Die Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungs- und Befristungsrecht [1 ed.] 9783428555048, 9783428155040

Im Zivilrecht kann eine Selbstbindung rechtsgeschäftlich (durch eine Willenserklärung) oder außerrechtsgeschäftlich (ohn

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Die Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungs- und Befristungsrecht [1 ed.]
 9783428555048, 9783428155040

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 350

Die Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungs- und Befristungsrecht

Von

Maria Kleinert

Duncker & Humblot · Berlin

MARIA KLEINERT

Die Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsund Befristungsrecht

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 350

Die Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungs- und Befristungsrecht

Von

Maria Kleinert

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-15504-0 (Print) ISBN 978-3-428-55504-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85504-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner dreijährigen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn am Lehrstuhl von Herrn Professor Dr. Stefan Greiner. Die Untersuchung wurde im Herbst 2017 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden somit bis einschließlich September 2017 berücksichtigt. Die Disputatio erfolgte am 1. 2. 2018. Hiermit möchte ich von Herzen allen Personen danken, die mich auf diesem herausfordernden Weg unterstützend begleitet haben. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Stefan Greiner, für seine engagierte Betreuung und für die sehr gute wissenschaftliche Zusammenarbeit am Lehrstuhl. Des Weiteren möchte ich mich herzlich bei Herrn Professor Dr. Thomas Kania für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Professor Dr. Matthias Lehmann für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission bedanken. Weiterhin möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl als auch im Institut bedanken, die wesentlich dazu beigetragen haben, dass ich mich gerne an meine Promotionszeit erinnern werde. Die gemeinsamen Mittagessen und Spaziergänge am Rhein waren notwendige und hilfreiche Nachdenkpausen. Insbesondere danke ich unserem Doktorandenseminar für die äußerst wertvollen Diskussionen und Anregungen. Ein tiefer Dank gebührt meinen Korrekturlesern; insbesondere meinem Institutskollegen und Freund Joachim Wenning, der durch das sorgfältige Korrekturlesen mir in hohem Maße beim Gelingen der Arbeit geholfen hat. Mein größter Dank gilt meiner Familie (insbesondere meinen Eltern, meinen Schwiegereltern, meiner Schwester, meinem Schwager und vor allem meinem Ehemann), die mir auch in diesem Lebensabschnitt durch ihre Liebe und Unterstützung viel Kraft gegeben hat, an das Gelingen der Arbeit fest zu glauben. Ihr widme ich diese Arbeit. Bonn, den 14. 5. 2018

Maria Kleinert

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B.

Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Rechtsgeschäftliche Selbstbindung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Willenserklärungen und Auslegungsgrundsätze  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Allgemein .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 aa) Vertrauensschutz bei der Auslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 bb) Fehlendes Erklärungsbewusstsein  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Allgemeine Geschäftsbedingungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 aa) Allgemeine Auslegung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 bb) Unklarheitenregel  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 cc) Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Rücksichtnahmepflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Erklärungen gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern  .. . . . . . . . . . 37 a) Gesamtzusage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Betriebliche Übung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 c) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 d) Normative Kollektivregelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Betriebsvereinbarungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Tarifverträge  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Venire contra factum proprium  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Spezialfall Verwirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Zeit- und Umstandsmoment  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Abgrenzung zum Verzicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz  .. . . . . . . . 52 a) Einordnung als außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung  .. . . . . . . . . . 53 b) Abgrenzung zur betrieblichen Übung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Culpa in contrahendo  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Mögliche Schutzlücken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

C.

Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigungbei Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Inhaltsverzeichnis

8

1.

Verhalten gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer  . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Derselbe Kündigungssachverhalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Rechtsgeschäftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (1) Grundlagen und Einordnung des Verzichts auf das Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (2) Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht durch Ausspruch einer ordentlichen Kündigung  . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (3) Verzicht auf das Kündigungsrecht durch eine Abmahnung  69 (a) Kritik seitens Raab  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (b) Vorbehalt einer Kündigung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (c) Rechtsnatur der Abmahnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (d) Anfechtung des Verzichts durch den Arbeitgeber  .. 75 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (4) Verzicht auf das Kündigungsrecht durch eine Ermahnung  76 (5) Verzicht durch eine reine Nichtausübung des Kündigungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Außerrechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Verzeihung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Verwirkung durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (a) Außerordentliche Kündigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (b) Ordentliche Kündigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (aa) Zeitmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 (bb) Umstandsmoment  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (cc) Fehlende Daseinsberechtigung neben dem Verzicht auf das Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . 84 (α) Untauglichkeit der Kenntnis als Abgren­ zungskriterium  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (β) Fehlende Schutzlücken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (3) Sonstiges widersprüchliches Verhalten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (a) Vorherige Widersetzung gegenüber der Arbeit­ nehmerkündigung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (b) Vorherige Äußerung der Zufriedenheit  . . . . . . . . . . . . . 89 (c) „Rücknahme“ der ersten Kündigung und Versetzung  89 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Gleichartige Kündigungssachverhalte in der Zukunft  . . . . . . . . . . . . . 90 aa) Rechtsgeschäftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (1) Vorausverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (a) Auf das außerordentliche Kündigungsrecht  . . . . . . . . 90 (b) Auf das ordentliche Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . 91 (2) Abmahnungspraxis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Inhaltsverzeichnis

9

(3) Durch eine Ermahnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Außerrechtsgeschäftlich: Fehlende Schutzlücke  .. . . . . . . . . . . . . 94 c) Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Verhalten gegenüber mehreren Arbeitnehmern  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Ausdrückliche Selbstbindung durch abstrakte Verfahrensrichtlinien  97 aa) Rechtsgeschäftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (1) Festlegung milderer Mittel oder von Ausnahmen der Ent­ behrlichkeit einer Abmahnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (a) Festlegung milderer Mittel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (b) Festlegung von Ausnahmen der Entbehrlichkeit einer Abmahnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (c) Einordnung als Gesamtzusage bei außerhalb von Betriebsvereinbarungen erfolgten Festlegungen  . . . . 100 (d) Grundsätzlich kein unwirksamer Vorausverzicht  . . . 101 (2) Amnestieregelungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Außerrechtsgeschäftlich: Anwendbarkeit des Gleich­ behandlungsgrundsatzes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Absehen von einer Kündigung bei anderen Arbeitnehmern  . . . . . . . . 106 aa) Zeitgleiche Sachverhalte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (1) Rechtsgeschäftlich: Verzicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 (2) Außerrechtsgeschäftlich: Gleichbehandlungsgrundsatz bei herausgreifenden Kündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (a) Schutzlücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (b) Vergleichbare Lage  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Nicht zeitgleiche Sachverhalte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Rechtsgeschäftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (a) Abgrenzung zur Anspruchsgewährung  .. . . . . . . . . . . . 110 (b) Verzicht auf das Kündigungsrecht  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (2) Außerrechtsgeschäftlich: Fehlende Schutzlücke  .. . . . . . . . . 115 c) Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungs­erklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Eingrenzung der Fallgruppe und Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Entstehungszeitpunkt der Gründe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Kenntnis des Arbeitgebers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Erforderlichkeit einer Betriebsratsanhörung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Nachschieben bekannter und dem Betriebsrat nicht mitge­teilter Gründe  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Nachschieben bekannter und dem Betriebsrat mitgeteilter Gründe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Nachholen, Ergänzen oder Auswechseln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 e) Mischtatbestand oder verschiedene Kündigungssachverhalte  .. . . . . 127

10

Inhaltsverzeichnis f) Materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Unzulässigkeit  . . . . . . 128 g) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. LAG Mecklenburg-Vorpommern 22. 1. 2015 – 5 Sa /89/14  . . . . . . . . . . . . 129 3. Rechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Hinsichtlich des Kündigungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Nachträgliche Vereinbarung einer Begründungspflicht  . . . . . . 132 cc) Verzicht auf andere bekannte Kündigungsgründe  . . . . . . . . . . . . 132 (1) Vorrangige Prüfung Verzicht  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (2) Verlangen eindeutiger Anhaltspunkte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Verzicht auf das Nachschieberecht  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Verzichtbarkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht  . . . . . . . . . . . . 137 (1) Durch die Angabe von Kündigungsgründen in der Kündigungserklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Durch eine Nichtausübung des Nachschieberechts  . . . . . . . 140 cc) Konsequenzen eines konkludenten Verzichts auf das Nachschieberecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Keine unbillige Schlechterstellung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Auslegung der Nachschiebeerklärung als neue Kündi­ gungserklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Außerrechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Verwirkung bei einer außerordentlichen Kündigung  .. . . . . . . . . . . . . . 145 b) Verwirkung des ordentlichen Kündigungsrechts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Verwirkung des Nachschieberechts bei einer ordentlichen Kündi­gung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Verwirkbarkeit des Nachschieberechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Zeitmoment  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Orientierung an einer Verjährungsfrist  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (2) Orientierung an § 124 BGB  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (3) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 cc) Umstandsmoment .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 dd) Fehlende Schutzlücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Auswechseln von Kündigungsgründen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 aa) Völlig anderer Charakter  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (1) Vorgehensweise des BAG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) Vorgehensweise unterer Instanzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (3) Kritik an der Vorgehensweise der Rechtsprechung  . . . . . . . 159 bb) Anderer Charakter auch bei einer Ergänzung  . . . . . . . . . . . . . . . . 161 cc) Bekannte und nachträglich bekannt gewordene Gründe  . . . . . . 162 dd) Schutzwürdiges Vertrauen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Inhaltsverzeichnis

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ee) Fehlende Schutzlücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Vergleich mit der Zulassung des Nachschiebens von Anfechtungs­gründen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 6. Sonderfall: Die selbstbindende Unternehmerentscheidung  . . . . . . . . . . . 166 a) Selbstbindung im Prozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Selbstbindung durch die Angabe von außerbetrieblichen Faktoren bereits in der Kündigungserklärung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Zwischenergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 7. Exkurs: Einführung einer allgemeinen schriftlichen Begründungs­ obliegenheit oder einer Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers  . . . . 171 a) Einführung einer allgemeinen schriftlichen Begründungsoblie­genheit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Vergleich mit gesetzlichen Sonderregelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (1) § 22 Abs. 3 BBiG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Zweck des § 623 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Einführung einer Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers  . . . . . . . . 177 8. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Selbstbindung durch positive Zwischenzeugnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Rechtsgeschäftlich: Verzicht auf das Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Außerrechtsgeschäftlich: venire contra factum proprium  .. . . . . . . . . . . . 186 a) LAG Bremen 22. 11. 1983 – 4 Sa 167/82  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Fehlende Schutzlücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Anderweitige Berücksichtigung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 IV. Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigungbei betriebsbedingten Kündigungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Weiterbeschäftigung in einem ausländischen Betrieb desselben Unternehmens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Nachträgliche Vereinbarung einer Versetzungsklausel  . . . . . . . . . . . . . 194 c) Verhalten gegenüber mehreren Arbeitnehmern  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Rechtsgeschäftlich: betriebliche Übung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Außerrechtsgeschäftlich: Gleichbehandlungsgrundsatz  . . . . . . 195 2. Weiterbeschäftigung in anderen Konzernunternehmen  .. . . . . . . . . . . . . . 196 a) Eingrenzung der Fallgruppe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Rechtsgeschäftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 aa) Ausdrücklich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (1) Bei Vertragsschluss  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (2) Bei Ausspruch der Kündigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 bb) Konkludent  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

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Inhaltsverzeichnis (1) Konzernversetzungsklausel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (a) Einordnung als konkludente rechtsgeschäftliche Selbstbindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (b) Arbeitgeber mit Durchsetzungsmacht  . . . . . . . . . . . . . . 207 (c) Arbeitgeber ohne Durchsetzungsmacht  . . . . . . . . . . . . 209 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Abordnungsklausel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (3) Anfechtung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (4) Stellenanzeigen und Marketing  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (5) Tatsächliche Beschäftigung in einem anderen Konzern­ unternehmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (6) Betriebliche Übung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (7) „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers bei einem Arbeits­verhältnis ohne Konzernbezug  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (a) Allgemeine „Fürsorgepflicht“ eines Konzernunternehmens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (b) Kenntnis der Bereiterklärung eines anderen Konzernunternehmens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Außerrechtsgeschäftlich .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 aa) Unwirksame Versetzungs- oder Abordnungsklausel  . . . . . . . . . 221 bb) Tatsächliche Beschäftigung in einem anderen Konzern­ unternehmen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 cc) Gleichbehandlung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 dd) Konzerninterne Gründe  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 d) Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats als Rückausnahme  . . . 229 e) Ablehnung von Gefahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 f) Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

D.

Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung  . . . . . 234 1. Rechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Einseitiger Verzicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Abbedingung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Vom BAG ausnahmsweise bejahte konkludente Abbe­dingung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Widersprüchliche ablehnende Rechtsprechung des BAG  . . . . . 240 cc) Kritik an der Forderung weiterer Indizien neben dem eindeutigen Wortlaut  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (1) Bedeutung des Wortlauts und der Interessenlage  . . . . . . . . . 242 (2) LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14  . . . . . . . . . . . . . . . 246 (3) Vergleich mit der Rechtsprechung zu Bezugnahme­klauseln auf tarifvertragliche Zitiergebote  .. . . . . . . . . . . . . . . 248

Inhaltsverzeichnis

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(4) Bezugnahme auf eine vorherige Angabe einer Befris­ tungsgrundlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (5) Angabe der Grundlage in einem Vermerk  . . . . . . . . . . . . . . . . 249 dd) Anfechtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (1) Anfechtungsgrund .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (2) Fristbeginn .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (3) Teilanfechtung und Rechtsfolgen der Anfechtung  . . . . . . . . 253 c) AGB-rechtliche Auslegung und Transparenz  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Allgemeine AGB-rechtliche Auslegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) § 305 c Abs. 2 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 cc) Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 dd) § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Außerrechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Exkurs: Einführung eines Zitiergebots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Vergleich mit dem Kündigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigungnach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Rechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Rechtsprechung des BAG seit 2008  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Art des Rechtsgeschäfts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Betriebliche Übung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 2. Außerrechtsgeschäftlich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 a) Rechtsprechung des BAG vor 2008  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 b) Kritik an der alten Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 aa) Keine unzulässige Rechtsausübung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 bb) Kein Anspruch auf Vertragserfüllung durch ein Verschulden bei Vertragsschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 cc) Fehlende Schutzlücke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 c) Gleichbehandlungsgrundsatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 E. Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Sachverzeichnis  ............................................................................................................. 310

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

a. A. anderer Auffassung Abs. Absatz Abschn. Abschnitt AcP Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) AE Arbeitsrechtliche Entscheidungen a. F. alte Fassung AGB Allgemeine Geschäftsbedingung AGBG AGB-Gesetz AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Allg. Allgemein Alt. Alternative Anm. Anmerkung AP Arbeitsrechtliche Praxis (Entscheidungssammlung) APS Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht ArbG Arbeitsgericht ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz ArbR Arbeitsrecht ArbRAktuell Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) ArbSchG Arbeitsschutzgesetz Art. Artikel AT Allgemeiner Teil AuA Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Aufl. Auflage AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AuR Arbeit und Recht (Zeitschrift) ausf. ausführlich BAG Bundesarbeitsgericht BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts BAT Bundesangestellten-Tarifvertrag BAT-O Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts BB Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) BBiG Berufsbildungsgesetz Bd. Band BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS Beck-Rechtsprechung Begr. Begründer BeschFG Beschäftigungsförderungsgesetz BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch

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BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BT-Drs Drucksachen des Deutschen Bundestages BTM Backmeister/Trittin/Mayer, Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz BUrlG Bundesurlaubsgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa CCZ Corporate Compliance Zeitschrift cic culpa in contrahendo DB Der Betrieb (Zeitschrift) ders. derselbe DFL Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, Fachanwaltskommentar Arbeitsrecht DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) e. A. eine Auffassung Einf. Einführung Einl. Einleitung ErfK Erfurter Kommentar EuGH Europäischer Gerichtshof EzA Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht EzB Entscheidungssammlung zum Berufsbildungsrecht EzTöD Entscheidungssammlung zum Tarifrecht im öffentlichen Dienst f. folgende FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht FD-ArbR Fachdienst Arbeitsrecht (Zeitschrift) ff. fortfolgende Fn. Fußnote FS Festschrift gem. gemäß GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls grds. grundsätzlich GS Gedächtnisschrift GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) HaKo Handkommentar HBD Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltkommentar Arbeitsrecht HK-ArbR Handkommentar Arbeitsrecht HK-BGB Handkommentar Bürgerliches Gesetzbuch HK-KSchG Heidelberger Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz h. M. herrschende Meinung HRG Hochschulrahmengesetz

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Abkürzungsverzeichnis

Hrsg. Herausgeber HWK Henssler/Willemsen/Kalb, Kommentar zum Arbeitsrecht i. d. R. in der Regel i. E. im Ergebnis insg. insgesamt IPRspr Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts (Zeitschrift) i. R. d. im Rahmen der/des i. R. v. im Rahmen von i. S. v. im Sinne von JA Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JurA Juristische Ausbildung (Zeitschrift) jurisPR-ArbR juris PraxisReport Arbeitsrecht JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) KirchE Entscheidungen in Kirchensachen seit 1946 KR Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz krit. kritisch KSchG Kündigungsschutzgesetz LAG Landesarbeitsgericht LAGE Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Lit. Literatur LSG Landessozialgericht LSW Löwisch/Spinner/Wertheimer, Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz MAH ArbR Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht MDR Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MiLoG Mindestlohngesetz MüKo Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MünchArbR Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht MuSchG Mutterschutzgesetz m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport NK-GA NomosKommentar Gesamtes Arbeitsrecht Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Beil NZA-Beilage NZA-RR NZA-Rechtsprechungsreport NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht OLG Oberlandesgericht PersR Der Personalrat (Zeitschrift)

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PersVG Personalvertretungsgesetz RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift) Red. Redaktion Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung RzK Rechtsprechung zum Kündigungsrecht S. Seite SAE Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen SGB Sozialgesetzbuch sog. sogenannte/r/s SPV Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis TLL Thüsing/Laux/Lembke, Praxiskommentar zum Kündigungsschutzgesetz TVG Tarifvertragsgesetz TVöD Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst TzBfG Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge u. a. unter anderem UBH Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht Kommentar umstr. umstritten USK Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung v. von v. a. vor allem VerwR Verwaltungsrecht VerwRspr Verwaltungsrechtsprechung vgl. vergleiche vHH/L von Hoyningen-Huene/Linck, Kommentar zum Kündigungsschutzgesetz Vorbem. Vorbemerkung VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WissZeitVG Wissenschaftszeitvertragsgesetz WLP Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht WM Wertpapier-Mitteilungen ZAAR Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht ZAF Zeitschrift für Arbeitsmarktforschung z. B. zum Beispiel ZD Zeitschrift für Datenschutz ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung Zshg. Zusammenhang z. T. zum Teil ZTR Zeitschrift für Tarifrecht zust. zustimmend

A.  Einleitung A.  Einleitung

Das Fundament des Zivilrechts und damit auch des Arbeitsrechts stellt die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie dar. Die Privatautonomie ist das Prinzip der Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen.1 Sie beruht auf dem Prinzip der Selbstbestimmung.2 Die eigenverantwortliche und selbstbestimmte Gestaltung der Verhältnisse nimmt im Zivilrecht eine Vorrangstellung ein. Privatautonome Selbstbestimmung beinhaltet auch Vertragsbeendigungsfreiheit.3 Wiederum dazu gehören die grundsätzliche Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers und die Anerkennung befristeter Arbeitsverhältnisse.4 Jeder Beendigungstatbestand eines Dauerschuldverhältnisses steht in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Prinzip der Vertragstreue einerseits und dem Selbstbestimmungsrecht andererseits.5 Zur Gewährleistung einer funktionierenden Privatautonomie ist es erforderlich, dass sich die einzelnen Parteien selbst binden können. Die Selbstbindung stellt gleichzeitig sowohl eine Einschränkung der Privatautonomie als auch eine notwendige Bedingung für ihre Funktionsfähigkeit dar.6 Zudem kann die Selbstbindung als Element der 1  Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 1 1, S. 1 m. w. N.; vgl. Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 6 m. w. N.; BVerfG 7. 2. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, Rn. 45: „Auf der Grundlage der Privatautonomie, die Strukturelement einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ist, gestalten die Vertragspartner ihre Rechtsbeziehungen eigenverantwortlich.“ Zur Privatautonomie im Arbeitsrecht siehe z. B. Martens, JuS 1987, 337, 341 ff.; Boemke, NZA 1993, 532. 2  BVerfG 7. 2. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, Rn. 47. 3  Boemke, NZA 1993, 532, 537 f. 4  Boemke, NZA 1993, 532, 537 f. 5 APS/Preis, Grundlagen G Rn. 3. 6  „Vertragsbindung ohne Vertragsfreiheit ist nicht denkbar.“ (Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 28 m. w. N.); „Selbstbestimmung ist nicht zu erreichen, ohne Selbstbindung in Kauf zu nehmen.“ (Möslein, Dispositives Recht, S. 57 m. w. N.); „Zugleich impliziert die Anerkennung der Freiheit zur Selbstbestimmung als notwendige Kehrseite jedoch auch die Grundsätze der Selbstbindung und Selbstverantwortung. Notwendiges Korrelat der Selbstbestimmungsfreiheit ist zunächst der Grundsatz der Selbstbindung, der – vor allem in Form der Vertragsbindung (pacta sunt servanda) – letztlich aus jener selbst folgt, da Selbstbestimmung notwendig voraussetzt, das Gewollte selbst bestimmen, d. h. mit Verbindlichkeit versehen zu können. Die Möglichkeit der Selbstbindung ist also gleichzeitig notwendige Voraussetzung und Folge der Anerkennung der Freiheit zur Selbstbestimmung.“ (Auer, Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit, S. 13 f. m. w. N.); „Die Selbstbindung durch rechtsgeschäftliche Geltungserklärung ist daher wesensnotwendiges Element der Selbstbestimmung.“ (Singer, Selbstbestimmung und

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A.  Einleitung

Privatautonomie gerade nicht nur als freiheitsdienend eingeschätzt werden, sondern vielmehr ist ihr eine soziale Funktion zuzusprechen, indem sie den schützt, der auf das gegebene Wort vertraut.7 Angesichts der besonderen Situation eines Arbeitsverhältnisses kommt es zu zahlreichen Einschränkungen der Privatautonomie im Arbeitsrecht.8 Insbesondere in den Bereichen, die vor allem den Bestandsschutz tangieren, also im Kündigungs- und Befristungsrecht, gewinnt die Untersuchung der Einschränkung der Privatautonomie bzw. der Vertragsbeendigungsfreiheit des Arbeitgebers durch Selbstbindung Relevanz.9 „Bestandsschutz“ bedeutet, dass das Andauern des Rechtsverhältnisses gesichert werden soll.10 Im Arbeitsrecht dient der Bestandsschutz dem Zweck der Vertragssicherung, weil die Vertragsauflösung den anderen Vertragspartner in seiner sozialen – als besonders schutzwürdig angesehenen – Stellung typischerweise beeinträchtigen würde.11 Bei der Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bildet der Schutz eines auf Dauer angelegten Besitzstands den Mittelpunkt; im Befristungsrecht die Überprüfung, ob ein nicht auf Dauer angelegter Besitzstand eigentlich auf Dauer angelegt sein müsste.12 Selbst wenn es sich um einen befristeten Arbeitsvertrag handelt, der Arbeitnehmer also einen geringeren arbeitsvertraglichen Bestandsschutz im Vergleich zu einem unbefristeten Arbeitsvertrag erwirbt,13 liegt dennoch ein Dauerschuldverhältnis mit einer Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers vor. Im Rahmen eines solchen auf längere Zeit angelegten Vertragsverhältnisses, geprägt durch wechselseitige Abhängigkeit, gegenseitiges Vertrauen und durch die sich gegenüberstehenden Interessen an Stabilität und Flexibilität,14 kommt der Selbstbindung eine höhere Verkehrsschutz, S. 57); „Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung ist ohne Vertrauensschutz nicht möglich (…) Entscheidungsfreiheit findet ihre Bestätigung und Ergänzung in der Selbstbindung.“ (Brehmer, JuS 1986, 440, 442); eher als gegensätzliche Prinzipien ansehend Bydlinski, Privatautonomie, S. 68: „Übersehen wird bei all dem stets, daß sich das verpflichtende Rechtsgeschäft selbst gar nicht als Mittel, sondern viel eher als Beschränkung der rechtlichen anerkannten Selbstbestimmung verstehen läßt!“; ausf. zur Legitimation privatrechtlicher Selbstbindung: Ackermann, Der Schutz des negativen Interesses, S. 64 ff. m. w. N. 7  Hepting, in: FS Universität Köln, 1988, S. 226 m. w. N. 8 Schliemann/Schliemann, § 611 BGB Rn. 116. 9 Zum Bestandsschutz als Durchbrechung der Kündigungsfreiheit Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 280 ff. 10  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 120 m. w. N., wobei er es im Zshg. des Arbeitsverhältnisses treffender findet, von „Besitzstandsschutz“ zu sprechen (S. 121 m. w. N.). 11  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 121. 12 Vgl. Waas, ZAF 1/2007, 99, 108. 13  BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, Rn. 26. 14  Zu den besonderen Interessen bei langfristigen Verträgen auch Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 25 ff.

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Bedeutung zu als bei Verträgen, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind. Das Arbeitsverhältnis bedeutet eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien.15 Der Begriff der „Selbstbindung“ wird sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur häufig unpräzise verwendet und die Rechtsgrundlage bleibt oft unklar.16 Köndgen versteht als „Selbstbindung“ den „Inbegriff allen kommunikativen Handelns, mit dem ein Akteur bei anderen (unterschiedlich stabile) Erwartungen an sein künftiges Verhalten auslöst.“17 Eine Selbstbindung kann sich rechtsgeschäftlich, d. h. durch Willenserklärungen, oder außerrechtsgeschäftlich, d. h. ohne Willenserklärungen, vollziehen.18 Selbstbindung steht demnach nicht nur in Verbindung mit dem Grundsatz pacta sunt servanda.19 Der Vertragsschluss ist das Hauptbeispiel für einen „Akt der Selbstbestimmung durch Selbstbindung“.20 Trotz des fehlenden Willens ist es sinnvoll, auch im außerrechtsgeschäftlichen Bereich von einer „Selbstbindung“ zu sprechen.21 Es kommt für den Begriff nur darauf an, dass jemand sich durch sein eigenes Verhalten bindet; Wille ist keine Voraussetzung.22 Auch wenn die Bindungswirkungen nicht gleich sind und das Arbeitgeberverhalten alleine nicht immer als Voraussetzung genügt, reicht allein, 15 Vgl. MüKo/Bachmann, § 241 BGB Rn. 98; Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 27; vgl. auch zu persönlich gestalteten Vertragsbeziehungen als Grundlage eines Vertrauensverhältnisses Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 9 ff. 16  Vgl. die Kritik von Temming bei der Frage einer Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern (Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1111, mit Verweis in Fn. 33 auf BAG 23. 11. 2004 – 2 AZR 24/04, NZA 2005, 929, Rn. 35 und BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43, 47); dazu unten C.IV.2.a). 17  Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 280; siehe auch S. 165: „Jede Selbstbindung ist Konsequenz einer Selbstdarstellung.“ 18  Vgl. die Formulierung von Köndgen: „Selbstbindung ohne Vertrag“ oder „Selbstbindung ohne Willenserklärung“ (Selbstbindung ohne Vertrag, S. 7). Von der „außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung“ spricht auch Ackermann (Der Schutz des negativen Interesses, S. 8 und S. 490) bzw. von „vertraglicher oder außervertraglicher Selbstbindung“ (S. 23). Er legt folgendes Verständnis von Selbstbindung zugrunde: „Mit zivilrechtlicher »Selbstbindung« oder ,autonomer Bindung‘ ist in dieser Arbeit jedes normativitätsstiftende Verhalten eines Privatrechtssubjekts gemeint, das im Enttäuschungsfall privatrechtlich sanktioniert ist, also nicht notwendig nur normativitätsstiftendes Verhalten, das als Begründung einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung bewertet wird.“ (S. 16, S. 23 Fn. 2 und S. 65). 19  Dazu u. a. Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 28 ff. 20  Larenz, Richtiges Recht, S. 57. 21  A. A. Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 89 f.; Canaris, in: FS Larenz II 1983, S. 93 f: „Denn entweder stellt die Rechtsordnung den Parteien ein Instrument der Selbstbindung zur Verfügung – dann ist die Bindung rechtsgeschäftlicher und gegebenenfalls eben vertraglicher Natur; oder die Rechtsordnung bindet ihrerseits – dann handelt es sich nicht um Selbstbindung, sondern um Bindung kraft Gesetzes.“ 22 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 186.

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dass es sich um die eine wesentliche Voraussetzung handelt, die alles in Gang setzt. Der Begriff „Selbstbindung“ dient vielmehr der Abgrenzung von der Bindung kraft Gesetzes unabhängig von jeglichem Verhalten des Arbeitgebers. Obwohl eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung (ausnahmsweise) zu denselben Rechtsfolgen wie die rechtsgeschäftliche Selbstbindung führen kann, kann die Rechtsgrundlage dennoch nicht dahinstehen. Die Einordnung ist z. B. relevant dafür, ob Anfechtungsregeln, Formvorschriften oder §§ 305 ff. BGB gelten und inwiefern Möglichkeiten bestehen, sich wieder von der Bindung zu lösen.23 Vorrangig ist dabei immer zu untersuchen, ob der Arbeitgeber sich rechtsgeschäftlich binden wollte. Einen solchen Bindungswillen kann der Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringen. Erst wenn sich ein Bindungswille nicht feststellen lässt, ist nachrangig eine Schutzlücke für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung zu prüfen. Das Rechtsgeschäft ist das wichtigste Instrument des Individuums für die Betätigung seiner Handlungsfreiheit bzw. der Privatautonomie.24 Rechtsgeschäftliche Selbstbindung kann zu Beschränkungen führen, sie ist aber zugleich Ausübung individueller Freiheit.25 Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung bedeutet, dass ohne Rücksicht auf den Willen des Handelnden eine Bindung angenommen wird und stellt somit eine Einschränkung seiner Handlungsfreiheit dar.26 Bei der Prüfung einer Willenserklärung wird der Wille nach dem objektiven Empfängerhorizont bestimmt und somit kann es dort vorkommen, dass eine Willenserklärung ohne tatsächlich gegebenen Willen des Erklärenden unterstellt wird.27 Dennoch findet in der Auslegung der tatsächliche Wille des Erklärenden Berücksichtigung.28 Jeder Auslegungsversuch muss bei der Frage ansetzen, was der Erklärende wirklich wollte und ob dieser Wille erkennbar war.29 Zudem liegt bei fehlendem Handlungswillen keine Willenserklärung vor und bei fehlendem Erklärungsbewusstsein nur, wenn der Erklärende seine Gebundenheit selbst zu verantworten hat.30 Die Willenserklärung ist also auch in diesen Fällen Bestandteil der Privatautonomie.31 Bei der Auslegung ist das Ziel, einen Ausgleich zu finden, zwischen dem Interesse des 23 

Vgl. zur betrieblichen Übung Walker, JuS 2007, 1, 3. Schiemann, Staudinger/Eckpfeiler (2014), C Rn. 1 m. w. N. 25  Vgl. BVerfG 7. 2. 1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, Rn. 44. 26 Vgl. Singer, NZA 1998, 1309, 1310. 27  Ausf. dazu B.I.1.a). 28 MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 13. 29 MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 13. 30  Hepting, in: FS Universität Köln, 1988, S. 219; zum fehlenden Erklärungsbewusstsein ausf. B.I.1.a)bb). 31  Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 46; Bydlinski spricht von einer immerhin „halben Privatautonomie“ (Privatautonomie, S. 10); zust. Kramer, Vertragliche Einigung, S. 150; Brehmer, JuS 1986, 440, 442; vgl. auch Säcker, JurA 1971, 509, 518. 24 

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Erklärenden, nur an den subjektiv gewollten Erklärungssinn gebunden zu sein, und dem Interesse des Empfängers, den Erklärenden an dem von ihm ermittelten Inhalt der rechtsgeschäftlichen Regelung festzuhalten.32 Die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung kann mit dem von Canaris entwickelten Konzept der Vertrauenshaftung begrifflich umfassend umschrieben werden. Er bezeichnet die Vertrauenshaftung als „Korrelat der Privatautonomie“33 und sieht in ihr richtigerweise eine „Ergänzungsfunktion“ gegenüber der Selbstbindung kraft Rechtsgeschäft.34 Die Vertrauenshaftung habe die Funktion, die privatautonome Selbstbindung dort zu ergänzen, wo die Rechtsgeschäftslehre Schutzlücken offenlasse und wo deshalb das Prinzip der Selbstverantwortung korrelativ neben das der Selbstbestimmung treten müsse.35 Dies bedeutet, dass durchaus Konstellationen denkbar sind, wo es einer eigenständigen Vertrauenshaftung, die Rechtsfolgen wie gültige Willenserklärungen herbeirufen kann, bedarf.36 Eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung kann aber nur in Betracht kommen, wenn der durch die Rechtsgeschäftslehre gewährte Vertrauensschutz nicht ausreichend ist und dies den schwerwiegenden Eingriff in die Handlungsfreiheit rechtfertigt.37 Erst recht darf, dem Vorrang der Rechtsgeschäftslehre angemessen, die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung nur ausnahmsweise zu einem Erfüllungsanspruch und grundsätzlich nur zu einem Ersatz des Vertrauensschadens führen. Es darf nicht voreilig zu einer „Flucht“ in den außerrechtsgeschäftlichen Bereich bzw. zu einer „Aushöhlung und Überwucherung der Rechtsgeschäftslehre durch eine dogmatisch konturenlose, allein nach Billigkeit des Einzelfalles tastenden Vertrauenshaftung“38 kommen. Aufgrund dieses Vorrangs der Rechtsgeschäftslehre ist es fraglich, ob tatsächlich das Arbeitsrecht als „vertrauensanfällig“, d. h. als anfällig für außerrechtsgeschäftliche Vertrauenstatbestände, charakterisiert werden kann.39 Die soziale Schutzwürdigkeit und die strukturelle rechtliche Unterlegenheit der Arbeitneh32 

Säcker, JurA 1971, 509, 514, 536 und 538. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 439 ff. 34  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 440; siehe seine Auflistung von Gründen für ein „Versagen“ der rechtsgeschäftlichen Lösungsversuche S. 425 ff.; dazu ausf. B.III. 35  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 440. 36  In diese Richtung aber z. B. Säcker, JurA 1971, 509, 527 ff, 537 f.; z. T. krit., aber insg. die Vertrauenshaftung auch nicht als überflüssig ansehend MüKo/Kramer, 5. Aufl., Vor § 116 BGB Rn. 41. 37 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 7: „Zentralproblem jeder Theorie der nicht aus Willenserklärung oder Delikt erwachsenen Selbstbindungen ist es, substitutive Zurechnungsgründe zu finden, wo die solide Legitimation über die Willensfreiheit des handelnden Subjekts nicht mehr verfügbar ist.“ 38 Vgl. Säcker, JurA 1971, 509, 528 und 538. 39 So Kettler, NZA 2001, 928. 33 

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mer als Vertragspartner sollen es als besonders wichtig erscheinen lassen, dass sie Vertrauen in ein konsequentes Verhalten des Arbeitgebers setzen können.40 Das Arbeitgeberverhalten habe eine besondere Bedeutung für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses, woraus wiederum eine besondere Bedeutung eines etwaigen Vertrauens wegen dieses Verhaltens folge.41 Im Folgenden wird anhand von Beispielssituationen im Kündigungsrecht (Teil C) und Befristungsrecht (Teil D) diese angebliche Vertrauensanfälligkeit unter die Lupe genommen. Eine größere Fülle an Beispielsfällen bietet dabei das Kündigungsrecht, das aus diesem Grund den größeren Teil dieser Untersuchung ausmacht. Das Hauptanliegen jeder untersuchten Fallgruppe ist die Beantwortung der Frage, inwiefern eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung durch Willenserklärungen seitens des Arbeitgebers angenommen werden kann oder ob Schutzlücken feststellbar sind, die einen Rückgriff auf eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung nötig werden lassen. Teil B soll für diese Untersuchung vorab das notwendige Instrumentarium zusammen stellen, d. h. einen Überblick verschaffen, welche Rechtsfiguren auf welcher Seite überhaupt zur Verfügung stehen und inwiefern jeweils das Vertrauen des Arbeitnehmers allgemein geschützt wird bzw. Schutzlücken in Betracht kommen könnten.

40  Kettler, NZA 2001, 928 m. w. N.; siehe zur grds. schwachen Verhandlungsposition des Arbeitnehmers Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S. 12 f. m. w. N.; im Arbeitsrecht eine gestörte Vertragsparität annehmend auch Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 12 m. w. N. 41  Kettler, NZA 2001, 928.

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung sind Willenserklärungen. Diese können entweder vor, bei oder nach Abschluss eines Arbeitsvertrags erfolgen. Auch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) stellen Willenserklärungen dar. Der Arbeitgeber kann Willenserklärungen nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer oder gegenüber einer Gruppe von Arbeitnehmern abgeben. Kennzeichnend für die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung ist gerade das Fehlen einer Willenserklärung als Anknüpfungspunkt. Im Vordergrund steht nicht der Parteiwille, sondern allein das – konkrete oder abstrakte – Vertrauen ausgelöst durch ein Verhalten des anderen. Vertrauenstatbestände knüpfen Rechtsfolgen an ein in Anspruch genommenes Vertrauen und nicht an den Willen.1 Die Grundlage ist § 242 BGB.2 Anders als bei der Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB geht es nicht um das „rechtliche Wollen“, sondern allein um das „rechtliche Sollen“.3

I.  Rechtsgeschäftliche Selbstbindung 1.  Willenserklärungen und Auslegungsgrundsätze a)  Allgemein Eine Willenserklärung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf das Hervorbringen eines rechtlichen Erfolges gerichtet ist, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist.4 Willenserklärungen sind sowohl notwendige Bestandteile zweiseitiger als auch einseitiger Rechtsgeschäfte. Zweiseitig können Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich z. B. auf die Abbedingung einer bestimmten Regelung einigen, wenn sie dispositiv und nicht zwingend ist. Ein einseitiger Verzicht auf einen schuldrechtlichen Anspruch mit rechtlicher Bindung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner ist im Gesetz nicht vorgesehen; es bedarf eines Erlassvertrags im Sinne von § 397 BGB.5 Schuldrechtlich möglich ist jedoch ein einseitiges Aufgeben von Gestaltungsrechten und somit z. B. von Kündigungs1 Vgl.

Kettler, NZA 2001, 928. Kettler, NZA 2001, 928 m. w. N. 3  Vgl. BGH 14. 12. 1954 – I ZR 65/53, BGHZ 16, 4, Rn. 10; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 17; MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 19; Kettler, NZA 2001, 928. 4 MüKo/Armbrüster, Vor § 116 BGB Rn. 3 m. w. N. 5  BAG 13. 12. 2007 – 6 AZR 145/07, BAGE 125, 208, Rn. 23. 2 

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

rechten.6 An einen – insbesondere konkludenten – Verzicht sind strenge Anforderungen zu stellen; deutliche Anhaltspunkte sind erforderlich.7 Willenserklärungen können ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Erklärende die Willenserklärung grundsätzlich nur vor oder mit Zugang widerrufen und damit einer Bindung entgehen. Schon darin zeigt sich ein gewisser Vertrauensschutz: der Schutz des Vertrauens auf die Beständigkeit der Erklärung.8 Speziell für die Willenserklärung des Angebots kommt die Selbstbindung in § 145 BGB zum Ausdruck.9 aa)  Vertrauensschutz bei der Auslegung Wesentliches Werkzeug für die Bestimmung rechtsgeschäftlicher Selbstbindung ist die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Schon im Rahmen der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen wird die Schutzwürdigkeit bzw. das schutzwürdige Vertrauen von Arbeitnehmern berücksichtigt.10 Der Vertrauensschutzgedanke liegt nicht außerhalb, sondern ist ein Teil der Rechtsgeschäftslehre.11 Der Willenserklärung wird eine „Doppelfunktion“ zugesprochen: Sie verkörpert zum einen den Verpflichtungswillen der Parteien und zum anderen kommt ihr die Funktion eines Vertrauenstatbestands zu.12 Die Rechtsgeschäftslehre ist geprägt durch die Prinzipien der Selbstbestimmung, der Selbstverantwortung und des Verkehrs-/Vertrauensschutzes.13 Der Gedanke des Vertrauensschutzes und die Anerkennung einer Verantwortlichkeit des Erklären6  BAG 13. 12. 2007 – 6 AZR 145/07, BAGE 125, 208, Rn. 23; MüKo/Schlüter, § 397 BGB Rn. 1 und 19 m. w. N.; BeckOK ArbR/Rolfs, § 1 KSchG Rn. 92; Beispiele zu einem Verzicht des Arbeitnehmers, der nicht Gegenstand dieser Untersuchung ist: Richter, ArbR­ Aktuell 2015, 291. 7  BGH 29. 11. 1995 – VIII ZR 293/94, NJW 1996, 588, Rn. 14; siehe z. B. zum Kündigungsrecht KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 263; vgl. auch BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 880/06, NZA 2008, 355, Rn. 22. 8  Medicus, Allg. Teil des BGB, 5. Aufl., § 24 Rn. 323. 9  Mit Einsetzen der Bindung entsteht spätestens ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis (HK-BGB/Dörner, § 145 BGB Rn. 9; Jauernig/Mansel, § 145 BGB Rn. 4; Palandt/ Ellenberger, § 145 BGB Rn. 3). 10 Vgl. Waltermann, RdA 2006, 257, 261; allg. vgl. BGH 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126, Rn. 18; MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 13 m. w. N.; Eichler, Die Rechtslehre vom Vertrauen, S. 103 ff.; Larenz, Richtiges Recht, S. 81. 11 MüKo/Kramer, 5. Aufl., Vor § 116 BGB Rn. 39 m. w. N.; vgl. Brox, JZ 1966, 761, 764. 12  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 254. 13  Canaris, Systemdenken, S. 55; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz, S. 1 f: „Rechtsgeschäftliche Bindung entsteht längst nicht mehr durch einen Akt bloßer Selbstbestimmung; objektive Grundsätze wie das Prinzip des Verkehrs- und Vertrauensschutzes treten vielmehr gleichrangig neben das Selbstbestimmungsprinzip und prägen als kombinatorische Elemente das ,Recht der Rechtsgeschäfte‘.“ Säcker spricht von einer

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den für seine Erklärung werden als Anlass für die Orientierung der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen an dem für den Erklärungsempfänger verständlichen Sinn aufgefasst.14 Relevant ist dabei die Verständnismöglichkeit des Adressaten der Erklärung entsprechend den individuellen Verhältnissen.15 Die objektiv-individuelle16 Auslegung ist dem Wesen der Willenserklärung als „Akt der Verständigung“17 geschuldet. Das Recht der Willenserklärung fußt nicht nur auf der Selbstbestimmung des Rechtsträgers; sondern genauso auf dem Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers und der Verkehrssicherheit, indem es den Erklärenden auch an nicht vorgestellte und nicht bewusst in Geltung gesetzte Rechtsfolgen bindet.18 Eine Grundlage findet der Vertrauensschutz in § 157 BGB.19 Zudem belegen die §§ 116 ff. BGB die Notwendigkeit und Existenz einer Abwägung zwischen den Prinzipien der Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und des Verkehrs- und Vertrauensschutzes in der Rechtsgeschäftslehre.20 Die Ermittlung des inneren Willens mag zwar nicht das eigentliche Ziel der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB sein, er kann aber bei der Frage nach der Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers nicht vollständig ignoriert werden.21 Die Auslegung von Willenserklärungen ist nicht darauf ausgerichtet, dem Empfänger zu ermöglichen, der Erklärung den für ihn günstigsten Sinn beizulegen,22 sondern einen Ausgleich zwischen der Verwirklichung des Willens des Erklärenden und dem Vertrauensschutz des Empfängers herzustellen.23 Korrespondierend zum Streben nach einem Ausgleich der Interessen wird der andere im Rahmen der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen grundsätzlich nur geschützt, wenn er schutzwürdig ist; den Empfänger trifft

„Bipolarität von Willens- und Vertrauensschutz“ (JurA 1971, 509, 514, 520); siehe auch MüKo/Säcker, Einl. Rn. 178. 14 MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 13; Erman/Arnold, § 133 BGB Rn. 19; Canaris, Systemdenken, S. 55; vgl. auch BGH 16. 10. 2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126, Rn. 18; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 BGB Rn. 7; Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S.  53 f. 15  Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S. 54 m. w. N. 16  Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S. 54. 17  Bzw „Akt der Kommunikation“ (MüKo/Kramer, 5. Aufl., Vor § 116 BGB Rn. 39 m. w. N.). 18  BGH 7. 6. 1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, Rn. 21. 19  Medicus, Allg. Teil des BGB, 5. Aufl., § 24 Rn. 321. 20 Staudinger/Singer, § 133 BGB Rn. 18; krit. zu §§ 119 ff. BGB als Argument MüKo/ Busche, § 133 BGB Rn. 13. 21 MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 13; siehe oben in der Einl. A. 22 Palandt/Ellenberger, § 133 BGB Rn. 9. 23  Siehe oben in der Einl. A.; u. a. MüKo/Säcker, Einl. Rn. 177; ders., JurA 1971, 509, 514, 536 und 538.

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eine gewisse Sorgfaltspflicht.24 Verschließt er sich dem Verständnis der Erklärung, das jeder objektive und redliche Dritte von der Erklärung hätte, ist er nicht schutzwürdig.25 Der Empfänger muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten bzw. erkennbaren Umstände mit „gehöriger Aufmerksamkeit“ prüfen, was der Erklärende gemeint hat.26 Dadurch wird das Interesse des Erklärenden an einem Bemühen des Empfängers darum, die Erklärung nicht misszuverstehen, berücksichtigt.27 Geschützt wird nach der Rechtsgeschäftslehre bei der Auslegung also die Verständnismöglichkeit28 des Empfängers und nicht das konkrete Vertrauen.29 Das Vertrauen des Empfängers ist nach der Rechtsgeschäftslehre nur schutzwürdig, wenn ein redlicher und verständiger Empfänger in der Situation die Erklärung so verstanden hätte. Schutzwürdig ist der Empfänger in dem Sinne, dass er sich bei der Ermittlung des Willens seines Vertragspartners auf den Erklärungswortlaut und die ihm bei objektiver Betrachtungsweise erkennbaren Begleitumstände verlassen können muss.30 Vertrauensgrundlage ist also der objektive Erklärungstatbestand.31 bb)  Fehlendes Erklärungsbewusstsein In der Gleichstellung einer Willenserklärung ohne Erklärungsbewusstsein mit einem anfechtbaren Rechtsgeschäft liegt ein erheblicher Schutz des Erklärungsempfängers und damit eine erhebliche Beschränkung der Privatautonomie.32 Beim Erklärungsbewusstsein handelt es sich um das Bewusstsein des Handelnden, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben.33 Auch beim Umgang mit diesem Bewusstsein soll die Abwägung zwischen Selbstbestimmung und Vertrauensschutz im Vordergrund stehen.34 Das Vertrauen des Empfängers 24 Staudinger/Singer, § 133 BGB Rn. 18; MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 28; Wolf/Neuner, BGB AT, § 35 Rn. 17; Medicus/Petersen, Allg. Teil des BGB, S. 138 Rn. 323; Brox/ Walker, Allg. Teil des BGB, S. 63 Rn. 134. 25  Schiemann, Staudinger/Eckpfeiler (2014), C Rn. 52. 26  BGH 21. 5. 2008 – IV ZR 238/06, NJW 2008, 2702, Rn. 30; Palandt/Ellenberger, § 133 BGB Rn. 9 m. w. N. 27  BAG 15. 12. 2005 – 2 AZR 148/05, BAGE 116, 336, Rn. 25. 28  Siehe z. B. BGH 9. 12. 2010 – VII ZR 189/08, NJW-RR 2011, 309, Rn. 17. 29  Diesen Unterschied ebenfalls herausstellend Hepting, in: FS Universität Köln, 1988, S. 222 f., u. a.: „Während die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung also das konkrete Vertrauen schützen, herrscht in der Rechtsgeschäftslehre ein generalisierender Vertrauensschutz.“ 30  Brox, JZ 1966, 761, 764. 31 Vgl. Hepting, in: FS Universität Köln, 1988, S. 213. 32  Schiemann, Staudinger/Eckpfeiler (2014), C Rn. 5. 33 Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 116 BGB Rn. 1. 34  Bork, Allg. Teil des BGB, S. 229 Rn. 596; siehe auch MüKo/Armbrüster, Vor § 116 BGB Rn. 3 m. w. N.: „Maßgeblich für dieses weite Verständnis der Willenserklärung ist

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darauf, dass überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, ist genauso schutzwürdig wie das Vertrauen darauf, dass rechtsgeschäftlicher Wille und Erklärung übereinstimmen.35 Nach der h. M. soll schlüssiges Verhalten ohne Erklärungsbewusstsein richtigerweise als Willenserklärung behandelt werden, wenn der sich Äußernde fahrlässig bei dem Erklärungsempfänger das Vertrauen auf einen bestimmten Erklärungsinhalt hervorgerufen hat.36 Danach führt das Fehlen eines Erklärungsbewusstseins nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit der Willenserklärung, wenn der Handelnde beim Einsatz pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden könnte.37 Das fehlende Erklärungsbewusstsein kann dem Inhaltsirrtum oder dem Erklärungsirrtum zugeordnet werden.38 Auch durch eine anfechtbare Willenserklärung bindet der Erklärende sich zunächst; erst wenn er sich zur Anfechtung entschließt, entfällt die Bindung. Die Möglichkeit der Anfechtung ist für den Erklärenden „Ausdruck seiner Selbstbestimmung“39; dadurch bringt sie seine Interessen und die des Empfängers auf Vertrauensschutz in ein Gleichgewicht. Macht der Erklärende von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, muss er allerdings dem Empfänger einen eventuellen Vertrauensschaden ersetzen.40 Somit führt die Lehre vom das mit dem Selbstverantwortungsgrundsatz korrespondierende Prinzip des Vertrauensschutzes im Rechtsgeschäftsverkehr.“; vgl. Waltermann, RdA 2006, 257, 261. 35  Brox/Walker, Allg. Teil des BGB, S. 65 Rn. 137. 36  BGH 29. 11. 1994 – XI ZR 175/93, NJW 1995, 953. Der Ansicht, dass trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine Willenserklärung vorliegt, folgt auch das BAG, siehe z. B. BAG 9. 7. 2003 – 10 AZR 564/02, USK 2003 – 53, Rn. 86. Früher vertrat die h. M., dass Erklärungsbewusstsein ein notwendiges Erfordernis einer Willenserklärung sei und eine analoge Anwendung von § 118 BGB; siehe z. B. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 427 f., der mangels jeglichen Elements von Selbstbestimmung eine Bindung kraft Rechtsgeschäfts ablehnt und stattdessen das Problem in die Rechtsscheinlehre einordnet; krit. heute noch u. a. Picker, Die betriebliche Übung, S. 313. 37  Siehe ausf. zum Streit MüKo/Armbrüster, § 119 BGB Rn. 93 ff. m. w. N. Der BGH wendet dabei §§ 119 ff. BGB direkt und nicht analog an (BGH 7. 6. 1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324); analog siehe z. B. LAG Hessen 1. 4. 2003 – 13 Sa 1240/02, BeckRS 2003, 31154463. 38  Inhaltsirrtum: u. a. HK-BGB/Dörner, § 119 BGB Rn. 13; a. A. Erklärungsirrtum: MüKo/Armbrüster, § 119 BGB Rn. 101; Palandt/Ellenberger, Einf. v. § 116 BGB Rn. 17 m. w. N. Die genaue Einordnung führt jedoch nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, sie kann deshalb dahinstehen. 39  BGH 7. 6. 1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, Rn. 21; Soergel/Hefermehl, Vor § 116 BGB Rn. 14; siehe auch Larenz, Richtiges Recht, S. 82, der der Ansicht ist, dass die Bindung an eine Erklärung, die der Erklärende so nicht gemeint hat oder nicht hat abgeben wollen, über eine „Selbstbindung“ streng genommen hinausgehe. 40  Für eine analoge Anwendung des § 122 BGB statt vieler u. a.: Erman/Arnold, § 122 BGB Rn. 3. Für eine unmittelbare Anwendung des § 122 BGB u. a.: BGH 7. 6. 1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324; MüKo/Armbrüster, § 122 BGB Rn. 5. Für eine Anwendung der

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potenziellen Erklärungsbewusstsein nicht zu einem schrankenlosen Vertrauensschutz; insbesondere die Zurechenbarkeit übernimmt eine einschränkende Schutzfunktion.41 b)  Allgemeine Geschäftsbedingungen Insbesondere im Arbeitsverhältnis spielen AGB eine große Rolle. Ein Arbeitsvertrag wird typischerweise einseitig vom Arbeitgeber gestellt und damit kommt es oft zu einer Auslegung von AGB,42 bei der zum Teil andere Grundsätze gelten als bei der Auslegung einer Individualvereinbarung.43 Gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, der für Arbeitsverträge gilt,44 findet AGB-Recht auch Anwendung auf vorformulierte Vertragsbedingungen, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung und nicht für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt sind. Zudem liegen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber von einem anderen vorformulierte Vertragsbedingungen nutzt, selbst wenn der Arbeitgeber eine mehrfache Verwendung nicht plant.45 Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.46 Der Verwender nimmt dadurch ausschließlich seine eigene, nicht aber fremde Gestaltungsmacht in Anspruch.47 Auch wenn bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB), gelten die im Folgenden dargestellten Grundsätze. aa)  Allgemeine Auslegung Die Verwendung wirksamer AGB führt zu einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung. Der Umfang dieser Bindung ist durch Auslegung zu bestimmen. AGB cic: Staudinger/Singer, § 122 BGB Rn. 9; in diese Richtung auch Medicus, Allg. Teil des BGB, 5. Aufl., § 41 Rn. 608. 41  Hepting, in: FS Universität Köln, 1988, S. 218 f. 42 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 22; BeckOK ArbR/Bayreuther, § 3 TzBfG Rn. 6; vgl. Reinecke, NZA-Beil 2000, 23, 25. 43 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 216; Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160; zur Geltung der Unklarheitenregel auch außerhalb des AGB-Rechts u. a. MüKo/Busche, § 157 BGB Rn. 8. 44 Schaub/Linck, § 35 Rn. 11; Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160; gegen die Einordnung des Arbeitsvertrags als Verbrauchervertrag i. S. v. § 310 Abs. 3 BGB u. a. BeckOK ArbR/Jacobs, § 310 BGB Rn. 10 ff. m. w. N. 45 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 22 m. w. N. 46  BAG 14. 4. 2011 − 6 AZR 727/09, NZA 2011, 683, Rn. 29 (zu § 174 Satz 1 BGB); BAG 20. 6. 2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137, Rn. 13 (zur Kündigungserklärung); MüKo/ Basedow, § 305 BGB Rn. 11 m. w. N.; Schaub/Linck, § 35 Rn. 8. 47 Staudinger/Schlosser, § 305 BGB Rn. 10 m. w. N.; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert, § 305 BGB Rn. 7; Schaub/Linck, § 35 Rn. 8 m. w. N.

I.  Rechtsgeschäftliche Selbstbindung

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sind nach der Rechtsprechung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind – 48 d. h. des typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers.49 Grund für eine solche Auslegung nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab ist, dass der Vertragspartner des Verwenders auf den Inhalt der AGB, die grundsätzlich für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls gebraucht werden sollen, keinen Einfluss nehmen kann.50 Ansatz- und Ausgangspunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierenden Auslegung von AGB ist vor allem der Vertragswortlaut.51 Gerade weil die individuellen oder gerade nur auf den Einzelfall bezogenen Umstände des Vertragsschlusses bei der Auslegung von AGB grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig sind,52 kommt dem Wortlaut eine noch größere Bedeutung zu.53 Fehlt es an der Eindeutigkeit des Wortlauts, ist es für die Auslegung relevant, wie der Vertragstext aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteilig-

48  BAG 31. 8. 2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, Rn. 39 m. w. N.; BAG 24. 10. 2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40, Rn. 13 m. w. N.; BAG 20. 1. 2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445, Rn. 12; BAG 19. 3. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rn. 29; siehe auch AGB-Klauselwerke/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 89 f. m. w. N.; Schaub/Linck, § 35 Rn. 28 m. w. N.; Moll/Melms, MAH ArbR, § 10 Rn. 128 m. w. N.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB, S. 57 f. Rn. 261 ff. m. w. N.; siehe ausf. zum Streit, ob nicht doch §§ 133, 157 BGB insofern zur Anwendung gelangen sollte, dass es auf die konkrete Situation ankommt Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 56 ff. m. w. N. 49 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 31 m. w. N. Zum Streit, ob der Grundsatz der objektiven Auslegung an die Stelle einer Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB tritt, oder, ob AGB-Klauseln nach den allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB auszulegen sind, wobei der Grundsatz der objektiven Auslegung zu beachten ist: AGB-Klauselwerke/Thüsing, Auslegung Rn. 3 ff. Dieser Streit kann dahinstehen, da die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Auslegung i. E. nicht zu anderen Ergebnissen führen, da sie alleine den Schwerpunkt bei der Betonung des Grundsatzes der objektiven Auslegung anders setzen (AGB-Klauselwerke/Thüsing, Auslegung Rn. 4, 6). 50  BAG 19. 10. 2011 – 7 AZR 743/10, GWR 2012, 162, Rn. 30. 51  BAG 31. 8. 2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, Rn. 39 m. w. N.; BAG 14. 9. 2011 − 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, Rn. 19; BAG 21. 1. 2015 – 10 AZR 84/14, BAGE 150, 286, Rn. 26; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 31. 52 AGB-Klauselwerke/Thüsing, Auslegung Rn. 10 f. m. w. N. Dieser Grundsatz gilt nicht ausnahmslos: siehe ders., in Rn. 15 ff. und WLP/Lindacher/Hau, § 305 c BGB Rn. 111; Staudinger/Schlosser, § 305 c BGB Rn. 130. 53  Stoffels, AGB-Recht, § 12 Rn. 360 m. w. N.

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ten Verkehrskreise zu verstehen ist.54 Nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele sind einer Berücksichtigung fähig,55 nicht hingegen die den Vertragsschluss begleitenden individuellen Begleitumstände.56 Die Nichtbeachtung individueller Begleitumstände könnte einen geringeren Vertrauensschutz bedeuten. Doch bei der Auslegung von AGB nimmt der Vertrauensschutz eine wichtige Position ein. „Bei ihnen folgt der Supremat der Erklärung vor dem davon divergierenden Willen allein aus dem Vertrauensgrundsatz, den solche Willenserklärungen bei dem Adressaten wegen ihrer Typik hervorrufen.“57 Der Wortlaut ist bei der AGB-Auslegung so bedeutend, weil es gerade der Erklärungswortlaut ist, der durch die Typik einen Vertrauenstatbestand schafft, der zu dem „Supremat der Erklärung vor dem Willen und vor den sonstigen Begleitumständen bei der Abgabe der rechtsgeschäftlichen Erklärungen führt“.58 Das Standardisierungsinteresse beeinflusst sowohl den Erklärungstatbestand als auch den Verständnishorizont des Adressaten.59 bb)  Unklarheitenregel Die Unklarheitenregel ist im Arbeitsrecht grundsätzlich anwendbar.60 Damit § 305c Abs. 2 BGB gilt, müssen mindestens zwei Auslegungsvarianten rechtlich vertretbar sein und keine davon darf klar vorzugswürdig sein.61 Nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden muss ein nicht behebbarer Zweifel verbleiben.62 Notwendig sind „erhebliche Zweifel“63 an der richtigen Auslegung:64 Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, ist nicht ausreichend.65 Um 54  BAG 31. 8. 2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, Rn. 39 m. w. N.; BAG 21. 1. 2015 – 10 AZR 84/14, BAGE 150, 286, Rn. 26. 55  BAG 31. 8. 2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, Rn. 39; BAG 21. 1. 2015 – 10 AZR 84/14, BAGE 150, 286, Rn. 26; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 31. 56  Vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. 57  Stumpf, in: FS Nipperdey, 1965, S. 964. 58  Stumpf, in: FS Nipperdey, 1965, S. 966. 59 WLP/Lindacher/Hau, § 305 c BGB Rn. 106; Bieder, RdA 2011, 142, 144 m. w. N. 60 MüKo/Basedow, § 310 BGB Rn. 98 m. w. N.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB, S. 59 Rn. 266. 61  BAG 9. 11. 2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202, Rn. 22. 62  BAG 17. 1. 2006 – 9 AZR 41/05, BAGE 116, 366. 63  Siehe z. B. BAG 10. 12. 2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576, Rn. 15; bzw. „vernünftige“ (BAG 19. 7. 2007 – 6 AZR 774/06, BAGE 123, 294, Rn. 19) oder „ernsthafte“ (BAG 29. 4. 2008 – 3 AZR 266/06, NZA 2008, 1417, Rn. 29) Zweifel. 64  Zu Recht dies u. a. als „schwammig“, „wenig greifbar“ und „schwer in der Praxis zu handhaben“ kritisierend Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 69. 65  BAG 19. 1. 2011 − 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631, Rn.  14 m. w. N.; Moll/Melms, MAH ArbR, § 10 Rn. 129 m. w. N.; Schaub/Linck, § 35 Rn. 32 m. w. N.

I.  Rechtsgeschäftliche Selbstbindung

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festzustellen, ob eine Klausel klar oder unklar ist, kommt es vor allem auf den Wortlaut an.66 Die Unklarheitenregel beruht auf dem Gedanken, dass der Verwender sich klar und unmissverständlich auszudrücken hat.67 Bleiben Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.68 Der Sinn und Zweck der Unklarheitenregel liegt vor allem im Ausgleich des Nachteils, dem der Vertragspartner eines Verwenders von AGB dadurch unterliegt, dass die Vertragsbedingungen einseitig gestellt sind.69 Der Verwender ist verantwortlich für den Inhalt der Klauseln als Konsequenz dafür, dass er die Vertragsgestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nimmt.70 Er soll dazu motiviert werden, sich bei der Erstellung seiner AGB deutlich auszudrücken.71 Auch die Unklarheitenregel weist also eine Verbindung zum Vertrauensschutz auf: Der Adressat soll darauf vertrauen dürfen, dass derjenige, der AGB verwendet, insbesondere dort, wo er zu seinen Gunsten von einer gesetzlichen Dispositivregelung abweichen will, dies eindeutig und unverkennbar ausgedrückt hat.72 cc)  Transparenzgebot § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB findet auf Arbeitsverträge ebenfalls Anwendung.73 Danach kann sich eine zur Unwirksamkeit führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass eine Klausel nicht klar und verständlich ist. Sowohl in § 305c Abs. 2 BGB als auch in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt ein Transparenzgebot zum Ausdruck,74 begrifflich wird aber nur das letztere als das Transparenzgebot bezeichnet. Im weitesten Sinne schützt das Transparenzgebot auch das Vertrauen, indem es sowohl Abschluss- als auch Abwicklungstransparenz gewährleisten soll.75 Das Transparenzgebot verfolgt das Ziel, der Gefahr vorzu66 MüKo/Basedow, § 305c BGB Rn. 29. Auch i. R. v. § 305c Abs. 2 BGB gilt § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB nicht (BAG 8. 12. 2015 – 3 AZR 267/14, NZA-RR 2016, 374). 67  BAG 9. 11. 2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202, Rn. 16. 68  BAG 31. 8. 2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324, Rn. 39 m. w. N. 69 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB Rn. 24 m. w. N.; Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 30 m. w. N. 70  Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 30 m.  w. N.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB, S. 59 Rn. 267. 71  Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 30 m. w. N. 72 MüKo/Säcker, Einl. Rn. 182; ders., JurA 1971, 509, 533, auch wenn dieser die Unklarheitenregel als „Risikotragungsregel“ und nicht als Auslegungsregel ansieht. 73 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 143 f.; AGB-Klauselwerke/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 102 m. w. N.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB, S. 82 Rn. 363 f. 74 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 142; BeckOK ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 58. Reinecke sieht einen unmittelbaren Zshg. zwischen der Unklarheitenregel und dem Transparenzgebot (BB 2005, 378, 379; NZA-Beil 2000, 23, 26). 75  Vgl. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 146 ff. m. w. N.; WLP/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 236 m. w. N.

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

beugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird.76 Nach anderer Ansicht wird die Bedeutung der Unklarheitenregel als gering eingeschätzt, wenn das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB konsequent gehandhabt werde; nur dort, wo die objektive Mehrdeutigkeit nicht zugleich einen Verstoß gegen das Transparenzgebot darstelle, dürfte der Unklarheitenregel ein originäres Anwendungsfeld zuwachsen.77 Befürchtet wird eine „verdeckte Inhaltskontrolle im Gewande der Auslegung“.78 In der Rechtsprechung wird das Verhältnis der beiden Vorschriften nicht deutlich, oft kommt es zu einer kumulativen Prüfung.79 § 305c Abs. 2 BGB ist aber primär vor § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen.80 Die Auslegung geht der Inhaltskontrolle vor.81 Auslegungsbedürftigkeit bedeutet nicht automatisch Intransparenz.82 Insbesondere wenn durch die Unklarheitenregel kein Auslegungsergebnis erzielt wird, ist der Schutz durch § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eröffnet.83 Das Transparenzgebot kommt zudem zum Einsatz, wenn die Auslegung im Rahmen des § 305c Abs. 2 BGB (noch) nicht zu einer materiell unangemessenen Klauselvariante geführt hat, nach § 307 BGB aus der Intransparenz selbst aber in einem zweiten Schritt eine unangemessene Benachteiligung abgeleitet wird.84 § 305c Abs. 2 BGB ist unanwendbar, wenn sich zwei Klauseln inhaltlich widersprechen und diese deshalb unwirksam sind; in einem solchen Fall ist § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB heranzuziehen.85

76  BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 6/10, NZA 2011, 1346, Rn. 23; BAG 29. 8. 2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148, Rn. 35. 77  Stoffels, AGB-Recht, § 12 Rn. 368 und Rn. 370 m. w. N.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB, S. 59 Rn. 269; a. A. u. a. AGB-Klauselwerke/Thüsing, Arbeitsverträge Rn. 90. 78  Stoffels, AGB-Recht, § 12 Rn. 370 m. w. N. Schulte-Nölke befürchtet, dass die Anwendung der Unklarheitenregel dazu führen könnte, dass einer nach §§ 307 ff. BGB an sich unwirksamen Klausel doch zur Geltung verholfen werde (HK-BGB/Schulte-Nölke, § 305c BGB Rn. 4). 79  Dies herausstellend Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 154 f. m. w. N. 80  Siehe u. a. MüKo/Wurmnest, § 307 BGB Rn. 55 m. w. N.; Jauernig/Stadler, § 307 BGB Rn. 7; WLP/Pfeiffer, § 307 BGB Rn. 234; siehe ausf. zum Verhältnis der beiden Vorschriften Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 151 ff. 81 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 31; Stoffels, AGB-Recht, § 12 Rn. 358. 82 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 157 m. w. N.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB, S. 81 Rn. 361 m. w. N. 83  Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 160. 84 Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 172 m. w. N. 85  BAG 30. 7. 2008 – 10 AZR 606/07, BAGE 127, 185, Rn. 44; BAG 10. 12. 2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576, Rn. 15.

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2.  Rücksichtnahmepflichten Auch das Entstehen von Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB kann bei Verträgen im Zusammenhang mit rechtsgeschäftlicher Selbstbindung stehen. Das rechtsgeschäftlich selbstbindende Verhalten des Arbeitgebers, das zu dieser Pflicht führt, liegt dann allein in der allgemeinen Willenserklärung, den Arbeitsvertrag abschließen zu wollen. Veraltet wird in diesem Zusammenhang von einer „Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“ gesprochen.86 Jedem Vertragsverhältnis, und damit auch jedem Arbeitsverhältnis, sind aus § 241 Abs. 2 BGB herzuleitende Nebenpflichten immanent.87 Gegen die Einordnung als rechtsgeschäftliche Selbstbindung könnte einzuwenden sein, dass die Nebenpflichten nicht nur innerhalb eines bestehenden Vertrags oder danach zum Tragen kommen, sondern auch in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB) oder sogar bei gesetzlichen Schuldverhältnissen.88 Bei einem vorvertraglichen Schuldverhältnis oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis ist in der Tat eine außerrechtsgeschäftliche Einordnung zu befürworten, da die Begründung eines solchen Schuldverhältnisses keine Willenserklärung voraussetzt.89 Es gibt dort keine Willenserklärungen, die die Eingehung solcher Pflichten rechtsgeschäftlich begründen. Insbesondere bei Fallgruppen der culpa in contrahendo wird die Inanspruchnahme und Gewährung eines besonderen Vertrauens als Begründung für eine Haftung angeführt.90 Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei vertraglichen Schuldverhältnissen dieselbe Einordnung stattfinden muss. Zweifellos rechtsgeschäftlich einzuordnen sind die Nebenpflichten bei einer ausdrücklichen Gestaltung durch Parteivereinbarung.91 Wesentlich ist aber auch ohne ausdrückliche Vereinbarung, dass die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragsteils aus dem Arbeitsvertrag selbst erwächst. Es handelt sich um Nebenpflichten aufgrund des Vertrags.92 Dagegen spricht nicht, dass diese Pflicht vor 2002 aus § 242 BGB hergeleitet 86 Zur Veraltung u. a. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 616; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 981 ff.; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 797. 87 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 615; vgl. Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 339 f. 88  Siehe zur Anwendbarkeit von § 241 Abs. 2 BGB u. a. MüKo/Bachmann, § 241 BGB Rn. 50; Jauernig/Mansel, § 241 BGB Rn. 10. 89  Siehe u. a. NK-GA/Mestwerdt, § 611 BGB Rn. 234. 90 MüKo/Emmerich, § 311 BGB Rn. 40 f. m. w. N. 91 MüKo/Bachmann, § 241 BGB Rn. 51; BeckOK BGB/Sutschet, § 241 BGB Rn. 42; Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 BGB Rn. 42. 92 MüKo/Kramer, 5. Aufl., § 241 BGB Rn. 92; MünchArbR/Reichold, § 47 Rn. 14: „Soweit diese jetzt in § 241 II BGB normiert sind, ist damit klargestellt, dass sie ihren Rechtsgrund als ,Inhalt des Schuldverhältnisses‘ im Vertrag selbst finden, […].“

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wurde93 und es sich somit eher um ein „rechtliches Sollen“ als um ein „rechtliches Wollen“ handeln könnte.94 Hier greift beides ineinander über.95 Ein „rechtliches Sollen“ kann gewollt sein. Das „Wollen“ tritt nicht gänzlich in den Hintergrund. Zudem bestimmt sich das „Sollen“ bezüglich der Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB nicht allein durch das Gesetz bzw. die Rechtsprechung, sondern auch durch den Parteiwillen. Die konkreten Folgen aus der Rücksichtnahmepflicht hängen von der Art des Schuldverhältnisses und den Einzelfallumständen ab.96 Im Arbeitsverhältnis ergibt sich daraus die Verpflichtung jeder Vertragspartei, „seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszuüben und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Vertragspartners so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der wechselseitigen Belange verlangt werden kann“.97

Dagegen spricht nicht, dass als „Haftungsgrund für die Begründung von Schutzpflichten“ der Umstand erachtet wird, dass „die Parteien im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehung ihre Rechtsgütersphäre einer gesteigerten Einwirkungsmöglichkeit durch den anderen Teil eröffnen und in einem höheren Maße als sonst auf die Wahrung ihres Güterstandes durch den anderen Teil vertrauen bzw. zu vertrauen gezwungen sind“.98

Mit der Willenserklärung, Arbeitgeber sein zu wollen, erklärt der Arbeitgeber zugleich, dass er die Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB oder andere gesetzlich konkretisierte Nebenpflichten wie § 618 BGB einhalten möchte. Die Willenserklärung enthält somit – insbesondere nach dem Empfängerhorizont – die Aussage: „Indem ich Ihr Arbeitgeber sein will, bin ich bereit, auf Ihre Rechte, Rechtsgüter und Interessen besonders Rücksicht zu nehmen.“ Selbst wenn der konkrete Arbeitgeber sich dieser aus dem Arbeitsverhältnis wachsenden Pflichten nicht bewusst sein sollte, stellt dies einen unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtum dar.99 Als Vergleich kann bei einem Vertragsverhältnis § 611a BGB herhalten: auch die dort normierten Hauptleistungspflichten beruhen auf Willenserklärungen und sind nicht allein vom Gesetz vorgegeben. Diese Überlegung ist nicht soweit übertragbar, dass sich im Grunde alle außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindungen oder rein gesetzliche Bindungen im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses in Wirklichkeit auf die allgemeine 93 

Vgl. BAG 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, BAGE 131, 325, Rn. 31. oben B. vor I.; BGH 14. 12. 1954 – I ZR 65/53, BGHZ 16, 4, Rn. 10; Palandt/ Grüneberg, § 242 BGB Rn. 17; MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 19; Kettler, NZA 2001, 928. 95  Vgl. Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 17. 96  BAG 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, BAGE 131, 325, Rn. 31 m. w. N. 97  BAG 13. 8. 2009 – 6 AZR 330/08, BAGE 131, 325, Rn. 31. 98 Bamberger/Roth/Sutschet, § 241 BGB Rn. 90. 99  Siehe zum Rechtsfolgenirrtum ausf. C.I.1.a)aa)(3)(d) und u. a. D.I.1.b)dd)(1). 94  Vgl.

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Willenserklärung, Arbeitgeber sein zu wollen, zurückführen lassen und es somit keines Rückgriffs auf die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung mehr bedürfte. Meist geht es in den folgenden Fallgruppen um Verhalten des Arbeitgebers nach dem Arbeitsvertragsabschluss. Dieses Verhalten ist konkret dahingehend zu untersuchen, ob es sich dabei um eine Willenserklärung handelt oder nicht. Auch innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ist es möglich, dass eine Bindung nicht durch Willenserklärungen entsteht. Von der Willenserklärung, Arbeitgeber sein zu wollen, sind nicht alle Verhaltensweisen umschlossen. „Rechtliches Wollen“ und „rechtliches Sollen“ müssen ineinander übergreifen, um von einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung sprechen zu können. 3.  Erklärungen gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern Zu unterscheiden ist, ob der Arbeitgeber nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer eine Willenserklärung äußert oder gegenüber mehreren, d. h. gegenüber einem „Kollektiv“. Die Anforderungen an die Auslegungssorgfalt des Arbeitnehmers sind z. B. umso geringer, je größer der Kreis der von der Erklärung Betroffenen ist.100 a)  Gesamtzusage Eine Gesamtzusage ist „die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte bzw. zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen“.101 Über § 151 BGB wird dieses Angebot ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags.102 Eine gewohnheitsrechtliche Begründung der Bindung des Arbeitgebers an eine solche Erklärung mit dem darauf beruhenden Vertrauen der Arbeitnehmer ist nicht notwendig.103 Für ein Wirksamwerden reicht es, wenn der einzelne Arbeitnehmer von der Verlautbarung typischerweise Kenntnis erlangen kann; auf die konkrete Kenntnis des Einzelnen kommt es nicht an.104 Gesamtzusagen können z. B. durch Rundschreiben, Aushänge wie am „Schwarzen Brett“ oder Veröffentlichungen in der Mitarbeiterzeitung erfolgen.105 Die Arbeitnehmer erhalten einen einzelvertraglichen Anspruch auf die versprochenen 100 MüKo/Säcker,

Einl. Rn. 180; ders., JurA 1971, 509, 530. 18. 3. 2003 – 3 AZR 101/02, NZA 2004, 1099, Rn. 51; BAG 20. 8. 2014 – 10 AZR 453/13, NZA 2014, 1333, Rn. 14. 102  BAG 18. 3. 2003 – 3 AZR 101/02, NZA 2004, 1099, Rn. 51. 103  BAG 25. 1. 2000 – 9 AZR 140/99, NZA 2000, 879, Rn. 33 mit Verweis auf die veraltete Rspr. BAG 12. 3. 1963 – 3 AZR 266/62, BAGE 14, 126. 104  BAG 15. 5. 2012 – 3 AZR 610/11, BAGE 141, 222, Rn. 51. 105  BAG 10. 12. 2002 – 3 AZR 92/02, BAGE 104, 220, Rn. 39; BAG 13. 12. 2011 – 3 AZR 852/09, EzTöD 100 § 2 TVöD-AT Betriebliche Übung Nr. 2, Rn. 19. 101  BAG

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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Leistungen, wenn sie die vom Arbeitgeber genannten Voraussetzungen erfüllen.106 Die Gesamtzusage ist als „typisierte Willenserklärung“ nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen.107 Dies steht im Einklang damit, dass es sich bei einer Gesamtzusage letztendlich um AGB handelt.108 Von der seitens der Arbeitnehmer angenommenen, vorbehaltlosen Zusage kann sich der Arbeitgeber individualrechtlich nur durch Änderungsvertrag oder wirksame Änderungskündigung lösen;109 unter Umständen kann sie durch Betriebsvereinbarungen abgelöst werden.110 Gesamtzusage und betriebliche Übung, die im Folgenden näher dargestellt wird, sind vergleichbar. Beides beruht auf rechtsgeschäftlicher Selbstbindung des Arbeitgebers, indem er sich gegenüber mehreren Arbeitnehmern äußert bzw. sich gegenüber mehreren Arbeitnehmern in einer bestimmten Weise verhält. In Abgrenzung zur betrieblichen Übung liegt bei der Gesamtzusage eine ausdrückliche Erklärung an die Belegschaft vor.111 Das Vertragsangebot des Arbeitgebers setzt sich bei einer Gesamtzusage aus einer verlautbarten und in allgemeiner Form bekanntgemachten Erklärung zusammen.112 Es muss eine bewusste und gezielte Bekanntgabe an die Arbeitnehmer stattfinden.113 Erfolgt die Leistungsgewährung aufgrund einer Gesamtzusage, ist für eine daneben bestehende betriebliche Übung kein Raum.114 Die Prüfung der Gesamtzusage ist vorrangig.115 Im Unterschied zur Betriebsvereinbarung und dem Tarifvertrag stellt die Gesamtzusage keine normative Kollektivregelung dar.157 106 

BAG 15. 2. 2005 – 9 AZR 116/04, BAGE 113, 327, Rn. 58. 13. 12. 2011 – 3 AZR 852/09, EzTöD 100 § 2 TVöD-AT Betriebliche Übung Nr. 2, Rn. 17; BAG 15. 5. 2012 – 3 AZR 610/11, BAGE 141, 222, Rn. 51; BAG 17. 9. 2013 – 3 AZR 419/11, NZA 2015, 106, Rn. 24; widersprüchlich LAG Hamburg 8. 12. 2016 – 7 Sa 54/16, juris, Rn. 68: „Sie sind als ,typisierte Willenserklärungen‘ nach objektiven, vom Einzelfall unabhängigen Kriterien auszulegen. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt aus der Sicht des Empfängers unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls […].“ 108  BAG 20. 8. 2014 – 10 AZR 453/13, NZA 2014, 1333, Rn. 20; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 218; Schaub/Koch, § 111 Rn. 1; Kolbe, ZfA 2011, 95, 113 m. w. N. 109  BAG 23. 9. 2009 – 5 AZR 628/08, AP Nr. 36 zu § 157 BGB, Rn. 22. 110 Nach der neueren Rspr. des BAG dürfte in einem Großteil der Fälle einer Gesamtzusage von einer Betriebsvereinbarungsoffenheit auszugehen sein (Fitting, § 77 BetrVG Rn. 208 m. w. N., u. a. auf BAG 5. 3. 2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916 und BAG 10. 3. 2015 – 3 AZR 56/14, NZA-RR 2015, 371). 111  BAG 18. 3. 2003 – 3 AZR 101/02, NZA 2004, 1099, Rn. 54; vgl. auch BAG 28. 6. 2006 – 10 AZR 385/05, BAGE 118, 360, Rn. 31 ff.; BAG 23. 9. 2009 – 5 AZR 628/08, AP Nr. 36 zu § 157 BGB, Rn. 22; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 56. 112  BAG 10. 12. 2002 – 3 AZR 92/02, BAGE 104, 220, Rn. 39. 113  BAG 12. 10. 2011 − 10 AZR 746/10, NZA 2012, 450, Rn. 35. 114  BAG 10. 12. 2002 – 3 AZR 671/01, AP Nr. 252 zu § 611 BGB Gratifikation, Rn. 41. 115 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 221. 107  BAG

I.  Rechtsgeschäftliche Selbstbindung

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b)  Betriebliche Übung

Eine betriebliche Übung betrifft nicht nur das klassische Beispiel der Sondervergütungen, sondern jedes Verhalten des Arbeitgebers und alle Arbeitsvertragsinhalte.117 Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die betriebliche Übung ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt.118 Aus dem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers und der stillschweigend möglichen Annahme im Sinne von § 151 BGB des Arbeitnehmers folgt ein vertraglicher Anspruch auf die üblich gewordene Leistung.119 Irrelevant ist, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, sondern ausschlaggebend ist, wie der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte.120 Dies steht im Einklang mit der herrschenden Ansicht zum Erklärungsbewusstsein.121 Die betriebliche Übung ist also ein Anwendungs- bzw. Unterfall konkludenter Vertragsbindung; das Besondere ist die kollektive Erscheinung.122 Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll.123 Auch eine durch betriebliche Übung begründete Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, wird als AGB behandelt und folglich nach dem AGB-Recht kontrolliert.124 Die betriebliche 116 

Kolbe, ZfA 2011, 95, 96. 11. 4. 2006 – 9 AZR 500/05, BAGE 118, 16, Rn. 14; Picker, Die betriebliche Übung, S. 192 m. w. N. 118  BAG 19. 8. 2008 – 3 AZR 194/07, AP Nr. 82 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Rn. 19; die Vertragstheorie in der Lit. ebenfalls vertreten u. a. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 220 ff.; Waltermann, RdA 2006, 257; Walker, JuS 2007, 1. 119  BAG 18. 9. 2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351, Rn. 12. 120  BAG 18. 9. 2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351, Rn. 12. 121  Siehe oben B.I.1.a)bb). Das BAG folgt dem BGH auch im Zshg. mit der betrieblichen Übung, siehe u. a. in BAG 30. 10. 1984 – 3 AZR 236/82, BAGE 47, 130, Rn. 16. Konsequenterweise wird deswegen auch die Möglichkeit eines Anfechtungsrechts gesehen, so u. a. Picker, Die betriebliche Übung, S. 72 ff. m. w. N.; Waltermann, RdA 2006, 257, 265; Houben, BB 2006, 2301; Walker, JuS 2007, 1, 7; Schwarze, NZA 2012, 289; a. A. „unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum“ z. B. Schaub/Koch, § 110 Rn. 31; krit. auch Preis, Arbeitsrecht Bd. 1, § 18 Rn. 702. 122 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 220 und 220a m. w. N. 123  BAG 14. 9. 2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81, Rn. 12. 124  BAG 27. 8. 2008 – 5 AZR 820/07, BAGE 127, 319, Rn. 20; BAG 5. 8. 2009 – 10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105, Rn. 13; BAG 16. 2. 2010 – 3 AZR 181/08, NZA 2011, 42, Rn. 39; 117  BAG

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

Übung wird nicht als Individualabrede im Sinne von § 305b BGB verstanden.125 Nach dem BAG betrifft ihre Wirkung alle Arbeitsverhältnisse; eine Verhandlung individueller Einzelheiten finde nicht statt und sie führe ähnlich wie ein Formulararbeitsvertrag zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und damit zu einer Typisierung.126 Konsequenterweise müssen bei der Auslegung die oben bereits dargestellten AGB-rechtlichen Besonderheiten zur Geltung kommen,127 es darf also nicht auf den objektiven Erklärungswert des Arbeitgeberverhaltens aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers und die Einzelfallumstände ankommen, sondern nur auf die Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise. Der Dritte Senat des BAG hat daraus die Konsequenz gezogen: „Die speziellen Kenntnisse und das Verständnis des einzelnen Versorgungsanwärters oder Versorgungsempfängers sind nicht maßgeblich. Da die betriebliche Übung zu typisierten Leistungsbedingungen führt, ist das Verhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalles nach objektiven Kriterien auszulegen.“128

Eine Auslegung vollkommen losgelöst von den Umständen des Einzelfalls scheint mit der Figur der betrieblichen Übung allerdings nicht kompatibel. Gegenstand einer betrieblichen Übung ist gerade ein „insgesamt auslegungsbedürftiges Gesamtverhalten, bei dem typischerweise nichts vorformuliert ist.“129 Ob ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers überhaupt existiert und welchen Inhalt und Umfang dieser hat, kann vielmehr nur insgesamt durch das Leistungsverhalten des Arbeitgebers und die dieses beeinflussenden Umstände im Rahmen der Auslegung festgestellt werden.130 Die Berücksichtigung aller Einzelfallumstände, also auch derjenigen, die allein dem konkreten Vertragspartner, also dem betroffenen einzelnen Arbeitnehmer, der den Anspruch geltend macht, bekannt sind, würde allerdings dem kollektiven Charakter der betrieblichen Übung widersprechen. Bei der Auslegung sind Umstände hinsichtlich des Verhaltens des Arbeitgebers wie die Art, Dauer und Intensität der Leistungen zu berücksichtigen.131 BAG 16. 5. 2012 − 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908, Rn. 14; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 418; Preis, Arbeitsrecht Bd. 1, § 18 Rn. 681: „Zu berücksichtigen ist, dass das in dem Verhalten des Arbeitgebers liegende Angebot eine gestellte Vertragsbedingung ist, die den Prinzipien der §§ 305 ff. BGB unterfällt.“; a. A. Giesen, NZA 2006, 625, 628. AGB-rechtlich kontrolliert werden v. a. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte. 125  BAG 20. 5. 2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1223, Rn. 30. 126  BAG 31. 7. 2007 – 3 AZR 189/06, NZA-RR 2008, 263, Rn. 17. 127  Siehe auch zur Anwendung der Unklarheitenregel wegen Mehrdeutigkeit des Erklärungsverhaltens des Arbeitgebers Picker, Die betriebliche Übung, S. 227 ff. 128  BAG 31. 7. 2007 – 3 AZR 189/06, NZA-RR 2008, 263, Rn. 20; siehe auch ErfK/ Preis, § 611 BGB Rn. 220a. 129  Picker, Die betriebliche Übung, S. 437 und S. 443. 130  Picker, Die betriebliche Übung, S. 437. 131  BAG 28. 5. 2008 – 10 AZR 274/07, NZA 2008, 941, Rn. 18: „Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass

I.  Rechtsgeschäftliche Selbstbindung

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Von Bedeutung ist also nicht, wie ein objektiver Arbeitnehmer in der konkreten Situation des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers das Verhalten des Arbeitgebers verstehen würde, sondern abzustellen ist auf die Arbeitnehmerschaft. Dies steht nicht im Widerspruch zur AGB-rechtlichen Auslegung: Dabei sind Begleit­ umstände, die nur den konkreten Vertragspartnern bekannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen, grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig. Zur Auslegung heranzuziehen sind Begleitumstände aber dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren vertraglichen Abrede begleiten.132 Umstände, die das Gesamtverhalten des Arbeitgebers ausmachen, können als solche Umstände gewertet werden.133 Ansonsten ließe sich eine betriebliche Übung kaum feststellen, da aufgrund des fehlenden Wortlauts bei konkludentem Verhalten nur die Untersuchung dieser Umstände als Mittel der Auslegung bleibt. Somit ist die betriebliche Übung ein Fall der rechtsgeschäftlichen Selbstbindung, genauer einer „Bindung auf unbestimmte Zeit“.134 Der kollektive Bezug ist nicht nur Voraussetzung, um überhaupt von einer betrieblichen Übung sprechen zu können,135 sondern ein wichtiges Auslegungskriterium. Der wesentliche Unterschied zu Situationen, in denen es um ein Verhalten gegenüber nur einzelnen Arbeitnehmern geht ist, dass allein die Leistung an einzelne Arbeitnehmer noch nicht auf einen zurechenbaren objektiven Bindungswillen des Arbeitgebers schließen lässt, er wolle allen Arbeitnehmern oder zumindest einer abgrenzbaren auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen aufgestellt worden. Bei anderen Sozialleistungen ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Wie lange die Übung bestehen muss, damit die Arbeitnehmer berechtigt erwarten können, dass sie fortgesetzt werde, hängt davon ab, wie häufig die Leistungen erbracht worden sind. Dabei kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung der Relation von Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übungen auch Art und Inhalt der Leistungen einzubeziehen. Bei für den Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistungen sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen als bei bedeutsameren Leistungsinhalten. […].“ 132  BAG 15. 2. 2011 − 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541; siehe auch BAG 15. 11. 2016 – 3 AZR 582/15, MDR 2017, 528, Rn. 34. 133  Vgl. BAG 30. 7. 2008 – 10 AZR 606/07, BAGE 127, 185, Rn. 27: „Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung auf Grund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durfte.“; so auch BAG 15. 2. 2011 − 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541, Rn. 88. 134  Waltermann, RdA 2006, 257, 263. 135  BAG 11. 4. 2006 – 9 AZR 500/05, BAGE 118, 16, Rn. 15.

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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Gruppe die Leistung zukommen lassen.136 Die betriebliche Übung ist im Kern keine besondere Figur des Arbeitsrechts, vielmehr bringt sie nur zum Ausdruck, dass arbeitsrechtliche Besonderheiten bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen sind. Dazu gehört nicht nur die kollektive Erscheinung, sondern auch die Besonderheit, dass es sich bei einem Arbeitsverhältnis um ein auf dauernden Leistungsaustausch mit personenbezogener Bindung angelegtes Rechtsverhältnis handelt.137 Diese beiden Kriterien beeinflussen wesentlich die Frage des Vertrauendürfens, letzteres nicht nur spezifisch bei der Auslegung eines Verhaltens gegenüber mehreren Arbeitnehmern, sondern generell bei der Auslegung von Arbeitgeberverhalten. Die „Vertragstheorie“ führt nicht dazu, dass bei wiederholtem Verhalten des Arbeitgebers vorschnell von einem Verpflichtungswillen ausgegangen wird.138 Insbesondere bei einem bloßen Dulden des Arbeitgebers scheint die Annahme eines Verpflichtungswillens zweifelhaft.139 Nach einer anderen Ansicht, der sogenannten „Vertrauenstheorie“, handelt es sich bei der betrieblichen Übung um eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung des Arbeitgebers.140 Es fehlt jedoch an einer Schutzlücke, um einen direkten Rückgriff auf die Vertrauenshaftung zu rechtfertigen.141 Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig zugrunde gelegt, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen.142 „Schutzwürdiges Vertrauen“ ist dabei als ein „rechtsgeschäftliches Vertrauendürfen“ im Sinne von § 157 BGB zu verstehen und nicht als eine Hinwendung zur Vertrauenstheorie.143 136 

BAG 11. 4. 2006 – 9 AZR 500/05, BAGE 118, 16, Rn. 15. Waltermann, RdA 2006, 257, 261. 138  Die Rspr. bei der Anerkennung einer rechtsgestaltenden betrieblichen Übung als äußerst zurückhaltend ansehend Bepler, RdA 2005, 323, 326; ders., RdA 2004, 226, 235; Waltermann, RdA 2006, 257, 262. 139 Vgl. Picker, Die betriebliche Übung, S. 373; Waltermann, NZA 2007, 529; siehe dazu C.I.2.b)bb)(1). 140  Z. B. Seiter, Die Betriebsübung, S. 101 ff; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 386 ff., S. 403 ff., der dabei von einer „Erwirkung“ spricht; Hromadka, NZA 1984, 241; Singer, ZfA 1993, 487; sowohl der Vertrags- also auch der Vertrauenstheorie krit. gegenüberstehend, i. E. aber eine rechtsgeschäftliche Lösung vertretend Picker, Die betriebliche Übung, S. 371 ff. Die normativen Theorien sind abzulehnen, werden hier aber nicht vertieft behandelt, siehe dazu eine ausf. Darstellung bei Picker, Die betriebliche Übung, S. 9 ff. 141  Vgl. MüKo/Müller-Glöge, 4. Aufl., § 611 BGB Rn. 418: „Soweit die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung des Arbeitgebers begründbar ist und keine Fiktion darstellt, ist die Vertragstheorie gegenüber der Vertrauenshaftung vorrangig, denn vertragliche Ansprüche bedürfen keiner Begründung mit Hilfe von Treu und Glauben.“; vgl. auch Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 195 f. 142  BAG 13. 6. 2007 – 5 AZR 849/06, AP Nr. 78 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, Rn. 15; BAG 8. 12. 2010 – 10 AZR 671/09, BAGE 136, 294, Rn. 11; vgl. auch BAG 18. 3. 2003 – 3 AZR 101/02, NZA 2004, 1099, Rn. 54. 143  Picker, Die betriebliche Übung, S. 37 m. w. N. 137 

I.  Rechtsgeschäftliche Selbstbindung

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Der Arbeitgeber ist dadurch nicht vollkommen schutzlos gestellt. Er hat z. B. die Möglichkeit, eine Selbstbindung zu verhindern, indem er Leistungen unter einen – wenn auch AGB-rechtlich zu überprüfenden – Freiwilligkeitsvorbehalt stellt.144 Inwiefern eine betriebliche Übung beendet werden kann bzw. wie sich der Arbeitgeber von seiner Bindung wieder lösen kann, ist immer noch sehr umstritten.145 Aufgrund der eigenständigen Komplexität des Themas soll es im Rahmen dieser Untersuchung keinen Schwerpunkt bilden. c)  Zwischenergebnis Bei der Gesamtzusage und der betrieblichen Übung handelt es sich also um Begrifflichkeiten, hinter denen die generellen rechtsgeschäftlichen Prinzipien stehen.146 Die Begriffe bringen insofern nur eine Rechtsklarheit, als durch sie klargestellt wird, dass es um eine Erklärung bzw. um ein Verhalten gegenüber mehreren und nicht nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer geht. Zur Abgrenzung von Erklärungen gegenüber einem Arbeitnehmer wird auch im Rahmen dieser Untersuchung an den Begriffen festgehalten. Die Unterscheidung zwischen Gesamtzusage und betrieblicher Übung wird nicht aufgegeben,147 um deutlich zu machen, dass es sich bei ersterer um eine ausdrückliche und bei letzterer um eine konkludente Willenserklärung gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern handelt. d)  Normative Kollektivregelungen aa)  Betriebsvereinbarungen Des Weiteren kann der Arbeitgeber sich durch eine Betriebsvereinbarung rechtsgeschäftlich selbst binden. Obwohl einer Betriebsvereinbarung eine nor144  BAG 19. 3. 2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595, Rn. 28 m. w. N.; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 419 m. w. N.; Zweifel daran noch BAG 30. 7. 2008 – 10 AZR 606/07, BAGE 127, 185, Rn. 16; Waltermann, RdA 2006, 257, 263, der allerdings eine AGB-Kontrolle ablehnt; so auch u. a. Ulrici, BB 2005, 1902, 1903 f. 145  Siehe dazu z. B. ausf. Picker, Die betriebliche Übung, S. 391 ff.; Walker, JuS 2007, 1, 6 ff.; z. B. für eine Anfechtbarkeit u. a. Waltermann, RdA 2006, 257, 265; Houben, BB 2006, 2301; Walker, JuS 2007, 1, 7. Die Rspr. zur negativen oder gegenläufige Übung hat das BAG aufgegeben (BAG 18. 3. 2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601). Zum Problem der Ablösung einer Betriebsvereinbarung durch eine Betriebsvereinbarung siehe u. a. Gruber/Stumpf, BB 2014, 1205; für eine grds. Betriebsvereinbarungsoffenheit von Positionen aus betrieblicher Übung u. a. Bepler, RdA 2005, 323, 328. 146  Aus diesem Grund für die Aufgabe des Rechtsbegriffs der „betrieblichen Übung“ ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 220e. 147 Für die Bezeichnung der betrieblichen Übung als „konkludente Gesamtzusage“ MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 414; Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 56; Reinecke, BB 2004, 1625.

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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mative, gesetzesgleiche Wirkung zukommt,148 führt der Umstand, dass es sich um einen privatrechtlichen kollektiven Normenvertrag zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat handelt,149 dazu, dass die Selbstbindung rechtsgeschäftlich begründet ist. Es liegt eine Willenserklärung seitens des Arbeitgebers vor. Die Besonderheit liegt darin, dass diese nicht gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerschaft erfolgt, sondern gegenüber dem Betriebsrat. Es gelten grundsätzlich die Vorschriften des BGB über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte.150 Dagegen spricht nicht, dass die Auslegung von Betriebsvereinbarungen sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung richtet.151 Die Ansprüche der Arbeitnehmer entstehen zwar nicht allein aus der Betriebsvereinbarung, sondern Geltungsgrund für die Ansprüche der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung ist deren auf § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG beruhende normative Wirkung.152 Die normativen Regelungen wirken wie ein Gesetz auf die Arbeitsverhältnisse ein, ohne Bestandteil des Arbeitsvertrags zu sein.153 Dies ändert nichts daran, dass eine Willenserklärung des Arbeitgebers maßgeblich dafür ist, dass es zu einem solchen Anspruch bzw. Recht für den Arbeitnehmer kommt. Das Gesetz verstärkt die Bindungswirkung. Der Arbeitgeber kann trotzdem selbst bestimmen, ob und mit welchem Inhalt er diese Wirkung auslösen möchte; auslösen kann er sie nur durch eine Willenserklärung.154 bb)  Tarifverträge Ist der Arbeitgeber selbst Tarifvertragspartei (bei sog. Firmentarifverträgen) stellt dies eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung nicht nur bezüglich des schuld­ rechtlichen Teils dar. Der Tarifvertrag ist trotz seines normativen Teils ein Institut des Privatrechts bzw. ein privatrechtlicher Normenvertrag.196 Der Vertragsschluss 148 ErfK/Kania,

§ 77 BetrVG Rn. 5. die heute h. M., siehe z. B. BAG 18. 2. 2003 – 1 ABR 17/02, BAGE 105, 19, Rn. 56; Fitting, § 77 BetrVG Rn. 13; ErfK/Kania, § 77 BetrVG Rn. 4; Richardi/Richardi, § 77 ­BetrVG Rn. 24 m. w. N. (dieser ist aber gegen eine Einordnung in das traditionelle Modell der Privatautonomie, Rn. 25); a. A. früher die sog. Satzungstheorie, die u. a. von Herschel vertreten wurde (RdA 1948, 47). 150 Richardi/Richardi, § 77 BetrVG Rn. 45. 151  Zur Auslegung von Betriebsvereinbarungen nach diesen Grundsätzen u. a. Fitting, § 77 BetrVG Rn. 15 m. w. N. Betriebsvereinbarungen sind objektiv auszulegen; der subjektive Regelungswille der Betriebsparteien ist nur zu berücksichtigen, soweit er in der betreffenden Regelung deutlich Ausdruck gefunden hat (BAG 15. 10. 2013 – 1 AZR 544/12, NJOZ 2014, 1114, Rn. 23). 152  BAG 13. 2. 2007 – 1 AZR 184/06, BAGE 121, 168, Rn. 37. 153  Fitting, § 77 BetrVG Rn. 125 m. w. N. 154 Auf einer freien Willensentschließung des Arbeitgebers beruht die Betriebsvereinbarung allerdings nicht, wenn die Zustimmung des Arbeitgebers gegen seinen Willen durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt wird (Linsenmaier, RdA 2014, 336, 337). 149 So

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung

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zwischen den Tarifvertragsparteien ist rein privatrechtlicher Natur156 und die damit bewirkte Normsetzung wird zum Teil für kollektiv ausgeübte Privatautonomie gehalten.157 Ein Tarifvertrag kommt nach den allgemeinen Regeln der §§ 145 ff. BGB zu Stande.158 Die Tarifnormen werden allerdings nicht zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, sondern die Tarifnormen überlagern die arbeitsvertragliche Vereinbarung wie ein Gesetz.159 Die gesetzliche Anordnung der Normwirkung aus § 4 Abs. 1 TVG ändert aber auch hier nichts daran, dass erst eine Willenserklärung des Arbeitgebers zu dieser Wirkung führt und den Inhalt mitbestimmt. 155

Problematischer ist, ob eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung gegeben ist, wenn der Arbeitgeber selbst nicht Tarifvertragspartei ist, sondern der Arbeitgeberverband, in dem der Arbeitgeber Mitglied ist. Die Bindung beruht einerseits auch hier auf einer privatautonomen Entscheidung des Arbeitgebers, in diesem Fall für eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband.160 Der Beitritt ist ein zweiseitiger Vertrag, d. h. er erfolgt durch Willenserklärungen.161 Der Tarifvertrag gilt andererseits unabhängig vom eventuell entgegenstehenden Willen der Arbeitsvertragsparteien und davon, ob sie überhaupt von ihm wissen.162 Die Willenserklärung, Mitglied sein zu wollen, stellt aber zumindest eine mittelbare rechtsgeschäftliche Selbstbindung dar.

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung Die folgenden vier Topoi der außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung sind im Rahmen der Untersuchung der Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsund Befristungsrecht relevant. 1.  Venire contra factum proprium Der Arbeitgeber163 verhält sich unter anderem dann rechtsmissbräuchlich, wenn er sich in Widerspruch zu eigenem vorherigem Verhalten setzt und dadurch 155  Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des ArbR, Bd. II/1, S. 339 ff.; Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 102 Rn. 877. 156  Preis, Arbeitsrecht Bd. 2, § 102 Rn. 877. 157  U. a. BAG 27. 1. 2010 – 4 AZR 549/08 (A), NZA 2010, 645, Rn. 45 m. w. N.; a. A. Däubler/Ulber, Einl. C Rn. 249 ff.; krit. auch Greiner, Rechtsfragen, S. 99 ff. 158  BAG 4. 6. 2008 – 4 AZR 419/07, NZA 2008, 1366, Rn. 18; ErfK/Franzen, § 1 TVG Rn. 23. 159 ErfK/Franzen, § 4 TVG Rn. 1; Henssler/Moll/Bepler/Greiner, Teil 9 Rn. 2 m. w. N. 160  BAG 27. 1. 2010 – 4 AZR 549/08 (A), NZA 2010, 645, Rn. 45. 161 Däubler/Lorenz, § 3 TVG Rn. 16 f.; ErfK/Franzen, § 3 TVG Rn. 6. 162 ErfK/Franzen, § 4 TVG Rn. 1; Henssler/Moll/Bepler/Greiner, Teil 9 Rn. 2 m. w. N. 163 Auch der Arbeitnehmer kann sich widersprüchlich verhalten; siehe z.  B. BAG 4. 12. 1997 – 2 AZR 799/96, NZA 1998, 420; BAG 12. 3. 2009 – 2 AZR 894/07, BAGE 130, 14. Gegenstand der Untersuchung ist jedoch nur das Verhalten des Arbeitgebers.

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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– bewusst oder unbewusst – für den Arbeitnehmer ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen hat oder wenn anderweitige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.164 Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.165 Verschulden ist keine Voraussetzung.166 Das Institut des venire contra factum proprium ist nicht rechtsgeschäftlich zu interpretieren,167 sondern außerrechtsgeschäftlich.168 Es ist eine Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB169 und stellt eine von Amts wegen zu prüfende Schranke jeder Rechtsanwendung dar.170 Als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet dieses Verbot „eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung“.171 Allein das Bestehen eines Arbeitsvertrags führt noch nicht dazu, dass der Vorrang der Rechtsgeschäftslehre eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbedingung durch widersprüchliches Verhalten ausschließt. Entscheidend für die Einordnung ist nicht ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien, sondern relevant ist das konkrete tatsächliche Verhalten innerhalb des Arbeitsverhältnisses. Es geht mit anderen Worten um fehlende vertragliche Regelungen innerhalb eines Vertragsverhältnisses.172 Grundsätzlich ist das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens darauf ausgerichtet, einen Verstoß dadurch zu sanktionieren, dass der Berechtigte sein Recht nicht mehr ausüben darf.173 Denkbar sind aber Ausnahmesituationen, in denen ein Verstoß zu einem Erfüllungsanspruch für den anderen führt.174 Dies entspricht dem Grundsatz, dass allein Vertrauen in der Regel keine Leistungspflichten bzw. Erfüllungsansprüche, sondern nur Ansprüche auf Ersatz des negativen Interesses 164 

BAG 12. 3. 2009 – 2 AZR 894/07, BAGE 130, 14, Rn. 17 m. w. N. BAG 4. 12. 1997 – 2 AZR 799/96, NZA 1998, 420, Rn. 14; BAG 12. 3. 2009 – 2 AZR 894/07, BAGE 130, 14, Rn. 17; BAG 23. 9. 2009 – 4 AZR 220/08, ZTR 2010, 298, Rn. 16. 166  BGH 16. 7. 2014 – IV ZR 73/13, NJW 2014, 2723, Rn. 37; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 313; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 48. 167 So Wieling, AcP 176, 334 ff. 168  Diese rechtsgeschäftliche Betrachtung auch als zu eng ansehend MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 313. 169  Siehe u. a. Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 42, 55. 170  BAG 8. 6. 1972 – 2 AZR 336/71, NJW 1972, 1878, Rn. 27. 171  BAG 12. 3. 2009 – 2 AZR 894/07, BAGE 130, 14, Rn. 17 m. w. N.; BAG 20. 9. 2016 – 9 AZR 735/15, NZA 2017, 49, Rn. 50. 172 Vgl. Dette, Venire contra factum proprium, S. 47. 173 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 295; Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 BGB Rn. 324; allg. zur unzulässigen Rechtsausübung MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 204; HK-BGB/Schulze, § 242 BGB Rn. 24. 174 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 295; Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 BGB Rn. 324. 165 

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung

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gewährt.175 Dies wiederum steht im Einklang mit dem Vorrang der Rechtsgeschäftslehre und der Ergänzungsfunktion der Vertrauenshaftung.176 2.  Spezialfall Verwirkung Die Verwirkung ist ein Spezialfall des widersprüchlichen Verhaltens und damit der unzulässigen Rechtsausübung.177 Früher vertretene rechtsgeschäftliche Lösungsansätze werden heute von der Rechtsprechung nicht mehr vertreten.178 Verwirken kann grundsätzlich jeder Anspruch und jedes Recht,179 es sei denn die Verwirkung ist gesetzlich ausgeschlossen.180 Die Verwirkung soll der Rechtsklarheit und dem Vertrauensschutz dienen.181 Die „illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten“182 soll ausgeschlossen und das „Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit“183 beseitigt werden. Ihr wird im Verhältnis zur Verjährung Bedeutung zugemessen.184 175 Vgl. Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 10 5, S. 133; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 343; Waltermann, RdA 2006, 257, 264 176  Siehe oben A. 177  BAG 24. 9. 1986 – 7 AZR 46/85, juris, Rn. 34; BAG 20. 1. 1994 – 8 AZR 274/93, BAGE 75, 284, Rn. 40; BAG 26. 10. 2016 – 5 AZR 168/16, NZA 2017, 323, Rn. 41; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 300 m. w. N.; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 87; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 BGB Rn. 123; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 356 f., nach dem allerdings die Verwirkung infolge Zeitablaufs im Verhältnis zur Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens eine eigenständige Entwicklung genommen habe, wegen der Abweichungen von den allg. Grundsätzen empfehle sich ihre selbstständige Darstellung; Preis spricht von einem „Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung“ und einer „engen Verwandtschaft“ zur Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens (APS/Preis, Grundlagen D Rn. 108); Stauder, Verwirkung, S. 42 ff. m. w. N.; a. A. Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 6 und S. 52 ff.; Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 43 ff., der die Verwirkung als Gewohnheitsrecht ansieht; Gernhuber, JuS 1983, 764, 766. 178  Dies darstellend Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 36 f. 179  BAG 12. 12. 2006 – 9 AZR 747/06, NZA 2007, 396, Rn. 18; Beispiele zu Rechten aus dem Arbeitsrecht aufgelistet u. a. bei Kettler, NZA 2001, 928, 931 m. w. N. 180  Siehe z. B. § 3 Satz 3 MiLoG. 181  BAG 18. 2. 1992 – 9 AZR 118/91, EzA § 1 BUrlG Verwirkung Nr. 1, Rn. 18; BAG 26. 10. 2016 – 5 AZR 168/16, NZA 2017, 323, Rn. 41. 182  BAG 18. 2. 1992 – 9 AZR 118/91, EzA § 1 BUrlG Verwirkung Nr. 1, Rn. 18; BAG 26. 10. 2016 – 5 AZR 168/16, NZA 2017, 323, Rn. 41. 183  BAG 12. 12. 2006 – 9 AZR 747/06, NZA 2007, 396, Rn. 17; BAG 17. 10. 2013 – 8 AZR 974/12, NZA 2014, 774, Rn. 26; siehe auch BAG 18. 2. 1992 – 9 AZR 118/91, EzA § 1 BUrlG Verwirkung Nr. 1, Rn. 18. 184  BGH 26. 5. 1992 – VI ZR 230/91, NJW-RR 1992, 1240, Rn. 11 (Gerade darin, dass die Verwirkung schon vor der Verjährung eintreten könne, liege ihre besondere Bedeutung in der Praxis.); Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 301; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 364; siehe genauer zur Abgrenzung Verwirkung und Verjährung B.II.2.b).

