Die ,Süddeutsche Tafelsammlung’: Edition der Handschrift Washington, D.C., Library of Congress, Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4 9783110332629, 9783110332469

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German Pages 260 Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
1 Zur Handschrift
1.1 Geschichte der Handschrift
1.2 Forschungslage
1.3 Kodikologische Aspekte
1.4 Text und Zeichnungen
1.5 Paläographische Aspekte
1.6 Fehler und Varianten
1.7 Schreibsprache
1.8 Entstehung und Überlieferung
2 Zur Edition
2.1 Einrichtung des Textes
2.2 Prinzipien der Edition
2.3 Anmerkungen zumText
Edition
Tafel I: Planeten und Planetenkinder
Tafel II: Zodiak und Melothesie
Tafel III: Aderlass I
Tafel IV: Aderlass IIa
Tafel V: Aderlass III
Tafel VI: Aderlass IIb
Tafel VII: Turm der Weisheit
Tafel VIII: Mikrokosmos
Tafel IX: Makrokosmos
Tafel X: Tugendbaum und Cherub
Tafel XI: Lasterbaum und Babylon
Tafel XII: Turris Sapiencie
Tafel XIII: Philosophie und Artes liberales
Tafel XIV: Frauensklaven I
Tafel XV: Frauensklaven II
Tafel XVI: Fortuna und ihrRad
Abkürzungen
Bibliographie
Antike und mittelalterliche Quellen
Kataloge
Untersuchungen
Verzeichnis der Handschriften und Blockbücher
Abbildungsverzeichnis
Abbildungen
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Die ,Süddeutsche Tafelsammlung’: Edition der Handschrift Washington, D.C., Library of Congress, Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4
 9783110332629, 9783110332469

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Die ›Süddeutsche Tafelsammlung‹

Scrinium Friburgense Veröffentlichungen des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg Schweiz

Herausgegeben von Michele Bacci · Hugo Oscar Bizzarri · Elisabeth Dutton Christoph Flüeler · Eckart Conrad Lutz · Hans-Joachim Schmidt Jean-Michel Spieser · Tiziana Suarez-Nani

Band 34

De Gruyter

Die ›Süddeutsche Tafelsammlung‹ Edition der Handschrift Washington, D.C., Library of Congress, Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4

Herausgegeben von Marcus Castelberg und Richard F. Fasching

De Gruyter

Veröffentlicht mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (NCCR Mediality), des Hochschulrates Freiburg/Schweiz und des Mediävistischen Instituts der Universität Freiburg/ Schweiz

ISBN 978–3–11–033246–9

e-ISBN 978–3–11–033262–9 ISSN 1422–4445

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: swissedit, Zürich Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH und Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Concludo ergo veraciter – »So ziehe ich denn den wahrhaften Schluss, dass ein weiser Mann des Einflusses der Sterne Herr wird, wie es Ptolemaeus in seinem ›Almagest‹ ausdrücklich festhält.« Diese Erkenntnis, die von einem unsichtbaren Ich formuliert und dem lesenden Betrachter der ersten Seite der Tafelsammlung (Tafel I ) nahegelegt und gewissermassen vorgesprochen wird, ist alles andere als selbstverständlich. Denn der Betrachter der grossformatigen Tafel hat zunächst ein sphärisches Modell des Kosmos vor Augen, das zugleich als Speichenrad konzipiert ist. Dessen Nabe, das Zentrum des Diagramms und eines von fünf Medaillons zugleich, belegt Euklid, der den Umfang der Erde angibt: Er ist dort eingeschrieben, wo in mittelalterlichen ›Weltkarten‹ das Wasser als Oceanus die Ökumene umgibt – die Modelle interferieren. Im Luftraum, dem stark erweiterten Raum der sieben Speichen, wachsen aus der nun als Globus zu denkenden Erde menschliche Figuren, die als Planetenkinder die Einwirkung der Sterne auf ihr Leben zeigen, auf ihre Anlagen und ihre Tätigkeiten. Lateinische und deutsche Verse, die zwischen den ersten Planetensphären stehen, formulieren diesen Einfluss konkret aus. Wie weit er reicht, ist offensichtlich eine philosophische Streitfrage, die von den disputierenden und gestikulierenden Autoritäten aufgegriffen wird, die – nach gängigem Schema – in den vier Medaillons in den Ecken der Tafel die zentrale Figur des Sphärenmodells begleiten. Ihre Spruchbänder sind leer, also je neu mit zu findenden Aussagen und Widerlegungen zu füllen. Die – divergenten – Positionen der vier Weisen in der Streitfrage sind den Medaillons eingeschrieben. Die Tafel nimmt so einen Diskurs auf und stellt Wissen in diskursiver Form zur Verfügung. Auch der eingangs zitierte resümierende Schluss ist (nur) die Ansicht eines Philosophen unter anderen, verlangt also von jedem lesenden Betrachter zumindest aktiven Nachvollzug. Die Darstellung des hier in Bildelementen und sentenzhaften Distichen ausformulierten und spannungsreich geordneten Wissens hat mediale Qualitäten: Sie legt nicht zwingend fest, sondern disponiert Wissen so, dass gerade dessen diskursiver Charakter nachvollziehbar wird; die Darstellung aktiviert den Betrachter, bezieht ihn als Lesenden und Denkenden ein, sie lässt ihn teilhaben an

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Vorwort

einem Prozess, der die Aneignung von Weisheit als Basis des Urteilens und als Substrat des Handelns zum Ziel hat. Kaum zufällig schliesst die Handschrift mit einer Darstellung des Glücksrades (Tafel XVI ), die ganz ähnlich funktioniert und dem lesenden Betrachter analoge Reflexionen und Schlüsse nahelegt. Aber auch die übrigen vierzehn Tafeln fungieren als traditionelle, ja konventionelle Vorstellungen von Bereichen und Aspekten menschlichen Wissens und seiner Ordnungen, der Medizin, der Artes liberales, der Ethik, sie laden alle ein zum Eintritt in je andere und zugleich verwandte Erkenntnisprozesse. Sie erlauben etwa, den Turm der Weisheit (Tafeln VII und XII ) zu betreten, in ihm aufzusteigen und so nachdenkend eine ethische Grundhaltung anzunehmen, die sich in moralischen Devisen ausformulieren lässt und zur Verkörperung christlicher Werte führt. Ihre Basis, das Fundament des Turmes, ist Humilitas, die Demut Christi, die gleich darauf als Wurzel des Tugendbaumes (Tafel X ) erscheint. Und die Betrachtung der Weisheit (contemplatio sapientie) steht im Mittelpunkt der Artes-Tafel (Tafel XIII ), ist Inbegriff der Philosophie. Hier wird also Wissen vernetzt, und immer wieder wird der lesende Betrachter unmittelbar einbezogen, werden ihm Identifikationsfiguren im Bild vorgeführt, die Beteiligung am Gespräch angeboten oder direkt anwendbare Verhaltensregeln zugesprochen. Diese medialen Qualitäten der Handschrift haben es nahegelegt, das Unternehmen ihrer Edition im Freiburger Teilprojekt »Texte und Bilder – Bildung und Gespräch. Diagrammatische Strukturen und die Dynamisierung von Wissen und Erfahrung« des Nationalen Forschungsschwerpunktes »Medienwandel – Medienwechsel – Medienwissen. Historische Perspektiven« zum Abschluss zu bringen. Das Vorhaben an sich, diese Handschrift zu faksimilieren und herauszugeben, entstand in Zusammenhang mit meiner Habilitationsschrift Ende der 1980er-Jahre. Erst nachdem aus Washington die Erlaubnis zur Veröffentlichung und die Ektachrome für die Reproduktion vorlagen, wurde mir bekannt, dass Karl-August Wirth seit Anfang der 1950er-Jahre eine Ausgabe der Handschrift vorbereite. Das eigene Vorhaben schien daher nicht mehr realisierbar, die Handschrift spielte aber in der Lehre immer wieder eine Rolle. Als Ende der 1990er-Jahre Marcus Castelberg sich entschloss, die Handschrift zum Gegenstand seiner Dissertation zu machen, war eine Ausgabe der Handschrift immer noch nicht in Sicht. So musste er zunächst eine Transkription der Texte anfertigen, die er dann 2003 seinen der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation vorgelegten,

Vorwort

7

weit ausgreifenden Untersuchungen voranstellte, deren Schwerpunkte auf der Beschreibung aller Tafeln der Handschrift, auf der Analyse der Traditionen ihrer Texte und Zeichnungen wie auf den philosophisch-theologischen Zusammenhängen lagen, in denen einzelne Themen und die Konzeption der Handschrift stehen. Nachdem Marcus Castelberg wenig später als Gymnasiallehrer tätig wurde, musste die Drucklegung der Arbeit immer wieder zurückstehen. 2010 lag zwar eine aktualisierte Fassung seiner Untersuchungen vor. Für die Arbeit an der Edition, auf die sie sich beziehen sollten, blieb aber keine Zeit. Unter diesen Umständen schien es uns sinnvoll, mit Genehmigung der Fakultät die Untersuchungen als Teildruck der Dissertation getrennt zu veröffentlichen1 und die Edition einem eigenen Band vorzubehalten und dessen Ausarbeitung in andere Hände zu legen. Dieser Aufgabe konnte sich ab Mitte 2012 Richard Fasching im Rahmen des NFS -Projektes widmen. Richard Fasching übernahm den von Marcus Castelberg erstellten Text und das von ihm entwickelte Editionsverfahren, das je nach Zustand der Überlieferung einen diplomatischen Abdruck, einen aufgrund von Parallelüberlieferung wiederhergestellten oder einen weitgehend diplomatischen, nur geringfügig gebesserten Text vorsah. Auch die einleitenden Kapitel zur Handschrift und zur Edition wurden aus den druckfertigen Untersuchungen von Marcus Castelberg übernommen und von Richard Fasching nur dort angepasst, wo es der Fortgang der Arbeit an der Edition verlangte. Die Verantwortung für den nun edierten Text liegt hingegen ganz bei Richard Fasching. Er hat die in den Grundzügen gemeinsam beschlossene Einrichtung und Ausstattung der Edition selbständig weiterentwickelt und umgesetzt, den gesamten Text noch einmal durchgesehen, die Apparate eingearbeitet und die Schemata zu den Tafeln entworfen. Allen, die diesem ungewöhnlichen Vorgehen zugestimmt, es mitgetragen und umgesetzt und so das lange erhoffte Erscheinen der Edition der ›Süddeutschen Tafelsammlung‹ ermöglicht haben, sei hier ganz herzlich gedankt – vor allen anderen selbstverständlich Marcus Castelberg und Richard Fasching. Unser gemeinsamer Dank gilt aber auch den Kuratoren der Lessing J. Rosenwald Collection in der Library of Congress in 1 Sie liegen im nächsten Band dieser Reihe vor: Marcus Castelberg, Wissen und Weisheit. Untersuchungen zur spätmittelalterlichen ›Süddeutschen Tafelsammlung‹, Washington, D.C., Library of Congress, Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4 (Scrinium Friburgense 35), Berlin/Boston 2013.

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Vorwort

Washington, zunächst noch Kathleen D. Mang, später Daniel de Simone; dem Dekanatsrat der Philosophischen Fakultät, Marc-Henry Soulet und Raphae¨l Berthele, und der Direktion des NFS Mediality, Christian Kiening und Martina Stercken, die auch die Drucklegung grosszügig unterstützt haben. Sehr zu danken ist aber auch Udo Kühne (Kiel), der sich über sein Gutachten zur Dissertation hinaus noch einmal der vielfältigen Probleme des lateinischen Textes angenommen und Besserungen vorgeschlagen hat. Die Schemata zu den Tafeln sind Sabine Blaser zu verdanken, und den schwierigen Satz besorgte auch hier Wolfram Schneider-Lastin mit bewährtem Sachverstand, ihm sei ganz besonders gedankt. Freiburg/Schweiz, 10. April 2013

Eckart Conrad Lutz

Inhalt

Vorwort

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1 Zur Handschrift 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8

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5 11

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11 13 16 17 24 26 28 34

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2.1 Einrichtung des Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Prinzipien der Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Anmerkungen zum Text . . . . . . . . . . . . . . . .

39 42 44

Geschichte der Handschrift . Forschungslage . . . . . . Kodikologische Aspekte . . Text und Zeichnungen . . . Paläographische Aspekte . . Fehler und Varianten . . . . Schreibsprache . . . . . . . Entstehung und Überlieferung

2 Zur Edition

Edition Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I : Planeten und Planetenkinder II : Zodiak und Melothesie . . III : Aderlass I . . . . . . . IV : Aderlass IIa . . . . . . V : Aderlass III . . . . . . . VI : Aderlass IIb . . . . . . VII : Turm der Weisheit . . . VIII : Mikrokosmos . . . . . IX : Makrokosmos . . . . . X : Tugendbaum und Cherub . XI : Lasterbaum und Babylon XII : Turris Sapiencie . . . .

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47 47 55 65 79 103 113 131 141 149 161 179 189

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Inhalt

Tafel Tafel Tafel Tafel

XIII : Philosophie und Artes liberales XIV : Frauensklaven I . . . . . . . XV : Frauensklaven II . . . . . . . XVI : Fortuna und ihr Rad . . . . .

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199 203 211 219

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Bibliographie Antike und mittelalterliche Quellen . . . . . . . . . . . . . 233 Kataloge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Verzeichnis der Handschriften und Blockbücher . . . . . . . . . 239 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

1 Zur Handschrift Die hier edierte Handschrift mit der ›Süddeutschen Tafelsammlung‹ wird heute unter der Signatur ms. no. 4 (olim 31) der Sammlung Rosenwald in der Washingtoner Library of Congress aufbewahrt. Das Manuskript – fortan mit der Sigle R zitiert – besteht aus vier ineinandergelegten, ursprünglich ungebundenen Pergamentdoppelblättern, die eine Sammlung von sechzehn textierten Bildtafeln bilden. Die ca. 40 cm hohen und 32 cm breiten Tafeln enthalten Schemata und Figurenzeichnungen, die mit Inschriften und Begleittexten in lateinischer und deutscher Sprache versehen sind.

1.1 Geschichte der Handschrift Die Provenienz der Handschrift R lässt sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Am 18. Dezember 1845 wurde sie bei Fletcher & Prince in London (Piccadilly) versteigert, vermutlich zusammen mit einem 16-seitigen Blockdruck der ›Chiromantie‹ des Johannes Hartlieb, mit dem sie zusammengebunden war.2 Erstanden wurde sie von Hugh Charles Clif1 So die Nummer im alten Ausstellungskatalog von 1954 (The Rosenwald Collection, S. 1), der praktisch textgleich ist mit dem neuen aus dem Jahr 1977 (The Lessing J. Rosenwald Collection, S. 4), in dem die Handschrift als Nr. 4 geführt wird. Die äussere Beschreibung der Handschrift im Katalogeintrag von 1977 lautet: »Encyclopedic manuscript containing allegorical and medical drawings. South Germany, ca. 1410, 8 l[eaves], 42 cm. Manuscript on vellum. Gothic script in black and red. Pen-and-ink drawings, some slightly colored, with explanatory text in German or Latin. Subject matter and form of presentation is similar to that in 15th-century woodcuts and block books.« 2 Der Auktionskatalog verzeichnet nur die ›Chiromantie‹, die laut Katalog wie die anderen zum Verkauf angebotenen Bücher und Handschriften aus einer ehemaligen bischöflichen Bibliothek auf dem Kontinent stammte. Das heute verschollene ›Chiromantie‹-Exemplar umfasste noch 16 (von urspr. 26), beidseitig bedruckte Blätter und soll 1448 (!) von Jörg Schapff in Augsburg gedruckt worden sein: Catalogue of a valuable and curious collection, S. 27, Nr. 421. Die Jahreszahl bezieht sich allerdings nicht auf das Druckjahr, sondern auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Werkes. Das R beigebundene Exemplar ent-

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Zur Handschrift

ford, dem siebten Lord von Cudleigh (1790–1858),3 bevor sie erneut den Besitzer gewechselt haben muss4 und 1935 aus unbekannter Herkunft in den Londoner Kunsthandel kam. Vor der Versteigerung bei Sotheby’s lag die Handschrift Fritz Saxl vom Warburg Institute zur Begutachtung vor.5 Saxl gibt eine kurze Übersicht des Inhalts, zählt die Handschrift »to a not stammte dem dritten Druckzustand, der mit der Drucker- und Holzschneideradresse »Jörg Schapff zu Augsburg« versehen ist. Vgl. Schmitt, Hans Hartliebs mantische Schriften, S. 161 f. und 164 f. Schmitt, Bio-bibliographische Bemerkungen, S. 255–277, hier: 266. Mit welchem Exemplar die ehemals beigebundene ›Chiromantie‹ zu identifizieren ist, konnte ich nicht ausfindig machen. In Frage kommen das in der Morgan Library & Museum (New York) und jenes in der Bridwell Library (Southern Methodist Universitiy in Dallas) (beide umfassen nur noch 16 Blätter). Vgl. Blockbücher des Mittelalters, S. 361 und 382. Gewiss ist jedoch, dass die ›Chiromantie‹ wegen der Datierung auf 1448 ein ungemein berühmtes Werk war, und man kann deswegen sicher sein, dass die beiden zusammengebundenen Werke erst in der Zeit um 1840/45 ›aufgetaucht‹ sind. Das ›Buch‹ war daher im 18. und frühen 19. Jahrhundert wahrscheinlich nicht in Privatbesitz und dürfte kaum auf Auktionen angeboten worden sein; möglicherweise stammt es aus einem säkularisierten Kloster. Die moderne Einbanddecke der ›Chiromantie‹ mit dem von einer Hand des 17. Jahrhunderts eingetragenen Titel Die Kun*t Ciromantia von Doktor Hartlieb Her"og= lich baieri*cher Leibar"t. 1448. ist R in einer Sichttasche beigegeben. 3 Dafür sprechen zwei zusammen mit R aufbewahrte Blätter, die vor der Neubindung durch die Kongressbibliothek als Umschlag dienten. Auf dem vorderen Blatt sind untereinander eine Visitenkarte mit dem Aufdruck Hon. ble M. r Clifford, ein Ledersignet, ein Papierschild mit dem Wappen der Cliffords sowie eine Meldung aus dem Londoner ›Herald‹ zur Auktion vom 15. Dezember 1845 aufgeklebt, die dem Text des ›Fletcher‹-Katalogs entnommen ist. Am oberen Rand findet sich der handschriftliche Eintrag mit Tinte vide Steigenberger und Aretin’s akademi*che Reden (vgl. Steigenberger, Historisch-Literarischer Versuch, S. 15 f., und Aretin, Von den ältesten Denkmählern, S. 5, Anm. 3, beide nur zur ›Chiromantie‹). Unten auf dem Blatt steht der spätere Schenkungsvermerk THE GIFT OF LESSING J. ROSENWALD TO THE LIBRARY OF CONGRESS sowie in der linken Ecke mit Tinte die Nummer XXI . Auf dem hinteren Blatt findet sich mit Bleistift geschrieben die alte Bezeichnung Encyclopedic manuscript Rosenwald Coll. Ms. no. 3 sowie der Vermerk MLS 19D49. 4 Für den Handwechsel kommt vermutlich das Jahr 1859 in Betracht. Dieses Datum steht neben den mit Bleistift geschriebenen Initialen OHH . auf dem erwähnten Blatt mit den Angaben Cliffords. Der Tod von Hugh Charles Clifford 1858 stützt diese Annahme. 5 Unklar bleibt, wie lange R mit dem ›Chiromantie‹-Druck zusammengebunden blieb. Bei der Versteigerung von 1935 war die Handschrift jedenfalls mit dem ›Chiromantie‹-Umschlag versehen, wie Saxls Gutachten (vgl. Anm. 7) zu entnehmen ist.

Forschungslage

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very numerous group of manuscripts containing allegorical drawings« und nennt die Mettener Handschrift München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 82016 und die Handschrift 1404 der Biblioteca Casanatense in Rom als vergleichbare Manuskripte.7 R wechselte an der erwähnten Versteigerung in den Besitz des New Yorker Kunsthändlers William H. Schab, der sie 1945 an den Kunstsammler Lessing Julius Rosenwald verkaufte.8 Seitdem fand die Handschrift eine Bleibe in dessen privater Alverthorpe-Gallery in Jenkintown (Pennsylvania) und gelangte noch zu Lebzeiten Rosenwalds als Schenkung an die Library of Congress nach Washington, D.C. Hier wurde sie in einen braunen, pappeartigen Umschlag gebunden.

1.2 Forschungslage Als erster hatte Fritz Saxl Kenntnis von der Handschrift. In einer umfangreichen Studie über die von ihm entdeckte Handschrift 1404 der Biblioteca Casanatense in Rom (C) und ihrer Beziehung zur Handschrift London, Wellcome Library, MS.49 (W) bezeichnete er C als »spiritual encyclopedia«,9 R in der Folge als »similar manuscript«, das in verdichteter Form ähnliche Inhalte wie C und deren vom gleichen Schreiber angefertigte Schwesterhandschrift W aufweise.10 Im Vordergrund stünden Text-BildMotive aus dem Bereich der Tugend-Laster-Thematik.11 Das Interesse an R erwachte erst wieder rund 40 Jahre nach Saxls Pionierarbeit auf dem Feld spätmittelalterlicher Text-Bild-›Enzyklopädien‹, auch diesmal von kunsthistorischer Seite. Robert Suckales Untersuchungen zu den Mettener Handschriften München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 8201 (M) und 8201 d galten unter anderem einem Zyklus von fünf textierten Schemata, die er, sich an das mystisch-erbauliche Schrifttum an6 Fortan mit der Sigle M abgekürzt. 7 Das vierseitige Typoskript ist auf den 5. April 1935 (London) datiert und wurde von Fritz Saxl unterzeichnet. Das Dokument befindet sich zusammen mit einem ebenfalls maschinegeschriebenen, von Saxl (?) handschriftlich ergänzten Katalogisat im Besitz der Library of Congress. 8 So festgehalten in einem Schreiben (27. 9. 1984) von Kathleen T. Hunt, der früheren Kuratorin der Rosenwald-Sammlung. 9 Saxl, A Spiritual Encyclopedia, S. 82–134, bes. 117–120. 10 Gutachten vom 5. 4. 1935, S. 1. 11 So schon im 1927 veröffentlichten Aufsatz, der den Vorwurf für die ausgreifendere Studie in der Hauszeitschrift des Warburg Institutes bildete: Saxl, Aller Tugenden und Laster Abbildung, S. 104–121.

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Zur Handschrift

lehnend und auf Umschreibungen in den untersuchten Handschriften stützend, mit den Bezeichnungen ›Geistlicher Obstgarten‹ oder ›Speculum theologiae‹ belegte.12 Die Wiedergaben der Schemata in R beurteilt Suckale als »dilettantisch«;13 die Handschrift als ganze soll den »Charakter eines privaten Almanachs«14 haben und wie C »willkürlich kombinierend und ›unordentlich‹« im Aufbau sein.15 R beschäftigte nur am Rande auch Lucy Freeman Sandler in ihrer Ausgabe des ›Robert de Lisle‹-Psalters. Sie nennt R zurückhaltender eine »allegorical and medical miscellany«.16 Vermehrt wurde man nun von kunsthistorischer und zunehmend auch von altgermanistischer Seite auf die Handschrift aufmerksam. Der Münchner Kunsthistoriker Karl-August Wirth behandelte die Doppelseite 4v/5r im Rahmen seiner Studie über mittelalterliche Bilder und Lehrfiguren für Schule und Unterricht,17 der Mitarbeiter des Katalogisierungsprojektes ›Deutschsprachige illustrierte Handschriften des Mittelalters‹, Norbert H. Ott, die Seiten 7v/8r hinsichtlich der Funktion mittelalterlicher Minnesklaven-Darstellungen.18 Schliesslich nahm der Altgermanist Eckart Conrad Lutz das ganze Manuskript im Rahmen seiner Aufarbeitung der Wissensvoraussetzungen rund um Heinrich Wittenwilers ›Ring‹ in den Blick und kam, nachdem er die verkehrte Reihenfolge des zweiten und dritten Doppelblattes festgestellt hatte, zum Schluss, dass die Handschrift »ihren Stoff in einer sinnvollen, dem zeitgenössischen Benutzer ohne weiteres einsichtigen Ordnung« anbiete.19 Die Inhalte umreisst Lutz, von der Anfangs- zur Schlussseite fortschreitend, folgendermassen:20

12 Suckale, Untersuchungen, Bd. 1, S. 59–93 und Bd. 2, S. 35–51 sowie Suckale, Klosterreform, S. 105–120. Die Bilderfolge vereinigt Darstellungen verschiedener Provenienz, so die Bäume der Tugenden und der Laster, den Turm der Weisheit, Darstellungen des Cherubs und Seraphs sowie numerisch definierte Tafeln katechetischen Wissens (Rad der Septenare, zehn Gebote, zwölf Glaubensartikel usw.). 13 Hier am Beispiel des Turms der Weisheit (Suckale, Untersuchungen, Bd. 1, S. 81 und Suckale, Klosterreform, S. 112). 14 Suckale, Untersuchungen, Bd. 1, S. 73. 15 Ebd. Bd. 2, S. 46. 16 Freeman Sandler, The Psalter, S. 134 f. 17 Wirth, Von mittelalterlichen Bildern, S. 256–370, hier: 275–278 (Abb. 5a und 5b). 18 Ott, Minne, S. 107–125, hier: 118 ff. 19 Lutz, Spiritualis fornicatio, S. 384–396, hier: 393 f. 20 Ebd. S. 394.

Forschungslage

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So belegt dieses Heft mit schöner Klarheit nicht nur die Gestaltung von Doppelseiten, die sich als Bildeinheit besonders gut zu meditativem Gebrauch eignen, sondern auch ihre sinnvolle Reihung, die hier – trotz der eher praktischen Zwecken dienlichen Aderlassfiguren – von der himmlischen Ordnung, ihrem Einfluss auf das menschliche Wesen und ihrer Begründung durch die Analogie der beiden Kosmen über die Wahl zwischen Tugenden und Lastern und Weisheit und Torheit zur Abwendung von der Wechselhaftigkeit und Vergänglichkeit irdischen Glücks hinzuführen versucht.

Der einzige, ausschliesslich der Handschrift gewidmete Aufsatz stammt von Karl-August Wirth.21 Sein Interesse gilt vor allem dem Verhältnis von Deutsch und Latein und der ikonographischen Bestimmung einzelner Bilder.22 Wirth ediert zudem ausgewählte Textpartien der Handschrift.23 Den Codex taxiert er nicht etwa als »bebilderte Handschrift«, sondern als »Sammlung von textierten Bildtafeln, deren jede für sich ein Ganzes ist und deren Gemeinsamkeit funktionell begründet ist in der jeweils gleichen Art der Verwendung als Lehrbild«.24 Wirth verwahrt sich gegen eine Einschätzung der Handschrift als »enzyklopädisch« mit dem Argument, sie sei zu wenig »vielfältig«, ganz abgesehen von der »selten statthaften Übertragung des Begriffs auf Werke des Mittelalters.«25 Die jüngste Auseinandersetzung mit der Handschrift erfolgte durch Michael Stolz. Im Rahmen seiner Habilitationsschrift über Artes liberalesZyklen im Mittelalter kommt er auf die »räumlich-szenisch« ins Bild gesetzten Artes-Personifikationen (fol. 7r) zu sprechen und auf die Darstellung der beiden Kosmen (fol. 4v/5r).26 Stolz interessieren hier insbesondere die stark beschädigten Texte, deren Zersetzung er ein Stück weit in der Mündlichkeit begründet sieht. Einer »solchermassen oral fundierten Schrift« würden »bildliche Qualitäten eignen«,27 stellt Stolz hinsichtlich der im Gewand des Riesen eingepassten Merkverse auf fol. 5r fest. 21 Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 256–295 (Abb. 1–8). Dazu auch: Castelberg, Beschädigte Bilder, S. 303–333 (Taf. V und Abb. 36–39 sowie 41). 22 Das Interesse Wirths gilt insbesondere dem Sphärenschema auf fol. 1r, den Mikrokosmos-Makrokosmos-Darstellungen auf fol. 4v/5r, den Artes-Personifikationen auf fol. 7v und dem Rad der Fortuna auf der Schlussseite. 23 So sämtliche Texte der Anfangs- und Schlussseite, dazu die Texte der zentralen Doppelseite 4v/5r mit Ausnahme der Divisio philosophiae sowie die Inschriften des Cherubs und der ihm beigegebene Text (fol. 5v). 24 Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 258. 25 Ebd. 26 Stolz, Artes-liberales-Zyklen, Bd. 1, S. 521–524, Zit. S. 523. 27 Ebd. S. 523.

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Zur Handschrift

1.3 Kodikologische Aspekte Das Blätterkonvolut wurde in der Library of Congress (neu?) gebunden28 und mit einem braunen, pappeartigen Umschlag versehen.29 Bei dieser Bindung wurden die Falze der inneren beiden Doppelblätter mit Pergamentstreifen verstärkt30 und versehentlich vertauscht.31 Als Schutzblätter wurden zwei papierene Doppelblätter des 18. Jahrhunderts (Wasserzeichen: doppelstrichiges Monogramm ICW oder IGW und gekröntes, ovales, vierfeldiges bayerisches Wappenschild zwischen Palmzweigen) beigebunden; vom inneren Doppelblatt ist nur die vordere Hälfte erhalten. Die Pergamentblätter wurden von moderner Hand mit Bleistift durchgezählt. Das Format der Pergamenttafeln beträgt zwischen 39,5 und 40,5 cm in der Höhe und 31 und 32 cm in der Breite.32 Alte und neue Reihenfolge der Tafeln lassen sich folgendermassen schematisieren (neue Anordnung in Klammern): 4v (4v) 4r (4r)

5r (5r) 5v (5v)

3v (2v) 3r (2r)

6r (7r) 6v (7v)

2v (3v) 2r (3r)

7r (6r) 7v (6v)

1v (1v) 1r (1r)

8r (8r) 8v (8v)

28 Die Bindung erfolgte mit einer 1 bis 1,5 mm dicken Schnur. Der Falz weist sieben Bindlöcher auf. 29 Der biegsame Umschlag ist im Format etwas grösser als die Tafeln. 30 Die betreffenden Blätter wurden dazu bis etwa auf mittlere Blatthöhe auseinandergeschnitten. So konnten die (bis 0,5 cm breiten) Verstärkungsstreifen gleichzeitig innen und aussen angebracht werden. 31 Vgl. Anm. 19. Diese Annahme stützen auch inhaltliche Gründe: Die als Doppelseiten konzipierten Baum- (fol. 5v: Tugenden, fol. 7r [statt fol. 6r] Laster) und Frauensklaven-Darstellungen (fol. 6v [statt fol. 7v] und fol. 8r) wurden so auseinandergerissen. 32 Die Tafeln dürften im früheren Zustand grösser gewesen sein. Dies ist aus den fehlenden Textzeilen auf fol. 2r und 5v zu schliessen.

Texte und Zeichnungen

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Der Erhaltungszustand der sechzehn Tafeln ist erstaunlich gut. Anfangsund Schlusstafel sind nicht schlechter erhalten als die übrigen Tafeln und waren folglich immer geschützt. Die einzelnen Tafeln unterscheiden sich in ihrem Zustand nur unwesentlich voneinander, ausgenommen die Doppelseite 4v/5r mit sichtlich weniger Abrieb- und Schmutzspuren. Zu verzeichnen sind Loch- und Faltschäden, Leimspuren (im Falz), kleinere Flecken und Blatteinrisse, Schnittspuren an den oberen und unteren Blatträndern, Abrieb und Aufrauhung sowie Verschmutzungen durch das Umblättern.

1.4 Texte und Zeichnungen Sämtliche Texte und Zeichnungen stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Hand. Diese These stützen einerseits das einheitliche Schriftbild und die gleichmässige Formung der Buchstaben, andrerseits die enge Verbindung von Texten und Zeichnungen, deren Entstehung schwerlich als getrennte Arbeitsvorgänge mehrerer Hände vorstellbar ist. Der Schreiber verwendete zwei Tinten, für die Texte rot und schwarz, für die Federzeichnungen nur schwarz. Einzelne Teile der Zeichnungen sind geringfügig rötlich koloriert. Nachgetragene Korrekturen seitens des Schreibers oder späterer Hände wurden trotz der durchgehend hohen Fehlerhaftigkeit der Texte und teilweise starker Benutzungsspuren nur vereinzelt vorgenommen und betreffen zumeist einzelne Buchstaben, die durchgestrichen und dann über der Zeile durch den richtigen Buchstaben ersetzt wurden.33 Allgemein hat man bei der vorliegenden Handschrift von einer ›Schnellarbeit‹ auszugehen, von sorglos geschriebenen Texten und flüchtig hingesetzten Zeichnungen, die manchmal gekonnt ausgeführt sind, manchmal unbeholfen wirken. Hinweise auf eine durchdachte Planung der einzelnen Seiten gibt am ehesten die Organisation der Bildteile und Texteinheiten und ihre gegenseitige inhaltliche Abstimmung. Formal fällt das überlegte Layout der Seiten auf, die Einheitlichkeit der Formate einzelner Bildteile und Textblöcke,34 sowie die linksbündige Ausrichtung der Textblöcke und die gerade 33 Vom Schreiber stammen die Korrekturen auf fol. 1r, 2v und vielleicht auch diejenigen auf fol. 3r, 3v, 5r und 5v. Von einer zweiten Hand mit schwarzer Tinte bzw. in hellerem Rot nachgetragen wurden vermutlich die Korrekturen im Mittelteil des Turmes auf fol. 4r und 6v. 34 Am besten ersichtlich auf fol. 1r, 5v, 7r und 7v.

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Zur Handschrift

Führung der Textzeilen,35 die an einzelnen Stellen nur aufgrund einer Liniierung möglich war. Inhaltlich ist die Stimmigkeit der einzelnen Texte untereinander und ihre überlegte Platzierung im Bild oder um das Bild hervorzuheben.36 Man hat auch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es innerhalb der Handschrift qualitative Unterschiede in der Ausführung von Texten und Bildern gibt. Diese lassen sich textlich im kalligraphischen Niveau der Schrift fassen, bildlich im Grad der Figurierung.37 Auch dort, wo die Schrift anspruchslos bleibt, das Bild nicht mehr als einen schematischen Umriss darstellt und die Anordnung der Texte und Bilder wirr und schludrig erscheint, war eine gestalterische Planung der Seite vorgesehen, nur liess der Schreiber und Zeichner seine Vorsätze offenbar unter der Hand nach und nach fallen.38 Die Zeichnungen lassen sich einteilen in Schemata und Figurenzeichnungen, die Texte aufgrund ihrer Funktion in Begleittexte, Inschriften, und Bildtexte.39 Für die unterschiedlichen Text-Bild-Verhältnisse verwende ich die drei Begriffe ›Text-Bild-Ensemble‹, ›Text-Bild-Einheit‹ und ›Bildtext‹. Text-Bild-Ensembles bezeichnen einen loseren Zusammenhang beider Medien. Die Texte sind hier dem Bild zumeist in Form einer Spalte oder eines Blocks beigegeben; ich nenne sie deshalb Begleittexte. Text-Bild-Einheiten beziehen sich auf textierte Schemata und Figuren. Die Texte nenne ich hier Inschriften. Eine dritte Gruppe sind sogenannte Bildtexte40 wie Tituli, Spruch- oder Schriftbänder und Legenden in Bildrahmen. Beischriften wie Inschriften können Überschriftfunktion haben. In diesen Fällen sind sie notwendigerweise kurz, leiten eine Seite (oder eine Seiteneinheit) ein als Titelwörter, Titelsätze oder Titelverse oder beschliessen diese als Conclusio. Unter Berücksichtigung dieser Kategorien lassen sich Texte und Bilder wie folgt gliedern, wobei die Bildmotive in Fettdruck, die Texteinheiten in 35 Am besten ersichtlich auf fol. 5r. Hier ist die Liniierung zum Teil noch sichtbar. 36 Vgl. die Interpretationen zu den einzelnen Seiten, allen voran jene zu fol. 4v/5r und 5v/6r bei Castelberg, Wissen und Weisheit. 37 R beinhaltet auf der einen Seite stark figurierte, d. h. ausgeschmückte und plastisch erscheinende Bilder (fol. 5r, 5v und 6r), auf der anderen Seite stark schematisierte Bilder wie die Zeichnungen der Aderlassmänner (fol. 2r–3v). 38 Vgl. bes. fol. 2v. 39 Eine ausführlichere Diskussion der hier ad hoc entworfenen Kategorien findet sich bei Castelberg, Wissen und Weisheit, Teil B, Kap. 1.1. 40 Die Bezeichnung erfolgt im Anschluss an Nikolaus Henkels Untersuchung solcher Texte in der ›Berliner Eneashandschrift‹ (Henkel, Bildtexte, S. 1–47, hier: 1).

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Normaldruck und die Texte mit Überschriftfunktion in Kursivdruck erscheinen. Die Siglen bezeichnen spaltig und als Blöcke angeordnete Begleittexte (BeSp/BeBl), Inschriften (In) und Bildtexte (Bi):41 Tafel I (fol. 1r, Abb. 1) Sphärenschema und Planetenkinder Planetenverse (In, lat.) Inc.: Saturnus: Est saturnus auidus,/ malus atque lupi‹n›us . . . Planetenkinderverse (In, dt.) Inc.: Czw geitikait pin ich geporen,/ mein miltikait ist gar verloren . . . Autoritätenbilder Merkverse (In, lat.) Inc.: Astra non necessitant, sed inclinant . . . Schlusssatz (BeBl, lat.): Vir sapiens Inc.: Concludo ergo veraciter, quod vir sapiens dominatur astri‹s› . . . Tafel II (fol. 1v, Abb. 2) Titelsatz (BeBl, lat.): Lauf des Mondes Inc.: Hec sunt domin‹i›a signorum in corpore humano . . . Zodiakusmann Dominium signorum-Texte42 (BeBl, lat. und dt.) Inc.: Duode‹cim› sunt signa, scilicet aries, thaurus, gemini, cancer, leo, virgo, libra, scorpius, s‹a›gittar‹i›us, capricornus, aquarius, pisces . . . Tafel III (fol. 2r [3r], Abb. 3) Aderlassmann I Aderlassregeln und Kritische Tage (BeSp, dt.) Inc.: Dv solt wizzen, das du all aderen, die von dem haupt gen, solt haissen slahen . . . Lassstellentexte (BeBl, dt.) Inc.: Die ader in der mitt der stiren ist güt cze lazzen fur all geswer vnd aposte‹m›ata der augen . . . Verworfene Tage (BeSp, dt.) Inc.: In ianuario, als sich der kalender anhebt, so slach der ader nicht . . .

41 Die Reihenfolge der Texte und Bilder entspricht derjenigen in den Erläuterungen und Interpretationen bei Castelberg, Wissen und Weisheit. Dort wird diese inhaltlich begründet. 42 Texte zu den Eigenschaften der Tierkreiszeichen und ihrer Herrschaft über die Körperteile.

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Zur Handschrift Tafel IV (fol. 2v [3v] , Abb. 4)

Aderlassmann IIa Jahreszeitenlehre (BeSp, lat.) Inc.: Vere, lencz: In vere omnia innouantur et crescunt ex c‹a›lore et humore temporis . . . Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostik (BeSp, lat.) Inc.: Januarius. In ianuario de vino o‹p›timo bibe ieiunus . . . Lassstellentexte (BeBl, lat.) Inc.: Vena in fronte valet dolori capitis, dolori e‹micraneo›, apostematibus oculorum et fr‹ene›si sed multum facit sanguinem flore‹re› . . . Tafel V (fol. 3r [2r] , Abb. 5) Aderlassmann III Aderlassregeln (BeSp, dt.) Inc.: [D]v solt wissen, daz ein mensch alle czeit vnd alle moned wol gelazzen mag . . . Lassstellentexte (BeBl, dt.) Inc.: Ein ader ist vor an dem stiren, dy solt du slahen fur den geprechen dez haubtez . . . Tafel VI (fol. 3v [2v], Abb. 6) [deutsche Übersetzung von Tafel IV (fol. 2v)] Aderlassmann IIb Jahreszeitenlehre (BeSp, dt.) Inc.: In dem lenczen so vahen alle ding an cze wagssen von der hicze vnd von der feucht der czeit . . . Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostik (BeSp, dt.) Inc.: In ianuario so trinkch den pesten wein . . . Lassstellentexte (BeBl, dt.) Inc.: An der stiren oben dy [ader] ist gut cze slahen fur den we dez hauptez vnd fur apostema der augen vnd fur dy fistel vnd macht daz blüt . . . Tafel VII (fol. 4r, Abb. 7) [deutsche Übersetzung von Tafel XII (fol. 6v)] Titelsatz (BeBl, dt.): Leseanweisung Text: Daz [ist] der turen der weisha‹i›t. heb an cze niderist an dem alphabet vnd liz gein perg! Turm der Weisheit Verhaltensregeln/Anweisungen (In, dt.) e Inc.: Die gruntvest dez thurns der weishait ist diemutichait, wann die ist ein muter aller tugent . . .

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Tafel VIII (fol. 4v, Abb. 8) Titelsatz (BeBl, dt.): Leib und Seele Text: Ein yedleich sel vnd ein fleisch ist ein mensche gar. Mikrokosmosmann Text zur Erschaffung des Menschen (BeBl, dt.) Inc.: Got der hat gemacht den menschen . . . Titelwort (In, dt.): Mikrokosmos Text: Microcosmus Text zu Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogien (In, dt.) Inc.: Recht als daz wazzer in dem mer, also pflegen sich czw sammen die gerechtichait dez menschen in dem leibe . . . Text zur Analogie zwischen den Körperregionen und Weltbereichen und zur Analogie zwischen der Dreieinigkeit und den Seelenkräften (In, dt.) Inc.: Der mensch microcosmus, daz [ist] die mynner werlt, als ez von den elderen ist genant czw ainem czaichen der grossen werlt . . . Tafel IX (fol. 5r, Abb. 9) Titelsatz (BeSp, dt.): Elementenlehre e Text: Isiderus sprich‹t› yn xi o puch Ethymologiarum, das daz fleisch von uier elementen czw sammen gemacht ist et cetera. Makrokosmosschema Titelwort (In, lat.): Makrokosmos Text: Macrocosmus Text zu den Elementen und ihren Qualitäten (In, dt.) e Inc.: Daz wasser ist feucht vnd chalt yn dem plut . . . Vers zur machina mundi (In, lat.) Inc.: Machina mayores mundi fit ymago minoris . . . Text zur Trinität und zur Einteilung der Philosophie (BeSp, dt.) Inc.: Als die sel, in irem spiegel vnd in irem begy¨n driualtig vnd eyn . . . Plinius- und Gregor-Exzerpte (BeSp, dt.) Inc.: Gregorius in dem czehenten puche Moralium spricht: allez daz do ist, daz man czw dem menschen ayge‹t› . . . Titelverse (BeBl, lat.): Topos vom Zwerg auf den Schultern des Riesen Inc.: Nostri maiores vita studioque priores/ Corpore min‹a›nt‹i›s formam ten‹u›ere gigantis . . . Verse zur Philosophie und zu den sieben freien Künsten (In, lat.) Inc.: Philosophi‹a› docet inquirere, quid sit honestum; qu‹i›d mare, qu‹i›d celum, qu‹i›d homo, quid terra, quid aer . . . Riese und Zwerg Tafel X (fol. 5v, Abb. 10) Tugendbaum und Cherub Einzelne Tugenden (In, dt.) e Inc.: Diemutichait. Gelaub: erverdichait . . . Texte zu den sieben Tugenden (BeSp, dt.) e Inc.: Diemutichait ist von der innerchait dez aigens gewissen . . .

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Zur Handschrift Tafel XI (fol. 6r [7r], Abb. 11)

Lasterbaum, Johannes Evangelista Einzelne Laster (In, dt.) Inc.: Babilonia: vnkeusch . . . Exzerpt aus Apc (Bi, dt.) Inc.: Daz sanctus iohanes sach daz tier yn der getaugen . . . Text zu den sieben Lastern (BeBl, dt.) Inc.: Dv scholt wissen die vnterschaiden der siben tod sund: Hochfart ist ein e boser vbermut . . . Tafel XII (fol. 6v [7v], Abb. 12) Titelsatz (BeBl, lat.): Leseanweisung Text: Turris sapiencie a pede incipitur leg‹i› ascendendo per seriem litterarum alphabeti. Turm der Weisheit Verhaltensregeln/Anweisungen (In, lat.) Inc.: Fundamentum turris sapiencie est humilitas que est mater omnium virtutum . . . Tafel XIII (fol. 7r [6r], Abb. 13) Philosophie, die sieben freien Künste [Bi, lat.] Inc.: Philosophia: Contemplacio sapiencie . . . Tafel XIV (fol. 7v [6v], Abb. 14) Frauensklaven [Bi, dt.] Inc.: Fraw eua adam des vber cham,/ Daz er den appffel von dem pawm nam ... Tafel XV (fol. 8r, Abb. 15) Frauensklaven [Fortsetzung] [Bi, dt.] Inc.: pecula, die Stat . . . Pseudo-Frauenlob-Strophe (BeBl, dt.) Inc.: Der frawen lob yn der langen weis: Adam, den ersten menschen, betört ein weip . . . Spruchband zur Weisheit und Torheit (dt.) Inc.: Allexander vnd Salomon,/ Sampson vnd absolo‹n›,/ aristo‹te›les vnd virgilius/ sprechent all sampt alsus . . .

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Tafel XVI (fol. 8v, Abb. 16) Fortuna und ihr Rad Seneca, Publilius Syrus, Vergil, Cato (BeSp, lat.) Inc.: ‹M›ale gerit‹ur›, quidquid fortune geritur fide, vt Seneca dicit . . . Figur der Fortuna (In, lat.) Inc.: Est rota fortune mutabilis ut rota lune . . . Radinschriften (dt.) und Spruchbänder der Figuren auf dem Rad (dt.) Inc.: In allen landen verr vnd weit/ ist erchant mein wirdichait . . . Merkverse zu Glück und Unglück (Bi, lat./dt.) Inc.: En ego fortuna, si starem ‹s›orte sub vna? . . . Schriftband des Concepteurs?43 (dt.) Inc.: † Gelukchez wassen vil maniger nicht erkene‹t› . . .† Seneca, Publilius Syrus (BeSp, lat.) Inc.: O bona fortuna, cur non es omnibus v‹na›? . . .

Man findet Tafeln mit ausschliesslich deutschen Texten (z. B. Tafel XV , fol. 8r), von denen manche keine Übersetzungen lateinischer Vorlagen sind, also ›original‹ deutsch, und andere, die fraglos Übersetzungen aus dem Lateinischen sind (z. B. Tafel VII , fol. 4r). Bei diesen befinden sich die Vorlagen entweder in der Handschrift (z. B. Tafel IV , fol. 2v) oder sie lassen sich meistens in der Parallelüberlieferung auffinden (z. B. Tafel III , fol. 2r). Dazu kommen Tafeln mit lateinischen und deutschen Texteinträgen, wobei letztere keine Übersetzungen aus dem Lateinischen sind. Schliesslich gibt es Tafeln mit ausschliesslich lateinischen Texten. Die Seiten bilden Einheiten als Einzeltafeln, hängen aber darüber hinaus teils als Doppelseiten zusammen, teils als Recto- und Verso-Seite, teils als seitenübergreifende Motivreihen, schliesslich als einheitlich strukturierte Handschrift. Die Tafeln versammeln eine breite Vielfalt an Themen, die eine allgemeine Anthropologie entwerfen und mit den Stichwörtern ›Leibeswohl‹ und ›Seelenheil‹ umschrieben werden können. Es stehen da astrologische und medizinische Text-Bild-Motive wie Sphärenmodell (Tafel I ), Zodiakusmann (Tafel II ) und Aderlassmänner (Tafeln III–VI ) im ersten Teil der Handschrift, auf das Seelenheil ausgerichtete Motive wie Tugend- und Lasterbaum (Tafeln X und XI ) oder der sogenannte Turm der Weisheit (Tafeln VII und XII ) im zweiten Teil. Daran schliessen sich eine Darstellung der personifizierten Artes liberales um die ›Philosophie‹ (Tafel XIII ) und eine doppelseitige Darstellung von neunzehn Frauensklaven an (Tafeln XIV und XV ). Auf der zentralen Doppelseite 4v und 5r (Tafeln VIII und IX ) 43 Doppelschriftband entlang des rechten Seitenrandes. Der Text hat die Funktion eines zusammenfassenden Schlusssatzes, ist jedoch stark fragmentiert.

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Zur Handschrift

stehen ein Mikrokosmosmann und eine Darstellung des Zwerges auf den Schultern des Riesen einander gegenüber. Das Motiv der Fortuna und ihres Rades füllt die Schlussseite der Handschrift (Tafel XVI ). Zusammenfassend stehen da durchaus konventionelle Motive, multimedial verfestigtes und allseits verfügbares Kanonwissen, das hier in Gestalt von bescheidenen Federzeichnungen mit fehlerhaften Textinseraten und Begleittexten vorliegt.

