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German Pages 304 [305] Year 2019
C.H.BECK GESCHICHTE DER ANTIKE
ElkE StEin-HölkESkamp
Das archaische Griechenland Die Stadt und das meer (in Vorbereitung) SEbaStian ScHmiDt-HofnEr
Das klassische Griechenland Der krieg und die freiheit (in Vorbereitung) pEtEr ScHolz
Der Hellenismus Der Hof und die Welt (in Vorbereitung) WolfGanG blöSEl
Die römische republik forum und Expansion (in Vorbereitung) armin EicH
Die römische kaiserzeit Die legionen und das imperium rEnE pfEilScHiftEr
Die Spätantike Der eine Gott und die vielen Herrscher
armin Eich
DIE RömISCHE KAISERzEIT Die Legionen und das Imperium
c.H.beck
Geschichte der antike
Mit 10 Karten (gezeichnet von Peter Palm, Berlin)
1. Auflage. 2014 © Verlag C.H.Beck oHG, München 2014 Umschlaggestaltung: Kunst oder Reklame, München Umschlagabbildung: Prätorianer, römisches Relief, um 51/52 n. Chr., Musée du Louvre © akg-images/Erich Lessing ISBN Buch 978 3 406 66012 2 ISBN eBook 978 3 406 66013 9 Die gedruckte Ausgabe dieses Titels erhalten Sie im Buchhandel sowie versandkostenfrei auf unserer Website www.chbeck.de. Dort finden Sie auch unser gesamtes Programm und viele weitere Informationen.
INHALT
Vorwort
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I. Die Geburt einer neuen Staatsordnung 1. beendigung einer revolution: Der unvollendete kompromiss 27 v. chr. 2. Die ausgestaltung der neuen ordnung in den krisen von 27–19 v. chr.
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II. Das Heer: machtquelle des Kaisers und Kostenfaktor 1. Der Übergang zu einem berufsheer 2. Die militärmaschinerie in aktion: kriege unter augustus
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III. Eine neue Verfassung spielt sich unter Schmerzen ein: Von der Regierungszeit des Tiberius bis zur Katastrophe des «Besten» (14–117 n. Chr.) 1. Der erste nachfolger: tiberius (14–37 n. chr.) 2. Die ausbildung einer neuen ideologie: bürger und Untertanen als kultische Verehrer der Herrscher und als mitglieder ihrer erweiterten familie 3. Seelisch verwundete imperatoren: caligula und claudius (37–54 n. chr.) 4. «Gemäßigte kriegspolitik» unter tiberius, caligula und claudius (16–54 n. chr.) 5. Von der Herrschaft neros zum ersten thronfolgekrieg (54–68/70 n. chr.) 6. politik des innehaltens: Vespasian und titus (69–81 n. chr.) 7. Von der rückkehr zur offensiven kriegspolitik bis zur katastrophe im mittleren osten: Domitian und traian (81–117 n. chr.)
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IV. Die Einlösung des imperialistischen Traums: Die friedlichsten Jahre des Imperiums (117–161 n. Chr.) 1. «Goldenes zeitalter»: Hadrian und antoninus pius 2. Die soziale und politische Verfassung des kaiserzeitlichen imperium romanum 3. ablösung der hauptstädtischen literatur durch die Weltreichsliteratur der provinzen: Das imperium wächst kulturell zusammen 4. Ein illegaler Gegenentwurf zum römischen reichsstaat: Das frühe christentum organisiert sich als pazifistisches netzwerk von Gemeinden V. Expansionspolitik, Seuche und Bürgerkrieg (161–197 n. Chr.) 1. Die Wiederaufnahme der Eroberungspolitik und ihr Scheitern (161–180 n. chr.) 2. commodus (180–192 n. chr.): Ein gewaltsüchtiger Herrscher kehrt zur hadrianischen friedenspolitik zurück 3. risse im imperialen Staat: kampf der Grenzarmeen gegeneinander (193–197 n. chr.) VI. Stabilisierung auf Kosten der zukunft: Die Epoche der Severer (197–235 n. Chr.) 1. Die militärische politik bis zum Sturz von alexander Severus 2. aus Unterworfenen werden bürger: Eine phase beschleunigter integration 3. Gekaufte treue: Solderhöhungen und truppenvermehrung VII. Fünfzig Jahre Krise (230er–280er Jahre) 1. Ein intermezzo: Der letzte römische angriff auf mitteleuropa und seine folgen (235–238 n. chr.) 2. zeitenwende: Das imperium wird vom angreifer zum angegriffenen
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3. Ursachen für die brüchigkeit der imperialistischen ordnung 4. Das chaos regieren: administrative antworten auf die krise
Anhang anmerkungen zeittafel literatur register
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VoRwoRT
Die forschung der letzten Jahrzehnte hat eine fülle neuer Detailkenntnisse über die römische kaiserzeit erbracht. Doch was unser Wissen über die «Geschichte» im traditionellen Verständnis des Wortes – den ablauf der Haupt- und Staatsaktionen – betrifft, ist eher die Verunsicherung gewachsen. Die intensive kritische auseinandersetzung mit den erzählenden Quellen, die für die rekonstruktion dieser Epoche zur Verfügung stehen, hat uns misstrauisch gegenüber den meisten überlieferten Darstellungen werden lassen. Sind doch beispielsweise viele wichtige historische begebenheiten nur in berichten dokumentiert, die in großem zeitlichen abstand zu den Ereignissen aufgezeichnet wurden. Überbordende phantasie der autoren, Sorglosigkeit im Umgang mit den fakten, ausgeprägte parteilichkeit und mitunter auch einfach Unkenntnis der Sachverhalte sind Wesensmerkmale so mancher historischer Erzählung, die uns aus der römischen kaiserzeit überliefert wurde. Wenn mehrere Darstellungen eines Ereignisses auf uns gekommen sind, unterscheiden sich die Versionen häufig ganz grundsätzlich. nun sind archäologische Quellen oft wichtig, um den Wahrheitsgehalt einer antiken Erzählung zu überprüfen – aber ebenso häufig sind ihre aussagekraft und ihre präzise interpretation nicht weniger umstritten als die der schriftlichen Quellen. Die Geschichte der römischen kaiserzeit lässt sich daher nur schwerlich als ein kontinuum «gesicherter fakten» erzählen. Wenn es auf den folgenden Seiten dennoch versucht wird, dann bisweilen unter Verstoß gegen manche Dogmen und Sprachregelungen der gegenwärtigen forschung. in ihrem Duktus ist die Darstellung meist den antiken autoren verpflichtet, was in vielen Sätzen durch Einschübe wie «nach der Darstellung des tacitus» oder «Herodian zufolge» deutlich gemacht wird. im Grunde hätten diese zusätze in der art eines methodischen Generalzweifels fast in
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Vorwort
jedem Satz stehen müssen. Es ist darauf verzichtet worden, um den leser nicht zu ermüden. bei der inhaltlichen und sprachlichen korrektur des manuskripts haben mich meine frau astrid Dössel, mein bruder peter Eich und Herr Stefan von der lahr in unschätzbarer Weise unterstützt. ihnen sei an dieser Stelle gedankt. Wuppertal, im november 2013
armin Eich
I. DIE GEBuRT EINER NEuEN STAATSoRDNuNG
1. Beendigung einer Revolution: Der unvollendete Kompromiss 27 v. Chr. im Jahr 29 v. chr. wurde in rom nach zwanzig Jahren blutvergießen die Epoche der bürgerkriege feierlich für beendet erklärt. zu Ehren der Sieger ließ der Senat in einem akt von hoher Symbolkraft die pforten des ianustempels schließen, was das römische Sakralrecht nur zuließ, wenn, wie augustus es später in Worte fasste, «im gesamten römischen reich zu lande und zu Wasser ein durch Siege erkämpfter frieden» herrschte.1 in der fast fünfhundertjährigen Geschichte der römischen republik war dies offiziell nur ein einziges mal der fall gewesen. Der nahezu vergessene ritus wurde jetzt, nachdem die republik zusammengebrochen war, wiederbelebt, um in den bürgern die Hoffnung zu wecken, dass das Ende der bürgerkriege gleichzeitig der beginn einer friedensepoche sein würde. Wenn irgendetwas für diese Hoffnung sprach, dann war es die allgemeine Erschöpfung nach zwanzig Jahren voller blutiger Schlachten, massenexekutionen, Vertreibungen und Enteignungen. Gegen diese Hoffnung sprach zweifelsohne, dass es im Jahr 29 immer noch unklar war, was eigentlich als Ergebnis des langen blutigen ringens angesehen werden konnte. Der Sieger des bürgerkriegs, Gaius octavius – der spätere augustus –, war im Jahre 43 v. chr. als mitglied eines mit faktisch diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Direktoriums beauftragt worden, «den Staat neu zu konstituieren». nichts dergleichen war in der folgezeit geschehen. Stattdessen hatten die «Dreimänner» (triumviri) – so die offizielle bezeichnung des Direktoriums, bestehend aus marcus antonius, marcus aemilius lepidus und Gaius octavius – die ihnen anvertrauten Soldaten jeweils gegeneinander eingesetzt, mit dem alleinigen ziel, die dem Direktorium gesetzlich zuerkannte macht für ihre person zu monopolisieren. nen-
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I. Die Geburt einer neuen Staatsordnung
nenswerte Differenzen über die zukünftige staatliche ordnung bestanden weder bei den initiatoren der kriege noch in der römischen Elite oder in irgendeinem anderen teil der römischen Gesellschaft. So stand eine schlüssige antwort, welchem zweck das ganze blutvergießen gedient haben sollte, am Ende des krieges noch aus. Die Schlüsselfigur auf Seiten der Sieger war der junge Gaius octavius, ein Großneffe Gaius iulius caesars. in Ermangelung direkter männlicher nachkommen des nach dem tode vergöttlichten Diktators caesar war octavius gemeinsam mit zwei weiteren neffen bzw. Großneffen als Erbe des gigantischen privatvermögens caesars eingesetzt worden und, jedenfalls der offiziellen Darstellung zufolge, testamentarisch von seinem Großonkel adoptiert worden. Dem römischen Gewohnheitsrecht folgend, hatte er daraufhin den namen des adoptierenden angenommen, sich also seit 44 v. chr. Gaius iulius caesar genannt. Um ihn von seinem adoptivvater zu unterscheiden, wird der jüngere caesar auf den folgenden Seiten noch octavius genannt, obwohl er diesen namen in der öffentlichkeit nicht mehr führte. Der namenswechsel an sich hatte keine unmittelbaren staatsrechtlichen konsequenzen, wurde aber dennoch für den fortgang der politischen Geschichte entscheidend. Der Grund dafür war die dynastische Ethik des militärs. Die Soldaten, die auf den Eroberer Galliens, Gaius iulius caesar, eingeschworen worden waren, hielten diesem die treue über seinen tod hinaus und übertrugen ihre loyalität in elementarer Emotionalität auf den Erben des cäsarischen namens. Eine rechtliche Grundlage hatte diese loyalität nicht, jedenfalls nicht, wenn sie sich in faktischem militärischen Gehorsam äußerte, denn die aus dem militärischen Eid abgeleitete Gehorsamspflicht gegenüber einem bestimmten kommandeur endete mit der Entbindung von dem Eid bei Ende des feldzugs, aber natürlich auch beim tod des jeweiligen befehlshabers. Die eigenmächtige Übertragung der militärischen Gehorsamspflicht auf die zivilrechtlichen Erben eines kommandeurs war im römischen recht nicht vorgesehen, im Gegenteil: ein solches Verhalten war Hochverrat. Doch Gaius
Beendigung einer Revolution
octavius hatte niemals Skrupel, eben diese urwüchsige treue der «caesarischen» Soldaten zur Eroberung einer militärisch abgesicherten machtposition zu nutzen. Diese Veteranen hatten zudem in erster linie von den Vertreibungen und Enteignungen im italien der 40er und 30er Jahre profitiert, so dass ein band des komplizentums den jungen kriegsherrn und seine bewaffneten leute aneinanderknüpfte: im falle seines Sturzes hätten die Veteranen ihren raub kaum behaupten können. mehr noch: Gaius octavius hatte die militarisierung der politik noch ausgeweitet, indem er 32 v. chr. der gesamten bevölkerung innerhalb des von ihm damals kontrollierten machtbereichs, im Wesentlichen der westlichen Hälfte des imperium romanum, einen treueid auf seine person abverlangte, der dem militärischen loyalitätseid nachempfunden war. in der rückschau hat augustus später diesen erzwungenen treueid zu einer spontanen Selbstverpflichtung der bevölkerung stilisiert. nach der offiziellen Verkündigung des friedens empfand octavius offenbar das bedürfnis, seine militärische macht in konstitutionelle formen zu kleiden. als passenden rahmen für die inszenierung der legalisierung seiner position wählte der machthaber den altehrwürdigen Senat, das Standesparlament der republikanischen politischen Elite. in den 20er Jahren war dies eine Versammlung von Überlebenden, von Siegern und besiegten. Der Hass, der den bürgerkrieg gespeist hatte, hatte die traditionelle führungsschicht genauso gespalten wie die übrige bürgerschaft, vielleicht sogar noch tiefer, denn die Eliten hatten sich in der regel aussuchen können, für oder gegen wen sie kämpfen wollten. nach seinen Siegen hätte octavius die alte, stolze Elite buchstäblich vernichten können, wenn er das gewollt hätte. Doch er entschied sich für die politische Einbindung der alten Herrenklasse, deren Vertretern er großzügiges pardon anbot, wenn sie im bürgerkrieg auf der «falschen» Seite gekämpft hatten. Diese führungsschicht hatte sich, schon aufgrund der großen kriegsverluste in ihren reihen, für aufsteiger öffnen müssen, bei denen es sich naturgemäß meist um bedingungslose Unterstützer des iulischen clans handelte. im Ergebnis hatte sich ein überdimensionierter Senat mit über tau-
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I. Die Geburt einer neuen Staatsordnung
send mitgliedern herausgebildet, in dem neben zahlreichen triumphierenden aufsteigern gedemütigte aristokraten saßen, die zwar ihre Stammbäume über Jahrhunderte zurückverfolgen konnten, die aber zum guten teil im bürgerkrieg auf der unterlegenen Seite gestanden hatten. Es war vor allem dieses in sich zerrissene Gremium, dem, wie die offizielle Sprachregelung lautete, im Januar 27 v. chr. «der Staat zurückgegeben werden» sollte. Dies war der augenblick, in dem der Sieger der bürgerkriege offenbaren konnte, wie er sich die neue ordnung vorstellte, um damit gleichzeitig zu verdeutlichen, wofür die schweren opfer der vergangenen zwei Jahrzehnte gebracht worden waren. Das Ergebnis war ernüchternd und trug deutlich erkennbar züge eines provisoriums. Die inszenierung der «machtübergabe» war organisatorisch allerdings perfekt. noch Ende des Jahres 28 v. chr. waren per Verordnung alle gesetzeswidrigen maßnahmen der vergangenen Jahre für ungültig erklärt worden. Darin war die illegale Verleihung von kompetenzen an octavius selbst eingeschlossen. nicht betroffen war jedoch das prinzipiell reguläre consulamt, das er kontinuierlich seit 31 v. chr. bekleidete und das zu dieser zeit noch weitgehende militärische und legislative kompetenzen beinhaltete. Dass ein und dieselbe person eine der beiden consulstellen ohne Unterbrechung für sich reservierte, wie octavius dies tat, war allerdings nicht erlaubt – daran wagte jedoch niemand zu erinnern. im Jahr 27 v. chr. war Gaius octavius’ kollege im consulamt sein engster Vertrauter, marcus Vipsanius agrippa, so dass die Gruppe an der macht kein risiko einging, als octavius am 13. Januar in einer ausführlichen, angeblich von Selbstlob überbordenden rede die «rückgabe des Staates an Senat und Volk» erläuterte. zwei oder drei tage später erfolgte die antwort aus der mitte des Senats, dem nach der von octavius vorbereiteten inszenierung die rolle zufiel, die neuen Spielregeln der machtverteilung zu definieren. beneidenswert war diese rolle nicht. Jedem Senator dürfte klar gewesen sein, dass der militärmachthaber nur auf einige formale rechte verzichtet hatte, die nicht besonders wichtig waren, der kern seiner macht aber unangetastet geblieben war. im bürgerkrieg hatte er bewiesen, dass er seine militärische
Beendigung einer Revolution
Gefolgschaft gnadenlos einzusetzen bereit war, wenn er seine persönliche Stellung gefährdet sah. Jeder beteiligte hatte die lektion verinnerlicht. Die Senatoren hatten sich nun an der inszenierung der wiederhergestellten republik zu beteiligen und ihre eigene rolle in dieser fortan tatsächlich nur mehr imitierten republik zu definieren. zunächst – teilweise bereits am 13. Januar – formulierten sie einen umfangreichen katalog übersteigerter Ehrungen für octavius, die diesen in eine sakrale Sphäre rückten und jedem betrachter verdeutlichten, dass dieser mann auch zukünftig unerreichbar weit über allen anderen bürgern stehen würde. bei der Suche eines neuen offiziellen namens für octavius einigten sich die Senatoren und er selbst auf «augustus» («der Erhabene»), ein der religiösen Sprache entlehntes Wort. offiziell nannte sich octavius von nun an «imperator caesar, Gottessohn, augustus». imperator, «befehlshaber», hatte er bereits 40 oder 38 v. chr. als Vornamen gewählt; der beiname seines vergöttlichten adoptivvaters rückte an die Stelle des familiennamens und die anschließende angabe «Gottessohn» bezog sich auf die himmlische Entrückung Gaius iulius caesars. Der beiname augustus war gewissermaßen das individualisierende moment in diesem Staatsnamen. an Stelle des vollständigen Herrschernamens oder seiner einzelnen bestandteile wird in der deutschen Sprache häufig das Wort «kaiser» verwendet, um augustus oder die nachfolger in seiner position zu bezeichnen. Staatsrechtlich und historisch ist die Verwendung dieses begriffs in vieler Hinsicht anstößig, doch andererseits so fest im Sprachgebrauch verankert, dass er auch in dieser Darstellung zuweilen verwendet wird. Eine der ersten Ehrungen für augustus, die die Senatoren beschlossen, war die zuerkennung der corona civica, der «bürgerkrone aus Eichenlaub», die zukünftig die pforte des augusteischen Wohnsitzes schmücken sollte, «weil er» – so wahrscheinlich der Wortlaut des Senatsbeschlusses – «dem römischen Volk den Staat zurückgegeben hat».2 Ursprünglich war die bürgerkrone eine militärische auszeichnung für Soldaten, die einem römischen bürger das leben gerettet hatten. Der Senat honorierte also mit der Wahl dieses Symbols, dass der Sieger des bürgerkriegs auf weitere willkürliche
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ab 26 v. Chr.
Korsika
AF R I C A
D AK ERR EIC H
Rom
ITALIA
Malta
Sizilien
S ICI LI A
29 v. Chr.
MOESIA
u Dona
Kreta
C Y RE N E
Mittelmeer
27 v. Chr.
AC HAEA
Ägäis
MA CED ON I A
Ionisches Meer
Adria
D ALMAT I A
9 n. Chr.
ILLYRI CU M
ab 30 v. Chr.
A E GY P TU S
AR M E N I A
S YR I A
Rotes Meer
6 n. Chr.
J U D AE A
CY P R US
ab 27 v. Chr. Zypern
Antiochia
GA L AT I A
ab 25 v. Chr.
Alexandria
Rhodos
ASIA
B I TH Y N I A E T P ON T US
Schwarzes Meer
14 n. Chr.
BO S P OR A N . R EIC H
Das Imperium Romanum zur Zeit des Augustus
ab 16 v. Chr. PANN ONIA 10 n. Chr.
Tyrrhenisches Meer
Sardinien
S AR DINI A
N U M ID IA
Senatorische Provinzen Kaiserliche Provinzen Erwerbungen des Augustus Klientelkönigtümer Legionslager unter Augustus
Elba
CORSICA
Mittelmeer
Balearen
ab 19 v. Chr.
TA RRACONE NSIS
ab 22 v. Chr.
N A R B O N E N S IS
u
Do na
N O RI C U M
R AE TIA
ab 15 v. Chr.
12 v. Chr. bis 9 n. Chr.
GERMANIA
Ostsee
0
Eu ph rat
300 km
PAR T HI S CHE S R EIC H
ris
M A U R ETA N I A
B AETICA
L U S I TA N I A
ab 16 v. Chr.
GALLIA
AQ U ITA NIA
Loire
Nordsee
B E L G IC A
BRITANNIA
LUGD UN ENSI S
ro Eb
Tajo
Atlantischer Ozean
(Irland)
HI BE RNI A
in Rhe g Ti
Nil
16 I. Die Geburt einer neuen Staatsordnung
Beendigung einer Revolution
Exekutionen, wie sie typisch für die Jahre zuvor gewesen waren, zu verzichten bereit war. Weiterhin sollte in der Curia Iulia, dem Versammlungssaal des Senats am forum romanum, an zentraler Stelle ein goldener Ehrenschild angebracht werden, auf dem die vier augusteischen Haupttugenden («mannhaftigkeit, milde, Gerechtigkeit, pflichtgefühl gegen die Götter und das Vaterland») zu lesen waren. Sein privathaus erhielt das Erscheinungsbild eines priesterlichen amtslokals. Es wäre ermüdend, alle weiteren Ehrungen zu beschreiben, die sich die Senatoren in dieser historischen Stunde einfallen ließen und die schon damals ins maßlose gesteigert wurden. Die Senatssitzung am 15. (oder 16.) Januar hatte jedoch auch eine staatsrechtliche komponente: Die Senatoren mussten Vorschläge unterbreiten, wie die gegebenen machtverhältnisse zukünftig in normen ausgedrückt sein sollten. offiziell war dabei keineswegs an die neuformulierung eines permanent gültigen Staatsorganisationsrechts gedacht. Der staatsrechtliche ordnungsrahmen sollte vielmehr von der alten aristokratischen republik im Großen und Ganzen übernommen werden. Um der besonderen Stellung des «ersten bürgers» (princeps) gerecht zu werden, wurde jedoch eine art notstandselement in diese Verfassung eingebaut, dessen Geltung auf zehn Jahre oder, je nach Dauer des notstands, auch auf kürzere zeit beschränkt sein sollte. Da nur wenige monate zuvor die allgemeine befriedung der ökumene mit großem aufwand gefeiert worden war, war die begründung für den Staatsnotstand, der jetzt verkündet werden sollte, eine semantisch anspruchsvolle aufgabe. Der Senat verfiel in absprache mit augustus auf die lösung, neun reichsprovinzen zu benennen, deren innere oder äußere Gefährdung eine militärische befriedung angeblich dringend notwendig machte. in Wirklichkeit herrschte weder totaler frieden, wie 29 v. chr. behauptet, noch totaler krieg, der die Übertragung so umfangreicher Sondervollmachten an einen Einzelnen gerechtfertigt hätte. in einigen der augustus übertragenen provinzen gab es tatsächlich lokalen Widerstand gegen die besatzungsmacht (zum beispiel in Ägypten, allerdings auch schon zur zeit der Schließung des
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I. Die Geburt einer neuen Staatsordnung
ianustempels). konflikte dieser art entsprachen jedoch dem normalzustand, mit dem die römische republik seit Jahrhunderten gelebt hatte. Die notstandsfiktion gab hingegen Gelegenheit, bürger und Untertanen an das «Doppeldenken» der neuen zeit zu gewöhnen: augustus war zur selben zeit friedensherrscher und erfolgreicher feldherr an zahlreichen fronten, eine eigentlich unvereinbar gespaltene positionierung, die aber bis heute den augusteischen mythos wesentlich prägt. praktisch umgesetzt wurde die notstandsfiktion dann dergestalt, dass augustus eine reihe von provinzen als besonderen kommandobereich erhielt, innerhalb dessen er in den nächsten Jahren für «frieden» sorgen sollte. Vergleichbare konstrukte hatte es zur zeit der aristokratisch geführten republik bereits vereinzelt gegeben, etwa als pompeius 67 v. chr. durch ein plebiszit das gesamte mittelmeer mit seinen küstensäumen zur bekämpfung von piraten als zuständigkeitsbereich (provincia) überlassen wurde. in solchen fällen hatten sich die spätrepublikanischen feldherren sogenannter legaten, an die befehlsgewalten delegiert wurden, bedienen können, um ihren Willen in den außergewöhnlich weit ausgedehnten operationsbereichen durchsetzen zu können. Daran knüpfte augustus nun äußerlich an, indem er die seinem kommando zugefallenen Gebiete durch sogenannte «legaten des augustus» (legati Augusti) kontrollieren ließ. neu war allerdings gegenüber den spätrepublikanischen konstrukten, dass diese Gebiete sich geographisch nicht berührten – es handelte sich um große teile der iberischen Halbinsel, die vier gallischen provinzen, zypern, Syrien mit kilikien und Ägypten. Die befehlsgewalt über diese provinzen übte augustus als consul aus. in dieses amt musste er wie in republikanischer zeit Jahr für Jahr erneut nach einer förmlichen kandidatur gewählt werden, um seine notstandsfunktionen in den «nicht befriedeten» provinzen wahrnehmen zu können. Vermutlich waren allerdings keine weitgehenden Wahlmanipulationen notwendig, um seine routinemäßigen Wahlerfolge zu gewährleisten, weil der bürgerkriegssieger in weiten kreisen eine große popularität genoss. an dem modus, nach dem die übrigen, offiziell «befriedeten» provinzen an die jeweiligen Gouverneure vergeben wurden, än-
Beendigung einer Revolution
derte sich formal gegenüber der republikanischen ordnung nichts. cassius Dio, ein Senator, dem wir den bei weitem ausführlichsten bericht über die Ereignisse von 27 v. chr. verdanken, schrieb über 200 Jahre später in einer missverständlichen, aber einflussreichen formulierung, diese befriedeten provinzen seien «dem Senat überlassen worden».3 Der Senat als Gremium hat jedoch niemals in der römischen Geschichte, weder vor augustus noch später, provinzen regiert (deswegen spricht man heute meist von «provinzen des römischen Volkes» und nicht mehr von «Senatsprovinzen»). Die regierungsgewalt über die einzelnen provinzen lag vielmehr bei den in rom für eine begrenzte zeit ernannten Gouverneuren, also in der großen mehrzahl der fälle bei einzelnen Senatoren. Der Unterschied zwischen den augusteischen und den von Dio «senatorisch» genannten provinzen lag in dem auswahlverfahren dieser Statthalter: in den «provinzen des augustus» wählte augustus die Statthalter als seine legaten persönlich aus und legte ihre aufgaben fest, bei den übrigen provinzen entschied wie in republikanischer zeit das los darüber, wer als Gouverneur welche provinz erhielt. ausgelost wurden diese provinzgouverneure aus demselben personenkreis, aus dem augustus seine legaten wählte, den avancierten Senatoren. Um den Unterschied zu den augusteischen «legaten» deutlich zu machen, führten die nach herkömmlichem Verfahren ausgelosten Statthalter den titel pro consule (wörtlich: «anstelle eines consuls»). Da in den augusteischen provinzen die weitaus meisten legionen des imperiums stationiert waren, gibt die ganze konstruktion ihren eigentlichen Sinn klar zu erkennen: Sie sollte die faktische Verfügungsgewalt von augustus über das militärische potential des imperiums in einem staatsrechtlichen rahmen legalisieren. Von den genannten maßnahmen abgesehen, wurde formalrechtlich betrachtet die alte ordnung tatsächlich weitgehend wieder eingeführt. Die stadtrömischen magistrate sollten per Volkswahl bestimmt werden, der Senat autoritative «ratschläge» (consulta) zur regierungsführung erteilen dürfen und die überkommene Gerichtsordnung in italien und den provinzen weiterhin gelten. am meisten überraschen muss, dass die Hoheit über die Staatskasse,
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das aerarium Saturni, pro forma bei dem Senat und den zuständigen magistraten verblieb. Da augustus als faktischer oberbefehlshaber des Heeres für dessen besoldung zuständig war, schien diese tatsache in ganz besonderem maß für die kooperationswilligkeit des neuen machthabers zu sprechen. De iure hätte ihm der Senat die Soldauszahlungen an seine Soldaten sperren können.