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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a)  Zeit- und Umstandsmoment Kumulative Voraussetzungen sind ein Zeit- und ein Umstandsmoment: Die Verwirkung eines Rechts tritt ein, wenn es der Berechtigte über längere Zeit hinweg nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre („Zeitmoment“), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde („Umstandsmoment“).185 Besondere Umstände, sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des anderen, müssen rechtfertigen, die späte Geltendmachung als einen Verstoß gegen Treu und Glauben und als für den anderen unzumutbar anzusehen.186 Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung: Der erforderliche Zeitablauf kann umso kürzer sein, je schwerwiegender die Umstände sind, und umgekehrt sind an diese Umstände umso geringere Anforderungen zu stellen, je mehr Zeit vergangen ist.187 Allein das Verstreichen einer längeren Zeit kann die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen.188 Die Existenz besonderer Umstände, die neben dem Zeitablauf ein schützenswertes Vertrauen hervorgerufen haben, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.189 Es handelt sich um eine „flexible Ausübungsschranke für Rechte in zeitlicher Hinsicht“190. Die Voraussetzungen können gesetzlich konkretisiert sein. Eine solche Konkretisierung des allgemeinen Verwirkungstatbestands stellt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB dar.191 b)  Abgrenzung zum Verzicht Insbesondere eine Abgrenzung des Verzichts durch schlüssiges Verhalten von der Verwirkung kann sich als schwierig herausstellen.192 In der bewussten langdauernden Nichtausübung eines Rechts kann ein stillschweigend erklärter Ver185 

BAG 18. 2. 1992 – 9 AZR 118/91, EzA § 1 BUrlG Verwirkung Nr. 1, Rn. 18. 18. 2. 1992 – 9 AZR 118/91, EzA § 1 BUrlG Verwirkung Nr. 1, Rn. 18; BAG 26. 10. 2016 – 5 AZR 168/16, NZA 2017, 323, Rn. 41; BAG 17. 11. 2016 – 6 AZR 487/15, ZTR 2017, 226, Rn. 47. 187  BAG 12. 12. 2006 – 9 AZR 747/06, NZA 2007, 396, Rn. 17. 188  BAG 24. 8. 2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58, Rn. 60. 189  BAG 17. 11. 2016 – 6 AZR 487/15, ZTR 2017, 226, Rn. 47. 190 Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 53. 191  BAG 9. 1. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 200 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 329 f. m. w. N.; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 108; SPV/Preis Rn. 794 m. w. N.; Moll/Reinartz, MAH ArbR, § 44 Rn. 153; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 371 m. w. N.; a. A. Stauder, Verwirkung, S. 90; Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 289 ff.; Popp, NZA 1987, 366. 192  Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74; Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 9 m. w. N.; Stauder, Verwirkung, S. 46 f. m. w. N. 186  BAG

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung

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zicht liegen.193 An einen konkludent erklärten Verzicht sind jedoch, wie bereits erörtert, grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen.194 Für die Verwirkung spielt im Gegensatz zum Verzicht der Wille des Berechtigten keine Rolle.195 Allerdings fehlt es diesem Abgrenzungskriterium des Willens durch die Lehre des potenziellen Erklärungsbewusstseins an Eindeutigkeit.196 Die Erforderlichkeit der Kenntnis des eigenen Rechts könnte ein weiteres Abgrenzungskriterium sein.197 Das wäre aber nur der Fall, wenn die Verwirkung auch bei Unkenntnis des Arbeitgebers eintreten könnte, während der Verzicht nur bei Kenntnis möglich ist. Gemeint ist damit nicht eine Kenntnis im Sinne einer rechtlichen Würdigung, sondern einem Laien entsprechend nur die Kenntnis der das Recht bzw. den Anspruch begründenden Umstände.198 Ein solches Verständnis steht mit § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB199 und § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB200 im Einklang. Grundsätzlich wird die Kenntnis des Rechts nicht für eine notwendige Voraussetzung des allgemeinen Verwirkungstatbestands gehalten.201 Wenn der andere aber davon ausgehen müsse, dass der Berechtigte von dem ihn zustehenden Ansprüchen bzw. Rechten keine Kenntnis hat, dann fehle es am erforderlichen Vertrauenstatbestand.202 Dass die Verwirkung gegen den Willen des Berechtigten eintreten kann, da die an Treu und Glauben ausgerichtete objektive Beurteilung, nicht aber der Willens­ entschluss des Berechtigten entscheidend ist, zieht nicht die Konsequenz nach sich, dass die Kenntnis per se unerheblich wäre.203 Der Wille hinsichtlich einer Verwirkung darf ebenso wenig mit der Kenntnis über das Recht gleichgesetzt 193 Jauernig/Mansel,

BGB § 242 Rn. 58. Siehe oben B.I.1.a); BGH 29. 11. 1995 – VIII ZR 293/94, NJW 1996, 588, Rn. 14. 195  BGH 27. 6. 1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, Rn. 13; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 58; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 303; Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74. 196  Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74. 197  Siehe zu diesem Problem speziell hinsichtlich der Verwirkung eines Kündigungsrechts C.I.1.a)bb)(2)(b)(cc)(α). 198  Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 104 f. 199  „Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.“ 200  „[…] der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.“ 201 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 91, 94 m. w. N.; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 132, 139; Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74; Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 72 m. w. N.; a. A. zumindest bei nicht vorwerfbarer Unkenntnis u. a. OLG München 16. 12. 2004 – 19 U 4075/00, FamRZ 2005, 1120; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 387 m. w. N.; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 60 m. w. N. 202 Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 BGB Rn. 124; Popp, NZA 1987, 366, 368. 203  So aber BGH 16. 3. 2007 – V ZR 190/06, NJW 2007, 2183, Rn. 8. 194 

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

werden wie das nicht erforderliche Verschuldenserfordernis mit einem Verlangen nach Kenntnis. Eine verspätete Geltendmachung ist erst bei Kenntnis „illoyal“. Der Berechtigte ist erst in der Lage sein Recht auszuüben, wenn er davon Kenntnis hat.204 Die Umstände müssten sehr nachdrücklich für die vorrangige Schutzwürdigkeit der Gegenseite sprechen, um trotz Unkenntnis des Berechtigten von seinem Recht eine Verwirkung anzunehmen.205 Die fehlende Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht spricht gegen die Schutzwürdigkeit des anderen.206 Der Schutz des Berechtigten darf gegenüber dem Vertrauensschutz des anderen nicht in Vergessenheit geraten.207 Dies muss selbst bei dem Anschein, der Berechtigte habe Kenntnis, gelten. Die erforderliche Zeitspanne richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.208 Für die Erforderlichkeit der Kenntnis spricht zudem, dass bei der Bestimmung des Zeitmoments eine üblicherweise angemessene Überlegungsfrist als Umstand des Einzelfalls mit einzubeziehen sein sollte. Angemessen überlegen kann der Berechtigte nur, wenn er sein Recht kennt. Anhaltspunkte für die Frage, ob die Verwirkung Kenntnis voraussetzt, können auch aus der Nähe zur Verjährung gewonnen werden. Verjährung ist ein Zeitablauf, der dem Schuldner das Recht gewährt, die Leistung zu verweigern.209Auch wenn Verjährung und Verwirkung voneinander abzugrenzen sind und sie erhebliche Unterschiede aufweisen,210 weisen sie Gemeinsamkeiten auf.211 Gemeinsam ist den beiden Rechtsinstituten, dass ein Zeitablauf dazu führt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann. Beide Institute stellen eine Konkretisierung von Treu und Glauben dar.212 Ähnlich sind die Zielsetzungen der Förderung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.213 Zwischen der Verjährungsfrist und dem Zeitmoment der Verwirkung besteht eine Relation: Aufgrund der ansonsten fehlenden Existenzberechtigung für die Verwirkung, wird das Zeitmoment im Grundsatz bei einem kürzeren Zeitablauf als die korrespondierende Verjährungs204  Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 103; vgl. auch für das öffentliche Recht BVerwG 24. 2. 1958 – VI C 234/57, VerwRspr. 1958, 889. 205  Vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 387. 206 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 309. 207 Vgl. Stauder, Verwirkung, S. 87 f. 208 Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 93; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 59 m. w. N. 209 MüKo/Grothe, Vor § 194 BGB Rn. 1. 210 Siehe zur Abgrenzung u. a. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 376 ff.; HK-BGB/ Schulze, § 242 BGB Rn. 45; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 57; Marburger, NZV 2015, 218, 222. 211  Birr, Verjährung und Verwirkung, S. 218 f.; Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 7 und S. 102. 212  Zur Verjährung MüKo/Grothe, Vor § 194 BGB Rn. 5, 6; zur Verwirkung HK-BGB/ Schulze, § 242 BGB Rn. 42 m. w. N. 213  Zu § 199 BGB: MüKo/Grothe, § 199 BGB Rn. 2.

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung

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frist bejaht.214 Je kürzer eine Verjährungsfrist, desto weniger kommt eine Verwirkung in Betracht.215 Für die Bemessung des Zeitmoments der Verwirkung orientiert man sich teilweise an den maßgeblichen Verjährungsfristen.216 Dies lässt es als konsequent erscheinen, eine Orientierung am Erfordernis der Kenntnis im Rahmen von § 199 Abs. 1 BGB vorzunehmen.217 Bei der Verjährung ist jedoch eine grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers ausreichend.218 Zum Teil wird für die Verwirkung ein Abstellen auf die Vorwerfbarkeit der Unkenntnis vorgeschlagen.219 So weit sollte eine Orientierung an der Verjährung aber nicht gehen.220 Der Sinn und Zweck der Verwirkung, den anderen schon vor Ablauf von Verjährungsfristen zu schützen, kann nicht so verstanden werden, dass insgesamt an eine Verwirkung genauso strenge oder weniger strenge Anforderungen zu stellen sind. Im Gegenteil, für eine Abweichung von den gesetzlichen Regelungen und für einen dadurch verübten Eingriff in die Rechtsposition des Berechtigten müssen strengere Anforderungen gelten.221 Aufgrund ihrer Unverjährbarkeit kann bei Gestaltungsrechten keine Orientierung an § 199 BGB stattfinden.222 Für alle Arten von Rechten und Ansprüchen ist jedoch positive Kenntnis für den Eintritt der Verwirkung zu fordern; eine Unterscheidung zwischen Ansprüchen und Gestaltungsrechten ist in diesem Zusammenhang abzulehnen.223 Bezüglich Gestaltungsrechten spricht dafür die Existenz von § 626 Abs. 2 Satz 2 und § 314 Abs. 3 BGB.224 Somit eignet sich die Kenntnis nicht als Abgrenzungskriterium zwischen Verwirkung und Verzicht.225 Die positive Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht ist vielmehr ein besonderer Umstand im Verhalten des Berechtigten, der es rechtfertigt, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben 214 MüKo/Schubert,

§ 242 BGB Rn. 376. BGH 6. 12. 1988 – XI ZR 19/88, NJW-RR 1989, 818 m. w. N.; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 376 und 364; HK-BGB/Schulze, § 242 BGB Rn. 46. 216 MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 364; siehe dazu C.II.4.c)bb)(1). 217 Vgl. Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 102. Allerdings enthalten § 199 Abs. 2 bis 4 BGB Höchstfristen ohne Rücksicht auf die Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis. 218  Siehe dazu u. a. MüKo/Grothe, § 199 BGB Rn. 31 ff. 219  OLG München 16. 12. 2004 – 19 U 4075/00, FamRZ 2005, 1120; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 387 m. w. N.; Jauernig/Mansel BGB § 242 Rn. 60 m. w. N.; vgl. auch Stauder, Verwirkung, S. 83 ff. 220  Dagegen auch Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 103. 221 Vgl. Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 103. 222 MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 366; siehe C.II.4.c)bb)(1). 223  Speziell zum Kündigungsrecht siehe C.I.1.a)bb)(2)(b)(cc)(α). 224  Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 103. 225  So auch Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 9. 215 

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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unvereinbar und die Erfüllung der geschuldeten Leistung für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen. Wichtiger ist die Unterscheidung, dass bei der Verwirkung der Zeitablauf im Vordergrund steht, während der Verzicht auf einer einmaligen Willensäußerung beruht.226 3.  Allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Bedeutung erlangt zum Dritten der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz fordert vom Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln.227 Er erlaubt weder die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage, noch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung; dies gilt nicht nur für einzelne Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch bei der Gruppenbildung.228 Abzugrenzen ist die sich aus dem Grundsatz ergebende Pflicht zur Gleichbehandlung von Pflichten, die sich aus gesetzlichen Konkretisierungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergeben und damit vorrangig zu beachten sind, wie bspw. § 1 Abs. 3 KSchG.229 Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann rechtsbegründende oder -begrenzende Wirkung haben.230 Der Grundsatz der Vertragsfreiheit genießt Vorrang gegenüber dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn und soweit Vertragsbedingungen mit den einzelnen Arbeitnehmern frei ausgehandelt sind.231 Der Arbeitgeber darf einzelne Arbeitnehmer besserstellen.232 Anders ist es hingegen, wenn es sich um vorformulierte Vorgaben handelt.233

226 

Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74. BAG 27. 7. 2010 – 1 AZR 874/08, NZA 2010, 1369, Rn. 15. 228  BAG 14. 6. 2006 – 5 AZR 584/05, NZA 2007, 221, Rn. 16. 229  Allg. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 572; zu § 1 Abs. 3 KSchG: HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 190; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 234; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 268; SPV/Preis Rn. 250; ders., Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 389. 230  Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 318 f. 231  Siehe z. B. BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 21 (siehe zu diesem Urteil auch D.II.1.a)); ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575 m. w. N.; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1125 m. w. N. 232  Siehe z. B. BAG 19. 8. 1992 – 5 AZR 513/91, NZA 1993, 171, Rn. 30; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575 m. w. N. 233 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575; a. A. Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1025. 227 

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung

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a)  Einordnung als außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung Es stellt sich auch diesbezüglich die Frage der Einordnung. Die dogmatische Herleitung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist höchst umstritten.234 Für viele gilt er als gewohnheitsrechtlich anerkannt.235 Dies stellt jedoch keine befriedigende Antwort auf die Frage der rechtsdogmatischen Einordnung dar.236 Einigkeit herrscht darüber, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz ein bestehendes Arbeitsverhältnis voraussetzt.237 Eine rechtsgeschäftliche Einordnung scheint sich also anzubieten. Ein Arbeitsvertrag ist aber nur eine notwendige Voraussetzung für die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, er reicht noch nicht aus, um die Gleichbehandlungspflicht zu begründen.238 Allein die Willenserklärung, Arbeitgeber sein zu wollen, genügt noch nicht.239 Das relevante selbstbindende Verhalten ist vielmehr die Aufstellung „eines bestimmten Verteilungskonzeptes“240 bzw. die „Schaffung eines eigenen Regelwerks bzw. einer eigenen Ordnung durch gestaltendes Verhalten“241. Die Gleichbehandlungspflicht bestimmt nicht den Vertragsinhalt des Arbeitsverhältnisses, sondern kommt nur zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber ein solches Konzept aufstellt.242 Es wird dabei von einer „privatautonomen Verteilungsentscheidung, die ihren Ausdruck in einer vom Arbeitgeber freiwillig gesetzten Anspruchs-

234  Siehe eine Darstellung der unterschiedlichen Ansichten z. B. bei HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 181; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 574; MünchArbR/Richardi, § 9 Rn. 9; Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1006; Egger, Gestaltungsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 15 ff.; Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung, S. 14; Fuhlrott, ArbRAktuell 2015, 141. 235 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 574; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1122; Boemke, NZA 1993, 532, 536; a. A. Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 319. 236 Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1006. 237  Statt vieler ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 578; Egger, Gestaltungsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 24; G Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 62; Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 339. Zusätzlich zu einer bestehenden Rechtsbeziehung erfordert die Anwendbarkeit des Grundsatzes „nur“ eine Gruppenbildung vergleichbarer Arbeitnehmer, einen kollektiven Tatbestand und eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund (Siehe zu den Voraussetzungen u. a. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 578 ff.; Küttner/Kania, Personalbuch, Gleichbehandlung Rn. 8 ff.; Fuhlrott, ArbRAktuell 2015, 141). 238  Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 339 f.; vgl. auch Hanau, in: FS Konzen, 2006, S. 242. 239  Aus diesem Grund ist auch die Ableitung aus der „Fürsorgepflicht“ abzulehnen; siehe u. a. auch Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 339 f.; Hanau, in: FS Konzen, 2006, S. 236 f.; a. A. u. a. A Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, S. 13 und S. 19; vgl. oben B.I.2. 240  Hanau, in: FS Konzen, 2006, S. 242. 241  BAG 17. 11. 2016 – 6 AZR 487/15, ZTR 2017, 226, Rn. 37. 242  Richardi, ZfA 2008, 31, 34.

B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

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grundlage für die jeweilige Leistung findet“243, gesprochen. Entscheidend ist aber nicht der Wille des Arbeitgebers,244 sondern objektive Gerechtigkeitserwägungen sind ausschlaggebend.245 Selbst wenn die Vorteilsgewährung an sich durch ein Rechtsgeschäft erfolgt, macht dies nicht den Anspruch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu einem rechtsgeschäftlichen Anspruch. Es fehlt an einer Willenserklärung des Arbeitgebers, die zum Ausdruck bringt, dass er durch die freiwillige Leistung an die einen Arbeitnehmer, auch den anderen vergleichbaren Arbeitnehmern eine solche Leistung gewähren will.246 Auf einen konkreten Vertrauenstatbestand kommt es allerdings nicht an. Der Gleichbehandlungsgrundsatz scheint zwar damit begründbar, dass alle Arbeitnehmer darauf vertrauen dürften, gleich behandelt und nicht willkürlich ausgeschlossen zu werden.247 Der Gleichbehandlungsgrundsatz würde danach gewissermaßen abstrakt auf dem Vertrauensschutz fußen, er wirkt nicht nur zu Gunsten eines Arbeitnehmers, wenn dieser auf eine Gleichbehandlung konkret vertraut hat.248 Doch auch hinsichtlich der Schaffung eines allgemeinen Systems ist vertretbar, dass dieses nicht die eigentliche Grundlage der Gleichbehandlung, sondern nur eine Voraussetzung ihrer Anwendung ist.249 Die eigentliche Grundlage der Gleichbehandlungspflicht ist also weder alleine der Abschluss eines Arbeitsvertrags noch die Aufstellung einer Regel, sondern vielmehr etwas Übergeordnetes. Auch wenn man die Ansicht nicht teilt, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz die „privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG“250 sei, ist dennoch davon auszugehen, dass der Schwerpunkt seiner Herleitung nicht im rechtsgeschäftlichen Bereich liegt, sondern er trotz des freiwilligen Abschlusses des Arbeitsvertrags und trotz der freiwilligen 243 

BAG 21. 5. 2014 – 4 AZR 50/13, BAGE 148, 139, Rn. 20. G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 245. 245  Hanau, in: FS Konzen, 2006, S. 235. 246 Vgl. G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 245. 247  Kettler, NZA 2001, 928, 932; Richardi, Anm. zu BAG, AP Nr. 162 zu § 242 BGB Gleichbehandlung: „Darauf beruht, daß der Arbeitnehmer von seinem Vertragspartner erwarten kann, bei Fehlen einer Vertragsregelung so behandelt zu werden wie andere Arbeitnehmer, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden.“ 248 Vgl. G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 244 f.: „Dabei ist es nicht einmal erforderlich, daß das System für jeden einzelnen Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist, sondern es muß nur bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände festgestellt werden können.“ 249  G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 243; Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 341. 250  BAG 17. 6. 2014 – 3 AZR 529/12, BeckRS 2014, 72175, Rn. 48; u. a. unmittelbar aus Naturrecht und der Verfassung herleitend Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung, S. 15 ff. und S. 43; krit. u. a. MünchArbR/Richardi, § 9 Rn. 8, 10. 244 

II.  Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung

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Regelaufstellung etwas dem Arbeitgeber von außerhalb des Rechtsgeschäfts Auferlegtes ist. Relevant ist vielmehr, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz trotz seiner bürgerlich-rechtlichen Natur in einem „überpositiven Ideal der Gerechtigkeit“ wurzelt.251 Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein „Gebot der Verteilungsgerechtigkeit, das verlangt, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln“.252 Es geht um austeilende Gerechtigkeit im Gegensatz zur ausgleichenden Gerechtigkeit.253 Worin der genaue Grund für das gesteigerte Bedürfnis für die Herstellung einer solchen Gerechtigkeit innerhalb eines Arbeitsverhältnisses letztendlich gesehen wird – ob z. B. im Gemeinschaftsbezug254 bzw. im Gemeinschaftsverhältnis,255 in der Machtposition des Arbeitgebers,256 im strukturellen Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer,257 in der Sozialpflichtigkeit des Arbeitsverhältnisses258 oder in einer Kombination aus allem –259, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Zum Teil wird die Gleichbehandlungspflicht beim Verbot des widersprüchlichen Verhaltens angesiedelt.260 Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass dafür ein Vertrauenstatbestand notwendig ist, denn auch andere besondere Umstände können die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.261 Auch wenn eine Nähe besteht, ist dennoch eine Einordnung der Gleichbehandlungspflicht unter das Verbot des venire contra factum proprium nicht erforderlich. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist vielmehr ein eigenständiger Grundsatz mit eigenen Voraussetzungen.

251 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 574; ihm folgend BAG 3. 9. 2014 – 5 AZR 6/13, BAGE 149, 69, Rn. 18; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1121; vgl. auch Küttner/Kania, Personalbuch, Gleichbehandlung Rn. 1. 252  BAG 17. 3. 2016 – 6 AZR 92/15, AP Nr. 2 zu § 2 TV SozSich, Rn. 38; BAG 17. 11. 2016 – 6 AZR 487/15, ZTR 2017, 226, Rn. 37. 253  Richardi, ZfA 2008, 31, 34; Raab, in: FS Kreutz, 2010, S. 320 ff. m. w. N. 254 MünchArbR/Richardi, § 9 Rn. 11; ders., ZfA 2008, 31, 34 f.; der dabei auch von einer „kollektiven Ordnung“ spricht. 255  G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 238 ff. 256  Egger, Gestaltungsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 21 f. m. w. N. 257  BAG 21. 5. 2014, 4 AZR 50/13, NZA 2015, 115. 258  Singer, in: GS Zachert, 2010, S. 354. 259  Vgl. HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 181, der der Ansicht ist, dass sich die verschiedenen Begründungen gegenseitig ergänzen und im allgemeinen Rechtsbewusstsein münden, wonach Diskriminierung durch den Arbeitgeber verhindert werden solle. 260  So scheinbar Bötticher, RdA 1957, 317, 318. 261  Siehe zur „Treuwidrigkeit aus anderen Gründen“ B.III.; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 55, 59 m. w. N.; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 344.

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

b)  Abgrenzung zur betrieblichen Übung Abzugrenzen ist der dem außerrechtsgeschäftlichem Bereich zuzuordnende Gleichbehandlungsgrundsatz von der dem rechtsgeschäftlichen Bereich zuzuordnenden betrieblichen Übung. Das Problem der betrieblichen Übung wird als das Problem der „Bindung in der Zeit“ und das Problem der Gleichbehandlung als „Bindung in der Reihe“ bzw. als „Gleichbehandlung in der Person“ bezeichnet.262 Für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine zeitliche Gleichlagerung Voraussetzung.263 Gemeint ist damit nicht, dass es sich unbedingt um dieselbe Sekunde, Minute oder denselben Tag handeln muss, sondern um ein einheitliches Ereignis bzw. einen einheitlichen Vorgang.264 Wichtig ist nur, dass Betrachtungsgegenstand und Vergleichsobjekt eine gegenwärtige und nicht eine vergangene Behandlung der Arbeitnehmer ist.265 4.  Culpa in contrahendo Die Verletzung von vorvertraglichen Pflichten kann nur dem außerrechtsgeschäftlichen Bereich zugeordnet werden. Im Fall eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses (§ 311 Abs. 2 BGB) sind die vorvertraglichen Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB nicht von Willenserklärungen umfasst.266 Es handelt sich nicht um rechtsgeschäftlich begründete Schuldverhältnisse.267 Bei der culpa in contrahendo ist der Vertrauensgedanke leitend.268 Verletzungen vorvertraglicher Pflichten können zu einem Schadensersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 2, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB führen.269 Der Geschädigte kann in der Regel verlangen, gem. § 249 BGB so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte.270 Grundlage des Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei Vertragsschluss ist enttäuschtes Vertrauen.271 Grundsätzlich können 262  Hilger, Das betriebliche Ruhegeld, S. 54; Kortstock, Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht, Betriebliche Übung; Bötticher, RdA 1953, 161, 163; siehe zur Abgrenzung auch Freh, Betriebliche Übung und Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 178 ff. 263  Siehe speziell beim Kündigungsrecht C.I.2.a)bb). 264 Vgl. Frey, AuR 1960, 168, 169: „Aus dem die Regel bildenden gleichen Zeitpunkt kann als Ausnahme der gleiche Zeitraum werden, z. B. bei Lohnfragen.“ 265  Heissmann, Die betrieblichen Ruhegeldverpflichtungen, S. 86 f.; Frey, AuR 1960, 168, 169; a. A. Bollacher, Die verpflichtende Wirkung üblicher Leistungen, S. 29 ff.; Freh, Betriebliche Übung und Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 179 f. 266  Vgl. oben B.I.2. 267 HK-BGB/Schulze, § 311 BGB Rn. 12. 268  Wenn auch krit. MüKo/Emmerich, § 311 BGB Rn. 41. 269  Ausf. zur cic u. a. MüKo/Emmerich, § 311 BGB Rn. 35 ff. m. w. N. 270 Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 54 m. w. N. 271  BGH 22. 2. 1973 – VII ZR 119/71, BGHZ 60, 221, Rn. 18.

III.  Mögliche Schutzlücken

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Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht auf das Erfüllungsinteresse gehen, sondern nur den Vertrauensschaden ersetzen.272 Überwiegend werden jedoch Ausnahmen zugelassen,273 z. B. dann, wenn ohne das schuldhafte Verhalten ein anderer, für den Geschädigten günstigerer Vertrag zustande gekommen wäre.274 Vertragserfüllung und Schadensersatz sind allerdings streng voneinander zu trennen.275 Einen Anspruch auf Naturalrestitution, d. h. auf Vertragsschluss, gibt es in diesem Rahmen nicht.276 Ein Anspruch auf Vertragsabschluss als Schadensersatz ohne entsprechende von einem Bindungswillen getragene Willenserklärungen würde einen zu weit gehenden Kontrahierungszwang darstellen.277

III.  Mögliche Schutzlücken Auch wenn der Vertrauensschutz in „graduell unterschiedlicher Intensität“278 erfolgen mag, findet er sich dennoch auch in der Rechtsgeschäftslehre und eine Willenserklärung verkörpert in gewisser Weise einen Vertrauenstatbestand.279 Die Rechtsgeschäftslehre bietet zwar durch die vertrauensorientierte objektive Auslegung sogar einen „generalisierenden Vertrauensschutz“.280 Damit könnte sie generell als weitergehend zu bewerten und Schutzlücken für eine Vertrauenshaftung könnten abzulehnen sein. Schutzlücken könnten aber z. B. da vorhanden sein, wo der objektive und der subjektive Empfängerhorizont auseinanderfallen, d. h. wo der Empfänger konkret vertraut hat, er aus objektiver Sicht die Erklärung aber nicht hätte so verstehen dürfen. Es stellt sich dann die Frage, ob das konkrete Vertrauen nach der Vertrauenslehre trotzdem als schutzwürdig zu bewerten sein kann. Positive Kenntnis der wahren Rechtslage und schutzwürdiges Vertrauen schließen sich auch in der 272 

Siehe u. a. BAG 10. 11. 1955 – 2 AZR 282/54, BAGE 2, 217. Siehe z. B. BGH 24. 6. 1998 – XII ZR 126/96, NJW 1998, 2900; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 56 m. w. N.; Jauernig/Stadler, § 311 BGB Rn. 55 m. w. N.; MüKo/Emmerich, § 311 BGB Rn. 186. 274  BGH 24. 6. 1998 – XII ZR 126/96, NJW 1998, 2900, Rn. 15; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 56. 275  Vgl. BGH 29. 1. 1965 – V ZR 53/64, NJW 1965, 812, Rn. 12. 276  Vgl. BGH 27. 9. 1968 – V ZR 53/65, WM 1968, 1402, Rn. 11; BGH 15. 4. 1981 – II ZR 105/80, WM 1981, 787; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 56; Staudinger/Bork, Vorbem. zu §§ 145 ff. BGB, Rn. 50 m. w. N. 277  Vgl. Staudinger/Bork, Vorbem. zu §§ 145 ff. BGB, Rn. 50 m. w. N.; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 159 m. w. N.; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 145 m. w. N.; vgl. bei Formnichtigkeit Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 15 III 4 c) dd), S. 283 f. 278  Kühn, NZA 2008, 1328, 1333. 279  Siehe oben B.I.1.a)aa); Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 6. 280  Hepting, in: FS Universität Köln, 1988, S. 223. 273 

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

Vertrauenslehre in der Regel gegenseitig aus.281 Auch im Übrigen soll durch die Vertrauenslehre überwiegend nicht „blindes“ Vertrauen geschützt werden.282 Es gilt dort ebenfalls der Grundsatz: „Der Vertrauende muss vertrauen dürfen.“283 Im Rahmen des venire contra factum proprium wird die Schutzwürdigkeit des Vertrauens verneint, wenn der andere sich fahrlässig auf das Verhalten des Gegners verlassen hat.284 Aus § 122 Abs. 2 BGB lässt sich ableiten, dass dafür keine grobe Fahrlässigkeit zu verlangen ist.285 Beim Spezialfall der Verwirkung286 gilt, dass das Verhalten des Berechtigten nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist: ausschlaggebend ist, ob aus objektiver Sicht der andere das Verhalten des Berechtigten so verstehen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er eine Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr erwarten brauche.287 Das Verbot des venire contra factum proprium hat neben der rechtsgeschäftlichen Bindung aber durchaus eine Existenzberechtigung.288 Nicht jedes widersprüchliche Verhalten kann als eine konkludente Willenserklärung verstanden werden.289 Eine alleinige Heranziehung der Rechtsgeschäftslehre könnte unter Umständen die Gefahr einer Fiktion von Willenserklärungen mit sich bringen.290 Eine Einordnung unter § 242 BGB kommt nur dort in Betracht, wo eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung gescheitert ist oder jedenfalls der Tatbestand eines 281 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 506; zu einer fehlenden Schutzwürdigkeit i. R. d. rechtsgeschäftlichen Auslegung, wenn der Erklärungsempfänger trotz der vom Willen des Erklärenden abweichenden Erklärung richtig erkennt, was der Erklärende gewollt hat: Brox/Walker, Allg. Teil des BGB, S. 62 Rn. 133. 282 Vgl. Dette, Venire contra factum proprium, S. 68. 283  Vgl. Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 BGB Rn. 320 m. w. N. (allg. für das widersprüchliche Verhalten) und Rn. 340 m. w. N. (speziell bei der Verwirkung); Dette, Venire contra factum proprium, S. 68 m. w. N. 284 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 292; Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 BGB Rn. 320. 285  Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 292; Schubert sieht dies hingegen als unklar an (MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 315). 286  Siehe oben B.II.2. 287  BGH 27. 6. 1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, Rn. 13; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 389; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 61; Soergel/Teichmann, 12. Aufl., § 242 BGB Rn.  340 m. w. N. 288  Siehe dazu Dette, Venire contra factum proprium, S. 45; Singer, NZA 1998, 1309, 1310; vgl. auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 288, der in der Missbilligung des „Selbstwiderspruchs“ durchaus einen eigenständigen rechtsethischen Gehalt sieht; a. A. Wieling, AcP 176, 334, 342. 289 Vgl. Dette, Venire contra factum proprium, S. 42 ff.; a. A. Wieling, AcP 176, 334, 336 f., wobei dieser aber auch eine vorsichtige Prüfung fordert, ob wirklich objektiv eine Rechtsaufgabe vorliegt. 290 Vgl. Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 10 3, S. 123 ff.

III.  Mögliche Schutzlücken

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Rechtsgeschäfts fehlt.291 Insbesondere die Prüfung, ob in dem den Rechtsverlust begründenden Verhalten ein ausdrücklich oder stillschweigend erklärter rechtsgeschäftlicher Verzicht zu sehen ist, ist gegenüber der Prüfung widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB vorrangig.292 Es ist also nicht die Rede von einer Konkurrenz zwischen dem Vertrauensschutzprinzip und der Rechtsgeschäftslehre, sondern von einer Ergänzung.293 Diese darf nur bei Schutzlücken stattfinden. Dabei bedarf eine Bindung ohne Rücksicht auf den Willen des Handelnden immer eines rechtfertigenden Grundes für diesen freiheitseinschränkenden Eingriff.294 Das Prinzip des venire contra factum proprium wird als „tief in der persönlichen Gerechtigkeit, zu deren innerstem Element die Wahrhaftigkeit gehört“ wurzelnd eingeschätzt.295 Eine Schutzlücke besteht vor allem da, wo es um den Schutz von Vertrauen bzw. um schutzwürdige Interessen anderer geht, das bzw. die noch nicht durch die Rechtsgeschäftslehre geschützt werden.296 Eine Gefahr der Umgehung der strengen Rechtsgeschäftslehre ist nicht zu befürchten,297 wenn die Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das Verbot ebenso streng gehandhabt werden. Liegen die Voraussetzungen einer Willenserklärung nicht vor, ist nicht automatisch stattdessen von einem Verstoß gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens auszugehen, auch wenn es sich um ein „bewegliches System“298 handelt. Für einen solchen mit Rechtsfolgen verbundenen Verstoß müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere ist grundsätzlich schutzwürdiges Vertrauen erforderlich. Die Schutzwürdigkeit fehlt, wenn der andere sich fahrlässig auf das Verhalten des Gegners verlassen hat. Es kann also nicht von einer „Aushöhlung und Überwucherung der Rechtsgeschäftslehre durch eine dogmatisch konturenlose, allein nach Billigkeit des Einzelfalles tastenden Ver291  Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen § 242 BGB Rn. 285; Dette, Venire contra factum proprium, S. 42; Singer, NZA 1998, 1309, 1310; Teichmann, JA 1985, 497, 500. 292 MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 317; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 106 f.; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 BGB Rn. 107, vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 285 m. w. N. und Rn. 288; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 48; auf diesen Unterschied hinweisend auch HaKo/Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 187 mit Verweis auf ErfK/Ascheid/ Oetker, 7. Aufl., § 1 KSchG Rn. 166. 293  Singer, NZA 1998, 1309, 1310. 294  Vgl. oben A.; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 77. 295  Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 28; darauf verweisend auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 288. 296  Siehe dazu, dass der Vertrauensschutz der Hauptgrund und zugleich rechtstheoretische Legitimation für das Verbot des venire contra factum proprium ist, die Verweise auf die h. M. in Rspr. und Lit. in Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 6 Fn. 2 und 3 und S. 43, S. 77. Wieacker spricht vom „Vertrauen im Rechtsverkehr“ (Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 28). 297  A. A. Wieling, AcP 176, 334, 342. 298  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 302 ff.; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 3.

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

trauenshaftung“299 ausgegangen werden. Bei der Frage nach einer Schutzlücke ist intensiv zu erforschen, ob bei einer Ablehnung des Vertrauendürfens bei der Auslegung trotzdem ein schutzwürdiges Vertrauen im Rahmen des venire contra factum proprium vorstellbar ist. Eine Schutzlücke kann aber dann zu bejahen sein, wenn nicht immer ein konkretes kausales schutzwürdiges Vertrauen für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung verlangt wird, sondern bei einer „Treuwidrigkeit aus anderen Gründen“. Damit sind Fälle der unzulässigen Rechtsausübung gemeint, in denen das Verhalten zu einem früheren Verhalten widersprüchlich ist, welches aber kein schutzwürdiges Vertrauen des anderen Teils begründet hat, der Berechtigte jedoch aus seinem früheren Verhalten Vorteile gezogen oder sich hierzu in einen „unlösbaren Widerspruch“300 gesetzt hat.301 Unabhängig davon, ob ein venire contra factum proprium ohne Vertrauensbegründung überhaupt anerkannt werden sollte,302 muss dies die absolute Ausnahme bleiben.303 Ein weiteres Beispiel für einen Fall, in dem es für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung nicht auf das (konkrete) schutzwürdige Vertrauen ankommt, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz.304 Bei der Verwirkung stellt sich die Situation wie folgt dar: Liegt ein Verzichtswille vor, bedarf es keines Rückgriffs auf die allgemeine Verwirkung.305 Liegt kein Verzichtswille vor, kann auf die Verwirkung zurückgegriffen werden,306 sie 299  Siehe oben A.; Säcker, JurA 1971, 509, 538, der aber in Fn. 91 auch davon spricht, dass z. B. Canaris durch klare Herausarbeitung allgemeiner Merkmale wie einzelner Tatbestände der Vertrauenshaftung den Ausbruch in eine solche konturen- und systemlose Vertrauensjudikatur zumindest erschwert habe. 300  Siehe BAG 27. 6. 1995 – 1 ABR 62/94, NZA 1996, 164, Rn. 28. 301 Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 BGB Rn. 125; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 344; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 55, 59. 302 Dagegen Singer, NZA 1998, 1309, 1311 f.: „Die Verknüpfung mit dem Vertrauensprinzip dient ja nicht nur der phänomenologischen Konkretisierung des Widerspruchsverbots, sondern enthält zugleich die entscheidende Begründung, warum ein venire contra factum proprium unzulässig ist. Im Unterschied zum Rechtsgeschäft bindet das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ohne Rücksicht auf den Willen des Handelnden und bedeutet eine Einschränkung seiner Handlungsfreiheit. Dieser Eingriff bedarf daher einer besonderen Rechtfertigung durch schutzwürdige Interessen anderer Verkehrsteilnehmer. Sofern es nicht gelingt, ein schutzwürdiges Interesse an Konsistenz und Konsequenz im Verhalten der Verkehrsteilnehmer aufzuzeigen, das nichts mit Vertrauensschutz zu tun hat, ist das absolute Verbot eines Selbstwiderspruchs nicht plausibel.“; vgl. auch Dette, Venire contra factum proprium, S. 61 f. 303 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 296; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 125. 304  Siehe ausf. dazu oben B.II.3.a). 305 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 303. 306 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 303.

III.  Mögliche Schutzlücken

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ist jedoch nicht automatisch zu bejahen, sondern sie hat „ergänzende, lückenausfüllende Funktion“307 in Ausnahmefällen.308 Zuzugeben ist, dass die Kenntnis seitens des Berechtigten als Voraussetzung einer Verwirkung die Möglichkeit von Schutzlücken verringert, dennoch verliert die Verwirkung nicht vollkommen ihre Existenzberechtigung.309 Auch das potenzielle Erklärungsbewusstsein führt nicht zu einem Existenzverlust. Beide Komponenten bestärken aber den Vorrang der Rechtsgeschäftslehre und die reine auf Ausnahmesituationen beschränkte Ergänzungsfunktion der Verwirkung. Ein Bedürfnis, auf die außerrechtsgeschäftliche Bindung zurückzugreifen, kann zudem bestehen, wenn eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung nicht daran scheitert, dass keine Willenserklärung angenommen werden kann, weil der andere z. B. nicht darauf vertrauen durfte, sondern wenn das Rechtsgeschäft aufgrund anderer Gründe, wie Formmängel oder sonstige Wirksamkeitshindernisse, scheitert.310 Canaris spricht dabei von einem „Versagen der Rechtsgeschäftslehre gegenüber der Problematik der Vertrauenshaftung“311. Er sieht Schutzlücken vor allem in folgenden Situationen: Bei rein deklaratorischen Erklärungen, bei nichtigen Willenserklärungen (Drittschutz), bei einem nichtigen Rechtsgeschäft (Schutz der beteiligten Parteien), bei einem reinen Inaussichtstellen von Rechtsfolgen bzw. nicht-rechtsgeschäftlichem Versprechen, bei reinen Vorbereitungshandlungen und bei fehlendem Erklärungsbewusstsein.312 Insbesondere bei der letzten Situation ist jedoch nicht grundsätzlich von einer Schutzlücke auszugehen:313 Nur wenn dem Erklärenden bei einem fehlenden Erklärungsbewusstsein kein Sorgfaltsverstoß vorwerfbar ist, eine Willenserklärung also zu verneinen ist, bietet die Rechtsgeschäftslehre dem Empfänger keinen 307 Soergel/Teichmann,

12. Aufl., § 242 BGB Rn. 332. BGH 20. 12. 1968 – V ZR 97/65, WM 1969, 182, Rn. 19; BGH 29. 2. 1984 – VIII ZR 310/82, NJW 1984, 1684; Erman/Böttcher/Hohloch, § 242 BGB Rn. 125; Bamberger/Roth/ Sutschet, § 242 BGB Rn. 135. 309  A. A. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 364, 387. 310  Singer, NZA 1998, 1309, 1310 m. w. N.; zur Vertrauenshaftung bei formnichtigen Rechtsgeschäften u. a. BGH 3. 12. 1958 – V ZR 28/57, NJW 1959, 626; BGH 19. 11. 1982 – V ZR 161/81, NJW 1983, 563; BGH 14. 6. 1996 – V ZR 85/95, NJW 1996, 2503; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 274 ff.; speziell zu einem widersprüchlichen Verhalten bei einer formnichtigen Kündigung: BAG 16. 9. 2004 – 2 AZR 659/03, NZA 2005, 162; LAG Hessen 5. 7. 2007 – 11/19 Sa 69/07, BeckRS 2007, 46003; LAG Köln 16. 10. 2013 – 11 Sa 345/13, BeckRS 2014, 67639, Rn. 20; zu einem widersprüchlichen Verhalten bei einer formnichtigen Befristungsabrede: BAG 1. 12. 2004 – 7 AZR 198/04, BAGE 113, 75, Rn. 31 ff. 311  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 424. 312  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 424 ff. 313 Die Ansicht von Canaris ist darauf zurückzuführen, dass er das Erklärungsbewusstsein als wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Willenserklärung ansieht (siehe u. a. Vertrauenshaftung, S. 427). 308 

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

Schutz, auch wenn sein Vertrauen schutzwürdig ist. Fraglich ist dann, ob auch in einem solchen Fall dem Empfänger zumindest ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gewährt werden sollte. Dies würde der Schutzfunktion der Zurechenbarkeit allerdings nicht gerecht. Die fehlende Vorwerfbarkeit muss auch verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche ausschließen. § 122 BGB auch ohne eine Anfechtung analog anzuwenden, würde eine Schlechterstellung gegenüber dem Erklärenden bedeuten, der bei einer Zurechenbarkeit wählen kann, ob er anfechten will und dann das Vertrauensinteresse ersetzen muss oder ob er bei seiner Erklärung stehen bleiben will und dann eine etwaige Gegenleistung erhält, die ihn günstiger stellen könnte als seine einseitige Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens.314 Ein Beispiel für eine Schutzlücke bei unwirksamen Willenserklärungen ist gegeben, wenn AGB einer Kontrolle nicht standhalten. Der Arbeitgeber kann sich als Verwender nicht auf die Unwirksamkeit einer Klausel berufen und muss sich so behandeln lassen, als wäre sie wirksam.315 Es handelt sich dabei um eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung durch widersprüchliches Verhalten aus § 242 BGB. Die Inhaltskontrolle sorgt nur für einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Verwender, sie schützt nicht den Verwender vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen.316 Dem Verwender von AGB ist es aber nicht immer verwehrt, sich auf deren Unwirksamkeit zu berufen, sondern es ist eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen.317 Im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses – als einem nicht rechtsgeschäftlich begründeten Schuldverhältnis – kann das negative Interesse schützenswert sein; der Vorrang der Rechtsgeschäftslehre sollte aber durch das 314  Siehe zu diesem Wahlrecht BGH 7. 6. 1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324, Rn. 20. Die Ansicht, die das Erklärungsbewusstsein als ein konstitutives Erfordernis der Willenserklärung ansieht (siehe oben B.I.1.a)bb)), zieht einen Ersatz des Vertrauensschadens analog § 122 BGB in Betracht. Dies ist jedoch eine Konsequenz der von dieser Meinung vertretenen Analogie zu § 118 BGB (siehe z. B. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 537 und S. 549 f., der in Ausnahmefällen einen Erfüllungsanspruch durch Vertrauenshaftung auch bei Fällen fehlenden Erklärungsbewusstseins annimmt (S. 549)). 315  BAG 27. 10. 2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257, Rn. 16; BAG 28. 6. 2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157, Rn. 15; BAG 28. 3. 2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687, Rn. 25; BAG 3. 4. 2008 – 2 AZR 879/06, NZA 2008, 1060, Rn. 36; Däubler/Bonin/Deinert/ Deinert, § 307 BGB Rn. 60 a; HWK/Gotthardt/Roloff, § 307 BGB Rn. 1; Staudinger/Coester, § 307 BGB Rn. 94. 316  BAG 27. 10. 2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257, Rn. 16 m. w. N.; BAG 28. 6. 2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157, Rn. 15 m. w. N.; BAG 18. 12. 2008 – 8 AZR 105/08, NZA-RR 2009, 314, Rn. 42. 317  Vgl. BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 23; eine bedachte Anwendung abhängig vom Einzelfall fordern auch Tiedemann/Triebel, BB 2011, 1723, 1725; Gehlhaar, NJW 2010, 2550; von Bernuth, BB 1999, 1284, 1287.

IV.  Zusammenfassung

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Verhindern eines Kontrahierungszwangs als Folge einer solchen Haftung aufrechterhalten bleiben.318

IV.  Zusammenfassung Die Prüfung, ob eine Selbstbindung von einer Willenserklärung getragen wird, hat immer Vorrang vor der Prüfung einer außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung. Schon im Rahmen der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist das schutzwürdige Vertrauen des anderen zu berücksichtigen. Die Auslegungsgrundsätze schaffen einen Ausgleich zwischen der Selbstbestimmung des Erklärenden und dem Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers. Die Rechtsgeschäftslehre schützt die Verständnismöglichkeit und nur ein Vertrauendürfen; den Erklärungsempfänger trifft eine Auslegungssorgfalt. Auch die Lehre vom potenziellen Erklärungsbewusstsein führt nicht zu einem schrankenlosen Vertrauensschutz. Bei der Auslegung von AGB hat der Wortlaut erhebliches Gewicht. Wegen ihrer Typik kann der Erklärungsempfänger auf den Wortlaut vertrauen. Die Unklarheitenregel und das Transparenzgebot stehen in Verbindung mit dem Vertrauensschutz. § 305c Abs. 2 BGB hat gegenüber § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Vorrang. Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB fußen im Rahmen eines Arbeitsvertrags auf rechtsgeschäftlicher Selbstbindung durch die Willenserklärung, Arbeitgeber sein zu wollen, und sind kein außerrechtsgeschäftliches Haftungsregime. Die Gesamtzusage und die betriebliche Übung sind an den Vorgaben der Rechtsgeschäftslehre zu messen. Die Begriffe stellen nur klar, dass es um eine Erklärung bzw. um ein Verhalten gegenüber mehreren und nicht nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer geht. Bei einer betrieblichen Übung sind die AGB-rechtlichen Auslegungsbesonderheiten insofern zu berücksichtigen, als dass individuelle Begleitumstände des konkreten Vertragspartners nicht in das Auslegungsergebnis einfließen, sonstige Begleitumstände, die das Gesamtverhalten des Arbeitgebers ausmachen, hingegen berücksichtigt werden müssen. Bei der Frage des Vertrauendürfens im Rahmen der Auslegung einer betrieblichen Übung ist vor allem die kollektive Erscheinung von Bedeutung. Die Betriebsvereinbarung ist trotz der normativen, gesetzesgleichen Wirkung eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung. Ebenso ist die Selbstbindung durch einen Firmentarifvertrag rechtsgeschäftlich einzuordnen. Bei anderen Tarifverträgen liegt durch den Mitgliedsbeitritt zumindest eine mittelbare rechtsgeschäftliche Bindung vor, was für die hiesige Einordnung als genügend betrachtet wird. 318 

Siehe oben B.II.4.

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B.  Möglichkeiten der Begründung einer Selbstbindung

Auch die außerrechtsgeschäftliche Vertrauenslehre schützt den anderen grundsätzlich nur, wenn er vertrauen durfte. Dennoch sind Schutzlücken in der Rechtsgeschäftslehre denkbar, sodass die Vertrauenslehre ihre Daseinsberechtigung hat. Die Lehre vom potenziellen Erklärungsbewusstsein lässt solche Lücken nicht entfallen. In Situationen, in denen eine Willenserklärung wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins zu verneinen ist, weil dem Erklärenden ein Sorgfaltsverstoß nicht vorwerfbar ist, das Vertrauen des anderen aber dennoch schutzwürdig erscheint, kann es aber zu keiner außerrechtsgeschäftlichen Haftung – auch nicht auf das negative Interesse – kommen. Insgesamt gilt für die Rechtsfolgen einer Vertrauenshaftung, dass sie dem Vorrang der Rechtsgeschäftslehre und ihrer Ergänzungsfunktion entsprechend, grundsätzlich nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens und nur ausnahmsweise auf eine Erfüllungshaftung ausgerichtet sein sollten. Es darf keine Flucht in die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung stattfinden, sondern aufgrund des stärkeren Eingriffs in die Handlungsfreiheit des Erklärenden muss es bei einer ergänzenden, auf Ausnahmefälle beschränkten, lückenausfüllenden Funktion bleiben. Insbesondere, wenn das Vertrauen im Rahmen der Auslegung als nicht schutzwürdig bewertet wurde, ist eine dennoch außerrechtsgeschäftliche Schutzwürdigkeit sehr streng zu prüfen. Es gibt aber Fälle, wie eine Treuwidrigkeit aus anderen Gründen, in denen im außerrechtsgeschäftlichen Bereich ein abstrakter Vertrauensschutz gewährt wird. Diese sind jedoch als besondere Ausnahmen zu handhaben. Der Gleichbehandlungsgrundsatz fußt auf einer außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung. Bindungsgrundlage ist etwas Übergeordnetes: das überpositive Ideal der Gerechtigkeit. Im Unterschied zur betrieblichen Übung ist Betrachtungsgegenstand und Vergleichsobjekt eine gegenwärtige und nicht eine vergangene Behandlung der Arbeitnehmer. Insbesondere an einen konkludenten Verzicht sind strenge Anforderungen zu stellen. Diese Strenge darf aber nicht dazu führen, dass vorschnell auf widersprüchliches Verhalten oder eine Verwirkung zurückgegriffen wird. Die Verwirkung setzt Kenntnis des Berechtigten von den Umständen, die sein Recht bzw. seinen Anspruch ausmachen, voraus. Aufgrund dieser Forderung nach der Kenntnis und der Lehre des potenziellen Erklärungsbewusstseins ist zuzugeben, dass die Möglichkeit von Schutzlücken geringer ist; dennoch verliert die Verwirkung nicht vollkommen ihre Existenzberechtigung. Schutzlücken sind vor allem da aufzufinden, wo eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung nicht daran scheitert, dass keine Willenserklärung angenommen werden kann, weil der andere z. B. nicht darauf vertrauen durfte, sondern wenn das Rechtsgeschäft an Wirksamkeitshindernissen wie Formmängeln scheitert. Ein Beispiel für eine solche Schutzlücke sind Willenserklärungen, die einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten.

IV.  Zusammenfassung

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Die culpa in contrahendo stellt eine gesetzlich geregelte Ausfüllung einer Schutzlücke dar, wenn (noch) keine Willenserklärungen existieren, sondern nur ein vorvertragliches Schuldverhältnis vorliegt. Die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung im Rahmen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses ist aber grundsätzlich nur auf den Schutz des negativen Interesses gerichtet und darf nur ausnahmsweise zu einem Ersatz des Erfüllungsinteresses führen, niemals aber zu einem Kontrahierungszwang.

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht Insbesondere im Kündigungsrecht kann die Frage, ob und wie der Arbeitgeber sich selbst gebunden hat, eine bedeutende Rolle einnehmen. Die Untersuchung erfolgt anhand ausgewählter Fallgruppen. Dabei kommen bindende Verhaltensweisen sowohl vor, bei, als auch nach Ausspruch einer Kündigung seitens des Arbeitgebers in Betracht, die gleichermaßen Auswirkungen auf das Gestaltungsrecht der Kündigung haben können.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung bei Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers Eine Selbstbindung des Arbeitgebers mit der Folge, dass er sein Kündigungsrecht nicht mehr ausüben kann, ist durch das Absehen von einer Kündigung bei Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers denkbar. Hierbei sind vier Fallkonstellationen zu unterscheiden: Zwei Konstellationen betreffen die Frage, inwiefern der Arbeitgeber sich selbst binden kann, indem er demselben Arbeitnehmer wegen eines bestimmten Verhaltens zuvor nicht gekündigt hat. Dabei ist zu differenzieren zwischen Situationen, in denen es um denselben Sachverhalt geht und solchen, in denen dem Arbeitnehmer wegen eines neuen unterschiedlichen, aber ähnlichen Vorkommnisses gekündigt werden soll. Die beiden anderen Konstellationen betreffen den Vergleich mit anderen Arbeitnehmern. Es gibt Situationen, in denen sich mehrere Arbeitnehmer zeitgleich in der derselben Lage befinden (gemeinsame Pflichtverletzung, z. B. bei einem wilden Streik), aber nur einzelne von ihnen gekündigt werden (sog. herausgreifende Kündigung). Dies ist zu trennen von der Konstellation, in der der Arbeitgeber in der Vergangenheit anderen Arbeitnehmern bei einem bestimmten Verhalten nicht gekündigt hat, nun bei einem anderen Arbeitnehmer in einem vergleichbaren Fall aber eine Kündigung aussprechen möchte. 1.  Verhalten gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer a)  Derselbe Kündigungssachverhalt In dieser Fallgruppe geht es um Situationen, in denen sich der Arbeitgeber durch Äußerungen oder anderes Verhalten hinsichtlich der Nichtausübung seines Kündigungsrechts, bezogen auf einen ganz konkreten Sachverhalt, selbst bindet. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern eine solche Selbstbindung rechtsgeschäftlich oder außerrechtsgeschäftlich begründet werden kann.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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aa)  Rechtsgeschäftlich Eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung kommt vor allem in Gestalt eines Verzichts auf das Kündigungsrecht in Betracht. Praxisrelevant ist dabei für eine Untersuchung insbesondere der Verzicht nur auf das außerordentliche Kündigungsrecht durch den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, der Verzicht auf das gesamte Kündigungsrecht durch den Ausspruch einer Abmahnung oder Ermahnung und der Verzicht durch eine reine Nichtausübung des Kündigungsrechts, indem das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fortgesetzt wird. (1) Grundlagen und Einordnung des Verzichts auf das Kündigungsrecht Das Kündigungsrecht des Arbeitgebers stellt ein Gestaltungsrecht dar,1 auf das er einseitig verzichten kann.2 Besteht das Kündigungsrecht, gilt dies unproblematisch sowohl bei der ordentlichen als auch bei der außerordentlichen Kündigung.3 Beim Verzicht handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft,4 das eine ausdrückliche oder konkludente empfangsbedürftige Willenserklärung voraussetzt.5 Eine Selbstbindung durch einen Verzicht des Arbeitgebers ist dem rechtsgeschäftlichen Bereich zuzuordnen. Zum Teil findet sich in Rechtsprechung und Literatur jedoch eine Lokalisierung des Verzichts auf das Kündigungsrecht im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung als unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB.6 Es ist zweifelhaft, ob ein Rückgriff auf § 242 BGB an dieser Stelle überhaupt notwendig ist. Wenn die h. M. davon ausgeht, dass es sich beim Verzicht um einen rechtsgeschäftlichen Tatbestand handelt, durch den das Kündigungsrecht erlischt, kommt es auf eine unzulässige Rechtsausübung wie z. B. widersprüchliches Verhalten nicht mehr an. Die Prüfung, ob in dem 1 APS/Preis,

Grundlagen D Rn. 2; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 16. Siehe oben B.I.1.a); BAG 13. 12. 2007 – 6 AZR 145/07, BAGE 125, 208, Rn. 23. 3  BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41 m. w. N. 4 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 262. 5  BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41. 6  BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388, Rn. 22: „Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils hat die Beklagte auf ihr Recht, dem Kläger wegen des Vorfalles vom 24. November 2000 - außerordentlich oder ordentlich – zu kündigen, nicht wirksam verzichtet. Die Kündigung stellt sich daher nicht als eine unzulässige Rechtsausübung dar.“; wobei jedoch unklar ist, ob das BAG nur auf die Vorinstanz Bezug nimmt oder selbst eine solche Einordnung für möglich hält; siehe die Vorinstanz LAG Sachsen-Anhalt 23. 11. 2001 – 2 Sa 424/01, BeckRS 2001, 16944, Rn. 25: „Sie verstößt aber gegen Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB. Denn sie stellt eine unzulässige Rechtsausübung seitens der Beklagten dar, da diese auf ihr Recht zur Kündigung bereits verzichtet hatte.“; TLL/ Gabrys, § 1 KSchG Rn. 310 ff.; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 30; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 244. 2 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

den Rechtsverlust begründenden Verhalten ein rechtsgeschäftlicher Verzicht zu sehen ist, hat Vorrang vor der Prüfung widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB.7 Nach der Rechtsprechung des BAG „erlischt“ das Recht auf Kündigung durch den Verzicht,8 besteht somit also nicht mehr. Demnach handelt es sich nicht mehr um ein „an sich“ gegebenes Recht, das nur ausnahmsweise gem. § 242 BGB nicht mehr ausgeübt werden darf.9 Eine Subsumtion unter § 242 BGB darf nur stattfinden, wo eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung bzw. der Tatbestand eines Rechtsgeschäfts nicht vorhanden ist.10 An einem Rechtsgeschäft fehlt es bei einem Verzicht aber gerade nicht. Aus diesem Grund ist dessen Einordnung innerhalb der Wirksamkeitsprüfung sinnvoller unter dem Punkt, ob überhaupt ein Kündigungsgrund im Sinne von § 1 KSchG bzw. ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vorhanden ist.11 (2) Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht durch Ausspruch einer ordentlichen Kündigung Zu unterscheiden ist der Verzicht jeweils nur auf das außerordentliche oder nur auf das ordentliche Kündigungsrecht vom Verzicht auf das Kündigungsrecht insgesamt.12 Der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB kann als ein Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht verstanden werden.13 Fraglich ist, ob eine Erklärung des Arbeitgebers, sich eine Weiterbeschäftigung mit dem Arbeitnehmer noch bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigung vorstellen zu können (sog. außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist), als ein Verzicht auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ausgelegt 7 Siehe oben B.III.; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 317; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 106 f.; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 BGB Rn. 107, vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 285 m. w. N., 288; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 48; auf diesen Unterschied hinweisend auch HaKo/Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 187. 8  Siehe z. B. BAG 31. 7. 1986 – 2 AZR 559/85, RzK I 8c Nr. 10, Rn. 33; BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41; BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388, Rn. 23. 9 Vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 203; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 52; siehe aber u. a. Teichmann, JA 1985, 497, 502 m. w. N.: „Nicht die Ausübung eines (noch) bestehenden Rechts ist unzulässig, sondern das Recht steht als solches dem Handelnden nicht mehr zu.“ 10  Siehe oben B.III.; vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 285; Singer, NZA 1998, 1309, 1310; Teichmann, JA 1985, 497, 500. 11  Diese Einordnung befürwortet auch NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 261. 12  BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41. 13  BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 277 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 69 m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 19; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rn. 106 m. w. N.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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werden kann.14 Das BAG hat dies in seiner Entscheidung vom 13. 5. 2015 abgelehnt.15 Die Arbeitgeberin hatte in diesem Fall in einem Schreiben das Arbeitsverhältnis der Parteien „außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum Ablauf des 31. 03. 2014“ gekündigt. Die Auslegung dieses Kündigungsschreibens gem. §§ 133, 157 BGB ergebe keinen Verzicht. Die Bezeichnung als „soziale Auslauffrist“ im Zusammenhang mit der Erklärung einer außerordentlichen Kündigung bestätige vielmehr, dass die Arbeitgeberin ein – vermeintliches – Recht zur außerordentlichen Kündigung hat ausüben und nicht etwa hat aufgeben wollen.16 Dieser Ansicht ist unabhängig davon zuzustimmen, ob man bei einer „außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist“ von einer außerordentlichen befristeten Beendigungskündigung17 oder von einer fristlosen Kündigung mit dem Angebot einer befristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgeht18. Es handelt sich bei beiden Ansichten um eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 BGB. Von einem Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht kann nicht ausgegangen werden, nur weil gleichzeitig ein Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses abgegeben wird. Zu dem Ergebnis eines Verzichts kann die Auslegung allenfalls dann führen, wenn sie ergibt, dass der Arbeitgeber in Wahrheit eine ordentliche Kündigung aussprechen möchte, der Arbeitnehmer aber ordentlich unkündbar ist.19 Das Vorhandensein eines solchen Umgehungswillens erfordert aber eindeutige Anhaltspunkte. (3) Verzicht auf das Kündigungsrecht durch eine Abmahnung Das Hauptbeispiel für einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht insgesamt – und nicht nur entweder auf das außerordentliche oder das ordentliche Kündigungsrecht – stellt die Abmahnung dar. Eine Abmahnung liegt vor, „wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei“.20 Der Arbeitgeber zeigt durch eine Abmahnung, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, dass er es nicht mehr fortset14  So LAG Baden-Württemberg 25. 6. 2014 – 4 Sa 35/14, LAGE § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 7, Rn. 52. 15  BAG 13. 5. 2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682. 16  BAG 13. 5. 2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682, Rn. 38. 17  Statt vieler SPV/Preis Rn. 526; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 29. 18  Z. B. ArbG Freiburg 22. 10. 1985 – 2 Ca 164/85, NZA 1986, 295; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 333; BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB Rn. 206 m. w. N. 19  BAG 13. 5. 2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682, Rn. 39. 20  BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 75/78, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; siehe auch BAG 21. 11. 1985 – 2 AZR 21/85, NZA 1986, 713, Rn. 24.

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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zen könnte.21 Es ist zu unterscheiden zwischen einer Selbstbindung hinsichtlich des Rechts auf Abmahnung,22 aus Abmahnung23 und auf Kündigung nach einer Abmahnung. Thema dieses Abschnitts ist das letztgenannte Recht, also inwiefern der Arbeitgeber sich durch eine Abmahnung als Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitnehmers dahin gehend selbst bindet, dass er später, gestützt auf dieses Verhalten, keine Kündigung mehr aussprechen kann. Abzuleiten ist der Verzicht durch eine Abmahnung aus der Ankündigungsfunktion der Abmahnung.24 Um herauszufinden, ob es sich um eine Abmahnung, die gleichzeitig einen Verzicht beinhaltet, handelt, legt die Rechtsprechung die Erklärung gem. §§ 133, 157 BGB aus. Dafür reicht allein die Bezeichnung eines Schreibens als „Abmahnung“ durch den Arbeitgeber nicht aus.25 Das BAG fordert, dass die Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft zu erkennen gibt, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtverstoß hiermit als ausreichend sanktioniert und die Sache als „erledigt“ ansieht.26 Kommen weitere Gründe zu den abgemahnten hinzu oder werden sie erst nach Ausspruch der Abmahnung bekannt, sind diese vom Kündigungsverzicht nicht umfasst.27 Aufgrund des Verlangens von deutlichen Anhaltspunkten für einen Verzichtswillen bezieht sich ein solcher nur auf die abgemahnten Gründe und nicht auf sämtliche in der Vergangenheit liegende Kündigungssachverhalte, von denen der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Erteilung der Abmahnung Kenntnis hat.28 (a) Kritik seitens Raab Kritik an der Vorgehensweise der Rechtsprechung erfolgte vor allem durch Raab.29 Aus der Ankündigung des Arbeitgebers, dass im Wiederholungsfalle der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei, lasse sich nicht mit der not21 

BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, m. w. N. Zur Verwirkung des Rechts auf Abmahnung u. a. BAG 14. 12. 1994 – 5 AZR 137/94, NZA 1995, 676; MünchArbR/Berkowsky, § 114 Rn. 145 m. w. N.; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 409; Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 156 ff.; Brill, NZA 1985, 109 f. 23  Eine ausgesprochene Abmahnung kann infolge Zeitablaufs ihre kündigungsrechtliche Wirkung verlieren (BAG 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797, Rn. 29; KR/ Fischermeier, § 626 BGB Rn. 288 m. w. N.; Brill, NZA 1985, 109, 110); siehe dazu C.III.3. 24  von Hoyningen-Huene, RdA 1990, 193, 208 f. 25  BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 404b. 26  BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388. 27  BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 43; BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823. 28 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 294; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 404b; a. A. ArbG Berlin 4. 12. 2002 – 36 Ca 16241/02, EzA-SD 2003, Nr. 8, 13. 29  FS Buchner, 2009, S. 704 ff. 22 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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wendigen Eindeutigkeit der Verzichtswille des Arbeitgebers auf ein bestehendes Kündigungsrecht entnehmen.30 Der Arbeitgeber wolle zunächst einmal nur den Anforderungen der Rechtsordnung an eine ordnungsgemäße Kündigung gerecht werden. Sei der Arbeitgeber im Glauben, dass ihm noch gar kein Kündigungsrecht zustehe, könne er nicht den Willen haben, dieses Recht aufzugeben. Auch wenn der Arbeitgeber die Zulässigkeit einer sofortigen Kündigung zumindest für möglich halte, lasse sich aus der Abmahnung nicht zwingend auf einen Verzichtswillen schließen. Für einen Arbeitgeber sei es kaum prognostizierbar, ob eine Abmahnung erforderlich oder entbehrlich sei. Die Abmahnung könne nicht als Ausdruck des „Nicht-kündigen-Wollens“ interpretiert werden, da sie mindestens genauso gut Ausdruck der Unsicherheit über das „Kündigen-Können“ sein könne. Für einen Verzichtswillen bedürfe es konkreter Hinweise darauf, dass der Arbeitgeber in dem Bewusstsein, bereits jetzt wirksam kündigen zu können, dennoch das Mittel der Abmahnung wähle. Raab bezeichnet die Rechtsprechung zur Verzichtswirkung der Abmahnung als „dogmatisch fragwürdig“ und als „falsch verstandenen Arbeitsnehmerschutz“.31 Dem ist das BAG in seiner Entscheidung vom 26. 11. 2009 richtigerweise entgegengetreten.32 Raabs Ansicht widerspreche dem objektiven Empfängerhorizont.33 Aus dieser Sicht erkläre der Arbeitgeber mit der Ankündigung, (erst) im Wiederholungsfall eine Kündigung auszusprechen und zugleich konkludent, eben dies aufgrund der aktuell gerügten Pflichtenverstöße nicht tun zu wollen. Darin liege ein bewusster Rechtsverzicht. Auf das dafür maßgebliche Motiv komme es nicht an. Für Raabs Ansicht könnte zwar sprechen, dass für einen Verzicht auf ein Recht die Kenntnis vom Recht zu fordern ist. Gemeint ist aber nicht eine Kenntnis im Sinne einer rechtlichen Würdigung, sondern nur eine Kenntnis der das Recht begründenden Umstände.34 Die Annahme eines Verzichts setzt nicht voraus, dass dem Kündigungsberechtigten sein Kündigungsrecht, sondern der den Kündigungsgrund ausmachende Sachverhalt bekannt ist.35 Eine Gefahr der Übertreibung des Arbeitnehmerschutzes ist zudem nicht gegeben. Es bleibt bei einer strengen Anforderung an einen Verzichtswillen.

30 

Raab, in: FS Buchner, 2009, S. 716 f. Raab, in: FS Buchner, 2009, S. 720. 32  BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823, Rn. 13 f. 33  BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823, Rn. 13. 34  Vgl. oben B.II.2.b). 35 ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 30a. 31 

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

72

(b) Vorbehalt einer Kündigung Das BAG lehnt einen Verzicht aber dann ab, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber den Vorfall mit der Abmahnung nicht als „erledigt” ansieht.36 Kann in einem solchen Fall aber überhaupt die Bezeichnung „Abmahnung“ verwendet werden? Wie bereits oben wiedergegeben, spricht das BAG von einer Abmahnung, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei.37 Da eine Abmahnung also beinhaltet, dass erst im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis gefährdet ist, kann sie nicht gleichzeitig zum Ausdruck bringen, dass die Sache damit nicht als erledigt angesehen wird. Strenggenommen kann eine „Abmahnung“, in der eine Kündigung vorbehalten wird, also nicht als „Abmahnung“ bezeichnet werden.38 In diese Richtung ist auch die Entscheidung des BAG vom 19. 11. 2015 zu verstehen.39 Das BAG wiederholt darin den Satz, dass kein konkludenter Verzicht vorliege, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen sei, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansehe.40 Im Folgenden heißt es aber: „Unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung geht das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon aus, sie lasse den Willen der Beklagten erkennen, sich eine endgültige rechtliche Bewertung des Sachverhalts bis zum Eingang der Stellungnahme der Klägerin vorzubehalten. Das Schreiben ist weder als Abmahnung bezeichnet noch als solche formuliert. Die Aufforderung zur Stellungnahme dient erkennbar dazu, der Klägerin vor einer abschließenden Bewertung Gelegenheit zu einer Entschuldigung und damit zur Abmilderung der Vorwürfe zu geben. Auch die widerrufliche Freistellung erfolgte lediglich ,bis zur endgültigen Klärung des Vorganges‘ und ließ sich damit nicht als abschließende Reaktion auf das beanstandete Verhalten verstehen.“41

36 

BAG 13. 12. 2007 – 6 AZR 145/07, BAGE 125, 208, Rn. 24; BAG 13. 5. 2015 – 2 AZR 531/14, BB 2015, 2682, Rn. 33; BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 28. 37  Siehe oben C.I.1.a)aa)(3); BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 75/78, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; BAG 21. 11. 1985 – 2 AZR 21/85, NZA 1986, 713, Rn. 24. 38  So aber LAG Schleswig-Holstein 19. 10. 2004 – 5 Sa 279/04, NZA-RR 2005, 419; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 294; APS Vossen, § 1 KSchG Rn. 404b; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 263. 39  BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540; vgl. auch BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388, Rn. 29. 40  BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 28. 41  BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 30.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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Diese Formulierung lässt das – berechtigte – Verständnis zu, dass es sich in Wirklichkeit gar nicht um eine Abmahnung handelt, sondern um eine Aufforderung zur Stellungnahme. Es mangelt nicht an einer Warnung, die Warnung ist jedoch in einem solchen Fall nicht derart ausgestaltet, wie sie bei einer Abmahnung gefordert ist. Die Warnfunktion der Abmahnung hat Zukunftsbezug. In einer Abmahnung fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an.42 Der Arbeitnehmer soll in Zukunft ein bestimmtes Verhalten unterlassen. Dies korreliert damit, dass die Abmahnung die Funktion hat, objektive Grundlage für eine negative Zukunftsprognose zu sein.43 Sieht der Arbeitgeber den Vorfall nicht als erledigt an, dann ist der bereits geschehene Kündigungssachverhalt tangiert und nicht ein vergleichbares Verhalten des Arbeitnehmers in der Zukunft. Im Prinzip handelt es sich also um die Androhung von Konsequenzen hinsichtlich des konkreten Kündigungssachverhalts. Eine solche Differenzierung wäre der insbesondere im Kündigungsschutzrecht gebotenen Rechtsklarheit und -sicherheit sachdienlich.44 Sie führt dazu, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Abmahnung nicht nur in der Regel45 zugleich auf das Recht zur Kündigung aus den Gründen, wegen derer die Abmahnung erfolgt ist, verzichtet, sondern dazu, dass in jeder Abmahnung ein konkludenter Verzicht liegt. Ein solches Verständnis führt nicht zu einer Umkehrung des Grundsatzes, dass an einen Verzicht durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen sind.46 Durch einen strengeren Umgang mit der Bezeichnung „Abmahnung“ wird dieser Grundsatz nicht aufgegeben. Es bleibt dabei, dass ein Verzicht nur denkbar ist, wenn deutliche Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen zum Verlust des Kündigungsrechts erkennbar sind.47

42 Siehe z.  B. BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 37; BAG 10. 11. 1993 – 7 AZR 682/92, NZA 1994, 500, Rn. 22; BAG 30. 5. 1996 – 6 AZR 537/95, NZA 1997, 145; BAG 19. 7. 2012 – 2 AZR 782/11, BAGE 142, 331. 43 MüKo/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 198 m. w. N. 44  Vgl. zur Trennung Abmahnung und Ermahnung APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 391. 45  BAG 13. 12. 2007 – 6 AZR 145/07, BAGE 125, 208, Rn. 24; oder „regelmäßig“ BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823; BAG 12. 5. 2011 − 2 AZR 479/09, NZA-RR 2012, 43; BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 28. 46 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 263. Raab hingegen überrascht die pauschale Annahme eines Verzichtswillens bei einer Abmahnung und sieht darin einen Widerspruch zu den hohen Anforderungen an die Eindeutigkeit der Verzichtserklärung und damit eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses (FS Buchner, 2009, S. 717). 47 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 263.

74

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

(c) Rechtsnatur der Abmahnung Die Abmahnung selbst wird zum größten Teil als eine nur geschäftsähnliche Handlung betrachtet, auf die die Regeln über Willenserklärungen entsprechend anwendbar seien,48 der Verzicht hingegen jedoch als eine Willenserklärung. Der Verzicht kann aber nur ausdrücklich oder konkludent durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Kündigungsberechtigten erfolgen.49 Aus diesem Grund sollte durchaus in Frage gestellt werden, ob es sich nicht wegen des mit der Abmahnung immer verbundenen Verzichts um eine Willenserklärung handelt und nicht nur um eine geschäftsähnliche Handlung.50 Eine Willenserklärung zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deswegen eintritt, weil er gewollt ist, gerichtet ist.51 Ein rechtlicher Erfolg liegt in der Ermöglichung einer späteren Kündigung,52 da die Abmahnung grundsätzlich eine notwendige Vorstufe zu einer verhaltensbedingten Kündigung darstellt.53 Sie gehört zum Ultima-Ratio-Prinzip54 bzw. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.55 Das Absehen von einer Abmahnung kann zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen.56 Dies kann aber auch als Rechtsfolge angesehen werden, die nur durch das Gesetz bzw. die Rechtsprechung bestimmt wird. Zudem gibt es Situationen, in denen eine Abmahnung entbehrlich ist.57 Relevant für die Einordnung als Willenserklärung ist vielmehr der rechtliche Erfolg des Erlöschens des Kündigungsrechts hinsichtlich der einen konkreten Pflichtverletzung. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfolge, die durch den Willen des Erklärenden und nicht durch das Gesetz bzw. die Rechtsprechung bestimmt wird. 48  BAG 21. 5. 1992 – 2 AZR 551/91, NZA 1992, 1028, Rn. 32; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 30; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 93; Schaub/Linck, § 132 Rn. 6; Kraft, NZA 1989, 777, 780; von Hoyningen-Huene, RdA 1990, 193, 199 m. w. N.; Schaub, NZA 1997, 1185; Kranz, DB 1998, 1464. 49  BAG 31. 7. 1986 – 2 AZR 559/85, RzK I 8c Nr. 10, Rn. 33; BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41; BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388, Rn. 23. 50  Die Abmahnung ebenfalls als Willenserklärung ansehend KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 283; NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 810; LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 136; i. E. offen gelassen BAG 9. 8. 1984 – 2 AZR 400/83, NZA 1985, 124, Rn. 26. 51  Siehe oben B.I.1.a); MüKo/Armbrüster, Vor § 116 BGB Rn. 3 m. w. N. 52  So LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 136. 53  BAG 4. 6. 1997 – 2 AZR 526/96, NJW 1998, 554 (In dieser Entscheidung gab das BAG die Differenzierung nach Störbereichen auf.); SPV/Preis Rn. 8, 558. 54 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 66. 55 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 343. 56  BAG 25. 4. 1996 – 2 AZR 74/95, NZA 1996, 1201, Rn. 19; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 347. 57 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 369 ff. m. w. N.; NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 781 ff. m. w. N.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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Die Abmahnung ist somit eine Willenserklärung und nicht nur eine geschäftsähnliche Handlung. (d) Anfechtung des Verzichts durch den Arbeitgeber Dem Arbeitgeber ist im Gegenzug unter gewissen Umständen die Möglichkeit der Anfechtung des Verzichts zu gewähren.58 Kann der Arbeitgeber aber mit der Begründung anfechten, er habe nicht gewusst, dass eine Abmahnung zu einem Verzicht führe? Ein Inhaltsirrtum kann ausnahmsweise ein Irrtum über die Rechtsfolgen einer Willenserklärung sein, „wenn diese Rechtsfolgen selbst Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen sind, wenn also die Rechtsfolgen kraft des auf sie gerichteten Willens eintreten soll“ (sog. beachtlicher Rechtsfolgenirrtum).59 Zudem ist für die Beachtlichkeit des Rechtsfolgenirrtums entscheidend, dass der Irrtum eine wesentlich verschiedene Rechtswirkung betrifft und nicht nur eine nicht erkannte und nicht gewollte Nebenfolge des ansonsten irrtumsfrei erklärten und gewollten Rechtsgeschäfts.60 Nicht anfechtbar sind Erklärungen, die auf einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen beruhen, die nicht Inhalt der Erklärung sind, sondern kraft Gesetzes eintreten (sog. unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum).61 Für eine Behandlung als beachtlichen Rechtsfolgeirrtum spricht hier, dass die Rechtsfolge des Verzichts in der Erklärung selbst enthalten ist und sie nicht erst gesetzlich oder in einem Richterspruch als (mittelbare) Folge des unmittelbar Erklärten vorgesehen ist: Der Verzichtswille wird direkt der Erklärung des Arbeitgebers (der Abmahnung) entnommen.62 Zudem handelt es sich bei der Verzichtswirkung um eine wesentliche Wirkung und nicht nur um eine unwesentliche Nebenfolge der Abmahnung. Allerdings hat die Anfechtung einer Abmahnung in der Praxis fast keine Relevanz. Würde der Arbeitgeber sie anfechten, würde dies unter Umständen dazu führen, dass seine Kündigung nicht mehr dem Ultima-Ratio-Prinzip entsprechen würde, es sei denn es gibt einen Entbehrlichkeitsgrund. (e) Zwischenergebnis Beanstandet der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel und verbindet er damit den 58 Von der Möglichkeit einer Anfechtung ebenfalls ausgehend TLL/Gabrys, § 1 KSchG Rn. 312. 59  BAG 30. 10. 1987 – 7 AZR 115/87, BAGE 57, 13, Rn. 15; siehe auch BAG 6. 2. 1992 – 2 AZR 408/91, NJW 1992, 2173, Rn. 31 m. w. N. 60  BAG 30. 10. 1987 – 7 AZR 115/87, BAGE 57, 13, Rn. 15. 61  LAG Rheinland-Pfalz 16. 6. 2014 – 2 Sa 1/14, BeckRS 2014, 73107, Rn. 61 m. w. N. 62 Vgl. i.  R. d. betrieblichen Übung hinsichtlich der Zukunftsbindung Waltermann, RdA 2006, 257, 265.

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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Hinweis, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist, handelt es sich um eine Abmahnung. Diese stellt immer eine Willenserklärung mit dem Inhalt eines Verzichts auf das Kündigungsrecht dar. Eine Abmahnung liegt nicht vor, wenn der Arbeitgeber sich eine Kündigung wegen des konkreten Vorfalls vorbehält. (4) Verzicht auf das Kündigungsrecht durch eine Ermahnung Von der Abmahnung abzugrenzen ist die Ermahnung.63 Wesentlicher Unterschied ist, dass bei der Ermahnung dem Arbeitnehmer keine Konsequenzen bei weiterem Fehlverhalten für Bestand oder Inhalt des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt werden; es fehlt also an der Warnfunktion.64 Sie ist ein milderes Mittel gegenüber der Abmahnung.65 Fragwürdig ist, ob eine solche Ermahnung Verzichtswirkung haben kann.66 In seiner Entscheidung vom 6. 3. 2003 hat das BAG diese Frage offen gelassen.67 Auch wenn man dies bejahe, könne ein Verzicht aber jedenfalls nur angenommen werden, wenn die Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft zu erkennen gebe, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtverstoß hiermit als ausreichend sanktioniert und die Sache als „erledigt“ ansehe. Zuvor hatte der BAG 1995 die Verzichtswirkung der Abmahnung eindeutiger mit dem Argument abgelehnt, der Ermahnung fehle die für eine Abmahnung im Rechtssinne typische Warnfunktion.68 Es ist aber zweifelhaft, ob die Warnfunktion das Wesentliche für eine Verzichtswirkung darstellt. Aus Sicht eines objektiven Empfängers kann eine Ermahnung nicht so verstanden werden, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht durch künftige gleichartige Vertragsverletzungen, aber durch das bereits vorgefallene Verhalten gefährdet sei. Dies würde dazu im Widerspruch stehen, dass die Ermahnung das mildere Mittel zur Abmahnung darstellt und dass keine rechtlichen Konsequenzen mit ihr angedroht werden. Der Arbeitnehmer darf diese Reaktion als ein Tolerieren des konkreten Fehlverhaltens verstehen, inso63 

Auch bezeichnet als „bloße Vertragsrüge“ oder „Verwarnung“. von Hoyningen-Huene, RdA 1990, 193, 203; NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 775 m. w. N. 65 NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 775. 66  Eher ablehnend BAG 9. 3. 1995 – 2 AZR 644/94, NZA 1996, 875, Rn. 37; eher für möglich haltend BAG 31. 7. 1986 – 2 AZR 559/85, RzK I 8c Nr. 10, Rn. 33; BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41; in der Lit. pro Verzichtswirkung SPV/Preis Rn. 8; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 99; NK-GA/ Greiner, § 1 KSchG Rn. 263; Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 106; a. A. vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 539; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 405; HaKo/Zimmermann, § 1 KSchG Rn. 260; Schaub/Linck, § 132 Rn. 30, 31. 67  BAG 6. 3. 2003 – 2 AZR 128/02, NZA 2003, 1388, 1390, Rn. 23. 68  So aber BAG 9. 3. 1995 – 2 AZR 644/94, NZA 1996, 875, Rn. 37. 64 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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fern, dass er es nicht für abmahnungs- oder kündigungsrelevant erachtet.69 Da die Ermahnung das mildere Mittel darstellt, ist ein Erst-Recht-Schluss möglich: Ermahnt der Arbeitgeber nur, liegt erst recht ein Verzicht auf sein Kündigungsrecht vor, wenn dies schon bei einer Abmahnung gilt.70 Nicht die Warnung ist das Wesentliche für einen Verzicht, sondern dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, dass er es nicht mehr fortsetzen könnte.71 Bei der Ermahnung muss ebenfalls gelten, dass, wenn der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, er halte die Sache nicht für erledigt, er sich z. B. die Kündigung vorbehält, dies keine „Ermahnung“ im eigentlichen Sinne ist.72 Die Ermahnung ist, wie die Abmahnung, als Willenserklärung einzustufen. Erkennt man die Verzichtswirkung an, gelten die schon bei der Abmahnung genannten Argumente.73 (5) Verzicht durch eine reine Nichtausübung des Kündigungsrechts In der bewussten langdauernden Nichtausübung eines Rechts kann ein stillschweigend erklärter Verzicht liegen.74 Im Gegensatz zu den bereits erörterten Fällen des Ausspruchs einer ordentlichen Kündigung, einer Abmahnung oder einer Ermahnung,75 geht es hier um eine reine Nichtausübung des Kündigungsrechts durch Schweigen. Auch ein beanstandungsfreies Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses kann als Schweigen bezeichnet werden. In einem Schweigen alleine liegt grundsätzlich keine Willenserklärung.76 Dieses kann rechtlich nur relevant sein, wenn z. B. nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte die Kundgabe der Ablehnung erwartet werden durfte.77 In einem Arbeitsverhältnis, das eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien78 darstellt und in dem beiden Parteien bewusst ist, dass bei Pflichtverletzungen Kündigungsrechte bestehen können, kann vom Arbeitgeber durchaus 69 

Kranz, DB 1998, 1464, 1466. So auch LAG Hamburg 20. 5. 2015 – 6 Sa 83/14, NZA-RR 2016, 70, Rn. 57. 71  Vgl. zur Abmahnung BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 42; BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823, Rn. 12. 72  Siehe zur Abmahnung oben C.I.1.a)aa)(3)(b). 73  Siehe oben C.I.1.a)aa)(3)(c). 74  Siehe oben B.II.2.b); Jauernig/Mansel, BGB § 242 Rn. 58. 75  Siehe oben C.I.1.a)aa)(2), (3) und (4). 76  BAG 26. 3. 1997 – 10 AZR 612/96, NZA 1997, 1007, Rn. 29. 77  Vgl. BAG 26. 3. 1997 – 10 AZR 612/96, NZA 1997, 1007, Rn. 29; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 342. 78  Siehe oben A.; vgl. MüKo/Bachmann, § 241 BGB Rn. 98; Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 27. 70 

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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erwartet werden, dass er sich bei Kenntnis von einer Pflichtverletzung zu dieser äußert, wenn er sie nicht dulden möchte.79 Dieser Erwartung steht nicht entgegen, dass es sich beim Kündigungsrecht um ein Gestaltungsrecht handelt, das zu keiner Ausübungspflicht des Arbeitgebers führt. Damit ist nicht gemeint, dass vom Arbeitgeber verlangt wird, eine Abmahnung oder gar eine Kündigung auszusprechen, wenn er Kenntnis von einer Pflichtverletzung erlangt und mit dieser nicht einverstanden ist. Dies wäre ein unangemessenes, den Arbeitgeber überstrapazierendes Verlangen. Vielmehr ist damit nur gemeint, dass von ihm erwartet werden kann, zumindest irgendeine Reaktion bzw. Art von Kundgabe der Ablehnung zu zeigen, wenn er die Pflichtverletzung nicht gutheißt oder zumindest äußert, dass er sich noch nicht darüber im Klaren ist, wie er dazu steht. Den Arbeitgeber trifft also eine Obliegenheit, sich zu äußern, um die durch sein Schweigen verursachten Unklarheiten zu beseitigen.80 Selbstverständlich kommt es aber dabei insbesondere auf die Umstände des Einzelfalls an, z. B. welche Art von Pflichtverletzung begangen wurde und wie lange der Arbeitgeber trotz Kenntnis nicht darauf reagiert hat. Insgesamt sollte immer daran gedacht werden, dass an einen konkludent erklärten Verzicht grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind.81 Fehlt dem Arbeitgeber das Bewusstsein, durch sein Schweigen etwas rechtlich Erhebliches zu erklären, kann ihm allerdings aufgrund eines fehlenden Erklärungsbewusstseins ein Anfechtungsrecht zustehen, das wiederum zu einer Schadensersatzpflicht aus § 122 BGB führt.82 bb)  Außerrechtsgeschäftlich Ist kein Verzicht feststellbar, ist zu untersuchen, inwiefern Bedarf für die Heranziehung außerrechtsgeschäftlicher Selbstbindung besteht. Zu denken ist dabei an eine Verzeihung, eine Verwirkung oder an sonstiges widersprüchliches Verhalten. 79  Vgl.

MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 342. Vgl. Soergel/Wolf, § 157 BGB Rn. 45 m. w. N. Picker sieht das aber als „Gebot betriebswirtschaftlicher Klugheit“, ansonsten würde dies den Betriebsfrieden empfindlich stören und oft dulde der Arbeitgeber arbeitsvertragswidrige Zustände auch deshalb, weil er deren Auswirkungen auf die betriebliche Ordnung eruieren wolle oder weil er sich noch darüber im Unklaren sei, wie er mit der Situation in Zukunft umgehen solle (Die betriebliche Übung, S. 273). 81  Siehe oben B.I.1.a); BGH 29. 11. 1995 – VIII ZR 293/94, NJW 1996, 588, Rn. 14; siehe speziell zum Kündigungsrecht KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; NK-GA/ Greiner, § 1 KSchG Rn. 263; vgl. auch BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 880/06, NZA 2008, 355, Rn. 22. 82  Vgl. oben zur Abmahnung C.I.1.a)aa)(3)(d) (dort Rechtsfolgenirrtum) und siehe allg. zum fehlenden Erklärungsbewusstsein oben B.I.1.a)bb). 80 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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(1) Verzeihung Uneinigkeit herrscht, ob eine Selbstbindung des Arbeitgebers durch die Verzeihung von Kündigungsgründen in Betracht kommt. Im Unterschied zum Verzicht wird die Verzeihung nicht als Willenserklärung, sondern als sog. Gesinnungserklärung behandelt und eine Lösung über § 242 BGB in der Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens gesucht.83 Aus diesem Grund ist sie dem Bereich der Selbstbindung durch einen außerrechtsgeschäftlichen Tatbestand zuzuordnen. Sie wird definiert als „Kundbarmachung der Entscheidung des Arbeitgebers, über das zur Kündigung berechtigende Verhalten des Arbeitnehmers hinwegzusehen und darauf keine Kündigung stützen zu wollen“.84

Auch das BAG unterscheidet zwischen Verzicht und Verzeihung.85 Allerdings erfolgt diese Unterscheidung nicht immer eindeutig. Zum Teil behandelt das BAG Verzicht und Verzeihung in den Entscheidungsgründen zusammen.86 Da das BAG bei einer Verzeihung fordert, dass der Kündigungsberechtigte in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise konkludent oder ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, dass er über ein bestimmtes Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinwegsehen und darauf keine Kündigung mehr stützen will, gestaltet sich eine Abgrenzung zum konkludenten Verzicht schwierig.87 Zweifelhaft ist also, ob die Figur der Verzeihung überhaupt eingesetzt werden sollte.88 Für eine Anerkennung der Verzeihung lässt sich nicht anführen, dass der Begriff der Verzeihung an anderen Stellen im BGB verwendet wird.89 Eine Schenkung 83  LAG Baden-Württemberg 12. 4. 1967 – 4 Sa 29/67, DB 1967, 999; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 51; HaKo/Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 186; TLL/Gabrys, § 1 KSchG Rn. 311; HK-KSchG/Dorndorf, § 1 KSchG Rn. 323; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 103; KR/Friedrich/Lipke, § 242 BGB Rn. 30. Verzicht und Verzeihung ebenfalls unterscheidend Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rn. 106. 84 HK-KSchG/Dorndorf, § 1 KSchG Rn. 323 m. w. N.; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 243. 85  Siehe z. B. BAG 28. 10. 1971 – 2 AZR 15/71, DB 1972, 489, Rn. 16; BAG 31. 7. 1986 – 2 AZR 559/85, RzK I 8c Nr. 10, Rn. 32, 37. 86  Siehe z. B. BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 43: „Für einen solchen Verzicht oder gar eine Verzeihung bedürfte es eindeutiger Anhaltspunkte, die nicht schon darin liegen, daß die Kündigung zunächst nur mit einem anderen Kündigungssachverhalt begründet wurde.“ 87  Aus diesem Grund die „Verzeihung“ kritisierend KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249a; LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 111; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 264; MüKo/ Henssler, § 626 BGB Rn. 278. 88  Gegen die Figur der „Verzeihung“ u. a. KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249a; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 264; LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 111. 89  So aber vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 243 Fn. 591.

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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ist nach § 530 BGB widerrufbar, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht. Der Widerruf ist nach § 532 Satz 1 Alt. 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Schenker dem Beschenkten verziehen hat. Nach § 2337 BGB erlischt das Recht zur Entziehung des Pflichtteils durch Verzeihung. Gem. § 2343 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn der Erblasser dem Erbunwürdigen verziehen hat. Der BGH definiert die Verzeihung in diesem Zusammenhang als „den nach außen kundgemachten Entschluß des Erblassers, aus den erfahrenen Kränkungen nichts mehr herleiten und über sie hinweggehen zu wollen“.90

Für ein Nebeneinander von Verzeihung und Verzicht könnte sprechen, dass nach § 533 BGB auch ein Verzicht auf das Widerrufsrecht möglich ist und auch im Rahmen von § 2343 BGB Ausschlussgrund für die Anfechtung neben der Verzeihung durch den Erblasser der Verzicht des Anfechtungsberechtigten sein kann.91 Die angeführten Normen sind jedoch nicht auf das Arbeitsverhältnis übertragbar. Die Schenkung und die Erbschaft sind davon geprägt, dass es sich um einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte handelt. Eine „Verzeihung“ passt besser in solche meist familiären oder freundschaftlichen Verhältnisse und nicht in das von gegenseitigen beruflichen Pflichten geprägte Arbeitsverhältnis, auch wenn es sich um ein besonderes Vertrauensverhältnis handelt.92 Die Situation, dass die Erwartung eines Schenkers oder Erblassers enttäuscht wird, dass der andere sich dankbar oder würdig zeigt, ist nicht vergleichbar mit der Situation eines Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers in einem Arbeitsverhältnis. Das Widerrufs-, das Pflichtteilentziehungs- und das Anfechtungsrecht aus dem Schenkungs- und Erbrecht sind nicht mit dem Kündigungsrecht des Arbeitgebers vergleichbar. Bei einer Kündigung wegen eines Fehlverhaltens sollen dem Arbeitgeber nicht Reaktionsmöglichkeiten auf eine Kränkung gewährt werden, sondern Reaktionsmöglichkeiten auf ein vertragswidriges Verhalten.93 Im Gegensatz zu einem Verzicht trifft die Verzeihung den Arbeitgeber zudem unangemessen hart. Da die Verzeihung keine Willenserklärung ist, ist sie nicht anfechtbar.94 Die Anerkennung der Figur der Verzeihung schürt die Gefahr der Umgehung des Vorrangs der Rechtsgeschäftslehre. Eine Selbstbindung dahin ge90 

BGH 1. 3. 1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084. § 2343 BGB Rn. 2. 92  Siehe oben A.; vgl. MüKo/Bachmann, § 241 BGB Rn. 98; Oetker, Dauerschuldverhältnis, S. 27. 93 Vgl. zum Begriff der verhaltensbedingten Kündigungsgründe APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 265. 94 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 243; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 31; dies anzweifelnd BeckOK ArbR/Rolfs, § 1 KSchG Rn. 91. 91 MüKo/Helms,

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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hend, dass eine Kündigung wegen eines konkreten Vorfalls nicht mehr möglich ist, ist deswegen vorrangig über die Rechtsgeschäftslehre zu begründen und nicht über die Annahme einer Verzeihung.95 Es existiert keine Schutzlücke, die durch die Anerkennung der Figur der Verzeihung geschlossen werden müsste. Zudem stehen Rechtssicherheits- und Rechtsklarheitsgründe der Anerkennung entgegen. (2) Verwirkung durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts Die Verwirkung ist ein Fall des widersprüchlichen Verhaltens und damit der unzulässigen Rechtsausübung.96 Die Verwirkung führt nach dem BAG zur Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis des Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, d. h. die Kündigung nicht ausspricht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre (sog. Zeitmoment), wenn er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde unterbleiben und der Arbeitnehmer sich deshalb auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einrichtet (sog. Umstandsmoment).97 Dies setzt nicht die Anwendbarkeit des KSchG voraus.98 (a) Außerordentliche Kündigung Bei einer außerordentlichen Kündigung hat die allgemeine Verwirkung allerdings keine Bedeutung.99 § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Verwirkungstatbestands dar.100 Diese Zwei-Wochen-Frist ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist für die Kündigungserklärung, die sachlich den Verwirkungstatbestand des wichtigen Grundes wegen des reinen Zeitablaufs kodifiziert.101 Bei einer außerordentlichen Kündigung kommt es also nur auf den Zeit- und nicht auf den Umstandsmoment an.102 Auch wenn man der Ansicht 95  Vgl.

NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 264. Siehe oben B.II.2. 97  BAG 15. 8. 2002 – 2 AZR 514/01, NZA 2003, 795; vgl. oben B.II.2.a). 98  Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 298 m. w. N.; a. A. Braun, Arbeitsrechtlicher Kündigungsschutz durch zivilrechtliche Generalklauseln, S. 167. 99  BAG 9. 1. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 108; SPV/Preis Rn. 121; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 265. Fischermeier spricht davon, dass die Verwirkung neben § 626 Abs. 2 BGB „grds“ nicht in Betracht komme (KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 70). 100  Siehe oben B.II.2.a); BAG 9. 1. 1986 – 2 ABR 24/85, NJW 1986, 2338; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 108; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 200 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 329 f. m. w. N.; SPV/Preis Rn. 794 m. w. N.; Moll/Reinartz, MAH ArbR, § 44 Rn. 153; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 371 m. w. N. 101  BAG 9. 1. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467, Rn. 19. 102 APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 121. 96 

82

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

folgt, dass sich Ausschlussfristen und Verwirkung nicht gegenseitig ausschließen,103 hat die kurze Ausschlussfrist aus § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB dennoch zur Folge, dass eine Verwirkung aufgrund der Schwierigkeit einer Vertrauensbildung innerhalb dieser kurzen Zeit kaum möglich ist.104 § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB hebeln den Vorrang der Rechtsgeschäftslehre nicht aus, sondern modifizieren nur das Regel-Ausnahme-Verhältnis in bestimmten Situationen. Auch wenn es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, ist vorrangig – zumindest gedanklich – immer ein Verzicht des Arbeitgebers durch die Nichtausübung des Kündigungsrechts zu prüfen. Die Ausschlussfrist verliert dadurch aber nicht an Existenzberechtigung; im Gegenteil, selbst wenn bei längerer Nichtausübung ein konkludenter Verzicht in Betracht kommen würde, hat der Gesetzgeber mit § 626 Abs. 2 BGB die Entscheidung getroffen, schon vorher von einer gesetzlichen Verwirkung auszugehen. Es kommt eher zu Situationen, in denen noch kein Verzicht aufgrund der strengen Anforderungen angenommen werden kann, z. B. weil erst drei Wochen verstrichen sind und keine weiteren Anhaltspunkte vorhanden sind. Hier ordnet das Gesetz an, dass in einem solchen Fall trotzdem die außerordentliche Kündigung ausgeschlossen bzw. „verwirkt“ sein soll, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Umstandsmoment vorliegt. (b) Ordentliche Kündigung Anders liegt es bei der ordentlichen Kündigung. Hier erlangt die Verwirkung nur über § 242 BGB Geltung; Zeit- und Umstandsmoment sind genau festzustellen. (aa) Zeitmoment Aufgrund der Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls handelt es sich bei der Verwirkung um eine „flexible Ausübungsschranke für Rechte in zeitlicher Hinsicht“.105 Diese Charakterisierung bedeutet jedoch nicht, dass keine strengen Anforderungen an die Beurteilung des Zeit- und Umstandsmoments zu stellen sind.106 Für die Beantwortung der Frage, was unter „längerer Zeit“ zu ver103  Popp, NZA 1987, 366, 368 f. Mansel vertritt, dass das Bestehen einer Ausschlussfrist die Verwirkung nicht unbedingt ausschließe, sondern die Verwirkung ergänze sie ggf. (Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 53 und 57), die Ausschlussfrist dürfe aber nicht ausgehöhlt werden (Rn. 55). 104 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 314. Auch Popp räumt ein, dass die weiteren rechtlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung des außerordentlichen Kündigungsrechts nur in Ausnahmefällen vorliegen (NZA 1987, 366, 369). 105 Jauernig/Mansel BGB § 242 Rn. 53; siehe oben B.II.2.a). 106 Strenge Anforderungen forderte das BAG schon am 9. 7. 1958 – 2 AZR 438/56, BAGE 6, 165, Rn. 21.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

83

stehen ist, können bisherige Entscheidungen nur als grobe Orientierung dienen.107 Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.108 Aus § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Umkehrschluss gezogen werden, dass bei einer Nichtausübung einer ordentlichen Kündigung in den zwei Wochen unmittelbar nach der Kenntnisnahme des Kündigungsgrundes nicht schon von einer längeren Zeit ausgegangen werden kann.109 Das BAG gesteht dem Arbeitgeber im Gegenteil wegen weitreichender Folgen des Kündigungsentschlusses zu, dass er dabei „umsichtig und ohne Hast“ vorgeht.110 Hinsichtlich der Fristen aus § 102 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG ist ein Umkehrschluss nicht möglich.111 Diese Fristen bestimmen eine Reaktionszeit für den Betriebsrat, nicht für den Arbeitgeber selbst. In ihnen kann allenfalls eine weitere Bestätigung der Wertung zu finden sein, dass bei einer außerordentlichen ein schnellerer Ablauf angestrebt wird als bei einer ordentlichen Kündigung. Ebenfalls anzuzweifeln ist die Heranziehung der Wartefrist aus § 1 Abs. 1 KSchG.112 Zum Teil wird vertreten, dass die Wartefrist deutlich mache, dass sich der Arbeitgeber spätestens innerhalb von sechs Monaten darüber klar geworden sein muss, ob er mit dem Arbeitnehmer auf Dauer zusammenarbeiten will oder nicht.113 Sinn und Zweck der Wartezeit ist es vor allem, dem Arbeitgeber eine Möglichkeit zu geben, sich ohne die erschwerten Voraussetzungen des KSchG von dem Arbeitnehmer zu trennen, wenn seine Erwartungen enttäuscht werden bzw. die Erprobung des Arbeitnehmers negativ ausfällt.114 Diese Einräumung einer sechsmonatigen Kennenlernzeit ist aber unabhängig davon, dass bei einem konkreten Kündigungsgrund, sei es außerhalb oder innerhalb der Wartezeit, der Arbeitgeber nicht lange zuwarten kann, ob er mit einer Kündigung reagiert oder untätig bleibt. Das Zeitmoment ist unabhängig von der sechsmonatigen Wartezeit 107  Siehe z. B. LAG Düsseldorf 1. 7. 2010 – 5 Sa 996/09, LAGE § 611 BGB 2002: drei Jahre; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 72: mehrere Wochen oder Monate. Die von Löwisch (LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 113) genannten Entscheidungen als Beleg dafür, dass zwei Monate nicht ausreichen (BAG 28. 5. 1998 – 2 AZR 615/97, DB 1998, 2168), neun Monate aber auf jeden Fall (LAG Nürnberg 13. 4. 1995 – 7 Ta 90/95, juris), betreffen nicht die Verwirkung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers, sondern des Klagerechts des Arbeitnehmers. 108  BeckOK ArbR/Rolfs, § 1 KSchG Rn. 97. 109  Vgl. NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 265; TLL/Gabrys, § 1 KSchG Rn. 313. 110  BAG 8. 9. 2011 – 2 AZR 543/10, BAGE 139, 144, Rn. 13; BAG 28. 7. 2016 – 2 AZR 746/14 (B), BeckRS 2016, 112860, Rn. 7; siehe auch LAG Hamm 14. 6. 2013 – 10 Sa 18/13, KirchE 61, 454, Rn. 77. 111  So aber BeckOK ArbR/Rolfs, § 1 KSchG Rn. 97. 112  Dies ebenfalls, wenn auch mit anderen Argumenten, ablehnend Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 299. 113  BeckOK ArbR/Rolfs, § 1 KSchG Rn. 97. 114 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 165 f. m. w. N.; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 32.