1.5 Paläographische Aspekte Die verwendeten Schriften lassen sich in eine stark vereinfachte Textura als Auszeichnungsschrift für übergeordnete Texte und eine im kalligraphischen Niveau variierende Bastarda für untergeordnete Texte unterscheiden. Die Textura ist stilisiert, die einzelnen Buchstaben sind abgesetzt, deren Füsschen an Innen- und Schlussschäften einfach oder doppelt umgebrochen, Merkmale, wie sie im 15. Jahrhundert Auszeichnungsschriften für einfache Handschriften und später den Drucktypen für Holzschnitte und Blockbücher eigen sind.44 Die Arkaden von m und n sind spitz geformt.45 Bei der Bastarda lassen sich folgende Merkmale festhalten:46 einstöckiges, spitzes a mit schrägem Schaft, g mit leicht verlängertem rechtem Schaft und zumeist offenem und etwas ausgezogenem Unterbogen,47 ungebrochenes Schaft-s und brezelförmiges, verlängertes Schluss-s, gleichschenkliges v und geschwänztes z. Auffällig sind die spitz gestalteten m, n, und i, besonders bei den kalligraphisch tiefer einzustufenden Texten der Aderlassreihe. Das Schriftbild erinnert stark an den von Charlotte Ziegler beschriebenen böhmischen Schrifttyp, der sich während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts relativ konstant erhalten und auch auf den süddeutschen, namentlich auf den Regensburger Raum ausgestrahlt hat.48 Ziegler stellt die Merkmale der sehr eng und vertikal gestellten Schäfte des spitzen i und der 44 Vgl. Schneider, Paläographie, S. 53 ff. Allg. Mazal, Paläographie, S. 37 ff. 45 Die Merkmale der Textura lassen sich am besten auf fol. 1r (Abb. 1) nachprüfen. 46 Vgl. dazu: Schneider, Paläographie, S. 215 f. Frenz, Gotische Gebrauchsschriften, S. 14–30, hier: 20–23. Gumbert, Nomenklatur, S. 122–125. 47 »g mit offenem, nach links ausgezogenem Unterbogen wurde in bairischen Bastarden noch relativ weit ins 15. Jahrhundert hinein geschrieben, während schwäbische und alemannische Bastarden schon frühzeitig eher zu kürzeren und zum Kopfteil hin gerundeten Unterbögen neigen.« So Karin Schneider in der Einleitung zu: Die datierten Handschriften, S. XXVI (zahlreiche Abb.). 48 Ziegler, Aspekte, S. 120–130, hier: 121 f. und 128.

Paläographische Aspekte

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›sägezahnartig‹ gestalteten m- und n-Arkaden heraus.49 Dazu komme die immer wieder zu beobachtende Tendenz zur ornamentalen Stilisierung der Schrift wie das Ausfahren der Schäfte und Unterlängen bei h, n und y, z.50 Die Bastarda in R ist bei den anspruchslos gehaltenen Aderlassfiguren eilig und sorglos hingesetzt (Abb. 3–6), beim Mikrokosmosmann und in den Texten um die Zwerg-Riesen-Zeichnung kalligraphischer ausgeführt (Abb. 8 und 9): Das Schriftbild ist hier gleichmässiger, die einzelnen Buchstaben sind weniger gedrängt, ihre Körper bauchiger, die Schäfte (von h, m, n) und Unterlängen (von y und z) sind wie in böhmischen Bastarden nach unten ausgefahren,51 die Oberlängen (von b, h, k, l) meistens mit Schleife versehen.52 Das r ist häufig mit Füsschen ausgeführt53 wie in kalligraphischeren Bastarden des bairischen Raumes ab den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts.54 Betrachtet man die ganze Handschrift, überwiegen die schleifenlosen Buchstabenformen,55 was eine Datierung vor 1420 eher unwahrscheinlich macht.56 Der am häufigsten ohne Schleife ausgeführte Buchstabe ist d, was Karin Schneiders Feststellung entspricht, wonach die Schleifen zunächst beim d weggelassen wurden.57 49 Ebd. S. 122 ff. (bes. Abb. 1). In Anschluss an Ziegler auch Schneider in: Die datierten Handschriften, S. XXIII und XXX . 50 Ziegler, Aspekte, S. 126 (Abb. 7). 51 Bes. fol. 4v und 5r (Abb. 8 und 9). 52 Bes. fol. 4v, 5r und 8v (Abb. 8, 9 und 16). 53 Bes. fol. 4v und 5r (Abb. 8 und 9). 54 Vgl. Die datierten Handschriften (Beschr. Schneider), S. XXVI . 55 Ebd. S. XXV . 56 Der erste Beleg für eine Bastarda mit teilweise glatten Schäften im bairischen Raum ist bei dem von Schneider untersuchten Handschriftenkorpus die Predigthandschrift München, BSB , Cgm 531 von 1420. Hier erscheinen vereinzelt h und l ohne Schleife (ebd. S. XXIV f. [Abb. 50 f.]). Vgl. auch: Schneider, Paläographie, S. 71 und 74. Als erstes, ganz schleifenloses Beispiel führt Schneider den Cgm 269 der BSB aus dem Augustinerchorherrenstift Indersdorf an, der auf das Jahr 1430 datiert wird. Dieser Schrifttyp ist in Schneiders Korpus ausgesprochen selten vertreten und hat sich bis in die Jahrhundertmitte nicht durchsetzen können. 57 Ebd. S. XXV . In R ist die Häufigkeit der Schleifen – mit Ausnahme des zumeist schleifenlosen d – abhängig vom kalligraphischen Niveau der Schrift. l und h mit Schleife überwiegen bei der anspruchsvolleren Bastarda auf fol. 4r, 5v und 8v (Abb. 7, 10 und 16), sind jedoch bei den Aderlasstexten in der Minderheit. Grundsätzlich gleich verhalten sich b und k. Eine deutliche Tendenz zu glatten Schäften ist bei kurzen Inschriften in knapp bemessenem Raum zu beobachten, beispielsweise bei den Inschriften der Bäume und Türme (Abb. 7, 10, 11 und 12). Gerade diese Inschriften sind aber wiederum auf

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Zur Handschrift

Deutlicher auszeichnende Funktion als das kalligraphische Niveau der Bastarda hat die Wahl des Schrifttypus. Die Eingangsseite (Tafel I ) ist ausschliesslich in Textura geschrieben, die zentrale Doppelseite (Tafeln VIII und IX ) und die Schlussseite (Tafel XVI ) zeigen sowohl Textura als auch Bastarda. Lateinische Texte sind vornehmlich in Textura angebracht. Ansonsten wird die Textura für Texte mit Überschriftfunktion58 eingesetzt, dies alles jedoch ohne die Möglichkeit einer vierfachen Schrifthierarchie59 auszuschöpfen und konsequent durchzuhalten. Als Dekorations- und Gliederungsmittel kommen zweizeilige rote Initialen,60 rubrizierte Majuskeln, rote Majuskeln und Minuskeln sowie rot textierte Anfangszeilen zum Einsatz. Generell verraten die paläographischen Aspekte der Handschrift den Duktus eines geübten Schnellschreibers, dem es mehr auf eindrucksvolle Präsentation des Ganzen ankam als auf Stimmigkeit im Detail. Dafür spricht auch die Fehlerhaftigkeit der Texte.

1.6 Fehler und Varianten Die Fehlerhaftigkeit der Texte ist unabhängig von Sprache, Schriftgrad und Bildqualität durchgehend hoch, teils durch die Überlieferung bedingt, teils durch eiliges Schreiben; teils ist sie wohl auch in der mangelnden Sprachund Sachkompetenz des Schreibers zu suchen. Der traditionelle Fehlerbegriff stösst besonders dort an Grenzen, wo verschiedene Varianten in der Graphie der Wörter – innerhalb von R und in den Vorlagen –, insbesondere des Fachwortschatzes, vorkommen oder die kopiale Überlieferung zahlreiche Fehler kolportiert, die der eilige Schreiber unbewusst oder unwissend übernommen hat. Erschwert wird die Einschätzung dadurch, dass man nicht weiss, ob der Schreiber lediglich Vorlagen kopiert hat oder ob er die Handschrift geplant und die Texte kompiliert, wo nötig übersetzt und schliesslich niedergeschrieben hat. Ich begnüge mich in der nachstehenden Auflistung der Fehlerarten damit, die Fehler vereinfachend auf ein paar wahrscheinliche Ursachen zurückzuführen und die Zuweisung zu problematisieren. recht hohem kalligraphischem Niveau und relativieren die Abhängigkeit der Schaftgestaltung vom kalligraphischen Niveau. 58 Gemäss obiger Klassifikation als Titelwörter und Titelsätze. 59 Rote Textura, schwarze Textura, rote Bastarda und schwarze Bastarda. Die Farbe wurde mehr als Mittel des Kontrastes eingesetzt, als dass sie der Hierarchisierung der Schriftgrade diente. 60 In Form von Majuskeln und Minuskeln.

Fehler und Varianten

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Am häufigsten belegt sind Fehler, die aus Flüchtigkeit, durch die Mechanik des Abschreibens oder aus schriftartspezifischen Gründen61 entstanden sein dürften. Hierzu sind die folgenden Kategorien zu zählen (Fehlschreibung R/richtige Schreibung):62 – Verwechslung von Buchstaben: fol/sol, 1r; fornosum/formosum, 1r;63 nimis/minus, 2v; metuum/motum, 1r; phisolophus/philosophus, 5r; quale/male, 8v. – Auslassung von Buchstaben: aera/aerea, 1v; fuzze/fluzze, 3r; fleich/fleisch, 5r. – Fehlen von Abbreviaturzeichen: abitus/ambitus, 1r. – Verwechslung von Abbreviaturzeichen: proibit/peribit, 2v; minner/minnen, 8r. – Falsche Abzählung von Hasten: vnsim/vnsinn, 3r; sym/synn, 6r; dein/dem, 8v. – Wortauslassung: so spricht er von den dingen des [himels], 5r; die vj vettach ist [lieb] dez nachsten, 5v; [In spetem] partes [sapientia] diuidit artes, 5r. – Dittographie: granostnostica/granomastica, 2v; die ader ader in dem neck, 3v; in allen lan landen verr und weit, 8v. – Versehentlicher Einschub (unterstrichen): Pessima infirmitas hoc tempore vtendum humidis et calidis est, que nascitur ex melancolia, nimis mala ex sanguine. In hoc tempore vtendum est humidis et calidis, 2v; Frasichait ist ein sach, dez vn dy er begert massigen lebens, 6r.

Eine weitere Gruppe betrifft Fehler, deren Entstehung schwerer zu durchschauen ist: – Sinnloses Wort,64 sinnloser Satzteil: mcu der/nutu dei, 1r; syonuge/wegung, 4v; glid/gehuht, 4v; daz/haz, 6r; patrem/pacem, 6v. – Unklare Syntax: Machina mayores mundi fit imago minoris. Corporis humani uel de hoc est formula vani, 5r; Ein beczaichen der natur der mensch sich mit seinem geleichen, 5v; Der wenet han gevallen vnd man ym woll den seldenreichen, 8v. – Fragmentarischer Satz:65 dy drey´ vnd dy¨ voderen iiij tugent der genad damit der furgab boshait wirt erwegt vnd der posz gaist wirt vberwunden. Vnd mag auff dem weg der gerechtichait vnd der vrsprunkch aller tugent wirt czw fliessen, 5v; e freykait ist ein sach, da mit der frey mut in der miltichait der wesiczung mit v chainerlay twingt, 5 . – Verwechslung von Texten:66 schon dez kranchkes (in der Kategorie ›Reinheit des Fleisches‹), 5v; salichait der kirchen (in der Kategorie ›Reinheit des Fleisches‹), 5v. 61 So durch die paläographische Verwandtschaft einzelner Buchstaben oder durch die falsche Abzählung von Hasten. 62 Geordnet nach abnehmender Häufigkeit. 63 Verwechslung von m und n ist häufig. 64 Sehr selten sind ›sinnvolle‹ Fehler wie mortalis/moralis (fol. 5r). Siehe den Komm. zu Tafel IX.3. 65 Nicht bedingt durch den Erhaltungszustand. 66 Betrifft nur ein paar Inschriften des Cherubs (fol. 5v), die möglicherweise zum Turm der Weisheit gehören (fol. 4r).

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Zur Handschrift

Die Hauptursache dieser Fehler dürfte wohl auf missverständliche oder missverstandene Vorlagen zurückzuführen sein. Fehler entstanden sicher auch vermehrt beim Übersetzen aus dem Lateinischen; erwägenswert ist zudem eine Übernahme einzelner Fehler aus überlieferungsbedingt defekten Texten. Eine eher seltene Art von Fehlern betrifft vor allem Inschriften, die nur mit Mühe in den entsprechenden Schemata untergebracht werden konnten: – Textabbruch:67 Corpore for‹m›osum / ‹s›ol procreat; 1r, Massichait mast vnd vnder s‹chait›, 5v. – Willkürliche Kürzung: lupi 9/lupinus, 1r; iustiam/iustitiam, 1r; rixa se 9/rixator sevus, 1r; na 9/natus, 1r; sa¯/sangwineum, 1v; duode/duodecim, 1v; dic/dicit, 2v.

Von den Fehlern zu unterscheiden sind die Textvarianten. Solche kommen in R vor als schreibsprachliche Varianten in der Graphie einzelner Wörter (zumeist Schreibervarianten) und als inhaltliche Varianten (zumeist Überlieferungsvarianten): – Varianten in der Graphie deutscher Texte: haup/haupt, 3v; shon/schon, 8v; feicht/feuch/feucht, 3v, 1v. – Varianten in der Graphie lateinischer Texte:68 agromoniam/agrimoniam, 2v; segittarius/sagittarius, 1v; ducela/tutela, 6v; grescit/crescit, 8v. – Inhaltliche Varianten: lactum summe in cena/lactucas commede in cena, 2v; tene iudicium/metue iudicium, 6v.

Zu fragen ist einerseits, ob schreibsprachliche Varianten sich im Rahmen eines labilen bairischen und mittellateinischen Graphiesystems bewegen oder ob sie als Fehler des Schreibers anzusehen sind. Zu fragen ist andrerseits, ob die Überlieferungsvarianten sich fügsam in den Sinnzusammenhang eingliedern oder brüchig und fehlerhaft bleiben.69

1.7 Schreibsprache Die Schreibsprache von R ist eindeutig bairisch. Die meisten Merkmale lassen sich genauer als mittelbairische Schreibformen ausweisen, wobei die variantenreiche Graphie eine nähere Lokalisierung unmöglich macht. Ich 67 Textabbrüche erfolgen selten an willkürlicher Stelle im Satz. 68 Ein grosser Teil der Varianten bezieht sich auf den Fachwortschatz lateinischer Pflanzennamen. Solche Varianten werden in der Edition gebessert. 69 Eine Reihe solcher Varianten wird bei Castelberg, Wissen und Weisheit, Teil A, Kap. 1.2.3. diskutiert.

Schreibsprache

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versuche im Folgenden die besonderen schreibsprachlichen Merkmale anhand der Kategorien ›Wortschatz‹, ›Wortbildung‹, ›Verbflexion‹ und ›Graphie‹ zu bestimmen. Als bairische Kennwörter sind tenck (links)70, czend (Zähne)71 und plat(t)er (Blase)72 belegt; dazu findet man lieb (haben) für minne(n) und oft für dicke.73 Die Verwendung des Genus zeigt oft bairische Eigenheiten: so heisst es häufiger der luft 74 statt die luft und ausschliesslich der tauf 75 statt die tauf. Die zwei augenfälligsten mittelbairischen Merkmale bei der Wortbildung sind das Häufigkeitsverhältnis der Suffixvarianten -(i)chait und -ikait bei den starken Substantiv-Feminina und das Verhältnis der Adjektivsuffixe -leich und -lich. Die Variante -(i)chait, die im Mittelbairischen im Zeitraum von 1350–1400 gegenüber von -ikait gehäuft auftritt,76 findet sich in etwa zwei Dritteln aller Fälle in R. Beim Adjektivsuffix ist die Form -leich stärker vertreten als -lich.77 Bei der Verbflexion überwiegen die -en-Endungen in der 3. Pers. Pl. Ind. leicht gegenüber den -ent-Endungen.78 Viele ent-Belege entfallen auf das Verb haben. Die Endsilbe -et ist in der 3. Pers. Sing. Ind. sowie im Partizip Perfekt noch weitgehend vorhanden, besonders nach 〈s〉 und 〈ss〉, 〈n〉 und 〈m〉: weiset, beweisset, erchennet, chumet.79 Sporadisch belegt ist die bairische Form seind/sein für sint;80 belegt ist bair. wierst für wirst (selten) und siech für sich(e).81 Das Graphiesystem der Vokale und Konsonanten ist sehr labil. Die folgende Auflistung soll einen Eindruck davon vermitteln.82 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82

Kranzmayer, Die bairischen Kennwörter, S. 12 f. Ebd. S. 14. Wiesinger, S. 366–389, hier 374. Die Form minne erscheint nur auf der Doppelseite fol. 7v/8r (Tafeln XIV und XV ). Vgl. dazu: Besch, Sprachlandschaften, S. 155 ff. und 197 f. BWB , Bd. 1, Sp. 1452. Ebd. Bd. 1, Sp. 588. Doerfert, Die Substantivableitung, S. 87 (Tabellen 3 und 4). Wiesinger, S. 382 f. Moser/Stopp, I,3, § 38. Wiesinger, S. 376. Moser/Stopp, I,1, § 17, S. 160 ff. Tauber, Mundart, S. 45 f. an dem menschen seind drey macht, 4v; in dez menschen haupt sein czway¨ augen, 4v. Vgl. dazu: BWB , II , Sp. 202. PWG , § 159. Tauber, Mundart, S. 160. Kranzmayer, § e2. PWG , § 159. Tauber, Mundart, S. 59 f. Die Angabe der Häufigkeit erfolgt dort approximativ, wo aufgrund genügend vieler Belege ein Trend feststellbar ist. Für solche Graphien, die in R selten belegt sind, stehen Gesamtvorkommen des Wortes und Anzahl der Graphie-

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Vo k a l i s m u s : Sprossvokal e (häufig):83 aderen, czoren, gestiren, horen, schulteren, stiren, turen, voren. Sprossvokal i (selten): foricht, milich, ordinung, riniger. a84 〈a〉: antlüzz, anvankch, man, sach, straff, erslagen, hat, halt (Imp.) (durchgee hende Graphien), taglich (2x); 〈e〉: het(t) (5x), helt (1/1); 〈ä〉: täglich (1x), chlaffig 85 (1x); 〈o〉: olmosen (1/1), ochten (1/1). aˆ 〈a〉: ader, massichait (5x), trachait, han, e e e e lazzen (durchgehende Graphien); 〈a〉: massichait (3x), verratnuzz (1/1); 〈o〉: Inlaut: worhait (durchgehend), woren (1/1); 〈ö〉: dröt (1/1); 〈au〉: Aubel (1/1). ä86 〈e〉: e czenden (durchgehend), kelt (3/3), selben (durchgehend); 〈i〉: verlischt (1/1); 〈a〉: e e fraffell, gesazz (1x); 〈a〉: fraffel (1x), gesazze (1x); 〈ö〉: schönkchet (1/1). eˆ 〈e〉: e e e sel (durchgehend), (nach)gen (2/2), stent (1/1), wenig (2/2). ae87 〈a〉: gedachnuz, e e (vn)statichait (häufig), bewart; 〈a〉: (vn)statichait (1x), trag (1/1), vngedachtig (2/2), vnstatig (1/1); 〈ä〉: wär (1/1); 〈e〉: stettichait (1/1); 〈ü〉: wür (1/1). i 〈i〉: ist, sech (1), sind, versinkch, wirst (durchgehend), nicht, nit, ir, in (häufige Graphien), sicherhait (1x); 〈ie〉: siech (3x), siecherhait (1x), wierst (1x); 〈y〉: begyn, nympt, ym, yn (häufige Graphien); 〈u〉: antlucz (4x), betrupnuz (1/1), gedachnus (1x), hindernuzz (1/1), e e vinsternuss (1/1), ich sunch (1/1); 〈ü〉: antlüzz (1x), gedachnüzz (1x); 〈u〉: betruge e nuzz, gedachnuz (durchgehende Graphien). ˆı 〈ei〉: czeit, ertreich, leip, paradeiz, peicht (durchgehende Graphien), wegreich (1/1), weishait (durchgehend), ymbeis (2/2), begreiffen (1/1), beleiben (2/2), sweig (1/1), (be)weist (häufig), geleich (durchgehend), tagleich (1x), weis (häufig), mein, sein (durchgehende Graphien), yegleich/iegleich (je 1x); 〈ey〉: freylichait (1/1), pey (2/2), seyn(er) (3x); 〈ay〉: genayget (1/1), laymen (1/1); 〈i〉: gewislich (1/1), taglich (durchgehend), ieglich/yegleich (9x/1x). o88 〈o〉: Nouembri (3x); 〈ö〉: Nöuembri (1/1), verdrossenheit (1/1), vorcht (3/3), scholt (durchgehend), geporen (3/3), solich (2x); 〈e〉: geseten (1/1); 〈u〉: sumer (1/1), truchken (häufig), kumpt (1/1), in truppf (1/1), sulich (1x). oˆ89 〈o〉: lon (1x), oren (durchgehend), procz (1/1), hoch(er) (häufig); 〈ö〉: lön (1x). ö90 〈o〉: naslocher; 〈e〉: gescheppff (1/1). oe91 〈ö〉: czerstöret (1/1), erhör (1/1), pözz (2x); 〈o〉: rote (1/1), bos/posen/pozz (häufig), frolich (3/3), s(c)hon (Adj. 2/2). u92 〈v〉: Anlaut: vnd(e), vncz, vnschuld, vnmassigew (durchgehende Graphien); 〈u〉: Inlaut: chunst, czung, tugent, zucht, sullen, gebuntten (durchgehende Graphien), Auslaut: czu (2x); 〈w〉: Inlaut: czwcht (1/1), Auslaut: czw (durchgehend). uˆ 〈au〉: stainchraut (häufig),

83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

belege in Klammern (x/y). Bei konkurrierenden Graphien steht die Anzahl der Belege in Klammern. Wird fast durchgehend mit einem Nasalstrich abgekürzt. Dies ist in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts immer noch ein bairisch-österreichisches Merkmal. Vgl. Römer, Geschichte, S. 46. Moser/Stopp, I,1, § 69. Kranzmayer, § 1e1. Moser/Stopp, I,1, § 75,2. Kranzmayer, § 1e1. Moser/Stopp, I,1, § 70. Ebd. I ,1, § 76. Moser/Stopp, I,1, § 73,1. Kranzmayer, § 5f2 und 5g2. Moser/Stopp, I,1, § 78,1. Kranzmayer, § 11a7. Moser/Stopp, I,1, § 16 und 59. Wiesinger, S. 379. Ebd. Moser/Stopp, I,1, § 14 und 74. Wiesinger, S. 380.

Schreibsprache

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werhaus (1/1), raukch (1x), lautterhait (1/1), faulchait (2/2), trauren (3/3), auff (durchgehend); 〈eu〉: heut (1/1); 〈ü〉: nü (2/2); 〈äu〉: äuff (2x). ü93 〈v〉: Anlaut: vber (häufig), vbrig (häufig), vberlistet (1/1), vppigen (1/1); 〈ü〉: gelükch (häufig), für e e e e (2x), kürleich; 〈u〉: tur (1/1), krume (1/1), fur (1x); 〈u〉: chunikch (1/1), vngelukch (häufig), vnderfullung, fur (häufig), chunftigen (1/1). ü94 (lang)/iu95 〈ü〉: flüch (1x); 〈ew〉: (vn)trew (häufig), fewr (3x), newlich, drew (3x), rewden, rew, vnkewsch (Einzelbelege); 〈au〉: verlausest (1/1); 〈eu〉: feucht (durchgehend), leuten (häufig), reuden (3x), feur (4x), fleuch (2x); 〈ey〉: drey (3x), dreyerlay (Einzelbeleg); 〈ei〉: feicht, treilich, wedeit (Einzelbelege). ei96 〈ai〉: gaist (1x), mail (häufig), (vn)rainichait (durchgehend), prait (2/2), ain (häufig), tail (durchgehend), paid (durchgee hend), gemain (durchgehend), dinstlichait (1/1), geitikait (1/1), ingewaid (1/1); 〈ai〉: e (vn)rainichait (1x); 〈ei〉: heilig (durchgehend), geist (durchgehend), fleisch (durchgehend), ein (häufig); 〈ay〉: aygen (1/1), czway (2/2), tayl (1/1), payd (1/1), chainerlay (1/1); 〈ay¨〉: czenay¨gung (1/1); 〈e〉: helig (2x); 〈ey〉: eyn (2x). ie97 〈ie〉: lieb, liecht, chrieg, ieglicher (durchgehende Graphien), tier (3/3), ietwederin (1/1), niemant (1x); 〈ye〉: nyemant (3x); 〈y〉: nymant (2x), ymer (1/1), nymancz (1x); 〈i〉: iglich (1/1), schir (1/1); 〈ö〉: fröret (1/1). ou98 〈aw〉: czawbrey (1/1), frawen (durchgehend), gelawb (3x), pawm (3/3); 〈au〉: augen (durchgehend), frauen (2x), getaugen (1/1), haupt (durchgehend), verlaug(n)en (2/2), auch (durchgehend); 〈a〉: habet (1x); 〈o〉: e e e ogswern (1/1). öu 〈eu〉: freud (3x); 〈ä〉: fräd (1x). uo99 〈u〉: fuzz (1x), gut (Subs. und e e e e Adj., 5x), mut (durchgehend), puch (2x), puzz (2x), hut (2x); 〈ue〉: fuezz (3x), gesuecht (2x), mues (1/1), tuet (1/1); 〈üe〉: püezz (1x); 〈ü〉: blüt (1x), güt (häufig), (be)hüt (3x), müz, tün (Einzelbelege); 〈u〉: fluzze (durchgehend), gesucht (2x), gut (häufig), puche (3x), suzzichait (2/2), hut(t) (3x); 〈ew〉: rew (1/1). üe100 〈u〉: betrupe e nuz (1x), geprule (1/1); 〈ü〉: betrugnuzz (1x). K o n s o n a n t i s m u s : Sprosskonsonanten b und p: im Inlaut: 〈b〉: zwischen 〈m〉 und 〈t〉: chumbt (häufig); 〈p〉: zwischen 〈m〉 und 〈t〉: nympt (1/1), kumpt (1x); im Auslaut: 〈b〉 nach 〈m〉: siechtumb (2x); 〈g〉 nach 〈n〉: reichtung (Einzelbeleg). b101 im (unmittelbaren) Anlaut in der Regel 〈p〉: elpogen, pild, plater (6x), plut, prust, pet, pizz, pitt, pin, gepresten, geporen (durchgehende Graphien); 〈b〉: blüt (1x), blater (2x); im Anlaut der Vorsilbe be- häufig 〈w〉: weginn, weschaidenhait, wesiczung, weczaichent, wedeit, wegarb, wiz(z); im Inlaut in der Regel 〈b〉: ablaz, ymbeis, geben, leben, haubt, leibez, hebt, selben, haupt; im Auslaut 〈p〉 und 〈b〉 in etwa gleicher Verteilung: weib/weip(p), leib/leip; im Auslaut nur 〈b〉: lob, selb, lieb; im 93 Moser/Stopp, I,1, 94 Moser/Stopp, I,1, uˆ > mhd. iu. 95 Moser/Stopp, I,1, 96 Moser/Stopp, I,1, 97 Moser/Stopp, I,1, 98 Moser/Stopp, I,1, 99 Moser/Stopp, I,1, 100 Ebd. 101 Moser/Stopp, I,3,

§ 74. Wiesinger, S. 379. § 77,1. PWG , § 77: 1. ahd. iu > ahd. iü > mhd. iu. 2. ahd. § 77: germ. eu > ahd. iu > mhd. iu. § 79. Kranzmayer, § 20a und 20m. § 81,1. § 79. Wiesinger, S. 382. § 81,1. § 43 und 137. Kranzmayer, § 27a4.

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Auslaut nur 〈pp〉: raupp. w102 im (unmittelbaren) Anlaut in der Regel 〈w〉: wazzer, wirffel, wurmmut, weist, wirt, gewint, wirdig, waz, wegen, geswulst, verswerung, vberwunden; im unmittelbaren Anlaut selten 〈b〉 für 〈w〉: verbunt; im Inlaut vereinzelt 〈b〉 für 〈w〉: ingebar, webeglich. d103 〈t〉: tunchel (2/2). k104 im (unmittelbaren) Anlaut: 〈ch〉: chain (häufig), chrieg (durchgehend), chind (2x), chnie (3x), chunikch (1/1), cham (2/2), chom (3/3), chumbt (häufig), erchant (2/2), erchennet (1x), chunden (1/1), chunftigen (1/1); 〈k〉: kain (1x), kelen (häufig), kind (1x), knie (6x), keusch (durchgehend), kestigung (1/1), kinpain (3/3), kirchen (2/2), erkennet (1x), kumpt (Einzelbeleg); im Inlaut: 〈ch〉: tunchel (2/2), winchel (1x); 〈k〉: enkel (1x), strauken (2x); 〈ck〉: enckel (3x), winckel (1x), trucken (häufig); 〈kch〉: merkchen (2/2), schrikchen (2/2), straukchen (Einzelbeleg), trukchen (2x); 〈chk〉: enchkelen (2x), truchken (3x); im Auslaut: 〈ck〉: tranck (3/3); 〈kch〉: dinkch (2/2), trinkch (3/3), starkch, tobikch, chunikch, raukch, werkch, smakch (Einzelbelege). kk/gg 105 im Inlaut: 〈k〉: ruke(n) (2x); 〈ck〉: rucken (2x), tencken (durchgehend); 〈kch〉: rukche(s) (2x); im Auslaut: 〈ck〉: plick (1/1), ruck (1/1); 〈kch〉: gelukch (durchgehend). pf106 in Anlaut und unmittelbarem Anlaut: 〈pf〉: pflegen (2/2), gepfendet (1/1); im Inlaut: 〈ppff〉: kramppffen (1/1), troppffen (häufig); 〈pff〉: snopffen (1/1); 〈ppf〉: scheppfers (1/1); 〈ph〉: verstophen (1/1); 〈mm〉: krammen (1/1); im Auslaut: 〈ppff〉: gescheppff (1/1); 〈ppf〉: intruppf (1/1). v107 im Anlaut: 〈f〉: funf, fuezz, faulhait, fewr, erfult, frawen, fleizz (durchgehende Var., in der Regel vor 〈u〉, 〈ue〉, 〈ew〉, 〈aw〉, 〈au〉, 〈r〉 und 〈l〉); 〈v〉: vernust, vettach, vinsternussen, vorcht, vindt, voderisten, von, vierd (durchgehende Var., in der Regel vor 〈o〉, 〈e〉 und 〈i〉). z108 im Anlaut: 〈cz〉: czeit, czaichen (durchgehende Var.), czwcht (1x), czagel, czwo, czway, czwischen, czung, cze (durchgehende Graphien); 〈z〉: zucht (1x), zenay¨gung (1/1), zwo (1x); im Inlaut: 〈cz〉: herczen, spicze, kraczen, tanczen, beczaichen, nuczen, gancz (durchgehende Graphien); im Auslaut: 〈cz〉: hicz (durchgehend), antlucz (3x), ich sicz (1/1), nucz (1/1), uncz (durchgehend). s, ss, z, zz109 im Inlaut: 〈s〉: grosichait (1/1); 〈ss〉: massichait, vngewissen (durchgehende Graphien), wasser (1x), (ab)lassen (3x), essen (3x), haissen(t) (3x), enpissen (1x), pesser (durchgehend), aussen (2/2); 〈zz〉: wazzer (häufig), lazzhait (1/1), (vn)fluzzigen (2/2), ezzen (6x), haizzent (2x), lazzen (häufig), enpizzen (1x), auzzen (1x); im Auslaut: 〈s〉: speis (1x), ymbeis (2/2), hauptes (2x), das (Art., selten), des (Gen.pron., häufig), es (3x), alles (2x); 〈z〉: speiz (3x), leibez (durchgehend), hauptez (häufig), haiz (3x), ich muz (3/3), daz (Art., häufig), dez (Gen.pron., häufig), ez (13x); 〈zz〉: hazz (2/2), antlüzz e e (1x), gesazz, haizz (5x); 〈cz〉: gocz (häufig), procz (1/1), mucz (häufig, zu cz verschmolzene Genitivendungen).

102 103 104 105 106 107 108 109

Moser/Stopp, I,1, § 32 und § 25a3. Wiesinger, S. 381. Aus wgerm. d. PWG , § 144. Moser/Stopp, I,3, § 149. Wiesinger, S. 381 f. Aus wgerm. kk und wgerm. gg. PWG , § 133. Moser/Stopp, I,1, § 40. Wiesinger, S. 381. Moser/Stopp, I,1, § 35 und I ,3, § 140. Wiesinger, S. 381. Moser/Stopp, I,1, § 29,1 und 45,1. Wiesinger, S. 381. Moser/Stopp, I,1, § 45,2. Wiesinger, S. 381.

Schreibsprache

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Angesichts der Kompilation disparat überlieferter Texte und der hohen Fehlerhaftigkeit sind Aussagen über die Gesetzmässigkeiten der Schreibung nur schwer zu machen. Ein paar Merkmale lassen sich trotzdem aus der Aufstellung herauslesen. Die stabilsten Merkmale sind die durchgehend vorhandenen Graphien 〈ai〉 für 〈ei〉 (tail),110 〈p〉 für 〈b〉 im Anlaut (pain), 〈cz〉 für mhd. 〈z〉 (aus germ. 〈t〉) und die zu 〈cz〉 verschmolzenen Genitivendungen. Belegt sind zudem einzelne Entrundungen von 〈iu〉 zu 〈ei〉 wie wedeit (mhd. bediutet) und feicht (mhd. viuchte).111 Unterschiedslos nebeneinander stehen verschiedene Graphien für mhd. 〈k〉 in allen Wortstellungen, für mhd. 〈pf〉 im Inlaut und für mhd. 〈s/ss〉 sowie 〈z/zz〉. Die Kennzeichnung der Umlaute durch Trema oder übergeschriebenes e ist teils durchgeführt, teils unterlassen.112 Bairische Graphien zeigen die Wörter moned,113 weishalt,114 werlt,115 wirem,116 gen, stent, pidmet,117 wedeit 118 und ainliften.119 Durchgängig belegt ist die mittel- und südbairische Schreibung 〈ue〉 für mhd. 〈uo〉 (puech, fuezz) und 〈u〉 für mhd. 〈o〉 (sumer, sulich).120 Ins Mittelbairische weist auch die häufige Schreibung 〈w〉 für 〈b〉 (weschaidenhait) und seltener 〈b〉 für 〈w〉 (webeglich) sowie der Ausgleich zwischen 〈a〉 und 〈o〉 wie in worhait oder in oder.121 Im Weiteren treten gelegentlich Angleichungen benachbarter Laute (Assimilation) auf122 (haupt > haup) oder t-Schwund bei Mehrfachkonsonanz (wiltpret > wil110 Die Graphie 〈ei〉 bleibt in den Kirchenwörtern fleisch, geist und heilig nahezu immer bestehen wie häufig im Bairischen seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Für heilig steht zwei Mal die Variante helig (PWG , § 42). Vgl. Tauber, Mundart, S. 99. Bei ein und eyn/ain sind beide Varianten häufig vertreten. 111 PWG , § 77. e e e 112 Vgl. die Beispiele massichait/massichait, taglich/taglich oder gut/güt/gut. 113 Moser/Stopp, I,3, § 43, S. 201. 114 Nur ein Beleg auf fol. 4r. Vgl. PWG , § 15. Kranzmayer, § 20h1. 115 Besch, Sprachlandschaften, S. 122 f. 116 PWG , § 159. Tauber, Mundart, S. 32 f. 117 Tauber, Mundart, S. 171 f. 118 Ebd. S. 87 f. 119 Ebd. S. 99 f. 120 PWG , § 159. 121 Wiesinger (S. 379 ff.) bezeichnet die Ersetzung von 〈b〉 durch 〈w〉 und 〈a〉 durch 〈o〉 als dialektal-mittelbairische Schreibkonvention gegenüber der neutral-bairischen. Als dialektal-mittelbairisch einzustufen wäre nach Wiesinger auch das häufige Vorkommen von e- und i-Sprossvokalen (czoren, milich) und die in R oft fehlenden Umlautbezeichnungen (gelukch). 122 Tauber, Mundart, S. 153–155.

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pret).123 Die Graphie für mhd. 〈sch〉 schwankt, so für sullen zwischen 〈s〉 (solt) und 〈sch〉 (scholt), für zwischen zwischen 〈ss〉 (czwissen) und 〈sch〉 (czwischen). Für schon lautet die Schreibform 〈sh〉 (shon/schon) und für falschen 〈ss〉 (falssen).124 Die seltenen Schreibungen 〈au〉 für mhd. 〈a〉 (Aubel) sowie 〈a〉 für mhd. 〈ou〉 (habet) rechtfertigen nicht eine Lokalisierung der Handschrift im ostschwäbischen Raum.

1.8 Entstehung und Überlieferung Die Frage nach der Entstehung der einzelnen Seiten und der Handschrift als ganzer erfordert eine Klärung zentraler Begriffe. Ich unterscheide zwischen einem Concepteur, den ich als Text-Bild-Arrangeur begreife,125 und einem Schreiber und Zeichner, der wegen der engen Text-Bild-Zusammenhänge in R dieselbe Person gewesen sein muss. Der Begriff ›Schreiber‹ reicht vom Vorgang des Kopierens über denjenigen des Übersetzens bis zu jenem des Kompilierens, also Sammelns und Neu-Schreibens. Ich gehe davon aus, dass die Begriffe ›Concepteur‹ und ›Schreiber/Zeichner‹ für unseren Fall verschiedene Funktionen oder Tätigkeiten derselben Person bezeichnen. Vorstufen der Konzeption lassen sich bereits für die Vorlage(n) von R denken, weiter, dass R als Kompilation bereits aus kompilierten Vorlagen schöpft. Auf verschiedenen Überlieferungsstufen lässt sich also die Entstehung von R personell wie funktionell als Konzeption, Kompilation, Zeichnung und Abschrift begreifen. In Bezug auf die Genese der Einzelseiten ist zu fragen: Wo war der Schreiber und Zeichner von R gleichzeitig Concepteur und Kompilator? Wo fungierte er bloss als Abschreiber und Zeichner? Wo ordnete er lediglich für die thematisch geschlossenen Einzelseiten, für die Einblattschriftlichkeit neu, was er schon in kompilierter Form vorfand?

123 PWG , § 112. Unklar bleibt, ob der Wegfall von 〈t〉 im Auslaut als Angleichung an 〈ch〉 oder als Fehler zu erklären ist. Die Fälle im Text sind nicht selten, so zum Beispiel feuch für ›feucht‹, leich für ›leicht‹, mach für ›macht‹ oder ich für ›icht‹. Zu berücksichtigen ist hier auch die hohe Fehlerhaftigkeit des Schreibers. Auslassungen von Buchstaben sind in allen Positionen oft anzutreffen. 124 Ebd. § 155. 125 Die Arbeit des Concepteurs besteht in der Planung und Anordnung der Text-Bild-Teile auf den Einzeltafeln sowie in der Ordnung der Tafeln zu einer sinnvoll gereihten Tafelsammlung.

Entstehung und Überlieferung

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Dem Schreiber könnten so für jede Tafel unterschiedlich weit bearbeitete Vorlagen zur Verfügung gestanden haben, Vorlagen also, die lediglich kopiert, solche, die für die Einblattschriftlichkeit neu konzipiert, andere wiederum, die erst noch kompiliert werden mussten. Die Leistung des Kompilierens und Konzipierens ist also nicht in jedem Fall unserem Schreiber anzurechnen. Trotz der vorhandenen Befunde zur Entstehung und Überlieferung der Tafeln sind die Entstehungsstufen der Kompilation, Konzeption und Abschrift meistens nicht mehr auseinanderzuhalten. Ich wähle ein paar Seiten aus, um die skizzierten Möglichkeiten der Entstehung zu veranschaulichen.126 Für die Texte und Bilder der zentralen Doppelseite (Tafeln VIII und IX ), für das Tugend und Lasterbaum-Paar (Tafeln X und XI ), für die Artes-Seite (Tafel XIII ), für die Reihe der Frauensklaven (Tafeln XIV und XV ) und für die Schlussseite (Tafel XVI ) beispielsweise ist nicht mehr zu entscheiden, ob der R-Schreiber auch gleichzeitig Kompilator und Concepteur war. Die durchdachte Planung der Seiten verträgt sich einerseits nur bedingt mit den Fehlern, die sie aufweisen, so dass man versucht ist, darin die eilige Abschrift qualitätsvoller Vorlagen zu sehen, andrerseits lassen sich (formale) Planung und (inhaltliche) Fehler durchaus unter einen Hut bringen: Die Planung der Seite war dem Schreiber insofern wichtig, als das ansprechende Schriftbild und die gelegentliche durchaus gekonnt gezeichneten Bilder offenbar repräsentativen Charakter haben sollten. Die Fehler waren insofern zweitrangig, als sie diesen auf den ersten Blick nicht minderten. Gut denkbar also, dass der Schreiber in diesen Fällen zunächst die Texte für die Tafeln kompiliert und sie dann mit Bildern arrangiert hat. Erst dann dürfte er die Tafeln ausgeführt haben. Etwas einfacher scheint die Frage nach dem Verhältnis von Schreiber und Kompilator/Concepteur für die Seiten 1r bis 3v (Tafeln II–VI ) zu sein. Die Anfangsseite (Tafel I ) zeigt Planungsfehler, die sich nur so erklären lassen, dass der Schreiber die Seite (ausgehend von einem Kompilat?) neu als TextBild-Ensemble konzipierte.127 Gleich erklärt sich die Rückseite 1v (Tafel II ), deren Texte als Kompilat bestanden haben dürften.128 Die Aderlassseiten (Tafeln II–VI ) schliesslich zeigen ähnliche Planungsfehler wie die Anfangsseite. Im Falle von fol. 2v/3v (Tafeln IV und VI ) hat der Schreiber wohl ein 126 Weitere Ausführungen zur Entstehung der einzelnen Seiten finden sich im entsprechenden Interpretationsteil bei Castelberg, Wissen und Weisheit. 127 Vgl. Castelberg, Wissen und Weisheit, Teil A, Kap. 1.2.1. 128 Vgl. ebd.

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Zur Handschrift

Kompilat für die Einblattschriftlichkeit neu konzipiert. Möglich ist es, dass die Planungsfehler von einer formal bereits fehlerhaften Tafel übernommen wurden, wahrscheinlicher, dass sie erst beim Abschreiben entstanden sind.129 Der Schreiber scheint, was die Seiten 1r bis 3v betrifft, für die fehlerhafte Neuordnung von bereits Kompiliertem verantwortlich. Die Text-Bild-Einheit des Weisheitsturms auf fol. 4r/6v (Tafeln VII und XII ) zeichnet sich wie die Texte der Aderlassseiten durch eine massenhafte kopiale Überlieferung aus. Die Texte brauchten daher nicht erst kompiliert, die Text-Bild-Einheit nicht konzipiert zu werden, sondern wurden getreu einer lateinischen Vorlage reproduziert. In diesem Fall ist der Schreiber von R eindeutig vom Concepteur der Vorlage zu trennen. In Hinblick auf die Tafelsammlung als Ganzes stellt sich die Frage nach Singularität und Kopialität. Singulär ist die Handschrift aus heutiger Sicht nämlich dann, wenn man sie als Kompilat betrachtet, das in seiner Zusammensetzung einmalig ist bzw. nur ein Mal überliefert ist. In der Frage der Singularität der Handschrift kann man sich auf Robert Suckales Standpunkt stellen, wonach es ähnliche Handschriften zuhauf gegeben haben solle, nur seien sie nicht überliefert. Die scheinbar unikalen Züge der Handschrift auf der eben betonten, konzeptionellen Ebene sowie angesichts ihrer Entstehung als repräsentativer und zugleich fehlerhafter ›fertiger‹ Sammlung relativieren sich, wenn man bedenkt, dass eine ähnlich ›abgeschlossene‹ Sammlung oftmals für weitere Auftraggeber hätte angefertigt werden können. Kopial ist die Handschrift, wenn man die Überlieferung der Texte und die Typik der Bilder betrachtet. Texte und Bilder sind konventionell und zumeist relativ breit überliefert.130 Wo die Parallelüberlieferung ausbleibt, sind verwandte bis nahezu identische Texte und Bilder belegt, so für die Divisio philosophiae (Tafel IX.3), für die Bildtexte der Frauensklaven (Tafeln XIV und XV ) sowie für Teile der Anfangs- und Schlussseite (Tafeln I und XVI ) und einzelne Frauensklavenbilder (Tafeln XIV und XV ). Eine Ausnahme macht das Zwerg-Riesen-Bild (Tafel IX ), das als Bild singulär ist, als Topos aber vielfach verbreitet war. In zwei Fällen liefert die Überlieferung Anhaltspunkte für eine Lokalisierung der Texte. Die ›Beilngrieser Aderlasstafel‹ (ausgehendes 14. Jh.), die die Texte von fol. 2r (Tafel III ) in einer bis in den Wortlaut übereinstimmenden Fassung überliefert, wird von Max Künzel aufgrund des Schreibdialektes in den Regensburger Raum 129 Vgl. ebd. 130 Vgl. dazu: Castelberg, Wissen und Weisheit.

Entstehung und Überlieferung

37

situiert.131 Tugend- und Lasterbaum der Münchner Handschrift Clm 8201, deren Zeichnung, Inschriften und Begleittexte weitgehend mit den Texten auf fol. 5v/6r (Tafeln X und XI ) übereinstimmen, entstammen der Schreibwerkstatt des Mettener Benediktinerklosters (1414/1415). Beide Befunde stützen die These einer Entstehung der Tafelsammlung im mittelbairischnordbairischen Grenzgebiet.

131 Vgl. Künzel, Beilngrieser Aderlassmännlein, S. 153–173, hier: 153.

2 Zur Edition 2.1 Einrichtung des Textes Die Texte in R zeichnen sich durch eine ausserordentlich hohe Verderbnis aus. Eine vollständige und befriedigende Wiederherstellung im Sinne der Lesbarkeit ist in vielen Fällen schlichtweg nicht mehr möglich. Angesichts dieser Ausgangslage standen drei Möglichkeiten der Textedition zur Diskussion: erstens ein diplomatischer Abdruck, also eine zeichengetreue Edition unter Beibehaltung sämtlicher Textfehler, zweitens die Herstellung eines Lesetextes mittels massiver Eingriffe und drittens ein diskutabler Kompromiss. Die Entscheidung wurde von Text zu Text getroffen. Für die überwiegende Mehrheit der Texte habe ich die erste und zweite Möglichkeit kombiniert, gebe die Texte also sowohl diplomatisch als auch in Lesefassung wieder. Die diplomatische Wiedergabe des Textes bietet einerseits Einsicht in die Arbeitsweise des Schreibers (Entscheidungen bezüglich der Einrichtung von Texten, Mechanismen des Abschreibens und Übersetzens), dokumentiert andrerseits ein Stück weit die Entstehung der Texte, ihren Gebrauchsund Verbrauchszustand, ihren Stellenwert überhaupt.1 Der gebesserte Lesetext ist ein Zugeständnis an den Leser.2 Die Wiedergabe von diplomatischem und gebessertem Text erlaubt es, in der Besserung relativ weit zu gehen. Für weniger beschädigte Texte (Bildtexte der Frauensklaven), Bildinschriften (Baum-, Turm- und Cherubinschriften) und längere Texte mit das Verständnis erleichterndem Aufzählungscharakter (Texte zur Melothesie, Lassstellentexte und ›Monatsregeln‹) bot sich die Kompromisslösung an, einerseits die zeichengetreue Wiedergabe unter Beibehaltung von uneinheitlicher Gross- und Kleinschreibung sowie Zusammen- und Getrennt1 Der diplomatische Text wird zeilengetreu abgedruckt. Wo dies aufgrund der Texteinrichtung nicht möglich ist, werden die Zeilenumbrüche – wie im behutsam gebesserten Textabdruck – mit markiert. 2 Aufgelöste Kürzungen werden hier nicht kursiv wiedergegeben. Gross- und Kleinschreibung sowie Interpunktion werden stillschweigend eingeführt.