2. Die Ausgestaltung der neuen ordnung in den Krisen von 27–19 v. Chr. als staatsrechtliches resultat der «römischen revolution» war eine neue machtverteilung in den provinzen roms präsentiert worden, und diese sollte nur für einige, höchstens aber zehn Jahre Gültigkeit haben. in Wirklichkeit steckte indes mehr hinter dieser regelung: Das kommando über den Großteil der legionen und über zehntausende von Soldaten der Hilfstruppen gab augustus die möglichkeit, eine faktische oberaufsicht über die wiederhergestellte konstitutionelle ordnung auszuüben. Wo die toleranzgrenzen lagen, deren Überschreitung den princeps zum Eingreifen veranlassen würde, war allerdings nicht klar definiert. Die «rückgabe des Staates» an die alten Eliten hatte diesen theoretisch sehr weite Spielräume belassen, und trotz der bereitschaft zur Selbstdemütigung, die nicht zuletzt der Januar 27 v. chr. offenbart hatte, darf nicht vergessen werden, welcher geballte Einfluss im römischen Senat versammelt war, in dem in der kaiserzeit exklusiv die höchste Vermögensklasse der bürgerschaft vertreten war. auch der zweite Stand, die römischen «ritter», oder das Unteroffizierskorps der römischen armee waren keineswegs subaltern eingestellt. Vor dem Hintergrund einer seit Jahrhunderten andauernden erfolgreichen Expansionspolitik ihres Staates und ihres Heeres fühlten sich diese männer nicht zu Unrecht als Herren der bekannten Welt. Es überrascht daher nicht, dass augustus noch eine reihe von konflikten mit dieser alten Herrenklasse auszutragen hatte, bevor seine überragende machtstellung allgemein anerkennung finden sollte. am beginn stand der fall des von augustus eingesetzten
Die Ausgestaltung der neuen ordnung
militärgouverneurs Ägyptens (praefectus Aegypti), Gaius cornelius Gallus, der seine rolle bei der bekämpfung lokaler ägyptischer Widerstandsgruppen nach meinung des augustus auf den inschriften einiger Ehrenmonumente über Gebühr herausgestrichen hatte. nachdem er von seinem kommando im Jahr 27 v. chr. abberufen worden war und augustus ihm offiziell die freundschaft aufgekündigt hatte, forderte eine entschlossene Senatsfraktion eine harte bestrafung des ehemaligen Günstlings und persönlichen freundes des augustus. Gallus beging bald darauf, im Jahr 26 v. chr., Selbstmord. konflikte dieser art hatten den Effekt, die realen, von keinem Gesetz geregelten machtverhältnisse einzuschärfen: zukünftig wagte kein senatorischer oder ritterlicher kommandeur mehr, einen militärischen Erfolg in erster linie als seinen eigenen zu bezeichnen. im Jahr 19 v. chr. durfte zum letzten mal ein römischer Senator einen triumph feiern; nach diesem Datum galten alle Erfolge römischer Soldaten per definitionem als Erfolge des kaisers. nur niederlagen blieben auch weiterhin im Verantwortungsbereich der tatsächlichen kommandeure. Eine weitere machtprobe fand mitte der 20er Jahre statt. marcus primus, der makedonien als proconsul regiert hatte, wurde nach seiner rückkehr aus der provinz vor einem Geschworenengericht angeklagt, er habe die Grenzen seiner provinz bei einer militäraktion ohne Erlaubnis überschritten. Dass Statthalter nach beendigung ihrer amtszeit in rom angeklagt wurden, hatte in der republikanischen zeit zu den festen bestandteilen des innenpolitischen kleinkriegs der senatorischen Elite gehört. insofern erweckte der prozess den Eindruck, als ob die von augustus zugesagte «Wiederherstellung der republik» tatsächlich funktionieren würde. Doch dann geschah etwa Unvorhergesehenes: primus berief sich in der Gerichtsverhandlung – die sich nach altem römischen Herkommen öffentlich abspielte – darauf, dass er sehr wohl unter instruktionen gehandelt und diese von augustus persönlich erhalten habe. Diese aussage rüttelte an dem noch instabilen neuen Staatsgefüge, denn sie implizierte, dass augustus von seinem consulamt Gebrauch gemacht hatte, um in die angelegenheiten eines Statthalters «des römischen Volkes» hineinzuregieren. prin-
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zipiell war er als consul zwar zu einer solchen intervention befugt, dem Geist der 27 v. chr. so ostentativ zelebrierten machtteilung hätte eine solche maßnahme jedoch kaum entsprochen. ohne vorgeladen zu sein, erschien augustus daher vor dem Geschworenengericht, um zu der aussage des marcus primus Stellung zu nehmen. Der rechtsbeistand von primus, licinius Varro murena, soll augustus brüsk gefragt haben: «Was tust du hier und wer hat dich gerufen?» Die antwort soll gelautet haben: «der Staat».4 Der prätor, der das Verfahren leitete, war vorsichtiger und ließ den imperator seine aussage machen, mit der augustus den angeklagten ins Unrecht setzte: instruktionen, wie primus sie erhalten zu haben behauptete, seien nicht erteilt worden. Die Geschworenen verurteilten den ehemaligen proconsul daraufhin, aber mit nur einer sehr knappen mehrheit. in späteren Jahren schaltete augustus sich ganz offen in die belange «senatorischer provinzen» ein, so dass der ideologische charakter der fiktiven machtteilung von 27 v. chr. noch stärker hervortrat. Der prozess des primus hatte jedoch bereits im Jahr 23 v. chr. alle politischen Entscheidungsträger gelehrt, dass die genauen modalitäten dieser machtteilung juristisch nicht verhandelbar waren, sondern von augustus von fall zu fall interpretiert wurden. Da die konsequente austragung des konfliktes 23 v. chr. möglicherweise an den Grundfesten der neuen ordnung gerüttelt hätte, traf es sich für augustus gut, fast schon etwas zu gut, dass gerade zu diesem zeitpunkt die angebliche beteiligung von licinius murena, dem kühnen rechtsbeistand des marcus primus, an einer weitverzweigten Verschwörung aufgedeckt wurde, an der auch murenas bruder, ein consul des Jahres 23 v. chr., beteiligt gewesen sein soll. Die beschuldigten verzweifelten sofort an ihrer Sache und begaben sich auf eine überstürzte flucht, wurden aber von den Häschern des augustus bald eingeholt und ermordet. in rom wurde ein Sondergerichtshof eingesetzt, der nach den von augustus entworfenen Vorgaben tagte: Die Geflohenen wurden in absentia angeklagt, die Urteilsabgabe der Geschworenen hatte entgegen der sonst üblichen Verfahrensweise namentlich und öffentlich zu erfolgen und das abstimmungsergebnis musste einstimmig
Die Ausgestaltung der neuen ordnung
sein. Unter diesen bedingungen waren die scharfen Urteilssprüche absehbar. Der Senat ordnete ein Dankfest wie nach einem militärischen Sieg an. Die krisen dieser Jahre ließen in augustus den Entschluss reifen, den kompromiss von 27 v. chr. in seinem interesse zu ändern. Während des latinerfests 23 v. chr. legte er seine consulwürde nieder und zeigte damit an, dass er mit der vier Jahre zuvor gefundenen machtverteilung nicht mehr zufrieden war. Staatsrechtlich war der Verzicht auf das consulamt für augustus zunächst risikolos, da die mit dem amt verbundene befehlsgewalt nach geltendem recht zunächst weiterbestand und erst dann erloschen wäre, wenn augustus die Stadt rom nach dem abschluss des latinerfests, das außerhalb roms auf dem albanerberg begangen wurde, wieder betreten hätte. Solange er dies nicht tat, galten die auf zehn Jahre befristeten Sondergewalten über seine provinzen weiter. für pompeius hatte sich nach 55 v. chr., als er ein außerordentliches kommando in Spanien erhalten hatte, das er aber von italien aus wahrnehmen wollte, die gleiche Unbequemlichkeit ergeben: Er hatte seinerzeit ein Haus auf dem marsfeld als Wohnsitz gewählt, das außerhalb der offiziellen Stadtgrenze roms lag. auf die Dauer wäre für augustus die analoge Situation allerdings nicht nur unbequem gewesen, sondern hätte auch einen erheblichen machtverlust bedeutet. Denn vor 23 v. chr. hatte er als consul in rom Volksversammlungen und Senatssitzungen leiten und auf diese Weise einen ausschlaggebenden Einfluss auf innenpolitische Entscheidungsfindungen nehmen können. mit der niederlegung des consulats hatte er nicht nur auf diese Einflussmöglichkeiten verzichtet, sondern sich formal der möglichkeit einer erneuten bewerbung begeben, da diese in rom stattfinden musste und er bei betreten der Stadt seine militärische befehlsgewalt eingebüßt hätte. natürlich war es nicht seine absicht, diese Schmälerung seiner macht langfristig hinzunehmen. Ähnlich wie viereinhalb Jahre zuvor erfolgte im anschluss an den ostentativen machtverzicht die inszenierung eines mit den maßgeblichen Senatskreisen abgestimmten staatsrechtlichen aktes, mit dem der nur theoretische machtverlust mehr als kompensiert wurde. augustus erhielt für
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eine befristete zeit bestimmte amtsvollmachten, die normalerweise consuln und Volkstribunen innehatten, ohne dass er diese Ämter tatsächlich bekleiden musste. Seine Herrschaftsrechte über die ihm unterstellten provinzen und legionen wurden wahrscheinlich in einem speziellen consularen imperium (consularer befehlsgewalt) zusammengefasst, das in der forschungsliteratur meist, um deutlich zu machen, dass diese befehlsgewalt vordringlich auf die «kaiserlichen» Provinzen bezogen war, «proconsulares imperium» genannt wird. Dieses imperium entsprach nicht exakt demjenigen, das normalerweise ein consul oder Statthalter besaß, sondern war in bestimmter Hinsicht einerseits eingeschränkt, in anderer Hinsicht aber auch deutlich privilegiert. Die wichtigste besonderheit bestand darin, dass die befehlsgewalt über die Soldaten nicht mehr, wie es der staatsrechtlichen regel entsprochen hätte, erlosch, wenn augustus die Stadt betrat, sondern kontinuierlich galt. Damit war auch die 27 v. chr. festgelegte befristung seiner Sondergewalten faktisch aufgehoben worden, denn die frist eines imperiums bezeichnete nach römischem recht lediglich den tag, an dem frühestens ein nachfolger für den inhaber der in frage stehenden befehlsgewalt benannt werden konnte. Dass aber nach den jüngsten Ereignissen irgendjemand daran denken konnte, für augustus einen «nachfolger» vorzuschlagen, war ausgeschlossen. Das proconsulare imperium des augustus beinhaltete im Wesentlichen die militärischen kompetenzen, mittels derer augustus die regierungsgewalt über die ihm unterstehenden provinzen ausübte. Um ihm auch im zivilen bereich (lateinisch domi: «zu Hause») weiterhin staatsrechtlich abgesicherte Eingriffsrechte in die politische Willensbildung zu sichern, wurde ihm bei der gleichen Gelegenheit die amtsvollmacht (potestas) eines Volkstribunen übertragen. neben den positiven kompetenzen, die in dieser Vollmacht enthalten waren, wie etwa dem recht, den Senat zusammenzurufen, um diesem eine beschlussvorlage zu unterbreiten, umfasste die tribunizische potestas vor allem auch weitgehende Vetorechte, die diese amtsgewalt für augustus besonders wertvoll machten. Er konnte mittels dieser Vollmacht jedwede beschlussfassung, sei es des Senats, einer Volksversammlung oder eines Gerichts, schon im
Die Ausgestaltung der neuen ordnung
ansatz unterbinden. Diese «negativen» rechte verliehen ihrem inhaber, wenn sie klug genutzt wurden, weitreichende Einflussmöglichkeiten auf das politische leben in rom. Wie wichtig augustus die Verfassungsänderung des Jahres 23 v. chr. war, wird unter anderem daran sichtbar, dass er von diesem Jahr an seine regierungsjahre zählte (nicht vom Jahr 27 an, das heute als beginn seiner Herrschaft angegeben wird). mit der Verleihung der tribunizischen und proconsularen Vollmachten an augustus war die alte konstitutionelle form der republik endgültig ausgehebelt. zwar hat augustus selbst in seinem lebensbericht behauptet, er habe sich durchgehend innerhalb der verfassungsrechtlichen Spielräume bewegt, und seinen überragenden Einfluss auf das politische Geschehen mit der «autorität» (auctoritas) seiner persönlichkeit erklärt,5 doch ist dies nicht mehr als ein beitrag zur verklärenden mystifizierung einer diktatorischen Verfassungswirklichkeit. Die republikanische Verfassung hatte zahlreiche mechanismen gekannt, deren Sinn es gewesen war, die politischen Handlungsspielräume Einzelner im aristokratischen konkurrenzkampf zu beschränken. Dazu gehörte die zeitliche begrenzung von Ämtern auf ein Jahr (annuität), die einklagbare rechenschaftspflicht nach der niederlegung eines amtes, das Gebot einer mehrjährigen pause zwischen der nochmaligen bekleidung eines hohen amtes (iterationsverbot) und vieles andere mehr. alle diese kautelen wurden mit der dauerhaften Verleihung tribunizischer und proconsularer Vollmachten an eine einzelne person missachtet. Die tiefgreifende ambivalenz des durch diese Übertragungen herbeigeführten zustandes bestand darin, dass große teile der alten ordnung formal weiterbestanden, aber nur insoweit frei spielen konnten, als der imperator es gestattete. augustus verlangte von dem höchsten Stand, den Senatoren, immer wieder, dass er sein Einverständnis mit der ambivalenz der neuen ordnung rituell demonstrierte. Die notstandsvollmachten, die ihm 27 v. chr. verliehen worden waren, liefen 18 v. chr. aus und wurden anschließend um fünf Jahre, später wieder um zehn Jahre verlängert. Der Senat war jeweils nach ablauf dieser zeitabschnitte aufgerufen, darüber zu befinden, ob die augustus verliehenen pro-
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vinzen «befriedet» seien oder ob eine Verlängerung der Sondervollmachten notwendig sei. Erwartungsgemäß wurde regelmäßig das andauern der besonderen Umstände festgestellt und augustus gebeten, einer Erneuerung seines imperiums zuzustimmen. zu den ritualen, die zur Einübung der fiktiven konstitutionalität des augusteischen Systems beitrugen, gehörten auch die gelegentlich zwischen kaiser und Senat vollzogenen provinzwechsel. Das erste mal wurde ein solcher tausch bereits im Jahr 22 v. chr. zelebriert: in diesem fall gab augustus die provinzen zypern und Gallia narbonensis (etwa die heutige provence) als «befriedet» an «Senat und Volk» zurück und erhielt als kompensation das strategisch weitaus wichtigere illyricum (das Gebiet südlich der Donau zwischen noricum und macedonia), das in der nahen zukunft als aufmarschgebiet gebraucht wurde. Solche «tauschgeschäfte» wurden zwischen kaiser und Senat über 200 Jahre lang zuweilen vorgenommen und halfen die illusion einer machtteilung zwischen beiden politischen kräften aufrechtzuerhalten. Wenige Jahre später, im Jahr 19 v. chr., folgte, wiederum im anschluss an eine schwere innere krise, ein weiterer ausbau der augusteischen machtstellung. augustus war 22 v. chr. in das militärische Hauptquartier an der ostfront aufgebrochen, um dort gemeinsam mit agrippa die operationen in dem geplanten krieg gegen das parthische königreich zu leiten. in abwesenheit des imperators begannen in rom wieder jene gewalttätigen konkurrenzkämpfe einzelner Senatoren, die für die letzten Jahrzehnte der republik so charakteristisch gewesen waren. Ein junger aristokrat mit namen marcus Egnatius rufus bewährte sich 22 v. chr. als Ädil mit einer effektiven feuermelde- und brandbekämpfungsstrategie. noch während seiner amtszeit als Ädil bewarb er sich in flagrantem Verstoß gegen geltendes recht um die nächste Stelle auf der senatorischen karriereleiter: die prätur. zwischen der bekleidung der senatorischen Jahresämter musste jedoch von rechts wegen ein zwischenraum von zwei Jahren liegen, in denen der ehemalige magistrat für seine amtsführung rechenschaftspflichtig gemacht werden konnte. im Hauptquartier auf Samos lösten die nachrichten über diese Vorgänge alarmstimmung aus. meh-
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rere vom Senat instruierte Delegationen drängten augustus, den 23 v. chr. niedergelegten consulat wieder anzunehmen, möglichst für immer. agrippa, der die Hauptverantwortung für die militärische koordination des geplanten feldzugs trug, wurde von augustus nach rom beordert – ein zeichen dafür, wie ernst der Herrscher die lage nahm. Doch in der folgezeit wurden die «Wahlkämpfe» in rom immer erbitterter und ähnelten zunehmend einem bürgerkrieg. Die auseinandersetzungen um die besetzung der zweiten consulatsstelle des Jahres 19 v. chr. eskalierten bis zu Straßenschlachten und morden. Es konnte der Eindruck entstehen, als wollte die alte Elite beweisen, dass sie ohne augustus nicht mehr in der lage war, politik in konstitutionellen bahnen zu betreiben. Der kriegszug gegen die parther wurde eilig abgebrochen und augustus kehrte 19 v. chr. nach rom zurück. noch auf der reise ernannte augustus ohne formalitäten einen consul von seinen Gnaden, um den gewalttätigen bewerbern, darunter Egnatius rufus, den zugang zum höchsten Staatsamt auf diese Weise zu versperren. Wenig später wurde nach nun schon bekanntem muster eine Verschwörung gegen augustus «aufgedeckt»; die prompte Verhaftung und Exekution von Egnatius und seinen anhängern folgten. Die begrüßung des zurückgekehrten war enthusiastisch, neue hyperbolische Ehrungen wurden beschlossen, von denen augustus nur wenige akzeptierte, darunter die Weihung eines altars für die «Heimleitende fortuna», eine um glückliche Heimkehr angerufene Göttin. cassius Dio ordnet den angeblich allgemeinen Enthusiasmus nüchtern ein: «Da das Verhalten (sc. der Leute in Rom) vollkommen gegensätzlich war, je nachdem ob er (Augustus) abwesend war – dann bekriegten sie sich un tereinander –, oder ob er in Rom war – dann hatten sie Angst vor ihm –, wurde er, nachdem er zur Kandidatur aufgefordert worden war, zum Auf seher über die Sitten für fünf Jahre gewählt und erhielt für dieselbe Zeit censorische Vollmachten und consulare Vollmachten auf Lebenszeit.»6
Die allgemeine Gesetzes- und Sittenaufsicht (curatio legum et mo rum) hat augustus nach der aussage in seinem posthum veröffentlichten autobiographischen bericht nicht angenommen, weil sie
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«gegen das Herkommen» gewesen sei. Er lässt allerdings durchblicken, dass er sich stark genug fühlte, Gesetzgebung und Wahlen auch ohne neue kompetenzen zu manipulieren. nicht ganz klar ist, was cassius Dio mit den consularen Vollmachten meint, über die augustus im Jahr 19 v. chr. im Wesentlichen doch schon verfügte. Ein entscheidender Hinweis könnte in der beobachtung des Historikers liegen, dass die anwesenheit des augustus in rom die leute einschüchterte und zu friedfertigem Verhalten erzog. Dazu passt, dass nach der Schilderung desselben autors das öffentliche auftreten des augustus nach 19 v. chr. stärker demjenigen eines regulären consuls angenähert und generell seine öffentliche präsenz erhöht wurde. Er erhielt in der folgezeit zwölf lictoren (bewaffnete amtsdiener) als begleiter und einen amtssessel, der zwischen denjenigen der regulären consuln aufgestellt wurde. Diese machtsymbole, lictoren, ihre rutenbündel und beile, der «curulische Sessel», übten von alters her eine starke Wirkung auf das publikum aus. nimmt man hinzu, dass die bloße physische rückkehr des augustus im oktober 19 die politischen Unruhen der vorhergehenden Jahre mit einem Schlag beendete, wird deutlich, dass die symbolische Unterstreichung der Gegenwart des machthabers keinesfalls nur ein untergeordnetes politisches privileg war. Die öffentlichen repräsentationsformen wurden im Jahr 19 v. chr. den Veränderungen der machtrealitäten angepasst. Wenn augustus im rückblick auf die krise des Jahres 19 schreibt,7 er habe seinerzeit den Willen des Senats auch ohne neue kompetenzen umgesetzt, bezieht er sich wahrscheinlich auf die neuaufstellung der Senatsliste, die allerdings weniger ein Wunsch «des Senats» in seiner Gesamtheit als seiner führenden, dem Herrscher besonders nahestehenden mitglieder war. potentielle Unruhestifter wie Egnatius rufus, die sich nicht damit abfinden konnten, dass die zeit freier, vielleicht auch tumultuarischer Wahlkämpfe vorbei war, sollten aus dem Gremium entfernt werden. Die Endredaktion der neuen Senatsliste nahm augustus laut der Darstellung seines biographen Sueton8 in der pose eines Diktators vor, erhöht zwischen den regulären konsuln als eine art Überkonsul platziert, von einer leibwache aus zehn seiner senatorischen
Die Ausgestaltung der neuen ordnung
freunde umgeben und mit brustpanzer und Schwert bewaffnet. Etwa 200 von insgesamt 800 mitgliedern verloren ihren Senatssitz. Spätere Wiederholungen der demütigenden prozedur verdeutlichten, dass die ursprünglich auf lebenszeit erfolgende aufnahme in den Senat zu einem prekären akt geworden war, da faktisch jeder, der augustus nicht genehm war, durch einfachen befehl wieder aus dem hohen Haus entfernt werden konnte. auf der anderen Seite belohnte er loyale anhänger, indem er sie in die reihe der patrizischen Geschlechter aufnahm, also in den kreis des in die königszeit zurückreichenden Erbadels roms. Eine gewisse renitenz der politischen Eliten gegenüber dem neuen machthaber ist auch nach dem ausleseprozess und der institutionellen Stärkung der zentralgewalt nicht zu übersehen. allerdings äußerte sich diese ablehnung nach 19 v. chr. nicht mehr in offenem Widerspruch, sondern eher in einer gewissen passivität. in manchen Jahren konnten nicht genügend bewerber für eine Senatslaufbahn gefunden werden, so dass augustus auf Ernennungen zurückgreifen musste. zudem praktizierten die angehörigen der oberschicht, aber offenbar zum teil auch normale bürger, zunehmend Ehe- und kinderlosigkeit. besonders für aristokratische familien, die normalerweise auf fortführung ihrer Genealogien bedacht sind, ist dies ein ganz und gar untypisches Verhalten, das augustus offenbar als ausdruck einer Verweigerungshaltung verstand und nicht hinzunehmen bereit war. Er reagierte mit einer mischung aus empfindlich sanktionierten Geboten und anreizen, um römische bürger zu Eheschließung und kinderzeugung anzuhalten. Ehelosigkeit wurde, selbst bei kurzfristig Verwitweten, verboten; Ehebruch und als abweichend empfundene sexuelle praktiken wurden strafrechtlich sanktioniert. kinderlose wurden bei politischen karrieren und im bürgerlichen recht vielfältig systematisch benachteiligt. Die Sittengesetzgebung des augustus ist ein weiterer ausdruck der rasch voranschreitenden institutionellen zentralisierung, die es dem Herrscher erlaubte, selbst das privatleben der bürger relativ weitgehend zu reglementieren. Die institutionelle ausgestaltung seiner position erfuhr ihre Vervollständigung im Jahr 12 v. chr. mit
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der Übertragung des oberpontifikats, das ihn zum obersten aufseher über das römische kultwesen und seinen festkalender machte. Doch neben den rechtlichen erfuhren auch die personenzentrierten und emotionalen momente der augusteischen Herrschaft eine weitere festigung. Das betrifft zum beispiel den kaiserkult, der in abschnitt iii . 2. eingehend behandelt wird. Eine wichtige rolle spielten in dieser beziehung auch die kaisereide, die praktisch jedermann in ein persönliches treueverhältnis zu augustus und seiner familie stellten. in den Eidestexten mussten die bürger und Untertanen des imperiums versichern, das leben des imperators unter Einsatz des eigenen gegen feinde zu schützen. «feind» (hostis) war jeder, den augustus dazu erklärte – aber auch, wer gegen einen vom imperator designierten feind nicht entschlossen genug einschritt. Eine inschrift aus dem entlegenen Gangra in paphlagonien, nordöstlich des heutigen ankara, bewahrt den text eines solchen Eides, mit dem die bevölkerung «an den altären des augustus» im Jahr 3 v. chr. auf den imperator eingeschworen wurde. nach dem Gelöbnis unverbrüchlicher treue gegenüber dem kaiserhaus musste sich jeder zur Denunziation verpflichten, falls ihm zu ohren kommen sollte, dass irgendjemand sich illoyal gegenüber augustus äußerte oder verhielt. Es heißt dann weiter: «(Ich schwöre,) dass ich demjenigen Todfeind sein werde, der etwas Der artiges sagt, rät oder tut. Dass ich diejenigen, die sie (sc. Augustus, seine Kinder und Enkel) als Feind beurteilen, zu Land und zu Wasser mit Schild und Schwert verfolgen und abwehren werde. Falls ich gegen meinen Schwur handeln werde (…), so werde ich mich selbst verfluchen, meinen Leib, meine Seele, mein Leben und das meiner Kinder und meiner ganzen Familie.»9
Die Eidesformel führt einmal mehr vor augen, dass die mittel, mit denen der immer wieder gefeierte «augustusfrieden» herbeigeführt wurde, drastischer natur waren. Das leben eines jeden Untertanen oder bürgers galt als verwirkt, wenn er auch nur anzeichen einer feindseligen Gesinnung gegenüber dem kaiserhaus zeigte oder unter diesem Vorwurf angezeigt wurde. zur anzeige Verdächtiger war jeder verpflichtet.