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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zu bestimmen; sie ist somit weder eine Freikarte des Arbeitgebers für eine sechsmonatige Überlegungszeit noch eine „Spätestens“-Grenze. (bb) Umstandsmoment Zeit- und Umstandsmoment müssen kumulativ vorliegen.115 Der Schwerpunkt des Verwirkungsbegriffs liegt im Umstandsmoment.116 Dieser kann sich allerdings etwas verlagern, wenn ein Vorfall irgendwann durch Zeitablauf so an Bedeutung verliert, dass eine ordentliche Kündigung nicht mehr gerechtfertigt wäre.117 Für das Umstandsmoment wird insbesondere eine beanstandungsfreie Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als relevant betrachtet. Setzt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fort, erwecke er durch die fortwährende Zuweisung von Arbeit beim Arbeitnehmer in der Regel das berechtigte Vertrauen, eine Kündigung werde unterbleiben, worauf sich der Arbeitnehmer einrichten wird.118 Insgesamt ist feststellbar, dass die Rechtsprechung aber sehr streng mit dem Umstandsmoment umgeht und es meistens verneint.119 (cc) Fehlende Daseinsberechtigung neben dem Verzicht auf das Kündigungsrecht Als schwierig stellt sich eine Abgrenzung des Verzichts durch schlüssiges Verhalten von der allgemeinen Verwirkung dar.120 Aufgrund des Vorrangs der Rechtsgeschäftslehre sollte diese schwierige Abgrenzung nicht vermieden werden, indem sofort auf die Verwirkung zurückgegriffen wird, sondern immer – zumindest gedanklich – erst eine Prüfung erfolgen, ob ein konkludenter Verzicht gegeben ist. (α) Untauglichkeit der Kenntnis als Abgrenzungskriterium Der Ansicht, dass die Kenntnis des Rechts keine notwendige Voraussetzung des allgemeinen Verwirkungstatbestands sei, wurde bereits entgegengetre115 

Siehe oben B.II.2.a); BAG 15. 8. 2002 – 2 AZR 514/01, NZA 2003, 795, Rn. 28; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 247; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 265. 116  BAG 9. 7. 1958 – 2 AZR 438/56, BAGE 6, 165, Rn. 24; BAG 25. 11. 1982 – 2 AZR 21/81, DB 1984, 883, Rn. 57; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 108. 117  BAG 15. 8. 2002 – 2 AZR 514/01, NZA 2003, 795, Rn. 35; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 250; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 265; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 342b; krit. Schaub/Linck, § 129 Rn. 18. 118  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 41; a. A. Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 300 f. 119  Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 299 und siehe seine Tabelle S. 294 ff. 120  Siehe oben B.II.2.b); Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

85

ten.121 Insbesondere bei der Verwirkung eines Kündigungsrechts lassen sich dafür weitere Argumente finden. Auch das BAG nimmt an, eine Verwirkung des Kündigungsrechts setze jedenfalls die Kenntnis des Kündigungsberechtigten voraus.122 Unter anderem kann das Umstandsmoment fehlen: Nur wenn der Arbeitnehmer weiß, dass dem Arbeitgeber der Kündigungsgrund bekannt ist, ist das Entstehen schützenswertes Vertrauens möglich.123 Für die Kenntnis als Verwirkungsvoraussetzung spricht zudem, dass die Ausschlussfrist aus § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB, die sachlich den Tatbestand einer Verwirkung des wichtigen Grundes wegen des reinen Zeitablaufs regelt, nur bei positiver Kenntnis in Gang gesetzt wird; grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht.124 Sieht man § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB als Konkretisierung bzw. Unterfall des allgemeinen Verwirkungstatbestands an,125 scheint es widersprüchlich, die Kenntnis beim allgemeinen Tatbestand nicht als Voraussetzung zu fordern.126 § 626 Abs. 2 BGB soll vor allem gewährleisten, dass bei einer so einschneiden121 

Siehe oben B.II.2.b). 5. 5. 1977 – 2 AZR 297/76, NJW 1978, 723; siehe auch BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 37; BAG 15. 8. 2002 – 2 AZR 514/01, NZA 2003, 795; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 250 m. w. N.; SPV/Preis Rn. 121; Schaub/Linck, § 129 Rn. 18; Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 325; allerdings zur Entscheidung des BAG vom 5. 5. 1977: BAG 9. 1. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467, Rn. 19: „Mit diesen Ausführungen hat der Senat nicht allgemein den Eintritt der Verwirkung eines Rechts nach § 242 BGB von der Kenntnis des Berechtigten von den sein Recht begründenden Tatsachen abhängig gemacht […]. Er hat vielmehr nur die Auffassung vertreten, die Verwirkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund werde durch § 626 Abs. 2 BGB konkretisiert und deshalb sei eine Verwirkung dieses Rechts ohne diese Kenntnis des Kündigungsberechtigten nicht möglich […].“ und Rn. 20: „Dieser Auffassung stehen die vom Rechtsbeschwerdegegner angezogenen Urteile des Ersten Senats vom 5. August 1969 […] und des Bundesgerichtshofs […] sowie das Urteil des erkennenden Senats vom 28. Juli 1960 […] nicht entgegen. Danach kommt es bei der allgemeinen Verwirkung nach § 242 BGB grundsätzlich nicht auf ein von dem Berechtigten zu vertretendes Verhalten, sondern auf den objektiv von ihm geschaffenen Rechtsschein ohne Rücksicht auf den Grund hierfür an, so daß sie auch unabhängig von der Kenntnis des Berechtigten von den anspruchsbegründenden Tatsachen eintreten kann […].“; a. A. BAG 5. 8. 1969 – 1 AZR 441/68, DB 1969, 1996, Rn. 47. 123  BAG 15. 8. 2002 – 2 AZR 514/01, NZA 2003, 795, Rn. 29; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 250; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 265. 124 Schliemann/Corts, § 626 BGB Rn. 247; zur Voraussetzung der positiven Kenntnis bei § 626 Abs. 2 BGB: APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 125 m. w. N.; Moll/Reinartz, MAH ArbR, § 44 Rn. 145 m. w. N. 125  Siehe oben B.II.2.a); BAG 9. 1. 1986 – 2 ABR 24/85, NZA 1986, 467; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 200 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 329 f. m. w. N.; APS/ Preis, Grundlagen D Rn. 108; Moll/Reinartz, MAH ArbR, § 44 Rn. 153; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 371 m. w. N. 126 Vgl. Salzmann, Verwirkung durch Nichtausübung, S. 103; vgl. auch Popp, NZA 1987, 366, 367, der i. E. aber a. A. 122  BAG

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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den die Ordnung des Betriebs beeinflussenden Maßnahme wie der außerordentlichen Kündigung eine mögliche Rechtsgestaltung alsbald vorgenommen wird.127 Ziel ist es, schnell Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Kündigungsberechtigter einen Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt.128 Dies spricht nur für eine Verkürzung bzw. konkrete Festlegung des Zeitablaufs, gerade jedoch nicht für einen Fristbeginn ab Kenntnis. Andererseits soll aber die zeitliche Grenze nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung führen oder den Kündigungsberechtigten dazu bringen, ohne genügende Vorprüfung voreilig zu kündigen.129 § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB dient einer angemessenen Überlegungsfrist für den Berechtigten.130 Man könnte § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB andererseits als zusätzlich durch das Gesetz angeordnete Voraussetzungen für die Verwirkung in diesem Spezialfall betrachten. Auch beim allgemeinen Tatbestand der Verwirkung sollte aber bei der Bestimmung des Zeitraums der Aspekt einer angemessenen Überlegungsfrist berücksichtigt werden.131 Eine angemessene Überlegung ist nur möglich, wenn der Berechtigte das Recht kennt. § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt diesbezüglich eher klarstellender Charakter zu. Des Weiteren würde eine unterschiedliche Handhabung der Kenntnisvoraussetzung zu nicht gerechtfertigten Wertungswidersprüchen bei außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen führen. Um dem Aspekt gerecht zu werden, dass es sich bei der außerordentlichen Kündigung um eine einschneidendere Maßnahme handelt als bei der ordentlichen, reicht es schon, dass nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist unwiderlegbar vermutet wird, dass selbst ein möglicherweise erheblicher wichtiger Grund nicht mehr geeignet ist, um die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen.132 Diesem Ziel steht es nicht entgegen, auch bei einer ordentlichen Kündigung die Kenntnis vom Recht zu einer Voraussetzung des Verwirkungstatbestands zu machen. (β) Fehlende Schutzlücken Ein beanstandungsfreies Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses ist ein Umstand, der bereits bei der Auslegung eines konkludenten Verzichts zu berücksichtigen ist und nicht erst bei der Verwirkung.133 Aufgrund der Obliegenheit des Arbeitge127 KR/Fischermeier,

§ 626 BGB Rn. 329. BAG 17. 3. 2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101, Rn. 34; APS/Vossen, § 626 BGB Rn.  116 m. w. N. 129  BAG 11. 3. 1976 – 2 AZR 29/75, BB 1976, 884, Rn. 15; BAG 15. 11. 1995 – 2 AZR 974/94, AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972, Rn. 48; BAG 26. 9. 2013 – 2 AZR 741/12, NZA 2014, 529, Rn. 23. 130  BT-Drs V/3913, S. 11; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 116. 131  Siehe oben B.II.2.b). 132  Zur unwiderleglichen Vermutung siehe APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 122 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 330 m. w. N. 128 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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bers, sich irgendwie zu äußern, wenn er die Pflichtverletzung nicht gutheißt, ist vorrangig von einem konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht durch eine reine Nichtausübung auszugehen.134 Ergibt die Auslegung im Einzelfall, dass aus Sicht eines objektiven Empfängers das Schweigen keinen Verzicht beinhaltet, ist fragwürdig, ob sich für eine Verwirkung dennoch ein schutzwürdiges Vertrauen ergibt. Auch bei der Verwirkung wird hinsichtlich eines schutzwürdigen Vertrauens gefragt, ob aus objektiver Sicht der Arbeitnehmer das Verhalten des Arbeitgebers so verstehen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, ob er sich also darauf einrichten durfte, dass er eine Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr erwarten brauche.135 Die Rechtsprechung steht damit zumindest im Einklang, indem sie das Umstandsmoment meistens verneint.136 Somit sind Schutzlücken kaum vorstellbar. 133

(3) Sonstiges widersprüchliches Verhalten Die Verzeihung oder die Verwirkung stellen nur Spezialfälle von widersprüchlichem Verhalten dar.137 Hier geht es um nicht um die Frage, ob allgemein eine Kündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens seitens des Arbeitgebers treuwidrig und damit unwirksam sein kann,138 sondern speziell um die Frage, ob das anfängliche Absehen von einer Kündigung bei Pflichtverletzungen als widersprüchliches Verhalten zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann oder ob es dafür an einer Schutzlücke fehlt. Von einer unzulässigen Rechtsausübung wird ausgegangen, wenn der Kündigende durch entsprechende Zusagen einen Vertrauenstatbestand beim Gekündigten geschaffen hat, in nächster Zeit oder wegen bestimmter Umstände nicht gekündigt zu werden.139 Dabei ist jedoch zu beachten, ob die Zusagen rechtsgeschäftlichen Charakter aufweisen. Das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens darf nicht dazu dienen, die Schwierigkeiten der Rechtsgeschäftslehre zu umgehen, sondern nur dazu, Schutzlücken zu schließen. Eine Schutzlücke ist insbesondere abzulehnen, wenn der Arbeitgeber erklärt, dass er im Hinblick auf einen konkreten Vorgang von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen will. Diese Fälle löst bereits die Rechtsgeschäftslehre. Das Dulden einer Pflichtverletzung ist vorrangig rechtsgeschäftlich als konkludenter 133 

Siehe oben C.I.1.a)aa)(5). Siehe oben C.I.1.a)aa)(5). 135  Siehe oben B.III.; BGH 27. 6. 1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, Rn. 13; MüKo/ Schubert, § 242 BGB Rn. 389; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 61. 136  Siehe oben C.I.1.a)bb)(2)(b)(bb). 137  Siehe zur Verwirkung oben B.II.2. 138  Allg. dazu u. a. NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 94 m. w. N.; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 101 ff. m. w. N. 139  LAG Hamm 24. 4. 2012 – 14 Sa 175/12, LAGE § 242 BGB 2002 Nr. 3, Rn. 27 m. w. N.; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 101 m. w. N.; KR/Friedrich/Lipke, § 242 BGB Rn. 30. 134 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Verzicht zu behandeln, für eine Einordnung als sonstiges widersprüchliches Verhalten besteht keine Notwendigkeit.140 In der Rechtsprechung werden die folgenden Beispiele als weitere Fälle widersprüchlichen Verhaltens behandelt: (a) Vorherige Widersetzung gegenüber der Arbeitnehmerkündigung Als widersprüchliches Verhalten hat das BAG unter anderem gesehen, wenn der Arbeitgeber sich einem Ausscheiden des Arbeitnehmers zunächst widersetzt und kurz danach selbst eine Kündigungsmaßnahme ergreift.141 In dem BAG-Fall hatte zunächst der Arbeitnehmer im August 1970 selbst gekündigt, die Arbeitgeber hatten diese Kündigung jedoch zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis wurde daraufhin zunächst fortgesetzt. Nachdem die Arbeitgeber sich entschlossen hatten, den Druckereibetrieb zum Jahresende aufzugeben, kündigten sie dem Arbeitnehmer im November 1970. Dieser Fall, in dem es um eine betriebsbedingte Kündigung ging, ist aber weder vergleichbar mit, noch übertragbar auf Kündigungen, in denen es um Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers geht. Angenommen, der Arbeitnehmer hat eine Pflichtverletzung begangen, kündigt daraufhin selbst und der Arbeitgeber weist diese Kündigung zurück: Kündigt dann aber kurze Zeit später der Arbeitgeber den Arbeitnehmer doch wegen dieser Pflichtverletzung, kann die Zurückweisung der Arbeitnehmerkündigung in Kenntnis der Pflichtverletzung durchaus als ein „Absehen von einer Kündigung trotz Kenntnis von einer Pflichtverletzung“ und als konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers gewertet werden. Für § 242 BGB wäre dann kein Raum. In betriebsbedingten Kündigungsfällen hingegen kann ein konkludenter Verzicht auf das betriebsbedingte Kündigungsrecht kaum bejaht werden. Einem Arbeitgeber kann nicht der Wille unterstellt werden, dass er mit der Abweisung einer Arbeitnehmerkündigung trotz Kenntnis der misslichen geschäftlichen Lage auf sein betriebsbedingtes Kündigungsrecht in (naher) Zukunft verzichten möchte. Der Entschluss, den Druckereibetrieb aufzugeben, erfolgte im Fall des BAG erst Monate nach dieser Abweisung. Ein Verzicht würde in diesem Zusammenhang zudem quasi einen Verzicht auf die Ausübung der Unternehmerfreiheit, den Betrieb aufzugeben, bedeuten. Für einen solchen müssten noch strengere Anforderungen gestellt werden. Aber auch bei betriebsbedingten Kündigungen ist eine Schutzlücke für die Heranziehung des venire contra factum proprium fragwürdig: Ist das Vertrauen des Arbeitnehmers hier dennoch schutzwürdig im Sinne des Verbots widersprüchlichen Verhaltens, weil der Arbeitgeber ihn mit allen 140  So aber scheinbar ArbG München 2. 10. 2008 – 13 Ca 17197/07, NZA-RR 2009, 134, Rn. 19. 141  BAG 8. 6. 1972 – 2 AZR 336/71, NJW 1972, 1878.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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Mitteln zum Verbleiben im Betrieb angehalten hat? Im Rahmen des venire contra factum proprium wird die Schutzwürdigkeit des Vertrauens verneint, wenn der andere sich fahrlässig auf das Verhalten des Gegners verlassen hat.142 (b) Vorherige Äußerung der Zufriedenheit Der Arbeitgeber setzt sich nach der Rechtsprechung zudem in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten, wenn er zuerst Grund zu der Annahme gibt, er sei mit den Leistungen des Arbeitnehmers zufrieden, und dann dem Arbeitnehmer wegen dessen mangelnder Leistungen kündigt, ohne ihm vorher Gelegenheit gegeben zu haben, seine Arbeitsweise den Anforderungen anzupassen.143 Wenn der Arbeitgeber durch sein Verhalten dem Arbeitnehmer berechtigten Anlass zu der Annahme gegeben habe, dass er in nächster Zeit mit einer Kündigung nicht zu rechnen brauche, könne eine dennoch ausgesprochene fristgemäße Kündigung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben und den Geboten der Fürsorgepflicht unvereinbar und deshalb unwirksam sein.144 Eine Schlechtleistung ist nur ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund, wenn es um steuerbares Verhalten geht.145 In der Regel ist vor Ausspruch einer solchen Kündigung eine Abmahnung erforderlich.146 Bei einer genaueren Betrachtung dieser Rechtsprechung geht es eigentlich nicht darum, dass die Kündigung wegen eines Verbots gegen widersprüchliches Verhalten unwirksam ist, sondern die Wirksamkeit der Kündigung scheitert an dem Ultima-Ratio-Prinzip, genauer: an der Erforderlichkeit einer Abmahnung.147 (c) „Rücknahme“148 der ersten Kündigung und Versetzung In dem Fall, der der Entscheidung des BAG vom 21. 3. 1996149 zugrunde lag, nahm der Arbeitgeber seine erste Kündigung – auch wenn diese nicht wegen 142 

Siehe oben B.III.; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 292. BAG 28. 9. 1961 – 2 AZR 428/60, BAGE 11, 278, Rn. 43; BAG 29. 7. 1976 – 3 AZR 50/75, DB 1976, 2356, Rn. 21; siehe speziell durch Ausstellung eines positiven Zwischenzeugnisses C.III. 144  ArbG Hanau 15. 8. 1968 – Ca 118/68, DB 1969, 266. 145 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 278 ff.; NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 1008. 146 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 278 m. w. N. 147  BAG 28. 9. 1961 – 2 AZR 428/60, BAGE 11, 278, Rn. 42 f.; BAG 29. 7. 1976 – 3 AZR 50/75, DB 1976, 2356, Rn. 20 f. 148  Eine einseitige Rücknahme der Kündigung ist grds. nicht möglich (BAG 17. 10. 2013 – 8 AZR 742/12, NZA 2014, 303, Rn. 32). I. d. R. wird die „Rücknahme“ aber als das Angebot des Arbeitgebers, entweder ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen oder das alte als nicht gekündigt zu den alten Bedingungen fortzusetzen, angesehen (APS/Hesse, § 4 KSchG Rn. 126 f. m. w. N.; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 73 ff. m. w. N.). 149  BAG 21. 3. 1996 – 8 AZR 290/94, BeckRS 1996, 30760782. 143 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

der Person des Arbeitnehmers, sondern ausschließlich wegen der Auflösung des Gemeinsamen Landeskriminalamts der fünf neuen Bundesländer (GLKA) ausgesprochen worden sein soll – zurück und versetzte trotz Kenntnis der DDR-Vergangenheit des Gekündigten diesen in die Landespolizeischule. Das BAG entschied, die zweite Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben und sei deshalb unwirksam. Der Arbeitgeber habe sich widersprüchlich verhalten, indem er das Arbeitsverhältnis aus Gründen gekündigt habe, die der Einstellung des Arbeitnehmers bei der Landespolizeischule offenbar nicht entgegenstanden. In der „Rücknahme“ der ersten Kündigung und in der Versetzung trotz offenkundig gemachter Kenntnis von seiner Vergangenheit ist hier jedoch mehr zu sehen als nur widersprüchliches Verhalten. Der Arbeitgeber schweigt hier nicht bloß, sondern die „Rücknahme“ und die Versetzung stellen Umstände dar, die erst recht über den Weg der Auslegung zu einem konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen der DDR-Vergangenheit führen. (d) Zwischenergebnis Die Frage, ob speziell das anfängliche Absehen von einer Kündigung bei Pflichtverletzungen als sonstiges widersprüchliches Verhalten zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann, ist aufgrund fehlender Schutzlücken zu verneinen. b)  Gleichartige Kündigungssachverhalte in der Zukunft Problematisch ist, inwiefern der Arbeitgeber sich selbst binden kann, wenn er wiederholt ein bestimmtes Verhalten eines Arbeitnehmers nicht als Anlass für eine Kündigung genommen hat. aa)  Rechtsgeschäftlich (1) Vorausverzicht (a) Auf das außerordentliche Kündigungsrecht Einen Verzicht des Arbeitgebers auf sein Kündigungsrecht bezogen auch auf künftige Pflichtverletzungen anzuerkennen, ist zumindest hinsichtlich des außerordentlichen Kündigungsrechts ausgeschlossen, da ein Vorausverzicht nicht möglich ist.150 Erst beim Eintritt einer Wiederholung des Fehlverhaltens bzw. eines Kündigungssachverhaltes entsteht ein neues Kündigungsrecht. § 626 BGB hat zwingenden Charakter.151 Dies schließt nicht aus, dass einzelne Kündigungs150  BAG 28. 10. 1971 – 2 AZR 15/71, DB 1972, 489, Rn. 16; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 30 m. w. N. 151  BAG 28. 10. 1971 – 2 AZR 15/71, DB 1972, 489, Rn. 16; APS/Vossen, § 626 BGB Rn.  7 m. w. N.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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gründe vorab konkretisiert werden dürfen;152 umgekehrt dürfen aber keine Gründe vorab pauschal ausgenommen werden.153 Hinsichtlich des außerordentlichen Kündigungsrechts ist also nur der Verzicht auf das Kündigungsrecht, nachdem der Kündigungsgrund eingetreten ist und der Kündigungsberechtigte hiervon Kenntnis erhalten hat, zulässig.154 (b) Auf das ordentliche Kündigungsrecht Zu überprüfen ist allerdings, ob für das ordentliche Kündigungsrecht etwas anderes gelten muss.155 Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vertraglich die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts ausschließen.156 Der allgemeine Kündigungsschutz ist nur einseitig – zugunsten des Arbeitnehmers – zwingend ausgestaltet.157 Aus der Möglichkeit eines ganzen oder teilweisen Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechts bei Arbeitsvertragsabschluss könnte gefolgert werden, dass ein konkludenter Vorausverzicht auf ein ordentliches Kündigungsrecht bei bestimmten Pflichtverletzungen durch Verhalten des Arbeitgebers im Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglich sein muss. Denkbar wäre aber allenfalls ein Vorausverzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht wegen gleichartiger Pflichtverletzungen. Ein konkludenter Verzicht auf ein zukünftiges Kündigungsrecht bei dem Arbeitgeber noch unbekannten Kündigungssachverhalten allein durch das wiederholte Untätigbleiben ist aber auch bei Gleichartigkeit zweifelhaft: Auch wenn es zu gleichartigen Pflichtverletzungen kommt, handelt es sich dennoch nie um komplett identische Sachverhalte, worüber sich ein objektiver Empfänger bewusst sein muss. Zur Verdeutlichung taugt das Beispiel der privaten Internetnutzung. Dem verständigen Arbeitnehmer ist bewusst, dass er das Internet nicht immer auf die gleiche Art privat nutzt. Die Nutzungen können sich hinsichtlich der Art, Lage und Dauer – wenn auch nur minimal – unterscheiden. Nicht eindeutig ist zudem, wann überhaupt von gleichartigen Wiederholungsfällen ausgegangen werden kann. Diesbezüglich ist Augenmerk auf das parallele Problem im Rahmen der Abmahnung zu richten, welche Wiederholungsfälle eine 152 APS/Vossen,

§ 626 BGB Rn. 15. § 98 Rn. 35 m. w. N.; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des ArbR, Bd. I, S. 596 m. w. N. 154  BAG 28. 10. 1971 – 2 AZR 15/71, DB 1972, 489, Rn. 16. 155  Nicht ganz eindeutig BAG 19. 11. 2015 – 2 AZR 217/15, NZA 2016, 540, Rn. 28: „Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer – außerordentlichen oder ordentlichen – Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten.“ 156 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 157 m. w. N.; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 84. 157  Vgl. im Gegensatz dazu § 626 BGB: APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 6. 153 MünchArbR/Wank,

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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Abmahnung abdeckt, um bei deren Eintritt eine Kündigung zu rechtfertigen.158 Der Begriff der „Gleichartigkeit“ schafft auch in diesem Zusammenhang wenig Rechtssicherheit.159 Nicht identische Pflichtverletzungen sind erforderlich, sondern nur vergleichbare Pflichtverletzungen,160 die aus demselben Bereich stammen, sodass Abmahnung und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen.161 Diese Erkenntnisse zur Konkretisierung der Gleichartigkeit hinsichtlich der Warnfunktion einer Abmahnung können jedoch für die vorliegende Frage nicht nutzbar gemacht werden dafür, ob ein konkludenter Verzicht auf die Ausübung des Kündigungsrechts bei gleichartigen Pflichtverletzungen vorliegt. Dagegen spricht, dass der fehlende strenge formale Maßstab bei der Beurteilung der Gleichartigkeit zur abgemahnten Pflichtverletzung162 im Widerspruch zu den strengen Anforderungen steht, die an einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht gestellt werden. Die Gleichartigkeit der Pflichtverletzung nach einer Abmahnung dient der Feststellung, dass regelmäßig davon ausgegangen werden kann, es werde weiterhin zu Vertragsstörungen kommen, wenn der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden ist und er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut verletzt.163 Maßgeblich ist, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht akzeptieren, sondern gegebenenfalls mit einer Kündigung reagieren.164 Dies ist von der Frage zu trennen, ob der Arbeitnehmer ein wiederholtes Untätigbleiben des Arbeitgebers nach gleichartigen Pflichtverletzungen als konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht bei weiteren gleichartigen Pflichtverletzungen verstehen darf. Daran sind strengere Anforderungen zu stellen. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Fortsetzung eines Nichtgebrauchs vom Kündigungsrecht anzunehmen fällt dabei schwer.165 Schon kleine Unterschiede bei eigentlich noch als gleichartig geltenden Pflichtverletzungen können dazu führen, dass der Arbeitgeber nun von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen möchte. Dies ihm nur zu verwehren, weil 158 APS/Vossen,

§ 1 KSchG Rn. 425 f. m. w. N. auch krit. zum Gleichartigkeitsbegriff APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 426 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 295 m. w. N.; Schiefer, NZA 2002, 770, 776; die Gleichartigkeit generell nicht als zwingend notwendige Voraussetzung ansehend Sibben, NZA 1993, 583, 585 ff.; Walker, NZA 1995, 601, 606. 160  BAG 13. 12. 2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589, Rn. 40; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 29b m. w. N. 161 BAG 16. 1. 1992 – 2 AZR 412/91, NZA 1992, 1023; BAG 13. 12. 2007 – 2 AZR 818/06, NZA 2008, 589, Rn. 41; BAG 9. 6. 2011 − 2 AZR 323/10, NZA 2011, 1342, Rn. 31. 162 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 295 m. w. N.; SPV/Preis Rn. 1204. 163  BAG 9. 6. 2011 − 2 AZR 323/10, NZA 2011, 1342, Rn. 31. 164  BAG 9. 6. 2011 − 2 AZR 323/10, NZA 2011, 1342, Rn. 31 m. w. N. 165  Seiter, Die Betriebsübung, S. 110. 159 Siehe

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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er bei damaligen gleichartigen, aber eben nicht identischen Pflichtverletzungen keine Reaktion gezeigt hat, scheint zu weitgehend. Der Arbeitnehmer wird dadurch nicht vollkommen schutzlos gestellt. Es bleibt bei einer Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung nach den allgemeinen Kündigungsschutzregeln. Vor allem wird der Arbeitnehmer dadurch geschützt, dass, wenn der Arbeitgeber sich nach mehrmaligem Untätigbleiben nun zu einer Reaktion entschließt, diese zunächst grundsätzlich eine Abmahnung sein muss. (2) Abmahnungspraxis Vorstellbar sind jedoch nicht nur Situationen, in denen der Arbeitgeber wiederholt gar nicht auf eine bestimmte Pflichtverletzung reagiert, sondern auch solche, in denen er wiederholt nur eine Abmahnung und keine Kündigung ausspricht. Spricht der Arbeitgeber eine Abmahnung wegen einer Pflichtverletzung aus, liegt darin gerade kein Verzicht auf die Ausübung seines Kündigungsrechts wegen zukünftiger ähnlicher Pflichtverletzungen. Die Abmahnung stellt gerade eine Warnung vor einer Kündigung bei Wiederholung der Pflichtverletzung dar. Anders kann jedoch die Situation einer jahrelang betriebenen „Abmahnungspraxis“166 zu bewerten sein, durch die beim Arbeitnehmer der Eindruck entstehen kann, bestimmte Pflichtverletzungen würden missbilligt, sie seien aber so geringfügig, dass der Arbeitgeber sie noch als tragbar akzeptiere. Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch nachlassen, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers immer nur (unter Umständen sogar jahrelang) eine Kündigung androht, ohne jemals kündigungsrechtliche Konsequenzen zur Realität werden zu lassen.167 Um ihrer Warnfunktion gerecht zu werden, muss der Arbeitnehmer die Drohung ernst nehmen können und nicht nur als eine „leere Drohung“ empfinden.168 Die Abschwächung der Warnfunktion als Rechtsfolge ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einem Verzicht auf das Kündigungsrecht bei einer Wiederholung der abgemahnten Pflichtverletzung.169 Die

166  Vgl. die Verwendung dieser Formulierung in BAG 15. 11. 2001 – 2 AZR 609/00, BAGE 99, 340, Rn. 39. 167  BAG 15. 11. 2001 – 2 AZR 609/00, BAGE 99, 340, Rn. 40; BAG 16. 9. 2004 – 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459, Rn. 31 m. w. N.; BAG 27. 9. 2012 – 2 AZR 955/11, NZA 2013, 425, Rn. 47; Schaub, NZA 1997, 1185, 1187 f. 168  BAG 16. 9. 2004 – 2 AZR 406/03, NZA 2005, 459, Rn. 31. 169  Ausdrücklich den Begriff „Selbstbindung“ in diesem Zshg. benutzend, aber im vorliegenden Fall ablehnend: LAG Hessen 4. 11. 2013 – 17 Sa 591/13, BeckRS 2014, 70914, Rn. 30: „Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27. Februar 2012 ein weiteres Mal abgemahnt hat, begründet keine Selbstbindung der Beklagten, etwa dergestalt, dass sie zu erkennen gegeben hätte, jedenfalls seien zwei Abmahnungen erforderlich, bevor eine Kündigung ausgesprochen werde.“

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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Abmahnung bringt gerade zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber das Verhalten nicht generell gutheißt. (3) Durch eine Ermahnung Auch eine Ermahnung begründet keine Gefahr der Selbstbindung für die Zukunft.170 Der Arbeitnehmer kann eine Ermahnung nicht so weitgehend verstehen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten generell und in der Zukunft bei Wiederholung der Pflichtverletzung toleriert.171 Da der Arbeitgeber in der Ermahnung trotz fehlender Androhung von Konsequenzen dennoch zum Ausdruck bringt, dass er ein derartiges Fehlverhalten nicht gutheißt, kann die Selbstbindung nicht so weit reichen. Der Arbeitnehmer darf eine Ermahnung nur so verstehen, dass der Arbeitgeber ausnahmsweise in diesem Fall keine Abmahnung, sondern das mildere Mittel der Ermahnung ausgesprochen hat und nicht, dass er generell ein solches Verhalten toleriert. Bei einer Wiederholung des Fehlverhaltens muss der Arbeitnehmer durchaus mit einer Abmahnung rechnen. Reagiert der Arbeitgeber wiederholt bei gleichartigen Pflichtverletzungen mit einer Ermahnung, führt dies weder zu einem konkludenten Verzicht auf ein zukünftiges Kündigungsrecht noch zu einer Abschwächung der Warnfunktion, da die Ermahnung keine Warnung enthält. bb)  Außerrechtsgeschäftlich: Fehlende Schutzlücke Ein Weg über die Verwirkungsgrundsätze ist ebenso wenig gangbar.172 Insbesondere ein Umstandsmoment scheint aufgrund fehlender Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers nicht gegeben.173 Um zu prüfen, ob das Kündigungsrecht hinsichtlich des einen konkreten Sachverhalts verwirkt ist, kann nicht auf Reaktionen des Arbeitgebers hinsichtlich anderer Sachverhalte abgestellt werden. Entscheidend ist allein, ob der Arbeitgeber hinsichtlich des einen konkreten Vorfalls die Ausübung seines Kündigungsrechts trotz Kenntnis hinauszögert und nicht, ob er über einen längeren Zeitraum wiederholt ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers nicht als Anlass für eine Kündigung genommen hat. Auch das Abstellen auf sonstiges widersprüchliches Verhalten ist aufgrund fehlender Schutzwürdigkeit nicht zu befürworten. Es wäre zu den Ausführungen hinsichtlich einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung174 widersprüchlich und inkonsequent, an dieser Stelle nun 170 

Zur Ermahnung siehe auch oben C.I.1.a)aa)(4). solche Gefahr der Schaffung „tolerabler Tatbestände“ sieht Kranz, DB 1998, 1464, 1466. 172  So auch Seiter, Die Betriebsübung, S. 110. 173  Seiter, Die Betriebsübung, S. 110. 174  Siehe oben C.I.1.b)aa). 171  Eine

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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doch von einem schutzwürdigen Vertrauen des Arbeitnehmers auszugehen. Daher besteht keine Schutzlücke. c)  Ergebnis Handelt es sich um denselben Kündigungssachverhalt, ist vorrangig zu prüfen, ob der Arbeitgeber durch das Absehen von einer Kündigung konkludent auf sein Kündigungsrecht verzichtet hat, d. h. sich rechtsgeschäftlich selbst gebunden hat. Der Verzicht auf das Kündigungsrecht führt nicht zu einer Unwirksamkeit aufgrund unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB, sondern dazu, dass kein Kündigungsgrund vorhanden ist. An einen konkludenten Verzicht sind strenge Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich liegt im Ausspruch einer ordentlichen Kündigung vor Ablauf der Frist aus § 626 Abs. 2 BGB ein Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht. In einer Kündigung mit sozialer Auslauffrist liegt hingegen kein Verzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht, es sei denn es gibt eindeutige Anhaltspunkte für einen Umgehungswillen. Das Hauptbeispiel für einen konkludenten Verzicht ist die Abmahnung. Von einer Abmahnung kann man nur sprechen, wenn der Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, dass er die Sache damit als erledigt betrachtet und erst im Wiederholungsfall Konsequenzen ziehen wird. Behält der Arbeitgeber sich eine Kündigung vor, kann dies nicht als eine „Abmahnung“ bezeichnet werden. Die Warnfunktion der Abmahnung hat Zukunftsbezug. In jeder Abmahnung liegt ein konkludenter Verzicht. Aufgrund dieser Wirkung handelt es sich um eine Willenserklärung und nicht nur um eine geschäftsähnliche Handlung. Bei einer Ermahnung handelt es sich im Erst-Recht-Schluss ebenfalls um einen konkludenten Verzicht. Nicht die Warnung ist das Wesentliche für einen Verzicht, sondern dass der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte. Ein konkludenter Verzicht durch Nichtausübung des ordentlichen Kündigungsrechts ist vorrangig vor einer Verwirkung zu prüfen. Den Arbeitgeber trifft die Obliegenheit, sich bei Kenntnis einer Pflichtverletzung irgendwie zu äußern, wenn er diese nicht gutheißt. Dabei ist aber eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, z. B. welche Art von Pflichtverletzung begangen wurde und wie lange der Arbeitgeber trotz Kenntnis nicht darauf reagiert hat. Sowohl bei der Abmahnung als auch bei einem konkludenten Verzicht durch reine Nichtausübung des Kündigungsrechts ist allerdings an eine Anfechtungsmöglichkeit wegen eines beachtlichen Rechtsfolgenirrtums oder wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins zu denken. Eine Schutzlücke für die allgemeine Verwirkung im Rahmen ordentlicher Kündigungen ist grundsätzlich zu verneinen, da es bei Ablehnung eines konkludenten Verzichts auch an einem tragfähigen Umstandsmoment fehlt.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Bei einer außerordentlichen Kündigung stellt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Konkretisierung des allgemeinen Verwirkungstatbestands dar, bei dem es auf ein Umstandsmoment nicht ankommt. § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB hebeln den Vorrang der Rechtsgeschäftslehre für außerordentliche Kündigungen nicht aus, sondern modifizieren das Regel-Ausnahme-Verhältnis nur in bestimmten Situationen. Vorrangig ist immer ein Verzicht auf das Kündigungsrecht zu prüfen. Die Ausschlussfrist verliert dadurch aber nicht an Bedeutung. Selbst wenn bei längerer Nichtausübung ein konkludenter Verzicht in Betracht kommen würde, hat der Gesetzgeber mit § 626 Abs. 2 BGB die Entscheidung getroffen, schon vorher von einer gesetzlichen Verwirkung auszugehen. Für das Abstellen auf sonstiges widersprüchliches Verhalten besteht sowohl bei der ordentlichen als auch der außerordentlichen Kündigung keine Notwendigkeit. Die Zurückweisung der Arbeitnehmerkündigung in Kenntnis der Pflichtverletzung kann als konkludenter Verzicht auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers gewertet werden. Die „Rücknahme“ einer ersten Kündigung und die Versetzung trotz Kenntnis einer Pflichtverletzung können ebenfalls deutliche Anhaltspunkte für einen konkludenten Verzicht sein. Die Figur der Verzeihung mit der Selbstbindung als Folge ist im Arbeitsrecht aufgrund Abgrenzungsschwierigkeiten und fehlender Schutzlücke abzulehnen. Ein Vergleich zur Verzeihung aus dem Schenkungs- und Erbrecht führt zu keinem anderen Ergebnis. Geht es um gleichartige Pflichtverletzungen in der Zukunft, kann ein wiederholtes Absehen von Kündigungen weder als ein Vorausverzicht auf das außerordentliche noch auf das ordentliche Kündigungsrecht ausgelegt werden. Bezüglich des außerordentlichen Kündigungsrechts liegt es daran, dass dieses zwingend ist. Hinsichtlich des ordentlichen Kündigungsrechts führt eine Auslegung zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitgeber allein durch Untätigbleiben nicht eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er bei ihm im Detail noch unbekannten in der Zukunft liegenden und nie komplett identischen Kündigungssachverhalten auf sein ordentliches Kündigungsrecht verzichten möchte. Eine Abmahnungspraxis führt nur zur Abschwächung der Warnfunktion, jedoch nicht zu einem Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen vergleichbarer Pflichtverletzungen. Auch eine Ermahnung bringt keine Selbstbindung für die Zukunft hinsichtlich gleichartiger Pflichtverletzungen mit sich. Die Auswirkungen eines Kündigungsverzichts beschränken sich also grundsätzlich auf den konkreten Kündigungssachverhalt und erstrecken sich nicht auf zukünftige Situationen, in denen der Arbeitnehmer sich erneut gleichartig fehlverhält. Für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung ist eine Schutzlücke nicht feststellbar.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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2.  Verhalten gegenüber mehreren Arbeitnehmern Besonderheiten bei der Frage der Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung bei Pflichtverletzungen können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich nicht nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer, sondern gegenüber mehreren Arbeitnehmern in einer gewissen Weise verhält. a)  Ausdrückliche Selbstbindung durch abstrakte Verfahrensrichtlinien Zunächst ist es in der Praxis kein seltenes Vorkommnis, dass der Arbeitgeber sich ausdrücklich durch Mitteilungen gegenüber seiner Arbeitnehmerschaft bindet, indem er z. B. bestimmte Vorgehensweisen beim Auftreten von Pflichtverletzungen zum Inhalt von Richtlinien macht oder Amnestieregelungen aufstellt. aa)  Rechtsgeschäftlich (1) Festlegung milderer Mittel oder von Ausnahmen der Entbehrlichkeit einer Abmahnung Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip ist eine Kündigung nur zulässig, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme für den kündigungsberechtigten Arbeitgeber ist.175 Bei verhaltensbedingten Kündigungen stellt z. B. die Abmahnung ein solches milderes Mittel dar.176 Der Ausspruch einer Abmahnung vor einer Kündigung wird vom Arbeitgeber grundsätzlich verlangt. Er trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine wirksame Abmahnung bzw. für die Entbehrlichkeit bei einer fehlenden Abmahnung.177 Es gibt also mildere Mittel, wie die Abmahnung, die bei jeder verhaltensbedingten Kündigung zu prüfen sind. Zusätzlich kann der Arbeitgeber jedoch selbst weitere mildere Mittel bestimmen. Auswirkungen auf das Ultima-Ratio-Prinzip haben abstrakte Verfahrensrichtlinien, in denen der Arbeitgeber bestimmte Vorgehensweisen beim Auftreten von Pflichtverletzungen aufstellt.178 Diese Fallgruppe ist in dem Kapitel „Verhalten gegenüber mehreren Arbeitnehmern“ zu besprechen, weil die vom Arbeitgeber aufgestellten abstrakten Richtlinien nicht nur für einen Arbeitnehmer, sondern für viele oder alle Arbeitnehmer gelten sollen.

175 BAG 30. 5. 1978 – 2 AZR 630/76, BAGE 30, 309, Rn. 17; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 297 m. w. N. 176  Siehe ausf. zur Abmahnung oben C.I.1.a)aa)(3). 177 MüKo/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 210. 178 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 300; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 66; vHH/L/ Krause, § 1 KSchG Rn. 206.

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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(a) Festlegung milderer Mittel Diesbezüglich sind zwei wesentliche Entscheidungen des BAG zu nennen. In der einen vom 25. 4. 1996 ging es um die Kündigung eines seit 1969 beschäftigten Omnibusfahrers der städtischen Verkehrsbetriebe.179 Die Erteilung, der Einbehalt und Entzug der besonderen, für das selbstständige Führen eines Fahrzeugs im Betrieb der Arbeitgeberin erforderlichen Betriebsfahrberechtigung richtete sich nach der Dienstanweisung für die Zulassung im Betriebsdienst der Arbeitgeberin in der damals gültigen Fassung vom 17. 7. 1992. Diese Dienstanweisung sah vor dem Ausspruch einer Kündigung eine Nachschulung vor. Das BAG entschied, dass, wenn ein Arbeitgeber in einer Dienstanweisung im Einzelnen festlegt, wie er auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren beabsichtigt, binde er sich damit selbst und müsse sich im konkreten Fall an das in der Dienstanweisung festgelegte Verfahren halten. Die zweite wichtige Entscheidung des BAG in diesem Zusammenhang stammt vom 16. 9. 1999.180 Dort war eine derartig bindende Verhaltensnorm Art. 5 Abs. 1 der Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. 9. 1993. Danach gilt bei Verstößen gegen Loyalitätsobliegenheiten vor Ausspruch einer Kündigung: „Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muß der Dienstgeber durch Beratung versuchen, daß die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.“

Das BAG entschied, dass, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung ausspreche, ohne ein solches Gespräch zu führen, die Kündigung regelmäßig gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Sie sei deshalb sozialwidrig. Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse wurde von der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedet. Sie ist als Kirchengesetz erlassen worden und allgemeines Recht der katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland.181 Diese Verhaltensnorm ist also dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzuordnen. Sie hat Normcharakter und wurde

179 

BAG 25. 4. 1996 – 2 AZR 74/95, NZA 1996, 1201. BAG 16. 9. 1999 – 2 AZR 712/98, NZA 2000, 208. 181 MünchArbR/Richardi, § 327 Rn. 57 ff.; ders., NZA 1994, 19. Sie wird auch als „kirchenarbeitsrechtliche Kollektivregelung“ einsortiert, für deren Erlass die Kirche Gesetzgebungsbefugnis hat (Dütz, NZA 2008, 1383, 1384). 180 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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durch den kirchlichen Gesetzgeber erlassen.182 Zudem ist zu berücksichtigen, dass im konkreten Fall bei Abschluss des Arbeitsvertrags 1983 die Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse noch nicht in Kraft war; dies geschah erst am 1. 1. 1994. Die Willenserklärung, Arbeitgeber sein zu wollen, konnte bei Abschluss des Arbeitsvertrags also noch nicht den Willen enthalten, diese Grundordnung einhalten zu wollen. Die Grundordnung stellt für den Arbeitgeber etwas nachträglich durch den kirchlichen Gesetzgeber Auferlegtes dar, das ihn ohne jegliches eigenes Verhalten bindet und keine rechts- oder außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung.183 Die Dienstanweisung aus dem „Busfahrer“-Fall beruhte auf § 3 BOKraft, wonach ein größeres Personenbeförderungsunternehmen durch eine allgemeine Dienstanweisung sicherzustellen hat, dass die Mitglieder des Fahrpersonals befähigt und geeignet sind, eine sichere und ordnungsgemäße Beförderung zu gewährleisten. Bei § 3 BOKraft handelt es sich um eine Norm, an die Kraftunternehmen im Personenverkehr gebunden sind. Allerdings bestehen wesentliche Unterschiede zu Art. 5 der Grundordnung der katholischen Kirche. Die Verpflichtung zum Erlass einer Dienstanweisung ändert nichts daran, dass es der einzelne Arbeitgeber ist, der sich durch die Dienstanweisung selbst bindet. Er ist zwar öffentlich-rechtlich verpflichtet, mit dem Erlass der Dienstanweisung für Sicherheit bei der Personenbeförderung zu sorgen.184 § 3 Abs. 3 BOKraft enthält Vorgaben zum Inhalt. Im Detail wird der Inhalt jedoch nicht vorgeschrieben, insbesondere nicht, inwiefern vor dem Ausspruch einer Kündigung Nachschulungen stattzufinden haben. (b) Festlegung von Ausnahmen der Entbehrlichkeit einer Abmahnung In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein vom 14. 8. 2007 zu nennen.185 Darin nahm es eine Verletzung des Ultima-Ratio-Prinzips unter anderem an, weil die Arbeitgeberin in dem zeitlich zuletzt 182 Dagegen spricht auch nicht BAG 16. 9. 1999 – 2 AZR 712/98, NZA 2000, 208, Rn. 36: „Gerade wenn man mit dem für den Erlaß kirchlichen Rechts im Bistum zuständigen Bischof davon ausgeht, die Grundordnung enthalte kein zusätzliches säkulares Recht, ein Verstoß hiergegen stelle also keinen sonstigen Unwirksamkeitsgrund für die Kündigung dar, stehen die Verfahrensgrundsätze der Grundordnung auf einer Ebene mit den Dienstanweisungen, mit denen etwa ein privater Arbeitgeber festlegt, wie er auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren beabsichtigt.“ Das BAG spricht selbst vom „kirchlichen Gesetzgeber“, siehe Rn. 39. 183  Vgl. oben A. Die Leitsätze sind etwas missverständlich formuliert; sie könnten so verstanden werden, dass der Arbeitgeber und der kirchliche Gesetzgeber hier identisch sind, Arbeitgeber war in dem Fall aber die Kirchengemeinde. 184  BAG 25. 4. 1996 – 2 AZR 74/95, NZA 1996, 1201, Rn. 26. 185  LAG Schleswig-Holstein 14. 8. 2007 – 5 Sa 150/07, NZA-RR 2007, 634.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

erteilten Arbeitshinweis „Maschinensicherheit“ die Arbeitnehmer darauf aufmerksam gemacht hatte, dass der Betrieb von Anlagen „mit Ausser-Funktion [sic] gesetzten Sicherheitseinrichtungen“ verboten sei und eine Abmahnung zur Folge haben könne.186 An diese von ihr selbst aufgestellte Sanktionenfolge sei die Arbeitgeberin grundsätzlich gebunden. In diesem Fall hat der Arbeitgeber kein weiteres milderes Mittel festgelegt, sondern vielmehr eine Ausnahme von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung – es lag ein folgenschwerer Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften vor, der zu einer schwerwiegenden Gesundheitsfolge auf Seiten eines Arbeitskollegen geführt hatte.187 Bei den Arbeitsanweisungen bzw. Sicherheitshinweisen handelt es sich um Unterweisungen im Sinne von § 12 ArbSchG. Die Arbeitnehmer sind vertragsrechtlich verpflichtet, solche Unterweisungen zu befolgen.188 Sind solche Betriebsanweisungen Gegenstand von Betriebsvereinbarungen,189 ist die Selbstbindung rechtsgeschäftlich begründet.190 Z. B. in der Entscheidung des LAG Bremen vom 18. 11. 2004 erfolgte die Selbstbindung durch eine Betriebsvereinbarung.191 Der Leitsatz des LAG Bremen lautete, dass wenn eine Betriebsvereinbarung bei einem Verstoß gegen Ordnungs- und Sicherheitsvorschriften ein abgestuftes System von Rügen vorsehe, nämlich eine Verwarnung u.a. „als Mißbilligung eines Verstoßes gegen die Ordnung“ und einen Verweis „bei ernsteren Verstößen, wenn der Betroffene bereits eine Verwarnung erhalten hat oder wenn eine Verwarnung nicht der Schwere des Verstoßes entsprechen würde“, so müsse nach dem Ausspruch von zwei Verwarnungen wegen eines gleichartigen Pflichtverstoßes dem Arbeitnehmer zunächst bei einem dritten gleichartigen Verstoß ein Verweis erteilt werden, bevor fristlos gekündigt werden dürfe. (c) Einordnung als Gesamtzusage bei außerhalb von Betriebsvereinbarungen erfolgten Festlegungen Doch auch außerhalb von Betriebsvereinbarungen möchte der Arbeitgeber in Arbeitsanweisungen etwas rechtlich Verbindliches erklären. Dagegen spricht nicht, dass er damit nur seiner Pflicht aus § 12 ArbSchG nachkommen möchte. Die Unterweisungspflicht umfasst nicht die Androhung von kündigungsrechtlichen Konsequenzen.192 Die Aufstellung von abstrakten Richtlinien außerhalb 186 

LAG Schleswig-Holstein 14. 8. 2007 – 5 Sa 150/07, NZA-RR 2007, 634, Rn. 57. LAG Schleswig-Holstein 14. 8. 2007 – 5 Sa 150/07, NZA-RR 2007, 634, Rn. 58. 188 Landmann/Rohmer/Wiebauer, Gewerbeordnung, § 15 ArbSchG Rn. 6. 189  Vgl. Kollmer/Klindt/Butz, 2. Aufl., § 15 ArbSchG Rn. 28 m. w. N. 190  Siehe oben B.I.3.d)aa). 191  LAG Bremen 18. 11. 2004 – 3 Sa 170/04, AuA 2005, 111. 192  Siehe zu Inhalt und Umfang der Unterweisung Landmann/Rohmer/Wiebauer, Gewerbeordnung, § 12 ArbSchG Rn. 8 ff.; NK-GA/Otto, § 12 ArbSchG Rn. 3. 187 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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von Betriebsvereinbarungen, in der der Arbeitgeber mildere Maßnahmen vor dem Ausspruch einer Kündigung oder Ausnahmen von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung festlegt, kann als eine Art von Gesamtzusage innerhalb einer solchen Anweisung angesehen werden.193 Dagegen spricht nicht, dass es sich bei der Festlegung von milderen Mitteln oder von Ausnahmen der Entbehrlichkeit nicht um „Leistungen“ im herkömmlichen Sinne handelt wie das Ruhegeld. Legt der Arbeitgeber mildere Mittel fest, die über das hinausgehen, was auch nach den allgemeinen Regeln des Ultima-Ratio-Prinzips von ihm verlangt wird, gewährt er etwas „Zusätzliches“ und für die Arbeitnehmer Vorteilhaftes.194 Auch wenn Dienstanweisungen und Arbeitshinweise grundsätzlich einseitige Anweisungen des Arbeitgebers darstellen, können sie dennoch Gesamtzusagen enthalten. Bei Dienstanweisungen und Arbeitshinweisen wie in den oben genannten Fällen ist die Selbstbindung des Arbeitgebers also rechtsgeschäftlich begründet. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber handelt. (d) Grundsätzlich kein unwirksamer Vorausverzicht Abstrakte Verfahrensrichtlinien, in denen der Arbeitgeber zusätzliche mildere Mittel festlegt, beinhalten grundsätzlich keinen unwirksamen Vorausverzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht; sie sind zu unterscheiden von Amnestieregelungen.195 Der Arbeitgeber verzichtet durch das Aufstellen eines Reaktionssystems nicht generell auf sein Kündigungsrecht, das bei bestimmten Pflichtverletzungen entsteht, sondern er legt sich nur, weiter als es rechtlich schon von ihm verlangt wird, hinsichtlich der Anwendung von milderen Mitteln vor Ausspruch einer Kündigung fest. Es bleibt dabei, dass bei einem sehr schwerwiegenden Verstoß die selbst festgelegten vorherigen Stufen übersprungen werden können.196 Dies gilt auch ohne einen derartigen Hinweis in der Richtlinie,197 es sei denn der Arbeitgeber bringt in der Richtlinie eindeutig zum Ausdruck, dass er selbst bei sehr schwerwiegenden Verstößen unabhängig von den Umständen des Einzelfalls zunächst mildere Mittel anwenden wird als eine Kündigung. Dies wird nur unter 193 

Siehe oben B.I.3.a). Die Gesamtzusage betrifft nur die Arbeitnehmer begünstigende Regelungen (ErfK/ Preis, § 611 BGB Rn. 218). 195  Dazu C.I.2.a)aa)(2). 196  Vgl. LAG Bremen 18. 11. 2004 – 3 Sa 170/04, AuA 2005, 111, Rn. 63. 197 Siehe einen solchen Hinweis z. B. im Fall des LAG Bremen 18. 11. 2004 – 3 Sa 170/04, AuA 2005, 111, Rn. 53 ff: § 9 Abs. 1 der Arbeitsordnung: „Verstößt ein MA gegen die Bestimmungen dieser Arbeitsordnung oder gegen betriebliche Ordnungs- und Sicherheitsvorschriften oder führt er eine Störung des Betriebsfriedens herbei, so werden diese durch Verwarnung oder Verweis geahndet. Eine außerordentliche Kündigung bleibt hiervon unberührt.“ 194 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

sehr strengen Anforderungen und selten anzunehmen sein. Verstöße gegen elementare Sicherheitsvorschriften können zwar grundsätzlich als schwerwiegend aufgefasst werden, dennoch ergibt sich aus einer Formulierung wie „Der Betrieb von Anlagen mit Ausser-Funktion [sic] gesetzten Sicherheitseinrichtungen ist verboten und kann eine Abmahnung zur Folge haben.“198 nicht eindeutig, ob dies auch unabhängig vom Einzelfall gelten soll. Sollte das Inaussichtstellen einer Abmahnung sogar bei schwerwiegenden Verstößen unabhängig vom Einzelfall ausnahmsweise nach §§ 133, 157 BGB als Verzicht zu verstehen sein, stellt sich aber in der Tat das Problem des unwirksamen Vorausverzichts auf das außerordentliche Kündigungsrecht.199 (2) Amnestieregelungen In Amnestieregelungen beabsichtigen Arbeitgeber, im Rahmen von internen Nachforschungen über Pflichtverstöße (z. B. Korruption) zu regeln, dass bei einer Mitarbeit an der Aufdeckung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie einer Kündigung abgesehen wird.200 In Betracht kommt eine solche Regelung u.a. als Gesamtzusage oder in einer Betriebsvereinbarung.201 Dies wäre also eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung. Ist das Kündigungsrecht bereits entstanden, handelt es sich um keinen abzulehnenden Vorausverzicht.202 Bei einem Verzicht „ins Blaue hinein“ hingegen liegt ein solcher Vorausverzicht, was das außerordentliche Kündigungsrecht betrifft, vor.203 Hinsichtlich des ordentlichen Kündigungsrechts ist ein ausdrücklicher Vorausverzicht hingegen möglich.204 Dies ist in der Praxis aber eher irrelevant, da Amnestieregelungen meistens Fälle betreffen, in denen es um ein außerordentliches Kündigungsrecht geht.205 Unter Umständen könnte eine Schutzlücke den Rückgriff auf die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung rechtfertigen.206 Zu unterscheiden ist jedoch, ob 198  LAG Schleswig-Holstein 14. 8. 2007 – 5 Sa 150/07, NZA-RR 2007, 634, Rn. 23 oder „Das Tolerieren der Ausser-Funktion [sic] gesetzten Sicherheitseinrichtungen durch Vorgesetzte kann eine Abmahnung zur Folge haben.“ in Rn. 24. 199  Siehe oben C.I.1.b)aa)(1). 200  Siehe z. B. ausf. Annuß/Pelz, BB Beilage 2010, Nr. 004, 14; Breßler/Kuhnke/Schulz/ Stein, NZG 2009, 721; Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367, 372. 201 Knierim/Rübenstahl/Tsambikakis/Potinecke/Block, Internal Investigations, S. 68 Rn. 178. 202 Vgl. Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein, NZG 2009, 721, 724. 203  Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein, NZG 2009, 721, 724; a. A. Annuß/Pelz, BB Beilage 2010, Nr. 004, 14, 15 f. 204  Vgl. zum konkludenten Verzicht gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer oben C.I.1.b)aa)(1). 205  Siehe z. B. zu Schmiergeldern und schwarze Kassen Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367, 368.

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die Amnestieregelung im Rahmen der Interessenabwägung von § 626 BGB berücksichtigt wird oder ob die Kündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig sein soll.207 Die Amnestieregelung könnte als eine Vereinbarung über Gründe zur Kündigung aufgefasst werden, die im Rahmen der Interessenabwägung eine beschränkte rechtliche Bedeutung haben, wenn die Parteien Tatbestände, die an sich als wichtige Gründe genügen, näher bestimmen und damit zum Ausdruck bringen, welche Umstände ihnen unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweiligen Arbeitsverhältnisses als Gründe für die vorzeitige Beendigung besonders wichtig erscheinen.208 Eine zulässige Konkretisierung des wichtigen Grundes ist von einer unzulässigen Beschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts abzugrenzen.209 Eine solche Konkretisierung stellt eine vertragliche Vereinbarung dar und ist somit rechtsgeschäftliche Selbstbindung. Enthält die Amnestieregelung ausdrücklich einen Verzicht auf das Kündigungsrecht, scheint es durchaus vertretbar, den unzulässigen Vorausverzicht in eine Konkretisierungsvereinbarung umzudeuten.210 Eine solche Umdeutung würde dem Vorrang der Rechtsgeschäftslehre eher entsprechen. Es bedarf aufgrund fehlender Schutzlücke dann keines Rückgriffs auf das Verbot des venire contra factum proprium. 206

bb)  Außerrechtsgeschäftlich: Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes Nach der Rechtsprechung des BAG kann eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht unmittelbar zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen, da dieser Grundsatz mit dem Gebot, bei der Prüfung des wichtigen Grundes eine 206  Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein, NZG 2009, 721, 724; dies trotz der Befürwortung eines Verzichts auch für möglich haltend Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367, 372. Keine eindeutige Zuordnung enthält die Entscheidung vom LAG Düsseldorf 3. 2. 2012 – 6 Sa 1081/11, CCZ 2013, 113, Rn. 189: „Der Beklagten ist es schließlich nicht aufgrund der Amnestiezusage verwehrt, dem Kläger zu kündigen.“. 207 Siehe Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein, NZG 2009, 721, 724: „Die Unwirksamkeit eines Kündigungsverzichts ändert zwar nichts daran, dass diese Erklärung im Rahmen der bei einer Kündigung vorzunehmenden Interessensabwägung zu berücksichtigen ist. Schließlich macht der Arbeitgeber dadurch deutlich, dass er dem von der Amnestie erfassten Sachverhalt nur geringe Bedeutung beimisst […]. Darüber hinaus könnte dem kündigenden Arbeitgeber widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn er trotz einer Amnestie kündigt.“; dies nicht auseinanderhaltend: Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367, 372: „Selbst wenn man der Amnestieregelung eine solche bindende Wirkung nicht zukommen lassen wolle, müsste die Wirksamkeit der Kündigung ebenfalls auf der Stufe der Interessenabwägung daran scheitern, dass der Arbeitgeber auch in diesem Falle widersprüchlich handelt und die Kündigung gemäß § 242 BGB treuwidrig ist.“ 208  BAG 22. 11. 1973 – 2 AZR 580/72, AP Nr. 67 zu § 626 BGB, Rn. 20; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 76 m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 15; SPV/Preis Rn. 791. 209 SPV/Preis Rn. 791; Erman/Belling, § 626 BGB Rn. 22. 210 Vgl. Breßler/Kuhnke/Schulz/Stein, NZG 2009, 721, 724.

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umfassende Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen, nur beschränkt vereinbar sei; mittelbare Auswirkungen auf die Interessenabwägung seien jedoch möglich.211 Im Ergebnis kann eine genaue Festlegung, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz unmittelbar oder mittelbar zur Anwendung gelangt, dahinstehen.212 Auch bei einer mittelbaren Anwendung bleibt es bei der außerrechtsgeschäftlichen Einordnung. Unabhängig von einer unmittelbaren oder mittelbaren Anwendung ist Voraussetzung, dass die Kündigungssituation in irgendeiner Weise „betrieblich-kollektiven Charakter“213 aufweist. Konkret muss es sich um einen gleichgelagerten Kündigungssachverhalt in sachlicher und in zeitlicher Hinsicht handeln.214 Zeitlich nicht zusammenfallende Ereignisse erfüllen diese Voraussetzung nicht.215 Eine Ausnahme von der zeitlichen Gleichlagerung und eine unmittelbare Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes befürwortet Preis, wenn der Arbeitgeber für Kündigungen eine „betriebliche, normative Regelung“ aufgestellt habe.216 Er begründet dies mit einer Einbindung in ein betrieblich-kollektives Geschehen; eine Abweichung von der selbstgesetzten Regel sei dann nur mit sachgerechten Gründen erlaubt.217 Als betrieblich, normative Regel sind solche vorstellbar, wie sie oben dargestellt wurden. Bei diesen besteht aber kein Bedürfnis für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, sondern die rechtsgeschäftlich begründete Regel selbst führt dazu, dass der Arbeitgeber sie auf alle Arbeitnehmer anwenden bzw. der Arbeitgeber sich an die gegenüber allen Arbeitnehmern gemachte Zusage halten muss, die von ihm selbst aufgestellte Regel 211  BAG 22. 2. 1979 – 2 AZR 115/78, DB 1979, 1659, Rn. 11; BAG 28. 4. 1982 – 7 AZR 1139/79, AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969, Rn. 16; dem BAG im Wesentlichen folgen u. a. vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 248 m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 99; Böhm, DB 1977, 2448; Röhsler, DB 1957, 992; a. A. fordert die unmittelbare Anwendung: z. B. SPV/ Preis Rn. 252 f.; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 268; MünchArbR/Wank, § 97 Rn. 65 f. m. w. N.; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 391. 212  Siehe auch LAG Hessen 19. 12. 2011 – 17 Sa 1973/10, BeckRS 2012, 68300, Rn. 36; nachgehend LAG Hessen 10. 12. 2012 – 17 Sa 960/12, BeckRS 2013, 68882, Rn. 33; NKGA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 268; SPV/Preis Rn. 253. 213  G. Hueck, Der Grundsatz der gleichmässigen Behandlung, S. 358. 214 SPV/Preis Rn. 251; APS/Preis, Grundlagen J Rn. 62; ders., Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 387 f. („homogene Kündigungssachverhalte“); so auch Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung, S. 32; siehe oben B.II.3. 215 APS/Preis, Grundlagen J Rn. 62; ders., Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 388 („heterogene Kündigungssachverhalte“); HK-ArbR/Griebeling/Herget, § 626 BGB Rn. 65; Frey, Der Grundsatz der Gleichbehandlung, S. 32; vgl. auch HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 71. 216  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 388 m. w. N. 217  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 388, allerdings bezweifelt dieser die praktische Bedeutung dieser Fallgruppe.

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anzuwenden.218 Es geht dann um den Vollzug dieser aufgestellten Regel.219 Es ist dann nur „etwas Selbstverständliches“, dass die vom Arbeitgeber aufgestellte Regel auf alle in gleicher Weise Anwendung findet, für die er sie aufgestellt hat.220 Die Kündigung ist dann nicht aufgrund eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam, sondern führt je nach Art und Inhalt der Regel z. B. zu einer Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen die Verhältnismäßigkeit. Um den Gleichbehandlungsgrundsatz würde es bei den Regeln somit z. B. gehen, wenn der Arbeitgeber von vornherein bei seiner Regelsetzung eine sachfremde Gruppenbildung vornehmen würde. Der Unterschied kann anhand des Beispiels der Amnestieregelung verdeutlicht werden: Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt zur Anwendung, wenn die Amnestieregelung das Absehen von einer Kündigung nur für bestimmte Arbeitnehmergruppen vorsieht und damit andere Arbeitnehmer hinsichtlich der Amnestiemöglichkeit schlechter stellt.221 Gilt die Amnestieregelung von vornherein für alle Arbeitnehmer und liegt nur ein Abweichen von der Regel im konkreten Einzelfall vor, bedarf es nicht des Gleichbehandlungsgrundsatzes.222

218 Vgl. Bötticher, RdA 1953, 161, 162 f: „Zum Wesen der Norm gehört die Gleichbehandlung aller ihr unterfallenden Sachverhalte, weshalb derjenige, der sich auf eine ihm günstige Norm berufen kann, nicht nötig hat, eine besondere Forderung nach Gleichbehandlung im Verhältnis zu anderen von der Norm Betroffenen zu erheben. […] Aus dem Gesagten erwächst Anlaß zur Prüfung, ob derjenige, der Gleichbehandlung verlangt, nicht vielleicht nur behauptet, daß eine auf andere angewandte Norm auch für ihn gelte. Der Hinweis auf die Behandlung anderer bedeutet dann nur ein Indiz für die Existenz einer Norm, die auch für den Fordernden begünstigt. […] Auf solche Regel, die er ja auch nachweisen muß, beruft sich der Übergangene und beklagt sich darüber, daß sie nicht eingehalten sei. Dringt er mit seinem Begehren durch, so geschieht das auf der Grundlage der vom ArbGeb. gesetzten Norm, die damit als für diesen bindend und für den ArbN anspruchserzeugend anerkannt wird. Es handelt sich insoweit um den bloßen Vollzug einer Norm, die sich der ArbGeb. selbst setzte.“; ders., Anm. zu LAG Düsseldorf 22. 4. 1955 – 4 Sa 53/54, BB 1955, 994: „Denn in diesem Falle ist die Gleichbehandlung nichts anderes als die Erfüllung der allen gemachten Zusage.“ 219 Vgl. Bötticher, RdA 1953, 161, 162 f.; a. A. Hanau, in: FS Konzen, 2006, S. 248: „Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz erfasst nicht die Normsetzung selbst, sondern lediglich ihren Vollzug.“ 220 Vgl. Bötticher, RdA 1953, 161, 162, der einen Vergleich zur Vollziehung von Normen durch die staatliche Verwaltung oder Richter zieht. 221  Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367, 372, die in einem solchen Fall sogar von einer unmittelbaren Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgehen; ihnen folgend ­Benecke/Groß, BB 2015, 693, 696 f.; siehe auch MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 107. 222  Steinkühler/Kunze, RdA 2009, 367, 372; Benecke/Groß, BB 2015, 693, 696 f., Fn. 53.

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b)  Absehen von einer Kündigung bei anderen Arbeitnehmern Der Arbeitgeber kann sich jedoch nicht nur ausdrücklich selbst binden. In der Praxis eine weit größere Rolle spielt die Selbstbindung durch nicht ausdrückliches Verhalten. Dabei ist insbesondere auf die zeitliche Abfolge zu achten. aa)  Zeitgleiche Sachverhalte (1) Rechtsgeschäftlich: Verzicht Bei einem Verhalten des Arbeitgebers auf einer Zeitebene spricht man von der sog. „herausgreifenden Kündigung“223. Dies umschreibt Situationen, in denen mehrere Arbeitnehmer an einer Pflichtverletzung beteiligt sind, der Arbeitgeber aber nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündigt. Kündigt der Arbeitgeber die Mehrzahl der beteiligten Arbeitnehmer nicht und greift sich sozusagen nur einen einzelnen oder wenige Arbeitnehmer für eine Kündigung heraus, scheint es eher unmöglich, einen Rechtsbindungswillen des Arbeitgebers schon aufgrund des bloßen Unterlassens der Kündigung hinsichtlich der anderen Arbeitnehmer dahin gehend zu bejahen, dass er generell auf sein Kündigungsrecht wegen der Pflichtverletzung auch gegenüber den restlichen beteiligten Arbeitnehmern verzichtet.224 Im Unterschied zu nicht zeitgleichen Sachverhalten, in denen es um die Frage eines Vorausverzichts geht, gibt es hier im Rahmen der Auslegung keine durch die kollektive Erscheinung gesteigerte Schutzwürdigkeit.225 Es ist gerade das wiederholte Unterlassen von Kündigungen in der Vergangenheit bei gleichartigen Pflichtverletzungen von unterschiedlichen Arbeitnehmern, das dazu führen kann, dass Arbeitnehmer sich daran orientieren dürfen. Bei zeitgleichen gemeinsamen Pflichtverletzungen ist die Situation anders: In dem Moment, in dem der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung mit den anderen begeht, weiß der Arbeitnehmer noch nicht, wie der Arbeitgeber darauf reagieren wird. Bei nicht zeitgleichen Sachverhalten darf ein Arbeitnehmer unter Umständen aufgrund einer Orientierung an vergangenen Fällen hingegen schon im Zeitpunkt der Begehung der Pflichtverletzung darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen wird.226

223  Diesen Begriff verwendet z. B. BAG 3. 7. 2003 – 2 AZR 617/02, BAGE 107, 56, Rn. 13. 224 Vgl. Bötticher, RdA 1953, 161, 168. 225  Vgl. unten C.I.2.b)bb)(1)(b). 226  Dazu ausf. C.I.2.b)bb)(1)(b).

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(2) Außerrechtsgeschäftlich: Gleichbehandlungsgrundsatz bei herausgreifenden Kündigungen (a) Schutzlücke Sein Verhalten kann aber zu einer außerrechtsgeschäftlich begründeten Selbstbindung führen. Bei herausgreifenden Kündigungen wird der Gleichbehandlungsgrundsatz – unmittelbar oder mittelbar – angewandt.227 Nach der Rechtsprechung kann der Gleichbehandlungsgrundsatz bei herausgreifenden Kündigungen eine mittelbare Auswirkung auf die Interessenabwägung haben.228 Wenn der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündige, könne daraus zu folgern sein, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit den gekündigten Arbeitnehmern fortzusetzen.229 Aufgrund der Unabhängigkeit von einem Arbeitnehmervertrauen ist eine Schutzlücke für die Anwendung des außerrechtsgeschäftlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu bejahen und ein Widerspruch zu dem obigen Auslegungsergebnis, dass ein Verzicht nicht angenommen werden kann, ist nicht ersichtlich.230 (b) Vergleichbare Lage Die Rechtsprechung verlangt für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Vergleichbarkeit der Kündigungssachverhalte. Unklar ist allerdings, wann genau eine sachlich vergleichbare Lage mehrerer Arbeitnehmer vorliegt bzw. wann sachgerechte Differenzierungskriterien vorliegen. Die Rechtsprechung scheint dabei sehr strenge Anforderungen an die Vergleichbarkeit zu stellen. Vergleichbare Sachverhalte verneint das BAG z. B., wenn Angestellte und Beamte Pflichten in gemeinschaftlichem Zusammenwirken verletzt haben.231 Auch im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander achtet das BAG darauf, ob die Arbeitnehmer vergleichbar sind. Es verneint dies z. B. bei einer herausgehobenen Position.232 Als vergleichbare zeitgleiche Lage wird meist das Beispiel des wilden Streiks genannt. Doch auch in diesem Zusammenhang hat das BAG herausgreifende Einzelkündigungen gebilligt.233 Bei der grundsätzlichen Nichtanwendung 227  Für eine unmittelbare Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe z. B. Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 387 ff. 228  BAG 22. 2. 1979 – 2 AZR 115/78, DB 1979, 1659, Rn. 11. 229  BAG 22. 2. 1979 – 2 AZR 115/78, DB 1979, 1659, Rn. 11. 230  Siehe oben B.II.3.a) und B.III. 231  BAG 16. 7. 2015 – 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161; krit. dazu Ehmann, jurisPR-ArbR 24/2016 Anm. 6. 232  BAG 16. 7. 2015 – 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161, Rn. 76. 233  BAG 21. 10. 1969 – 1 AZR 93/68, BAGE 22, 162, Rn. 17 f.

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des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Kündigungsrecht bleibe es insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber, wie in dem zur Entscheidung stehenden Fall (wilder Streik), bei besonderen Umständen sofort handeln müsse, um die Ordnung im Betrieb aufrechtzuerhalten.234 Zudem lehnte das BAG auch in diesem Fall die Vergleichbarkeit der Lage ab: Die Lage der gekündigten Arbeitnehmerin sei anders, weil über die allgemeinen Aufforderungen hinaus sich der Betriebsleiter gerade an sie gewandt habe, sie daraufhin aber ausdrücklich die Aufnahme der Arbeit verweigert hatte.235 Die inhaltlich-sachliche Gleichartigkeit der Pflichtverletzungen wird auch durch die unteren Instanzen streng gehandhabt. Beispielhaft zu nennen ist die Entscheidung des LAG Hessen vom 25. 7. 2011.236 Dort ging es um eine Kündigung wegen Privatgesprächen mit dem Diensthandy. Das LAG lehnte aus folgenden Gründen die inhaltlich-sachliche Gleichartigkeit ab:237 Es fehle an einem einheitlichen Vorgang, an dem verschiedene Arbeitnehmer beteiligt waren bzw. ein Verdacht der gemeinsamen Begehung sowie an einem Kollektivbezug des erhobenen Vorwurfs. Auch wenn dafür keine Mittäterschaft erforderlich sei, reiche es aber nicht aus, dass gegenüber mehreren Arbeitnehmern der Vorwurf bzw. der Verdacht erhoben werde, das zur Verfügung gestellte Diensthandy zu privaten Zwecken und auf Kosten der Arbeitgeberin genutzt zu haben. Unterschiede in der Art, in den Zeitpunkten, der zeitlichen Intensität, Dauer und Umfang der Privatnutzung und in den dadurch entstandenen Kosten würden einer Gleichartigkeit entgegenstehen. Aufgrund nicht gleichgelagerter Kündigungssachverhalte liege keine Situation vor, bei der überhaupt der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet wäre. Das LAG Sachsen negierte ebenfalls in einer Entscheidung vom 29. 1. 2015 über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Missbrauchs von Wertchips eine gleiche Ausgangslage, da die nicht gekündigten Arbeitnehmer einen deutlich geringeren Gesamtschaden durch ihre rechtswidrigen Aufbuchungen vorgenommen hatten.238 234 

BAG 21. 10. 1969 – 1 AZR 93/68, BAGE 22, 162, Rn. 18. 21. 10. 1969 – 1 AZR 93/68, BAGE 22, 162, Rn. 18. Als sachgerechte Differenzierungskriterien sieht Preis z. B. bei einem wilden Streik über das Streikgeschehen hinausgehende Sachbeschädigungen, Beleidigungen oder andere Rechtsverletzungen an (Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 390 m. w. N.). Bei anderen Pflichtverletzungen sieht er sachgerechte Differenzierungskriterien u. a. in der mehrfachen Begehung ähnlicher Pflichtverletzungen oder in einem Verstoß gegen eine besondere Vertragspflicht des einzelnen Arbeitnehmers. Siehe auch vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 250: unterschiedliche Betriebszugehörigkeit, vorausgegangene Abmahnungen oder betriebliche Angewiesenheit auf den Arbeitnehmer wegen Spezialkenntnissen (letzteres auch ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 90). 236  LAG Hessen 25. 7. 2011 – 17 Sa 153/11, NZA-RR 2012, 76. 237  LAG Hessen 25. 7. 2011 – 17 Sa 153/11, NZA-RR 2012, 76, Rn. 55. 238  LAG Sachsen 29. 1. 2015 – 1 Sa 407/14, ZD 2016, 90, Rn. 40. 235  BAG

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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Strenge Anforderungen an die Voraussetzung einer vergleichbaren zeitgleichen Lage bzw. geringe Anforderungen an sachgerechte Differenzierungskriterien stehen zwar im Einklang mit dem Grundsatz, dass es bei der Prüfung einer Kündigung auf die Einzelfallumstände des gekündigten Arbeitnehmers ankommt.239 Andererseits darf die strenge Handhabung nicht dazu führen, dass das Zugeständnis einer mittelbaren Anwendung nur als ein Placebo gedeutet werden kann, in Wirklichkeit also nie eine vergleichbare Lage bejaht bzw. eine sachgerechte Differenzierung verneint wird, weil sich immer Unterschiede zwischen einzelnen Arbeitnehmern finden lassen. Eine völlige Gleichartigkeit von den „arbeitsvertraglichen Vorgeschichten“ wird z. B. regelmäßig zu verneinen sein.240 Begehen mehrere Arbeitnehmer gemeinsam eine Pflichtverletzung, sollten nur wesentliche Unterschiede eine Differenzierung rechtfertigen. bb)  Nicht zeitgleiche Sachverhalte Schließlich stellt sich die Frage, inwiefern der Arbeitgeber sich dadurch für die Zukunft selbst binden kann, dass er in der Vergangenheit bei bestimmten Pflichtverletzungen gegenüber verschiedenen Arbeitnehmern stets mit milderen Maßnahmen oder gar nicht reagiert hat.241 Im Kern geht es um die Untersuchung einer Selbstbindung bei nicht zeitgleichen Sachverhalten durch eine betriebliche Übung. Der Vertragstheorie wurde sich bezüglich der Rechtsnatur der betrieblichen Übung bereits angeschlossen.242 Fraglich ist also, ob eine Selbstbindung des Arbeitgebers bei der Handhabung von Kündigungen wegen arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen durch eine längere Zeit ausgeübte Praxis vorstellbar ist.243 (1) Rechtsgeschäftlich Sieht der Arbeitgeber bei bestimmten Pflichtverletzungen wiederholt gegenüber verschiedenen Arbeitnehmern von der Aussprache einer Kündigung ab, ist die Frage, ob darin ein dauerhafter Verzicht auf die Ausübung seines Kündigungsrechts bei derartigen zukünftigen Vorkommnissen liegt. Klarzustellen ist, dass auch hier gilt, dass ein Vorausverzicht auf das außerordentliche Kündi-

239 

Siehe z. B. auch LAG Hessen 10. 9. 2008 – 6 Sa 384/08, AuA 2009, 302, Rn. 31. Dies aber auch fordernd ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 90. 241  Oetker ist der Ansicht, aufgrund früherer Kündigungen dürfe kein „Katalog des Kündigungsverhaltens des Arbeitgebers“ aufgestellt werden; er hält es für unzulässig, neue Kündigungen daraufhin zu überprüfen, ob der Arbeitgeber bei Störungen anderer Arbeitnehmer „gleich“ verfahren sei (ErfK/Oetker, §1 KSchG Rn. 90). 242  Siehe oben B.I.3.b); ein ausf. Überblick zu den Ansichten zur Rechtsnatur der betrieblichen Übung bei Picker, Die betriebliche Übung, S. 9 ff. 243  Die Frage stellt auch Picker, Die betriebliche Übung, S. 197. 240 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

gungsrecht nicht zulässig ist,244 es also allenfalls nur um einen Vorausverzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht gehen kann. Bei außerordentlichen Kündigungen ist höchstens an konkludente Konkretisierungsvereinbarungen des wichtigen Grundes zu denken, die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind.245 (a) Abgrenzung zur Anspruchsgewährung Die Frage, ob in dem wiederholten Absehen von einer Kündigung ein konkludenter Verzichtswille liegt, ist von der Frage abzugrenzen, ob der Arbeitgeber damit einen Verpflichtungswillen zum Ausdruck bringt, das Verhalten zu erlauben und dem Arbeitnehmer dadurch sogar einen Anspruch auf Duldung und bei der Nutzung von Sachmitteln auf Zur-Verfügung-Stellung zu gewähren.246 Nach der Vertragstheorie ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber mit einem tatsächlichen Verpflichtungswillen gehandelt hat.247 Allein in dem Unterlassen von Kündigungsmaßnahmen das Gewähren eines Anspruchs zu sehen, ist aber nach der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB schwer begründbar.248 Würde ein Anspruch bejaht, würde schon daraus folgen, dass der Arbeitnehmer wegen einer privaten Internetnutzung nicht gekündigt werden kann. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei einer betrieblichen Übung auch um AGB handelt und das Gesamtverhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalls – aber die Begleitumstände wie Art, Dauer und Intensität der Leistung berücksichtigend – nach objektiven Kriterien auszulegen ist.249 Zur Veranschaulichung wird oft das Beispiel der privaten Internetnutzung angeführt.250 Arbeitnehmer können und dürfen allein das Unterlassen von Maßnahmen gegen die vorher nicht ausdrücklich erlaubte oder verbotene private Internetnutzung nicht so verstehen, dass der Arbeitgeber sich für die Zukunft vertraglich binden und ihnen einen Anspruch auf private Internetnutzung gewähren will.251 Für die Gewährung eines solchen Anspruchs muss der Arbeitgeber sich 244 

Siehe oben C.I.1.b)aa)(1)(a). oben C.I.2.a)aa)(2); KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 76 m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 15; SPV/Preis Rn. 791. 246 Vgl. Picker, Die betriebliche Übung, S. 277 f. 247  Siehe z. B. BAG 18. 9. 2002 – 1 AZR 477/01, BAGE 102, 351 m. w. N. 248 Vgl. Picker, Die betriebliche Übung, S. 277; Waltermann, NZA 2007, 529, 531 f. 249  Siehe oben B.I.3.b); BAG 31. 7. 2007 – 3 AZR 189/06, NZA-RR 2008, 263, Rn. 20; siehe auch ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 220a. 250  Siehe z. B. Picker, Die betriebliche Übung, S. 268 ff.; Waltermann, NZA 2007, 529, 531 f. 251  Waltermann, NZA 2007, 529, 531 f. Aus der bloßen Duldung privater Internetnutzung i. d. R. keinen Anspruch aus betrieblicher Übung folgernd u. a. auch Picker, Die betriebliche Übung, S. 268 ff.; Koch, NZA 2008, 911; Bloesinger, BB 2007, 2177, 2180; a. A. 245  Vgl.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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eindeutiger verhalten als nur durch ein Unterlassen. Demnach gibt es nach der Vertragstheorie keinen Anspruch auf private Internetnutzung, wenn der Arbeitgeber regelmäßig ein Einschreiten unterlässt. In dem Unterlassen liegt weder eine Annahme noch ein Vertragsangebot des Arbeitgebers.252 (b) Verzicht auf das Kündigungsrecht Umgekehrt kann aus der Verneinung eines konkludenten Anspruchs nicht gefolgert werden, dass der Arbeitgeber nicht auf sein Kündigungsrecht verzichten will. Die ablehnenden Entscheidungen des BAG vom 15. 2. 1960253 und 10. 12. 1965254 zu einer ordentlichen Unkündbarkeit kraft betrieblicher Übung durch Nichtausübung des Kündigungsrechts sind in diesem Zusammenhang nicht übertragbar.255 Diese betrafen nicht die Situation einer ordentlichen Unkündbarkeit bezüglich einer bestimmten Art von Pflichtverletzung durch Dulden, sondern dort ging es um eine generelle ordentliche Unkündbarkeit z. B. wegen des Dienstalters. In solchen Fällen ist die ordentliche Unkündbarkeit eher mit der Gewährung eines Anspruchs vergleichbar.256 Dann ist dem BAG zuzustimmen, dass Arbeitnehmer allein das Unterlassen nicht so verstehen können und dürfen, dass der Arbeitgeber sich für die Zukunft vertraglich binden und ihnen günstigere Kündigungsbestimmungen gewähren will. Die Überlegungen zur individuellen Fallgruppe könnten jedoch übertragbar sein. Die oben bereits gemachte Feststellung, dass, auch wenn es zu gleichartigen Pflichtverletzungen kommt, es sich dennoch nie um komplett identische Sachverhalte handelt, dessen sich ein objektiver Empfänger bewusst sein muss,257 könnte man als Erst-Recht-Argument bei der kollektiven Fallgruppe verwenden. Dadurch, dass sich jeder Arbeitnehmer unterschiedlich verhält, z. B. jeder das Internet nach Art, Lage und Dauer unterschiedlich benutzt, ist das Arbeitnehmerverhalten inhaltlich schwer bestimmbar.258 Selbst wenn der Arbeitgeber bei den vergangenen Fällen von deren konkreten Inhalt und Umfang Kenntnis hat, ist jeder Fall für sich jedoch unterschiedlich und wird es in Zukunft sein. Nach z. B. Kramer, NZA 2004, 457; Barton, NZA 2006, 460; Fleischmann, NZA 2008, 1397; Brink/Wirtz, ArbRAktuell 2016, 255; eine betriebliche Übung der privaten Internetnutzung durch „Dulden“ auch für möglich haltend LAG Berlin-Brandenburg 14. 1. 2016 – 5 Sa 657/15, BB 2016, 891, Rn. 120. 252  Picker, Die betriebliche Übung, S. 269 f. 253  BAG 15. 2. 1960 – 3 AZR 346/57, BAGE 9, 55. 254  BAG 10. 12. 1965 – 3 AZR 204/65, BB 1966, 165. 255  A. A. Picker, Die betriebliche Übung, S. 278 f. 256  Siehe oben C.I.2.b)bb)(1)(a). 257  Siehe oben C.I.1.b)aa)(1)(b). 258 Vgl. Picker, Die betriebliche Übung, S. 271.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

dem BAG kommt es für eine Bindung aus betrieblicher Übung nicht mehr auf die gleiche Höhe der Leistung an.259 Dies ist jedoch nicht auf das Dulden einer Pflichtverletzung übertragbar. Um eine Pflichtverletzung zu dulden, muss der Arbeitgeber sie im Detail kennen. Aufgrund dessen kann nicht von einer „Generaleinwilligung in jegliche Internetnutzung“ ausgegangen werden.260 Schon allein die Tatsache, dass es sich um einen anderen Arbeitnehmer handelt, macht die Situation verschieden. Es ist somit zugegebenermaßen viel schwieriger, durch das Unterlassen eines Arbeitgebers in der Vergangenheit in Bezug auf andere Arbeitnehmer einen generellen Verzicht auf die Ausübung seines Kündigungsrechts bei gleichartigen Pflichtverletzungen anderer Arbeitnehmer in der Zukunft anzunehmen.261 Die kollektive Erscheinung ist andererseits aber eine Besonderheit, die dazu führt, dass an das Erfordernis des Vertrauendürfens noch strenge, aber durchaus geringere Anforderungen als bei der individuellen Fallgruppe,262 zu stellen sind. Vor allem sollte nicht auch bei Gleichartigkeit ein Verzichtswille ausgeschlossen werden. Der kollektive Bezug ist ein wichtiges Auslegungskriterium.263 Im Unterschied zu einem Verhalten nur gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer ist zu sehen, dass das Vertrauen der Arbeitnehmer schutzwürdiger erscheint, wenn der Arbeitgeber sich gegenüber anderen Arbeitnehmern in der Vergangenheit in bestimmter Weise verhalten hat. „Schutzwürdiges Vertrauen“ ist dabei als ein „rechtsgeschäftliches Vertrauendürfen“ im Sinne von § 157 BGB zu verstehen.264 Bezogen z. B. auf die private Internetnutzung bedeutet dies: Ein Arbeitnehmer orientiert sich daran, was die Kollegen machen. Weiß er, dass die Kollegen in der Vergangenheit auch immer das Internet zu privaten Zwecken genutzt haben und dass der Arbeitgeber trotz Kenntnis dagegen nicht vorgegangen ist, wiegt er sich in der Sicherheit, sich ebenso verhalten zu dürfen. Er würde es als ungerecht und willkürlich empfinden, nun als erster deswegen abgemahnt oder gekündigt zu werden. Auf die konkrete Kenntnis des einzelnen Arbeitnehmers von den anderen Vorfällen kommt es dabei nicht an, abzustellen ist auf die Erkennbarkeit.265 Eigentlich wäre das Verhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalls nach objektiven Kriterien auszulegen, da es sich bei der betrieblichen

259 

BAG 13. 5. 2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992. Picker, Die betriebliche Übung, S. 271. 261  Noch strenger Picker, Die betriebliche Übung, S. 278, der auch von einer „Mehrdeutigkeit des Schweigens“ spricht (S. 277); Seiter, Die Betriebsübung, S. 110 f. 262  Vgl. C.I.1.b)aa)(1)(b). 263  Siehe oben B.I.3.b); vgl. BAG 11. 4. 2006 – 9 AZR 500/05, BAGE 118, 16, Rn. 15. 264  Vgl. oben B.I.3.b). 265  Vgl. oben B.I.1.a)aa); vgl. BGH 5. 10. 2006 – III ZR 166/05, NJW 2006, 3777, Rn. 18. 260 

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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Übung um AGB handelt.266 Hier geht es aber um die Frage, ob der Arbeitgeber durch eine betriebliche Übung auf sein Kündigungsrecht verzichtet. Bei einem Verzicht auf das Gestaltungsrecht handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft.267 Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.268 Der Arbeitgeber hat es selbst in der Hand, durch eindeutige Aussagen Klarheit zu schaffen, und ihm muss bewusst sein, dass sich Arbeitnehmer vor allem aneinander orientieren. Dabei ist aber wie im Rahmen der individuellen Fallgruppe zu beachten, dass es sich bei einem reinen Absehen von einer Kündigung ohne irgendwelche anderen Äußerungen um ein Schweigen bzw. Unterlassen handelt.269 Dieses kann rechtlich nur relevant sein, wenn z. B. nach der Verkehrsanschauung die Kundgabe der Ablehnung erwartet werden durfte.270 In einem Arbeitsverhältnis, das eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien darstellt und in dem beiden Parteien bewusst ist, dass bei Pflichtverletzungen Kündigungsrechte bestehen können, kann vom Arbeitgeber durchaus erwartet werden, dass er sich bei Kenntnis von einer Pflichtverletzung zu dieser äußert, wenn er sie nicht dulden möchte.271 Durch Äußerungen Klarheit zu schaffen, würde dem Betriebsfrieden eher dienlich als schädlich sein.272 Ist der Arbeitgeber sich noch im Unklaren darüber, wie er mit der Situation in Zukunft umgehen will, bedeutet „Klarheit schaffen“, dass er zumindest seine Unklarheit zum Ausdruck bringt.273 Eine solche Äußerung über die eigene Unklarheit macht zumindest deutlich, dass Überlegungen zu Konsequenzen existieren und das Verhalten nicht vollumfänglich gutgeheißen wird. Ein Arbeitgeber muss sich außerdem insbesondere darüber bewusst sein, dass das Risiko weiterer Pflichtverletzungen aufgrund der wechselseitigen Orientierung der Arbeitnehmer aneinander steigt, wenn er sich gegenüber mehreren Arbeitnehmern nicht geäußert hat. Dies steht nicht im Widerspruch zum Ergebnis der fehlenden Anspruchsgewährung. Arbeitnehmer dürfen erwarten, dass der Arbeitgeber sich bei einer Pflichtverletzung bezüglich drohender Sanktionen äußert, aber sie können nicht erwarten, dass in dem 266 

Siehe oben B.I.3.b); BAG 31. 7. 2007 – 3 AZR 189/06, NZA-RR 2008, 263, Rn. 20; siehe auch ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 220a. 267  Siehe oben B.I.1.a). 268 Siehe oben B.I.1.b); BAG 20. 6. 2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137, Rn. 13; MüKo/Basedow, § 305 BGB Rn. 11 m. w. N.; Schaub/Linck, § 35 Rn. 8. 269  Siehe oben C.I.1.a)aa)(5). 270  Siehe oben C.I.1.a)aa)(5); vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 342. 271  Siehe oben C.I.1.a)aa)(5); vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 342; Picker sieht das aber als „Gebot betriebswirtschaftlicher Klugheit“ (Die betriebliche Übung, S. 273; siehe oben C.I.1.a)aa)(5)). 272  A. A. Picker, Die betriebliche Übung, S. 273. 273  A. A. Picker, Die betriebliche Übung, S. 273.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Schweigen zu einer Pflichtverletzung eine Gewährung eines Anspruchs liegt. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht hinsichtlich gleichartiger Fälle führt nicht zu einem Anspruch seitens der Arbeitnehmer z. B. auf private Internetnutzung. Damit ist nicht gemeint, dass generell das bloße Dulden eines Verhaltens als Verzicht zu deuten ist, mit der der Arbeitgeber seine Zustimmung kundtut, sondern vielmehr, dass nicht generell ausgeschlossen ist, bei einem bloßen Dulden von einer Willenserklärung auszugehen.274 Zudem kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, z. B. um welche Art von Pflichtverletzung es sich handelt und gegenüber wie vielen Arbeitnehmern, wie oft und wie lange der Arbeitgeber trotz Kenntnis nicht reagiert hat.275 Ein solches Vertrauendürfen kann im Rahmen der Auslegung zudem nur bei Gleichartigkeit gegeben sein. Im Unterschied zur individuellen Fallgruppe ist hier aufgrund der durch die kollektive Erscheinung gesteigerten Schutzwürdigkeit des Vertrauens eine Gleichartigkeit ausreichend.276 Das oben genannte Erst-Recht-Argument ist somit umkehrbar: Ein einzelner Arbeitnehmer weiß selbst über die Details und Unterschiede seiner einzelnen wiederholten Pflichtverletzungen am besten Bescheid. Geht es um die Arbeitnehmerschaft, kann sich der einzelne Arbeitnehmer bezüglich des Fehlverhaltens von anderen nur daran orientieren, ob dieses gleichartig war. Extremes Verhalten kann von einem solchen „Vertrauendürfen“ nicht gedeckt sein. Auch wenn alle anderen Arbeitnehmer in der Vergangenheit das Internet zu privaten Zwecken genutzt haben und der Arbeitgeber dies geduldet hat, kann ein durchschnittlicher verständiger Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, er dürfe dies z. B. zum Herunterladen pornographischer Inhalte nutzen. Stellt eine solche extreme Pflichtverletzung einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB dar, gilt dies auch dann, wenn der Arbeitgeber sogar solches Verhalten in der Vergangenheit bewusst geduldet hat, da ein Vorausverzicht auf das außerordentliche Kündigungsrecht nicht möglich ist.277 Dies könnte allenfalls als eine konkludente Konkretisierungsvereinbarung des wichtigen Grundes gedeutet werden, die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen wäre.278 Andererseits ist die Ermittlung der Gleichartigkeit nicht einfach und sie sollte nicht vorschnell bejaht werden. Aufgrund dieser Schwierigkeiten ist nicht pauschal ein Verzicht auf das Kündigungsrecht des Arbeitgebers zu unterstellen, 274  Generell bei einem bloßen Dulden eine Verzichtswillenserklärung ausschließend aber Picker, Die betriebliche Übung, S. 277 ff. Andererseits formuliert er auf S. 277 selbst, dass der Arbeitgeber „in den seltensten Fällen“ damit jedoch zum Ausdruck bringen wolle, dass er das fragliche Verhalten gegenwärtig akzeptiert oder gar zukünftig erlauben will. 275  Siehe oben C.I.1.a)aa)(5). 276  Vgl. oben C.I.1.b)(1)(b). 277  Siehe oben C.I.1.b)(1)(a). 278  Vgl. oben C.I.2.a)aa)(2); KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 76 m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 15; SPV/Preis Rn. 791.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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sondern es muss eine Einzelfallprüfung stattfinden. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass an einen konkludenten Verzicht strenge Anforderungen zu stellen sind.279 Aus diesem Grund und aufgrund des Bestehenbleibens des außerordentlichen Kündigungsrechts wird dem Arbeitgeber nicht „sein stärkstes und für die Aufrechterhaltung der betrieblichen Ordnung schlechterdings unverzichtbares Gestaltungsrecht“280 genommen. Im Gegenzug wird der Arbeitnehmer wiederum dadurch geschützt, dass, wenn der Arbeitgeber sich nach mehrmaligem Untätigbleiben nun zu einer Reaktion entschließt, dies zunächst grundsätzlich eine Abmahnung sein muss. (2) Außerrechtsgeschäftlich: Fehlende Schutzlücke Nach einer anderen Ansicht – vertreten zum Teil selbst von denjenigen, die die betriebliche Übung vertraglich begründen – wird hinsichtlich dieser Fallkonstellation ein außerrechtsgeschäftlicher Weg, z. B. durch das Abstellen auf ein widersprüchliches Verhalten, präferiert.281 Eine derartige Selbstbindung wäre dann nicht bei der Interessenabwägung unter dem Aspekt der Gleichbehandlung zu berücksichtigen, sondern sie würde vielmehr zu einer Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund eines Verstoßes gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens führen.282 Es wird unterschieden zwischen dem Verzicht auf die Rechtsausübung und „Beschränkungen hinsichtlich der Modalitäten der Rechtsausübung“.283 Letzteres setze einen objektiven Vertrauenstatbestand und Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmer voraus.284 Diesbezüglich wird angenommen, dass bei verhaltensbedingten Kündigungen eine bestimmte Praxis des Arbeitgebers in der Vergangenheit das Vertrauen der Arbeitnehmer auslösen könne, ein bestimmtes Verhalten führe nicht ohne weiteres zur Kündigung.285 Erforderlich 279  Siehe oben B.I.1.a); BGH 29. 11. 1995 – VIII ZR 293/94, NJW 1996, 588, Rn. 14; siehe z. B. zum Kündigungsrecht KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; NK-GA/ Greiner, § 1 KSchG Rn. 263; vgl. auch BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 880/06, NZA 2008, 355, Rn. 22. 280  So aber Picker, Die betriebliche Übung, S. 278. 281  So z. B. Picker, Die betriebliche Übung, S. 277 ff.; vgl. auch Bloesinger, BB 2007, 2177, 2183; eine außerrechtsgeschäftliche Lösung über den Vertrauensschutz befürworten in diesem Zshg. auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 234; vgl. NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 269; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 388; Böhm, DB 1977, 2448. 282  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 388; a. A. HaKo/Pfeiffer, § 1 KSchG Rn. 185; HK-KSchG/Dorndorf, § 1 KSchG Rn. 319 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 326. 283  Picker, Die betriebliche Übung, S. 277 ff. 284  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 388. 285 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 234.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

sei die Kenntnis auf Seiten der Arbeitnehmer und dass die Arbeitnehmer ihr Verhalten auf die Handhabung des Arbeitgebers eingestellt haben.286 Es stellt sich jedoch die Frage nach einer Schutzlücke, die das Zurückgreifen auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens überhaupt zulässt. Das schutzwürdige Vertrauen wird bereits im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Auslegung berücksichtigt. Im Rahmen der vertraglichen Auslegung ein „rechtsgeschäftliches Vertrauendürfen“ im Sinne von § 157 BGB zu verneinen und somit einen Verzicht abzulehnen, aber im Rahmen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nun doch von einem schutzwürdigen Vertrauen auszugehen, führt zu widersprüchlichen Ergebnissen.287 Entweder die Auslegung ergibt ausnahmsweise, dass die Arbeitnehmer vertrauen durften. Dann scheidet schon aus diesem Grund ein Rückgriff auf das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens aus. Oder die Auslegung ergibt, dass die Arbeitnehmer z. B. aufgrund fehlender Gleichartigkeit nicht vertrauen durften. Dann würde aber auch das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens wegen fehlender Schutzwürdigkeit des Vertrauens scheitern. Es fehlt damit an einer Schutzlücke.

286 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 269. Als Konsequenz des Vertrauenstatbestands wird gesehen, dass dann regelmäßig zunächst der Ausspruch einer Abmahnung erforderlich sein werde (KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 234; Bloesinger, BB 2007, 2177, 2182 f.). Dies stellt jedoch keine Besonderheit dar, die nur über den Weg eines Vertrauensbestands erreicht werden kann. Eine Abmahnung ist grds. als milderes Mittel erforderlich; nur bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann sie entbehrlich sein. Es wird aber auch vertreten, dass nicht nur eine Kündigung nach einer längeren Zeit des Duldens zu überraschend für den Arbeitnehmer wäre, sondern auch eine Abmahnung (Picker, Die betriebliche Übung, S. 277 f. und 385). Auch wenn eine Abmahnung ein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung darstellt, kann sie dennoch nicht nur als vorteilhaft für einen Arbeitnehmer betrachtet werden. Abmahnungen in Personalakten können die Rechtsstellung und das berufliche Fortkommen eines Arbeitnehmers beeinträchtigen. Zudem verliert der Arbeitnehmer dadurch eine Chance; der Arbeitgeber darf bei einer Wiederholung nun mit einer Kündigung reagieren. Es könnte also vom Arbeitgeber zu fordern sein, zunächst einmal auf einem anderen Wege als einer Abmahnung seinen Arbeitnehmern deutlich zu machen, dass er ein bestimmtes Verhalten in Zukunft nicht mehr dulde (Picker, Die betriebliche Übung, S. 278 und S. 385). 287  Widersprüchlich ist z. B. folgende Aussage von Picker zur Begründung eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium: „Sieht der Arbeitgeber nämlich davon ab, bei über einen längeren Zeitraum fortdauerndem arbeitsvertragswidrigen Verhalten zu intervenieren, oder nimmt wiederholt davon Abstand, bestimmte Pflichtverletzungen seiner Arbeitnehmer zu sanktionieren, obwohl er hiervon Kenntnis hat und zudem jederzeit die Möglichkeit hätte, dagegen einzuschreiten, so bringt er damit für die Arbeitnehmer erkennbar zum Ausdruck, dass er in ihrem Verhalten jedenfalls keine derart schwerwiegenden Pflichtverletzungen sieht, dass diese arbeitsvertragliche Konsequenzen haben müssten.“ (Die betriebliche Übung, S. 277). Mit diesem Satz ließe sich genauso gut die rechtsgeschäftliche Bindung begründen.

I.  Selbstbindung durch das Absehen von einer Kündigung

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c)  Ergebnis Verfahrensrichtlinien, die ausdrücklich bei Pflichtverletzungen mildere Mittel oder Ausnahmen von der Entbehrlichkeit der Abmahnung festlegen, sind rechtsgeschäftliche Selbstbindungen, auch wenn sie nicht in einer Betriebsvereinbarung erfolgen. Es handelt sich dann um eine Gesamtzusage innerhalb solcher Anweisungen. Sie enthalten grundsätzlich keinen unwirksamen Vorausverzicht auf das Kündigungsrecht. Amnestieregelungen enthalten einen zulässigen Vorausverzicht auch auf das außerordentliche Kündigungsrecht, wenn das Kündigungsrecht bereits entstanden ist. Ist es noch nicht entstanden, können Amnestieregelungen als eine Vereinbarung über Gründe zur Kündigung gesehen werden, die im Rahmen der Interessenabwägung außerordentlicher Kündigungen zu berücksichtigen sind. Eine Schutzlücke für die Anwendung des Verbots des venire contra factum proprium fehlt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt bei solchen abstrakten Regelungen nur zur Anwendung, wenn es darum geht, dass der Arbeitgeber die Regel nicht für alle Arbeitnehmer aufgestellt hat. Gilt sie schon für alle Arbeitnehmer, kommt es aber zu einer Abweichung im Einzelfall, ist für den Gleichbehandlungsgrundsatz kein Raum. Geht es um das reine Absehen von Kündigungen im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, bindet der Arbeitgeber sich bei zeitgleichen Sachverhalten nicht rechtsgeschäftlich, sondern bei herausgreifenden Kündigungen gelangt der Gleichbehandlungsgrundsatz zur Anwendung (außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung). Zu streng wird dabei allerdings die Voraussetzung der Gleichartigkeit gehandhabt. Bei nicht zeitgleichen Sachverhalten mit kollektivem Bezug entsteht trotz Kenntnis von den Pflichtverletzungen kein rechtsgeschäftlicher Anspruch auf eine Leistung allein durch das Absehen von einer Kündigung und anderen Maßnahmen in der Vergangenheit. Aufgrund einer gesteigerten Schutzwürdigkeit bei einem Verhalten gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern ist es aber nach einer strengen Einzelfallprüfung grundsätzlich möglich, einen Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht bei gleichartigen Pflichtverletzungen anzunehmen; das außerordentliche Kündigungsrecht bleibt immer erhalten. Allenfalls können konkludente Konkretisierungsvereinbarungen vorliegen. Es ist gerade das wiederholte Unterlassen von Kündigungen in der Vergangenheit bei gleichartigen Pflichtverletzungen von unterschiedlichen Arbeitnehmern, das dazu führen kann, dass Arbeitnehmer sich daran orientieren und auch orientieren dürfen. Bei zeitgleichen gemeinsamen Pflichtverletzungen ist die Situation anders: In dem Moment, in dem der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung mit anderen gemeinsam begeht, weiß der Arbeitnehmer noch nicht, wie der Arbeitgeber darauf reagieren wird. Bei nicht zeitgleichen Sachverhalten darf ein Arbeitnehmer unter Umständen aufgrund einer Orientierung an vergangenen Fällen hingegen schon im Zeit-

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

punkt der Begehung der Pflichtverletzung darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber keine Kündigung aussprechen wird. Den Arbeitgeber trifft die Obliegenheit, sich bei Kenntnis von Pflichtverletzungen zumindest über die eigene Unklarheit, wie er in Zukunft damit umgehen will, zu äußern, wenn er diese nicht gutheißt. Für den Weg über das widersprüchliche Verhalten fehlt es an einer Schutzlücke. Die AGB-rechtlichen Besonderheiten kommen dabei nicht zur Anwendung, da es um ein einseitiges Rechtsgeschäft des Verwenders geht.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung § 623 BGB enthält ein konstitutives Schriftformerfordernis.288 Dieses Erfordernis beinhaltet jedoch nicht die Angabe von Kündigungsgründen, sondern lediglich der Wille zur einseitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses muss deutlich werden.289 Die schriftliche Angabe von Kündigungsgründen stellt eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung nur bei gesetzlichen Sonderregelungen wie § 22 Abs. 3 BBiG und § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG290 oder bei einer qualifizierten Schriftformklausel in Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung dar.291 Gesetzliche oder vertragliche Begründungszwänge führen bei einem Verstoß, d. h. bei einer Nichtangabe von Gründen, zu einer Nichtigkeit gem. § 125 BGB.292 In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Kündigung kann sich der Arbeitgeber dann grundsätzlich nur auf diejenigen Gründe berufen, die er im Kündigungsschreiben aufgeführt hat. Ein Nachschieben anderer Gründe ist in diesen Fällen nicht möglich,293 unter Umständen aber eine erneute Kündigung. Gegenstand dieses Kapitels ist die Problematik, ob der Arbeitgeber sich selbst binden kann, indem er in der schriftlichen Kündigung freiwillig auf bestimmte Gründe verweist bzw. ob er trotz der freiwilligen Angabe von bestimmten Gründen später – im Prozess –294 andere Gründe nachschieben oder eine erneute 288 ErfK/Müller-Glöge,

§ 623 BGB Rn. 10. § 623 BGB Rn. 15. 290  Vor dem 1. 1. 2018: § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG. 291 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 281 f. Siehe zur Einordnung der Betriebsvereinbarung und des Tarifvertrags als rechtsgeschäftliche Selbstbindung B.I.3.d)aa) und bb). 292 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 82 und 281 m. w. N. 293 APS/Preis, Grundlagen D Rn. 28 f. m. w. N.; zu § 22 Abs. 3 BBiG: BAG 12. 2. 2015 – 6 AZR 845/13, NZA 2015, 741, Rn. 91; ErfK/Schlachter, § 22 BBiG Rn. 7. Kali ordnet die Sonderregelungen des §§ 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG, 22 Abs. 3 BBiG und 102 Abs. 1 BetrVG nicht als materiellrechtliche Nachschiebebarrieren ein, sondern nur als Barrieren auf der Prozessebene (Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 136 f.). 294  Es ist auch ein Nachschieben nach Abgabe der Kündigungserklärung aber noch außerhalb des Prozesses denkbar. Dabei geht es aber v. a. um die Nachholung einer Begründung. Ansonsten erkennt der Arbeitgeber meist erst im Prozess, dass der bisher an289 ErfK/Müller-Glöge,

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 119

Kündigung aussprechen kann. Eine Selbstbindung hinsichtlich des Kündigungsrechts würde sich darauf auswirken, dass keine neue Kündigung wegen der nicht genannten Gründe möglich wäre. Eine Selbstbindung hinsichtlich des Nachschieberechts würde nur bedeuten, dass diese Gründe nicht im laufenden Prozess zur Begründung der ursprünglichen Kündigung herangezogen werden könnten, eine neue Kündigung wäre aber möglich. Das Nachschieben von Kündigungsgründen ist die Einführung von Tatsachen in den laufenden Kündigungsschutzprozess, die einen neuen, bislang vom Arbeitgeber nicht geltend gemachten Kündigungsgrund darstellen.295 1.  Eingrenzung der Fallgruppe und Grundlagen a)  Entstehungszeitpunkt der Gründe Bei nach dem Zugang der Kündigung entstandenen Gründen herrscht Einigkeit, dass ein Nachschieben unzulässig ist.296 Uneinigkeit herrscht nur darüber, inwiefern die nachgeschobenen Kündigungsgründe bei der Bewertung des früheren maßgeblichen Kündigungsgrundes mitberücksichtigt werden können.297 Eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung des Arbeitgebers durch die freiwillige Angabe bei Ausspruch der Kündigung vorliegender Gründe dahin gehend, dass ihm dadurch sogar der Ausspruch einer neuen Kündigung – gestützt auf später entstandene Gründe – unmöglich würde, kann nicht erwogen werden: Zum einen wäre dies hinsichtlich des außerordentlichen Kündigungsrechts ein unzulässiger Vorausverzicht.298 Zum anderen kann auch hinsichtlich des ordentlichen Kündigungsrechts eine Auslegung nicht zu einem solchen Ergebnis führen. Somit scheidet sowohl eine rechts- als auch außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung durch die Angabe von Gründen hinsichtlich erst nach der Kündigung entstandener anderer Gründe aus. Deswegen beschäftigt sich dieses Kapitel nur mit bei Zugang bereits vorhandenen Gründen. gegebene Grund unzureichend ist (Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 1; Hungerbühler, Das Nachschieben von Gestaltungsgründen, S. 23; Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 23 und 31 f.; Lent, AcP 152, 401, 416). Zudem kann sich der betroffene Arbeitnehmer dann in seiner Rechtsverteidigung darauf einstellen und somit stellt diese Konstellation i. R. d. freiwilligen Angabe von Gestaltungsgründen keine problematische dar. Ausf. zum vorprozessualen Nachschieben Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 24 ff. 295 KR/Etzel/Rinck, § 102 BetrVG Rn. 255. 296  BAG 15. 12. 1955 – 2 AZR 228/54, BAGE 2, 245; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 246; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 358; ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 55; Moll/ Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 95; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 132. 297 MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 358 m. w. N. 298  Siehe oben C.I.1.b)aa)(1)(a).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

b)  Kenntnis des Arbeitgebers Wichtig ist die Unterscheidung zwischen dem Arbeitgeber im Kündigungszeitpunkt bereits bekannten und ihm erst später bekannt gewordenen Kündigungsgründen.299 Nennt der Arbeitgeber freiwillig die ihm bekannten Gründe und stellt sich im Verlauf des Prozesses heraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung auch andere Gründe vorlagen, diese ihm nur nicht bekannt waren, ist der h. M. zuzustimmen, dass ein Nachschieben uneingeschränkt zulässig sein muss.300 Eine Selbstbindung bei erst nachträglich bekannt gewordenen Gründen ist insbesondere deswegen abzulehnen, weil sie sowohl rechts- als auch außerrechtsgeschäftlich kaum zu rechtfertigen wäre.301 Um von einem konkludenten Verzicht auf schon existierende Kündigungsrechte ausgehen zu können, muss der Arbeitgeber Kenntnis vom Kündigungsgrund haben.302 Es besteht keine Nachforschungspflicht, ob andere Kündigungsgründe existieren.303 Auch eine Verzeihung und eine Verwirkung setzen voraus, dass der Kündigungsberechtigte den Kündigungsgrund kennt.304 Es fehlt an einem Umstandsmoment für eine Verwirkung: Durch die Angabe von bekannten Gründen kann kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen, erst später bekannt gewordene Gründe würden nicht mehr berücksichtigt. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Kündigungs- als auch des Nachschieberechts. Vom BAG offen gelassen wird allerdings die Frage, ob bei Gründen, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt 299  Siehe diese Einteilung auch bei KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 242 ff.; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 351 ff.; die Kenntnis für die Nachschiebbarkeit von Gründen im Allg. bei Gestaltungsrechten für wesentlich haltend Becker, AcP 188, 24, 48 f. 300  BAG 30. 1. 1963 – 2 AZR 143/62, DB 1963, 555; BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486; BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674; BAG 4. 6. 1997 – 2 AZR 362/96, BAGE 86, 88, Rn. 22; BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn.  21 m. w. N. 301  Vgl. auch BAG 30. 1. 1963 – 2 AZR 143/62, DB 1963, 555. 302 ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 30a m. w. N. Lent zieht eine derartige Auslegbarkeit des Verzichts auch nur ausnahmsweise in Betracht, hält sie aber dennoch für möglich (AcP 152, 401, 408). Abzugrenzen ist dies von einem Vorausverzicht auf noch nicht entstandene Kündigungsgründe (dazu C.I.1.b)aa)(1)). 303 MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 355. 304  A. A. BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674, Rn. 25: „Das Nachschieben von vor der Kündigung entstandenen Kündigungsgründen, die der Arbeitgeber zunächst nicht zur Begründung der Kündigung angegeben hat, ist allerdings materiellrechtlich zulässig, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Kündigenden vor oder nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind.“; zum Problem der Kenntniserforderlichkeit bei der Verwirkung siehe oben B.II.2.b) und C.I.1.a)bb)(2)(b)cc)(α) und zum Meinungsstreit, ob die Rechtsfigur der „Verzeihung“ überhaupt anerkannt werden sollte siehe oben C.I.1.a) bb)(1).