40

Zur Edition

schreibung, andrerseits die Emendation korrumpierter Stellen und die Einführung der Interpunktion. Diplomatischer Text und gebesserter Text werden hier gleichsam übereinandergeblendet. Sie sind mittels der Anmerkungen leicht wieder zu trennen. Die folgende Auflistung der Texte soll zeigen, welcher Text jeweils nach welchem Editionsprinzip wiedergegeben wird: Texte Tafel I (fol. 1r) 3 1 Planetenverse 2 Planetenkinderverse 3 Euklid als Geometer 4 Vier Autoritäten 5 Vir sapiens Tafel II (fol. 1v) 1 Im Zeichen des Mondes 2 Trigona mit Grundqualitäten und Himmelsrichtungen 3 Melothesie, lateinisch 4 Melothesie, deutsch Tafel III (fol. 2r [3r]) 1 Aderlassregeln, Kritische Tage 2 Aderlassstellen 3 Verworfene Tage

diplomatisch

behutsam gebessert

stark gebessert

x x x x x

x x x x x

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x

x

x x x

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x x

x

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Tafel IV (fol. 2v [3v]) 1–4 Jahreszeitenlehren 5 Monatsregeln, Verworfene Tage usw. 6 Lassstellentexte

x x

x x

Tafel V (fol. 3r [2r]) 1 Aderlassregeln 2 Lassstellentexte

x

Tafel VI (fol. 3v [2v]) 1–4 Jahreszeitenlehren 5 Monatsregeln, Verworfene Tage usw. 6 Lassstellentexte

x x

x x x x x x

3 Erstmalige Transkription bei Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 273 (Tafel I.3), 274 (Tafel I.4 und 5), 282 (Tafel I.1) und 283 (Tafel I.2).

41

Einrichtung des Textes Tafel VII (fol. 4r) [sämtliche Texte] Tafel VIII (fol. 4v) 4 1 Leib und Seele 2 Erschaffung des Menschen 3 Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogien 4 Körperregionen und Weltbereiche usw. Tafel IX (fol. 5r) 5 1 Isidors Elementenlehre 2 Makrokosmos 3 Seele, Dreieinigkeit und die Wissenschaften 4 Gregorius, Augustinus, Plinius 5 Riese und Zwerg 6 Philosophie und Artes liberales

x x x x x

x x x x

x x

x x

x x x x

x x x x

Tafel X (fol. 5v) 1 Tugendbaum 2 Cherub6 3 Demut und die sieben Tugenden 4 Auslegung der Tugenden 5 Nächstenliebe 6 Gottesliebe7

x x x x

Tafel XI (fol. 6r) 1 Lasterbaum 2 Offenbarung des Johannes 3 Die sieben Laster

x x

x x x x x x x x x

Tafel XII (fol. 6v) [sämtliche Texte]

x

Tafel XIII (fol. 7r) [sämtliche Texte]

x

Tafel XIV (fol. 7v) [sämtliche Texte]

x

4 Erstmalige Transkription ebd. S. 263 (Tafel VIII.1–4). 5 Erstmalige Transkription ebd. S. 264 (Tafel IX.1 und 2), 265 (Tafel IX.4 und 5), 266, Anm. 40 (Tafel IX.3) und Wirth, Von mittelalterlichen Bildern, S. 276, Anm. 75 (Tafel IX.6) und 277 (Tafel IX.5). 6 Erstmalige Transkription bei Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 285– 287 (Tafel X.2.1–4 und 2.6). 7 Erstmalige Transkription ebd. S. 285 f. (Tafel X.6).

42

Zur Edition

Tafel XV (fol. 8r) 1–4 Frauensklaven 5 Pseudo-Frauenlob 6 Frauensklaven 7 Weisheit und Torheit

x x

x x x

Tafel XVI (fol. 8v)8 1 Seneca, Publilius Syrus, Vergil, Cato 2 Fortuna und ihr Rad 3 Fortuna 4 Concepteur 5 Seneca, Publilius Syrus

x

x x x x

x

x

An einigen Stellen bleibt der Text trotz punktueller Besserungen verderbt. Hier konnten die jeweiligen Textstellen nur noch mit Cruces (†) gekennzeichnet werden. Eigens hervorzuheben sind in dieser Hinsicht die Begleittexte zu Tugend- und Lasterbaum (Tafeln X.5 und XI.3) und besonders die Texte auf der Fortuna-Seite (Tafel XVI ). Auf diesen Seiten sind die einzelnen Sätze stellenweise bis zur Auflösung ihrer syntaktischen Struktur zersetzt. Häufig begegnen auch unkonventionelle Wortstellungen, die aus der Wort-für-Wort-Übersetzung der lateinischen Vorlage resultieren.

2.2 Prinzipien der Edition Der gebesserte Text ist noch weit weg von einem normalisierten Text – das ist bei der durch die Handschrift gebotenen Textqualität nicht anzustreben, geschweige denn zu leisten. Ziel war es, den Text überhaupt lesbar zu machen und die editorischen Eingriffe in jedem Fall transparent werden zu lassen. Die Besserung der Texte orientiert sich an den folgenden Richtlinien: 1. Die wichtigsten Texteingriffe betreffen Rekonstruktionen von Textverlust und Emendationen von Einzelwörtern. Die Eingriffe erfolgen besonders dort behutsam, wo die Schreibungen dialektal bedingt sein können oder die bis zur Beliebigkeit reichende graphische Varianz in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texten spiegeln. (Fehlende Flexionsendungen werden nicht gebessert [dez heiligen geist], Genus8 Erstmalige Transkription ebd. S. 276 (Tafel XIV .2, 2.2.3, 2.6.3 und 3), 277 (Tafel XVI.4 und 5), 278 (Tafel XVI.1) und 284 (Tafel XVI.2.1–6).

Prinzipien der Edition

43

varianten werden nicht vereinheitlicht [der/die luft, der/die gewissen, daz mensch], nicht-dialektale, offensichtliche Verschreibungen des bestimmten Artikels werden gebessert.) 2. Die Texte werden der Übersichtlichkeit und Lesbarkeit wegen in den gebesserten Editionen mit moderner Interpunktion versehen.9 In den meisten Fällen stimmt diese mit den Textgliederungsmitteln der Handschrift überein. Wo dies nicht der Fall ist, gehen inhaltliche Kriterien vor. Dekorierte Textschlüsse (Hasten, Punkte, Absatzmarkierungen, Wellenlinien) werden auch im diplomatischen und im behutsam gebesserten Text durch einen Schlusspunkt wiedergegeben. 3. Die Bestandteile von Komposita erscheinen in der Handschrift mal getrennt, mal zusammengeschrieben. Sie werden so belassen (siech tag/ siechtag). 4. Inhaltlich irrelevante Graphemvarianten werden in ihrer zumeist willkürlichen Verteilung belassen, so zum Beispiel gedaechnuez/gedachnuzz/ gedachnücz, sein/seyn, lazzen/lassen, die/dy/dye/dy¨, das/daz, in/yn, fur/ für, czw/czu. Gleich verhält es sich mit der Graphie der Geminaten. Varianten wie chrautter/chrauter oder sunn/sun werden unverändert belassen. Die Unterscheidung von c und t (grösstenteils bei lateinischen Wörtern auf -cia und in der deutschen Genitivendung -cz) ist paläographisch nicht immer möglich, es wird daher im Zweifelsfall zu c vereinheitlicht. Das aus dem übergeschriebenen e entstandene Trema in Form von zwei schräg gestellten Punkten, von denen z. T. nur ein Punkt sichtbar ist, wird wie die Umlautbezeichnung wiedergegeben. Schaft-s erscheint als Rund-s. 5. Die Abbreviaturen der Handschrift werden aufgelöst und erscheinen in der diplomatischen und in der weitgehend gebesserten Textversion in Kursivschrift; in der Lesefassung sind sie nicht ausgewiesen. Fehlerhafte Abbreviaturen werden richtig aufgelöst. Der Nasalstrich wird als Sprossvokal e und nicht als verdoppeltes n aufgelöst, wenn Vergleichswörter in ungekürzter Form die e-Variante aufweisen.

9 Interpunktion und inhaltliche Gliederung sind gewichtige interpretative Eingriffe, rechtfertigen sich aber angesichts der stellenweise starken Textverstümmelung. Fragliche Eingriffe werden im Text gekennzeichnet und in den Anmerkungen diskutiert.

44

Zur Edition

6. Folgende Sonderzeichen und Textmarkierungen werden verwendet: kursiv { . . .} Kapitälchen Kapitälchen gesperrt Normalschrift Normalschrift gesperrt fett unterstrichen ‹Buchstabe/Text› [kursiv] [recte] [. . .] (sic!) (Text) †. . .† ‹. . .›

Auflösung von Abbreviaturen über oder unter der Zeile in kleinerer Schrift nachgetragen schwarze Textura rote Textura schwarze Bastarda rote Bastarda Initiale (als Majuskel oder Minuskel) rubrizierte Majuskel oder Minuskel Emendation Rekonstruktion von Textverlust aufgrund von Parallelüberlieferung oder Quellen Rekonstruktion von einzelnen Wörtern aus dem Sinnzusammenhang 10 Auslassung einer Wort- oder Satzwiederholung gegenüber dem diplomatischen Text inhaltlicher Fehler Text ohne erkennbaren Sinn verderbte Textstelle Textverlust

7. Textgliederung: [Nummer] [Titel] [T] [S] [R]

Nummerierung der Abschnitte von den Herausgebern hinzugefügte Titel Titel, Spruch- oder Schriftband, Rahmentext

2.3 Anmerkungen zum Text In den Anmerkungen werden Eingriffe in den handschriftlichen Text (Emendationen, Rekonstruktionen) sowie alternative Schreibungen (Varianten) verzeichnet. Die Schreibung der mit Siglen gekennzeichneten Varianten aus der Parallelüberlieferung wird dabei normalisiert wiedergegeben, diejenige von R diplomatisch.11 Mit * markiert erscheinen zudem Anmerkungen, in denen Wort- und Satzbedeutungen diskutiert werden. Im Anschluss an die Edition der einzelnen Tafeln werden die Quellen, die Parallelüberlieferung sowie ausgewählte Varianten angeführt. Die Auswahl 10 Längere Stellen werden neuhochdeutsch wiedergegeben. 11 Abbreviaturen werden mit den gängigen Zeichen transkribiert. Für die lateinische rum-Abbreviatur wird # verwendet.

Anmerkungen zum Text

45

der Parallelüberlieferung motiviert sich von Text zu Text je neu. Meistens zeichnen sich Überlieferungsgruppen ab mit näher und ferner liegenden Textzeugen, so dass eine sinnvolle Auswahl getroffen werden konnte. Die angeführten Textzeugen werden für die Textrekonstruktionen und Emendationen herangezogen.

Tafel I : Planeten und Planetenkinder

4.2

4.1 1.1

1.7

1.1

2.1

1.2

1.7 2.7

2.2

3

1.2

1.6 1.6 2.6 2.3 1.3 2.5 1.5 1.5

1.4 2.4 1.4

4.3

4.4

5

Tafel I (fol. 1r): Planeten und Planetenkinder

1.3

Tafel I: Planeten und Planetenkinder

diplomatischer Text [1 Planetenverse] [1.1] S a t u r n u s Est saturnus auidus malus atque lupius [1.2] I u p i t e r Dilige iustiam nam sidere { polor aiam} [1.3] M a r s Est hic rixa seus licium { seminator} [1.4] S o l Corpore fornosum fol procreat [1.5] Ve n u s Ad ludos natus sum lasciuite { paratus} [1.6] M e r c u r i j s Est aill scriptor naus sum sidere {pictor} [1.7] L u n a Strabo ullusco lunaticus est homo sanctus

[2 Planetenkinderverse] [2.1] [Saturn] Czw geitikait pin ich geporen Mein miltikait ist gar verloren [2.2] [Jupiter] In allen landen weit vnd prait Ist erchant mein gerechtikait [2.3] [Mars] Kriegen muz ich ze aller zeit Vnd auch geben manigen streit [2.4] [Sonne] Ich wirt shon vnd {wol gestalt} Vnd han geslecht manig valt

49

50

Tafel I: Planeten und Planetenkinder

[2.5] [Venus] Der myn vnd des spils {muz ich pflegen} 1 mag ich nicht der wegen [2.6] [Merkur] Schreiben muz ich beginnen dar zu treiben mich mein sinne [2.7] [Mond] Ich mues haken vnd reuten vnd arbaiten den leuten [3 Euklid als Geometer] [S] encludes Abitus terie continet vigesies mille et quadraginta milaria.2 [4 Vier Autoritäten] [4.1] A s t r a n o n n e c e s s i t a n t s e d i n c l i n a n t A s t r a n o n necessitant sed inclinant3 etc. [4.2] Per septem planetas que sub firmamento mouentur mcu der singula disponuntur [4.3] Omnia inferiora recuntur secundum metuum speriorum.4 [4.4] D u c a t o s i d e r o r e s q u e i n m u n d o s u n t s u b i a c e n t e t obediunt.5 [5 Vir sapiens] Concludo ergo veraciter quod vir sapiens dominatur astri ut inquid expresse Tho lomeus inalmagesti 1 2 3 4 5

muz ich pflegen in Bastarda unter der Zeile nachgetr. Nach milaria sechs Hasten. Sentenz Astra bis inclinant zweimal textiert. Nach speriorum 31 Hasten. Nach obediunt zwölf Hasten, gefolgt von o, fünf weiteren Hasten, von denen die letzte mit Nasalstrich, und t.

Tafel I: Planeten und Planetenkinder

51

gebesserter Text [1 Planetenverse]6 [1.1] Saturnus Est saturnus auidus, malus atque lupi‹n›us7. [1.2] Iupiter Dilig‹o›8 iusti‹ti›am9 nam sid‹it›10 p‹al›lor11 [ad illam]12. [1.3] Mars Est hic rixa‹tor›13 seuus14 licium15 seminator. [1.4] Sol Corpore for‹m›osum16 ‹s›ol17 procreat [et generosum]18. [1.5] Venus Ad ludos natus sum lasciui‹ta›te19 paratus. [1.6] Mercur‹iu›s20 Est ‹habilis›21 scriptor na‹t›us22 su‹b›23 sidere pictor. 6 Textbesserungen nach München, UB , 4 o Cod. ms. 808, fol. 177 v–178 r (Mü1). Vgl. die Varianten bei Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 282 (Appendix I ). 7 lupi‹n›us] lupi 9 R. 8 Dilig‹o›] Dilige R; Diligo Mü1. 9 iusti‹ti›am] iustia! R. 10 sid‹it›] )id se R. 11 p‹al›lor] polor R; pallor Mü1. 12 ad illam] aia! R; at illam Mü1. 13 rixa‹tor›] rixa R; rixator Mü1. 14 seuus] se 9 R; seuus Mü1. 15 licium] liciu¯ R. 16 for‹m›osum] fo sno)u¯ R. 17 ‹s›ol] fol R; sol Mü1. 18 et generosum] et generosum Mü1; fehlt R. 19 lasciui‹ta›te] lasciuite R; ad laxsciuium Mü1. 20 Mercur‹iu›s] Mercurijs R. 21 ‹habilis›] aill R; habilis Mü1. 22 na‹t›us] na 9 R. 23 su‹b›] )u¯ R; sub Mü1.

52

Tafel I: Planeten und Planetenkinder

[1.7] Luna Strabo ‹uel luscus›24 lunaticus est homo ‹fuscus›25. [2 Planetenkinderverse] [2.1] [Saturn] Czw geitikait pin ich geporen, mein miltikait ist gar verloren. [2.2] [Jupiter] In allen landen weit vnd prait ist erchant mein gerechtikait. [2.3] [Mars] Kriegen muz ich ze aller zeit vnd auch geben manigen streit. [2.4] [Sonne] Ich wirt s‹c›hon26 vnd wol gestalt27 vnd han geslecht manig valt. [2.5] [Venus] Der myn vnd des spils muz ich pflegen, [arbaiten]28 mag ich nicht der wegen. [2.6] [Merkur] Schreiben muz ich beginnen, dar zu treiben mich mein sinne. [2.7] [Mond] Ich mues haken vnd reuten vnd arbaiten den leuten.

24 25 26 27

‹uel luscus›] ullu)co R; uel luscus Mü1. ‹fuscus›] )cs¯ R; fuscus Mü1. s‹c›hon] )ho¯ R. * wol gestalt: nicht als Nachtrag zu sehen; der Schreiber setzt das Versende aus Platzmangel auf der nächsthöheren ›Sphäre‹ fort. 28 arbaiten fehlt R; sinngemäss ergänzt.

Tafel I: Planeten und Planetenkinder

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[3 Euklid als Geometer] [S] E‹u›cl‹i›des:29 A‹m›bitus30 ter‹r›e continet vigesies mille et quadraginta (sic!) mil‹i›aria31.32 [4 Vier Autoritäten] [4.1] Astra non necessitant, sed inclinant et cetera. [4.2] Per septem planetas, que sub firmamento mouentur, ‹nutu dei›33 singula disponuntur. [4.3] Omnia inferiora re‹g›untur34 secundum m‹o›t‹u›m35 s‹u›periorum36. [4.4] Ducato sider‹um›37 res, que in mundo sunt, subiacent et obediunt. [5 Vir sapiens] Concludo ergo veraciter, quod vir sapiens dominatur astri‹s›38, ut inquid expresse Tholomeus in Almagesti.

29 30 31 32

33 34 35 36 37 38

E‹u›cl‹i›des] encludes R. A‹m›bitus] Abit 9 R. mil‹i›aria] milaria R. * vigesies bis mil‹i›aria: ein Erdumfang von 20 040 Meilen ist nicht belegt. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Verschreibung für vigesies mille quadringenta miliaria (20 400 Meilen). Vgl. Pierre d’Ailly, Ymago mundi, (Ed. Buron, X,9 f.): Et sic habet totus circuitus .XX . milia et CCCC . miliaria. ‹nutu dei›] mcu der R: gebessert nach Heidelberg, UB , Cod. Pal. lat. 1354, fol. 60 vb. re‹g›untur] recu¯t s R. m‹o›t‹u›m] metuu¯ R. s‹u›periorum] )periorum R. sider‹um›] )idero R. astri‹s›] a)tri R.

54

Tafel I: Planeten und Planetenkinder

Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten [1.1–1.7] Planetenverse (Saturnus bis ‹fuscus›) Parallelüberl.: München, UB , 4o Cod. ms. 808, fol. 177v–178r (Mü1);39 München, BSB , Clm 571, fol. 104r; St. Gallen, StiB, Cod. Sang. 827, p. 269.

[4.1] Vier Autoritäten (Astra bis inclinant) Quelle: Thomas von Aquin, De judiciis astrorum ad fratrem Reginaldum (Ed. Frette´), S. 449. Parallelüberl.: Aristoteles zugeschr.: München, BSB , Clm 8001, fol. 145r.

[4.2] Vier Autoritäten (Per bis disponuntur) Parallelüberl.: Heidelberg, UB , Cod. Pal. lat. 1354, fol. 60vb (Miszelaneenhs.) (Per septem planetas, qui sub firmamento sunt nutu dei omnia disponuntur).

[4.3] Vier Autoritäten (Omnia bis s‹u›periorum) Parallelüberl.: Aristoteles zugeschr.: Dessau, ALB , Georg Hs. 866, fol. 236r; Freiburg i. Br., UB , Hs. 463, fol. 10r. Aristotiles: Omnia inferiora reguntur a superioribus: Graz, UB , Ms. 900, fol. 277v u. Ms. 966, fol. 332r; Heidelberg, UB , Cod. Pal. lat. 1392, fol. 37r; Krakau, BJ , Ms. 563, fol. 311r. Omnia cum inferiora a motibus corporum superiorum gubernantur [. . .]: München, BSB , Clm 14111, fol. 301r; Uppsala, UB , C 655, fol. 60v. – Hermes Trismegistos, Secreta (Septem sunt planete secundum quorum cursum omnia inferiora reguntur): Bern, BB , Cod. B 44, fol. 232r; Roma (Citta` del Vaticano), BAV , Pal. lat. 1335, fol. 96r; Zürich, ZB , Ms. Rh. 172, fol. 62r.

[5] Vir sapiens (vir bis astri‹s›) Parallelüberl.: Claudius Ptolemäus (Almagest) zugeschr., in der Regel: Vir sapiens dominabitur astris: Oxford, Bodl., MS . Digby 48, fol. 243r, MS . Digby 71, fol. 3r, MS . Digby 93, fol. 94r u. MS . Digby 97, fol. 165r (Johannes Danck von Sachsen, Comm. Alcabitius Isagogicus); Heidelberg, UB , Cod. Pal. lat. 1385, fol. 1r (Commentum in Johannis de Sacrobosco Tractatum de Sphaera); Uppsala, UB , C 602, fol. 227r (Commentum in Tractatus Johannis de Sacrobosco Tractatum de Sphaera).

39 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Varianten: [1.1] lupi‹n›us] malignus Mü1 [1.4] procreat] profert Mü1 [1.5] ludos] ludum Mü1 sum] siue Mü1.

Tafel II : Zodiak und Melothesie

1

4.1

4.2

3.1 4.3 3.2 2

4.4

3.3

4.5

3.9 2.1

4.6 4.7

3.4

3.10 4.8

2.2

3.5

3.11 4.9

2.3

3.6

3.12

3.7

3.8

4.10 4.11

2.4 4.12

Tafel II (fol. 1v): Zodiak und Melothesie

Tafel II: Zodiak und Melothesie

diplomatischer Text [1 Im Zeichen des Mondes] Hec sunt domina signorum in corpore humano vt cum luna fuerit in aquilo illorum signo malum est mederi menbro in quo dominatur signum illud et cetera. [2 Trigona mit Grundqualitäten und Himmelsrichtungen] Duode sunt signa scilicet a r i e s thaurus gemini · c a n c e r leo v i r g o libra S c o r p i u s Segittarus Capri cornus a q u a r i u s pisces et cetera [2.1] Arie{s} leo Sagittarius Ignea orientalia [2.2] C a c e r Scorpius pisces aquea Septemtriona lia [2.3] Gemini Libra aquarius Aera occidentalia [2.4] T h a u r u s virgo capri cornus terrea meridionalia

57

58

Tafel II: Zodiak und Melothesie

[3 Melothesie, lateinisch] [siehe gebesserten Text] [4 Melothesie, deutsch] [siehe gebesserten Text]

Tafel II: Zodiak und Melothesie

59

gebesserter Text1 [1 Im Zeichen des Mondes] 2

Hec sunt domin‹i›a signorum in corpore humano, vt cum luna fuerit in aquilo‹ne›3 illorum signo‹rum›4, malum est mederi me‹m›bro5, in quo dominatur signum illud et cetera. [2 Trigona mit Grundqualitäten und Himmelsrichtungen] Duode‹cim›6 sunt signa, scilicet aries, thaurus, gemini, cancer, leo, virgo, libra, scorpius, s‹a›gittar‹i›us7, capricornus, aquarius, pisces et cetera. [2.1] Aries, leo, sagittarius: ignea, orientalia. [2.2] Ca‹n›cer8, scorpius, pisces: aquea, septemtrionalia. [2.3] Gemini, libra, aquarius: aer‹e›a9, occidentalia. [2.4] Thaurus, virgo, capricornus: terrea, meridionalia.10 [3 Melothesie, lateinisch]11 [3.1] Et quia in prima mun di constitucione12 Ari es cepit verg‹i›13; inde est, quod cap‹u›t14 et faci em hominis habere dic‹i›tur15.16 1 Textbesserungen nach Oxford, Bodl., MS . Canon. Misc. 248, fol. 42 r (O). 2 domin‹i›a] domina R; dominia O. 3 * in aquilo‹ne› gebessert aus in aquilo »im Norden«. Denkbar ist auch die Bedeutung in angulo »im [entsprechenden] Winkel«. 4 signo‹rum›] )igno R; signorum O. 5 me‹m›bro] menbro R. 6 Duode‹cim›] Duode R; Duodecim O. 7 s‹a›gittar‹i›us] Segittar 9 R; Sagittarius O. 8 Ca‹n›cer] Cacer R; Cancer O. 9 aer‹e›a] Aera R; aerea O. 10 * Aries bis meridionalia: zur Gliederung der Tierkreiszeichen nach den Grundqualitäten und Himmelsrichtungen vgl. Hübner, Die Eigenschaften der Tierkreiszeichen, 7.17. 11 Textbesserungen nach Oxford, Bodl., MS . Canon. Misc. 248, fol. 42 r (O). 12 constitucione] co¯ )titucoe¯s R; constitucione O. 13 verg‹i›] v sginem R; vergi O. – * vergere: wörtlich: »sich neigen, sich nähern« (Georges II , 3424), hier: »einflussreich werden, zufallen«. 14 cap‹u›t] capt R; caput O. 15 dic‹i›tur] dicu¯t s R; dicitur O. 16 * Aries cepit bis dic‹i›tur: Eigenschaften des Widders fehlen: männlich, feurig, warm, trocken und cholerisch.

60

Tafel II: Zodiak und Melothesie

[3.2] Thaurus est signum stabile, femininum17,18 terrenum, frigi dum et siccum, melan colicum et habet ex corpore hominis collum et guttur. [3.3] Gemini est signum commune, ma‹scu›l‹in›um19, aereum, sanguineum, calidum et humidum et habet ex corpore hominis brachia, ma‹n›us20 et scapulas. [3.4] Cancer est signum mobile21, femininum, aquaticum, frigidum et humidum, fleugmaticum et habet ex corpore hominis pectus22, st‹o›machum23 et costas. [3.5] Leo est sig num stabile, mas culinum, igneum, calidum colericum et habet ex corpore hominis cor, latus et dorsum.

et siccum,

[3.6] Virgo est signum commune, femininum, terreum, frigidum et siccum, melan colic‹um›24 et habet ex corpore hominis epar, ventrem et intestina. [3.7] Libra est signum masculinum, mobile, calidum et humidum, sanguineum et habet ex corpore hominis ren‹e›s25, henchas26 et vesicam et matricem. [3.8] Scorpius est signum stabile, femininum, aquaticum, fri gidum et humidum, fle ugmaticum et habet ex corpore hominis testic‹u›los27, anum, vesicam, ‹vu›luam28. [3.9] Sagittarius est signum commune masculinum, igneum, calidum et siccum, coleri cum et habet ex corpore hominis texas et femoras. 17 femininum] feim R; femininum O. Ich bevorzuge die Form femininum gegenüber femineum. 18 * Thaurus bis femininum: zur Gliederung der Zodia nach dem Monatscharakter mobile – stabile (fixum) – commune vgl. Hübner, Die Eigenschaften der Tierkreiszeichen, 1.3. Zur biologischen Zweiteilung masculinum – femininum vgl. ebd. 3.3. 19 ma‹scu›l‹in›um] malu¯ R; masculinum O. 20 ma‹n›us] magn 9 R; manus O. 21 mobile] mole R; mobile O. 22 * pectus: »Herz, Brust«. 23 st‹o›machum] )tamachu¯ R; stomachum O. 24 melancolic‹um›] mela¯ colico R. 25 ren‹e›s] renos R. 26 henchas] hen chas R; hanchas O. * hencha: orthographische Variante zu hancha/hanca/anca »Hüftbein« (Latham, S. 221). 27 testic‹u›los] te)ticlos R. 28 ‹vu›luam] wlua¯ R; vuluam O.

Tafel II: Zodiak und Melothesie

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[3.10] Capricornus est signum mobile, femininum, terreum, frigidum et siccum, mel‹ancolicu›m29 et habet ex corpore hominis genua. [3.11] Aquarius est signum fixum, masculinum et aereum, calidum et humidum, sanguineum et habet in corpore hominis tibia. [3.12] Pisces est signum commune, femininum, aquaticum, frigidum et humidum, fleugmaticum et habet ex corpore hominis pedes. [4 Melothesie, deutsch] [4.1] Vnd von dem ersten gescheppff hub der wider an; da von hat er des menschen haupt vnd antt lue zz. [4.2] Thaurus ist ein vestes tier, freuischen, von dem ert re{i}ch, kalt vnd truc ken vnd ist meloncolicum vnd hat den hals vnd die kel dez menschen. [4.3] Gemini ist einz menschen czaichen, gemain, ‹v›on30 dem luft31 vnd ist sangwinem, warem32 vnd feucht vnd hat dy schulter vnd dy arm vnd hent. [4.4] Cancer ist ein der wegen lich czaichen, fre uischen, [von]33 wazzer, chalt vnd feucht, fleugmaticum vnd hat daz hercz, den magen vnd die rippe. [4.5] Leo ist ein vestes czaichen, [mensch]34, von feur, haiz vnd truchken vnd ist35 melon colicum vnd hat daz hercz vnd die seitten vnd den rukche. [4.6] Virgo ist ein gemain czaichen, freuisch, von ertreich, kalt vnd trucken vnd me lancolicum36 vnd hat den leip vnd daz ingewait. [4.7] Libra ist ein webeg lich czaichen, men sch, haizz vnd feucht vnd ist sa‹ngwineum›37 vnd hat dy nieren vnd die platteren.

29 30 31 32 33 34 35 36 37

mel‹ancolicu›m] meleam R; melancolicum O. ‹v›on] do¯ R. * dem luft: zu luft als starkem Maskulinum Lexer I, 1977. * warem: Sprossvokal e. von fehlt R. mensch fehlt R. vnd ist] i)ti vn¯ i)t R. meloncolicum: muss wie in der lat. Version colericum lauten. sa‹ngwineum›] )a¯ R.

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Tafel II: Zodiak und Melothesie

[4.8] Scorpius ist ein vestes czaichen, freui schen, von wazzer, kalt vnd feucht vnd ist fleugmaticum vnd hat den chlos38 vnd den hinderen vnd dy fud39 vnd plater. [4.9] Sagittarius ist ein gemainez czaichen, mensch, von feur, haizz vnd trucken vnd ist m elancolicum vnd hat die diecher. [4.10] Capricornus ist ein weg lich czaichen, fre uisch, von erden, ka lt vnd trucken ‹v›nd40 ist melancolicum vnd hat die chnie. [4.11] Aquarius ist ein vestes czaichen, mensch, von feuch41 vnd ist sanguineum und hat die chnie scheiben.

luft, haiz vnd

[4.12] Pisces ist ein gemainez czaichen, freuisch, chalt vnd feuch vnd ist flegmaticum vnd hat die fu´zz dez menschen.

38 * chlos: zu bair. kloˆcz »Klumpen, Masse, Kugel, Ball« BWB I, 1340. Hier: »Hoden« (Höfler, S. 276). 39 * fud: bair. zu mhd. vut »Vagina, Gebärmutter« BWB I, 693f. 40 ‹v›nd] dn¯ R. 41 * feuch: dialektale Schreibung ohne -t.

Tafel II: Zodiak und Melothesie

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Quellen, Parallelüberlieferung [2–3.12] Trigona mit Grundqualitäten und Himmelsrichtungen (Duode‹cim› bis pedes): Parallelüberl.: Oxford, Bodl., MS . Canon. Misc. 248, fol. 42r (O).

[2.1–2.4] Trigona mit Grundqualitäten und Himmelsrichtungen (Aries bis meridionalia): Quellen: Vgl. Hübner, Die Eigenschaften der Tierkreiszeichen, 7.17. Parallelüberl.: Chantilly, muse´e Conde´, ms. 65, fol. 14v.

Tafel III : Aderlass I

1 2.5

2.6

2.1

2.2

2.3

2.7

2.9

2.10 2.11

2.8

2.4

2.13

2.12

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2.17

2.15

2.18

2.16

2.19

2.25 2.20

2.26 2.21

2.22

2.24

2.27

2.28

2.23

3

Tafel III (fol. 2r [3r]): Aderlass I

2.29

Tafel III: Aderlass I

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diplomatischer Text [1 Aderlassregeln, Kritische Tage] [1.1.1] Dv solt wizzen das du all aderen die von dem haupt gen Solt haissen slahen wenn du enpissen gist vnd vor nicht an all die aderen vnder dem kinpain. [1.1.2] Die ader auf paiden armen sol man vasten slahen. [1.1.3] Die ader auf paiden henden sol man nach ymbeis czeit slahen. [1.1.4] Die ader auff paiden fuzzen auch nach ymbeis sol man slahen. [1.2] Du scholt auch besunder merkchen daz du ein ygleich ader von gewanhait oder von chranchait macht haissen slahen czw ainer ygleichen czeit wenn der man nach der niew wechst vnd entwechst dez vierenden des sibenden dem ainlften des dreiczehenden dez sechzehenden des sibenczehenden dez vnd czwainczigisten des sechs vnd czwainczigisten tages dy anderen sint nicht als güt Ez chae m dann ein vngelukch von geschrikch von grossem vallen oder von anderen sachen. [2 Aderlassstellen] [siehe gebesserten Text] [3 Verworfene Tage] [3.1] IN ianuario als sich der kalender an hebt so slach der ader nicht oder du stirbest in dem selben iar oder dein sinne oder dein sehen wirt ge minnert oder dein haubt wirt pidem von dem pidem [3.2] IN februario so sich die acht kalenden an hebt so slach der ader nicht oder du stirbest oder du wirst hercz slachtig aller ding [3.3] IN marcio an der iungst kalenden an hebt ainer So slach der ader nicht oder du stirbest oder dich flech daz paradeiz oder du wirdest ritig vnd an welhen dez merczns du die ader slecht so wirst ritig in den eugesten [3.4] IN aprili des ainliften tagez so slach der ader nicht oder du stirbst an dem vierden tag oder dir misselingt sunst dicz dir vbel kumpt [3.5] IN maio der czweften kalenden so slacht der ader nicht du wirst fibrig oder tobikch in dem haubt [3.6] IN iunio an der achten kalenden so slach der ader nicht oder du stirbest oder du wierst mantobig vnd leber siech An dem x taga Junio ob du cze ader last so wirstu vallent suchtig [3.7] IN iulio an dem v kalenden so lazz dir nicht oder du stirbest oder all dein aderen1 vnd all dein gelider erchlatten [3.8] IN augusto 1 aderen: r in dunklerer Tinte nachgetragen.

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Tafel III: Aderlass I

an der xj kalenden so slach der nicht oder du stirbst cze hant oder in dem vierden tag oder an dem ochten vnd wer dez tages ainen trankchen2 nympt der stirbst in xx tagen [3.9] IN septembri an der dritten kalenden so slach der ader nicht oder du stirbest dez selben iares oder du verlausest dein sinne oder daz daz liecht deiner augen [3.10] IN octobri an dem dritten tag so slach der ader nit oder du stirbest oder du wirst hercz slachtig aller ding [3.11] Nöuembri an der xj kalenden so slach der ader nit oder du stirbst oder du gewinnest oder an ‹...›3 [3.12] IN decembri an der v kalenden so slach der ader nicht oder du stirbst oder du gevellest in sol ‹. . .›4

2 trankchen: einzelne Buchstaben in dunklerer Tinte nachgetragen. 3 Etwa ein Drittel der vorletzten Zeile beschnitten. 4 Etwa die Hälfte der letzten Zeile beschnitten.

Tafel III: Aderlass I

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gebesserter Text5 [1 Aderlassregeln, Kritische Tage] [1.1.1] Dv solt wizzen, das du all aderen, die von dem haupt gen, solt haissen slahen, wenn du enpissen6 ‹p›ist7, vnd vor nicht, an all die aderen vnder dem kinpain. [1.1.2] Die ader auf paiden armen sol man vasten‹d›8 slahen. [1.1.3] Die ader auf paiden henden sol man nach ymbeis czeit slahen. [1.1.4] Die ader auff paiden fuzzen auch nach ymbeis sol man slahen. [1.2] Du scholt auch besunder merkchen, daz du ein ygleich ader von gewanhait9 oder von chranchait macht haissen slahen czw ainer ygleichen czeit, wenn der man nach der niew wechst vnd entwechst: dez vierenden, des sibenden, de‹s›10 ainl‹i›ften11, des dreiczehenden, dez sechzehenden, des sibenczehenden, dez [czwai]12 vnd czwainczigisten, des sechs und czwainczigisten tages. Dy anderen sint nicht als güt. Ez chae m dann ein vngelukch von geschrikch, von grossem vallen oder von anderen sachen. [2 Aderlassstellen] [2.1] Die ader in der mitt der stiren ist güt cze lazzen fur all geswer vnd aposte‹m›ata13 der augen, fur fi‹s›tel14 vnd finster15 vnd nebel der augen vnd fur ander wet‹a›gen16 dez hauptez. 5 Textbesserungen nach ›Beilngrieser Aderlassmännlein‹ (Be) und München, BSB , Clm 2777, fol. 17 r/v (Mü2). 6 * enpissen: zu mhd. enbizzen sıˆn »gespeist haben«. 7 ‹p›ist] gi)t R; pist Be. 8 vasten‹d›] va)te¯ R; vastend Be. 9 * gewanhait: mittelbair. zu fnhd. gewohnhait. 10 de‹s›] de¯ R; des Be. 11 ainl‹i›ften] ainlften R; Ainliften Be. 12 czwai] czwai Be; fehlt R. 13 aposte‹m›ata] apo)tenata R; apostemata B. – * aposte‹m›ata: »abgeschlossene Eiteransammlung, Geschwür, Abszess« (FWB II , 9). Zu lat. apostema vgl. Latham, S. 24. Vgl. Die Chirurgie des Heinrich von Mondeville (Ed. Pagel), III ,2,1: Apostema est inflatio aut ingrossatio. Goehl, Guido d’Arezzo, Bd. 1, S. 109: »Verliessen [. . .] entartete Säfte die Gefässe und sammelten sich als Extravasat an einer Körperstelle an, erzeugten sie an diesem Ort Apostasen bzw. Aposteme, deren klinische Erscheinungsformen vom Ekzem über Papeln, Gummen, Gangliome bis zu Karbunkeln, Skrofeln, Abszessen, Fisteln und (Krebs-)Geschwüren reichten«. 14 fi‹s›tel] fin)tel R; fistel Be. 15 * finster: bezeichnet wohl das Nachlassen des Sehvermögens. 16 wet‹a›gen] wetugn¯ R; wetag Be.

70

Tafel III: Aderlass I

[2.2] Die ader ietweder halben auf der stiren ist gut cze slahen fur allen gepresten, wetag vnd smerczen der augen, da von das ge‹s›ehen17 wirt krenkcht18. [2.3] Die ader in ietwe‹de›rm19 win chel der augen ist gut cze slahen fur vbrig rote vnd tun chel der augen. [2.4] Die ader in dem nachke ist cze lazzen gut fur daz schrikchen20, nach‹t› foricht21, ‹vnsin›22, auf steigen23, a‹i›nrede‹n›24 vnd fur ander gepresten dez haubtez. [2.5] Die ader mitterhalb vnd ausserhalb der oren sind gut ze lazzen fur daz haupt gi‹ch›t25 vnd fur daz zittern, swindel, we‹b›en26, butten27 dez haubtez vnd ist de‹m›28 gut, der newlich ist vngehorent worden, vnd fur die newen ma laschait29. [2.6] Die ader vor auf dem spicze der nasen ist gut cze slahen mit dem vliemen30, fur all f‹l›üzz31 der augen.

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

ge‹s›ehen] gehehn¯ R; gesehen Be. * krenkcht: Ausfall des Perfektpräfixes ge-. ietwe‹de›rm] ietwerm R; ietwedern Be. * schrikchen: wörtlich: »Schrecken« (BWB II , 597 f.). Hier als Pathologie: »Alpdruck« (Höfler, S. 602). nach‹t› foricht] nach foricht R; nachtvorcht Be. ‹vnsin›] vn¯ sey¯ R; vnsin Be. – * ‹vnsin›: »Unverstand, Torheit, Raserei« (Lexer II , 1937). Hier eher in der Bedeutung von unsinnecheit »Wahnsinn, Manie, Frenesis«. Vgl. Sudhoff, Beiträge, S. 115. * aufsteigen: »kurzer Atem mit Herzbeschwerden« (Höfler, S. 681). a‹i›nrede‹n›] anrede R; anreden Be. – * a‹i›nrede‹n›: wörtlich: »einreden«. Wohl im Sinn von »irre reden«. Vgl. ›Beilngrieser Aderlassmännlein‹, S. 166, Anm. 83. gi‹ch›t] giftt R; gicht Be. – * gi‹ch›t: »Zuckungen, Krämpfe, Gicht« (Lexer I, 1014). we‹b›en] wegn¯ R; weben Be. – * we‹b›en: »hin und her fahrend sich bewegen« (Lexer III , 718). * butten: bair. Form zu fnhd. wüten »wüten, toben, rasen« (Baufeld, S. 253). Unterlassene Umlautbezeichnung. de‹m›] den R. * malaschait: Eindeutschung zu malaˆterıˆe »Aussatz«. Zu den Umdeutschungen vgl. DWB VI , 1514 f. * vliemen: zu vlieme »Flemm, Phlegma« Höfler, S. 888. f‹l›üzz] füzz R; flus Be.

Tafel III: Aderlass I

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[2.7] Die ader Pait vnder der czungen sind gut cze slahen fur den troppffen32 vnd fur den fluz des haubtez33 vnd fur allen czant sweren, fur ‹apo›stem34, dy¨ geswer vnd geswulst in dem hals35 vnd in der kelen vnd in dem slunt; fur all druz36 dez hals. [2.8] Die ader paid oben an der czung sind gut cze slahen fur ge swer vnd rewden dez haubtes. [2.9] Die ader vnder [dem]37 kinne sint güt cze lazzen nuchter fur der frawen prust vnd fur der naszlocher reuden, [fur]38 dy chlainen engring39 vnd roslein40 auf dem antlicz vber all vnd raumet41 woll der prust. [2.10] Die oberst ader a{v}fi42 dem tencken arm ist gut ze lazzen fur all wetagen vnd gepresten dez haubtez, dez ruken vnd der schulteren. [2.11] Die mitter ader auf den ten cken arm haizzet die hercz ader vnd ist güt cze slahen fur all siechtagen dez herczen vnd dez magen, der lunger, prust vnd allez leibez. [2.12] Die niderist ader auf dem tencken arm ist gehaizzen die leber ader; dar auf ist güt lazzen fur all ge presten der leber vnd paider seitten. [2.13] Die ader auf dem elpogen ietweder arm ist gut cze lazzen [in]43 nouembri fur gepresten, siechtum, arbait dez herczen, der pruste, der 32 * troppffen: lat. gutta. Vorstellung aufgrund der Umdeutung der Säftelehre, wonach das Ausscheiden eines tropfenförmigen Saftes in die Organe Krankheiten verursacht. Je nachdem, wohin der Tropfen fällt (hieraus erklärt sich die Auffassung des Tropfens als »Schlag«), verursacht er Gicht (Glieder), Schlagfluss (Gehirn, Rückenmark) oder Herzstillstand (Herz). Vgl. DWB XI , 876. 33 * fluz des hauptez: »Schlagfluss, Apoplexie«. 34 ‹apo›stem] o)e)te¯ R; apostem Be. 35 * geswulst in dem hals: »Kehlsucht (Angina, Bräune, Husten), Halstumor« (Höfler, S. 628). 36 * druz: zu fnhd. drüse »kleiner Tumor, [. . .], Drüse, Geschwür [. . .], Abszess, Beule, Pestbeule« Baufeld, S. 58. 37 dem] dem Be; fehlt R. 38 fur] fur Be; fehlt R. 39 * engring: bair. zu mhd. engerling, engirling (BWB I, 107). »1. Engerling; 2. Geschwür, Mitesser, Akne, Hautauschlag, Gesichtsfleck, Hautpustel« (Baufeld, S. 68). 40 * roslein: zu mhd. roselıˆn »rot erscheinende Dermatosen« Höfler, S. 518. 41 * raumet: zu raumen »reinigen, frei machen«. 42 * a{v}fi: zu bair. aufhin BWB I, 43. 43 in] in Be; fehlt R.

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Tafel III: Aderlass I

lung, der seitten vnd der rippe innen vnd auzzen vnd [den]44, die nit woll atem mugen [vnd]45 hercz slachtig46 sind etc. [2.14] Die ader czobrist auf dem arm47 haisset haubt ader; da ist [gut]48 auf lazzen in dem obri‹ll›en49 an dem v tag nach der kalenden, wenn du enpizzen pist fur all ween dez h{a}ubtez, der kelen, der oren, der augen. [2.15] Die mittel [ader]50 auf de‹m›51 rechten arm ist gut in sep tembri cze slahen an dem fun‹f›ten52 tag53 fur all siech tagen dez hertczen, der prust, der seitten54, der ripp, des magen. [2.16] Die ader ietweder halben cze niderst a{u}f paiden armen55 ist gut cze lazzen in dem maien dez sibenden tages fur alles gesucht der leber, der lung, der schul teren, der plater, der nasen. [2.17] Die ader auf dem daumen der tencken hent ist gut cze lazzen fur den haubt we‹n›56, fur den swindel, fur smer czen der ga‹l›57. [2.18] Die ader in der mitten auf ietweder hant ist gut cze slahen fur die leber faul, fur die leber sucht vnd fur ander ge presten der leber vnd der rucken.

44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

56 57

den] den Be; fehlt R. vnd] vnd Be; fehlt R. * hercz slachtig: »asthmaticus« (BWB I, 1171). * ader czobrist auf dem arm: Hauptader (vena cephalica). Vgl. Höfler, S. 5. gut] gut Be; fehlt R. obri‹ll›en] obri)ten R; abrillen B ader fehlt R. – * mittel [ader]: Herzader (vena mediana oder cardiaca). Vgl. Höfler, S. 5. de‹m›] der R; dem Be. fun‹f›ten] funchten R. – * funchten: zu mhd. fünf. Die Schreibung ist eher ein Indiz für das sprachliche Niveau als für einen Schreibfehler: nf > nch dürfte eine eingängige Lauterscheinung in der gesprochenen Sprache sein. * tag: g in dunklerer Tinte nachgetragen. * seitten: gemeint ist wohl die seitliche Thoraxwand. Als Krankheit ist dann vermutlich Pleuritis gemeint. * ader bis armen: Leberader (rechter Arm: vena hepatica, linker Arm: vena basilica). Wichtigste Lassstelle, da die Ader zur Leber führt, die nach mittelalterlicher Vorstellung für die Bildung der vier Humores (membrum, generativum, massae, humoralis) zuständig ist. Vgl. Höfler, S. 6 und 358. haubt we‹n›] haubt wenn R; haubptwen Be. ga‹l›] gar R; gal Be.

Tafel III: Aderlass I

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[2.19] Die ader dez minsten vingers der ten cken hant ist gut cze slahen fur allen ge presten des milczes, der lung vnd fur den riten des vierden tages58. [2.20] Die ader auf dem minsten vinger der rechten hant ist gut cze slahen fur daz gesüecht59. [2.21] Die ader auf dem daw ‹m›en60 ist gut cze slahen fur den vbel, diu rotten, dy tunchel der augen61 etc. [2.22] Die ader auf dem gesae zz ietweder halben sind gue t glazzen fur den ‹krammen›62 de‹s›63 gedarmezz64 vnd des leibes innert halben. [2.23] Die ober ader auff dem czagel ist gut cze slahen fur die wazzer sucht vnd fur ander geswulst der gemacht65, fur die blateren dez darme. [2.24] Die under [ader]66 dez czagls ist gue t cze slahen fur den harm stain, fur den gries67, fur die harem winden68 vnd fur all ge presten der plateren, der gemacht vnd des harems. 58 * riten bis tages: »Viertagefieber« (febris quartana), verursacht durch schwarze Galle. Gehört in die Kategorie der Wechselfieber (febres interpolatae) und tritt im Intervall von zwei fieberfreien Tagen auf. Zur mittelalterlichen Fieberlehre vgl. Goehl, Guido d’Arezzo, Bd. 1, S. 112 ff., und DWB VII , 2320. 59 * gesuecht: zu mhd. gesühte, allg. »Krankheit, Seuche«, spez. »1. besonders auffallende, akute oder regelmässige Krankheiten: a) seuchenartig auftretende Epidemien (Pest, Influenza, Pocken) b) fieberhafte Seuchen c) mit starkem Schmerz, namentlich mit Leibschmerz und Durchfall einhergehende Krankheiten d) mit auffallenden Hautfarben verbundene Krankheiten e) Frauenperiode 2. besonders schleichende, lange dauernde, chronische oder oft wiederkehrende, besonders auszehrende Krankheiten (Bleichsucht, Schwindsucht)« Höfler, S. 700 f. 60 daw‹m›en] daw en R. 61 * tunchel der augen: »Augendunkel« (Höfler, S. 107). Schlechtes Sehvermögen. 62 ‹krammen›] trawrn¯ R; krammen Be. 63 de‹s›] de R; dez Be. 64 * ‹krammen› de‹s› gedarmezz: zu kramm »Krampf« BWB I, 1368 f. Hier: »Darmkolik« (Höfler, S. 305). 65 * gemacht: »Hoden, Penis, Genitalien« (BMZ II , 9). 66 ader] ader Be; fehlt R. 67 * gries: hier in der Bedeutung von »Blasenstein« (Lexer I, 1080). Reissender Schmerz bei Nieren- und Blasensteinleiden (Höfler, S. 201). 68 * harem winden: zu harmwinde »Harnzwang, [. . .] tropfenweises schmerzhaftes Harnlassen« (Baufeld, S. 121). Hier mit Sprossvokal.