II. DAS HEER: mACHTquELLE DES KAISERS uND KoSTENFAKToR
1. Der Übergang zu einem Berufsheer Das auffälligste merkmal der augusteischen Verfassung ist die überwältigende machtfülle, die sie für einen einzelnen mann reservierte. Eine solche machtkonzentration bei einem menschen musste allerdings theoretisch bleiben, wenn keine gesellschaftlichen Stoßkräfte existierten, die diesem machtanspruch notfalls physischen nachdruck verliehen. Diese aufgabe erfüllte in der augusteischen ordnung in erster linie das Heer, dessen rekruten in der frühen kaiserzeit vorwiegend den Unter- und mittelschichten der römischen bürgerschaft in italien angehörten. aus diesem milieu stammte der nachwuchs für die legionen, gepanzerte infanterieeinheiten in einer Stärke von je etwa fünfeinhalbtausend mann, die als taktische basiseinheiten der römischen armee fungierten. augustus hatte, mit gewissen Schwankungen während seiner etwa vierzigjährigen regierungszeit, 24 bis 27 solcher Einheiten unter seinem direkten kommando (außerhalb seiner direkten kommandogewalt verblieb am Ende seiner regierungszeit nur noch eine legion). Hinzu kamen die kleineren Hilfstruppenverbände, deren mannschaften überwiegend aus personen ohne römisches bürgerrecht zusammengesetzt waren und die im Einsatzfall taktisch mit den legionen verbunden wurden. ihre Gesamtmannschaftsstärke entsprach nach einer Schätzung des Historikers tacitus10 (gest. um 120 n. chr.) etwa der Gesamtstärke aller legionen, so dass sich für die augusteische zeit eine Heeresstärke von etwa 250 000 bis 300 000 mann erschließen lässt. Der Grundstock dieser für antike Verhältnisse außergewöhnlichen militärmacht stammte aus den teilen der bürgerkriegsarmeen, die augustus (seinerzeit noch unter dem namen caesar) nach beendigung der kämpfe nicht, wie es eigentlich der
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II. Das Heer: machtquelle des Kaisers und Kostenfaktor
seit Jahrhunderten geübten praxis entsprochen hätte, von ihren treueiden entbunden und in das zivilleben entlassen, sondern unter seiner kontrolle behalten hatte. Das betraf auch viele Soldaten, die unter dem kommando seiner feinde gekämpft hatten und die nach deren tod oder ausscheiden auf den namen imperator caesar augustus neu vereidigt wurden. insgesamt blieb etwa die Hälfte der Soldaten, die in den bürgerkriegen gekämpft hatten, bei der armee, die übrigen schieden aus dem aktiven Dienst aus und erhielten ein kleines landgut. mit den Soldverpflichtungen gegenüber den Soldaten und den abfindungen für die Veteranen hatte sich octavius, der weder damals noch später als augustus über direkte zugriffsrechte auf die Staatskasse in rom verfügte, immense kosten aufgebürdet. Dennoch sprachen aus seiner Sicht gewichtige politische Gründe für die folgenreiche Entscheidung, große teile der bürgerkriegstruppen unter Waffen zu halten. Die Epoche der bürgerkriege hatte jedermann vor augen geführt, dass in italien und einigen romanisierten provinzen des Westens Hunderttausende junger römischer bürger lebten, die bereit waren, ihre Heimat zu verlassen, um unter der führung eines «kriegsherrn» für beute und ihren sozialen aufstieg zu kämpfen, gegebenenfalls für viele Jahre oder mehrere Jahrzehnte. Solche männer waren – so die formulierung des Historikers tacitus – ein «mächtiger rohstoff für politische Umstürze»,11 der skrupellos von einzelnen angehörigen der politischen klasse roms in ihrem kampf um macht und prestige eingesetzt wurde. augustus selbst hatte in den zeiten seines aufstiegs mit Geldversprechungen meuternde Soldaten und unzufriedene Veteranen dazu bewegt, unter seinem kommando zu kämpfen. Um zu verhindern, dass ein neuer abenteurer ähnliche methoden gegen ihn anwandte, musste er die Soldaten und Veteranen materiell zufriedenstellen und an seine person binden. Wahrscheinlich hatte seine Entscheidung, eine so ungewöhnlich große zahl Soldaten dauerhaft unter Waffen zu halten, darüber hinaus eine art sozialpolitische komponente, deren Grundtendenz der Historiker cassius Dio einen berater des augustus in folgender form charakterisieren ließ:
Der Übergang zu einem Berufsheer «(Ich rate dir,) der Unverschämtheit der Masse Einhalt (zu) gebieten und die Leitung der Staatsgeschäfte in deine eigenen Hände und die der Besten (zu) legen, damit die nötigen Überlegungen von den verständigsten Män nern angestellt werden und die tüchtigsten Männer die Führungspositio nen wahrnehmen, während der Söldnerdienst in der Wehrmacht den kräf tigsten, dabei wirtschaftlich schwächsten Bürgern überlassen bleibt. Denn auf solche Weise erledigen die einzelnen Klassen eifrig die ihnen jeweils zufallenden Aufgaben.»12
in ihrem genauen Wortlaut ist die rede fiktiv, inhaltlich dürfte sie jedoch den tatsächlich von augustus und seinen beratern angestellten Überlegungen recht nahekommen. indem junge männer aus ärmeren familien zum militärdienst an die entlegenen Grenzen des imperiums beordert wurden, wurden potentielle Unruhestifter (dem kalkül zufolge) aus italien entfernt und zudem durch militärischen Drill diszipliniert. andererseits entwickelten diese männer einen Versorgungsanspruch gegenüber dem imperator, dem dieser, wenn er nicht meutereien und verbreitete abfallbewegungen riskieren wollte, Genüge tun musste. für die ersten Jahrgänge demobilisierter Soldaten ließ sich Siedlungsland noch relativ einfach beschaffen, da aufgrund bürgerkriegsbedingter massenhafter Enteignungen und Vertreibungen in italien und zum teil in den provinzen (Spanien, Gallien, Südkleinasien) genügend land zur Verfügung stand, um Veteranen relativ großzügig mit landparzellen zu versorgen. Doch diese «wilde methode», parteigänger zu befriedigen, war nach der rückkehr halbwegs geordneter zustände (27 v. chr.) zumindest in italien nicht mehr praktikabel. augustus sah sich zunehmend gezwungen, den Veteranen seiner armee weniger attraktive landstücke an der peripherie des imperiums anzubieten oder die Soldaten mit Geld abzufinden, wodurch seine kassen zusätzlich belastet wurden. Die kosten, die augustus mit der Schaffung eines berufsheeres sich und dem römischen Staat aufgebürdet hatte, waren immens und sie fielen mit unerbittlicher regelmäßigkeit an. Das war in der römischen Geschichte ein gänzlich neuer faktor. bis in die augus-
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teische Epoche hatte es noch kein verlässliches Jahresbudget gegeben. zur zeit der mittleren und späten republik war das auch gar nicht nötig gewesen: Die Staatseinnahmen sprudelten und regelmäßige ausgaben hatte der Staat nicht. Die Soldaten dienten als milizionäre, die nur ein relativ geringes Verpflegungsgeld erhielten. Diese zustände änderten sich unter augustus dramatisch. Seine Soldaten erwarteten, pünktlich zu den drei jährlichen zahltagen ihr Geld zu erhalten. insgesamt beliefen sich die jährlichen kosten für die armee auf etwa eine halbe milliarde Sesterzen, eine für antike Verhältnisse ungeheure Summe. Es gab nicht einmal ein Wort, um «eine milliarde» auszudrücken, so dass Umschreibungen gebraucht wurden, wenn zahlen dieser Größenordnung benannt werden sollten. Unter diesen Umständen waren die alten, nachlässigen methoden des budgetierens nicht mehr brauchbar: augustus musste wissen, dass die erforderlichen Summen bereitlagen, wenn er sie brauchte, sonst würde sich die gesamte komplizierte Semantik der neuen machtarchitektur (kapitel i. 1. und 2.) schnell als inhaltslos erweisen. im Hintergrund der pompösen repräsentation des neuen regimes, der überwältigenden «macht der bilder» (paul zanker), müssen wir uns einen weniger heroischen augustus vorstellen, der sich über zahlenkolonnen und listen von Steuerzahlen beugte, um seine Einnahmesituation möglichst genau zu kennen. auch als Heerführer markiert die figur des augustus eine abkehr vom heroischen typus. Während sein vergöttlichter adoptivvater caesar noch mit seinen Soldaten an den kämpfen persönlich teilnahm, finden wir augustus fast ausschließlich in der Etappe, wo er die materiellen zugewinne seiner Eroberungen verzeichnete und durchrechnete. Die antiken autoren bezeichnen diese tätigkeit mit knappen, wenig illustrativen formeln, sie sprechen etwa davon, dass augustus «die Verhältnisse ordnete» oder «die angelegenheiten (sc. in Gallien) regelte».13 Erst die mühevolle kleinarbeit an den wenigen und sehr fragmentarischen dokumentarischen Quellen hat auf die alltägliche praxis dieser «ordnungsarbeit» des Herrschers, also das Erfassen der Einwohnerzahlen und der territorialgrößen der unterworfenen Staaten, das Verzeichnen von bodenschatzvorkommen etc., etwas mehr licht geworfen.
Der Übergang zu einem Berufsheer
bereits der erste feldzug des augusteischen zeitalters, der krieg in nordspanien, zu dem augustus im Sommer 27 v. chr. aufbrach, zeigt die charakteristika der neuen zeit in aller Deutlichkeit: Wie die meisten augusteischen Eroberungsfeldzüge wurde er ohne nennenswerten anlass begonnen. Sein eigentliches motiv war, dass mehrere landschaften im norden der iberischen Halbinsel, Galizien, asturien und kantabrien, im laufe der römischen feldzüge des zweiten und ersten Jahrhunderts v. chr. noch nicht erobert worden und gleichsam übrig geblieben waren. Solche lücken hatten die unsystematischen Eroberungskriege der republikanischen zeit in größerer zahl hinterlassen, etwa in Spanien, südlich der Donau und im südlichen kleinasien. in der regierungszeit des augustus und seiner nachfolger, vor allem des claudius, wurden diese lücken zug um zug geschlossen. Während deren Eroberung gegen zähen und langwierigen, aber doch aussichtslosen Widerstand voranschritt, begann in der Etappe unter der leitung des augustus die systematische Erfassung der reichtümer des landes, und zwar sowohl des schon vor langer zeit eingegliederten landes als auch des soeben eroberten. Die fiskalische Durchdringung des imperialen Gebietes und seine gleichzeitige Vergrößerung gingen Hand in Hand als ineinandergreifende prozesse vor sich. als landvermesser, Volkszähler und Exploratoren von bodenschätzen (Gold, Silber, kupfer, blei, ton) dienten in der regel Soldaten, die über eine spezielle ausbildung verfügten. Die berufsarmee wurde auf diese Weise auch zum wichtigsten Verwaltungsinstrument der augusteischen Herrschaft. in den provinzen entstanden große archivgebäude, sogenannte tabularia, die Verzeichnisse über Grundstücksgrößen, bevölkerungsstärke und Vermögensverhältnisse einzelner lokalstaaten und personen enthielten. als ein nebenprodukt der extensiven landvermessungen und Volkszählungen ließ der enge freund des augustus, agrippa, in der nach ihm benannten Säulenhalle in der nähe des friedensaltars (Ara Pacis) in rom eine karte oder – was wahrscheinlicher ist, doch das original ist nicht erhalten – eine umfangreiche auflistung von ortsnamen und Entfernungsangaben anbringen, die der römischen bevölkerung zum ersten mal einen anschaulichen Eindruck
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II. Das Heer: machtquelle des Kaisers und Kostenfaktor
von der ausdehnung und geographischen Gliederung ihres imperiums gab. Ein anderer berühmter reflex auf die inventarisierung des reiches und seiner bewohner ist die Geschichte des galiläischen zimmermanns Joseph, der sich nach der Darstellung des Evangelisten lukas gemeinsam mit seiner hochschwangeren frau über 150 kilometer an den Stammsitz seiner familie in iudaea begeben musste, um die von der provinzverwaltung verlangten zensusdaten einzureichen. nach seiner rückkehr aus Spanien übergab augustus, als er wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung mit seinem baldigen tod rechnete, seinem kollegen im konsulat des Jahres 23 v. chr., Gnaeus calpurnius piso, eine erste zusammenstellung der reichsweit erhobenen Daten. Das zahlenwerk muss sich noch in einer rohfassung befunden und zahlreiche lücken enthalten haben, dennoch zeigt die Episode, mit welcher intensität in den Jahren seit 27 v. chr. der aufbau einer zentralen budgetdatei betrieben worden war. als augustus wieder zu kräften kam, erhielt er das zahlenwerk von piso zurück und behielt es zukünftig. Er und seine engsten mitarbeiter sollten fortan die einzigen sein, die einen detaillierten und verifizierbaren Überblick über die kassenlage des imperiums hatten. Erhalten sind diese zentralstatistiken nicht, aber alles spricht dafür, dass sie unliebsame Überraschungen für den Herrscher bereithielten. offenkundig waren die belastungen, die durch die Heereskosten entstanden, insgesamt im Verhältnis zu den Staatseinkünften zu hoch. augustus erwähnt in seinem posthum publizierten rechenschaftsbericht, dass er die zentrale Staatskasse durch zuschüsse aus seinem privatvermögen mehrfach vor dem bankrott retten musste. Wenn aber der reichste Staat der Welt dauerhaft aus einer einzigen privatkasse finanziell über Wasser gehalten wurde, dann war die finanzlage dieses Staates offenbar nicht befriedigend. zu beginn der augusteischen Herrschaft mag die problematik noch nicht in aller Deutlichkeit hervorgetreten sein, weil die Verpflichtungen des Herrschers gegenüber seinen Soldaten noch nicht präzise bestimmt waren. Den vorhandenen Spielraum konnte der imperator nutzen, um beispielsweise Entlassungen aus dem aktiven
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Dienst und damit die zahlung von abschiedsprämien hinauszuzögern. Die Soldaten pflegten allerdings auf solche maßnahmen mit deutlichen anzeichen der Verstimmung zu reagieren. Um das Jahr 15 v. chr. scheint die Unzufriedenheit in der armee bedrohliche formen angenommen zu haben. augustus schaltete sich wieder persönlich in die Daten- und Steuererhebung ein, indem er sich nach Gallien begab, um dort die Steuerschätzungen für die nordwestlichen provinzen des reiches voranzutreiben (und zugleich den angriff auf das sogenannte freie Germanien, die Ger mania libera, vorzubereiten). Unmittelbar nach seiner rückkehr nach italien im Jahr 13 v. chr. fühlte er sich imstande, in einer art regierungserklärung die «bedingungen» (condiciones), unter denen die Soldaten zukünftig in der armee dienen sollten, verbindlich zu verkünden. Diese konditionen sahen eine Höchstdienstzeit für legionäre von sechzehn, für die in der nähe roms stationierte Eliteeinheit der prätorianer von zwölf Jahren vor. legionäre hatten nach ihrer Entlassung noch einen vierjährigen bereitschaftsdienst in der nähe ihrer Standorte zu leisten. Die Soldhöhe für alle rangstufen vom einfachen Soldaten bis zum centurio wurde obligatorisch festgelegt. auch die Höhe der bei der Entlassung fälligen abfindung wurde erstmalig verbindlich festgeschrieben. als der kaiser seine Entscheidung, die ansprüche des Heeres in geregelten bahnen befriedigen zu wollen, im Jahr 13 v. chr. verkündete, wurde sie im Senat und auf den Straßen roms mit großer Erleichterung aufgenommen. Der Senat gelobte die Errichtung des berühmten «altars des augustusfriedens», an dem zukünftig die stadtrömischen magistrate und priester jährlich ein feierliches opfer darbringen mussten. Dies war vermutlich ausdruck einer aufrichtigen Dankbarkeit. Es war noch in lebhafter Erinnerung, dass die Soldaten in den 40er und 30er Jahren nur durch den rückgriff auf massive Enteignungen und Vertreibungen hatten zufriedengestellt werden können. Diesmal blieben die maßnahmen im gesetzlichen rahmen, und vorerst deckten die Steuern und das privatvermögen des augustus die kosten für die Versorgungsleistungen der Soldaten ab. Der «friedensaltar» symbolisierte in her-
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vorragender Weise den pakt, den augustus mit der armee und der römischen Gesellschaft geschlossen hatte. mit diesem monument feierten die wohlhabendsten römer ihren Herrn dafür, dass er von weiteren irregulären Eingriffen in das privateigentum der bürger absah, um «seine» Soldaten ruhig zu stellen. Gleichzeitig versinnbildlichte dieses monument emblematisch die tiefe ambivalenz der augusteischen ordnung: Schließlich wurde das Denkmal des «augustusfriedens» während der logistischen Vorbereitungen zu einem der größten kriege der römischen Geschichte, dem angriff auf die mitteleuropäischen Stammesterritorien, gelobt. als es feierlich im Jahr 9 v. chr. geweiht wurde, dauerte dieser krieg bereits drei Jahre an. Die kernaussage war kaum misszuverstehen: Die bewahrung des friedens im inneren sollte durch den Export des innergesellschaftlichen Gewaltpotentials gelingen. für den augenblick schien die rechnung aufzugehen. Die finanziellen Sorgen konnten vorerst vertagt werden; die Edelmetallvorräte reichten aus, um die umfangreichen Sonderprägungen zur finanzierung der geplanten Germanienfeldzüge herzustellen. Doch je länger sich die kampfhandlungen hinzogen, desto schwieriger wurde es für die kaiserliche Heeresleitung, die zusagen von 13 v. chr. aufrechtzuerhalten. bereits im Jahre 5 n. chr. musste das Scheitern der großzügigen budgetpolitik offiziell eingestanden werden. Der reguläre legionärsdienst wurde daraufhin kurzerhand um vier auf zwanzig Jahre verlängert, der anschließende bereitschaftsdienst von vier auf fünf Jahre ausgedehnt. auch die Dienstzeiten der prätorianer wurden verlängert, in diesem fall von zwölf auf sechzehn Jahre. Um einen gewissen ausgleich zu schaffen, wurden die Entlassungsprämien erhöht. Doch schon als diese Verpflichtung eingegangen wurde, war augustus offenkundig klar, dass die regelmäßigen Einnahmen nicht ausreichen würden, um diese prämien an die Soldaten pünktlich auszuzahlen beziehungsweise genügend landparzellen für die Veteranenansiedlung anzukaufen. Er entschloss sich daher, eine neue zentrale kasse (das aerarium militare) einzurichten, die ausschließlich der bildung von rücklagen für die Entlassungsprämien dienen sollte. anfangs plante augustus, die
Der Übergang zu einem Berufsheer
kasse nur aus seinem privaten Vermögen mit liquidität auszustatten, musste aber bald sehen, dass selbst seine mittel nicht ausreichten, um die zugesagten pensionsansprüche der Soldaten pünktlich zu erfüllen. immer deutlicher zeichnete sich ab, dass auch römische bürger und sogar die politischen Eliten des reiches steuerlich belastet werden mussten. als die pläne im Senat bekannt wurden, entwickelte sich zum ersten mal seit langer zeit so etwas wie lebhafte opposition und dies sogar in anwesenheit des kaisers. Die ankündigung der neuen Steuern kam einem kulturschock gleich: Senatoren und ritter, aber auch die ganz normalen, nicht zur oberschicht gehörigen römischen bürger waren in dem bewusstsein aufgewachsen, dass sie als Herren über den bekannten Erdkreis das privileg hatten, von den Einnahmen des imperiums direkt oder indirekt zu profitieren. nun sah augustus vor, dass sie stattdessen für «seine» armee und die bedürfnisse des imperiums zur kasse gebeten werden sollten. Die abwehrreaktion war so heftig, dass augustus zurückruderte und die Senatoren bat, Vorschläge zur finanzierung der neuen kasse auszuarbeiten. Diese fielen aber in den augen des imperators so unbefriedigend aus, dass er dennoch seine eigenen pläne umsetzte, die die Eliten erneut erschreckten, denn das wichtigste neue finanzierungsinstrument war neben einer einprozentigen auktionssteuer eine fünfprozentige besteuerung von größeren Vermächtnissen (vicesima hereditatium), sofern diese nicht an die nächsten Verwandten der Verstorbenen gingen. Durch die Höhe des Hebesatzes stellte sie nicht nur eine erhebliche belastung für die betroffenen dar – für vorindustrielle Eliten waren Erbschaften die wichtigste Vermögensgrundlage –, sondern erforderte darüber hinaus eine peinliche kontrolle der korrektheit testamentarischer inventare und damit einen für die oberschicht spürbaren Eingriff in die privat- und Vermögenssphäre. Unzufriedenheit muss auch bei den legionären aufgrund der drastischen Dienstzeitverlängerung geherrscht haben. Da ihre Durchsetzung allerdings in die zeit schwerster kampfhandlungen auf dem balkan und in zentraleuropa fiel, erschien der zusätzliche bereitschaftsdienst der Veteranen zu diesem zeitpunkt gleichsam natürlich legitimiert, so dass die einseitigen Änderungen der Ver-
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einbarungen von 13 v. chr. zunächst keinen geschlossenen Widerstand provozierten. Welcher Unmut sich aufgestaut hatte, wurde jedoch einige Jahre später deutlich. Unmittelbar nach augustus’ tod im Jahr 14 n. chr. begann eine meuterei bei den rhein- und Donaulegionen, die zu den größten und gefährlichsten der römischen Heeresgeschichte zählt. Die Soldaten wählten sich Sprecher, die den angehörigen des kaiserhauses (und nur diesen) die forderungen der truppe mitteilen sollten. im kern liefen diese forderungen wohl auf die Wiederherstellung der konditionen von 13 v. chr. hinaus. Die Söhne des neuen imperators tiberius, Drusus und Germanicus, suchten die revoltierenden Soldaten unter lebensgefahr an ihren Standorten auf, um zu verhandeln. nach dramatischen Szenen kehrten die Soldaten zwar schließlich wieder zum Gehorsam zurück, aber erst nachdem ihre forderungen nach pünktlicher Entlassung und zahlung der prämien weitgehend als berechtigt bestätigt worden waren. Ältere Jahrgänge wurden umgehend von der Dienstpflicht befreit. noch an den truppenstandorten der rheinlegionen zahlte Germanicus die Entlassungsabfindungen aus seinem privatvermögen, offenkundig weil die rücklagen des aerarium militare aufgebraucht waren. Doch einige monate später, als die Soldaten der rheinlegionen zu dem zweck, sie im krieg wieder zu bedingungsloser fügsamkeit zu erziehen – wie tacitus plausibel vermutet –, in das freie Germanien abkommandiert worden waren, nahm tiberius die soeben gemachten zugeständnisse wieder zurück. bemerkenswerterweise gestand er öffentlich ein, dass sie für die Staatskassen nicht finanzierbar waren. Doch selbst die angepassten Vertragsbedingungen stellten eine gravierende belastung dar. Wiederholt ist für die folgenden Jahrzehnte belegt, dass die Entlassungen von Soldaten systematisch verzögert wurden, weil die mittel fehlten, die prämien für alle betroffenen aufzubringen.
