorie 36, 38 Wettbewerbsordnung 135 Wirtschaftskrise 22, 37, 65, 90, 92, 101, 189 Wirtschaftsplanung 33, 144, 146, 157 Wirtschaftspolitische Neutralität 35, 48, 59 Wirtschaftsverfassung 17 ff. Wirtschaftsverwaltungsrecht 19, 36, 50 Zweck der Rechtsvergleichung 19 ff.