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 121

waren, ein Auswechseln der Kündigungsgründe im Prozess möglich ist, wenn die Kündigung hierdurch einen völlig anderen Charakter erhält.305 Im Grundsatz ist der h. M. zuzustimmen, dass es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ausschließlich auf die objektive Rechtslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ankommt.306 Zweifelhaft ist allein, ob dieser Grundsatz bedeutet, dass die Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen nicht vom Kenntnisstand des Arbeitgebers abhängig gemacht werden kann. Richtigerweise hält das BAG ein Nichtzulassen des Nachschiebens von unbekannten Gründen für widersprüchlich zum Gebot der Rechtssicherheit und dem Grundsatz der Prozessökonomie und für eine zu hohe Anforderung an die Darlegungs- und Beweislast des Kündigenden.307 Bei bekannten Gründen ist aber darüber nachzudenken, ob ein Nachschieben unter Umständen unzulässig sein kann. Dies ist nicht grundsätzlich damit zu verneinen, dass es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung nur auf die objektive Rechtslage ankomme.308 Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass eine subjektive Wertung durch den Kündigenden nicht maßgebend ist und deswegen nicht darauf abgestellt werden darf, ob die Umstände, die ihn zum Kündigungsentschluss veranlasst haben, zur Rechtfertigung der Kündigung ausreichen.309 Die Intention dahinter ist vor allem die, dass rein subjektive Einschätzungen des Arbeitgebers kein sozial rechtfertigendes Lösungsinteresse für eine Kündigung begründen können und nur ein objektiv vorhandener Kündigungsgrund das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers hinter das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers zurücktreten lässt.310 Das Abstellen auf das objektive Bestehen eines Grundes dient der Prüfung, ob der Kündigungsgrund zureichend ist: Als zureichender Grund ist jeder Umstand anzusehen, der einen verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen kann.311 Auch wenn es auf die objektive Rechtslage ankommt, trifft den Arbeitgeber im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus

305  BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486; siehe auch BAG 4. 6. 1997 – 2 AZR 362/96, BAGE 86, 88, Rn. 27; BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn. 21; vgl. auch BGH 5. 5. 1958 – II ZR 245/56, BGHZ 27, 220, Rn. 11; siehe dazu ausf. C.II.4.d). 306 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 69 m. w. N.; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 59 m. w. N. 307  BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486, Rn. 17. 308  In diese Richtung aber u. a. SPV/Preis Rn. 95 und Rn. 542; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 352; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 129. 309  BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486, Rn. 17; vgl. auch ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 91. 310 HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 59. 311  BAG 7. 12. 1988 – 7 AZR 122/88, AP Nr. 26 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Rn. 35.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

denen er sein Recht zur Kündigung ableitet.312 Im Kündigungsschutzprozess gilt ebenfalls der Beibringungsgrundsatz.313 Dem Nachschieben von Gründen dabei Grenzen zu setzen, die sich daran orientieren, ob die Gründe dem Arbeitgeber bereits bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren und er trotzdem nur einen Teil der Gründe in der Kündigungserklärung nennt, verschiebt den objektiven Prüfungsmaßstab nicht zu einem subjektiven. Auch bei den bereits anerkannten Grenzen wird auf die Kenntnis des Arbeitgebers abgestellt: Der gesetzliche Verwirkungstatbestand des § 626 Abs. 2 BGB setzt eine Frist ab Kenntnis des Arbeitgebers voraus und bei § 102 BetrVG vertritt die h. M., dass bereits bekannte Gründe, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht mitgeteilt hat, im Prozess nicht berücksichtigt werden können.314 c)  Erforderlichkeit einer Betriebsratsanhörung aa)  Nachschieben bekannter und dem Betriebsrat nicht mitgeteilter Gründe Ist eine Anhörung nach § 102 BetrVG erforderlich, unterscheidet die Rechtsprechung zwischen bekannten und unbekannten Gründen. Nicht bekannte Gründe sind nachschiebbar, wenn vorher eine erneute Anhörung des Betriebsrats stattfindet.315 Bereits bekannte Gründe, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat allerdings nicht mitgeteilt hat, können im Prozess nicht berücksichtigt werden.316 Die Unzulässigkeit des Nachschiebens von bekannten Gründen folge aus dem Sinn und dem Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG, der darin liege, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, vor Ausspruch der Kündigung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers im Hinblick auf die diesem bekannten und deshalb seinen Kündigungsentschluss beeinflussenden Umstände einzuwirken. Mit diesem Zweck sei es unvereinbar, dem Arbeitgeber zu erlauben, sich im späteren Kündigungsschutzprozess auf Gründe zu berufen, die seinen Kündi312 Zur Darlegungs- und Beweislast bei § 626 BGB: MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 342 ff. m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 173 f. m. w. N.; bei ordentlichen Kündigungen: KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 260 ff. m. w. N.; Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 112. 313  BAG 13. 12. 2007 – 2 AZR 537/06, NJW 2008, 2732, Rn. 24 m. w. N. 314  Siehe C.II.1.c)aa). 315  Grundlegend BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674; eine Darstellung der Auffassung der Rspr. u. a. bei APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 170; SPV/Preis Rn. 356 m. w. N.; HaKo/Nägele, § 102 BetrVG Rn. 189 m. w. N. In der Praxis scheitert hieran oftmals das Nachschieben (SPV/Preis Rn. 544). 316  Grundlegend BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674, Rn. 28 m. w. N. zur h. M.; BAG 26. 9. 1991 – 2 AZR 132/91, NZA 1992, 1073; siehe auch die Darstellung der Rspr-Auffassung u. a. bei APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 169 m. w. N.; SPV/Preis Rn. 355 m. w. N.; HaKo/Nägele, § 102 BetrVG Rn. 189 m. w. N.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 123

gungsentschluss mit beeinflusst haben, hinsichtlich der er jedoch dem Betriebsrat keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte.317 Betroffen ist aufgrund § 102 BetrVG aber nur das Nachschieberecht des Arbeitgebers, eine neue Kündigung nach Anhörung des Betriebsrats zu diesem Grund wird allein dadurch nicht ausgeschlossen. Es handelt sich um ein „betriebsverfassungsrechtlich begründetes Verbot der Verwertung von Sachvortrag“318. Der Arbeitgeber bindet sich durch die Mitteilung von bestimmten Gründen an den Betriebsrat in der Weise, dass er seine Kündigung nur auf diese stützen darf. Es handelt sich also im Hinblick auf das Thema der Untersuchung nicht um eine Selbstbindung durch ein Verhalten gegenüber dem Arbeitnehmer. Zudem verpflichtet § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Arbeitgeber gesetzlich dazu, dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Gegenstand der Untersuchung sollen aber gerade freiwillige Angaben sein. Der Grundsatz der subjektiven Determinierung führt zu keiner anderen Beurteilung:319 Auch wenn der Arbeitgeber demnach nur verpflichtet ist, dem Betriebsrat die Gründe mitzuteilen, auf die er seine Kündigung stützen will, bzw. die aus seiner Sicht tragenden Umstände, handelt es sich dennoch um eine rein gesetzliche Mitteilungspflicht. bb)  Nachschieben bekannter und dem Betriebsrat mitgeteilter Gründe Möglich ist allerdings die Situation, dass der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung nicht alle ihm bekannten und dem Betriebsrat mittgeteilten Gründe nennt. Fraglich ist dann, ob der Schutz aus § 102 Abs. 1 BetrVG ausreicht und dem Arbeitgeber ein Nachschieben der dem Betriebsrat mitgeteilten anderen Gründe erlaubt sein muss320 oder ob von größerer Bedeutung ist, was der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf individueller Ebene mitgeteilt hat. Wenn ein Arbeitgeber nach einer Anhörung des Betriebsrats nur diejenigen Gründe zur Begründung der Kündigung heranzieht, die er für die geeignetsten hält, kann darin unter Umständen ein Verzicht auf die Geltendmachung einzelner anderer Gründe zu sehen sein.321 Hier treffen die Ebenen des Individualarbeitsvertrags und der Betriebsverfassung aufeinander. § 102 BetrVG dient nach Auffassung des BAG 317 

BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674, Rn. 28. BAG 20. 6. 2013 – 2 AZR 546/12, NZA 2014, 143, Rn. 50. 319  Siehe allg. dazu z. B. APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 88 m. w. N.; Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rn. 63 m. w. N.; Schaub/Linck, § 124 Rn. 17 m. w. N. 320 So Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 89. 321  Winterstein bejaht die Möglichkeit des Nachschiebens von bekannten und dem Betriebsrat mitgeteilten, sagt aber auch: „Dies folgt aus dem Sinn der Vorschrift des § 102 BetrVG, denn der Arbeitgeber soll ja gerade die Argumente und Gesichtspunkte des Betriebsrats bei Ausspruch der Kündigung berücksichtigen, was selbstverständlich auch zu 318 

124

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

primär dem kollektiven Interessenschutz.322 Dieser ist jedoch nicht ausschließlich kollektiv ausgerichtet, sondern auch individuell.323 Das Vorliegen eines Verzichts ist anhand der Auslegungsgrundsätze von Willenserklärungen zu prüfen. Nur Umstände, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren, dürfen bei der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen Beachtung finden.324 Dem Arbeitnehmer bzw. Kündigungsempfänger ist der Inhalt der Betriebsratsanhörung jedoch im Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht immer bekannt und nicht erkennbar. Adressat ist allein der Betriebsrat. In einem solchen Fall kann der Inhalt der Mitteilung diesem gegenüber bei der Auslegung der Kündigungserklärung nach dem Horizont des Kündigungsempfängers nicht berücksichtigt werden. Anders könnte dies sein, wenn der Betriebsrat vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer anhört. Dies soll er nach § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG, soweit dies erforderlich scheint.325 Werden bei einer solchen Anhörung des Arbeitnehmers durch den Betriebsrat die Anhörungsinhalte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat offengelegt, spielt dies bei der Einschätzung der Prozesschancen eines Kündigungsschutzverfahrens eine wesentliche Rolle.326 Die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers bei einer solchen Offenlegung durch den Betriebsrat erfolgt nicht erst nach Zugang der Kündigungserklärung, sondern davor. Somit kann dem Anhörungsinhalt im Rahmen der Auslegung der Kündigungserklärung unproblematisch Beachtung geschenkt werden. Unerheblich ist, dass der Arbeitnehmer nicht vom Arbeitgeber selbst in Kenntnis gesetzt wurde, sondern vom Betriebsrat. Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach § 102 Abs. 3 BetrVG der Kündigung widersprochen hat, hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten (§ 102 Abs. 4 BetrVG). Auch dadurch kann der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung Kenntnis davon erlangen, welche Gründe dem Betriebsrat vom Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt wurden.327 Wenn der Arbeitgeber seine Kündigung nicht auf alle dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe stützt, kann aus Sicht des Arbeitnehmers bei Kenntnis des Mitteilungsinhalts die Willenserklärung des einem Verzicht auf die Geltendmachung einzelner Kündigungsgründe führen kann.“ (Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 89). 322  BAG 27. 6. 1985 – 2 AZR 412/84, NZA 1986, 426, Rn. 29; APS/Koch, § 102 BetrVG Rn.  1 m. w. N. 323 APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 1. 324 Palandt/Ellenberger, § 133 BGB Rn. 9; HK-BGB/Dörner, § 133 BGB Rn. 8. 325 APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 137, der den Betriebsrat aber regelmäßig für verpflichtet hält, den Arbeitnehmer anzuhören. 326  Schütte, NZA 2011, 263, 264. 327 APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 159; Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rn. 199.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 125

Arbeitgebers so zu verstehen sein, dass der Betriebsrat erfolgreich auf den Arbeitgeber Einfluss nehmen konnte und dieser von einzelnen Gründen Abstand genommen hat. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass in der Mitteilung des Arbeitgebers an den Betriebsrat zu Beginn des Anhörungsverfahrens und in der Stellungnahme des Betriebsrats die Arbeitgeberreaktion auf die Einwendungen des Betriebsrats nicht eindeutig zum Ausdruck kommt. Bei der Mitteilung zu Beginn des Anhörungsverfahrens kennt der Arbeitgeber die Einwendungen des Betriebsrats noch nicht und die Nichtangabe aller mitgeteilten Gründe in der späteren Kündigungserklärung heißt nicht automatisch, dass dies eine Reaktion auf die Stellungnahme des Betriebsrats darstellt. Der Arbeitgeber kann aus anderen Gründen zu dem Entschluss gekommen sein, in der Kündigungserklärung nicht alle bekannten Gründe anzugeben. Der dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Kündigungszugangs bekannte Umstand, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat weitere Gründe mitgeteilt hat als in der Kündigungserklärung angegeben, findet also bei der Auslegung einer Verzichtserklärung Berücksichtigung. Die Bejahung eines Verzichtswillens scheint dennoch schwierig. Allein durch die Nichtverwendung aller dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe in der Kündigungserklärung erklärt der Arbeitgeber keineswegs – auch nicht aus Sicht eines objektiven Empfängers –, wegen der in der Kündigungserklärung nicht genannten Gründe niemals mehr eine Kündigung aussprechen zu wollen. Die Fallkonstellation ist also eher eine Frage auf der Ebene des Nachschiebens von Gründen.328 Einerseits würde die Unzulässigkeit des Nachschiebens dem Sinn und Zweck der Weiterleitung des Anhörungsinhaltes gem. § 102 Abs. 2 Satz 4 BetrVG und der Weiterleitung der Stellungnahme gem. § 102 Abs. 4 BetrVG gerecht: die Ermöglichung einer Einschätzung der Prozesschancen und einer Hilfe bei der Vorbereitung auf einen Kündigungsschutzprozess. Andererseits kennt der Arbeitnehmer dadurch zumindest die in der Kündigungserklärung nicht angegebenen Gründe und kann sich auf diese Weise sogar besser auf einen Prozess vorbereiten, als wenn er keine Kenntnis von den dem Betriebsrat mitgeteilten Gründen hätte; somit ist er weniger schutzwürdig. Er kann sich auf diese Weise darauf einrichten, dass der Arbeitgeber unter Umständen die anderen Gründe nachschieben wird. Dabei dürfte sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer inzwischen bekannt sein, dass nach h. M. bereits bekannte Gründe, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Anhörungsverfahren nicht mitgeteilt hat, im Prozess nicht mehr nachschiebbar sind. Die umfassende Mitteilung aller in Betracht kommenden Gründe kann also zum Ausdruck bringen, dass sich der Arbeitgeber ein Nachschieben im Prozess offen halten bzw. ermöglichen will. 328  Generell das Nachschieben von bekannten und dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründen als zulässig ansehend Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 89; ders., NZA 1987, 728.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Überzeugender sind die Argumente, die zu dem Ergebnis führen, dass, wenn ein Arbeitgeber nach einer Anhörung des Betriebsrats nur diejenigen Gründe zur Begründung der Kündigung heranzieht, die er für die geeignetsten hält, darin, auch bei einer Beteiligung des Arbeitnehmers gem. § 102 Abs. 2 Satz 4 oder Abs. 4 BetrVG, weder ein Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen einzelner anderer Gründe noch ein unzulässiges Nachschieben gesehen werden kann. d)  Nachholen, Ergänzen oder Auswechseln Bezüglich des Nachschiebens von Kündigungsgründen ist zu differenzieren zwischen dem Nachholen,329 dem Ergänzen und dem Auswechseln bzw. Ersetzen von Gründen.330 Nachholen bedeutet, dass bei Ausspruch der Kündigung seitens des Arbeitgebers keinerlei Gründe genannt wurden, sondern erst im Nachhinein. Eine Ergänzung ist anzunehmen, wenn der nachträglich genannte Grund kumulativ mit den bereits geltend gemachten Gründen die ausgesprochene Kündigung rechtfertigen soll, so dass eine Erweiterung des Kündigungssachverhalts erfolgt.331 Sie ist abzugrenzen von der Erläuterung der bereits genannten Gründe, die im Kündigungsschutzprozess stets zulässig ist.332 Ein Auswechseln liegt vor, wenn der Arbeitgeber von nun an die Kündigung nur auf den nachgeschobe329  Z. T. wird vertreten, die erstmalige Angabe des Grundes könne kein Nachschieben darstellen, siehe u. a. Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 6; a. A. siehe z. B. Becker AcP 188, 24, 49 Fn. 73: „Gibt der Berechtigte gar keinen Grund an, so ist die Gestaltungserklärung als auf alle bis zum Zeitpunkt der Erklärung vorhandenen Gründe gestützt anzusehen. Die Erklärung selbst schafft die Zäsur, ohne Rücksicht auf den Willen des Berechtigten. Nachher liegende Gründe gelten in diesem Sinne als nachträglich eingeführt.“; dem folgend auch Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 21. 330  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 20 ff., der darauf hinweist, dass das Auswechseln teilweise als ein Sonderfall des Ersetzens angesehen wird; vgl. Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. Allerdings ist die Aussage des BAG im Urteil vom 18. 1. 1980 (7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486) nicht so zu verstehen, dort heißt es im zweiten Leitsatz: „Es bleibt unentschieden, ob ein Auswechseln der Kündigungsgründe während des Verfahrens in dem Sinne, daß die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, möglich ist oder ob der Kündigende in diesem Falle eine neue Kündigung aussprechen muß.“ Dem lässt sich nicht entnehmen, dass ein Auswechseln mit einer Wesensänderung gleichzusetzen ist, sondern, dass ein Auswechseln, das zu einer Wesensänderung führt, unter Umständen unzulässig sein kann. So versteht es auch Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 63. 331  Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 7. 332  Auch bezeichnet als „Substantiierung“ oder „Konkretisierung“; BAG 18. 12. 1980 – 2 AZR 1006/78, BAGE 34, 309; BAG 11. 12. 2003 – 2 AZR 536/02, AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, Rn. 29: „Mosaiksteine aus demselben Bild“; gegen eine Differenzierung zwischen „Erläuterung“ und „Nachschieben“ u. a. Schwerdtner, ZIP 1981, 809, 815 f.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 127

nen Grund stützt, so dass der ursprünglich angegebene Grund keine Rolle mehr spielt.333 Da die Mitteilung der Gründe, abgesehen von den bereits erwähnten Ausnahmen, keine Wirksamkeitsvoraussetzung ist, muss es dem Arbeitgeber möglich sein, erst nach Ausspruch der Kündigung, insbesondere zur Darlegung im Prozess, Gründe zu nennen (Nachholen).334 Durch die Nichtangabe eine Selbstbindung anzunehmen ist fernliegend. Die Kündigungserklärung bringt zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte. Es kann kein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitnehmers entstehen, dass es keinen Grund für die Kündigung gibt. Der Arbeitnehmer kann zwar eine Bekanntgabe der Gründe entweder gem. § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB oder aufgrund vertraglicher Nebenpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verlangen, und eine Nichterfüllung bzw. verspätete Erfüllung kann zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen.335 In diesem Zusammenhang kann aber nicht von einer Selbstbindung durch die Angabe von Kündigungsgründen gesprochen werden. Zudem führt die Verletzung einer solchen Nebenpflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.336 Zur Untersuchung einer Selbstbindung eignen sich also nur das Ergänzen und das Auswechseln von Gründen im Prozess. e)  Mischtatbestand oder verschiedene Kündigungssachverhalte Des Weiteren ist bei einer ordentlichen Kündigung zu differenzieren, ob es sich um einen Mischtatbestand oder verschiedene Kündigungssachverhalte handelt. Bei einem Mischtatbestand geht es um einen einzigen Kündigungssachverhalt, der mehrere gesetzliche Kündigungsgründe berührt.337 Zum anderen kann die Situation gegeben sein, dass mehrere Sachverhalte existieren, die verschiedene gesetzliche Kündigungsgründe betreffen.338 Bei dieser Differenzierung wird 333 

Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 7. § 1 KSchG Rn. 238; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 115. 335 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 239; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 116; NKGA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 283. 336 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 283. 337 TLL/Gabrys, § 1 KSchG Rn. 309; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 70; MüKo/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 85 („echte Mischtatbestände“); Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 111; vgl. auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 254 ff. m. w. N.; zur außerordentlichen Kündigung: HWK/Sandmann, § 626 BGB Rn. 69 f. m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 171 ff. m. w. N. 338 TLL/Gabrys, § 1 KSchG Rn. 307 („Doppeltatbestand“); HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 69; MüKo/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 85 („unechten Mischtatbeständen“ oder auch „Doppeltatbeständen“); Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 110; vgl. auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 254 ff.; zur außerordentlichen Kündigung: HWK/Sandmann, § 626 BGB Rn. 65 f. m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 171 ff. m. w. N.; Moll/ Reinartz, MAH ArbR, § 44 Rn. 75 m. w. N. 334 KR/Griebeling/Rachor,

128

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

deutlich, dass es eigentlich nur auf eine Selbstbindung des Arbeitgebers an die Angabe eines bestimmten Kündigungssachverhalts ankommen kann. Für den Arbeitnehmer ist es für seine Rechtsverteidigung wichtig, den Sachverhalt zu kennen, der den Kündigungsgrund ausmacht. Allein die Angabe des gesetzesterminologischen Grundes, z. B. bei einer ordentlichen Kündigung „aus betriebsbedingtem“, „aus personenbedingtem“ oder „aus verhaltensbedingtem Grund“, ist dem Arbeitnehmer hingegen wenig von Nutzen.339 Vom Arbeitgeber kann nicht verlangt werden, dass er den Sachverhalt der rechtlich richtigen Kategorie bereits bei Abgabe der Kündigungserklärung zuordnen kann und später den Prozess verliert, wenn der von ihm genannte Sachverhalt etwa nicht als „personenbedingte“, sondern als „verhaltensbedingte“ Kündigung wirksam ist. Verlangt werden kann aber, dass er sich durch die Angabe der relevanten Tatsachen, auf die er seine Kündigung stützen möchte, selbst in dem Sinne bindet, dass er seine Kündigung im Prozess nicht ohne weiteres auf einen anderen Sachverhalt stützen kann.340 Die Rechtsprechung nimmt bei der außerordentlichen Kündigung an, dass materiellrechtlich mehrere Gründe grundsätzlich nur ein Kündigungsrecht ergeben.341 Aus diesem Grund und weil die Kündigungserklärung die Angabe eines bestimmten Kündigungsgrundes nicht erfordere, könne die Kündigung aus materiellrechtlicher Sicht grundsätzlich auch nachträglich auf weitere Kündigungsgründe gestützt werden.342 Mit Angabe des „Kündigungsgrundes“ soll im Folgenden also nicht der gesetzesterminologische Grund im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, sondern der zugrunde liegende Sachverhalt gemeint sein. f)  Materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Unzulässigkeit Die erst nachträgliche Angabe von anderen Kündigungsgründen bzw. das Nachschieben von Gründen im Prozess kann unter Umständen wegen verspäteten Vorbringens aus verfahrensrechtlichen Gründen (z. B. §§ 61a Abs. 5 und 67 ArbGG) zurückgewiesen werden.343 Die prozessuale Zurückweisung kann nicht 339 Vgl. Lent, AcP 152, 401, 406; Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 104 f. 340  Vgl. zu § 22 Abs. 3 BBiG APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 27; vgl. zu § 626 Abs. 2 S. 3 BGB ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 243. 341  Siehe z. B. BAG 30. 1. 1963 – 2 AZR 143/62, DB 1963, 555; BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674, Rn. 26; siehe auch ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 21; ausf. zur Problematik, ob bei gleichzeitigem Vorliegen mehrerer wichtiger Gründe Rechtsmehrheit oder Rechtseinheit anzunehmen ist: Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 48 ff. m. w. N. 342  BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674, Rn. 26. 343 LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 110; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 191; Schliemann/Corts, § 626 BGB Rn. 246; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 131; Nägele-Berkner, Das

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 129

eine Folge einer Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung sein, sondern allenfalls eine Folge der Selbstbindung durch den Prozessvortrag.344 Die prozessualen Zurückweisungsmöglichkeiten dienen vor allem der Prozessbeschleunigung. Gegenstand dieser Untersuchung ist hinsichtlich des Nachschiebens im Prozess nur die materiellrechtliche und nicht die prozessrechtliche Würdigung.345 g)  Zwischenergebnis Die Fragestellung dieses Kapitels konzentriert sich also darauf, ob der Arbeitgeber sich durch die freiwillige Angabe von bestimmten Kündigungsgründen bei Nichtbestehen eines Betriebsrats in der Weise selbst bindet, dass er andere, bei Ausspruch der Kündigung bereits bestehende und bekannte Kündigungsgründe nicht mehr nachschieben oder möglicherweise sogar keine neue Kündigung erklären kann. 2.  LAG Mecklenburg-Vorpommern 22. 1. 2015 – 5 Sa /89/14 Ausdrücklich wird der Begriff „Selbstbindung“ in diesem Zusammenhang im Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 22. 1. 2015 verwendet.346 Das LAG lehnt in dieser Entscheidung eine Selbstbindung durch Angabe von Kündigungsgründen hinsichtlich des Nachschieberechts wie folgt ab: „Allerdings können entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts die verhaltsbedingten [sic] Gründe nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil die schriftliche Kündigung auf betriebsbedingte Gründe verweist. Denn es existiert keine Norm oder auch kein ungeschriebener Rechtsgrundsatz, wonach der Arbeitgeber sich im Rahmen eines Nachschieben von Kündigungsgründen, S. 51 f. m. w. N.; Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 125 f.; Ittmann, ArbRAktuell 2011, 6, 7; siehe zur formellen Ebene Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 37 m. w. N. 344  Allein die prozessuale Grenze für nicht genügend haltend und deswegen eine Beschränkung des Nachschiebens von Kündigungsgründen befürwortend u. a. Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. Grenzen des zulässigen Nachschiebens bekannter Gründe nicht nur aus den prozessrechtlichen Vorschriften, sondern auch aus dem Grundsatz der Verwirkung in Betracht ziehend u. a. KR/ Fischermeier, § 626 BGB Rn. 191. Eine Schutzlücke verneint Deeg: Der Arbeitnehmer sei i. R. d. Kündigungsschutzklage ausreichend durch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sowie durch Präklusionsvorschriften geschützt, eines weitergehenden Schutzes durch die Verwirkung bedürfe es daher schon nicht (Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 324 Fn. 1432). 345 Vgl. Hungerbühler, Das Nachschieben von Gestaltungsgründen, S. 23; Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 32 m. w. N.; Lent, AcP 152, 401, 416. 346  LAG Mecklenburg-Vorpommern 22. 1. 2015 – 5 Sa 89/14, LAGE § 623 BGB 2002 Nr. 10.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Kündigungsschutzprozesses nur auf die Gründe berufen dürfte, die zuvor schon in der schriftlichen Kündigungserklärung enthalten sind. Für eine solche Selbstbindung gibt es keine Rechtsgrundlage. Vielmehr zeigen die Sonderregelungen in § 22 Abs. 3 BBiG oder § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB genau das Gegenteil.“

Ein Umkehrschluss aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB ist allerdings fragwürdig, da dieser Begründungszwang nach h. M. ein Nachschieben bereits bekannter Gründe nicht ausschließt.347 Es handelt sich dabei nicht um eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung,348 eine Gleichstellung mit § 22 Abs. 3 BBiG ist also nicht möglich. Aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB kann zudem nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es sowohl bei der außerordentlichen als auch ordentlichen Kündigung keiner Mitteilung der Gründe in der Kündigungserklärung bedarf.349 Die Vorschrift enthält jedoch keine Aussage darüber, ob eine Selbstbindung durch die freiwillige Angabe von Gründung in der Kündigungserklärung möglich ist. Bei § 22 Abs. 3 BBiG handelt es sich hingegen um eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung.350 Die Existenz dieser Sonderregelung bringt den gesetzgeberischen Willen zum Ausdruck, die schriftliche Angabe von Gründen als eine echte Wirksamkeitsvoraussetzung nur in besonderen Bereichen und nicht allgemein im Arbeitsrecht bzw. bei der Ausübung von Gestaltungsrechten zu fordern.351 Ob diese Entscheidung des Gesetzgebers zu befürworten ist, ist eine andere Frage.352 Der fehlende Gesetzgeberwille einer allgemeinen Begründungspflicht schließt aber nicht aus, dass der Arbeitgeber sich freiwillig einer solchen oder sogar einer weitergehenden Pflicht unterwerfen kann, indem er freiwillig Gründe in seiner Kündigungserklärung nennt. Es gibt keine Rechtsgrundlage, die besagt, dass die Sonderregelung aus § 22 Abs. 3 BBiG nicht zugunsten des Arbeitnehmers außerhalb des Anwendungsbereichs als Vorbild dienen kann. Es ist anerkannt, dass eine Begründungspflicht mit der Konsequenz der Unmöglichkeit des Nachschie-

347  BAG 17. 8. 1972 – 2 AZR 415/71, AP Nr. 65 zu § 626 BGB mit Hinweis auf die a. A.; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 351; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 29. Es können jedoch Schadensersatzansprüche entstehen. Die Auffassung auch ablehnend, aus § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB folge, dass auch eine ohne Grundangabe abgegebene Kündigungserklärung wirksam sei: Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 126 f. 348  BAG vom 17. 8. 1972 – 2 AZR 415/71, AP Nr. 65 zu § 626 BGB; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 158 m. w. N.; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 126 m. w. N. Schon in der Fassung des BBiG von 1969 lautete der damalige § 15 BBiG: „Die Kündigung muß schriftlich und in den Fällen des Absatzes 2 unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.“ 349 APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 115; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 238; NKGA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 280. 350  Siehe oben in der Einl. von C.II.; BeckOK ArbR/Hagen, § 22 BBiG Rn. 19. 351 APS/Greiner, § 623 BGB Rn. 19. 352  Siehe den Exkurs C.II.7.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 131

bens von Gründen im Prozess, in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen vereinbart werden kann.353 Entgegen der Ansicht des LAG Mecklenburg-Vorpommern können sich, wie im Folgenden gezeigt wird, rechtsgeschäftliche oder außerrechtsgeschäftliche Rechtsgrundlagen für eine Selbstbindung eignen. 3.  Rechtsgeschäftlich a)  Hinsichtlich des Kündigungsrechts Zunächst wird eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung hinsichtlich des Kündigungsrechts wegen bestimmter bekannter, aber in der Kündigungserklärung nicht angegebener Gründe untersucht. aa)  § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB Eine Kündigungserklärung stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willens­ erklärung dar.354 Es ist anerkannt, dass diese nach Zugang an den Gekündigten vom Kündigenden grundsätzlich nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann.355 Beim Auswechseln von Gründen möchte der Arbeitgeber die ursprüngliche Kündigungserklärung in dem Sinne beseitigen, dass die im Zeitpunkt der Erklärung genannten Gründe nicht mehr der Begründung dienen sollen; das einzige, was erhalten bleiben soll, ist die Erklärung des Beendigungswillens zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Arbeitgeber hat sich im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB allerdings nur an den Inhalt gebunden, der der Erklärung zugeordnet werden kann. Solange der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung keine andere Bewertung vornimmt, ist die Angabe des Grundes nach einer Auslegung nicht Inhalt der Kündigungserklärung.356 Nur bei einem Begründungszwang kann die Anwendung der allgemeinen Zivilrechtsregel dazu führen, dass, sobald die Kündigungserklärung dem Empfänger zugeht, ihr Inhalt auch hinsichtlich des Kündigungsgrundes feststeht und der Erklärende seine Änderungsbefugnis im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB verliert.357 Dafür muss es sich allerdings um einen 353 MüKo/Henssler,

§ 623 BGB Rn. 27. 17. 12. 2015 – 6 AZR 709/14, NZA 2016, 361, Rn. 31; Moll/Vossen, MAH ArbR, § 42 Rn. 1 m. w. N. 355  BAG 19. 2. 2009 – 2 AZR 286/07, NZA 2009, 980, Rn. 44 m. w. N. 356  Vgl. i. R. d. betrieblichen Übung die Berücksichtigung der ständigen Rspr. bei der Auslegung Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des ArbR, Bd. I, S. 308; Waltermann, RdA 2006, 257, 260; vgl. Lent, AcP 152, 401, 411: „Die Begründung wird nicht Inhalt der Erklärung, bildet nur einen Hinweis, der die Heranziehung anderer Gründe nicht ausschließt.“ 357  Zum Eingreifen von § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB bei Bestehen eines Begründungszwangs Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 26 f. m. w. N. 354 BAG

132

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Begründungszwang handeln, der mehr als nur ein Formerfordernis358 darstellt und die Grundangabe zum Inhalt der Gestaltungserklärung macht.359 bb)  Nachträgliche Vereinbarung einer Begründungspflicht Im Arbeitsvertrag kann eine qualifizierte Schriftformklausel enthalten sein, die den Begründungszwang mit umfasst.360 Die Vereinbarung ist auszulegen, ob die Parteien die schriftliche Begründung als Wirksamkeitsvoraussetzung mit der Konsequenz, dass ein Nachschieben anderer Gründe im Prozess unzulässig ist, ansehen oder ob sie lediglich der Beweiserleichterung dienen soll.361 Erst wenn die Auslegung ergebnislos bleibt, gilt die Vermutung aus § 125 Satz 2 BGB.362 Die nachträgliche vertragliche Begründung einer solchen Pflicht würde voraussetzen, dass in der freiwilligen Angabe des Arbeitgebers ein konkludentes Angebot liegt. Nach derzeitiger Rechtslage muss jedoch davon ausgegangen werden, dass, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer nicht schon im Arbeitsvertrag die schriftliche Angabe von Kündigungsgründen vereinbart hat, dies auch nicht nachträglich vereinbaren möchte, auch wenn er dennoch Gründe angibt. Allein die freiwillige Angabe von Gründen wäre für einen eindeutigen Bindungswillen nicht ausreichend. Eine nachträgliche Vereinbarung einer Begründungspflicht ist mit den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu zwei übereinstimmenden Willenserklärungen kaum zu vereinen und mehr ein Konstrukt als ein Rechtssicherheit schaffender Umgang mit dem Problem der Selbstbindung durch die Angabe von Kündigungsgründen. cc)  Verzicht auf andere bekannte Kündigungsgründe Der Verzicht stellt ebenfalls ein Rechtsgeschäft dar, im Gegensatz zu der nachträglichen Vereinbarung einer Begründungspflicht jedoch ein einseitiges.363 Es kommt hierbei nicht auf die Reaktion des Arbeitnehmers an, sondern nur darauf, 358  Bei § 22 Abs. 3 BBiG z. B. wird das Nachschieben von anderen Gründen nicht mit § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet, sondern aufgrund des Sinn und Zweck des Formerfordernisses als „unzulässig“ behandelt (siehe z. B. LAG Hamburg 30. 9. 1994 – 3 Sa 39/94, LAGE § 15 BBiG Nr. 9; KR/Weigand, §§ 21 – 23 BBiG Rn. 93 m. w. N.; ErfK/Schlachter, § 22 BBiG Rn. 7 m. w. N.; vgl. auch zu § 17 MuSchG (§ 9 MuSchG a. F.) KR/Gallner, § 9 MuSchG Rn. 162 m. w. N.; zu beiden SPV/Preis Rn. 93 m. w. N.; vgl. auch Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 34 f.). 359  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 27 m. w. N. 360 APS/Preis, Grundlagen D Rn. 28. 361 MüKo/Henssler, § 623 BGB Rn. 27. 362 APS/Preis, Grundlagen D Rn. 28; MüKo/Einsele, § 125 BGB Rn. 69; SPV/Preis Rn. 93 m. w. N.; siehe auch NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 282. 363  Siehe oben B.I.1.a); zur Problematik des Verzichts bei mehreren Gestaltungsgründen im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung: Kali, Die begründungsabhängige

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 133

ob der Arbeitnehmer die Angabe eines Grundes in der Kündigungserklärung des Arbeitgebers so verstehen darf, dass dieser konkludent auf sein Kündigungsrecht wegen anderer ihm bekannter Gründe verzichtet. Bei einem Verzicht auf das Kündigungsrecht kann der Arbeitgeber weder nachschieben noch eine erneute Kündigung aussprechen. (1) Vorrangige Prüfung Verzicht Der Zweite Senat des BAG prüft in seiner Entscheidung vom 20. 8. 1998 innerhalb der Verwirkung einen Verzicht.364 Zu befürworten ist aber eine primäre Prüfung des Verzichts. Die Prüfung, ob in dem den Rechtsverlust begründenden Verhalten ein rechtsgeschäftlicher Verzicht zu sehen ist, ist gegenüber der Prüfung widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB und damit des Spezialfalls der Verwirkung vorrangig.365 Die Abgrenzung eines konkludenten Verzichts von einer Verwirkung bereitet teilweise allerdings Schwierigkeiten.366 Umstände, die bei der Auslegung der Kündigungserklärung relevant sind, können auch bei der Feststellung des Umstandsmoments von Bedeutung sein. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass eine gemeinsame Prüfung erfolgt. Rechtsgeschäftliche und außerrechtsgeschäftliche Tatbestände sind getrennt voneinander zu prüfen. (2) Verlangen eindeutiger Anhaltspunkte Das BAG fordert für einen Verzicht auf das Kündigungsrecht richtigerweise eindeutige Anhaltspunkte, die nicht schon allein darin liegen, dass die Kündigung zunächst nur mit einem anderen Kündigungssachverhalt begründet wurde. Aus Gründen der Rechtssicherheit seien an eine entsprechende Erklärung durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen.367 Dies steht im Einklang damit, dass generell an einen konkludenten Verzicht strenge Anforderungen zu stellen sind.368 Bei der Prüfung eines Verzichts hat eine Auslegung der Kündigungserklärung unter Einbeziehung der Umstände des Einzelfalls stattzufinden.369 Die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB soll dem Empfänger nicht ermögGestaltungserklärung, S. 69 f. m. w. N.; Hungerbühler, Das Nachschieben von Gestaltungsgründen, S. 47 f. 364  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 36 ff., 43; siehe zu dieser Entscheidung bereits oben C.I.1.a)bb)(2)(b)(bb). 365  Siehe oben B.III.; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 106 f. 366  Siehe oben B.II.2.b); Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 58; Huber, Staudinger/Eckpfeiler (2014), D Rn. 74. 367  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 43. 368  Siehe oben B.I.1.a); BGH 29. 11. 1995 – VIII ZR 293/94, NJW 1996, 588, Rn. 14. 369  Vgl. auch Schliemann/Corts, § 626 BGB Rn. 249 m. w. N.; die AGB-rechtlichen Besonderheiten spielen keine Rolle: BAG 20. 6. 2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137, Rn. 13.

134

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

lichen, der Erklärung den für ihn günstigsten Sinn beizulegen.370 Grundsätzlich ist dem BAG hinsichtlich des Kündigungsrechts zuzustimmen, dass, wenn einem Arbeitnehmer durch eine Kündigung deutlich gemacht wurde, dass sich der Arbeitgeber von ihm trennen will, er grundsätzlich nicht darauf vertrauen kann, der Arbeitgeber werde aus anderen bekannten Gründen nicht erneut kündigen.371 Darin liegt der wesentliche Unterschied zur bereits untersuchten Fallgruppe, dem reinen Absehen von einer Kündigung insgesamt.372 Aus diesem Grund kann den Arbeitgeber hier auch nicht die dort festgestellte Obliegenheit treffen, sich bei Kenntnis von einer Pflichtverletzung irgendwie zu äußern, bzw. es kann ihm kein Verstoß vorgeworfen werden.373 Zum einen ist fraglich, ob hier überhaupt von einem Schweigen ausgegangen werden kann. Ein reines Schweigen liegt nicht vor, da der Arbeitgeber die Kündigung ausspricht. Als ein Schweigen kann allenfalls die Nichtangabe der anderen Gründe gewertet werden. Zum anderen hat der Arbeitgeber aber durch Ausspruch der Kündigung bereits eine solche Äußerung vorgenommen. Selbst wenn er dabei z. B. nicht die konkrete Pflichtverletzung als Grund nennt, sondern sich auf andere Gründe beruft, bringt er dennoch einen Trennungswillen zum Ausdruck. Auch ein Vergleich zum Hauptbeispiel für einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht, der Abmahnung,374 stützt dieses Auslegungsergebnis. Bei einer Abmahnung kommt zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber einen bestimmten Grund nicht für eine Kündigung heranziehen will, sondern er den Arbeitnehmer diesbezüglich nur abmahnen möchte. Mit einer Abmahnung gibt der Arbeitgeber zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis trotz des vorliegenden Grundes noch nicht als so gestört ansieht, dass er es nicht mehr fortsetzen könnte.375 Dies ist nicht vergleichbar mit der Situation, dass der Arbeitgeber nicht alle Gründe in seiner Kündigungserklärung nennt. Bei der Abmahnung geht er auf den Grund ein, bei dem er auf sein Kündigungsrecht verzichtet; bei der Angabe von nur bestimmten Gründen schweigt er jedoch zu anderen Gründen. Zudem bezieht sich auch bei der Abmahnung ein Verzichtswille nur auf die abgemahnten Gründe und nicht auf sämtliche in der Vergangenheit liegende Kündigungssachverhalte, von denen der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Erteilung der Abmahnung Kenntnis hat.376 370 

Siehe oben B.I.1.a)aa); Palandt/Ellenberger, § 133 BGB Rn. 9. BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 44. 372  Siehe oben C.I. 373  Siehe oben C.I.1.a)aa)(5); vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 342. 374  Siehe oben C.I.1.a)aa)(3). 375  Siehe oben C.I.1.a)aa)(3). 376  Siehe oben C.I.1.a)aa)(3); KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 294; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 404b; a. A. ArbG Berlin 4. 12. 2002 – 36 Ca 16241/02, EzA-SD 2003, Nr. 8, 13. 371 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 135

Einen konkludenten Verzicht scheint das BAG eher dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber zunächst nur aus einem Grund kündigt, obwohl ihm der andere Grund bekannt ist, der Arbeitnehmer dies weiß und der Arbeitgeber nach einem Unterliegen im Kündigungsschutzprozess das Arbeitsverhältnis zunächst beanstandungsfrei und gewollt fortsetzt.377 Der Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses müsse zum Ausdruck kommen.378 Dies ist jedoch unpräzise: Es ist vielmehr ein Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch für den Fall erforderlich, wenn sich herausstellt, dass in Kenntnis anderer Gründe der in der Kündigung angegebene Grund nicht vorliegt oder nicht ausreicht. In einem solchen Fall stellt die Begründung der Kündigung nur mit einem Teil der bekannten Gründe jedoch allein noch nicht die konkludente Verzichtserklärung dar, sondern vielmehr erst das beanstandungsfreie und gewollte Fortsetzen nach dem Kündigungsschutzprozess.379 Die Begründung der Kündigung ist dann nur ein Umstand bei der Auslegung des späteren Verhaltens. Die Nichtangabe der bekannten Gründe in der ersten Kündigungserklärung, das Nichtvorbringen dieser im darauf folgenden Prozess und das beanstandungsfreie Fortsetzen nach dem Prozess sind besondere Umstände, die den strengen Anforderungen an einen konkludenten Verzicht gerecht werden. In einem solchen Fall führt das weitere Verhalten des Arbeitgebers nach seiner ersten Kündigung dazu, dass ein genereller Trennungswille nicht mehr zum Ausdruck kommt. Man kann also nicht mehr argumentieren, der Arbeitnehmer könne nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde aus anderen bekannten Gründen nicht erneut kündigen. Im Vergleich zur obigen Fallgruppe des Absehens von einer Kündigung wäre vom Arbeitgeber hier sogar noch stärker zu erwarten,380 dass er sich im Prozess oder nach einem Unterliegen im Prozess irgendwie zu den anderen ihm bekannten Gründen äußert, wenn er eine Trennung vom Arbeitnehmer auf jeden Fall wünscht. Will der Arbeitgeber durch das beanstandungsfreie Fortsetzen in Wirklichkeit keinen Verzicht auf sein Kündigungsrecht erklären, liegt dennoch eine – wenn auch anfechtbare – Willenserklärung vor.381 b)  Verzicht auf das Nachschieberecht aa)  Verzichtbarkeit Der Verzicht auf das Kündigungsrecht ist von einem Verzicht auf das Nachschieberecht zu unterscheiden. Bei der Frage nach Nachschiebemöglichkeiten 377  So ist jedenfalls BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 43 zu verstehen; i. E. lehnte das BAG aber sowohl einen Verzicht als auch eine Verwirkung ab. 378  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 43. 379  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(5). 380  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(5). 381  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(5).

136

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

geht es um die Einbringung kündigungsrelevanter Umstände in den laufenden Kündigungsschutzprozess und um die Frage, ob diese noch berücksichtigt werden dürfen oder ob der Ausspruch einer weiteren Kündigung erforderlich ist.382 Das Nachschieberecht steht zwar im Zusammenhang mit dem Gestaltungsrecht der Kündigung, die Angabe von Gründen ist nach derzeitigem Stand jedoch nicht Inhalt der Gestaltungserklärung und das Nachschieberecht ist selbst kein Gestaltungsrecht, sondern es betrifft die Geltendmachung der vollzogenen Gestaltung im Prozess.383 Auf das Gestaltungsrecht der Kündigung kann der Arbeitgeber unstreitig einseitig verzichten.384 Hinsichtlich des Nachschieberechts ist jedoch fragwürdig, ob es eine eigenständige, vom Kündigungsrecht abgrenzbare Rechtsposition darstellt, auf die der Arbeitgeber einseitig verzichten kann.385 Das Nachschieben im Prozess ist eher eine Prozesshandlung; man kann es auch als „prozessuales Nachschieben“386 bezeichnen.387 Das Nichtzulassen des Nachschiebens von Kündigungsgründen beruht aber meist auf einer Art von „prozessualen Korrekturmechanismen“388. Die Unzulässigkeit des Nachschiebens bedeutet, dass dem Arbeitgeber das Vorbringen anderer Gründe im Prozess verwehrt bzw. der Streitgegenstand auf die angegebenen Gründe begrenzt wird; die Prozesshandlung bleibt unbeachtlich.389 Die Unzulässigkeit des Nachschiebens löst als Rechtsfolge im Ergebnis ein Verwertungsverbot des neuen Grunds in Bezug auf das bereits ausgeübte Gestaltungsgeschäft Kündigung aus.390 Es handelt sich dabei aber dennoch um eine materiellrechtliche Unzulässigkeit und nicht um eine aus rein prozessualen Gründen.391 Sinnvoller erscheint es demzufolge, nicht nur die Möglichkeit einer mate382 

Ittmann, ArbRAktuell 2011, 6. Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht, Rn. 213; Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 34. 384  Siehe oben B.I.1.a) und C.I.1.a)aa)(1). 385  Vgl. zur Verwirkung Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 322 f. 386  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 31. 387 Vgl. Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 34 f., S. 136 f. Winterstein spricht von einer „unter prozessualen Gesichtspunkten relevanten Handlung“ (Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 125). Auch das Prozessrecht kennt einen einseitigen Verzicht (MüKo/Schlüter, § 397 BGB Rn. 19; Staudinger/Rieble, § 397 BGB Rn. 96). 388 Vgl. Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 35; Rinke, NZA 1998, 77, 78. 389 Vgl. Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 34 f. m.  w. N., S. 136 f. m. w. N. 390  Nägele-Berkner, NZA 2016, 19. 391  Vgl. BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674: „Materiell-rechtlich können Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung bereits entstanden waren, dem Arbeitgeber aber erst später bekanntgeworden sind, im Kündigungsschutzprozeß unein383 Vgl.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 137

riellrechtlichen Unzulässigkeit im Sinne einer außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung anzuerkennen, sondern auch die Möglichkeit eines Verzichts auf das Nachschieberecht. Auch das BAG scheint von einer Verzichtbarkeit auszugehen: „Materiellrechtlich kann er weitere Gründe jederzeit nachschieben, wenn er dies für opportun hält und wenn er auf deren Geltendmachung nicht verzichtet hat.“392

Mit „Geltendmachung“ könnte zwar allein die Ausübung des Kündigungsrechts gemeint sein, naheliegender ist jedoch, davon das Nachschieberecht als umfasst anzusehen. bb)  Konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht (1) Durch die Angabe von Kündigungsgründen in der Kündigungserklärung Geht man also von einer Verzichtbarkeit des Nachschieberechts aus, stellt sich die Frage, ob aus der Angabe von bestimmten Gründen ein konkludenter Verzicht auf das Nachschieben von anderen Gründen im Kündigungsschutzprozess ableitbar ist. Aufgrund der den Arbeitgeber weniger hart treffenden Folgen – ihm bleibt die Möglichkeit einer neuen Kündigungserklärung – könnte man hier dementsprechend weniger strengere Anforderungen an einen konkludenten Verzicht stellen als bei der Prüfung eines Verzichts auf das Kündigungsrecht. Das diesbezügliche Argument des gekündigten Arbeitsverhältnisses, das einem schutzwürdigen Vertrauen entgegensteht, betrifft eher die Frage, ob der Arbeitnehmer auf das Ausbleiben einer weiteren Kündigung vertrauen kann und ist nicht übertragbar auf die Nichtausübung des Nachschieberechts.393 Der Vergleich mit der Abmahnung, bei der es auch um einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht und nicht nur auf das Nachschieberecht geht, trägt ebenso wenig. Das BAG hält es für eine „bloße Frage der (Prozeß-)Taktik“, ob sich ein Arbeitgeber, der sich zur Kündigung entschlossen hat, sofort auf alle ihm bekannten Kündigungsgründe berufe oder ob er sich zunächst mit der Geltendmachung einzelner Gründe begnüge, z. B. weil er diese für leichter darstellbar und sicher erfolgversprechend ansehe.394 Dieses prozesstaktische Handeln wird dem Arbeitgeschränkt nachgeschoben werden.“; BAG 28. 2. 1991 – 2 AZR 335/90, BeckRS 1991, 30736741, Rn. 97: „Das Nachschieben dieses Kündigungsgrundes in dem Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 6. November 1989 war der Beklagten aus materiell-rechtlichen Gründen nicht verwehrt.“; vgl. zu § 102 BetrVG Moll/Reinartz, § 44 Rn. 84; SPV/ Preis Rn. 352; BeckOK/Fuchs, § 626 BGB Rn. 67: „das materiell-rechtlich gegebene Recht des Arbeitgebers zum Nachschieben von Kündigungsgründen“; siehe zu den verfahrensrechtlichen Unzulässigkeitsgründen oben C.II.1.f.). 392  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 42. 393  A. A. vgl. BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 44; KR/Griebeling/ Rachor, § 1 KSchG Rn. 245. 394  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 42.

138

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

geber durch einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieberecht nicht vollständig genommen. Es bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, wenn auch unter gleichzeitigem Ertragen von gewissen Nachteilen, eine neue Kündigung wegen der anderen Gründe auszusprechen,395 solange er sich diese Möglichkeit nicht durch ein beanstandungsfreies Fortsetzen nach einem Prozess nimmt.396 Dass das Vorgehen des Arbeitgebers, nur bestimmte Gründe in der Kündigungserklärung zu nennen, reiner Prozesstaktik dient, ist ein Motiv, das für den Arbeitnehmer nicht immer erkennbar ist.397 Andererseits könnte aber zu berücksichtigen sein, wenn der Arbeitgeber den anderen bekannten Kündigungsgrund zunächst nicht nennt, um den Arbeitnehmer zu schonen.398 Für einen Arbeitnehmer kann es z. B. in bestimmten Fällen eine Rolle spielen, auf welchen Grund die Kündigung gestützt wird.399 Bei einer verhaltensbedingten Kündigung droht ihm unter Umständen die Konsequenz des Auslösens einer Sperrzeit aus § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III.400 Dies stellt aber ebenfalls einen bei der Auslegung nicht zu berücksichtigenden inneren Beweggrund für das Schweigen des Arbeitgebers über die anderen Gründe dar.401 Solche Beweggründe können einem konkludenten Verzicht nur entgegenstehen, wenn der Arbeitgeber sie deutlich zum Ausdruck bringt. Geht man von einem zumindest teilweisen Schweigen aufgrund der Nichtangabe anderer Gründe aus, ist über das Bestehen einer Obliegenheit, sich zu äußern, nachzudenken.402 Vom Arbeitgeber kann erwartet werden, dass er sich zumindest irgendwie zu den anderen ihn bekannten Gründen äußert, wenn er sie zur Begründung der ausgesprochenen Kündigung später noch heranziehen möchte. Dies steht nicht im Widerspruch zur Ablehnung eines konkludenten Verzichts auf das Kündigungsrecht.403 Auf die Äußerung des Trennungswillens kann hier nicht abgestellt werden, da dieser keine Klarheit hinsichtlich des Nachschiebens schafft. Ein fehlendes Vertrauen in das Ausbleiben einer erneuten Kündigung schließt ein Vertrauen in das Ausbleiben des Nachschiebens von Gründen zur Rechtfertigung 395 

Dazu C.II.3.b)cc). Siehe C.II.3.a)cc)(2). 397  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(3)(a) zum Motiv einer Abmahnung: BAG 26. 11. 2009 – 2 AZR 751/08, NZA 2010, 823, Rn. 14: „Auf das dafür maßgebliche Motiv kommt es nicht an.“ 398  Vgl. BGH 1. 12. 2003 – II ZR 161/02, BGHZ 157, 151, Rn. 13; Frey, BB 1953, 1070, 1071; a. A. Hungerbühler, Das Nachschieben von Gestaltungsgründen, S. 102 f.; Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 125 f. 399  Vgl. auch Becker, AcP 188, 24, 49. 400 ErfK/Rolfs, § 159 SGB III Rn. 13 f. 401  Vgl. oben bei der Abmahnung C.I.1.a)aa)(3)(a). 402  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(5) und C.II.3.a)cc)(2); vgl. BAG 26. 3. 1997 – 10 AZR 612/96, NZA 1997, 1007, Rn. 29; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 342; Soergel/Wolf, § 157 BGB Rn.  45 m. w. N. 403  Siehe oben C.II.3.a)cc)(2). 396 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 139

derselben Kündigung nicht aus. Dies zwingt den Arbeitgeber nicht dazu, bei Ausspruch der Kündigung alle ihm bekannten Gründe bereits zum Gegenstand der Kündigungserklärung zu machen. Vielmehr ist damit nur gemeint, dass von ihm erwartet werden kann, zumindest irgendwie anzudeuten, dass er sich zu einem späteren Zeitpunkt auf die anderen ihn bekannten Gründe zur Begründung dieser Kündigung berufen könnte und sich nicht auf die bereits genannten Gründe beschränken wollte. Diese Obliegenheit wirkt sich nicht auf die Möglichkeit aus, die anderen Gründe bei einer neuen Kündigung heranzuziehen. Gegen eine Einschränkung des Nachschieberechts wird vorgebracht, dass das Kündigungsschutzrecht des gekündigten Arbeitnehmers in vollem Umfang erhalten bleibe; er sei nicht gehindert, sich gegen die nachgeschobenen Gründe zu wehren, wie wenn diese mit einer erneuten Kündigung geltend gemacht würden.404 Für den Arbeitnehmer stellt es allerdings sehr wohl eine mit Nachteilen behaftete Situation dar, wenn er sich gegen nachgeschobene Gründe wehren muss. Konsequenz ist regelmäßig, dass er den Prozess insgesamt verliert, auch wenn die Kündigung erst durch den nachgeschobenen Grund ihre Wirksamkeit erlangt; dass sich der Beendigungszeitpunkt nicht verschiebt und dass Annahmeverzugslohn nicht zu zahlen ist.405 Diese Arbeitnehmerinteressen sollten bei der Frage berücksichtigt werden, ob den Arbeitgeber eine Obliegenheit trifft, sich zu den anderen ihn bekannten Gründen zu äußern, wenn er sich ein Nachschieben offen halten möchte. Die Interessen des Arbeitgebers sollten aber nicht unberücksichtigt bleiben. Bei der objektiv-individuellen Auslegung sind Einzelfallumstände einzubeziehen.406 Eine etwaige Kenntnis oder ein Kennenmüssen des Arbeitnehmers von den tatsächlichen Absichten des Arbeitgebers – möglicherweise andere Gründe nachzuschieben – schließen einen konkludenten Verzicht aus. Insbesondere bei Gründen, die der Arbeitnehmer vorsätzlich herbeigeführt hat, darf er nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber, wenn er schon einmal die Kündigung erklärt hat, diese Gründe im anschließenden Prozess nicht mehr nachschieben wird.407 Unterliegt der Arbeitgeber einem Irrtum, mit der freiwilligen Angabe von Kündigungsgründen einen Verzicht auf das Nachschieberecht zu erklären, ist dies ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum.408 Der Verzichtswille wird direkt der 404 

Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 66. Vgl. zu den Rechtsnachteilen bei Annahme einer Begründungspflicht Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 29 f. 406  Siehe oben B.I.1.a)aa). 407  Vgl. BGH 5. 5. 1958 – II ZR 245/56, BGHZ 27, 220, Rn. 11 (dies allerdings im Rahmen einer Prüfung, ob sich nach Treu und Glauben eine Beschränkung auf den zunächst angegebenen Kündigungsgrund ergibt). 408  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(3)(d). 405 

140

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Erklärung des Arbeitgebers (der Kündigungserklärung) entnommen.409 Der Arbeitgeber ist sich durchaus bewusst, dass er mit der Kündigung an sich etwas rechtlich Erhebliches erklärt; aus diesem Grund fehlt nicht das Erklärungsbewusstsein. (2) Durch eine Nichtausübung des Nachschieberechts Ergibt die Auslegung der Kündigungserklärung, dass der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf die Nichtausübung des Nachschieberechts vertrauen durfte, bedeutet dies aber nicht, dass ein schutzwürdiges Vertrauen nicht durch späteres Verhalten entstehen kann, indem der Arbeitgeber auch nach Ausspruch der Kündigung und in einem anschließenden Prozess sich zu lange Zeit lässt, Gründe nachzuschieben. Diese späteren Umstände können nicht im Rahmen der Auslegung der etwaigen in der Angabe der Kündigungsgründe liegenden Verzichtserklärung berücksichtigt werden. Nach dem Zugang einer Willenserklärung eingetretene Umstände sind grundsätzlich unerheblich.410 Umgekehrt kann aber die Angabe nur bestimmter Gründe bei Ausspruch der Kündigung als zu berücksichtigender Umstand bei der Auslegung gewertet werden, ob in der langen Nichtausübung des Nachschieberechts ein konkludenter Verzicht liegt. Die Verzichtserklärung ist dann also nicht schon in der Kündigungserklärung enthalten, sondern erst in der langen bewussten Nichtausübung des Nachschieberechts nach Ausspruch der Kündigung. Diesbezüglich ist vom Arbeitgeber dann noch stärker zu erwarten, dass er sich zu den anderen Gründen irgendwie äußert, wenn er sicherstellen möchte, dass er sein Nachschieberecht nicht verliert.411 Die lange Nichtausübung des Nachschieberechts während eines laufenden Prozesses kann also als ein konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht ausgelegt werden. Darin liegt nicht zugleich ein konkludenter Verzicht auch auf das Kündigungsrecht. Dieser kommt erst dann in Betracht, wenn sogar nach dem Unterliegen im Prozess der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fortsetzt und sein Kündigungsrecht aufgrund des anderen Grundes lange Zeit nicht ausübt. Dann ist die Nichtausübung des Nachschieberechts im vorherigen Prozess nur ein beim Verzicht auf das Kündigungsrecht zu berücksichtigender Umstand.

409 

Vgl. oben C.I.1.a)aa)(3)(d); Waltermann, RdA 2006, 257, 265. § 133 BGB Rn. 5, 55 m. w. N. 411  Vgl. oben C.II.3.b)bb)(1). 410 MüKoBGB/Busche,

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 141

cc)  Konsequenzen eines konkludenten Verzichts auf das Nachschieberecht (1) Keine unbillige Schlechterstellung Zum Teil wird die Beschränkung im Nachschieben von Gründen als eine unbillige Schlechterstellung des freiwillig begründenden gegenüber dem nicht begründenden Kündigungserklärenden beurteilt.412 Das Argument, dass freiwillige bewusste Handlungen nicht zu belastenden Konsequenzen führen dürfen, ist allerdings nicht überzeugend. Überspitzt formuliert würde so gesehen das gesamte Vertragsrecht, das Nachteile für den Erklärenden auslöst, eine Schlechterstellung des freiwillig Handelnden bedeuten. Die Diskussion über das fehlende Erklärungsbewusstsein macht deutlich,413 dass den Handelnden eine gewisse Sorgfaltspflicht trifft. Mit anderen Worten: Sobald der Arbeitgeber sich zum Handeln entscheidet, muss er bereit sein, darauf folgende Konsequenzen zu tragen. Zudem bleibt unter Umständen die Möglichkeit einer Anfechtung, wenn der freiwillig Handelnde sich nicht der Konsequenzen bewusst ist.414 Durch die Ausnahmen von einem konkludenten Verzicht und die Möglichkeit einer erneuten Kündigung wird der Arbeitgeber nicht derart belastet, dass er unbillig schlechter gestellt wird. Auf diese Weise werden die Interessen beider Vertragsparteien angemessen gewürdigt. Wenn als Konsequenz nur die erneute Erklärung der Kündigung gefordert wird, dann belastet dies den Arbeitgeber insofern, als er einen Prozess verliert, den Arbeitnehmer erst zu einem späteren Zeitpunkt kündigen kann – außerordentlich allerdings nur, wenn die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht abgelaufen ist – und ihm dementsprechend bis dahin weiterhin Lohn schuldet.415 Die Belastung ist dadurch wieder etwas gemildert, dass in der Geltendmachung eines neuen Grundes die erneute Kündigungserklärung gesehen werden kann, worauf im Folgenden näher einzugehen ist.416 Der Arbeitnehmer kann die Klage dann erweitern und würde, wenn der neue Kündigungsgrund einer richterlichen Überprüfung standhält, den Prozess zum Teil gewinnen, zum Teil 412 

Lent, AcP 152, 401, 411. Siehe zum fehlenden Erklärungsbewusstein oben B.I.1.a)bb). 414  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(3)(d). 415 Vgl. zu den Rechtsnachteilen bei Annahme einer Begründungspflicht Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 29 f.; siehe auch zu den Nachteilen des Erfordernisses einer Nachkündigung: Nägele-Berkner, NZA 2016, 19: Verschiebung des Kündigungstermins, Gefahr Ablauf der Frist von § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB, Gefahr der zwischenzeitlichen tariflichen Altersgeschütztheit oder Wahl des betroffenen Arbeitnehmers zum Betriebsratsmitglied. 416  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 28 f.; Lent, AcP 152, 401, 411 f.; siehe ausf. C.II.3.b)cc)(2). 413 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

verlieren. Der Beendigungszeitpunkt würde dann zugunsten des Arbeitnehmers hinausgeschoben, sein Arbeitsverhältnis wird im Endergebnis aber dennoch beendet. Im Ergebnis führt das zu einem gerechten Ausgleich der Interessen beider Parteien. Beide Seiten müssen Vor- und Nachteile tragen. Zudem würde der Arbeitgeber seines Rechts auf ein Nachschieben von Gründen nicht in jedem Fall entledigt; u.a. ist ein Vertrauendürfen zwingend und erst später bekannt gewordene Gründe bleiben nachschiebbar.417 (2) Auslegung der Nachschiebeerklärung als neue Kündigungserklärung Den Arbeitgeber bei ihm bekannten Gründen, die er zur Auswechslung oder Ergänzung heranzieht, zu zwingen, eine erneute Kündigung auszusprechen, stellt keine Gefahr für die Prozessökonomie dar.418 Im Auswechseln oder Ergänzen kann eine erneute Kündigungserklärung gesehen werden – ohne dass der Arbeitgeber zugleich hilfsweise ausdrücklich eine erneute Kündigung aussprechen muss.419 Der Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den neuen Kündigungsgrund wiederum kann als eine Erweiterung seines Antrages verstanden werden.420 Das BAG und der BGH fassen die Berufung auf einen neuen Kündigungsgrund in der Regel als neue Kündigung auf.421 Vorteil dieser Ansicht ist, dass es zu keinem neuen Prozess und damit zu keiner übermäßigen Belastung der Arbeitsgerichte kommen muss. Dagegen wird jedoch eingewandt, dass dem Gekündigten eindeutig erkennbar sein müsse, dass wegen des neuen Kündigungsgrundes eine neue Kündigung erklärt wird.422 Bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er vorrangig den anderen Kündigungsgrund nachschieben möchte und nur vorsorglich, d. h. im Fall der Nichtzulassung des Nachschiebens, eine erneute Kündigung ausspricht, liegt 417 

Knütel, NJW 1970, 121, 123 m. w. N. A. A. Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 66; Gravenhorst, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 4. 419  Sog „Prozesskündigung“, vgl. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 205; zur „Schriftsatzkündigung“ im Kündigungsschutzprozess Weidemann, NZA 1989, 246. 420 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 206 m. w. N. 421  BAG 3. 5. 1956 – 2 AZR 388/54, BAGE 3, 13, Rn. 13 (noch offen gelassen in BAG 15. 12. 1955 – 2 AZR 228/54, BAGE 2, 245, Rn. 19); BGH 28. 4. 1960 – VII ZR 218/59, DB 1960, 1507, Rn. 67. Auch in der Lit. wird im Vorbringen des neuen Grundes eine erneute Gestaltungserklärung gesehen, siehe Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 28 f.; Lent, AcP 152, 401, 411 f., 416 f.; Becker, AcP 188, 24, 50 Fn. 76; vgl. auch die Diskussion im Verwaltungsrecht Schenke, Verwaltungsprozessrecht, § 20 V 2 Rn. 815 m. w. N. 422 APS/Preis, Grundlagen D Rn. 30; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 205; SPV/ Preis Rn. 95 Fn. 104; Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 61 f. Eine eindeutige Erklärung lag der Entscheidung des BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn. 4 zugrunde. 418 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 143

eine derartige eindeutige Erklärung vor. Einer vorsorglichen erneuten Kündigung steht die Bedingungsfeindlichkeit einer Kündigung nicht entgegen.423 Statt einer Auslegung könnte eine Umdeutung des Nachschiebens in eine neue Kündigung stattfinden. Auch wenn das Nachschieben, wie bereits erörtert, eher eine Prozesshandlung darstellt,424 steht dies einer Umdeutung in eine Willenserklärung nicht entgegen.425 Die Konstellation ist vergleichbar mit der Problematik einer Auslegung oder Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung. Auch dabei bevorzugt der Arbeitgeber eine Beendigung zu einem früheren Zeitpunkt; falls dies jedoch nicht möglich ist, möchte er das Arbeitsverhältnis zumindest zu einem späteren Zeitpunkt beenden können. Eine Abgrenzung, wann eine Auslegung und wann eine Umdeutung zur Anwendung kommt, ist nicht immer einfach, jedoch notwendig.426 Die Auslegung genießt gegenüber der Umdeutung Vorrang.427 Die Nachschiebeerklärung ist also gem. §§ 133, 157 BGB zunächst auszulegen, ob sie zugleich eine zumindest hilfsweise erklärte neue Kündigung enthält. Es kommt darauf an, wie der Kündigungsempfänger die Kündigungserklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste.428 Zu einer Auslegung darf es also nur kommen, wenn aus Sicht des objektiven Empfängers der Erklärung zu entnehmen ist, dass der Kündigende unter jedem Umstand den neuen Kündigungsgrund einbringen möchte, gleichgültig ob zur Stützung der ursprünglichen Kündigungserklärung oder einer neuen. Die Frage der Umdeutung stellt sich erst, wenn dies dem Erklärten nicht zu entnehmen ist, dem Arbeitnehmer aber nach objektivem Empfängerhorizont erkennbar war, dass der Arbeitgeber eine erneute Kündigung ausgesprochen hätte, wenn ihm bewusst gewesen wäre, dass er mit der ursprünglichen Kündigung, gestützt nur auf die zunächst genannten Gründe, keinen Erfolg haben würde.429 § 140 BGB dient der Durchsetzung des mutmaßlichen Willens der Parteien.430 Entscheidend ist der hypothetische, dem Arbeitnehmer erkennbare Wille des Arbeitgebers, das 423 APS/Preis, Grundlagen D Rn. 17 m. w. N.; MünchArbR/Wank, § 96 Rn. 36 m. w. N.; zur Bedingungsfeindlichkeit von Kündigungen ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 22; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 13 ff.; Moll/Vossen, MAH ArbR, § 42 Rn. 11 f. 424  Siehe oben C.II.3.b)aa). 425  Vgl. BGH 24. 10. 1984 – IVb ZR 35/83, NJW 1985, 1962; HK-BGB/Dörner, § 140 BGB Rn. 9; Zeiss, Zivilprozessrecht, Rn. 217 m. w. N. 426 MüKo/Busche, § 140 BGB Rn. 3. 427 APS/Biebl, § 13 KSchG Rn. 35; KR/Friedrich/Rinck, § 13 KSchG Rn. 69. 428 APS/Biebl, § 13 KSchG Rn. 35 m. w. N.; KR/Friedrich/Rinck, § 13 KSchG Rn. 69 m. w. N. 429  Vgl. zum Verhältnis Auslegung und Umdeutung bei außerordentlicher und ordentlicher Kündigung BeckOK ArbR/Volkening, § 13 KSchG Rn. 15. 430  BAG 15. 11. 2001 – 2 AZR 310/00, NJW 2002, 2972 m. w. N.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Arbeitsverhältnis auf jeden Fall zu beenden.431 Einer besonderen Erklärung des Kündigenden bedarf es zur Umdeutung nicht. Der unstreitige Tatbestand und der Sachvortrag der Parteien müssen nur ausreichend Tatsachen beinhalten, aus denen ein mutmaßlicher Wille des Kündigenden gefolgert werden kann.432 Das Schriftformerfordernis aus § 623 BGB wäre bei schriftlichen Erklärungen, die vom Kündigenden oder dessen Bevollmächtigten eigenhändig unterschrieben und für den Kündigungsempfänger bestimmt sind oder wenn der Kündigungsempfänger eine für das Gericht bestimmte eigenhändig unterzeichnete Urschrift als mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Abschrift erhält, im Prozess ebenfalls gewahrt.433 Problematisch ist die Einhaltung von § 623 BGB nur, wenn der Kündigende ausschließlich mündlich im Prozess die anderen Gründe vorträgt. Es reicht nicht, die Kündigung in der mündlichen Verhandlung lediglich zu Protokoll zu erklären.434 Die Prozessvollmacht ist für eine erneute Kündigung auf Seiten des Kündigenden zu erweitern.435 Auf Empfängerseite wird die Kündigung erst dann wirksam, wenn sie der Partei selbst und nicht ihrem Prozessbevollmächtigten zugeht.436 Lässt man eine Auslegung oder Umdeutung der Nachschiebeerklärung in eine erneute Kündigungserklärung zu, dann stellt sich die Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Schadensersatzanspruch zu gewähren ist. Es ist für ihn zwar möglich, die Klage kostengünstig zu erweitern.437 Selbst wenn es zu keiner Streitwerter431  Vgl. zur Umdeutung von einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung APS/Biebl, § 13 KSchG Rn. 37 m. w. N. 432  BAG 15. 11. 2001 – 2 AZR 310/00, NJW 2002, 2972, Rn. 22. 433  Siehe ausf. SPV/Preis Rn. 109 ff. m. w. N.; APS/Greiner, § 623 BGB Rn. 17b; a. A. MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 358. Erforderlich ist aber, dass der Beglaubigungsvermerk vom Verfasser des Schriftsatzes, der die Kündigung enthält, eigenhändig unterzeichnet ist (APS/Greiner, § 623 BGB Rn. 17b m. w. N.; SPV/Preis Rn. 111 m. w. N.). 434 APS/Greiner, § 623 BGB Rn. 25. 435 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 207 m. w. N.; SPV/Preis Rn. 112 m. w. N.; Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 62; allerdings anders bei einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO u. a. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn.  208 m. w. N. 436 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 207 (zu Klagen nach §§ 13 Abs. 1, 4 KSchG), der das Gelangen in den Machtbereich für ausreichend hält. Preis nimmt hingegen erst einen Zugang an, wenn die Partei Kenntnis erlangt hat (SPV/Preis Rn. 114). Das BAG geht davon aus, dass die Prozessvollmacht, aufgrund derer eine Kündigung mit der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO angegriffen wird, den Prozessbevollmächtigten zur Entgegennahme aller Kündigungen, die den mit dem Fest-stellungsantrag verbundenen weiteren Streitgegenstand betreffen, bevollmächtige; es komme nicht darauf an, ob und wann die Kündigung auch dem Arbeitnehmer selbst zugegangen sei (BAG 21. 1. 1988 – 2 AZR 581/86, BAGE 57, 231). 437  Die Bestimmung des Streitwerts bei mehreren, innerhalb eines Prozesses angegriffenen Kündigungen ist allerdings umstr.; siehe eine Darstellung der verschiedenen

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 145

höhung kommt, ist dennoch zu berücksichtigen, dass, wenn der Arbeitgeber von Anfang auch den anderen Grund genannt hätte, der Arbeitnehmer unter Umständen gar keine Klage erhoben hätte und ihm somit gar keine Rechtsverfolgungskosten entstanden wären.438 4.  Außerrechtsgeschäftlich Zu untersuchen sind Schutzlücken für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung. Das BAG hat bereits in seiner Entscheidung vom 30. 1. 1963 angedeutet, dass bei Ersetzung eines Kündigungsgrundes durch einen anderen bekannten und zunächst bewusst nicht genannten Kündigungsgrund je nach den Umständen dieser Kündigungsgrund als verwirkt oder verziehen anzusehen ist.439 Die Figur der „Verzeihung“ wurde bereits abgelehnt.440 Diskussionswürdig sind in diesem Zusammenhang also nur die Verwirkung oder ein Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum proprium durch das Auswechseln von Gründen. Zu unterscheiden ist auch hier zwischen dem Nachschieberecht und dem Kündigungsrecht.441 Eine Verwirkung des Nachschieberechts hat nicht automatisch eine Verwirkung des Kündigungsrechts zur Folge. Umgekehrt liegt in der Verwirkung des Kündigungsrechts aber eine Verwirkung des Nachschieberechts. Abzugrenzen ist die Verwirkung nachgeschobener Gründe von der Verwirkung, die dadurch eintritt, dass der Arbeitgeber die Kündigung überhaupt nicht ausspricht.442 a)  Verwirkung bei einer außerordentlichen Kündigung § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Verwirkungstatbestands dar; somit hat die allgemeine Verwirkung im Rahmen einer

Ansichten u. a. Zintl/Naumann, NZA-RR 2014, 1. Aufgrund der uneinheitlichen bundesweiten Rspr. wurde eine Streitwertkommission zur Erarbeitung eines einheitlichen – zwar unverbindlichen, aber der Orientierung dienenden – Streitwertkatalogs eingerichtet (NZA 2014, 745). 438  Einen Schadensersatzanspruch ebenfalls für möglich haltend NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 287. 439  BAG 30. 1. 1963 – 2 AZR 143/62, DB 1963, 555. Zu berücksichtigen ist, dass die oben genannte Entscheidung des BAG von 1963 stammt, die Ausschlussfrist jedoch erst durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14. 8. 1969 in § 626 BGB aufgenommen wurde; zur Entstehungsgeschichte MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 3. 440  Siehe oben C.I.1.a)bb)(1). 441  Vgl. auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 245; zur Verwirkung des Rechts zur Nachschiebung siehe auch NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 288. Deeg hält das Nachschieben von Kündigungsgründen für keine eigenständige verwirkbare Rechtsposition (Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 322 f.). 442  Siehe dazu oben C.I.1.a)bb)(2).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

außerordentlichen Kündigung keine Bedeutung.443 Aus § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB wird nicht gefolgert, dass das Nachschieben eines Kündigungsgrundes zwingend innerhalb von zwei Wochen nach seinem Bekanntwerden erfolgen muss. Die Ausschlussfrist ist vielmehr eingehalten, wenn der Kündigende einen Grund nachschiebt, von dem er nicht länger als zwei Wochen vor der Kündigung Kenntnis erlangt hat.444 Ansonsten würde die Ausschlussfrist ausgehöhlt.445 Gründe, die dem Kündigenden länger als zwei Wochen vor der Kündigung bekannt waren, dürfen allerdings auch dann unterstützend zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden, wenn die früheren Vorgänge mit den innerhalb der Ausschlussfrist bekannt gewordenen derart im Zusammenhang stehen, dass die neuen Vorgänge ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bilden, die zum Anlass der Kündigung genommen worden sind.446 Ist dies nicht der Fall, dürfen diese Gründe weder nachgeschoben noch für eine weitere Kündigung herangezogen werden. Bei einem so engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang im Sinne eines sog. Dauertatbestands wird der Arbeitgeber allein schon dadurch geschützt, dass die Frist aus § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erst mit dem letzten Vorfall beginnt.447 Es reicht also allein noch nicht aus, dass es sich um gleichartige Verfehlungen handelt,448 sondern es ist immer im nächsten Schritt zu prüfen, ob die früheren Vorgänge mit den innerhalb der Ausschlussfrist bekannt gewordenen in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.449 Zuzugeben ist, dass es sich bei dem Kriterium „enger sachlicher Zusammenhang“ um ein wenig praktikables handelt.450 Aufgrund des Zwecks, eine Vereitelung von § 626 Abs. 2 BGB zu verhin443 

Siehe oben B.II.2.a) und C.I.1.a)bb)(2)(a). BAG 17. 8. 1972 – 2 AZR 415/71, AP Nr. 65 zu § 626 BGB; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 354 m. w. N.; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 190 f. m. w. N.; MünchArbR/ Wank, § 98 Rn. 131 m. w. N.; ausf. Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 72 ff. m. w. N.; siehe zur Ansicht, die in jedem wichtigem Grund ein selbstständiges Kündigungsrecht ausmacht: Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 68 m. w. N. 445  BAG 10. 4. 1975 – 2 AZR 113/74, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 37, Rn. 14; HWK/Sandmann, § 626 BGB Rn. 68; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 131. 446  BAG 17. 8. 1972 – 2 AZR 359/71, BAGE 24, 383; BAG 10. 4. 1975 – 2 AZR 113/74, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 37; BAG 15. 3. 2001 – 2 AZR 147/00, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 185, Rn. 15; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 200 m. w. N.; MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 127, 321 m. w. N.; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 131; Ittmann, ArbRAktuell 2011, 6; dies krit. sehend u. a. APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 123a; SPV/Preis Rn. 545; Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 77 ff. 447 ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 212 ff.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 133 ff. 448  A. A. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 201. 449  BAG 15. 3. 2001 – 2 AZR 147/00, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 185, Rn. 15. 450 APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 123a; vgl. auch Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 77 ff.; gegen dieses Kriterium und deswegen 444 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 147

dern, sind an einen solchen Zusammenhang strenge Anforderungen zu stellen. Im Urteil vom 10. 4. 1975 lehnte das BAG den inneren Zusammenhang z. B. ab: „Die innerhalb der Zweiwochenfrist liegenden Nachlässigkeiten des Klägers, Aktenschränke nicht zu verschließen, stehen mit den bereits verfristeten Vorwürfen der Beklagten, der Kläger habe seine Zuständigkeiten überschritten (Postschecks) oder habe Indiskretionen begangen (Privatpost geöffnet), nicht in einem derartigen inneren Zusammenhang, daß sie sich wie eine Kette zu einem Gesamtverhalten zusammenfügen lassen.“451

Im vorliegenden Zusammenhang gilt ebenfalls, dass § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB den Vorrang der Rechtsgeschäftslehre nicht aushebeln.452 Auch wenn es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, sollte vorrangig – zumindest gedanklich – immer eine Prüfung eines Verzichts des Arbeitgebers auf das Kündigungsrecht oder das Nachschieberecht stattfinden. Ein möglicher konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht durch die Angabe nur von bestimmten Gründen lässt § 626 Abs. 2 BGB in diesem Zusammenhang nicht leerlaufen. Liegt ein konkludenter Verzicht aus den oben genannten Gründen nicht vor, kann § 626 Abs. 2 BGB zur Anwendung gelangen. Die Kenntnis oder vorsätzliches Handeln des Arbeitnehmers spielen im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB keine Rolle, das Gesetz stellt hier nur auf ein Zeitmoment ab und verzichtet auf ein Umstandsmoment.453 Kann ein konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht durch die Angabe von bestimmten Gründen angenommen werden, bietet der oben genannte Umgang mit § 626 Abs. 2 BGB, ein Nachschieben doch noch zu erlauben, wenn der Arbeitgeber von dem anderen Grund nicht länger als zwei Wochen vor der Kündigung Kenntnis erlangt hat oder wenn ein Zusammenhang besteht, allerdings keine Rettung mehr für den Arbeitgeber. Geht es um einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieberecht nicht durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung, sondern durch die spätere Nichtausübung

alle Umstände bei der Interessenabwägung berücksichtigen wollend u. a. Staudinger/Neumann, 12. Aufl., § 626 BGB Rn. 89. 451  BAG 10. 4. 1975 – 2 AZR 113/74, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 37, Rn. 14; offen gelassen in BAG 16. 6. 1976 – 3 AZR 1/75, DB 1976, 2358, Rn. 48: „Unverfristeter Kündigungsgrund ist die eigenmächtig verspätete Rückkehr aus dem Urlaub. Ein innerer Zusammenhang zwischen diesem Vorfall und dem Versäumen der Termine für die Rechtsmittelfristen lässt sich möglicherweise dann annehmen, wenn sämtliche Vorfälle als Ausdruck der Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit des Klägers zu deuten wären, anderenfalls nicht.“; bejaht BAG 15. 3. 2001 – 2 AZR 147/00, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 185, Rn. 15: „Verspätungen, unentschuldigtes Fehlen“; Verneinung eines derartigen inneren Zusammenhangs bei Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten einerseits und Hauptpflichten andererseits: LAG Baden-Württemberg 28. 3. 2007 – 12 Sa 81/06, NZA-RR 2007, 350. 452  Siehe oben C.I.1.a)bb)(2)(a). 453  Siehe oben C.I.1.a)bb)(2)(a).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

des Nachschieberechts,454 sind Situationen denkbar, in denen § 626 Abs. 2 BGB schon vorher zu einem Ausschluss des Nachschieberechts führt. Rechtsfolge des § 626 Abs. 2 BGB ist aber auch der Ausschluss des Kündigungsrechts, nicht nur des Nachschieberechts. Da ein Verzicht auf das Kündigungsrecht in diesem Zusammenhang allenfalls bei einem beanstandungsfreien Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses nach einem Prozess vertretbar erscheint,455 kann schon vorher die Ausschlussfrist hinsichtlich des außerordentlichen Kündigungsrechts zum Tragen kommen. Das Gesetz trifft hier die Entscheidung, dass in einem solchen Fall trotzdem das außerordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen bzw. „verwirkt“ sein soll, unabhängig von einem tatsächlichen Umstandsmoment. Geht es um die Frage, ob eine neue außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden kann und nicht nur um das Nachschieberecht, kann von einer Wahrung der Ausschlussfrist hinsichtlich einer neuen Kündigung wegen der anderen bekannten Gründe auch nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber die neue Kündigung wegen eines Grundes erklärt, von dem er nicht länger als zwei Wochen vor der ersten Kündigung Kenntnis erlangt hat. Erst recht trifft dies für noch länger bekannte Gründe zu. Steht fest, dass das Nachschieberecht nicht mehr ausgeübt werden kann, es also einer neuen Kündigung wegen der anderen Gründe bedarf, ist das Argument nicht mehr einschlägig, dass § 626 Abs. 2 BGB sich allein auf die Ausübung des Kündigungsrechts als solches und nicht auf den einzelnen Kündigungsgrund beziehe.456 Ist dem Arbeitgeber demnach eine neue außerordentliche Kündigung nicht mehr möglich, bleibt ihm aber unter Umständen die Möglichkeit des Ausspruchs einer neuen ordentlichen Kündigung. b)  Verwirkung des ordentlichen Kündigungsrechts Möchte der Arbeitgeber wegen der zunächst in der ersten Kündigung nicht genannten Gründe später eine neue Kündigung aussprechen, ist zu prüfen, ob das Kündigungsrecht hinsichtlich dieser zunächst nicht genannten Gründe verwirkt ist. Die Verwirkung des Kündigungsrechts stellt eine den Arbeitgeber härter treffende Folge dar als eine Verwirkung des Nachschieberechts. Nur bei der zweiten Alternative hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, eine neue Kündigung auszusprechen. Die Situation, in der der Arbeitgeber erst unter Angabe eines Grundes kündigt und später unter Angabe eines anderen Grundes kündigen möchte, und die Situation, in der der Arbeitgeber erst gar nicht kündigt und sich später doch zu einer 454  Siehe

oben C.II.3.b)bb)(2). Siehe oben C.II.3.a)cc)(2). 456  Ein solches Verständnis von § 626 Abs. 2 BGB vertreten u. a. APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 123a; SPV/Preis Rn. 545; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 131. 455 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 149

Kündigung entschließt, sind nicht ausreichend vergleichbar.457 Unterlässt der Arbeitgeber eine Kündigung, könnte das Umstandsmoment noch eher zu bejahen sein.458 Wenn der Arbeitgeber trotz eines Kündigungsgrundes von einer Kündigung absieht, kann dadurch beim Arbeitnehmer das Vertrauen entstehen, die Kündigung werde unterbleiben und es ist wahrscheinlich, dass dieser sich darauf einrichtet. Bei der ersten Konstellation hingegen kann es nicht um das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gehen, da eine Kündigung vorliegt.459 Tangiert ist vielmehr das Vertrauen auf das Unterbleiben einer neuen Kündigung aus einem anderen, schon im Kündigungszeitpunkt vorliegenden und bekannten Grund. Beruft der Arbeitgeber sich in einem direkt an die Kündigung anschließenden Prozess auf die anderen Gründe,460 scheint die Bejahung eines Zeit- und Umstandsmoments für die Verwirkung des Kündigungsrechts also ausgeschlossen. Zudem wurde eine Schutzlücke für die Verwirkung in der Fallgruppe des Absehens von einer Kündigung angezweifelt, da es bei Ablehnung eines konkludenten Verzichts meist auch an einem genügenden Umstandsmoment fehlt.461 Ist ein Umstandsmoment sogar in dieser Fallgruppe kaum denkbar, muss dies erst recht für die Frage der Selbstbindung an die Angabe von Gründen gelten. Eine Verwirkung könnte eher dann zum Tragen kommen, wenn der Arbeitgeber auch im Kündigungsschutzprozess sich nicht auf den anderen Kündigungsgrund beruft, sondern erst nach dem Prozess. Dann scheint der Vertrauensschutz als so dringend, dass das Interesse des Berechtigten an der Durchsetzung seines Rechtes demgegenüber zurücktreten muss. In diese Richtung ging die Argumentation des LAG Sachsen-Anhalt in seiner Entscheidung vom 14. 5. 1997.462 Das LAG bejahte das Zeitmoment, weil die Arbeitgeberin den Kündigungsgrund mehr als zwei Jahre auf Vorrat gehalten habe. Auch das Umstandsmoment sah es als gegeben an: Ein Arbeitgeber, der eine Kündigung nur auf einen von mehreren denkbaren und ihm bekannten Gründen stütze, gebe zumindest konkludent zu erkennen, dass er den weiteren Kündigungsgrund bzw. die weiteren Gründe nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen wolle. Darauf könne und dürfe sich ein Arbeitnehmer einrichten. Anderenfalls hätte es der Arbeitgeber in der Hand, Arbeitsverhältnisse dauerhaft mit einer Kündigung zu bedrohen, was mit Art. 12 457 

Vgl. oben C.I.1.a). Siehe auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 250. 459  Vgl. auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 245. 460  Gem § 4 Satz 1 KSchG muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben. Gem § 61a ArbGG gilt eine besondere Prozessförderung in Kündigungsverfahren. 461  Siehe oben C.I.1.a)bb)(2)(b)(cc). 462  LAG Sachsen-Anhalt 14. 5. 1997 – 5 Sa 588/96; zusammengefasst in der nachfolgenden Entscheidung des BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 35. 458 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Abs. 1 GG, der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 Abs. 1 GG) und dem aus § 626 Abs. 2 BGB, § 4 KSchG ableitbaren Grundsatz, dass hinsichtlich einer (möglichen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung möglichst bald Rechtsklarheit bestehen solle, nicht vereinbar wäre. Das BAG folgte dem LAG jedoch nicht und ging in seiner Entscheidung vom 20. 8. 1998 von keiner Verwirkung aus.463 Dadurch dass die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nicht beanstandungsfrei fortgesetzt habe, nachdem sie dem Arbeitnehmer bereits am 6. 6. 1994 gekündigt habe, verneinte das BAG das Umstandsmoment. Der Arbeitnehmer habe nicht darauf vertrauen können, die Arbeitgeberin wolle sich auf den zuerst genannten Kündigungsgrund beschränken. Sei einem Arbeitnehmer durch eine Kündigung ein Trennungswille deutlich gemacht worden, könne er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde keine weiteren Gründe nachschieben oder aus solchen Gründen nicht erneut kündigen.464 Das BAG sieht also sowohl bei der Überprüfung des Umstandsmoments einer Verwirkung des Nachschieberechts als auch des Kündigungsrechts grundsätzlich das Vertrauen des Gekündigten als kaum schutzbedürftig an. Eine Verwirkung zieht es eher dann in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei nach einem ersten Prozess zunächst fortgesetzt wird.465 Für einen Rückgriff auf die Verwirkung des Kündigungsrechts ist jedoch in einem solchen Fall keine Notwendigkeit wahrnehmbar. Vorrangig ist bei einem beanstandungsfreien Fortsetzen nach dem ersten Kündigungsschutzprozess von einem konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht hinsichtlich der bekannten, aber zunächst nicht genannten – weder in der ersten Kündigungserklärung noch im darauf folgenden ersten Prozess – Gründe auszugehen.466 Das BAG vermischt in diesem Urteil, wie bereits angemerkt, die Möglichkeit eines Verzichts und einer Verwirkung.467 Es fehlt somit bei ordentlichen Kündigungen an einer Schutzlücke für einen Rückgriff auf die Verwirkung. Entweder es kann in strengen Ausnahmefällen ein Verzicht auf das Kündigungsrecht angenommen werden oder aber es liegt aufgrund fehlenden schutzwürdigen Vertrauens weder ein Verzicht noch eine Verwirkung vor. Auch nach der Argumentation des LAG hätte ein Verzicht bejaht werden und ein Rückgriff auf die Verwirkung des Kündigungsrechts unterbleiben müssen. 463  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565; siehe zu dieser Entscheidung bereits oben u. a. C.I.1.a)bb)(2)(b)(bb) und C.II.3.a)cc)(1). 464  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 44; vgl. oben C.II.3.a)cc)(2). 465  BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 41, 44. 466  Siehe oben C.II.3.a)cc)(2). 467  Siehe oben C.II.3.a)cc)(1).

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 151

c)  Verwirkung des Nachschieberechts bei einer ordentlichen Kündigung aa)  Verwirkbarkeit des Nachschieberechts Die Verwirkung des Nachschieberechts wird mehrheitlich für möglich gehalten.468 Es ist richtig, dass das subjektive Recht eigentlich das Kündigungsrecht ist und das Nachschieben von Gründen sich in der bloßen Mitteilung des Sachverhalts erschöpft.469 Der Verwirkung unterliegen aber grundsätzlich alle subjektiven Rechte, Rechtsstellungen und (prozessualen) Befugnisse.470 Wie ein Verzicht auf das eigenständige Nachschieberecht möglich ist,471 muss dies auch für die Verwirkbarkeit gelten. Eine Verwirkung des Nachschieberechts und nicht des Kündigungsrechts an sich hat das LAG Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 15. 11. 1995 zugrunde gelegt: „Das Recht zum Nachschieben von Kündigungsgründen unterliegt (wie die Ausübung des Kündigungsgestaltungsrechts selbst) der Verwirkung […] Das Institut der Verwirkung ist nicht auf Forderungen beschränkt. Auch die Geltendmachung oder Ausübung anderer Rechte kann verwirkt werden.“472

Im Fall des LAG kündigte das beklagte Land der Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 26. 8. 1991 ordentlich mit der Begründung „mangelnden Bedarfs“. Am 26. 9. 1991 erhob die Gekündigte Klage. Im Schriftsatz vom 11. 3. 1992 berief sich das Land wieder auf den Bedarfsgrund. Erstmals mit Schriftsatz vom 26. 11. 1993 machte das Land geltend, die Arbeitnehmerin sei persönlich nicht geeignet. Das LAG lehnte das Nachschieben des Grundes der mangelnden persönlichen Eignung ab: Das Nachschieben eines dem Arbeitgeber bekannten Kündigungsgrundes zweieinviertel Jahre nach Ausspruch der Kündigung verstoße gegen Treu und 468  Vgl. auch KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 245; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 191; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 288; Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 68; Schwerdtner, ZIP 1981, 809, 811; a. A. Deeg, Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 322 f. 469  Siehe oben C.II.3.b)aa); Deeg hält das Nachschieben von Kündigungsgründen u. a. deswegen für keine eigenständige, verwirkbare Rechtsposition (Die Verwirkung im Individualarbeitsrecht, S. 322 f.). 470 Siehe oben allg. zur Verwirkung B.II.2.; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 56; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 358 ff. m. w. N. 471  Siehe oben C.II.3.b)aa). 472  LAG Sachsen-Anhalt 15. 11. 1995 – 3 Sa 1016/94, PersR 1996, 323 (dabei verweisend auf BGH 5. 5. 1958 – II ZR 245/56, BGHZ 27, 220; OLG Stuttgart 27. 2. 1979 – 12 U 171/77, WM 1979, 1296; KR/Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rn. 129; Schwerdtner, ZIP 1981, 811). Siehe auch Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 96. BAG 10. 10. 1996 – 2 AZR 552/95, ZTR 1997, 88, Rn. 23: „[…] so kann etwa einem Nachschieben von Kündigungsgründen Verwirkung entgegenstehen, wenn der Gekündigte die berechtigte Erwartung haben darf, der Kündigende wolle sich auf die zunächst angegebenen Kündigungsgründe beschränken […].“

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Glauben (Verwirkung, § 242 BGB), wenn der nachgeschobene Grund in keinem inneren Zusammenhang mit dem zunächst genannten stehe und der Arbeitnehmer sich in seiner Prozessführung auf den erstgenannten Grund eingestellt habe. bb)  Zeitmoment Das Zeitmoment sah das LAG Sachsen-Anhalt mit dem Ablauf der zweieinviertel Jahre als erfüllt an. Das Land sei vielmehr gehalten gewesen, alle aus seiner Sicht bestehenden Gründe im anschließenden Kündigungsschutzprozess „alsbald“ vorzubringen. Interessant ist dabei der Vergleich mit der damals geltenden zweijährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a. F.473 und der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124 BGB. (1) Orientierung an einer Verjährungsfrist Als Orientierungshilfe für die Bemessung des Zeitmoments bei der Verwirkung kann jedoch nur die maßgebliche Verjährungsfrist dienen.474 Gegenstand der § 196 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 BGB a. F. waren Lohnansprüche. Eine Heranziehung von Verjährungsfristen für Lohnansprüche betreffend die Verwirkung des Nachschieberechts von Kündigungsgründen scheint zweifelhaft. Das Kündigungsrecht kann nicht verjähren.475 Deswegen sind weder Spezialverjährungsfristen noch die regelmäßige Verjährungsfrist als Orientierungshilfe geeignet.476 Aus diesem Grund eignet sich diese auch nicht als Maßstab für die Verwirkung des Nachschieberechts von Kündigungsgründen. (2) Orientierung an § 124 BGB Die Zwei-Wochen-Frist aus § 626 Abs. 2 BGB hat auf § 124 BGB keinen Einfluss.477 Die Jahresfrist aus § 124 BGB kann aber allenfalls bei verhaltensbeding473  Außer Kraft, galt bis 31. 12. 2001. Diese lauteten: „(1) In zwei Jahren verjähren die Ansprüche: […] 8. derjenigen, welche im Privatdienst stehen, wegen des Gehalts, Lohnes oder anderer Dienstbezüge, mit Einschluß der Auslagen, sowie der Dienstberechtigten wegen der auf solche Ansprüche gewährten Vorschüsse; 9. der gewerblichen Arbeiter – Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter -, der Tagelöhner und Handarbeiter wegen des Lohnes und anderer anstelle oder als Teil des Lohnes vereinbarter Leistungen, mit Einschluß der Auslagen, sowie der Arbeitgeber wegen der auf solche Ansprüche gewährten Vorschüsse; […].“ 474  Siehe oben B.II.2.b); MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 364. 475 ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 16a. 476  Vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 366. 477  BAG 19. 5. 1983 – 2 AZR 171/81, AP Nr. 25 zu § 123 BGB; MüKo/Armbrüster, § 124 BGB Rn. 8 m. w. N. Im Gegensatz zu § 121 BGB: bei einem Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB wird der Begriff der „Unverzüglichkeit“ im Arbeitsrecht durch die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB konkretisiert (BAG 14. 12. 1979 – 7 AZR 38/78, NJW 1980, 1302;

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 153

ten ordentlichen Kündigungen wegen arglistiger Täuschungen oder Drohungen seitens des Arbeitnehmers bei Vertragsschluss als Richtschnur dienen, also in Situationen, in denen dem Arbeitgeber ein Wahlrecht zwischen dem Ausspruch einer Anfechtung oder einer Kündigung zusteht.478 Durch § 124 BGB bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er das Recht des Drohenden bzw. Täuschenden, schnellstmöglich über die Rechtslage Bescheid zu wissen, verhältnismäßig gering einschätzt.479 Gegen § 124 BGB als Richtschnur hinsichtlich der Verwirkung des Nachschieberechts von Gründen spricht, dass insbesondere in Kündigungsschutzverfahren eine Beschleunigung angestrebt wird.480 Die Orientierung an § 124 BGB lediglich unter dem Aspekt des Zeitmoments ist zudem inkonsequent. Angenommen, es handelte sich tatsächlich um einen Fall der arglistigen Täuschung über die persönliche Eignung, muss dies bei der Prüfung des Umstandsmoments Beachtung finden. Bei der Prüfung des Umstandsmoments einer Verwirkung des Anfechtungsrechts aus § 123 BGB wird das eigene Verhalten des Drohenden bzw. Täuschenden berücksichtigt. Dieser muss sich, außer bei ganz außergewöhnlichen Umständen, nach Treu und Glauben damit abfinden, dass der Bedrohte bzw. Getäuschte die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts auch nach einigen Monaten noch klageweise geltend macht.481 Das Zeitmoment steht untrennbar mit dem Umstandsmoment in Zusammenhang.482 (3) Zwischenergebnis Verjährungsfristen und die Anfechtungsfrist aus § 124 BGB eignen sich somit nicht als Richtschnur für das Zeitmoment der Verwirkung des Nachschieberechts. Trotz der Orientierung des LAG an der einjährigen Anfechtungsfrist und der zweijährigen Verjährungsfrist bleibt zudem unklar, was es unter dem von ihm selbst als Maßgabe aufgestellten „alsbald“ genau versteht. Die Orientierung würde die Rechtsunsicherheit bei der Bestimmung des Zeitmoments nur in geringem Umfang verringern. Bei der Ermittlung des Zeitmoments muss es – auch nach dem LAG – eher darauf ankommen, inwiefern die Arbeitnehmerin sich in ihrer Prozessführung nicht einrichten konnte. Zudem spielt die Möglichkeit und Zumutbarkeit des frühzeitigen Einführens in den Prozess für den Kündigenden eine Rolle. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 45 m. w. N.). Die Heranziehung von § 121 BGB bei der Bestimmung des Zeitmoments der Verwirkung des ordentlichen Kündigungsrechts bzw. Nachschieberechts würde somit indirekt zu einer widersprüchlichen Heranziehung von § 626 Abs. 2 BGB führen und ist somit abzulehnen. 478  Im Fall des LAG ging es um die mangelnde persönliche Eignung; für einen Täuschungsfall gibt es keine Anhaltspunkte. 479  BAG 6. 11. 1997 – 2 AZR 162/97, NZA 1998, 374, Rn. 19. 480  Siehe z. B. § 61a ArbGG. 481  BAG 6. 11. 1997 – 2 AZR 162/97, NZA 1998, 374, Rn. 19. 482  Siehe oben B.II.2.a).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

cc)  Umstandsmoment Das Umstandsmoment begründet das LAG damit, dass die Arbeitnehmerin sich darauf eingestellt habe, dass der Kündigungsgrund nicht mehr nachgeschoben werde. Möglicherweise hätte sie sich auf einen Rechtsstreit gar nicht eingelassen, wenn sie von Anfang an auch mit diesem Grund konfrontiert worden wäre. Diese Argumentation ist widersprüchlich. Auch das LAG teilt die Ansicht, dass die Begründung nicht zum notwendigen Inhalt der Kündigungserklärung gehört.483 Das mögliche Absehen von einem Rechtsstreit als Gesichtspunkt im Rahmen des Umstandsmoments heranzuziehen, müsste dazu führen, das Nachschieben von Gründen generell als unzulässig zu erachten. Denn auch ein direkt zu Prozessbeginn erfolgtes Nachschieben kann den begonnen Rechtsstreit nicht mehr aus der Welt schaffen. Zutreffend ist hingegen das Argument des LAG, die Arbeitnehmerin habe ihre Prozessführung auf den Kündigungsgrund „mangelnder Bedarf“ ausgerichtet. Durch das Verstreichen von zweieinviertel Jahren werde ihr eine sachgerechte Verteidigung im Hinblick auf den Kündigungsgrund „persönliche Ungeeignetheit“ unzumutbar erschwert. Dies stellt eine Disposition dar, die das Vertrauen in ein Nichtnachschieben zum Ausdruck bringt. Das Argument des gekündigten Arbeitsverhältnisses, um das Umstandsmoment aufgrund nicht schutzwürdigen Vertrauens zu verneinen, betrifft die Frage, ob der Arbeitnehmer auf das Ausbleiben einer weiteren Kündigung und nicht auf die Nichtausübung des Nachschieberechts vertrauen kann.484 Sollte der Kündigungsgrund allerdings tatsächlich auf einer arglistigen Täuschung des Arbeitnehmers beruhen, verringert dies die Schutzwürdigkeit des Vertrauens.485 Das LAG nimmt eine Verwirkung des Nachschieberechts aber nur bei fehlendem inneren Zusammenhang – wie im vorliegenden Fall zwischen den Kündigungsgründen „mangelnder Bedarf“ und „persönliche Ungeeignetheit“ – mit der zunächst gegebenen Begründung an. Zuzugeben ist auch hier, dass es sich 483  LAG Sachsen-Anhalt 15. 11. 1995 – 3 Sa 1016/94, PersR 1996, 323: „Denn beim Fehlen einer diesbezüglichen Vorschrift – wie hier – gehört die Begründung nicht zum notwendigen Inhalt der Kündigungserklärung.“. Dazu steht die Aussage des LAG zu § 57 Satz 2 BAT-O nicht im Widerspruch: „Diesem Interesse trägt auch die Vorschrift des § 57 S. 2 BAT-O Rechnung. Danach soll der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund angeben, damit der Angestellte weiß, woran er ist.“ Selbst bei einer Einschlägigkeit von § 57 Satz 2 BAT-O ist diese keine Vorschrift im oben genannten Sinn, sie ist eine Soll-Vorschrift. Die Nichtangabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben berührt daher nicht die Wirksamkeit der Kündigung (BAG 20. 1. 1994 – 8 AZR 24/93, BeckRS 1994, 30916082, Rn. 40). 484  Vgl. oben C.II.3.a)cc)(2) und C.II.3.a)b)bb); a. A. BAG 20. 8. 1998 – 2 AZR 736/97, ZTR 1998, 565, Rn. 44; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 245. 485  Vgl. oben C.II.3.b)bb)(1).

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 155

dabei um ein schwer praktikables Kriterium handelt.486 Eine solche Berücksichtigung dieses Aspekts bei der ordentlichen Kündigung würde jedoch im Einklang mit der gängigen Handhabung bei einer außerordentlichen Kündigung stehen, dass Gründe, die dem Kündigenden länger als zwei Wochen vor der Kündigung bekannt waren, auch dann unterstützend zur Rechtfertigung heranziehbar sind, wenn die früheren Vorgänge zu den innerhalb der Ausschlussfrist bekannt gewordenen in einem so engen sachlichen Zusammenhang stehen, dass die neuen Vorgänge ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bilden, die Anlass der Kündigung waren.487 dd)  Fehlende Schutzlücke Zweifelhaft ist allerdings, ob es überhaupt eines Rückgriffs auf die Verwirkung bedarf. Durfte der Arbeitnehmer bereits durch die Angabe der Gründe in der Kündigungserklärung darauf vertrauen, dass der Arbeitgeber keine anderen Gründe im laufenden Kündigungsschutzprozess nachschieben wird, ist dies schon im Rahmen der Auslegung eines konkludenten Verzichts auf das Nachschieberecht relevant. Kann ein konkludenter Verzicht bereits durch die Angabe von einzelnen Gründen bzw. die Nichtangabe anderer Gründe bejaht werden, gibt es keinen Anlass, eine Verwirkung des Nachschieberechts zu prüfen. Liegt in der Angabe der Gründe kein konkludenter Verzicht, weil der Arbeitnehmer nach den Auslegungsgrundsätzen nicht annehmen durfte, der Arbeitgeber werde von seinem Nachschieberecht keinen Gebrauch machen, ist aber zu prüfen, ob ein konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht durch eine spätere Nichtausübung gegeben ist.488 Ist ein solcher wegen fehlenden schutzwürdigen Vertrauens ebenfalls abzulehnen, ist es widersprüchlich, dennoch eine Schutzwürdigkeit im Rahmen der Verwirkung anzunehmen.489 Somit würde es auch in diesem Fall keinen Anlass für einen Rückgriff auf die Verwirkung geben. Das LAG Sachsen-Anhalt hätte also vorrangig auf einen konkludenten Verzicht abstellen müssen, bevor es auf die Verwirkung zurückgriff. Entweder kann schon die Angabe des Grundes (Bedarfsmangel) ein solcher Verzicht sein oder die spätere lange Nichtausübung des Nachschieberechts.

486 

Vgl. zu § 626 Abs. 2 BGB: APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 123a. Siehe oben C.II.4.a); BAG 10. 4. 1975 – 2 AZR 113/74, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 37; BAG 15. 3. 2001 – 2 AZR 147/00, EzA § 626 n. F. BGB Nr. 185, Rn. 15. 488  Siehe oben C.II.3.b)bb)(2). 489  Vgl. mit oben C.II.3.b)bb)(2); BGH 27. 6. 1957 – II ZR 15/56, BGHZ 25, 47, Rn. 13; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 389; Jauernig/Mansel, § 242 BGB Rn. 61. 487 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

d)  Auswechseln von Kündigungsgründen Durch das BAG bislang unbeantwortet geblieben ist die Frage, ob ein Auswechseln der Gründe im Prozess in dem Sinne, dass die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, möglich ist oder ob in einem solchen Fall derartige Gründe nur eine neue Kündigung rechtfertigen.490 Das BAG will allenfalls ein Nachschieben ausschließen und nicht die Möglichkeit einer erneuten Kündigung verneinen. Zudem bringt das BAG zum Ausdruck, dass es die prozessualen Grenzen des Nachschiebens nicht als ausreichenden Schutz betrachtet.491 Die Entscheidung ist als Hinweis auf eine mögliche Einschränkung des Nachschiebens von Gründen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben492 bzw. als Einordnung unter das Verbot des venire contra factum proprium493 interpretierbar. Im Unterschied zur oben untersuchten Verwirkung, die einen Spezialfall des widersprüchlichen Verhaltens darstellt, kommt es dabei nicht auf ein Zeitmoment an. 490 Siehe oben C.II.1.b); BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486; BAG 24. 3. 1982 – 7 AZR 956/79, BeckRS 1982, 05151, Rn. 27; BAG 20. 1. 1984 – 7 AZR 143/82, BeckRS 1984, 30710800, Rn. 26; BAG 23. 3. 1984 – 7 AZR 323/82, BeckRS 1984, 30711149, Rn. 37; BAG 4. 6. 1997 – 2 AZR 362/96, BAGE 86, 88, Rn. 27 (Allerdings ist zu beachten, dass es in diesen Fällen um ein Nachschieben von Gründen in der Berufungsinstanz ging.); BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn. 21; ebenfalls offen gelassen LAG Hessen 20. 9. 1999 – 16 Sa 2617/98, NZA-RR 2000, 413, Rn. 81; BeckOK BGB/Fuchs, § 626 BGB Rn. 61 m. w. N.; Ittmann, ArbRAktuell 2011, 6, 7. Die Möglichkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen auch dann als gegeben ansehend BGH 1. 12. 2003 – II ZR 161/02, BGHZ 157, 151; siehe auch OLG Stuttgart 22. 12. 2010 – 9 U 102/10, IPRspr. 2010, Nr. 30, 63, Rn. 53 m. w. N.; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 31; SPV/ Preis Rn. 96; Schliemann/Corts, § 620 BGB Rn. 546. Bei nachträglich bekannt gewordenen Kündigungsgründen ein unbeschränktes Nachschieben bejahend KR/Griebeling/ Rachor, § 1 KSchG Rn. 243; Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 95, ders. Zweifel aber bei bekannten Gründen in Rn. 96. 491  Vgl. Leitsatz 1 und 2 von BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486: „1. Kündigungsgründe, die bei Ausspruch einer Kündigung vorlagen, dem Kündigenden jedoch noch nicht bekannt waren, können im Laufe des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Stützung der Kündigung uneingeschränkt nachgeschoben werden. Die Ausschlußfrist des BGB § 626 Abs 2 ist dabei unbeachtlich, jedoch können die nachgeschobenen Kündigungsgründe nach ZPO § 529 als verspätet zurückgewiesen werden, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. 2. Es bleibt unentschieden, ob ein Auswechseln der Kündigungsgründe während des Verfahrens in dem Sinne, daß die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, möglich ist oder ob der Kündigende in diesem Falle eine neue Kündigung aussprechen muß.“ 492  Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen S. 21. 493  Vgl. BAG 24. 3. 1982 – 7 AZR 956/79, BeckRS 1982, 05151, Rn. 28: „Daß im vorliegenden Falle das Nachschieben als willkürlich oder als dem eigenen vorangegangenen Verhalten der Beklagten widersprechend gekennzeichnet werden könnte, ist nicht ersichtlich.“; Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 21 Fn. 107 m. w. N. Das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens ist ebenfalls auf prozessuale Befugnisse anwendbar (Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht, Rn. 220).