Kriege unter Augustus
2. Die militärmaschinerie in Aktion: Kriege unter Augustus Während der regierungszeit des augustus (27 v. chr.–14 n. chr.) wurde der römische ianustempel zweimal geschlossen, um symbolisch zu vergegenwärtigen, dass «zu lande und zur See» frieden herrsche. Die erste Schließung erfolgte 25 v. chr. anlässlich der (fiktiven) Unterbrechung der kantabrerkriege in nordwestspanien, die zweite wahrscheinlich im Jahr 13 v. chr. Da der feldzug gegen die Salassi im aostatal im Jahr 25 v. chr. beziehungsweise der beginn des Germanienkriegs im Jahr 12 v. chr. jeweils rasch den offiziellen friedenszustand beendete, befand sich das imperium romanum nach offizieller lesart von den einundvierzig regierungsjahren des augustus etwa vierzig Jahre im krieg. angesichts dieser zahlen erübrigt sich die frage, ob es einen «augustusfrieden» jemals gegeben hat. bei der beurteilung der motivationen und intentionen der augusteischen kriegspolitik sind allerdings verschiedene perspektiven möglich und in der forschung vertreten worden. nur selten findet sich in der jüngsten zeit die früher zeitweise populäre these, augustus habe eine prinzipiell defensive außenpolitik verfolgt und sich nur unter äußerem zwang zur kriegführung entschließen können. Die forschungskontroversen konzentrieren sich heute häufig auf die frage, wie planvoll und mit welchen geographischen Grenzen im blick augustus seine Eroberungsziele verfolgte. Diese unten noch näher zu betrachtenden Debatten sind insofern charakteristisch für die gegenwärtige forschungssituation, als sie auf jeweils einzelne kriege und kriegsschauplätze und weniger auf die (nach der ansicht vieler Historiker gar nicht vorhandene) Gesamtkonzeption der augusteischen politik gerichtet sind. Durch die Einzelfallfokussierung ist die Diskussion über die augusteischen kriege stark zersplittert und nur noch schwer zu überschauen. Eine Urteilsbildung in dieser problematik wird zusätzlich durch den Umstand erschwert, dass nur sehr wenige zeitgenössische Quellen existieren und die noch vorhandenen berichte zum teil in erheblichem zeitlichen abstand von
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den Ereignissen verfasst worden sind. Die archäologische forschung hat umfangreiches neues Quellenmaterial erbracht und erschlossen, aber auch archäologische befunde können verschieden interpretiert und in unterschiedliche modelle eingeordnet werden. angesichts dieser Quellensituation werden die kontroversen um die ausrichtung und zielsetzungen der augusteischen außenpolitik vermutlich noch längere zeit weiter geführt werden. Der folgenden Darstellung liegt die oben (ii.1.) entwickelte these zugrunde, dass die Einnahmen aus dem imperium in der ausdehnung der 20er Jahre v. chr. die kosten der neuen berufsarmee nicht deckten und dass augustus aus diesen Gründen eine systematische Vergrößerung des imperialen territoriums und zugleich dessen intensivere ausbeutung anstrebte. Die Unterwerfung der gold- und silberreichen nordspanischen landschaften asturia und callaecia nahm etwa vierzehn Jahre (27–13 v. chr.) in anspruch. parallel dazu erfolgte die gewaltsame öffnung sämtlicher alpentäler und darauf die Unterwerfung des Voralpenlands, wo zwischen dem oberrheingraben und den später pannonien genannten Gebieten (etwa niederösterreich und Ungarn) eine größere territoriale lücke geschlossen wurde (25– 15 v. chr.). auf der balkanhalbinsel, vor allem im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, hatten die unsystematischen Unterwerfungskriege der 30er Jahre ebenfalls zahlreiche kleinere Volksgruppen zurückgelassen, die sich noch als autonom betrachteten. Sie wurden zug um zug «befriedet» und ihre Gebiete annektiert, die letzten schließlich in der regierungszeit des tiberius. Das Gleiche gilt für eine reihe kleinerer territorien im Süden kleinasiens, namentlich in pisidien, pamphylien und kilikien. Vor allem in Spanien und Südkleinasien wurden teile des eroberten landes an römische Veteranen vergeben, die als militärkolonisten im eigenen interesse an der Sicherung der gewonnenen Gebiete mitwirkten. Gleichzeitig entlastete die kolonialisierung auf erobertem terrain den Haushalt, da das den Unterlegenen weggenommene land die Sieger nichts kostete. insgesamt waren jedoch die zugewinne immer noch niedriger als die regelmäßigen ausgaben. Schon seit 18 v. chr. musste au-
Kriege unter Augustus Aralsee
Das Partherreich
Schwarzes Meer
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Kaspisches Meer
RÖMISCHES REICH
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Mittelmeer
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Rotes Meer
0
300 km
Arabisches Meer
gustus die Staatskasse in rom durch zuschüsse aus seinem Vermögen unterstützen. Die genaue Entwicklung der kassenlage ist zwar nicht in zahlen überliefert, aber augustus und seine engeren mitarbeiter müssen schon früh den Eindruck gewonnen haben, dass das Schließen verhältnismäßig kleiner territorialer lücken allein nicht genügte, um eine nachhaltige Sanierung der imperialen finanzen zu erreichen. nach auffassung des imperators schien dieses problem nur durch großflächige Eroberungen und die rasche fiskalische Erschließung der eroberten Gebiete lösbar zu sein. Die zusammenballung von legionen am Euphrat und in Ägypten zeigt, dass diese Großregion frühzeitig als aufmarschgebiet für umfangreiche Eroberungsunternehmen ausgewählt worden war (vgl. karte S. 16). Von Ägypten aus wurden bereits seit 30 v. chr. römische Einfälle in das reich der «kandake» (königin) mit der Hauptstadt napata im heutigen nordsudan unternommen, das zeitweise zur tributzahlung gezwungen werden konnte. Wichtiger noch sind die Vorstöße auf der arabischen Halbinsel in richtung des heutigen Jemen. Von ihrer Größe hatten augustus und seine berater falsche Vorstellungen und nahmen dem anschein nach an, dass römische truppen über den Umweg durch die nafudwüste
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relativ schnell in den rücken des parthischen reiches gelangen konnten. Das parthische königreich war Ende des zweiten Jahrhunderts v. chr. aus dem kollaps des seleukidischen reiches als neue Großmacht im mittleren osten hervorgegangen und bis zu seinem Untergang zu beginn des dritten Jahrhunderts n. chr. der einzige geostrategisch gleichrangige nachbar des römischen reiches. Da augustus in der zeit des Vordringens auf der arabischen Halbinsel auch den anspruch anmeldete, über die armenische thronfolge zu bestimmen, zeichnete sich mitte der 20er Jahre für das parthische reich eine bedrohliche Umklammerung von norden, Westen und Süden her ab. Doch die kriege mit dem reich von napata und der zug entlang des roten meeres erwiesen sich als schlecht geplant, der Widerstand als erbittert. Der zugriff auf die arabische Halbinsel wurde zum Desaster, und augustus war klug genug, sämtliche militärische operationen in dieser region abzubrechen. im Jahr 20 v. chr. bot er der königin von napata einen frieden auf der basis des Status quo an, den diese freudig akzeptierte. Damit entfielen allerdings auch die zwischenzeitlich von den «Äthiopiern» an das imperium entrichteten tribute. ausgehandelt wurde dieser friede zwischen augustus und den Gesandten der königin kandake auf Samos, wo sich im Jahr 20 v. chr. das militärische Hauptquartier für den geplanten römischen Großangriff auf das partherreich befand. nach den misslungenen operationen im Vorfeld stand das aufwendig vorbereitete Unternehmen unter keinem guten Stern. Hinzu kamen die oben (S. 27) geschilderten innenpolitischen Schwierigkeiten, die zur Heimsendung des faktischen oberkommandierenden des partherfeldzuges, marcus Vipsanius agrippa, nach rom führten, wo er beruhigend auf die brisante Situation einwirken sollte. in dieser lage musste augustus froh sein, dass sich der parthische monarch phraates iV. zu einem friedensangebot entschloss. Die rückgabe von drei legionsadlern, die dreiunddreißig Jahre zuvor bei einer römischen invasion unter der leitung des feldherrn licinius crassus von den parthern erbeutet worden waren, erlaubte es augustus, das Gesicht zu wahren und seinen abgebrochenen feld-
Kriege unter Augustus
zug in rom als überwältigenden Erfolg zu präsentieren. phraates gestand der römischen Seite sogar zu, zukünftig auf die armenische thronfolge Einfluss zu nehmen. als Gegenleistung erkannte augustus wahrscheinlich den Euphrat als Grenze römischer interessen an. zudem verzichtete er vorerst auf die bis zu diesem zeitpunkt praktizierte Unterstützung parthischer thronprätendenten. Später, beginnend mit dem Jahr 1 v. chr., unternahm das imperium noch einmal den Versuch einer massiven Einschüchterung der parthischen Seite, als ein großes Heeresaufgebot unter dem nominellen kommando von augustus’ Enkel und adoptivsohn Gaius iulius caesar von Süden nach norden an der römisch-parthischen Grenze entlang zog. Den anlass zu dieser römischen machtdemonstration hatte eine intervention des parthischen königs phraates V. in einem armenischen thronfolgestreit gegeben. in einem beleidigenden Schreiben, in dem augustus den parthischen könig mit einem Diminutiv von dessen namen anredete, untersagte der imperator phraates jeden Versuch, auf armenische angelegenheiten einzuwirken. phraates antwortete in einem ähnlich hochfahrenden ton und verbat sich römische Weisungen. Die Situation beruhigte sich 2 n. chr. aber überraschend, als sich phraates zu Gesprächen am Euphrat einfand und die römische Seite – vertreten durch marcus lollius, den berater des jugendlichen Gaius caesar – auf das friedensangebot des parthischen königs einging, zumal der parther bezüglich des point d’honneur, der besetzung des armenischen thrones, nachgab. Um den römischen anspruch in die tat umzusetzen, begab sich das Expeditionsheer daraufhin nach anatolien, um den armeniern einen «meder» namens ariobarzanes als könig aufzuoktroyieren, den sie indes nicht akzeptierten. in dem längeren bewaffneten konflikt, der sich aus dem Streit um die thronfolge entwickelte, erlitt Gaius caesar eine schwere Verwundung, an der er 4 n. chr. auf der Heimreise nach rom starb. auf diesen erneuten rückschlag hin stellte augustus seine Versuche, eine expansive ostpolitik zu betreiben, endgültig ein. Damit nahm er auch eine geopolitische Weichenstellung vor: zwei große kriege mit aufwendiger logistik, in mitteleuropa und anatolien, konnte das imperium dauerhaft nicht zur gleichen
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zeit bewältigen. Daher musste eine Entscheidung fallen, und bei dieser folgte augustus (wie schon bei seinem interesse an Spanien und Dalmatien) seiner neigung, terrains zu erobern, die noch keine lange städtische tradition oder mächtige zentralgewalten besaßen. im nordwesten des reiches, in mittel- und Südosteuropa rechnete er – teilweise zu recht – damit, wie auf einer tabula rasa neue institutionen aufbauen und die landschaften nach eigenen Vorstellungen administrativ gliedern und gegebenenfalls aufsiedeln lassen zu können. besonders gut lässt sich das für die Gebiete westlich des rheins demonstrieren. innerhalb des niedergermanischen Heeresdistrikts, der von remagen bis zur rheinmündung und im Westen bis in das Gebiet des heutigen tongeren reichte, lagen am Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts einige nahezu siedlungsleere regionen. Die Vertreter der römischen macht ermutigten daher germanische Stammesgruppen, sich in dem weitgehend entvölkerten Gebiet unter römischer oberhoheit niederzulassen. Dem ruf folgte unter anderem ein abgespaltener teil der chatti (aus dem heutigen Hessen), der im Gebiet um das heutige nijmegen angesiedelt wurde und den namen bataver annahm. Südlich von deren Siedlungsraum wies agrippa, wohl um 19 v. chr., den aus dem unteren lahngebiet kommenden Ubiern Wohnsitze an (etwa von neuss bis bonn). Die neusiedler bildeten ihre politischen institutionen nach römischen Vorgaben: Die gesamte landkarte des niedergermanischen Heeresbezirks, der später zur provinz Germa nia inferior wurde, mit ihren Gemeindestaaten, truppenstandorten und Städten war gewissermaßen am reißbrett der römischen planer entstanden. Und nicht nur das: die zentralorte der angesiedelten Stämme, wie Batavodurum (später Noviomagus, nijmegen) für die bataver oder Ara Ubiorum (später Colonia Claudia Ara Agrippi nensium, köln) für die Ubier, wurden von römischen planern entworfen und wahrscheinlich zu wesentlichen teilen von römischen Soldaten gebaut, wie auch das Hauptstraßensystem der region, die Wasserleitungen und natürlich die militärlager. Ähnliche Erscheinungen lassen sich in den landschaften westlich und später auch östlich des oberrheins beobachten.
Kriege unter Augustus
Diese in wenigen Jahrzehnten neu geschaffene und nach römischen Vorgaben strukturierte Siedlungslandschaft war eine art keimzelle und Vorbild für die geplante großgermanische provinz, die den rhein als West- und die Donau als Südgrenze haben sollte. Schon in den 30er und 20er Jahren, als die niederrheinischen Gebiete für die römische Herrschaft erschlossen wurden, war der rhein für das imperium weniger eine Grenze als eine wichtige transportader. ab 12 v. chr. begannen unter der leitung des Stiefsohns des augustus, nero claudius Drusus, aufwendige militärische operationen rechts des rheins, die teilweise die Elbe erreichten. Umstritten ist, ob diese feldzüge von beginn an auf eine Unterwerfung der germanischen Völker zwischen rhein und Elbe zielten. Einige Historiker nehmen an, dass es sich bei den römischen operationen rechts des rheins zunächst um erweiterte, auf abschreckung zielende maßnahmen zur Sicherung der rheingrenze handelte. Die befürworter dieser «Defensivtheorie» können für ihre Sicht geltend machen, dass es in den Jahrzehnten vor den römischen Expansionskriegen wiederholt zu germanischen militäraktionen links des rheins gekommen war. Den Höhepunkt dieser Einfälle stellte ein angriff von Sugambrern, bructerern und tencterern auf eine am niederrhein stationierte legion im Jahr 17 oder 16 v. chr. dar, bei dem die attackierte legio V Alaudae (?) schwere Verluste erlitt und unter anderem ihren adler, die legionsstandarte, einbüßte. Dieser Überfall kann als provokation verstanden werden, die die anschließenden großflächigen angriffe römischer truppen auslöste oder deren beginn beschleunigte. andere, im besonderen archäologische indizien sprechen jedoch dafür, dass diese rekonstruktion der Ereignisse zumindest zu einfach ist und dass die logistische Vorbereitung des aufmarsches an der rheingrenze (und, flankierend, an der Donau) schon vor dem sugambrischen angriff angelaufen war. Schon die gewaltsame öffnung sämtlicher alpentäler um 25 v. chr. gehört in diesen kontext, denn sie vereinfachte die Versorgung von truppen nördlich der Donau und am rhein beträchtlich. Die bauarbeiten an dem großen aufmarschlager auf dem Hunerberg bei nijmegen könnten nach der Einschätzung des niederländischen ausgräbers Jan kees
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Haalebos schon in den Jahren 20 oder 19 v. chr., also vor dem sugambrischen angriff begonnen haben. Es ist allerdings einzuräumen, dass die feinchronologie des lagerbaus schwierig zu erstellen und sowohl bei diesem als auch bei anderen lagern der römischen aufmarschperiode noch umstritten ist. Unbestreitbar ist indes, dass der bau von Straßen und weiterer für die große invasion des Jahres 12 v. chr. benötigter infrastruktur, wie z. b. brücken, schon vor dem Überfall auf die fünfte legion durch die Sugambrer und ihre Verbündeten begonnen hatte. Die attackierte legion musste sich überhaupt bereits im aufmarschgebiet befinden, um opfer eines angriffs zu werden. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine kurze notiz aus der zu beginn des zweiten Jahrhunderts entstandenen Römischen Geschichte des römischen Historikers florus Gewicht, der berichtet, die Sugambrer hätten vor ihrem angriff zwanzig römische centurionen auf ihrem territorium aufgegriffen und gekreuzigt.14 römische truppen operierten demnach schon vor dem Grenzzwischenfall von 17/16 v. chr. rechts des rheins. aus dieser perspektive erscheint der «angriff» der Sugambrer daher eher als eine art präventivschlag in reaktion auf römische Unternehmungen. als der römische Großangriff schließlich im Jahr 12 v. chr. begann, waren sechs oder sieben legionen und zahlreiche Hilfstruppen westlich des rheins zusammengezogen worden, ein invasionsheer in der Größenordnung von etwa 60 000 Soldaten, die in einer kette von aufmarschlagern standen, die von nijmegen bis mainz oder sogar noch weiter reichte. auch südlich der Donau wurde ein Expeditionsheer gesammelt, dessen oberbefehlshaber agrippa sein sollte, der jedoch noch während des aufmarsches verstarb. Die Größe des römischen invasionsheers und die breite der front standen in keinem Verhältnis zu dem sugambrischen zwischenfall, der für den kriegsverlauf auch praktisch keine folgen mehr hatte. angegriffen wurden vielmehr sämtliche Stämme rechts des rheins, gleichgültig ob sie gegenüber rom feindlich, freundlich oder neutral eingestellt waren. nach dem tod des Drusus im Jahr 9 v. chr. übernahm dessen älterer bruder tiberius den oberbefehl über das invasionsheer.
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Römischer Aufmarsch und Besetzung der germanischen Stammesgebiete Militärlager Stadtgründung
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Holsterhausen Kalkar Haltern Olfen Xanten Anreppen Oberaden Moers-Asberg Beckinghausen Hedemünden Neuss
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Mainz Weisenau
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20 40 60 80 100 km
bereits 7 v. chr. wurde der Sieg über «Germanien» in rom offiziell gefeiert, Ara Ubiorum zum Sitz der provinzregierung und des provinziallandtages der provinz Germania gewählt. Schwere kampfhandlungen, die leider nur sehr schlecht dokumentiert sind, hat es im freien Germanien allerdings auch nach der römischen Siegesfeier gegeben. Doch noch während dieser kämpfe begann bereits der aufbau der provinzstrukturen. Ähnlich wie links des rheins wurden nach römischen Vorgaben und höchstwahrschein-
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lich unter beteiligung römischer Soldaten städtische zentren rechts des rheins angelegt, die als zentralorte römisch-germanischer Gemeindestaaten dienen sollten. aus dem zu beginn des dritten Jahrhunderts entstandenen bericht cassius Dios15 waren diese maßnahmen zwar grundsätzlich längst bekannt, doch war die moderne forschung den aussagen des bithynischen Historikers mit großem und, wie sich zeigte, ungerechtfertigtem misstrauen begegnet. Durch den fund des augustuszeitlichen städtischen zentrums bei Waldgirmes (in der nähe des heutigen Wetzlar) ist Dio anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts bestätigt worden. Der Stadtplan und der aufriss der bauten zeigen deutliche Ähnlichkeiten mit etwa zeitgleichen zivilen anlagen im römisch besetzten Gallien und Germanien links des rheins. Es ist damit fraglos klar geworden, dass augustus die links des rheins mit Ara Ubiorum, Batavodurum und anderen zentren begonnene Urbanisierungs- und zivilisationspolitik rechts des rheins fortsetzen wollte. Die viel diskutierte frage, ob die Elbe oder eine andere geographische Scheidelinie als Grenze dieser politik dienen sollte, ist dabei von untergeordneter bedeutung. Wahrscheinlich war langfristig an gar keine feste Grenze, eher vielleicht an vorübergehende Haltelinien der Expansion gedacht. Erwähnenswert ist in diesem zusammenhang auch der aufwendige ausbau einiger militärlager im besetzten Germanien, etwa entlang der lippetrasse. in oberaden westlich von Hamm sind auf dem Gelände des dortigen 900 mal 700 meter großen legionslagers die Grundrisse großzügiger Stadtvillen «in der tradition italischer Villenarchitektur»16 mit prachtvollen Gartenanlagen gefunden worden. zu dem westlich von oberaden gelegenen legionslager Haltern führten um christi Geburt bereits mindestens zwei aufwendig ausgestaltete Gräberstraßen, wie man sie typischerweise vor den mauern mediterraner Städte findet. Hier waren Soldaten, frauen und kinder, zum teil in familiengrabstätten, beigesetzt. So baut keine Heeresabteilung auf einer vorübergehenden «Strafexpedition». Vergleichbare anlagen, etwa der Standort der legio VII Gemina in Spanien (léon), aber auch eine ganze reihe von lagern links
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des rheins, haben die Herausbildung bedeutender städtischer Siedlungen (wie nijmegen, Xanten, neuss, mainz, Straßburg und anderer) entscheidend gefördert. in der Germania libera lässt sich der prozess in statu nascendi beobachten. parallel zum aufbau einer militärischen und zivilen infrastruktur erfolgte eine systematische Suche nach bodenschätzen. in den wenigen Jahren, in denen die mitteleuropäischen Stammesterritorien effektiv besetzt waren (etwa 7 v. chr.– 9 n. chr.), wurden bereits Salzlagerstätten, bleiund kupfererzminen erschlossen und ausgebeutet, etwa im bereich der Sieg und in der nähe des heutigen Soest. Die Verpachtung von Schürfkonzessionen erfolgte nach Vorgaben des römischen rechts – ein weiteres zeichen dafür, dass die provinzialisierung fortschritte machte. Dabei ging es nicht nur um die Erfassung und ausbeutung von bodenschätzen, sondern auch um die Durchsetzung neuer – das heißt fiskalisch verwertbarer – produktionsordnungen. konservative Hirten, Jäger oder ackerbauern, die im wesentlichen mit dem ziel der Eigenversorgung wirtschafteten, waren für die römischen Staatskassen nutzlos. Um zölle und tribute an das imperium abführen zu können, musste die bevölkerung zunächst an die überregionalen Geldkreisläufe angeschlossen werden und dann monetäre Überschüsse erzielen, also einen teil ihrer Ernten oder handwerkliche produkte auf lokalen oder sogar überregionalen märkten verkaufen. nicht zuletzt diesem zweck, nämlich der bereitstellung von marktplätzen, diente der ausbau von städtischen zentren wie Waldgirmes. Doch die mitteleuropäischen Stammesterritorien gingen wieder verloren, bevor der aufbau der provinzialen ordnung abgeschlossen war. romfeindliche kräfte innerhalb einzelner Stämme (unter anderem der cherusker, chatti, angrivarier und anderer), darunter offenbar zahlreiche männer, die zum Dienst in den römischen Hilfstruppen eingezogen worden waren, hatten sich in einer konspiration unter arminius, einem cheruskischen offizier in römischen Diensten, verbunden. 9 n. chr. gelang ihnen die Vernichtung von drei legionen und den sie begleitenden auxiliarformationen, die unter einem Vorwand in eine sumpfige region
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gelockt worden waren, die nach tacitus «in der nähe des teutoburgischen Waldes»17 gelegen haben soll. Schwerer als diese vernichtende niederlage wog für die römer jedoch eine unmittelbar vorangegangene katastrophe. im Jahr 6 n. chr. wollte augustus in konsequenter Umsetzung seiner politik des «lückenschließens» den letzten Stammesstaat, den die römischen Unterwerfungskriege in Germanien bisher noch ausgespart hatten, das markomannische königreich, annektieren. als jedoch die Heeresgruppe, die von Süden aus in die markomannischen Siedlungsgebiete (in den heutigen regionen böhmen und mähren) einmarschieren sollte, aus den besetzten dalmatischen und pannonischen Gebieten südlich der Donau abgezogen wurde, erhob sich die dortige bevölkerung gegen die fremdherrschaft; italische kaufleute wurden ermordet, die reduzierten Garnisonen systematisch belagert. Der angriff auf das markomannische königreich musste daraufhin abgebrochen werden, die niederschlagung des pannonischen freiheitskampfes nahm drei verlustreiche Jahre in anspruch und machte die mobilisierung einer Streitmacht von zeitweise über hunderttausend Soldaten notwendig. in rom herrschte bei beginn des aufstandes nackte panik, von der offenbar auch augustus ergriffen wurde, der im Senat ausrief, der feind könne innerhalb von zehn tagen vor rom stehen.18 Die Jahre 6 bis 9 n. chr. brachten eine bittere lektion für die römische Supermacht: Einerseits zeigte die niederlage im «teutoburgischen Wald», dass eine besatzungsmacht von über 30 000 Soldaten nicht ausreichte, um die neue provinz Germania zu kontrollieren. andererseits hatte die pannonische rebellion verdeutlicht, dass die notwendigen zusätzlichen besatzungskräfte für Germanien nicht einfach aus dem raum südlich der Donau abgezogen werden konnten. für die behauptung der Germania libera wären vermutlich sechs bis acht weitere legionen notwendig gewesen, deren kosten in keiner relation zu den zu erwartenden Gewinnen standen. bereits die Einrichtung des aerarium militare im Jahr 6 n. chr. (s. oben S. 38 f.) hatte jedermann vor augen geführt, dass die Heereskosten und die Staatseinkünfte nicht ausbalanciert waren. Eine massive aufstockung des truppenhaushalts mit dem
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ziel, den krieg in mitteleuropa doch noch zu gewinnen, war daher nicht möglich: Die provinz Germania war und blieb verloren. augustus machte sich nach 9 n. chr. allmählich mit dem Gedanken vertraut, dass ein Gleichgewicht von kosten und Einnahmen auf niedrigerem niveau gefunden werden musste. Die ausschaltung dreier legionen und von auxiliarsoldaten im gleichen Umfang durch die aufständischen Germanen hatte die militärkosten in nennenswerter Weise reduziert, verminderte allerdings auch die offensive Schlagkraft des imperiums beträchtlich. für einen moment deutete sich die historische chance an, das römische reich defensiv auszurichten und den aufbau des inneren friedensraums weiter zu verfolgen. Die geostrategische Situation erlaubte dies ohne weiteres: Die parthische monarchie hatte wiederholt, zuletzt im Jahr 2 n. chr., ihre friedensbereitschaft gegenüber rom dokumentiert. Der markomannische könig marbod hatte soeben trotz der unprovozierten aggression des imperiums gegen sein königreich die notsituation des pannonischen aufstandes nicht ausgenutzt und frieden mit dem angeschlagenen imperium geschlossen. auch sonst drohte von keiner Seite eine ernstzunehmende Gefahr. augustus zog aus dieser konstellation die naheliegende Schlussfolgerung: Er erteilte seinen mitbürgern in seinem politischen testament den dringenden rat, zukünftig auf Eroberungen zu verzichten und damit das imperium zu einem friedfertigen nachbarn der angrenzenden Völker umzugestalten. Das hätte unter anderem bedeutet, die reduktion der legionen auf 25 hinzunehmen und diese Soldaten im Wesentlichen zur abwehr eventueller angriffe einzusetzen. Doch nur wenige Wochen nach dem tod des augustus (19. august 14 n. chr.) führte Germanicus, der adoptivsohn des neuen imperators tiberius, ein invasionsheer in einer Stärke von über 30 000 Soldaten in den bereich der oberen lippe, um das nichtsahnende Volk der marser zu attackieren, die nahezu vollständig massakriert wurden.