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Tafel III: Aderlass I

[2.25] Die ader ietweder halb vnder dem knie sind gut cze slahen fur geswer, fur gelsucht vnd fur gesw ulst; fur gicht, fur troppfen vnnd reiden der pain der füzz, der diecher, der nieren vnd der gemacht [vber]69 all. [2.26] Czwo adern auf der minsten czehen paider fuzze sind gut cze slahen fur all wetagen der lende, der huffe70, der diecher vnd der pain gesucht vnd gicht vnd ge swer. [2.27] Die ader auf ietwederem fue zz auss‹er›halb71 vn der den enchkelen sint gut cze lazzen fur all gepresten vnd ween, smerczen, siechtum, sucht, troppffen, gicht aller ge lider, aller geslöz72 vnd v‹o›n73 oben [vncz cze niderst dez leibes vber all]74. [2.28] Die ader auff paiden fuzzen ietweder halb inwendig vnter dem enckel sint gut cze slahen den fr{a}wen, die kindez genesen sind vnd den [zu ir]75 nach‹gepur›t76 nicht recht geschehen ist oder vnperhaft sind ‹vo›n77 gepresten der permuter von vbriger hicz oder kelten. [2.29] Die ader der maisten czehen ietweder halbs fuzz sind gut cze slahen fur den ogswern, fur blater78 vnd mail der augen vnd sind gut den frawen, die des rechten79 vnd ir blumen80 nicht haben vnd auch fur all gepresten der pain.

69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80

vber] vber Be; fehlt R. * huffe: Gen. von mhd. huf »Hüfte« (BMZ I, 724). aus‹ser›halb] aus halb R; ausserhalb Be. * geslöz: »Schlussbein, Hüftknochen« (BMZ II , 413). Hier wohl allg. »Gelenke, Junkturen«. v‹o›n] vn¯ R; von Be. vncz bis all nach Be; fehlt R. zu ir] zu ir Be; fehlt R. nach‹gepur›t] nachteprut R; nachgepurd Be. ‹vo›n] wen R; von Be. * blater: allg. »Ausschlag«, spez. »Blattern, [. . .], Windpocken, [. . .], Masern« (Baufeld, S. 36). * rechten: zu recht »Menstruation« vgl. Bosselmann-Cyran, Gynäkologische und sexualkundliche Fachterminologie, S. 157. * blumen: »Menstruation«. Geht zurück auf die Herleitung von frz. fleur aus lat. fluor (»Fliessen, Strömen«). Vgl. Bosselmann-Cyran, Gynäkologische und sexualkundliche Fachterminologie, S. 157.

Tafel III: Aderlass I

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[3 Verworfene Tage] [3.1] In ianuario, als sich der kalender anhebt,81 so slach der ader nicht, oder du stirbest in dem selben iar, oder dein sinne oder dein sehen wirt geminnert, oder dein haubt wirt pidem82 von dem ‹riten›83. [3.2] In februario, so sich die acht kalenden84 anhebt, so slach der ader nicht, oder du stirbest, oder du wirst hercz slachtig aller ding. [3.3] In marcio an der iungst kalenden85 anhebt ainer, so slach der ader nicht, oder du stirbest, oder dich ‹s›lech‹t›86 daz para‹l›eiz87, oder du wirdest ritig, vnd an welhen [tag]88 dez merczns du die ader slech‹s›t89, so wirst ritig in den eugesten90. [3.4] In aprili des ainliften91 tagez so slach der ader nicht, oder du stirbst an dem vierden tag oder dir misselingt sunst; dicz dir vbel kumpt. [3.5] In maio [an]92 der czwe‹l›ften93 kalenden94 so slacht der ader nicht, [oder du stirbst oder]95 du wirst fibrig oder tobikch in dem haubt. [3.6] In iunio an der achten kalenden96 so slach der ader nicht, oder du stirbest, oder du wierst mantobig97 vnd leber siech. An dem x. taga Junio, ob du cze ader last, so wirstu vallentsuchtig98. 81 * In ianuario, als sich der kalender anhebt: 14. Dez. Zur Zählung nach Kalenden Grotefend, S. 141. 82 * pidem: spätbair. Schwund von -en nach Nasalen (PWG , § 159). Zu mhd. bidemen »beben, zittern« Lexer I, 265. 83 ‹riten›] pide¯ R; Ritten Be. 84 * In februario, so sich die acht kalenden: 25. Jan. R liest kalend fast ausnahmslos als Femininum. 85 * In marcio an der iungst kalenden: 28./29. Feb. (pridie kalendas). 86 ‹s›lech‹t›] flech R; slecht Be. 87 para‹l›eiz] padei! R; paradises Be; paraley¨ Mü2. – * ‹slecht› daz para‹l›eiz: »Schlagfluss, Paralyse« (Höfler, S. 456). 88 tag] tag Be; fehlt R. 89 * slech‹s›t] slecht R; slechst Be. 90 * eugesten: ich lese aufgrund der Parallelüberlieferung (Augsten Be) »August«. 91 * ainliften: zu bair. ainlif »elf« BWB I, 89 f. 92 an] an Be; fehlt R. 93 czwe‹l›ften] c!weften R; czwelften Be. 94 * In maio [an] der der czwe‹l›ften kalenden: 20. April. 95 oder bis oder nach Be; fehlt R. 96 * In iunio an der achten kalenden: 25. Mai. 97 * mantobig: »mondsüchtig«. 98 * vallentsuchtig: zu diu vallende sucht »Fallsucht, Epilepsie« Lexer III , 12.

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Tafel III: Aderlass I

[3.7] In iulio an dem v. kalenden99 so lazz dir nicht, oder du stirbest, oder all dein aderen vnd all dein gelider erchlatten100. [3.8] In augusto an der xj. kalenden101 so slach der [ader]102 nicht, oder du stirbst cze hant oder in dem vierden tag oder an dem ochten, vnd wer dez tages103 ainen trankchen nympt, der stirb‹t›104 in xx tagen. [3.9] In septembri an der dritten kalenden105 so slach der ader nicht, oder du stirbest dez selben iares, oder du verlausest106 dein sinne oder daz107 liecht deiner augen. [3.10] In octobri an dem dritten tag so slach der ader nit, oder du stirbest, oder du wirst hercz slachtig aller ding. [3.11] [In]108 Nöuembri an der xj. kalenden109 so slach der ader nit, oder du stirbst, oder du gewinnest110 [die gesuecht oder vnrecht varb]111. [3.12] In decembri an der v. kalenden112 so slach der ader nicht, oder du stirbst, oder du gevellest in [solich grosz siechtagen, der du inuleich vber chomen macht]113.

99 * In iulio an dem v. kalenden: 27. Juni. 100 * gelider erchlatten: »Rheumatismus« (BWB I, 1241). – erchlatten: l-Metathese. 101 * In augusto an der xj. kalenden: 22. Juli. 102 ader] ader Be; fehlt R. 103 * dez tages: das Datum bezieht sich auf die vorangehende Angabe (ochten). Mü2 (fol. 17 v) präzisiert: dez selben. 104 stirb‹t›] )tirb)t R; stirbt Be. 105 * In septembri an der dritten kalenden: 30. Aug. 106 * verlausest: diphthongierte Form zu verliusest/verlusest. 107 daz] da! da! R. 108 In] In Be; fehlt R. 109 * [In] Nöuembri an der xj. kalenden: 22. Oktober. 110 gewinnest] gewinne)t od s an [Beschnitt] R. 111 die bis varb nach Be; fehlt R. 112 * In decembri an der v. kalenden: 27. November. 113 solich bis macht nach Be; in R wegen Beschnitt der Seite nur noch sol lesbar.

Tafel III: Aderlass I

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Parallelüberlieferung, Varianten [1.1.1–3.12] Aderlassregeln, Kritische Tage, Aderlassstellen und Verworfene Tage (Dv solt bis Schluss) Parallelüberl.: ›Beilngrieser Aderlassmännlein‹ (Ed. Künzel) (Be);114 München, BSB , Clm 2777, fol. 17r/v (Mü2).115

114 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Varianten: [2.5] mitterhalb] innerthalben Be vnd ist bis malaschait fehlt Be [2.7] in der kelen] di wachsent o inder kel Be [2.8] an der czung] indem gumen Be [2.9] prust] prust geswulst Be [2.12] all fehlt Be [2.13] ietweder arm] ietweders armes Be atem] geatem Be hercz slachtig] erstikhen wellent vnd herczslächtig Be [2.14] arm] rechten arm Be [2.15] mittel] Median Be [2.16] der plater] der pluttenden Be [2.17] lazzen] slahen Be [2.22] gedarmezz] ge- . . .dermes in dem leib vnd fur daz plut dez darmez Be [2.23] fur die blateren] vnd fur die platern Be [2.24] all fehlt B [2.27] gicht] vnd gicht Be [2.28] slahen] lassen Be oder] Oder di Be [2.29] des rechten] irs . . . rechten Be [3.1–3.12] In fehlt durchwegs in Be [3.4] sunst] lust Be [3.7] stirbest] stirbst zehant Be erchlatten] encaltent dir aller ding Be [3.8] wer fehlt Be [3.9] dein] die Be. 115 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Variante: [3] dez tages] dez selben Mü2.

Tafel IV : Aderlass IIa

3

2

4 5.1 5.2

6.9

6.1

6.3 6.2

5.3

6.4

6.15

6.7

6.18

6.5

6.10

6.26 6.21

6.19 6.22 5.5

6.23

6.30 6.31 6.29 6.36 6.35

6.24 6.13 6.25

6.8 6.11 6.12 6.14

6.17 5.4

6.6

6.34 6.33

1

5.6

5.12

5.11

6.16 6.20 6.27

5.10

5.9

6.32 6.28

5.8

5.7

Tafel IV (fol. 2v [3v]): Aderlass IIa

Tafel IV: Aderlass IIa

81

diplomatischer Text [1 Jahreszeitenlehre: Frühling] 1

[1.1] Vere lencz In vere omnia innouantur et crescunt ex colore et humore temporis apperiantur vnde pori terre et diuersa colores herbarum et arborum genera ntur [1.2] in hoc tempore Sol pertransit in primo arietem in medio cancrum in fine geminos [1.3] In hoc tempore crescit sanguis et habet sedem in epate Sunt autem calide et humide nature [1.4] Similiatur omni veri et aeri Jn2 stomacho est prius digestio in epate secunda tercio in membrosi mouentur ii contine vene sanguinis ut singulis menbris conseruetur calor naturalis in hoc tempore mala est infinitas que fit ex meloncolia ut quartana febris pessima autem que fit ex sangwine ut sinocha et cetera [2 Jahreszeitenlehre: Sommer] [2.1] Estas sicca et arida [2.2] hoc tempore segetes et herbarum et arborum maturescunt [2.3] in hoc tempore crescit colera rubea que sedem habet in asta et in falle natura queque eius est calida et sicca inde homines fiunt iracundi acuti ingeniosi et leues et purgacionem habet per aures [2.4] in hoc tempore melius flagmatici peius colerici Melius senes pereius iuuenes Si enim in contrario tempore eos contingit in firmari facilius curabuntur quia contra eis confraria conveniunt vnum enim expellit reliquum unde iu uenes et coleri ei et in consimili tempore peius habent pessima infirmitas facit hoc tempore ex colera minus m{a}la ex flegmate [2.5] in hoc tempore vtendum est frigidis et humidis dic enim philosophus Tale additum tali magni fit tale vnde in hoc tempore pessima est infirmitas que fit ex colera quia augmentum materia infirmitas ex consimili natura temporum [2.6] in hoc tempore Sol dicitur tria tempora signa pererrare in principio Cancrum quod est propinquum signum quia in eo medio leonem in fine virginis colera similis est virgini estate et calidi iuuentuti et cetera

1 Vere: nachträgliche Korrektur in hellerem Rot aus Verr. 2 Jn: Rubrizierung kaum sichtbar.

82

Tafel IV: Aderlass IIa

[3 Jahreszeitenlehre: Herbst] [3.1] Avtumpus est frigidus et siccus [3.2] in hoc tempore sol tria signam pertransit in principio libram in medio scorpionem in fine sagittaririum [3.3] in hoc tempore fructus maturi colliguntur et equi noctem esse contingit [3.4] in hoc tempore crescit colera nigra et meloncolia ipsa enim dominatur in sinistro latere et habet sedem in splene frigida est et sicca et purgacionem per oculos et facit homines esse tristes iracundos timidos et sompniolentes et aliquando vigiles [3.5] in hoc tempore melius habent sangwinei peius melancolicy¨ melius pueri peius senes pessima infirmitas hoc tempore vtendum humidis et calidis3 est que nascitur ex meloncolia nimis mala ex sangwine [3.6] in hoc tempore vtendum est humidis et calidis cor sapit pulmo loquitur Fel conmouet iram Splen ridere facit Cogit amore iecor. [4 Jahreszeitenlehre: Winter] J u n i u s4 [5 Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostiken] [5.1] J a n u a r i u s In ianuario de vino ostimo bibe ieiunus sanguin{em} non minuas pocionem non accipias ad ven trem soluendum asato balneo sepe vtere ma ne commede modicum quia superflua commestio fe bras nimias generat Q{e} vero ja iia va vija xva die sangwinem minuerit illo anno morietur Si tonitruum sonuerit ventos validos et habun dancia frugum et bellum eo anno pronuncciat. [5.2] F e b r u a r i u s IN februario sanguinem et pocionem accipe et dicitur que uis commede nisi acida et amara capud tuum custodi afrigore vinum atque bonam ceruisiam in balneo bibe Qui vero via vija die sanguinem minuerit ipso anno morietur Si quis in viia 3 vtendum bis calidis: Textstelle mit Punkten umkreist. 4 Junius nachträglich mit hellroter Tinte zu Himus korrigiert.

Tafel IV: Aderlass IIa

kalendas et iija kalendas et idus februarij generatus fuerit corpus suum usque in diem iudicij integrum manebit erum beda pbler dinilgant Si tonitruum sonuerit multorum homines et magxime divitum mortem significat [5.3] M a r c i u s In marcio sepe leuare et balneare den tes tues purga et fricas cum sal sang{uinem} minuas pronota vamitum propter cottidianas propter palismum cottidie commede semen rute sal uie feniculi apy et petrosylini ros Quod vero xva xvja xvija xviija die sanguinem minuerit isto anno merietur Et qui septima die minuerit lumen oculorum amittit Si toni truum sonuerit ventos validos et fruguum copia et lites in popullo significat. [5.4] A p p r i l i s In apprilij sangwinem minue propter plicio/ nem et alia inpedimenta tendas radices non commede propter scabiem et pru{ri}gionem reten tes carnea comede non fumgatos quia sincobum morbum generanterum vero vja vija xva die sanguinem minuerit infra xla sine dubio mo rietur Qui vero viija die minuerit lumen amittit Quod {vero} prima die wlneratus fuerit aut pocionem accepit aut statim aut cito morietur Si tonitruum sonuerit iocundum et fructiferum anium et iniquorum mortem significat et cetera [5.5] M a i u s Maius quibusdam sanus est quibusdam non Si vero vis sanus fieri Absinthum in v{e}nio coctum bibe sed plus valet sed plus valet in tipho mundo polipo dram commede Saluiam et rutam summe si quis vija xva xvija die sanguinem minuerit hoc anno morietur Si tonitrum sonuerit frugum inopia et famem in eo anno significat et cetera et cetera

83

84

Tafel IV: Aderlass IIa

[5.6] I n i u n i o a q u a m f a u t a m propter pulmonem ieiuno stomacho bibe lactum summe in cena citwar betonica agrimonia vtere Si quis in die minuerit sanguinem hoc anno morietur Si tonitrum sonuerit ha= bundanciam frugum per varias infir mitates in hominibus futuras significat [5.7] J u l i u s In iulio si vis {sanus} esse custodi te a ni mia dormicione ab assato balneo et a piscibus palustribus a minucione sangwinis accaulibus et acalidis cibis pocio tua sit gamondria saluia vietum aperium Si quis xxja xvija die sanguinem in ipso anno morietur Si tonitrum so nuerit amonam significat futuram et fetus pecurum peribit et cetera. [5.8] A u g u s t u s Aaugustus est periculosus si non custodieris te a frigore infirmus eris custodi te a frigidis cibis sepe balneare agri moniam pollegium plantaginem summe inrefeccionem Qui vero xija xx die sanguinem minuerit hoc anno morietur Qui vero prima die minuerit 3o die morietur Si infans natus fuerit proficiat sed dura morte proibit Si tonitrum sonuerit multi homines egrotabunt [5.9] S e p t e m b r i In septembri aliquas buccellas lacte perfusijs ieiunus comede et omnes fructos matures summe pocio tua sit agrimonia granost nostica et si volueris de vena mi nue Si vero xvja xviija die sanguin{em}

Tafel IV: Aderlass IIa

minuerit hoc anno morietur Si tonitrum sonuerit habundancia frugum et occisionem potencium significat [5.10] O c t o b e r In octobri tam valatilia quam quadrupedia bona sunt excepto cancro quia tunc leditur a marino sipente multum bibe cum ansere coctum pocio tuo sit verituar galganum Qui vero vja die minuerit ipso anno morietur Si tonitruum sonuerit ventum validum et frugum arborium inopiam significat et cetera [5.11] N o u e m b e r In nouembri non balneare cali de quia balnium est veneris officium si opus sub cucaneum sanguinem minueras sed custodite a frigore pocio tua sit czinciber cinamorium calepe Si quis xiija xviija die sanguinem minuerit hoc anno morietur Si tonitrum so nuerit habundanciam frugum et anun iocosum significat et cetera [5.12] D e c e m b e r I n d e c e m b r i c u s t o d i c e r e {b r u m } tuum a frigore ut per totum anum sis sonus in capite phalicam et balneare quantum vis phiretrum et zinciber manduca qui vero vja vija xva die sanguinem minuerit hoc anno morietur Qui vero ja die sanguinem minuerit xla die moritur Qui vero vltima die lune ex eunte decembri wlneratus fuerit aut pocionem acciperit aut statim aut in proximo morietur infans si natus fuerit non proficiet sed dura morte proibit.

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Tafel IV: Aderlass IIa

[6 Lassstellentexte] [siehe gebesserten Text]

Tafel IV: Aderlass IIa

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gebesserter Text5 [1 Jahreszeitenlehre: Frühling] [1.1] Vere, lencz: In vere omnia innouantur et crescunt ex c‹a›lore6 et humore temporis. Apperiantur vnde7 pori8 terre et diuers‹i›9 colores herbarum et arborum generantur. [1.2] In hoc tempore sol pertransit in primo arietem, in medio cancrum10 (sic!), in fine geminos. [1.3] In hoc tempore crescit sanguis et habet sedem in epate. Sunt autem calide et humide nature11. [1.4] Similatur ve‹r›12 aeri13. Jn stomacho est prius digestio, in epate secunda, terci‹a›14 in membrosi‹s›15.16 Mouentur17 ii contin‹u›e18 vene sanguinis19, ut 5 Textbesserungen nach Mainz, StB , Hs I 166, fol. 106 v–109 r (Ma) und Wrocław (Breslau), UB , Cod. I F 334, fol. 272 r–274 v (Br). 6 c‹a›lore] colo se R; calore Ma. 7 * vnde: erscheint ungewöhnlicherweise dem Verb nachgestellt: »es werden geöffnet daher die Poren der Erde«. 8 * pori: wörtlich: »Schweissloch« (Dief., 449). Übertragen: »passage« (DLF , 636). In Anlehnung an diese Bedeutung hier pori terre »Erdöffnungen, Erdkanäle« (DLF , 636). 9 diuers‹i›] diu s)a R; diversi Ma; Besserung aufgrund der Überlieferung in diuersi (»verschiedene Farben werden hervorgebracht«) oder diuerse (alternative Lesung: »Die Farben werden auf mannigfaltige Weise hervorgebracht«). 10 * cancrum: astronomisch richtig ist das Zeichen des Stiers. So auch Ma. Naheliegend ist eine Verschreibung aufgrund ähnlicher Buchstaben. 11 * Sunt bis nature: bezieht sich auf die Sanguiniker. 12 ve‹r›] om ¯¯ i ve si & R; ver Ma. 13 * Similatur ve‹r› aeri: »Der Frühling entspricht der Luft.« Alternative Lesung: Similatur omne ver aeri: »Der Frühling gleicht insgesamt der Luft.« Dieser Lesung entsprechend kehrt der Text die Analogie bei Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), II ,14,51, und bei Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/Delp), VI ,22,32 ff. um: »Die Luft entspricht dem Frühling.«: Huic tempori, ueri scilicet, aer, sanguis, adolescentia, quia sunt calida et humida, assimilantur. 14 terci‹a›] 3o R; tercia Ma. 15 membrosi‹s›] m ¯¯ bro)i R. 16 * Jn bis membrosi‹s›: gemeint sind die drei mittelalterlichen Verdauungsstufen, die erste im Magen, die zweite in der Leber, die dritte in den einzelnen Gliedern. Vgl. Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), IV ,16,24: Prima vero digestio fit in stomaco, secunda in hepate, tertia in omnibus membris. Vgl. Goehl, Guido d’Arezzo, Bd. 1, S. 108 ff. 17 Mouentur: Bedeutung unklar. 18 contin‹u›e] 9tine R; continue Ma. 19 * ii bis sanguinis: »zwei fortlaufende Blutadern«. »Blutader« bedeutet, dass hier

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Tafel IV: Aderlass IIa

singulis me‹m›bris20 conseruetur calor naturalis. In hoc tempore mala est infi‹rm›itas21, que fit ex meloncolia22 ut quartana febris23; pessima autem que fit ex sangwine ut sinocha24 et cetera. [2 Jahreszeitenlehre: Sommer] [2.1] Estas sicca et arida25. [2.2] Hoc tempore segetes et [fructus]26 herbarum et arborum maturescunt. [2.3] In hoc tempore crescit colera rubea, que sedem habet in asta27 et in f‹e›lle28. Natura queque eius est calida et sicca, inde homines fiunt iracundi, acuti, ingeniosi et leues, et purgacionem habe[n]t29 per aures. [2.4] In hoc tempore melius [habent]30 fl‹e›gmatici31, peius colerici; melius senes, p‹e›ius32 iuuenes. Si enim in contrario tempore eos contingit infirmari, facilius curabuntur, quia contra‹riis› con‹t›raria33 conveniunt.34 Vnum enim expellit reliquum, unde iuuenes et cole-

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34

im Gegensatz zu den sogenannten Luftadern (›luftführende‹ Adern, d. h. Arterien) die ›wärmeführenden‹ Adern (Venen) gemeint sind. Vgl. Höfler, S. 3 und 6 f. continue übersetze ich mit »fortlaufend, in sich geschlossen«. Die zwei Blutadern könnten hier den Leberkreislauf bezeichnen, d. h. die vom Magen zur Leber hinführenden und von ihr zum Parenchym wegführenden Adern. Vgl. das Schema zum Blutkreislauf nach mittelalterlichem Verständnis in Höfler, Schema bei S. 56. me‹m›bris] menbr 9 R; membris Ma. infi‹rm›itas] ¯ıfinitas R; infirmitas Ma. * meloncolia: die Schreibung von melancolia bzw. meloncolia variiert. * quartana febris: siehe den Komm. zu Tafel III.2.19. * febris sinocha: Form des Dauerfiebers (febres putrides), verursacht durch verdorbenes Blut. Vgl. Goehl, Guido d’Arezzo, Bd. 1, S. 112 ff. * arida: statt der üblichen Qualitätsbezeichnung calida. fructus] fructus Ma; fehlt R. * asta: orthographische Variante zu hasta »Penis« (metaph.) (Andre´, Le vocabulaire latin, S. 174). f‹e›lle] falle R; felle Ma. habent] habet R; habent Ma. habent] habent Ma; fehlt R. fl‹e›gmatici] flagmatici R; flecmatici Ma. p‹e›ius] peius R; peius Ma. contra‹riis› con‹t›raria] co¯tra eis co¯fraria R; contraria contrariis Ma. * contra‹riis› bis conveniunt: ich lese contraria contrariis conveniunt. Auffassung, wonach eine Komplexion oder ein Lebensalter während der ihnen entgegenstehenden Jahreszeit (in contrario tempore) bessere Heilungschancen hat als in der ihnen verwandten Jahreszeit (in consimili tempore). Vgl. Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/Delp), VI ,22,88 ff.: Sicut enim materia morbi qualitati temporis consimilis augmentatur, sic ma-

Tafel IV: Aderlass IIa

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‹rici›35 in consimili tempore peius habent. Pessima infirmitas facit hoc tempore ex colera, minus mala ex flegmate. [2.5] In hoc tempore vtendum est frigidis et humidis. Dic‹it›36 enim philosophus: Tale additum tali, mag‹is›37 fit tale. Vnde in hoc tempore pessima est infirmitas, que fit ex colera, quia augment‹atur›38 mat‹ur›a39 infirmitas ex consimili natura temporum. [2.6] In hoc tempore sol dicitur tria ‹signa percurrere›40: in principio cancrum, quod est propinquum signum, quia in eo medio leonem, in fine virgin‹em›41. Colera similis est virgini estate et calidi iuuentuti et cetera. [3 Jahreszeitenlehre: Herbst] [3.1] Avtump‹n›us42 est frigidus et siccus. [3.2] In hoc tempore sol tria sign‹a›43 pertransit: in principio libram, in medio scorpionem, in fine sagitta‹r›ium44. [3.3] In hoc tempore fructus maturi colliguntur et equi noct‹iu›m45 esse contingit. [3.4] In hoc tempore crescit colera nigra et meloncolia. Ipsa enim dominatur in sinistro latere et habet sedem in splene. Frigida46 est et sicca et purgacionem [habet]47 per oculos et facit homines esse tristes, iracundos (sic!)48, timidos et sompniolent‹o›s49 (sic!)50 et ali-

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

teria morbi qualitati temporis dissimilis minuitur (gleicher Text in: Wilhelm von Conches, Philosophia mundi [Ed. Maurach], II ,14,57). So beispielsweise sind die Aussichten auf Heilung beim Flegmatiker bzw. bei alten Menschen im Sommer besser als beim Choleriker bzw. bei jungen Menschen. Den Jahreszeiten ordnen sich entsprechend die vier Fieberarten zu, die je durch einen verdorbenen Körpersaft verursacht werden. cole‹rici›] cole si ei et R; colerici Ma. Dic‹it›] dic R; dicit Ma. mag‹is›] magni R; magis Ma. augment‹atur›] augme¯tu¯ R; aucmentatur Ma. mat‹ur›a] mat sia R; matura Ma. ‹signa percurrere›] tpa )igna perra se R; signa percurrere Ma. virgin‹em›] v sginis R; virgini Ma. Avtump‹n›us] Avtumpus R; Auctumnus Ma. sign‹a›] )igna¯ R; signa Ma. sagitta‹r›ium] )agitta siriu¯ R; sacittarium Ma. equi noct‹iu›m] eqi noctem R; equinoctium Ma. * Frigida: bezieht sich auf die Melancholie. habet] habet Ma; fehlt R. * iracundos: falsch zugeordnet; entspricht dem Naturell des Cholerikers. sompniolent‹o›s] )ompniolentes R; sumpuolentos Ma. * sompniolent‹o›s: falsch zugeordnet; entspricht dem Naturell des Phlegmatikers.

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Tafel IV: Aderlass IIa

quando vigiles (sic!)51. [3.5] In hoc tempore melius habent sangwinei, peius melancolicy¨; melius pueri52, peius senes. Pessima infirmitas hoc tempore53 est, que nascitur ex meloncolia, nimis (sic!)54 mala ex sangwine. [3.6] In hoc tempore vtendum est humidis et calidis. Cor sapit, pulmo loquitur, fel conmouet iram. Splen ridere facit, cogit am‹a›re55 iec‹u›r56. [4 Jahreszeitenlehre: Winter] Junius57 [5 Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostiken] [5.1] Januarius In ianuario de vino o‹p›timo58 bibe ieiunus; sanguinem non minuas; pocionem non accipias ad ventrem soluendum; as‹s›ato59 balneo60 sepe vtere; 51 * aliquando vigiles: wörtlich: »irgendeinmal wachend«, also »selten wachend« und somit Synonym zu sompniolent‹o›s. Falsch zugeordnet; entspricht dem Naturell des Phlegmatikers. 52 * pueri: mit Ma weicht der Terminus ab vom gängigen Lebensalterbegriff adolescentes. Vgl. Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/Delp), VI , 490. 53 * Versehentlicher Einschub vtendu¯ humidis & calidis vom Schreiber mit Punkten um die Textstelle kenntlich gemacht. 54 * nimis: Verschreibung. Korrekt muss es heissen: minus. Vgl. Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), II ,14,56. 55 am‹a›re] amore R. 56 iec‹u›r] iecor R. 57 Junius] Junius R, nachträglich in hellerem Rot korr. zu Himus (für hiems); Hyems frigide et humide nature est. Frigidum eius contigit ex nimia remocione solis que tria signa in hyeme percurrunt: in primo capricornum, in medio aquarium, in fine pisces. Tempore hoc melius habent colerici, peius flecmatici, melius iuuenes, peius decrepiti; iuuenes enim et colerici calidi sunt et sicci, flecmatici enim senes, frigidi et humidi. Isto tempore crescit flecma, que sedem habet in pulmone, cuius natura est frigida et humida. Vnde homines fiunt tardi, obliuiosi et sompnolenti. Imitantur enim naturam hyemis et aque et etatis decrepiti, quia flecma pro eo purgatur. Tempore hoc utendum est calidis et siccis. Hoc tempore pessima est infirmitas, que generatur ex flecmate ut cottidiana febris, nimis mala que generatur ex colera ut terciana. Ma. – * Junius: vgl. Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/Delp), VI ,22,68–93. 58 o‹p›timo] o)timo R; optimo Ma. 59 as‹s›ato] a)ato R; assato Ma. 60 * as‹s›ato balneo: »Dampfbad, Schwitzbad«.

Tafel IV: Aderlass IIa

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mane commede modicum, quia superflua commestio febr‹e›s61 nimias generat. Q‹ui›62 vero ja, iia, va, vija, xva die sangwinem minuerit, illo anno morietur. Si tonitruum sonuerit, ventos validos et habundancia‹m›63 frugum et bellum eo anno pronuncciat. [5.2] Februarius In februario sanguinem [minuas]64 et pocionem accipe et dicitur: que uis commede nisi acida et amara; capud tuum custodi a frigore; vinum atque bonam ceruisiam in balneo bibe. Qui vero via, vija die sanguinem minuerit, ipso anno morietur. Si quis in viia kalendas65 et iija kalendas66 et idus februarij67 generatus fuerit, corpus suum usque in diem iudicij integrum manebit, ‹ut beda presbiter divulgauit›68. Si tonitruum sonuerit, multorum homin‹um›69 et magxime divitum mortem significat. [5.3] Marcius In marcio sepe l‹a›uare70 et balneare; dentes tu‹o›s71 purga et fricas cum sal‹e›72; sanguinem [non] minuas73; pro‹v›o‹c›a74 v‹o›mitum75 propter cottidianas [febres]76, propter pa‹ra›lis‹i›m77; cottidie commede semen78 rute79, 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79

febr‹e›s] febras R; febres Ma. Q‹ui›] Qe R; Qui Ma. habundancia‹m›] habu¯ dancia R. minuas] non minuas M; fehlt R. Ich bessere hier gegen Ma, aber mit Br und der Übersetzung auf Tafel VI.5.2. * in viia kalendas: 26. Jan. * [in] iija kalendas: 30. Jan. * [in] idus februarij: 13. Febr. ‹ut bis divulgauit›] e# beda pbl sr dinilgant R; ut beda dicit Ma. – * Die Berufung auf Beda findet sich schon in der Handschrift Wien, ÖNB , Cod. 12600, fol. 137 v (Ende 12. Jh.). homin‹um›] ho¯ies R; hominum Ma. l‹a›uare] leua se R; lauare Ma. tu‹o›s] tues R; tuas Ma. cum sal‹e›] cu¯ )al R; in sale Ma. * non minuas: ich emendiere nach sämtlichen Hss. und nach der Übersetzung auf Tafel VI.5.3. pro‹v›o‹c›a] pnota R; prouoca Ma. ¶ v‹o›mitum] vamitu ¯ R; vomitum Ma. febres] febres Ma; fehlt R. – * cottidianas febres: täglich auftretendes, durch das Phlegma verursachtes Fieber. pa‹ra›lis‹i›m] pali)mu¯ R; paralisim Ma. * semen: hier wohl auch in der Bedeutung von »Pulver«. Vgl. Utrechter Monatsregeln (Ed. Lindgren), 77,181. * rute: zu ruta »Raute«.

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Tafel IV: Aderlass IIa

saluie, feniculi, apy80 et ‹petrosylini›81. Qu‹i›82 vero xva, xvja, xvija, xviija die sanguinem minuerit, isto anno m‹o›rietur83. Et qui septima die minuerit, lumen oculorum amittit. Si tonitruum sonuerit, ventos validos et fruguum copia‹m›84 et lites in popullo significat. [5.4] Apprilis In apprilij sangwinem minue propter p‹u›l‹m›onem85 et alia inpedimenta; [cru]das86 radices non commede propter scabiem et prurig‹i›nem87; recentes carne‹s›88 comede non fum‹i›gat‹a›s89, quia sincobum morbum90 generan‹t›91. [Qui]92 vero vja, vija, xva die sanguinem minuerit, infra xla sine dubio morietur. Qui vero viija die minuerit, lumen [oculorum]93 amittit. Qu‹i›94 vero prima die wlneratus fuerit aut pocionem accepit, aut statim aut cito morietur. Si tonitruum sonuerit, iocundum et fructiferum an‹n›um95 et iniquorum mortem significat et cetera. [5.5] Maius Maius quibusdam sanus est, quibusdam non. Si vero vis sanus fieri, Absinthum96 in v‹in›o97 coctum bibe, [. . .] sed plus valet in ‹linpha› mund‹a›98; 80 * apy: zu apium »Eppich, Sellerie«. 81 ‹petrosylini›] petrosylini ros R; petrosylini Ma. – * ‹petrosylini›: zu petrosylinum »Petersilie«. Variante zu petrocilium Latham, S. 348. 82 Qu‹i›] Quod R; Qui Ma. 83 m‹o›rietur] me siet s R; morietur Ma. 84 copia‹m›] copia R; copiam Ma. 85 p‹u›l‹m›onem] plicio nem R; pulmonem Ma. 86 [cru]das] t¯ndas R; crudas Ma. 87 prurigi‹n›em] p srigione¯ R; pruriginem Ma. – * prurigi‹n›em: zu prurigo allg. »Jucken«, spez. »exitation sexuelle de l’epidermis« DLF , 319. 88 carne‹s›] carnea R; carnes Ma. 89 fum‹i›gat‹a›s] fumgatos R; fumigatas Ma. 90 * sincobum morbum: »Ohnmacht«. Vgl. Chirurgia magna Guidonis de Gauliaco (Ed. Joubert), III ,1,1: Syncope est [. . .] subita et acuta concisio virtutis, quae consueuit sequi immoderatas euacuationes et dolores. 91 generan‹t›] gn sante# R; generant Ma. 92 Qui] Qui Ma; fehlt R. 93 oculorum] oculorum Ma; fehlt R. 94 Qu‹i›] Quod R; Qui Ma. 95 an‹n›um] aniu¯ R; annum Ma. 96 * Absinthum: »Wermut«. 97 v‹in›o] venio R; vino Ma 98 in ‹linpha› mund‹a›] ı¯ tipho m ¯¯ do R; in munda linpha Ma. – * in ‹linpha› mund‹a›: ich lese mit Ma: »in sauberem Quellwasser«. Zu linpha/lympha »Quellwasser« Latham, S. 284.

Tafel IV: Aderlass IIa

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polipod‹iu›m99 commede, Saluiam et rutam summe. Si quis vija, xva, xvija die sanguinem minuerit, hoc anno morietur. Si tonitrum sonuerit, frugum inopia‹m›100 et famem in eo anno significat et cetera et cetera. [5.6] In iunio aquam f‹ontan›am101 propter pulmonem ieiuno stomacho bibe; lactum summe in cena; citwar102, betonica103, agrimonia104 vtere. Si quis in [vj a]105 die minuerit sanguinem, hoc anno morietur. Si tonitrum sonuerit, habundanciam frugum per varias infirmitates in hominibus futuras significat. [5.7] Julius In iulio si vis sanus esse, custodi te a nimia dormicione, ab assato balneo et a piscibus palustribus106, a minucione sangwinis, ‹a caulibus›107 et ‹a calidis›108 cibis; pocio tua sit gamondria109, saluia, ‹an›etum110, a‹p›ium111. Si quis xxja (sic!)112, xvija die sanguinem [minuerit]113, in ipso anno morietur. Si tonitrum sonuerit, a‹nn›onam114 significat futuram et fetus pec‹o›rum115 peribit et cetera. [5.8] Augustus ‹A›ug‹u›stus116 est periculosus; si non custodieris te a frigore, infirmus eris; 99 polipod‹iu›m] polipo dra¯ R; polipodiam Ma. – * polipod‹iu›m: »Steinwurz, Baumfarn«. 100 inopia‹m›] ¯ıopia R; inopiam Ma. 101 f‹ontan›am] fautam R; fontaneam Ma. 102 * citwar: zu curcuma zedoaria »Zitwer« (Das Utrechter Arzneibuch [Ed. Lindgren], S. 153). 103 * betonica: »Heilbatunge, Betonie«. 104 * agrimonia: zu agrimonia »Odermennig«. 105 vja] vja Ma; fehlt R. 106 * palustribus: zu paluster »sumpfig«. 107 ‹a caulibus›] accaulibus R. 108 ‹a calidis›] acalidis R. 109 * gamondria: zu gamandrea »Gamander«. 110 ‹an›etum] vietu¯ R; anetum Ma. Nach sämtlichen Hss. emendiert aus vietum »Dill« (Dief., 34). 111 a‹p›ium] apiu¯ R; apium Ma. 112 * xxja: wahrscheinlich Verschreibung. Tafel VI.5.7 und Ma bringen gemeinsam den 15. Juli. 113 minuerit] minutus fuerit Ma; fehlt R; ergänzt analog zu 5.8. 114 a‹nn›onam] amonam R; annonam Ma. 115 pec‹o›rum] pecu# R; pecorum Ma. 116 ‹A›ug‹u›stus] Aauga)t 9 R.

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Tafel IV: Aderlass IIa

custodi te a frigidis cibis; sepe balneare; agrimoniam, pollegium117, plantaginem118 summe in refeccionem. Qui vero xija (sic!)119, xx[a] die sanguinem 120 minuerit, hoc anno morietur. Qui vero prima die minuerit, 3‹a› die morietur. Si infans natus fuerit, proficiat sed dura morte p‹er›ibit121. Si tonitrum sonuerit, multi homines egrotabunt. [5.9] Septembri In septembri aliquas buccellas lacte perfus‹a›s122 ieiunus comede et omnes fructos matur‹o›s123 summe; pocio tua sit agrimonia, grano‹ma›stica124, et si volueris [sanguinem]125 de vena minue. Si vero xvja, xviija die sanguinem minuerit, hoc anno morietur. Si tonitrum sonuerit, habundancia‹m›126 frugum et occisionem potencium significat. [5.10] October In octobri tam v‹o›latilia127 quam quadrupedia bona sunt excepto cancro, quia tunc leditur a marino s‹er›pente128; multum (sic!)129 bibe cum ansere coctum; pocio tu‹a›130 sit ‹c›ituar131, galganum. Qui vero vja die minuerit, ipso anno morietur. Si tonitruum sonuerit, ventum validum et frugum arborum inopiam significat et cetera. 117 * pollegium: orthographische Variante zu pulegium »Poleiminze« Daems, Nr. 356. 118 * plantaginem: zu plantago »Wegerich«. 119 * xija: wahrscheinlich Verschreibung. Tafel VI.5.8 und Ma bringen den 19. August. 120 3‹a›] 3o R; tercia Ma. 121 p‹er›ibit] pibit R; morietur Ma. 122 perfus‹a›s] pfu)ijs R; perfusas Ma. – * buccellas lacte perfus‹a›s: »in Milch gebrocktes Brot« (vgl. Riha, Die diätetischen Vorschriften, S. 353). 123 matur‹o›s] matures R; maturos Ma. 124 grano‹ma›stica] grano)t no)tica R; granostica Ma. – * grano)t no)tica: verballhornte Form zu granomastica/granomastix »körnerförmiges Harz des Mastixbaumes, in Alkohol lösbar«. Vgl. ›Vocabularius Ex quo‹ (Ed. Grubmüller u. a.), S. 1588 f.: Mastix est resina. Granomastix dicta est, quia in modum granum est. 125 sanguinem] sanguinem Ma; fehlt R. 126 habundancia‹m›] habu¯cia R; habundanciam Ma. 127 v‹o›latilia] valatilia R; uolatilia Ma. 128 s‹er›pente] )ipente R; serpente Ma. – * excepto bis s‹er›pente: wörtlich: »ausgenommen der Krebs, weil er dann von Seeschlagen gebissen wird«. 129 * multum: zu den Lesarten der Parallelüberlieferung vgl. Castelberg, Wissen und Weisheit, S. 72. 130 tu‹a›] tuo R; tua Ma. 131 ‹c›ituar] v situar R; ciduarium Ma.

Tafel IV: Aderlass IIa

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[5.11] Nouember In nouembri non balneare calide, quia balnium est veneris officium132, si opus [est]133 subcu‹t›aneum134 sanguinem minuer‹i›s135, sed custodi te a frigore; pocio tua sit czinciber, cinamo‹m›um136, ‹cubeba›137. Si quis xiija, xviija die sanguinem minuerit, hoc anno morietur. Si tonitrum sonuerit, habundanciam frugum et an‹n›u‹m›138 iocosum significat et cetera. [5.12] December In decembri custodi cerebrum tuum a frigore ut per totum an‹n›um139 sis s‹a›nus140 in capite; [ce]phalicam141 [minueris]142 et balneare quantum vis; phiretrum143 et zinciber144 manduca. Qui vero vja, vija, xva die sanguinem minuerit, hoc anno morietur. Qui vero ja die sanguinem minuerit, xla die moritur. Qui vero vltima die lune exeunte decembri wlneratus fuerit aut pocionem acciperit, aut statim aut in proximo morietur. infans si natus fuerit, non proficiet sed dura morte p‹er›ibit145. [6 Lassstellentexte] [6.1] Vena in fronte valet do lori capitis, dolori e‹micraneo›146, aposte matibus oculorum et fr‹ene›si147 sed multum facit sanguinem flore‹re›148.

132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

* veneris officium: wörtlich: »Liebesdienst«. est] est Ma; fehlt R. subcu‹t›aneum] )ub cucaneu¯ R; sub cutaneam Ma. minuer‹i›s] minu sas R; minuas Ma. cinamo‹m›um] cinamoriu¯ R; cinamomum Ma. ‹cubeba›] calepe R; calipe culepe Ma. – * ‹cubeba›: korr. aus calepe »Kubebenpfeffer, indischer Pfeffer«. an‹n›u‹m›] anun R; annum Ma. an‹n›um] anu¯ R. s‹a›nus] )on 9 R; sanus Ma. cephalicam] phalica¯ R; cephalicam Ma. minueris fehlt Ma, R. * phiretrum: »Bertram(wurzel)«. * zinciber: »Ingwer«. p‹er›ibit] pibit R; peribit Ma. – * Zusatz Ma: Si tonitrum sonuerit, annone habundanciam, pacem et concordia significat. e‹micraneo›] encigranio R; ecraneo Ma. – * dolori e‹micraneo›: »Kopfschmerz, Migräne« (Habel/Gröbel, Sp. 175). Adjektivisch zum Neutrum emicranium »dessus du craˆne« (DLF , 306). fr‹ene›si] fro¯)i R; frenesi Ma. – * fr‹ene›si: siehe den Komm. zu Tafel III ,2.1. flore‹re›] flo se R; florere Ma.

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Tafel IV: Aderlass IIa

[6.2] Ve n a { q u e } e s t i n p u p p i c a p i t i s149 v a l e t d o l o r i a u r i c i p o capitis et stupori mentis. [6.3] Duas venas in oc‹c›i pite150 capitis in cidimus propter que relam capitis et inanie passi onem. [6.4] Vena in sumpmitate nasi valet fluxui oculorum. [6.5] Due vene in timp‹oribus›151 valent suffusion‹i›152 oculorum et 153 doloribus aurium et cetera. [6.6] Due ve ne in angulis oculorum valent ad visum et ad ‹e› gri{t‹u›}dinem154 aurium. [6.7] Ventose155 in occipitio fu gant paralisim oculorum et faciunt homines obliui‹osi›156, [. . .]157 quia posterior pars capitis et locus conseruacionis quam vento se debilitant. [6.8] Vena post aures valet contra ymaginacionem oculorum 158 et alijs passionibus oculorum. [6.9] I n n a r i b u s d u a s v e n a s i n c i d i m u s p r o p t e r g r a u e d i n e m c a p i t i s .159 [6.10] Ventose posite su‹b›160 na ribus a toto corpore attrahunt et conferunt indes[ti]nis161 et alleuiatur totum corpus per eas.

149 * in puppi capitis: »am Hinterkopf«. 150 oc‹c›ipite] oci pite R. 151 timp‹oribus›] tı¯plis R; timporis Ma. Gebessert nach Br. Zu timpus/timpor »Schläfe« Dief., 584. 152 suffusion‹i›] )uffu)iom ¯¯ R; effusioni Ma. 153 * suffusion‹i› oculorum: zu suffusio (oculorum) »grauer Star« Habel/Gröbel, Sp. 388. 154 ‹e›gri{t‹u›}dinem] a gritidine¯ R; egritudinem Ma. 155 * Ventose: »Schröpfkopf« (ancistrum), als Anweisung zu verstehen: »Setze den Schröpfkopf an!« Vgl. Sudhoff, Beiträge, S. 128: Dem aber wee ist in [. . .] an der prust, der sol köpflein setzen oben an [. . .]. 156 obliui‹osi›] obliui)u¯ R; obliuiosum Ma. 157 [. . .]] ren sa R; fehlt Ma. 158 * ymaginacionem oculorum: »Einbildung, Vergesslichkeit«. Die Übersetzung auf Tafel VI.6.7 lautet, positiv gewandt: czw einer guten gedachnus. 159 * grauedinem capitis: »Schweregefühl«. 160 su‹b›] su¯t R; sub Ma. 161 indestinis] ¯ıde)onis R.

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Tafel IV: Aderlass IIa

[6.11] Due vene sub li‹n›gwa162 va lent dolori dencium et dolori g‹ingiu›arum163 et ad reumam capi tis 164 et ad inquina cionem165. [6.12] De collo ma‹ti›santes166.

duas venas

et cidimus propter

malos humores

reu-

[6.13] Vena que est sub mento valet dolori ocu lorum et pustulis faciei, pru‹ritui›167 aurium168. [6.14] Ventose sub mento posite prosunt dentibus cie‹i›169 et mundant caput et mandibillas170.

et gutturi et fa-

[6.15] Vena ‹axil la›ris171 valet dolori pectoris et dolori dyafr‹ag› matis 172 et difficult‹ati›173 anhelitus174 inspi racioni. [6.16] Cephalicam incidimus propter capitis dolorem et oculorum infusionem et dolorem scapu larum. [6.17] C e p h a l i c a d e x t e r ‹ i ›175 b r a c h ‹ i i ›176 v a l e t d o l o r i o c u l o r u m s i s a n g w i s e s t i n c a u s a m d o l o r i g u t t u r i s e t d o l o r i l { i } ‹ n › g w e177 . 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171

172 173 174 175 176 177

li‹n›gwa] ligwa R; lingua Ma. g‹ingiu›arum] gragma# R; gringriuarum Ma; gebessert nach Br. * reumam capitis: »Schlagfluss«. * inquinacionem: zu inquinacio »souillure« (Verunreinigung, eiterndes Geschwür) DLF , 452. reuma‹ti›santes] reuma¯)antes R; reumatisantes Ma. pru‹ritui›] pruiturij R; pruritu Ma. * pru‹ritui› aurium: »Ohrenkrätze, Ohrenjucken als Zeichen der Neugierde und des Verlangens«. Vgl. DWB VII , 1228. Zu pruritus »Jucken, geiles Jucken, Geilheit« Georges II , 2052. facie‹i›] facie R; faciei Ma. * mandibillas: orthographische Variante zu mandibula »jowl, check« (DML , 1701). ‹axilla›ris] tor culor 9 R. – * Zu axillaris DML , 171. Die Verbindungslinie verläuft eindeutig zu einer Ader unter der Achsel. Möglich ist eine Verwechslung mit dem Begriff vena titillaris (Sudhoff, Beiträge, S. 182). Nicht belegte Ableitung von titillare »kitzeln« (Georges II , 3135). Die Ader wäre demnach in der Achselhöhle zu lokalisieren, dort, wo eine Berührung Kitzeln verursacht. dyafr‹ag›matis] dyafre mat 9 R; dyafframatis Ma. – * dyafr‹ag›matis: zu dyafragma »Zwerchfell«. difficult‹ati›] difficulte R. * difficult‹ati› anhelitus: »den Atembeschwerden« (Pl.). dexter‹i›] dexter R. brach‹ii›] brach 9 R. l{i}‹n›gwe] ligwe R; lingue Ma.