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 157

Das mögliche widersprüchliche Verhalten ist in diesem Fall das Auswechseln der Kündigungsgründe. Das BAG scheint von einem widersprüchlichen Verhalten, das geeignet ist, schutzwürdiges Vertrauen beim Arbeitnehmer auszulösen, nur dann auszugehen, wenn die Kündigung dadurch einen völlig anderen Charakter erhält. Im Folgenden ist zunächst der vage Begriff des „völlig anderen Charakters“ zu klären,494 bevor darauf eingegangen wird, ob überhaupt Schutzlücken bestehen oder ob solche Situationen nicht bereits durch die Rechtsgeschäftslehre abgedeckt werden. aa)  Völlig anderer Charakter (1) Vorgehensweise des BAG Das BAG spricht von „Extremfällen“, in denen dieses Kriterium zu bejahen wäre.495 Der Entscheidung von 1980 ist zu entnehmen, dass das BAG nicht von einem völlig anderen Charakter ausgeht, wenn es sich bei den ursprünglich geltend gemachten Kündigungsgründen und bei den neu erhobenen Vorwürfen um arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen gleicher oder doch ähnlicher Art im Leistungsbereich handelt.496 Einen völlig anderen Charakter lehnte es bei der nicht ordnungsgemäßen Führung der Buchungsunterlagen der Touristik-Abteilung und der Flugbuchung für Verwandte und Bekannte, ohne den Betrag hierfür zu kassieren, ab: Beide Fehlverhalten berührten erheblich die Vermögensinteressen der Kündigenden. 1982 hielt das BAG eine Beleidigung durch die Behauptung, der Arbeitgeber sei ständig betrunken, und den Vorwurf, der Arbeitnehmer fertige in seinem Haus Zahnersatz in Schwarzarbeit an, für gleiche Pflichtverletzungen und schloss somit einen völlig anderen Charakter aus.497 1997 sah das BAG den privaten Erwerb von Gegenständen auf Kosten des Arbeitgebers und die unberechtigte Einlösung eines Schecks als vergleichbare Pflichtverletzungen an, die sich beide gegen die Vermögensinteressen der Kündigenden richteten.498 2007 verneinte das BAG bei einer Situation, in der die Arbeitgeberin nach Ausspruch der Kündigung wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung der Lebensgefährtin eines Kunden den Kündigungsgrund des Spesen- und Arbeitszeitbetrugs nachgeschoben hatte, ebenfalls einen solchen Extremfall.499 Das BAG konnte also 494  Diese Abgrenzung als nicht praktikabel ansehend Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 64. 495  BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn. 21. 496  BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486, Rn. 19. 497  BAG 24. 3. 1982 – 7 AZR 956/79, BeckRS 1982, 05151, Rn. 27. 498  BAG 4. 6. 1997 – 2 AZR 362/96, BAGE 86, 88, Rn. 27. 499  BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn. 21. Es ging dabei wirklich um ein Auswechseln, den Vorwurf der sexuellen Belästigung hielt die Beklagte im Verlauf des Verfahrens nicht aufrecht.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

bisher aufgrund der Verneinung eines völlig anderen Charakters die Frage offen lassen, ob in einem solchen Fall das Nachschieben tatsächlich zuzulassen ist. (2) Vorgehensweise unterer Instanzen Den völlig anderen Charakter und damit eine Auseinandersetzung mit der Frage der Zulässigkeit des Nachschiebens haben bisher nur untere Instanzen bejaht. Das LAG Sachsen-Anhalt ist in seiner Entscheidung vom 11. 5. 2000 von einem völlig anderen Charakter ausgegangen, da es sich um nicht vergleichbare Pflichtverletzungen handele und hat damit das Nachschieben nicht zugelassen.500 In diesem Fall ging es jedoch um eine Arbeitnehmer- und nicht um eine Arbeitgeberkündigung. Ursprünglich hatte der Arbeitnehmer die fristlose Kündigung auf eine verspätete Auszahlung der Gehälter und Löhne gestützt und später auf eine Urkundenfälschung. Den bisherigen Entscheidungen des BAG zu dieser Thematik lagen ausschließlich Arbeitgeberkündigungen zugrunde. Manche vermuten, dass das BAG durch diese Art des Nachschiebens die Möglichkeit einer Gefahr für den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers zumindest nicht ausschließt.501 Die Formulierungen des BAG lassen aber keine ausdrückliche Beschränkung dieser Erwägung auf die Arbeitgeberkündigung erkennen. Im Bereich der außerordentlichen Kündigung wäre eine solche Beschränkung inkonsequent und würde eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstellen. Auch der Arbeitgeber gelangt bei einer außerordentlichen Kündigung in den Genuss von Kündigungsschutz, er ist in gleichem Maße schutzwürdig. Es müssen dieselben Voraussetzungen wie bei einer Arbeitgeberkündigung gegeben sein und es gelten dieselben Grundsätze der Vertragstreue, der Rechtssicherheit und des Ultima-Ratio-Prinzips.502 Bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitnehmer gibt es, bis auf die Geltung von Kündigungsfristen, keinen Kündigungsschutz für den Arbeitgeber. Das Problem des Nachschiebens von Gründen kann bei ordentlichen Kündigungen durch den Arbeitnehmer also keine Rolle spielen. Die Frage der Änderung des Charakters stellt sich nicht nur bei außerordentlichen Kündigungen, auch wenn sie vom BAG bisher nur auf diesem Gebiet aufgeworfen wurde. Das LAG Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 24. 6. 2015 mit dieser Problematik beschäftigt und bei einem Wechsel von verhaltensbedingtem zu betriebsbedingtem Grund einen völlig anderen Charakter bestätigt.503

500 

LAG Sachsen-Anhalt 11. 5. 2000 – 9 Sa 684/99, BeckRS 2000, 30784794. Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 64. 502 ErfK/Niemann, § 626 BGB Rn. 158 m. w. N.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 378 f. m. w. N.; Moll/Reinartz, MAH ArbR, § 44 Rn. 68 ff. 503  LAG Düsseldorf 24. 6. 2015 – 7 Sa 1243/14, LAGE § 1 KSchG Nr. 22. 501 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 159

(3) Kritik an der Vorgehensweise der Rechtsprechung Die oben genannten Entscheidungen schaffen keine Rechtsklarheit hinsichtlich eines völlig anderen Charakters.504 Eine Konkretisierung dadurch, dass es sich um Pflichtverletzungen gleicher oder doch ähnlicher Art im Leistungsbereich handelt, scheint nicht überzeugend. Ist nicht schon bei jedem Sachverhaltswechsel über einen Ausschluss des Nachschiebens nachzudenken, da es gerade der Sachverhalt ist, der den Charakter einer Kündigung prägt und der für den Kündigungsempfänger am wichtigsten ist? Eine Bestimmung lässt sich nur mit inhaltlichen Kategorien bewältigen.505 Birk umschreibt eine Charakteränderung bildlich damit, dass „das äußerliche juristische Kleid über einen ganz anderen Körper gestülpt werde“.506 Die materielle Substanz einer Kündigung werde vom Kündigungssachverhalt her bestimmt, also durch einen Komplex von Tatsachen, der sich sachlich und zeitlich von anderen tatsächlichen Vorgängen unterscheiden lasse.507 Habe ein nachträglich zur Begründung herangezogener Sachkomplex mit dem ursprünglich angeführten nichts zu tun, erhalte die Kündigung einen ganz anderen Charakter. Wenn die Sachverhalte in keinem Zusammenhang zueinander stehen, stelle die Kündigungserklärung nur noch eine „äußerliche Hülle“ dar.508 Bei fehlendem Zusammenhang fehle es an einer Legitimation durch den ursprünglich herangezogenen Tatsachenkomplex.509 Allerdings stellt sich dann die Folgefrage, wann von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist und wann nicht.510 Ein Zusammenhang lässt sich durch die Gleichartigkeit zweier Pflichtverletzungen bestimmen. Aber auch wenn zwei Pflichtverletzungen gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtet sind, ändert dies nichts daran, dass zwei verschiedene Handlungen vorliegen, die zu unterschiedlichen Zeiten vorgenommen wurden; dass die Kündigung nun auf 504  Dies auch hinsichtlich der BAG-Entscheidungen vom 18. 1. 1980 (7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486) und 24. 3. 1982 (7 AZR 956/79, BeckRS 1982, 05151) kritisierend Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 64. 505  Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 64; Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. 506  Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. Seine Ausführungen beziehen sich allerdings speziell auf die außerordentliche Kündigung. 507  Siehe auch Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 64, der aber i. E. ein Nachschieben zulässt. 508  Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. 509  Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. 510  Winterstein, Die Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen, S. 64 f. Aus diesem Grund lehnt er eine Einschränkung des Nachschiebens hier wegen Rechtsunsicherheit ab.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

einen ganz anderen Sachverhalt gestützt wird und dass der Gekündigte dadurch seine Prozessführung ändern muss. Wesentlich für den gekündigten Arbeitnehmer ist, gegen welche vorgebrachten Tatsachen er sich verteidigen muss. Dass es sich beim neuen Vorwurf um eine ähnliche Pflichtverletzung handelt, verhindert nicht, dass er sich darauf neu einstellen muss. Insbesondere beim Fall des BAG von 2007 bleibt unklar, warum ein völlig anderer Charakter abgelehnt wurde. Die Begründung, „weil ein solcher Extremfall jedenfalls nicht vorliegt“, ist wenig ergiebig.511 Eine sexuelle Belästigung der Lebensgefährtin eines Kunden und ein Spesenbetrug sind nicht miteinander vergleichbare Pflichtverletzungen und die Annahme eines Zusammenhangs scheint hier kaum begründbar. Das Abstellen auf einen Zusammenhang würde hier, beim widersprüchlichen Verhalten, wie bei der Verwirkung, zu Rechtsunsicherheiten führen. Es sollte davon Abstand genommen werden. Im Verwaltungsrecht lehnt die h. M. ein Nachschieben von Gründen, die schon im Erlasszeitpunkt vorlagen, zur Rechtfertigung eines Verwaltungsakts ab, wenn der Verwaltungsakt durch deren Berücksichtigung oder Änderung in seinem Wesen geändert und (oder) dem Betroffenen die Rechtsverteidigung dadurch unzumutbar erschwert wird.512 Auch im Verwaltungsrecht ist die Formel der Wesensänderung hinsichtlich ihres konkreten Inhalts offen und löst unterschiedliche Interpretationen aus.513 Der Nichtzulassung des Nachschiebens von Gründen soll auch dort Ausnahmecharakter zukommen.514 Dennoch ließe sich für das Arbeitsrecht eine Orientierung erwägen. Eine Wesensänderung wird im Verwaltungsrecht insbesondere bei der Stützung auf einen anderen Sachverhalt angenommen.515 Als Beispiel kann eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO dienen. Von einer Wesensänderung wird dabei z. B. ausgegangen, wenn die Gewerbeuntersagung zunächst mit der Nichtbeachtung von sicherheitsrechtlichen Bestimmungen begründet wurde, im Prozess die Untersagung aber auf Steuer511 

BAG 6. 9. 2007 – 2 AZR 264/06, NZA 2008, 636, Rn. 21. BeckOK VwGO/Decker, § 113 VwGO Rn. 26 m. w. N.; BeckOK VwVfG/Schemmer, § 45 VwVfG Rn. 36 m. w. N. Dies als paralleles Problem zum Auswechseln von Kündigungsgründen in einer arbeitsrechtlichen Kündigung ansehend Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 22; Birk, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 626 BGB Nachschieben von Kündigungsgründen. 513 Kopp/Schenke/Schenke, § 113 VwGO Rn. 64. 514  Schenke, NVwZ 1988, 1. 515 Kopp/Schenke/Schenke, § 113 VwGO Rn. 66; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, § 45 VwVfG Rn. 48 m. w. N.; BeckOK VwGO/Decker, § 113 VwGO Rn. 26.1.; Ehlers/Pünder/ Pünder, AllgVerwR, § 14 IV 4 Rn. 74; Schenke, NVwZ 1988, 1, 4; vgl. auch die Sozialrspr. LSG Sachsen-Anhalt 3. 11. 2009 – L 2 AS 361/09 B ER, BeckRS 2010, 69444, Rn. 27; „Eine nicht mehr von den Grundsätzen des sogenannten Nachschiebens von Gründen gedeckte Wesensänderung des Verwaltungsakts liegt vor, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird […].“ 512 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 161

hinterziehung gestützt wird.516 Demnach dürfte ein völlig anderer Charakter also nicht so schnell verneint werden, wie das BAG es vertritt.517 Es stellt sich insgesamt die Frage, ob die Herangehensweise, ein Nachschieben nur in Extremfällen nicht zuzulassen, haltbar und notwendig ist. Es ist rechtssicherer, bei einem Auswechseln des Sachverhalts im Grundsatz einen völlig anderen Charakter anzunehmen. bb)  Anderer Charakter auch bei einer Ergänzung Zum Teil wird die Ansicht vertreten, ein Verbot des „Auswechselns von Kündigungsgründen“ würde zu Rechtsunsicherheit führen, weil es oft unklar bleiben werde, ob es sich um einen völlig neuen Kündigungsgrund oder nur um eine Ergänzung des alten handele.518 Der bereits erwähnten Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 24. 6. 2015 lag in Wirklichkeit kein Fall des Auswechselns, sondern der Ergänzung von Gründen zugrunde.519 Bei der Wiedergabe des Beklagtenvortrages heißt es: „Jedenfalls sei die Kündigung als ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt.“520 Das erstinstanzliche Gericht hatte ebenfalls beide Gründe geprüft.521 Eine schwierige Abgrenzung zwischen Auswechseln und Ergänzung kann jedoch nicht dazu führen, generell das Nachschieben von völlig neuen Gründen zuzulassen. Vielmehr ist darüber nachzudenken, ob es auf diese Abgrenzung überhaupt ankommt und ob nicht der Schwerpunkt allein in der Frage nach einem völlig anderen Charakter liegt. Auch bei einer Ergänzung kann die Kündigung einen völlig anderen Charakter annehmen.522 Damit ist hier nicht das Vorbringen weiterer Tatsachen zur Konkretisierung und Erläuterung der in der Kündigungserklärung angegebenen Tatsachen gemeint, sondern die Angabe eines weiteren zusätzlichen Sachverhaltskomplexes. Zwar ist zuzugeben, dass bei einer Ergänzung um einen neuen Sachverhalt „das äußerliche juristische Kleid“ nicht „über einen ganz anderen Körper gestülpt“ wird, sondern der Körper zum Teil derselbe bleibt. Dennoch erfährt der „Körper“ eine wesentliche Änderung und zum Teil 516 Kopp/Schenke/Schenke,

§ 113 VwGO Rn. 66. Unterschied zum Verwaltungsrecht kann der Arbeitgeber die ursprüngliche Kündigung allerdings nicht einseitig zurücknehmen, eine „Rücknahme“ wird lediglich als ein Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesehen (APS/Hesse, § 4 KSchG Rn. 130; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 73 ff.); siehe oben C.I.1.a)bb)(3)(c). 518 LSW/Löwisch, § 1 KSchG Rn. 107. 519  Dies auch anmerkend Gravenhorst, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 4. 520  LAG Düsseldorf 24. 6. 2015 – 7 Sa 1243/14, LAGE § 1 KSchG Nr. 22, Rn. 26. 521  ArbG Solingen 23. 10. 2014 – 3 Ca 264/14, siehe die Darstellung bei LAG Düsseldorf 24. 6. 2015 – 7 Sa 1243/14, LAGE § 1 KSchG Nr. 22, Rn. 27. 522  Dies ablehnend Gravenhorst, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 4. 517 Im

162

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

besteht er aus einem anderen Sachverhalt. Es handelt sich nicht nur um eine bloße Aufbesserung der Gründe, sondern um eine inhaltliche Änderung. Der Arbeitnehmer muss nun nicht nur gegen den zuerst vorgetragenen Sachverhalt vorgehen, sondern seine Verteidigung überdies auf den neu vorgetragenen Sachverhalt umstellen. Die Schutzwürdigkeit des Gekündigten ist also bei jeder Änderung des Sachverhalts, sei es durch ein komplettes Auswechseln oder durch die Hinzufügung eines weiteren Sachverhaltskomplexes, gegeben.523 Die Ergänzung und das Auswechseln unterscheiden sich insofern nicht. cc)  Bekannte und nachträglich bekannt gewordene Gründe Teilweise wird die jüngere Rechtsprechung des BAG als eine Bestätigung aufgefasst, dass selbst bei einer völligen Auswechslung ein Nachschieben möglich bleibt.524 Verwiesen wird dabei auf die Entscheidung des BAG vom 23. 5. 2013.525 In diesem Urteil heißt es: „Daneben können selbst solche Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, die den Verdacht eines eigenständigen – neuen – Kündigungsvorwurfs begründen. Voraussetzung ist, dass der neue Kündigungsgrund bei Ausspruch der Kündigung objektiv schon gegeben, dem Arbeitgeber nur noch nicht bekannt war […].“526

Diese Entscheidung schafft jedoch keine Klarheit hinsichtlich einer Auswechslung von bekannten Kündigungsgründen, sondern allenfalls von unbekannten.527 Damals schien das BAG einen Ausschluss des Nachschiebens von zunächst unbekannten Gründen in Betracht zu ziehen, wenn dies zu einem völlig anderen Charakter führt.528 Die neuere Rechtsprechung des Zweiten Senats ist nun jedoch zu verstehen, als würde das BAG ein uneingeschränktes Nachschieben bei zunächst unbekannten Gründen zulassen.529 Wenn dem Arbeitgeber der andere 523  Die Revision wurde im Fall des LAG Düsseldorf zugelassen; unklar ist, ob davon Gebrauch gemacht wurde. Es bleibt abzuwarten, ob das BAG die offene Frage endlich beantworten wird. Da es sich hier um keinen Fall des Auswechselns handelt, kann es sein, dass die Frage offen bleibt, wenn das BAG mit „Auswechseln“ wirklich nur streng den Austausch der Gründe und nicht nur die Ergänzung meint. 524 SPV/Preis Rn. 96. Er hält an anderer Stelle bei außerordentlicher Kündigung die Frage aber noch für offen, ob ein Auswechseln der Kündigungsgründe in dem Sinne, dass die Kündigung einen völlig anderen Charakter erhält, möglich ist, und rät wegen dieser Unsicherheit zu einer weiteren neuen Kündigung (SPV/Preis Rn. 545). 525  BAG 23. 5. 2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2013, 1416. 526  BAG 23. 5. 2013 – 2 AZR 102/12, NZA 2013, 1416, Rn. 25. 527  Es könnte sich jedoch auch um einen Sonderfall bei der Verdachtskündigung handeln. 528  Z. B. BAG 18. 1. 1980 – 7 AZR 260/78, NJW 1980, 2486; vgl. auch BGH 28. 4. 1960 – VII ZR 218/59, DB 1960, 1507, Rn. 65. 529  Daran ändert auch der „vgl.“- Hinweis auf die oben genannten Urteile nichts.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 163

Grund bei Ausspruch der ursprünglichen Kündigung noch nicht bekannt war, ist er schutzwürdiger.530 Anders ist die Situation, wenn der Arbeitgeber bereits bei Ausspruch der Kündigung Kenntnis hatte. Dieser Ansicht scheint das LAG Düsseldorf zu folgen. Dort heißt es: „In einem derartigen Fall ist nur der Ausspruch einer neuen Kündigung möglich, weil es sich nicht um den Fall des nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässigen Nachschiebens von zuvor nicht bekannten Gründen handelt, sondern um die Auswechselung des Grundes. Dies gilt vorliegend gerade deshalb, weil der Beklagten nicht etwa nachträglich Gründe bekannt geworden sind, die ihr vor Ausspruch der Kündigung nicht bekannt waren, sondern dass der betriebsbedingte Grund nach eigenem Vortrag der Beklagten bereits vor Ausspruch der fristlosen Kündigung gegeben gewesen sein soll und die Beklagte sich dennoch dazu entschlossen hat, sich auf den Ausspruch einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung zu beschränken.“531

dd)  Schutzwürdiges Vertrauen Der Grundsatz, ein Nachschieben im Prozess nicht zuzulassen, wenn der Arbeitgeber sich dadurch auf einen anderen ihm im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bekannten Sachverhalt stützt, ist dadurch einer Abmilderung zugänglich, dass dennoch, wie bei jeder Prüfung widersprüchlichen Verhaltens, die Umstände jedes Einzelfalls zu berücksichtigen sind.532 Es liegt kein Sonderfall vor, der es erfordert, eine Treuwidrigkeit ohne einen Vertrauenstatbestand anzunehmen. Insbesondere ist für den Einzelfall zu prüfen, ob das Vertrauen des Arbeitnehmers wirklich schützenswert ist. Eine besondere Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers ist anzunehmen, wenn er bereits vertrauensvoll Dispositionen getroffen hat.533 Eine solche Disposition liegt in der Einrichtung seiner Rechtsverteidigung gegen die Kündigung. Doch auch im Rahmen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist die Schutzwürdigkeit zu verneinen, wenn er von den tatsächlichen Absichten Kenntnis hatte.534 Im Rahmen des venire contra factum proprium wird die Schutzwürdigkeit des Vertrauens zudem verneint, wenn der andere sich fahrlässig auf das Verhalten des Gegners verlassen hat.535 Abgestellt werden könnte darauf, ob es sich bei den nicht angegebenen Gründen um solche handelt, die vom Arbeitnehmer selbst veranlasst worden sind, oder ob sie in der Sphäre des

530 

Preis sieht keinen Unterschied in der Schutzwürdigkeit (SPV/Preis Rn. 542). LAG Düsseldorf 24. 6. 2015 – 7 Sa 1243/14, LAGE § 1 KSchG Nr. 22, Rn. 44. 532  Siehe oben B.II.1. 533 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 293 m. w. N. 534  Vgl. oben B.III. und C.II.3.b)bb)(1); vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 315. 535  Siehe oben B.III.; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 292. 531 

164

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Arbeitgebers liegen.536 Vor allem bei Gründen, die der Arbeitnehmer vorsätzlich herbeigeführt hat, darf er nicht darauf vertrauen, dass der Arbeitnehmer, wenn er schon einmal die Kündigung ausgesprochen hat, diese Gründe nicht mehr nachschieben wird.537 ee)  Fehlende Schutzlücke Um auf einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens abzustellen, wenn der Arbeitgeber einen neuen Sachverhalt nennt, auf den er sein Kündigungsrecht nachträglich stützen möchte und der ihm schon vor Ausspruch der Kündigung bekannt war, müsste allerdings eine Schutzlücke bestehen. Die Argumente für die Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers in diesem Rahmen, lassen sich schon als Begründung für einen konkludenten Verzicht heranziehen. Die Frage, ob durch Angabe eines bestimmten Kündigungsgrundes bei Ausspruch der Kündigung der Gekündigte nach Treu und Glauben annehmen durfte, der Kündigende werde sich auf diesen Grund beschränken, ist also eine Frage, die sich schon im Rahmen der rechtsgeschäftlichen Auslegung stellt und nicht erst im außerrechtsgeschäftlichen Bereich. Für den Arbeitnehmer ist es wesentlich, um welchen „Körper“ es sich handelt. Dies ist schon im Rahmen der Auslegung eines konkludenten Verzichts zu berücksichtigen und nicht erst bei der Frage einer außerrechtsgeschäftlichen Schutzwürdigkeit. Die Angabe eines bestimmten Grundes führt dazu, dass der Arbeitnehmer sich für einen Prozess entscheidet und darauf seine Prozessführung einstellt. Schon durch die Angabe nur bestimmter Gründe in der Kündigungserklärung darf der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass das „juristische Kleid“ später nicht „über einen anderen Körper gestülpt wird“ bzw. dass der Kündigungssachverhalt im Prozess nicht ausgetauscht oder durch einen weiteren Sachverhalt ergänzt wird. Grundsätzlich in der freiwilligen Angabe von Kündigungsgründen einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieben anderer bekannter Gründe zu sehen, wird dem Vorrang der Rechtsgeschäftslehre gerechter. Fehlt es an einem Vertrauendürfen im Rahmen der Auslegung, liegt auch kein schutzwürdiges Vertrauen für einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens vor.538 Es besteht kein Bedarf für eine „Treuwidrigkeit aus anderen Gründen“, d. h. einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ohne Begründung eines schutzwürdigen Vertrauens.539 Ein derartiger Ausnahmefall im Sinne eines „unlösbaren Widerspruchs“540 ist nicht gegeben. 536 

Vgl. BGH 5. 5. 1958 – II ZR 245/56, BGHZ 27, 220, Rn. 11. Vgl. oben C.II.3.b)bb)(1); vgl. BGH 5. 5. 1958 – II ZR 245/56, BGHZ 27, 220, Rn. 11. 538  Vgl. C.II.3.b)bb)(1) und C.II.4.d)dd). 539  Siehe oben B.III.; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 BGB Rn. 125; MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 344; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 59. 540  Siehe oben B.III.; BAG 27. 6. 1995 – 1 ABR 62/94, NZA 1996, 164, Rn. 28. 537 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 165

5.  Vergleich mit der Zulassung des Nachschiebens von Anfechtungsgründen Beim Umgang mit dem Nachschieben von Anfechtungsgründen zu einer bereits aus anderen Gründen erklärten Anfechtung schlägt das BAG einen strengeren Kurs ein und lehnt ein Nachschieben mit der Begründung ab, dass es den berechtigten Belangen des Anfechtungsgegners widerspreche.541 Dieser richte sich darauf ein, dass die Wirksamkeit der Erklärung nur aus den angegebenen oder erkennbaren Gründen in Zweifel gezogen werde.542 Seien die zunächst angegebenen Anfechtungsgründe nicht überzeugend, brauche der Anfechtungsgegner nicht damit zu rechnen, dass noch zu einem späteren Zeitpunkt andere Gründe nachgeschoben werden.543 Diese Grundsätze gelten für alle Anfechtungsgründe.544 Das Nachschieben verspätet geltend gemachter Anfechtungsgründe sei anders als bei den Grenzen des Nachschiebens von Gründen im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung in keinem Falle möglich.545 Es ist also zu hinterfragen, warum das BAG beim Nachschieben von Anfechtungsgründen strenger ist als beim Nachschieben von Kündigungsgründen. Gegen eine umfangreiche Gleichbehandlung lässt sich erwidern, dass es sich bei der Kündigung und der Anfechtung um verschiedene Gestaltungsrechte handelt.546 Die Zielrichtungen sind unterschiedlich: Schutz der Freiheit der Willensbildung einerseits, Beendigung eines unzumutbaren Arbeitsvertrags andererseits.547 Die Anfechtungserklärung kann sogar formlos erfolgen, § 623 BGB findet keine Anwendung.548 Zudem findet bei einer Anfechtung keine Anhörung des Betriebsrats statt.549 Es fällt aber auf, dass der Schutz vor einer Kündigung im Grundsatz weiter ausgeprägt ist als der vor einer Anfechtung, was aufgrund des ursprünglichen Bestands eines rechtsfehlerfreien Arbeitsverhältnisses zu befürworten ist. Aus diesem Grunde verwundert, dass mit dem Nachschieben von Gründen bei einer Kündigung großzügiger umgegangen wird als bei einer Anfechtung. 541  BAG 21. 1. 1981 – 7 AZR 1093/78, AP BGB § 119 Nr. 5; BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 1007/06, NJW 2008, 939, Rn. 21 (Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich dort um eine Anfechtung des Arbeitnehmers handelte.). 542  BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 1007/06, NJW 2008, 939, Rn. 21. 543  BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 1007/06, NJW 2008, 939, Rn. 21. 544  BAG 7. 11. 2007 – 5 AZR 1007/06, NJW 2008, 939, Rn. 21; siehe allerdings bei der Verwirkung des Anfechtungsrechts aus § 123 BGB die Berücksichtigung des eigenen Verhaltens des Drohenden bzw. Täuschenden: BAG 6. 11. 1997 – 2 AZR 162/97, NZA 1998, 374, Rn. 19 (siehe oben C.II.4.c)bb)(2)). 545  BAG 21. 1. 1981 – 7 AZR 1093/78, AP Nr. 5 zu § 119 BGB, Rn. 18. 546 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 346. 547 MüKo/Henssler, § 626 BGB Rn. 38. 548 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 364. 549 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 346.

166

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

6.  Sonderfall: Die selbstbindende Unternehmerentscheidung550 Die spezielle Fallgruppe der „selbstbindenden Unternehmerentscheidung“ betrifft allein betriebsbedingte Kündigungen und ist einschlägig, wenn der Arbeitgeber die Zahl der benötigten Arbeitskräfte in seinem Betrieb unmittelbar vom Umfang des Arbeitsaufkommens abhängig macht und durch den Ausspruch einer Kündigung lediglich den Personalbestand dem rückläufigen Arbeitsaufkommen anpassen will, ohne dass mit dem Personalabbau weitere Änderungen der innerbetrieblichen Strukturen verbunden wären.551 Es geht also um eine Selbstbindung an außerbetriebliche Gründe. Außerbetriebliche Gründe sind dabei u.a. Auftrags- und Rohstoffmangel sowie Umsatzrückgang, innerbetriebliche Gründe hingegen u.a. Rationalisierungsentscheidungen und Produktionsumstellungen.552 Verwechselt werden darf die „selbstbindende Unternehmerentscheidung“ nicht mit dem Begriff der „bindenden Unternehmerentscheidung“, bei der es um die Bindung des Gerichts an eine Unternehmerentscheidung und nicht um eine Bindung des Arbeitgebers geht.553 a)  Selbstbindung im Prozess Meist wird von einer „selbstbindenden Unternehmerentscheidung“ nur gesprochen, wenn der Arbeitgeber die unmittelbare Kausalität der außerbetrieblichen Gründe zum Gegenstand seines Vortrags macht.554 Die Einordnung als „selbstbindende Unternehmerentscheidung“ hat vor allem Einfluss auf die gerichtliche 550  Krause spricht auch von einer „umsetzenden unternehmerischen Entscheidung“ statt von einer „selbstbindenden“ (vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 717). Ascheid nennt sie „belassende“ (DB 1987, 1144, 1148) und Kaiser „reagierende“ Unternehmerentscheidung (NZA 2005 Beil 1, 31, 32). 551 SPV/Preis Rn. 912. 552  BAG 7. 12. 1978 – 2 AZR 155/77, BAGE 31, 157; BAG 15. 6. 1989 – 2 AZR 600/88, NZA 1990, 65, Rn. 36; ausf. Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, S. 117 ff.; Beispiele auch bei KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 517 ff.; Schwarze/Eylert/Schrader/ Schwarze, § 1 KSchG Rn. 286. Die vom BAG am 7. 12. 1978 vorgenommene Differenzierung zwischen außer- und innerbetrieblichen Gründen ist umstr.: siehe eine Übersicht der Meinungen schon im Urteil des BAG 11. 9. 1986 – 2 AZR 564/85, BB 1897, 1882, Rn. 16; krit. z. B. auch Annuß, Betriebsbedingte Kündigung, S. 48; Dathe, Der Tatbestand der betriebsbedingten Kündigung, S. 121 ff.; Rommé/Pauker, NZA-RR 2000, 281, 291; Peterek, Anm. zu BAG 30. 4. 1987 – 2 AZR 184/86, SAE 1988, 206, 211 f.; a. A. u. a. Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 98: „kein überflüssiges Glasperlenspiel“. 553  Diesen Begriff verwenden u. a. Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 93; Schrader/Siebert, NZA-RR 2013, 113, 114. 554  Siehe z. B. NK-GA/Weber, § 1 KSchG Rn. 1140, 1090 ff., insbesondere Rn. 1092 („Insgesamt zeigt sich, dass die Fallgruppe der sog. selbstbindenden Unternehmerentscheidung lediglich eine besonders gelagerte Variation des AG-Vortrags im Künd-Schutzprozess betrifft.“); von Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 123. Oft wird

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 167

Überprüfbarkeit und die Darlegungslast des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG.555 Unternehmerentscheidungen sind aufgrund der grundrechtlich geschützten Unternehmerfreiheit grundsätzlich gerichtlich nur eingeschränkt hinsichtlich ihres Zwecks überprüfbar.556 Sie sind konkret dahin gehend zu überprüfen, ob sie tatsächlich getroffen wurden und einer Missbrauchskontrolle zu unterziehen, d. h. ob sie „offensichtlich unsachlich oder willkürlich“ erscheinen.557 Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur bei einem Arbeitskräfteüberhang sozial gerechtfertigt.558 Arbeitsgerichte prüfen also immer, ob durch einen bestimmten inner- oder außerbetrieblichen Grund ein Überhang an Arbeitskräften entstanden ist, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis zur Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer weggefallen ist.559 Behauptet der Arbeitgeber, allein ein außerbetrieblicher Grund habe das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung entfallen lassen, legt er dadurch den Rahmen für die Feststellung dieses Arbeitskräfteüberhangs fest. Das BAG spricht von einer „Selbstbindung an die vom Arbeitgeber gesehenen Sachzwänge“.560 Das Gericht könne dann in vollem Umfang prüfen, ob die vom Arbeitgeber behaupteten außerbetrieblichen Umstände zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich vorlagen und zukünftig zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen. Der Arbeitgeber muss die Richtigkeit seines Berechnungsmodus so darstellen, dass aus der Verringerung des Umsatzes die Veränderung der Beschäftigungsmöglichkeiten abgeleitet werden kann.561 Die Erfüllung der so gesteigerten Darlegungs- und Beweislast stellt für den Arbeitgeber in der Praxis keine einfache Aufgabe dar.562 auch nur von einem „Berufen“ gesprochen, siehe z. B. KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 518, 535; Schiefer, NZA-RR 2005, 1, 2; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1362. 555  BAG 15. 6. 1989 – 2 AZR 600/88, NZA 1990, 65; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 227; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 717; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 260 m. w. N.; NK-GA/ Weber, § 1 KSchG Rn. 1078, 1085; Kleinebrink, DB 2013, 2448; dies als Benachteiligung für kleinere Unternehmen, die sich keine teure Rechtsberatung leisten können, ansehend HK-KSchG/Dorndorf, § 1 KSchG Rn. 858. 556 SPV/Preis Rn. 917. 557  BAG 30. 4. 1987 – 2 AZR 184/86, BAGE 55, 262; SPV/Preis Rn. 918 m. w. N.; KR/ Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 522 m. w. N. 558 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 514 m. w. N. 559  BAG 30. 5. 1985 – 2 AZR 321/84, NZA 1986, 155, Rn. 21. 560  BAG 15. 6. 1989 – 2 AZR 600/88, NZA 1990, 65, Rn. 37; BAG 18. 5. 2006 – 2 AZR 412/05, RdA 2007, 176, Rn. 17. 561  BAG 15. 6. 1989 – 2 AZR 600/88, NZA 1990, 65, Rn. 38; LAG Hamm 4. 11. 2004 – 16 Sa 184/04, LAGReport 2005, 210, Rn. 30; siehe z. B. zur Darlegungs- und Beweislast bei der Berufung auf einen Auftragsrückgang u. a. KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 569 m. w. N.: SPV/Preis Rn. 940 m. w. N.; krit. zu den proportionalen Berechnungsmethoden von Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 126 f. 562  Kleinebrink, DB 2013, 2448, der aus diesem Grund von einer solchen Vorgehensweise abrät. Bei einer Arbeitnehmerüberlassung werden an die Darlegung der Tatsachen,

168

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Die „selbstbindende Unternehmerentscheidung“ wird ferner von der „gestaltenden Unternehmerentscheidung“ abgegrenzt, die vorliege, wenn der Unternehmer sich zur aktiven Beeinflussung des Geschehens entschließe.563 Die Unterscheidungen „innerbetriebliche und außerbetriebliche Gründe“ und „gestaltende und selbstbindende Unternehmerentscheidung“ sind nicht gleichzusetzen.564 Eine „gestaltende Unternehmerentscheidung“ kann auch auf außerbetrieblichen Gründen beruhen. In diesem Fall entschließt der Arbeitgeber sich nicht nur dazu, eine schlichte Anpassung des Personalbestands an die außerbetrieblichen Gründe vorzunehmen, sondern weitergehende Maßnahmen als Reaktion wie eine Umorganisation und Umstrukturierung des Betriebs.565 Bei einer solchen Sachlage prüft das Gericht nicht, inwiefern der außerbetriebliche Grund zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern geführt hat, sondern nur, ob und für wie viele Arbeitnehmer durch die innerbetriebliche Maßnahme ein Beschäftigungsbedürfnis entfallen ist.566 Es erfolgt somit nur eine Missbrauchskontrolle.567 b)  Selbstbindung durch die Angabe von außerbetrieblichen Faktoren bereits in der Kündigungserklärung Es könnte also nur um eine Selbstbindung im Prozess mit verfahrensrechtlichen Konsequenzen gehen. Denkbar ist jedoch die Situation, dass der Arbeitgeber bereits gegenüber dem Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben die Kündigung mit außerbetrieblichen Faktoren begründet oder er bei der Beteiligung des Betriebsrats diesem gegenüber nur außerbetriebliche Faktoren nennt.568 Dies hat dann nicht nur die oben genannten Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers, sondern auch auf sein Nachschieberecht. Wie zuvor auf denen die zu stellende Prognose des zukünftigen Beschäftigungsvolumens beruht, dezidierte Anforderungen gestellt, siehe dazu BAG 18. 5. 2006 – 2 AZR 412/05, RdA 2007, 176, Rn. 18; SPV/Preis Rn. 943 ff.; Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, S. 118; Bayreuther, RdA 2007, 176; Fuhlrott/Fabritius, NZA 2014, 122, 126 m. w. N.; Löwisch/ Buschbaum, BB 2010, 1789, 1790; Hamann, jurisPR-ArbR 38/2006 Anm. 4. 563  Ausf. ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 230; SPV/Preis Rn. 912; von Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 127 ff. 564  von Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 122 f.; von Hoyningen-Huene, in: FS 50 Jahre BAG, 2004, S. 372. 565  Eine Darstellung von möglichen Kündigungssachverhalten bei außerbetrieblichen Gründen bei Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 107. 566 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 535 m. w. N. 567 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 569. 568 Zu Äußerungen im Kündigungsschreiben vgl. BAG 4. 5. 2006 – 8 AZR 299/05, BAGE 118, 168, Rn. 22 und zu Äußerungen gegenüber dem Betriebsrat vgl. BAG 30. 5. 1985 – 2 AZR 321/84, NZA 1986, 155, Rn. 32; BAG 4. 12. 1986 – 2 AZR 23/86, RzK I 5c Nr. 17, Rn. 47 ff.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 169

bereits klargestellt, ist die Selbstbindung gegenüber dem Betriebsrat nicht Gegenstand dieser Untersuchung.569 Dennoch sei darauf hingewiesen, dass, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat mitteilt, bestimmte außerbetriebliche Gründe würden ihn zu einer Kündigung zwingen, dies ein Nachschieben einer gestaltenden Unternehmerentscheidung im Prozess unzulässig macht.570 Von Relevanz für das Thema der freiwilligen Selbstbindung ist die Situation, in der der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits im Kündigungsschreiben mitteilt, er sehe die Kündigung als zwangsläufige Folge eines außerbetrieblichen Grundes. Eine Bindung durch Äußerungen bereits in diesem Stadium – und nicht erst im Prozess – scheint auch das BAG für möglich zu erachten. Im Urteil vom 4. 5. 2006 lehnt das BAG eine selbstbindende Unternehmerentscheidung ab: „Im Kündigungsschreiben vom 31. Juli 2003 hat der Beklagte zu 1) lediglich zur Erläuterung der Situation auf die Unsicherheiten der Finanzierung hingewiesen. Er hat sich erkennbar nicht insoweit rechtlich binden wollen und gebunden, dass er – wie bei einer Kündigung aus außerbetrieblichen Gründen – die Kündigung (rechtlich) als zwangsläufige Folge einer finanziellen Unterdeckung durch das Land und den Landkreis behandelt sehen wollte.“571

Daraus könnte gefolgert werden, dass der Arbeitgeber durch die alleinige Angabe von außerbetrieblichen Gründen in einem Kündigungsschreiben einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen kann. Eine Auslegung als konkludenter Verzicht auf ein Kündigungsrecht wegen bereits bestehender innerbetrieblicher Gründe durch die Angabe von außerbetrieblichen Gründen in der Kündigungserklärung ist jedoch mit denselben Argumenten abzulehnen wie sie bereits außerhalb des Sonderfalls verwendet wurden.572 Dem Arbeitgeber bleibt also grundsätzlich die Möglichkeit, wegen der innerbetrieblichen Gründe erneut zu kündigen. Ein Verzicht durch die Angabe von bestimmten Gründen setzt, wie bereits erläutert, voraus, dass die anderen Gründe bereits entstanden sind.573 Für die Angabe von außerbetrieblichen Gründen und die Frage eines Vorausverzichts auf eine gestaltende Unternehmerentscheidung ergeben sich dabei keine Besonderheiten, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Aus Sicht des objektiven Empfängers nach §§ 133, 157 BGB kann und darf nicht verstanden werden, dass der Arbeit569 

Siehe oben C.II.1.c). Hessen 6. 6. 2005 – 7 Sa 1729/04, BeckRS 2008, 54553; HWK/Ricken, § 102 BetrVG Rn. 36; HK-ArbR/Schubert, § 1 KSchG Rn. 383; von Finckenstein, Freie Unternehmerentscheidung, S. 124; Ascheid, DB 1987, 1144, 1149; Stahlhacke, DB 1994, 1361, 1363; Hillebrecht, ZfA 1991, 87, 107. 571  BAG 4. 5. 2006 – 8 AZR 299/05, BAGE 118, 168, Rn. 22. 572  Siehe oben C.II.3.a)cc)(2). 573  Siehe oben C.II.1.a). 570  LAG

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

geber seine Unternehmerfreiheit so weit einschränken möchte, dass er an der einmal getroffenen Entscheidung, sich an einen bestimmten außerbetrieblichen Faktor zu binden, auf Dauer festhalten will. Die Annahme eines Verzichts auf eine gestaltende Unternehmerentscheidung könnte sich sogar nachteilig für den Arbeitnehmer auswirken. Gestaltende Unternehmerentscheidungen müssen nicht unbedingt betriebsbedingte Kündigungen zur Folge haben, sondern können sich beschäftigungserhaltend auswirken. Würde man von einem Verzicht auf gestaltende Unternehmerentscheidungen ausgehen, müssten konsequenterweise solche sich positiv auswirkenden Entscheidungen als mitumfasst angesehen werden. Auch eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung hinsichtlich des Kündigungsrechts erscheint fragwürdig. Bei zu Lasten des Arbeitnehmers gehenden gestaltenden Unternehmerentscheidungen kann dem Arbeitgeber nicht in jedem Fall rechtsmissbräuchliches Verhalten vorwerfbar sein, wenn er nach einer erfolglosen betriebsbedingten Kündigung gestützt auf außerbetriebliche Gründe gestaltende Unternehmerentscheidungen trifft. Im seltenen Ausnahmefall kann die Missbrauchskontrolle zu anderen Ergebnissen führen,574 es darf hier aber nicht generell von einem Missbrauch ausgegangen werden. Die Vermutung, dass eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte Unternehmerentscheidung aus sachlichen Gründen erfolgt ist,575 wird dadurch nicht automatisch widerlegt oder umgekehrt. Insbesondere bei außerbetrieblichen Faktoren muss es dem Arbeitgeber möglich sein, darauf auch im Nachhinein noch gestaltend reagieren zu können, um sein Unternehmen zu retten. Somit ist auch hier der Weg über eine Einschränkung nur des Nachschieberechts im konkreten Kündigungsschutzprozess und nicht des Kündigungsrechts zu suchen. Die soeben genannten Argumente gegen Selbstbindungen hinsichtlich des Kündigungsrechts sprechen nicht gegen einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieberecht. Unterschiedliche Unternehmerentscheidungen bedeuten unterschiedliche Kündigungssachverhalte. Es bleibt bei einer betriebsbedingten Kündigung; der Charakter der Kündigung ändert sich aber dennoch. Insbesondere hat dies, wie oben beschrieben, Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers. Es gelten aber auch hier die bereits dargelegten Voraussetzungen und Ausnahmen eines konkludenten Verzichts auf das Nachschieberecht.576 Anders zu bewerten sind Fälle, in denen der Arbeitgeber zunächst die generelle Entscheidung für seinen Betrieb bzw. für sein Unternehmen trifft, die Anzahl 574 Das BAG hat bisher nur in einer Entscheidung einen Rechtsmissbrauch bejaht (BAG 26. 9. 2002 – 2 AZR 636/01, BAGE 103, 31); dies ebenfalls feststellend NK-GA/ Weber, § 1 KSchG Rn. 1106. 575  BAG 30. 4. 1987 – 2 AZR 184/86, BAGE 55, 262, Rn. 35; BAG 21. 2. 2002 – 2 AZR 556/00, DB 2002, 2276, Rn. 28; BAG 13. 3. 2008 – 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878, Rn. 29. 576  Siehe oben C.II.3.b)bb)(1).

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 171

der Beschäftigten z. B. von konkreten Umsatzzahlen abhängig zu machen,577 er bei der konkreten Kündigung aber Abstand von dieser Koppelung nimmt. Die vorherige Unternehmerentscheidung ist nicht selbstbindend mit der Folge, dass er an dieser dauerhaft und für alle betriebsbedingten Kündigungen festhalten müsste.578 c)  Zwischenergebnis Es handelt sich somit strenggenommen bei der Fallgruppe der „selbstbindenden Unternehmerentscheidung“ um keinen Sonderfall im Vergleich zu den oben beschriebenen Fällen. Besonders sind allein die Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast im Unterschied zu einer gestaltenden Unternehmerentscheidung. 7.  Exkurs: Einführung einer allgemeinen schriftlichen Begründungsobliegenheit oder einer Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers Es ist zu befürchten, dass die großzügigere Annahme eines konkludenten Verzichts auf das Nachschieberecht dazu führt, dass Arbeitgeber zukünftig freiwillig zunächst gar keine Gründe mehr nennen, da die Kündigungserklärung dann als auf alle bis zum Zeitpunkt der Erklärung vorhandenen Gründe gestützt aufgefasst werden kann.579 Dies verhindern weder § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB noch eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Mitteilung der Gründe nach § 241 Abs. 2 BGB.580 Danach hat auf Verlangen des Arbeitnehmers der Arbeitgeber nach Zugang der – zunächst nicht begründeten – Kündigung unverzüglich die Gründe mitzuteilen, was als Primäranspruch durch eine Leistungsklage geltend gemacht werden kann oder als Sekundäranspruch nach erhobener Kündigungsschutzklage.581 Diese Nebenpflicht hat jedoch keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung.582 Der Kündigende wird eher das Risiko eingehen, keinen Grund in der Kündigungserklärung zu nennen und später Auskunfts- oder Schadenser577  Krause spricht von einer „vorweggenommenen gestaltenden Unternehmerentscheidung“ (vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 721); Weber von einer „auf Vorrat getroffenen Entscheidung“ (NK-GA/Weber, § 1 KSchG Rn. 1089). 578 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 721; so auch NK-GA/Weber, § 1 KSchG Rn. 1089 f. 579 Vgl. Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 21. Ulrich empfiehlt aus diesem Grund, bereits im Kündigungsschreiben keinen Kündigungsgrund zu nennen, um sich nicht unnötig der Gefahr auszusetzen, später auf einen Kündigungssachverhalt beschränkt zu sein (Moll/Ulrich, MAH ArbR, § 43 Rn. 91). 580  Siehe ausf. zu dieser Nebenpflicht NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 283 m. w. N. 581 NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 283 ff. m. w. N.; APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 116. 582  Siehe oben C.II.1.d); NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 283.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

satzansprüchen ausgesetzt zu sein, um sich dennoch jegliche Nachschiebemöglichkeit im Prozess zu erhalten. Die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs beim Verlieren eines Prozesses ist für den Arbeitnehmer nur ein schwacher Ausgleich seiner Nachteile.583 Eine Lösung könnte de lege ferenda die Einführung einer allgemeinen schriftlichen Begründungsobliegenheit der Kündigung oder die Einführung einer Anhörungspflicht des Arbeitnehmers vor dem Ausspruch einer Kündigung und damit einhergehend die Beschränkung der Nachschiebemöglichkeit auch außerhalb der Sonderregelungen darstellen. a)  Einführung einer allgemeinen schriftlichen Begründungsobliegenheit Erwägt man die Einführung einer schriftlichen Begründungsobliegenheit, die bei einer Verletzung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt, sollte wie bei § 22 Abs. 3 BBiG und § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG die Begründung als Formerfordernis ausgestaltet sein. Würde die Angabe von Gründen fehlen, wäre die Kündigung nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Würden nicht alle Gründe genannt, wäre das Nachschieben nicht genannter Gründe im Prozess unzulässig, eine neue Kündigung hingegen zulässig. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen der nicht genannten Gründe oder eine Verwirkung dieses Rechts ist bei einem Begründungszwang wie bei einer freiwilligen Angabe grundsätzlich abzulehnen. Auch hier bleibt es bei dem Grundsatz, dass für einen konkludenten Verzicht eindeutige Anhaltspunkte zwingend notwendig sind.584 Allein der Umstand, dass es eine Begründungsobliegenheit gibt, kann nicht dazu führen, dass bei der Nichtangabe aller bekannten Gründe grundsätzlich von einem Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen der nicht genannten Gründe auszugehen ist. aa)  Vergleich mit gesetzlichen Sonderregelungen Zunächst ist nach dem Schutzzweck der bereits kodifizierten Begründungszwänge im Arbeitsrecht zu fragen und danach, ob dieser nicht auch als Argument für eine allgemeine Begründungsobliegenheit dienen kann. (1) § 22 Abs. 3 BBiG Um zu verstehen, warum im BBiG eine Sonderregelung geschaffen wurde, ist der Schutzweck dieser Norm genau zu analysieren. Als Schutzzweck wird genannt, durch die Angabe der Gründe solle dem Kündigungsempfänger verständlich gemacht werden, worin der Grund für die Kündigung liegt, um ihm 583  Knütel, NJW 1970, 121, 122 m. w. N.; zu den Schwächen eines bloßen Schadensersatzanspruchs siehe auch Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 99 ff. 584  Siehe oben B.I.1.a) und vgl. C.II.3.a)cc)(2).

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 173

eine Überprüfung der Rechtswirksamkeit der Kündigung zu ermöglichen.585 Der Kündigende ist in den Schutzbereich einbezogen, indem er vor einer Übereilung bewahrt werden soll.586 Der Gesetzgeber beabsichtigt zudem, mit der Vorschrift die Rechtsklarheit zu fördern und die Beweissicherung zu verbessern.587 Der Begründungszwang dient also auch im Fall einer Arbeitgeberkündigung den Interessen des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers.588 Die genannten Zwecke werfen die Frage auf, warum eine derartige Interessenlage nicht auch außerhalb von Berufsausbildungsverhältnissen anerkannt wird. Es ist verständlich, dass das Berufsausbildungsverhältnis eine besonders zu behandelnde Fallgruppe ist. Gem. § 1 Abs. 3 BBiG hat die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.589 Eine besondere Schutzbedürftigkeit ist ohne Zweifel anzuerkennen, was z. B. den Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit nach Ablauf der Probezeit gem. § 22 Abs. 2 BBiG angeht.590 Es ist trotzdem nicht ganz nachvollziehbar, warum nicht auch außerhalb eines Berufsausbildungsverhältnisses ein Bedürfnis nach einem Begründungszwang bestehen soll. Bei jedem Arbeitsverhältnis geht es um die Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage.591 (2) § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG Die Arbeitnehmerin soll durch § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG erfahren,592 aufgrund welchen Sachverhalts und welcher Erwägungen des Arbeitgebers ihr gekündigt worden ist, um sich darüber klar werden zu können, ob sie die Kündigung 585  BAG 22. 2. 1972 – 2 AZR 205/71, BAGE 24, 133, Rn. 19; APS/Preis, Grundlagen D Rn. 28. 586  Dies wird vom Gesetzgeber sogar als erster Grund genannt, siehe BT-Drs V/4260 zu § 15 BBiG a. F. S. 11; APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 26 m. w. N. 587  BT-Drs V/4260 zu § 15 BBiG a. F., S. 11. 588  BAG 22. 2. 1972 – 2 AZR 205/71, BAGE 24, 133, Rn. 19. § 22 Abs. 3 BBiG begründet auch für den Auszubildenen einen Begründungszwang, wenn er die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will (APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 26). 589  Siehe auch MünchArbR/Richardi, § 18 Rn. 70; Schaub/Vogelsang, § 174 Rn. 1 ff. 590 APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 1 ff. 591 Zum Begriffselement der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Berufsbegriffs Maunz/Dürig/Scholz, Art. 12 GG Rn. 32. 592  § 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG begründet nur einen Begründungszwang für den Arbeitgeber.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

akzeptieren oder gegen sie vorgehen will.593 Im Unterschied zu § 22 Abs. 3 BBiG enthält § 17 MuSchG ein weitergehendes Kündigungsverbot, und es ist nicht der aus Arbeitgebersicht eingreifende Kündigungsgrund zu nennen, sondern der von der Landesbehörde für zulässig erklärte.594 Nur ausnahmsweise kann der Arbeitgeber mit Zulassung der Landesbehörde kündigen. § 17 MuSchG dient damit dem Ziel der Richtlinie 92/85/EWG, das sich aus dem 16. Erwägungsgrund ergibt.595 Es soll nicht in Frage gestellt werden, dass es sich bei einer Schwangerschaft um eine besondere Situation bzw. dass es sich bei schwangeren Arbeitnehmerinnen um eine gefährdete Risikogruppe handelt, die besonderen Schutz erfordert. Vielmehr soll in Frage gestellt werden, warum erst die Gesundheitsgefahr einer schwangeren Frau zu einem Begründungszwang führt. Der deutsche Gesetzgeber wäre nicht daran gehindert, über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus einen allgemeinen Begründungszwang einzuführen. Jeder betroffene Arbeitnehmer sollte die Möglichkeit erhalten, sich vor einem Prozess darüber klar werden zu können, ob er die Kündigung akzeptieren oder gegen sie vorgehen will. bb)  Zweck des § 623 BGB Aber auch schon Sinn und Zweck des aktuellen § 623 BGB, der die Schriftform der Kündigung anordnet, könnten dafür sprechen, eine Begründungsobliegenheit hinzuzufügen. Als Zweck des § 623 BGB wird unter anderem eine Entlastung der Arbeitsgerichte sowie eine Stärkung der Rechtssicherheit genannt;596 nicht zu unterschätzen sei zudem die Beweis- und Warnfunktion.597 Bei einem Blick auf die Zwecke des § 623 BGB stellt sich die Frage, warum er nicht auch die schriftliche Angabe der Gründe fordert und ob er der „besonderen Bedeutung des Gestaltungsrechts“598 zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerecht wird. Eine wirkliche Entlastung der Arbeitsgerichte ist nicht feststellbar,599 wenn ein Nachschieben von Gründen weitgehend zugelassen wird. Einer befürchteten Belastungssteigerung durch das Verlangen einer erneuten Kündigung600 ist 593 APS/Rolfs,

§ 9 MuSchG Rn. 126. § 623 BGB Rn. 2a. 595  Siehe auch zum Ziel des § 17 MuSchG (§ 9 MuSchG a. F.): ErfK/Schlachter, § 9 MuSchG Rn. 1. 596  Der Gesetzgeber spricht sogar von einer „Gewährleistung größtmöglicher Rechtssicherheit“ BT-Drs 14/626, S. 11. 597  BT-Drs 14/626, S. 11; ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rn. 1; APS/Greiner, § 623 BGB Rn. 1 ff. m. w. N. 598  BT-Drs 14/626, S. 11. 599  Die Wirkung der Entlastung auch bezweifelnd Schliemann/Röhsler, § 623 BGB Rn. 6: in der gerichtlichen Praxis gehe es meistens um die Rechtswirksamkeit einer Kündigung und nicht um die Frage, ob überhaupt eine Kündigung vorliege. 600  Gravenhorst, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 4. 594 ErfK/Müller-Glöge,

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 175

entgegenzuhalten, dass es durch die Möglichkeit des Ausspruchs der erneuten Kündigung im Prozess und durch die Möglichkeit der Klageerweiterung nicht zwingend zu einem neuen Prozess kommen muss.601 Es führt dann zu den oben bereits erläuterten Vor- und Nachteilen für die beiden Parteien.602 Dies ist ein gerechter Ausgleich beider Interessen. Zudem kann der Arbeitgeber unter Umständen davon profitieren, dass der Arbeitnehmer sich aufgrund der Angabe der Gründe bereits in der Kündigungserklärung gänzlich gegen einen Prozess entscheidet.603 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine Begründungsobliegenheit aus § 623 BGB konsequenterweise nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch den Arbeitnehmer bei einer Kündigung treffen sollte.604 Im Gegensatz zu § 22 Abs. 3 BBiG sollte jedoch bei einer allgemeinen Begründungsobliegenheit für alle Arten von Kündigungen die Beschränkung des Nachschieberechts nur bei im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bekannten und nicht erst bei nachträglich bekannt gewordenen Gründen gelten.605 Erst später bekannt gewordene Gründe müssen nachschiebbar bleiben. Die Belastungen für den Kündigenden wären demnach nicht so hoch, dass sie einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Vertragsbeendigungsfreiheit als Teil der Privatautonomie hervorriefen.606 Wie bei den bereits bestehenden gesetzlichen Sonderregelungen sind an die Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen.607 Dort wird nur verlangt, dass der Kündigende in dem Kündigungsschreiben konkret die Tatsachen mitteilt, die für die Kündigung maßgebend sind.608 Pauschale Schlagworte und bloße Werturteile genügen hingegen nicht.609 Eine volle Substantiierung der Tatsachen wie im Kündigungsschutzprozess ist dagegen nicht erforderlich.610 Im Kündigungsschutzverfahren sind deshalb Erläuterungen und Ergänzungen zu den be601 

Siehe oben C.II.3.b)cc)(2). Siehe oben C.II.3.b)cc); zu den Rechtsnachteilen auch Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 29 f. 603  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 98 m. w. N. 604  Vgl. zu § 22 Abs. 3 BBiG APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 26. 605  Vgl. zu § 22 Abs. 3 BBiG: LAG Baden-Württemberg 5. 1. 1990 – 1 Sa 23/89, LAGE § 15 BBiG Nr. 7; LAG Rheinland-Pfalz 17. 1. 2008 – 10 Sa 845/06, EzB BBiG § 22 Abs 2 Nr. 1 Nr. 65. 606 Ausf. zum Verhältnis Privatautonomie und Begründungslast Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 82 ff. m. w. N. 607 Vgl. Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 103 ff.; siehe auch NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 284. 608 APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 27; APS/Rolfs, § 9 MuSchG Rn. 126; vgl. zur allgemeinen Begründungspflicht Lent, AcP 152, 401, 407. 609 APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 27. 610 APS/Biebl, § 22 BBiG Rn. 27; APS/Rolfs, § 9 MuSchG Rn. 126. 602 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

reits im Kündigungsschreiben mitgeteilten Gründen zulässig.611 Geringere Anforderungen an die Angabe der Gründe sind bei Betrieben und Arbeitnehmern, die nicht in den Anwendungsbereich des KSchG fallen,612 und bei ordentlichen Arbeitnehmerkündigungen zu stellen.613 Der Gewinn an Rechtssicherheit durch die bloße Schriftform ist derzeit nur gering.614 Das Einzige, was der Gekündigte dadurch rechtssicher weiß, ist, dass der Kündigende eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wünscht. Durch die Zulassung des Nachschiebens von Gründen fehlt es für den Gekündigten – meist den Arbeitnehmer – an Klarheit, Bestimmtheit, Verlässlichkeit und Einschätzbarkeit der Er-folgschancen eines Rechtsbehelfs.615 Die Warnfunktion würde zudem besser zur Geltung kommen und es würde ein größerer Schutz vor Übereilung gewährleistet, wenn der Kündigende sich nicht nur vor Augen führen müsste, ob er überhaupt eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wünscht, sondern wenn er überdies noch einmal darüber nachdenken müsste, warum er es zu beenden gedenkt. Dem ist entgegenzuhalten, dass auf diese Weise der Kündigende – meist der Arbeitgeber – schon vor der Entstehung eines Prozesses unter Umständen dazu gezwungen würde, sich rechtlichen Rat einzuholen. Andererseits wird von ihm nicht schon bei Abgabe der Kündigungserklärung die zutreffende rechtliche Einordnung verlangt, sondern nur die Angabe der wesentlichen Tatsachen.616 Die Nichtforderung der Angabe eines Kündigungsgrundes und das Zulassen eines Nachschiebens widersprechen zudem dem Grundsatz, dass dem von einem Gestaltungsgeschäft Betroffenen keine Ungewissheit und kein Schwebezustand zugemutet werden darf.617 Dem Interesse an Rechtsklarheit widerspricht es, wenn die Ausübung des Gestaltungsrechts zum „unkalkulierbaren Lotteriespiel“ würde.618 611 APS/Biebl,

§ 22 BBiG Rn. 27. Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 10 f.; zur Mitteilungspflicht i. R. v. § 102 BetrVG Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rn. 79: „Kündigungsschutz durch die Hintertür“; siehe zur Problematik der Notwendigkeit eines Kündigungsgrundes bei Kündigungen außerhalb des KSchG: MüKo/Hergenröder, § 23 KSchG Rn. 45 ff. m. w. N. 613  Vgl. oben C.II.4.d)aa)(2). 614  Den Gewinn an Rechtssicherheit durch § 623 BGB auch bezweifelnd Schliemann/ Röhsler, § 623 BGB Rn. 6; zu den Auswirkungen auf die Rechtssicherheit bei Forderung einer Grundangabe Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 123 ff. m. w. N. 615  Zu den Vorteilen eines Begründungszwangs für den Erklärungsempfänger siehe auch Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 81 f. 616  Vgl. oben C.II.1.e). 617  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 64; vgl. auch APS/Preis, Grundlagen D Rn. 67. 618  Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 344 f. m. w. N. (Allerdings geht es dort um die Abhängigkeit der Wirksamkeit eines Gestaltungsrechts von nach dessen Ausübung 612 Vgl.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 177

Die weitreichende und einseitige Gestaltungsmacht des einen Vertragspartners erfordert einen Ausgleich durch eine stärkere Sicherung des anderen.619 Dafür reicht weder das objektive Vorliegen eines Gestaltungsgrundes noch der Zugang einer Erklärung, in der nur ein Beendigungswille zum Ausdruck kommen muss, aus.620 b)  Einführung einer Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers Prozessverhindernd und konfliktlösend könnte die Einführung einer Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers unter Mitteilung der Kündigungsgründe vor Ausspruch der Kündigung wirken.621 Eine solche würde als relevanten Mitteilungszeitpunkt nicht den Zeitpunkt der Kündigungserklärung selbst, sondern einen Zeitpunkt davor ansehen. Durch die Möglichkeit einer Stellungnahme seitens des Arbeitnehmers soll eine Kündigung verhindert werden. Es ist also über die Einführung einer dem § 102 BetrVG entsprechenden Anhörungspflicht nachzudenken, die, daran orientiert, lauten könnte: „Der betroffene Arbeitnehmer ist vor einer Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.“

Ganz unbekannt ist der Anhörungsgedanke dem Kündigungsrecht nicht. So wird für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung eine vorherige Anhörung verlangt.622 Dies geschieht, um die Gefahr zu mindern, dass einem Unschuldigen gekündigt wird und um dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die Verdachtsmomente zu beseitigen, zu entkräften und gegebenenfalls Entlastungstatsachen geltend zu machen.623 Warum sollte einem Arbeitnehmer diese Möglichkeit nicht auch bei anderen Kündigungsgründen zugestanden werden? Es ist einzusehen, dass die Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers bei außerordentlichen Kündigungen größer ist. Aber bei jeder Art von Kündigung geht es um die Existenz des Arbeitnehmers. Auch bei Kündigungen, die nicht nur auf einem Verdacht beruhen, kann die Anhörung des Arbeitnehmers unter Umständen dazu führen, dass er den Arbeitgeber dazu bringen kann, von einer Kündigung abzusehen und ein Problem einvernehmlich zu lösen. Dies gilt selbst für betriebsbedingte Kündigungen, indem der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unter Umständen über Tatsachen aufklärt, die bedeutsam für die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 liegenden Ereignissen, also das Abstellen auf die objektive Rechtslage im Zeitpunkt der Erklärung.); Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 64. 619  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 81. 620  Kali, Die begründungsabhängige Gestaltungserklärung, S. 81. 621  Dies vorschlagend auch Gravenhorst, jurisPR-ArbR 37/2015 Anm. 4. 622 APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 348 f. m. w. N. 623  BAG 20. 3. 2014 – 2 AZR 1037/12, NJW 2014, 3389, Rn. 24; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 348 f. m. w. N.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

KSchG sind oder indem schon im Rahmen dieses Gesprächs über eine Abfindung gesprochen wird und nicht erst bei einem späteren Gütetermin vor Gericht.624 Das BAG vertritt jedoch in ständiger Rechtsprechung, dass es keinen Rechtssatz gebe, die außerordentliche Kündigung sei stets ausgeschlossen, wenn vorher keine Anhörung des Arbeitnehmers zu den Gründen stattgefunden habe.625 Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen nimmt hingegen eine Gegenposition ein und hat mehrmals entschieden,626 dass eine Kündigung unwirksam sei, wenn der Arbeitgeber diese in einem Betrieb ohne Betriebsrat ohne vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ausspreche.627 Dies gelte auch für ordentliche und gleichermaßen für verhaltens-, personen- und betriebsbedingte Kündigungen. Die verfassungskonforme Auslegung des § 242 BGB mit Rücksicht auf Art. 1 GG (Menschenwürde), Art. 2 Abs. 1 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit), Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und den das Arbeitsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete es, eine Kündigung eines Arbeitnehmers in betriebsratslosen Betrieben ohne dessen vorheriger Anhörung als unzulässige Rechtsausübung anzusehen. Die Annahme des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen, ohne die vorherige Anhörung werde der Arbeitnehmer zum „Objekt der Maßnahme eines Dritten, die für ihn (zumindest zunächst) erhebliche materielle und ideelle Nachteile habe und ihn in seiner freien Persönlichkeitsentfaltung hindert“628, ist dabei jedoch zu weitgehend. Der Bestandsschutz, der sich in den gesetzlichen Regelungen zeigt, verhindert bereits ohne die Anhörungspflicht, dass der Arbeitnehmer nur als ein Objekt bzw. „Träger der dem Arbeitgeber nicht mehr interessierenden Arbeitskraft“ oder „Träger einer Ware“629 behandelt wird. Auch wenn der Argumentation des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen nicht in jedem Punkt gefolgt werden kann, überzeugt dennoch der Gedanke, eine Anhörungspflicht bei betriebsratslosen Betrieben einzuführen. Als Gegenargument wird vor allem die Maßgeblichkeit der objektiven Lage bei Ausspruch einer Kün-

624  Sollte

es vor Ausspruch einer Kündigung zu einem Aufhebungsvertrag kommen, muss der Arbeitnehmer allerdings beachten, dass unter Umständen die Sperrzeit aus § 159 SGB III gilt (siehe z. B. APS/Steinmeyer, § 159 SGB III Rn. 17 ff. m. w. N.). 625 Siehe z. B. BAG 23. 3. 1972 – 2 AZR 226/71, AP Nr. 63 zu § 626 BGB; BAG 10. 2. 1977 – 2 ABR 80/76, NJW 1977, 1413; BAG 18. 9. 1997 – 2 AZR 36/97, NZA 1998, 95. 626  ArbG Gelsenkirchen 26. 6. 1998 – 3 Ca 3473/97, NZA-RR 1999, 137; ArbG Gelsenkirchen 13. 11. 1998 – 3 Ca 2219/98, NZA-RR 1999, 134; ArbG Gelsenkirchen 17. 3. 2010 – 2 Ca 319/10, NZA 2010, 1178; dem folgend ArbG Dortmund 30. 10. 2008 – 2 Ca 2492/08, BeckRS 2008, 57990. 627  Dem ArbG Gelsenkirchen zust. BTM/Mayer, § 626 BGB Rn. 76. 628  ArbG Gelsenkirchen 26. 6. 1998 – 3 Ca 3473/97, NZA-RR 1999, 137, Rn. 35. 629  ArbG Gelsenkirchen 26. 6. 1998 – 3 Ca 3473/97, NZA-RR 1999, 137, Rn. 35.

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 179

digung genannt.630 Dem ist die Existenz von § 102 BetrVG entgegenzuhalten.631 Eine Anhörungspflicht steht nicht im Widerspruch dazu, dass eine Kündigung vom objektiven Vorliegen entsprechender Tatsachen abhängt, ohne dass es auf den subjektiven Kenntnisstand des Kündigenden ankommt. Dem Kündigenden bleibt es möglich, unbekannte Gründe nachzuschieben bzw. bezüglich bekannter Gründe eine erneute Kündigung auszusprechen. Die Einführung einer Anhörungspflicht stellt auf den ersten Blick eine erhebliche Belastung für den Arbeitgeber dar,632 sie bietet aber für ihn genauso Vorteile. Der Arbeitgeber kann so das Risiko mindern, später in einem Prozess zu verlieren.633 Zudem ist zu berücksichtigen, dass in der Realität auch bei einer im Prozess festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung, der „Fehlgriff“ des Arbeitgebers nicht mehr voll reparabel ist und eine Rückkehr des Gekündigten nur selten tatsächlich geschieht.634 Bei Einführung einer Anhörungspflicht ist jedoch darüber nachzudenken, ob eine Schriftform der Mitteilung gefordert werden sollte. Dies ist im Rahmen von § 102 BetrVG nicht der Fall.635 Allerdings würde im Fall einer Anhörungspflicht des Arbeitnehmers der Arbeitgeber wie im Rahmen von § 102 BetrVG die Darlegungs- und Beweislast dafür zu tragen haben, dass eine Anhörung stattgefunden hat, wenn der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Anhörung bestreitet.636 Wie bei § 102 BetrVG sollte das Nachschieben von Gründen, zu denen der Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört wurde, die dem Arbeitgeber aber zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt waren, unzulässig sein.637 Sind die Gründe erst später bekannt geworden, vertritt die Rechtsprechung bei § 102 BetrVG, dass sie im Kündigungsschutzprozess nachgeschoben werden können, 630 APS/Vossen, 631 Vgl.

§ 626 BGB Rn. 92. auch ArbG Gelsenkirchen 26. 6. 1998 – 3 Ca 3473/97, NZA-RR 1999, 137,

Rn. 33. 632  Insbesondere bei einer Mehrzahl von Kündigungen dies für den Arbeitgeber als aufwändiger und „lästiger“ ansehend, als wenn er sich des Verfahrens nach § 102 BetrVG bedienen könnte: Däubler, Anm. zu ArbG Gelsenkirchen 17. 3. 2010 – 2 Ca 319/10, AuR 2010, 440, 441. 633  Gegen eine generelle Anhörungspflicht, aber dennoch eine Anhörung aus diesem Grund für sinnvoll haltend: APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 92; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rn. 33; MünchArbR/Wank, § 98 Rn. 127 m. w. N. 634 Däubler/Deinert/Zwanziger/Däubler, § 626 BGB Rn. 38; Gravenhorst, jurisPR-­ ArbR 37/2015 Anm. 4; dies als zutreffend ansehend APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 92, es sei aber die Konsequenz des nachträglich wirkenden gerichtlichen Rechtsschutzes und damit einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für ein bestimmtes Kündigungsschutzsystem. 635  BAG 6. 2. 1997 – 2 AZR 265/96, NZA 1997, 656; APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 68. 636  Vgl. zu § 102 BetrVG ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rn. 30 m. w. N.; APS/Koch, § 102 BetrVG Rn. 163 m. w. N. 637  Siehe oben C.II.1.c)aa).

180

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

wenn der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat hierzu erneut angehört hat.638 Eine erneute Anhörung ist in betriebsratslosen Betrieben nicht zu fordern: Der betroffene Arbeitnehmer ist bereits am Kündigungsschutzprozess beteiligt. Die Anhörungspflicht des Arbeitnehmers sollte jedoch allein in betriebsratslosen Betrieben möglich sein. Auch wenn § 102 BetrVG primär dem kollektiven Interessenschutz dient, dient die Betriebsratsanhörung dennoch dem individualrechtlichen Schutz und der Arbeitnehmer wird im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG bereits ausreichend beteiligt.639 Bei Bestehen eines Betriebsrats vom Arbeitgeber zu verlangen, dass er vor Ausspruch einer Kündigung sowohl den Arbeitnehmer als auch den Betriebsrat anhört, würde den Individualschutz unnötig verdoppeln und den Arbeitgeber zu sehr belasten. Zudem sollte an die Mitteilungspflichten im Rahmen einer Anhörung weniger strenge Anforderungen gestellt werden bei Betrieben und Arbeitnehmern, die nicht in den Anwendungsbereich des KSchG fallen.640 8.  Ergebnis Bei der Frage, ob der Arbeitgeber sich durch die freiwillige Angabe von bestimmten Kündigungsgründen bei Nichtbestehen eines Betriebsrats hinsichtlich anderer, bei Ausspruch der Kündigung bereits bestehender und bekannter Kündigungsgründe selbst bindet, ist die Unterscheidung zwischen dem Recht zu einer weiteren Kündigung und dem Nachschieberecht wesentlich. Auswirkungen auf das Kündigungsrecht kann die freiwillige Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung nur unter sehr strengen Voraussetzungen haben. Darin liegt keine nachträgliche Vereinbarung einer Begründungspflicht. Zumindest gedanklich sollte immer die Prüfung eines konkludenten Verzichts vor der einer Verwirkung stattfinden. Ein Verzicht auf das Kündigungsrecht kommt aber nur in Betracht, wenn ein Wille des Arbeitgebers zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck kommt. Die Nichtangabe bestimmter Gründe in der ersten Kündigungserklärung, das Nichtvorbringen dieser im darauf folgenden Prozess und das beanstandungsfreie Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses nach dem Prozess stellen besondere Umstände dar, die den strengen Anforderungen an einen konkludenten Verzicht gerecht werden. Ansonsten steht der durch den Ausspruch der Kündigung zum Ausdruck gebrachte Trennungswille einem Verständnis als Verzicht auf das Kündigungsrecht wegen anderer Gründe entgegen. Allein durch die Nichtverwendung aller dem Betriebsrat mitgeteilten Gründe in der Kündigungserklärung erklärt der Arbeitgeber ebenso wenig im Fall von 638 

Siehe oben C.II.1.c)aa); BAG 11. 4. 1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674. Siehe oben C.II.1.c)bb). 640  Vgl. zu § 102 BetrVG Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rn. 79: „Kündigungsschutz durch die Hintertür“. 639 

II.  Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung 181

§ 102 Abs. 2 Satz 4 oder Abs. 3 BetrVG, wegen der in der Kündigungserklärung nicht genannten Gründe keine weitere Kündigung aussprechen zu wollen. Außerhalb des gesetzlich geregelten Falles von § 626 Abs. 2 BGB besteht keine Rechtfertigung, eine Verwirkung des Kündigungsrechts anzunehmen. Anders ist jedoch eine Selbstbindung hinsichtlich des Nachschieberechts zu beurteilen, das selbst kein Gestaltungsrecht, sondern eine Prozesshandlung darstellt. Der Arbeitnehmer darf die Angabe von bestimmten Gründen in der Kündigungserklärung grundsätzlich so verstehen, dass der Arbeitgeber dadurch auf sein Recht zum Nachschieben anderer ihm bekannter Gründe im laufenden Prozess verzichtet. Ein fehlendes schutzwürdiges Vertrauen in das Ausbleiben einer erneuten Kündigung schließt ein schutzwürdiges Vertrauen in das Ausbleiben des Nachschiebens von Gründen zur Rechtfertigung derselben Kündigung nicht aus. Vom Arbeitgeber kann erwartet werden, zumindest irgendwie anzudeuten, dass er sich auf die anderen ihm bekannten Gründe zur Begründung dieser Kündigung später noch berufen könnte und sich nicht auf die bereits genannten Gründe beschränken wollte. Diese Obliegenheit wirkt sich nicht auf die Möglichkeit aus, die anderen Gründe bei einer neuen Kündigung heranzuziehen. Eventuelle prozesstaktische Motive oder Schonungsabsichten muss der Arbeitgeber deutlich machen, um einen konkludenten Verzicht zu verhindern. Der Arbeitgeber wird dadurch nicht unbillig schlechter gestellt. Ein konkludenter Verzicht ist nur bei bereits bekannten Gründen möglich. Vor allem bei Gründen, die er vorsätzlich herbeigeführt hat, darf der Arbeitnehmer nicht annehmen, dass der Arbeitgeber auf sein Nachschieberecht verzichten möchte. In der Geltendmachung eines neuen Grundes kann auch im Prozess die erneute Kündigungserklärung – entweder über den Weg der Auslegung oder nachrangig der Umdeutung – und im Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den neuen Grund eine Erweiterung seines Antrags gesehen werden. Dadurch müssen beide Parteien gerechterweise Vor- und Nachteile tragen und die Prozessökonomie ist nicht gefährdet. Des Weiteren gibt es bei einem Irrtum über die Erklärung eines Verzichts die Möglichkeit einer Anfechtung. Es fehlt an Schutzlücken für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung. Insbesondere für das Abstellen auf eine Verwirkung des Nachschieberechts fehlt es an Notwendigkeit. Auch die lange Nichtausübung des Nachschieberechts während eines laufenden Prozesses kann einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieberecht begründen. Darin liegt noch kein konkludenter Verzicht sogar auf das Kündigungsrecht. Dieser ist erst vorstellbar, wenn sogar nach dem Unterliegen im Prozess der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei fortsetzt und sein Kündigungsrecht aufgrund des anderen Grundes nicht ausübt. Dann ist die Nichtausübung des Nachschieberechts im vorherigen Prozess ein Umstand, der beim Verzicht auf das Kündigungsrecht zu berücksichtigen ist.

182

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Einen anderen Weg könnte die grundsätzliche Annahme eines Verstoßes gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens darstellen, wenn der Arbeitgeber einen neuen Sachverhalt nennt, auf den er sein Kündigungsrecht nachträglich stützen möchte und der ihm schon vor Ausspruch der Kündigung bekannt war. Durch jedes Auswechseln des Sachverhalts oder Ergänzen um einen neuen Sachverhaltskomplex erhält die Kündigung einen völlig anderen Charakter. Dieses Argument muss jedoch schon auf der Auslegungsebene den Ausschlag geben und als ein Beleg für einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieberecht gelten. Es besteht kein Bedarf für eine „Treuwidrigkeit aus anderen Gründen“. Für einen strengeren Umgang mit dem Nachschieben von Kündigungsgründen spricht ein Vergleich zum Umgang des BAG mit der Zulässigkeit des Nachschiebens von Anfechtungsgründen. § 626 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB hebeln den Vorrang der Rechtsgeschäftslehre auch hier im Fall einer außerordentlichen Kündigung nicht aus.641 Zugleich ändert der Vorrang des Verzichts in der Praxis nichts an der Bedeutung der Ausschlussfrist. Liegt ein konkludenter Verzicht auf das Nachschieberecht aufgrund eines fehlenden Vertrauendürfens nicht vor, gelangt § 626 Abs. 2 BGB zur Anwendung. Geht es um einen konkludenten Verzicht auf das Nachschieberecht nicht infolge der fehlenden Angabe von anderen Gründen in der Kündigungserklärung, sondern aufgrund der späteren Nichtausübung des Nachschieberechts, kann § 626 Abs. 2 BGB schon vorher zu einem Ausschluss des Nachschieberechts führen. Die von der herrschenden Meinung aufgestellte Regel, dass Gründe, die dem Kündigenden länger als zwei Wochen vor der Kündigung bekannt waren, auch dann unterstützend zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden dürfen, wenn die früheren Vorgänge mit den innerhalb der Ausschlussfrist bekannt gewordenen derart im Zusammenhang stehen, dass die neuen Vorgänge ein weiteres und letztes Glied in der Kette der Ereignisse bilden, die zum Anlass der Kündigung genommen worden sind, muss streng gehandhabt werden und ein derartiger Zusammenhang darf nur selten angenommen werden. § 626 Abs. 2 BGB betrifft zudem nicht nur das Nachschieberecht, sondern auch das außerordentliche Kündigungsrecht. Geht es um das außerordentliche Kündigungsrecht und nicht nur um das Nachschieberecht, kann von einer Wahrung der Ausschlussfrist hinsichtlich einer neuen Kündigung wegen der anderen bekannten Gründe nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber die neue Kündigung wegen eines Grundes erklärt, von dem er nicht länger als zwei Wochen vor der ersten Kündigung Kenntnis erlangt hat. Ihm bleibt aber unter Umständen die Möglichkeit einer neuen ordentlichen Kündigung. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits im Kündigungsschreiben mitteilt, er sehe die Kündigung als eine 641 

Vgl. oben Ergebnis C.I.1.c).

III.  Selbstbindung durch positive Zwischenzeugnisse

183

zwangsläufige Folge eines außerbetrieblichen Grundes. Bei der Fallgruppe der „selbstbindenden Unternehmerentscheidung“ handelt es sich strenggenommen also um keinen Sonderfall. Besonderheiten ergeben sich im Prozess hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast im Unterschied zu einer gestaltenden Unternehmerentscheidung. Da diese Einschätzung wahrscheinlich dazu führt, dass zukünftig kein Arbeitgeber mehr in der Kündigungserklärung Gründe nennt, ist über die Einführung einer allgemeinen Begründungsobliegenheit im Sinne eines Formerfordernisses oder besser einer Anhörungspflicht des Arbeitnehmers in betriebsratslosen Betrieben nachzudenken. Dies würde dem Umstand eher gerecht, dass es bei jedem Arbeitsverhältnis um die Schaffung und Erhaltung einer Existenzgrundlage geht und dass dem Gestaltungsrecht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine besondere Bedeutung zukommt, über das der Arbeitnehmer nicht in der Schwebe gelassen werden sollte. Jeder betroffene Arbeitnehmer sollte die Möglichkeit erhalten, sich vor einem Prozess darüber klar werden zu können, ob er die Kündigung akzeptieren oder gegen sie vorgehen will. Davon können aber zusätzlich sowohl Arbeitgeber als auch Gerichte profitieren.

III.  Selbstbindung durch positive Zwischenzeugnisse Ein Zwischenzeugnis ist ein Arbeitszeugnis, das während eines laufenden und nicht bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgestellt wird.642 Einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat der Arbeitnehmer entweder aufgrund einer tariflichen Regelung oder er ergibt sich aus § 241 Abs. 2 BGB als vertragliche Nebenpflicht bei einem triftigen Grund.643 Gegenstand dieses Kapitels ist eine Selbstbindung des Arbeitgebers durch ein positives Zwischenzeugnis hinsichtlich des Kündigungsrechts bei verhaltensbedingten Gründen644 und nicht die Selbstbindung des Arbeitgebers an den Inhalt des Zwischenzeugnisses bei Erteilung des Endzeugnisses.645 Vorstellbar ist allenfalls eine Selbstbindung hinsichtlich bekannter und vor Ausstellung des Zeugnisses entstandener Kündigungsgründe. 642  LAG Hamm 1. 12. 1994 – 4 Sa 1540/94, LAGE § 630 BGB Nr. 25; NK-GA/Boecken/ Pils, § 109 GewO Rn. 106; abzugrenzen vom vorläufigen Endzeugnis: HWK/Gäntgen, § 109 GewO Rn. 34. 643 ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 50; NK-GA/Boecken/Pils, § 109 GewO Rn.  107 m. w. N. 644  Dies ist abzugrenzen von einer möglichen Bindungswirkung eines Zwischenzeugnisses bei betriebsbedingten Kündigungen hinsichtlich der Frage, ob die konkrete Stelle weggefallen ist oder nicht, siehe NK-GA/Boecken/Pils, § 109 GewO Rn. 116. 645  Zur zweiten Fallgruppe siehe z. B. BAG 16. 10. 2007 – 9 AZR 248/07, BAGE 124, 229, Rn. 23; siehe auch zur Bindungswirkung eines Zwischenzeugnisses Höser, NZA-RR 2012, 281, 283 ff.

184

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

1.  Rechtsgeschäftlich: Verzicht auf das Kündigungsrecht Gegen einen konkludenten Verzicht durch die Erteilung eines positiven Zwischenzeugnisses spricht bereits, dass es sich bei dem Zwischenzeugnis um keine Willenserklärung, sondern um eine Wissenserklärung handelt.646 Willens- und Wissenserklärung unterscheiden sich dadurch, dass die erstere final auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist, während der letzteren eher deklaratorische Bedeutung zukommt.647 Ein Zeugnis ist nicht auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung, d. h. auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses, gerichtet.648 Der Verzicht auf ein entstandenes Kündigungsrecht ist nur ausdrücklich oder konkludent durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Kündigungsberechtigten möglich.649 Selbst wenn aufgrund einer „rechtsgeschäftlichen Komponente“650 die Möglichkeit eines Verzichts zugelassen wird, führt eine entsprechende Anwendung von §§ 133, 157 BGB zu dem Ergebnis, in der Erteilung eines positiven Zwischenzeugnisses nach einer Pflichtverletzung keinen Verzicht zu sehen.651 Ein Arbeitnehmer, der eine Pflichtverletzung begeht, muss eher nur von einem wohlwollenden Verhalten des Arbeitgebers im Sinne des Zeugnisrechts ausgehen, wenn dieser trotzdem ein positives Zeugnis ausstellt. Der zeugnisrechtliche Grundsatz des Wohlwollens beinhaltet, dass das Zeugnis von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren soll.652 „Wohlwollende“ Darstellungen in einem Zeugnis sind nicht mit dem Tolerieren einer Pflichtverletzung gleichzusetzen. Ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer trotz einer Pflichtverletzung das berufliche Fortkommen nicht erschweren möchte und darf, muss damit nicht gleichzeitig den Willen haben, aus der Pflichtverletzung keine weiteren Konsequenzen für das gegenwärtig laufende Arbeitsverhältnis ziehen zu wollen. An einen konkludenten Verzicht sind strenge Anforderungen zu stellen.653 Ein positives und 646  BAG 16. 10. 2007 – 9 AZR 248/07, BAGE 124, 229, Rn. 23; LAG Hessen, 27. 7. 1987 – 1 Sa 342/87, BeckRS 1987, 30886172; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 56; Hueck, BB 1951, 253; a. A. LAG Frankfurt aM 25. 10. 1950 – II LA 283/50, DB 1951, 308. 647 MüKo/Armbrüster, Vor § 116 BGB Rn. 16. 648  LAG Hessen, 27. 7. 1987 – 1 Sa 342/87, BeckRS 1987, 30886172. 649  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(1); BAG 10. 11. 1988 – 2 AZR 215/88, NZA 1989, 633, Rn. 41 m. w. N. 650  BGH 15. 5. 1979 – VI ZR 230/76, BGHZ 74, 281, Rn. 37; Staudinger/Preis, § 630 BGB Rn. 6; MüKo/Henssler, § 630 BGB Rn. 6, 64. 651  In diese Richtung wohl auch Schaub/Linck, § 147 Rn 29. 652  BAG 8. 2. 1972 – 1 AZR 189/71, BAGE 24, 112, Rn. 17. 653  Siehe oben B.I.1.a); KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 249; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 263.

III.  Selbstbindung durch positive Zwischenzeugnisse

185

wohlwollendes Zeugnis stellt noch keinen derartigen deutlichen Anhaltspunkt dar, um von einem Verzichtswillen ausgehen zu können. Insbesondere ein Vergleich zur Abmahnung macht dies deutlich. Auch wenn eine Abmahnung aufgrund ihrer Rügefunktion654 prima facie viel weniger zum Ausdruck bringen mag, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Pflichtverletzung toleriert und mit der Leistung des Arbeitnehmers zufrieden ist,655 führt der gegensätzliche Zweck einer Abmahnung zu einem deutlicheren Anhaltspunkt für einen Kündigungsverzicht hinsichtlich der abgemahnten Pflichtverletzung als bei einem Zwischenzeugnis. Bei der Abmahnung bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er die konkrete Pflichtverletzung nicht gutheißt, sie aber zunächst einmal nur abgemahnt wird und erst bei einer Wiederholung zur Kündigung führen kann. Daraus kann kein Erst-Recht-Schluss für ein positives Zwischenzeugnis gezogen werden. Die Abmahnung spielt nur im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Rolle. Obwohl ein Zeugnis als Maßstab für das Innenverhältnis dienen kann,656 so ändert dies nichts daran, dass die Hauptfunktion – auch bei einem Zwischenzeugnis – nach außen gerichtet ist.657 Zudem ist für die Abmahnung wesentlich, dass sie sich auf die konkrete Pflichtverletzung bezieht. Bei einem positiven Zwischenzeugnis fehlt jedoch der Bezug zur konkreten Pflichtverletzung. Einmalige Vorfälle oder Umstände, die für den Arbeitnehmer, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind, gehören nicht in das Zeugnis.658 Zu berücksichtigen ist dabei ferner, dass der Arbeitgeber meist nicht unaufgefordert von selbst ein solches Zwischenzeugnis ausstellt, sondern dies auf Verlangen des Arbeitnehmers geschieht. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Wahrheitspflicht. Zuzugeben ist, dass der Maßstab der wohlwollenden Beurteilung in einem Konflikt mit der Wahrheitspflicht steht und dem Wahrheitsgrundsatz dabei Vorrang zukommen sollte.659 Dies dient aber dem Interesse des künftigen Arbeitgebers an der Beurteilung der Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich nur auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Ar654  Vgl.

NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 793. oben C.1.a)aa)(3). 656 Z. B. bei Eingruppierungsstreitigkeiten LAG Hamm 28. 8. 1997 – 4 Sa 1926/96, NZA-RR 1998, 490. 657  Vgl. BAG 1. 10. 1998 – 6 AZR 176/97, NZA 1999, 894, Rn. 20; BAG 16. 10. 2007 – 9 AZR 248/07, BAGE 124, 229, Rn. 23. 658  BAG 23. 6. 1960 – 5 AZR 560/58, BAGE 9, 289; BAG 21. 6. 2005 – 9 AZR 352/04, BAGE 115, 130, Rn. 22; dies auch als Argument gegen die Annahme eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium anführend: Staudinger/Preis, § 630 BGB Rn. 75; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 19 und 57. 659 MüKo/Henssler, § 630 BGB Rn. 42. 655  Vgl.

186

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

beitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann; die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann.660 Der Wahrheitsgrundsatz dient also vor allem dem Interesse und Schutz des künftigen Arbeitgebers und nicht dem des Arbeitnehmers.661 Ein Arbeitnehmer, der Pflichtverletzungen begangen hat, weiß selbst, ob das Zeugnis der Wahrheit entspricht oder nicht. Aus der Sicht des Arbeitnehmers kann bei der Auslegung also nur der Grundsatz des Wohlwollens eine Rolle spielen. 2.  Außerrechtsgeschäftlich: venire contra factum proprium a)  LAG Bremen 22. 11. 1983 – 4 Sa 167/82 Das LAG Bremen begründet die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung zwei Tage nach Erteilung eines positiven Zwischenzeugnisses mit einer unzulässigen Rechtsausübung unter dem Gesichtspunkt des Verbots des venire contra factum proprium.662 Als Begründung führt das LAG Bremen den bei der Zeugniserteilung geltenden obersten Grundsatz der Wahrheit an.663 Qualifizierte Zeugnisse seien neben ihrer Funktion als Unterlage für neue Bewerbungen und zur Unterrichtung Dritter auch Maßstab für den Arbeitnehmer dafür, wie ihn der Arbeitgeber hinsichtlich Leistung und Führung beurteile. Der Arbeitnehmer müsse sich darauf verlassen können, dass die Beurteilung dem besten Wissen und Willen des Arbeitgebers entspreche und dass sich der Arbeitgeber an dieser von ihm ausgesprochenen Beurteilung festhalten lassen wolle. Etwas anderes könne nur gelten, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Zeugnisausstellung bekunde, dessen Formulierungen entsprächen nicht seiner wirklichen Sicht, etwa deshalb, um das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht zu erschweren.664 Im konkreten Fall bejahte das LAG Bremen das widersprüchliche Verhalten zudem damit, dass die Arbeitgeberin in Kenntnis des Umstandes, dass der Arbeitnehmer mit einer einvernehmlichen Lösung nicht einverstanden gewesen sei, sowie aller später im Zusammenhang mit der fristlosen Kündigung geltend gemachten Vorfälle, dennoch ein positives Zeugnis ausgestellt habe. Dies spreche für eine 660 

BAG 12. 8. 2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349, Rn. 17. Es sei denn, es geht um eine wahre Unterbewertung des Arbeitnehmers. 662  LAG Bremen 22. 11. 1983 – 4 Sa 167/82, BB 1984, 473; bestätigend LAG Hamm 4. 11. 1999 – 4 Sa 960/97, BeckRS 1999, 30781403, Rn. 109. Das BAG ist auf das Verbot des venire contra factum proprium im Zshg. mit einem Zwischenzeugnis bisher nur bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs eingegangen: BAG 8. 2. 1972 – 1 AZR 189/71, BAGE 24, 112 (siehe C.III.2.b)). 663  Auch das BAG sieht die Zeugniswahrheit als obersten Grundsatz an, siehe z. B. BAG 18. 11. 2014 – 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435, Rn. 19. 664  Mit Verweis auf BAG 8. 2. 1972 – 1 AZR 189/71, BAGE 24, 112. 661 

III.  Selbstbindung durch positive Zwischenzeugnisse

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tatsächliche Beurteilung der Leistungen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers und gegen die Erbringung einer reinen „Gegenleistung“ für Einvernehmlichkeit. b)  Fehlende Schutzlücke Auf das Verbot des venire contra factum proprium kann jedoch nur bei Schutzlücken zurückgegriffen werden. Zum einen könnte sich eine Schutzlücke durch den Ausschluss der rechtsgeschäftlichen Selbstbindung dadurch ergeben, dass es sich beim Zwischenzeugnis nicht um eine Willenserklärung handelt. Allerdings ist dann ein schutzwürdiges Vertrauen fraglich. Die Ergebnisse der oben durchgeführten Auslegung sind übertragbar. Geht man hingegen von einer rechtsgeschäftlichen Komponente aus, würde es erst recht zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, im Rahmen des venire contra factum proprium nun im Gegensatz zur Auslegung nach §§ 133, 157 BGB von einem schutzwürdigen Vertrauen auszugehen. Insbesondere in Situationen, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Kündigung in Aussicht gestellt hat und deswegen ein Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses anerkannt wird,665 erscheint das Vorhandensein eines schutzwürdigen Vertrauens des Arbeitnehmers zweifelhaft. Eine Schutzlücke könnte jedoch dann zu bejahen sein, wenn ein konkretes schutzwürdiges Vertrauen für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung nicht zu verlangen ist. Zum Teil wird die Fallgruppe als eine „Treuwidrigkeit aus anderen Gründen“ beurteilt.666 Unabhängig davon, ob ein venire contra factum proprium ohne Vertrauensbegründung überhaupt anerkannt werden sollte, muss dies die absolute Ausnahme bleiben.667 Fraglich ist aber, ob dem Arbeitgeber wirklich ein derartig widersprüchliches Verhalten im Sinne eines „unlösbaren Selbstwiderspruchs“ vorwerfbar ist.668 Auch hier ist maßgeblich, dass ein Zeugnis nur eine zusammenfassende Darstellung und nicht eine Darstellung einzelner Vorfälle, die für das Arbeitsverhältnis nicht charakteristisch waren, enthält.669 Dem Arbeitnehmer kann auch bei 665 HWK/Gäntgen, § 109 GewO Rn. 34; MüKo/Henssler, § 630 BGB Rn. 18; Schaub/ Linck, § 147 Rn 9; wobei dies eher das Inaussichtstellen von einer betriebsbedingten Kündigung z. B. wegen Betriebseinschränkung oder Absatzrückgang betrifft, vgl. MüKo/ Henssler, § 630 BGB Rn. 18. 666  Siehe oben B.III.; Bamberger/Roth/Sutschet, § 242 BGB Rn. 127; BeckOK BGB/ Sutschet, § 242 BGB Rn. 127; Palandt/Grüneberg, § 242 BGB Rn. 59; vgl. MüKo/Schubert, § 242 BGB Rn. 352. 667  Siehe oben B.III.; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 296; BeckOK BGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 125. 668  Den Weg des LAG Bremen als „zu weitgehend“ bezeichnend Schaub/Linck, § 147 Rn 29 Fn. 117. 669  BAG 23. 6. 1960 – 5 AZR 560/58, BAGE 9, 289; BAG 21. 6. 2005 – 9 AZR 352/04, BAGE 115, 130, Rn. 22; Staudinger/Preis, § 630 BGB Rn. 75; ErfK/Müller-Glöge, § 109

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

kleineren Auffälligkeiten oder einem einmaligen Fehlverhalten ein Zeugnis auszustellen sein, dass sein Verhalten einwandfrei gewesen sei.670 Damit stellt sich die Frage, ob größere Auffälligkeiten oder mehrmaliges Fehlverhalten zu einem anderen Ergebnis führen. Kündigungsrecht und Zeugnisrecht dürfen dabei aber nicht gleichgesetzt werden. Die zeugnisrechtlichen Grundsätze (Grundsätze der Wahrheit, Einheitlichkeit, Vollständigkeit und der wohlwollenden Formulierung) dürfen nicht mit kündigungsrechtlichen Grundsätzen vermischt werden.671 So kann nicht jeder wichtige Grund im Sinne von § 626 BGB als nicht mehr kleine Auffälligkeit im Sinne des Zeugnisrechts verstanden werden.672 Auch bezüglich einer außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung ergibt sich aus dem Wahrheitsgrundsatz keine andere Wertung. Der Arbeitnehmer scheint diesbezüglich nicht schutzwürdig. Ein Arbeitnehmer, der mehrmalig Pflichtverletzungen begeht – dies für sein Arbeitsverhältnis also sogar charakteristisch ist –, weiß genau, dass es sich dann bei dem wohlwollenden Zeugnis, das keine Äußerungen zu den Pflichtverletzungen enthält, nicht um die Wahrheit handelt. Geht es um eine Überbewertung und ist der Arbeitnehmer sich seines Fehlverhaltens bewusst, ist das Ziel vor allem der Schutz eines anderen potenziellen zukünftigen Arbeitgebers, der dadurch ein falsches Bild vom Arbeitnehmer bekommen kann.673 Ob Tatsachen im Zeugnis Berücksichtigung finden, bestimmt sich im Wesentlichen danach, ob sie für Dritte von Interesse sind.674 Es ist nicht abzustreiten, dass Zeugnisse nicht nur für das Außenverhältnis relevant sind. Der Schwerpunkt liegt jedoch darauf675 und somit stellt sich die Frage nach der Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers bei Maßnahmen im Innenverhältnis. Dass der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der eine Pflichtverletzung begangen hat, die zur Kündigung berechtigt, ein wohlwollendes Zeugnis ausstellt, aber kurze Zeit später eine Kündigung ausspricht, stellt danach keinen unauflösbaren Widerspruch dar. Ein Vergleich mit Entscheidungen über die Frage, ob das Geltendmachen von Schadensersatzansprüchen einem vorherigen Zeugnis widerspricht, führt zu keinem anderen Ergebnis.676 Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs GewO Rn. 19 und 57. Henssler teilt diese Ansicht soweit es um Schadensersatzansprüche geht, hält eine Unwirksamkeit einer Kündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens jedoch für möglich (MüKo/Henssler, § 630 BGB Rn. 62). 670  BAG 21. 6. 2005 – 9 AZR 352/04, BAGE 115, 130, Rn. 22. 671 Staudinger/Preis, § 630 BGB Rn. 75; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 57. 672  Vgl. HK-ArbR/Becker, § 109 GewO Rn. 23. 673  Vgl. HK-ArbR/Becker, § 109 GewO Rn. 3; vgl. oben C.III.1. 674  Vgl. Staudinger/Preis, § 630 BGB Rn. 41. 675  Siehe oben C.III.1. 676  BAG 8. 2. 1972 – 1 AZR 189/71, BAGE 24, 112; einen Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum proprium lehnen in diesem Zshg. ab: Staudinger/Preis, § 630 BGB Rn. 75; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 57; MüKo/Henssler, § 630 BGB Rn. 62.

III.  Selbstbindung durch positive Zwischenzeugnisse

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stellt ebenfalls eine Reaktion auf eine konkrete Pflichtverletzung, ähnlich der Kündigung, dar (unter Umständen kann der Arbeitgeber sich zu beidem entschließen). Das Ausstellen eines positiven Zwischenzeugnisses steht auch zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nicht im Widerspruch. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer wohlwollend ein positives Zwischenzeugnis ausstellen, weil er generell mit der Leistung zufrieden war und er dem Arbeitnehmer ein berufliches Fortkommen nicht erschweren will, aber gleichzeitig hinsichtlich der einen konkreten Pflichtverletzung den entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Auch hier geht es wieder um eine fehlende Schutzwürdigkeit im Innenverhältnis. Die Entscheidung des BAG vom 8. 2. 1972 scheint zudem nicht vergleichbar mit der des LAG Bremen. Die Sachverhalte weisen wesentliche Unterschiede auf. Im Fall, der der BAG-Entscheidung zugrunde lag, hatte die Arbeitgeberin, als der Arbeitnehmer ungefähr ein Jahr nach der angeblichen Feststellung eines Mankos und neun Monate nach der schriftlichen Geltendmachung des Fehlbetrages ausschied, ihn in dem ihm ausgestellten Zeugnis als ehrlichen, fleißigen und gewissenhaften Mitarbeiter bezeichnet.677 Es ging also nicht um die Bindung an ein Zwischen-, sondern an ein Endzeugnis. Nicht ganz eindeutig wird in der Entscheidung des LAG Bremen, welche Rolle die Tatsache spielt, dass die Kündigung nur zwei Tage nach Ausstellung des positiven Zwischenzeugnisses erfolgte. Es klingt jedoch durch, dass das LAG ein widersprüchliches Verhalten insbesondere dann als gegeben ansieht, wenn der Arbeitgeber die Kündigung kurze Zeit später ausspricht.678 Problematisch und zu Rechtsunsicherheit führend ist bei einer solchen Vorgehensweise also die Bestimmung, was noch unter einen solchen zusammenhängenden Zeitraum fällt. 3.  Anderweitige Berücksichtigung Auch wenn die Annahme eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium zu weitgehend erscheint, schließt dies nicht aus, dass ein positives Zwischenzeugnis anderweitig in der Wirksamkeitsprüfung einer Kündigung Berücksichtigung finden kann. Als Beispiel kann dabei eine Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 3. 2. 2016 dienen.679 In der Zeit von 2005 bis 2007 war der Arbeitnehmer mehrmals wegen verspäteter Arbeitsaufnahme abgemahnt worden. Erst 2014 fiel der Arbeitnehmer erneut wegen Verspätungen auf. Im August 2014 kündigte der Arbeitgeber aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis. Das LAG erklärte die Kündigung wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes im 677 

BAG 8. 2. 1972 – 1 AZR 189/71, BAGE 24, 112. Bremen 22. 11. 1983 – 4 Sa 167/82, BB 1984, 473: „Die zwei Tage darauf folgende fristlose Kündigung erweist sich daher als rechtsmißbräuchlich unter dem Gesichtspunkt des Verbots des venire contra factum proprium.“ 679  LAG Rheinland-Pfalz 3. 2. 2016 – 4 Sa 147/15, BeckRS 2016, 69598. 678 LAG

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Sinne von § 626 Abs. 1 BGB für unwirksam. Ein im Januar 2014 ausgestelltes positives Zwischenzeugnis zog das LAG im Rahmen der Frage heran, ob die Abmahnungen aus der Zeit von 2005 bis 2007 noch Berücksichtigung finden können.680 Eine Abmahnung kann aufgrund eines Zeitablaufs kündigungsrechtlich wirkungslos werden.681 Allein der Zeitablauf ist jedoch nicht maßgeblich. Entscheidend ist das Hinzutreten weiterer Umstände im Einzelfall.682 Dabei handelt es sich insbesondere um Umstände, die beim Arbeitnehmer wieder Ungewissen auslösen.683 Im Fall des LAG Rheinland-Pfalz lagen die Abmahnungen sieben Jahre zurück. Als zusätzliche Umstände, die beim Arbeitnehmer Ungewissen auslösen, wertete das LAG zum einen ein Schreiben von 2012, das ein Lob für die „gute und harmonische Zusammenarbeit“ enthielt, und zum anderen das Zwischenzeugnis vom Januar 2014,684 in dem der Arbeitnehmer als „stets zuverlässig und gewissenhaft“ beurteilt worden war. Der Arbeitnehmer habe daher keinesfalls mehr damit rechnen müssen, dass ihm die sieben Jahre zurückliegenden Abmahnungen zur Rechtfertigung einer Kündigung entgegengehalten werden.685 Die Berücksichtigung eines positiven Zwischenzeugnisses als einen Umstand bei der Prüfung der Wirkungslosigkeit einer Abmahnung durch Zeitablauf stellt im Gegensatz zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot des venire contra factum proprium keinen zu weitgehenden Schutz des Arbeitnehmers dar. Des Weiteren kommt eine Berücksichtigung bei der Interessenabwägung im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung einer außerordentlichen Kündigung in Betracht. Das LAG hat bei der Interessenabwägung als Umstand zugunsten des Arbeitnehmers unter anderem das positive Zwischenzeugnis auf die Waagschale gelegt.686 Wichtig ist dabei, dass allein ein positives Zwischenzeugnis nicht ausreicht, damit eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers ausfällt. Das Hinzutreten weiterer Umstände ist erforderlich.687 Erst wenn in Anbetracht 680 

LAG Rheinland-Pfalz 3. 2. 2016 – 4 Sa 147/15, BeckRS 2016, 69598, Rn. 40. § 1 KSchG Rn. 422 m. w. N.; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 540. 682 BAG 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797, Rn. 29; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 540 m. w. N.; SPV/Preis Rn. 13 m. w. N.; NK-GA/Kerwer, § 1 KSchG Rn. 826 m. w. N. 683 BAG 10. 10. 2002 – 2 AZR 418/01, DB 2003, 1797, Rn. 29; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 540. 684 Das Urteil enthält leider keine Information darüber, von welchem Datum das Zwischenzeugnis genau stammte, ob vor oder nach den Vorfällen zwischen dem 15. und 24. 1. 2014. 685  LAG Rheinland-Pfalz 3. 2. 2016 – 4 Sa 147/15, BeckRS 2016, 69598, Rn. 40. 686  LAG Rheinland-Pfalz 3. 2. 2016 – 4 Sa 147/15, BeckRS 2016, 69598, Rn. 42. 687 Im Fall des LAG waren dies die langjährige Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, das Belobigungsschreiben von 2012, das Ableisten vieler Überstunden und fehlende Störungen des Betriebsablaufs. 681 APS/Vossen,

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

191

aller Umstände das Interesse des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, deutlich gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen sofortiger Beendigung überwiegt, scheitert die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung am Ergebnis der vorzunehmenden Interessenabwägung.688 4.  Ergebnis Die Erteilung eines positiven Zwischenzeugnisses stellt keinen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht dar. Zum einen handelt es sich beim Zwischenzeugnis um eine Wissenserklärung, zum anderen würde auch eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ein solches Ergebnis nicht tragen. Auch ein Verstoß gegen das Verbot des venire contra factum proprium ist dem Arbeitgeber nicht vorwerfbar. Zeugnisrechtliche und kündigungsrechtliche Grundsätze sind auseinanderzuhalten. Es fehlt an einem schutzwürdigen Vertrauen des Arbeitnehmers und es liegt kein Sonderfall einer Treuwidrigkeit aus anderen Gründen vor. Ein positives Zwischenzeugnis kann aber Einfluss auf das Kündigungsrecht haben, indem es als ein Umstand bei der Prüfung der Wirkungslosigkeit einer Abmahnung durch Zeitablauf und als ein Umstand bei der Interessenabwägung im Rahmen von § 626 BGB berücksichtigt wird. Ihm darf jedoch nicht so ein erhebliches Gewicht zukommen, dass es alleine genügt, um zu einer Unwirksamkeit der Kündigung zu führen.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung bei betriebsbedingten Kündigungen689 Die Fallgruppe der selbstbindenden Unternehmerentscheidung betrifft im Rahmen der Prüfung eines dringenden betrieblichen Erfordernisses bei betriebsbedingten Kündigungen die Frage, ob ein Arbeitskräfteüberhang vorhanden ist.690 Auf der nächsten Stufe stellt sich die Frage nach der Erforderlichkeit. Es gilt das Ultima-Ratio-Prinzip, d. h. eine Kündigung ist erst dann möglich, wenn keine anderweitige Weiterbeschäftigung als milderes Mittel in Betracht kommt. Eine Kündigung ist aufgrund eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Ar688 

LAG Rheinland-Pfalz 3. 2. 2016 – 4 Sa 147/15, BeckRS 2016, 69598, Rn. 42. Pflicht zur anderweitigen Beschäftigung ist zwar auch bei einer personenund verhaltensbedingten Kündigung denkbar (APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 95). Relevant für die Praxis ist aber allein die Frage der Selbstbindung bzgl. einer Weiterbeschäftigung bei betriebsbedingten Kündigungen. Aus diesem Grund wird sich i. R. d. Untersuchung auf diese beschränkt. 690  Siehe dazu oben C.II.6. 689  Eine

192

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

beitsplatz in demselben oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b), Nr. 2 b), Satz 3 KSchG).691 Das Problem der Selbstbindung findet sich dabei vor allem in zwei Fragestellungen wieder: zum einen bei der Frage einer Weiterbeschäftigungspflicht in einem im Ausland gelegenen Betrieb desselben Unternehmens, zum anderen bei der Frage nach einer Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern. 1.  Weiterbeschäftigung in einem ausländischen Betrieb desselben Unternehmens a)   BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14692 Hinsichtlich der ersten Frage wird an dieser Stelle vor allem auf einen Besprechungsaufsatz der Verfasserin zum Urteil des BAG vom 24. 9. 2015 verwiesen.693 In diesem Urteil beschäftigt sich das BAG mit fünf Ausnahmen von dem Grundsatz einer Weiterbeschäftigungspflicht nur in Deutschland gelegenen Betrieben durch eine Selbstbindung des Arbeitgebers.694 Das BAG unterscheidet dabei zwischen einer Weiterbeschäftigung durch Ausübung des Direktionsrechts und durch Ausspruch einer Änderungskündigung. Grundlage der Entscheidung war folgender Sachverhalt: Der Arbeitnehmer war seit 1991 als Leiter einer deutschen Zweigstelle bei der Arbeitgeberin (eine Bank mit Sitz in der Türkei und mehreren Zweigstellen in Deutschland) tätig. 2011 entschied die Arbeitgeberin, den Geschäftsbetrieb in Deutschland einzustellen und wies dem Arbeitnehmer die Tätigkeit des Leiters der Abteilung für Auslandsgeschäfte einer Handelsfiliale in Istanbul zu. Der Arbeitnehmer leistete dieser Weisung nicht folge. Daraufhin ermahnte die Arbeitgeberin ihn zunächst wegen Arbeitsverweigerung ab und kündigte ihm später außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Vorrangig stützte sie die Kündigung auf den verhaltensbedingten Grund, nachrangig auf dringende betriebliche Erfordernisse. Hingewiesen werden soll an dieser Stelle nur auf die wesentlichen Ergebnisse des Aufsatzes:695 Liegt eine wirksame Versetzungsklausel vor, in der sich ein Ar691 BAG

17. 5. 1984 – 2 AZR 109/83, BAGE 46, 191; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 213 m. w. N.; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 304 m. w. N. 692  BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457. 693  Kleinert, RdA 2017, 52. 694  Nach dem BAG bezieht sich die Weiterbeschäftigungspflicht aus § 1 Abs. 2 KSchG grds. nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers (BAG 29. 8. 2013 – 2 AZR 809/12, NZA 2014, 730; siehe auch LAG Berlin-Brandenburg 5. 5. 2011 – 5 Sa 219/11, IPRspr. 2011, Nr. 60, 130; LAG Berlin-Brandenburg 1. 6. 2011 – 4 Sa 218/11, BeckRS 2011, 76011, a. A. LAG Hamburg 22. 3. 2011 – 1 Sa 2/11, AE 2011, 240). 695  Kleinert, RdA 2017, 52, 57.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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beitgeber eine Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens vorbehält, und hält diese einer Inhaltskontrolle stand, bindet der Arbeitgeber sich rechtsgeschäftlich, dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung auch freie Arbeitsplätze im Ausland anzubieten,696 unabhängig davon, ob eine Betriebs- oder Betriebsteilverlagerung in einen anderen Staat oder eine grenzüberschreitende Funktionsnachfolge stattfindet.697 Ist die Klausel AGB-rechtlich unwirksam,698 kann sich dennoch eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium ergeben.699 Das Berufen des Arbeitgebers auf die Versetzungsklausel gegenüber dem Arbeitnehmer stellt einen besonderen Umstand dar, der trotz fehlender Dispositionen einen Verstoß gegen § 242 BGB rechtfertigt.700 Nur wenn der Arbeitnehmer eine vorbehaltlose und endgültig ablehnende Haltung gegenüber einer Versetzung als Alternative zu einer Kündigung zum Ausdruck gebracht hat, kann es zu einer Gefahr einer Gegenwehr als Rückausnahme kommen.701 Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats stellt keine Rückausnahme dar, wenn es sich um eine Betriebsstilllegung handelt und der Betriebsrat nicht zu beteiligen war.702 Die Möglichkeit einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung im Sinne einer Nebenpflicht zum Ausspruch einer Änderungskündigung aus § 241 Abs. 2 BGB über die Vorgaben des § 1 Abs. 2 KSchG hinaus ist nicht zu befürworten.703 Für einen konkludenten Verzicht auf das betriebsbedingte Kündigungsrecht bedarf es eindeutigere Anhaltspunkte als Versetzungsangebote, Weisungen und Abmahnungen.704 Zudem würde ein solcher nur zu einer Weiterbeschäftigungspflicht im Ausland führen, wenn es neben dem stillgelegten Betrieb keinen anderen Betrieb des Unternehmens in Deutschland gibt.705 Es ist nicht widersprüchlich, Kündigungen vorrangig auf die Weigerung des Arbeitnehmers zu stützen, weisungsgemäß im Ausland tätig zu 696 

Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 53. ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 55; dies vom BAG offen gelassen (BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 27). 698  Im Fall des BAG war die Klausel unwirksam (BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 22). 699  Siehe allg. oben B.III. 700  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 53 f.; a. A. BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 23. 701  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 54; a. A. BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 25 f. 702  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 54 f.; a. A. BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 26. 703  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 55 f.; hier i. E. auch verneinend, aber grds. in Betracht ziehend BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 29. 704  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 56; so auch BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 33. 705  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 56. 697 Dazu

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

werden, und die ordentliche Beendigungskündigung hilfsweise damit zu begründen, dass er dort nicht einsetzbar ist.706 b)  Nachträgliche Vereinbarung einer Versetzungsklausel Das Urteil bot allerdings keinen Anlass, auch auf die Möglichkeit einer nachträglichen Vereinbarung einer Versetzungsklausel einzugehen. Diese sollte grundsätzlich aber als weitere Ausnahme durch eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung in Betracht gezogen werden: Die wiederholte Beschäftigung des Arbeitnehmers in zum Unternehmen gehörenden Betrieben im Ausland kann eine konkludente nachträgliche Vereinbarung einer Versetzungsklausel darstellen.707 Wichtig ist allerdings, dass ein Einverständnis des Arbeitnehmers zu einer derartigen Vertragsänderung zum Ausdruck kommt, da eine solche Klausel auch negative Folgen für ihn haben kann: Der Arbeitgeber erhält dadurch auch ein Recht auf Versetzung ins Ausland. Der Arbeitnehmer muss widerspruchslos im Ausland seine Arbeitsleistung weiter erbracht haben und dadurch zum Ausdruck bringen, dass er auch in Zukunft mit Versetzungen in ausländische Betriebe einverstanden ist.708 Eine solche konkludente Vereinbarung hat dann in Bezug auf die Weiterbeschäftigungspflicht dieselben Rechtsfolgen wie die schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorliegenden Klauseln. Im Unterschied zu den schon im Arbeitsvertrag als AGB enthaltenen Klauseln kann bei der Auslegung auf die individuellen Begleitumstände abgestellt werden709 und es kommt nicht zu einer Inhaltskontrolle. c)  Verhalten gegenüber mehreren Arbeitnehmern Das BAG beschäftigte sich im Rahmen des besagten Urteils nur mit möglichen Selbstbindungsausnahmen ausgelöst durch ein Verhalten gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer. Es sind aber genauso Konstellationen einer Selbstbindung durch ein Verhalten gegenüber mehreren Arbeitnehmern denkbar.