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III. EINE NEuE VERFASSuNG SpIELT SICH uNTER SCHmERzEN EIN: VoN DER REGIERuNGSzEIT DES TIBERIuS BIS zuR KATASTRopHE DES «BESTEN» (14–117 N. CHR.)
1. Der erste Nachfolger: Tiberius (14–37 n. Chr.) Die besondere Stellung von augustus innerhalb des römischen Staates beruhte auf ausnahmegewalten, die ursprünglich nur diesem einen mann zuerkannt worden waren und die nach spätestens zehn Jahren – also im Jahre 18 v. chr. – auslaufen sollten. Wie oben beschrieben, wurden die Sondervollmachten für augustus jedoch immer wieder verlängert, so dass sie schließlich bis an sein lebensende in kraft blieben. Eine rechtlich verbindliche bezeichnung für seine Stellung gab es zunächst nicht. moderne ausdrücke wie «kaiser» suggerieren das zwar, aber verfälschen damit im Grunde die Wahrnehmung. Die legale Grundlage der quasi-monarchischen ordnung blieb die fiktive notstandssituation, die 27 v. chr. gewissermaßen aus heiterem Himmel festgestellt worden war. Da es keinen throninhaber im formalen Sinn gab, konnte auch keine reguläre nachfolgeordnung beschlossen werden. augustus hatte im lauf seines lebens wiederholt in informeller Weise verdeutlicht, dass er bestimmte personen als nachfolger in seiner Stellung wünschte. Das geschah unter anderem, indem er besondere privilegien für seine Wunschkandidaten erwirkte, beispielsweise das recht, sich früher, als die Gesetze dies vorsahen, um bestimmte Ämter zu bewerben. oder er veranlasste, dass Senat und Volk bestimmte «kaiserliche» kompetenzen wie die tribunizische amtsvollmacht an die von ihm bezeichneten personen verliehen. Schließlich war die adoption als dynastisches mittel der auszeichnung eine methode der informellen Designation. alle zukünftigen imperatoren, die einen nachfolger zu designieren wünschten, be-
Der erste Nachfolger: Tiberius
dienten sich dieser von augustus vorgezeichneten techniken. augustus war mit seinen Wunschlösungen allerdings wiederholt gescheitert, da die Designierten vor ihm verstarben, so im falle seines neffen marcus claudius marcellus (23 v. chr.) oder seiner adoptivsöhne lucius und Gaius caesar (2 und 4 n. chr.). Schließlich fiel seine Wahl auf seinen ungeliebten Stiefsohn tiberius und einen nachgeborenen Sohn agrippas, die wiederum die charakteristische namensform tiberius bzw. agrippa iulius caesar wählten. Der junge agrippa postumus (geb. 12 v. chr.) fiel bald in Ungnade; die ausstattung von tiberius mit «kaiserlichen» Vollmachten, vor allem mit einem räumlich unbegrenzten imperium proconsulare und der tribunicia potestats im Jahre 13 n. chr., machte ihn noch zu augustus’ lebzeiten zu einer art mitherrscher. Dennoch: Einen präzedenzfall, der vorgezeichnet hätte, wie die machtübertragung rechtlich vonstatten gehen sollte, gab es nicht, als augustus am 19. august 14 n. chr. in nola in campanien starb. So war im Grunde auch unklar, wer im weiteren fortgang die initiative ergreifen sollte. Die neue ordnung war im Januar 27 v. chr. staatsrechtlich durch Senatsbeschlüsse inauguriert worden, die durch Volksbeschlüsse zu Gesetzen erhoben worden waren. Sollten die consuln die frage der nachfolge auf die tagesordnung setzen und damit andeuten, dass über die machtübertragung debattiert werden könnte? niemand wagte, dieses Vorgehen vorzuschlagen. tiberius verzögerte eine lösung, indem er zunächst die Verlesung des augusteischen testaments, der rechenschaftsberichte über die imperiale kassenlage und die Situation der Streitkräfte sowie des sogenannten tatenberichts, sämtlich von augustus selbst verfasste Dokumente, veranlasste. Dadurch, dass anschließend zunächst über die totenehrungen und beisetzungsfeierlichkeiten entschieden wurde, entstand ein kurzes interregnum, das tiberius nutzte, um zunächst die prätorianer und anschließend sämtliche armeeteile des imperiums auf seinen namen treueide ablegen zu lassen. Diese reihenfolge bei der machtübertragung illustrierte in bemerkenswerter Weise die machtrealitäten im imperium: Während tiberius sich bei den institutionellen prozeduren in rom viel zeit ließ, war er eilig bestrebt, sich der unbedingten loyalität des
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Heeres zu versichern – zwar mit einigen problemen am rhein und an der Donau, wie oben angesprochen (S. 40), doch die Eidesleistung als solche kam zunächst zustande. Der andere caesar, agrippas nachgeborener Sohn, wurde entweder auf befehl von tiberius oder mit seiner Duldung kurzerhand umgebracht. als die machtfragen im Wesentlichen entschieden waren, trat der Senat, möglicherweise am 17. September 14 n. chr., doch noch zusammen, um über die Stellung von tiberius zu beraten. leicht machte es der imperator seinen senatorischen Standesgenossen nicht. Dem bericht des tacitus zufolge19 soll er im Senat erklärt haben, die Gesamtheit der regierungsaufgaben nicht allein schultern zu können und deswegen nur einen «teil des Staates» regieren zu wollen. in mancher Hinsicht wiederholte sich jetzt die peinliche Situation von 27 v. chr.: Die Senatoren, die eigentlich keinen Herrn über sich haben wollten, waren aufgrund der offensichtlichen machtrealitäten gezwungen, in demütigender Weise darum zu bitten, tiberius möge die aufgaben des augustus in ihrer Gesamtheit übernehmen. als dieser sich immer weiter bitten ließ, begannen einzelne Senatoren, mehr oder weniger versteckte Gehässigkeiten in ihre reden und zwischenrufe einzuflechten. Die atmosphäre war schließlich völlig vergiftet, und sie sollte es bis zum tod des tiberius dreiundzwanzig Jahre später bleiben. am Ende der geschilderten Senatssitzung hat sich tiberius offenbar bereit erklärt, die machtstellung des augustus voll und ganz zu übernehmen. Eine offizielle ausstattung mit einem proconsularen imperium oder der tribunizischen Vollmacht war nicht notwendig, da tiberius diese kompetenzen bereits besaß. Damit war in rom die machtübergabe zwar nicht reibungslos, aber doch ohne Gefährdung des augusteischen Staatsaufbaus über die bühne gegangen. Es zeichnete sich allerdings jetzt schon ab, dass das fehlen einer nachfolgeordnung – neben der chronischen Unterfinanzierung des militärapparates – zu einer weiteren schweren bürde für den frieden des imperiums werden würde. Jedes mal, wenn beim tod eines Herrschers keine spontane Einigkeit über dessen nachfolger bestand, würde es zum konflikt kommen.
Die Ausbildung einer neuen Ideologie
2. Die Ausbildung einer neuen Ideologie: Bürger und untertanen als kultische Verehrer der Herrscher und als mitglieder ihrer erweiterten Familie abgesehen von der Verstetigung der revolutionären augusteischen ordnung erwies sich die tiberische regierungszeit noch in einer anderen Hinsicht als wegweisend: in der Verfestigung der ideologie, die die neue Herrschaftsordnung zu tragen half und die bis ins vierte Jahrhundert bestand hatte. tiberius selbst tat zwar wenig, um die ideologische reorientierung der bürger und Untertanen zu fördern, und stellte sich eher den vorhandenen tendenzen entgegen. Umso stärker wird jedoch unter seiner Herrschaft das Eigengewicht der ideologischen begleiterscheinungen sichtbar, die augustus mit seinem Umbau der römischen Staatsordnung ins leben gerufen hatte. Sie werden deswegen an dieser Stelle exemplarisch behandelt, auch wenn sie prinzipiell in der gesamten frühen und hohen kaiserzeit in ähnlicher Weise auftraten. im zuge der «augusteischen revolution» (ronald Syme) waren die römischen bürger politisch weitgehend entmündigt und die republikanischen institutionen durch die neue zentralgewalt faktisch unter kuratel gestellt worden. als offizielle begründung für diese maßnahmen diente der 27 v. chr. unvermittelt entdeckte notstand in neun römischen provinzen. Dieser notstand war so offenkundig eine fiktion, dass er in der Selbstdarstellung der machthaber nur eine untergeordnete rolle spielte. zur ideologischen Dominanz gelangte vielmehr schon in augusteischer zeit ein ins maßlose gesteigerter personenkult, der in der Verehrung des Herrschers als Gott kulminierte. Eine entscheidende Weichenstellung hatte augustus (noch unter dem namen caesar) bereits im Jahr 30/29 v. chr. vorgenommen, als er den Hellenenbünden der provinzen asia und bithynia in Westkleinasien erlaubte, jeweils einen tempel in den metropolen pergamon und nikomedia zu errichten, die für die kultische Verehrung seiner person und der «Göttin rom» bestimmt waren. Ähnliche Genehmigungen ergingen kurz darauf an die als institutionen der Herrscherverehrung
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ins leben gerufenen provinziallandtage von Galatien, Syrien und wahrscheinlich makedonien. charakteristisch für die Verfahrensweise bei der Etablierung der neuen kulte war in diesen fällen, dass die initiative für ihre Einrichtung, jedenfalls in der offiziellen Darstellung, von unten ausging und augustus lediglich «erlaubte», dass er an den neuen Verehrungsstätten wie ein Gott oder doch gottähnliches Wesen angebetet werde. Dieses Verfahren war wohl die regel, von der es allerdings ausnahmen gab. beispielsweise wurde der altar von Lugdunum (lyon), an dem die bewohner der drei gallischen provinzen Lugdunensis, Aquitania und Belgica «rom und augustus» kultisch verehren sollten, auf initiative des kaiserlichen Hauses im Jahre 12 v. chr., also im Vorfeld der Germanenkriege, eingeweiht. Ähnliches ist für den augustusaltar in köln anzunehmen, der das zentrum des kaiserkults für die bevölkerung Großgermaniens bilden sollte. in italien, dem kernland des imperiums, wurden die als provinzial empfundenen landtage mit kaisergebeten und -opfern nicht zelebriert. Stattdessen entwickelten sich andere, kaum weniger verpflichtende und emphatische ausprägungen des personenkults. zahlreiche neu geschaffene oder restaurierte Gebäude oder bauensembles in rom, wie etwa das augustusforum mit dem marsUltor-tempel, die privatresidenz des augustus oder das mausoleum der iulier im Verbund mit dem friedensaltar und der augusteischen Sonnenuhr, waren in ihrem Symbolgehalt ganz auf die sakrale Überhöhung des augustus und seiner familie ausgerichtet. Seit 7 v. chr. mussten darüber hinaus in rom und in den römischen kolonien die Götter des augusteischen Haushalts (Lares Augusti) und der «Geist des augustus» (genius Augusti) kultisch verehrt werden. Diese Verehrungsformen gehörten in den kontext typischer familienfeiern: in der privaten kapelle jedes römischen Haushalts wurde, neben den Heimgöttern und den Vorfahren, der genius des Hausherrn, eine art spirituelle kopie seiner persönlichkeit, von den familienmitgliedern kultisch verehrt. indem augustus die Einbeziehung seines genius in diese feiern stimulierte und förderte, wurde er symbolisch mitglied in Hunderttausenden von Haushalten römischer familien.
Die Ausbildung einer neuen Ideologie
Der kult der augusteischen Haushaltsgötter und des augusteischen genius wurde aber auch öffentlich vollzogen, speziell an den von alters her an den Straßenkreuzungen gelegenen sacella, die die Stadtlandschaften in italien und den romanisierten provinzen prägten; diesbezüglich und hinsichtlich ihres aussehens ähnelten sie Heiligenkapellen im mittelalter. Die nachbarschaften der einzelnen Stadtquartiere wählten mitglieder von kultvereinen (collegia compitalicia) und deren Vorsitzende, die sich um das Schmücken der kapellen und die regelmäßige ausrichtung der compitalfeiern (Straßenkreuzungsfeiern) zu kümmern hatten. in den kultvereinen – in rom immerhin 265 an der zahl – waren häufig Sklaven und freigelassene vertreten, zu deren integration in die augusteische Gesellschaft der Genien- und larenkult einen besonderen beitrag leistete. andererseits ging von diesen nachbarschaftsorganisationen auch ein erheblicher Druck aus, nach möglichkeit regelmäßig und in heiterer Stimmung an der feier der neuen Verhältnisse mitzuwirken. Von den höchsten mitgliedern der römischen Gesellschaft und speziell von den Senatoren erwarteten augustus und seine nachfolger indes normalerweise nicht, dass sie ihnen mit religiöser Ehrfurcht entgegentraten. Erst nach dem ableben des Herrschers erhoben die Senatoren in der regel den Verstorbenen unter die von Staats wegen zu verehrenden Götter, veranlassten die Errichtung zentraler Verehrungsstätten für die Vergöttlichten und benannten priester aus ihren eigenen reihen, die die kultausübung zu leiten hatten. Der zentralkult der jeweiligen als Götter verehrten verstorbenen Herrscher (Divi) in rom diente als Vorbild für die Verehrung der Divi in den provinzen und deren Städten, wo eigene priestergremien, die sogenannten Seviri Augustales, für die Verrichtung des öffentlichen kults zuständig waren. Seitdem tiberius die Senatoren im august des Jahres 14 n. chr. beauftragt hatte, über die Ehren für seinen verstorbenen Vater zu befinden, galt es als recht des Senats, die Einrichtung eines offiziellen kults zu beschließen oder diesen beschluss, wie bereits bei tiberius 37 n. chr. geschehen, zu verweigern. Die ablehnung der Divinisierung kam einem posthumen Verdammungsurteil über die Herrschaftszeit eines kaisers gleich.
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Die aufnahme eines verstorbenen kaisers unter die Staatsgötter versetzte diesen an das firmament und entrückte ihn der alltagswelt, während die anbetung der Herrscher im rahmen von Straßen- und nachbarschaftsfesten sie zum bestandteil der Volkskultur machte und die illusion einer familiären nähe von beherrschten und Herrscher erzeugte. Dieses moment des personenkults wurde noch durch einen anderen aspekt der neuen politischen kultur verstärkt, nämlich die intensive Einbeziehung der römischen bürger, aber auch der übrigen bevölkerung, in den durch Geburts-, Hochzeits- und todestage, adoptionen und Scheidungen gegliederten lebensrhythmus des kaiserhauses, der domus Augusta. als beispielsweise der Stadtrat der römischen kolonie pisa in ligurien im Jahr 4 n. chr. die nachricht vom tod des adoptierten kaisersohns Gaius iulius caesar erhielt, beschloss er gemeinsam mit der bürgerversammlung der römischen kolonie, dass «alle (…) trauerkleidung anziehen, die tempel der unsterblichen Götter, die öffentlichen bäder und Geschäfte geschlossen bleiben, alle auf Gastmähler verzichten und die Ehefrauen unserer kolonie trauern (müssten)».20 mit dem anlegen von trauerkleidung, dem Verzicht auf den besuch von theatern, bädern und dem Schließen der Geschäfte – und zwar für mehrere monate – nahmen die bürger und bürgerinnen der kolonie in ihrer Gesamtheit an dem todesfall in der kaiserlichen familie anteil, als wenn sie einen privaten todesfall zu beklagen gehabt hätten. Die kolonie pisa war mit den adoptivsöhnen des augustus besonders eng verbunden und mag in ihren trauerbekundungen sehr weit gegangen sein. aber ähnliche formen der aktiven teilnahme an traurigen oder freudigen Ereignissen der domus Augusta sind vielfältig belegt und waren bald nach (oder schon während) der augusteischen revolution ein fester bestandteil des öffentlichen und privaten lebens im gesamten imperium romanum. Die zunehmende fokussierung von bürgern und Untertanen auf familiäre Ereignisse im kaiserhaus war im Sinne einer Entpolitisierung der massen von den Herrschenden offenkundig gewollt und wurde nach kräften gefördert. Doch der frenetische Enthusiasmus, mit dem sich weite teile der bürgerschaft in die neue rolle
Die Ausbildung einer neuen Ideologie
als erweiterte familie des Herrscherhauses hineinfanden, hatte zuweilen auch politisch destabilisierende folgen, die in dieser form von augustus sicher weder gewünscht noch vorhergesehen worden waren. Diese Effekte traten besonders dann deutlich hervor, wenn teile der bevölkerung durch ihre begeisterte bevorzugung bestimmter familienmitglieder der domus Augusta ihre missbilligung für andere angehörige des kaiserhauses zeigten. tiberius etwa war bei den Stadtrömern schnell sehr unbeliebt, weil er als arrogant und ungesellig galt. Demonstriert wurde ihm dies unter anderem durch die geradezu euphorische zustimmung, die in rom, aber auch außerhalb der Hauptstadt, für Germanicus bekundet wurde, den Sohn von tiberius’ früh verstorbenem bruder Drusus und antonia, einer tochter des marcus antonius. tiberius hatte Germanicus auf Weisung von augustus adoptieren müssen, obwohl er einen leiblichen Sohn hatte, Drusus den Jüngeren. Die unterschiedliche Gunst, die den beiden brüdern und dem Vater in der öffentlichkeit gezeigt wurde, führte zu Spannungen, die zu beginn des Jahres 19 n. chr. ihren Höhepunkt erreichten, als Germanicus während einer diplomatischen mission im osten des imperiums, für die er mit nahezu kaisergleichen Vollmachten ausgestattet worden war, ohne Erlaubnis des tiberius die provinz Ägypten bereiste. Seit marcus antonius dort seine machtbasis in den 30er Jahren v. chr. gehabt hatte, war diese provinz für einen Senator, auch wenn er Sohn des kaisers war, tabu. Das hinderte die bevölkerung von Alexandria nicht, Germanicus wie einen leibhaftig erschienenen Gott zu feiern. Diese religiösen Ehrfurchtsbekundungen – die eigentlich nur einem kaiser zugestanden hätten und die sich Germanicus dementsprechend entschieden verbat – antizipierten im Grunde die von vielen erhoffte machtergreifung des Germanicus. Es ist daher wenig überraschend, dass tiberius seinen adoptivsohn in einer Senatsrede bitter wegen dessen eigenmächtigen Verhaltens zurechtwies. als Germanicus wenige monate darauf, am 10. oktober 19 n. chr., in antiochia am orontes überraschend verstarb, schien für viele eine Welt zusammenzubrechen. Das Gerücht setzte sich fest, dass der junge, charismatische Herrschersohn keines natür-
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lichen todes gestorben sein könne. Der allgemeine Verdacht richtete sich auf einen engen Vertrauten von tiberius, Gnaeus calpurnius piso, der als Statthalter Syriens durch ein von tiberius veranlasstes Gesetz beauftragt worden war, als «Helfer» (adiutor) oder aufpasser von Germanicus während dessen mission im osten zu fungieren. in rom kam es zu massendemonstrationen, unter deren Druck tiberius seinen freund piso fallen ließ. Schließlich beauftragte der kaiser sogar den Senat, die Schuld pisos am tod von Germanicus zu untersuchen. Dies war ein besonders heikler Schritt, denn die öffentlichen Verdächtigungen gegen piso richteten sich indirekt auch gegen tiberius, der diesen mann ausgesucht und instruiert hatte. Selbst als piso an seiner Sache verzweifelte und in der nacht vom 7. auf den 8. Dezember 20 Selbstmord beging, wurden die unter großer öffentlicher anteilnahme stattfindenden Untersuchungen auf Weisung von tiberius fortgesetzt. Es lag natürlich außerhalb des Denkbaren, dass der Senat tatsächlich eine mitschuld des Herrschers, der ostentativ Einblick in seine privaten Unterlagen gewährte, feststellte. Dennoch dankte der Senat in seinem offiziellen abschlussbericht tiberius in überschwenglicher Weise, gleichsam als ob der kaiser ein vollkommen offenes Verfahren ermöglicht hätte. Seiner schwierigen Situation entzog sich der Senat, indem er piso vom Verdacht des mordes an Germanicus freisprach und stattdessen andere Gründe fand, um den Selbstmord pisos als «an sich selbst vollzogene todesstrafe» zu werten. besondere beachtung verdient der hohe Grad an öffentlichkeit, den der prozess und seine gesamten Umstände erhielten. nicht nur, dass die Untersuchung als solche wie ein Schauprozess inszeniert wurde – der abschlussbericht des Senats wurde umgehend vervielfältigt und reichsweit in sämtlichen militärlagern und provinzialen zentren auf dauerhaftem material publiziert. Ebenso war es schon vorher mit dem umfangreichen Ehrenkatalog für Germanicus geschehen. Da Germanicus kein «kaiser» gewesen war, konnte er nicht offiziell vergöttlicht werden. Doch wie schon bei Gaius und lucius caesar nahm die bevölkerung in vielen teilen des imperiums an den totenfeiern und Gedenktagen teil, als wenn sie ein familienmitglied verloren hätte, und ehrte den Verstorbenen wie einen
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Halbgott (heros). im festkalender des militärs hielt sich diese tradition bis ins dritte Jahrhundert. Diese ostentative anteilnahme der bevölkerung hatte auch die funktion, dem imperator tiberius zu zeigen, wie sich das Volk seinen idealherrscher vorstellte: als jugendlichen, charismatischen Helden, dabei leutselig und ein familienmensch mit zahlreichen kindern. all das war tiberius nicht, der sich zusehends verbittert aus der öffentlichkeit zurückzog und seit 26 n. chr. fast ausschließlich in seiner luxuriösen Villa auf capri lebte. rom suchte er nicht einmal mehr anlässlich des todes seiner mutter livia (29 n. chr.) auf. Die römische Gesellschaft rächte sich mit Gerüchten über erotische ausschweifungen und folterungen, die angeblich in der Villa von tiberius stattfanden. Die zeit der Schauprozesse war mit dem piso-prozess von 20 n. chr. nicht vorbei. professionelle Denunzianten machten beleidigende Äußerungen über tiberius oder gegen ihn gerichtete Verschwörungen publik, was bei entsprechend hochrangigen personen wie piso zu öffentlichen Untersuchungen und Verurteilungen im Senat führte. Vor allem die familie des Germanicus, seine Witwe agrippina und seine Söhne nero und Drusus, gerieten in den fokus der Denunziationen. Eine wesentliche rolle spielte dabei einer der wenigen männer, die das Vertrauen von tiberius genossen, lucius aelius Seianus, der durch die Gunst des princeps bis zur prätorianerpräfektur aufgestiegen war. aufgrund seiner charmanten Umgangsformen schlüpfte er sogar in die rolle des popularitätsmagnets, die tiberius nicht zu spielen bereit war, und fungierte in rom bis zu seinem Sturz 31 n. chr. als eine art Ersatzkaiser. obwohl das politische kalkül hinter seiner Denunzierung der Germanicusfamilie deutlich erkennbar war, glaubte ihm tiberius, offensichtlich geleitet durch seine eigenen antipathien. als es antonia, der mutter von Germanicus, gelang, tiberius die augen zu öffnen, ließ er Seian mit seiner familie und zahlreichen seiner anhänger und Unterstützer festnehmen und hinrichten. Doch trotz des Sturzes der Denunzianten wurden die Urteile gegen die familienmitglieder des Germanicus keiner revision unterzogen. Die ablehnung, die tiberius in der öffentlichkeit entgegenschlug, vertiefte sich daraufhin immer weiter.
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Diese Ereignisse fesselten offenkundig die aufmerksamkeit eines großen teils der bürger und Untertanen, die hochgradig parteilich an den Spannungen innerhalb der kaiserfamilie teilnahmen. alle anderen großen fragen, selbst so essentielle wie die der steuerlichen belastung, der lebensmittelversorgung roms oder fragen über krieg und frieden, konnten, wenn überhaupt, nur für relativ kurze zeit aufmerksamkeit binden. auch die Historiographie der kaiserzeit geriet in den bann der dynastischen perspektive: Die abfolge von zerwürfnissen und Versöhnungen, todesfällen und Geburten in der domus Augusta rückte, abgesehen von den großen kriegen, in den mittelpunkt der Geschichte, sie wurde regelrecht zu der Geschichte der kaiserzeit. Das gilt selbst oder sogar ganz besonders für den großen Historiker der kaiserzeit, publius (?) cornelius tacitus, dessen spannungsgeladene und – entgegen seiner Devise, «ohne zorn und parteinahme»21 schreiben zu wollen – ausgesprochen subjektive Darstellung der frühkaiserzeitlichen Geschichte die Wahrnehmung dieser Epoche bis heute entscheidend geprägt hat.