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Tafel IV: Aderlass IIa

[6.18] Vena medi‹a›na178 valet dolori capitis et dolori castratum et do lori stomachij. [6.19] Vena basi lica179 valet do lori epatis et speci aliter dolori splenis et ad sangwinem de naribus. [6.20] Vena com munis180 valet cordi et stomacho et passioni pulmo nis. [6.21] Vena epatica valet ad epar et stomachum confert. [6.22] V e n a i n t e r a n u l a r e m e t pulmoni et spleni et cetera.

a u r i c u l a r e m181 v a l e t

capiti et

[6.23] Vena inter annularem et medium182 non est incidenda nisi in periculo mortis, quia vitam uel mortem statim prestat. [6.24] Ve n a i n t e r p o l l i c e m e t i n d i c e m183 v a l e t c a p i t i e t c e t e r i s passioni bus. [6.25] Ve n a d ‹ e › s u p e r184 p o l l i c e m v a l e t p r o p t e r i n f l a c i o n e m p u l m o n i s e t t u s s i m e t r e u m ‹ a › t i s a n t e s185 . [6.26] Vena inter pollicem et in dicem valet capiti et oculis et in fluacioni li‹n›gwe186 squinancie187.

178 medi‹a›na] mediona R; mediana Ma. – * Vena medi‹a›na: siehe den Komm. zu Tafel III.2.15. 179 * vena basilica: siehe den Komm. zu Tafel III.2.16. 180 * vena communis: entspricht der Herzader. 181 * auricularem: zu auricularius »Kleinfinger« Latham, S. 38. 182 * vena inter annularem et medium [digitum]: die Ader zwischen Ringfinger (anularius. Wörtlich: »Ringmacher«, Dief., 39) und Mittelfinger (medium [digitum]) darf nach mittelalterlicher Auffassung nie veneseziert werden. 183 indicem durch Streichung mit roter Tinte korr. aus medice¯. 184 d‹e›super] do )up R; desuper Ma. 185 reum‹a›tisantes] reu¯ moti)antes R; reumatisantibus Ma. – * reum‹a›tisantes: ich lese, analog zu den unten beschriebenen Beschwerden bei der Lassstelle der Halsadern, reumatisantes als Partizip zu rheumatizare (Georges II , 2386) und ergänze humores. Wörtlich: »fliessende Körpersäfte«. Gemeint sind die durch körperinnere Flüssigkeiten verursachten Flussschmerzen. Siehe den Komm. zu Tafel V .2.6. 186 li‹n›gwe] ligwe R; lingue Ma. 187 * squinancie: Entstellung aus dem Griech., auch synanche (lat. angina) »halss-, e mandelgeschwer, braune« (Dief., 535).

Tafel IV: Aderlass IIa

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[6.27] Vene sexus subposito in con iunctione bedellis et talijs valent, vicio ‹emorrhoi darum›188 et alijs vicijs. [6.28] Ventose sub renibus posite conferr‹u›nt189 aposte‹ma›tibus190 t‹ex›arum191 et earum sca biei et p‹od›agre192 et elephant‹ib›us193, et ventositati ve sice194 et ‹spleni et tergo›195. [6.29] Ventose posite in ‹ex› terioribus196 partibus texarum testiculo rum apostema tibus conferunt et alijs vicijs. [6.30] Due vene inferiores prepucij valent tumefaccioni testiclorum et dolori re‹ni›um197 et ceteris vicijs. [6.31] Due vene super iores prepucij valent temparancie cor poris. [6.32] S u b198 ‹ g › e n i b u s199 i i i j o r [ v e n e ]200 s u n t e t v a l e n t a p o s t e matibus renium et apostema tibus vesice et dolori lumborum. [6.33] D u a s venas sub talo incidamus propter ‹poda›g r a m201 a u t v e n e ‹ n u m › [ . . . ]202 a u t p r o p t e r e x t i r c i o n e m u e l propter mulieres non conci pientes uel que se non purgant. 188 ‹emorrhoidarum›] in moro ge diru¯ R; in morbo gedarum Ma. Gebessert aus in moro gedirum. Ich lese mit Br emoridydorum bzw. normalisiert emorrhoidum. Zu emorrhois, -ida »vein(s) likely to discharge blood, haemorroids, piles« DML , 1128. 189 conferr‹u›nt] 9f srent R. 190 aposte‹ma›tibus] apo)tevitib 9 R; apostematibus Ma. 191 t‹ex›arum] toya# R; texarum Ma. 192 p‹od›agre] pag se R; peragra Ma. 193 elephant‹ib›us] elepha¯t 9 R; elephantis Ma. Gebessert aus elephantis. – * Zu elephans »Elephantiasis« DML , 762 f., und Höfler, S. 705 f. 194 * ventositati vesice: zu ventositas vesice »vaine enflure, jactance« DLF , 841. Im medizinischen Verständnis: Blähung der Blase durch Winde oder Dämpfe. Vgl. Höfler, S. 806 f. 195 ‹spleni et tergo›] pleniter)i R; spleni et dorsi Ma. 196 ‹ex›terioribus] an te sio sib 9 R. 197 re‹ni›um] re# R; renum Ma. 198 Sub mit roter Tinte korr. aus Vub. 199 ‹g›enibus] ve nibus R; genitalibus Ma; gebessert nach Br. 200 vene] vene Ma; fehlt R. 201 ‹poda›gram] ypotegram R; podogram Ma. – * ‹poda›gram: gebessert aus der verballhornten Form ypotegram. Zu podagra »Gicht, Fussgicht« Höfler, S. 478. 202 vene‹num› [. . .]] vene a)r R; fehlt Ma.

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Tafel IV: Aderlass IIa

[6.34] Vena sub indicem pedis valet pust[ulis]203 oc‹u›lorum204, ob calliginem oculorum et pustulis cru rum. [6.35] Vene valent retencioni men struorum, aposte matibus testic‹u›lorum205, dolori femoris et dolori lumborum. [6.36] Saphene due sunt vene et valent habun dancie et retencioni et oculis ac moder ate flegma et dolori re‹nium›206.

203 204 205 206

pustulis] pu)t pedis R; pustulis Ma. oc‹u›lorum] oclo# R; oculorum Ma. testic‹u›lorum] te)ticlo# R. re‹nium›] re# R; renum Ma.

Tafel IV: Aderlass IIa

101

Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten Deutsche Fassung auf Tafel VI . [1.1–6.35] gesamte Tafel mit Ausnahme von 6.36 (Vere bis lumborum) Parallelüberl.: Wrocław (Breslau), UB , Cod. I F 334, fol. 272r–274v (Br);207 Mainz, StB , Hs I 166, 106v–109r (Ma).208

[1.1–3.6] Jahrzeitenlehre (Vere bis calidis) Mögliche Quellen: Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), II ,14,46–57; Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/ Delp), VI ,22. 207 Enthält zusätzlich die vollständige Nativitätsprognostik, die in den Erläuterungen punktuell für Besserungen einbezogen wurde. 208 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Varianten Ma: [1.1] vnde fehlt Ma [1.2] cancrum] thaurum Ma [1.3] epate] eipate stomacho et ceteris membris Ma [1.4] prius] prima Ma terci‹a› in membrosi‹s›] in ceteris membris est tercia Ma ii] autem Ma autem] aut Ma sangwine] sanguinea Ma et cetera] que solet per extraccionem sanguinis purgari. Tempore hoc melius habent senes, peius iuuenes; melius decrepiti, peius pueri. Solet hoc tempore infirmantur, quia corpora humana ex calore aperte sibi apte ex subito frigore facilius corrumpuntur. Isto tempore vtendum est frigidis et siccis Ma [2.1] sicca et] sicca est et Ma [2.3] In fehlt Ma et leues] leues Ma [2.4] In fehlt Ma fit tale] fit in communalem Ma [2.6] Colera] colericus Ma [3.4] nigra] magna Ma sompniolentos] sumpuolentos et uiles Ma [3.6] Cor bis iecur fehlt Ma [5.1] modicum] non nimium Ma nimias fehlt Ma Si] Si uere hoc mense Ma [5.2] nisi] preter Ma custodi] custode Ma [5.3] propter pa‹ra›lis‹i›m; cottidie] fac cocturas propter paralisim Ma Et qui] Qui uero Ma septima die] vj die Ma minuerit] minutus fuerit Ma oculorum fehlt Ma [5.4] scabiem] scabiei Ma sanguinem fehlt Ma minuerit] mensis minutus fuerit Ma infra] huius mensis infra Ma sine dubio] dies Ma viija] sexte Ma minuerit] minutus fuerit Ma sonuerit] auditum fuerit Ma [5.5] sanus] infirmis sanus Ma quibusdam] et quibusdam Ma Absinthum] absinthium Ma [5.6] betonica fehlt Ma sonuerit] auditum fuerit Ma [5.7] balneo fehlt Ma a caulibus] in caulibus Ma xxja] xv Ma sanguinem] erg. minutus fuerit Ma [5.8] vero fehlt Ma xija] xix Ma sanguinem minuerit] minutus fuerit Ma morietur] erg. Item qui prima die lune intrante augusto minutus fuerit aut wulneratus aut pocionem accepit, statim proxima die morietur Ma fuerit] fuerit prima die lune Ma proficiat] non proficiet Ma morte] mente Ma [5.9] occisionem] interficionem Ma [5.10] octobri] octobre Ma quia] qui Ma tunc fehlt Ma leditur] erg. enim Ma cum fehlt Ma galganum] erg. et cynomonum Ma ipso bis morietur fehlt Ma [5.11] xiija] xvj Ma xviija] uel xvij Ma sanguinem minuerit] minutus fuerit Ma iocosum] iocundum Ma [5.12] capite] erg. aperi Ma vero fehlt Ma xva] xix Ma sanguinem minuerit] minutus fuerit Ma dura morte] mala morte.

102

Tafel IV: Aderlass IIa

[1.4] Jahrzeitenlehre: Frühling (Jn bis membrosi‹s›) Quelle: Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), IV ,16,24.

[5.1–5.12] Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostiken (Januarius bis p‹er›ibit) Parallelüberl.: Vgl. Riha, Editionsprobleme, S. 105–142, hier S. 109 f.209

209 Zu den Varianten vgl. die synoptische Edition bei Riha, Editionsprobleme, S. 105–142, hier S. 110–139.

Tafel V : Aderlass III

2.7

2.3

2.8

2.1

2.5

2.2

2.4

1.2

1.1

2.6 2.11

2.9 2.14 2.10 2.15

2.16

2.18 2.12 2.19 2.13 2.17 2.25 2.20

2.22 2.26

2.23

2.24

2.28

2.21

Tafel V (fol. 3r [2r]): Aderlass III

2.27

Tafel V: Aderlass III

diplomatischer Text [1 Aderlassregeln] 1

[1.1] v s o l t w i s s e n d a z e i n m e n s c h a l l e c z e i t vnd alle moned wol gelazzen mag ob dir dez not ist {vnd} alle ader an dem habet sol du lazzen nach ezzens an die vnder dem knnie vnd alle {oder} auff den armen solt du slahen vor essens vnd alle ader auff den henden auff den painen und auf den fuessen solt du slahen nach ezzens. [1.2] v2 s o l t w i z z e n d a z d u y n d e m lenczen vnd yn dem sumer solt lassen cze der rechten seitten vnd yn dem herbst vnd in dem wintter solt du lazzen cze der rechten seitten [2 Lassstellentexte] [siehe gebesserten Text]

1 Zweizeilige Initiale D fehlt. 2 Zweizeilige Initiale D fehlt.

105

106

Tafel V: Aderlass III

gebesserter Text [1 Aderlassregeln] 3

[1.1] [D]v solt wissen, daz ein mensch alle czeit vnd alle moned wol gelazzen mag, ob dir dez not ist, vnd alle ader an dem habet4 sol du lazzen nach ezzens. Die5 vnder dem k‹n›ie6 vnd alle ‹a›der7 auff den armen solt du slahen vor essens vnd alle ader auff den henden, auff den painen und auf den fuessen solt du slahen nach ezzens. [1.2] [D]v8 solt wizzen, daz du yn dem lenczen vnd yn dem sumer solt lassen cze der rechten seitten, vnd yn dem herbst vnd in dem wintter solt du lazzen cze der rechten seitten. [2 Lassstellentexte] [2.1] Ein ader ist vor an dem stiren, dy solt du slahen fur den ge prechen dez haubtez vnd fur tobichait vnd vnsin‹n›9 vnd czw dem hiren vnd daz ein mensch icht aus seczig werde von posen fluzzen. [2.2] Czwo ader [sind]10 an paiden slaffen, der ieglich ist güt cze slahen czw den siechen oren vnd fur groz flue z dez haubtes11 vnd der augen vnd wem sein haubt [vnd]12 wem sein slaf wetunt. [2.3] Czwo ader sint in der krue me, der oren der ieglicher ist gu´t cze slahen fur czitte ren des hauptes vnd wem sein oren tunent13 vnd der neues vngehorent werden wil.

3 Dv] v R; Initiale nicht ausgeführt. 4 * habet: zu mhd. houbet »Haupt«. Zu bair.-schwäb. a < ou vgl. Moser I /1, § 79,1. 5 Die] an die R. 6 k‹n›ie] kn¯ie R. 7 ‹a›der] od s R. 8 Dv] v R; Initiale nicht ausgeführt. 9 vnsin‹n›] vn)im R. 10 sind fehlt R. e 11 * fluz dez haubtes: siehe den Komm. zu Tafel III.2.7. 12 Falsche Platzierung der Konj. vnd vor sein durch mechanisches Abschreiben. 13 * wem bis tunent: wörtlich: »wem seine Ohren tönen«; wohl: »Ohrenklingen, -läuten, Tinnitus« (DWB VII , 1227).

Tafel V: Aderlass III

107

[2.4] Czwo ader sind hinder den oren, der ieglich ist gu´t cze slahen czw einer güter gedachn üzz, von malen vnd fur die straukchen14, czw den czenden vnd fur ander vbel dez mundez. [2.5] Czwa aderen sind in den augen der winklen, der ieglicher ist gut cze slahen [fur]15 trub vnd i‹n›re16 pelen17 der augen vnd rot vnd mani gerlay¨ geprechen der augen. [2.6] Ein ad er ist hinden in dem nake, die slach czw dem haupte vnd fur den fluzz18 vnd für die snopffen dez hirns19 vnd dez hauptez vnd fur [den]20 verstoph‹t›en21 sin22. [2.7] ‹E›in23 ader ist vor an der nasen, die scholt du slahen fue r ge swe‹r›24 vnd f‹l›uzze25 des hauptes26 vnd der augen27. [2.8] Czwo aderen sind oben an dem gumen, die schol man slahen für dy¨ mail28, spreckel vnder dem antlicz vnd fur rauden29 vnd kraczen dez haubtez.

14 15 16 17 18

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

* straukchen: zu bair. strauchen »Schnupfen, Katarrh« BWB II , 805 f. fur fehlt R. i‹n›re] ire R. * verm. Pl. zu bair. balo »Schmerz« BMZ I , 228. * fluzz: lat. rheuma: Sammelbezeichnung für Krankheiten, die durch körperinnere Flüssigkeiten verursacht werden, auch Flussschmerzen (Rheuma, Gicht), im bes. nach der Humoralpathologie ein Körperfluss, der vom Kopf abwärts erfolgt (»der Fluss fällt« oder »sinkt«), zeigt sich als a) Schleimhautfluss, Katarrh b) Blutfluss (Wunden) c) Bauch- und Darmfluss d) Schlagfluss (Bluterguss im Gehirn) e) Menstruation (Höfler, S. 159 f.). * snopffen dez hirns: »Nasenkatarrh«. Zu bair. schnopfen »Schnupfen, Katarrh« BWB II , 579. Zu bair.-ostalem. s > sch vgl. PWG , § 155. den fehlt R. verstoph‹t›en] v s)tophen R. * verstoph‹t›en sin: wörtlich: »verstopfter Sinn«, übertragen: »verstockt« (DWB VIII , 1767). ‹E›in] Eein R. geswe‹r›: gebessert aus ge )wehait, eine mögliche Verschreibung durch die Verschmelzung von geswer und swerhait (des hauptes). f‹l›uzze] fu!!e R. * f‹l›uzze des hauptes: zu lat. rheuma capitis siehe den Komm. zu Tafel III.2.7. * [fluzze] der augen: 1. »Bindehaut-Katarrh im Auge«, 2. »rheumatischer Augenschmerz« (Höfler, S. 160). * mail: zu mhd. mal/meil »Hautflecken«. Zu aˆ > ai vgl. Weinhold, § 66. * rauden: zu mhd. räude »Räude, Krätze«.

108

Tafel V: Aderlass III

[2.9] Czw{o} ader sind an der czungen vnden, der ieglicher ist gut cze lazzen der dy strauken hat vnd czw den czenden, zu den pilaren30 vnd fur geswul‹s›t31 vnd geswer vm den hals vnd kelen vnd fur daz plat32 vnd fur den slakch33 vnd den husten vnd fur ander vbel dez mundez. [2.10] Ein ader ist vnden an der kelen oder an dem kinne, dy¨ solt du slahen fur den geprehen vm dy¨ prust vnd fur daz kraczen vnd geswer der nas locher. [2.11] Czwo ader sind an dem halse, die iglich ist gut cze slahen fur geswulst vnd vber flue ssikait der czende, der wange, der piler vnd dez kinpaken vnd fur aller lay geprechen vnd gesw‹u›lst34 vm den hals aussen vnd innen. [2.12] Czwo ader haizzent haubt aderen auf den paiden arm, dy¨ slacht czw dem haubt, czw den schul teren, zw dem rukchpain, fur geswulst vnd fluzze der augen, vnd daz ein mensch auch icht, daz ym vallent, ge winne. [2.13] Czw{e} ader haizzen leber ader sind gut ze slahen für zitteren vnd erstar kchen der starkchen adern35 an dem arm, an henden, an vingeren vnd fur allerlai geprechen vnd vber fluzzi chait36 vnd faule der leber, der pruste vnd [dez]37 mi‹l›czes38 vnd czw dem ruke, den schulter‹n›39, rippe‹n›40, seiten, czw allen gelideren, da dez menschen leben an leit.

30 31 32 33 34 35

36 37 38 39 40

* pilaren: zu mhd. biler »Zahnfleisch«. geswul‹s›t] ge)wult R. * plat: zu mhd. blat »Halszäpfchen«. * slakch: »Schlaganfall«. gesw‹u›lst] ge)wl)t R. * für zitteren bis starkchen adern: meine Lesung: »gegen krampfhafte Zuckungen der Sehnen und [für] ihr Wiedererstarken«. zitteren gebe ich hier als »Zuckungen« wieder (Höfler, S. 860), starkche ader in der Bedeutung »Sehne« (Höfler, S. 2). * vber fluzzichait: wörtlich: »Überfluss« (Baufeld, S. 232). Durch Überfluss an Körpersäften verursachte Leiden, in erster Linie Erbrechen (von flüssigem Mageninhalt) und Menstruation (Höfler, S. 163). dez fehlt R. mi‹l›czes] mic!es R. schulter‹n›] )chult s R. rippe‹n›] rippe R.

Tafel V: Aderlass III

109

[2.14] Czwo ader auff dem elpogen slach fur dy´ geswinde sucht, zw der prust vnd lungen vnd wer vill hart at met vnd fur den kram ppffen vnd fur daz darm gicht. [2.15] Czwo ader haissen Medi ane, der ieglich ist gut cze slahen fur allerlay geprechen der prust, dez herczen, der seiten, der rippe vnd dez magen vnd fur ma nigerlay¨ geprechen der lungen. [2.16] Die ader slach fur die gelsuch vnd wem sein antlicz verplai chet ir sein czwo der aderen. [2.17] Ein ader hinden auf dem rucken painen solt du slahen fur allerlay¨ geprechen dez rukchkes. [2.18] Czwo ader auf dem da‹u›men41 solt du slahen fur manigerlay¨ geprechen dez hau ptez vnd fur rot vnd fluzze der augen vnd czw der gallen vnd fur allerlay riten. [2.19] Czwo ader sind auf dem minsten vingeren, der iegleicher ist gut cze slahen fur die prust sucht vnd fur trachait, gelsucht, vnd wem sein antlüzz verplaicht vnd dy augen vnd fur allerlay¨ riten. [2.20] Czwo ader auf den diechen, alsam czwo auff [den]42 schin‹n›pain43 slach daz vnder den knien fur ge prechen vnd auch fur wazzer sucht vnd wem sein aderen erstarren44 vnd fur allerlay ge swulst dez leibs. [2.21] Czwo ader vnden an dem gesazze solt du slahen für allerlay rure45 vnd fluzze des haub tez vnd fur die ha rem winten vnd czw46 der plasen. [2.22] Czwo aderen vnder den knien solt du slahen fur geprechen der lend, der nieren, der plasen vnd dez in gereuschez vnd geswulst vnd geswer vnd geprechen der diecher vnd der paine.

41 42 43 44

da‹u›men] dawme¯ R. den fehlt R. schin‹n›pain] )chimpain R. * wem sein bis erstarren: »Erstarren des weissen Geäders (Sehnen und Nerven)« (Höfler, S. 675). 45 * rure: zu mhd. ruor »Bauchfluss, Ruhr, Diarrhöe« Lexer II , 549. 46 czw infolge Abrieb kaum leserlich.

110

Tafel V: Aderlass III

[2.23] Ein ader ist vor an dem spicze oben, die ist gut cze slahen fur den47 troppffen48 vnd fur daz darm gicht vnd fur ge swulst dez pauches vnd dez gemachtez vnd fur den harm stain vnd reisent sant49. [2.24] Ein ader ist voren an dem spicze, die slacht fur allerlay wazzer sucht. [2.25] Czwo aderen [sind]50 aussen auf dem en kel, der iegliche gut ist cze slahen den ineren vnd der plateren vnd fur geswulst vnd geswer dez pauchs vnd gemachcz vnd wer nit wol geharmen mag. [2.26] Czwo ader auff der maisten czehen solt du slahen fur mail vnder dem antlucz vnd rot vnd fluzze der augen vnd dy fistelen vnd verstellet den frauen irn flue zz. [2.27] Czwo ader auf den minsten zehen solt du slahen fur geprechen der nieren vnd plasen vnd swerhait vnd geprechen der gelider vnd fur daz gicht vnd fur die posen troppffen. [2.28] Czwo ader [sind]51 vnder den in neren enchkelen, der iegliche slach fur den harem stainen vnd fur den reisenden sant vnd pringent den frauen ir recht52 vnd furbet si nach der gepur de53.

47 den] de¯ de¯ R. 48 * troppffen: siehe den Komm. zu Tafel III.2.7. 49 * reisent sant: zerrender Schmerz durch körnige Gesteinsablagerung, vor allem in der Blase und in den Nieren. Zu sant »Gesteinsablagerung« Höfler, S. 539 f. Zu reisent (mhd. rıˆzen) »zerren, ziehen« DWB VIII , 759 f. 50 sind fehlt R. 51 sind fehlt R. 52 * den frawen ir recht: siehe den Komm. zu Tafel III.2.29. 53 * furbet bis gepurde: wörtlich: »reinigt sie [die Frauen] nach der Geburt«.

Tafel V: Aderlass III

Parallelüberlieferung [1.1–1.2] Aderlassregeln ([D]v bis seitten) Parallelüberl. (lat.): Vgl. Sudhoff, Beiträge, S. 175 und 181.

111

Tafel VI : Aderlass IIb

2

5.1

6.8

3 6.5

6.4

6.2

6.1

6.6

6.9

5.2

6.10 5.3

6.14

6.15

6.17 6.18 6.22

5.5 5.6

6.12

6.13

6.25

6.34

6.20

5.9 5.10

5.11

6.28 6.30

6.29

6.24 6.37 6.35 6.36 6.31 6.26 6.27 1

5.8

6.19

6.21 6.32 6.33

6.23

6.7 6.11

6.16

5.4

5.7

6.3

4

Tafel VI (fol. 3v [2v]): Aderlass IIb

5.12

Tafel VI: Aderlass IIb

115

diplomatischer Text [1 Jahreszeitenlehre: Frühling] [1.1] I n d e m l e n c z e n s o v a h e n alle ding an cze wagssen von der hicze vnd von der feucht der czeit ez werden auf getan die sloz der erden vnd wirt geordart in manigerlay¨ varb der chrauter vnd der pawm [1.2] in der czeit der get dy¨ sun drew zaichen vom ersten arietom dar nach gemini [1.3] vnd wegst dy¨ hicz vnd hat in dem stu´l in der patich vnd ist haizzer vnd feuchter natur [1.4] dy erst dar vmb ist in dem magen dy ander in der patig dy iij in dem czagel in der czeit ist der siechtumb pözz der do wit von der trawren alz der iiij täglich rit der poz ist der wirt von dem plue t alz der czitter czwischen heut vnd fleichs der wirt geswent von dem lazzen so haben ez dy alten poser wan dy iungen vnd ez ist vnstatig weter von der macht dez windez vnd der sun chalt ieczund da von werden dy leut siech cze der czeit sol man niezzen feucht vnd trukchen. [2 Jahreszeitenlehre: Sommer] [2.1] DEr sumer ist truchken vnd haitter [2.2] in der czeit so czeitigt dy pawm vnd die chrautter [2.3] vnd an der czeit wegst dy¨ rot colera dy hat ainen stu´l czwischen der lung vnd der gallen vnd ir natur ist haizz vnd trucken da von werden die leut czornig vnd scharff vnd sinreich vnd ringuertig vnd habent furbung czw den oren [2.4] in der czeit habent es pesser die fluzzigen wan dy vnfluzzigen vnd paz dy¨ alten wann dy¨ iungen vnd werden si an der widerwartigen czeit so werden dy¨ leich gesehen wann ains vertreibt das ander der poz siechtig wirt von der colera der von den fluzzen wirt nicht als pözz [2.5] in der czeit sol man chalt vnd feicht speiz essen [2.6] an der czeit so der get dy sunn drew czaichen vom ersten conertem daz ist daz nach czaichen dar nach leonem czw dem leczten. [3 Jahreszeitenlehre: Herbst] [3.1] DEr herbst ist chalt vnd trucken [3.2] so der get dy sun drew zaichen vom erst {leonem} so dar nach scorpian cze dem leczten segittarium [3.3] in der czeit so sammet man die czeitigen frucht vnd wirt nacht vnd tag in ainer leng [3.4] in der czeit wechst dy grozz colera vnd hat ein wonung in der tencken seitten vnd an dem milcz vnd dy ist chalt vnd trucken vnd hat ein aus fluzz durch dy¨ augen vnd macht die leut trawrig vnd czornig vnd forchtsam vnd slaffrig [3.5] in der czeit habent es pesser dy sangwney¨ vnd

116

Tafel VI: Aderlass IIb

poser meloncolicij vnd pesser dy iungen wann dy¨ alten der pozz siechtag ist der wegst von dem trauren der minner bos wegst von der hicz [3.6] in der czeit sol man niessen feuchte chost vnd warme chost. [4 Jahreszeitenlehre: Winter] [4.1] DEr w i n t e r i s t { k a l d } vnd feucht [4.2] wann dy chelt chumbt von der vbrigen verr der sunnen [4.3] die sunn erget iij zaichen vom ersten capricornus dar nach aquarius vnd dar nach pisces [4.4] in der czeit habent es pesser dy hiczing wan dy´ fluzzing vnd dy Iungen pesser dann dy alten [4.5] in der czeit wegst der fluzz der ain stul hat in der lung die ist chlalt vnd feucht da von werden die leut trag vnd vngedachtig vnd slaffrig [4.6] cze der czeit sol man essen haisse speiz vnd trucken [4.7] der poz sten tag ist der da wirt von dem rocz sam der tagleich rit der minner poz ist der wirt von der colera als der vierd taglich ritt. [5 Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostiken] [5.1] I n I a n u a r i o s o t r i n k c h d e n p e s t e n wein vastend vnd laz nicht vnd chain ge= tranck pad oft ist fru vnd wenig vnd wer an dem ersten an dem andern an dem · v · an dem vij an dem viij an dem xv tag lazt der stirbt in dem selben iar vnd erhi lt ein doner da wedeit weich wint vnd genugsam der frucht vnd streit in dem Iar. [5.2] I n f e b r u a r i o s o s o l t d u l a z z e n { v n d } tranck nemmen vnd iz allerlay waz du wild an sawer dinkch vnd hanttigz1 behüt dein haubt for kelten wein oder güt pir drinkch yn dem pad vnd wer an dem vj an dem vij tag lazt der stirbt in dem selben iar wer aber an dem iij an dem viij tag geporen wirt der verwegst nicht vncz an 1 hanttigz mit feinem Strich korr. aus banttig!.

Tafel VI: Aderlass IIb

dem iungsten tag vnd erhilt ym ein doner daz bezaichent vil reicher leu´t tod in dem iar. [5.3] I n m a r c i o s o l t d u d i c h o f t r a i n n g n vnd paden vnd dein czeit wa schen mit salcz du solt nit lazen vnd du solt oft auz werffen fieber vnd iz all tag rauten sam vnd salua samen vnd peterelen vnd wer an dem xv xvj xviij tag lazt der stirbt in dem iar vnd wer an dem vij tag lazt der erplint erhilt ein doner daz weczaichent senft wint vnd vil frucht vnd chrieg. [5.4] I n A p r i l i s o l t d u l a z z e n d e r lungen wegen vnd izz vrisch fleichs daz nit geraucht sey¨ vnd wer an dem vj vij xv tag lazt der stirbt yn dem iar vnd wer an dem viij tag laizt der stirbt in xiiij tagen vnd wer an dem vj tail lazt der erplint vnd wer in dem ersten tag lazt oder wunt wirt oder krankch wirt der stirbt alz pald vnd erhilt ein doner daz bezaicht ein frolich iar vnd der bosen tod dy¨ den leuten schedlich seind. [5.5] D E r { m a n } i s t e t l i c h e n s i e c h e n l e gut vnd etlichen nicht wil du gesunt werden so trinkch wu rmmut geseten in wein vnd izz stainchraut vnd salui vnd rauten vnd wer an dem vj an dem xv xviij tag lazt der stirbt in dem iar erhilt ym ein doner daz beczaichent ein hungrig Iar.

117

118

Tafel VI: Aderlass IIb

[5.6] I n I u n i o s o t r i n k c h prun wazzer nuchtaren vnd iz von milich vnd czitwar ptoni vnd hasenchraut vnd wer an dem vj tag lazt der stirbt in dem iar erhilt im ein doner daz bezaichent ein reichz iar vnd manigerlay siechtumb an den menschen [5.7] I n I u l i o w i l d u g e s u n t s e i n s o h ü t d i c h v o2 vbrigen slaff vor pratem fleisch vnd vor vischen vnd pad nicht vil vnd lazz nicht hu´t dich vor haisser chost du scholt trin cken von gamander chraut und von salui vnd von rauten vnd wer an dem xv vnd an dem xvij lazt der stirbt in dem iar vnd chumbt ein doner et cetera [5.8] D E r e u s t i s t s c h e l i c h v n d h ue 3 du nicht vor chelt du wirst siech hüt dich vor chalter speis vnd pad oft nucz agromoniam vnd stain chraut vnd wegreich in dem ezzen wer an dem xviiij oder an dem xxij tag lazt der stirbt an dem iij tag vnd wirt ein chind an dem ersten tag geporen daz gewint ein herrn sin vnd stirbt eins swera rns tocz vnd erhilt ein doner so siechen vil leut [5.9] I n s e p t e m b r i o s o i z a i n tail procz aus milich nuchtern vnd alle czeitig frucht macht du wol ezzen vnd trincken agmo nia vnd macht auch wol lazzen wer aber an dem xv tag oder an dem xviij tag lazt der stirbt 2 Wortende von Pergamentstreifen im Falz verdeckt. 3 Wortende von Pergamentstreifen im Falz verdeckt.

Tafel VI: Aderlass IIb

in dem selben iar vnd chumbt ein doner daz beczaichent genugsam der frucht vnd machtigen tod [5.10] I n o c t o b r i m a c h t d u a l l e z wilpret vnd gefugel wol ezzen an der chrebs der wirt gelazt von der wasser slangen iz onten vnd trinck most vnd trinck von czittwar vnd von galgan vnd czinomonum wer an dem vi tag lazt der stirbt in dem iar vnd chumbt ein doner daz beczaichent senft wind vnd wenig frucht der pawen. [5.11] I n n o u e m b r i s o l t d u n i t haizz paden vnd ist dir sein not so mach du lazzen so hut dich vor chalt vnd trink von in gwer vnd czinomonum wer an dem xiij xvij tag lazt der stirbt in dem iar vnd chumbt ein doner daz beczaichent ein frolich iar [5.12] I n d e c e m b r i s o p e w a r // daz hiren vor vbriger kelten wil du daz iar gesert sein in dem haupt vnd daz auff der haupt ader vnd pad wie vil du wild und iz ingebar wer an dem vj oder an dem vij oder xv tag lazt der stirbt in dem selben iar wer an dem leczten tag wunt wirt oder ein tranck nimpt der stirbt ze hant oder an dem nachsten dar nach vnd wirt ein chind an selben tag geporen daz lerent nicht vnd stirbt ains her ten todez vnd chumbt ein doner daz

119

120

Tafel VI: Aderlass IIb

beczaichent frid vnd sön vnd vil ge traides der poz ster tag4. [6 Lassstellentexte] [siehe gebesserten Text]

4 der poz ster tag vom Schreiber umrahmt.

Tafel VI: Aderlass IIb

121

gebesserter Text5 [1 Jahreszeitenlehre: Frühling] [1.1] In dem lenczen so vahen alle ding an cze wagssen von der hicze vnd von der feucht der czeit; ez werden auf getan die sloz6 der erden vnd wirt geordart7 in manigerlay¨ varb der chrauter vnd der pawm. [1.2] In der czeit der get dy¨ sun drew zaichen: vom ersten arietom, dar nach [taurum, dar nach]8 gemini. [1.3] Vnd [in der czeit]9 wegst ‹daz bluet›10 vnd hat ‹den›11 stu´l in der patich vnd ist haizzer vnd feuchter natur. [1.4] Dy erst dar vmb ist in dem magen, dy ander in der patig, dy iij in den ‹gelideren›12. In der czeit ist der siechtumb pözz, der do wi‹r›t13 von de‹m›14 trawren, alz der iiij täglich rit; der poz ist, der wirt von dem plue t, alz der czitter czwischen heut15 vnd flei‹sch›16; der wirt geswent17 von dem lazzen. So haben ez dy alten poser wan dy iungen18, vnd ez ist vnstatig weter von der macht dez windez vnd der sun chalt ieczund19; da von werden dy leut siech. [1.5] Cze der czeit sol man niezzen feucht20 (sic!) vnd trukchen21.

5 Textbesserungen nach München, BSB , Cgm 398, fol. 20 v–27 v (Mü). 6 * sloz: zu sloz »Schloss, Verschliessung« Lexer II , 987 f. Hier als Übersetzung aus lat. pori »Öffnung«. 7 * geordart: Part. Perf. zu ordenen »einrichten, anordnen« (Lexer II , 160). 8 taurum, dar nach] taurum, dar nach Mü; fehlt R. 9 in der czeit] in der czeit Mü; fehlt R. 10 ‹daz bluet›] dy¨ hic! R; daz bluet Mü. 11 ‹den›] in de¯ R; den Mü. 12 den ‹gelideren›] de¯ c!ag¯l R; den gelideren Mü. – * ‹gelideren›: gebessert aus czagel. Übersetzung von membrum (virile) statt membra. 13 wi‹r›t] wit R; wirt Mü. 14 de‹m›] d s R; dem Mü. 15 * heut: diphtongierte Form. Zu bair. heut BWB I, 1187 f. 16 flei‹sch›] fleichs R; fleisch Mü. – * czitter czwischen heut vnd flei‹sch›: Zittersymptom des täglich auftretenden Fiebers (febris synocha). Genaue Bedeutung unklar. 17 * geswent: Part. Perf. zu swenden »fortschaffen, vermindern« (Lexer II , 1359). 18 * alten . . . iungen: die deutsche Übersetzung unterscheidet für alle Jahreszeiten nur zwei statt vier Lebensalter. Vgl. Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), II ,14,46–57 (pueri, iuuenes, senes, decrepiti). 19 * der sun chalt ieczund: Übersetzung aus ex subito frigore »plötzlicher Kälteeinbruch«. 20 * feucht: muss mit Mü kalt heissen. 21 * der bis trukchen fehlt auf Tafel IV .

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Tafel VI: Aderlass IIb

[2 Jahreszeitenlehre: Sommer] [2.1] Der sumer ist truchken vnd haitter22 (sic!). [2.2] In der czeit so czeitig‹en›23 dy pawm vnd die chrautter. [2.3] Vnd an der czeit wegst dy¨ rot colera. Dy hat ainen stu´l czwischen der lung vnd der gallen, vnd ir natur ist haizz vnd trucken. Da von werden die leut czornig vnd scharff vnd sinreich vnd ringuertig24 vnd habent furbung czw den oren. [2.4] In der czeit habent es pesser die fluzzigen wan dy vnfluzzigen, vnd paz dy¨ alten wann dy¨ iungen. Vnd werden si [krankch]25 an der widerwartigen czeit, so werden dy¨ leich‹t›26 ge‹nes›en27, wann ains vertreibt das ander. Der poz siechtig wirt von der colera, der von den fluzzen wirt nicht als pözz. [2.5] In der czeit sol man chalt vnd feicht28 speiz essen. [2.6] An der czeit so der get dy sunn drew czaichen: vom ersten ‹cancrum›29, daz ist daz nach czaichen30, dar nach leonem, czw dem leczten [virginem]31. [3 Jahreszeitenlehre: Herbst] [3.1] Der herbst ist chalt vnd trucken. [3.2] So der get dy sun drew zaichen: vom erst leonem (sic!)32, so dar nach scorpian, cze dem leczten s‹a›gittarium33. [3.3] In der czeit so sammet man die czeitigen frucht, vnd [ez]34 wirt nacht vnd tag in ainer leng. [3.4] In der czeit wechst dy grozz colera vnd hat ein wonung in der tencken seitten vnd an dem milcz, vnd dy ist chalt vnd trucken vnd hat ein aus fluzz durch dy¨ augen vnd macht die leut trawrig vnd czornig (sic!)35 vnd forchtsam (sic!)36 vnd slaffrig (sic!)37. [3.5] In der 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

* haitter: die Bezeichnung der Qualität lautet korrekt haizz. czeitig‹en›] c!eitigt R; czeitigen Mü. * ringuertig: zu rincvertic »leicht und schnell gehend, handelnd« Lexer II , 444. krankch] krankch Mü; fehlt R. leich‹t›] leich R; leicht Mü. ge‹nes›en] ge)ehn¯ R; genesen Mü. * feicht: zu mhd. viuchte. Entrundung. ‹cancrum›] conert¯ R; cancrum Mü. * daz nach czaichen: Übersetzung aus propinquum signum. virginem] virginem Mü; fehlt R. * leonem: muss mit Tafel VI.3.2 libram heissen. s‹a›gittarium] )egitta siu¯ R; sagittarium Mü. ez] ez Mü; fehlt R. * czornig: Charaktereigenschaft des Cholerikers, nicht des Melancholikers. * forchtsam: Charaktereigenschaft des Phlegmatikers, nicht des Melancholikers. 37 * slaffrig: Charaktereigenschaft des Phlegmatikers, nicht des Melancholikers.

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czeit habent es pesser dy sangw‹i›ney38 vnd poser [dy]39 meloncolicij, vnd pesser dy iungen wann dy¨ alten. Der pozz siechtag ist, der wegst von dem trauren; der minner bos wegst von der hicz. [3.6] In der czeit sol man niessen feuchte chost vnd warme chost. [4 Jahreszeitenlehre: Winter] [4.1] Der winter ist kald vnd feucht, [4.2] wann dy chelt chumbt von der vbrigen verr der sunnen. [4.3] Die sunn erget iij zaichen: vom ersten capricornus, dar nach aquarius vnd dar nach pisces. [4.4] In der czeit habent es pesser dy hiczing wan dy´ fluzzing40 vnd dy iungen pesser dann dy alten. [4.5] In der czeit wegst der fluzz41, der ain stul hat in der lung, die ist ch‹a›lt42 vnd feucht. Da von werden die leut trag vnd vngedachtig vnd slaffrig. [4.6] Cze der czeit sol man essen haisse speiz vnd trucken. [4.7] Der pozsten tag ist, der da wirt von dem rocz43 sam der tagleich rit44; der minner poz ist, der wirt von der colera als der vierd taglich ritt45. [5 Monatsregeln, Verworfene Tage, Brontologie, Nativitätsprognostiken] [5.1] In ianuario so trinkch den pesten wein vastend vnd laz nicht vnd [nim]46 chain getranck; pad oft; i‹s›47 fru vnd wenig. Vnd wer an dem ersten, an dem andern, an dem v., an dem vij., an dem viij., an dem xv. tag lazt, der stirbt in dem selben iar. Vnd erhilt ein doner, da‹s›48 wedeit weich wint vnd genugsam der frucht vnd streit in dem iar.

38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48

sangw‹i›ney] )angwney˙ R; sangwiney Mü. dy] dy Mü; fehlt R. * hiczing bis fluzzing: zur Nasalisierung des Suffixes -ig Weinhold, § 168. * fluzz: »Phlegma, Schleim«. Vgl. Baufeld, S. 92. ch‹a›lt] chlalt R. * rocz: zu mhd. rocz »Schleim, Rotz« Lexer II , 517. * tagleich rit: entspricht der febris quotidiana »täglich auftretendes Fieber«, gehört zu den Wechselfiebern (febres interpolatae), verursacht durch verdorbenen Schleim. Vgl. Höfler, S. 144. * vierd taglich ritt: entspricht der febris quartana. Siehe den Komm. zu Tafel III.2.19. nim] nim Mü; fehlt R. i‹s›] i)t R; is Mü. da‹s›] da R; daz Mü.

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Tafel VI: Aderlass IIb

[5.2] In februario so solt du lazzen vnd tranck nemmen vnd iz allerlay, waz du wild an sawer dinkch vnd hanttigz49; behüt dein haubt for kelten; wein oder güt pir drinkch yn dem pad. Vnd wer an dem vj., an dem vij. tag lazt, der stirbt in dem selben iar. Wer aber an dem iij., an dem viij. tag geporen wirt, der verwegst nicht50 vncz an dem iungsten tag. Vnd erhilt ym ein doner, daz bezaichent51 vil reicher leu´t tod in dem iar. [5.3] In marcio solt du dich oft rainng‹e›n52 vnd paden vnd dein cze‹n›t53 waschen mit salcz; du solt nit lazen vnd du solt oft auz werffen [fur daz]54 fieber vnd iz all tag rauten sam‹en›55 vnd salua‹y›56 samen vnd peterelen. Vnd wer an dem xv., xvj., xviij. tag lazt, der stirbt in dem iar. Vnd wer an dem vij. tag lazt, der erplint. Erhilt ein doner, daz weczaichent senft wint vnd vil frucht vnd chrieg. [5.4] In aprili solt du lazzen der lungen wegen vnd izz vrisch flei‹sch›57, daz nit geraucht sey¨ vnd wer an dem vj., vij., xv. tag lazt, der stirbt yn dem iar. Vnd wer an dem viij. tag la‹z›t58, der stirbt in xiiij tagen vnd wer an dem vj. ta‹g›59 lazt, der erplint, vnd wer in dem ersten tag lazt oder wunt wirt oder krankch wirt, der stirbt alz pald. Vnd erhilt [ym]60 ein doner, daz bezaich‹en›t61 ein frolich iar vnd der bosen tod, dy¨ den leuten schedlich seind62. [5.5] Der man63 (sic!) ist etlichen siechen le‹uten›64 gut vnd etlichen nicht. Wil du gesunt werden, so trinkch wurmmut geseten65 in wein vnd izz 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62

* hanttigz: Adj., zu ergänzen: dinkch. * verwegst nicht: »bleibt körperlich unversehrt«. * daz bezaichent: e-Schwund. Zu bezaich(e)net. rainng‹e›n] raı¯ngn R; rainnigen Mü. cze‹n›t] c!eit R; czent Mü. fur daz] fur daz Mü; fehlt R. sam‹en›] )am R; samen Mü. salua‹y›] )alua R; saluay Mü. flei‹sch›] fleichs R; fleisch Mü. la‹z›t] lai!t R; lazt Mü. ta‹g›] tail R; tag Mü. ym] ym Mü; fehlt R. bezaich‹en›t] be!aicht R; bezaichent Mü. * dy¨ den leuten schedlich seind: Übersetzung aus inimicorum. – * seind: zu sind > seind (Weinhold, § 296.) 63 * man: zu bair. maˆn »Monat« BWB I , 1607. 64 le‹uten›] le R; leuten Mü. 65 * geseten: Part. Perf. zu mhd. sieden. Entrundung.

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stainchraut vnd salui vnd rauten. Vnd wer an dem vj., an dem xv., xviij. tag lazt, der stirbt in dem iar. Erhilt ym ein doner, daz beczaichent ein hungrig iar. [5.6] In Iunio so trinkch prun wazzer nuchtaren vnd iz von milich vnd czitwar, p‹e›toni‹ca›66 vnd hasenchraut67. Vnd wer an dem vj. tag lazt, der stirbt in dem iar. Erhilt im ein doner, daz bezaichent ein reichz iar vnd manigerlay siechtumb an den menschen. [5.7] In Iulio wildu gesunt sein, so hüt dich vo‹r›68 vbrigen slaff69, vor pratem fleisch vnd vor vischen vnd pad nicht vil vnd lazz nicht; hu´t dich vor haisser chost; du scholt trincken von gamander chraut und von salui vnd von rauten. Vnd wer an dem xv. vnd an dem xvij. lazt, der stirbt in dem iar. Vnd chumbt ein doner et cetera. [5.8] Der eust ist sche‹d›lich70 vnd hue t‹est›71 du [dich] nicht vor chelt, du wirst siech; hüt dich vor chalter speis vnd pad oft; nucz agr‹i›moniam72 vnd stain chraut vnd wegreich in dem ezzen. Wer an dem xviiij. oder an dem xxij. tag lazt, der stirbt an dem iij. tag. Vnd wirt ein chind an dem ersten tag geporen, daz gewint ein herr‹te›n73 sin74 vnd stirbt eins swer‹an›75 tocz. Vnd erhilt [ym]76 ein doner, so siechen vil leut. [5.9] In septembrio so iz ain tail procz aus milich nuchtern, vnd alle czeitig frucht macht du wol ezzen vnd trincken ag‹ri›monia77 vnd macht auch wol lazzen. Wer aber an dem xv. tag oder an dem xviij. tag lazt, der stirbt in dem selben iar. Vnd chumbt ein doner, daz beczaichent genugsam der frucht vnd [der]78 machtigen tod.

66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

p‹e›toni‹ca›] ptoni R; petonica Mü. * hasenchraut: Übersetzung von lat. agrimonia »Odermennig«. vo‹r›: Wortende von Pergamentstreifen im Falz verdeckt; sinnvoll ergänzt. * vbrigen slaff: »zu wenig Schlaf«. sche‹d›lich] )chelich R; schedlich Mü. e hut‹est›: Wortende von Pergamentstreifen im Falz verdeckt; sinnvoll ergänzt. agr‹i›moniam] agromonia¯ R; agrimoniam Mü. herr‹te›n] hr sn R; herrten Mü. * herr‹te›n sin: »schwer von Begriff«. Vgl. Udo von Magdeburg (Ed. Helm), V. 35 f.: ein schueler, waz hudo genant,/ der waz so hertes sinnes erchant. swer‹an›] )w sa rns R; swerarn Mü. ym] ym Mü; fehlt R. ag‹ri›monia] agmo nia R; agrimonia Mü. der] der Mü; fehlt R.