706  Dazu ausf. Kleinert, RdA 2017, 52, 56 f.; so auch BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 30 ff. 707  Vgl. zu den Konzernversetzungsklauseln BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644; Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 96; siehe ausf. C.IV.2.b)bb)(5). 708  Vgl. BAG 1. 8. 2001 – 4 AZR 129/00, BAGE 98, 293; BAG 24. 11. 2004 – 10 AZR 202/04, BAGE 113, 29; LAG Hamm 28. 6. 2007 – 15 Sa 1753/06, BeckRS 2007, 46765; siehe zur konkludenten Vertragsanpassung im Arbeitsrecht u. a. Schneider, NZA 2016, 590, 592 f. m. w. N. 709  Siehe oben B.I.1.b)aa); HK-BGB/Dörner, § 133 BGB Rn. 5; MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 55.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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aa)  Rechtsgeschäftlich: betriebliche Übung An eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung im Wege der betrieblichen Übung könnte zu denken sein, wenn sich der Arbeitgeber in der Vergangenheit vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen zunächst immer bemüht hat, die Arbeitnehmer in anderen Betrieben im Ausland unterzubringen. Dies kann eine konkludente Willenserklärung umfassen, für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung die Verpflichtung zu übernehmen, für einen anderen Arbeitsplatz im Ausland zu sorgen. Hier stellt sich nicht die Problematik, ob – wie im Fall des Absehens von Kündigungen bei Pflichtverletzungen – eine betriebliche Übung überhaupt durch das Unterlassen einer Kündigung möglich ist.710 Es geht hier nicht darum, ob allein durch das Absehen von einer Kündigung trotz eines betriebsbedingten Grundes auf das Kündigungsrecht durch betriebliche Übung verzichtet wird, sondern vielmehr um ein wiederholtes aktives Tun des Arbeitgebers: die Verschaffung einer Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb im Ausland vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. bb)  Außerrechtsgeschäftlich: Gleichbehandlungsgrundsatz Verschafft der Arbeitgeber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern eine Unterbringung in einem anderen Betrieb im Ausland, kann dies zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes führen. Diese Situation ist nicht bereits durch den allgemeinen Kündigungsschutz abgedeckt oder ausgeschlossen. § 1 Abs. 3 KSchG stellt zwar eine gesetzliche Konkretisierung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar,711 um eine Sozialauswahl in diesem Sinne geht es hier aber nicht. Die Lösung des Problems ist nicht bereits unmittelbar durch das KSchG möglich,712 da, zumindest nach dem BAG, sich die Weiterbeschäftigungspflicht aus § 1 Abs. 2 KSchG nicht auf freie Arbeitsplätze im Ausland bezieht. Dadurch bleibt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar.713 Allerdings ist – wie generell – zu beachten, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur bei zeitlich gleich gelagerten Sachverhalten zur Anwendung gelangt.714 Das bedeutet, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur zum Einsatz kommt, wenn derselbe betriebsbedingte Grund Anlass für Maßnahmen des Arbeitgebers ist. Geht es um gleich gelagerte Fälle in der Vergangenheit, ist an eine rechtsge710  Vgl.

oben C.I.2.b)bb)(1)(b). oben B.II.3.; SPV/Preis Rn. 250; HWK/Thüsing, § 611 BGB Rn. 190; KR/ Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 234; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 268; Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 389. 712 Vgl. Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 389. 713  Vgl. SPV/Preis Rn. 250; ders., Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 389. 714  Vgl. oben B.II.3., C.I.2.a)bb) und C.I.2.b)aa)(2); Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 387 f. 711  Siehe

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

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schäftliche Selbstbindung aus betrieblicher Übung zu denken.715 Zudem ist folgendes zu beachten: Der Grundsatz der Vertragsfreiheit ist vorrangig gegenüber dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn und soweit Vertragsbedingungen mit den einzelnen Arbeitnehmern frei ausgehandelt sind.716 Hat der Arbeitgeber also rechtsgeschäftlich mit einzelnen Arbeitnehmern ausgehandelt, für eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb im Ausland vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zu sorgen, kann der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht durchdringen. Anders liegt der Fall hingegen, wenn es sich um vorformulierte Vorgaben handelt.717 Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung – in diesem Fall eine Weiterbeschäftigung in ausländischen Betrieben – nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt.718 2.  Weiterbeschäftigung in anderen Konzernunternehmen Der Schwerpunkt soll im Rahmen dieser Untersuchung vor allem auf der zweiten Frage in diesem Zusammenhang liegen: der Weiterbeschäftigungspflicht in einem anderen Unternehmen eines Konzerns. Grundsätzlich ist der Kündigungsschutz, der durch das KSchG vorgegeben wird, betriebs- und unternehmens-, nicht aber konzernbezogen.719 Das bedeutet: Die vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung geforderte Weiterbeschäftigungspflicht720 bezieht sich nicht auf freie vergleichbare Stellen in anderen Konzernunternehmen. Für eine solche Handhabung sprechen vor allem der Wortlaut des KSchG, das Fehlen einer Regelungslücke und die rechtliche Selbstständigkeit der Konzernunternehmen.721 Im Rahmen dieser Untersuchung geht es nicht um eine Vertiefung der Frage, ob eine generelle Ausweitung der Weiterbeschäftigungspflicht auf den Konzern zu be715 

Siehe oben B.I.3.b). oben B.II.3.; siehe z. B. BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 21 (siehe zu diesem Urteil auch D.II.1.c)); ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575 m. w. N.; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1125 m. w. N. 717  Siehe oben B.II.3.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575; a. A. Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1025. 718  Siehe z. B. BAG 19. 8. 1992 – 5 AZR 513/91, NZA 1993, 171, Rn. 30; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 576 und 580 m. w. N. 719  Grundlegend u. a. BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72; BAG 22. 5. 1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125; BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 218 m. w. N. 720  Zu Recht krit. zur Wahl des Begriffs der „Weiterbeschäftigung“ in diesem Zshg., wenn es zu einem Arbeitgeberwechsel kommt: Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 140. 721  So die h. M., siehe z. B. vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 218 f. m. w. N. 716 Siehe

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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fürworten ist,722 sondern vielmehr um die aufgestellten Ausnahmen im Wege der Selbstbindung des Arbeitgebers.723 a)  Eingrenzung der Fallgruppe Ausgeklammert bleibt der unproblematische Fall, in dem ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz ebenfalls bejaht wird: bei einem von vorneherein einheitlichen Arbeitsverhältnis.724 Dieser Fall stellt eigentlich keine Durchbrechung bzw. Ausnahme vom Grundsatz dar.725 Gegenstand der Untersuchung sind nur Sachverhalte, in denen bislang nur ein Arbeitsvertrag zum bisherigen Arbeitgeber gegeben ist. Nicht nur der Vertragsarbeitgeber, der beabsichtigt, dem Arbeitnehmer zu kündigen, kann sich selbst binden, sondern auch das andere Konzernunternehmen. Für den Kündigungsschutz relevant ist aber vor allem die Selbstbindung des kündigenden Arbeitgebers. Das Thema dieser Untersuchung konzentriert sich auf die Selbstbindung des aktuellen Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer und nicht auf die Selbstbindung eines zukünftigen potenziellen Arbeitgebers. Somit spielt die Frage, ob ein herrschendes Konzernunternehmen, das nicht gleichzeitig kündigender Arbeitgeber ist, generell aufgrund der Konzernleitungsmacht die „Fürsorgepflicht“726 trifft, für eine Weiterbeschäftigung im Konzern zu sorgen, hier keine Rolle.727 Aus diesem Grund bleibt der „Verpflichtungstatbestand der Beherrschung“728 unberücksichtigt, insbesondere weil ein solcher Anspruch nicht

722  Für einen generellen Konzernbezug früher z. B. Abbrent, BB 1988, 756, 759 ff.; krit. heutzutage auch u. a. SPV/Preis Rn. 1000 ff. m. w. N., der von einer planwidrigen Regelungslücke im KSchG ausgeht. 723  Den Begriff „Selbstbindung“ verwendet z. B. BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72. 724 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 220 f. m. w. N.; siehe diese Abgrenzung auch bei Annuß, Betriebsbedingte Kündigung, S. 76; siehe auch Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 123 f. 725  Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 124 f.; Bitter/Kiel, RdA 1994, 333, 350. 726  Zur Veraltung dieses Begriffs siehe oben B.I.2. 727  So z. B. Coen, RdA 1983, 348, 353, nach dem die Konzerndimension nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung, sondern zu einem Anspruch gegen das herrschende Konzernunternehmen führen soll (dazu auch Annuß, Betriebsbedingte Kündigung, S. 83); vgl. auch Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 138 ff.; Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 159 ff. 728  Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1177; SPV/Preis Rn. 1000b. Gemeint sind damit die von Temming entworfenen Figuren der „culpa in dominando adversus tertium (cid)“ und „obligatio in dominando adversus tertium (oid)“ und damit die Anspruchsgrundlage für einen unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungsanspruch

198

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

zur Sozialwidrigkeit einer Kündigung durch eine abhängige Tochter führen,729 sondern nur einen konzerndimensionalen Weiterbeschäftigungsanspruch gegenüber der Konzernmutter begründen soll.730 Eine Selbstbindung des anderen Konzernunternehmens kann kündigungsschutzrechtlich nur Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung haben, wenn der Anlass der Selbstbindung dem kündigenden Arbeitgeber zurechenbar ist.731 Auf die Wirksamkeit der Kündigung keinen Einfluss hat auch eine mögliche Selbstbindung des ursprünglichen Arbeitgebers hinsichtlich einer Rücknahmepflicht.732 Der Weiterbeschäftigungsanspruch im Konzern mit Auswirkungen auf die Verhältnismäßigkeit der Kündigung ist von einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch nach rechtswirksamer Kündigung oder nach einem Aufhebungsvertrag zu unterscheiden. Nach dem BAG verhalte sich ein Arbeitgeber widersprüchlich, der einen Wechsel des Arbeitnehmers zu einem Tochterunternehmen, das die Beschäftigungspflicht allein erkennbar gar nicht erfüllen kann, veranlasse und dabei den Anschein erzeuge, er werde „im Fall der Fälle“ für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sorgen, wenn er bei einem Konkurs des Tochterunternehmens trotz bestehender Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer in seinem Betrieb einem Beschäftigungsverlangen des Arbeitnehmers nicht nachkomme.733 Je nach den Umständen sei er deshalb aufgrund seiner Erklärungen vor Abschluss des Aufhebungsvertrags nach Treu und Glauben verpflichtet, seinen früheren Arbeitnehmer wiedereinzustellen.734 aus § 280 Abs. 1 iVm §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB (Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1133 ff.; dazu auch SPV/Preis Rn. 1000a f.). 729 Nach Temming können sich auf den mit Hilfe der „oid“ hergeleiteten konzerndimensionalen Weiterbeschäftigungsanspruch nur Arbeitnehmer einer abhängigen Tochter berufen (Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1171). 730  Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1145. Einen unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungsanspruch für Arbeitnehmer einer herrschenden Konzernmutter begründet er mit Hilfe des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (S. 1171 ff.). 731 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 223 und 225 m. w. N.; Bayreuther, NZA 2006, 819, 822. Nach e. A. setzt die konzernweite Betrachtung generell nicht nur die Bindung des Arbeitgebers voraus, sondern weiter die Bindung des übernehmenden Konzernunternehmens, siehe z. B. Fiebig, DB 1993, 582, 583; vgl. auch BAG 23. 11. 2004 – 2 AZR 24/04, NZA 2005, 929. 732  Siehe dazu z. B. Däubler/Deinert/Zwanziger/Deinert, § 1 KSchG Rn. 427; Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 125 ff.; Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 169 ff. 733 BAG 21. 2. 2002 – 2 AZR 749/00, EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 7; dieses Beispiel auch aufgreifend APS/Kiel, § 1 Rn. KSchG 552. 734  Siehe ausf. zu einem Wiedereinstellungsanspruch aus der Vertrauenshaftung nach einem freiwilligen Wechsel des Arbeitnehmers zu einem anderen Konzernunternehmen Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 125 ff.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

199

Ausgenommen von der Diskussion sind zudem Fälle der Arbeitnehmerüberlassung durch konzerneigene Arbeitnehmerverleihgesellschaften (sog. konzerninterne Personendienstleistungsgesellschaften), die bezweckt, Mitarbeiter anderen Konzernunternehmen oder auch Unternehmen außerhalb des Konzerns zur Arbeit zu überlassen.735 Ist eine solche Gesellschaft die kündigende Arbeitgeberin, ist diese nur zu einer betriebsbedingten Kündigung berechtigt, wenn sie den Arbeitnehmer weder bei anderen Entleihern – in diesem Fall also bei anderen Konzernunternehmen – noch im eigenen Betrieb sofort oder auf absehbare Zeit einsetzen kann.736 Dies gilt nicht nur spezifisch innerhalb eines Konzerns, sondern trifft auf alle Verleihgesellschaften zu.737 Schwerpunkt der Untersuchung bildet wieder, ob sich eine Weiterbeschäftigungspflicht aus einer rechts- oder außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung des kündigenden Arbeitgebers ergibt.738 Eine präzise Trennung ist in der Rechtsprechung und der Literatur nicht immer feststellbar.739 Auch hinsichtlich der Rechts735 

Siehe dazu ausf. z. B. Braun/Wisskirchen/Fedder/Braner, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 4 Rn. 51 ff. 736 Vgl. LAG Düsseldorf 30. 10. 2008 – 15 TaBV 114/08, LAGE § 14 AÜG Nr. 4, Rn. 60 ff.; zu Personalführungsgellschaften, bei denen Arbeitnehmer zentral von einem Konzernunternehmen eingestellt werden, siehe Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 106: „Dies führt zu der unbestrittenen Verpflichtung, daß die Personalführungsgesellschaft unabhängig von ihrer Stellung im Konzern nur dann zu einer Kündigung berechtigt ist, wenn in keinem Konzernunternehmen, für das sie zentral die Arbeitskräfte einstellt, ein adäquater Arbeitsplatz zur Verfügung steht.“; vgl. Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 111, der allerdings bei der Konzernarbeitnehmerüberlassung wie bei Konzernversetzungsklauseln vorgeht: bei fehlender Durchsetzungsmacht bestehe nur eine Pflicht, eine Weiterbeschäftigung zu versuchen, nur bei Durchsetzungsmacht ein Weiterbeschäftigungsanspruch. 737  BAG 18. 5. 2006 – 2 AZR 412/05, RdA 2007, 176, Rn. 18; Dahl, DB 2003, 1626, 1627 m. w. N. 738  Siehe auch Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1111; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 100 und S. 172 ff.; a. A. Konzen, RdA 1984, 65, 73, der es für praktisch belanglos hält, ob man diesen Vorgang in die Rechtsgeschäftslehre integriert oder als Vertrauenshaftung an deren Rand ansiedelt; ähnlich auch Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 108. 739  Dies ebenfalls kritisierend Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1111, mit Verweis in Fn. 33 auf BAG 23. 11. 2004 – 2 AZR 24/04, NZA 2005, 929, Rn. 35: „Ob die Voraussetzungen eines sich nach den vorstehenden Grundsätzen aus einer ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Verpflichtung ergebenden Vertrauenstatbestandes auf eine Übernahme in ein anderes Unternehmen und ein bestimmender Einfluss der Bekl. auf die Durchsetzung dieser Übernahme vorliegen, hat das LAG nicht hinreichend überprüft.“ und BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43: „Voraussetzung für eine konzerndimensionale Betrachtung ist das Vorliegen eines zusätzlichen vertraglichen Elements – ausdrücklich, konkludent oder aus dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung.“ und Rn. 47: „Gemessen an diesen Voraussetzungen vermag der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte festzustellen, die einen einem vertraglich vereinbarten konzernweiten Ver-

200

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

folgen (Unwirksamkeit der Kündigung, Schadensersatz oder andere Ansprüche) herrscht Unklarheit.740 Die Untersuchung bleibt beschränkt auf ihren Gegenstand der Selbstbindung durch „Vertrag oder Vertrauen“741, die Konsequenzen für das Kündigungsrecht des Arbeitgebers hat. b)  Rechtsgeschäftlich Aufgrund der aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Vertragsfreiheit können Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Kündigungsschutz rechtsgeschäftlich ausdehnen.742 Der Arbeitgeber kann dies durch ausdrückliche oder konkludente Abreden oder einseitige Zusagen erreichen. Begehrt der Arbeitnehmer konzernweiten Kündigungsschutz, muss er konkret darlegen, aus welchen vertraglichen Regelungen sich die konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ableiten soll und wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt.743 Dabei ist jedoch an eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast zu denken.744 aa)  Ausdrücklich (1) Bei Vertragsschluss Durchaus vorstellbar – aber in der Praxis selten – ist, dass ein Arbeitgeber sich ausdrücklich rechtsgeschäftlich durch die Aufnahme einer Regelung in den Arbeitsvertrag, die ausdrücklich die Weiterbeschäftigungspflicht auf den Konzern ausweitet, selbst bindet.745 Ein Konzernbezug kann auch aus einer kollektivrechtlichen Zusage des Arbeitgebers in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung folgen.746 Wichtig ist aber, dabei zu unterscheiden, ob sich der Arbeitgeber setzungsvorbehalt gleichkommenden Vertrauenstatbestand rechtfertigen könnten.“; siehe auch die Kritik bei Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 145 f.; siehe dazu zudem oben A. 740  Ebenfalls krit. Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 140 f.; Rid, NZA 2011, 1121, 1123. 741 Vgl. SPV/Preis Rn. 1000b; Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1111 und 1122. 742  Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 125; Feudner, DB 2002, 1106, 1107. 743  BAG 18. 10. 2012 – 6 AZR 41/11, NZA 2013, 1007, Rn. 58. 744  BAG 10. 5. 2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264, Rn. 46. 745 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 223; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 156 f. und S. 262; Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 124; Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 144; Feudner, DB 2002, 1106, 1107. 746 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 540; Gallner, in: FS Düwell, 2011, S. 213 m. w. N.; differenzierend Lingemann, in: FS Bauer, 2010, S. 664 f.; zur tarifvertraglichen Verpflichtung: vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 223; APS/Kiel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rn. 594; siehe z. B. § 6 des Tarifvertrags „Abkommen zum Schutz der Mitarbeiter im DLH-Konzern vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen (Schutzabkommen)“ vom

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

201

zu einer Weiterbeschäftigung im Konzern verpflichtet hat oder nur dazu, dass er sich vor einer betriebsbedingten Kündigung um eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen bemühen muss.747 Wiederum muss bei einer ausdrücklichen Verpflichtung zur Verschaffung einer Beschäftigung außerhalb des eigenen Unternehmens differenziert werden, ob der Arbeitgeber „nur“ eine Pflicht begründen oder sogar eine Garantie abgeben möchte.748 Liegt seitens des Arbeitgebers der Wille vor, eine unbedingte Garantie für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen, scheitert aber die Übernahme in ein anderes Konzernunternehmen, ist die betriebsbedingte Kündigung unwirksam und der Arbeitnehmer ist vom ursprünglichen Arbeitgeber fortzubeschäftigen.749 Die Erklärung ist aber genau darauf zu untersuchen, ob nur die Kündigung ausgeschlossen werden sollte, wenn ein freier Arbeitsplatz in einem anderen Konzernunternehmen vorhanden ist oder, ob dadurch eine Art Ausschluss der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung gewollt ist.750 In einem solchen Fall bleibt die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung (mit Auslauffrist).751 Bei einer Garantie ist die Durchsetzungsmacht des versprechenden Arbeitgebers irrelevant.752 Von einer Durchsetzungsmacht spricht das BAG 18. 4. 1980 in BAG 17. 9. 1998 – 2 AZR 419/97, NZA 1999, 258 und BAG 10. 5. 2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264; krit. Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 2248; zur Betriebsvereinbarung: LAG Nürnberg 28. 7. 1999 – 3 Sa 911/98, BeckRS 1999, 30779838; LAG Köln 17. 12. 2007 – 14 Sa 654/07, AuR 2008, 229, Rn. 56; siehe auch Meyer, NZA 2013, 1328; bei einem Interessenausgleich eine Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern ablehnend BAG 22. 5. 1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125, Rn. 42 f.; bejahend aber BAG 22. 11. 2012 – 2 AZR 673/11, NZA 2013, 730, Rn. 40. Siehe zur Einordnung der Betriebsvereinbarung und des Tarifvertrags als rechtsgeschäftliche Selbstbindung B.I.3.d)aa) und bb). 747  LAG Hessen 26. 11. 1999 – 2 Sa 1177/99, BeckRS 1999, 30878268, Rn. 44. 748 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 224; Bayreuther, NZA 2006, 819, 822; vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 157 m. w. N. 749 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 224; Bayreuther, NZA 2006, 819, 823 und 825. 750  Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 70; vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 159; Bayreuther, NZA 2006, 819, 823; Rid, NZA 2011, 1121, 1124. 751 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 224; Bayreuther, NZA 2006, 819, 823 und 825. Gallner sieht eine Möglichkeit in einer Pflichtbefreiung in den Unzumutbarkeitsgrenzen von § 275 Abs. 2, 3 BGB (FS Düwell, 2011, S. 213 m. w. N.). Abzugrenzen ist dies von den Fällen, in denen das BAG die zur konzernbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht entwickelten Grundsätze im Falle einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist heranzieht (BAG 10. 5. 2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264; BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 562/14, BAGE 152, 345, Rn. 44). Der Unterschied liegt darin, dass sich dort die ordentliche Unkündbarkeit aus Regelungen wie „Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren ist eine ordentliche Kündigung einschließlich der ordentlichen Änderungskündigung […] ausgeschlossen.“ (BAG 10. 5. 2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264, Rn. 3) ergibt und nicht aus der Garantieerklärung zur Weiterbeschäftigung selbst. 752 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 224; Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 70; zum Fall einer kollektivrechtlichen Zusage: LAG Köln 17. 12. 2007 – 14 Sa

202

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

bei einer Möglichkeit der Einflussnahme aufgrund eindeutiger rechtlicher Regelungen (z. B. aufgrund eines Beherrschungsvertrags) oder auch nur bei einer faktischen Einflussmöglichkeit.753Allerdings ist ein solcher Garantiewille in der Praxis nur selten feststellbar.754 Fehlt es an einem Garantiewillen, spielt es für die Rechtsfolgen – aber nicht für die Wirksamkeit der Verpflichtung – eine Rolle, ob es sich bei dem verpflichtenden Arbeitgeber um ein Unternehmen mit Durchsetzungsmacht handelt.755 Führt die fehlende Durchsetzungsmacht zu einer Unmöglichkeit, wird der Arbeitgeber gem. § 275 BGB von seiner Erfüllungspflicht befreit;756 die Kündigung ist somit wirksam.757 Unter Umständen kann dem Arbeitnehmer aber ein Schadensersatz­ anspruch aus § 311a Abs. 2 oder §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB zustehen.758 Schadensersatz wird in der Höhe der Bezüge geleistet, die der Arbeitnehmer bei einem anderen Konzernunternehmen erhalten hätte, also in Höhe des entgangenen Lohns.759 Erfüllt der Arbeitgeber hingegen trotz Durchsetzungsmacht seine Weiterbeschäftigungspflicht nicht und hätte der Arbeitnehmer andernfalls weiter beschäftigt werden können, ist die Kündigung unwirksam.760 Daneben kommen Schadensersatzansprüche in Betracht.761 Hat er sich ausdrücklich nur verpflichtet, sich zu bemühen, führt ein Scheitern der Übernahme nur zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Arbeitgeber sich nicht bemüht hat.762 Inwieweit der Arbeitgeber sich bemühen muss, hängt davon ab, was ausdrücklich vereinbart wurde. Wird dies nicht näher durch die 654/07, AuR 2008, 229, Rn. 56 mit Verweis auf BAG 10. 5. 2007 – 2 AZR 626/05, BAGE 122, 264. 753  BAG 18. 9. 2003 – 2 AZR 79/02, BAGE 107, 318, Rn. 38; BAG 23. 3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30, Rn. 22 m. w. N.; siehe zum „bestimmenden Einfluss“ auch die Erläuterungen von Rid, NZA 2011, 1121, 1125 f. 754  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 157, Fn. 492; Bayreuther, NZA 2006, 819, 822. 755 Vgl. Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 21 f. 756  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 157. 757 Vgl. Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 175 f.; Bayreuther, NZA 2006, 819, 822; Gallner, in: FS Düwell, 2011, S. 219. 758  Dies für möglich haltend, aber ein vorschnelles Bejahen der Voraussetzungen ablehnend Bayreuther, NZA 2006, 819, 822; siehe auch Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 175 f. 759  Siehe z. B. Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 175; Kukat, BB 2000, 1242, 1244 f. 760 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 542 m. w. N.; Rost, in: FS Schwerdtner, 2003, S. 174. 761  Gallner, in: FS Düwell, 2011, S. 218 f. (nur in extremen Ausnahmefällen). 762 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 228 m. w. N.; Gallner, in: FS Düwell, 2011, S. 213; vgl. Lingemann, in: FS Bauer, 2010, S. 672; Rost, in: FS Schwerdtner, 2003, S. 176 m. w. N.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

203

Parteien konkretisiert, erscheint es fragwürdig, allein eine konzernweite Jobbörse als eine ausreichende Bemühung um eine Unterbringung in einem anderen Unternehmen anzusehen.763 (2) Bei Ausspruch der Kündigung Von einer „begrenzten Selbstbindung“ spricht das BAG, wenn im Kündigungsschreiben ausgeführt wird, es werde die Versetzungsmöglichkeit auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Konzern überprüft.764 Eine solche Ankündigung kann aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Wirksamkeit einer Kündigung ist der Zugang der Kündigungserklärung.765 Sollte nach Zugang der Kündigung doch noch eine Beschäftigungsmöglichkeit im Konzern gefunden werden, macht dies die Kündigung nicht unwirksam. Dies würde zudem nicht zu einem Wiedereinstellungsanspruch führen, da es um eine Einstellung in einem anderen Konzernunternehmen und nicht um eine Wiedereinstellung beim bisherigen Arbeitgeber geht.766 Die Ankündigung kann nicht so verstanden werden, dass die Kündigung unter der auflösenden Bedingung – Auffinden einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Konzern – ausgesprochen wird. Würde sie so verstanden, würde schon allein aus dieser Verbindung mit einer auflösenden Bedingung die Unwirksamkeit der Kündigung folgen.767 Es handelt sich dann weder um eine zulässige Potestativnoch um eine zulässige Rechtsbedingung.768 In der Ankündigung liegt ferner keine rechtsgeschäftliche Zusage einer Wiedereinstellung für den Fall, dass nach Abschluss der Überprüfung eine Versetzungsmöglichkeit auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz im Konzern nicht gefunden wird. Auch nach dem BAG hat die Arbeitgeberin nur darauf hinweisen wollen, dass der Arbeitnehmerin gekündigt werden müsse, weil bis jetzt noch keine Beschäftigungsmöglichkeit gefunden worden sei, sie – die Arbeitgeberin – aber weiterhin nach einer solchen im Konzern suche, was bei der Größe des

763 

So aber Lingemann, in: FS Bauer, 2010, S. 672 f. BAG 22. 5. 1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125, Rn. 45. 765 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 448. Das BAG sagt selbst, die Ankündigung sei insofern ungewöhnlich, als sie sich im Kündigungsschreiben finde (BAG 22. 5. 1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125, Rn. 45). 766 Siehe ausf. zum Wiedereinstellungsanspruch u. a. NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 368 ff. m. w. N. 767  BAG 15. 3. 2001 – 2 AZR 705/99, BAGE 97, 193; MüKo/Hergenröder, § 1 KSchG Rn. 39; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 58 m. w. N.; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn.  170 m. w. N. 768  Siehe dazu NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 58 m. w. N.; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 169 f. m. w. N.; Moll/Vossen, MAH ArbR, § 42 Rn. 11 f. m. w. N. 764 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Konzerns naturgemäß längere Zeit dauere.769 Ein Wille auf Wiedereinstellung ist dabei nicht erkennbar. Rechtsgeschäftlich selbstgebunden hat die Arbeitgeberin sich also allenfalls dahin gehend, dass sie sich verpflichtet, eine Beschäftigungsmöglichkeit im Konzern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung weiter zu prüfen. Damit begründet sie allenfalls eine Art rechtsgeschäftlich konkretisierte nachwirkende Nebenpflicht.770 Die Verletzung einer solchen Pflicht zieht aber nicht die Unwirksamkeit der Kündigung nach sich, ebenso führt sie nicht zu einem Schadensersatzanspruch auf Wiedereinstellung.771 Eine rechtsgeschäftlich verbindliche Zusage, für eine Weiterbeschäftigung zu sorgen, hat nur noch Auswirkungen auf die Kündigung, wenn sie bei Abschluss des Arbeitsvertrags oder vor der Kündigung ausgesprochen wird. Eine solche verbindliche Zusage ist von einer Zusage abzugrenzen, die nur eine bloße Absichtserklärung ohne Bindungswirkung darstellt.772 bb)  Konkludent (1) Konzernversetzungsklausel (a) Einordnung als konkludente rechtsgeschäftliche Selbstbindung Eine konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht kommt grundsätzlich durch die Vereinbarung einer Konzernversetzungsklausel in Betracht.773 Damit sind Klauseln gemeint, in denen sich der Arbeitgeber vertraglich vorbehält, den Arbeitnehmer auch in andere konzernangehörige Unternehmen zu versetzen.774 Da sich der Arbeitgeber in solchen Klauseln nicht ausdrücklich bereit erklärt, auch im Fall einer betriebsbedingten Kündigung von seinem Versetzungsrecht Gebrauch zu machen, kann nur von einer konkludenten Vereinbarung einer konzernbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht gesprochen werden.775 Wirksame Versetzungsklau769 

BAG 22. 5. 1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125, Rn. 45. Siehe allg. zu nachwirkenden Nebenpflichten des Arbeitgebers MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1209 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 752 f. 771  Vgl. C.IV.2.b)bb)(7). 772  Siehe auch Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 204 mit Verweis auf Martens, ZGR 1984, 417, 450. Das BAG spricht von einer möglichen Selbstbindung durch eine „formlose Zusage“ (BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72, 3, Leitsatz und Rn. 51). 773  BAG 23. 3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30, Rn. 24; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 234 ff.; Rid, NZA 2011, 1121, 1123; Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 19; a. A. Feudner, DB 2002, 1106, 1109 („widersprüchliche und durch nichts zu rechtfertigende Durchbrechung des Arbeitsvertragssynallagmas“). 774 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 216; siehe Beispiele bei Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 125 Fn. 9; Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1110 Fn. 28; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 92 Fn. 405 m. w. N.; Maschmann, RdA 1996, 24, 35 Fn. 171. 770 

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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seln sind als konkludente rechtsgeschäftliche Selbstbindung einzuordnen. Dabei ist zwischen dem Vorbehalt einer vorübergehenden Abordnung bzw. Entsendung776 und einer dauerhaften Versetzung zu unterscheiden; in der Praxis wird der Begriff der „Konzernversetzung“ allerdings meist allgemein für alle Varianten der Arbeitnehmermobilität verwendet.777 Da es aber nur bei der Versetzung zu einem Arbeitgeberwechsel kommt, kann diese Unterscheidung nicht ganz unbeachtet bleiben.778 Konzernweite Versetzungsklauseln stellen im Gegensatz zu Konzernabordnungen keinen Fall der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung dar.779 775

Zum Teil wird es für dogmatisch überzeugender gehalten, die Versetzungsklausel als einen „arbeitsvertraglich begründeten Unterfall eines Vertrauenstatbestands“ anzusehen, denn die Versetzungsklausel begründe selbst noch keine Pflicht des Arbeitgebers, wohl aber ein Vertrauen des Arbeitnehmers auf eine konzernweite Betrachtung der Beschäftigungsmöglichkeiten.780 Dem ist entgegenzuhalten, dass die Auslegung von Versetzungsklauseln sehr wohl zu dem Ergebnis einer Pflicht kommen kann, auch wenn dabei nicht auf das konkrete Vertrauen des betroffenen Arbeitnehmers, sondern auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Arbeitnehmers abgestellt wird. Die Auslegung ergibt nicht, dass eine solche Klausel nur eine Duldungspflicht des Arbeitnehmers und nicht auch eine Pflicht des Arbeitgebers begründen soll.781 775  Von „konkludenter Vereinbarung“ spricht u. a. auch vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 223; Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 124 f.; eine „ausdrückliche“ Bindung sehen Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161, 2163. 776  Siehe zur Abordnungsklausel ausf. C.IV.2.b)bb)(2). 777 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 198; Küttner/Röller, Personalbuch, Konzernarbeitsverhältnis Rn. 4; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 217; Braun/Wisskirchen/Fedder/Braner, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 43; Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Absch. 3 Rn. 76; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 91 f, der zu Recht die ungenaue Handhabung der Begriffe „Versetzung“, „Entsendung“ und „Abordnung“ in Rspr. und Lit. als zu „Unsicherheit in der Rechtsanwendung führend“ kritisiert (S. 67 ff, S. 91 f, S. 107 f. und S. 127 f.); Maschmann, RdA 1996, 24 ff.; Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161 f.; den Begriff der „Versetzung“ auch schon kritisierend Windbichler, Arbeitsrechtliche Vertragsgestaltung im Konzern, S. 21. 778 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 217; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 91 f. und S. 107 f. 779 Moll/Christ, MAH ArbR, § 66 Rn. 138 f. m. w. N.; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 108. 780  Fiebig, DB 1993, 582, Fn. 5; ihm folgend Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 144; vgl. auch Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161, 2163, die die Vereinbarung einer Versetzungsklausel in einem Arbeitsvertrag als einen Vertrauenstatbestand ansehen. 781  So aber Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 144. Auch Silberberger befasst sich mit dem Versetzungsvorbehalt unter dem Titel „Vertrauenshaftung“ (Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 107 ff.).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Zu keiner anderen Einordnung führt die Ansicht, die durch einen Versetzungsvorbehalt eine gesteigerte „Fürsorgepflicht“ annimmt.782 Auch das BAG spricht zum Teil von einer „konkretisierten Fürsorgepflicht“.783 Der Unterschied wird darin gesehen, dass es sich nicht um eine „vertragliche“ Verpflichtung handele.784 Das Abstellen auf eine „Fürsorgepflicht“ ändert jedoch nichts daran, dass es sich im Ergebnis um eine vertragliche Selbstbindung handelt: Der Arbeitgeber bindet sich durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags daran, gewisse Nebenpflichten einzuhalten.785 Sie sind, wenn sie sich nicht aus Spezialgesetzen ergeben, § 241 Abs. 2 BGB zuzuordnen.786 Wichtig aber ist vor allem, dass die Konkretisierung der „Fürsorgepflicht“ vertraglich durch den Versetzungsvorbehalt erfolgt. Es handelt sich allenfalls um eine kraft konkludenter Parteivereinbarung festgelegte Nebenpflicht.787 Wenn das BAG davon spricht, dass die ausnahmsweise konzerndimensionale Betrachtung Ausfluss einer konkretisierten Fürsorge- und Gleichbehandlungspflicht sei und letztlich sich auf dieser Grundlage die Frage der Weiterbeschäftigung im Konzern als eine Frage des Vertrauensschutzes darstelle,788 darf der Begriff des „Vertrauensschutzes“ nicht mit dem der „Vertrauenshaftung“ gleichgesetzt werden.789 Auch bei einer vertraglichen Selbstbindung spielt der Vertrauensschutz im Rahmen der Auslegung eine Rolle. Der Rückgriff auf den Begriff der „Fürsorgepflicht“ erscheint hier also irreführend, unnötig und konstruiert.790 782  Siehe z. B. Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 109 ff.; ihm z. T. folgend Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 149 und S. 153, der aber als Rechtsfolge nur einen einklagbaren Anspruch auf Verschaffung eines Arbeitsvertrags mit einem anderen Konzernunternehmen und kein Kündigungshindernis annimmt (S. 154 f. und S. 186), bei einer Abordnungspflicht bejaht er hingegen ein Kündigungshindernis (S. 149 und S. 186); zu einer „Fürsorgepflicht“ auch ohne Versetzungsvorbehalt siehe C.IV.2.b) bb)(7). 783  BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72, Rn. 51; BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43. 784  Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 144 und S. 146 f. 785  Siehe oben B.I.2. 786 MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 986 f.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 615 f, der den Rekurs auf eine allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers daher für unnötig hält; siehe oben B.I.2. 787  Siehe oben B.I.2.; zu Nebenpflichten durch Parteivereinbarung u. a. MüKo/Bachmann, § 241 BGB Rn. 51. 788  BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43. 789  Dass auch das BAG nicht von einer solchen Gleichsetzung ausgeht, belegt der vom BAG nachfolgende Satz: „Voraussetzung für eine konzerndimensionale Betrachtung ist das Vorliegen eines zusätzlichen vertraglichen Elements – ausdrücklich, konkludent oder aus dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung.“ (BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43). 790 Den Umgang des BAG mit dem Begriff der „Fürsorgepflicht“ in diesem Zshg. auch als uneinheitlich kritisierend Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 145 f.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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(b) Arbeitgeber mit Durchsetzungsmacht Im Rahmen der Auslegung ist es relevant, um wen es sich beim Verwender der Klausel handelt. Handelt es sich beim Arbeitgeber um ein Unternehmen mit Durchsetzungsmacht,791 führt die Auslegung einer Konzernversetzungsklausel, in der der Arbeitgeber sich die Beschäftigung des Arbeitnehmers in anderen (abhängigen) Unternehmen des Konzerns vorbehält, zu einer konkludenten Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung.792 Diese Situation ist vergleichbar mit derjenigen einer Versetzungsklausel bezogen auf ausländische Betriebe des Unternehmens.793 Allerdings besteht ein erheblicher Unterschied darin, dass es zu einem Arbeitgeberwechsel kommt. Man könnte einwenden, dass allein eine solche Versetzungsklausel nicht ausreichend ist, um das Direktionsrecht zu erweitern, sondern es vielmehr eines Einverständnisses des Arbeitnehmers zu einer konkreten Versetzung bedarf. Indem der Arbeitnehmer aber dem Arbeitsvertrag mit der Konzernversetzungsklausel zugestimmt hat, hat er sein Einverständnis mit einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Konzerns erklärt.794 Etwas anderes gilt, wenn in der Klausel selbst ein Einverständnis zur Voraussetzung gemacht wird.795 Eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung ist aber nur zu bejahen, wenn die Klausel wirksam ist, also einer AGB-Kontrolle standhält. Versetzungsklauseln sind nach der h. M. ein „zulässiges Instrument konzerninterner Mobilität“796, es

791  Dies ist meist die Konzernmutter bzw. ein herrschendes Unternehmen und nicht die Konzerntochter bzw. ein abhängiges Unternehmen. Aber auch eine Konzernmutter kann die Versetzung in eine Tochtergesellschaft nicht immer durchsetzen (Bayreuther, NZA 2006, 819, 821) und umgekehrt kann u. U. auch ein nicht herrschendes Unternehmen das Durchsetzungskriterium erfüllen (Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1113 m. w. N.). Aus diesem Grund wird hier stattdessen der Begriff des „Unternehmens mit/ ohne Durchsetzungsmacht“ verwendet. 792  Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 125 f,. es werde die Erwartung erweckt, dass der vertraglich eingeräumten Befugnis die Personalplanung der Konzernmutter entspreche. Kiel wendet in einem solchen Fall § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG analog an (Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 142). 793  Siehe oben C.IV.1.a). 794  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 97; vgl. auch MünchArbR/Reichold, § 36 Rn. 13; Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161, 2162 („ohne weitere Mitwirkung des Arbeitnehmers“); Fliss, NZA-RR 2008, 225, 228; differenzierend Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen, S. 233 f.; Maschmann, RdA 1996, 24, 36 ff.; a. A. von Hoyningen-Huene/Boemke, Die Versetzung, S. 218; krit. auch Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag II D 30 Rn. 231 f. und Rn. 238. 795  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 114; Maschmann, RdA 1996, 24, 35 Fn. 170. 796  Lingemann/von Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161, 2162.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

fehlt jedoch immer noch die höchstrichterliche Klärung dieser Problematik.797 Eine Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 10 BGB kommt aufgrund arbeitsrechtlicher Besonderheiten nicht in Betracht,798 sie kann sich aber aus §§ 305c Abs. 1, 307 BGB ergeben.799 Generelle Aussagen dazu sind nicht möglich, sondern es ist für jeden Einzelfall zu prüfen.800 Selbst wenn Konzernversetzungsklauseln generell für unwirksam gehalten werden801 oder sich im Einzelfall eine Unwirksamkeit ergibt, kann daraus dennoch eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung folgen.802 Somit hat eine wirksame Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag, in der sich der Arbeitgeber mit Durchsetzungsmacht die Versetzung in ein anderes Unternehmen des Konzerns vorbehält, die Konsequenz, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn freie vergleichbare Arbeitsplätze im Konzern zur Verfügung stehen und der Arbeitgeber seiner Weiterbeschäftigungspflicht nicht nachkommt.803 Dafür ist es irrelevant, ob von der Klausel tatsächlich im Laufe des Arbeitsverhältnisses

797  Offen gelassen BAG 13. 4. 2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 280, Rn. 20. Preis rät von der Verwendung derartiger Klauseln ab (Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 225 ff.). Bedenken äußern auch Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1227. Hinweis auf die unterschiedlichen Meinungen u. a. bei Maschmann, RdA 1996, 24, 35 Fn. 173 f. 798 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 86; HWK/Gotthardt/Roloff, § 309 BGB Rn. 13; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 309 Nr. 10 BGB Rn. 2; MüKo/Basedow, § 310 BGB Rn. 102; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 93 ff.; Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen, S. 231; a. A. z. B. Hümmerich, NZA 2003, 753, 758; Worzalla, NZA-Beil 2006, 122, 131. 799 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 86; Küttner/Röller, Personalbuch, Konzernarbeitsverhältnis Rn. 5. 800  Siehe z. B. LAG Hamm 11. 12. 2008 – 11 Sa 817/08, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 17. Z. T. werden für eine Wirksamkeit die namentliche Angabe der potenziellen anderen Unternehmen (Worzalla, NZA-Beil 2006, 122, 131), die Angabe von Gründen für eine Versetzung (Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 192a; Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1227), eine Ankündigungsfrist (Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen, S. 235) oder eine Klarstellung, dass der Arbeitnehmer nur auf eine gleichwertige Position versetzt werden kann (Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1227), gefordert. 801 So Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 95 ff. m. w. N. Er begründet die Unwirksamkeit u. a. mit einem „Eingriff in den Grundsatz der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Konzerngesellschaften“ und einem „Widerspruch zum zwingenden Kündigungsrecht in Bezug auf das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber“ (S. 97). 802 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30, Rn. 240 Fn. 2; Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 78; a. A. scheinbar Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 128; siehe dazu unten C.IV.2.c)aa). 803  Silberberger zieht die Fürsorgepflicht heran, dennoch kann an dieser Stelle auf seine Ansicht verwiesen werden, dass der Versetzungsvorbehalt zu einem Kündigungshindernis führe, wenn ein vom Versetzungsvorbehalt erfasster, freier Arbeitsplatz in einem anderen Konzernunternehmen vorhanden sei (Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 111).

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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Gebrauch gemacht wurde oder nicht.804 Der Unwirksamkeit der Kündigung kann nicht entgegengehalten werden, dass ein Arbeitgeberwechsel eine Kündigung des derzeitigen Arbeitsverhältnisses voraussetzen würde.805 Die Vereinbarung einer solchen Klausel mit der Möglichkeit des Arbeitgeberwechsels führt zu einem auflösend bedingten Arbeitsverhältnis, zu einem aufschiebend bedingten Aufhebungsvertrag oder die Versetzungsklausel stellt das vorweggenommene Angebot zum Abschluss eines dreiseitigen Vertragsübernahmevertrags dar.806 (c) Arbeitgeber ohne Durchsetzungsmacht Handelt es sich beim ursprünglichen Vertragspartner um ein Unternehmen ohne Durchsetzungsmacht, ist fraglich, ob eine Auslegung ebenfalls zu diesem Ergebnis führt.807 Die Rechtsprechung fordert auch bei einer Konzernversetzungsklausel als weitere Voraussetzung einer derartigen unternehmensübergreifenden Weiterbeschäftigungspflicht einen bestimmenden Einfluss des Beschäftigungsbetriebs bzw. des vertragsschließenden Unternehmens auf die Versetzung.808 Zuzustimmen ist dem BAG, dass die Einflussmöglichkeit auf andere Konzernunternehmen nicht gänzlich bedeutungslos ist. Allerdings stellt sie keine weitere Voraussetzung für eine Weiterbeschäftigungspflicht dar, sondern vielmehr einen zu berücksichtigenden Umstand bei der Auslegung.809 Ohne Einflussmöglichkeit kann die Versetzungsklausel weder so verstanden werden, dass 804 Vgl. Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 108; a. A. Martens, ZGR 1984, 417, 447 („Der vertraglich vereinbarten Konzernmobilität muß also auch eine praktizierte Konzernmobilität entsprechen.“); Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 79. 805  In diese Richtung scheinbar Nüchter, der eine wirksame Kündigung als Voraussetzung eines Anspruchs auf Verschaffung eines neuen Arbeitsvertrags ansieht, aus diesem Grund würden sich Schadensersatzansprüche und die Unwirksamkeit der Kündigung gegenseitig ausschließen (Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 154 f.). 806  Maschmann, RdA 1996, 24, 36 ff., der allerdings bei den ersten beiden Alternativen einen sachlichen Grund fordert und die letzte Alternative nach § 138 Abs. 1 BGB für nichtig hält; Braun/Wisskirchen/Fedder/Braner, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 55. 807  Helle ist der Ansicht, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Unternehmens dem Entstehen des Eindrucks konzerneinheitlicher Personalplanung durch dieses Unternehmen nicht entgegen stehe (Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 153 f.). 808  BAG 23. 3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30; LAG Sachsen 7. 5. 2015 – 6 Sa 103/14, BeckRS 2016, 71895, Rn. 71; offen gelassen, ob es an dem Tatbestandsmerkmal des bestimmenden Einflusses festhält BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 45 f. 809 Vgl. Gallner, in: FS Düwell, 2011, S. 214; vgl. Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 21, der allerdings i. E. den bestimmenden Einfluss zur Voraussetzung machen möchte, dass die Weiterbeschäftigungspflicht auch kündigungsschutzrechtlich durchschlägt. Bayreuther spricht von einer „Vermengung der Prüfungsebenen Begründungstatbestand und „Durchsetzbarkeit“ (NZA 2006, 819, 820).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung im Konzern garantiert, noch, dass er sich zur Weiterbeschäftigung ohne Garantiewillen verpflichtet.810 Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass Arbeitnehmer in der Regel bei Abschluss des Arbeitsvertrags keine genaue Kenntnis über die Durchsetzungsmächte im Konzern haben.811 Daraus folgt nicht, dass die Arbeitnehmer in einem Konzern immer davon ausgehen dürfen, dass ihr Arbeitgeber Durchsetzungsmacht auch hinsichtlich eines Arbeitgeberwechsels im Fall einer betriebsbedingten Kündigung zu einem anderen Konzernunternehmen hat, wenn er eine Versetzungsklausel in den Vertrag aufnimmt.812 Dies steht nicht im Widerspruch zur Unklarheitenregel aus § 305c Abs. 2 BGB. Das BAG spricht selbst nur von einer Pflicht, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen kündige.813 Für einen solchen Versuch ist ein bestimmender Einfluss nicht notwendig.814 Geschützt ist also bei der Auslegung nur das Vertrauen in einen Versuch und nicht in eine Verschaffungspflicht. Versuchen bedeutet dann, sich zu bemühen, für eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen zu sorgen. Aus diesem Grund ist es nicht notwendig, beim Fehlen eines bestimmenden Einflusses von einer subjektiven Unmöglichkeit auszugehen.815 Ein Fall von subjektiver Unmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn sich der Arbeitgeber trotz fehlenden Einflusses zu einer Weiterbeschäftigung im Konzern und nicht nur zu einem Bemühen um eine Weiterbeschäftigung verpflichtet.816 Grundsätzlich ist eine Konzernversetzungsklausel in einem Vertrag mit einem Unternehmen ohne Durchsetzungsmacht, d. h. vor allem mit einem nicht herrschenden Unternehmen, bei Fehlen deutlicher weitergehender Anhaltspunkte nur als die konkludente Vereinbarung einer „Weiterbeschäftigungsbemühung“ zu verstehen. Die Kündigung ist erst dann unwirksam, wenn der Arbeitgeber sich nicht hinreichend bemüht hat und wenn feststeht, dass entsprechende Bemühun810 Vgl. Bayreuther, der die Annahme einer derart weitreichenden Garantiehaftung nur aus einer konzernweiten Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers für unzulässig hält (NZA 2016, 819, 822); siehe auch Lingemann/v. Steinau-Steinrück, DB 1999, 2161, 2163 f., die davon ausgehen, dass der Arbeitgeber mit einer Versetzungsklausel keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung einräume, sondern ihn dies nur zu einem Versuch verpflichte. 811  So aber HK-ArbR/Bufalica, § 1 KSchG Rn. 656. 812  So aber HK-ArbR/Bufalica, § 1 KSchG Rn. 656, die erweiterte Beschäftigungspflicht sei die „Kehrseite der durch die Konzernversetzungsklausel begründeten erweiterten Einsatzmöglichkeiten“ 813 Vgl. Bayreuther, NZA 2006, 819, 823. 814 Vgl. Lingemann, in: FS Bauer, 2010, S. 667 und S. 672. 815  Einen Fall der subjektiven Unmöglichkeit auch für diese Konstellationen scheinen aber anzunehmen: Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 237; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 157. 816 Vgl. Fiebig, DB 1993, 582, 583.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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gen des Vertragsarbeitgebers zum Erfolg geführt hätten.817 Hat der Arbeitgeber sich hinreichend, aber erfolglos bemüht, ist die Kündigung wirksam.818 Die Reichweite der Weiterbeschäftigungs- als auch der Bemühenspflicht ist ebenfalls durch Auslegung der Klausel zu bestimmen. Legt die Klausel nur eine Versetzungsmöglichkeit zu bestimmten Konzernunternehmen fest und nicht innerhalb des gesamten Konzerns, beschränkt sich die Pflicht nur auf diesen Bereich.819 (d) Zwischenergebnis Eine Versetzungsklausel allein kann nicht so verstanden werden, dass der Arbeitgeber eine unbedingte Garantie für eine Weiterbeschäftigung im Konzern abgeben will. Sie führt nur dazu, dass der Arbeitgeber zumindest versuchen muss, den Arbeitnehmer in einem anderen Konzernunternehmen unterzubringen, bevor er eine betriebsbedingte Kündigung ausspricht, und begründet für das andere Konzernunternehmen keinen Kontrahierungszwang. Kann der Arbeitgeber nicht darlegen und beweisen, dass er sich ernsthaft bemüht hat, führt dies zu einer Unwirksamkeit der Kündigung. Hat der Arbeitgeber bestimmenden Einfluss, wandelt sich diese Pflicht des Bemühens zu einer Pflicht der Verschaffung (ohne Garantie). Ein Pflichtverstoß führt bei beiden Varianten allerdings nur zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn ein freier Arbeitsplatz im Konzern zur Verfügung steht. Dieser Umgang mit dem Vorhandensein von Versetzungsklauseln führt nicht zu einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter.820 Eine Einwilligung in die Konzernversetzungsklausel durch das andere Konzernunternehmen ist nicht erforderlich.821 Ein Rückgriff auf eine „erhöhte Verantwortung des Gesamtkonzerns“822 muss nicht erfolgen. (2) Abordnungsklausel823 Auch eine Abordnungsklausel kann eine Erweiterung der Weiterbeschäftigungspflicht auf den Konzern begründen.824 Diese Erweiterung kann jedoch nur 817  Vgl.

APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 551. Bayreuther, NZA 2006, 819, 824. 819  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 158; vgl. Martens, DB 1985, 2144, 2147. 820  Siehe zu dieser Gefahr NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 336. 821  So aber NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 336, eine solche Einwilligung könne z. B. in einem konzernweit verwendeten Formularvertrag liegen. 822  So SPV/Preis Rn. 999 f. m. w. N.; ders., Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 321 f. 823  Beispiele u. a. bei Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 217; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 118; Weinmann, ZGR 1984, 461, 462. 824 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 242; Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen, S. 232 f.; Meyer, NZA 2013, 1326, 1327; vgl. BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 42; a. A. Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 128 ff. 818 Vgl.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

entsprechend dem durch die Klausel eröffneten Rahmen erwachsen.825 Richtig ist also, dass aus einer Abordnungsklausel keine Verpflichtung gefolgert werden kann, im Falle der Kündigung einen neuen Arbeitsplatz in einem anderen Konzernunternehmen zu verschaffen; ein derartiger Bindungswille ist aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennbar.826 Allein bei dieser Feststellung kann es jedoch nicht bleiben: Zu beachten ist vielmehr, dass eine vorübergehende Beschäftigung ein milderes Mittel darstellen kann. Arbeitgeber sind generell nicht verpflichtet, als anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit vor betriebsbedingten Kündigungen eine Überlassung der betroffenen Arbeitnehmer an Dritte in Erwägung zu ziehen.827 Hat der Arbeitgeber sich im Arbeitsvertrag aber eine mögliche Abordnung vorbehalten, kann von ihm erwartet werden, vor dem Ausspruch einer Beendigungskündigung, eine vorübergehenden Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen z. B. im Wege der Konzernleihe828 unter Aufrechterhaltung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses zu verwirklichen – wenn es sich um ein Unternehmen mit Durchsetzungsmacht handelt –829 oder zumindest zu versuchen – wenn es sich um ein Unternehmen ohne Durchsetzungsmacht handelt.830 Dadurch, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis erhalten bleibt, ergibt in diesem Zusammenhang das Wort „Weiterbeschäftigung“ tatsächlich Sinn.831 Eine Pflicht zu einer dauerhaften Konzernleihe kommt unabhängig davon, ob eine solche überhaupt zulässig ist, nicht in Betracht.832 Der Inhalt der Weiterbe825 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 235; vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 156 („Rechtsgrundlage der Pflicht, dem Arbeitnehmer zu einer Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen zu verhelfen, ist der Arbeitsvertrag in seiner konkreten Ausgestaltung zum Zeitpunkt der Kündigung. Dieser ist auch maßgeblich für den Pflichteninhalt, bei dem zahlreiche Abstufungen denkbar sind.“). 826  Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 129. 827  Moll/Ittmann, RdA 2008, 321, 329 f. 828  Die Konzernleihe ist gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG privilegiert, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird; siehe dazu ausf. und krit. ErfK/Wank, § 1 AÜG Rn. 57 ff. 829  Griebling und Rachor sind der Ansicht, dass wenn ein Arbeitgeber wegen der Zustimmung eines anderen Konzernunternehmens oder wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung in der Lage sei, den Arbeitnehmer aufgrund einer Abordnung auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Konzernunternehmen weiterzubeschäftigen, habe er diese Möglichkeit als milderes Mittel gegenüber der Kündigung auch nicht konzernbezogenen beschäftigten Arbeitnehmern anzubieten (KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 542). 830 Vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 157; Annuß, Betriebsbedingte Kündigung, S. 77. 831  Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 140. 832 Vgl. vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 219; Rid, NZA 2011, 1121, 1126. Seit dem 1. 4. 2017 gilt nach § 1 Abs. 1b) Satz 1 AÜG die gesetzliche Höchstdauer von 18 Monaten,

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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schäftigungspflicht oder -bemühung bestimmt sich nach der Klausel. Diese ist nur auf einen vorübergehenden Einsatz in einem anderen Konzernunternehmen ausgerichtet. Auch wenn dem Arbeitnehmer dadurch keine dauerhafte Weiterbeschäftigung gewährt wird, handelt es sich dennoch um ein milderes – im Arbeitsvertrag eröffnetes – Mittel im Sinne des Ultima-Ratio-Prinzips.833 Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass auch bei Abordnungsklauseln innerhalb eines Unternehmens die Gewährleistung verlangt wird, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss.834 Gleichwertigkeit bezieht sich nicht vorrangig auf die Dauer, sondern vielmehr auf die Art oder die Entlohnung der Tätigkeit. Immerhin wird eine Beendigungskündigung hinausgeschoben und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass das entleihende Konzernunternehmen sich zu einer dauerhaften Übernahme entschließt. Auch hier gilt, dass eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung nur bei einer wirksamen Klausel gegeben ist. Hält die Klausel einer AGB-Kontrolle hingegen nicht stand, ist auch hier eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung möglich.835 Grundsätzlich werden Abordnungsklauseln für zulässig gehalten.836 Es kann sich jedoch ebenfalls eine Unwirksamkeit im Einzelfall gem. §§ 305c, 307 BGB ergeben, wobei sich eine Orientierung an den Wirksamkeitsanforderungen bei Klauseln, die nur eine Abordnung innerhalb des eigenen Unternehmens vorsehen, aufgrund eines Erst-Recht-Schlusses anbietet.837 Hinzuweisen ist im Zusammenhang mit Abordnungen innerhalb eines Konzerns auf eine weitere Möglichkeit, wie der Arbeitgeber sein Recht zu ordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen rechtsgeschäftlich einschränken diese dürfte nach dem Gesetzeswortlaut beim Eingreifen des Konzernprivilegs aber nicht gelten; siehe schon vorab krit. zu einer Höchstüberlassungsdauer bei konzerninternen Überlassungen Willemsen/Mehrens, NZA 2015, 897, 899. 833 Vgl. Rid, NZA 2011, 1121, 1125, die Grundlage sei im Arbeitsvertrag selbst zu sehen und erwachse nicht aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. 834  BAG 9. 5. 2006 – 9 AZR 424/05, BAGE 118, 184. Aus diesem Grund verlangt Rid, dass der freie Arbeitsplatz im Konzernunternehmen gleichwertig sein muss und hier nicht der Grundsatz gelte, dass bei betriebsbedingten Kündigungen innerhalb eines Unternehmens auch freie geringwertige Arbeitsplätze angeboten werden müssen (NZA 2011, 1121, 1125). 835  Siehe C.IV.2.c)aa). 836  BAG 18. 6. 1997 – 4 AZR 699/95, NZA 1998, 39, Rn. 47; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 220 m. w. N.; Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 109 f. m. w. N. 837 Ausf. Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 110 ff., dieser fordert für eine wirksame Abordnungsklausel „keine Einengung der Interessenabwägung“, „keine Zuweisung geringerwertiger Tätigkeit“; hingegen sei nicht erforderlich: die Angabe von Abordnungsgründen, eine Ankündigungsfrist, die namentliche Angabe der Drittgesellschaft; vgl. auch Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, § 307 BGB Rn. 192a; Moll, Die Änderung der Arbeitsbedingungen, S. 233.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

kann. Verpflichtet sich der Arbeitgeber, einen zu einem Tochterunternehmen abgeordneten Angestellten danach wieder in seinem Betrieb zu beschäftigen, kann dies zur Konsequenz haben, dass er ihm bei Beendigung der Abordnung nicht aus dem Grund kündigen darf, sein Arbeitsplatz sei besetzt und ein anderer gleichwertiger sei nicht verfügbar.838 Es handelt sich dann um eine vertragliche Abbedingung (bzw. einen Verzicht) bestimmter betriebsbedingter Kündigungsgründe.839 (3) Anfechtung Der Arbeitgeber hat es in der Hand, sich deutlich auszudrücken. Er könnte z. B. in einer Versetzungs- oder Abordnungsklausel klarstellen, dass diese Erweiterung des Direktionsrechts keine Auswirkung auf betriebsbedingte Kündigungssituationen haben soll oder als Konzernunternehmen mit Durchsetzungsmacht darauf hinweisen, dass es sich nur um eine Bemühenspflicht handelt. Bei Irrtümern kann dem Arbeitgeber aber unter Umständen ein Anfechtungsrecht zustehen.840 Die Anfechtbarkeit kann nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass der Verwender die vorformulierten Vertragsbedingungen stelle und er sich deshalb daran festhalten lassen müsse.841 Der Irrtum darüber, dass eine Konzernversetzungs- oder Abordnungsklausel konkludent eine Weiterbeschäftigungs- bzw. Bemühenspflicht enthält, stellt einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum dar. Diese Rechtsfolgen sind selbst Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen.842 Sie sind nicht erst gesetzlich oder in einem Richterspruch als (mittelbare) Folge des unmittelbar Erklärten vorgesehen.843 Schwierig ist allerdings der Nachweis des Irrtums und der Ursächlichkeit des Irrtums.844 (4) Stellenanzeigen und Marketing Zum Teil wird eine konkludente Erweiterung des Kündigungsschutzes in Erwägung gezogen, wenn das kündigende Konzernunternehmen bei Stellenanzeigen und Marketingmaßnahmen auf die Größe und Leistungsfähigkeit des gesamten

838 

BAG 28. 11. 1968 – 2 AZR 76/68, BAGE 21, 221. 28. 11. 1968 – 2 AZR 76/68, BAGE 21, 221, Rn. 33; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 198. 840 Vgl. Konzen, RdA 1984, 65, 73 Fn. 118. 841  Bereits zum alten AGB-Recht zur Anfechtung durch den Verwender Locher, BB 1981, 818, 822; vgl. auch Pilz, Missverständliche AGB, S. 125. 842  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(3)(d); vgl. BAG 30. 10. 1987 – 7 AZR 115/87, BAGE 57, 13, Rn. 15. 843 Vgl. Waltermann, RdA 2006, 257, 265. 844 Vgl. Locher, BB 1981, 818, 822. 839  BAG

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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Konzerns hinweise.845 Solche Darstellungen seien als außerhalb von Erklärungsakten liegende Begleitumstände zu berücksichtigen.846 Stelle das Konzernunternehmen in Stellenanzeigen und Marketingmaßnahmen auf die Aufstiegs- und Beschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Konzern ab, erwecke es Vertrauen, dass für die Beschäftigungschancen der Arbeitnehmer nicht nur die Betriebe des Unternehmens entscheidend seien und erzeuge den Eindruck einer konzern­ umfassenden Personalplanung.847 Enthält der Arbeitsvertrag aber keinen weiteren Hinweis auf eine Konzerndimensionalität, kann allein aus Formulierungen in Stellenanzeigen und Marketingmaßnahmen auf eine solche nicht geschlossen werden. Derartige Äußerungen können allenfalls einen Umstand von mehreren darstellen, die einen Willen, den Kündigungsschutz zu erweitern, untermauern, aber niemals sind sie alleine ausreichend. Eine Stellenanzeige enthält im Regelfall keine rechtsverbindlichen Erklärungen zum Abschluss oder zum Inhalt des Arbeitsvertrags.848 Dies gilt erst recht für Werbe- bzw. Marketingmaßnahmen. Äußerungen in Stellenanzeigen und Marketingmaßnahmen können allein also nicht zu einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung des Arbeitgebers führen.849 (5) Tatsächliche Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen Die wiederholte Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen kann eine konkludente Vertragserweiterung auf eine konzernweite Beschäftigung darstellen.850 Wird der Arbeitnehmer über längere Zeit mehrfach in einem anderen Konzernunternehmen beschäftigt, kann dies nachträglich ein einheitliches Konzernarbeitsverhältnis durch konkludenten Vertragsbeitritt begründen.851 Für einen konkludenten Vertragsbeitritt müssen jedoch eindeutige Anhaltspunkte für einen derartigen Willen vorhanden sein, die einer strengen Prüfung unterzogen werden müssen.852 Insbesondere nur kurzfristige Abordnun845 

Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 127 ff. und S. 153. Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 127. 847  Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 127 f.; vgl. Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 47 f., der dies allerdings im Zshg. mit dem Einbezug dritter Konzernunternehmen in das Vertragsverhältnis, also der Frage, wer Arbeitgeber ist, diskutiert. 848  BAG 25. 1. 2000 – 9 AZR 140/99, NZA 2000, 879, Rn. 35; Schaub/Linck, § 25 Rn. 3. 849 Aber auch für eine Erweiterung des Kündigungsschutzes durch Vertrauenshaftung sind sie nicht ausreichend. 850 DFL/Kaiser, § 1 KSchG Rn. 154; Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 19 f. 851 APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 552; ders., Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutz, S. 151 ff. und S. 202; Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 55 ff.; ausgenommen sind hier die Fälle einer konzerninternen Verleihgesellschaft. 852 Vgl. Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 160; Martens, DB 1985, 2144, 2145 f. 846 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

gen geben keinen Anhalt für einen Vertragsbeitritt.853 Aber auch längerfristige Übernahmen können nicht vorschnell aus Sicht des objektiven Empfängers als Vertragsbeitritt ausgelegt werden.854 Der auf einen Vertragsschluss gerichtete Wille muss von allen Beteiligten (vom Arbeitgeber, vom Arbeitnehmer und vom anderen Konzernunternehmen)855 zum Ausdruck kommen.856 Liegt ein nachträgliches einheitliches Konzernarbeitsverhältnis vor, wirkt sich dies auf den Kündigungsschutz insofern aus, als nun nur noch eine gemeinsame Kündigung stattfinden kann.857 Die betriebsbedingte Kündigung ist dann nur wirksam, wenn bei beiden Arbeitgebern keine Weiterbeschäftigung möglich ist.858 Dies kann aber auch eine konkludente Zusage des anderen Konzernunternehmens sein, den Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung durch das Anstellungsunternehmen zu übernehmen.859 Dies hätte auf das Kündigungsrecht des Vertragsarbeitgebers keinen Einfluss. Näherliegender scheint es, verstärkt auf die Seite des Anstellungsunternehmens zu schauen und darin eine nachträgliche konkludente Vereinbarung eines Versetzungs- oder Abordnungsvorbehalts zu sehen.860 Dafür muss allerdings auch ein Einverständnis des Arbeitnehmers zu einer derartigen Vertragsänderung zum Ausdruck kommen, da eine solche Klausel auch mit für den Arbeitnehmer negativen Folgen verbunden sein kann: Der Arbeitgeber erhält dadurch auch ein Recht auf Versetzung oder Abordnung in ein anderes Konzernunternehmen. Der Arbeitnehmer muss widerspruchslos in anderen Konzernunternehmen seine Arbeitsleistung weiter erbracht haben und dadurch zum Ausdruck bringen, dass er auch in Zukunft mit Versetzungen oder Abordnungen in andere Konzernunter853 Vgl. Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 55; Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 154. 854 Vgl. Martens, in: FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 371; a. A. Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 56 ff.; Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 155 und S. 202. 855  Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 151. 856  A. A. Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 57 und Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 155 und S. 202, die einen konkludenten Vertragsbeitritt annehmen solange nicht ein gegen einen Vertragsschluss gerichteter Wille zum Ausdruck komme. Nach sechsmonatiger Beschäftigung nimmt Henssler sogar einen Kontrahierungszwang für die entleihende Konzerngesellschaft an (Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 63 ff.). Martens begründet bei einer längerfristigen Arbeitnehmerüberlassung einen Anspruch gegenüber dem entleihenden Konzernunternehmen mit einer Fürsorgepflicht (DB 1985, 2144, 2147 f.); so auch Silberberger, Weiterbeschäftigungspflicht, S. 112 ff. 857 VHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 220 m. w. N. 858  Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 59. 859  Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 205. 860  Diese Möglichkeit scheint auch das BAG in Betracht zu ziehen: BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644; siehe auch Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 96; vgl. oben C.IV.1.b).

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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nehmen einverstanden ist.861 Dadurch ergeben sich dieselben Folgen wie bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorliegenden Klauseln.862 Da es sich aber nicht um AGB handelt, kann bei der Auslegung auf die individuellen Begleitumstände abgestellt werden; es kommt nicht zu einer Inhaltskontrolle.863 (6) Betriebliche Übung Nicht nur durch ein wiederholtes Verhalten gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber sich rechtsgeschäftlich binden, sondern es ist auch an eine Bindung aufgrund geübter Praxis in der Vergangenheit zu denken. Im Unterschied zu den bisher geschilderten Konstellationen setzt die Figur der betrieblichen Übung einen kollektiven Bezug voraus.864 Wird der einzelne Arbeitnehmer in der Vergangenheit wiederholt in anderen Konzernunternehmen eingesetzt, fehlt es an einem kollektiven Bezug. Die betriebliche Übung ist erst erwähnenswert, wenn sich der Arbeitgeber in der Vergangenheit vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen zunächst bemüht hat, die Arbeitnehmer in anderen Konzernunternehmen unterzubringen. Dies kann eine konkludente Willenserklärung umfassen, für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung die Verpflichtung zu übernehmen, nach Möglichkeit für einen anderen Arbeitsplatz im Konzern zu sorgen.865 Wird in einem Konzern in verschiedenen Unternehmen wiederholt so verfahren, dass vor dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen für eine anderweitige Beschäftigung im Konzern gesorgt wird, ist fragwürdig, ob der Arbeitnehmer sich auf eine solche Gepflogenheit berufen kann.866 Dies würde eine Bindung durch „Konzernübung“ bedeuten.867 Eine solche ist jedoch insbesondere aufgrund des Fehlens einer vergleichbaren Verbundenheit abzulehnen.868 Das Verhalten anderer Arbeitgeber im Konzern ist dem einzelnen Arbeitgeber auch nicht zurechenbar in dem Sinne, dass allein seine Kenntnis bzw. sein „Dulden“ einer solchen Praxis von seinen Arbeitnehmern so verstanden werden könnte und 861  Vgl. oben C.IV.1.b) und C.IV.2.b)bb)(1)(b); vgl. BAG 1. 8. 2001 – 4 AZR 129/00, BAGE 98, 293. 862 Siehe oben C.IV.2.b)bb)(1) und (2); und vgl. zur Weiterbeschäftigungspflicht in ausländischen Betrieben oben C.IV.1.b). 863  Siehe oben B.I.1.b)aa); HK-BGB/Dörner, § 133 BGB Rn. 5; MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 55. 864  Siehe oben B.I.3.b). 865 Vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 432 und vgl. zur Weiterbeschäftigungspflicht in ausländischen Betrieben C.IV.1.c)aa). 866  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 432. 867  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 432. 868  Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 432 f.; Braun/Wisskirchen/Fedder/Braner, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 12.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

dürfte, dass er eine Willenserklärung abgeben will, in Zukunft diese Gepflogenheit in seinem Unternehmen zu übernehmen. Abgestellt werden kann also allein darauf, wie der einzelne Arbeitgeber selbst Situationen handhabt, in denen betriebsbedingte Kündigungen im Raum stehen. Gehört der Arbeitnehmer einer Konzerntochter an, die sich nicht durch eine betriebliche Übung gebunden hat, bindet sich die Konzernmutter aber durch eine wiederholte Konzernpolitik,869 kann sich dies nicht auf die Wirksamkeit der Kündigung der Konzerntochter auswirken. (7) „Fürsorgepflicht“870 des Arbeitgebers bei einem Arbeitsverhältnis ohne Konzernbezug (a) Allgemeine „Fürsorgepflicht“ eines Konzernunternehmens Eine konkludente rechtsgeschäftliche Selbstbindung des Arbeitgebers könnte sich allein aus dem Abschluss des Arbeitsvertrags als Unternehmen eines Konzerns ergeben. Wie bereits erörtert, ist die Rolle des Arbeitgebers mit gewissen Nebenpflichten, die sich aus § 241 Abs. 2 BGB oder Spezialgesetzen ergeben, verbunden.871 Eine allgemeine „Fürsorgepflicht“ eines Konzernunternehmens, bei einer betriebsbedingten Kündigung zunächst für eine Unterbringung in einem anderen Konzernunternehmen zu sorgen, mit der Konsequenz, dass diese Pflicht einer Weiterbeschäftigungspflicht im Sinne des Kündigungsschutzrechts gleichkäme und eine Verletzung zur Unwirksamkeit der Kündigung führte, ist indes nicht zu befürworten. Dies würde eine pauschale Erstreckung des Kündigungsschutzes auf den Konzern bedeuten. Auch wenn es sich bei dem kündigenden Arbeitgeber um ein Unternehmen mit Durchsetzungsmacht handelt, ist dies zu verneinen.872 Erst recht hat es für die Wirksamkeit der Kündigung durch den Vertragsarbeitgeber keine Konsequenzen, wenn aufgrund der Konzernleitungsmacht eine generelle „Fürsorgepflicht“ des herrschenden Konzernunternehmens, das nicht gleichzeitig kündigender Arbeitgeber ist, für eine Weiterbeschäftigung im Konzern zu sorgen, bejaht wird.873

869  Windbichler hält eine solche betriebliche Übung durch eine praktizierte Konzernpolitik für möglich (Arbeitsrecht im Konzern, S. 433); siehe auch zur betrieblichen Übung hinsichtlich der Übernahme von gekündigten Arbeitnehmern durch eine Konzernmutter Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 86 ff. 870  Siehe zur Veraltung dieses Begriffs oben B.I.2. 871  Siehe oben B.I.2. 872 Vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 259 ff.; a. A. u. a. Däubler/Deinert/ Zwanziger/Deinert, § 1 KSchG Rn. 428; differenzierend Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 133 ff.; Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 147 ff. 873  Vgl. oben C.IV.2.a); Coen, RdA 1983, 348, 353.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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Das BAG hat im Zusammenhang mit den Ausnahmefällen zwar den Begriff der „Fürsorgepflicht“ herangezogen.874 Das BAG ist aber so zu verstehen, dass es damit keine generelle „Fürsorgepflicht“ eines Konzernunternehmens hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung befürwortet, sondern vielmehr fordert es eine Konkretisierung der „Fürsorgepflicht“ durch besondere Umstände. Bewirkt wird eine solche Konkretisierung durch weiteres selbstbindendes Verhaltens des Arbeitgebers, das nicht nur im Abschluss des Arbeitsvertrags als Konzernunternehmen an sich liegt.875 Wie bereits erörtert, ist der Begriff der „Fürsorgepflicht“ dabei jedoch irreführend und unnötig.876 (b) Kenntnis der Bereiterklärung eines anderen Konzernunternehmens Als weiterer Ausnahmefall für eine Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern ist anerkannt, dass sich ein anderes Konzernunternehmen ausdrücklich zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt.877 Dies kann eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung des anderen Konzernunternehmens darstellen. Fraglich ist, inwiefern sich aber der ursprüngliche Arbeitgeber dabei selbst bindet und wie sich die „Bereiterklärung“ eines anderen Konzernunternehmens auf die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitgebers auswirken kann.878 Angenommen die „Bereiterklärung“ des anderen Konzernunternehmens geht so weit, dass sie als rechtsgeschäftliches Angebot auf eine Beschäftigung zu verstehen ist, kann dies dem 874 Siehe oben C.IV.2.b)bb)(1)(a); BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72, Rn. 51; BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43. 875  BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 43: „Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 14. Oktober 1982, aaO, im Anschluß an Martens […] und Konzen […] ausgeführt hat, ist die ausnahmsweise konzerndimensionale Betrachtung Ausfluß einer konkretisierten Fürsorge- und Gleichbehandlungspflicht. Letztlich stellt sich auf dieser Grundlage die Frage der Weiterbeschäftigung im Konzern als eine Frage des Vertrauensschutzes dar […]. Es geht dabei nicht darum, einen kündigungsrechtlichen Konzernbezug schon immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitsplatz wegen einer konzerninternen Organisationsverschiebung wegfällt […]. Voraussetzung für eine konzerndimensionale Betrachtung ist das Vorliegen eines zusätzlichen vertraglichen Elements – ausdrücklich, konkludent oder aus dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung.“ 876  Siehe oben C.IV.2.b)bb)(1)(a). 877  BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72, Rn. 51 m. w. N. (Das BAG spricht dabei von einem Umstand, der i. R. d. Interessenabwägung zu berücksichtigen sei.); BAG 26. 6. 2008 – 2 AZR 1109/06, NZA-RR 2009, 205, Rn. 34; BAG 24. 5. 2012 – 2 AZR 62/11, BAGE 142, 36, Rn. 27; BAG 18. 10. 2012 – 6 AZR 41/11, NZA 2013, 1007, Rn. 57; SPV/ Preis Rn. 998a; Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1110. 878  Offen gelassen BAG 18. 10. 1976 – 3 AZR 576/75, NJW 1977, 647; dagegen u. a. Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 145. Helle scheint Auswirkungen auf die Kündigung des Arbeitgebers nur auszuschließen, wenn dieser keine Kenntnis von der Bereiterklärung des anderen Unternehmens hat (Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 165).

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

kündigenden Arbeitgeber nicht entgegengehalten werden.879 Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch gegen das andere Konzernunternehmen.880 Ihm zusätzlichen Schutz zu gewähren, indem die Kündigung als unwirksam beurteilt wird, wenn der Arbeitgeber ihm bei der Durchsetzung dieses Anspruchs vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nicht hilft, ist zu weitgehend.881 Es könnte zu einer nicht notwendigen „Verdoppelung von Arbeitsverhältnissen“ kommen.882 Eine das Kündigungsrecht beeinflussende Pflicht des Arbeitgebers zu versuchen, den Arbeitnehmer anderweitig unterzubringen, könnte allenfalls dann vorstellbar sein, wenn die „Bereiterklärung“ des anderen Unternehmens kein Angebot darstellt (rechtsgeschäftliche Selbstbindung des anderen Konzernunternehmens) und auch nicht zu einem Übernahmeanspruch durch Schaffung eines Vertrauenstatbestands (außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung des anderen Konzernunternehmens) führt. Dies wird zum Teil aus der „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers abgeleitet.883 Das bindende Verhalten wäre dann nicht die Kenntnis von der Bereiterklärung, sondern schon die Willenserklärung zum Vertragsschluss und die daraus gem. § 241 Abs. 2 BGB folgende Pflicht.884 Zwar trifft es zu, dass der Arbeitgeber z. B. aufgrund nachwirkender Nebenpflicht, nach Maßgabe des billigerweise von ihm zu Verlangenden alles unterlassen soll, was sich bei der Suche des ausgeschiedenen Arbeitnehmers nach einem neuen Arbeitsplatz für ihn nachteilhaft auswirken kann.885 Ein Unterlassungsversuch einer anderen Unterbringung, trotz Kenntnis von einer Bereiterklärung eines anderen Konzernunternehmens, ist aber mit dieser Unterlassungspflicht nicht vergleichbar. Auch von Arbeitgebern, die nicht zu einem Konzern gehören, wird nicht verlangt, dass sie bei Kenntnis von einer Beschäftigungsmöglichkeit bei einem anderen Unternehmen, ihre Arbeitnehmer aktiv vermitteln.886 Allein die Zugehörigkeit zu einem Konzern mag die Vermittlungsmöglichkeiten einfacher zu gestalten, dies 879 Und würde auch zu einem Vertrag zu Lasten Dritter führen (Bayreuther, NZA 2006, 819, 822). 880  Kiel, Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit, S. 204, der solch eindeutige Erklärungen aber für selten hält. 881  Siehe auch vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 223; Bayreuther, NZA 2006, 819, 824; Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 24. 882  Bayreuther, NZA 2006, 819, 824; Lingemann, in: FS Bauer, 2010, S. 673; sowohl vertragliche Erfüllungsansprüche gegen den Arbeitgeber als auch gegen das andere Konzernunternehmen für möglich haltend Fiebig, DB 1993, 582, 583; Kukat, BB 2000, 1242, 1244. 883  Fiebig, DB 1993, 582; vgl. Windbichler, Anm. zu BAG 14.  10. 1982 – 2 AZR 568/80, SAE 1984, 145, 147. 884  Siehe oben B.I.2. 885  BAG 31. 10. 1972 – 1 AZR 11/72, AP Nr. 80 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; Münch­ ArbR/Reichold, § 83 Rn. 14. 886  Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 164.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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allein kann aber nicht zu einer gesteigerten „Fürsorgepflicht“ führen.887 Selbst bei der Annahme einer Vergleichbarkeit mit dem oben genannten Beispiel und einer derartigen Nebenpflicht des Arbeitgebers, sollte konsequenterweise nur eine Einordnung als nachwirkende Nebenpflicht vorgenommen werden. Somit kann eine Verletzung dieser Vermittlungspflicht nicht die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern nur Schadensersatzansprüche zur Folge haben. Der Begriff der nachwirkenden Nebenpflicht impliziert, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Die Bereitschaft eines anderen Konzernunternehmens zur Übernahme erweitert also die „Fürsorgepflicht“ bei Ausübung des Kündigungsrechts des bisherigen Arbeitgebers nicht.888 c)  Außerrechtsgeschäftlich Neben einem konzerndimensionalen Kündigungsschutz aufgrund rechtsgeschäftlicher Selbstbindung werden außerrechtsgeschäftliche Tatbestände herangezogen. Den Vorrang sollten jedoch immer die rechtsgeschäftlichen Bindungen einnehmen. Ein Weg über die Vertrauenshaftung sollte nur bei Schutzlücken eingeschlagen werden. Strenge Anforderungen an einen Vertrauenstatbestand sind vor allem zu stellen, um den Grundsatz der fehlenden Konzernbezogenheit des Kündigungsschutzgesetzes nicht umzukehren.889 aa)  Unwirksame Versetzungs- oder Abordnungsklausel Ist eine Versetzungsklausel aufgrund eines Verstoßes gegen AGB-Recht unwirksam, ist es richtig, dass ein konzerndimensionaler Kündigungsschutz aufgrund vertraglicher Absprache nicht gegeben ist.890 Nicht zugestimmt werden kann jedoch der Ansicht, dass sich mangels vertraglicher Berechtigung des Arbeitgebers zur Anordnung eines arbeitgeberwechselnden Arbeitnehmereinsatzes die Frage überhaupt nicht stelle, ob als „Kehrseite“ einer solchen Berechtigung zum konzernweiten Einsatz eine konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung besteht.891 Wie in der Fallgruppe zur Weiterbeschäftigungspflicht in einem Betrieb des Unternehmens im Ausland ist auch hier zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber sich als Verwender unter Umständen nicht auf die Unwirksamkeit einer Klausel berufen kann und sich als Konsequenz so behandeln lassen muss, als wäre 887 Vgl.

Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 164. auch Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 166, auch wenn dieser sich nur auf die Situation der Zusage durch ein Tochterunternehmen und Kündigung durch eine Konzernmutte bezieht. 889  BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 44. 890  Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 128. 891  So aber Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 128. 888  So

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

sie wirksam.892 Dieser Rückgriff auf die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung stellt keinen unangemessenen Eingriff dar. Die unwirksame Klausel beruht im Kern auf einer Willenserklärung: Auch wenn die Klausel unwirksam ist, wollte der Arbeitgeber sie eigentlich zum Inhalt des Vertrags machen. Dem Verwender von AGB ist es zudem nicht immer verwehrt, sich auf deren Unwirksamkeit zu berufen, sondern es ist eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen.893 Auch in diesem Zusammenhang kann ein Gebrauchmachen der bzw. eine Berufung auf die Versetzungsklausel einen besonderen Umstand darstellen, der trotz fehlender Dispositionen seitens des Arbeitnehmers einen Verstoß gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens rechtfertigt.894 Kein Verstoß gegen § 242 BGB liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die Existenz der Klausel im Prozess bestreitet.895 bb)  Tatsächliche Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen Größtenteils wird der wiederholte Einsatz in einem anderen Konzernunternehmen – wenn auch mit unterschiedlichen Anforderungen – 896 als Vertrauens­ tatbestand eingeordnet.897 Einer Vertrauenshaftung als Begründung für eine Weiterbeschäftigungspflicht kann grundsätzlich nicht entgegengehalten werden, dass diese nur zu einem Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens bzw. des negativen Interesses und nie zu einem Erfüllungsanspruch führen könne; Ausnahmen sind anzuerkennen.898 Es sollte jedoch streng auf den Vorrang der rechts892  Siehe auch Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30, Rn. 240 Fn. 2; Braun/Wisskirchen/Röhrborn, Konzernarbeitsrecht, Teil I Abschn. 3 Rn. 78; vgl. oben C.IV.1.a); dazu BAG 3. 4. 2008 – 2 AZR 879/06, NZA 2008, 1060, Rn. 36; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 220; NK-GA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 321; siehe allg. oben B.III. 893  Siehe oben B.III.; vgl. BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 23; Tiedemann/Triebel, BB 2011, 1723, 1725; Gehlhaar, NJW 2010, 2550; von Bernuth, BB 1999, 1284, 1287. 894  Vgl. oben C.IV.1.a). 895  Vgl. oben C.IV.1.a); BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457, Rn. 23; Kleinert, RdA 2017, 52, 53. 896 Z. B. hinsichtlich der Wiederholungsanzahl (siehe z. B. Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 134: dreimalige Beschäftigung außerhalb des Unternehmens) oder der Dauer (siehe z. B. BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 52: Zeitraum von ca. viereinhalb Monaten zu kurz oder Kukat, BB 2000, 1242, 1243: zwei bis drei Monate), 897  Siehe z. B. Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 131 ff.; Martens, ZGR 1984, 417, 446 ff.; Fiebig, DB 1993, 582 f. m. w. N.; Rid, NZA 2011, 1121, 1123 m. w. N.; wenn auch krit. Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 107 ff. 898  Nüchter, Betrieb, Unternehmen und Konzern, S. 148 m. w. N.; vgl. Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 150 ff. m. w. N.; Fiebig, DB 1993, 582, 584 Fn. 33 m. w. N.; siehe oben B.II.1. und B.II.4.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

223

geschäftlichen Selbstbindung geachtet werden.899 Zum Teil wird dabei auf das Prinzip der betrieblichen Übung abgestellt.900 Wie oben bereits erörtert, ist die betriebliche Übung allerdings eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung.901 Aus diesem Grund scheint die Abgrenzung des BAG fragwürdig und rechtsunsicher,902 wenn es fordert, dass die Begründung eines Vertrauenstatbestands voraussetze, dass er einem vereinbarten oder in der Vertragsabwicklung konkludent durchgeführten Versetzungsvorbehalt gleichgestellt werden könne.903 Eine Gleichstellung würde dem Vorrang der Rechtsgeschäftslehre widersprechen. Die Vermischung einer konzerndimensionalen Betrachtung aufgrund eines vertraglichen Elements – ausdrücklich oder konkludent – mit einer konzerndimensionalen Betrachtung aufgrund des Gesichtspunkts der Vertrauenshaftung ist unbedingt zu vermeiden. Fraglich erscheint insbesondere, ob es bei einer wiederholten Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen überhaupt notwendig ist, neben den rechtsgeschäftlichen Regeln den Weg über eine Vertrauenshaftung hinsichtlich des ursprünglichen Arbeitgebers zu wählen. Das BAG ist der Ansicht, dass wenn der Arbeitnehmer bereits einmal in den Betrieb des anderen Unternehmens eingegliedert gewesen sei und dort Tätigkeiten wahrgenommen habe, möge der Schluss auf eine eventuell endgültige Umsetzung bei Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes so naheliegen, dass man eine sowohl dem Arbeitgeber als auch dem anderen Konzernunternehmen zurechenbare Selbstbindung annehmen könne.904 Gleichermaßen sowohl eine Vertrau899  Vgl. auch Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 100, S. 170 und S. 172 ff.: Ohne genaue Prüfung der Anforderungen einer Vertrauenshaftung würde das Rechtsinstitut des Vertrags gefährdet, deshalb sei es abzulehnen, rechtsgeschäftlich begründete Rechtsfolgen „der Einfachheit halber“ auf Vertrauensschutz zu stützen (S. 172). 900  Siehe z. B. Helle, Konzernbedingte Kündigungsschranken, S. 134. 901  Siehe oben B.I.3.b). In der Rspr. des BAG ist nicht ganz eindeutig, ob es den Ausnahmefall über eine „in der Vergangenheit geübten Praxis“ rechts- oder außerrechtsgeschäftlich einordnet, vgl. BAG 23. 4. 2008 – 2 AZR 1110/06, NZA 2008, 939, Rn. 22; BAG 24. 5. 2012 – 2 AZR 62/11, BAGE 142, 36, Rn. 27; BAG 18. 10. 2012 – 6 AZR 41/11, NZA 2013, 1007, Rn. 57; BAG 24. 9. 2015 – 2 AZR 562/14, BAGE 152, 345, Rn. 44; Temming ordnet diese Fallgruppe der Vertrauenshaftung zu (Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1110 f.). 902  Dies kritisierend auch Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 130: „Allerdings ist die Rechtsunsicherheit bei der Bestimmung dieses von der Rechtsprechung lediglich floskelhaft in den Raum gestellten Ausnahmetatbestands groß.“; Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1111: „Des Weiteren hat es die genauen Voraussetzungen einer Vertrauenshaftung als Verpflichtungsgrund in seinen Obersätzen nicht immer hinreichend präzisiert.“ und Annuß, Betriebsbedingte Kündigung, S. 77 f., u. a.: „Dafür wird im Einzelnen jeweils auf den Vertrauensgedanken zurückgegriffen, ohne dass bislang die Entwicklung nachvollziehbarer Entscheidungsleitlinien gelungen ist.“ 903  BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644; SPV/Preis Rn. 998. 904  BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 44.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

enshaftung des ursprünglichen Arbeitgebers, und damit die Unwirksamkeit der Kündigung, als auch eine Vertrauenshaftung des anderen Konzernunternehmens anzunehmen, kann kein zutreffendes Ergebnis sein.905 Aufgrund des Vorrangs der Rechtsgeschäftslehre und des Grundsatzes der Nichtkonzerndimensionalität des Kündigungsschutzes erscheint folgendes Ergebnis sinnvoller: Zunächst ist zu überprüfen, ob in der mehrfachen Beschäftigung ein konkludenter Vertragsbeitritt des anderen Unternehmens liegt. Daran sind sehr strenge Anforderungen zu stellen. Danach folgt die Prüfung einer konkludenten nachträglichen Vereinbarung von Versetzungs- oder Abordnungsklauseln. Schon im Rahmen dieser Auslegung wird die Schutzwürdigkeit bzw. das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitnehmers hinreichend berücksichtigt. Ein Rückgriff auf einen Vertrauenstatbestand erscheint hier nicht notwendig; die Rechtsgeschäftslehre lässt hier keine Schutzlücken offen, sodass die Vertrauenshaftung nicht ergänzend für die Begründung eines Anspruchs auf Weiterbeschäftigung herangezogen werden muss.906 Allenfalls das andere Konzernunternehmen kann einen Anspruch auf Einstellung durch einen Vertrauenstatbestand begründen.907 In einem solchen Fall hat sich der Arbeitnehmer an das andere Konzernunternehmen zu wenden; die Kündigung des ursprünglichen Arbeitgebers wird dadurch nicht unwirksam.908 Selbst bei einer nachrangigen Heranziehung außerrechtsgeschäftlicher Selbstbindung des ursprünglichen Arbeitgebers durch das mehrfache Beschäftigen bei anderen Unternehmen, ist auf Folgendes hinzuweisen: Bezogen auf die Frage einer konzernweiten Beschäftigungspflicht setzt nach dem BAG bei fehlender vertraglicher Vereinbarung eines konzernweiten Versetzungsrechts ein Vertrauenstatbestand konkrete Anhaltspunkte gerade im Hinblick auf die volle Übertragung der Arbeitnehmerstellung in das rechtlich selbstständige andere Konzernunternehmen voraus.909 Daraus kann jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich nur ein Vertrauen auf die volle Übertragung für einen Vertrauenstatbestand eignet.910 Sollten regelmäßige oder auf längere Dauer angelegte Abordnungen des Arbeitnehmers in andere Konzernunternehmen nicht bereits eine nachträgliche konkludente Vereinbarung einer Abordnungsklausel bedeuten, wäre nicht auszuschließen, dass sie einen Vertrauenstatbestand begründen. Dieses Vertrauen wäre dann nicht schützenswert auf die volle Übertragung der 905  Vgl.

oben C.IV.2.b)bb)(7)(b). zur Ergänzungsfunktion auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 440 (siehe oben B.III.); vgl. auch Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 100. 907 Vgl. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 174 ff. 908  A. A. scheinbar BAG 23. 11. 2004 – 2 AZR 24/04, NZA 2005, 929, Rn. 32 f.; vHH/ L/Krause, § 1 KSchG Rn. 223. 909  BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644, Rn. 44. 910  A. A. Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 131 mit Verweis auf Rost, in: FS Schwerdtner, 2003, S. 173. 906 Vgl.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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Arbeitnehmerstellung in das andere Konzernunternehmen gerichtet,911 aber auf den vorrangigen Versuch einer vorübergehenden Beschäftigung als milderes Mittel gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung. Zuzustimmen ist dem BAG, dass allein die Unterstellung unter bestimmte fachliche Weisungen eines anderen Konzernunternehmens nicht geeignet ist, um einen Vertrauenstatbestand zu begründen.912 Dies muss erst recht für ein Vertrauendürfen im Rahmen einer Auslegung gelten. cc)  Gleichbehandlung Verschafft der Arbeitgeber anderen vergleichbaren Arbeitnehmern eine Unterbringung in einem anderen Konzernunternehmen bzw. bemüht er sich darum, führt dies zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Schaffung eines konkreten Vertrauenstatbestands ist dabei keine Voraussetzung.913 Hat er sich bei anderen Arbeitnehmern nur bemüht, führt dies nur zu einem Anspruch auf Bemühen und nicht auf Verschaffung. Dies gilt selbst dann, wenn es sich beim Vertragsarbeitgeber um ein herrschendes Konzernunternehmen handelt.914 Die Situation ist nicht bereits durch den allgemeinen Kündigungsschutz abgedeckt oder ausgeschlossen.915 Dies darf nicht mit der Problematik verwechselt werden, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz im Konzern anwendbar ist,916 ebenso nicht mit der Frage der Gleichbehandlungspflicht eines anderen Konzernunternehmens, wenn dieses vom Vertragsarbeitgeber gekündigte Arbeitnehmer übernimmt.917 Allerdings ist auch hier zu beachten, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur bei zeitlich gleich gelagerten Sachverhalten gilt.918 Zudem ist der Vorrang des 911 

Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 131 f. BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644. 913 Siehe oben B.II.3.a). Den Gleichbehandlungsgrundsatz mit der Schaffung eines Vertrauenstatbestands durch ein Vorverhalten in gleich gelagerten Fällen aber in Verbindung setzend Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rn. 239; Windbichler, Arbeitsrechtliche Vertragsgestaltung im Konzern, S. 46; Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 73. 914  A. A. Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 73. 915  Vgl. oben bei der Weiterbeschäftigungspflicht in ausländischen Betrieben C.IV.1.c) bb). 916 Dagegen u. a. MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1133a m. w. N.; Staudinger/ Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1012 m. w. N.; ausf. dazu Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 417 ff.; a. A. u. a. Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, S. 107 ff. 917  Siehe dazu Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 73 ff. 918  Vgl. oben B.II.3., C.I.2.a)bb) und C.I.2.b)aa)(2) und siehe oben zur Weiterbeschäftigungspflicht in ausländischen Betrieben C.IV.1.c)bb); Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 387 f. Geht es um gleich gelagerte Fälle in der Vergangenheit ist an einen Anspruch aus betrieblicher Übung und damit an eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung zu 912 

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Grundsatzes der Vertragsfreiheit gegenüber dem Gleichbehandlungsgrundsatz, einzuhalten.919 Hat der Arbeitgeber rechtsgeschäftlich mit einzelnen Arbeitnehmern ausgehandelt, für eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung zu sorgen, kann der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht durchdringen. Anders ist es hingegen, wenn es sich um vorformulierte Vorgaben handelt,920 der Arbeitgeber also bei einer Gruppe von Arbeitnehmern vorformulierte Klauseln wie oben beschrieben in den Arbeitsvertrag aufnimmt, die eine Weiterbeschäftigung im Konzern oder zumindest ein Bemühen um eine solche beinhalten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung – in diesem Fall eine Weiterbeschäftigung im Konzern oder zumindest ein Bemühen um eine solche – nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt.921 Es ergibt sich unter diesen Umständen eine konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht bzw. Bemühenspflicht des Arbeitgebers, die bei Missachtung zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann. dd)  Konzerninterne Gründe Zum Teil wird bei der Verlagerung von Tätigkeiten im Konzern von einem „Fall der Selbstbindung“ gesprochen.922 Dabei geht es nicht um Fälle, die bereits von § 613a BGB erfasst sind.923 Das BAG hat offen gelassen, ob in derartigen Fallgestaltungen (etwa Verlagerung von Tätigkeiten auf andere Konzernunternehmen, Stilllegung eines Konzernunternehmens oder einer Abteilung bei gleichzeitiger Neugründung eines Konzernunternehmens mit identischen arbeitstechnischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen) das andere Konzernunternehmen für die Erledigung der bisherigen Arbeiten nicht neue Arbeitnehmer einstellen darf, sondenken: siehe oben C.IV.2.b)bb)(6); vgl. Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 73. 919 Siehe oben B.II.3.; siehe z. B. BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 21 (siehe dazu auch D.II.1.c)); ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575 m. w. N.; MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB Rn. 1125 m. w. N. 920 Vgl. oben zur Weiterbeschäftigungspflicht in ausländischen Betrieben C.IV.1.c) bb); ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 575; a. A. Staudinger/Richardi/Fischinger, § 611 BGB Rn. 1025. 921  Vgl. oben C.IV.1.c)bb); siehe z. B. BAG 19. 8. 1992 – 5 AZR 513/91, NZA 1993, 171, Rn. 30; ErfK/Preis BGB § 611 Rn. 576 und 580 m. w. N. 922 HK-KSchG/Weller/Dorndorf, § 1 KSchG Rn. 902; Däubler/Deinert/Zwanziger/ Deinert, § 1 KSchG Rn. 430. 923  Siehe dazu z. B. Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 30 f. m. w. N., der aber eine Ausweitung dieser Norm auf Fälle der Funktionsnachfolge im Konzern bei endgültigen und dauerhaften Verlagerungen innerhalb des Konzerns befürwortet (S. 34 f.); siehe auch Silberberger, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 102 ff.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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dern primär der bisherige Arbeitgeber für eine Weiterbeschäftigung der bisher mit diesen Arbeiten beschäftigten Arbeitnehmern sorgen muss.924 In den Urteilen von 2002 und 2003 scheint es, als würde das BAG die Fallgruppe der konzerninternen Entscheidungen der Selbstbindung durch Vertrauen zuordnen.925 In der Entscheidung von 2006 spricht das BAG aber nicht mehr von einer „Selbstbindung“,926 sondern vielmehr – nachdem es die oben erörterten Fallgruppen von einer möglichen Selbstbindung durch Vertrag oder Vertrauen geprüft hat – von einer „Erweiterung des Kündigungsschutzes im Wege der Rechtsfortbildung auf Fälle der bloßen konzerninternen Verlagerung von nach wie vor bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten“.927 924  BAG 23. 3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30, Rn. 31; siehe auch BAG 26. 9. 2002 – 2 AZR 636/01, BAGE 103, 31, Rn. 29; BAG 18. 9. 2003 – 2 AZR 79/02, BAGE 107, 318, Rn. 40; vgl. grundlegend Martens, in: FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 380. 925  BAG 26. 9. 2002 – 2 AZR 636/01, BAGE 103, 31, Rn. 29: „Es kann danach offen bleiben, ob bei dem vorliegenden Sachverhalt konzernbezogene Überlegungen ebenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würden. In der Literatur wird im Anschluß an eine Entscheidung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts […], die die Frage allerdings offengelassen hat, vertreten, ein „konzernbezogener Kündigungsschutz“ könne sich auch aus Vertrauensgesichtspunkten im Fall der Selbstbindung des Arbeitgebers ergeben […]. Seien für den Fortfall des Arbeitsplatzes konzerninterne Gründe (etwa Verlagerung der Tätigkeiten auf andere Konzernunternehmen, Stilllegung eines Konzernunternehmens oder einer Abteilung bei gleichzeitiger Neugründung eines Konzernunternehmens mit identischen arbeitstechnischen und wirtschaftlichen Zielsetzungen) ursächlich, sei der bisherige Arbeitgeber ggf. nicht zur betriebsbedingten Kündigung berechtigt, sondern müsse für eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer in dem anderen Konzernunternehmen sorgen […].“; BAG 18. 9. 2003 – 2 AZR 79/02, BAGE 107, 318, Rn. 40: „Es geht auch zu weit, einen „konzernbezogenen Kündigungsschutz“ - wie dies die Kläger der verschiedenen Parallelsachen in unterschiedlicher Pointierung versucht haben – allein daran anzuknüpfen, dass in einem Konzern die unternehmerische Entscheidung getroffen worden ist, den einen Betrieb stillzulegen und den Betrieb eines anderen Konzernunternehmens mit im Wesentlichen gleichen Tätigkeitsfeld weiterzuführen. Der Senat hat zwar bisher ausdrücklich offen gelassen, ob und in welchem Umfang sich ein „konzernbezogener Kündigungsschutz“ auch aus Vertrauensgesichtspunkten im Fall der Selbstbindung des Arbeitgebers ergeben kann […]. Im vorliegenden Fall ist jedenfalls keine Sachverhaltsgestaltung gegeben, die eine Ausdehnung des Kündigungsschutzgesetzes auf derartige Konzernsachverhalte unter Vertrauensschutzgesichtspunkten rechtfertigen würde. […]“; siehe auch Bachner, NZA 2006, 1309, 1311. 926 Gegen die Einordnung als kündigungsschutzrechtliche Selbstbindung: vHH/L/ Krause, § 1 KSchG Rn. 227. 927  BAG 23. 3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30, Rn. 32. Lingemann spricht von einem „strukturellen Weiterbeschäftigungsanspruch“, lehnt diesen aber ab (FS Bauer, 2010, S. 667 ff.). Siehe auch Rost, in: FS Schwerdtner, 2003, S. 176 f.: „Hier fehlt es regelmäßig an vertraglichen Abreden oder durch faktische Tatbestände – vorhergehende Versetzungen oder Abordnungen – gebildete Vertrauenstatbeständen. Einem dennoch auch hier vertretenen unternehmensübergreifenden Ansatz liegt die Betrachtung des Konzerns als Wirt-

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Die konzerninterne Entscheidung ist nicht vergleichbar mit dem oben beschriebenen möglichen rechts- oder außerrechtsgeschäftlich selbstbindenden Verhalten. Rechtsmissbräuchliche konzerninterne Entscheidungen sollten nicht zu einer Ausdehnung des Weiterbeschäftigungsanspruchs führen, sondern allenfalls auf einer anderen Prüfungsebene als der des Ultima-Ratio-Prinzips berücksichtigt werden: bei der Missbrauchskontrolle der unternehmerischen Entscheidung.928 Selbst wenn man der Ansicht folgt, dass bei einer rechtsmissbräuchlichen Verlagerung von Beschäftigungskapazitäten eine „bestandsrechtliche Einstands­ pflicht“929 des herrschenden Konzernunternehmens in Betracht komme, würde dies nur einen Verschaffungsanspruch gegen dieses bedeuten,930 aber nicht die Unwirksamkeit der Kündigung eines abhängigen Unternehmens. Bei konzerninternen Gründen wie Verlagerungen innerhalb des Konzerns ist also ein Weg über die Missbrauchskontrolle der Unternehmerentscheidung zu suchen, wenn nicht schon § 613a BGB einschlägig ist. Diese Vorgehensweise bietet genügend Raum für angemessenen Bestandsschutz. Die Heranziehung einer „Fürsorgepflicht“ zur Begründung einer Weiterbeschäftigungspflicht ist in diesem Zusammenhang abzulehnen.931

schaftseinheit zugrunde, die der vertraglichen Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem einzelnen Konzernunternehmen sozusagen überlagert ist.“; ders. hält bei solchen Verlagerungsfallgestaltungen aber durchaus auch eine Vertrauenshaftung des beherrschenden Konzernunternehmens aus vorangegangenem Tun für möglich, wenn dieses dem Tochterunternehmen Verlagerungen vorgibt (S. 177). 928  So auch Lingemann, in: FS Bauer, 2010, S. 669 und S. 674; Rid, NZA 2011, 1121, 1122; vgl. vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 227; KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 544; NKGA/Greiner, § 1 KSchG Rn. 335; Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1117 f.; vgl. auch BAG 27. 11. 1991 – 2 AZR 255/91, NZA 1992, 644 und BAG 23. 4. 2008 – 2 AZR 1110/06, NZA 2008, 939 (Dort verneinte das BAG eine rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung, beschäftigte sich danach mit der Möglichkeit eines konzernbezogenen Weiterbeschäftigungsanspruchs, aber nicht unter dem Aspekt der konzerninternen Gründe.); in der Entscheidung von 1991 heißt es sogar ausdrücklich in Rn. 43: „Es geht dabei nicht darum, einen kündigungsrechtlichen Konzernbezug schon immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitsplatz wegen einer konzerninternen Organisationsverschiebung wegfällt […]. Voraussetzung für eine konzerndimensionale Betrachtung ist das Vorliegen eines zusätzlichen vertraglichen Elements – ausdrücklich, konkludent oder aus dem Gesichtspunkt der Vertrauenshaftung.“; BAG 26. 9. 2002 – 2 AZR 636/01, BAGE 103, 31 (Dort bejahte das BAG eine rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung und ließ deswegen die Frage einer konzernbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht offen). Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Entscheidung von 2008 nach der von 2006 erging, das BAG also bewusst das damalige obiter dictum nicht mehr aufgriff; darauf hinweisend auch Temming, Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1116. Caspers lehnt eine Ausweitung der Missbrauchskontrolle ab und befürwortet einen Weg über § 613a BGB (ZAAR Bd. 20, S. 33 ff.). 929 APS/Kiel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rn. 595. 930 APS/Kiel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rn. 595.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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d)  Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats als Rückausnahme

Auch bei den Konzernfällen muss im Rahmen der Zumutbarkeit oder der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats berücksichtigt werden.932 Im Falle personeller Einzelmaßnahmen innerhalb des Konzerns sind die Einzelbetriebsräte und nicht der Konzernbetriebsrat zuständig.933 „Versetzungen“ im Sinne von §§ 99, 95 Abs. 3 BetrVG sind Zuweisungen eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreiten, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden sind, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Im Rahmen dieses Kapitels wurde der Begriff der „Versetzung“ so verwendet, dass mit einer Versetzung eine Dauerhaftigkeit und ein Arbeitgeberwechsel verbunden sind, und eine Abordnung im Gegensatz dazu vorübergehend und ohne Arbeitgeberwechsel geschieht.934 Ein solches Verständnis ist aber nicht auf § 99 BetrVG übertragbar.935 Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn ein Arbeitnehmer auf Dauer in einen anderen Betrieb des Arbeitgebers versetzt wird.936 Eine Versetzung im Sinne von §§ 99, 95 BetrVG beinhaltet aber gerade, dass kein Arbeitgeberwechsel stattfindet. Es bedarf stets einer bleibenden Anbindung an den alten Arbeitgeber. Eine solche Anbindung des versetzten Arbeitnehmers an sein Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber bleibt nur dann erhalten, wenn der Arbeitnehmer auf Initiative des Arbeitgebers und in dessen Interesse vorübergehend in einem anderen (Konzern-)Unternehmen tätig wird.937 Somit muss der Begriff der „Versetzung“ aus §§ 99, 95 BetrVG in diesem Zusammenhang eher in „Abordnung“ übersetzt werden. Die Zustimmungsver931  So auch Caspers, ZAAR Bd. 20, S. 32, der die Gefahr der „Öffnung eines Tores zu einer uferlosen Billigkeitsbetrachtung“ sieht; auf Fürsorgegedanken abstellend u. a. Martens, in: FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 380. 932  Vgl. oben C.IV.1.a); BAG 29. 1. 1997 – 2 AZR 9/96, BAGE 85, 107, Rn. 23. Z. T. wird dies unter der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung und nicht der Zumutbarkeit eingeordnet, siehe KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 223; vHH/L/Krause, § 1 KSchG Rn. 215; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 257. 933  BAG 19. 2. 1991 – 1 ABR 36/90, NZA 1991, 565; Richardi/Annuß, § 58 BetrVG Rn. 13; Fitting, § 58 BetrVG Rn. 14 m. w. N.; ErfK/Koch, § 58 BetrVG Rn. 3; NK-GA/ Bodem, § 58 BetrVG Rn. 7 m. w. N.; Christoffer, BB 2008, 951, 953; Lambrich/Schwab, DB 2012, 1928; krit. Richardi/Thüsing, § 99 BetrVG Rn. 143. 934  Siehe oben C.IV.2.b)bb)(1)(a). 935  Siehe auch Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 389 f.; vgl. Tucci, Arbeitnehmermobilität im Konzern, S. 67 f. 936  BAG 20. 9. 1990 – 1 ABR 37/90, BAGE 66, 57; BAG 26. 1. 1993 – 1 AZR 303/92, NZA 1993, 714. Dieses Mitbestimmungsrecht entfalle nur dann, wenn der Arbeitnehmer mit dieser Versetzung einverstanden sei. 937  BAG 19. 2. 1991 – 1 ABR 36/90, NZA 1991, 565, Rn. 47; LAG Schleswig-Holstein 28. 5. 2013 – 1 TaBV 31/12, LAGE § 99 BetrVG 2001 Nr. 19, Rn. 32.