3. Seelisch verwundete Imperatoren: Caligula und Claudius (37–54 n. Chr.) nach dem Gesagten kann es nicht überraschen, dass die nachricht vom tode des tiberius (16. märz 37 n. chr.) in rom mit freudenkundgebungen und Straßenfesten aufgenommen wurde. Das testament des verstorbenen imperators, in dem eine Herrschaftsteilung zwischen seinem Enkel tiberius ‹Gemellus› (dem Sohn des 23 n. chr. verstorbenen jüngeren Drusus) und dem letzten überlebenden Sohn des Germanicus, Gaius iulius caesar, genannt caligula, angeregt worden war, wurde faktisch übergangen. bereits am Sterbeort und todestag des tiberius setzten sich die in capri anwesenden prätorianer unter dem kommando Sutorius macros über diese teilung hinweg und begrüßten Gaius caesar in einer feierlichen zeremonie als alleinigen imperator. noch bevor diese prätorianerabteilung am 28. märz 37 ihren imperator nach rom brachte, vollzog der Senat am 18. märz diesen Schritt nach und
Seelisch verwundete Imperatoren
übertrug dem damals 24-jährigen Gaius caesar die augusteischen Vollmachten. Gemellus erhielt pro forma einige Ehren, wurde aber wenig später als Staatsfeind getötet, weil er angeblich medikamente einnahm, die ihn gegen einen Giftanschlag von Seiten seines kaiserlichen Vetters schützen sollten. Der Sieger der innerdynastischen fehden stellte sich schon mit dem gewählten Herrschernamen Gaius caesar augustus Germanicus in die tradition der iulischen familie. Wenig später, anlässlich der beisetzung von tiberius am 4. april 37, verkündete caligula in einer art Grundsatzerklärung, wieder zum augusteischen regierungsstil zurückkehren, vergangene konflikte vergessen und in den bahnen der geltenden Gesetze handeln zu wollen. prompt beschlossen die Senatoren, den text der «regierungserklärung» einmal im Jahr zum Gedenken an den Herrschaftsantritt caligulas öffentlich verlesen zu lassen. Schon diese maßnahme verriet, dass viele angehörige der politischen Elite der ungewohnten Eintracht nicht ganz trauten, und dies völlig zu recht, wie die folgenden Ereignisse zeigten. Die Volksfeststimmung, die den Herrschaftsantritt caligulas begleitete, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis des jungen mannes zur regierungselite des römischen Staates mit einer schweren Hypothek belastet war. formal betrachtet war es der Senat gewesen, der caligulas mutter agrippina (29 n. chr.) und seine brüder nero iulius caesar (29 n. chr.) und Drusus iulius caesar (31 n. chr.) verurteilt hatte. Die Verurteilten und zu Staatsfeinden Erklärten waren in die Verbannung geschickt bzw. inhaftiert worden und starben bald darauf in kurzer folge. ausschlaggebend für diese katastrophe der familie des Germanicus war die initiative des tiberius gewesen, der die Senatoren unnachgiebig unter Druck gesetzt hatte, die brüder und die mutter caligulas zu verurteilen. Doch hatte niemand (mit der ausnahme antonias, der mutter des Germanicus) den mut gefunden, sich dem offenkundigen rechtsmissbrauch zu widersetzen oder später für eine begnadigung der Verurteilten einzutreten. caligula war 29 n. chr., als die prozesse gegen seine familie eröffnet wurden, erst 16 Jahre alt und aus diesem Grund von tiberius
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geschützt worden: Der kaiser holte ihn 30 n. chr. in seine Villa auf capri, wo der Heranwachsende vor den Denunziationen der Hauptstadt einigermaßen sicher war, allerdings in unmittelbarem kontakt mit dem misstrauischen alten leben musste, der mit caligulas familie zutiefst verfeindet war. Über die römischen Schauprozesse gegen seine mutter und brüder, die Verleumdungen, die Dankesfeiern nach den Verurteilungen und schließlich den Sturz Seians informierte er sich aus berichten und akten, die capri aus rom erreichten und die er sorgfältig sammelte. nachdem er zum alleinherrscher aufgestiegen war, inszenierte er eine öffentliche Verbrennung der belastenden texte, angeblich ohne ihren inhalt zur kenntnis genommen zu haben. tatsächlich besaß er von allen texten kopien – alle Denunziationen und aussagen gegen seine familie waren hier verzeichnet. Der junge princeps kannte diese Schriftstücke genau, und er hatte nichts vergeben oder vergessen. in einer Gesellschaft, in der rache durchweg positiv konnotiert war, war dies eine denkbar schlechte Voraussetzung für eine harmonische regierungszeit. Doch war der andere, zuvor behandelte aspekt ebenso realität: mit caligula war der Sohn eines Hoffnungsträgers kaiser geworden, an den sich irrationale, überhöhte Erwartungen geknüpft hatten. Dieser drastische Gegensatz von befürchtungen und Hoffnungen wurde von den zeitgenossen eher geahnt als reflektiert. als sich die Spannungen in bluturteilen und Gewalthandlungen des jungen Herrschers entluden, lagen nur einfache Erklärungen parat: Der mann war wahnsinnig, ein monstrum, wie Sueton ihn nannte. «man nimmt an», referiert Sueton etwa hundert Jahre später, «dass seine Gattin caesonia ihm einen liebestrank gegeben hat, der ihn aber wahnsinnig gemacht hat».22 Die kataloge seiner tatsächlichen oder erfundenen Wahnsinnstaten sind lang und unterhielten schon in der antike die Sensationsgier der leser. Ein typischer ausschnitt aus diesen aufreihungen liest sich so: «Einen Murmillo (Gladiator) einer Fechterschule, der mit Holzschwertern mit ihm übte und sich absichtlich von ihm schlagen ließ, durchbohrte er mit einem eisernen Dolch und lief, wie die Sieger es zu tun pflegen, mit ei
Seelisch verwundete Imperatoren nem Palmzweig umher. Einmal erschien er bei einem Altar, wo schon der Opferstier bereitstand, in der Kleidung eines Opferschlächters, mit hoch geschürzter Toga, hob die Opferaxt hoch in die Luft und schlug den Opfer diener tot.»23
Diese Episoden gehören nicht zu den spektakulärsten anekdoten, die über caligula erzählt wurden, aber sie illustrieren typische charakterzüge, die ihm in der historischen Erinnerung zugeschrieben wurden: Sprunghaftigkeit, Unberechenbarkeit und eine exzentrische, gefühllose Grausamkeit. Während viele seiner aktionen als völlig ziellos und krankhaft dargestellt werden, erscheint in einigen fällen der Senat als objekt seiner planvollen feindseligkeit. So heißt es in seiner biographie: «Oft griff er ohne Unterschied den ganzen Senat an, nannte ihn Klienten Seians und Denunzianten seiner Mutter und Brüder, indem er die Schrift stücke vorwies, von denen er behauptete, er habe sie verbrannt. Ferner ver teidigte er die Grausamkeit des Tiberius als notwendig, denn dieser habe doch so vielen Anklägern glauben müssen.»24 als der Senat ihm nach einer kriegsexpedition eine Willkommensdelegation entgegensandte, «schrie er sie laut an und sagte: ‹ich werde kommen, ja ich werde kommen, und dies da mit mir!› Dabei schlug er wiederholt an den Griff seines Schwertes, das er an der Seite trug. auch verkündete er, dass er zurückkehre, aber nur für die, die seine rückkehr wünschten, für die ritter und das Volk. Denn für die Senatoren wollte er in zukunft weder bürger noch kaiser sein.»25
Die berichte über die aussprüche und taten caligulas sind viele Jahrzehnte nach dessen tod entstanden und können in ihrem Wahrheitsgehalt nicht mehr überprüft werden. auf der anderen Seite sind die Verhaltensmuster caligulas als solche, bei aller ihm zugeschriebenen Exzentrik, von einer psychologischen Warte betrachtet, glaubhaft dargestellt. Scheinbar unmotivierte, plötzliche Gewalthandlungen, sprunghaftes Verhalten und extreme Schlafstörungen, die Sueton ihm nachsagt, sind typische krankheitssymptome gewalttraumatisierter personen. Dieselben leute, die seine engsten Verwandten als Hochverräter und Verschwörer an den pranger gestellt hatten, waren seit dem märz 37 n. chr. seiner un-
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eingeschränkten Willkür ausgeliefert. Dass in einem solchen fall unterdrückte rache- und allmachtsphantasien zur Verwirklichung drängten, ist prinzipiell plausibel, auch wenn keine einzige der von Sueton und cassius Dio ausgemalten Handlungen aufgrund dieser psychologischen konstruktion als historisch belegt gelten kann. Wahrscheinlich hat sich im laufe der zeit, nachdem die figur caligula einmal als antiheld abstruser und schauerlicher anekdoten etabliert war, weiterer legendenstoff um den kern des ursprünglichen bestandes von caligulaerzählungen gebildet. Hier Wahres von Erfundenem zu trennen, erscheint heute aussichtslos. Sueton und cassius Dio erwähnen mehrere Verschwörungen gegen das leben des imperators, darunter diejenige des marcus aemilius lepidus, des designierten nachfolgers caligulas und verwitweten Gemahls von dessen Schwester iulia Drusilla. Die aufdeckung des komplotts im Jahre 39 n. chr. hatte die Ermordung des lepidus und die Verbannung der zwei noch lebenden Schwestern caligulas, agrippina und livilla, zur folge. im Verlauf des Jahres 40 n. chr. bildete sich eine Verschwörergruppe mit einem zentrum im kaiserlichen Haushalt und einem weiteren in der prätorianerkaserne, die im Januar 41 n. chr. einen gezielten und erfolgreichen Schlag gegen das leben des imperators führte: am 24. Januar stellte eine kleine Gruppe von bewaffneten, darunter zwei prätorianeroffiziere, den kaiser in einem theaterkorridor und machte ihn nieder. in der aus cassius Dio geschöpften mittelalterlichen Weltchronik des Johannes Xiphilinos heißt es, die bei der mordtat anwesenden hätten der leiche grauenvolle Verletzungen zugefügt und einige hätten vor Hass «sein fleisch gekostet».26 Überall in der Stadt sollen spontan die bildnisse und Statuen caligulas von wütenden menschengruppen umgestürzt oder vernichtet worden sein. Seine Gattin caesonia wurde ebenfalls ermordet, die einjährige tochter der beiden, iulia Drusilla, von einem prätorianer an eine Wand geschleudert, so dass sie an den Verletzungen starb. Die germanische leibwache wollte dem niedergestreckten kaiser zu Hilfe eilen, tötete einige passanten, stellte das sinnlose treiben aber nach einiger zeit ein. prätorianersoldaten, die – im Gegensatz zu ihren befehlshabern – zum großen
Seelisch verwundete Imperatoren
teil nicht in die anschlagspläne eingeweiht worden waren, patrouillierten ziel- und führungslos durch die Straßen roms. auf diese Weise endete die Herrschaft caligulas, wie Sueton verzeichnet, nach drei Jahren, zehn monaten und acht tagen. Einige Senatoren – möglicherweise hatten sie kenntnis von der Verschwörung – behielten in dieser Situation die nerven. Sie ließen die Gelder aus dem aerarium Saturni, der offiziellen Staatskasse, auf die kapitolinische burg bringen. Hierhin, in die alte festung der Stadt rom, beriefen die consuln den Senat noch für denselben tag, den 24. Januar 41 n. chr., zu beratungen zusammen. Die Stadtkohorten, die unter dem kommando des praefectus Urbi, eines hochrangigen Staatsmannes aus den reihen der ehemaligen consuln, standen, stellten die militärische bedeckung für diese Sitzung, zu der sich eine größere anzahl Senatoren zusammenfand. «Einige stellten (…), als sie nach ihrem Votum befragt wurden, den antrag, die Erinnerung an die caesares zu tilgen und ihre tempel zu zerstören. Dabei wurde vor allem bemerkt, dass alle caesares mit dem Vornamen Gaius durch Eisen umgekommen seien (…).»27 Die letzte bemerkung, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die offiziellen Senatsprotokolle zurückgeht, macht deutlich, wie sehr die augusteische ordnung in ihrer Substanz noch als Herrschaft einer familie, der Iulii Caesares, empfunden wurde. Da nun schon der dritte Herrscher, der den bürgerlichen namen Gaius iulius caesar getragen hatte (der Diktator 44 v. chr., der adoptivsohn des augustus 4 n. chr. und zuletzt der imperator caligula), durch Gewalt ums leben gekommen war, schien das sieghafte charisma dieser Sippe allmählich verbraucht zu sein. Einige schlossen daraus, dass es an der zeit war, zur republikanischen Staatsordnung zurückzukehren. andere brachten sich selbst als kandidaten für die kaiserwürde ins Spiel, ohne eine mehrheit zu finden. Die Debatte setzte sich bis tief in die nacht fort. Unterdessen verhafteten prätorianertrupps offenbar willkürlich personen in der Stadt. Ein solcher trupp hatte den 50-jährigen Sohn Drusus’ des Älteren und Enkel der livia, tiberius claudius nero (genannt claudius), im verwaisten palatium, dem hauptstädtischen Wohnsitz der iulier, aufgegriffen und unter beschimpfun-
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gen in die prätorianerkaserne vor der Stadt gebracht. als der Senat mehrere Volkstribunen vom kapitol in die kaserne sandte, um claudius zu den beratungen herbeizuholen, gaben die prätorianer den Verhafteten nicht frei. bis zu diesem tag hatte der plötzlich in den mittelpunkt der Ereignisse rückende claudius fast keine aufmerksamkeit in der politik roms auf sich gezogen. Seine mutter pflegte ihn öffentlich einen «Dummkopf» (stultus) zu nennen, augustus bezeichnete ihn in einem von Sueton zitierten privaten brief an livia als «geistig nicht ganz gesund», und sein onkel tiberius hatte in seiner regierungszeit eine Ehrung des Senats für claudius mit dem Hinweis auf dessen «Debilität» (imbecillitas) unterbunden.28 Da die Herrscherfamilie seine öffentlichen auftritte als lächerlich und rufschädigend empfand, war er von einer politischen karriere ferngehalten worden. im engsten kreis behandelte man ihn mit schonungsloser Häme, machte ihm keinen platz frei, wenn er zu den gemeinsamen mahlzeiten erschien, und überließ ihn den groben Späßen der in aristokratischen Häusern zur Unterhaltung verwendeten possenreißer. Schließlich zog er sich enttäuscht und gekränkt ins privatleben zurück, um auf seinen Gütern als Schriftsteller zu arbeiten. Erst caligula hat claudius – seinem onkel – einen für einen patrizier angemessenen platz im öffentlichen leben gewährt, indem er ihm im Herbst 37 ein zweimonatiges consulamt verschaffte. claudius zog in die iulische Stadtresidenz auf dem palatin, wo er jedoch wiederum nur zum objekt von Demütigungen und zurücksetzungen wurde. Dieser mann erwies sich im Januar 41 zur Überraschung vieler als geschickter taktiker und zielstrebiger politiker. Er versprach den prätorianern pro mann 15 000 Sesterzen, wenn sie ihn als ihren imperator anerkennen würden. Die Soldaten gingen sofort auf das angebot ein, nicht nur wegen des Handgeldes, sondern auch weil sie entschieden eine dynastische lösung befürworteten. mit dem tod caligulas waren die Iulii Caesares zwar ausgestorben, aber als sein onkel war tiberius claudius nero ein sehr naher Verwandter und überdies dem kaiserlichen Haus eng verbunden. Die als Unterhändler im lager der prätorianer anwesenden Senatoren stemmten sich zwar gegen diese lösung, als aber ihre militä-
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rische bedeckung, die nach zahl und ausrüstung den prätorianern deutlich unterlegenen Stadtkohorten, ihren posten verließ, gaben sie nach und übermittelten die Entscheidung der prätorianer einen tag nach caligulas tod dem Senat. Dieser brach daraufhin alle Debatten über den einzuschlagenden Weg ab und übertrug claudius die augusteischen Vorrechte: imperium proconsulare und tribunicia potestas. claudius akzeptierte diese kompetenzen, verurteilte einige der Verschwörer zum tod, erschien aber erst einen monat später im Senat, wo er eine allgemeine amnestie für alle aussprach, die eine rückkehr zur republik befürwortet hatten oder sich selbst als kandidaten für die position des princeps vorgeschlagen hatten. Den Senatoren, die ja eigentlich nichts Verbotenes getan hatten, blieb nichts anderes übrig, als freudig ihrer Dankbarkeit für diese Strafbefreiung ausdruck zu verleihen. Dass die Stimmung claudius gegenüber allerdings nicht wirklich freundlich war, zeigte sich schon einige monate später, als ein komplott aufgedeckt wurde, das den Sturz des neuen imperators und seine Ersetzung durch einen der politischen Elite genehmeren kandidaten, lucius arruntius camillus Scribonianus, zum ziel hatte. Geplant war, dass dieser mann, der als kaiserlicher legat die provinz Dalmatia regierte, die truppen der provinz nach rom führen sollte, um seinen Herrschaftsanspruch gegen die prätorianer und auch gegen die stadtrömische bevölkerung, die den anspruch des claudius im Januar mit nachdruck unterstützt hatte, gewaltsam durchzusetzen. Doch als die Soldaten schließlich den befehl zum aufbruch erhielten, erklärten sie, dass sich die legionsstandarten – aufgrund einer göttlichen fügung – nicht aus dem boden lösen ließen. ohne die Unterstützung der Soldaten brach der Umsturzversuch umgehend zusammen, Scribonianus floh aus dem Heerlager auf die adriainsel issa, wo er sich das leben nahm. in rom folgte eine Verhaftungswelle, von der auch viele Senatoren und ritter betroffen waren, die zum teil gefoltert und exekutiert wurden. nach diesen Ereignissen begegnete claudius der politischen Elite mit ausgeprägtem misstrauen. Selbst bei privaten besuchen begleitete ihn eine bewaffnete leibwächtereinheit. Jeder, der zu
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einer audienz vorgelassen werden wollte, musste sich einer leibesvisitation unterziehen. auf Denunziationen reagierte er wie seine Vorgänger mit angst und Härte: allein fünfunddreißig Senatoren und über dreihundert ritter sollen nach der angabe Suetons während seiner regierungszeit exekutiert oder auf seine Veranlassung hin ermordet worden sein. Die oberschicht rächte sich an ihm, indem sie der nachwelt das porträt eines zerstreuten Halbidioten überlieferte, der todesurteile ausstellen ließ, die er unmittelbar nach der Unterzeichnung wieder vergaß. auf der anderen Seite gestehen auch die ihm feindselig gesonnenen autoren zu, dass er bei öffentlichen auftritten im Senat oder bei Gerichtssitzungen Eloquenz und ein erhebliches fachwissen unter beweis stellte. Eine Senatsrede, in der er sich für eine weitergehende öffnung des Senats für römische bewerber aus Gallien aussprach, ist in teilen erhalten und zeigt, dass claudius rhetorisch akkurat und gelehrt zu dieser thematik sprechen konnte. Schwachsinnig im landläufigen Sinn war er also gewiss nicht. Doch die fülle der von tacitus, Sueton und Dio gebotenen anekdoten, die seine zeitweilige Geistesabwesenheit, sadistische Grausamkeit und gelegentliche Unzurechnungsfähigkeit belegen sollen, hat ein gewisses Eigengewicht und dürfte wohl ebenfalls nicht einzig aus reinen Erfindungen bestehen. Hinter den abwehrreaktionen des senatorischen milieus wird immer wieder dasselbe motiv sichtbar: Das militär hatte der stolzen senatorischen Großgrundbesitzeraristokratie einen Herrn aufgezwungen, den diese ablehnten, aber nur um den preis eines bürgerkriegs loswerden konnten. Es blieben Verschwörungen als option der Verzweiflung oder Gehässigkeiten und Satiren als Ventil der frustration. Unmittelbar nach dem tod des claudius verfasste der politiker und philosoph lucius annaeus Seneca eine in den bestand der Weltliteratur eingegangene Satire auf die offizielle Vergöttlichungsprozedur des claudius, in der eine imaginierte Götterversammlung dem verstorbenen kaiser die aufnahme verweigert und ihm entschieden die tür weist. Da claudius keine öffentliche laufbahn absolviert hatte, war er im senatorischen und ritterlichen milieu sehr schlecht vernetzt.
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Sein vertrauter Umgang waren stets die Sklaven und freigelassenen des kaiserlichen Haushalts sowie seine Ehefrauen gewesen. Daran änderte sich prinzipiell auch nichts, nachdem er kaiser geworden war. Einige freigelassene, die innerhalb der residenz auf dem palatin Sekretariatsarbeiten für den kaiser verrichteten, gerieten aufgrund ihrer persönlichen nähe zum kaiser in den Jahren nach 41 n. chr. zu großem Einfluss: pallas, der als a rationibus die Staatseinnahmen und -ausgaben überprüfte, callistus, der petitionen bearbeitete (a libellis), oder narcissus, der antwortschreiben an Delegationen entwarf (ab epistulis). Viele Senatoren sahen es als Verletzung ihrer Standesehre, dass sie ein gutes Verhältnis zu diesen ehemaligen Sklaven benötigten, wenn sie den zugang zum kaiser und dessen offenes ohr suchten. Eine dauerhafte Verschiebung der politischen Gewichte, etwa im Sinne des aufbaus einer art kabinettsregierung durch claudius, ging allerdings – entgegen der älteren forschungsmeinung – mit dieser vorübergehenden Stärkung des persönlichen Einflusses einiger kaisernaher Sekretäre nicht einher. Großen Unwillen unter der politischen Elite erzeugte auch der starke Einfluss, den messalina, die Gemahlin des kaisers, auf ihren mann ausübte. nach der von Hass und lebhafter imagination geprägten Darstellung des tacitus beherrschte messalina ihren mann, den sie maßlos verachtet haben soll, nach belieben und konnte aus diesem Grund eine eigenständige personalpolitik betreiben. auf ihren Wink starben prätorier und consulare (ehemalige prätoren bzw. consuln), während andere durch ihre protektion zu reichtümern und macht gelangten. nach und nach rückte sie selbst in das politische zentrum, bis sie schließlich im Jahr 48 den bogen überspannte, als sie den jungen Senator Gaius Silius, dem sie zu einem consulat verholfen haben soll, in einer öffentlichen zeremonie regelrecht heiratete und damit claudius öffentlich wie nicht-existent behandelte. als dem in ostia weilenden kaiser von einem freigelassenen die nachricht von dieser Hochzeit hinterbracht wurde, verurteilte er seine frau durch ein traditionelles Hausgericht zum tode, wollte ihr dann aber noch die möglichkeit der Verteidigung einräumen. Einige freigelassene des
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imperators kamen einem befürchteten Stimmungsumschwung des kaisers jedoch zuvor und ließen messalina kurzerhand ermorden. obwohl er den prätorianern gegenüber das feierliche Versprechen gegeben hatte, nicht wieder zu heiraten, nahm claudius nach relativ kurzer zeit, im Jahre 49, iulia agrippina die Jüngere, die tochter seines bruders Germanicus, zur Ehefrau. agrippina brachte aus erster Ehe einen Sohn mit namen lucius Domitius ahenobarbus mit, der älter war als der einzige lebende Sohn des claudius, britannicus. Damit war erneut eine dynastisch und politisch heikle Situation entstanden, die dadurch verschärft wurde, dass agrippina sich als noch ehrgeiziger und zielstrebiger erwies als ihre Vorgängerin messalina. Diese hatte vor allem durch ein geschicktes intrigenspiel im Hintergrund agiert, während agrippina um eine öffentlich anerkannte und sichtbare position stritt. Sie setzte bei ihrem mann durch, dass sie auf münzen als augusta, also wie eine «kaiserin», erschien. ferner überredete sie claudius, innerhalb der civitas Ubiorum, wo sie während der Germanienkriege unter tiberius geboren worden war, eine Veteranenkolonie zu gründen, die nach ihrem namen die «kolonie der agrippinensier» (Colonia Claudia Ara Agrippinensium) heißen sollte. auch dieser akt sollte ihre Gleichrangigkeit mit claudius unterstreichen, der 10 v. chr. in einer römischen kolonie (Lugdunum, lyon) zur Welt gekommen war. Schließlich ging claudius 50 n. chr. so weit, auf agrippinas Drängen seinen Stiefsohn Domitius unter dem namen nero claudius caesar zu adoptieren und damit seinen leiblichen Sohn in der nachfolgefrage zu benachteiligen. nero genoss in rom als Enkel des Germanicus eine große popularität. bei öffentlichen auftritten der brüder zeigte das Volk durch seine stürmischen beifallskundgebungen für nero, dass es den adoptivsohn des kaisers dem blassen und unauffälligen britannicus vorzog. noch einmal wirkten die messianischen Erwartungen nach, die seinerzeit in den früh verstorbenen prinzen Germanicus gesetzt worden waren. agrippina und nero schienen für die zukunft zu stehen, und claudius wurde wie schon in der Ehe mit messalina systematisch an den rand gedrängt. Schließlich scheint claudius seine Eheschließung mit agrippina und die zurückset-
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zung des britannicus bedauert zu haben. «ich habe die Verwundung zugefügt, ich werde sie heilen»,29 soll er seinem Sohn mit einem griechischen Verszitat gesagt haben. Doch dazu kam es nicht mehr: am 13. oktober 54 starb claudius in rom, den Gerüchten zufolge nach dem Genuss eines pilzgerichts, das seine frau für ihn zubereitet hatte. Er wurde unter die Staatsgötter versetzt und der bau einer weitläufigen tempelanlage für den kult des Divus Clau dius in rom beschlossen. als nachfolger erkannten die Senatoren auf initiative agrippinas nur nero an. britannicus wurde kurz nach dem Herrscherwechsel ermordet, ohne dass jemand eine Hand für ihn gerührt hätte.
4. «Gemäßigte Kriegspolitik» unter Tiberius, Caligula und Claudius (16–54 n. Chr.) in den ersten drei regierungsjahren des tiberius wurde gegen den testamentarischen rat des augustus die extensive kriegspolitik in mitteleuropa fortgesetzt (s. oben S. 53). Dem adoptivsohn des tiberius, Germanicus, standen zu diesem zweck eine Streitmacht von acht legionen und zahlreiche Hilfstruppen zur Verfügung, deren volle Schlagkraft er in mehreren feldzügen rechts des rheins einsetzte. Dabei gelang eine reihe symbolischer Erfolge wie die Gefangennahme der Gemahlin des arminius, thusnelda, die rückgewinnung von zwei der drei in der Varuskatastrophe verlorenen legionsadler und die bestattung der 9 n. chr. im teutoburgischen Wald Gefallenen. Gegen die marsi und bructeri ließ Germanicus Vernichtungsaktionen durchführen, die völkermörderischen charakter trugen. Doch eine konsolidierung der militärischen lage in Germanien zeichnete sich auch im dritten feldzugsjahr des Germanicus und 28 Jahre nach dem Einmarsch unter Drusus nicht ab. tiberius, der wahrscheinlich seit geraumer zeit die fortsetzung des Eroberungsunternehmens für aussichtslos hielt, sprach daher ein machtwort, berief Germanicus vom kriegsschauplatz ab und ließ die kampfhandlungen einstellen, ohne dass ein förmlicher frieden geschlossen worden wäre.