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Tafel VI: Aderlass IIb

[5.10] In octobri macht du allez wilpret vnd gefugel wol ezzen an der chrebs, der wirt gelazt79 von der wasser slangen; iz onten80 vnd trinck most vnd trinck von czittwar vnd von galgan vnd czinomonum. Wer an dem vi. tag lazt, der stirbt in dem iar. Vnd chumbt ein doner, daz beczaichent senft wind vnd wenig frucht der paw‹m›en81. [5.11] In nouembri solt du nit haizz paden, vnd ist dir sein not, so mach‹t›82 du lazzen; so hut dich vor chalt vnd trink von ingwer vnd czinomonum. Wer an dem xiij., xvij. tag lazt, der stirbt in dem iar. Vnd chumbt ein doner, daz beczaichent ein frolich iar. [5.12] In decembri so pewar daz hiren vor vbriger kelten, wil du daz iar ges‹unt›83 sein in dem haupt; vnd ‹l›az84 auff der haupt ader vnd pad wie vil du wild und iz ingebar. Wer an dem vj. oder an dem vij. oder xv. tag lazt, der stirbt in dem selben iar. Wer an dem leczten tag wunt wirt oder ein tranck nimpt, der stirbt ze hant oder an dem nachsten dar nach. Vnd wirt ein chind an selben tag geporen, daz lerent nicht vnd stirbt ains herten todez. Vnd chumbt ein doner, daz beczaichent frid vnd s‹uo›n85 vnd vil getraides86. [6 Lassstellentexte] [6.1] A n d e r (an der) stiren oben dy [ader]87 ist gut cze slahen fur den we dez hauptez vnd fur apostema der augen vnd fur dy fistel vnd macht daz blüt88 ‹...›. [6.2] C z w o a d e r n [sind]89 an paiden sla ffen, dy sind payd güt cze slahen czw den augen vnd cze den (den) oren. 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89

* gelazt: Pass. zu letzen »verletzen« (Lexer I, 1891). * onten: bair. Änten »Ente« (BWB I , 114). paw‹m›en] pawen R; pawmen Mü. mach‹t›] mach R; macht Mü. ges‹unt›] ge)ert R; gesunt Mü. ‹l›az] da! R; laz Mü. s‹uo›n] )ön R; suon Mü. – * frid vnd s‹uo›n: geläufige Doppelformel für Frieden und Verständigung. Nach getraides vom Schreiber versehentlich der po! )ter tag angehängt (und umrahmt), gehört zu den Texten der Jahreszeiten. ader] ader Mü; fehlt R. * macht daz blüt: entspricht dem lat. Passus facit sanguinem flore‹re› (Tafel IV .6.1, gebessert nach Ma). Bedeutung unklar. Ist die Förderung der Blutbildung gemeint? sind fehlt R.

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[6.3] C z w o a d e r n sind in den win ckeln der augen, dy sind gut cze slahen fur mani gerlay prechen90 der augen vnd der oren. [6.4] E i n a d e r auf der nasen ist gut cze sla hen fur fluzz der augen. [6.5] C z w o a d e r n sind czw den naslochern, sind gut cze lazzen von der swerhait dez hauptez91. [6.6] C z w o adern sind in den naslochern, der iegweder ist gut cze slahen cze dem in gewaid vnd helffen vber all dem leib. [6.7] C z w o adern hinder den oren sind gut ze lazzen czw einer guten gedach nus vnd fur ma nigerlay prechen der augen. [6.8] E i n a d e r ist hinden auf dem wirffel, ist gut cze lazzen fur den verschamtten sin. [6.9] C z w o a d e r n sind in dem nack, sind gut cze slahen fur allen wen dez haubtz. [6.10] D i e a d e r (ader) in dem nack ist gut fur tun ckel der augen, aber ez macht den men schen vnge dachtig. [6.11] C z w o a d e r n sind vnder der zungen, sind gut ze lazzen czu den czenden vnd fur geswer in dem slunt vnd fur den tropp ffen. [6.12] D i e a d e r vnder dem kinpain ist gut cze lazzen fur den ween der augen vnd fur dy mail vnder dem antlucz vnd re uden der naslö‹ch›er92. [6.13] C z w o a d e r n sind an dem kinpain, dy sind gut cze lazzen cze den czenden vnd czw der kel vnd czw dem antlucz vnd ra‹inigen›93 dez haubtz. [6.14] Czwo ad eren sind an dem halz, dy¨ sind gut cze sla hen fur die posen fluzz der augen. [6.15] Die obrist ader auf dem arm ist gut cze lassen. [6.16] C e p h a l ‹ i c › a 94 an dem rechten arm ist gut cze lazzen fur allen ween der augen, der oren, der kel vnd der czungen. 90 91 92 93 94

* prechen: gleichbedeutend wie geprechen (Baufeld, S. 40). * swerhait dez hauptez: Druckgefühl im Kopf bei Schnupfen (Höfler, S. 621). naslö‹ch›er] na)lö)ch s R; naslöcher Mü. ra‹inigen›] ra¯nigumb R; rainigen Mü. Cephal‹ic›a] Cephalna R; Cephalica Mü.

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Tafel VI: Aderlass IIb

[6.17] M e d i a n ‹ a › 95 ist gut cze lazzen fur allen ween dez haubtz vnd dez fieberz96 vnd dez ma gens. [6.18] E i n a d e r ist vnden an dem rechten arm, ist gut cze lazzen cze dem ge macht vnd cze dem milcz. [6.19] E p a t i c a Zefalica an dem tencken arm ist gut cze lazzen cze dem haupt vnd cze den orn vnd czenden. [6.20] M e d i ‹ a › n a 97 ist gut cze slahen cze dem herczen vnd cze dem magen vnd cze der lungen. [6.21] E p a t i c a ist gut cze lazzen czw dem magen. [6.22] E i n a d e r czw‹i›schen98 dem minsten vinger vnd dem goltvinger ist gut cze lazzen cze dem haupt vnd der lung vnd dez milcz. [6.23] E i n a d e r ist vnder dem goltvinger vnd vnder dem mitteren vinger, ist nit güt cze lazzen wan an der not dez todez [vnd]99 ‹wedait›100 daz leben oder den tod. [6.24] E i n (Ein) ader ist czwissen dem dawm vnd dez czaigeres cze dem haupt. [6.25] Ein ader vnder dem dawmen ist gut cze lazzen czw der lungen. [6.26] ( v i e r d ) ader czwischen dem gedarm vnd [dem czagel]101 ist gut cze lazzen fur daz darm gicht. [6.27] D i e a d e r n dawmbs vnd czaigerz ist güt cze lazzen czw dem haup vnd den au gen vnd fur die strauken. [6.28] D i e a d e r a u f f der tencken hant czwissen dem minsten vinger vnd dem golt vinger ist gut cze lazzen cze dem milcz. [6.29] C z w o ( a ) a d e r n sind an den diecheren auz we‹n›dikch102, dy sind güt cze lazzen fur apostemata der nieren. 95 96 97 98 99 100 101 102

Median‹a›] Media¯ R; Mediana Mü. * ween . . . dez fieberz: durch Fieber verursachte Leiden. Medi‹a›na] Medioa¯ R; Mediana Mü. czw‹i›schen] c!wn)chn¯ R; czwischen Mü. vnd] vnd Mü; fehlt R. ‹wedait›] )c!taig R; wedait Mü. dem czagel] dem czagel Mü; fehlt R. auzwe‹n›dikch] au! wedikch R; auzwendikch Mü.

Tafel VI: Aderlass IIb

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[6.30] C z w o adern sind auf den diechen, dy lazz (dy) fur apostemata der diecher vnd [cze]103 der reuden vnd cze der plateren vnd ze dem ruck. [6.31] C z w o ader n 104 sind eben an dem knie, sind gut cze lazzen fur daz gesicht, der platern vnd der lende. [6.32] Zwo adern sind vnder dem czagel, sind gut cze lazzen cze dem gemacht, cze den nieren. [6.33] Czwo aderen105 sind auff dem czagel, dye sind gut cze lazzen czw der massich a‹i›t106 dez leibez. [6.34] C z w o (Czwo) adern sind vnder [dem]107 enckel, sind gut cze la zzen fur p‹oda›gra108 vnd sind den frawen, dy nicht frucht par sind oder dy sich nit furben. [6.35] C z w o adern vntter dem enckel slach ze den augen vnd de‹n›109 nieren vnd der vbrigen fluzzen110 cze de‹n›111 nieren. [6.36] C z w o adern auf der minsten cze hen sind gut ze lazzen den frawen cze der rechten furbung vnd zu den ge machten v‹nd›112 der lende. [6.37] E i n (Ein) ader ist vnder der grozzen czehen, ist gut cze lazzen fur dy fluzz der augen vnd der pain113.

103 104 105 106 107 108 109 110

cze] cze Mü; fehlt R. * adern: n rot nachgetragen. * aderen durch Striche umgestellt. massicha‹i›t] ma))ich at R; massichait Mü. dem] dem Mü; fehlt R. p‹oda›gra] peteg˜ R; podagra Mü. de‹n›] d s R; den Mü. * vbrigen fluzzen: gleichbedeutend wie vber fluzzichait. Siehe den Komm. zu Tafel V .2.13. 111 de‹n›] d s R; den Mü. 112 v‹nd›] vil R; vnd Mü. 113 * fluzz . . . der pain: rheumatische Schmerzen in den Beinen.

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Tafel VI: Aderlass IIb

Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten Lateinische Fassung auf Tafel IV . [1.1–4.7] Jahrzeitenlehre (In dem lenczen bis ritt): Mögliche Quellen: Wilhelm von Conches, Philosophia mundi (Ed. Maurach), II ,14,46–57; Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/ Delp), VI ,22.

[5.1–5.12] Monatsregeln (In ianuario bis todez): Parallelüberl.: München, BSB , Cgm 398, fol. 20v–27v (Mü)114 114 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Varianten Ma: [5.1] wenig] erg. vnd nim einen trankch ze losung des leibes Mü [5.2] allerlay] erg. an anten vnd an gens Mü pad] erg. so nim ein tranck vn lazz dir auf dem dawmen vnd vermeid das kalt, besunder die pad tunckent guet Mü [5.3] vnd du solt bis fieber] vnd reuchsen das du vndawest von dem teglichen riten Mü fieber] erg. mach einen kuchen fur das paralis Mü vnd iz all tag bis peterlen] vnd is alle tag rauten puluer vnd fenichell vnd peterlein mit salcz mit jngwer vnd cziminum vnd cardamon Mü [5.4] lazzen der lungen] lass an der medien Mü izz vrisch flei‹sch›] is frisches vnd nit gerostes gar vast, wan sy pringent den mitteln siechtagen Mü [5.6] trinkch bis nuchtaren] trinkch wasser in dem brach man das prunwasser sey vastent Mü nuchtarn] erg. durch die lungen vnd turch das rachsen; trinkch neues pir vnd meyd den med Mü iz von milich] an dem abent essen is air latichen; vnd air in ainem essich Mü czitwar bis hasenchraut] zyttwar akkerplumen patonyen nim [5.7] du scholt bis e rauten] nim trankch gamandrie, saluay, rauten, epich Mü [5.8] hut‹est› bis siech] vnd da von wiltu sein gesunt so hut dich vor hicz Mü hut dich vor chalter speis] nutz kalts essen Mü pad oft] pad nicht offt Mü oft] erg. vor weyern vischen vnd vor andern hut dich vnd meyd chole (bei R unter dem Monat ›Juli‹) ezzen] erg. nim chain trankch; lass nicht (bei R unter dem Monat ›Januar‹) [5.9] iz ain tail bis nuchtern] sniten prots mit milch wegossen is vastent Mü alle czeitig bis ezzen] all zeitig frucht is nur pirnn du macht sy wol essen mit trankch Mü vnd trincken ag‹ri›monia] ackerpluemen koren masticum vnd nagel is Mü [5.10] In octobri] Jn octtobri jn dem herbst monen dem andern Mü macht du bis ezzen] so iz vogel vnd tier fus hab Mü an der chrebs] an achsel sein ausgenommen Mü der wirt gelazt bis slangen] wan er wird dann gesert von den mer natern Mü trinck most fehlt Mü [5.11] in nouembri bis paden] in dem nouember so huet dich vor der minne vnd vor pad wan pad vnd minne machet den man chrank vnd das weib wasser suchtig Mü vnd ist dir bis lazzen] lass von dir das pluet vnder der haut Mü hut dich vor chalt fehlt Mü chalt] erg. nim nicht honig noch met Mü [5.12] iz ingebar] vnd is perechtram vnd jngwer mit vnd is cardamonen an prot; tustu das so beleibestu furwar gesunt Mü [6.26] czwischen dem fehlt Mü [6.33] dem czagel fehlt Mü [6.35] vnd der vbrigen bis nieren] vnd den nieren vnd den vbrigen fluzzen Mü.

Tafel VII : Turm der Weisheit

12.3 12 12.2 11.1 11

12.1

11.3

11.4 12.4 11.5

11.2

12.6

12.5

11.6

10.12 10.11 10.10 10.9 10.8 10.7 10.6 10.5 10.4 10.3 10.2 10.1 1

8.1

8

9.1

3.1

2

3.3

3

3.2

3.7

8.2 3.6 7 3.4 6.1 5.1 4.1

3.5

6.2 4.2 5.2

9.2 6.3

9.3 6.4

4.3 5.3 4.4 5.4

Tafel VII (fol. 4r): Turm der Weisheit

9.4

133

Tafel VII: Turm der Weisheit

gebesserter Text [1 Leseanweisung] 1

D a z [ i s t ] d e r t u r e n d e r w e i s h a ‹ i › t2 . a n d e m a l p h a b e t3 v n d l i z g e i n p e r g !

heb an cze

niderist

[2 Fundament] Die gruntvest dez thurns der weishait ist diemue tichait, wann die ist ein muter aller tugent. [3 Treppe] [3] D i e t r i t e n [3.1] a v a s t e n [3.2] b a l m o s e n [3.3] c p ü e z z [3.4] d r e w [3.5] p e i c h t [3.6] e n c z i c h a i t [3.7] g e p e t4 [4 Säulen: Basen] [4.1] [4.2] [4.3] [4.4]

f l e ‹ i › z z5 r e w6 worhait Mass [5 Säulen: Schäfte]7

[5.1] e w e i s h a i t8 1 2 3 4 5 6 7 8

ist fehlt R. weisha‹i›t] wei)halt R. * alphabet: lat. abgekürzt: alphab!. * vasten bis gepet: Treppenstufen sind in verkehrter Reihenfolge textiert. fle‹i›zz] fle!! (korrigiert aus fee!!) R. * rew: diphthongierte Form zu mhd. ru(o)we »Ruhe« (Lexer II , 552). * weishait bis massichait: Pfeilerinschriften sind den Basen eingeschrieben. * weishait: Übersetzung aus lat. prudencia.

134

Tafel VII: Turm der Weisheit

[5.2] f s t e r k c h [5.3] g g e r e c h t i c h a i t9 [5.4] h M a s s i c h a i t [6 Säulen: Kapitelle] [6.1] [6.2] [6.3] [6.4]

rat s t ae t i c h a i t gerechtichait Czwcht [7 Breite]10

Die prait dez thurns ist [dy]11 lieb, dy´e gemain ist allen leuten geschikcht. [8 Pforten] [S] [8] D i e t ue r [8.1] g e h o r s a m [8.2] g e d u l t [9 Fenster] [S] [9.1] [9.2] [9.3] [9.4]

w e s c h a i d e n h a i t12 geistlichait d i e m u d i c h a i t (sic!)13 m i t l e i d e n (sic!)14

* gerechtichait: Übersetzung aus lat. rectitudo (Dief., 488). * Die Angabe zur Turmhöhe fehlt. dy fehlt R. * weschaidenhait: vage Übersetzung für discrecio (Dief., 185) statt vnderscheydung (Dief., 185). 13 * diemudichait: inadäquate Übersetzung aus deuocio. Vgl. Dief., 178: »innekeit, gotlichkeit, andaht«. 14 * mit leiden: inadäquate Übersetzung aus contemplacio. Vgl. Dief., 146: »beschauwenisse, trachtinge, ynnige andacht«.

9 10 11 12

Tafel VII: Turm der Weisheit

135

[10 Ecksteine und Steinreihen] [10.1] I L i e b : wiz ain uoltichait, hab got liebe, furcht got, pet got an, Sag got genad, vernicht dy werlt, Er die hei ligen, f e y¨ r d y h e i l i g e n t a g , raing offt dein gewissen. [10.2] K L G e n a d : wiz be heglich, wiz nicht vn wirdig, w i z n i c h t t o r h a f f t15 , piz nit fraffel, piz nicht chriegisch, wiz nicht lugenhaftig, hab lieb dy still, R e d v o n d e n p u c h e r e n16 (sic!), sweig der vn czimlichen. [10.3] M E r : wolg nach den guten, vermeid dy posen, Fleuch dye vppigen, Ve r l a r d e n r ü m , wiz nicht wegerig, pizz milt, pizz nicht verlassen, wucher nicht, Tw n i t s y m o n e e y . D a z i s t c h a u f g o c z g a b . [10.4] N O E r b e r d i c h a i t : vber sech den posen, 15 * torhafft: mit schwarzer Tinte korrigiert aus terhafft. 16 * Red bis pucheren: die lat. Fassung bietet loquere de licitis »Rede (über) Erlaubtes«.

136

Tafel VII: Turm der Weisheit

Daz alter er, An weiz den Iungen, hab dein geleichen lieb, Ve r s m a c h n i c h t d e i n e l a g e r e n17 , Er deinen vater, hab lieb dein muter, Scham dich, wiz nicht ein smackcher. [10.5] P M i t l e i d e n : leit mit den armen, Straff dy vngerechten, l a c h m i t d e n l i e c h t e n18 , w a i n m i t d e n w a i ‹ n e n › t e n19 , Spot nye mancz, Dw solt nyemant dez vn rechten czeihen, weschul dig nymancz, nymant richt, nymant versmakch. [10.6] Q P a r m h e r c z i c h a i t : trost dy vn genesten, Wider pring dy irrer, C l a i d d y n a c h k o c h t e n20 , Speiz dy hungrigen, Tr e n k c h d y d u r s t i g e n , Gee czw den siechen, Tr o s t d y g e v a n g e n , weherberg dy ellenden, w e g { r } a b21 d i e toten. [10.7] R H e i l i c h a i t : Tw a n d e r n l e u t e n a l s w i l d d i r t h u n , weger dez himelcz, 17 * lageren: zu lagære »Nachsteller« Lexer I, 1812. Die lat. Fassung bietet inferiores. 18 * liechten: zu mhd. lieht »hell, strahlend« Lexer I, 1906 f. 19 wai‹nen›ten] waı¯netn¯ R. 20 * nachkochten: zu adj. nacket mit o-Sprossvokal. Grimm kennt nur die Form nackicht (DWB VII , 244). 21 * weg{r}ab: r mit schwarzer Tinte über dem a nachgetragen.

Tafel VII: Turm der Weisheit

137

‹ v u r h t ›22 d a z g e r i c h t e , gedenkch an den tod, Tw g u t w i d e r v b e l , Des {valsch} nicht vberczeug, Nyemant hazz, nyemant todd, hab dein feind lieb. [10.8] S T P e l e i b u n g : wiz milt, hab dein nachsten lieb, halt der sel rainichait, halt fride, Mach nicht chrieg, Ve r s u n e d y c h r i e g e n t e n , wizz nicht rugar, w i z n i c h t v e r r ae t er23, wizz nicht ein slaher. [10.9] V R a i n i c h a i t : w i z z n ue c h t a r24 , wizz nicht ein loter, wizz nicht frassig, wizz nicht trunkchen, Fleiz dicz zw horn, Maz daz gesehen, halt den ge rucht, Mazzig den smak, h a l t d i e s i e c h e r h a i t (sic!)25. [10.10] S t ae t i c h a i t : wizz ge recht, wizz nicht ein ewffrer, Swer luczel, hutt vor ver sweren, 22 ‹vurht›] halt R. e e 23 verrater] v sraunt s: e-Umlaut und er-Abbreviatur nach t mit schwarzer Tinte nachgetragen; un mit schwarzer Tinte durchgestrichen. e e 24 nuchtar] nuch tar: e-Umlaut mit schwarzer Tinte nachgetragen. 25 * halt die siecherhait: inadäquate Übersetzung aus reserua tactum.

138

Tafel VII: Turm der Weisheit

Richt ge recht, Enpfach nicht gab, N y m n i c h t d i e f r e u n d i n (sic!)26, Stil nicht deins nach sten gut, Gib wider das ab genummen gut. [10.11] H o f f n u ‹ n › g27 : wiz gedach tig, S u c h {nicht}28 d i e l a s t e r , Ve r m e i d d i e h o c h f f a r t , Ve r l a z z d i e g e i t i c h a i t , F l e u c h d e n c z o r e n29 , Ve r s i n k c h d e i n w o r t (sic!)30, Ve r n i c h t d i e v n m a z (sic!)31, Ve r l a z d i e v n r a i n k a i t (sic!)32, verlaugen der vnkeusch. [10.12] D e r g e l a w b e : Gelawb in got, H a b l i e b d y¨ h e i l i g e n c r i s t e n h a i t , G e l a u b a n d e n c r e s e m33 , Er daz gocz wort, Er die sa crament, halt die gepot, halt die gelawbigen der tawff, h a ‹ l › t34 d y t r e w d e i n s g e m a h e l s , Enpfach daz gepet.

26 27 28 29 30 31 32 33 34

* Nym bis freundin: inadäquate Übersetzung aus non rapias aliena. Hoffnu‹n›g] Hoffnug R. * nicht mit schwarzer Tinte nachgetragen. * czoren: die lat. Fassung bietet invidiam. So auch als Inschrift auf dem Lasterbaum. * Versinkch dein wort: »bedenke deine Worte«. Ich übersetze hier versinken »sich vertiefen in, bedacht sein auf« (Lexer III , 229) transitiv. Inadäquate Übersetzung aus fuge iram. * Vernicht die vnmaz: die lat. Fassung bietet Sperne accidiam. * Verlaz die vnrainkait: die lat. Fassung bietet vilipende gulam. – * Versinkch bis vnrainkait: eine Zuordnung zu den Hauptlastern ist nicht möglich. * cresem: »geweihtes mit Balsam gemischtes Salböl« (Lexer I, 1735). ha‹l›t] hat R.

Tafel VII: Turm der Weisheit

139

[11 Wehrtürme] [11] We r h a u s [11.1] v n s c h u l d [11.2] r a i n i c h a i t [11.3] g o t e z v o r c h t [11.4] k e u s c h35 [11.5] D i e b e l e i b u n g (sic!)36 [11.6] k e u s c h37 [12 Schutztürme] e

[12] h u t t a r [12.1] S t r a f f v b e r d i e v n g e r e c h t e n (sic!)38 [12.2] s i c h e r h a i t c z u d e n g u t e n [12.3] g e r i c h t z u d e n p o s e n [12.4] n a c h g e n d e n p o s ‹ e › n39 [12.5] z u c h t g e i n d e n v n c z u c h t i g e n40 [12.6] d e r c z e i t

35 * keusch: Übersetzung für castitas. 36 * beleibung: die lat. Fassung bietet continencia »Keuschheit« (Dief., 147). beleibung entspricht lat. mansuetudo. 37 * keusch: Übersetzung für virginitas. 38 * Straff bis vngerechten: die lat. Fassung bietet increpacio ad dissolutos »Schelte über die in den Tugenden Nachlässigen«. 39 pos‹e›n] po)n R. 40 * Straff bis vnzuchtigen: Reihenfolge durcheinander: 1–5–3–4–2.

140

Tafel VII: Turm der Weisheit

Parallelüberlieferung, Varianten Lateinische Fassung auf Tafel XII . [10.1–10.12] Ecksteine und Steinreihen (Lieb bis gepet) Parallelüberl.: Lilienfeld, StiB, Cod. 151, fol. 258v/259r (L)41

41 Varianten, die in R von der lat. Fassung auf der Tafel XII abweichen: [10.2] Red von den pucheren] Rede gern von den heiligen L [10.4] Versmach nicht deine lageren] Versmeh niht den vndern L [10.9] halt die siecherhait] Hab wider dem greiffen L [10.10] Nym nicht die freundin] Niht wis wergerich L [10.11] Fleuch den czoren] Verlazze den neyt L Versinkch dein wort] Vleuhe den zorn L Vernicht die vnmaz] Tue von dir die trachhait L Verlaz die vnrainkait] Aht niht der vrazhait L [10.12] Gelaub an den cresem] Glaub den gots leichnam L.

Tafel VIII : Mikrokosmos

1

3

3.1

3.2

4

Tafel VIII (fol. 4v): Mikrokosmos

2

Tafel VIII: Mikrokosmos

143

diplomatischer Text1 [1 Leib und Seele] Ein yedleich sel vnd ein fleisch ist ein mensche gar. [2 Erschaffung des Menschen] Got der hat gemacht den menschen als ich spricht kürleich czw sam gelesen ein ander werlt ein sel vnd fleisch mit der redleichait westatiget mit einer vn= begreiffentleicher sch{i}kung vnd hat ge mischet den geist vnd einen laymen der tugent. [3 Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogien] Microco smus. [3.1] Recht als daz waz zer in dem mer also pflegen sich czw sammen die gerechti chait dez menschen in dem leibe yn welcher wegung dez meres daz ist die syonuge dez leibez wirt ein geprule vnd ein wegung oft von dem vnderisten auz gankcht Recht als daz mer daz nichcz vaygez vnd stinkchens yn ym heit kain weile also der leip dez menschen wedarff alle tag speicze vnd narung vnd sigez riniger auff haimlichkeit mit der nature der mit seyner vornustleichen gewalt ist getailet yn funf tail dy / do ainig wortent sein voderisten tailen der werlt Die erde die ain wort dem greiffen daz wasser dem smakch 1 Unterlängen der Buchstaben, besonders von ! und besonders in den Schlusszeilen der Textabschnitte, aus dekorativen Gründen nach unten verlängert.

144

Tafel VIII: Mikrokosmos

daz feur dem raukch der luft dem horn Daz funft wesen vnd daz funft tayl daz do verstenst die gancz nature der werlt vnd yrem lauffe oben von der elementen dez feurs vncz an den himel daz do antwort dem sehen et cetera [3.2] Dez menschen lecztez daz sind die fuezz die sind geleich dem ertreich wann si trukchen vnd chalt sind yn irer nature wenn die leczten tail dez menschen daz dy fuezz wen die weginnen czw kalten so chunden sy¨ den tod dez siechen menschen wann dy erd die dy nature dez menschen yn sich nympt die nehent mit der chelten [4 Körperregionen und Weltbereiche, Dreieinigkeit und Seelenkräfte] [4.1] Der mensch microcosmus daz die mynner werlt als ez von den elderen ist genant czw ainem czaichen der grossen werlt wenn er hat an ym dy¨ figur wann ez ist weczaichent mit der prust daz fewr mit dem pauch der lüft mit den lenden vncz auff die chnie czw end dez fuezz daz ertreich [4.2] Recht als yn dem himel got wenent ist alzo der sin dez menschen chumet2 dem haupt Drey personen sind in dem himel alczo an dem menschen seind drey macht Glid vernust vnd wille in dem hymel sind czwai liecht sun vnd der man in dez menschen haupt sein czway¨ augen dy doch erleuchten daz firmament dez antlucz vnd dez ganczen leibez.

2 * chumet: linke u-Haste nachträglich von gleicher Hand (?) mit dunklerer Tinte zu l (chlimet) verlängert.

Tafel VIII: Mikrokosmos

145

gebesserter Text [1 Leib und Seele] Ein yedleich sel vnd ein fleisch ist ein mensche gar. [2 Erschaffung des Menschen] Got der hat gemacht den menschen, als †ich†3 spricht, kürleich czw sam gelesen4, ein ander werlt, ein sel vnd fleisch, mit der redleichait5 westatiget mit einer vnbegreiffentleicher schikung6, vnd hat gemischet den geist vnd einen laymen7 der tugent. [3 Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogien] Microcosmus [3.1] Recht als daz wazzer in dem mer, also pflegen sich czw sammen die gerechtichait8 dez menschen in dem leibe, yn welcher wegung dez meres, daz ist die ‹wegung›9 dez leibez10, wirt ein geprule vnd ein wegung oft von dem vnderisten auz gankcht. Recht als daz mer, daz nichcz vaygez11 vnd stinkchen‹d›s12 yn ym he‹l›t13 kain weile, also der leip dez menschen wedarff alle tag speicze vnd narung, vnd ‹sig ez›14 riniger15, auff haimlichkeit mit der 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

* ich R: Verschreibung für den Namen einer Autorität, womöglich Isidor? * kürleich czw sam gelesen: »sorgfältig zusammengelesen«. * redleichait: zu mhd. redelıˆcheit »Redefähigkeit, Vernunft« Lexer II , 367. * schikung: »Gestaltung, Ordnung« (Lexer II , 721). * laymen: fnhd. leim, leimen »Lehm, aus Ton und feinen Sanden bestehende klebrige, zähe Erdmasse« (FWB IX , 886). Die Deutung des Begriffs ist vor dem Hintergrund von Gn 2,7 zu sehen: Formavit [. . .] hominem de limo terrae. * gerechtichait: »Ausscheidungen« (Pl.). Vgl. mhd. gerahsenen, gerehsenen »räuspernd, hustend ausspucken« (Lexer I, 870). ‹wegung›] )yonuge R. – * Zu wegung, wonunge vgl. Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 263. * ‹wegung› des leibez: analog ergänzt zur wegung dez meres. Liest man wonunge (Wirth, Lateinische und deutsche Texte, S. 263), ist dem Satz kaum ein Sinn zu entnehmen. * vaygez: »Totes, Aas«. stinkchen‹d›s] )tinkchens R. he‹l›t] heit R. ‹sig ez›] )ige! R. * riniger: Komp. zu ring »leicht, gering« (Lexer II , 446 f.), hier mit Sprossvokal i (mittelbair.?). vnd ‹sig ez› riniger: »und sei es weniger [Speise]«.

146

Tafel VIII: Mikrokosmos

nature16, der mit seyner vornustleichen gewalt ist getailet yn funf tail, dy do ‹ant›wortent17 sein‹d›18 [den]19 voderisten20 tailen der werlt. Die erde, die ‹ant›wort21 dem greiffen, daz wasser dem smakch, daz feur dem raukch (sic!)22, der luft23 dem horn. Daz funft wesen vnd daz funft tayl, daz do verstenst die gancz nature der werlt vnd yrem lauffe, oben von de‹m›24 elementen dez feurs vncz an den himel, daz do antwort dem sehen et cetera. [3.2] Dez menschen lecztez, daz sind die fuezz. Die sind geleich dem ertreich, wann si trukchen vnd chalt sind yn irer nature. Wenn25 die leczten tail dez menschen, daz [sind]26 dy fuezz, wen die27 weginnen czw kalten, so chunden sy¨ den tod dez siechen menschen, wann dy erd, die dy nature dez menschen yn sich nympt, die nehent mit der chelten. [4 Körperregionen und Weltbereiche, Dreieinigkeit und Seelenkräfte] [4.1] Der mensch microcosmus, daz [ist]28 die mynner werlt, als ez von den elderen ist genant czw ainem czaichen der grossen werlt, wenn er hat an ym dy¨ figur: Wann ez ist weczaichent mit der prust daz fewr (sic!), mit dem pauch der lüft (sic!), mit den lenden vncz auff die chnie [daz wazzer, mit den chnien]29 czw end de‹r›30 fuezz daz ertreich (sic!). [4.2] Recht als yn dem himel got w‹o›nent31 ist32, alzo der sin dez menschen chumet33 dem haupt. Drey personen sind in dem himel, alczo an dem 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

* auff haimlichkait mit der nature: »in Einklang mit der Natur«. ‹ant›wortent] ainig wortent R. sein‹d›] )ein R. den fehlt R. * voderisten: »ursprünglichen, vorzüglichsten«. ‹ant›wort] ain wort R. * raukch: diphthongierte Form zu mhd. ru(o)ch »Geruchsinn«. * der luft: zu luft als starkem Maskulinum Lexer I, 1977. de‹m›] der R. * Wenn: »denn«. sind fehlt R. * die: Nom. Pl. zu fuezz. ist fehlt R. daz wazzer bis chnien fehlt R. de‹r›] de! R. w‹o›nent] wene¯t R. * w‹o›nent ist: gebessert aus der entrundeten Form wenent. Zur Verbindung von sıˆn und Part. Präs. mit durativer Bedeutung PWG , § 329. 33 chumet korr. zu chlimet R.

Tafel VIII: Mikrokosmos

147

menschen seind drey macht: G‹ehuht›34, vernust vnd wille. In dem hymel sind czwai liecht, [die]35 sun vnd der man; in dez menschen haupt sein czway¨ augen, dy doch erleuchten daz firmament dez antlucz vnd dez ganczen leibez36.

34 G‹ehuht›] Glid R. 35 die fehlt R. 36 * firmament bis leibez: »das Gewölbe des Antlitzes und die Befestigung des ganzen Körpers«. Zu lat. firmamentum »1. bulwark, fortress 2. fixing, means of support 3. sky, vault of heaven, sphere containing the fixed stars« DML , 951. Im übertragenen Sinn wird hier die Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogie weitergeführt: Entsprechen Sonne und Mond der Form nach den Augen, stehen Antlitz und Körper jeweils für das Himmelsgewölbe, an dem die Gestirne festgemacht sind. Ich übersetze firmament, anlehnend an die Analogie zwischen Kopf und Himmelsgewölbe, ein erstes Mal mit »Gewölbe«, ein zweites Mal, in Anlehnung an die Wendung firmamenta totius corporis (»Befestigungsmittel des Körpers«: Knochen, Nerven, Gelenke, vgl. Georges I, 2770) mit »Befestigung«.

148

Tafel VIII: Mikrokosmos

Quellen [1] Leib und Seele (Ein bis gar): Quelle: Isidor, Etymologiae (Ed. Lindsay), XI ,4,10.

[2] Erschaffung des Menschen (Got bis tugent): Quellen: Gn 2,7; Ps.-Isidor, Differentiae, I,16,46 (PL 83,77).

[3.1] Mikrokosmos-Makrokosmos-Analogien (Die erde bis sehen): Quellen: Augustinus, De Genesi ad litteram, III ,4 (PL 34,281); Honorius, Elucidarium (Ed. Lefe`vre), I,59.

[4.1] Körperregionen und Weltbereiche (Der mensch bis werlt): Quellen: Aristoteles, Physica, VIII ,2,252 b 26 f.; Thomas, In Physica, VIII , lect. 4, n. 999.

[4.1] Körperregionen und Weltbereiche (ez ist weczaichent bis ertreich): Quellen: Pseudo-Isidor, Differentiae, I,17,48 (PL 83,78); Honorius, Elucidarium (Ed. Lefe`vre), I,59.

[4.2] Dreieinigkeit und Seelenkräfte (Recht bis haupt): Quellen: Pseudo-Isidor, Differentiae, I,17,49 (PL 83,78); Honorius, Elucidarium (Ed. Lefe`vre), I,59.

[4.2] Dreieinigkeit und Seelenkräfte (G‹ehuht› bis wille): Quelle: Augustinus, De civitate Dei (Ed. Dombart/Kalb), VIII ,4.

Tafel IX : Makrokosmos

1

2.4 2.3 2.2 2.5 2.1

2

4

3

6 5

Tafel IX (fol. 5r): Makrokosmos

Tafel IX: Makrokosmos

151

diplomatischer Text [1 Isidors Elementenlehre]1 Isiderus sprich yn xio pue ch Ethy mologiarum das daz fleisch von uier elementen czw sammen gemacht ist et cetera. [2 Makrokosmos] Macro cosmus [2.1] D a z w a s s e r i s t f e u c h t v n d c h a l t y n d e m p l ue t . [2.2] Der lufft ist haizz vnd feucht yn dem an heben [2.3] D a z f e w r i s t h a i z v n d t r u c h k e n y n l e i p l e { i } c h e n w i r e m [2.4] Machina mayores mundi fit ymago minoris. [2.5] Corporis humani uel de hoc est formula vani. [3 Seele, Dreieinigkeit und die Wissenschaften] Als die sel in irem spiegel vnd in irem begy¨n driualtig vnd eyn yn irer tugent vnd yn irer macht dem gotez pilde czw ge aynet ist yn ainem liecht der chunst vnd yn ainer gestalt der heligen driualtichait die sich dreyerlay beweist ein yegleicher phisolophus ist naturleich vnd ist redleich vnd ist todleich czw dem ersten so sprich er dez wesens daz selb weist er in die sach macht dez vaters Czw dem anderen so spricht er von dem vernemmen der redleichait daz sich weist in die weishait dez suns Daz dritt beweisset vns die ornung dez lebens daz vns weiset yn die gute dez hei ligen geist Daz {erst} tailt sich yn die chunst die do haisset methaphisica mathematica et phisica czw dem erst so spricht er von den dingen des czw dem anderen so spricht er von der czal vnd 1 Isiderus bis et cetera: Liniierung noch sichtbar.

152

Tafel IX: Makrokosmos

der figur Czw dem von der natur vnd von der tugent vnd von der eyngiessenten machum dar vmb so weist er ein daz erst wegynn dez vaters Daz ander in dem pild dez suns Daz dritt yn der gab dez heligen geist Czw dem an dern tail ez sich in die chunst gramaticam die da macht geweltig auffleger der chunst die da haist loyca rethorica Die do stent ist yn yrm wesen als dye heilig driualtichait Czw dem dritten daz tail er yn die chunst die do ha{i}sset manostica ycomonica vnd politica czw dem ersten dez vaters stettichait czw dem andern dez suns dinstlichait czw dem dritten dez hei= ligen geist frey¨lichait Alle die chunst habent ir regel gewislich vnd vntrugenlich Recht2 als der man vnd daz gestiren gien von dem ewigen ee yn vnser gemue t darvmb vnser gemue t vnd vnser sin sulches leichtes wirt erfult vnd ein gegossen nur ez gar blint ez mag pey im selben begreiffen daz ewig liecht et cetera. [4 Gregorius, Augustinus, Plinius] Gregorius in dem czehenten puche moralium spricht allez daz do ist daz man czw dem menschen aygen Daz mensch ist der hymel wan er mit wegerung anhengent dem obristen din= gen vnd auch ist er die helle wenn er mit seyner chorung sicht selben betrubt mit den vndristen vinsternussen Er3 ist auch dez ertreich daz do mit gutten werkch mit guter hoffnung frucht pringet Er ist dar mer der do in ett= licher sachen pidmet vnd daz wetter mit seiner vnstet iagende ist Als au gustinus spricht in dem xv puche 2 Recht: falsche Abschnittsmarkierung durch Majuskel. 3 Er: fehlende Rubrizierung.

Tafel IX: Makrokosmos

153

von der stat Pluuius der ander vor gelertist mensch Ie mer der mensch der werlt lauff vnd leibez natur volgent ist ye mer daz fleiche des menschen genayget ist czw der werlt. [5 Riese und Zwerg]4 Nostri maiores vita studioque priores Corpore minentes formam tenere gigantis Perignem vero nos ipsos equi peramur Si per scrutamur sensu suo dogma= ta vero. [6 Philosophie und Artes liberales] philosophie docet inquirere quid sit hone stum Quod mare quod celum quod homo quid terra quid aer partes diuidit artes Qua rum virtutes sciere parentes Gramatice cura recte loque abque figura R e t h o r i c e s t u d e o v e r b a p o l i r e s c i o Scutatrix rerum peribit dyaletica verum · I n v i g i l i a n u m e r u s s i c a r i s m e t e r e r i s Metitur spacia terrarum geometria D a t m o d u l o s s c i r e m u s i c a d o c t a l i r e · motus astrorum tradit liber astronomorum · v i c e g u t t a p i e p u r i t omni philosophie.

4 Nostri bis vero: linksbündig an einer senkrechten, schwach sichtbaren Linie ausgerichtet.

154

Tafel IX: Makrokosmos

gebesserter Text [1 Isidors Elementenlehre] Isiderus sprich‹t› yn xi pue ch Ethymologiarum, das daz fleisch von uier elementen czw sammen gemacht ist et cetera. 5

o

[2 Makrokosmos] Macrocosmus [2.1] Daz wasser ist feucht vnd chalt yn dem plue t. [2.2] Der lufft ist haizz vnd feucht yn dem ‹aˆtemen›6. [2.3] Daz fewr ist haiz vnd truchken yn leipleichen wirem7. [2.4] Machina mayores mundi8 fit ymago minoris. [2.5] Corporis humani †‹velamen›†9 est formula vani. [3 Seele, Dreieinigkeit und die Wissenschaften] Als die sel, in irem spiegel10 vnd in irem begy¨n11 driualtig vnd eyn, yn irer tugent12 vnd yn irer macht13 dem gotez pilde czw geaynet ist14 yn ainem liecht der chunst15 vnd yn ainer gestalt der heligen driualtichait, die sich

5 sprich‹t›] )prich R. 6 ‹aˆtemen›] an heben R. – * an heben: wohl entstellt aus aˆtemen stn. »Atemholen« (Lexer I, 103). 7 * wirem: bair. Schreibung zu mhd. wirme (PWG , § 159). 8 * Machina mayores mundi: »Weltmechanik, Weltlauf«. Hermes Trismegistus, Liber de sex rerum principiis (Ed. Lucentini/Delp), III ,9,3–6: Machina mundi est concors et moderatus motuum contrariorum firmamenti et planetarum motus, qui mundum et mundana omnia peragorizat id est mulcet uiuifico calore, temperat qualitate, format quantitate. 9 ‹velamen›] uł de hoc R – * uł de hoc: die Lesung ergibt keinen Sinn. Möglich ist eine Verschreibung von velamen »Hülle, Kleidung«. 10 * spiegel: lat. speculum. »als Abbild«. 11 * begy¨n: lat. origo. »hinsichtlich ihres Ursprungs« (FWB III , 614 f.). 12 * tugent: lat. virtus »Kraft« (Dief., 622). 13 * macht: lat. potentia »Vermögen« (Dief., 450). 14 * dem gotez bis geaynet ist: »mit dem Urbild Gottes übereinstimmt«. 15 * lieht der chunst: metaphorisch: »Erkenntnis der Künste«. Pluralbedeutung: »Erkenntnisse«.

Tafel IX: Makrokosmos

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dreyerlay beweist16, [so]17 ein yegleicher phi‹l›o‹s›ophus18 ist naturleich vnd ist redleich19 vnd ist ‹sittleich›20. [3.1] Czw dem ersten so sprich‹t›21 er22 [von der natur]23 dez wesens: Daz selb weist er in die sach [der]24 macht dez vaters. [3.2] Czw dem anderen so spricht er von dem vernemmen der redleichait, daz sich weist in die weishait dez suns. [3.3] Daz dritt beweisset vns die or‹d›nung25 dez lebens, daz vns weiset yn die gute dez heiligen geist. [3.1.1] Daz erst tailt sich yn die chunst, die do haisset methaphisica, mathematica et phisica. Czw dem erst so spricht er von den dingen des [himels]26. Czw dem anderen so spricht er von der czal vnd der figur. Czw dem [dritten]27 von der natur vnd von der tugent vnd von der eyngiessenten machu‹ng›28. Dar vmb so weist er ein daz erst [in dem]29 wegynn dez vaters, daz ander in dem pild dez suns, daz dritt yn der gab dez heligen geist. [3.2.1] Czw dem andern tail‹t›30 ez sich in die chunst gramaticam, die da macht geweltig auffleger31 der chunst, [in die chunst]32, die da haist loyca 16 17 18 19 20

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

* beweist: zu refl. beweisen »sich zeigen« Hennig, 35. so fehlt R. phi‹l›o‹s›ophus] phi)olophus R. * redleich: lat. zurückübersetzt: sermocinalis. Wirth, Von mittelalterlichen Bildern, S. 277. ‹sittleich›] todleich R. – * todleich: Übersetzung aus philosophia mortalis statt philosophia moralis. Ich bessere zu frnhd. sittleich (Dief., 367). Wirth (Von mittelalterlichen Bildern, S. 277) übersetzt todleich wenig überzeugend als »tätlich« (moralis). sprich‹t›] )prich R. * sprich‹t› er: Bezug unklar: Autor des Quellentextes oder der Philosoph? von der natur fehlt R. der fehlt R. or‹d›nung] ornu¯g R. himels fehlt R. dritten fehlt R. machu‹ng›] machum R. – * von der bis machu‹ng›: »von der einfliessenden Inspiration«. Zu intr. giezen »fliessen, strömen« Lexer I, 1011 f. machung »das Machen, Erschaffen« (Lexer I, 2004). in dem fehlt R. tail‹t›] tail R. * auffleger: »Regeln, Vorschriften«. Zu mhd. uˆflegen »anordnen, festsetzen, bestimmen« Lexer II , 1696. in die chunst fehlt R.

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Tafel IX: Makrokosmos

[vnd in die chunst, die da haisset]33 rethorica. Die do stent yn yrm wesen als dye heilig driualtichait. [3.3.1] Czw dem dritten, daz tail‹t›34 er yn die chunst, die do haisset m‹o›n‹a›stica35, yco‹n›o‹m›ica36 vnd politica: czw dem ersten dez vaters stettichait, czw dem andern dez suns dinstlichait, czw dem dritten dez heiligen geist frey¨lichait. [3.4] Alle die chunst habent ir regel gewislich vnd vntrugenlich, ‹r›echt37 als der man vnd daz gestiren38 gien von de‹r›39 ewigen ee yn vnser gemue t40. Darvmb vnser gemue t vnd vnser sin41 sulches l‹ie›chtes42 wirt erfult vnd ein gegossen.43 ‹Wae r›44 ez gar blint, ez45 mag pey im selben46 begreiffen daz ewig liecht et cetera. [4 Gregorius, Augustinus, Plinius] Gregorius in dem czehenten puche Moralium spricht: allez daz do ist, daz man czw dem menschen ayge‹t›47: Daz mensch48 ist der hymel, wan er mit wegerung anhengent de‹n›49 obristen dingen; vnd auch ist er die helle, wenn er mit seyner chorung sic‹h›50 selben betrubt mit den vndristen vinsternus33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

vnd bis haisset fehlt R. tail‹t›] tail R. m‹o›n‹a›stica] mano)tica R. yco‹n›o‹m›ica] ycomonica R. ‹r›echt] Recht R. * ‹r›echt bis gestiren: eventuelle Textlücke. Das Gestirn »Sonne« fehlt. de‹r›] de¯ R. e * gemut: »Geist(esvermögen), Wesen« (Lexer I, 847 f.: »gesammtheit der gedanken und empfindungen, sinn, inneres, herz«). * sin: »Erkenntnisfähigkeit, Verstand« (Lexer II , 926 f.). l‹ie›chtes] leichtes R. – * )ulches leichtes: ich bessere zu sulches liechtes »ein derartiges Licht«. Zum nordbair. ›gestürzten‹ Diphthong ei für ie vgl. Kranzmayer, § 17. Bezug: »Licht der Künste« oder »Licht der Gestirne«. * wirt bis gegossen: ich lese »wird erfüllt« bzw. »wird aufgefüllt«. Ich beziehe jeweils eines der beiden Verben auf gemuet und sin. Alternativ lesbar wäre eine ›parallele‹ Zuordnung: gemuet zu wirt erfult und sin zu ein gegossen. e e ‹War›] nur R; ich bessere zu war (Prät. Konj.). e * ez: bezieht sich auf gemut. * pey im selben: ich lese: »aus sich selbst heraus«, »durch sich [Geist] selbst« (Reflexivpron.). ayge‹t›] aygen R. * Daz mensch: zu mensch als starkem Neutrum Lexer I, 2102 f. de‹n›] dem R. sic‹h›] )icht R.

Tafel IX: Makrokosmos

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sen. Er ist auch dez ertreich, daz do mit gutten werkch, mit guter hoffnung frucht pringet. Er ist da‹z›51 mer, d‹az›52 do in ettlicher sachen pidmet vnd daz wetter mit seiner vnstet iagende ist53. Als Augustinus spricht in dem xv. puche Von der stat, Pl‹in›ius54 der ander, vorgelertist mensch: Ie mer der mensch der werlt lauff vnd leibez natur volgent ist, ye mer daz flei‹s›che55 des menschen genayget ist czw der werlt. [5 Riese und Zwerg] Nostri maiores vita studioque priores Corpore min‹a›nt‹i›s56 formam ten‹u›ere57 gigantis. Per ignem58 vero nos ipsos equi peramur, Si perscrutamur sensu su‹a›59 dogmata vero60. [6 Philosophie und Artes liberales]61 [6.1] Philosophi‹a›62 docet inquirere, quid sit honestum; qu‹i›d63 mare, qu‹i›d64 celum, qu‹i›d65 homo,66 quid terra, quid aer. 51 da‹z›] dar R. 52 d‹az›] der R. 53 * iagende ist: übliche Übersetzung aus agitatur (Dief., 18). Zur Verbindung von sıˆn und Part. Präs. mit durativer Bedeutung PWG , § 329. 54 Pl‹in›ius] Pluuius R. 55 flei‹s›che] fleiche R. 56 min‹a›nt‹i›s] minentes R; die Lesart minentes (minere) ist antik und mittelalterlich so gut wie nicht belegt (Georges II , 821), aber denkbar als Simplex zu eminere, prominere im Sinne von »(empor)ragen«. Besser geht man an der Stelle vom Deponens minari »emporragen« (DML , 1793) aus, hier min‹a›nt‹i›s, was leoninisch reimt mit gigantis (entsprechend Vers 1: maiores – priores). 57 ten‹u›ere] tenere R. – * tenere: muss heissen: tenuere für tenuerunt (3. Pers. Pl. Perf.). Die Form tenuere ist auch metrisch erforderlich. 58 * ignem: hier in der Bedeutung »Einsicht, Sehkraft, Weitsicht« (DML , 1205). 59 su‹a›] suo R. 60 * Per ignem bis dogmata vero: Reime wechseln in Überkreuzstellung: equiperamur – perscrutamur, vero – vero. 61 Textbesserungen nach München, BSB , Clm 3941, fol. 33 r (Mü3) und München, BSB , Clm 2599, fol. 101 v (Mü4). 62 Philosophi‹a›] Philo)ophie R; Philosophia Mü3. 63 qu‹i›d] Quod R; quid Mü3. 64 qu‹i›d] quod R; quid Mü3. 65 qu‹i›d] q’ R; quid Mü3. 66 * qu‹i›d mare bis qu‹i›d homo: ich lese mit Mü3 quid als subst. verwendetes Interrogativpron. im indirekten Fragesatz (Georges II , 2174).