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C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

weigerung des Betriebsrats im eigenen Unternehmen zu einer „Versetzung“ kann also nur bezüglich einer Pflicht, für eine vorübergehende Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen zu sorgen oder sich um eine solche zu bemühen, als Rückausnahme dienen. § 99 BetrVG umfasst aber auch Einstellungen. Eine mitbestimmungspflichtige Einstellung liegt auch bei einer vorübergehenden Beschäftigung von Arbeitnehmern im Betrieb aus einem anderen Konzernunternehmen vor.938 Der Arbeitgeber muss der Weiterbeschäftigungspflicht eine Verweigerung der Zustimmung zur Einstellung durch den Betriebsrat des aufnehmenden Konzernunternehmens erst recht entgegenhalten können, da er diesbezüglich nicht antragsbefugt ist, um ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.939 Antragsbefugt im Sinne von § 99 Abs. 4 BetrVG ist nur der Arbeitgeber. Insbesondere wenn der Arbeitgeber sich nur zu einem Weiterbeschäftigungsversuch verpflichtet hat, gehört zu einem solchen ernsthaften Versuch nicht ein Zustimmungsersetzungsverfahren. Aber auch wenn den Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigungspflicht trifft und es sich bei dem abgebenden Arbeitgeber um das herrschende Unternehmen mit Durchsetzungsmacht handelt, ändert dies nichts daran, dass es sich um einen anderen Arbeitgeber handelt, und die Unzumutbarkeit weitergehender Pflichten bleibt bestehen.940 Abzugrenzen ist die Verweigerung der Zustimmung von der Situation, dass eine Zustimmung fehlt, der Betriebsrat also z. B. noch gar nicht eingeschaltet wurde.941 Zum Teil werden dieselben Grundsätze für einschlägig gehalten, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass ein nach § 99 Abs. 2 BetrVG beachtlicher Grund vorgelegen habe und der Betriebsrat im Fall eines Zustimmungsersuchens die Zustimmung verweigert haben würde.942 Um seiner Weiterbeschäftigungspflicht oder -bemühung im Sinne einer vorübergehenden Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen gerecht zu werden, kann vom Arbeitgeber aber zumindest erwartet werden, dass er ermittelt, ob der Betriebsrat diese Auffassung teilt, und eine Anhörung nach § 99 Abs. 1 BetrVG durchführt.943 Dies erstreckt sich aber nur auf den zuständigen Betriebsrat seines Unternehmens, nicht auf den des aufnehmenden Konzernunternehmens.944 938 ErfK/Kania,

§ 99 BetrVG Rn. 4; Richardi/Thüsing, § 99 BetrVG Rn. 143. Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S. 321. 940  A. A. Silberberger, nach dem die Kündigungsschutzklage erfolgreich sei, wenn das befasste Gericht feststelle, dass die Zustimmung hätte erteilt werden müssen, allerdings könne der Arbeitgeber erneut kündigen, wenn die Zustimmung dann ersetzt werde (Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 204 f.). 941  Konzen, RdA 1984, 65, 86 f. 942  BAG 13. 9. 1973 – 2 AZR 601/72, BAGE 25, 278, Rn. 33; ErfK/Oetker, § 1 KSchG Rn. 257 m. w. N.; a. A. hinsichtlich des Konzerns Konzen, RdA 1984, 65, 87. 943 KR/Griebeling/Rachor, § 1 KSchG Rn. 223 m. w. N.; Horcher, RdA 2009, 31, 36. 939 Vgl.

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

944

231

e)  Ablehnung von Gefahren

Durch den in diesem Kapitel befürworteten Umgang mit der konzernbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht wird der Grundsatz des nicht konzernbezogenen Kündigungsschutzes bewahrt und eine „Ausuferung arbeitnehmerseitigen Bestandsschutzes zulasten unternehmerischer Dispositionsfreiheit“945 verhindert. Es werden keine Hintertüren geöffnet.946 Die Gefahr einer unzulässigen Rechtsfortbildung ist nicht erkennbar.947 Sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerinteressen werden ausreichend berücksichtigt. Die Anforderungen stellen sich nicht als erhöht, aber auch nicht als zu gering dar. Es werden keine Vertrauenstatbestände anerkannt, die „bei neutraler Wertung aller Umstände gar nicht vorliegen bzw. vorliegen können“.948 Eine Privilegierung von Konzernarbeitnehmern gegenüber anderen Arbeitnehmern geht mit den bejahten Ausnahmefällen nicht einher. Auch bei Arbeitsverhältnissen außerhalb von Konzernen gibt es durch eine Selbstbindung des Arbeitgebers die Möglichkeit einer im Vergleich zur gesetzlichen weitergehenden Weiterbeschäftigungspflicht.949 f)  Ergebnis Zu unterscheiden ist zwischen einer Weiterbeschäftigungsgarantie, -pflicht und Bemühenspflicht. Garantiert der Arbeitgeber ausdrücklich eine Weiterbeschäftigung im Konzern, ist die Kündigung bei einem Nichtgelingen unwirksam und der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer fortbeschäftigen. Bei einer ausdrücklichen Weiterbeschäftigungspflicht führt eine fehlende Durchsetzungsmacht zur Unmöglichkeit. Die Kündigung ist wirksam. Es können aber Schadensersatzansprüche gegeben sein. Erfüllt der Arbeitgeber trotz Durchsetzungsmacht nicht und hätte der Arbeitnehmer andernfalls weiter beschäftigt werden können, ist die 944  Silberberger spricht hingegen von Anhörung des „für die Eingliederung des betroffenen Arbeitnehmers zuständigen Betriebsrates“ (Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, S. 202). 945  Eine solche befürchtet Feudner, DB 2002, 1106, 1108. 946  Von einer „Öffnung von Hintertüren“ sprechen u. a. Caspers im Zshg. mit der Entscheidung des BAG vom 23. 3. 2006 – 2 AZR 162/05, NZA 2007, 30 (ZAAR Bd. 20, S. 26) und Temming im Zshg. mit der Missbrauchskontrolle wie in BAG 26. 9. 2002 – 2 AZR 636/01, BAGE 103, 31 (Der vertragsbeherrschende Dritte, S. 1117). 947  BAG 14. 10. 1982 – 2 AZR 568/80, BAGE 41, 72, Rn. 47: „Eine konzernbezogene Ausweitung des Kündigungsschutzgesetzes würde methodisch eine unzulässige Rechtsfortbildung contra legem darstellen […].“ Feudner hält die Vorgehensweise des BAG – Heranziehung von generellen Rechtsprinzipien wie dem Vertrauensschutz und Ableitung eines konzerndimensionalen Kündigungsschutzes aus gegebenen Umständen – allerdings für eine Rechtsfortbildung (DB 2002, 1106, 1108). 948  Einen solchen Trend befürchtet Feudner, DB 2002, 1106, 1110. 949  Vgl. oben C.IV.1.

232

C.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht

Kündigung unwirksam. Verpflichtet sich der Arbeitgeber nur, sich zu bemühen, ist die Kündigung dementsprechend nur unwirksam, wenn feststeht, dass er sich nicht bemüht hat. Eine Zusage hat nur Auswirkungen auf die Kündigung, wenn sie bei Abschluss des Arbeitsvertrags oder bis zur Kündigung erfolgt. Hat ein Unternehmen Durchsetzungsmacht, folgt aus einer wirksamen Konzernversetzungsklausel im Arbeitsvertrag eine konkludente Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern. Fehlt es an der Durchsetzungsmacht, ergibt die Auslegung beim Fehlen deutlicher Anhaltspunkte nur eine konkludente Bemühenspflicht. Eine Abordnungsklausel führt dazu, dass der Arbeitgeber vor dem Ausspruch einer Beendigungskündigung, eine vorübergehende Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen unter Aufrechterhaltung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses verwirklichen muss – wenn es sich um ein Unternehmen mit Durchsetzungsmacht handelt – oder zumindest versuchen muss – wenn es sich um ein Unternehmen ohne Durchsetzungsmacht handelt. Eine Kündigung ist unwirksam, wenn freie vergleichbare Arbeitsplätze im Konzern zur Verfügung stehen und der Arbeitgeber seiner Pflicht, die sich aus den Klauseln ergibt, nicht nachkommt. Äußerungen alleine in Stellenanzeigen oder Marketingmaßnahmen reichen nicht für eine Selbstbindung aus. Der Irrtum darüber, dass eine Konzernversetzungs- oder Abordnungsklausel konkludent eine Weiterbeschäftigungs- bzw. Bemühenspflicht enthält, stellt einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum dar. Die wiederholte tatsächliche Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen kann unter strengen Voraussetzungen einen konkludenten Vertragsbeitritt darstellen, näherliegend ist aber darin die konkludente nachträgliche Vereinbarung von Versetzungs- oder Abordnungsvorbehalten zu sehen. Dafür ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer ein Einverständnis mit dieser konkludenten Vertragsanpassung zum Ausdruck bringt. Auch eine betriebliche Übung ist möglich, wenn es sich um dasselbe Unternehmen handelt, die „Konzernübung“ ist abzulehnen. Eine allgemeine „Fürsorgepflicht“ allein aufgrund der Stellung als Arbeitgeber in einem Konzern ist nicht zu befürworten. Sie würde eine pauschale Erstreckung des Kündigungsschutzes auf den Konzern bedeuten. Hat sich ein anderes Konzernunternehmen bereit erklärt, den Arbeitnehmer nach der Kündigung aufzunehmen, hat dies keine Konsequenzen für die Kündigung, sondern der Arbeitnehmer hat sich an das andere Unternehmen zu halten. Nachwirkende Nebenpflichten können allenfalls zu Schadensersatzpflichten, nicht aber zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Die tatsächliche Beschäftigung in anderen Unternehmen ist nachrangig nicht als außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung des ursprünglichen Arbeitgebers zu bewerten. Dafür fehlt es an einer Schutzlücke. Außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung kommt allein in folgenden Konstellationen in Betracht: Zum einen wenn

IV.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

233

Versetzungs- oder Abordnungsklauseln AGB-rechtlich im Einzelfall unwirksam sind. Zum anderen kann bei zeitgleichen gleichgelagerten Sachverhalten der Gleichbehandlungsgrundsatz zur Anwendung kommen, wenn es sich nicht um mit dem einzelnen Arbeitnehmer individuell ausgehandelte Pflichten handelt. Eine Gleichbehandlungspflicht im Konzern existiert aber nicht. Konzerninterne Gründe sind nur im Wege der Missbrauchskontrolle der Unternehmerentscheidung zu berücksichtigen. Der Begriff der „Versetzung“ aus §§ 99, 95 BetrVG bezieht sich nur auf vor­ übergehende Beschäftigungen in einem anderen Konzernunternehmen ohne einen Arbeitgeberwechsel. Die Zustimmungsverweigerung des unternehmenseigenen Betriebsrats zu einer „Versetzung“ kann nur bezüglich einer Pflicht, für eine vorübergehende Beschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen zu sorgen oder sich um eine solche zu bemühen, als Rückausnahme dienen. Verweigert der Betriebsrat des aufnehmenden Konzernunternehmens die Zustimmung zur Einstellung, steht dies einer konzernbezogenen Weiterbeschäftigungspflicht oder einer Bemühenspflicht des kündigenden Arbeitgebers entgegen.

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung Gem. § 14 Abs. 1 TzBfG ist eine zeitlich unbegrenzte Befristung wegen eines Sachgrundes möglich. § 14 Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 TzBfG erlauben unter bestimmten Voraussetzungen die sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei, vier und fünf Jahren. Eine Zeitbefristung setzt nicht voraus, dass die Befristungsgrundlage Vertragsinhalt geworden oder dem Arbeitnehmer bei Vertragsschluss mitgeteilt worden ist.1 Das Schriftformerfordernis in § 14 Abs. 4 TzBfG gilt nur für die Vereinbarung der Befristung, nicht hingegen für den der Befristung zugrunde liegenden sachlichen Grund oder ihrer sonstigen Rechtfertigung.2 Das BAG argumentiert insbesondere mit dem Wortlaut der Vorschrift. Die Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktion beziehe sich nur auf die vereinbarte Befristung, nicht aber auf deren Rechtfertigung und den übrigen Inhalt des Arbeitsvertrags.3 Grundsätzlich kann also eine andere Befristungsgrundlage nachgeschoben werden, falls ein angegebener Grund die Befristung nicht rechtfertigt.4 Durch spezialgesetzliche,5 tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Vorgaben kann jedoch etwas anderes gelten.6 Ein Nachschieben kann dem Arbeitgeber zudem ausnahmsweise bei einem Mitbestimmungsrecht des Personalrats hinsichtlich der Befristung verwehrt sein.7 Ansonsten ist allein das objektive Vor1 APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 468 m.  w. N.; Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 345. 2  BAG 26. 7. 2006 – 7 AZR 515/05, NZA 2007, 34. 3  BAG 26. 7. 2006 – 7 AZR 515/05, NZA 2007, 34, Rn. 10 m. w. N.; siehe auch APS/ Greiner, § 14 TzBfG Rn. 471 m. w. N. 4 Laux/Schlachter/Schlachter, § 14 TzBfG Rn. 19. 5  Siehe z. B. § 2 Abs. 4 WissZeitVG: „1Im Arbeitsvertrag ist anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. 2Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf Vorschriften dieses Gesetzes gestützt werden. 3Die Dauer der Befristung muss bei Arbeitsverträgen nach Absatz 1 kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein.“ 6 Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 345; Laux/Schlachter/Schlachter, § 14 TzBfG Rn. 20; APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 468. Siehe zur Einordnung des Tarifvertrags als rechtsgeschäftliche Selbstbindung B.I.3.d)bb). 7  Wie in § 63 Abs. 1 Nr. 4 PersVG Brandenburg; siehe dazu BAG 27. 9. 2000 – 7 AZR 412/99, NZA 2001, 339; LAG Berlin-Brandenburg 4. 9. 2008 – 14 Sa 932/08, NZA-RR 2009, 454; LAG Berlin-Brandenburg 19. 9. 2008 – 13 Sa 931/08, LAGE § 620 BGB 2002 Personalrat Nr. 2.

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

235

liegen eines Befristungsgrundes bei Vertragsschluss für das BAG maßgebend.8 Bei Zweckbefristungen hingegen ist die Mitteilung des Grundes erforderlich für die Wirksamkeit der Befristung.9 Untersuchungsgegenstand dieses Kapitels ist die Frage nach einer Selbstbindung des Arbeitgebers, wenn er freiwillig einen Befristungsgrund im Arbeitsvertrag angibt. Es stellt sich die Frage, ob eine Berufung auf andere, objektiv gegebene Sachgründe oder auf die sachgrundlose Befristung ausgeschlossen ist oder ob umgekehrt bei einer Stützung auf eine sachgrundlose Befristung im Arbeitsvertrag eine spätere Stützung auf Sachgründe zulässig ist.10 Mit der Problematik der Selbstbindung durch die Angabe von Befristungsgrundlagen beschäftigte sich das BAG schon im Rahmen des BeschFG.11 Mit dem BeschFG 1985 wurde die schon vorher nach Richterrecht bestehende Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zu einer Dauer von 18 Monaten gesetzlich eingeführt.12 § 1 BeschFG 1996 verlängerte die Dauer auf zwei Jah8  Siehe z. B. BAG 15. 8. 2001 – 7 AZR 274/00, EzA § 620 BGB Nr. 184, Rn. 17; BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153, Rn. 24; APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 468 m. w. N. 9  BAG 21. 12. 2005 – 7 AZR 541/04, NZA 2006, 321; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 21; KR/Lipke, § 14 TzBfG Rn. 167; APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 476 m. w. N.; Laux/Schlachter/Schlachter, § 14 TzBfG Rn. 19. 10  Ausdrücklich verwendet wird der Begriff „Selbstbindung“ in folgenden Urteilen: BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255, Rn. 35: „Auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 BeschFG 1985, der den Abschluß eines Zeitvertrags ohne Vorliegen eines Sachgrunds für die Dauer von 18 Monaten bei einer Neueinstellung gestattete, konnte die Angabe des BeschFG im Arbeitsvertrag in aller Regel keine Selbstbindung des Arbeitgebers erzeugen.“; LAG Köln 14. 6. 2000 – 8 (11) Sa 837/99, BeckRS 2000, 30785318, Rn. 67: „Wird § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 gleichwohl als Rechtsgrundlage angegeben, so folgt daraus keine Selbstbindung des Arbeitgebers, sich für den Fall, das [sic!] die Voraussetzungen des § 1 BeschFG 1996 entgegen seiner Annahme nicht gegeben sind, nicht auch auf etwa vorliegende sachliche Gründe berufen zu können.“; LAG Schleswig-Holstein 3. 4. 2001 – 3 Sa 12/01, BeckRS 2001, 31010431, Rn. 20: „Allerdings kann die Angabe des Beschäftigungsförderungsgesetzes im Arbeitsvertrag in der Regel eine Selbstbindung des Arbeitgebers nicht erzeugen, ebensowenig wie eine bloße Bezugnahme auf das Beschäftigungsförderungsgesetz besagt, dass die Parteien vereinbart hätten, die Zulässigkeit der Befristung ausschließlich auf diese Rechtsgrundlage zu stützen […].“ 11  BAG 6. 12. 1989 – 7 AZR 441/89, BAGE 63, 363; BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255; BAG 15. 8. 2001 – 7 AZR 274/00, EzA § 620 BGB Nr. 184; BAG 5. 6. 2002 – 7 AZR 241/01, BAGE 101, 262; BAG 26. 6. 2002 – 7 AZR 410/01, AP Nr. 15 zu § 1 BeschFG 1996; BAG 4. 12. 2002 – 7 AZR 545/01, BAGE 104, 103; BAG 15. 1. 2003 – 7 AZR 534/02, AP Nr. 19 zu § 1 BeschFG 1996; BAG 5. 5. 2004 – 7 AZR 629/03, BAGE 110, 295. 12  BGBl I S. 710 vom 26. 4. 1985; wobei z. T. von der Einführung eines besonderen gesetzlichen Sachgrundes der „Beschäftigungsförderung“ gesprochen wurde, siehe Friedhofen/Weber, NZA 1985, 337, 338; zur Situation vorher siehe z. B. APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 5 ff. m. w. N.; Schwerdtner, NZA 1985, 577 m. w. N.

236

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

re.13 Schon zu Zeiten des BeschFG wurde die Angabe der Befristungsgrundlage nicht gefordert.14 Zum 1. 1. 2001 traten das TzBfG und damit die heute noch geltenden Regelungen des § 14 Abs. 2 und Abs. 3 TzBfG in Kraft,15 § 14 Abs. 2a TzBfG erst am 1. 1. 2004.16 Bereits vor Einführung des Sachgrundkatalogs in § 14 Abs. 1 TzBfG erlaubte die Rechtsprechung eine Befristung grundsätzlich nur bei einem Sachgrund.17 1.  Rechtsgeschäftlich a)  Einseitiger Verzicht Das BAG lehnt grundsätzlich eine Selbstbindung durch die Angabe einer Befristungsgrundlage mit der Begründung ab, dass es kein Zitiergebot gebe und das objektive Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes für die Befristung bei Vertragsschluss genüge; geht aber von der Möglichkeit eines vertraglichen ausdrücklichen oder konkludenten Ausschlusses aus.18 Die Rechtsprechung bezeichnet einen solchen Ausschluss auch als „vertraglichen Verzicht“, geht also von einem zweiseitigen Verzicht und keinem einseitigen aus.19 Ein einseitiger Verzicht ist nur bei Einreden und Gestaltungsrechten möglich.20 § 22 TzBfG spricht dafür, dass nur abweichende „Vereinbarungen“ zulässig sind, einseitige jedoch nicht, auch wenn sich der einseitige Verzicht als vorteilhaft für den Arbeitnehmer darstellt. Es liegt an den Arbeitsvertragsparteien, gemeinsam die Befristung zu vereinbaren, und damit an ihnen, gemeinsam über die Abbedingung bestimmter Befristungsmöglichkeiten zu entscheiden. Ein einseitiger Verzicht scheidet hier aus. 13  Art. 4 Arbeitsrechtliches Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25. 9. 1996 (BGBl I S. 1476). 14 APS/Greiner, 4. Aufl., § 14 TzBfG Rn. 469. 15  Ausf. zu den Neuerungen der sachgrundlosen Befristung KR/Lipke, § 14 TzBfG Rn. 516 ff. m. w. N. 16 Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 295. 17  Grundlegend BAG 12. 10. 1960 – GS 1/59, BAGE 10, 65; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 10 f.; BT-Drs 14/4374, S. 13 und S. 18; Sievers, RdA 2004, 291. In § 1 Abs. 4 BeschFG 1996 hieß es nur „(4) Die Zulässigkeit der Befristung des Arbeitsvertrages aus anderen Gründen bleibt unberührt.“ 18 BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153, Rn. 26; BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 20. 19  BAG 24. 2. 1988 – 7 AZR 454/87, NZA 1988, 545, Rn. 22; BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 21; LAG Schleswig-Holstein 27. 9. 2012 – 5 Sa 154/12, LAGE § 14 TzBfG Nr. 72, Rn. 37; ArbG Berlin 16. 5. 1990 – 9 Ca 38/90, EzA § 1 BeschFG 1985 Nr. 12; anders klingt dies allerdings in LAG Sachsen 17. 6. 1998 – 2 Sa 1376/97, NZA-RR 1999, 16, Rn. 30. 20 Palandt/Grüneberg, § 397 BGB Rn. 4 m. w. N.; MüKo/Schlüter, § 397 BGB Rn. 19 m. w. N.; HK-BGB/Schulze, § 397 BGB Rn. 2 m. w. N.

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

237

b)  Abbedingung Ein konkludenter Ausschluss der Anwendbarkeit von § 14 Abs. 2 TzBfG liegt nach dem BAG etwa dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Erklärungen des Arbeitgebers so verstehen dürfe, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt werde und nur von seinem Bestehen abhängen solle. Die Angabe eines Sachgrundes könne dafür ein wesentliches Indiz sein, reiche aber allein nicht aus, um davon auszugehen, die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG solle damit ausgeschlossen sein.21 Vielmehr müssten im Einzelfall noch zusätzliche Umstände hinzutreten.22 Das BAG stellt also strenge Anforderungen an solche Umstände, die zu einer Abbedingung führen, die es jedoch nur vereinzelt präzisiert. Eine konkludente Abbedingung nahm das BAG nur in wenigen Entscheidungen an. Abzugrenzen ist die Abbedingung der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung durch die Angabe eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag von der Abbedingung durch die Vereinbarung, dass die Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber als Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG behandelt werden soll.23 aa)  Vom BAG ausnahmsweise bejahte konkludente Abbedingung Eine konkludente Abbedingung der sachgrundlosen Befristung bejahte das BAG durch die Angaben im Arbeitsvertrag in seiner Entscheidung vom 15. 8. 2001.24 Die Arbeitgeberin hatte die drei Arbeitsverträge als persönliche Anschreiben an den Arbeitnehmer gestaltet und ihm darin erklärt, aus welchem Grunde die Verträge befristet sein sollten. Auch im letzten Arbeitsvertrag ist ein den vorherigen vergleichbarer Befristungsgrund genannt worden. Der Arbeitnehmer hat die Befristung mit diesem Sachgrund akzeptiert. Das BAG urteilte, für eine Abbedingung spreche der Umstand, dass sich die Arbeitgeberin zur Rechtfertigung der Befristung zu keiner Zeit auf § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 berufen habe.25 21 BAG

12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153, Rn. 26; BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 20. 22  Dem BAG folgen u. a. APS/Backhaus, § 22 TzBfG Rn. 29 ff.; MüKo/Hesse, § 14 TzBfG Rn. 13; KR/Lipke, § 14 TzBfG Rn. 168 ff.; Wisskirchen, DB 1998, 722. Dem BAG folgt auch Lembke, er rät aber dennoch von einer Angabe des Sachgrundes ab, da sich faktisch die Darlegungslast erheblich erhöhe (NJW 2006, 325, 328). Nach Preis folgt die Rspr. damit dem „formalen Prinzip, dass das, was das Gesetz gewährt, nicht ohne Weiteres abbedungen wird“ (NZA 2005, 714). 23  BAG 9. 2. 2011 − 7 AZR 32/10, NZA 2011, 791, Rn. 16. 24  BAG 15. 8. 2001 – 7 AZR 274/00, EzA § 620 BGB Nr. 184. 25  BAG 15. 8. 2001 – 7 AZR 274/00, EzA § 620 BGB Nr. 184, Rn. 17.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Auch in seiner Entscheidung vom 5. 6. 2002 ging das BAG von einer konkludenten Abbedingung der sachgrundlosen Befristung aus.26 Neben dem Indiz „Erwähnung des Sachgrunds im Vertrag“ spreche für den Ausschluss der Befristungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG 1996 vor allem, dass bei der Vertragsgestaltung differenziert wurde und einmal die Möglichkeit des BeschFG genutzt, einmal überhaupt keine Erklärung zum Sachgrund formuliert und überwiegend der Sachgrund der Mitarbeit an einem befristeten Projekt im Vertragstext erwähnt wurde. Dies ergebe, dass auf Arbeitgeberseite kein sorgloser Umgang mit den Befristungsmöglichkeiten stattgefunden habe, sondern die Vertragsvorschriften bewusst formuliert worden seien. Die Arbeitgeberin habe auch in ihrem Vorbringen hinsichtlich des letzten Vertrags vergeblich versucht, die Befristung auf verschiedene Sachgründe zu stützen und dabei erkennen lassen, dass es ihr bereits bei Vertragsschluss ausschließlich um eine Rechtfertigung der Befristung nach den von der Rechtsprechung zu § 620 BGB entwickelten Regeln ging.27 Zu einer Abbedingung kam das BAG des Weiteren bereits in seinem Urteil vom 24. 2. 1988.28 Allerdings enthielt in diesem Fall der Arbeitsvertrag keinen Hinweis auf einen etwaigen Sachgrund für die Befristung. Eine Abbedingung wurde bestätigt, weil das beklagte Land in der Berufungsinstanz zu Protokoll gegeben hatte, sich nicht auf das BeschFG 1985 berufen zu wollen und es außerdem bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrags öffentlich durch den Leiter der Staatskanzlei erklärt hatte, auf die Anwendung des BeschFG zu verzichten. Der Arbeitnehmer habe das Verzichtsgebot angenommen. Im Übrigen gingen beide Parteien in der Revisionsinstanz übereinstimmend davon aus, dass § 1 BeschFG 1985 im Streitfall keine Anwendung findet. Der Fall ist also nicht vergleichbar mit den in dieser Fallgruppe sonst genannten Entscheidungen. Es ging dort nicht um die Selbstbindung durch die Angabe eines Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag, sondern um einen nachträglichen, im Prozess erklärten Verzicht.29 Im Gegensatz zum BAG nahmen untere Instanzen zum Teil grundsätzlich eine Abbedingung an. Hingewiesen werden soll an dieser Stelle auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. 5. 1990.30 Die Anführung des Befristungsgrundes könne aus Sicht des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte (§ 157 BGB) nur so verstanden werden, dass sich die Arbeitgeberin hierauf als sachliche Begründung der Befristung berufen wollte. Ein eventu26 

BAG 5. 6. 2002 – 7 AZR 241/01, BAGE 101, 262. BAG 5. 6. 2002 – 7 AZR 241/01, BAGE 101, 262, Rn. 35. 28  BAG 24. 2. 1988 – 7 AZR 454/87, NZA 1988, 545. 29 APS/Backhaus, § 22 TzBfG Rn. 27. 30  ArbG Berlin 16. 5. 1990 – 9 Ca 38/90, EzA § 1 BeschFG 1985 Nr. 12; diese Entscheidung kritisierend u. a. Wisskirchen, DB 1998, 722; i. E. eine Bindung ablehnend, aber sich auf das ArbG Berlin stützend: LAG Sachsen 17. 6. 1998 – 2 Sa 1376/97, Rn. 30. 27 

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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ell innerer Wille der Arbeitgeberin bei Abschluss des Arbeitsvertrags, diese zu besseren Akzeptanz der Befristung beitragende Erklärung nicht (ernstlich) zu wollen, sondern stattdessen eine Befristung gem. dem BeschFG, sei, da er der Arbeitnehmerin nicht bekannt gemacht bzw. von ihr nicht zu erkennen, unbeachtlich, §§ 116, 118 BGB. Eine Heranziehung der §§ 116, 118 BGB ist allerdings aus folgenden Gründen abzulehnen: § 116 Satz 1 BGB würde voraussetzen, dass der Arbeitgeber eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt und sich gleichzeitig insgeheim vorbehält, deren Rechtsfolgen nicht anerkennen zu wollen.31 D. h. er müsste bewusst die Abbedingungserklärung abgeben und sich gleichzeitig insgeheim vorbehalten, die Rechtsfolgen der Abbedingung nicht anerkennen und sich doch auf eine andere Befristungsgrundlage berufen zu wollen. Dem Arbeitgeber einen solchen geheimen Vorbehalt zu unterstellen, ist jedoch zu weitgehend. Allein die Angabe eines Befristungsgrundes und das spätere Berufen auf die sachgrundlose Befristung können nicht ausreichen, um einen solchen geheimen Vorbehalt anzunehmen. § 116 Satz 1 BGB würde dazu führen, dass dem Arbeitgeber sein Anfechtungsrecht genommen würde. Bei den §§ 119 ff. BGB geht es um das unbewusste Nichtübereinstimmen von Wille und Erklärung, bei §§ 116 ff. BGB hingegen um ein bewusstes Nichtübereinstimmen.32 Auch das Eingreifen der Rechtsfolgen von § 118 BGB ist in den Fällen der vertraglichen Angabe eines Befristungsgrundes wohl kaum zu bejahen. § 118 BGB würde zu einer Nichtigkeit der Abbedingung führen, wenn der Arbeitgeber die Erklärung nicht ernst gemeint und damit gerechnet hat, dass der Arbeitnehmer den Mangel der Ernstlichkeit erkennen werde. Eine „Scherzerklärung“ im Rahmen des Abschlusses eines Arbeitsvertrags scheint zweifelhaft.

31 MüKo/Armbrüster, 32 MüKo/Armbrüster,

§ 116 BGB Rn. 1. § 119 BGB Rn. 1.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

bb)  Widersprüchliche ablehnende Rechtsprechung des BAG Ansonsten geht das BAG kaum von einer konkludenten Abbedingung aus.33 Die Entscheidung vom 12.  8.  200934 wirkt dabei widersprüchlich zur Ent35 scheidung vom 5. 6. 2002 . Die Arbeitnehmerin war vom 15. 8. 2005 bis zum 31. 3. 2007 aufgrund dreier befristeter Arbeitsverträge bei der Arbeitgeberin beschäftigt. § 1 des ersten Arbeitsvertrags lautete: „Frau S wird ab dem 15. 08. 2005 als vollbeschäftigte Angestellte auf bestimmte Zeit ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 2 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz-TzBfG) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1966) in der jeweils geltenden Fassung für die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 bei der Agentur für Arbeit D eingestellt.“

Am 31. 10. 2005 schlossen die Parteien eine Änderungsvereinbarung, wonach die Arbeitnehmerin nach § 14 Abs. 2 TzBfG bis zum 30. 6. 2006 weiterbeschäftigt wurde. In den Verträgen vom 15. 8. 2005 und vom 31. 10. 2005 war nach der Protokollnotiz Nr. 5a zu Nr. 1 SR 2a MTA im Arbeitsvertrag anzugeben, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 TzBfG handelt. Am 8. 6. 2006 unterzeichneten die Parteien eine weitere Änderungsvereinbarung, nach der die Arbeitnehmerin bis zum 31. 3. 2007 weiterbeschäftigt wurde. Zu diesem Zeitpunkt galt die tarifliche Regelung nicht mehr. In dem ihr zur Kenntnis gebrachten Zusatz heißt es u.a.: „Befristungsgrund: § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG […]“. Das BAG entschied, selbst wenn der Vermerk Bestandteil der Änderungsvereinbarung sein sollte,36 genüge allein die Angabe des Sachgrundes zur Abbedingung nicht. Eine ande33  Ablehnende

Entscheidungen u. a.: zum alten BeschFG: BAG 6. 12. 1989 – 7 AZR 441/89, BAGE 63, 363; BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255; BAG 26. 6. 2002 – 7 AZR 410/01, AP Nr. 15 zu § 1 BeschFG 1996; BAG 4. 12. 2002 – 7 AZR 545/01, BAGE 104, 103; BAG 15. 1. 2003 – 7 AZR 534/02, AP Nr. 19 zu § 1 BeschFG 1996; BAG 5. 5. 2004 – 7 AZR 629/03, BAGE 110, 295; zum neuen TzBfG: BAG 16. 10. 2008 – 7 AZR 253/07 (A), BAGE 128, 134; BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153; BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151; BAG 21. 9. 2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 225; offen gelassen und Zurückverweisung an das LAG: BAG 4. 6. 2003 – 7 AZR 489/02, NZA 2003, 1143; dahinstehend lassend, aber eher verneinend BAG 24. 8. 2011 – 7 AZR 368/10, AP Nr. 85 zu § 14 TzBfG, Rn. 20; siehe auch ablehnende Rspr. der unteren Instanzen: LAG Sachsen 17. 6. 1998 – 2 Sa 1376/97, NZA-RR 1999, 16; LAG Köln 14. 6. 2000 – 8 (11) Sa 837/99, BeckRS 2000, 30785318; LAG Schleswig-Holstein 14. 6. 2005 – 2 Sa 55/05, BeckRS 2005, 42596; LAG Hamm 26. 6. 2008 – 17 Sa 488/08, BeckRS 2008, 57208; LAG Düsseldorf 30. 6. 2010 – 12 Sa 415/10, ZTR 2010, 537; LAG Thüringen 12. 10. 2010 – 7 Sa 425/09, BeckRS 2011, 68636; LAG Hamm, 28. 10. 2010 – 17 Sa 1058/10, BeckRS 2011, 68248; LAG Schleswig-Holstein 27. 9. 2012 – 5 Sa 154/12, LAGE § 14 TzBfG Nr. 72; LAG Sachsen 6. 6. 2014 – 3 Sa 740/13, juris; LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386; ArbG Hamburg 9. 12. 2010 – 17 Ca 330/10, BeckRS 2012, 72064. 34  BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153. 35  BAG 5. 6. 2002 – 7 AZR 241/01, BAGE 101, 262. 36  Zum Vermerk siehe D.I.1.b)cc)(5).

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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re Beurteilung ergebe sich nicht daraus, dass im Ausgangsvertrag und im ersten Änderungsvertrag § 14 Abs. 2 TzBfG als Rechtsgrundlage angegeben worden sei. Bei einer Orientierung an der Vorgänger-Entscheidung vom 5. 6. 2002 hätte das BAG eigentlich zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Angaben in den vorherigen Arbeitsverträgen einen wesentlichen weiteren Umstand neben dem Indiz der Angabe des Sachgrundes im aktuellen Arbeitsvertrag darstellen. Auch hier hätte daraus gefolgert werden müssen, dass auf Arbeitgeberseite nicht sorglos mit den Befristungsmöglichkeiten umgegangen worden ist, sondern die Vertragsvorschriften bewusst formuliert wurden. Der Umstand, dass die Angabe von § 14 Abs. 2 TzBfG in den vorherigen Verträgen der damals geltenden tariflichen Rechtslage geschuldet war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies ändert nichts daran, dass der Arbeitgeber sich damals bewusst für eine sachgrundlose Befristung und gegen eine Sachgrundbefristung entschieden hatte. Im Gegenteil, aus der Angabe der sachgrundlosen Befristung ergibt sich dann erst recht, dass das Arbeitsverhältnis nur sachgrundlos befristet sein soll.37 Im vorliegenden Fall hat sich der Arbeitgeber dann aus Sicht eines objektiven Empfängers bewusst entschieden, bei der Änderungsvereinbarung vom 8. 6. 2006 nicht nur von der nun bestehenden Möglichkeit der Nichtangabe des § 14 Abs. 2 TzBfG Gebrauch zu machen, sondern ausdrücklich einen Sachgrund zu nennen. Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber vorher freiwillig oder aufgrund einer tariflichen Verpflichtung § 14 Abs. 2 TzBfG genannt hatte, führt dieses Vorverhalten in beiden Situationen dazu, dass aus Sicht eines objektiven Empfängers die nun erfolgte Angabe eines Sachgrundes so zu verstehen ist, dass der Arbeitgeber sich nicht mehr auf eine sachgrundlose Befristung, sondern auf einen Befristungsgrund stützen möchte. Im Fall vom 5. 6. 2002 ging es um einen Zeitraum von Oktober 1985 bis Juli 1999. Dies lässt die Vermutung zu, dass das BAG das Vertrauen des Arbeitnehmers im Rahmen der Auslegung als schutzwürdiger ansehen könnte, wenn zwischen den Parteien über viele Jahre Arbeitsverträge mit stets genannten, unterschiedlichen Befristungsrechtsgrundlagen geschlossen wurden.38 Auf den Zeitraum kann es jedoch nicht ankommen, sondern vielmehr darauf, ob bei der Vertragsgestaltung differenziert wurde. Umgekehrt kann natürlich die Frage aufgeworfen werden, wie viele Verträge mit unterschiedlichen Angaben zur Befristungsrechtsgrundlage abgeschlossen worden sein müssen, damit von einer solchen bewussten Formulierung ausgegangen werden kann. Aber auch schon bei nur zwei differenzierenden Verträgen (der eine gestützt auf einen Sachgrund und der andere auf die sachgrundlose Befristung oder umgekehrt) muss diese Vertragsgestaltung zumindest einen weiteren Anhaltspunkt bei der Auslegung, der für eine Abbedingung spricht, darstellen. 37  38 

Vgl. unten D.I.3. BAG 5. 6. 2002 – 7 AZR 241/01, BAGE 101, 262, Rn. 33.

242

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Die Entscheidung vom 26. 7. 2000 weist hingegen keine Widersprüche auf.39 In dieser ging es um einen Arbeitnehmer, der seit 1995 bei der Arbeitgeberin auf der Grundlage von insgesamt 20 befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt war. Dabei wurden zum Teil unterschiedliche Befristungsgrundlagen angegeben (u.a. Urlaubs- bzw. Krankenvertretung). In den letzten beiden Arbeitsverträgen war zum Befristungsgrund bestimmt: „§ 1 BeschFG in der ab dem 1. Oktober 1996 gültigen Fassung“ bzw. „1. Verlängerung des Arbeitsvertrages vom 21. Oktober 1996 nach dem BeschFG“. Gegenstand war nicht ein Wechsel von einer Sachgrundbefristung zu einer sachgrundlosen Befristung, sondern es ging um die Frage, ob die Sachgrundbefristung abbedungen wurde. Ein wesentlicher Unterschied zur Entscheidung vom 12. 8. 2009 ist, dass der Wortlaut hier nicht eindeutig war.40 § 1 BeschFG 1996 enthielt im Gegensatz zu § 1 BeschFG 1985 sowohl Regelungen zur sachgrundlosen als auch zur Sachgrundbefristung.41 § 1 Abs. 4 BeschFG 1996 beinhaltete keinen ausdrücklichen Sachgrundkatalog, aber immerhin den Hinweis, dass die Zulässigkeit der Befristung des Arbeitsvertrags aus anderen Gründen unberührt bleibt. Somit konnte keine eindeutige Differenzierung ermittelt werden. cc)  Kritik an der Forderung weiterer Indizien neben dem eindeutigen Wortlaut (1) Bedeutung des Wortlauts und der Interessenlage Doch auch wenn keine differenzierende Vertragsgestaltung als weiterer Anhaltspunkt neben einem eindeutigen Wortlaut feststellbar ist, ist die Vorgehensweise des BAG insgesamt zu kritisieren. Das Ziel der Auslegung ist in erster Linie, die sich aus der Sicht des Empfängers nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte ergebende Bedeutung der Vertragsbestimmungen festzustellen.42 Richtig ist, dass bei der Auslegung des Arbeitgeberverhaltens nicht einseitig mit der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers argumentiert werden darf.43 Der Arbeitgeber ist ebenso schutzwürdig und oft rechtsunkundig. Aus diesem Grund scheint es tatsächlich zu weitgehend, allein bei einer genauen Zitierung eines Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG mit Nr.-Angabe davon auszugehen, in einem solchen Fall wäre ein Arbeitgeber nicht sorglos mit den Befristungsmöglichkeiten umgegangen, sondern hätte sich bewusst damit aus39 

BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255. auch u. a. die Argumentation des BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255, Rn. 35. 41  BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255, Rn. 35; vgl. auch BAG 21. 9. 2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 225. 42  Siehe oben B.I.1.a); HK-BGB/Dörner, § 157 BGB Rn. 3. 43 Zur gebotenen interessengerechten Auslegung des Arbeitgeberverhaltens vgl. ­Picker, Die betriebliche Übung, S. 371 f. 40  So

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

243

einandergesetzt.44 Die Sicht des Empfängers der Arbeitgebererklärung bzw. der objektive Empfängerhorizont kommt bei der Herangehensweise des BAG dennoch zu kurz.45 Dem Arbeitnehmer stehen meist nicht genügend Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung, um zu erkennen, dass der Arbeitgeber sich nicht an den genannten Befristungsgrund binden möchte. Den Arbeitnehmer trifft dabei eine „Auslegungssorgfalt“46, d. h. er muss sich anstrengen, anhand aller ihm bekannten und erkennbaren Umstände den Sinn der Erklärung zu erforschen.47 Dies bedeutet jedoch nicht, dass er verpflichtet ist, noch vorhandene Unklarheiten durch Nachfrage beim Erklärenden zu beseitigen.48 Auch wenn selbst ein eindeutiger Wortlaut keinen sicheren Schluss auf den Sinngehalt einer Erklärung ohne Berücksichtigung der übrigen Auslegungsmittel zulässt:49 Bei der Feststellung der Eindeutigkeit einer Erklärung ist nach §§ 133, 157 BGB nicht nur auf ihren Wortlaut abzustellen, sondern es sind alle Begleitumstände zu werten, die für die Frage von Bedeutung sind, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie der Empfänger der Erklärung diese verstanden hat oder verstehen musste.50 Dennoch ist Ausgangspunkt jeder Auslegung der Wortlaut.51 An diesem orientiert sich der Arbeitnehmer berechtigterweise in erster Linie. Insbesondere bei dem ersten Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem neuen ihm unbekannten Arbeitgeber stellt das Erkennen eines gegenteiligen Willens des Arbeitgebers eine Herausforderung für den Arbeitnehmer dar. Zudem fehlt es dabei an der Berücksichtigung der oft schwächeren Verhandlungsposition des Arbeitnehmers bezüglich einer Befristung.52 Diese sollte bei der im Rahmen der Auslegung geforderten umfassenden Abwägung der Parteiinteressen beachtet werden.53 Schutzwürdig erscheint das Vertrauen des Arbeit44 

So aber Stoye, Probleme des § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz, S. 233. auch APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 468; Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160; a. A. MüKo/Hesse, § 14 TzBfG Rn. 13. 46  Siehe oben B.I.1.a)aa); MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 28. 47 MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 28 m. w. N.; Palandt/Ellenberger, § 133 BGB Rn. 9 m. w. N. 48  BGH 12. 9. 2013 – VII ZR 227/11, NJW 2013, 3511, Rn. 17; BeckOK BGB/Wendtland, § 133 BGB Rn. 27. 49 HK-BGB/Dörner, § 133 BGB Rn. 3 m. w. N. 50  BAG 10. 1. 1975 – 3 AZR 70/74, DB 1975, 1368, Rn. 22; siehe auch BGH 19. 12. 2001 – XII ZR 281/99, NJW 2002, 1260, Rn. 19. 51  BGH 11. 9. 2000 – II ZR 34/99, NJW 2001, 144; HK-BGB/Dörner, § 133 BGB Rn. 4 m. w. N. 52 Vgl. Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski, § 14 TzBfG Rn. 219, nach dem es i. d. R. der Arbeitgeber ist, der über die Befristungsform entscheidet. 53 Siehe dazu, dass zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner gehört z. B. BGH 11. 5. 1995 – VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, Rn. 13; BGH 28. 10. 1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, Rn. 22; 45  So

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

nehmers vor allem, wenn es um eine Auswechslung der Befristungsbegründung zwischen § 14 Abs. 1 und § 14 Abs. 2/Abs. 2 a/Abs. 3 TzBfG geht. Doch auch die Sachgründe aus § 14 Abs. 1 TzBfG unterscheiden sich derart, dass es für den Arbeitnehmer nicht irrelevant ist, auf welchen Grund der Arbeitgeber sich genau stützen möchte. In einem solchen Fall mag der Arbeitnehmer weniger schutzwürdig sein als bei einem Umschwenken von einer Sachgrundbefristung auf eine sachgrundlose Befristung, dennoch ist eine Schutzwürdigkeit bei der Auslegung zu berücksichtigen. Dies gilt genauso im Verhältnis von den sachgrundlosen Befristungsmöglichkeiten aus § 14 Abs. 2, Abs. 2a und Abs. 3 TzBfG:54 Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Tatbestandsvoraussetzungen, sondern vor allem in der Befristungsdauer (Abs. 2 zwei Jahre, Abs. 2a vier Jahre und Abs. 3 fünf Jahre). Diesbezüglich ist insbesondere zu kritisieren, von welchem objektiven Empfängerverständnis das BAG in seiner Entscheidung vom 29. 6. 2011 ausging:55 Bei verständiger Würdigung könne der Arbeitnehmer bei der Angabe eines Sachgrundes nicht von einem Willen des Arbeitgebers ausgehen, die sachgrundlose Befristung abzubedingen. Bei der Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses sei der Regelfall, dass der Arbeitgeber gerade kein unbefristetes Vertragsverhältnis und die Befristung unter jedem möglichen rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen wolle.56 Dies steht im Widerspruch dazu, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung bisher das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelfall, das befristete hingegen als Ausnahmefall einstufen.57 Als Anreiz für Neueinstellungen wurde der Abschluss befristeter Arbeitsverträge erleichtert, dennoch soll die Befristung die Ausnahme bleiben.58 Dies spiegelt sich wider im VerhältBGH 1. 10. 1999 – V ZR 168/98, NJW 1999, 3704, Rn. 17; BGH 9. 5. 2003 – V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, Rn. 10; MüKo/Busche, § 157 BGB Rn. 7 ff. 54 Vgl. BAG 17. 6. 2009 – 7 AZR 193/08, EzTöD 100 § 30 Abs 1 TVöD-AT Sachgrundlose Befristung Nr. 11. 55  BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151. 56  BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 21; dem folgend auch LAG Sachsen 6. 6. 2014 – 3 Sa 740/13, juris, Rn. 47; LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 41. 57  BT-Drs 14/4374, S. 12; BAG 27. 7. 2005 – 7 AZR 486/04, BAGE 115, 274, Rn. 55; BAG 18. 10. 2006 – 7 AZR 419/05, NZA 2007, 332, Rn. 21 f.; BAG 8. 8. 2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229, Rn. 23; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 3; so auch der EuGH, siehe z. B. EuGH 10. 3. 2011 − C-109/09, NZA 2011, 397, Rn.  30; Meinel/Heyn/Herms/ Herms, § 1 TzBfG Rn. 19; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 14 m. w. N.; ErfK/Preis BGB § 611 Rn. 144 m. w. N.; Lunk/Leder, NJW 2015, 2474, 2476; Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2069 f. 58  Siehe zu § 1 BeschFG 1985 und 1996: BT-Drs 10/2102, S. 1 und S. 14 ff.; BT-Drs 13/4612, S. 1 und S. 11 f.; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 355; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 3; von Hoyningen-Huene, NJW 1985, 1801. Eine Gefährdung des „Normalarbeitsverhältnisses“ durch Einführung des § 1 BeschFG 1985 sah Zachert, AuR 1988, 129,

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

245

nis der Sachgrundbefristung zur sachgrundlosen Befristung.59 Das befristete Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund sollte ursprünglich vor allem für die Ausnahmesituation einer schlechten wirtschaftlichen Lage dienen.60 Der Gesetzgeber äußerte bei Einführung des TzBfG, erleichterte Befristungsmöglichkeiten würden im Interesse der Flexibilität der Beschäftigung und als Brücke zu unbefristeten Arbeitsverhältnissen weiterhin gebraucht.61 Mit der erleichterten Befristung soll es Unternehmern, insbesondere Existenzgründern und Klein- und Mittelunternehmen, möglich sein, auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen durch Neueinstellungen flexibel zu reagieren und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.62 Der Gesetzgeber hält dies zugleich für eine beschäftigungspolitisch sinnvolle Alternative zur Überstundenarbeit und zum sog. Outsourcing.63 Für viele Arbeitnehmer sei die befristete Beschäftigung eine Alternative zur Arbeitslosigkeit und zugleich eine Brücke zur Dauerbeschäftigung.64 Der Gesetzgeber darf nicht missverstanden werden, dass eine sachgrundlose Befristung der Regelfall werden soll, um so den Wettbewerb zu stärken und Arbeitslosigkeit zu reduzieren.65 Im Gegenteil äußert er ausdrücklich, dass in Deutschland unbefristete Arbeitsverhältnisse der Normalfall der Beschäftigung seien und dies aus grundsätzlichen sozialpolitischen Gründen in Zukunft bleiben sollen.66 Mit Blick auf dieses Verständnis scheint es schwierig im Regelfall bei der Vereinbarung einer Befristung unter Angabe eines bestimmten Sachgrundes davon auszugehen, dass der Arbeitgeber auf jeden Fall nur ein befristetes und kein unbefristetes Arbeitsverhältnis abschließen möchte. Um einen solchen Willen anzunehmen, ist vielmehr zu verlangen, dass der Arbeitgeber 133 f. Kania äußerte i. R. d. Neueinführung des § 1 BeschFG 1996 die Befürchtung, dass vermittelbare Konsequenz zunächst sein dürfte, dass die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit unbefristeten Verträgen von der Regel zur Ausnahme werde (DStR 1997, 373, 377). Eine a. A. vertritt scheinbar Hromadka, NJW 2001, 400, 403 f.: er spricht von einer Umkehrung des Grundsatzes erst mit Einführung des § 14 TzBfG, erst dadurch gelte der neue Grundsatz: Befristung nur bei Sachgrund. 59 APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 13 f. 60  BT-Dr 10/2102, S. 14. 61  BT-Drs 14/4374, S. 1; BT-Drs 14/4625, S. 2. 62  BT-Drs 14/4374, S. 14. 63  BT-Drs 14/4374, S. 14. 64  BT-Drs 14/4374, S. 14. 65 Das Ziel der Arbeitslosigkeitsbekämpfung rechtfertige es nicht, sachgrundlose Befristungen noch weitergehender zuzulassen, denn eine substanzielle Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sei dadurch nicht möglich, so Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2070. 66  BT-Drs 14/4374, S. 12; vgl. auch Schubert, NJW 2010, 2613, 2614 und 2617, dieser spricht bei einem „Normalarbeitsverhältnis“ von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis in Vollzeit; so auch schon Zachert, AuR 1988, 129; vgl. auch ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 144 m. w. N.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

die Entstehung eines schutzwürdigen Vertrauens des Arbeitnehmers durch ausdrückliche Regelung verhindert.67 Willenserklärungen sind in erster Linie Akte sozialer Kommunikation, auf deren Folgen sich der Erklärungsempfänger einstellen können muss und für deren Formulierung der Erklärende insofern Verantwortung trägt, als er es in der Hand hat, seiner Erklärung einen seinem Willen entsprechenden Ausdruck zu verleihen.68 Eine andere Annahme würde trotz der geforderten Voraussetzungen von § 14 Abs. 2, Abs. 2a bzw. Abs. 3 TzBfG, die die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zumindest einschränken, eine zu starke Flexibilisierung der sachgrundlosen Befristung darstellen.69 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es kein Zitiergebot gibt und somit der freiwillig eine Angabe machende Arbeitgeber nicht schlechter gestellt werden darf als derjenige, der den Befristungsgrund gar nicht nennt. Dem Zivilrecht ist es nicht fremd, dass freiwillige bewusste Handlungen zu Konsequenzen führen können.70 Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die Anforderungen an die Auslegungssorgfalt des Arbeitnehmers bei expliziter Angabe eines Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag von der Rechtsprechung überspannt werden. Für den Arbeitgeber ist es einfacher und weniger belastend, wenn er sich trotz Angabe eines Befristungsgrundes nicht binden möchte, dies gegenüber dem Arbeitnehmer ausdrücklich zu erklären. Für den Arbeitnehmer würde es hingegen eine viel größere Belastung darstellen, insbesondere stellt sich für ihn die Darlegung anderer Anhaltspunkte als schwierig dar.71 Zudem kann die Belastung des Arbeitgebers unter Umständen aufgrund einer Anfechtungsmöglichkeit wieder abgemildert werden.72 (2) LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/1473 Dem BAG folgt das LAG Hamm in seiner Entscheidung vom 11. 12. 2014. Im Unterschied zu den oben genannten Entscheidungen ging es in diesem Fall allerdings um die Abbedingung von § 14 Abs. 3 TzBfG.74 Hier müssen jedoch

67 

Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160. Vgl. oben B.I.1.a); HK-BGB/Dörner, § 133 BGB Rn. 6. 69 Vgl. Preis, NZA 2005, 714. 70  Vgl. oben C.II.3.b)cc)(1). 71  Siehe auch Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 159 f. 72  Siehe dazu ausf. D.I.1.b)dd). 73  LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386. 74  Siehe auch zur Abbedingung von § 14 Abs. 3 TzBfG: BAG 16. 10. 2008 – 7 AZR 253/07 (A), BAGE 128, 134, Rn. 28 ff.; LAG München 5. 8. 2009 – 5 Sa 321/09, BeckRS 2010, 65915. 68 

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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dieselben Auslegungsgrundsätze gelten.75 § 14 Abs. 3 TzBfG stellt eine weitere Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund dar. Bei der Angabe eines Sachgrundes im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG in einem Arbeitsvertrag stellt sich die Frage, ob die Parteien damit generell die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung ausgeschlossen haben. Das LAG widerspricht sich selbst bei der Prüfung der Umstände des Einzelfalls. Für eine Abbedingung sprechen auch nach dem LAG die „deutliche“ Angabe des Befristungsgrundes im Arbeitsvertrag („Krankheitsvertretung für unsere Mitarbeiter Herrn U und Herrn L.“), die Unterzeile zur Überschrift „sachliche Befristung“ und dass im Arbeitsvertag von einer sachgrundlosen Befristung keine Rede war.76 Aufgrund fehlender anderer Anhaltspunkte lehnt das LAG eine Abbedingung jedoch ab.77 Dem ist entgegenzuhalten, dass selbst wenn andere Anhaltspunkte fehlen, insbesondere der Wortlaut jedoch einen wesentlichen Anhaltspunkt darstellt, von dem in erster Linie auszugehen ist.78 Den Auslegungsgrundsätzen widerspricht es, weitere Anhaltspunkte zu verlangen, um eine Abbedingung anderer Befristungsgrundlagen zu bejahen, wenn der Wortlaut hinsichtlich der Vereinbarung eines Befristungsgrundes so „deutlich“ ist, es jedoch keine Rolle spielen zu lassen, ob Anhaltspunkte für einen gegenteiligen Willen vorhanden sind. Auf der einen Seite spricht der deutliche Wortlaut des Vertrags für eine Abbedingung, auf der anderen Seite legen das BAG und das LAG einfach die Vermutung eines Willens in die Waagschale, der Arbeitgeber wolle unter jedem möglichen rechtlichen Aspekt eine Befristung. Die Waagschale mit dem Wortlaut ist jedoch als schwerer anzusehen. Das BAG spricht selbst von einem „wesentlichen“ Indiz.79 Damit die Waagschale das Gewicht ändert, müssten vielmehr deutliche Anhaltspunkte verlangt werden, die eine Abbedingung widerlegen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Gesetz die Angabe des Grundes nicht verlangt und es grundsätzlich nur auf die objektive Lage ankommt. Selbst wenn man beide Auslegungsergebnisse für rechtlich vertretbar hält, verdient die Auslegung als Abbedingung den klaren Vorzug. Anders ist es, wenn schon der Wortlaut nicht deutlich ist, z. B. nicht ausdrücklich ein Befristungsgrund angegeben wird, sondern wie in dem Fall, der dem BAG in seiner Entscheidung vom 21. 9. 2011 zugrunde lag, vereinbart wird, dass die Befristung entsprechend dem BeschFG erfolgt.80 Eine nicht deutliche Angabe der 75 

BAG 16. 10. 2008 – 7 AZR 253/07 (A), BAGE 128, 134, Rn. 29. LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 37. 77  LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 41. 78  Siehe oben B.I.1.a)aa); BGH 11. 9. 2000 – II ZR 34/99, NJW 2001, 144; HK-BGB/ Dörner, § 133 BGB Rn. 4 m. w. N. 79 BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153, Rn. 26; BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 20. 80  BAG 21. 9. 2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 225. 76 

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Befristungsgrundlage kann die Waagschale nicht so füllen, dass der Auslegung als Abbedingung der klare Vorzug zu gewähren ist. (3) Vergleich mit der Rechtsprechung zu Bezugnahmeklauseln auf tarifvertragliche Zitiergebote Für die Schutzwürdigkeit des Vertrauens im Rahmen der Auslegung spricht zudem ein Vergleich zum Umgang des BAG mit Bezugnahmeklauseln auf tarifvertragliche Zitiergebote.81 Das BAG entschied, die Parteien hätten die Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht abbedungen, die Arbeitgeberin könne die Befristung aber aufgrund Nichtbeachtung des Zitiergebots nicht auf § 14 Abs. 2 TzBfG stützen. Nach Protokollnotiz Nr. 6 a) zu Nr. 1 SR 2 y BAT war im Arbeitsvertrag anzugeben, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 oder 3 TzBfG handelt. Das BAG wendete in der Entscheidung vom 17. 6. 2009 somit das Zitiergebot strikt an.82 Eine Abbedingung von § 14 Abs. 2 TzBfG konnte das BAG hier richtigerweise verneinen, da diese Rechtsgrundlage gerade im Arbeitsvertrag, wenn auch alternativ zu § 14 Abs. 3 TzBfG, genannt wurde. Es stellt sich aber die Frage, warum das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitnehmers in dieser Situation größer sein soll als in der Vergleichskonstellation eines im Arbeitsvertrag angegebenen Sachgrundes und ob Zitiergebot und Angabe der Befristungsgrundlage nicht in gewisser Weise als „gleichrangig“ zu betrachten sind.83 Obwohl im Arbeitsvertrag § 14 Abs. 2 und § 14 Abs. 3 TzBfG ausdrücklich genannt wurden und somit dem Arbeitnehmer bewusst gewesen sein muss, dass es dem Arbeitgeber auf eine sachgrundlose Befristung ankommt, erklärte das BAG die Befristung für unwirksam. (4) Bezugnahme auf eine vorherige Angabe einer Befristungsgrundlage Von den oben genannten Fallgestaltungen ist die Situation zu unterscheiden, dass im ersten Arbeitsvertrag ein Befristungsgrund genannt wird und in der Verlängerungsvereinbarung keine ausdrückliche Angabe des Grundes erfolgt.84 81  BAG 17. 6. 2009 – 7 AZR 193/08, EzTöD 100 § 30 Abs 1 TVöD-AT Sachgrundlose Befristung Nr. 11. 82 APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 471. 83  Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160: „Weshalb das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitnehmers in dieser Situation größer sein soll als in der Vergleichskonstellation eines im Arbeitsvertrag angegebenen Sachgrundes, scheint nicht einsichtig. Auch hier ist das Zitiergebot ja nur kraft Bezugnahmeklausel anwendbar, also rein individualvertraglich zum Arbeitsvertragsinhalt gemacht worden. Zitiergebot und Angabe der Befristungsgrundlage sind gleichrangig.“ 84 Ausgeklammert wird an dieser Stelle der Streit, ob eine sachlich gerechtfertigte Erstbefristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verlängert werden kann bzw. ob ein Wechsel von Befristungen mit und ohne Sachgrund möglich ist. Nach h. M. ist dies möglich, siehe

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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Eine solche Situation lag der Entscheidung des BAG vom 15. 1. 2003 zugrunde.85 Den ersten Arbeitsvertrag schlossen die Parteien „für die Dauer von 12 Monaten zur Probe“. Im Januar 2000 trafen sie „in Ergänzung des Dienstvertrages vom 22./24. November 1998“ die Vereinbarung, dass das Beschäftigungsverhältnis nochmals bis zum 31. 12. 2000 befristet wird. Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Parteien die Anwendbarkeit der sachgrundlosen Befristung gem. § 1 Abs. 1 BeschFG 1996 nicht vertraglich abbedungen haben. In der Ergänzungsvereinbarung sei kein eigener Befristungssachgrund erwähnt, der diesen Schluss zulasse. Im Unterschied zu den oben genannten Fällen fehlte es hier also an der expliziten Angabe einer Befristungsgrundlage in der Verlängerungsvereinbarung. Wenn jedoch die Auslegung eines Verlängerungsvertrags ergibt, dass die Parteien sich auf den im ersten Vertrag genannten Befristungsgrund beziehen und dieser auch bei der Verlängerung gelten soll, muss dies als wesentliches Indiz für eine Abbedingung der sachgrundlosen Befristung gelten. Ob dafür Bezugnahmen wie in diesem konkreten Fall des BAG („in Ergänzung des Dienstvertrages vom 22./24. November 1998“, „nochmals befristet“, „Alle sonstigen Punkte des Dienstvertrages bleiben unverändert.“) ausreichend sind, kann allerdings angezweifelt werden. Bei der Auslegung hätte der weitere Umstand Berücksichtigung finden müssen, dass der Nachfolger des verstorbenen Vorstandsmitglieds vor Vereinbarung der Verlängerungsvereinbarung erklärt hatte, dass eine Verlängerung der Befristung notwendig sei, da er sich von der Leistung des Arbeitnehmers im Unternehmen noch kein Bild habe machen können. Dies spricht für eine Bezugnahme auf den Befristungsgrund der Erprobung. (5) Angabe der Grundlage in einem Vermerk Das BAG hat in der Entscheidung vom 12. 8. 2009 offen gelassen, ob der Vermerk86 Bestandteil der Vereinbarung geworden ist.87 Die Vorinstanz, das LAG

dazu u. a. APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 378 m. w. N.; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn.  97a m. w. N. 85  BAG 15. 1. 2003 – 7 AZR 534/02, AP Nr. 19 zu § 1 BeschFG 1996. 86 „[…] Befristungsgrund: § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG. Die ARGE D stellt aus dem Eingliederungstitel bis zum 31. 03. 2007 Mittel für die Beschäftigung von Kräften mit befristetem Arbeitsvertrag zur Verfügung. Bei der Bereitstellung geht die ARGE davon aus, dass einerseits durch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit auch ein Bedarfsrückgang eintritt und andererseits durch die bei der ARGE getroffenen und noch zu treffenden organisatorischen Maßnahmen Effizienzgewinne eintreten, die eine Übernahme von Aufgaben nach dem SGB II durch vorhandenes Dauerpersonal der ARGE ermöglichen werden.[…]“ 87 BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153, Rn. 27; offen lassend auch ArbG Hamburg 9. 12. 2010 – 17 Ca 330/10, BeckRS 2012, 72064, Rn. 22 und 26.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Hamm, neigte eher zu einer Verneinung dieser Frage:88 Im Text des Vertrags vom 8. 6. 2006 selbst sei keine Aussage zum Grund der Befristung getroffen worden. Eine Auslegung des Vermerks vom selben Tag führe nicht zu dem Ergebnis, dass die Parteien durch Angebot und Annahme eine weitere Vereinbarung über den Befristungsgrund geschlossen haben. Der Vermerk sei nur eine Dokumentation von erteilten Hinweisen und Belehrungen (u.a. diene er § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III) und enthalte nur den Hinweis über die Auffassung der Arbeitgeberin, welcher Befristungsgrund gegebenen sei, und eine Aufklärung über die Folgen der Befristung. Entsprechend sei durch die Arbeitnehmerin mit ihrer Unterschrift nur eine Bestätigung erfolgt, die Hinweise zur Kenntnis genommen zu haben. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit habe den Vermerk ersichtlich nur als dessen Aussteller unterzeichnet.89 In der Entscheidung vom 27. 9. 201290 verneinte des LAG Schleswig-Holstein eindeutiger, dass der strittige Vermerk Gegenstand des Arbeitsvertrags geworden sei: Während eine Anlage zum Vertrag diesen regelmäßig ergänze und damit selbst zum Vertragsgegenstand werde, werde ein Vermerk hingegen nicht selbst zum Vertragsinhalt, sondern beinhalte regelmäßig nur eine Anmerkung, Erläuterung, Erklärung oder Kommentierung desselben.91 Dem Vermerk komme allein informatorischer Charakter zu. Dafür spreche, dass die Arbeitnehmerin diesen mit ihrer Unterschrift nur zur „Kenntnis genommen“ und nicht als eigene Willens­erklärung unterzeichnet habe. Ferner enthalte der Vermerk schon den Hinweis nach § 38 Abs. 1 SGB III. Dem Hinweis auf den Befristungsgrund sei somit nicht zu entnehmen, dass die Arbeitgeberin zugleich mit Bindungswillen auf § 14 Abs. 2 TzBfG verzichten wollte, sondern allenfalls, dass die Arbeitgeberin bei Vertragsschluss davon ausging, dass die Befristung (auch) nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt sei. Diese möglicherweise falsche rechtliche Einschätzung hindere die Arbeitgeberin aber nicht, sich im Nachhinein auf die Rechtfertigung einer sachgrundlosen Befristung zu berufen. Die Aufnahme des Befristungsgrundes weder in den Ausgangsvertrag noch in den Verlängerungsvertrag mache vielmehr deutlich, dass sich die Arbeitgeberin vorbehalten wollte, sich auf sämtliche rechtlich zulässigen Befristungsgründe zu berufen. Wichtig sei für sie nur, dass die vereinbarte Befristung wirksam ist, aus welchem Rechtsgrund auch immer. Dabei sei zu beachten, dass der Vermerk offenbar in einer Vielzahl von befristeten Arbeitsverträgen (formularmäßig) Verwendung fand,

88  Offen gelassen in LAG Hamm 14. 2. 2008 – 17 Sa 2017/07, BeckRS 2008, 52691, Rn. 46; siehe auch LAG Hamm 28. 10. 2010 – 17 Sa 1058/10, BeckRS 2011, 68248, Rn. 131 f. 89  LAG Hamm 14. 2. 2008 – 17 Sa 2017/07, BeckRS 2008, 52691, Rn. 45. 90  LAG Schleswig-Holstein 27. 9. 2012 – 5 Sa 154/12, LAGE § 14 TzBfG Nr. 72. 91 LAG Schleswig-Holstein 27.  9. 2012 – 5 Sa 154/12, LAGE § 14 TzBfG Nr. 72, Rn. 38.

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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mithin bei solchen, bei denen eine sachgrundlose Befristung aus Rechtsgründen nicht mehr in Betracht kam. Zuzugeben ist, dass die Angabe der Befristungsgrundlage im Dokument des Arbeitsvertrags selbst eindeutiger für eine Vereinbarung dieser Grundlage spricht. Allerdings kann allein die Bezeichnung als „Vermerk“ und ein fehlender Hinweis auf den „Vermerk“ im Arbeitsvertrag nicht dazu führen, dass dieser nicht Vertragsinhalt sein kann. Insbesondere der Umstand, dass die Vermerke in den genannten Fällen von demselben Tag stammen wie der Arbeitsvertrag selbst, kann aus Sicht des Arbeitnehmers zu dem Verständnis führen, das darin „Vermerkte“ solle noch zum Inhalt des Arbeitsvertrags gehören.92 Die Unterschrift „zur Kenntnis genommen“ allein kann nicht zur Verneinung einer Willenserklärung führen. Im Fall des BAG vom 12. 8. 2009 ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nicht nur eine Unterschrift zur Kenntnisnahme der Arbeitnehmerin vorlag, sondern der Vermerk von einem Vertreter der Arbeitgeberin mit dem Zusatz „im Auftrag“ unterzeichnet wurde. Auch wenn der Vermerk ansonsten deklaratorische Hinweise enthält, kann die Angabe des Befristungsgrundes dennoch als eine Vereinbarung der beiden Parteien gewertet werden. Für einen Hinweis nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III bedarf es nicht der Angabe des Befristungsgrundes. Der Arbeitnehmer ist danach vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung bei der Agentur für Arbeit gem. § 38 Abs. 1 SGB III zu informieren. Dafür ist bei einer Zeitbefristung die Angabe des Endtermins ausreichend. dd)  Anfechtung Ergibt die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB einen Bindungs- bzw. Abbedingungswillen, widerspricht dies aber dem realen Willen des Arbeitgebers, führt dies zu der Frage, ob dem Arbeitgeber ein Anfechtungsrecht zustehen kann. (1) Anfechtungsgrund Dem Arbeitgeber könnte das Bewusstsein fehlen, mit der Angabe der Befristungsgrundlage etwas rechtlich Erhebliches zu erklären (fehlendes Erklärungsbewusstsein).93 Aber kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Angabe einer Befristungsgrundlage im Arbeitsvertrag keine rechtserhebliche Erklärung darstellt?94 Die Situation ist gerade nicht vergleichbar mit den Standardfällen eines 92  Den Zeitpunkt der Erstellung des Vermerks scheinbar auch als relevant ansehend LAG Hamm 26. 6. 2008 – 17 Sa 488/08, BeckRS 2008, 57208, Rn. 55. Dort wurde der Vermerk zu dem befristeten Arbeitsvertrag vom 11. 7. 2007 am 27. 7. 2007 erstellt. 93  Siehe allg. oben B.I.1.a)bb). 94  Vgl. oben zur Angabe eines Kündigungsgrundes C.II.3.b)bb)(1).

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

fehlenden Erklärungsbewusstseins, wie dem Lehrbuchfall „Trierer Weinversteigerung“95 oder der Unterschrift unter einen Vertrag in der Vorstellung, es sei ein Glückwunschschreiben.96 Hier ist sich der Arbeitgeber durchaus bewusst, dass er einen rechtlich verbindlichen befristeten Arbeitsvertrag abschließt. Er müsste also eine rechtsunerhebliche Erklärung innerhalb des rechtserheblichen Arbeitsvertrags bzw. der rechtserheblichen Befristungsabrede einbetten wollen. Der Befristungsvereinbarung an sich möchte er Rechtserheblichkeit zukommen lassen, nur die Angabe des Befristungsgrundes könnte er also für rechtsunerheblich halten. Aus diesem Grund kann nicht von einem fehlenden Erklärungsbewusstsein ausgegangen werden. Abzugrenzen ist die Situation von derjenigen eines Rechtsfolgenirrtums.97 Der Arbeitgeber will den genannten Befristungsgrund zum Vertragsinhalt machen, ist sich aber der Konsequenzen nicht bewusst, dass damit zugleich ein konkludenter Ausschluss anderer Befristungsgrundlagen verbunden ist. Darin liegt ein beachtlicher Rechtsfolgenirrtum. Die Rechtsfolge des Ausschlusses der anderen Befristungsgrundlagen ergibt sich aus den Willenserklärungen selbst und tritt nicht kraft Gesetzes ein.98 Der Eintritt der Rechtsfolge Abbedingung stellt eine von der gewollten wesentlich verschiedene Rechtswirkung dar und nicht nur eine nicht erkannte und nicht gewollte Nebenfolge des irrtumsfrei erklärten und gewollten Rechtsgeschäfts.99 (2) Fristbeginn Der Fristbeginn nach § 121 BGB orientiert sich an der tatsächlichen Kenntnis vom Anfechtungsgrund, d. h. an der Kenntnis des Umstandes, dass die Erklärung aus einem der in §§ 119, 120 BGB angeführten Gründe nicht dem wirklichen Willen des Erklärenden entspricht.100 Dies wird meistens der Moment sein, in dem zwischen den Parteien Streit über die wirksame Befristung entsteht. Ab diesem Moment muss der Arbeitgeber ohne schuldhaftes Zögern die Anfechtung erklären. Dabei wird der Begriff nicht wie bei § 119 Abs. 2 BGB durch die ZweiWochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB konkretisiert.101

95 MüKo/Armbrüster,

§ 119 BGB Rn. 93. BGH 11. 7. 1968 – II ZR 157/65, NJW 1968, 2102. 97  Siehe oben C.I.1.a)aa)(3)(d). 98  Vgl. oben C.I.1.a)aa)(3)(d); BAG 30. 10. 1987 – 7 AZR 115/87, BAGE 57, 13, Rn. 15; BAG 6. 2. 1992 – 2 AZR 408/91, NJW 1992, 2173, Rn. 31 m. w. N. 99 Siehe oben C.I.1.a)aa)(3)(d); BAG 30.  10. 1987 – 7 AZR 115/87, BAGE 57, 13, Rn.  15 m. w. N. 100 MüKo/Armbrüster, § 121 BGB Rn. 5. 101  Siehe oben C.II.4.c)bb)(2); BAG 14. 12. 1979 – 7 AZR 38/78, NJW 1980, 1302. 96 

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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(3) Teilanfechtung und Rechtsfolgen der Anfechtung Der Anfechtungsgrund erfasst nur einen Teil des Rechtsgeschäfts, der Arbeitgeber hat eigentlich ein Interesse daran, nur die Abbedingungserklärung anzufechten. Der Arbeitgeber kann nur teilanfechten, wenn das Rechtsgeschäft objektiv (gedanklich) zerlegbar ist.102 Auch ohne die Abbedingungsvereinbarung bzw. die Vereinbarung einer Befristungsgrundlage, bleibt ein wirksamer befristeter Arbeitsvertrag.103 Die restliche Gültigkeit der Befristungsabrede müsste dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen. Es ist zu prüfen, ob sich aus dem (hypothetischen) Parteiwillen ergibt, dass die übrigen rechtsgeschäftlichen Regelungen aufrechterhalten werden sollen bzw. ob die Parteien den Vertrag ohne die angefochtene Erklärung abgeschlossen hätten.104 Die Teilanfechtung darf nicht einen Kernpunkt des Vertrags berühren.105 Es kommt darauf an, welche Entscheidung die Parteien bei Kenntnis der Teilnichtigkeit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte getroffen hätten, d. h. dass in der Regel das objektiv Vernünftige als Parteiwille anzunehmen ist.106 Für den hypothetischen Willen ist es ohne Bedeutung, ob die Parteien das Rechtsgeschäft ohne den nichtigen Teil tatsächlich gewollt hätten, sondern, ob eine objektive Bewertung ergibt, dass das Rechtsgeschäft ohne den nichtigen Teil vernünftigerweise vorgenommen worden wäre.107 Die Befristungsvereinbarung inklusive der Abbedingungserklärung kann nicht nur als ein geringfügiger Teil des Arbeitsvertrags bewertet werden, sondern es handelt sich dabei durchaus um einen Kernpunkt. Dennoch kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitnehmer zumindest Interesse an der Aufrechterhaltung des befristeten Arbeitsvertrags hat und nicht davon, dass der Arbeitnehmer bei Kenntnis der Nichtigkeit der Abbedingungserklärung sich nicht auf den befristeten Arbeitsvertrag eingelassen hätte. Die Nichtigkeit der Befristungsvereinbarung insgesamt anzunehmen, würde wiederum dem mutmaßlichen Parteiwillen des Arbeitgebers widersprechen. Die Nichtigkeit des gesamten Arbeitsvertrags würde weder dem mutmaßlichen Parteiwillen der Arbeitnehmers noch des Arbeitgebers entsprechen. Dieses Ergebnis steht zudem im Einklang damit, dass die Grundregel des § 139 BGB speziell im Arbeitsvertragsrecht weit-

102 

BAG 24. 2. 2011 − 6 AZR 626/09, NZA-RR 2012, 148, Rn. 50 m. w. N. Es liegt kein Fall der Unteilbarkeit in dem Sinne vor, dass es keine Befristung ohne bestimmte Dauer gibt (dazu BAG 6. 4. 2011 – 7 AZR 524/09, NZA 2011, 970, Rn. 29). 104  BAG 22. 1. 1981 – 3 AZR 541/78, BeckRS 1981, 04471; BAG 14. 6. 2005 – 3 AZR 185/04, DB 2006, 959, Rn. 32; MüKo/Busche, § 143 BGB Rn. 11. 105  BAG 22. 1. 1981 – 3 AZR 541/78, BeckRS 1981, 04471, Rn. 52. 106 Palandt/Ellenberger, § 139 BGB Rn. 14 m. w. N. 107 MüKo/Busche, § 139 BGB Rn. 29. 103 

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

gehend dahin umgekehrt worden ist, dass für das Arbeitsverhältnis die bloße Teilnichtigkeit bei Fortbestand des Arbeitsvertrags der Regelfall ist.108 Ob dem Arbeitgeber der schwierige Beweis hinsichtlich seines Irrtums gelingt, ist eine andere Frage.109 Kann der Arbeitgeber eine Teilanfechtung erklären, stellt sich die Problematik der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnisses nicht.110 Es bleibt bei der ex tunc-Nichtigkeit des § 142 BGB. Der anfechtende Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer gem. § 122 BGB das negative Interesse ersetzen, d. h. die Nachteile, die durch das Vertrauen auf die Gültigkeit entstanden sind.111 Sollte der Arbeitgeber erst im Prozess unter Wahrung der Anfechtungsfrist die Anfechtung erklärt haben, sind die Kosten des infolge der Anfechtung verlorenen Prozesses zu ersetzen.112 c)  AGB-rechtliche Auslegung und Transparenz Bei der Frage der Selbstbindung blieb im Rahmen der Untersuchung in diesem Zusammenhang bisher unberücksichtigt, dass ein Arbeitsvertrag typischerweise einseitig vom Arbeitgeber gestellt wird und es damit um die Auslegung von AGB geht,113 bei der teilweise andere Grundsätze gelten als bei der Auslegung einer Individualvereinbarung.114 Eine AGB-Kontrolle findet gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch dann statt, wenn die einseitig vorformulierte Befristungsklausel auf den konkreten Fall zugeschnitten und nur zur einmaligen Verwendung vorgesehen ist.115 Dieser Aspekt wird in der Rechtsprechung bei der Prüfung einer Abbedingung oftmals vernachlässigt.

108 Diese Umkehrung gilt allerdings v. a. bei gesetzeswidrigen oder sittenwidrigen Vertragsbestimmungen, vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 342 ff. 109 MüKo/Armbrüster, § 119 BGB Rn. 138; Palandt/Ellenberger, § 119 BGB Rn. 32. 110  Vgl. BAG 25. 5. 1970 – 3 AZR 384/69, BAGE 22, 344; siehe zur ex nunc-Nichtigkeit bei der Anfechtung eines bereits in Vollzug gesetzten Arbeitsvertrags u. a. MüKo/Busche, § 142 BGB Rn. 18 m. w. N.; Palandt/Ellenberger, § 119 BGB Rn. 5 und § 142 BGB Rn. 2 m. w. N.; HWK/Thüsing, § 119 BGB Rn. 15 m. w. N. 111  BGH 17. 4. 1984 – VI ZR 191/82, NJW 1984, 1950; Palandt/Ellenberger, § 122 BGB Rn. 4. 112 Palandt/Ellenberger, § 122 BGB Rn. 4; MüKo/Armbrüster, § 122 BGB Rn. 17. 113  Siehe oben B.I.1.b); BeckOK ArbR/Bayreuther, § 3 TzBfG Rn. 6; Reinecke, NZABeil 2000, 23, 25. Zudem gilt § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (siehe oben B.I.1.b); BeckOK ArbR/ Bayreuther, § 3 TzBfG Rn. 6; Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160). 114  Siehe oben B.I.1.b); ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 216; Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160; zur Geltung der Unklarheitenregel auch außerhalb des AGB-Rechts MüKo/Busche, § 157 BGB Rn. 8. 115  Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160; siehe oben B.I.1.b).

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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aa)  Allgemeine AGB-rechtliche Auslegung Nach den AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätzen116 müsste die Auslegung erst recht zu einer Abbedingung gelangen. Der Wortlaut spielt hier eine noch größere Rolle und sollte sich insbesondere durchsetzen, wenn er eindeutig ist.117 Der juristisch nicht vorgebildete „normale“ Kunde orientiert sich vor allem an dem Wortlaut.118 Die Angabe einer Befristungsgrundlage müsste in einer AGB damit ein noch wesentlicheres Indiz darstellen. Auf der einen Seite bei der Auslegung von AGB die Berücksichtigung der individuellen bzw. nur auf den Einzelfall bezogenen Umstände des Vertragsschlusses auszuschließen119 und auf der anderen Seite für die Auslegung als Abbedingung aber neben dem wesentlichen Indiz der Benennung eines Sachgrundes im Arbeitsvertrag das Hinzutreten von zusätzlichen Umständen im Einzelfall zu verlangen, scheint paradox. bb)  § 305 c Abs. 2 BGB Selbst wenn dem BAG zuzustimmen sein sollte, dass das Auslegungsergebnis nicht so eindeutig ist, kann ein Konflikt mit der Unklarheitenregel bestehen.120 Das BAG äußerte sich zu § 305c Abs. 2 BGB in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 21. 9. 2011:121 Die Parteien schlossen am 18. 2. 2008 einen befristeten Arbeitsvertrag, der u.a. lautete: „Die Befristung erfolgt entsprechend dem Beschäftigungsförderungsgesetz.“ Das BAG lehnte die Anwendbarkeit von § 305 c Abs. 2 BGB darin wie folgt ab: „Die Parteien haben § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG hier nicht vertraglich abbedungen. Der Kläger durfte die Verweisung in Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 des Arbeitsvertrags nicht so verstehen, dass dadurch eine sachgrundlose Befristung ausgeschlossen werden sollte. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und keines den klaren Vorzug verdient […]. Das ist hier nicht der Fall. Das Beschäftigungsförderungsgesetz war bei Vertragsschluss am 18. Februar 2008 in seiner Fassung vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) bereits seit 1. Januar 2001 - dh. über sieben Jahre – außer Kraft. Die Bezugnahme im Arbeitsvertrag war daher ersichtlich inhaltsleer. Im Üb116 

Siehe allg. dazu oben B.I.1.b)aa). Siehe oben B.I.1.b)aa); Stoffels, AGB-Recht, § 12 Rn. 360 m. w. N.; vgl. Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 84. 118  Schorn, Die Unklarheitenregel, S. 84. 119  Siehe oben B.I.1.b)aa); AGB-Klauselwerke/Thüsing, Auslegung Rn. 10 f. m. w. N. 120  So APS/Greiner, § 14 TzBfG Rn. 468; Preis/Greiner, RdA 2010, 148, 160; ähnlich auch Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305 c BGB Rn. 50; siehe allg. zur Unklarheitenregel oben B.I.1.b)bb). 121  BAG 21. 9. 2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 225, Rn. 11; es ließ aber offen, ob es sich tatsächlich um AGB i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelte (Rn. 9); siehe zu dieser Entscheidung bereits oben D.I.1.b)cc)(2). 117 

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

rigen kannte auch § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschFG die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren. Die Vorinstanzen haben ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass ein sachlicher Grund für die Befristung im Arbeitsvertrag nicht genannt ist. Damit fehlt schon ein erstes wesentliches Indiz für einen konkludenten Ausschluss der sachgrundlosen Befristung. Weitere Umstände, die auf einen Ausschluss hindeuten, sind erst recht nicht ersichtlich.“

Eine weitere Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgte durch das LAG Hamm in seiner Entscheidung vom 11. 12. 2014, nachdem die Arbeitnehmerin das Eingreifen der Unklarheitenregel vorgetragen hatte.122 Diese war der Ansicht, die Auslegung der vertraglichen Bestimmungen lasse zumindest beide Varianten – Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit oder ohne Sachgrund – als gleichwertig erscheinen; es sei die für sie günstigere Auslegungsvariante heranzuziehen.123 Das LAG lehnte die Anwendbarkeit der Unklarheitenregel ab. Eine Anwendbarkeit scheide aus, wenn eine Klausel eindeutig und damit nicht auslegungsfähig sei. Die Befristungsabrede der Parteien regle das Befristungsende eindeutig, ohne dass es einer Auslegung bedürfe. Da die Rechtsgrundlage der Befristung gerade nicht Vertragsinhalt geworden sein müsse, bedürfe es eines Rückgriffs auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht mehr.124 Bei einem Vergleich der BAG- und der LAG-Entscheidung fällt auf, dass in der BAG-Entscheidung ein Befristungsgrund nicht deutlich angegeben wurde. Vielmehr wurde lediglich auf das BeschFG, das zu diesem Zeitpunkt sogar nicht mehr in Kraft war, verwiesen. Bei einer solchen Formulierung ist dem BAG zuzustimmen, dass eine Auslegung ohne weitere besondere Umstände nicht ergeben kann, dass damit konkludent eine Abbedingung der sachgrundlosen Befristung vereinbart wurde.125 Hier genießt die Auslegung, dass eine sachgrundlose Befristung nicht vereinbart wurde, klar den Vorzug. Da im BeschFG 1996 nicht nur die sachgrundlose Befristung geregelt war, sondern § 1 Abs. 4 BeschFG 1996 zumindest den Hinweis enthielt, dass die Zulässigkeit der Befristung des Arbeitsvertrags aus anderen Gründen unberührt bleibt,126 kann ein Verweis auf dieses Gesetz nicht als eine Abbedingung zu verstehen sein. Die Angabe kann aufgrund des Vertragsschlusses 2008 nicht als Hinweis auf die Vorgängerregelung § 1 BeschFG 1985 verstanden werde, die nur Regelungen zur sachgrundlosen Befristung enthielt und keinen dem § 1 Abs. 4 BeschFG 1996 entsprechenden Hinweis. Im Unterschied zur Entscheidung vom 26. 7. 2000 ist die Angabe hier noch weniger eindeutig erfolgt.127 Dort wurde § 1 BeschFG 1996 genannt, hier lediglich 122 

LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386. LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 17. 124  LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 45. 125  Siehe oben D.I.1.b)cc)(2). 126  Siehe oben D.I.1.b)bb). 127  Siehe oben D.I.1.b)bb); BAG 26. 7. 2000 – 7 AZR 51/99, BAGE 95, 255. 123 

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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allgemein das BeschFG. Dort war das BeschFG noch in Kraft, hier galt zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren das TzBfG. In der Entscheidung vom 26. 7. 2000 hat das BAG die Unklarheitenregel nicht angesprochen.128 Auch wenn die Angabe im Vergleich zum Fall vom 21. 9. 2011 etwas eindeutiger war, genießt das Auslegungsergebnis einer fehlenden Abbedingungsvereinbarung den klaren Vorzug und somit wäre die Unklarheitenregel auch in diesem Fall nicht einschlägig gewesen.129 Beim Fall, der dem LAG Hamm zugrunde lag, ist die Situation jedoch ganz anders. Nach dem Wortlaut der AGB haben die beiden Parteien den Befristungsgrund der Krankheitsvertretung vereinbart (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG). Das LAG spricht selbst von einer „deutlichen Angabe des Befristungsgrundes“.130 Unabhängig davon, dass in dem Fall eigentlich ohne § 305c Abs. 2 BGB das Auslegungsergebnis bereits die Abbedingung der sachgrundlosen Befristung sein müsste,131 ist die Begründung der Ablehnung von § 305c Abs. 2 BGB des LAG widersprüchlich. Den Rückgriff auf die Unklarheitenregel damit zu verneinen, dass die Rechtsgrundlage der Befristung gerade nicht Vertragsinhalt geworden sein muss, überzeugt nicht: Dass die Rechtsgrundlage der Befristung nicht Vertragsinhalt geworden sein muss, heißt nicht, dass sie nicht Vertragsinhalt geworden sein kann. Ob die Parteien ausnahmsweise doch die Rechtsgrundlage zum Inhalt ihres Vertrags gemacht haben bzw. ob sie konkludent andere Rechtsgrundlagen abbedungen haben, soll ja gerade durch Auslegung herausgefunden werden. Zudem widerspricht das LAG sich selbst, indem es die Notwendigkeit einer Auslegung der Befristungsabrede ablehnt, obwohl es vorher selbst eine Auslegung vorgenommen hat. Das Befristungsende ist eindeutig geregelt, es geht aber um die Prüfung, ob die Befristungsgrundlage Vertragsinhalt geworden ist. Selbst wenn bei der Auslegung für eine Abbedingung „nur“ die Angabe des Sachgrundes auf die Waagschale gelegt wird und auf die andere Waagschale für die Verneinung die Annahme, dass im Regelfall eines befristeten Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber ein solches und gerade kein unbefristetes Vertragsverhältnis vereinbaren will, kann zumindest von keinem klaren Vorzug eines der beiden Auslegungsergebnisse gesprochen werden. Die Anwendbarkeit der Unklarheitenregel verlangt keine „Gleichgewichtslage auf der Waage der Auslegung zwischen den verbleibenden Deutungsmöglichkeiten“.132 Bei einer Zugrundelegung dieser Auslegungssituation muss die Unklarheitenregel zur Anwendung gelangen. 128  Die Unklarheitenregel hatte schon in das am 1. 4. 1977 in Kraft getretene AGBG Eingang gefunden (AGB-Klauselwerke/Thüsing, Auslegung Rn. 34 m. w. N.). 129  Siehe oben D.I.1.b)cc)(2) und allg. oben B.I.1.b)bb). 130  LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 37. 131  Siehe oben D.I.1.b)cc)(2). 132 WLP/Lindacher/Hau, § 305 c BGB Rn. 129.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Zu kritisieren ist zudem, wo das LAG die Prüfung der Unklarheitenregel verortet hat. Die Formulierungen des LAG – „Die Befristungsvereinbarung scheitert weder an § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB noch an § 305c Abs. 2 BGB“133 und „Die Befristungsvereinbarung verstößt nicht gegen § 305c Abs. 2 BGB“134 – führen zu dem Eindruck, dass das LAG die Unklarheitenregel eher der Inhaltskontrolle zuordnet, als dass es sie als eine Auslegungsregel ansieht.135 Die Unklarheitenregel ist eine Auslegungsregel und gehört damit zur Prüfung der konkludenten Abbedingung; dorthin baute dementsprechend das BAG in der Entscheidung vom 21. 9. 2011 die Prüfung der Unklarheitenregel ein. Sie führt nicht direkt zur Unwirksamkeit einer Klausel, sondern nur zu einem bestimmten Auslegungsergebnis. cc)  Anfechtung Doch auch bei dem AGB-rechtlichen Auslegungsergebnis einer Abbedingung, sei es ohne oder mit Rückgriff auf § 305c Abs. 2 BGB, ist es möglich, dass dem Arbeitgeber als AGB-Verwender ein Anfechtungsrecht zusteht, wenn ihm das Bewusstsein für die Konsequenz fehlt, mit der Angabe der Befristungsgrundlage eine Abbedingung anderer Grundlagen zu erklären.136 Es handelt sich nicht um einen Fall des unbeachtlichen Irrtums über die Rechtslage bzw. eines Motiv­ irrtums, der vorliegt, wenn der Verwender seine AGB insgesamt für wirksam hält.137 Allerdings stellt sich auch dann die Frage der Teilanfechtung bzw. der Teilnichtigkeit.138 § 306 BGB ist anwendbar bei einer Anfechtung durch den Arbeitnehmer und wenn der Anfechtungsgrund in die Verantwortungssphäre des Verwenders (Arbeitgebers) fällt, ansonsten gilt § 139 BGB.139 Fraglich ist, ob § 306 BGB zur Anwendung gelangt, wenn der Arbeitgeber als Verwender wegen eines eigenen Irrtums nach § 119 BGB anficht. Der Anfechtungsgrund fällt im weitesten Sinne dann in seinen Verantwortungsbereich. Der Sinn und Zweck von § 306 133 

LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 42. LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 44. 135  Derartige Formulierungen kritisiert aus diesem Grund auch Stoffels, AGB-Recht, § 12 Rn. 367 m. w. N. 136  Vgl. oben C.IV.2.b)bb)(3); bereits zum alten AGB-Recht zur Anfechtung durch den Verwender Locher, BB 1981, 818, 822; vgl. auch Pilz, Missverständliche AGB, S. 123 ff. 137  Medicus, Allg. Teil des BGB, 5. Aufl., § 27 Rn. 420 m. w. N. 138  Vgl. oben D.I.1.b)dd)(3). 139 WLP/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 12; vgl. auch UBH/Schmidt, § 306 BGB Rn. 18; generell für § 306 BGB bei einer Anfechtungnur einzelner Klauseln u. a. UBH/ Fuchs, Vor § 307 BGB Rn. 75; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rn. 1 und 5; Staudinger/Schlosser, § 306 BGB Rn. 8; generell für § 139 BGB u. a. Locher, BB 1981, 818, 821. 134 

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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BGB, unter anderem das Kundeninteresse an der Aufrechterhaltung des Vertrags zu schützen,140 spricht für eine Anwendung. Der Verwender soll sich nicht ohne weiteres unter Berufung auf seinen Irrtum vom ganzen Vertrag lösen können.141 Ist die Abbedingungserklärung Teil der Befristungsklausel, handelt es sich um teilbare Regelungsinhalte, der verbleibende Inhalt der Befristungsabrede bleibt aufrechterhalten. Ausschlaggebend ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen beinhaltet und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist; ist die restliche Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie aufrechterhalten.142 Somit ist auch bei AGB die Teilanfechtung nur der Abbedingungserklärung mit der Folge möglich, dass weiterhin ein befristeter Arbeitsvertrag aufrechterhalten bleibt; § 139 BGB und § 306 BGB kommen hier trotz der unterschiedlichen zugrundeliegenden Grundsätze143 zu demselben Ergebnis. Doch hier sind die Anfechtungsvoraussetzungen für den Arbeitgeber ebenfalls nicht leicht beweisbar.144 dd)  § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB Unabhängig davon, dass aufgrund der vorrangigen Auslegung hier schon kein Raum für § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht,145 ist folgendes in diesem Zusammenhang anzumerken: Das BAG lehnte in seiner Entscheidung einen Verstoß gegen das Transparenzgebot mit der Begründung ab, dass die Rechtsgrundlage der Befristung nicht Vertragsinhalt geworden sein müsse und daher deren missverständliche Beschreibung im Arbeitsvertrag nicht die Wirksamkeit der Befristung hindere.146 Hier ist, wie bei § 305c Abs. 2 BGB, einzuwenden, dass die Rechtsgrundlage der Befristung nicht Vertragsinhalt geworden sein muss, heißt nicht, dass sie nicht Vertragsinhalt geworden sein kann. Grundsätzlich ist dem BAG aber zuzustimmen, dass AGB-rechtlich in einem befristeten Arbeitsvertrag vor allem für den Arbeitnehmer erkennbar sein muss, dass es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handeln soll und wann es ge140 HWK/Gotthardt/Roloff, § 306 BGB Rn. 1; Palandt/Grüneberg, § 306 BGB Rn. 1; MüKo/Basedow, § 306 BGB Rn. 1 ff. 141  Es sei denn, es gilt § 306 Abs. 3 BGB; vgl. WLP/Lindacher/Hau, § 306 BGB Rn. 5. 142  BAG 13. 11. 2013 – 10 AZR 848/12, NJW 2014, 1466, Rn. 25; siehe auch zur Teilbarkeit einer Klausel BAG 27. 1. 2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679. 143  Nach § 139 BGB ist bei Nichtigkeit eines Teils des Rechtsgeschäfts dieses im Zweifel insg. unwirksam, nach § 306 BGB gilt der Grundsatz der Aufrechterhaltung des Vertrags. 144  Vgl. Staudinger/Schlosser, § 305 BGB Rn. 162. 145  Siehe oben B.I.1.b)cc). 146 BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 18; dem folgend BAG 21. 9. 2011 – 7 AZR 375/10, BAGE 139, 225, Rn. 12; LAG Sachsen 6. 6. 2014 – 3 Sa 740/13, juris, Rn. 41 ff.; LAG Hamm 11. 12. 2014 – 15 Sa 1014/14, BeckRS 2015, 66386, Rn. 43.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

nau endet, um eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB zu vermeiden. Die vom Arbeitgeber einseitig gestellte Befristungsabrede muss wegen der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen, die mit der Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses verbunden sind, den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den durchschnittlichen Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen lassen.147 Die Nichtangabe einer Befristungsgrundlage macht die Klausel also nicht unwirksam. Wenn der Arbeitgeber aber freiwillig eine Befristungsgrundlage nennt, dann liegt es in seiner Hand, sich durch ausdrückliche Regelung die spätere Berufung auf eine andere Befristungsgrundlage offen zu halten. Die Aufnahme einer solchen ausdrücklichen Regelung ist dem Arbeitgeber durchaus zuzumuten und würde ihn nicht überfordern. Allerdings wird die Benachteiligung, die dem Arbeitnehmer durch die missverständliche Angabe einer Befristungsgrundlage entstehen könnte, bereits über die Auslegungsmechanismen, wenn sie wie oben befürwortet angewandt werden, erheblich abgemildert. Diese Vorgehensweise über die Auslegungsmechanismen bedeutet keine Gefahr einer verdeckten Inhaltskontrolle im Gewande der Auslegung.148 2.  Außerrechtsgeschäftlich Bei einer Vereinbarung eines Befristungsgrundes der Parteien im Arbeitsvertrag, könnte ein Begründungswechsel nach § 242 BGB (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) unzulässig sein.149 Ist jedoch von einer konkludenten Abbedingung anderer Befristungsgrundlagen auszugehen, bedarf es eines Rückgriffs auf § 242 BGB nicht mehr. Ein rechtsgeschäftlicher Lösungsweg ist gegenüber der Prüfung des widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB zu bevorzugen.150 Den Arbeitgeber nach § 242 BGB für selbstgebunden zu halten, obwohl die Auslegung nicht ergibt, dass die Parteien ausschließlich eine bestimmte Befristungs147 BAG 29. 6. 2011 – 7 AZR 774/09, NZA 2011, 1151, Rn. 17 m. w. N. Selbst wenn es sich bei der Befristungsabrede um eine Individualabrede i. S. v. § 305b BGB handeln sollte, sind orientiert am Schutzzweck des TzBfG an ihre Ausgestaltung eher strenge Anforderungen zu stellen, die weitgehend denen der §§ 305c, 307 BGB entsprechen dürften (BeckOK ArbR/Bayreuther, § 3 TzBfG Rn. 6). 148  Siehe oben B.I.1.b)cc); für eine zurückhaltende Anwendung der Unklarheitenregel, um dieser Gefahr zu begegnen: Stoffels, AGB-Recht, § 13 Rn. 370 m. w. N.; siehe auch ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 31a. 149 So Preis/Gotthardt, NZA 2000, 348, 360; vgl. auch Staudinger/Preis, § 620 BGB Rn. 62; die dort angegebene BAG-Entscheidung vom 16. 3. 1989 (2 AZR 325/88, NZA 1989, 719) betraf jedoch nicht das Problem des Nachschiebens von Befristungsgründen, sondern es ging um einen Anspruch auf unbefristete Weiterbeschäftigung, siehe dazu unten D.II. 150  Siehe oben B.III.

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

261

grundlage zum Vertragsinhalt machen wollten, ist zu weitgehend. Darf und kann aus Sicht des objektiven Empfängers nicht von einer vertraglichen Vereinbarung einer Befristungsgrundlage und damit einer Abbedingung ausgegangen werden, besteht kein Bedürfnis, den Arbeitnehmer über § 242 BGB zu schützen. Das Vertrauen des Arbeitnehmers wird hier bereits über die Auslegungsgrundsätze, wenn sie, wie oben befürwortet, angewandt werden, hinreichend geschützt.151 Allenfalls eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung im Fall unwirksamer AGB ist hier denkbar.152 Eine Befristungsabrede in einem Formularvertrag kann z. B. eine Überraschungsklausel (§ 305c BGB) sein und auch aus anderen Gründen gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.153 3.  Exkurs: Einführung eines Zitiergebots Wie im Kündigungsrecht ist auch hier zu befürchten, dass eine Änderung der Rechtsprechung dazu führen könnte, dass Arbeitgeber zukünftig eine Befristungsgrundlage nicht mehr nennen.154 De lege ferenda könnte ebenfalls die Einführung eines Zitiergebots in Betracht kommen. Muss aus Transparenzgründen der Befristungsgrund konstitutiver Vertragsbestandteil sein, um ein beliebiges Auswechseln und Nachschieben von Befristungsgründen zu begrenzen?155 Im Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums war ursprünglich ein Zitiergebot vorgesehen,156 wurde aber später nicht übernommen. § 14 Abs. 4 TzBfG lautete in diesem Entwurf: „(4) In der schriftlichen Vereinbarung der Befristung (§ 623 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ist anzugeben, ob die Befristung auf Absatz 1, 2 oder 3 beruht; im Fall des Absatzes 1 ist auch der sachliche Grund für die Befristung anzugeben. Ist die Schriftform nicht eingehalten oder fehlt die Angabe der Befristungsgrundlage oder des sachlichen Grundes für die Befristung, ist die Befristung nicht zulässig.“

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat das Schriftformerfordernis des aktuell geltenden § 14 Abs. 4 TzBfG eine Klarstellungs-, Beweis-, und Warnfunktion.157 Der Gesetzgeber hat darin das Schriftformerfordernis aus

151 Vertrauensgesichtspunkte für eine Abbedingung heranziehend LAG Schleswig-Holstein 14. 6. 2005 – 2 Sa 55/05, BeckRS 2005, 42596, Rn. 37 ff. 152  Vgl. oben B.III. und C.IV.1.a) und C.IV.2.c)aa). 153  Siehe z. B. BAG 16. 4. 2008 – 7 AZR 132/07, BAGE 126, 295; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn. 29; APS/Backhaus, § 17 TzBfG Rn. 15a. 154  Siehe auch die Empfehlung von APS/Backhaus, § 22 TzBfG Rn. 34; Sowka, BB 1997, 677, 678. 155 So Preis, NJW 1996, 3369, 3373; vgl. Staudinger/Preis, 1995, § 620 BGB Rn. 105. 156  NZA 2000, 1045, 1047. 157  BAG 23. 7. 2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341, Rn. 34 m. w. N.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

§ 623 BGB ohne den Willen einer inhaltlichen Änderung übernommen.158 Die Tatsache und der Inhalt der Befristung sind zu dokumentieren, um den Beweis zu erleichtern und Streitigkeiten zu vermeiden.159 Dem Arbeitnehmer soll zudem klar vor Augen geführt werden, dass ihm nur ein befristetes Arbeitsverhältnis mit eingeschränktem Bestandsschutz und dadurch keine dauerhafte Existenzgrundlage gewährt wird.160 Schon die Einführung des Schriftformerfordernisses durch § 623 BGB sollte entsprechend der besonderen Bedeutung der Befristung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, für größtmögliche Rechtssicherheit sorgen.161 Es stellt sich die Frage, warum aufgrund der besonderen Bedeutung der Befristung für die Existenz des Arbeitnehmers, dieser nicht ein Anrecht darauf hat, die Gründe für die Befristung zu erfahren. So wie das Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 TzBfG derzeit geregelt ist, scheint es zweifelhaft, ob dieses in der Lage ist, für größtmögliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu sorgen. Zuzugeben ist, dass der Arbeitnehmer primär erfahren will, wann sein Arbeitsverhältnis endet. Für die Einschätzung seiner Chancen auf einen unbefristeten Vertrag, zu dem der befristete Vertrag nach Gesetzgeberwille eigentlich eine Brücke sein soll, ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, den Grund für die Befristung zu wissen. Vereinzelt wird vertreten, dass die fehlende Pflicht zur Vereinbarung des Befristungsgrundes zu Schwierigkeiten des Arbeitnehmers führe, seine Rechte wahrzunehmen und durchzusetzen, und erhebliche Rechtsschutzkosten für einen zuvor nicht kalkulierbaren Prozessausgang zur Folge habe.162 Zum Teil wird mit Stützung auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gefordert, dass der Arbeitgeber die Gründe für die von ihm gewünschte Befristung dem Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags mitteilt und erläutert.163 Dann und nur so sei der Arbeitnehmer in der Lage, sich mit den Argumenten des Arbeitgebers auseinanderzusetzen und frei zu entscheiden, ob er in Kenntnis der Gründe für die Befristung gleichwohl kontrahieren wolle. Die Gründe für die Befristung müssten nicht nur nachträglich für die Richter, sondern bereits bei Vertragsschluss für den Arbeitnehmer durchschaubar sein.

158 

BT-Drs 14/4625, S. 21; BAG 3. 9. 2003 – 7 AZR 106/03, BAGE 107, 237, Rn. 13. 3. 9. 2003 – 7 AZR 106/03, BAGE 107, 237, Rn. 13; Meinel/Heyn/Herms/ Meinel, § 14 TzBfG Rn. 331. 160 BAG 3. 9. 2003 – 7 AZR 106/03, BAGE 107, 237, Rn. 13; Meinel/Heyn/Herms/ Meinel, § 14 TzBfG Rn. 331. 161  BT-Drs 14/626, S. 11; BAG 3. 9. 2003 – 7 AZR 106/03, BAGE 107, 237, Rn. 13. 162  Wolter, AuR 2011, 382, 385. 163 So Barwasser, DB 1977, 1944, 1946. 159 BAG

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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Der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens verlangt aber nicht ein so strenges Zitiergebot wie im damaligen Referentenentwurf. Dem Regel-Ausnahme-Verhältnis der Sachgrundbefristung und der sachgrundlosen Befristung in § 14 TzBfG gebührend ist über die Einführung eines milderen Zitiergebots nachzudenken, das nur die Angabe der Befristungsgrundlage fordert, wenn der Arbeitgeber die erleichterte Befristung nutzen will.164 Dies würde dazu passen, dass vor allem bei einem Austausch der Sachgrundbefristung mit der sachgrundlosen Befristung der Vertrag einen „völlig anderen Charakter“165 erhält. Bezüglich der Rechtsfolge kann § 2 WissZeitVG als Vorbild dienen:166 Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des WissZeitVG beruht. Bei einem Verstoß kann die Befristung nach § 2 Abs. 4 Satz 2 WissZeitVG nicht auf die Vorschriften des WissZeitVG gestützt werden.167 Hilfsweise kann jedoch auf das TzBfG zurückgegriffen werden,168 soweit § 2 Abs. 1 WissZeitVG nicht einzelne Sachgründe verdrängt.169 Würde das vorgeschlagene Zitiergebot also verletzt, würde allein hieraus nicht die Entfristung des Arbeitsverhältnisses folgen, sondern lediglich für den Arbeitgeber die Notwendigkeit, die Befristung auf einen anderen Tatbestand als § 14 Abs. 2/Abs. 2a/Abs. 3 TzBfG stützen zu müssen, also auf einen Sachgrund aus § 14 Abs. 1 TzBfG. So würde eine „überschießende Rechtsfolge“ vermieden.170 Eine Beschränkung des Zitiergebots auf die sachgrundlose Befristung passt zudem zum nicht abschließenden Sachgrundkatalog.171 Es kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, dass er beim Abschluss des Arbeitsvertrags genau den richtigen Sachgrund aus dem Katalog aus § 14 Abs. 1 TzBfG nennt und er sich später im Prozess dann nicht mehr auf einen anderen Grund im Sinne von Abs. 1 berufen kann, wenn sich herausstellt, dass die Befristung nach dem genannten Grund unwirksam ist. Etwas anderes gilt allerdings, wenn im Arbeitsvertrag dennoch freiwillig ein bestimmter Sachgrund genannt wird und die Auslegung ergibt, dass die Befristung nur auf diesen einen Grund gestützt werden soll. Dann ist – wie dargelegt – kein anderer Sachgrund nachschiebbar. Die Entscheidung des Arbeitgebers bei Vertragsschluss, ob er von der erleichterten Befristung nach § 14 Abs. 2/Abs. 2a/Abs. 164 

Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2073. Vgl. oben zum völlig anderen Charakter im Kündigungsrecht C.II.4.d). 166  Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2073 (damals noch § 57b Abs. 5 HRG: „Der Grund für die Befristung nach den Absätzen 2 bis 4 ist im Arbeitsvertrag anzugeben; ist der Grund nicht angegeben, kann die Rechtfertigung der Befristung nicht auf die Absätze 2 bis 4 gestützt werden.“). 167  BAG 18. 5. 2016 – 7 AZR 533/14, BAGE 155, 101, Rn. 14. 168  BeckOK ArbR/Bayreuther, § 14 TzBfG Rn. 136a m. w. N. 169  BAG 18. 5. 2016 – 7 AZR 533/14, BAGE 155, 101. 170  Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2073. 171  Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2073. 165 

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

3 TzBfG Gebrauch machen möchte, kann jedoch von ihm verlangt werden.172 Er kann bei Vertragsschluss entscheiden, ob er auf eine unsichere und schwankende Auftragslage und wechselnde Marktbedingungen flexibel reagieren und damit seine Wettbewerbsfähigkeit sichern will.173 Da für den Arbeitnehmer die Unterscheidung zwischen der Sachgrundbefristung und der sachgrundlosen Befristung am wichtigsten ist, ist vom Arbeitgeber dabei nicht zu fordern, dass er genau zitiert, welche der drei sachgrundlosen Befristungsmöglichkeiten er heranziehen möchte, also ob Abs. 2, Abs. 2a oder Abs. 3. Es reicht demnach, wenn der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag angibt, dass die Befristung „sachgrundlos“ erfolgen soll. Gibt er dennoch den genauen Absatz an, ist eine Abbedingung der anderen sachgrundlosen Befristungsmöglichkeiten zu prüfen. Es ließe sich einwenden, dass die Einführung eines solchen Zitiergebots zu noch höheren formalen Hürden führen würde.174 Allerdings würde diese formale Hürde nicht die Konsequenz haben, „dass der unkundige Arbeitgeber in die Entfristungsfalle läuft“175, da bei einer Nichtangabe der sachgrundlosen Befristung immer noch eine Wirksamkeit der Befristung nach dem gesamten Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 TzBfG möglich ist. Wird im Arbeitsvertrag aber die sachgrundlose Befristung als Grundlage genannt, führt dies dazu, dass wenn sich im Prozess herausstellen sollte, dass eine Befristung danach unwirksam ist, § 14 Abs. 1 TzBfG nicht mehr als Prüfungsgrundlage dienen kann. Aus der Angabe der sachgrundlosen Befristung ergibt sich der Wille dann erst recht, dass das Arbeitsverhältnis nur sachgrundlos befristet sein soll. Ein solches Zitiergebot würde der Klarstellung-, Beweis- und Warnfunktion besser gerecht als das derzeitige Schriftformerfordernis. Alternativ zu einem Zitiergebot könnte über die Einführung eines Anspruchs auf Mitteilung des Befristungsgrundes entsprechend § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB nachgedacht werden.176 Die Verletzung einer solchen Mitteilungspflicht würde jedoch nicht zur einer Unmöglichkeit des Nachschiebens von anderen Befristungsgründen führen, sondern allenfalls zu Schadensersatzansprüchen.177 Es hätte somit eine weniger effektive Wirkung wie ein Zitiergebot. Ein Auskunfts172  Preis und Gotthardt fordern für den Tatbestand des § 14 Abs. 3 TzBfG hingegen kein Zitiergebot, weil sich der Sonderbefristungstatbestand hinreichend abgrenzbar aus der Altersgrenze ergebe (Preis/Gotthardt, DB 2000, 2065, 2073). 173  Vgl. BT-Drs 14/4374, S. 14. 174  Greiner spricht von „formaler Strenge“ und als Beispiel wird die Verweigerung einer Heilungsmöglichkeit angesehen, wenn die Schriftform erst nach Arbeitsaufnahme gewahrt wurde (NZA-Beil 2011, 117); siehe auch Preis: „formalem Rigorismus“ (NZA 2005, 714, 715 ff.). 175  Greiner, NZA-Beil 2011, 117. 176 Staudinger/Preis, 1995, § 620 BGB Rn. 103 m. w. N. 177  Siehe oben C.II.2.; APS/Vossen, § 626 BGB Rn. 162.