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fortan begann tiberius keine neuen Eroberungskriege und berücksichtigte verspätet den augusteischen rat, «das reich in seinen Grenzen zu bewahren». Dennoch war das römische Heer nicht arbeitslos. in wenigstens zwei regionen des imperiums, nordafrika und Gallien, kam es zu größeren aufstandsbewegungen gegen die römische Herrschaft. in nordafrika hatten die Vermessungstrupps der in Ammaedara (Haïdra in Westtunesien) stationierten legion in spätaugusteischer zeit damit begonnen, die Gebiete im heutigen Südtunesien systematisch zu vermessen und dort tribute zu erheben. Die nomadisch oder halbnomadisch lebenden Stämme dieser region wie die musulami, cinithii, nybgenii oder tacapitani betrachteten sich jedoch nicht als Untertanen des römischen kaisers und die arbeit der römischen landvermessertrupps in ihren Durchzugs- und Weidegebieten schlicht als raub. teile der von diesen Stämmen genutzten territorien wurden von römischen funktionären zudem ohne rücksprache mit den betroffenen dem Herrschaftsgebiet des königs iuba zugeschlagen, der von roms Gnaden ein Gebiet beherrschte, das sich vom heutigen zentralalgerien bis marokko (das antike Mauretania) erstreckte. in reaktion auf diese Unterwerfung durch amtliche mitteilung wurde von den Saharanomaden im Jahr 17 n. chr. unter ihrem anführer tacfarinas ein Guerillakrieg gegen römische Stützpunkte und Siedler begonnen, der bald ein terrain erfasste, das vom heutigen Westlibyen bis nach ostalgerien reichte. nach einem sieben Jahre währenden kleinkrieg gelang es den besatzern schließlich, die kerntruppen der Guerilla und ihren kommandanten in einen Hinterhalt zu locken und zu vernichten. Damit brach der lokale Widerstand vorerst zusammen. nach abschluss der zeitweilig unterbrochenen katasterarbeiten im Jahr 30 n. chr. hatte sich das imperium ein mehr als 27 000 Quadratkilometer umfassendes steuerpflichtiges Gebiet neu erschlossen. Der gallische aufstand im Jahre 21 n. chr. dauerte nur wenige monate, erfasste aber nach den Worten des tacitus nahezu jeden der 64 Gemeindestaaten in den drei von caesar eroberten provinzen. auf dem Höhepunkt der rebellion war eine vom rhein abgezogene, aus legionären gebildete Einsatztruppe etwa 40 000 meist
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mit Jagdwaffen ausgerüsteten gallischen kämpfern entgegengetreten und machte mit den schlecht ausgebildeten aufständischen kurzen prozess. tacitus, dem wir den einzigen längeren bericht über den aufstand verdanken, vermutete, dass vor allem hochverschuldete und verarmte Gallier sich der rebellion angeschlossen hatten. ihr wichtigster anführer, der Häduer iulius Sacrovir, soll in seinen demagogischen ansprachen den unablässigen Steuerdruck für die weitverbreitete Verarmung unter den Galliern verantwortlich gemacht haben. Demnach lag für den gallischen aufstand eine ganz ähnliche motivlage wie für die auflehnung der nordafrikanischen nomaden vor. Die besatzungsmacht konnte jedoch beruhigt feststellen, dass ihre professionell trainierten Soldaten mit Volksaufständen oder Guerillas des beschriebenen typs, auch wenn diese viele zehntausend kämpfer ins feld stellen konnten, ohne besonderen aufwand fertig wurden. auch die kosten für die repressionsmaßnahmen hielten sich offenkundig in Grenzen: tiberius hinterließ seinem nachfolger einen beträchtlichen Überschuss in den Staatskassen. Diese reserven verleiteten caligula offenbar dazu, die 16 n. chr. abgebrochene Expansionspolitik in Germanien wieder aufzunehmen. Während des Winters 39/40 n. chr. wurde entlang der rheingrenze ein Heer massiert, das nach cassius Dio eine Stärke von mehr als 200 000 mann erreichte. in der ersten Jahreshälfte 40 n. chr. begab sich der imperator wohl von mainz aus persönlich an der Spitze eines Heereszugs in das feindgebiet östlich des rheins, soll aber plötzlich in panik geraten sein, weil er eine feindberührung fürchtete. angeblich habe er sich auf einem Schild über die von fuhrwerken verstopfte mainbrücke tragen lassen, um möglichst schnell das rettende linke rheinufer zu erreichen. nach diesem fehlschlag richteten sich die Eroberungsabsichten caligulas auf die britische Hauptinsel. Doch ohne dem südlich des Ärmelkanals formierten invasionsheer den befehl zum Übersetzen gegeben zu haben, begab sich caligula überraschend zurück nach rom, um dort am 31. august 40 eine Siegesfeier auszurichten. als kriegsgefangene Germanen sollen angeblich verkleidete Gallier, die auf caligulas befehl entführt worden waren, posiert haben.
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noch im Hauptquartier in Lugdunum hatte caligula einen weiteren krieg initiiert, als er den mauretanischen könig ptolemaeus zu sich zitierte und töten ließ. Die Untertanen des ermordeten königs reagierten auf diese Gewalttat, indem sie mauretanische Städte entlang der mittelmeerküste angriffen, die sie offenbar als römische Einflusszonen ansahen. caligulas nachfolger claudius ließ die rebellion niederschlagen und annektierte das königreich, auf desssen territorium zwei römische provinzen eingerichtet wurden. bezüglich britanniens entschied claudius, die von caligula abgebrochene invasion doch noch durchzuführen. Den äußeren anlass für den beschluss zum angriff bildeten Störungen innerhalb des klientelsystems, das rom im Süden der britischen insel aufgebaut hatte und das unter den Druck des expandierenden Stammeskönigtums der cassivelauni geraten war. 43 n. chr. wurde eine Expeditionsarmee in einer Stärke von etwa 40 000 mann über den kanal gebracht. als der Vormarsch dieser truppen im lauf des Jahres ins Stocken geriet, wurde claudius nach einem zuvor verabredeten plan aus rom herbeigerufen und führte während seines sechzehntägigen aufenthalts auf der insel in einer für die römer erfolgreichen Schlacht das kommando. mit diesem Sieg war der Grundstock für die Einrichtung der provinz Britannia gelegt, die anfangs nur den Südosten der britischen Hauptinsel ausmachte. claudius erhielt den Siegerbeinamen britannicus, den er seinem 41 n. chr. geborenen Sohn übertrug. parallel zu den aufwendigen operationen in britannien und mauretanien ordnete claudius weitere annexionen an. in Südwestkleinasien hatte die kleine bundesrepublik lykien, ein zusammenschluss von Stadtstaaten, bisher als Enklave innerhalb des imperium romanum ihre autonomie behauptet. Doch in den 30er oder frühen 40er Jahren waren die wohl seit längerem bestehenden sozialökonomischen Spannungen zwischen den ober- und Unterschichten bis zum bürgerkrieg eskaliert, so dass angehörige der wohlhabenden Elite schließlich an claudius appellierten, militärisch zu intervenieren und die demokratische republik in ein auf privilegien beruhendes, aristokratisches Gemeinwesen umzuwandeln. claudius entsandte daraufhin truppen, die das Gebiet inner-
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halb einiger Wochen unter ihre kontrolle brachten (43 n. chr.). Der preis für die befriedung des inneren Gegensatzes war die provinzialisierung lykiens, das unter römische Gouverneure gestellt wurde und bei myra, einer der mitgliedstädte des bundes, einen altar erhielt, bei dem die lykier claudius fortan als Gott verehren mussten. Schließlich ließ claudius das thrakische fürstengebiet an der Westküste des Schwarzen meeres annektieren (46/47 n. chr.). auch im fall thrakiens hatten innere zwistigkeiten wiederholt römische interventionen provoziert, bevor claudius das Gebiet endgültig unter den befehl eines römischen Gouverneurs stellte. Damit waren in weniger als fünf Jahren dem imperialen territorium fünf neue provinzen hinzugefügt worden. kaum jemals hat sich die römische militärmaschinerie als so effizient erwiesen wie in diesen ersten Jahren des claudius. Dabei spielte sicherlich auch eine rolle, dass sich der als Schwächling geltende kaiser der Welt als Eroberer und aggressiver Herrscher präsentieren wollte. Seine militärischen operationen stellten jedoch anders als die erratischen Unternehmungen caligulas keinen selbstbezogenen aktionismus dar. mit den annexionen lykiens und thrakiens bezog der kaiser zwei unruhige Enklaven unmittelbar in den reichsverband ein und folgte damit dem augusteischen Vorbild, offen gebliebene territoriale lücken innerhalb des imperiums zu schließen. mauretanien wurde nach der niederschlagung eines aufstands annektiert, den claudius nicht provoziert hatte. Die neuen Gebiete wurden mit verhältnismäßig geringem militärischen aufwand unterworfen und erwiesen sich in der zukunft als stabile territoriale und fiskalische zugewinne des reiches. mit britannien verhielt es sich anders. Die beträchtliche invasionsarmee wurde für lange zeit annähernd zur Gänze als besatzung der neuen provinz gebraucht, so dass britannien eine der zahlenstärksten besatzungsarmeen im Verhältnis zur bevölkerung im ganzen imperium aufwies, dabei relativ arm und aus diesen Gründen wahrscheinlich ein zuschussgeschäft für die kaiser war. Der im Jahre 43 n. chr. scheinbar rasch beendete Eroberungskrieg zog sich in Wahrheit noch Jahrzehnte hin und wurde nie wirklich abgeschlossen. Unter imperialistischen Ge-
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sichtspunkten erwies sich die besetzung britanniens daher als fehler. Die vielleicht mit einer gewissen Eigenmächtigkeit durchgeführten operationen des niedergermanischen legaten Domitius corbulo im friesischen und chaukischen territorium (im heutigen Schleswig-Holstein) beendete claudius im Jahr 47 zur Enttäuschung des ruhmsüchtigen legaten mit einer strikten ordre, alle römischen truppen in die linksrheinischen Gebiete zurückzuholen. mit der annexion thrakiens kam die expansive phase der claudischen politik zu ihrem abschluss, so dass eine längere fiskalische Erholungsphase einsetzte, die die anschließenden neronischen Extravaganzen in der inneren und äußeren politik begünstigte.
5. Von der Herrschaft Neros zum ersten Thronfolgekrieg (54–68/70 n. Chr.) für den bei der machtübertragung erst sechzehnjährigen nero (vgl. oben S. 74 f.) bestimmte zunächst eine von seiner mutter agrippina begünstigte kleine Gruppe die Haupttendenzen der politik. Unter ihnen werden von tacitus der prätorianerpräfekt Sextus afranius burrus und der philosophische Schriftsteller lucius annaeus Seneca als besonders einflussreich genannt. Es waren wohl diese männer, die die außenpolitik noch im Jahre 54 wieder auf einen interventionistischen kurs brachten. anlässe für eine aggressive militärpolitik waren in der damaligen unruhigen Welt nicht schwer zu finden. Die ratgeber des jugendlichen kaisers entschieden sich für einen Eingriff in armenien, wo zu beginn der 50er Jahre ein iberischer (georgischer) Herrscher eigenmächtig den armenischen könig ausgetauscht hatte. Der alte claudius hatte auf die nachrichten aus dem osten nicht reagiert und auf jede Eskalation verzichtet. Der parthische könig Vologaises i. jedoch war zwar bereit, römischen Einfluss in armenien zu akzeptieren, schritt aber ein, als armenien aufgrund des ausbleibens einer reaktion roms ein iberisches protektorat zu werden drohte. aufgrund des Einflusses von burrus und Seneca wurde jedoch nach dem macht-
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wechsel 54 n. chr. der erfahrene militär Gnaeus Domitius corbulo mit dem auftrag an die ostprovinzen des imperiums beordert, in armenien einen römischen prätendenten einzusetzen. zu diesem zweck erhielt er ein kommando über ein Heer aus diversen kampfabteilungen, die aus ihren Heimatstandorten an die ostfront verlegt wurden. Vor allem tacitus hat um diese kampftruppen, die annähernd zehn Jahre zusammenbleiben sollten, einen lange nachwirkenden mythos geschaffen. insgesamt haben sie allerdings militärisch wenig Vorzeigbares erreicht. im Sommer 61 n. chr. saß der parthische favorit für den armenischen thron, der arsakide tiridates, nach wechselvollen und entbehrungsreichen kämpfen fest im Sattel. Der parthische könig Vologaises machte der römischen Seite zu dieser zeit ein weitgehendes friedensangebot, das nero jedoch zurückwies. Der junge kaiser hatte sich am Ende der 50er Jahre von seinen familiären beratern weitgehend emanzipiert und traf politische Entscheidungen mit größerer Eigenständigkeit, allerdings unter Hinzuziehung der traditionellen beratergremien wie dem consilium principis (s. unten S. 171 f.). an der grundsätzlichen ausrichtung der außenpolitik änderte sich zunächst relativ wenig. Der erratische Stil des jungen monarchen, der sich wie viele seiner adeligen altersgenossen mehr für Wagenrennen und theater als für die grande politique interessierte, verlieh den politischen Entscheidungen allerdings einen noch unberechenbareren charakter, als er ohnehin für römische politik charakteristisch war. Die anfängliche popularität der regierung neros litt zudem schwer darunter, dass er 59 n. chr. in einem nur oberflächlich camouflierten akt tyrannischer Willkür seine mutter agrippina, deren intrigen er seine Stellung verdankte, hatte ermorden lassen. mit agrippina entfiel ein wichtiger regulierender faktor, denn die kaisermutter hatte mit einem gewissen Erfolg versucht, auf die politischen Entscheidungen ihres willensstarken Sohnes Einfluss zu nehmen. in der folge verloren auch burrus und Seneca ihre machtposition. Der außenpolitische Stil neros trat bereits 60 n. chr. markant hervor, als der mit dem römischen reich alliierte prasutagus, könig der iceni (im heutigen county of norfolk), starb und das
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königreich seinen töchtern und dem römischen kaiser, dem damit eine Schutzfunktion über die beiden frauen zugesprochen war, vermachte. Unter völliger missachtung dieses testaments besetzten römische truppen die icenische Haupstadt Venta Icenorum (in der nähe des heutigen norwich); die töchter des prasutagus wurden vergewaltigt und seine Witwe boudicca ausgepeitscht. römische kapitalanleger, darunter wahrscheinlich Seneca, riefen plötzlich in großem ausmaß die kredite, die sie britanniern in der region gewährt hatten, zurück. Dieses Verhalten provozierte einen verzweifelten aufstand der iceni, der schnell auf weitere Volksgruppen britanniens übergriff. Die verhasste römische kolonie Camulodunum (colchester) mit dem tempel für den «Gott claudius» wurde niedergebrannt und Londinium (london) angegriffen. nero soll unter dem Eindruck dieser nachrichten erwogen haben, sämtliche truppen aus britannien abzuziehen. im laufe des Jahres 61 konnte der aufstand jedoch in schweren kämpfen und unter hohen Verlusten besiegt werden. an der ostfront mussten sich nach mehreren kommando- und Strategiewechseln schließlich beide Seiten mit einem kompromissfrieden zufrieden geben, der territorial den Status quo festschrieb, bezüglich der armenischen frage jedoch eine präzisierung brachte. Der parthische könig sollte dieser regelung zufolge den armenischen könig benennen, die formale investitur jedoch durch den römischen imperator erfolgen (abkommen von rhandeia, 64 n. chr.). in der praxis bedeutete das, dass die parther zukünftig einen arsakiden, also ein mitglied der parthischen Herrscherdynastie, als armenischen könig vorschlugen, dessen krönung der römische kaiser oder ein von ihm bevollmächtigter vornahm. obwohl dieses abkommen in rom als triumphaler Sieg neros dargestellt wurde, hatte die römische Seite damit dem kriegsgegner eine erhebliche konzession gemacht. auch der zug des von Vologaises ausgesuchten neuen armenischen königs tiridates durch das imperium romanum, den unter anderem 3000 panzerreiter eskortierten, glich nicht gerade einem Unterwerfungsritual. Doch in rom wurde 66 n. chr. die krönung des tiridates mit einem bombastischen pomp gefeiert, der noch Jahrhunderte im Gedächtnis
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blieb. zum ersten mal seit augustus wurde zudem der ianustempel als symbolischer ausdruck des reichsweit gewonnenen friedens geschlossen, während (wie unter augustus) die Vorbereitungen für neue kriege bereits angelaufen waren. nero verlangte es nach persönlichem kriegsruhm, den er nur als aktiver oberkommandierender im kampfgeschehen erwerben zu können glaubte. Er plante daher feldzüge in das königreich axum (im norden des heutigen Äthiopien) und gegen die kaukasischen alanen, auf die sich die heutigen osseten zurückführen. Die Vorbereitungen für diese feldzüge traten spätestens im Jahr 64 in ein konkretes Stadium ein, als die Silber- und Goldwährung zum ersten mal seit augustus im Gewicht reduziert und im metallgehalt gestreckt wurde, um die hohen kosten für die zusätzlichen truppenverlegungen zu bestreiten. Doch der beginn dieser kriege verzögerte sich aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse und der art, wie der kaiser auf diese reagierte. in dem großen Stadtbrand roms vom Juli 64 n. chr. wurden zehn der vierzehn von augustus eingerichteten Stadtregionen ganz oder teilweise zerstört. Die weiten freiflächen, die der brand hinterlassen hatte, ermöglichten es nero, seine Vorstellungen imperialer Stadtgestaltung ohne rücksichtnahme auf die alte bebauung in die tat umzusetzen. in dem bis zu der katastrophe dicht besiedelten, mit monumenten aus vielen Jahrhunderten eng bebauten zentrum roms ließ nero einen weitläufigen Stadtgarten von der Größe des londoner Hyde parks zu seiner privaten Verfügung anlegen. Die gewaltige, aufwendig mit Springbrunnen, miniaturtempeln und einem großflächigen See ausgestattete parkanlage war durch eine mauer gegen blicke von außen geschützt. am Südhang des Esquilin, nördlich des künstlichen Sees im zentrum der parklandschaft, erstreckte sich das «Goldene Haus» (domus aurea), eine überdimensionierte Villa voller extrem kostspieliger ausgefallenheiten, darunter kassettendecken, aus denen blumen und parfum auf Gäste herabregneten, ein festsaal mit drehbarer Decke, der ein Gemälde des Sternenhimmels trug, und mit meerwasser gefüllte badebassins. Unweit der Villa stand eine 36 meter hohe monumentalstatue, die den kaiser selbst darstellte.