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Tafel IX: Makrokosmos

[In septem]67 partes [sapientia]68 diuidit artes. Quarum virtutes sciere69 parentes. [6.2] Gramatice cura recte loqu‹i›70 ab‹s›que71 figura. Rethorice stud‹i›o72 verba polire scio. Sc‹r›utatrix73 rerum per‹h›ib‹e›t74 dyaletica verum. Invigi‹l›a75 numer‹i›s76, sic arismeter77 eris. Metitur spacia terrarum geometria. Dat modulos scire musica docta lire. Motus astrorum tradit liber astronomorum. Vi‹t›e78 gutta pie p‹re›it79 omni philosophie.

67 In septem] In septem Mü3; fehlt R. 68 sapientia] sapientia Mü3; fehlt R. 69 * sciere: ich lese gegen Wirth, Von mittelalterlichen Bildern, S. 276, Anm. 75 (scire) die alternative Perfektform für scierunt. 70 loqu‹i›] loque R; loqui Mü3. 71 ab‹s›que] abq! R; absque Mü3. 72 stud‹i›o] )tudeo R; studio Mü3. 73 Sc‹r›utatrix] Scutatrix R; Scrutatrix Mü3. 74 per‹h›ib‹e›t] pibit R. 75 Invigi‹l›a] Invigilia R; Invigila Mü3. 76 numer‹i›s] nu¯ ss R; numeris Mü3. 77 * arismeter: orthographische Variante zu arithmeter. Vgl. Latham, 30. 78 Vi‹t›e] vice R. 79 p‹re›it] purit R, preit Mü4.

Tafel IX: Makrokosmos

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Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten [1] Isidors Elementenlehre (daz fleisch bis ist) Quelle: Isidor, Etymologiae (Ed. Lindsay), XI ,1,16

[3–3.3.1] Seele, Dreieinigkeit und die Wissenschaften (Als die sel bis frey¨lichait] Quelle: Bonaventura, De reductione artium ad theologiam (Ed. Kaup), IV

[3] Seele, Dreieinigkeit und die Wissenschaften (naturleich bis ‹sittleich›) Quelle: Isidor, Etymologiae (Ed. Lindsay), II ,24,3 f.

[4] Gregorius, Augustinus, Plinius (allez bis ist) Quelle: Gregor, Moralia in Iob (Ed. Adriaen), X,9,15

[4] Gregorius, Augustinus, Plinius (Ie mer bis werlt) Quelle: Augustinus, De civitate Dei (Ed. Dombart/Kalb), XV ,9; Plinius, Naturalis historia (Ed. Jan/Mayhoff), VII ,XVI ,73

[5] Riese und Zwerg (Nostri bis vero) Quelle: Johannes von Salisbury, Metalogicon (Ed. Hall/Keats-Rohan), III ,4

[6.1–2] Philosophie und Artes liberales (Philosophi‹a› bis astronomorum) Parallelüberl.: Cambridge, TCL , R.3.29, fol. 168r; Lincoln, CL , MS 132 (C 5. 8), fol. 9v; München, BSB , Clm 3941, fol. 33r (Mü3);80 Oxford, Bodl., MS . Canon. 81 Class. Lat. 72, fol. 82r

[6.2] Philosophie und Artes liberales (Gramatic‹a› bis astronomorum) Parallelüberl.: London, WL , MS.49, fol. 47v

82

[6.2] Philosophie und Artes liberales (Vit‹e› bis philosophie) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 2599, fol. 101v (Mü4)

80 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Varianten: sciere parentes] scire necesse putes Mü3 cura] jura Mü3. 81 Vgl. die Edition nach Cambridge, TCL , R.3.29 mit Varianten nach Lincoln, CL , MS 132 (C 5. 8) und Oxford, Bodl., MS . Canon. Class. Lat. 72 bei Hunt, Teaching, S. 89 f. 82 Vgl. die Edition nach London, WL , MS.49 bei Stolz, Artes-liberales-Zyklen, Bd. 2, S. 676 f. (minimal abweichende Variante innerhalb weiterer Artes-Verse).

Tafel X : Tugendbaum und Cherub

2.6

5

2.4 2.2

2.5 2.3 2.1

1.7

6

1.5

1.6

1.3 1.4

1.1

3

1 1.2

4

Tafel X (fol. 5v): Tugendbaum und Cherub

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

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diplomatischer Text [1 Tugendbaum] [siehe gebesserten Text] [2 Cherub] [siehe gebesserten Text] [3 Demut und die sieben Tugenden] e

Diemutichait ist von der inn{er}chait dez aigens gewissen oder dez scheppfers vnd ein czunay¨gung dez willen mue cz vnd dez sein die nachuolger Gelaub hoffnung lieb weisshait sterck mae ssichait gerechtichait [3.1] Gelaub ist ein sach der hellen den sach ein straff nicht cze der [3.2] begerung ist ein gewill harren der czw chunftigen salichait die da chomment ist von der genad [3.3] gotez lieb ist ein chraut da mit allain got mag gebuntten werden da ist sulich suzzichait daz ain hell tropf der lieb in trupff dy grozz piterchait in der hell wurd gesenftigt [3.4] Sterck ist ein lieb dy alle dinkch leichkleich tue t druch den dem si lieb hat vnd halt auf dy¨ widerwertichait vnd die poshait dez scharffen mue tez [3.5] weishait ist ein sach da mit man dy czue c huntigen mit ainer hubschen vestichait [3.6] Mae ssichait ist dy¨ lieb gocz gancz halten vnd ober dy wegir von den dingen dy der posen red- lichait begeren [3.7] Gerechtichait ist ein orden den nucz behalten vnd yedleichen sein wirdichait geben [3.8] Diemutichait ist ein anvankch aller tugent vnd wer sich hocht der wirt genidert vnd wer sich diemutigt der wirt gehocht ‹...›1 gelaub ‹. . .› diemutichait wan der ge ‹...› [4 Auslegung der Tugenden] [4.1] Hie scholt merkchen wie die tugent sind aus czulegen weishait lernt vns weist gerechtichait cziert vnd vercziert sterkch helt vnd sterkcht daz man icht czweifel vnd daz man sich v¨b an guten werkchen Massi chait mast vnd vnder staden gelaub hofnung lieb dy drey´ vnd dy¨ voderen iiij tugent der genad da mit der furgab boshait wirt er wegt vnd der posz gaist wirt vberwunden Vnd mag auff dem weg der gerechtichait vnd der vrsprunkch aller tugent wirt czw fliessen wan diemutichait ist ein anvankch der tugent Als gregorius spricht wer groz wirt gehabt der ist chlain vncz an dy´ marter 1 gehocht: Text beschnitten, schätzungsweise zwei Zeilen nicht mehr lesbar.

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

Daz wort lait vns czw dem ew{i}gen leben get czw mir all dy mein begeren wan wer mich vindt der vindt daz leben vnd enpfach daz hail von got [4.2] Du scholt auch wissen daz ettlich sund sind dy den vorgankch haben ettlich den nachgankch die den vorgankch habent daz sein die versmachen verlazzenhait vngenae m vngehorsam dy dar nach gent daz sind die gedankch senftichait wegern lieb widerwartichait mithelen. [5 Nächstenliebe] 2

Ein beczaichen der natur der mensch sich mit seinem geleichen Si sullen sich auf geleich lieb haben wan si sind aines leichnams gelider christi wann si werdent geistleich erquicket mit einem geist vnd verainigt wann si habent ain ent vnd nemment ain tauf vnd habent ainen vater daz ist got [5.1] Die grozzichait ist ain erbergew charkeit gut [5.2] Die mittelung ist ein recht czimleickeit des mue tz vnd ein vnczerbrechenew zenay¨= gung [5.3] Mitleiden ist ein sach damit der sinercz dez mitleidens wirt aus gelegt vnd pringt etleich laid in der sel [5.4] Pleiben ist ein sach da mit die mazzigen in chainer vnstatickait die hol irz bloden vbertrift [5.5] der frid ist ein sach der mitheler geschikt in die gue t der freunt vnd wollest [5.6] frey= kait ist ein sach da mit der frey Mue t in der miltichait der wesiczung mit chainerlay twingt [5.7] Miltichait ist ein suzzichait dez milten mucz vnd ist allen wegerenden ein genewe helfferin [5.8] der ablaz ist ein ab laczung der frenden schuld die chumbt von seiner gewissen et cetera

2 Ein: zweizeilige Initiale etwas abgerieben, fleckig, links leicht beschnitten.

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

[6 Gottesliebe] [6.1] Die erst veder der ersten vettachen ist war hait in der peicht an mittel Die warhait ist ein sach da mit man go etwaz vnpilleichez fur= bringt mit einer warharsten red peicht ist ein sach da mit die siech sel der genad nachvolgt vnd wirt genummen in gotes lob Ader peicht ist ein heilich ait der tod mit dem peichtiger [6.2] Die ander vettach ist pue zz die ist ein volgung der vnvberwunden rew als gregorius spricht puzz ist dy sach der sund nicht der fullen [6.3] Die drit vettach ist rainichait dez leibez daz ist cze halten paidenhalb an dem leib vnd an der vorcht gotez [6.4] Die vierd vettach ist lautterhait dez mucz daz ist anderz nicht wan ein lautterew gewissen vnd dez men schen massichait / [6.5] Die v vettach ist gocz lieb ez ist auch got lieben cze haben mit ainem ganczen herczen daz ist mit der vernuft an czweifel mit ganczer sel daz ist mit willen an widerwartichait mit ganczem mue t daz ist mit gedachnücz an vergessenhait / [6.6] Die vj vettach ist dez nachsten wenn die chraft oder daz recht der natur erchennet

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

gebesserter Text3 [1 Tugendbaum]4 D i e m ue t i c h a i t [1.1] G e l a u b e r v e r d i c h a i t5 rainichait g o t h a i t6 keusch t ae n i c h a i t begerung h a l t u n g7 [1.2] H o f n u n g Freud b e l e i b e n8 peicht gedult M a s s i c h a i t9 mit freuen mit leiden [1.3] l i e b frid, freihait gutichait m i t h e l u n g10 mit leiden 3 Die lateinischen Begriffe wurden anhand von München, BSB , Clm 8201 (M) und Dief. erschlossen (gilt auch für die Laster auf Tafel XI ). 4 Texte des Tugendbaums gebessert nach den deutschen Entsprechungen der lateinischen Quellen Spe und Lib und der Parallelüberlieferung M. 5 * erverdichait: zu bair. e(r)wirdekeit BWB II , 993. Übersetzung aus reverencia »Achtung, Ehrfurcht, Ehrerbietung, Verehrung« (DLF , 723). 6 * gothait: lat. religio »Frömmigkeit, Andacht« (DLF , 709). 7 * haltung: im Kontext des Gelaub am besten mit continencia »Mässigung, Enthaltsamkeit« zu übersetzen (DLF , 215). 8 * beleiben: im Kontext der Hofnung am besten mit »Langmut, Geduld« (longanimitas) wiederzugeben. 9 * Massichait: lat. modestia »Bescheidenheit«. 10 * mithelung: lat. concordia »Vermittlung, Zustimmung, Eintracht«.

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

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p e l e i b u n g11 ablaz, miltichait [1.4] We i s h a i t c h u n d i c h a i t12 rat v b u n g13 g e d ae c h n ue z f u r s i c h t i c h a i t14 straff s t a n t n u z15 [1.5] S t e r k c h (sic!)16 worhait s t r a f f17 vnschuld w e h a ‹ l › t u n g18 recht gesworen gericht w o r h a i t19 geleich [1.6] m ae s s i c h a i t k e s t i g u n g20 d e z l e i b e z ordinung vaste be schaidikait Massichait 11 12 13 14 15 16 17 18

* peleibung: lat. mansuetudo »Milde, Umgänglichkeit, Güte« (DLF , 514). * chundichait: lat. sagacitas »genaue Kenntnis« (DLF , 733). * vbung: lat. diligencia »Genauigkeit, Sorgfalt, Eifer« (DLF , 273). * fursichtichait: lat. providencia »Vorsorge, Voraussicht« (DLF , 680). * stantnuz (verstantnuz): lat. intelligencia »Erkenntnisvermögen, Einsicht«. * Sterkch: mit dem Oberbegriff Gerechtichait vertauscht. * straff: falsch zugeordnet. Gehört zur ›Gerechtichait‹. weha‹l›tung] wehattu¯g R. – * weha‹l›tung: lat. memoria »Erinnerung, Gedächtnis«. 19 * worhait: die Tugend erscheint bereits einmal unter 1.5 in der Bedeutung von veritas. Sie könnte hier anstelle von intelligencia »Unterscheidungsvermögen, Einsicht, Verstand« (DLF , 461) stehen. Zu mhd. a > bair. o Weinhold, § 22. 20 * kestigung: lat. carnis afflictus »Kasteiung«.

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

m i l t i c h a i t21 stillung [1.7] G e r e c h t i c h a i t (sic!)22 v e ‹ r › s a g u n g23 p l e i b u n g24 g r o s i c h a i t25 t r a u r u n g26 (sic!) s t ae t i c h a i t r e w27 h a l d u n g28 [2 Cherub] [2.1] D i e j . v e t t a c h i s t p e i c h t [2.1.1] D a z d i e w o r h a i t i c h t s e y v e r s m a c h t [2.1.2] D i e e i n i g u n g , d a z s i i c h t s e y g e t a i l t [2.1.3] d a z d i e v e s t i c h a i t i c h ‹ t ›29 g e f a u l t s e y [2.1.4] d a z d y ‹ l › a u t t e r c h a i t30 [icht]31 h o c h ‹ m › u t i g32 [sey]33 [2.1.5] d a z d y e i n u a l t i c h t v e r p o r g e n s e y

21 * miltichait: lat. benivolencia »Wohlwollen« (DLF , 114). 22 Überschriften Gerechtichait und Sterkch vertauscht. 23 ve‹r›sagung] ve)agu¯g R. – * Zu versagen »entsagen, verzichten« Lexer III , 209 f. 24 * pleibung: lat. perseverancia »Standhaftigkeit, Beharrlichkeit im Guten« (DLF , 616). 25 * grosichait: lat. magnificiencia »Grösse, Ehrbezeigung, Grosstat« (DLF , 508). 26 * traurung: wohl Verschreibung, im Kontext der Tugenden sinnlos. Zu bair. trauen BWB I , 635. Übersetzung aus confidencia »Zuversicht, (Selbst)vertrauen« (LLMA , 228). 27 * rew: lat. compunctio. – * Falsch zugeordnet, gehört zur Tugend ›Hoffnung‹. In Frage kommt hier auch eine Verwechslung mit ruowe (requies). 28 * haldung: lat. constancia »Beständigkeit, Vertrauen, Gnadensgewissheit« (DLF, 208) oder observancia »Achtung, Frömmigkeit, Einhaltung der religiösen Gebote« (DLF , 567). 29 ich‹t›] ich R. 30 ‹l›autterchait] rautt schait R. 31 icht fehlt R. 32 hoch‹m›utig] hochutig R. 33 sey fehlt R. – * ‹l›autterchait bis sey: gebessert nach Alanus ab Insulis (De sex alis Cherubim, PL 210,274): humilitas, quae typum superbiae excludit.

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

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[2.2] D i e i j . v e t t a c h i s t p ue z z [2.2.1] b i d e r s a g d e r s u n d [2.2.2] w e g e r d e z f l e i z z34 [2.2.3] v e r g i z d e i n z c z o r n s35 [2.2.4] g i b d a z o l m o s e n [2.2.5] d i e m u t i c h a i t36 [2.3] D i e d r i t v e t t a c h i s t r a i n i c h a i t d e z f l e i s c h e z [2.3.1] s c h o n d e z k r a n c h k e s37 [2.3.2] k e u s c h k a i t d e z g e h o r n s [2.3.3] M e ‹ s › s ‹ i › c h a i t38 d e z g e r u c h e z [2.3.4] c z e i t t l e i c h a i t39 d e z s m a c h s [2.3.5] s a l i c h a i t d e r k i r c h e n40 [2.4] D i e v i e r d v e t t a c h i s t [rainichait]41 d e z g e m u c z [2.4.1] h e i l i c h a i t d e z w i l l e n s [2.4.2] R a i n e g e d a c h n u z z [2.4.3] i n g o t m i l t i c h a i t d e z m u t e z42 [2.4.4] g u t v o r s a g d e n a r m e n43 [2.4.5] G e r e c h t i c h a i t44 [2.5] D i e v . v e t t a c h i s t g o c z l i e b (sic!)45 [2.5.1] C h a i n s d i n g s s c h a l l e n46 34 * weger dez fleizz: Alanus ab Insulis (De sex alis Cherubim, PL 210,276) bietet lacrimarum effusio (fluzz der zaher). 35 * vergiz deinz czorns: Alanus ab Insulis (PL 210,276) bietet carnis maceracio (kestigung des leibez). 36 * diemutichait: Alanus ab Insulis (PL 210,276) bietet oracionis devocio »Gebetseifer, Gebetsandacht« (DLF , 266). 37 * schon dez kranchkes: Alanus ab Insulis (PL 210,276) bietet visus pudicia (scham dez gesehens). 38 Me‹s›s‹i›chait] Men)chait R. 39 * czeittleichait: lat. moralitas statt temperancia »Mässigung« (Dief., 367). 40 * salichait der kirchen: Alanus ab Insulis (PL 210,277) bietet tactus sanctimonia. 41 rainichait fehlt R; ergänzt gemäss Alanus. 42 * in got bis mutez: Alanus ab Insulis (PL 210,278) bietet mentis in Domino delectatio. 43 * gut bis armen: Alanus ab Insulis (PL 210,278) bietet simplex et pura intentio. 44 * heilichait bis Gerechtichait: gestörte Reihenfolge: 4–3–2–5 (!)–1. – * Gerechtichait: lat. affectus sinceri rectitudo. 45 * Die v. vettach: Überschriften 2.5 und 2.6 versehentlich vertauscht. 46 * Chains bis schallen: Alanus ab Insulis (PL 210,279) bietet nulli nocere verbo

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

[2.5.2] [2.5.3] [2.5.4] [2.5.5]

a l l e n m i t g u t e n w o r t e n [vnd werkchen nuczen]47 v m b g ue t n i t t r a u r e n mitleidig sein den frid lieb haben

[2.6] D i e v ‹ j › .48 v e t t a c h i s t l i e b d e i n e z n a c h s t e n (sic!)49 [2.6.1] g o t e z b e g e r e n [2.6.2] g e r i c h t d ‹ u r › c h50 g o t w e h a l t51 [2.6.3] D u r c h g o ‹ t ›52 s c h o l m a n g e b e n [2.6.4] s e i n s e l b e z v e r l a u g n e n [2.6.5] a n d e r s t a t c z w b e l e i b e n s t ae t53 [3 Demut und die sieben Tugenden] e

Diemutichait ist von der innerchait dez aigens gewissen oder dez scheppfers vnd ein czunay¨gung dez willen mue cz54, vnd dez sein die nachuolger: Gelaub, hoffnung, lieb, weisshait, sterck, mae ssichait, gerechtichait. [3.1] Gelaub ist ein sach der hellenden55 sach (ein straff nicht cze der). [3.2] Begerung (sic!)56 ist ein gewill57 harren der czw chunftigen salichait, die da chomment ist von der genad. [3.3] Gotez lieb ist ein ‹bant›58, da mit allain

47 48 49 50 51 52 53 54

55 56 57 58

vel opere. – * schallen: »herumplaudern, ausplaudern, lärmen« (BWB II , 394 f.). vnd werkchen nuczen fehlt R. v‹j›.] · v · R. Überschriften 2.5 und 2.6 versehentlich vertauscht. d‹ur›ch] druch R. * gericht bis wehalt: Alanus ab Insulis (PL 210,280) bietet sua distribuere. go‹t›] go R. e * an der bis stat: Alanus ab Insulis (PL 210,280) bietet in his perseverare »in diesen Dingen ausharren«. e * ein bis mucz: die Parallelüberlieferung bietet geschlossen voluntaria inclinatio e mentis. Der Schreiber bezieht willen auf mucz, nicht mehr auf czunay¨gung, hat also voluntarie übersetzt. Lesung 1: »die Neigung des willigen Geistes«, Lesung 2 mit Umstellung in Anlehnung an die Übersetzung des ›Speculum e virginum‹ von Jutta Seyfarth: ein willen czunay¨gung dez mucz: »die freiwillige Verneigung des Herzens« (Speculum virginum [Ed. Seyfarth, Fontes Christiani 30/2], S. 301). * hellenden: zu mhd. helnde »verborgen«. * Begerung: die nachfolgende, den Sentenzen des Petrus Lombardus entnommene Definition gilt der ›Hoffnung‹. * gewill: hier wohl identisch mit gewillec »willig, freiwillig, absichtlich« (Lexer I, 991). bant] chraut R; gebessert nach M. Übersetzung aus vinculum.

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got mag gebuntten werden; da ist sulich suzzichait, daz ain (hell)59 tropf der lieb in trupff, dy grozz piterchait in der hell wurd gesenftigt. [3.4] Sterck ist ein lieb, dy alle dinkch leichkleich tue t d‹ur›ch60 den, dem si lieb hat, vnd halt auf dy¨ widerwertichait vnd die poshait dez scharffen mue tez. [3.5] Weishait ist ein sach, da mit man dy czue c‹k›un‹f›tigen61 [Ereignisse]62 mit ainer hubschen vestichait [erschliesst]63. [3.6] Mae ssichait ist dy¨ lieb gocz, [sich]64 gancz [cze]65 halten vnd ober‹en›66 dy wegir von den dingen, dy der posen redlichait begeren. [3.7] Gerechtichait ist ein orden, den nucz [cze]67 behalten vnd yedleichen sein wirdichait [cze]68 geben. [3.8] Diemutichait ist ein anvankch aller tugent, vnd wer sich hocht, der wirt genidert, vnd wer sich diemutigt, der wirt gehocht ‹. . .›. [4 Auslegung der Tugenden] [4.1] Hie scholt merkchen, wie die tugent sind aus czulegen: Weishait lernt vn‹d›69 weist, gerechtichait cziert vnd vercz‹e›rt70, sterkch helt vnd sterkcht, daz man icht czweifel vnd daz man sich v¨b an guten werkchen. Massichait mast vnd vnder s‹chait›71. Gelaub, hofnung, lieb: dy drey´ vnd dy¨ voderen iiij tugent [zählst du zusammen. Diese Siebenzahl der Tugenden führt für ihre Vollstrecker den Reichtum der siebenfachen Gnade herbei]72, der genad damit der furgab boshait73 wirt erwegt74 vnd der posz gaist wirt vberwun59 * hell: vermutlich Vorwegnahme des hell in der folgenden Zeile. M schreibt an dieser Stelle vna gutta. 60 d‹ur›ch] druch R. e e 61 czuc‹k›un‹f›tigen] czuchuntigen R. 62 Ereignisse fehlt R; gebessert nach M. Übersetzung aus euentus. 63 erschliesst fehlt R; gebessert nach M. Sinngemässe Übersetzung aus colligitur. 64 sich fehlt R. 65 cze fehlt R. 66 ober‹en›] ober R. Ich übersetze hier oberen »siegen über« (Lexer II , 134) transitiv (»besiegen«). 67 cze fehlt R. 68 cze fehlt R. 69 vn‹d›] vns R. 70 vercz‹e›rt] v sc!iert R; gebessert nach der Übersetzung aus lat. consumere »ausführen, zum Ziel führen«. 71 vnder s‹chait›] vnd s staden R. 72 zählst bis herbei fehlt R. 73 * furgab boshait: Überlieferung bietet corpus diaboli. 74 * erwegen: wörtlich: »emporheben, bewegen« (Lexer I, 697). Hier: »aufheben, auflösen«.

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

den. Vnd [der mensch]75 mag auff dem weg der gerechtichait [gen]76 vnd der vrsprunkch aller tugent wirt [im]77 czw fliessen78. Wan diemutichait ist ein anvankch der tugent, als Gregorius spricht: Wer groz wirt gehabt79, der ist chlain vncz an dy´ marter. Daz wort lait vns czw dem ewigen leben: Get czw mir all, dy mein begeren, wan, wer mich vindt, der vindt daz leben vnd enpfach daz hail von got. [4.2] Du scholt auch wissen, daz ettlich sund sind, dy den vorgankch haben, ettlich den nachgankch. Die den vorgankch habent, daz sein die: versmachen, verlazzenhait, vngenae m, vngehorsam. Dy dar nach80 gent, daz sind die: gedankch, senftichait, wegern, lieb81 (sic!), widerwartichait, mithelen82. [5 Nächstenliebe] †Ein beczaichen der natur [ist]83 der mensch: [Er gesellt]84 sich mit seinem geleichen.†85 Si sullen sich auf geleich lieb haben, wan si sind aines leichnams, gelider christi, wann si werdent geistleich erquicket mit einem geist vnd verainigt, wann si habent ain ent vnd nemment ain tauf vnd habent ainen vater, daz ist got. [5.1] Die grozzichait86 ist ain erber‹iu›87 charkeit gut88. [5.2] Die mittelung89 ist ein recht czimleickeit90 des mue tz vnd 75 der mensch fehlt R. 76 gen fehlt R. – * der mensch bis gen: Subjekt und Prädikat aus dem Kontext ergänzt. Die lateinische Parallelhandschrift M zeigt eine Passivkonstruktion: per semitam iusticie graditur et virtutum omnium additur origo. 77 im fehlt R. 78 * wirt czw fliessen: Übersetzung aus dem Passiv aditur. 79 * Wer bis gehabt: lat. qui magnus est. 80 * dar nach: die folgende Aufzählung beschreibt Ursachen der Sünde, nicht deren Wirkungen. 81 * lieb: missglückte Übersetzung von delectacio »luste, lustberkeit, lustigung, lust« (Dief., 171). 82 * mithelen: lat. consensus »Einwilligung (in die Sünde)« (DLF , 203 f.). 83 ist fehlt R. 84 Er gesellt fehlt R. 85 * Ein beczaichen bis geleichen: gebessert übersetze ich: »Der Mensch ist ein Sinnbild der Natur: Er gesellt sich zu Seinesgleichen.« 86 * grozzichait: lat. magnificencia »grossheit, grosswurcklichkeit, grosse dat, e woldat« (Dief., 343). 87 erber‹iu›] erbergew R. 88 * Die grozzichait bis gut: »Grosszügigkeit ist eine ehrbare gute Sparsamkeit«. grozzichait wäre dann im Sinn einer ›Sparsamkeit voraussetzenden Grosszügigkeit, Wohltat‹ zu verstehen. 89 * mittelung: lat. concordia »Eintracht«. 90 * czimleickeit: lat. convenientia »Einigkeit, Eintracht« (DLF , 218).

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

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ein vnczerbrechenew zenay¨gung. [5.3] Mitleiden ist ein sach, damit der s‹m›ercz91 dez mitleidens wirt aus gelegt vnd pringt etleich laid in der sel. [5.4] Pleiben ist ein sach, da mit die [staetichait dez]92 mazzigen [muecz]93 in chainer vnstatickait die hol irz bloden vbertrift94. [5.5] Der frid ist ein sach der mitheler, geschikt in die gue t ‹des mue cz›95. [5.6] Freykait ist ein sach, da mit der frey mue t in der miltichait der wesiczung mit chainerlay [karghait]96 ‹getwungen wirt›97. [5.7] Miltichait ist ein suzzichait dez milten mucz vnd ist allen wegerenden ein genewe helfferin. [5.8] Der ablaz ist ein ablaczung der fre‹m›den98 schuld, die chumbt von seiner gewissen99 et cetera. [6 Gottesliebe] [6.1] Die erst veder der ersten vettachen ist warhait in der peicht an mittel. Die warhait ist ein sach, da mit man go‹t›100 etwaz vnpilleichez furbringt mit einer warh‹af›ten101 red. Peicht ist ein sach, da mit die siech sel der genad nachvolgt vnd wirt genummen in gotes l‹ie›b102. Ader: Peicht ist ein heilich ait d‹ez› tod‹es›103 mit dem peichtiger. [6.2] Die ander vettach ist pue zz. Die ist ein volgung der vnvberwunden rew, als Gregorius spricht: Puzz ist dy sach der sund †nicht der fullen104†. [6.3] Die drit vettach ist rainichait dez 91 92 93 94

95 96 97 98 99 100 101 102 103 104

s‹m›ercz] sinercz R. e statichait dez fehlt R. e mucz fehlt R. * die hol irz bloden vbertrift: ploden könnte hier als Neutrum für stf. bloede »Gebrechlichkeit, Schwäche, Zagheit« (Lexer I , 312) stehen: »die Höhle ihrer Zurückhaltung verlässt«. Eine solche Lesart kommt der Besserung auf der Grundlage der Überlieferung nahe: lat. limitem suae quietis excedit »den Raum ihrer Stille verlässt«. Die vollständige Definition in R lautet übersetzt: »Sanftmut ermöglicht es, dass die Beständigkeit einer vom Mass bestimmten Wesensart nicht in einem Akt der Unbeständigkeit ihre Zurückhaltung verliert.« e e ‹des mucz›] der freunt vn¯ wollest R. – * gut der freunt: lat. in bono amicorum statt in bono animorum. karghait fehlt R. ‹getwungen wirt›] twingt R. fre‹m›den] frenden R. * von seiner gewissen: fem. Vgl. BWB II , 1035 f. go‹t›] go R. warh‹af›ten] warhar)tn¯ R. l‹ie›b] lob R. – * lob macht im Kontext keinen Sinn. Es ist allenfalls mit einer Verschreibung für lieb zu rechnen. d‹ez› tod‹es›] der tod R. * der fullen: ervüllen (Lexer I, 694): »ausführen, erfüllen«.

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

leibez. Daz ist cze halten paidenhalb, an dem leib vnd an der vorcht gotez. [6.4] Die vierd vettach ist lautterhait dez mucz. Daz ist anderz nicht, wan ein lautterew gewissen vnd dez menschen massichait. [6.5] Die v. vettach105 ist gocz lieb, ez ist auch got ‹lieb›106 cze haben mit ainem ganczen herczen, daz ist mit der vernuft an czweifel; mit ganczer sel, daz ist mit willen an widerwartichait; mit ganczem mue t, daz ist mit gedachnücz an vergessenhait. [6.6] Die vj. vettach ist [lieb]107 dez nachsten, [daz ist]108, wenn die chraft oder daz recht der natur erchennet [wirt]109.

105 106 107 108 109

* Fittiche 5 und 6 sind wie die Überschriften 2.5 und 2.6 vertauscht. ‹lieb›] lieben R. lieb fehlt R. daz ist fehlt R. wirt fehlt R. – * das ist bis wirt aus dem Kontext ergänzt.

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

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Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten [1.1–1.4] Tugendbaum (Diemuetichait bis chundichait) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96v (M)

[2.1–2.6.5] Cherub (Die j. vettach bis staet) Quelle: Alanus ab Insulis, De sex alis Cherubim, PL 210,269–280

[3] Demut und die sieben Tugenden (Diemuetichait bis muecz) Quelle: Speculum virginum (Ed. Seyfarth, CCCM 5), IV ,91 (Spe); Liber de fructibus carnis et spiritus, PL 176,1002 (Lib) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96v (M)110

[3–3.8] Demut und die sieben Tugenden (vnd dez bis gehocht) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96v (M)111

[3.1] Demut und die sieben Tugenden (Gelaub bis sach) Quelle: Liber de fructibus carnis et spiritus, PL 176,1004

[3.2] Demut und die sieben Tugenden (Begerung bis genad) Quelle: Petrus Lombardus, Sententiae in IV libris distinctae (Ed. Brady), III , dist. 26,1

[3.8] Demut und die sieben Tugenden (wer sich bis gehocht) Quelle: Lc 14,11 110 Variante Spe, Lib, M: Humilitas est ex intuitu propriae conditionis vel conditoris voluntaria inclinatio mentis. 111 Variante M: Cuius hij sunt comitatus: fides, spes et caritas; prudencia, fortitudo, temperancia, iusticia. Est autem spes, ut in libro Sentenciarum diffinitur, certa expectacio future beatitudinis veniens ex dei gracia et ex precedentibus meritis. Fides est substancia rerum sperandarum argumentum nondum apparentium. Caritas est vinculum dileccionis, quo solo vinculo ligari potest deus, cuius tanta est dulcedo, quod, si una gutta caritatis deflueret in infernum, tota inferni dulce dulcesceret amaritudo. Fortitudo est amor omnia facile tolerans propter id, quod amatur, nil turpia metuens, aspera et aduersa fortiter sustinens. Prudencia est, per quam subtili sagacitate futurorum euentus colligitur. Temperancia est amor domini se integrum incorruptumque conseruans, cohercens appetitum in hijs rebus, que contra racionem turpiter appetuntur. Iusticia est habitus communi vtilitate servata cuique tribuens suam dignitatem. Humilitas vero omnium virtutum principium est, quia omnis qui se exaltat humiliabitur et cetera. – Ergänzung M: Humilitati fides succedit, quia sine fide inpossibile est placere deo. Sed quid fide proficis, si spem non queris? Fide non completa, quod nondum videmus speramus, quia spes non confundit. Spei autem caritatis succedit et sic fide, que nisi per dileccionem operetur, digne procedit.

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Tafel X: Tugendbaum und Cherub

[4.1] Auslegung der Tugenden (Hie scholt bis czw fliessen) Quellen: Speculum virginum (Ed. Seyfarth, CCCM 5), IV ,87 f. (Spe); Liber de fructibus carnis et spiritus, PL 176,998 (Lib) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96v (M)112

[4.1] Auslegung der Tugenden (auff bis gerechtichait) Quelle: Ps 22,3

[4.1] Auslegung der Tugenden (Wer groz bis marter) Quelle: Gregor, Moralia in Iob (Ed. Adriaen), XXXIV ,23,54

[4.1] Auslegung der Tugenden (Get czw bis begeren) Quelle: Sir 24,26

[4.1] Auslegung der Tugenden (wer mich bis got) Quelle: Prv 8,35113

[4.2] Auslegung der Tugenden (Du scholt bis mithelen) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96v (M)114

[5] Nächstenliebe (Si sullen bis got) Quelle: Vgl. I Cor 12,12; Rm 12,5

112 Variante M: Taliter iste virtutes distingwende sunt: Prudencia docet et format, iusticia ornat et consumat, fortitudo retinet et roborat, et ne errent inhibet sed ut competenter inter suos terminos coherceantur, temperancia moderatur et discernit. Sic ergo has quatuor virtutes, addas precedentibus triniis et fiet numerus septenis. Septenarius iste numerus plenitudinem septiformis gracie suis executoribus adducit, per quam viciorum propago dissoluitur et corpus dyaboli superatur, per semitam iusticie graditur et virtutum omnium additur origo. 113 Ergänzung M: De progressu peccati sciendum est, quod peccatum nisi iaciatur in cogitacione, procedit et crescit in delectacione, perficitur in consensu. 114 Variante M: Felix ergo humilitas harum virtutum principium propter quam solam, ut testatur Gregorius, edocendam: Is qui estimacione est magnus, factus est usque ad passionem parvus. Hec invitat nos dicens: Transite ad me omnis, qui concupiscitis me et cetera. Quia qui me invenerit, inveniet vitam et hauriet salutem a domino. De progressu peccati sciendum est, quod peccatum, nisi iaciatur in cogitacione, procedit et crescit in delectacione, perficitur in consensu. Circa processum peccati sciendum est, quod antecedit peccatum, quod sequitur. Antecedencia sunt contemptus, obmissio, ingratitudo, inobedencia, prevaricacio. Sunt et alia antecedencia peccatum: cogitacio, libido, concupisciencia, delectacio, peruersa monicio et consensus. Sunt et alia, que secuntur peccatum sicut est macula, id est deformitas ymaginis dei, et roatus, id est obligacio ad penam eternam.

Tafel X: Tugendbaum und Cherub

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[5.2–5.8] Nächstenliebe (Die mittelung bis gewissen et cetera) Quellen: Speculum virginum (Ed. Seyfarth, CCCM 5), IV ,91 (Spe); Liber de fructibus carnis et spiritus, PL 176,1004 f. (Lib)

[6.1–6.6] Gottesliebe (Die erst veder bis nachsten) Quelle: Alanus ab Insulis, De sex alis Cherubim, PL 210,269–280

[6.5] Gottesliebe (ist auch bis widerwartichait) Quelle: Dt 6,5; Mt 22,37

Tafel XI : Lasterbaum und Babylon

1.4.5 1.4.6

1.4.3 1.4.4

1.4.1

1.4.7

1.4.2

2 1.3 3

1.2

1.1

Tafel XI (fol. 6r [7v]): Lasterbaum und Babylon

Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

181

diplomatischer Text [1 Lasterbaum und Babylon] [siehe gebesserten Text] [2 Offenbarung des Johannes] Daz sanctus iohanes sach daz tier yn der getaugen als er bewae rt yn den selben pue ch der taugen ich sach von dem mer auff sehen ein tier daz hett siben haubt vnd czehen horen auff yedem horen ein chron vnd auch yedez haupt het ein namen der laster et cetera [3 Die sieben Laster] Dv scholt wissen die vnterschaiden der siben tod sund [3.1] hochfart ist ein boser vbermue t der den armen versmacht vnd seinen oberen vnd seinen geleichen gert cze herschen et cetera.1 [3.2] GEitichait ist ein vnderfullung einez yeglichen dingez vnd ein vnuersamew begerung [3.3] Vnkeusch chumbt von der wegerung vnd von der nachuolgung dez posen mutez et cetera [3.4] Daz ist ein sinle die den milt encziklichen pringt yn den smerczen von der vnwindigen er [3.5] Frassichait ist ein sach dez vn dy er2 begert massigen lebens vnd der scharffen wegerung dez ezzens [3.6] Czorn ist ein vnseglich betrupnuz dez mue tez vnd ist von dem smerczen dez ynneren mucz et cetera [3.7] Trachait chumbt von der irrsalung dez mutez vnd faulchait an hindernuzz vnmassigew pitterchait die von der geistlichen freud verlischt vnd der müt sich selb an yn verchert et cetera3

1 * nach et cetera Zeile mit roter Wellenlinie gefüllt. 2 * vn dy er: schwer leserlich. 3 * Frassichait bis et cetera: Text leicht abgerieben.

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Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

gebesserter Text4 [1 Lasterbaum und Babylon] [1.1 Wurzel] Babilonia [1.2 Häupter]5 vnkeusch Geitichait czoren hazz [1.3 Hörner] raupp raupp Symoney kirchpruchel vntrew vppigew er6 raupp raupp dy posz czung b ue c h e r F r a s s i c h a i t (sic!)7 D a z l a s t e r (sic!)8

4 Texte gebessert nach den deutschen Entsprechungen der lateinischen Quellen Speculum virginum (Ed. Seyfarth, CCCM 5), IV ,294–300 (Spe), und Liber de fructibus carnis et spiritus, PL 176,999–1002 (Lib), sowie der Parallelüberlieferung München, BSB , Clm 8201, fol. 96 r (M), und Oxford, Bodl., MS . Laud. Misc. 544, fol. 8 r–16 r (O1). 5 * vnkeusch bis hazz: drei Hauptlaster fehlen (trachait) oder sind den Hörnern zugeordnet (vppigew er, Frassichait). 6 * vppigew er: lat. inanis gloria. Fälschlicherweise den Hörnern statt den Häuptern zugeordnet. 7 * Frassichait: fälschlicherweise den Hörnern statt den Häuptern zugeordnet. 8 * Daz laster: Füllbeschriftung.

Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

183

[1.4 Lasterbaum] [1.4.1] c z o r e n9 c z o r e n10 b e r e d n ue z z raupp Mord F r ae f f e l l schelt wort schreien chrieg vnwirdichait [1.4.2] h a z z11 (sic!)12 p o s h a i t13 n e i d14 (sic!) v e r r ae t n ue z z15 pitterchait v e r s p o t t u n g16 vnmi{t}leidung schallen yn laid [1.4.3] Tr a c h a i t grozz vorcht faulchait ablassen schrikchen r a u b d e r s y ‹ n n ›17 traurichait * czoren: lat. ira »zorn, zornigheit« (Dief., 309). * czoren: lat. furor »Raserei, Wut, Zorn« (DLF , 369 f.). * Hazz: lat. invidia »Feindseligkeit, Hass« (DLF , 471). * Hier würde man »Neid« erwarten. * poshait: lat. malicia »Bosheit« (DLF , 510). * neid: lat. odium »Hass, Abneigung« (DLF , 573). e e * verratnuzz: lat. susurracio »Geflüster, Verleumdung, üble Nachrede« (DLF , 804). 16 * verspottung: lat. detraccio »Verleumdung, Tadel« (DLF , 265). 17 sy‹nn›] )ym R. – * raub der sy‹nn›: M bietet den vagen Begriff raptus. Inhaltlich anders akzentuiert ist die Variante mentis uagacio (»dez herzen wildickeit, behendekeit«, Dief., 604) in London, BL , MS Arundel 83 II , fol. 128 v.

9 10 11 12 13 14 15

184

Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

v e r s a w ‹ m › n ue z z18 chlagung s o r ‹ g › l e i c h19 vnpilleichait chlaffen t r a c h a i t20 verdrossenheit dez lebens entschulden freihait hinfliechung v n g e w i s s e n21 v n s t ae t i c h a i t [1.4.4] g e i t i c h a i t b e t r ue g n ue z z verswerung F r a f f e l22 w ue c h e r v n g u n s t i g23 vntrew c h a u f f u n g24 Raupp [1.4.5] Vn k e w s c h tanczen lazzhait wollust n e w f u n d25 (sic!) e

e

e

18 versaw‹m›nuzz] ver)awnu!! R. – * versaw‹m›nuzz: lat. tarditas »Langsamkeit, Trägheit« (DLF , 808). 19 sor‹g›leich] )orleich R. – * sor‹g›leich: Adj. lat. pusillanimitas »Kleinmut, Schwäche« (DLF , 686). 20 * trachait: lat. tepiditas »Lauheit« (DLF , 812) oder sompnolencia »Schläfrigkeit« (DML , 766). 21 * vngewissen: lat. ignorantia »vnwissenheit« (Dief., 285). In M unter inanis gloria eingereiht. 22 * Fraffel: M bietet violencia. 23 * vngunstig: Adj. zu bair. vngunst »Unwille, Missbilligung«. Vgl. BWB I, 925. 24 * chauffung: »Simonie«. Vgl. Dief., 534 f. 25 * new fund: lat. novitatum presumptio (M) »Vorurteil, vorgefasste Meinung durch Neuerungssucht, Ketzerei«. Vgl. DLF , 559 und 656 f.

Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

185

s e n f t i g u n g26 vnkeusch leben s m a c h u n g27 [1.4.6] f r a s s i c h a i t dez leibez wegerung vergessenhait r e i c h t u n g28 (sic!) v n s t ae t i c h a i t (sic!) trunkchenhait s t u m p f h a i t d e z g e m ue c z F ue l F ue l [1.4.7] H o c h f a r a t29 w e g e r u n g d e z m a i s t e z30 vnbirdichait schalkchait h o c h e r m ue t vorklaffen g e l e i c h s u n g31 c h l ae f f i g vngehorsam v n g e r e u i g32 [2 Offenbarung des Johannes] Daz sanctus iohanes sach daz tier yn der getaugen33, als er bewae rt yn den selben pue ch der taugen: Ich sach von dem mer auff‹steigen›34 ein tier, daz 26 * senftigung: lat. blandities, blanditia, blandimentum »Verführung (durch die Welt), Schmeichelei« (DLF , 116). 27 * smachung: ev. lat. turpiloquium »obszönes Sprechen« (DLF , 833). 28 * reichtung: zu frnhd. reichtum »Reichtum« (übers. aus lat. divitiae) (Baufeld, S. 190). 29 * wegerung dez maistez bis vngereuig: Bezeichnung für das Hauptlaster inanis gloria fehlt. 30 * wegerung dez maistez: lat. appetitus magni. 31 * geleichsung: lat. ypocrisis »Heuchelei«. Vgl. Schockenhoff, List, S. 158. Zu fnhd. geleich »Fopperei, Betrug« FWB VI , 729. 32 * vngereuig: Adj. lat. pertinacia »Starrsinn«. 33 * getaugen: Offenbarung des Johannes. 34 auff‹steigen›] auff )ehen R.

186

Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

hett siben haubt vnd czehen horen, auff yedem horen ein chron, vnd auch yedez haupt het ein namen der laster et cetera. [3 Die sieben Laster] Dv scholt wissen die vnterschaiden der siben tod sund: [3.1] Hochfart ist ein boser vbermue t, der den armen versmacht vnd seinen oberen vnd seinen geleichen gert cze herschen et cetera. [3.2] Geitichait ist ein vnderfullung einez yeglichen dingez vnd ein vn‹e›rsamew35 begerung. [3.3] Vnkeusch chumbt von der wegerung vnd von der nachuolgung dez posen mutez et cetera. [3.4] ‹H›az36 ist ein ‹sund›37, die den m‹ue ›t38 encziklichen39 pringt yn den smerczen von der vnwi‹r›digen40 er. [3.5] Frassichait ist ein sach, ‹dy er begert dez vnmassigen lebens›41 vnd [ist]42 d‹ie›43 scharff‹e›44 wegerung dez ezzens. [3.6] Czorn ist ein vnseglich betrupnuz dez mue tez vnd ist von dem smerczen dez ynneren mucz et cetera. [3.7] Trachait45 [ist ein traurichait, die]46 chumbt von der irrsalung dez mutez vnd [ist]47 faulchait an hindernuzz [oder]48 vnmassigew pitterchait, ‹von der die geistliche›49 freud verlischt vnd der müt sich selb an yn verchert et cetera.

35 vn‹e›rsamew] vnu s)amew R. 36 ‹H›az] Da! R. 37 ‹sund›] )inle R. – * Lesart 1: Verschreibung für sund »Sünde«, Lesart 2: Verschreibung für siden »hitzig werden, zornig werden« (feruere). Vgl. Dief., 231. e 38 m‹u›t] milt R. – * Schreibtechnisch naheliegende Verschreibung von u zu il. 39 * encziklichen: lat. frequens »beständig, fortwährend«. 40 vnwi‹r›digen] vnwindign¯ R. 41 ‹dy er begert dez vnmassigen lebens›: Satz durch Einschub von dy er begert zwischen dez vn und massigen lebens unverständlich geworden. Gebessert auf der Grundlage der Parallelhandschrift M. 42 ist fehlt R. 43 d‹ie›] d s R. 44 scharff‹e›] )charffn¯ R. 45 Trachait bis et cetera: gebessert auf der Grundlage der Parallelhandschrift M. 46 ist ein traurichait, die fehlt R. 47 ist fehlt R. 48 oder fehlt R. 49 ‹von der die geistliche›] die von der gei)tlichen R. Gebessert nach der lat. Passivkonstruktion qua spiritualis iocunditas extinguitur.

Tafel XI: Lasterbaum und Babylon

187

Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten [1.1–1.4.7] Lasterbaum und Babylon (Babilonia bis vngereuig) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96r (M)

[2] Offenbarung des Johannes (Ich bis laster et cetera) Quelle: Apc 13,1

[3.1–3.7] Die sieben Laster (Hochfart bis verchert et cetera) Quellen: Speculum virginum (Ed. Seyfarth, CCCM 5), IV ,294–300 (Spe); Liber de fructibus carnis et spiritus, PL 176,999–1002 (Lib) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 8201, fol. 96r (M); Oxford, Bodl., MS. Laud. Misc. 544, fol. 8r–16r (O1)50

50 Varianten: [3.1] Superbia est elacio uiciosa, que inferiorem despiciens superioribus et paribus satagit dominari M, O1, fehlt Spe; abweichend Lib [3.2] Auaritia est gloriae sue quarumlibet rerum insatiabilis et inhonesta cupido M, Spe; Avaritia est gloriae, divitiarum, seu quarumlibet aliarum rerum insatiabilis et inhonesta cupiditas Lib; abweichend O1 [3.3] Luxuria est ex inmundis descendens desiderijs lubrica mentis et effrenata prostitucio M; Luxuria est ex inmundis descendens desideriis lubrica et effrenata mentis et carnis (corporisve Lib) prostitutio Spe, Lib; abweichend O1 [3.4] Inuidia est, que animum frequenter reddit in dolorem ex indigno honore, quem tu appetebas M; Inuidia est que feruidum in dolore reddit animum ex indigni honore, quem etiam tu non appetebas S; Invidia est, quae fervidum in dolore reddit animum ob alterius bonum et honorem, ea videre nolentem Lib; Invidia est, que fervidum reddit animum ex indigni honore, quem et tu appetebas O1 [3.5] Gula est totius (solius O1) corporis causa illecebrosus et auidus ciborum appetitus M, O1; Gula est solius corporis causa noxius et illecebrosus escarum quidam appetitus Spe; Ventris ingluvies est immoderata qualiumcumque ciborum potuumve hiantis concupiscentiae satisfactio Lib [3.6] Ira est iracionabilis perturbacio mentis et ulciscendi libido ex interni doloris inpaciencia M; Ira est strictus concitati furor animi ulciscendi libidine fervens Spe, Lib [3.7] Accidia est ex confusione mentis nata tristicia siue tedium uel amaritudo immoderata qua spiritualis iocunditas extinguitur precipicio desperacionis mens in seipso subuertitur M; abweichend Lib, Spe, O1.