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

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anspruch sollte wenn jedoch darauf beschränkt werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilen muss, ob er von der erleichterten sachgrundlosen Befristung Gebrauch machen wollte. 4.  Vergleich mit dem Kündigungsrecht Es bietet sich ein Vergleich zur Fallgruppe aus dem Kündigungsrecht „Selbstbindung durch die Angabe von Gründen in der Kündigungserklärung“ an.178 Sowohl im Kündigungsrecht als auch im Befristungsrecht geht es, wie bereits einleitend erwähnt, um Bestandsschutz, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung: Bei der Kündigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses dreht es sich vor allem um den Schutz eines auf Dauer angelegten Besitzstands; im Befristungsrecht um die Überprüfung, ob ein nicht auf Dauer angelegter Besitzstand eigentlich auf Dauer angelegt sein müsste.179 Ein befristetes Arbeitsverhältnis endet zu dem Zeitpunkt, auf den es hin befristet war, ohne dass es einer Kündigung bedarf.180 Trotz des nicht auf Dauer angelegten Besitzstands bei einem befristeten Arbeitsverhältnis, handelt es sich dennoch um einen Besitzstand, der durch das Kündigungsrecht geschützt wird. Außerordentliche Kündigungen sind bei befristeten Arbeitsverhältnissen möglich und die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung kann nach § 15 Abs. 3 TzBfG vereinbart werden.181 Im Falle einer außerordentlichen Kündigung sind wie bei unbefristeten Arbeitsverhältnissen die Voraussetzungen von § 626 BGB und bei einer vereinbarten ordentlichen Kündbarkeit unter Umständen die des KSchG einzuhalten.182 Man kann von einem „Wechselbezug“183 des Kündigungsschutzes und des Befristungsrechts sprechen. Kündigungsschutz und unbeschränkte Befristungsmöglichkeit stehen zueinander in Beziehung.184 Das Befristungsrecht wurde sogar ursprünglich auch geschaffen, um Umgehungen des Kündigungsschutzes zu verhindern.185 Unter Einführung von § 14 TzBfG wurde der Befristungsschutz aber von der Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen entkoppelt und heutzutage scheint er vor allem beschäftigungspolitischen Zielen zu dienen.186 178 

Siehe C.II. Siehe oben A.; vgl. Waas, ZAF 1/2007, 99, 108. 180 TLL/Thüsing, Einl. Rn. 36. 181  Siehe dazu u. a. ErfK/Müller-Glöge, § 15 TzBfG Rn. 10 ff. m. w. N. 182 Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 15 TzBfG Rn. 38 f. 183  Waltermann, NZA 2010, 860, 863. 184 TLL/Thüsing, Einl. Rn. 36. 185  Siehe z. B. grundlegend BAG 12. 10. 1960 – GS 1/59, BAGE 10, 65; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 1; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 1 f. 186 TLL/Thüsing, Einl. Rn. 36; Schliemann/Dörner, § 620 BGB Rn. 67; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rn. 7 ff.; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 11; Dörner, Der befristete 179 

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Auch im Kündigungsrecht besteht grundsätzlich kein Zitiergebot mit den Ausnahmen abweichender spezialgesetzlicher, individual- oder tarifvertraglicher Regelungen.187 Zu beachten ist, dass es sich bei der Kündigung um ein einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitgebers handelt, aber es kein einseitiges Gestaltungsrecht auf Befristung gibt. Bei der Angabe von Gründen in einer Kündigungserklärung wird also eine einseitige Erklärung ausgelegt, bei der Angabe von Befristungsgründen hingegen der Arbeitsvertrag. Bei der Befristung geht es um die „Transparenz der Vertragsgestaltung“188. Bei einer Kündigung ist ein einseitiger Verzicht seitens des Arbeitgebers möglich,189 hinsichtlich bestimmter Befristungsgrundlagen können die Parteien nur einen zweiseitigen Verzichtsvertrag schließen.190 Die AGB-rechtlichen Auslegungsgrundsätze gelangen bei der Auslegung einer Kündigungserklärung nicht zur Anwendung.191 Auf die Unterscheidung, ob dem Arbeitgeber andere Befristungsgrundlagen bei Ausspruch seiner Willenserklärung bekannt waren oder nicht, kann es bei der Befristung im Rahmen der Auslegung einer möglichen Abbedingung im Unterschied zur Kündigung nicht ankommen.192 Die Unterscheidung aus dem Kündigungsrecht zwischen dem Recht zur Kündigung und dem Nachschieberecht ist auf das Befristungsrecht nicht übertragbar,193 da es kein Recht auf Befristung gibt, es also unmöglich ist, dem Arbeitgeber ein Nachschieben von Gründen im laufenden Prozess zu verwehren, ihm aber eine erneute Ausübung seines „Befristungsrechts“ zu erlauben. Im Befristungsrecht kann mangels Gestaltungsrechts nur das Nachschieberecht betroffen sein. Mit dem Nachschieben von Befristungsgründen geht es auch um die Einbringung von Umständen in den laufenden Prozess und um die Frage, ob diese noch berücksichtigt werden dürfen.194 Das Nachschieberecht steht dort aber nicht im Zusammenhang mit einem Gestaltungsrecht und ist damit nicht gleichzusetzen mit der prozessualen Geltendmachung der vollzogenen Gestaltung im Prozess,195 sondern dient der Darlegung und des Beweises gesetzlich geforderter Gründe für die (unstreitig) vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses. Dieses Nachschieberecht ist verwehrt bei einer vertraglichen Abbedingung bestimmter BeArbeitsvertrag, Rn. 102 ff.; Waas, ZAF 1/2007, 99, 103 m. w. N.; krit. Schubert, NJW 2010, 2613, 2617; Waltermann, NZA 2010, 860, 863. 187  Siehe oben Einl. von C.II. 188 Staudinger/Preis, 1995, § 620 BGB Rn. 105. 189  Siehe oben B.I.1.a). 190  Siehe oben D.I.1.a). 191  Siehe oben B.I.1.b). 192  Vgl. oben C.II.1.b). 193  Siehe zum Kündigungsrecht oben z. B. Einl. von C.II und C.II.3.a) und b). 194  Vgl. zum Nachschieberecht von Kündigungsgründen oben C.II.3.b)aa). 195  Vgl. C.II.3.b)aa).

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

267

fristungsmöglichkeiten (und damit eine Art von einem zweiseitigen Verzichtsvertrag auf das Nachschieberecht) oder ein Nachschieben von Befristungsgründen ist aus anderen Gründen unzulässig, z. B. aufgrund eines Zitiergebots. Sowohl für die Wirksamkeit einer Kündigung als auch einer Befristung kommt es auf das objektive Vorliegen von Rechtsfertigungsgründen an.196 Den Arbeitgeber trifft in beiden Fällen aber im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, aus denen er sein Recht zur Kündigung ableitet197 bzw. die einen Befristungsgrund ausmachen.198 Sowohl bei der Angabe von Kündigungsgründen als auch bei der Angabe von Befristungsgründen sollte die Zurückhaltung bei der Annahme einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung aufgegeben werden. Der Arbeitgeber hat es bei beiden Fällen in der Hand, eine Selbstbindung durch ausdrückliche Klarstellungen zu verhindern. Schutzlücken für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung sind in beiden Fällen kaum vorhanden. Eine kodifizierte Ausnahme stellt im Kündigungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen allerdings § 626 Abs. 2 BGB dar. Im Befristungsrecht findet sich keine vergleichbare Norm. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass es sich um kein einseitiges Gestaltungsrecht handelt und im Vergleich zum Kündigungsrecht ein geringeres Bedürfnis nach gesetzlichen Beschränkungen des Nachschieberechts gegen den Willen des Arbeitgebers und sogar bei einem fehlenden schutzwürdigen Vertrauen des Arbeitnehmers besteht. Im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrags weiß der Arbeitnehmer von Anfang an, wann sein Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung enden wird. Eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung aufgrund unwirksamer AGB ist im Gegensatz zum Befristungsrecht im Kündigungsrecht allerdings nicht möglich.199 Einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders enthalten keine AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.200 Die Kombination eines allgemeinen gesetzlichen Zitiergebots im Kündigungswie im Befristungsrecht bzw. einer kündigungsrechtlichen Anhörungspflicht und 196  Siehe oben z. B. C.II.1.b) und Einl. zu D.I.; zum Kündigungsrecht APS/Vossen, § 1 KSchG Rn. 69 m. w. N.; HWK/Quecke, § 1 KSchG Rn. 59 m. w. N.; zum Befristungsrecht u. a. BAG 12. 8. 2009 – 7 AZR 270/08, USK 2009 – 153, Rn. 24: „Es genügt vielmehr, dass der Rechtfertigungsgrund für die Befristung bei Vertragsschluss objektiv vorlag.“; siehe auch BAG 15. 8. 2001 – 7 AZR 274/00, EzA § 620 BGB Nr. 184, Rn. 17. 197  Siehe oben C.II.1.b). 198  Zur grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für das Vorliegen eines Sachgrundes i. S. v. § 14 Abs. 1 TzBfG u. a. APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 76 m. w. N.; für die Tatbestandsvoraussetzungen der erleichterten Befristungen u. a. APS/ Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 413 m. w. N.; ErfK/Müller-Glöge, § 17 TzBfG Rn. 14; zu beidem u. a. Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 352. 199  Siehe im Befristungsrecht oben D.I.2. 200 Siehe oben B.I.1.b); BAG 20. 6. 2013 – 6 AZR 805/11, NZA 2013, 1137, Rn. 13; MüKo/Basedow, § 305 BGB Rn. 11 m. w. N.; Schaub/Linck, § 35 Rn. 8.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

eines befristungsrechtlichen Zitiergebots201 führt nicht zu einer unzumutbaren doppelten Belastung des Arbeitgebers. In einem befristeten Arbeitsverhältnis könnten den Arbeitgeber zwar unter Umständen beide Obliegenheiten treffen: will er eine sachgrundlose Befristung, muss er diese im Arbeitsvertrag angeben; will er das befristete Arbeitsverhältnis kündigen, muss er den Grund angeben bzw. den Arbeitnehmer vorher anhören. Dies stellt keine nicht zu befürwortende Verdoppelung des Bestandsschutzes bei befristeten Arbeitsverhältnissen dar, die eigentlich nur einen nicht auf Dauer angelegten Bestand zum Schützen bereithalten. Gerade im Falle befristeter Arbeitsverhältnisse, bei denen grundsätzlich nur eine außerordentliche Kündigung und nur bei einer Vereinbarung die ordentliche Kündigung möglich ist, besteht ein besonderes Bedürfnis, dass dem Arbeitnehmer der Kündigungsgrund mitgeteilt wird. Auch wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung sowieso endet, spielt es für den Arbeitnehmer eine wesentliche Rolle, wenn der Vertrag aufgrund einer Kündigung frühzeitig enden soll. Trotz des geringeren arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes bei einem befristeten Arbeitsverhältnis,202 liegt die Schutzwürdigkeit gerade darin, dass ihm die Möglichkeit des Aufbaus eines solchen auf Dauer angelegten Bestands durch eine wirksame Befristung genommen wird. Dass der Arbeitnehmer sich aufgrund eigener privater Disposition in einem Arbeitsverhältnis von begrenzter Dauer befindet,203 schließt diese Schutzwürdigkeit nicht aus und widerspricht der in der Realität in der Regel schwachen Verhandlungsposition des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber wird nicht unangemessen doppelt belastet, da eine wirksame sachgrundlose Befristung ihm die Möglichkeit gewährt, sich vom Arbeitnehmer einfacher trennen zu können. Das Arbeitsverhältnis endet allein mit Ablauf der Vertragszeit, ohne dass es einer Kündigung bedarf.204 5.  Ergebnis Insgesamt bejaht die Rechtsprechung zu zögerlich die Abbedingung der sachgrundlosen Befristung oder der Sachgrundbefristung bei einer freiwilligen Angabe von Gründen. Die objektive Empfängersicht kommt dabei zu kurz. Insbesondere werden bei der Auslegung die Bedeutung des Wortlauts und die Interessenlage des Arbeitnehmers vernachlässigt. Die derzeitige Auslegung entspricht nicht dem ursprünglich beabsichtigten Grundsatz, dass die Befristung die Ausnahme und der unbefristete Arbeitsvertrag die Regel darstellen soll. Der Wortlaut des Arbeitsvertrags (Angabe eines Befristungsgrundes oder von § 14 Abs. 2/Abs. 2a/Abs. 3 TzBfG) ist ein „wesentliches“ Indiz, von dem in erster Linie auszuge201 

Siehe oben C.II.7. und D.I.3. Siehe oben A.; BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, Rn. 26. 203  BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, Rn. 26. 204 APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 16. 202 

I.  Selbstbindung durch die Angabe einer Grundlage für die Befristung

269

hen ist. Dabei sind Vermerke zu berücksichtigen. Für einen nicht sorglosen Umgang mit den Befristungsmöglichkeiten und damit für eine Abbedigung spricht zudem, wenn bei Folgearbeitsverträgen zwischen den Befristungsgrundlagen differenziert wurde; auf die Länge des Zeitraumes, in dem Arbeitsverhältnisse bestanden, kommt es dabei nicht an. Damit die Waagschale das Gewicht ändert, müssen deutliche Anhaltspunkte vorhanden sein, die gegen eine Abbedingung sprechen, ansonsten verdient die Auslegung als Abbedingung den klaren Vorzug. Dies muss insbesondere gelten, wenn es sich um AGB handelt. Dort kommt dem Wortlaut eine noch größere Bedeutung zu. Selbst wenn der Abbedingung nicht der klare Vorzug bei der Auslegung zuzustehen ist, muss § 305c Abs. 2 BGB zu einem arbeitnehmerfreundlichen Ergebnis führen. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt hingegen nicht vor. Der Arbeitgeber ist nicht schutzlos gestellt. Er hat es zum einen in der Hand, eine Selbstbindung durch ausdrückliche Klarstellungen zu verhindern. Zum anderen ist für ihn – wenn auch schwierig beweisbar – unter Umständen eine Teilanfechtung der Abbedingungserklärung möglich. Bezugnahmeklauseln auf tarifvertragliche Zitiergebote stellen keinen Sonderfall dar, in dem Arbeitnehmer schutzwürdiger sind. Für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung besteht nur ein Bedürfnis, wenn unwirksame AGB vorliegen. Arbeitnehmer sind insbesondere schutzwürdig zu erfahren, ob es sich um eine sachgrundlose Befristung handelt. Zu befürworten wäre deshalb de lege ferenda die Einführung eines Zitiergebots in der Weise, dass der Arbeitgeber sich entscheiden muss, ob er den Arbeitsvertrag sachgrundlos befristen möchte. Nicht verlangt werden sollte die Angabe eines konkreten Sachgrundes oder der genauen Variante der sachgrundlosen Befristung. Nennt der Arbeitgeber dennoch einen konkreten Sachgrund oder eine Variante der sachgrundlosen Befristung, bleibt es jeweils bei der Prüfung einer konkludenten Abbedingung. Insbesondere wenn im Arbeitsvertrag die sachgrundlose Befristung als Grundlage genannt wird, ist von einer Abbedingung des § 14 Abs. 1 TzBfG auszugehen. Bei Verletzung des Zitiergebots würde allein hieraus nicht die Entfristung des Arbeitsverhältnisses folgen, sondern lediglich für den Arbeitgeber die Notwendigkeit, die Befristung auf einen Sachgrund aus § 14 Abs. 1 TzBfG zu stützen. Im Unterschied zur Fallgruppe aus dem Kündigungsrecht gibt es in der Fallgruppe des Befristungsrechts kein einseitiges Gestaltungsrecht des Arbeitgebers und damit nicht die Möglichkeit eines einseitigen Verzichts. Im Gegensatz zum Kündigungsrecht kommen hier AGB-rechtliche Besonderheiten zur Geltung. Im Befristungsrecht ist nur das Nachschieberecht betroffen. Auch wenn der Arbeitnehmer bei einem befristeten Arbeitsverhältnis einen geringeren Besitzstand bzw. Bestandsschutz erwirbt, ist er dennoch schutzwürdig. Eine Schutzwürdigkeit wird gerade dadurch hervorgerufen, dass ihm die Möglichkeit des Aufbaus

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

eines solchen auf Dauer angelegten Bestands durch eine wirksame Befristung genommen wird. Sowohl bei der Angabe von Kündigungsgründen als auch von Befristungsgrundlagen sollte die zurückhaltende Annahme einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung gelockert werden. Die Einführung eines allgemeinen Zitiergebots sowohl im Kündigungs- als auch Befristungsrecht bzw. die Einführung einer Anhörungspflicht und eines Zitiergebots im Befristungsrecht stellt weder eine unangemessene Verdoppelung des Bestandsschutzes noch eine unverhältnismäßige doppelte Belastung für den Arbeitgeber dar.

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung nach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses Der kalendermäßig befristete Arbeitsvertrag endet mit Ablauf der vereinbarten Zeit (§ 15 Abs. 1 TzBfG) und der zweckbefristete Arbeitsvertrag mit Erreichen des Zwecks (§ 15 Abs. 2 TzBfG). Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach Ende eines wirksam befristeten Arbeitsvertrags.205 Eine Weiterbeschäftigung kann eine Verlängerung des aktuellen befristeten Vertrags oder eine spätere Wiedereinstellung bedeuten. Um eine „Verlängerung“ handelt es sich bei einem unmittelbaren Anschließen eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags an das Ende des vorangegangenen.206 Zudem ist zu unterscheiden zwischen einer Weiterbeschäftigung auf unbestimmte Zeit und einer erneut befristeten Weiterbeschäftigung. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos. Es kann Situationen geben, in denen der Arbeitgeber bei Abschluss eines wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses und/oder während der Vertragslaufzeit Erklärungen abgibt oder sich so verhält, dass der Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Vertragslaufzeit erwarten darf.207 Solche Situationen sind nicht beschränkt auf 205  Braun, ZTR 2007, 78. Tarifliche Wiedereinstellungs- und Verlängerungsvorschriften werden an dieser Stelle nicht thematisiert. 206 APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 371; Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 280. 207  Ausdrücklich wird das Wort „Selbstbindung“ in diesem Zshg. verwendet in BAG 14. 9. 1994 – 7 AZR 186/94, BeckRS 1994, 30925324, Rn. 32: „Eine Selbstbindung des Beklagten und ein dadurch beim Kläger hervorgerufener Vertrauenstatbestand lassen sich indes nicht feststellen.“; BAG 26. 4. 1995 – 7 AZR 936/94, NZA 1996, 87, Rn. 24: „Nach dem Vorbringen des Klägers ist eine derartige Selbstbindung der Beklagten und ein dadurch hervorgerufener Vertrauenstatbestand nicht auszuschließen.“; BAG 26. 8. 1998 – 7 AZR 450/97, NZA 1999, 149, Rn. 32: „Eine Selbstbindung des Arbeitgebers und einen dadurch beim Kläger hervorgerufener Vertrauenstatbestand hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.“; LAG Hamm 6. 6. 1991 – 16 Sa 1558/90, BB 1991, 1865: „Die Beklagte ist daher aus Gründen der Selbstbindung gehalten, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin als unbefristetes fortzusetzen.“; LAG Düsseldorf 19. 8. 1999 – 11 Sa 469/99, DB 2000,

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

271

befristete Arbeitsverhältnisse im Sinne des TzBfG, sondern sie sind z. B. auch im Rahmen des § 2 WissZeitVG denkbar.208 Gegenstand dieses Kapitels sind nicht Situationen, in denen allein aufgrund des Wegfalls des Befristungsgrundes ein Fortsetzungsanspruch diskutiert wird,209 sondern allein solche, in denen der Arbeitgeber durch sein Verhalten beim Arbeitnehmer den Eindruck erweckt, er werde weiterbeschäftigt. Früher stützte das BAG eine Selbstbindung des Arbeitgebers auf die Vertrauenshaftung,210 nahm dann jedoch davon Abstand und näherte sich einer rechtsgeschäftlichen Grundlage an.211 1.  Rechtsgeschäftlich a)  Rechtsprechung des BAG seit 2008 Nach aktueller Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abschluss eines Folgevertrags nur geltend machen, wenn das Verhalten des Ar222: „Diese sog Selbstbindung kann unter dem Vorbehalt der Eignung stehen […].“; LAG Düsseldorf 21. 6. 2000 – 4 Sa 535/00, LAGE § 620 BGB Nr. 65, Rn. 33: „Letztlich erscheint als tragender Grund dieser Rechtsprechung die Selbstbindung des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber gibt dadurch, dass er einen bestimmten Grund für die von ihm vereinbarte Befristung angibt, dem Arbeitnehmer gegenüber unmissverständlich zu erkennen (§ 133 BGB) und weckt demgemäss eine entsprechende rechtlich begründete Erwartung des Arbeitnehmers, bei Nichtvorliegen des angegebenen Grundes oder bei Erfüllung der vom Arbeitgeber festgelegten Voraussetzungen unbefristet eingestellt bzw. weiterbeschäftigt zu werden. […] Gerade in solchen Fällen muss daher der Gedanke der Selbstbindung des Arbeitgebers besondere Bedeutung gewinnen, will man nicht aus den Augen verlieren, dass letztlich der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages nach der Rechtsordnung die Ausnahme von dem Abschluss unbefristeter Arbeitsverträge ist.“; LAG Hamm 7. 12. 2004 – 19 Sa 1529/04, BeckRS 2005, 40804, Rn. 95: „Auch in der letzten Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts mit Urteil vom 26. 04. 1995 (7 AZR 936/94 - AP Nr. 4 zu § 91 AFG) hat das Bundesarbeitsgericht nochmals bekräftigt, dass ein Einstellungsanspruch nur besteht, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers damit rechnen konnte, im Anschluss an den Zeitvertrag weiterbeschäftigt zu werden und eine Selbstbindung des Arbeitgebers eingetreten ist, […]“; ArbG Frankfurt 1. 11. 2005 – 8 Ca 2628/05, juris, Rn. 73: „Der Abschlußzwang ergibt sich dann aus der insoweit erfolgten Selbstbindung des Arbeitgebers, auf die der Arbeitnehmer sich berufen kann.“ 208  Es geht aber nicht um Verlängerungsansprüche i. S. v. § 2 Abs. 5 WissZeitVG, siehe dazu z. B. LAG Mecklenburg-Vorpommern 15. 11. 2016 – 2 Sa 384/15, BeckRS 2016, 119102. 209  Siehe dazu u. a. KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 83 ff. m. w. N. 210 BAG 16.  3. 1989 – 2 AZR 325/88, NZA 1989, 719, Rn. 44; siehe auch BAG 26. 4. 1995 – 7 AZR 936/94, NZA 1996, 87; BAG 26. 8. 1998 – 7 AZR 450/97, NZA 1999, 149, Rn. 31 f.; eine Darstellung der früheren Rspr. bei APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 106; ders. die damalige Vorgehensweise des BAG kritisierend in APS, 3. Aufl., § 15 TzBfG Rn. 106 ff. 211  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 18 f.

272

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

beitgebers als rechtsgeschäftliche Zusage einer Vertragsfortsetzung auszulegen ist.212 Die Aufgabe der vorherigen Rechtsprechung eines solchen Anspruchs aus Vertrauenshaftung erfolgte mit dem Urteil des BAG vom 13. 8. 2008.213 Eine Zusage seitens des Arbeitgebers bestimmt das BAG anhand einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB.214 Von der Zusage abzugrenzen ist die „Absichtserklärung“.215 Damit ist eine Erklärung des Arbeitgebers gemeint, mit der der Arbeitgeber nur in Aussicht stellt, nach Ende des befristeten Vertrags einen weiteren Vertrag abzuschließen, ohne jedoch Rechtsbindungswillen zu haben. Zuzustimmen ist, dass allein in dem Angebot an andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage, einen neuen Vertrag abzuschließen, keine konkludente Zusage an den betroffenen Arbeitnehmer gesehen werden kann, auch mit diesem einen neuen Vertrag abzuschließen.216 Richtig ist zudem, dass keine Zusage vorliegt, wenn die Erklärung von einer Person stammt, der keine Entscheidungsbefugnis über eine Vertragsfortsetzung zukommt und sie dies auch gegenüber dem Arbeitnehmer äußert.217 Ohne entsprechende Klarstellung der fehlenden Entscheidungsbefugnis ist eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht denkbar.218 Wiedereinstellungszusagen können „einfach“, bedingt oder befristet erfolgen.219 Risikomindernd für den Arbeitgeber ist die bedingte Wiedereinstellungszusage.220 Der Arbeitgeber kann die Zusage z. B. mit der Bedingung verknüpfen, dass zu dem vereinbarten Zeitpunkt der Neubegründung des Arbeitsverhältnisses freie und für den Arbeitnehmer geeignete Arbeitsplätze bei dem Arbeitgeber vorhanden sind.221

212  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 18; BAG 21. 9. 2011 − 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317, Rn. 21; APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 109; Pallasch, RdA 2015, 108, 110. 213  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 18. 214  BAG 21. 9. 2011 − 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317, Rn. 23. 215  Vgl. auch den Begriff „letter of intent“; vgl. BAG 16. 3. 1989 – 2 AZR 325/88, NZA 1989, 719; BAG 11. 12. 1991 – 7 AZR 128/91, NZA 1993, 354; LAG Hamm 2. 12. 2009 – 3 Sa 267/09, juris, Rn. 111; HBD/Mestwerdt, AnwaltKommentar, Bd. 1, § 611 BGB Rn. 332. 216  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 19. 217  BAG 21. 9. 2011 − 7 AZR 150/10, NZA 2012, 317, Rn. 24; vgl. auch BAG 24. 10. 2001 – 7 AZR 620/00, BAGE 99, 223, Rn. 40. 218  LAG Köln 19. 11. 1999 – 11 Sa 975/99, BB 2000, 1842; HK-ArbR/Tillmanns, § 15 TzBfG Rn. 15 m. w. N.; KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 93. 219  Schrader/Straube, NZA-RR 2003, 337, 339 ff. 220  Schrader/Straube, NZA-RR 2003, 337, 340. 221  Schrader/Straube, NZA-RR 2003, 337, 340 mit weiteren Beispielen und m. w. N.

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

273

b)  Art des Rechtsgeschäfts In der Zusage des Arbeitgebers kann ein Optionsrecht des Arbeitnehmers oder ein Vorvertrag liegen.222 Eine pauschale Einordnung ist nicht möglich, vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Ein Vorvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, der die Parteien zum Abschluss eines Hauptvertrags mit schuldrechtlich bindendem Inhalt verpflichtet.223 Von einem auf Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Vorvertrag kann dann ausgegangen werden, wenn die Parteien wegen einer noch nicht vorhandenen Einigung über alle zu regelnden Arbeitsbedingungen zunächst eine vertragliche Bindung begründen wollen, aufgrund derer jede Partei verpflichtet ist, den späteren Arbeitsvertrag abzuschließen.224 Ein wirksamer Vorvertrag setzt voraus, dass sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben und der Inhalt des Hauptvertrags damit hinreichend bestimmt oder jedenfalls bestimmbar ist.225 Ein Optionsvertrag hingegen liegt vor, wenn eine Partei das Recht erhält, durch einseitige Erklärung ein Arbeitsverhältnis zu begründen.226 Es bedarf dann keiner Einigung der Parteien mehr über den Abschluss eines Arbeitsvertrags, die Wirksamkeit hängt nur noch von der Annahme oder der Ausübung des Optionsrechts durch den Arbeitnehmer ab.227 Ein Indiz für die Unterscheidung des Optionsvertrags vom Vorvertrag ist, ob der Beginn der Arbeitsaufnahme und die Beschäftigungsart bereits hinreichend festgelegt sind oder ob Einzelheiten insoweit noch näherer Klärung bedürfen.228 Eine Festofferte liegt vor, wenn der Vertragspartner bereits das bindende Angebot zum Abschluss eines Hauptvertrags abgibt und dem anderen eine längere als die gesetzliche Frist für die Annahme einräumt.229 Dabei handelt es sich noch um keinen Vertrag.230 222 APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 119; dieser hält das Optionsrecht für den Regelfall; vgl. auch Schrader/Straube, NZA-RR 2003, 337, 338 f.: durch die Wiedereinstellungszusage erhalte der Arbeitnehmer ein „Optionsrecht“, der neue Arbeitsvertrag komme durch Angebot und Annahme i. S. d. §§ 145 BGB ohne Zwischenschaltung eines Optionsvertrags zu Stande; in der Zusage regelmäßig einen Vorvertrag sehen Däubler/Deinert/Zwanziger/ Wroblewski, § 15 TzBfG Rn. 28; HaKo/Mestwerdt, § 15 TzBfG Rn. 50. 223 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 252; MünchArbR/Richardi/Buchner, § 32 Rn. 7. 224  BAG 16. 2. 1983 – 7 AZR 495/79, BeckRS 1983, 04996, Rn. 28. 225  BAG 27. 7. 1977 − 5 AZR 337/76, AP Nr.  2 zu §  611 BGB Entwicklungshelfer, Rn. 38; BAG 16. 2. 1983 – 7 AZR 495/79, BeckRS 1983, 04996, Rn. 28; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 252; Zöllner, in: FS Floretta, 1983, S. 459 ff. 226 MünchArbR/Richardi/Buchner, § 32 Rn. 8; unterschieden wird dabei zwischen dem sog Angebotsvertrag und dem Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt. 227 MünchArbR/Richardi/Buchner, § 32 Rn. 8. 228 MünchArbR/Richardi/Buchner, § 32 Rn. 9. 229 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 258; Zöllner, in: FS Floretta, 1983, S. 456. 230 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 258; Zöllner, in: FS Floretta, 1983, S. 456.

274

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Macht der Arbeitgeber vor Ablauf des befristeten Vertrags eine Zusage, dass er das Arbeitsverhältnis fortsetzen möchte, ohne alle Einzelheiten schon vorab zu klären, liegt darin eher ein Vorvertrag. Wenn der Arbeitgeber allerdings z. B. zum Ausdruck bringt, dass direkt im Anschluss des befristeten Vertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen werden und sich bis auf diese Entfristung am Vertragsinhalt nichts ändern soll, kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber nur eine Überlegungsfrist einräumt, und somit von einem Optionsrecht des Arbeitnehmers. Gegen die Einordnung als Option spricht nicht, wenn eine Einstellungszusage bedingt ist. Eines Rückgriffs auf einen Fortsetzungsanspruch aufgrund einer „Fürsorgepflicht“ im Sinne einer vertraglichen Nebenpflicht bedarf es nicht.231 Wird eine Willenserklärung des Arbeitgebers bejaht, ist zu beachten, dass ihm bei einem Irrtum unter Umständen ein Anfechtungsrecht zustehen kann. Zu unterscheiden ist die ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung der Parteien zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses von der Fiktion des § 15 Abs. 5 TzBfG.232 Gem. § 15 Abs. 5 TzBfG gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und der Arbeitgeber nicht unverzüglich widerspricht. Die Vorschrift gilt nicht, wenn es vor oder nach dem Ablauf des Zeitvertrags zu einer Vereinbarung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses kommt.233 c)  Betriebliche Übung In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Bedeutung der betrieblichen Übung.234 Auch aus einer betrieblichen Übung kann grundsätzlich ein rechtsgeschäftlicher Anspruch auf erneute Vertragseingehung bzw. -verlängerung folgen.235 Möglich ist dies aber nur in Situationen, in denen es um ein in der Vergangenheit begonnenes Verhalten geht. Wird anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer zeitgleicher Lage ein Angebot für einen neuen Vertrag gemacht,

231 

So aber KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 75. BAG 18. 10. 2006 – 7 AZR 751/05, AP Nr. 27 zu § 14 TzBfG, Rn. 15; APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 57. 233  BAG 18. 10. 2006 – 7 AZR 751/05, AP Nr. 27 zu § 14 TzBfG, Rn. 15; APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 57; Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 15 TzBfG Rn. 51; ErfK/Müller-Glöge, § 15 TzBfG Rn. 25. 234  In der Rspr. wird die betriebliche Übung in diesem Zshg. in folgenden Entscheidungen erwähnt: BAG 29. 1. 1987 – 2 AZR 109/86, NZA 1987, 627, Rn. 42; LAG Hessen 13. 8. 2012 – 16 Sa 1718/11, BeckRS 2012, 75091. 235 APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 119 m. w. N. 232 

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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handelt es sich um keinen Fall der betrieblichen Übung.236 Es kommt also auf die Handhabung in den zurückliegenden Jahren und nicht zu demselben Zeitpunkt an.237 Die Begründung eines Wiedereinstellungsanspruchs aufgrund betrieblicher Übung spielt insbesondere im Saisongewerbe eine Rolle. Dort kommt es oft vor, dass Arbeitnehmer befristet für eine Saison und bei Beginn der nächsten Saison wieder eingestellt werden. Erwähnt wird die betriebliche Übung in diesem Zusammenhang vom Zweiten Senat in seiner Entscheidung vom 29. 1. 1987.238 Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin seit 1974 jeweils aufgrund saisonbefristeter Arbeitsverträge als Arbeiter in der Speiseeisproduktion beschäftigt.239 Ein Wiedereinstellungsanspruch ließe sich unmittelbar § 242 BGB entnehmen oder aus der betrieblichen Übung ableiten. Andererseits verweist das BAG darauf, dass zum Teil in der betrieblichen Übung eine individuelle Ausformung des Vertrauensgedankens gesehen werde. Der Zweite Senat scheint in dieser Entscheidung also noch nicht eindeutig der sich seit spätestens 1985 etablierenden ständigen Rechtsprechung, die die Vertragstheorie für die Begründung der betrieblichen Übung vertritt,240 zu folgen.241 Andererseits äußert der Siebte Senat in seiner Entscheidung vom 26. 4. 2006, dass die im Rahmen des obiter dictums ergangenen Ausführungen in der Entscheidung von 1987 belegen würden, dass der auf die Inanspruchnahme von Vertrauen gestützte Wiedereinstellungsanspruch letztlich auf einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern beruhen müsse, deren Inhalt durch Auslegung zu ermitteln sei.242 Die Verknüpfung der betrieblichen Übung mit dem Vertrauensgedanken in der Entscheidung von 1987 steht jedoch mit dem damaligen Ansatz des BAG, einen Erfüllungsanspruch über den Weg der Vertrauenshaftung zu begründen, im Einklang. Unter Berücksichtigung des Rechtsprechungswandels von 2008 zur Anspruchsgrundlage des Wiedereinstellungsanspruchs und der nach 1987 immer mehr etablierten Vertragstheorie bei der betrieblichen Übung, ist es nunmehr konsequent, den 236  Aus diesem Grund schied ein Abstellen auf eine betriebliche Übung auch im Fall des BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27 aus. 237  Siehe oben B.I.3.b). 238  BAG 29. 1. 1987 – 2 AZR 109/86, NZA 1987, 627, Rn. 42. 239  Ob jeweils alle Arbeitnehmer wieder eingestellt worden sind, war allerdings nicht aufgeklärt (BAG 29. 1. 1987 – 2 AZR 109/86, NZA 1987, 627, Rn. 42). 240  Siehe oben B.I.3.b); BAG 4. 9. 1985 – 7 AZR 262/83, AP Nr. 22 zu § 242 BGB; siehe ausf. zur Entwicklung der Vertragstheorie in der Rspr. des BAG Picker, Die betriebliche Übung, S. 35 ff. 241  Löwisch spricht von einer „Vermischung der Gesichtspunkte der betrieblichen Übung und des Vertrauensschutzes als mögliche Anspruchsgrundlagen“ (Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 620 BGB Saisonarbeit). 242 BAG 26. 4. 2006 – 7 AZR 190/05, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Wiedereinstellung, Rn. 17.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Anspruch auf erneute Vertragseingehung aus einer betrieblichen Übung nach vertragsrechtlichen Regeln zu prüfen.243 Für die Möglichkeit eines rechtsgeschäftlichen Anspruchs auf erneute Vertragseingehung aus einer betrieblichen Übung wird unter anderem die Entscheidung des BAG vom 26. 4. 2006 angeführt.244 Allerdings betraf diese Entscheidung nicht befristete Arbeitsverhältnisse, sondern es ging um einen Wiedereinstellungsanspruch nach einer Kündigung im Saisongewerbe. Die Arbeitgeberin hatte behauptet, dass es bei der Arbeitgeberin betriebsüblich gewesen sei, die jeweils im Winter aufgrund fehlender Aufträge aus betriebsbedingten Gründen entlassenen Arbeitnehmer im Frühjahr weiterzubeschäftigen. Es stellt sich die Frage, ob für durch Kündigung und durch Befristung endende Arbeitsverhältnisse dieselben Grundsätze in diesem Zusammenhang zur Anwendung kommen können. Nicht übertragbar ist die Rechtsprechung des BAG zu einem Wiedereinstellungsanspruch nach einer betriebsbedingten Kündigung, wenn sich zwischen Zugang der Kündigung und Ende der Kündigungsfrist herausstellt, dass entgegen der vorherigen Prognose doch Weiterbeschäftigungsbedarf und -möglichkeit vorhanden ist.245 Die hinsichtlich dieser Ablehnung einer Parallele zwischen Kündigungsund Befristungsrecht vorgebrachten Argumente können jedoch nicht für die Frage gelten, ob aus einer betrieblichen Übung ein Wiedereinstellungsanspruch entsteht. Bezugspunkt ist hier nicht der Wegfall von Gründen, sondern ein Verhalten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, das rechtsgeschäftlich einen Anspruch auf den Abschluss eines neuen Vertrags begründen kann. Hier kann das Argument des geringeren arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes, den ein Arbeitnehmer in einem befristeten Arbeitsverhältnis gegenüber einem Arbeitnehmer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis erwirbt,246 nicht zum Tragen kommen. Für die Überprüfung einer Willenserklärung seitens des Arbeitgebers, nach dem Ende eines Arbeitsvertrags einen neuen Vertrag abschließen zu wollen, kann es keinen Unterschied machen, ob der Arbeitsvertrag durch Befristung oder Kündigung ein Ende gefunden hat. Ein gekündigter Arbeitnehmer ist in diesem Fall nicht schutzwürdiger als der befristet beschäftigte Arbeitnehmer. Die Entscheidung vom 26. 4. 2006 ist also auf das Befristungsrecht übertragbar: Der Arbeitgeber kann sich rechtsgeschäftlich aufgrund einer betrieblichen Übung binden, indem er befristet beschäftigte Arbeitnehmer üblicherweise weiterbeschäftigt. 243  Vgl.

APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 125. BAG 26. 4. 2006 – 7 AZR 190/05, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Wiedereinstellung; darauf verweisend u. a. LAG Hessen 13. 8. 2012 – 16 Sa 1718/11, BeckRS 2012, 75091, Rn. 27; APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 119 und 124. 245  BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896; Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 67 m. w. N.; a. A. – wenn auch unter Einschränkungen – KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 83 ff. 246  BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, Rn. 26. 244 

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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2.  Außerrechtsgeschäftlich a)  Rechtsprechung des BAG vor 2008 Das BAG vertrat in früherer Rechtsprechung: „Erklärt der Arbeitgeber bei Abschluß eines befristeten Arbeitsverhältnisses, er werde die Frage der späteren Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis unter ganz bestimmten Voraussetzungen prüfen, erweckt er hierdurch eine bestimmte Erwartung des Arbeitnehmers (Vertrauen auf das in Aussicht gestellte unbefristete Arbeitsverhältnis). Wenn er diese Vorstellung auch noch während der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bestätigt, kann es unter Berücksichtigung des Rechtsgedanken von § 315 BGB […] widersprüchlich sein, eine Übernahme trotz Vorliegens der selbst bestimmten Voraussetzungen wegen Hinzutretens solcher Umstände, die auch eine Kündigung nicht gerechtfertigt hätten, abzulehnen. Der Abschlußzwang ergibt sich dann nicht aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen […], sondern aus der insoweit erfolgten Selbstbindung des Arbeitgebers, auf die der Arbeitnehmer sich berufen kann. Der Arbeitgeber wäre dann aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß im Wege des Schadenersatzes verpflichtet Erfüllung zu gewähren, da der Schaden nach § 249 BGB gerade in dem Nichtabschluß eines Arbeitsvertrages liegt […].“247

b)  Kritik an der alten Rechtsprechung aa)  Keine unzulässige Rechtsausübung Das BAG ordnete die Prüfung eines solchen Vertrauenstatbestands zum Teil unter den Prüfungspunkt ein, ob die Berufung des Arbeitgebers auf eine an sich wirksame Befristung treuwidrig bzw. rechtsmissbräuchlich ist.248 Unabhängig davon, dass der Arbeitgeber mit dem „Berufen“ auf die Befristung kein Gestaltungsrecht ausübt und es sich somit um keine unzulässige Rechtsausübung handeln kann,249 ist diese Prüfungseinordnung fragwürdig. Ein derartiger Vertrauenstatbestand kann nicht dazu führen, dass der befristete Arbeitsvertrag nicht endet, sondern allenfalls zu einem Anspruch auf Abschluss eines Anschlussver-

247  BAG

16. 3. 1989 – 2 AZR 325/88, NZA 1989, 719, Rn. 44; siehe z. B. auch BAG 10. 6. 1992 – 7 AZR 345/91, juris; BAG 14. 9. 1994 – 7 AZR 186/94, BeckRS 1994, 30925324; BAG 26. 4. 1995 – 7 AZR 936/94, NZA 1996, 87; BAG 26. 8. 1998 – 7 AZR 450/97, NZA 1999, 149, Rn. 31 f.; BAG 24. 10. 2001 – 7 AZR 620/00, BAGE 99, 223; allg. zur cic siehe oben B.II.4. 248  BAG 16. 3. 1989 – 2 AZR 325/88, NZA 1989, 719, Rn. 35 ff. (auch wenn das BAG diese Vorgehensweise durchaus krit. zu sehen scheint, vgl. Rn. 38 f.); BAG 10. 6. 1992 – 7 AZR 345/91, juris, Rn. 29 und 31; BAG 24. 10. 2001 – 7 AZR 620/00, BAGE 99, 223, Rn. 29 ff. 249 Dazu auch krit. APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 103; KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 66 ff.; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn. 755 ff.; Braun, ZTR 2007, 78, 79 f.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

trags.250 Der ursprünglich befristete Arbeitsvertrag und der mögliche Anschlussvertrag sind getrennt zu betrachten. Selbst bei einer Verlängerung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG muss es zu einer neuen Vereinbarung zwischen den beiden Parteien über die Änderung kommen, auch wenn dadurch nur der Beendigungszeitpunkt hinausgeschoben wird.251 Die Wirksamkeit der Befristung hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TzBfG objektiv vorlagen; es spielt für die Wirksamkeit der Befristung keine Rolle, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, mit dem Arbeitnehmer eine Vertragsverlängerung zu vereinbaren.252 Dies kann allenfalls einen Anspruch auf Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags begründen.253 Hat der Arbeitgeber ein Vertrauen darauf erzeugt, dass ein Anschlussvertrag abgeschlossen wird, ist ihm nicht vorwerfbar, dass er sich auf das Ende des ursprünglich befristeten Arbeitsvertrags „beruft“. Macht der Arbeitnehmer im Prozess das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bzw. die Unwirksamkeit der Befristung geltend, kann dies nicht mit einem Anspruch auf Abschluss eines neuen Vertrags bejaht werden. Ein Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags wirkt sich nicht auf die Beendigung eines wirksam vereinbarten befristeten Arbeitsvertrags aus.254 bb)  Kein Anspruch auf Vertragserfüllung durch ein Verschulden bei Vertragsschluss In seiner Entscheidung vom 13. 8. 2008 änderte das BAG seine Rechtsprechung mit einem Verweis auf die Entscheidung vom 26. 4. 2006255 dahin gehend, dass allein aus der Inanspruchnahme von Vertrauen kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung hergeleitet werden könne, da ein zu Unrecht enttäuschtes Vertrauen lediglich zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichte, aber keinen Erfüllungsanspruch gewähre.256 Im Grundsatz kann bei einer vorvertraglichen257 Pflichtverletzung im Sinne von §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB der Geschädigte gem. § 249 BGB verlangen, 250 

Vgl. BAG 19. 1. 2005 – 7 AZR 250/04, BAGE 113, 184, Rn. 37. Vgl. BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 14; Meinel/Heyn/Herms/ Meinel, § 14 TzBfG Rn. 280 f. 252  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 11. 253  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 11. 254 APS/Backhaus, § 17 TzBfG Rn. 76. 255  Siehe oben D.II.1.c); BAG 26. 4. 2006 – 7 AZR 190/05, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Wiedereinstellung. 256  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 18; noch offen gelassen, aber die Problematik bereits ansprechend BAG 17. 4. 2002 – 7 AZR 283/01, EzA § 620 BGB Nr. 191, Rn. 29. 257  Dies ist nicht gleichzusetzen mit dem Vorhandensein eines Vorvertrags. 251 

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte.258 Das BAG vertrat schon in anderen Entscheidungen vor 2008, dass die Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss nicht auf das Erfüllungsinteresse gehen könnten, sondern nur auf Ersatz des Schadens, der auf das Verhalten des anderen Vertragspartners zurückzuführen sei.259 Überwiegend wird jedoch vertreten, dass das Erfüllungsinteresse ausnahmsweise zu ersetzen sein könne.260 Das Erfüllungsinteresse darf allerdings nicht gleichgesetzt werden mit der Naturalrestitution; Vertragserfüllung und Schadensersatz sind zu differenzieren.261 Einen Anspruch auf Naturalrestitution, d. h. auf Vertragsschluss, hat der geschädigte Arbeitnehmer nicht,262 da ein solcher ohne entsprechende Willenserklärungen einen zu weit gehenden Kontrahierungszwang darstellen würde.263 Ein Kontrahierungszwang kann für den Arbeitgeber nicht damit begründet werden, dass der Arbeitnehmer auf den Vertragsabschluss zwingend angewiesen ist.264 Die „vertragsrechtliche Selbstbestimmung“ genießt Vorrang.265 Die Pflicht zum Abschluss eines Vertrags kann nur den Arbeitgeber treffen, der mit dem Arbeitnehmer einen auf den Vertragsschluss gerichteten Vorvertrag abgeschlossen oder der dem Arbeitnehmer einen bindenden Antrag gemacht hat.266 Daraus folgt, dass der Arbeitgeber ansonsten frei darin sein muss, ob er mit dem Arbeitnehmer einen weiteren Arbeitsvertrag abschließt. Liegen nach dem objektiven Empfän258 

Siehe oben B.II.4.; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 54 m. w. N. 10. 11. 1955 – 2 AZR 282/54, BAGE 2, 217 („Verlangt werden kann aber immer nur der Ersatz des Vertrauensschadens, nicht der Ersatz des Erfüllungsinteresses.“); vgl. auch LAG Berlin 16. 5. 1978 – 9 Sa 141/77, BB 1978, 1671; so auch und die Entscheidung des BAG vom 16. 3. 1989 – 2 AZR 325/88, NZA 1989, 719 dazu als widersprüchlich ansehend Schliemann/Schliemann, § 611 BGB Rn. 385. 260  Siehe oben B.II.4.; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 56 m. w. N.; Jauernig/Stadler, § 311 BGB Rn. 55 m. w. N.; MüKo/Emmerich, § 311 BGB Rn. 186. 261 Siehe oben B.II.4.; APS/Backhaus, 3. Aufl., § 15 TzBfG Rn. 108; vgl. BGH 29. 1. 1965 – V ZR 53/64, NJW 1965, 812, Rn. 12. 262 Siehe oben B.II.4.; vgl. BGH 27. 9. 1968 – V ZR 53/65, WM 1968, 1402; BGH 15. 4. 1981 – II ZR 105/80, WM 1981, 787; Palandt/Grüneberg, § 311 BGB Rn. 56; Staudinger/Bork, Vorbem. zu §§ 145 ff. BGB, Rn. 50 m. w. N.; APS/Backhaus, 3. Aufl., § 15 TzBfG Rn. 108; vgl. auch HK-ArbR/Tillmanns, § 15 TzBfG Rn. 15; a. A. HaKo-TzBfG/Joussen, § 15 TzBfG Rn. 98. 263 Siehe oben B.II.4.; vgl. Staudinger/Bork, Vorbem. zu §§ 145 ff. BGB, Rn. 50 m. w. N.; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 159 m. w. N.; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 145 m. w. N.; vgl. bei Formnichtigkeit Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 15 III 4 c) dd), S. 283 f. 264 Die zwingende Angewiesenheit des Vertragsinteressenten als Ausnahme in Betracht ziehend Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 150. 265  Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 143 m. w. N. 266 Vgl. Kaiser, JZ 1997, 448, 449. 259  BAG

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

gerhorizont keine übereinstimmenden Willenserklärungen vor, gibt es keinen Vertrag, der zu einem Erfüllungsanspruch führen kann. Die Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrags aufgrund eines Vorvertrags oder einer Option führt zu keinem Kontrahierungszwang, sondern es handelt sich um eine „privatautonom vereinbarte Abschlusspflicht“.267 Die Rechtsprechungsänderung ist also zu begrüßen, weil sie dem Grundsatz entspricht, dass Verträge nur durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen können.268 cc)  Fehlende Schutzlücke In der Literatur werden teilweise sowohl eine Zusage als auch ein Vertrauenstatbestand als mögliche Anspruchsgrundlagen auf Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags angesehen; liege eine Zusage nicht vor, komme ein Vertrauens­ tatbestand in Betracht.269 Zweifelhaft ist, ob ein solcher Rückgriff auf einen Vertrauenstatbestand notwendig ist oder ob nicht schon im Rahmen der Auslegung die Schutzwürdigkeit bzw. das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitnehmers hinreichend berücksichtigt wird.270 Die Rechtsgeschäftslehre lässt mit ihren Vertragsschluss- und Auslegungsregeln hinsichtlich dieser Problematik keine Schutzlücken offen, sodass die Vertrauenshaftung nicht ergänzend für die Begründung eines Anspruchs auf Weiterbeschäftigung herangezogen werden muss.271 Andererseits kann nach der Ansicht von Canaris bei der Inaussichtstellung eines zukünftigen Vertragsschlusses durch den Arbeitgeber durchaus ein solches Ergänzungsbedürfnis bestehen.272 Es fehle häufig an dem Willen des Arbeitgebers, sich vertraglich vorläufig zu binden. In solchen Fällen könnten die Lehre von der Vertrauenshaftung und vor allem das Institut der „Erwirkung“ gleichwohl zu einem Schutz der Arbeitnehmer führen. Zum einen ist fraglich, ob das von Canaris angeführte Beispiel der Inaussichtstellung einer Ruhegeld267  Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 113 m. w. N. Von einem „durch die Parteien begründeten Kontrahierungszwang“ spricht hingegen HBD/Mestwerdt, AnwaltKommentar, Bd. 1, § 611 BGB Rn. 329. 268  Schon vor 2008 hatte Backhaus dies kritisiert (APS/Backhaus, 3. Aufl., § 15 TzBfG Rn. 109 f. m. w. N.); siehe aktuell APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 108 m. w. N.; vgl. auch Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 BGB Rn. 159. 269  Z. B. KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 92; Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski, § 15 TzBfG Rn. 26 ff.; HaKo-TzBfG/Joussen, § 15 TzBfG Rn. 98 f.; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn. 759 ff.; so auch Braun, ZTR 2007, 78, 80. 270  Siehe oben B.III.; vgl. APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 108 m. w. N. 271  Vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 195 ff. m. w. N.; vgl. zur Ergänzungsfunktion auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 440 (siehe oben A. und B.III.). Eine originär rechtgeschäftliche Lösung vertritt auch Bayreuther, da im Regelfall aus dem Verhalten des Arbeitgebers eine konkludent erfolgte Zusage hergeleitet werden könne (BeckOK ArbR/Bayreuther, § 14 TzBfG Rn. 16). 272  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 402.

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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vereinbarung vergleichbar ist mit der eines weiteren Arbeitsvertrags nach Ende eines befristeten Vertrags. Zum anderen findet der Vertrauensschutz bei der Auslegung von Willenserklärungen gem. §§ 133, 157 BGB bereits Beachtung.273 Der Arbeitnehmer ist zudem nicht ganz schutzlos, wenn die Auslegung keine Willenserklärung des Arbeitgebers ergibt. Eine Schutzlücke hinsichtlich eines Vertragsabschlusses ist zwar zu verneinen, schutzwürdig erscheint aber zumindest das negative Interesse. Es bleibt bei der Möglichkeit eines Anspruchs auf Ersatz des Vertrauensschadens gem. §§ 280 I, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB.274 Hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber deswegen nicht genutzt, ist ihm der dort entgangene Verdienst von dem Arbeitgeber, der ihn nicht wieder einstellt, zu ersetzen.275 Auf diese Weise wird sowohl die negative Vertragsfreiheit des Arbeitgebers als auch das enttäuschte Vertrauen des Arbeitnehmers geschützt.276 Canaris spricht selbst davon, dass das Vertrauen auf ein freiwilliges zukünftiges Verhalten nur beschränkt schutzwürdig sei.277 Bei einem Vertragsschluss nach dem Ende eines wirksam befristeten Vertrags handelt es sich um ein solches freiwilliges zukünftiges Verhalten. Auf der anderen Seite wird dem „Grundsatz der Selbstverantwortung“278 ausreichend Rechnung getragen, wenn der Arbeitgeber zumindest in die Pflicht des Ersatzes des negativen Interesses genommen wird. Somit ist es nicht möglich, eine rechtsgeschäftliche Zusage zu verneinen, über den Weg der Vertrauenshaftung aber dennoch zur Pflicht, einen neuen Vertrag abzuschließen, zu kommen.279 Der grundsätzliche Vorrang der Rechtsgeschäftslehre beruht unter anderem darauf, dass der Rückgriff auf Treu und Glauben in die privatautonome Gestaltungsfreiheit der Parteien eingreift.280 Es muss eine „sorgfältige Abstimmung“ zwischen der Rechtsgeschäftslehre und der Lehre von 273  Siehe oben B.I.1.a)aa); „Vertrauensschutzelemente von Willenserklärungen“ (APS/ Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 108); MüKo/Busche, § 133 BGB Rn. 12 f. Canaris bezweifelt die wesentliche Rolle des Vertrauensgedankens in der Rechtsgeschäftslehre nicht, sieht in ihm aber nicht den tragenden Geltungsgrund für die Verbindlichkeit von Rechtsgeschäften (Vertrauenshaftung, S. 412 ff.). 274  Löwisch, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu BGB § 620 Saisonarbeit; so auch HaKo/Mestwerdt, § 15 TzBfG Rn. 48; siehe zudem oben B.III. 275  Löwisch, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu BGB § 620 Saisonarbeit. 276 Vgl. Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 150 m. w. N. 277  Canaris, Vertrauenshaftung, S. 402. 278 Vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 433. 279  So ging das BAG aber in seiner Entscheidung vom 16. 3. 1989 vor; dies auch kritisierend APS/Backhaus, 3. Aufl., § 15 TzBfG Rn. 109; vgl. auch Staudinger/Looschelders/ Olzen, § 242 BGB Rn. 196; a. A. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 426. 280 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 340 m.  w. N. Dieser Eingriff würde auch nicht durch die Möglichkeit einer leichteren Lösung von dieser Bindung entschärft, so aber Canaris, Vertrauenshaftung, S. 402.

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D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

der Vertrauenshaftung erfolgen, wenn aus dem Vertrauensgedanken Erfüllungsansprüche abgeleitet werden sollen.281 Eine solche Abstimmung führt hier dazu, dass allein über die Rechtsgeschäftslehre ein Anspruch auf Abschluss eines Anschlussvertrags bejaht werden kann. c)  Gleichbehandlungsgrundsatz Zu diskutieren ist zudem, ob sich eine Selbstbindung des Arbeitgebers durch eine Gleichbehandlung ergeben kann. Im Fall des BAG vom 13. 8. 2008282 wurde die Arbeitnehmerin zusammen mit 18 weiteren Arbeitnehmern eingestellt, mit denen gleichlautende Verträge abgeschlossen wurden. Diesen 18 Arbeitnehmern bot die Arbeitgeberin eine Vertragsverlängerung an. Die klagende Arbeitnehmerin erhielt hingegen kein derartiges Angebot. Das BAG ließ es für den Streitfall dahinstehen, ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz überhaupt Anspruchsgrundlage für den Abschluss eines – weiteren befristeten oder unbefristeten – Arbeitsvertrags sein kann.283 Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe sich jedenfalls keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Verlängerung eines wirksam sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit genieße Vorrang und der Sinn und Zweck von § 14 Abs. 2 TzBfG schließe eine solche Verpflichtung aus.284 Zum Teil wird in der Literatur bejaht, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Anspruchsgrundlage für den Abschluss eines Arbeitsvertrags sein kann.285 Der Arbeitgeber dürfe nicht willkürlich, d. h. ohne sachliche Gründe, einzelne Arbeitnehmer von einer Übernahme in ein Dauerarbeitsverhältnis oder in ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis ausnehmen.286 Für die Anwendbarkeit spreche ein Vergleich zu dem Fall, dass gekündigte Arbeitnehmer in größerer Zahl wiedereingestellt werden, dabei jedoch ein einzelner ohne sachlichen Grund ausgenommen wird.287 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine feste Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer; darüber hinaus gilt er vor Aufnahme und nach Beendigung des Ar281 

So auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 434. BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27. 283  Ebenfalls offen gelassen BAG 24. 6. 2015 – 7 AZR 541/13, NZA 2015, 1511, Rn. 61. 284  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 22. 285  U. a. KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 89; HK-ArbR/Tillmanns, § 15 TzBfG Rn. 16; Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski, § 15 TzBfG Rn. 23; Pallasch, RdA 2015, 108, 111; nur in „krassen Ausnahmefällen“ Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn. 765; Braun, ZTR 2007, 78, 81. 286 KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 89. 287 Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski, § 15 TzBfG Rn. 23. 282 

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

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beitsverhältnisses nicht.288 Im Fall des BAG vom 13. 8. 2008 bot die Arbeitgeberin den anderen Arbeitnehmern eine Vertragsverlängerung acht Tage vor dem Ablauf des ersten Vertrags an. In dem Moment, in dem die Arbeitgeberin den anderen Arbeitnehmern das Angebot zur Verlängerung machte, bestand also noch ein Arbeitsverhältnis bzw. eine feste Rechtsbeziehung zwischen den beiden Parteien, auch wenn diese nur noch wenige Tage andauerte.289 Ein solches Angebot für eine Verlängerung wird in der Regel kurz vor Ablauf des ersten Vertrags erfolgen und nicht erst danach.290 Die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist also nicht generell mit dem Argument einer fehlenden Rechtsbeziehung zwischen den Parteien zu verneinen.291 Als Argument für die Ablehnung eines Anspruchs auf Weiterbeschäftigung aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch ein Erst-Recht-Schluss aus dem AGG genannt: Wenn schon das AGG bei einem Verstoß gegen die speziellen Diskriminierungsgebote keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses gewähre, dann gelte dies erst recht für den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.292 Indes gibt es, auch wenn das AGG als spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes bezeichnet werden kann, erhebliche Unterschiede, die einen Erst-Recht-Schluss ausschließen.293 Sie haben unter anderem eigene Aufgaben und Rechtsfolgen.294 Unabhängig davon lassen sich aber überwiegend Argumente gegen die Begründung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz finden.295 Die Anwendbarkeit ist vor allem mit dem Argument des Vorrangs der Vertragsfreiheit abzuweisen.296 Der Arbeitgeber ist grundsätzlich frei darin, ob und mit wem er einen Arbeitsvertrag abschließen will.297 Ausnahmsweise unterliegt diese Freiheit Beschränkungen.298 Eine solche kann aber nicht für die vorliegende

288 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 578; u. a. aus diesem zeitlichen Grunde die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes ablehnend APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 112. 289  Siehe auch Strecker, RdA 2009, 381, 383. 290  Strecker, RdA 2009, 381, 383. 291  So auch Strecker, RdA 2009, 381, 383. 292 APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 112; siehe auch Strecker, RdA 2009, 381, 385. 293  Siehe zu den Unterschieden MüKo/Thüsing, § 1 AGG Rn. 4 ff. 294 MüKo/Thüsing, § 1 AGG Rn. 6. 295  Bei öffentlichen Arbeitgebern herrscht Einigkeit über die Nichtanwendbarkeit aufgrund des Art. 33 Abs. 2 GG (APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 112). 296  Zum Vorrang der Vertragsfreiheit siehe oben B.II.3. 297 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 311; Schaub/Linck, § 32 Rn. 9; Strecker, RdA 2009, 381, 383 m. w. N. 298 Schaub/Linck, § 32 Rn. 9 f. m. w. N.; Strecker, RdA 2009, 381, 383 m. w. N.

284

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

Situation gelten.299 Die Abschlussfreiheit des Arbeitgebers ist hinsichtlich einer Neubegründung eines weiteren Vertrags nicht geringer als beim Erstabschluss.300 Insbesondere ein Vergleich zur Wiedereinstellung betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer ist nicht zulässig.301 Im Gegensatz zum Kündigungsrecht existiert ein Wiedereinstellungsanspruch bei Wegfall des Grundes im Befristungsrecht nicht.302 Im Vergleich zum unbefristeten Arbeitsverhältnis genießt der befristet beschäftigte Arbeitnehmer zudem einen geringeren arbeitsvertraglichen Bestandsschutz.303 Solange der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht durch sein Verhalten Vertrauen in eine Weiterbeschäftigung hervorruft, weiß der Arbeitnehmer, dass er bei einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse seinen Arbeitsplatz verlieren wird und dass sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Befristung frei entscheiden kann, mit wem er einen neuen Vertrag schließt.304 Nur in „krassen Ausnahmefällen“ einen Vertragsschluss über den Gleichbehandlungsgrundsatz anzunehmen,305 schafft Rechtsunsicherheit und erscheint inkonsequent. Das BAG verneinte einen Anspruch auf Verlängerung des wirksam sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags mit dem Sinn und Zweck von § 14 Abs. 2 TzBfG, der es gerade ermöglichen wolle, dass der Arbeitgeber frei und ohne Bindung an sachliche Gründe entscheiden könne, ob er den befristet beschäftigten Arbeitnehmer nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit weiterbeschäftige.306 Aus der Argumentation des BAG darf nicht voreilig gefolgert werden, dass der 299 

Strecker, RdA 2009, 381, 384. § 15 TzBfG Rn. 112; Horcher, RdA 2014, 93, 98. 301  Strecker, RdA 2009, 381, 384. 302 BAG 20.  2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896; Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 67; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 326; Moll/Plum, MAH ArbR, § 41 Rn. 141 f.; Strecker, RdA 2009, 381, 384 m. w. N.; a. A. bei einer Sachgrundbefristung KR/Bader, § 17 TzBfG Rn. 83 f.; dem zust. Däubler/Deinert/Zwanziger/Wroblewski, § 15 TzBfG Rn. 21 a. 303 Siehe oben A. und D.I.4.; BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, Rn. 26; Meinel/Heyn/Herms/Meinel, § 14 TzBfG Rn. 67; HaKo/Mestwerdt, § 15 TzBfG Rn. 42; Moll/Plum, MAH ArbR, § 41 Rn. 142; Strecker, RdA 2009, 381, 384. 304  BAG 20. 2. 2002 – 7 AZR 600/00, NZA 2002, 896, Rn. 26; HaKo/Mestwerdt, § 15 TzBfG Rn. 42; Moll/Plum, MAH ArbR, § 41 Rn. 142. 305  So Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, Rn. 765; Braun, ZTR 2007, 78, 81. 306  BAG 13. 8. 2008 – 7 AZR 513/07, NZA 2009, 27, Rn. 23; dem BAG hinsichtlich der Argumentation des Sinn und Zwecks von § 14 Abs. 2 TzBfG folgend APS/Backhaus, § 15 TzBfG Rn. 112; Strecker, RdA 2009, 381, 384; Diller, FD-ArbR 2009, 273640 („Kündigungsschutz zweiter Klasse“); Grobys/von Steinau-Steinrück, NJW-Spezial 2009, 52 („zusätzliche Hürden über die Hintertür“); a. A. HK-ArbR/Tillmanns, § 15 TzBfG Rn. 16 (Für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei gerade typisch, dass der Arbeitgeber in seiner Entscheidung, bestimmte Vorzüge zu gewähren, grundsätzlich frei sei und der Gleichbehandlungsgrundsatz der Kontrolle diene, ob der Arbeitgeber diese Freiheit nicht sachwidrig ausnutze.); Pallasch, RdA 2015, 108, 111. 300 APS/Backhaus,

II.  Selbstbindung hinsichtlich einer Weiterbeschäftigung

285

Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 TzBfG im Gegensatz zu Abs. 2 nicht gegen eine Verlängerungspflicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz spricht. Der Fall des BAG betraf nur ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis, es bestand also kein Anlass, sich zu § 14 Abs. 1 TzBfG zu äußern. Auch wenn § 14 Abs. 2 TzBfG eine erleichterte Befristungsmöglichkeit darstellt und zwischen den beiden Absätzen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht, ist eine Sachgrundbefristung nach Abs. 1 dennoch ebenfalls von Flexibilität und gesetzgeberischer Großzügigkeit geprägt.307 Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes würde zu einem Widerspruch zur grundsätzlich geltenden „materiellen Flexibilität im Befristungsrecht“308 führen.309 Auch das wieder mehr zu fokussierende Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen einem unbefristeten und einem befristeten Arbeitsverhältnis310 erfordert keine Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Bei der Frage, ob der Arbeitnehmer befristetet oder unbefristet eingestellt wird, wird die Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes mit dem Argument abgelehnt, dass er generell bei den Einstellungsmodalitäten aufgrund des Vorrangs vertragsrechtlicher Gestaltungsfreiheit keine Rolle spielen könne.311 Den Arbeitgeber zu verpflichten, einen unbefristeten Vertrag statt eines befristeten Vertrags abzuschließen oder ihn zu verpflichten, überhaupt nach einem sachgrundbefristeten Vertrag einen weiteren Vertrag abzuschließen, ist ein erheblicher Unterschied: Letzteres stellt einen viel intensiveren Eingriff in die unternehmerische Freiheit und in die Vertragsfreiheit dar.312 Dies spricht dafür, dass hier der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz erst recht nicht gelten darf. 3.  Ergebnis Allein aufgrund eines Rechtsgeschäfts kann ein Anspruch auf den Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags nach dem Ende eines wirksam befristeten Arbeitsverhältnisses entstehen. Die Korrektur der Rechtsprechung durch das BAG war also notwendig. Je nach Einzelfall kann in der rechtsgeschäftlichen Zusage einer Vertragsfortsetzung ein Vorvertrag oder ein Optionsrecht liegen. Wenn noch 307 Vgl.

Preis, NZA 2005, 714. Preis, NZA 2005, 714, 715; von „inhaltlicher Flexibilität“ spricht auch Greiner, NZA-Beil 2011, 117. 309 Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aufgrund des Sinn und Zwecks des § 14 Abs. 1 TzBfG und allgemeiner Grundsätze im Befristungsrecht ebenfalls ablehnend Strecker, RdA 2009, 381, 384 f.; Horcher, RdA 2014, 93, 98. 310  Siehe oben D.I.1.b)cc)(1). 311  BAG 19. 8. 1992 – 7 AZR 560/91, AP Nr. 2 zu HRG § 57b; APS/Backhaus, § 14 TzBfG Rn. 64 m. w. N. 312  Von einer „unzumutbaren Einschränkung der unternehmerischen Freiheit“ spricht auch Strecker, RdA 2009, 381, 385. 308 

286

D.  Selbstbindung des Arbeitgebers im Befristungsrecht

nicht alle Einzelheiten geklärt sind, spricht dies für einen Vorvertrag. Abzugrenzen ist die Situation von § 15 Abs. 5 TzBfG. Auch durch ein Verhalten gegenüber einem Kollektiv, d. h. durch betriebliche Übung (insbesondere im Saisongewerbe vorkommend), kann ein Anspruch auf Abschluss eines weiteren Vertrags entstehen. Nicht übertragbar ist die Rechtsprechung zu Wiedereinstellungsansprüchen nach betriebsbedingten Kündigungen. Vergleichbar ist hingegen die Situation, dass nach Kündigungen in der Vergangenheit immer eine Neueinstellung erfolgte. Bei der Auslegung einer Willenserklärung seitens des Arbeitgebers auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags, sind gekündigte und befristete Arbeitnehmer gleichermaßen schutzwürdig. Für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung besteht eine Schutzlücke allenfalls für einen Ersatz des Vertrauensschadens. Ein Anspruch auf Abschluss eines weiteres Vertrags kann weder Auswirkungen auf die Wirksamkeit des vorherigen befristeten Vertrags haben, noch kann er aufgrund von Vertrauenshaftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss begründet werden. Als Schadensersatz eine Vertragsschlusspflicht anzunehmen würde einen zu weitgehenden Kontrahierungszwang darstellen. Sowohl der Vorrang der Vertragsabschlussfreiheit als auch Sinn und Zweck des gesamten § 14 TzBfG sprechen gegen die Begründung eines Anspruchs auf Weiterbeschäftigung durch den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz.

E.  Gesamtergebnis E.  Gesamtergebnis

Insgesamt lässt sich keine besondere Anfälligkeit im Kündigungs- und Befristungsrecht für außerrechtsgeschäftliche Vertrauenstatbestände feststellen.1 Die soziale Schutzwürdigkeit und die strukturelle rechtliche Unterlegenheit der Arbeitnehmer als Vertragspartner und der Charakter eines Arbeitsverhältnisses als eine auf dauernden Leistungsaustausch mit personenbezogener Bindung angelegte besondere Vertrauensbeziehung sind zwar Umstände, die schon bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen sind. Sie führen aber weder dazu, dass immer von einem Bindungswillen des Arbeitgebers auszugehen ist, noch dazu, dass bei einer Ablehnung von Willenserklärungen automatisch von einer Schutzlücke für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung ausgegangen werden muss. Dass den Mittel- bzw. Schwerpunkt des Kündigungs- und Befristungsrecht der Bestandsschutz bildet2 und es insbesondere dort zu Situationen kommen kann, die den meist unterlegenen Arbeitnehmer auf den ersten Blick schutzwürdig erscheinen lassen, weil es um die Schaffung und Erhaltung seiner Existenzgrundlage geht, schreibt keine andere Vorgehensweise vor. Diese besonderen Umstände fließen zwar in die Überlegungen ein, führen aber nicht zu einer Generalisierung; es bleibt bei einer Einzelfallprüfung.3 Die Überprüfung der verschiedenen Fallgruppen hat ergeben, dass auch im Kündigungs- und Befristungsrecht der Vorrang der Rechtsgeschäftslehre und die reine lückenausfüllende Ergänzungsfunktion der Vertrauenslehre ernst zu nehmen sind. Eine Strenge bei der Prüfung, ob eine Willenserklärung und mit welchem Inhalt sie existiert, darf auf der anderen Seite nicht wieder durch einen Rückgriff auf die außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung ausgehebelt werden. Vielmehr sind Konstellationen denkbar, in denen grundsätzlich weder eine rechtsgeschäftliche noch eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung gegeben ist.4

1  Die in der Einleitung dargestellte Ansicht Kettlers (NZA 2001, 928) ist also hinsichtlich des Kündigungs- und Befristungsrechts widerlegt, siehe oben A. 2  Siehe A. und D.I.4. 3  Siehe z. B. C.I.1.a)aa)(5); C.I.2.b)bb)(1)(b); C.II.3.a)cc)(2); C.II.3.b)bb). 4 Siehe z.  B. eine abzulehnende Selbstbindung hinsichtlich gleichartiger Pflichtverletzungen in der Zukunft durch das Absehen von Kündigungen gegenüber demselben Arbeitnehmer (C.I.1.b)) oder durch die Erteilung eines positiven Zwischenzeugnisses hinsichtlich des Kündigungsrechts (C.III.).

288

E.  Gesamtergebnis

Die grundsätzliche Unterlegenheit des Arbeitnehmers bedeutet nicht, dass auf Seiten des Arbeitgebers keine schutzwürdigen Interessen zum Vorschein kommen können und dass ein Arbeitnehmer deswegen grundsätzlich blind vertrauen darf. Vielmehr ist das Hauptziel bei der Feststellung einer Selbstbindung, sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerinteressen ausreichend zu berücksichtigen. Dazu gehört es, dass der wirkliche Wille des Arbeitgebers nicht vollkommen in den Hintergrund gedrängt werden darf. Sowohl im Kündigungs- als auch im Befristungsrecht geht es speziell um einen Ausgleich der Vertragsbeendigungsfreiheit des Arbeitgebers und des Bestandsschutzes für den Arbeitnehmer. Liegt tatsächlich ein Kündigungs- oder Befristungsgrund vor, muss der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt sein, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen oder einen befristeten Vertrag abzuschließen bzw. auslaufen zu lassen. Im Kündigungsrecht ist einzukalkulieren, dass der Arbeitnehmer vor allem durch das grundsätzliche Erfordernis einer Abmahnung, die wiederum einen Verzicht auf das Kündigungsrecht hinsichtlich des abgemahnten Sachverhalts darstellt,5 und generell durch das KSchG bereits wesentlich geschützt wird.6 Im Befristungsrecht, das geprägt ist von Flexibilität und gesetzgeberischer Großzügigkeit,7 besteht ein geringerer gesetzlicher Schutz. Bei der Interessenabwägung im Rahmen der Auslegung sollte aber das eigentlich beabsichtigte Regel-Ausnahme-Verhältnis von befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen beachtet werden.8 Auch wenn bei einem befristeten Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer einen geringeren Besitzstand bzw. Bestandsschutz erwirbt, ist eine Schutzwürdigkeit im Rahmen der Auslegung insofern zu berücksichtigen, dass ihm die Möglichkeit eines Aufbaus eines solchen auf Dauer angelegten Bestands durch eine wirksame Befristung genommen wird.9 Insbesondere bei der Vereinbarung von Befristungen ist eine schwache Verhandlungsposition von Arbeitnehmern anzunehmen.10 Es bleibt dabei, dass die Anforderungen an einen konkludenten Verzicht streng zu handhaben sind.11 Bei der Angabe von Kündigungsgründen als auch bei der Angabe von Befristungsgründen sollte die zurückhaltende Annahme einer rechtsgeschäftlichen Selbstbindung allerdings gelockert werden.12 Die Anforderungen können gesenkt werden, wenn den Arbeitgeber weniger harte Folgen 5  Siehe

oben C.I.1.a)aa)(3). z. B. C.I.2.b)bb)(1)(b). 7  Siehe D.II.2.c). 8  Siehe z. B. D.I.1.b)cc)(1). 9  Siehe zu dieser Schutzwürdigkeit D.I.4. 10  Siehe D.I.1.b)cc)(1). 11  Siehe z. B. B.I.1.a); B.II.2.b); C.I.1.a)aa)(5); C.I.2.b)bb)(1)(b); C.II.3.a)cc)(2); C.III.1. 12  Siehe D.I.4. 6  Siehe

E.  Gesamtergebnis

289

treffen, wie im Fall des Verzichts nur auf das Nachschieberecht im Vergleich zu einem Verzicht auf das Kündigungsrecht.13 Eine Willenserklärung im Sinne eines Verzichts kommt eher in Betracht, wenn der Arbeitgeber sich in irgendeiner Weise aktiv äußert, als wenn er dies unterlässt.14 Da das Arbeitsverhältnis aber eine besondere Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien darstellt, können sich Ausnahmen vom Grundsatz „Schweigen ist keine Willenserklärung“ ergeben und Arbeitgeber können Obliegenheiten treffen, sich irgendwie zu äußern.15 Insgesamt ist zu berücksichtigen, dass in den untersuchten Fällen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Raum steht und daher vom Arbeitgeber höhere Sorgfalt verlangt werden kann, wie er sich gegenüber dem Arbeitnehmer verhält. Auf der anderen Seite führt dies aber nicht zu einem verringerten Auslegungssorgfaltsmaßstab für den Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer muss sich insbesondere im Kündigungs- und Befristungsrecht aber auf den Wortlaut verlassen können.16 Der Arbeitgeber hat es in der Hand, sich deutlicher auszudrücken.17 Insbesondere bei der Verwendung von AGB trägt er diese Verantwortung.18 Wird ein Wille nach den Auslegungsgrundsätzen, auch ohne das Vorliegen eines tatsächlichen Willens, bestätigt, ist allerdings darauf zu achten, dass es zu keiner unbilligen Schlechterstellung des Arbeitgebers kommt, sondern zu einer Interessen ausgleichenden Lösung, bei der beide Seiten Vor- und Nachteile tragen müssen.19 Die Selbstbestimmung des Arbeitgebers wird z. B. unter Umständen durch eine Anfechtungsmöglichkeit geschützt, wenn dem Arbeitgeber der Beweis für seinen Irrtum gelingt.20 13 

Siehe z. B. C.II.3.b). Ausspruch einer ordentlichen Kündigung liegt ein Verzicht auf eine außerordentliche (C.I.1.a)aa)(2)). In der Abmahnung und Ermahnung liegen Verzichte auf das ordentliche und außerordentliche Kündigungsrecht (C.I.1.a)aa)(3) und (4)). In der Zurückweisung der Arbeitnehmerkündigung kann ein konkludenter Verzicht auf das eigene Kündigungsrecht liegen (C.I.1.a)bb)(3)(a)). Die „Rücknahme“ einer ersten Kündigung und eine Versetzung können ebenfalls deutliche Anhaltspunkte für einen Verzicht sein (C.I.1.a)bb) (3)(c)). 15  Den Arbeitgeber trifft eine Obliegenheit, sich bei Kenntnis von einer Pflichtverletzung irgendwie zu äußern, wenn er diese nicht gutheißt (C.I.1.a)aa)(5) und C.I.2.b)bb) (1)(b)). Vom Arbeitgeber kann zudem erwartet werden, zumindest irgendwie anzudeuten, dass er sich auf die anderen ihn bekannten Gründe zur Begründung dieser Kündigung später noch berufen könnte und sich nicht auf die bereits genannten Gründe beschränken wollte (C.II.3.b)bb)(1)). 16  Siehe z. B. bei der Angabe einer Befristungsgrundlage (D.I.1.b)cc)(1)). 17  Siehe z. B. C.I.2.b)bb)(1)(b); C.IV.2.b)bb)(3); D.I.1.b)cc)(1). 18  Siehe z. B. bei der Angabe einer Befristungsgrundlage (D.I.1.c)). 19  Siehe z. B. beim Auswechseln oder Ergänzen von Kündigungsgründen C.II.3b)cc). 20  Sowohl bei der Abmahnung als auch bei einem konkludenten Verzicht durch reine Nichtausübung ist eine Anfechtungsmöglichkeit wegen eines beachtlichen Rechtsfolgen­ irrtums oder wegen fehlenden Erklärungsbewusstseins zu beachten (C.I.1.a)aa)(3)(d) und 14 Im

290

E.  Gesamtergebnis

Schutzlücken für eine außerrechtsgeschäftliche Selbstbindung sind in den untersuchten Fallgruppen meistens zu verneinen. Die Eigenständigkeit und Notwendigkeit der Lehre der Vertrauenshaftung sollen dadurch nicht generell in Frage gestellt und in der Rechtsgeschäftslehre aufgelöst werden. Es ist nur speziell für die gewählten Fallgruppen im Kündigungs- und Befristungsrecht eine Ergänzungsnotwendigkeit durch die Vertrauenshaftung in der Regel nicht erkennbar. Eine Gefahr von konstruierten, fiktiven Willenserklärungen ist dabei nicht zu befürchten.21 Willenserklärungen werden nicht vorschnell bejaht, sondern einer strengen Prüfung unterzogen. Für die allgemeine Figur des venire contra factum proprium fehlt es in allen Fallgruppen an einem Bedürfnis, entweder weil bereits grundsätzlich eine rechtsgeschäftliche Selbstbindung bejaht werden kann22 oder weil die grundsätzlich fehlende Schutzwürdigkeit bei der rechtsgeschäftlichen Auslegung zu einer fehlenden Schutzwürdigkeit im Rahmen des widersprüchlichen Verhaltens führt.23 Auch für den Spezialfall der Verwirkung bedarf es außerhalb von § 626 Abs. 2 BGB – der einen gesetzlich geregelten Ausnahmefall des Regel-Ausnahme-Verhältnisses rechts- und außerrechtsgeschäftlicher Selbstbindung darstellt, den Vorrang der Rechtsgeschäftslehre aber nicht aushebelt –24 meist keines Rückgriffs.25 Ansonsten gilt im Kündigungsrecht: Liegt ein bewusstes langandauC.I.1.a)aa)(5)). Fehlt dem Arbeitgeber bei der Angabe von Kündigungsgründen das Bewusstsein, einen Verzicht auf sein Nachschieberecht zu erklären, so ist eine Anfechtung möglich (C.II.3b)bb)(1)). Der Irrtum darüber, dass eine Konzernversetzungs- oder Abordnungsklausel konkludent eine Weiterbeschäftigungs- bzw. Bemühenspflicht enthält, stellt einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum dar (C.IV.2.b)bb)(3)). Bei der Angabe von Befristungsgrundlagen ist unter Umständen eine Anfechtung der Abbedingungserklärung möglich (D.I.1.b)dd)). 21  Flume befürchtet, dass die alleinige Heranziehung der Rechtsgeschäftslehre die Gefahr einer Fiktion von Verzichtserklärungen mit sich bringen würde (Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. II, § 10 3, S. 123 ff.). 22  Siehe beim Absehen von einer Kündigung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer bei demselben Kündigungssachverhalt (C.I.1.a)bb)(3)); siehe bei Amnestieregelungen (C.I.2.a)aa)(2)); siehe beim Absehen von einer Kündigung gegenüber mehreren Arbeitnehmern bei nicht zeitgleichen Sachverhalten (C.I.2.b)bb)(2)); siehe bei der Angabe von Kündigungsgründen hinsichtlich des Nachschieberechts (C.II.4.d)ee)); siehe bei der Weiterbeschäftigungspflicht im Konzern durch eine tatsächliche Beschäftigung in einem anderen Unternehmen (C.IV.2.c)bb)); siehe bei der Angabe einer Befristungsgrundlage (D.I.2.). 23  Siehe beim Absehen von einer Kündigung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer bei gleichartigen Pflichtverletzungen in der Zukunft (C.I.1.b)) und siehe bei der Fallgruppe der Selbstbindung durch ein Zwischenzeugnis unter der Annahme einer rechtsgeschäftlichen Komponente (C.III.2.b)). 24  Siehe C.I.1.a)bb)(2)(a) und C.II.4.a). 25  Siehe bei der Fallgruppe des Absehens von einer Kündigung gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer bei demselben Kündigungssachverhalt (C.I.1.a)bb)(2)(b)cc)) und bei

E.  Gesamtergebnis

291

erndes Nichtausüben vor, ist entweder ein konkludenter Verzicht anzunehmen oder es ist weder von einem Verzicht noch von einer Verwirkung aufgrund fehlenden schutzwürdigen Vertrauens auszugehen.26 Die Fallgruppen haben bestätigt, dass aufgrund der Forderung nach der Kenntnis vom eigenen Recht und der Lehre des potenziellen Erklärungsbewusstseins für die Verwirkung kaum ein Erfordernis besteht.27 Es hat sich zudem bestätigt, dass eine Schutzlücke vor allem dann in Betracht kommt, wenn ein Wille eigentlich bejaht werden könnte, die Willenserklärung aber aus anderen Gründen unwirksam ist, wie im Fall unwirksamer AGB.28 Der Eingriff in die Handlungsfreiheit des Arbeitgebers ist dann dadurch gemildert, dass hinter der unwirksamen Willenserklärung der ursprüngliche Geltungswille des Arbeitgebers steht.29 Ansonsten ist ein Rückgriff dort möglich, wo es nicht auf ein konkretes Vertrauen ankommt, wie im Fall des im „überpositiven Ideal der Gerechtigkeit“30 wurzelnden Gleichbehandlungsgrundsatzes,31 oder wenn es sich z. B. nur um eine Wissenserklärung handelt.32 Dem Ausnahmecharakter angemessen ist in den untersuchten Fallgruppen eine „Treuwidrigkeit aus anderen Gründen“ nicht annehmbar.33 Ebenso hat sich bestätigt, dass grundsätzlich nur das negative Interesse und nicht das positive Interesse bei einem vorvertraglichen Schuldverhältnis schützenswert ist, und selbst Ausnahmen nie zu einem Kontrahierungszwang führen können.34 Verhalten gegenüber nur einem Arbeitnehmer und solches gegenüber mehreren Arbeitnehmern ist grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu behandeln, der Angabe von Kündigungsgründen hinsichtlich des Kündigungsrechts (C.II.4.b)) und hinsichtlich des Nachschieberechts (C.II.4.c)dd)). 26  Siehe bei der Nichtausübung des ordentlichen Kündigungsrechts gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer (C.I.1.a)bb)(2)(b)(cc)(β)) und bei der Nichtausübung eines Nachschieberechts (C.II.4.c)dd)). 27  Siehe die Vermutung aus B.III. 28  Siehe in Einleitung B.III.; bestätigt in der Fallgruppe der Weiterbeschäftigung im Ausland C.IV.1.a) und im Konzern C.IV.2.c)aa) und bei der Selbstbindung durch die Angabe einer Befristungsgrundlage D.I.2. 29  Siehe C.IV.2.c)aa). 30  Siehe oben B.II.3. 31 Siehe bei Verfahrensrichtlinien C.I.2.a)bb); bei herausgreifenden Kündigungen C.I.2.b)aa)(2) und bei einer Weiterbeschäftigungspflicht im Ausland C.IV.1.c)bb) oder im Konzern C.IV.2.c)cc). 32  Siehe z. B. bei einem Zwischenzeugnis C.III.1, da allerdings i. E. die Schutzwürdigkeit auch im Rahmen einer außerrechtsgeschäftlichen Selbstbindung abgelehnt. 33  Siehe eine Ablehnung oben C.II.4.d)dd) und ee) und C.III.2.b). 34  Siehe B.II.4. und B.III.; bestätigt in D.II.2.b)bb): Mit der cic-Haftung kann keine Weiterbeschäftigungspflicht nach einer Befristung begründet werden, sondern allenfalls ein Ersatz des Vertrauensschadens.

292

E.  Gesamtergebnis

es ergeben sich aber Besonderheiten: Bei einem Verhalten gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern ist von einer gesteigerten Schutzwürdigkeit des Vertrauens auszugehen. Diese ist bereits bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen.35 Aber auch außerrechtsgeschäftlich gibt es hier die Besonderheit, dass es zu einem Rückgriff auf den Gleichbehandlungsgrundsatz kommen kann, wenn es um zeitgleiche Sachverhalte bzw. das Aufstellen einer Regel geht,36 solange nicht der Vorrang der Vertragsabschlussfreiheit oder gesetzliche Wertungen entgegenstehen.37 Insgesamt sollte bei den Bestandsschutz betreffenden Kündigungen und Befristungen auf Seiten des Arbeitgebers in der Praxis darauf geachtet werden, dass es zu einer deutlichen Artikulierung des wirklichen Willens kommt, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Um eine solche Deutlichkeit zu fördern, ist insbesondere über die Einführung von Zitiergeboten und/oder einer Anhörungspflicht des Arbeitnehmers nachzudenken, die keine überhöhten Anforderungen an den Arbeitgeber stellen und von denen im Endeffekt beide Vertragsparteien profitieren.38

35  Siehe beim Absehen von einer Kündigung in der Vergangenheit bei anderen Arbeitnehmern bei nicht zeitgleichen Sachverhalten C.I.2.b)bb)(1)(b); siehe auch schon B.I.3.b). 36 Siehe bei Verfahrensrichtlinien C.I.2.a)bb); bei herausgreifenden Kündigungen C.I.2.b)aa)(2) und bei einer Weiterbeschäftigungspflicht im Ausland C.IV.1.c)bb) oder im Konzern C.IV.2.c)cc). 37  Siehe generell bei der Weiterbeschäftigung nach einer Befristung D.II.2.c); bei der Weiterbeschäftigung im Rahmen einer Kündigung im Ausland und Konzern, nur wenn keine AGB vorliegen C.IV.1.c)bb) und C.IV.2.c)cc). 38  Siehe zur Angabe eines Kündigungsgrundes C.II.7. und zur Angabe einer Befristungsgrundlage D.I.3.

Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis

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Sachverzeichnis Sachverzeichnis

Abbedingung  25, 214, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 246, 247, 248, 249, 252, 254, 255, 256, 257, 258, 260, 261, 264, 266, 268, 269 Abbedingungserklärung  269

239, 253, 259,

Abhängigkeit  20, 82 Abmahnung  67, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 89, 91, 92, 93, 94, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 115, 117, 134, 137, 185, 190, 191, 193, 288 Abordnung  229

205, 212, 213, 214, 216, 224,

Abordnungsklausel  211, 212, 213, 214, 221, 224, 232, 233 Absichtserklärung  204, 272 Abwägung  27, 28, 31, 104 AGB  25, 30, 31, 32, 33, 38, 39, 40, 41, 43, 62, 63, 64, 110, 113, 118, 193, 194, 207, 213, 217, 221, 222, 233, 254, 255, 257, 258, 259, 261, 266, 267, 269, 289, 291 Amnestieregelungen 

97, 101, 102, 117

Änderungskündigung  Änderungsvertrag  Androhung 

38, 98, 192

38, 241

73, 94, 100

Arbeitgeberwechsel  229, 233

205, 207, 209, 210,

Arbeitnehmerkündigung  Arbeitnehmerschaft 

88, 96, 176

41, 44, 97, 114

Arbeitnehmerüberlassung  Arbeitskräfteüberhang  Ausland 

199, 205

167, 191

192, 193, 194, 195, 196, 221

Auslauffrist  68, 69, 95, 201 Auslegung  22, 25, 26, 27, 28, 30, 31, 32, 34, 40, 41, 42, 44, 57, 60, 63, 64, 69, 86, 87, 90, 96, 106, 110, 114, 116, 119, 124, 125, 131, 132, 133, 135, 138, 139, 140, 142, 143, 144, 155, 164, 169, 178, 181, 186, 187, 191, 194, 205, 206, 207, 209, 210, 211, 217, 224, 225, 232, 241, 242, 243, 244, 247, 248, 249, 250, 251, 254, 255, 256, 257, 259, 260, 263, 266, 268, 269, 272, 275, 280, 281, 286, 287, 288, 290, 292 Auslegungssorgfalt  37, 63, 243, 246, 289 Ausschlussfrist  68, 81, 82, 85, 96, 146, 147, 148, 155, 182 außerbetrieblich  183

166, 167, 168, 169, 170,

Anhörungspflicht  172, 177, 178, 179, 180, 183, 267, 270, 292

außerrechtsgeschäftlich  21, 22, 23, 24, 25, 35, 36, 37, 42, 45, 46, 47, 49, 51, 53, 55, 56, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 78, 79, 94, 96, 99, 102, 103, 104, 107, 115, 117, 119, 120, 131, 133, 137, 145, 164, 170, 181, 186, 187, 188, 193, 195, 199, 208, 213, 220, 221, 222, 224, 228, 232, 260, 261, 267, 269, 277, 286, 287, 290, 292

Arbeitgeberverhalten  21, 24, 40, 42, 242

Ausübungsschranke 

Anfechtung  29, 62, 75, 80, 141, 153, 165, 181, 214, 251, 252, 253, 254, 258 Anfechtungsrecht  239, 251, 258

29, 78, 80, 153, 214,

Anhörung  122, 123, 124, 126, 165, 171, 177, 178, 179, 180, 230

48, 82

Sachverzeichnis

311

Auswechseln  121, 126, 127, 131, 142, 145, 156, 157, 161, 162, 182, 261

Dauerschuldverhältnis 

Befristunsgrund  235, 237, 238, 239, 240, 241, 242, 243, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 256, 257, 260, 261, 262, 264, 266, 267, 268, 270, 288

Direktionsrecht 

Begleitumstände  28, 32, 39, 41, 63, 110, 194, 215, 217, 243

Durchsetzungsmacht  201, 202, 207, 208, 209, 210, 212, 214, 218, 230, 231, 232

Begründungsobliegenheit  175, 183

171, 172, 174,

Begründungszwang  118, 130, 131, 132, 172, 173, 174 Bemühenspflicht  232, 233

211, 214, 226, 231,

Beschäftigungsmöglichkeit  167, 203, 204, 205, 212, 215, 220, 227 Bestandsschutz  20, 178, 228, 231, 262, 265, 268, 269, 270, 276, 284, 287, 288, 292 Betriebliche Übung  38, 39, 40, 41, 42, 43, 63, 109, 113, 115, 195, 217, 218, 223, 232, 274, 275, 286 Betriebsbedingte Kündigung  88, 128, 129, 158, 161, 163, 166, 167, 170, 171, 177, 178, 191, 193, 195, 196, 198, 199, 201, 204, 207, 210, 211, 212, 214, 216, 217, 218, 220, 221, 225, 226, 276, 284, 286 Betriebsrat  44, 83, 122, 123, 124, 125, 126, 129, 165, 168, 169, 178, 180, 193, 229, 230, 233 Betriebsratsanhörung  122, 124, 180 Betriebsvereinbarung  38, 43, 44, 63, 100, 101, 102, 117, 118, 131, 200 Beweislast  97, 121, 167, 168, 170, 171, 179, 183, 200, 267 Bezugnahmeklausel  Bindungswille  287

248, 269

22, 41, 57, 132, 212, 250,

Culpa in contrahendo  35, 56, 65

19, 20

Dienstanweisung  98, 99, 101 192, 207, 214

dispositiv  25, 33 Dulden  42, 78, 87, 111, 112, 113, 114, 217

Einzelfallumstände  36, 40, 109, 139 Empfängerhorizont  243, 272

22, 36, 57, 71, 143,

Erfüllungsanspruch  278, 280, 282,

23, 46, 222, 275,

Ergänzungsfunktion  23, 47, 61, 64, 287 Erklärungsbewusstsein  22, 28, 29, 30, 39, 49, 61, 63, 64, 78, 95, 140, 141, 251, 252, 291 Erklärungsempfänger  63, 246 Erklärungsirrtum 

27, 28, 29, 39,

29

Erklärungstatbestand  28, 32 Ermahnung  67, 76, 77, 94, 95, 96 Erwirkung  280 Existenzgrundlage  183, 262, 287 Fahrlässigkeit  29, 51, 58, 59, 85, 89, 163 Fehlverhalten  157, 188

76, 79, 80, 90, 92, 94, 114,

Flexibilität  20, 245, 285, 288 freiwillig  53, 54, 118, 119, 120, 123, 129, 130, 132, 139, 141, 164, 169, 171, 172, 180, 235, 241, 246, 260, 263, 268, 281 Fürsorgepflicht  35, 89, 197, 206, 218, 219, 220, 221, 228, 232, 274 Garantiewille 

202, 210

Gerechtigkeit 

54, 55, 59, 64, 291

Gesamtkonzern  211 Gesamtverhalten 

40, 41, 63, 110, 147

Sachverzeichnis

312

Gesamtzusage  102, 117

37, 38, 43, 63, 100, 101,

Geschäftsähnliche Handlung 

74, 75, 95

Kontrahierungszwang  279, 280, 286, 291 Konzernbezug 

57, 63, 65, 211,

200, 218

Gestaltungsrecht  25, 51, 66, 67, 78, 113, 115, 130, 136, 165, 174, 176, 181, 183, 236, 266, 267, 269, 277

konzerndimensional  223

Gleichartigkeit  91, 92, 108, 109, 112, 114, 116, 117, 159

Konzernleihe  212

Gleichbehandlungsgrundsatz  52, 53, 54, 55, 56, 60, 64, 103, 104, 105, 107, 108, 117, 195, 196, 225, 226, 233, 282, 283, 284, 285, 286, 291, 292

Konzernmutter  198, 218

Gleichbehandlungspflicht  206, 225, 233

53, 54, 55,

Gruppenbildung  52, 105 Handlungsfreiheit 

22, 23, 64, 291

Herausgreifende Kündigung  66, 106, 107, 117 Inhaltsirrtum  29, 75 Inhaltskontrolle  34, 62, 193, 194, 217, 258, 260 Innenverhältnis  185, 188, 189 innerbetrieblich 

166, 168, 169

Interessenabwägung  103, 104, 107, 110, 114, 115, 117, 190, 191, 288 Internetnutzung 

91, 110, 111, 112, 114

Kenntnis  37, 40, 49, 50, 51, 57, 61, 64, 70, 71, 78, 81, 84, 85, 86, 88, 90, 91, 94, 95, 96, 111, 112, 113, 114, 116, 117, 118, 120, 122, 124, 125, 134, 135, 139, 146, 147, 148, 163, 173, 182, 185, 186, 210, 217, 219, 220, 240, 250, 251, 252, 253, 262, 291 Klageerweiterung 

175

Kollektiv  37, 286 Kollektivbezug 

108, 217

Konkretisierung  48, 50, 52, 81, 85, 92, 96, 103, 145, 159, 161, 195, 206, 219 Konkretisierungsvereinbarung  114, 117

103, 110,

197, 198, 206, 221,

Konzerndimensionalität  215 Konzernleitungsmacht 

197, 218

Konzerntochter 

218

Konzernübung 

217, 232

Konzernunternehmen  196, 197, 198, 199, 201, 202, 203, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 228, 230, 232, 233 Konzernversetzungsklausel  208, 209, 210, 211, 232

204, 207,

Kündigungserklärung  81, 118, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 127, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 147, 150, 154, 155, 159, 161, 163, 164, 168, 169, 171, 175, 176, 177, 180, 181, 182, 183, 203, 265, 266 Kündigungsfreiheit 

19

Kündigungsgrund  68, 71, 79, 81, 83, 85, 89, 91, 92, 95, 118, 119, 120, 121, 126, 127, 128, 129, 131, 132, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 145, 146, 148, 149, 150, 151, 152, 154, 156, 157, 161, 162, 164, 165, 174, 176, 177, 180, 182, 183, 214, 267, 268, 270, 288 Kündigungssachverhalt  66, 70, 73, 90, 91, 95, 96, 104, 107, 108, 126, 127, 128, 133, 134, 159, 164, 170 Kündigungsschutz  91, 158, 195, 196, 197, 200, 215, 216, 218, 221, 224, 225, 227, 231, 232, 265 Kündigungsschutzprozess  119, 122, 125, 126, 130, 135, 136, 137, 149, 150, 152, 155, 170, 175, 179, 180

Sachverzeichnis

Leistungsmängel  69, 72, 75 Mischtatbestand 

127

Missbrauchskontrolle  228, 233 Mitteilungspflicht  Motiv 

167, 168, 170,

123, 180, 264

71, 138, 181

Nachholen  126, 127 Nachschieberecht  119, 120, 123, 129, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 145, 147, 148, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 168, 170, 171, 175, 180, 181, 182, 266, 267, 269, 289 Naturalrestitution  57, 279 Nebenpflicht  35, 36, 127, 171, 183, 193, 204, 206, 218, 220, 221, 232, 274 Negatives Interesse  46, 62, 64, 65, 222, 254, 281, 291 Nichtausübung  48, 66, 67, 77, 81, 82, 83, 87, 95, 96, 111, 137, 140, 147, 154, 155, 181, 182 Nichtigkeit 

29, 118, 153, 239, 253

Obliegenheit  78. 86, 95, 118, 134, 138, 139, 181, 268, 289 273, 274, 285

Pacta sunt servanda  21 234 199

Privatautonomie  19, 20, 22, 23, 28, 45, 175 Prozessführung  152, 153, 154, 160, 164 Prozesshandlung 

136, 143, 181

Rechtsfolgenirrtum  252

Rechtsklarheit  43, 47, 50, 73, 81, 150, 159, 173, 176, 262 rechtsmissbräuchlich 

45, 170, 228, 277

Rechtssicherheit  50, 81, 92, 121, 132, 133, 158, 174, 176, 262 Rechtsverlust 

59, 68, 133

Rücknahme  89, 90, 96, 198 Rücksichtnahmepflichten 

Sachgrundkatalog 

35, 36, 63

236, 242, 263, 264

Sachgrundlose Befristung  234, 235, 237, 239, 241, 244, 245, 248, 251, 255, 256, 263, 264, 268, 269

Schriftform 

Personenbedingte Kündigung  128 Personendienstleistungsgesellschaft 

Rechtsgeschäftslehre  23, 26, 27, 28, 46, 47, 57, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 80, 81, 82, 84, 87, 96, 103, 147, 157, 164, 182, 223, 224, 280, 281, 282, 287, 290

Schadensersatz  56, 57, 62, 78, 127, 144, 172, 188, 189, 200, 202, 204, 221, 231, 232, 264, 279, 286

Parteiwille  25, 36, 253 Personalrat 

44, 45, 46, 47, 53, 54, 56, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 68, 75, 87, 90, 94, 95, 97, 100, 101, 102, 103, 104, 106, 109, 112, 116, 117, 119, 131, 133, 164, 184, 187, 193, 194, 195, 196, 200, 203, 204, 205, 207, 213, 214, 215, 217, 218, 219, 220, 221, 223, 226, 236, 239, 253, 260, 267, 270, 271, 272, 274, 276, 281, 285, 287, 288, 290

Sachgrundbefristung  241, 242, 244, 245, 263, 264, 268, 285

Nichtkonzerndimensionalität  224

Optionsrecht 

313

36, 75, 95, 139, 214,

rechtsgeschäftlich  21, 22, 23, 24, 25, 26, 28, 29, 30, 32, 35, 37, 38, 41, 42, 43,

174, 176, 179, 261

Schriftformerfordernis  261, 262, 264

118, 144, 234,

Schriftformklausel  118, 132 Schuldverhältnis 

35, 36, 56, 62, 65, 291

Schutzlücke  22, 23, 24, 42, 57, 59, 60, 61, 62, 64, 65, 81, 86, 87, 88, 90, 94, 95, 96, 102, 103, 107, 115, 116, 117, 118, 145, 149, 150, 155, 157, 164, 181, 187, 221, 224, 232, 267, 280, 281, 286, 287, 290, 291

Sachverzeichnis

314

Schutzwürdigkeit  20, 23, 26, 50, 58, 59, 64, 89, 94, 106, 114, 115, 116, 117, 154, 155, 162, 163, 164, 177, 188, 189, 224, 244, 248, 268, 269, 280, 287, 288, 290, 292 Schweigen  77, 78, 87, 113, 114, 134, 138, 289 Selbstbestimmung  19, 21, 23, 26, 27, 28, 29, 63, 279, 289 Selbstverantwortung  Sozialauswahl 

23, 26, 27, 281

177, 195

Stellenanzeigen  214, 215, 232 Streik  66, 107, 108 38, 44, 45, 63, 118, 131,

Teilanfechtung 

253, 254, 258, 259, 269

Teilnichtigkeit  253, 254, 258 Tochterunternehmen 

198, 214

Tranzparenzgebot  33, 34, 63, 259, 261, 269 Trennungswille 

23, 287, 288

Unternehmerentscheidung  166, 167, 168, 169, 170, 171, 183, 191, 228, 233 Unternehmerfreiheit 

88, 167, 170

Unzulässige Rechtsausübung  46, 47, 60, 67, 81, 87, 95, 178, 186, 277 unzumutbar  230, 268

48, 52, 86, 154, 160, 165,

Venire contra factum proprium  45, 46, 55, 58, 59, 60, 88, 89, 103, 117, 145, 156, 163, 186, 187, 189, 190, 191, 193, 290 Verfahrensrichtlinien 

Streitgegenstand  136 Tarifvertrag  200

Unterlegenheit 

134, 135, 138, 150, 180

97, 101, 117

Vergangenheit  66, 70, 90, 106, 109, 112, 114, 115, 117, 134, 195, 217, 274, 286 Verhaltensbedingte Kündigung  74, 89, 97, 115, 128, 138, 158, 163, 183, 192 Verhältnismäßigkeit  191, 198

74, 98, 105, 178,

Verjährung  47, 50, 51 Verjährungsfrist  Verkehrssitte 

50, 51, 152, 153

77, 143, 238, 242, 253

Treu und Glauben  39, 46, 48, 49, 50, 51, 77, 89, 90, 143, 153, 156, 164, 198, 238, 242, 253, 281

Vermerk  240, 249, 250, 251, 269

Überlegungsfrist 

Versetzung  89, 90, 96, 98, 193, 194, 203, 205, 207, 208, 209, 216, 229, 230, 233

50, 86, 274

Überraschungsklausel 

261

Ultima-Ratio-Prinzip  74, 75, 89, 97, 99, 101, 158, 191, 213, 228 Umdeutung 

103, 143, 144, 181

Umstandsmoment  48, 81, 82, 84, 85, 87, 94, 95, 96, 120, 133, 147, 148, 149, 150, 153, 154 Unklarheitenregel  32, 33, 34, 63, 210, 255, 256, 257, 258 Unkündbarkeit  111 Unmöglichkeit 

130, 202, 210, 231, 264

Unterlassen  73, 106, 110, 111, 112, 113, 117, 195, 220

Verschulden  279, 286

46, 50, 56, 57, 62, 277, 278,

Versetzungsklausel  192, 193, 194, 205, 207, 208, 209, 210, 211, 221, 222 Versetzungsrecht 

204, 224

Verständnismöglichkeit  205

27, 28, 31, 63,

Vertragsbeendigungsfreiheit  175, 288

19, 20,

Vertragsbeitritt  215, 216, 224, 232 Vertragserfüllung 

57, 278, 279

Vertragsfreiheit  52, 62, 196, 200, 226, 281, 282, 283, 285 Vertragstheorie  42, 109, 110, 111, 275

Sachverzeichnis

Vertragstreue 

19, 158

Vertrauendürfen  42, 60, 63, 112, 114, 116, 142, 164, 182, 225 Vertrauensbeziehung  21, 77, 113, 287, 289 Vertrauenshaftung  23, 42, 47, 57, 61, 64, 206, 221, 222, 223, 224, 271, 272, 275, 280, 281, 282, 286, 290 Vertrauenslehre  57, 58, 64, 287 Vertrauensschaden  23, 29, 57, 62, 64, 222, 278, 281, 286 Vertrauensschutz  23, 26, 27, 28, 29, 30, 32, 33, 47, 50, 54, 57, 59, 63, 64, 149, 206, 281 Vertrauenstatbestand  23, 25, 26, 32, 49, 54, 55, 57, 87, 115, 163, 205, 220, 221, 222, 223, 224, 225, 231, 277, 280, 287 Vertrauenstheorie  Verwaltungsakt 

42 160

Verwender  30, 31, 33, 62, 113, 118, 207, 214, 221, 222, 258, 259, 267 Verwertungsverbot 

136

Verwirkung   47, 48, 49, 50, 51, 52, 58, 60, 61, 64, 78, 81, 82, 84, 85, 86, 87, 94, 95, 96, 120, 122, 133, 145, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 160, 172, 180, 181, 290, 291 Verzeihung  78, 79, 80, 81, 87, 96, 120, 145 Verzicht  25, 26, 48, 49, 51, 52, 59, 60, 64, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 82, 84, 86, 87, 88, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 101, 102, 103, 106, 107, 109, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 117, 120, 123, 124, 126, 132, 133, 134, 135, 137, 138, 139, 140, 141, 147, 148, 149, 150, 151, 155, 164, 169, 170, 171, 172, 180, 181, 182, 184, 185, 191, 193, 214, 236, 238, 266, 269, 288, 289, 291 Verzichtbarkeit  135, 137

315

Vorausverzicht  90, 91, 96, 101, 102, 103, 106, 109, 110, 114, 117, 119, 169 vorsätzlich 

139, 147, 164, 181

vorvertraglich 

35, 56, 62, 65, 278, 291

Wahrheit  69, 185, 186, 188 Warnfunktion  73, 76, 92, 93, 94, 95, 96, 174, 176, 234, 261, 264 Wartezeit  83 Weiterbeschäftigung  68, 167, 191, 192, 195, 196, 197, 198, 201, 204, 210, 211, 212, 213, 216, 218, 219, 224, 226, 227, 229, 231, 232, 270, 278, 280, 283, 284, 286 Weiterbeschäftigungsbemühung  Weiterbeschäftigungsmöglichkeit  203

210 198,

Weiterbeschäftigungspflicht  192, 193, 194, 195, 196, 199, 200, 202, 204, 207, 208, 209, 211, 218, 219, 221, 222, 226, 228, 230, 231, 232, 233 Wesensänderung 

160

Widersprüchliches Verhalten  46, 47, 55, 58, 59, 62, 64, 67, 68, 78, 79, 81, 87, 88, 89, 90, 94, 96, 103, 115, 116, 118, 133, 156, 157, 160, 163, 164, 182, 186, 187, 189, 222, 260, 290 Wiedereinstellungsanspruch  275, 276, 284, 286,

198, 203,

Willenserklärung  21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 32, 35, 36, 37, 38, 42, 43, 44, 45, 53, 54, 56, 57, 58, 59, 61, 62, 63, 64, 65, 67, 74, 75, 76, 77, 79, 80, 95, 99, 114, 124, 131, 132, 135, 140, 143, 184, 187, 195, 217, 218, 220, 222, 246, 250, 251, 252, 266, 274, 276, 279, 280, 281, 286, 287, 289, 290, 291, 292 willkürlich  Wohlwollen 

54, 112, 167, 282 184, 185, 186, 188, 189

Wortlaut  28, 31, 32, 33, 41, 63, 72, 196, 234, 242, 243, 247, 255, 257, 268, 269, 289

Sachverzeichnis

316

Zeitablauf  48, 50, 52, 81, 84, 85, 86, 190, 191

Zusage  38, 87, 104, 200, 203, 204, 216, 232, 272, 273, 274, 280, 281, 285

Zeitbefristung  234, 251

Zustimmungsersetzungsverfahren 

Zeitmoment  48, 50, 51, 81, 82, 83, 147, 149, 152, 153, 156

Zustimmungsverweigerung  193, 229, 230, 233

Zitiergebot  236, 246, 248, 261, 263, 264, 266, 267, 268, 269, 270, 292

Zwischenzeugnis  183, 184, 185, 186, 187, 189, 190, 191

Zukunftsprognose 

73

230