Tafel XII : Turris Sapiencie

12.3 12

11.4

11.3

11

11.2

12.4

12.2

11.1

11.5

12.1 10.12 10.11 10.10 10.9 10.8 10.7 10.6 10.5 10.4 10.3 1 10.2 10.1 8 8.1

8.2

6 3.7 3.6 3.5 3.3 3.4 3.1 3.2 3

2

4.1

9.2

9.1

5.2

9.3

12.5

9.4 5.4

5.3

5.1 4.2

4.3

4.4

Tafel XII (fol. 6v [7v]): Turris Sapiencie

11.6

9

7

Tafel XII: Turris Sapiencie

191

gebesserter Text1 [1 Leseanweisung] Tu r r i s s a p i e n c i e a p e d e i n c i p i t u r per seriem litterarum alphabeti.

l e g ‹ i ›2 a s c e n d e n d o

[2 Fundament] fundamentum turris sapiencie est humilitas que est mat e r o m n i u m v i r t u t u m .3 [3 Treppe]4 [3] g r a d u s [3.1] a J e i u n i u m [3.2] b e l e m o s i n a [3.3] c s a ‹ t i s f a c t › i o5 [3.4] p e n i t e n c i a [3.5] d c o n f e s s i o [3.6] C o m p u n c i o [3.7] O r a c i o [4 Säulen: Basen]6 [4.1] [4.2] [4.3] [4.4]

diligencia requies veritas modus

1 Textbesserungen nach Paris, BN , ms. fr. 9220, fol. 12 r (P); Lilienfeld, StiB, Cod. 151, fol. 258 v/259 r (L); London, BL , MS Arundel 83 II , fol. 135 r (Lo); London, LGI , MS 9, fol. 151 r (Lo1); München, BSB , Clm 8201, fol. 95 v (M), und London, WL , MS.49, fol. 65 v (W). 2 leg‹i›] lege R. 3 * fundamentum bis virtutum: leichter Abrieb. 4 * Jeiunium bis Oracio: Treppenstufen sind in verkehrter Reihenfolge angebracht. 5 sa‹tisfact›io] )ac sficaco¯ R; satisfactio P, L, Lo, Lo1, M, W. 6 * Inschriften auf den Säulen (columpne) fehlen.

192

Tafel XII: Turris Sapiencie

[5 Säulen: Kapitelle] [5.1] [5.2] [5.3] [5.4]

e f g h

consilium stabilitas r ‹ e › c t i t u d o7 moralitas [6 Breite]

L a t i t u d o s a p i e n c i e t u r r i s [ e s t ]8 k a r i t a s q u e c o m m u n i s est omnibus ordinate. [7 Höhe] A l t i t u d o t u r r i s s a p i e n c e e ‹ s › t9 p e r s e u e r e n c i a i n b o n o . [8 Pforten] [S] [8] p o r t e [8.1] o b e d i e n c i a [8.2] p a c i e n c i a [9 Fenster] [S] [9] F e n e s t r e [9.1] d i s c r e c i o [9.2] r e l i g i o [9.3] d e u o c i o [9.4] c o n t e m p l a c i o [10 Ecksteine und Steinreihen] [10.1] i A m o r : esto simplex, dilige de um, time deum, 7 r‹e›ctitudo] rctitudo R. 8 est] est P, L, Lo, Lo1, M, W; fehlt R. 9 e‹s›t] et R; est P, L, Lo, Lo1, M, W.

Tafel XII: Turris Sapiencie

adora deum, Da gracias deo, sperne mundum, honora sanctos, celebra festa, m u n d a s e p e c o n ‹ s › c i e n c i a m10 t u a m . [10.2] k G r a c i a : e s t o b e n i u ‹ o l › u s11 , non sis in dignans, non sis pre sumptuosus, non sis violentus, non sis liti giosus, non sis mendax, ama silen cium, loquere de lic{i}tis, tace ab illi citis. [10.3] l h o n o r : i ‹ m › i t a r e12 b o n o s , euita ma los, fuge inanem gloriam, Desere iactan ciam, non sis cupidus, Esto lar gus, n o n s i s p r o d i g ‹ u s ›13 , non sis vsurarius, non agas symoniam. [10.4] m r e u e r e n c i a : Defer maiori, honora senes, instrue iuuenes, ama tibi pares, non spernas inferiores, honora patrem, 10 11 12 13

con‹s›cienciam] 9cı¯ecia¯ R; conscienciam P, L, Lo, Lo1, M, W. beniu‹ol›us] be niuibus R; beniuolus P, L, Lo, Lo1, M, W. i‹m›itare] invita se R; imitare P, L, Lo, Lo1, M, W. prodig‹us›] prodigo R; prodigus P, L, Lo, Lo1, M, W.

193

194

Tafel XII: Turris Sapiencie

dilige matrem, esto vere cundus, non sis adu lator. [10.5] n c o m p a s s i o : condole egenis, corripe dissolutos, r i d e ‹ c o n r i d e n t i b u s ›14 , l u g e ‹ c o n l u g e n t i b u s ›15 , n e ‹ m i n › e m16 i r r i s e r i s , nulli in iurieris, n u l l u m a ‹ c › c u s e s17 , nullum iudices, nullum con tempnes. [10.6] o m i s e r i c o r d i a : console desolatos, reuoca er rantes, vesti nu dos, ciba fame licos, p o t a s i t i b u n d o s18 , visita e grotos, consolate captiuos, Suscipe peregrinos, sepelli defunctos. [10.7] p s a n c t i t u d o : f a c a l ‹ i i › s19 q u o d t i b i v i s f i e r i , affecta pa radisum, ‹ m e t u e ›20 i u d i c i u m , cogita de obitu, redde bonum pro malo, falsum non testeris, non ode ris, 14 15 16 17 18 19 20

‹con ridentibus›] conri dentibus R. ‹con lugentibus›] conlu gentibus R. ne‹min›em] ne soe" R; neminem P, L, Lo, Lo1, M, W. a‹c›cuses] au cu)es R; accuses P, L, Lo, Lo1, M, W. pota sitibundos korrigiert aus peta )icibu¯ dos. al‹ii›s] alys R. ‹metue›] tene R; tene M; metue P, L, Lo, Lo1, M, W.

Tafel XII: Turris Sapiencie

195

non occi des, dilige inimicos. [10.8] q m a n s w e t u d o : esto pius, ama tuum proximum, tene anime mundiciam, i n q u i r e p a ‹ c › e m21 , non facias discordiam, pacifica discordiantes, non sis proditor, non sis de tractor, non sis percussor. [10.9] r m u n d i c i a :22 Esto so brius, non sis ystrio, non sis edax, non sis ebriosus, c h o e r c e a u d i t u ‹ m ›23 , retine odo ratum, tempera gustum, r e ‹ f r e n › a24 t a c t u m25 . [10.10] s C o n s t a n c i a : Esto rectus, non sis susurro, parum iu ra, caue tibi a periurio, iuste iudica, non capias munera, non rapias aliena, non fureris res proximi tui, Rrestitue ab lata. 21 pa‹c›em] pa trem R; pacem P, L, Lo, Lo1, M, W. 22 * Es fehlt die Aufforderung cohibe visum mit der Entsprechung Maz daz gesehen auf Tafel VII.10.9. 23 auditu‹m›] auditui R; auditum P, L, Lo, Lo1, M, W. 24 re‹fren›a] re)erua R; prohibe P; refrena L, Lo, Lo1, W; reserua M. 25 tactum] tactm ¯¯ R; gressum P; tactum L, Lo, Lo1, M, W.

196

Tafel XII: Turris Sapiencie

[10.11] t S p e s : E ‹ s t › o26 l o n g a n i m u s , Contempne vicia, Evita su perbiam, relinque aua riciam, D ‹ e › s e r e27 i n ‹ v i d › i a m ›28 , fuge iram, Sperne accidiam, vilipende gulam, abnega luxuriam. [10.12] F i d e s g e l a u b : Crede in deum, ama sanctam ecclesiam, crede in ew karistiam, honora ew wangelium, Ve n e r a r e s a c r a m e n t a , Obserua mandata, tene promissa baptismi, Serua fidem coniugi, S u s c i p e o r a c i o n e m (sic!)29.

[11 Wehrtürme] [11] p r o p u n g n a c u l u m [11.1] I n n o c e n c i a [11.2] p u r i t a s [11.3] t i m o r d e i [11.4] c a s t i t a s [11.5] C o n t i n e n c i a [11.6] V i r g i n i t a s

26 27 28 29

E‹st›o] Ego R; Esto P, L, Lo, Lo1, M, W. D‹e›sere] Di)ere R; desere (fuge Lo1) P, L, Lo, Lo1, W; fuge M. in‹vid›iam] in¯u¯diciam R; iniuriam P, inuidiam L, Lo, Lo1, W, inmundiciam M. oracionem] vnctionem P, L, Lo, Lo1, W; racionem M. – * Suscipe oracionem: die Parallelüberlieferung bringt mit Ausnahme von M das Sakrament der Letzten Ölung, das besser in die Kategorie ›Glaube‹ passt.

Tafel XII: Turris Sapiencie

[12 Schutztürme] [12] C u s t o d e s 30 [12.1] I n c r e p a c i o a d d i s s o l u ‹ t o s ›31 [12.2] ‹ T › u ‹ t › e l a32 a d b ‹ o › n o s33 [12.3] I u d i c i u m a d r e p r o b o s [12.4] D i s c i p l i n a a d [ r e b e l l e s ]34 [12.5] V i n d i c t a a d m a l o s

30 31 32 33 34

* Increpacio bis malos: Reihenfolge durcheinander: 1–5–3–2–4. dissolu‹tos›] di))oluco¯ R; dissolutos P, L, Lo, Lo1, M, W. ‹T›u‹t›ela] Ducela R; Tutela P, L, Lo, Lo1, M, W. b‹o›nos] bnos R; bonos P, L, Lo, Lo1, M, W. rebelles] rebelles P, L, Lo, Lo1, M, W; fehlt R.

197

198

Tafel XII: Turris Sapiencie

Quellen, Parallelüberlieferung, Varianten [1–12.5] Turris Sapiencie (Turris bis malos): Quelle: Johannes Metensis oder Bonacursus de Gloria zugeschr. Parallelüberl.: Paris, BN , ms. fr. 9220, fol. 12r (P); Lilienfeld, StiB, Cod. 151, fol. 258v/259r (L); London, BL , MS Arundel 83 II , fol. 135r (Lo); London, LGI , MS 9, fol. 151r (Lo1); München, BSB , Clm 8201, fol. 95v (M); London, WL , MS.49, fol. 65v (W).35

35 In den Textbesserungen nicht berücksichtigte Varianten, die die Überlieferungsgruppe R, M, W verdeutlichen: [10.3] non sis vsurarius] non agas (exigas L) vsuram P, Lo, Lo1; non sis vsurarius M, W [10.4] honora bis matrem] venerare parentes, servi (familiare P) bonis P, L, Lo, Lo1; honora patrem, dilige matrem M, W [10.5] corripe dissolutos] doce indoctos Lo, Lo1, W; corripe dissolutus M; fehlt P, L [10.6] console desolatos] consule desolatos Lo, Lo1, W; console desolatos M; fehlt P, L reuoca errantes] indulge roganti Lo, Lo1; reuoca errantes M; corripe delinquentes W; fehlt P, L [10.7] affecta paradisum] affecta paradisum P, L, M, W; desidera paradisum Lo, Lo1 [10.8] manswetudo] clemencia P, L, Lo, Lo1, W; manswetudo M pius] pius P, Lo, Lo1, M, W; mansuetus L [10.9] retine odoratum] arce odoratum P, L, Lo, Lo1; retine odoratum M; tene odoratum W.

Tafel XIII : Philosophie und Artes liberales

2.3

2.4

2.5

1.2

1.1 2.2

2.6

1 2.1

2.7

Tafel XIII (fol. 7r [6r]): Philosophie und Artes liberales

Tafel XIII: Philosophie und Artes liberales

201

gebesserter Text [1 Philosophie] [1] P h i l o s o p h i a [1.1] C o n t e m p l a c i o s a p i e n c i e [1.2] r e g i ‹ m e n ›1 p u b l i c e [2 Artes] [2.1] [2.2] [2.3] [2.4] [2.5] [2.6] [2.7]

Gramatica Loyca Rethorica Arismetrica Geometria ‹ T › u b ‹ a › l c a i n2 , M u s i c a Astronomia

1 regi‹men›] regine¯ R; vgl. München, BSB , Clm 2599, fol. 101 v: Hec regina pia prudens est philosophia. 2 ‹T›ub‹a›lcain] Aubel Cain R. – * Zu Tubalkain und Jubal aus dem Geschlecht Kains als Erfinder der Musik vgl. Gn 4,21 f.

Tafel XIV : Frauensklaven I

1

2

3

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5

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Tafel XIV (fol. 7v [6v]): Frauensklaven I

15

Tafel XIV: Frauensklaven I

gebesserter Text [1 Adam und Eva] [R] Fraw eua adam des vber cham, Daz er den appffel von dem pawm nam, Den yn got verpoten het. eua [cze]1 willen ‹e›r2 das tedt.3 [2 Aristoteles und Phyllis] [Aristoteles] [S] Ich siech4, daz dem weisen man ein weib hat gesiget an. [Phyllis] [S] auff dem ich sicz yn hohen preiz, daz ist aristo‹te›les5 der weiz. [3 Alexander und Roxane] [Alexander] [S] Liebe fraw, du hast mir schon geben der werlt lön6. [4 Vergil im Korb] [S] Nu hang da vnd rast, darvm daz du manigen wetrogen hast. 1 2 3 4 5 6

cze fehlt R. ‹e›r] Er R. * nach tedt drei Füllzeichen. * siech: zu i > ie vgl. PWG , § 159. aristo‹te›les] a sistoles R. – * aristo‹te›les: R schreibt regelmässig Aristoles. * lön: zu oˆ > ö vgl. Weinhold, § 57.

205

206

Tafel XIV: Frauensklaven I

[Vergil] [S] Hab ich ymant wetrogen, dez hat mich ein weipp erczogen. [S] Du hangst yn solichen eren, daz kan dich dein czawbrey also leren. [5 Samson und Dalila] [T] talida [S] Hastu ye gedinet mir, dez gib ich der frawen lön dir. [T] sampson [S] Vntrew hat mich erslagen, daz muez ich ymer klagen. [6 Salomons Götzendienst] [T] Salomam [S] Genad liebe frawe mein, waz du wild, daz schol sein. [S] Nu pet an dy anptgot mein, so wil ich tun den willen dein. [7 Azahel] [T] Asrahel

Tafel XIV: Frauensklaven I

207

[R] Asrahel dem wilden man hat ein fraw gesi get an. wann den man fur den wirsten het vnd czalt, hat ein fraw gepunten7. [S] Nym yn dein genade mich8, liebe fraw, dez pitt ich dich. [8 Paris und Helena] [T] Tr o y i n fraw pareis [R] Troyin, dy güt wirdig stat, durch pareiz, die frawen, czerstöret wartt.9 [9 Achill und Daidama] [T] vlixes [S] Cher dan, wir haben yn funden, da mit dy stat vberwunden. [T] Deidanna achilles [S] Ich want, ich wär gefristet. So pin ich gar vberlistet.

7 * den bis gepunten: »denn denjenigen, den man für den Bösesten hält und zu den Bösesten zählt, den hat eine Frau gebunden«. 8 * mich durch Streichung korr. aus miche. 9 * nach wartt ein Füllzeichen.

208

Tafel XIV: Frauensklaven I

[10 Artus’ Hornprobe] [T] Artus [R] Chunikch artus michel scham von seiner frawen wegen nam, daz er sich wegöz mit einem horen. daz sahen all dy¨ do pey¨ ym woren. [11 Absalon] [T] Absolon [R] Ach got, von meiner frawen wegen ist mir ein smachez end gegeben. [12 David und Bathseba] [T] Dauit [S] Ker dein genad her czw mir, darvm wil ich dienen dir. [S] Her10, ewr dinst wil ich enperen, daz ich beleib mit ern. [13 Parzival] [T] Parcifal [R] Wer frawen lön mit diensten erwirbt, czwar mit eren er wol stirbt. 10 Nach Her durchgestrichen got.

Tafel XIV: Frauensklaven I

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durch frawen willen leid ich dy¨ not, wenn si mir cze dien11 gepot. [14 Buhlschaft im Baum I ] [T] Cristus [S] Siech an, her maister, wie betrogen wirt der man. [S] Dar vm schol er gesehen, waz sein fraw well iehen. [S] Fraw, ich daz siech, daz man mynt dich. [R] Da mit hann ich geholffen dir. Deins ges‹e›hencz12 soltu danckchen mir. [15 Buhlschaft im Baum II ] [S] Ich hie dein lang gewart, darvm will ich hart slahn. [S] vil liebez, lieb daz mein, la czweren13 gein mir sein.

11 * dien: zum synkopierten e vgl. PWG , § 53. 12 ges‹e›hencz] ge)chenc! R. 13 * czweren: zu mhd. swern, bair. schweren »fluchen, schelten« vgl. BWB II , 645.

Tafel XV : Frauensklaven II

1

2 5

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6

Tafel XV (fol. 8r): Frauensklaven II

Tafel XV: Frauensklaven II

213

diplomatischer Text [1 Judith und Holofernes] [siehe gebesserten Text] [2 Jüngling und Frau] [siehe gebesserten Text] [3 Karl der Grosse und Konkubine] [siehe gebesserten Text] [4 Secundus und seine Mutter] [siehe gebesserten Text] [5 Pseudo-Frauenlob]1 Der frawen lob yn der langen w e i s [5.1] Adam den ersten men schen betört ein weip S a m p sones leib ward durch ein weip g e p l e n d e t Her dauit ward geschendet D e r w e i s s a l o m o n gotez reicher gepfendet Absolon sein schön in nie verlye in hab ein weip gewert [5.2] A l l e x ander dem geschach alsus Virgilium betöret man mit falssen sitenn O l i u e r n u s d e r w a r d v e r s n i t e n Aristoles von einem weip geriten D i e s t a t t r o y i n vnd das lant wart durch ein w e i p v e r p r a n t [5.3] Achillus dem geschach alsam D e r w i l d A s r a h e l w a r d c z a m Artusus scham von weiben chom H e r 1 * Der frawen bis fröret: Abrieb an Buchstaben, Hasten und Abbreviaturen von gleicher Hand (?) mit hellerem Rot nachgebessert.

214

Tafel XV: Frauensklaven II

parcifal manig sorg nam Alsus geschach der minner stam was schat dann ob ein raines w e i b Mich hiczet vnd fröret. [6 Frauensklaven] [siehe gebesserten Text] [7 Weisheit und Torheit] [siehe gebesserten Text]

Tafel XV: Frauensklaven II

215

gebesserter Text [1 Judith und Holofernes] [R/T] pecula, die Stat Judich, Oliuerius [2 Jüngling und Frau] [S] d e r m i n n e ‹ n ›2 s t r a l h a t m i c h g a r s e r v e r b u n t . [S] S o h a t i r f e w r m i c h e n c z u n t .3 [3 Karl der Grosse und Konkubine] [T] R e x k a r o l u s4 Rex karolus [4 Secundus und seine Mutter] [R/T] Secundus philosophus, mater eius [5 Pseudo-Frauenlob] Der frawen lob yn der langen weis: [5.1] Adam, den ersten menschen, betört ein weip. Sampsones leib ward durch ein weip geplendet. Her Dauit ward geschendet. Der weis Salomon gotez reich‹s›5 gepfendet. Absolon, sein schön in nie verlye, in hab ein weip gewert. 2 3 4 5

minne‹n›] minn s R. * nach enczunt rote Wellenlinie. * Rex karolus: Buchstaben bis zur Unkenntlichkeit ineinander verhakt. reich‹s›] reicher R; gebessert analog zu München, UB , 2 o Cod. ms. 731, fol. 210 v (›Hausbuch des Michael de Leone‹) (Mü5): richs.

216

Tafel XV: Frauensklaven II

[5.2] Allexander, dem geschach alsus. Virgilium betöret man mit falssen sitenn. Oliuernus, der ward versniten, Aristo‹te›les6 von einem weip geriten. Die stat Troyin vnd das lant wart durch ein weip verprant. [5.3] Achillus, dem geschach alsam. Der wild Asrahel7 ward czam. Artusus scham von weiben chom. Her Parcifal manig sorg nam. Alsus geschach der minne‹n›8 stam9, was schat dann, ob ein raines weib10 mich hiczet vnde11 fröret? [6 Frauensklaven] [S] Absolon Sampson Virgilius Aristo‹te›les12 Allexander Salomon 6 Aristo‹te›les] Ari)toles R. 7 * Asrahel: ob der Frauensklave Azahel ursprünglich an dieser Stelle der Strophe figuriert, ist umstritten. Die Herausgeber des Supplementes der Göttinger Frauenlob-Ausgabe plädieren für Ismahel als ursprüngliche Variante (Sangsprüche [Ed. Haustein/Stackmann], Bd. 2, S. 355). Diese Auffassung hat Robert Schöller in überzeugender Weise revidiert (Ismahel oder Asahel?, S. 416–424). 8 minne‹n›] minn s R; minnen Mü5. 9 * Alsus bis stam: zwei Lesungen möglich: Var. 1: »So erging es dem Sprössling der Liebe.« (der minnen stam), so in der ältesten Handschrift Mü5 (fol. 210 v): o Sit daz fugt der minnen stam. Var. 2: »So erging es dem ›Hauptvertreter‹ der Liebhaber« (der minner stam). 10 * raines weib: eine Übersicht über die in der Forschung diskutierten Interpretationsmöglichkeiten bei Schöller, Ismahel oder Asahel?, S. 422 f. 11 * vnde: ich löse die Abbreviatur vn¯ metrumbedingt zu vnde auf. 12 Aristo‹te›les] A si)toles R.

Tafel XV: Frauensklaven II

217

[7 Weisheit und Torheit] [S] Allexander vnd Salomon, S a m p s o n v n d a b s o l o ‹ n ›13 , a r i s t o ‹ t e › l e s14 v n d v i r g i l i u s sprechent all sampt alsus: Das chain maister nie so weis ward, dicz weiz an der toren vart. Ich hoffe, mir geling von der liebsten15.

13 absolo‹n›] ab)olo R. 14 aristo‹te›les] a si)toles R. 15 * Das bis liebsten: Text könnte für die Einpassung in das Schriftband umgestellt und verkürzt worden sein: »Dass nie ein Meister so weise war, [dass er vor dem Verhalten eines Toren gefeit wäre]. Dies lehrt das Verhalten der Toren. Ich hoffe, ich werde Glück haben bei der Liebsten«.

218

Tafel XV: Frauensklaven II

Parallelüberlieferung, Varianten [5–5.3] Pseudo-Frauenlob (Der frawen bis fröret)16 Parallelüberl.:17 München, UB , 2o Cod. ms. 731, fol. 210v (›Hausbuch des Michael de Leone‹) (Mü5).18

16 Eine Edition findet sich in: Sangsprüche (Ed. Haustein/Stackmann), Langer Ton, V,204 und S. 35–39 (Kommentar zu den Fresken im Konstanzer ›Haus zur Kunkel‹ mit Abdruck der Transkription von Josef Moosbrugger), vgl. auch RSM I , S. 75 f., 154, 171, 205–209, 222 f.; RSM III , 1Frau/2/67 und 1Frau/2/ 537a. 17 Eine Übersicht über die Parallelüberlieferung mit Abdruck der Lesarten in Sangsprüche (Ed. Haustein/Stackmann), Bd. 2, S. 353 ff. 18 Randglossen von jüngerer Hand in Mü5 (fol. 210 v), transkribiert von Gisela Kornrumpf (Sangsprüche [Ed. Haustein/Stackmann], Bd. 2, S. 354 f.): Scilicet Eva ut patet genisis III c. – Scilicet Dalidam meretricem ut patet libo judicum c. XVI o – A Bersabe uxore Urie. matre post ea Salomonis ut patet II o libo regum regum c. XI o – Scilicet filiam Pfaraonis et alias mulieres quam plures. ut patet libo III o regum XI o c. – Scilicet concubina patris, et illa que in puteo per eam velato in Baurim abscondidit Jonatam et Athimas ab ipso Absolone inquirente eosdem. ut patet II o reg. XVI o et XVII o. c. – Scilicet a Candace regina. – Scilicet a femina astuta trahente eum super apicem turris verecunde pendentem. sed ipse bene ei id per incensionem ignis inter sua crura candida repensavit. – Scilicet a Judiht lib. X . XI . XII et XIII o. – Scilicet a Roxani contorali regis Alexandri vel alia femina nomine Salusca. – Scilicet Helenam. media correpta. – Scilicet a pollixina. – Scilicet ybil ‹. . .› – Scilicet o propter Condruiramurs;‹. . .› femı¯am amorosam. ˙

Tafel XVI : Fortuna und ihr Rad

1 2.6.3

2.1.1

2.2.3

2.6.1 2.1

2.2

2

2.2.1 2.2.2

2.6

2.1.2 2.6.2

2.3.2

2.5.2

3.1 3.2 2.5.1

2.4.2 2.5

2.3 2.4.1 2.4 2.3.1 5

Tafel XVI (fol. 8v): Fortuna und ihr Rad

4

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

221

diplomatischer Text [1 Seneca, Publilius Syrus, Vergil, Cato] [1.1] Qvale gerit quidquid fortune geritur fide Vt seneca dicit [1.2] Et iterum idem dicit fortuna vitrea est ut cum splendet frangitur [1.3] si est de fortuna cum homo se putat esse in optimo successu cadit infirmatur moritur et anichilatur [1.4] vnde versus Cum totum fecisse putas latet agwis in herba [1.5] Item Qui se nature obmittit naturam videtur abnegare [1.6] Seneca dicit homines cum se nature committunt naturam dediscunt [1.7] Item fortuna multos imperitos necat et occidit [1.8] Item fortuna non adiuuat sed occupat sibi adherentem [1.9] Non ergo fortune adherere debemus nec aliquo modo nullam confidere non enim est stabilis uel perpetua [1.10] Boecius de consolacione dicit in secundo libro Nich est fortuna nisi secundum uulgi opinionem [1.11] Et katho dicit Cum sis incautus nec rem racione gubernes Non si fortunam que non est dicere cecam Et exponitur hoc adverbium non id est nichil est. [2 Fortuna und ihr Rad] [siehe gebesserten Text] [3 Fortuna] [siehe gebesserten Text] [4 Concepteur] [siehe gebesserten Text] [5 Seneca, Publilius Syrus] O bona fortuna cur non es omnibus v [5.1] Fortunam vincit sapiens virtute Sexta dicit [5.2] Errant qui dicunt fortua aliquid nobis tribis sive boni sive mali [5.3] Nec vita nec fortuna perpetua est hominibus [5.4] homines non se fortune committunt naturam dediscunt [5.5] Fortuna quon mi mium fouet stultum facit [5.6] Fortuna lubrica est nec detineri potest.1

1 * nach potest schwarze Wellenlinie.

222

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

gebesserter Text [1 Seneca, Publilius Syrus, Vergil, Cato] 2

[1.1] ‹M›ale gerit‹ur›3, quidquid fortune geritur fide, vt Seneca dicit. [1.2] Et iterum idem dicit: Fortuna vitrea est, ut, cum splendet, frangitur. [1.3] Si‹c›4 est de fortuna: Cum homo se putat esse in optimo successu, cadit, infirmatur, moritur et anichilatur. [1.4] Vnde versus: Cum totum fecisse put‹e›s5, latet a‹n›gwis6 in herba. [1.5] Item: Qui se nature obmittit, naturam videtur abnegare. [1.6] Seneca dicit: Homines, cum se ‹fortune›7 committunt, naturam dediscunt. [1.7] Item: Fortuna multos imperitos necat et occidit. [1.8] Item: Fortuna non adiuuat, sed occupat sibi adherentem. [1.9] Non ergo fortune adherere debemus nec aliquo modo nullam confidere non enim est stabilis uel perpetua, [1.10] Boecius de Consolacione dicit in secundo libro. Nich‹il›8 est fortuna nisi secundum uulgi opinionem. [1.11] Et Katho dicit: Cum sis incautus nec rem racione gubernes, non si fortunam, que non est, dicere cecam. Et exponitur hoc adverbium non, id est nichil est. [2 Fortuna und ihr Rad] Est rota fortune mutabilis ut rota lune, ut rota vers a t u r n e c i n ‹ v n a ›9 s e d e10 m o r a t u r : ‹ C › r e s c i t11 , d e c r e s c i t , in eodem sistere nescit. [2.1 Thronender König] [2.1.1] [S] In allen (lan) landen verr vnd weit ist erchant mein wir dichait. 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

‹M›ale] Qvale R. gerit‹ur›] ge sit R. Si‹c›] )i R. put‹e›s] putas R; gebessert gemäss Galfridus’ de Vino Salvo ›Poetria Nova‹ (Ed. Gallo), V. 285. a‹n›gwis] agwis R. ‹fortune›] nat se R. Nich‹il›] Nich R. in ‹vna›] invita R. * ‹vna› sede; gebessert in Anlehnung an Ovids ›Metamorphosen‹ (Ed. Rösch), II , 846. ‹C›rescit] Gre)cit R.

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

223

[2.1.2] †Von gelukch cze sehen hat man irdi‹s›chen gelukch, gert man czw schon f‹u›r12 chunst, sterch, weishait vnd fur mu´t. Gelukch gemain schönkchet von czw ain v‹est›en13 herczen lieb an beschaidenhait vnd an massen.14 † [2.2 Sinkender] [2.2.1] [S] Ich s‹i›nch15, gelukch, schir, ez w‹i›ll16 tün gewalt an mir.17 [2.2.2] Mein habent die geschimpfet18, den ich wol mocht geleichen. ob sich ir ainer rinpfet19, vil leicht cze iar gelukch im entweichet.20 ich flüch in nicht, wun sch in alles gelukches. ich main, daz si ge lukch erkennent nicht.21 [2.2.3] ‹D›urus22 et ingratus fer‹i›s23 eris inde grauatus. [2.3 Stürzender] [2.3.1] [S] Vnhai‹l›24 hat mich ser wesessen25, Gelukch hat mein gar vergessen. [2.3.2] Wer auff gelukchez rad volkomen leichen reich‹se›t26, In augen plick 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

f‹u›r] far R. v‹est›en] va))en R. nach massen Füllzeichen. s‹i›nch] )unch R. w‹i›ll] well R. nach mir Verzierung. * schimpfen: »spotten« (Lexer II , 745). * rinpfen: »sich fortschnellen, entkommen« (Lexer II , 439 f.). * geschimpfet – rinpfet, geleichen – entweichet: ursprünglich Kreuzreim? nach nicht Füllzeichen. ‹D›urus] Gurus R. fer‹i›s] feras R; gebessert aus der sinnlosen Schreibung fera, 2. Pers. Sing. Präs. von ferire (»schlagen«). Alternative Lesung: ferus (»wild«). 24 Vnhai‹l›] Vnhait R. 25 nach wesessen Füllzeichen. 26 reich‹se›t] reicheit R. – * reich‹se›t: zu rıˆchen, rıˆchesen »herrschen« Lexer II , 419 f.

224

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

ez schad. † chumbt chain weisar man traut nicht de‹m›27 ge‹l›ukch28 daz er iemant versmach wann er enhet sein swind vnstat dikch † [2.4 Liegender] [2.4.1] [S] Groz vngelukch hat mich wegeben29, darvm müz ich mit trauren leben.30 [2.4.2] †Gelukches nur allain ist all dy werlt gegendt. grossen macht ez klain. gelukchez fursten, ritter vnd knecht chan nay¨gen dy´ † die leng so lobt ez niemant, ez mag ein mensch ein weil wol mit ym schallen. [2.5 Erster Steigender] [2.5.1] [S] Gelukchez rad nü lauf dröt31, seit du nü wel‹ze›s32 an maniger stat. [2.5.2] Pruft33, vnd wer ich gar gewaltig vnd furst in allen reichen, mein mut ‹vüere›34 manigvaltiklichen vnd gar wunder lichen. Nach gotez lob wolt ich ez allez richten mit diemuti chait, mit mazzen wolt ich mich zw dem rechte sterchlichen35 richten36. [2.6 Zweiter Steigender] [2.6.1] [S] Ich hoff, gelück erhör mich, das ich werd an freiden reich.

27 de‹m›] deı¯ R. 28 ge‹l›ukch] gekukch R. 29 * wegeben: wörtlich: »aufgeben, freilassen, etwas entäussern« (Lexer I, 144), hier: »beschenken«. 30 nach leben Füllzeichen. 31 * dröt: umgelautete Form zu bair. drot »bald, alsbald« (BWB I, 571). 32 wel‹ze›s] welchs R. 33 * Pruft: ich übersetze: »seht!«. 34 ‹vüere›] wür R – * Aus wür korrigiert. Ich übersetze vüeren hier mit »leben«. 35 * [den] sterchlichen: ich übersetze: »die Herrschenden«. 36 * richten: hier: »sich orientieren«.

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

225

[2.6.2] we‹r›37 ich an after rew so freilich vnd gefreiet, daz frolich freud new sind taglich mir c‹z›alt38 vnd auch gechundet, dez pin ich fro. † fur alle dise werlt gemain39 geluk chez radez solich we chant werden sicher aine ‹.. .›.† [2.6.3] †‹Sc›ande‹n›s40 v‹. . .›ico41 sic, si regere vis hic et illic.† [3 Fortuna] [3.1] [S] En ego fortuna, si starem ‹s›orte42 sub vna? Numquam mutarer, si non fortuna vocarer!43 [3.2] [S] Ich pin gelukchs ein frawe rain, wenn ich mit trewen44 main, Der hat gelukchez vill auff erd vnd allez, wez sein hercz wegert. [4 Concepteur]45 †Gelukchez wassen46 vil maniger nicht erkene‹t›47. Der wenet han gevallen vnd man ym woll den seldenreichen. wen recht wär, der daz pey czeit weste. Der l‹ie›z48 sich genu´gen vnchunde fräd49, daz ein geprest50.† 37 we‹r›] wen R. 38 c‹z›alt] czwalt R. – * czwalt: geczwalt > czwalt/czalt »erzählt« oder »aufgezählt«. Wegfall des Partizip-Präfixes ge-. 39 * fur bis gemain: Übersetzungsvorschlag: »über alle anderen hinaus«. 40 ‹Sc›ande‹n›s] Candeus R. 41 v‹. . .›ico: sechs Hasten im Wort als Füllzeichen. 42 ‹s›orte] forte R. 43 nach vocarer Füllzeichen. 44 trewen korrigiert aus trawren. 45 * Gelukchez bis geprest Text sehr stark abgerieben. 46 * wassen: bair.-alem. Schreibung zu wachsen. Vgl. Schondoch, ›Der Litauer‹ (Ed. Caliebe), V. 116 f.: uz iedem teile ich wassen sach/ einn unverzagten fromen helt. 47 erkene‹t›] erkenen R. 48 l‹ie›z] lu! R. 49 * fräd: bair. zu mhd. vröude/vreude. Vgl. Weinhold, § 44. Belegt etwa im ›Liederbuch‹ der Clara Hätzlerin (Ed. Haltaus), Lied Nr. 53, 4. 50 nach geprest Kolon und Zeilenfüllung.

226

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

[5 Seneca, Publilius Syrus] O bona fortuna, cur non es omnibus v‹na›51? [5.1] Fortunam vincit sapiens virtute Se‹nec›a52 dicit. [5.2] Errant, qui dicunt fortu‹nam›53 aliquid nobis trib‹u›is‹se›54, sive boni sive mali. [5.3] Nec vita nec fortuna perpetua est hominibus. [5.4] Homines, ‹cum›55 se fortune committunt, naturam dediscunt. [5.5] Fortuna, qu‹em›56 ‹n›imium57 fouet, stultum facit. [5.6] Fortuna lubrica est, nec detineri potest.

51 52 53 54 55 56 57

v‹na›] v R. Se‹nec›a] Sexta R. fortu‹nam›] fortua R. trib‹u›is‹se›] tribis R. ‹cum›] non R. qu‹em›] quon R. ‹n›imium] mi mium R.

Tafel XVI: Fortuna und ihr Rad

227

Quellen, Parallelüberlieferung, Variante [1.1] (‹M›ale bis fide) Quelle: Seneca zugeschrieben

[1.2] (Fortuna bis frangitur) Quelle: Publilius Syrus, Sententiae (Ed. Friedrich), V. 189 und 320.

[1.4] (Cum bis herba) Quelle: Publius Virgilius Maro, Bucolica (Ed. Mynors), Ekloge III ,92 f.; Galfridus de Vino Salvo, ›Poetria Nova‹ (Ed. Gallo), V. 285.

[1.11] (Cum bis cecam) Quelle: Disticha Catonis (Ed. Boas/Botschuyver), IV ,3

[2] Fortuna und ihr Rad (Est bis nescit) Parallelüberl.: München, BSB , Clm 4660, fol. 1r; München, BSB , Cgm 312, fol. 143r; Berlin, SBB-PK , Ms. germ. quart. 284, fol. 197v

[3.1] (Numquam bis vocarer) 58

Parallelüberl.: Berlin, Ms. germ. quart. 284, fol. 197v

[5.1] (Fortunam bis virtute) Quelle: Lucilius Annaeus Seneca, Epistulae morales (Ed. Reynolds), 71,30

[5.2] (fortu‹nam› bis mali) Quelle: Lucilius Annaeus Seneca, Epistulae morales (Ed. Reynolds), 98,2

[5.5] (Fortuna bis facit) Quelle: Publilius Syrus, Sententiae (Ed. Friedrich), V. 173

58 Variante: Si non mutarer, fortuna non vocarer.

Abkürzungen Häufig zitierte Handschriften und Werktitel Be Br C L Lo Lo1 Lib M Ma Mü Mü1 Mü2 Mü3 Mü4 Mü5 O O1 P R Spe W

›Beilngrieser Aderlassmännlein‹ Wrocław (Breslau), UB , Cod. I F 334 Roma, BC , Ms.1404 Lilienfeld, StiB, Cod. 151 London, BL , MS Arundel 83 II London, LGI , MS 9 ›Liber de fructibus carnis et spiritus‹ München, BSB , Clm 8201 Mainz, StB , Hs I 166 München, BSB , Cgm 398 München, UB , 4o Cod. ms. 808 München, BSB , Clm 2777 München, BSB , Clm 3941 München, BSB , Clm 2599 München, UB , 2o Cod. ms. 731 Oxford, Bodl., MS . Canon. Misc. 248 Oxford, Bodl., MS . Laud. Misc. 544 Paris, BN , ms. fr. 9220 Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4 ›Speculum virginum‹ London, WL , MS.49

Quellensammlung PL

Patrologiae cursus completus. Series latina, hg. von Jacques Paul Migne, Bd. 1–217, Paris 1844–1855.

Bibel Abkürzungen nach: Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, hg. von Robert Weber u. a., Stuttgart 41994.

230

Abkürzungen

Grammatiken, Lexika, Repertorien, Wörterbücher Baufeld

BMZ

BWB

Daems

Dief. DLF DML DWB

FWB

Georges Grotefend Habel/Gröbel Hennig Höfler Kranzmayer Latham Lexer

Christa Baufeld, Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Lexik aus Dichtung und Fachliteratur des Frühneuhochdeutschen, Tübingen 1996. Mittelhochdeutsches Wörterbuch, mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearb. von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke, Bd. 1–3, Leipzig 1854–1866 (Nachdr. Hildesheim 1963 und Stuttgart 1990). Bayerisches Wörterbuch, hg. von Johann Andreas Schmeller, Bd. 1–2, Stuttgart 1827–1837, 2., vermehrte Ausgabe, bearb. von Georg Karl Frommann, München 1872–1877 (Nachdr. München 1985). Willem Frans Daems, Nomina simplicium medicinarum ex synonymariis Medii Aevi collecta = Semantische Untersuchungen zum Fachwortschatz hoch- und spätmittelalterlicher Drogenkunde (Studies in ancient medicine 6), Leiden u. a. 1993. Lorenz Diefenbach, Glossarium latino-germanicum mediae et infimae aetatis, Frankfurt a. M. 1857 (Nachdr. Darmstadt 1997). Albert Blaise, Dictionnaire latin-franc¸ais des auteurs chre´tiens, Strassburg 1954 (Nachdr. Turnhout 1967 und 1997). Dictionary of Medieval Latin from British Sources, London 1975 ff. Deutsches Wörterbuch, begr. von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 1–16, Leipzig 1854–1961 (Nachdr. München 1984 und 1999). Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Robert R. Anderson u. a., Berlin/New York 1989 ff. Karl Ernst Georges, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Bd. 1–2, Leipzig 71879–1880. Hermann Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit, Hannover 131991. Mittellateinisches Glossar, hg. von Edwin Habel und Friedrich Gröbel. Mit einer Einführung von Heinz-Dieter Heimann (UniTaschenbücher 1551), Paderborn u. a. 1989. Beate Hennig, Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 5., erg. und verbess. Aufl., Tübingen 2007. Deutsches Krankheitsnamen-Buch, hg. von Max Höfler, München 1899. Eberhard Kranzmayer, Historische Lautgeographie des gesamtbairischen Dialektraumes, Wien 1956. Ronald E. Latham, Revised Medieval Latin Word-List from British and Irish Sources, London 1965 (Nachdr. ebd. 1999). Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Bd. 1–3, Stuttgart 1872–1878 (Nachdr. mit einer Einleitung von Kurt Gärtner ebd. 1992).

Abkürzungen LLMA

Moser Moser/Stopp PWG RSM

Weinhold Wiesinger

Albert Blaise, Lexicon latinitatis medii aevi praesertim ad res ecclesiasticas investigandas pertinens = Dictionnaire latin-franc¸ais des auteurs du moyen-aˆge (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis), Turnhout 1975. Virgil Moser, Frühneuhochdeutsche Grammatik, Bd. 1: Lautlehre. 1. Hälfte: Orthographie, Betonung, Stammsilbenvokale, Heidelberg 1929. Grammatik des Frühneuhochdeutschen, hg. von Hugo Moser und Hugo Stopp, Heidelberg 1970 ff. Mittelhochdeutsche Grammatik, hg. von Hermann Paul, neu bearb. von Peter Wiehl und Siegfried Grosse, Tübingen 1989. Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts, Bd. 1–16, hg. von Horst Brunner und Burghart Wachinger, Tübingen 1986–2009. Kleine mittelhochdeutsche Grammatik, hg. von Karl Weinhold, Wien 181986. Peter Wiesinger, Die frühneuhochdeutsche Schreibsprache Wiens um 1400, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 93 (1971), S. 366–389.

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231

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Verzeichnis der Handschriften und Blockbücher Berlin Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz Ms. germ. quart. 284 227 Bern Burgerbibliothek Cod. B 44 54 Breslau siehe Wrocław Cambridge Trinity College Library R.3.29 159 Chantilly muse´e Conde´ ms. 65 63 Dallas, Texas Southern Methodist University Bridwell Library Blockbook 06728 12 Dessau Anhaltische Landesbücherei Georg Hs. 866 54 Freiburg i. Br. Universitätsbibliothek Hs. 463 54 Graz Universitätsbibliothek Ms. 900 54 Ms. 966 54

Heidelberg Universitätsbibliothek Cod. Pal. lat. 1354 53 54 Cod. Pal. lat. 1385 54 Cod. Pal. lat. 1392 54 Krakau Biblioteka Jagiellon´ska Ms. 563 54 Lilienfeld Stiftsbibliothek Cod. 151 140 191 198 229 Lincoln Cathedral Library MS 132 (C 5. 8) 159 London British Library MS Arundel 83 II 183 191 198 229 Gray’s Inn Library MS 9 191 198 229 Wellcome Library MS.49 13 159 191 198 229 Mainz Stadtbibliothek Hs I 166 87 101 229 München Bayerische Cgm 269 Cgm 312 Cgm 398 Cgm 531

Staatsbibliothek 25 227 121 130 229 25

240

Verzeichnis der Handschriften und Blockbücher

Clm 571 54 Clm 2599 157 159 201 229 Clm 2777 69 77 229 Clm 3941 157 159 229 Clm 4660 227 Clm 8001 54 Clm 8201 13 37 166 175 176 182 184 191–198 229 Clm 8201 d 13 Clm 14111 54 Universitätsbibliothek 2o Cod. ms. 731 215 218 229 4o Cod. ms. 808 51 54 229 New York Morgan Library & Museum ChLBlock books 145332 12 Oxford Bodleian Library MS . Canon. Class. Lat. 72 159 MS . Canon. Misc. 248 59 63 229 MS . Digby 48 54 MS . Digby 71 54 MS . Digby 93 54 MS . Digby 97 54 MS . Laud. Misc. 544 182 187 229 Paris Bibliothe`que Nationale ms. fr. 9220 191 198 229

Roma Biblioteca Casanatense Ms.1404 13 229 Roma (Citta` del Vaticano) Biblioteca Apostolica Vaticana Pal. lat. 1335 54 St. Gallen Stiftsbibliothek Cod. Sang. 827

54

Uppsala universitetsbibliotek C 602 54 C 655 54 Wien Österreichische Nationalbibliothek Cod. 12600 91 Wrocław Biblioteka Uniwersytecka Cod. I F 334 87 101 229 Zürich Zentralbibliothek Ms. Rh. 172 54

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Sphärenschema, Planetenkinder. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel I . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 1r, Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 2: Zodiakusmann. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel II . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 1v, Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 3: Aderlassmann I . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel III . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 2r (3r), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 4: Aderlassmann IIa. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel IV . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 2v (3v), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 5: Aderlassmann III . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel V . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 3r (2r), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 6: Aderlassmann IIb. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel VI . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 3v (2v), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 7: Turm der Weisheit. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel VII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 4r, Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 8: Mikrokosmosmann. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel VIII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 4v, Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 9: Makrokosmosschema. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel IX . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 5r, Foto: LoC , Washington, D.C.

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 10: Tugendbaum, Cherub. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel X . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 5v, Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 11: Lasterbaum, Johannes Evangelista. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XI . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 6r (7r), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 12: Turm der Weisheit. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 6v (7v), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 13: Philosophie, die sieben freien Künste. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XIII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 7r (6r), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 14: Frauensklaven I . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XIV . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 7v (6v), Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 15: Frauensklaven II . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XV . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 8r, Foto: LoC , Washington, D.C. Abbildung 16: Fortuna. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XVI . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 8v, Foto: LoC , Washington, D.C.

Abbildungen

Abbildungen

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Abb. 1: Sphärenschema, Planetenkinder. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel I . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 1r.

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Abbildungen

Abb. 2: Zodiakusmann. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel II . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 1v.

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Abb. 3: Aderlassmann I . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel III . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 2r (3r).

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Abbildungen

Abb. 4: Aderlassmann IIa. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel IV . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 2v (3v).

Abbildungen

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Abb. 5: Aderlassmann III . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel V . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 3r (2r).

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Abbildungen

Abb. 6: Aderlassmann IIb. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel VI . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 3v (2v).

Abbildungen

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Abb. 7: Turm der Weisheit. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel VII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 4r.

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Abbildungen

Abb. 8: Mikrokosmosmann. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel VIII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 4v.

Abbildungen

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Abb. 9: Makrokosmosschema. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel IX . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 5r.

254

Abbildungen

Abb. 10: Tugendbaum, Cherub. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel X . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 5v.

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Abb. 11: Lasterbaum, Johannes Evangelista. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XI . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 6r (7r).

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Abbildungen

Abb. 12: Turm der Weisheit. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 6v (7v).

Abbildungen

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Abb. 13: Philosophie, die sieben freien Künste. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XIII . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 7r (6r).

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Abbildungen

Abb. 14: Frauensklaven I . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XIV . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 7v (6v).

Abbildungen

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Abb. 15: Frauensklaven II . ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XV . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 8r.

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Abbildungen

Abb. 16: Fortuna. ›Süddeutsche Tafelsammlung‹, Tafel XVI . Washington, D.C., LoC , Lessing J. Rosenwald Collection, ms. no. 4, fol. 8v.