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Die gesamte anlage traf offenbar noch zu ihrer Entstehungszeit auf heftige kritik. Dafür war wohl nicht so sehr die phantastische zurschaustellung materiellen reichtums verantwortlich. Diese war auch in senatorischen und anderen wohlhabenden kreisen roms weit verbreitet und konnte kaum kritisiert werden. neuartig an neros Gesamtkunstwerk war jedoch, dass es das mit historischen Erinnerungen aufgeladene zentrum roms zugunsten einer privaten, abgeschotteten anlage teilweise zum Verschwinden brachte. provozierender konnten die gegenüber der republik veränderten machtverhältnisse nicht dargestellt werden. Der innerste bereich des imperiums war planiert worden, um platz für eine phantasielandschaft nach dem Gusto des künstlers auf dem kaiserthron zu schaffen. Es verwundert wenig, dass Gerüchte aufkamen, nero selbst habe den befehl zur niederbrennung der Stadt erteilt. Um diesen Gerüchten die Spitze zu nehmen, beschuldigten der Darstellung des tacitus zufolge Denunzianten im auftrag des kaisers die christen, den brand gelegt zu haben. nach erfolgtem Schuldspruch wurden christen in rom und Umgebung willkürlich verhaftet und in einem barbarischen Schauspiel im rahmen eines ausgedehnten Volksfests als brandstifter hingerichtet. Während der Wiederaufbauarbeiten erlebte rom eine schwere politische krise, als im april des Jahres 65 n. chr. eine weitverzweigte Verschwörung aufgedeckt wurde, die die Ermordung neros und die Erhebung des Senators Gaius calpurnius piso zum neuen imperator zum ziel hatte. zu den prominenten persönlichkeiten, die nach dem bekanntwerden der Umsturzpläne verhaftet und gefoltert wurden, gehörten zahlreiche politisch profilierte Senatoren, ein prätorianerpräfekt und weitere offiziere dieser Elitetruppe, aber auch Sklaven und freigelassene. zu den prominentesten opfern der repressionen gehörten die Schriftsteller lucius annaeus Seneca, marcus annaeus lucanus und titus petronius niger. Da die konspiration während ihrer Wachstumsphase enttarnt worden war und nicht alle Verhafteten unter der folter die namen von mitwissern preisgaben, musste nero damit rechnen, dass der kreis der tatsächlichen und potentiellen teilnehmer den der bekannt gewordenen Verschwörer noch deutlich über-
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stieg. Entsprechend misstrauisch und gewalttätig regierte nero in den restlichen ihm noch verbleibenden Jahren, in denen sich offenbar bei immer mehr angehörigen der Elite der Eindruck festsetzte, dass nur eine beseitigung neros ihre Sicherheit garantieren könnte. Doch obwohl mit Händen zu greifen war, dass die Stimmung gegen nero kippte, gab es weiterhin in den unterschiedlichsten milieus profiteure und begeisterte anhänger des extravaganten kaisers. Unter den anzeichen wachsender innenpolitischer Spannungen ging der großzügige aufbau roms weiter. nicht nur die gigantomanen projekte des kaisers verschlangen große Summen, sondern auch die großzügige neugestaltung der Wohnbereiche, für die feuerpolizeilich durchaus sinnvolle regelungen erlassen wurden, die etwa den abstand der einzelnen Wohnblocks voneinander und die bereithaltung von brandbekämpfungsmitteln in den mehrparteienhäusern betrafen. all das kostete allerdings zusätzlich Geld, das ernsthaft knapp zu werden begann. Um den kaiserlichen forderungen nachkommen zu können, griffen die procuratoren und anderen finanzagenten des Herrschers zu einer reihe von tricks, die sich nicht selten am rande der legalität oder jenseits davon bewegten. beispielsweise wurden nicht existierende Steuerforderungen erfunden oder private Schuldverträge zu öffentlichen uminterpretiert und ähnliches mehr. Es wäre jedoch wahrscheinlich ein fehler, die neronische baupolitik als den Hauptfaktor bei diesen finanziellen Schwierigkeiten der staatlichen kassen zu sehen. Hadrian sollte später ebenso und noch aufwendiger bauen und dies nicht nur in rom, sondern in zahlreichen Städten des reiches, ohne dass dies die finanzen des imperiums strapaziert hätte. finanzielle Engpässe der Staatskassen entstanden regelmäßig im zusammenhang mit extensiver kriegführung und -vorbereitung. Es spricht daher alles dafür, dass die enormen feldzugsvorbereitungen für die Eroberungen im kaukasus und in nordostafrika für die Geldnot neros verantwortlich waren. Diesen zusammenhang wollte jedoch in der antike niemand sehen, weil neros Hinwendung zum krieg unter den allgemein geteilten Wertmaßstäben der zeit als abkehr von den Jugendsünden und eine Wendung zum
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besseren gelten musste. Jeder Senator, der auf die Unsinnigkeit und nichtfinanzierbarkeit der geplanten aggressionen verwiesen hätte, wäre kleinlich und feige erschienen. Einfacher war es für alle zeitgenössischen und späteren kritiker, auf die bausünden des kaisers zu verweisen. Während des aufmarschs für diese Eroberungskriege begab sich nero auf eine reise durch Griechenland (66 n. chr.), wo er an zahlreichen rezitationswettbewerben und Wagenrennen aktiv teilnahm und viele preise gewann. Während dieser Wettkampftournee wollte nero ursprünglich entscheiden, ob er sich an die Spitze der kaukasischen oder äthiopischen Expedition setzen wollte, doch diese Wahl wurde ihm aus der Hand genommen. Schon im Jahr 66 n. chr. nahm eine kaskade von Ereignissen ihren anfang, die schließlich in der erstmaligen absetzung eines römischen imperators durch den Senat im Juni 68 n. chr. münden sollte. am beginn stand die jüdische revolte gegen die römische fremdherrschaft, die nero dazu zwang, seine feldzugspläne vorläufig aufzugeben und wieder auf erfahrene militärs in außerordentlichen kommandeursstellungen zurückzugreifen. in iudaea hatte sich im lauf mehrerer Jahrzehnte ein explosives konfliktpotential aufgestaut, das die region schon mehrfach an den rand eines bürgerkriegs gebracht hatte. Grundsätzlich hatten sich große teile der jüdischen bevölkerung und speziell der oberschicht mit der römischen Herrschaft abgefunden, solange die besatzungsmacht die tabus und Empfindlichkeiten der jüdischen religion akzeptierte. Eine reihe von provokationen und unsensiblen Handlungen der besatzer, wie etwa die achtlose Verbrennung heiliger Schriften oder das aufstellen von Götzenbildern an orten, an denen dies die jüdische Überlieferung untersagte, brachte diesen zustand aus der balance. Den nachhaltigsten Eindruck hatte der plan caligulas hinterlassen, ein abbild seiner person im allerheiligsten des Jerusalemer tempels aufstellen und verehren zu lassen (39 n. chr.). iudaea stand schon damals kurz vor einer offenen rebellion, die nur dadurch verhindert wurde, dass publius petronius, der kluge legat der provinz Syrien, zu der iudaea zu dieser zeit gehörte, die aufstellung des kultbildes so lange hinauszögerte, bis
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die nachricht vom tode caligulas das Vorhaben obsolet machte. Doch der Vorgang blieb lange im Gedächtnis. zusätzlich herrschten Spannungen zwischen den Juden und der polytheistischen provinzbevölkerung, die in den Quellen meist vereinfachend «Griechen» genannt wird. So hatten etwa 39 n. chr. die «Griechen» in Jamnia einen altar errichtet, um dort caligula als Gott zu verehren, worauf einige Juden der Stadt diesen altar niederrissen. Der befehl caligulas, in den Jerusalemer tempel ein kaiserstandbild aufzunehmen, sollte als Strafe für diese aktion dienen. in den folgenden Jahrzehnten hatte sich iudaea nie wirklich beruhigt und stand wiederholt an der Schwelle zum bürgerkrieg. als der procurator iudaeas, Gessius florus, im Jahre 66 n. chr. anordnete, siebzehn talente Silber aus dem Jerusalemer tempelschatz zu entnehmen, «unter dem Vorwand, der kaiser brauche sie»,30 war dieses erneute Sakrileg ein tabubruch zuviel. aus den Demonstrationen der bevölkerung entwickelte sich im frühsommer 66 ein bewaffneter aufstand, der sich rasch auf zahlreiche Städte iudaeas und Galilaeas ausdehnte. zunächst, das heißt ehe noch römische truppen gezielt eingreifen konnten, entlud sich der religiöse Hass zwischen der jüdischen und «griechischen», d. h. polytheistischen und griechischsprachigen, bevölkerung in den Städten. Die römische besatzungsmacht fachte den konflikt noch an, indem sie den «Griechen» freie Hand zur plünderung ihrer jüdischen nachbarn ließ. Der syrische Statthalter cestius Gallus führte seine truppen bis vor die tore von Jerusalem, zog sich dann aber überraschend in einer panikaktion an die küste zurück. Die rebellen gaben sich daraufhin eine militärische organisation, unter anderem indem sie sich befehlshaber wählten, darunter den Hohepriester ananos als einen der Stadtkommandanten von Jerusalem. Damit existierte für kurze zeit noch einmal ein unabhängiger jüdischer Staat (66–70 n. chr.). Die beträchtlichen anfangserfolge des jüdischen aufstands zwangen nero, wie oben erwähnt, dazu, seine Eroberungspläne zurückzustellen und große teile der für dieses Vorhaben bestimmten Heereskapazitäten unter das kommando eines erfahrenen militärs zu stellen, nachdem die in Syrien agierenden befehlshaber
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sich der Herausforderung als nicht gewachsen gezeigt hatten. Die Wahl fiel auf einen mann, der unter tiberius und claudius als Sohn eines Steuereintreibers eine bemerkenswerte karriere gemacht hatte, die ihn bis zum consulat geführt hatte: titus flavius Vespasianus. nach Suetons Darstellung hatte sich das Verhältnis Vespasians zu nero dann eher kühl gestaltet, so dass der flavier für einen erfolgreichen Senator relativ frühzeitig die Existenz eines privatiers führte. 67 n. chr. erinnerten sich nero und seine berater an ihn und stellten ihn an die Spitze des im nahen osten zusammengestellten Expeditionsheeres, das den jüdischen aufstand niederkämpfen sollte. Unter der leitung Vespasians erkämpften sich die römer zunächst die Hoheit über das land und die Städte Galilaeas, Samarias und iudaeas zurück und zogen geduldig den ring um die Hauptfestung Jerusalem enger. flavius Josephus (eigentlich Joseph ben matthias), ein jüdischer Überläufer und chronist dieser kämpfe, überliefert die grauenhafte abfolge von belagerungen, Scharmützeln und kreuzigungen. Schon 68 n. chr. zeichnete sich ab, dass die professionell geschulte und geführte armee Vespasians am Ende siegreich sein würde, aber auch, dass der Weg bis dahin lang und sehr blutig sein würde. nero hatte unterdessen das bizarre Schauspiel seiner regelmäßig preisgekrönten auftritte als Sänger und Wagenlenker fortgesetzt. Selbst als sein Wagen einmal zusammenbrach, wurde er von der lokalen Jury zum Sieger erklärt. Wie wenig er im Grunde die anspannung der Situation registriert hatte, zeigt sein Dekret vom 28. november 67 (oder 66?), mit dem er Griechenland (Achaia), gewissermaßen als Gegenleistung für den beifall, den er hier gefunden hatte, aus dem reichsverband entließ (die maßnahme wurde wenige Jahre später wieder zurückgenommen). anfang des Jahres 68 erreichten nero Gerüchte, dass Gaius iulius Vindex, der Statthalter einer gallischen provinz (wahrscheinlich der Gallia Lugdunensis), in einem konspirativen briefwechsel mit anderen Gouverneuren in der nachbarschaft seiner provinz stehe. Wahrscheinlich hatte Vindex sondiert, welcher Statthalter bereit sei, sich einem bewaffneten Umsturzversuch anzuschließen. Da in seiner eigenen provinz kaum römische besatzungstruppen
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stationiert waren, sammelte er irreguläre einheimische Verbände um sich, die vielleicht auch dadurch inspiriert waren, dass Vindex seinen Stammbaum auf aquitanische könige zurückführte. auf dieser machtbasis konnte er jedoch gegen die zahlenmäßig und vor allem militärisch um ein Vielfaches überlegenen am rhein stationierten legionen keinen alleingang versuchen. Seine Hoffnungen ruhten unter anderem auf Servius Sulpicius Galba, der in der größten provinz auf der iberischen Halbinsel, der Hispania Tarraconensis, Statthalter war (60–68 n. chr.). Diese Hoffnungen schienen zunächst in Erfüllung zu gehen. Während der Gerichtstage in Carthago Nova (cartagena) ließ sich Galba am 2. april 68 von den Soldaten, die ihn auf der routinemäßigen reise durch die provinz (dem sog. conventus) begleiteten, als Herrscher begrüßen. offiziell nannte er sich allerdings nicht imperator, sondern in einer pseudo-konstitutionellen manier «Gesandter des Senats und des römischen Volkes» und überließ damit vorerst der äußeren form nach den Senatoren in rom die Entscheidung, ob sie seine Usurpation anerkennen wollten. Doch der Senat folgte zunächst dem antrag neros und erklärte den abtrünnigen Gouverneur zum Staatsfeind (hostis). in dieser Situation gab der oberrheinische militärgouverneur, lucius Verginius rufus, seinen truppen den befehl, in den machtbereich des iulius Vindex einzumarschieren. Der kommandeur des nördlich angrenzenden militärbezirks am niederrhein verhielt sich dagegen abwartend. Die motive für die Entscheidungen der einzelnen beteiligten aufzudecken, ist in der rückschau kaum noch möglich, da sehr früh eine vielfältige und widersprüchliche legendenbildung einsetzte. Verginius jedenfalls ließ Vesontio (besançon) einschließen, während Vindex seine improvisierten gallischen truppen heranführte, um die Stadt zu entsetzen. Spätere Gerüchte wollten wissen, dass die beiden kommandeure, Vindex und Verginius, in einem geheimen Gespräch vereinbart hätten, ihre truppen zu vereinigen, dass die legionäre des Verginius sich aber mit den gallischen Guerillaeinheiten nicht fraternisieren wollten, spontan zum angriff übergingen und die Gallier mühelos zusammenhauten. Ebenso gut ist aber möglich, dass Verginius seinen Statthalterkollegen angegriffen hat, weil er nero treu geblieben war. als
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dieses Verhalten nach dem Sturz neros fragwürdig geworden war, salvierte sich der Überlebende möglicherweise mit der legende von seinem geheimen Einverständnis mit Vindex. für sein Grabmonument fand Verginius später die kryptische formel, er habe Vindex bekriegt, um die «oberste befehlsgewalt (imperium) nicht sich selbst, sondern dem Vaterland» zu sichern.31 Vindex jedenfalls sah seine Situation als ausweglos an und beging im mai 68 Selbstmord. in diesem moment war die Usurpation Galbas eigentlich chancenlos geworden, so dass der Siebzigjährige an Selbstmord gedacht haben soll. nero schwankte in den monaten der krise zwischen panik und Exaltiertheit, wandte sich aber schließlich wieder verstärkt seinem interesse für theater und theatralik zu. Seine «Siege» bei den griechischen Wettspielen feierte er in einem prachtvollen triumphzug, einer phantastischen mimikry der gewöhnlichen militärumzüge. 1808 Siegerkränze, die er als Wagenlenker gewonnen hatte, wurden dem staunenden publikum präsentiert. Die zuschauer dürften sich über seine Ungerührtheit im angesicht der Gefahr gewundert haben. Dann, als die krise eigentlich vorbei zu sein schien, verlor der kaiser plötzlich die nerven. am 8. Juni 68 soll er laut Sueton versucht haben, inkognito nach Alexandria zu fliehen, vermutlich um dort als künstler zu leben. Unter seinen nachgelassenen papieren fand sich jedoch auch der Entwurf zu einer rede, mit der er darum bitten wollte, als römischer präfekt Ägypten regieren zu dürfen. Der Senat erklärte den Geflohenen bereits am selben tag zum Staatsfeind und erkannte die ansprüche Galbas auf den thron an. Schon am 9. Juni wurde nero entdeckt, entzog sich aber einer Verhaftung, indem er sich von einem seiner Sklaven töten ließ. Galba beendete daraufhin sein republikanisches Schauspiel und nannte sich fortan, seit mitte Juni 68, nachdem ihn die nachricht von neros tod erreicht hatte, Servius Galba imperator caesar. Der von der iulischen familie übernommene name caesar hat in dieser zusammensetzung den charakter eines titels angenommen, der Galbas alleinherrschaftsanspruch anzeigte. Durch die Ereignisse war nach der berühmten formel des tacitus sichtbar geworden, dass ein imperator anderswo als in rom,
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nämlich durch ein provinzheer, «gemacht» werden konnte.32 Doch Galba war von seinem Heer in Spanien, einem der kleinsten des reiches, nur erhoben, aber nicht allgemein durchgesetzt worden, und das chaos nahm seinen lauf. in numidien erkannte der kommandeur der dort stationierten legion, clodius macer, die autorität Galbas nicht an und sperrte im Juni die kornzufuhr nach rom, das zu dieser zeit laut Josephus zwei Drittel seines importierten Getreides über den karthagischen Hafen erhalten haben soll. Galba konnte den insurgenten erst im Herbst durch einen kaiserlichen procurator ermorden lassen. in niedergermanien ließen Stabsoffiziere ihren Gouverneur fonteius capito von einem centurio niedermachen, weil er sich angeblich nicht loyal gegenüber Galba gezeigt hatte. Galba billigte die tat. in rom hatte der prätorianerpräfekt nymphidius Sabinus nach dem tod neros die prätorianer zunächst auf Galba einschwören lassen, versuchte aber kurz darauf, für sich selbst den imperatortitel zu gewinnen, indem er sich, einer absurden Eingebung folgend, als Sohn caligulas ausgab. Die prätorianer ermordeten ihn kurzerhand. Galba selbst begann, nachdem er in rom eingetroffen war (oktober 68), ein terrorregiment gegen die anhänger neros, das unter anderem durch willkürliche Exekutionen gekennzeichnet war, die im Stil an nero erinnerten. Von den Günstlingen des gestürzten kaisers forderte er Geschenke und zuwendungen zurück. Gallische Volksgruppen, die im april nero treu geblieben waren und sich gegen Vindex gestellt hatten, wurden kollektiv bestraft. aus militärkreisen geäußerte forderungen nach Sonderzahlungen für Soldaten, die sich frühzeitig mit Galbas putsch solidarisch erklärt hatten, wurden nicht nur zurückgewiesen, sondern ebenfalls exemplarisch mit harten Strafen beantwortet. Diese maßnahmen zielten offenkundig darauf ab, allgemein zu verdeutlichen, dass Galba die neronische politik erkaufter loyalität nicht weiter verfolgte und an ihre Stelle ein regiment altrömischer Disziplin treten werde. Doch auch wenn literaten nicht müde wurden, einen archaischen politikstil dieser art nostalgisch zu verklären, so war er doch in der realität bei wenigen oder vielleicht niemandem wirklich beliebt. in Galbas Situation erwies sich
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eine derartige Strategie jedenfalls als hoffnungslos verfehlt. innerhalb weniger monate war die anfängliche popularität Galbas, wenn sie jemals existiert hatte, gründlich verspielt. fatal war auch die auswahl seiner provinzgouverneure. Verginius rufus, der die Versuche seiner truppen, ihn selbst als imperator zu begrüßen, energisch und unter Einsatz seines lebens zurückgewiesen hatte, wurde abberufen und als kommandeur im obergermanischen Heeresbezirk durch Hordeonius flaccus, einen älteren Herrn ohne Durchsetzungsvermögen, ersetzt. als die legionen des obergermanischen Heeresbezirks am 1. Januar 69 – dem tag, an dem gewöhnlich die provinztruppen ihren treueid auf den regierenden imperator wiederholten – unter dem Einfluss ehrgeiziger junger militärtribunen die Eidesleistung verweigerten und die Standbilder Galbas zerstörten, erwies Hordeonius flaccus sich als vollkommen ohnmächtig. Die niedergermanischen truppen gingen noch weiter als ihre obergermanischen kameraden und begrüßten am 2. Januar aulus Vitellius, den von Galba gesandten nachfolger des kurz zuvor von ihnen ermordeten Statthalters als neuen imperator. als die nachricht von dieser Usurpation rom erreichte, adoptierte der kinderlose 71-jährige Galba den dreißig Jahre jungen lucius calpurnius piso licinianus, der durch eine frühere adoption ein calpurnier und somit Verwandter des Verschwörers von 65 n. chr. geworden war. Seit dem 10. Januar 69 führte piso den beinamen caesar und war damit als Wunschkandidat Galbas für die thronfolge kenntlich gemacht (der beiname augustus war für die Herrscher, die das höchstrangige imperium innehatten, reserviert, in diesem fall also für Galba). Die adoption sollte Galbas position angesichts der vielfältigen Herausforderungen stärken, verfehlte aber ihre Wirkung. Ein ehemaliger anhänger neros, marcus Salvius otho, der 68 n. chr. als Statthalter der provinz Lusitania, die im Westen an Galbas provinz angrenzte, rechtzeitig die Wende zu Galba vollzogen hatte, fühlte sich in seinen eigenen unausgesprochenen Hoffnungen auf die Herrschaft betrogen. Er versprach den von Galba finanziell kurz gehaltenen prätorianern eine großzügige Sonderzahlung, wenn sie ihre treue auf ihn übertragen würden. Diese begrüßten
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ihn daraufhin am 15. Januar 69 als ihren neuen imperator, was zunächst auf ablehnung gestoßen sein soll: «Die gesamte plebs füllte den Palatin an, vermischt mit Sklaven, und for derte mit misstönendem Geschrei den Tod Othos und der Verschwörer, als ob sie im Circus oder Theater irgendeinen Spaß verlangten. Sie handelten dabei nicht mit Urteilskraft oder aus Wahrhaftigkeit – dieselben Leute soll ten noch am selben Tag mit gleicher Inbrunst ganz anderes fordern –, son dern nach überkommener Sitte, jedem beliebigen Herrscher hemmungslos mit gedankenlosem Eifer zu applaudieren.»33
als die prätorianer und andere Soldaten, die aufgrund der zugesagten belohnungen auf othos Seite übergetreten waren, bewaffnet zum palatin vordrangen, verlor Galba plötzlich jede Unterstützung. Der imperator hatte sich noch auf das forum romanum begeben, um durch sein Erscheinen Gehorsam einzufordern. Doch dort gab der Standartenträger aus Galbas begleitmannschaft ein fatales Signal, als er das bild des Herrschers aus dem Schaft der Standarte löste und zu boden warf: in diesem augenblick kippte die Stimmung. Der imperator wurde auf dem forum von einem Soldaten erschlagen, sein leichnam von einer aufgebrachten menge übel zugerichtet. Eine treibjagd auf anhänger Galbas setzte ein, der neben vielen anderen natürlich der junge piso zum opfer fiel. mehr als 120 Gelegenheitsmörder sollen kurz nach diesem tag petitionen an den neuen imperator eingereicht haben, in denen sie eine belohnung dafür erbaten, dass sie einen angeblichen feind othos getötet hatten. in rom wurden die ein halbes Jahr zuvor gestürzten und verschleppten bildnisse neros gesucht und wieder aufgestellt, denn otho galt, trotz seines Seitenwechsels im april 68, als ein mann neros. kurzfristig gab sich otho sogar den zusätzlichen beinamen nero, ein deutliches zeichen, dass von diesem namen noch eine gewisse Strahlkraft ausging: Er war eben nicht nur mit dem muttermord assoziativ verbunden, sondern auch mit Wagenrennen, theater und sangesfrohen auftritten, die ihn beim Volk beliebt gemacht hatten. Die ehrgeizigen tribunen der rheinarmeen, die hinter der Erhebung des Vitellius standen, ließen sich durch den Übergang der
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Herrschaft auf otho nicht beeindrucken und forcierten den Einmarsch einer aus den legionen der beiden rheinischen Heeresbezirke gebildeten Expeditionsarmee in einer Stärke von 60 000 mann nach italien. Der angriff der rheinarmeen auf italien macht einen weiteren, meist verborgenen aspekt der imperialen machtarchitektur schlagartig sichtbar. Die großen, an den Grenzen stationierten Heeresverbände empfanden praktisch keine loyalität für italien, das kernland des reiches, das sie im Jahr 69 unter der führung der Vitelliusanhänger fabius Valens und aulus caecina wie feindesland angriffen und plünderten. Das römische Heer in seiner Gesamtheit war kein träger patriotischer Emotionen. Die Soldaten fühlten sich im Wesentlichen ihrer provinzarmee und mehr noch ihrer Stammeinheit politisch verbunden. Ein starker Herrscher konnte diese widerstrebenden und konkurrierenden kräfte bündeln; wenn diese starke zentralgewalt aber wegfiel, war es nur ein kleiner Schritt bis zum offenen krieg der Heeresgruppen untereinander. Den zahlenmäßig überlegenen «Vitellianern» der rheinarmeen hatten die «othonianer» nicht viel entgegenzusetzen. nach einer verlorenen Schlacht bei bedriacum (nahe cremona) beging otho Selbstmord (16. oder 17. april 69); der Senat übertrug eilends die imperatorischen Vollmachten auf aulus Vitellius, der die Ergebnisse des feldzuges in der Etappe abgewartet hatte. Die siegreichen Vitellianer standen ihren Vorgängern an Undiszipliniertheit in nichts nach: rom wurde zum Schauplatz ausschweifender feiern, denen einmal mehr die neronischen praktiken als Vorbild dienten, und willkürlicher Gewalttaten und Exekutionen. Die angst, die die neuen Herren um sich verbreiteten, trug jedoch in entscheidender Weise dazu bei, dass der zyklus der militärischen Erhebungen nicht zum Stillstand kam. besonders die legionen der unteren Donau, die größere Detachements zur Unterstützung othos nach italien geschickt und sich auch nach dessen tod noch feindselig gegenüber Vitellius gezeigt hatten, fürchteten Vergeltungsaktionen durch den neuen imperator. Unter den Soldaten der Donauarmeen kursierten Vorschlagslisten mit möglichen thronprätendenten und (wohl gefälschte) Schreiben, die angeblich noch
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aus der feder othos stammten und zur rache für seinen tod aufriefen. in einer art Urwahl entschieden sich die Soldaten der Donaulegionen unter den amtierenden Gouverneuren für titus flavius Vespasianus, den oberbefehlshaber des zur bekämpfung des jüdischen aufstandes in den nahen osten entsandten Heeres, und schrieben seinen namen auf ihre Standarten. Dieser akt der insurrektion wurde zwar zunächst von den offizieren unterdrückt, doch die nachricht von der Entscheidung der Donaulegionen hatte bereits im imperium die runde gemacht. als der präfekt von Ägypten, tiberius iulius alexander, am 1. Juli 69 die zwei legionen seiner provinz auf Vespasian als neuen imperator einschwören ließ und das um Jerusalem zusammengezogene belagerungsheer kurz darauf dem beispiel folgte, betrachteten die Soldaten an der Donau, diesmal mit Unterstützung ihrer offiziere, dies als nachträgliche bestätigung ihrer Entscheidung. Das war der entscheidende augenblick in der letzten Etappe des bürgerkriegs, denn gegen die vereinigten Streitkräfte der östlichen reichshälfte hatten die Vitellianer, deren kern die legionen des niederrheinischen Heeresbezirks bildeten, keine chance. aus besonders kampftüchtigen abteilungen der östlichen truppen wurde ein Expeditionsheer zusammengestellt, das unter Gaius licinius mucianus, dem legaten Syriens, nach italien in marsch gesetzt wurde, wo die invasoren im Herbst des Jahres 69 eintrafen. Vespasian begab sich für die Dauer des feldzuges nach Alexandria, von wo aus er den Verlauf der kämpfe beobachtete und gegebenenfalls als zusätzliches Druckmittel die Getreideausfuhren nach italien sperren konnte. Die leitung der kämpfe in iudaea übertrug er seinem gleichnamigen Sohn, der meist in der kurzform nur titus genannt wird. Dieser zog in den kommenden monaten mit den im osten verbliebenen Einheiten den ring um Jerusalem weiter zusammen. Unterdessen marschierte noch im Herbst 69 ohne offizielle autorisierung Vespasians ein Vortrupp der Donaulegionen unter der führung des abenteurers und verurteilten testamentsfälschers antonius primus nach italien, um dort eine frühzeitige Entschei-
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dungsschlacht zu suchen. als der organisator des abwehrkampfes, der Vitellianer aulus caecina, seinen Soldaten vorschlug, zu den Gegnern überzulaufen, nahmen sie ihn in Gewahrsam und wählten aus ihren reihen neue offiziere, die bereit waren, den kampf weiterzuführen. Es wurde immer deutlicher, dass die einzelnen Heeresgruppen bereit waren, selbständig politisch zu handeln und den senatorischen kommandeuren ihren Willen aufzuzwingen. Wenn die befehlshaber nicht im Einklang mit dem Ehrgeiz ihrer truppenteile handelten, wurden sie gegebenenfalls abgesetzt (wie aulus caecina) oder ermordet (wie fonteius capito). Die Detachements der Donaulegionen unter marcus antonius primus schlugen die Vitellianer in einer erneuten Schlacht bei bedriacum in der nähe von cremona im oktober 69. Die Stadt wurde von den Siegern geplündert und niedergebrannt. Vitellius erklärte sich nun öffentlich zu einem thronverzicht bereit, worauf die prätorianer, angesichts der aussicht auf Entlassung und Verlust ihrer bezüge, auf eigene faust die Jagd auf personen in rom eröffneten, die sie für anhänger Vespasians hielten, darunter vor allem den Stadtpräfekten flavius Sabinus, den bruder Vespasians. bei dieser menschenjagd wurde unter anderem das kapitol von den Vitellianern belagert und in flammen gesetzt. Die vespasianischen truppen eroberten rom in erbitterten Straßenkämpfen, bei denen Vitellius am 20. Dezember 69 den tod fand. Vespasian selbst hielt sich noch für viele monate in Alexandria auf, so dass Senat und Volk Ende Dezember 69 n. chr. dem bürgerkriegssieger das höchste imperium in dessen abwesenheit übertrugen. Eine kopie des Gesetzestextes, in dem diese Übertragung geregelt wurde, ist partiell inschriftlich erhalten. Es ist die einzige Urkunde dieser art, die überliefert ist. Vespasian datierte den beginn seiner Herrschaft allerdings nicht nach dem Erlass dieses Gesetzes, sondern zählte seine Herrschaftstage von dem tag an, an dem ihn die alexandrinischen legionen als imperator begrüßt hatten (1. Juli): ein weiterer Hinweis auf die realen machtverhältnisse im imperium. mit der militärischen Entscheidung vom oktober 69 war dem imperium kein frieden vergönnt, den es aus vielen Gründen nötig gehabt hätte. Schon aufgrund der materiellen Erschöpfung wäre es
Von der Herrschaft Neros zum ersten Thronfolgekrieg
an der zeit gewesen, die legionen und auxiliarkohorten in ihre Heimatstandorte zurückzuverlegen und wenigstens eine zeitlang die kostspieligen truppenverlegungen und verlustreichen kämpfe zu beenden. aber noch war es nicht so weit. Die vollständige Einschließung des aufständischen Jerusalem gelang erst im april 70, und die Eroberung der Stadt zog sich noch bis zum September des Jahres hin. als sich der belagerungsring um die unglückliche Stadt endgültig schloss, war Jerusalem unter drei religiös-sozialen fraktionen geteilt, die sich untereinander bis aufs messer befehdeten. auf dem Höhepunkt der innerjüdischen kämpfe gingen die in der Stadt gehorteten Getreidevorräte in flammen auf. Die besatzer nahmen die durch mehrere befestigte binnenabschnitte zusätzlich gesicherte Stadt trotz heftigen Widerstands zug um zug ein, bis zuletzt, im august 70 n. chr., auch der innerste befestigungsring fiel und der tempel – angeblich entgegen der Weisung des titus – zerstört wurde. Die beute der Sieger, darunter der altehrwürdige tempelschatz, war so immens, dass der bau des großen flavischen amphitheatrums oder «colosseums» aus der den Juden abgenommenen kriegsbeute bezahlt werden konnte. Den Unterlegenen wurden demütigende friedensbedingungen auferlegt. Unter anderem mussten sie die ehedem freiwillig an die Jerusalemer tempeladministration entrichtete Steuer fortan an den römischen kaiser zahlen, während der tempel nicht wieder errichtet wurde und sein kult erlosch. Der zum teil noch heftige Widerstand auf dem land wurde bis 73 n. chr. niedergekämpft. Doch der jüdische krieg war nicht der einzige konflikt, der noch erhebliche reserven forderte. am niederrhein spielte sich seit dem Sommer 69 eine weitere revolte ab, die wie die jüdische die Substanz des imperiums betraf: der batavische aufstand. Die bataver waren eine in der mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts in das nördliche niederrheingebiet eingewanderte Untergruppe der rechtsrheinischen chatten. Sie galten in den augen der römischen Staatsführung als besonders kriegstüchtig, so dass sie im Verhältnis zur Größe des Stammes in überproportionaler Weise zum Dienst in den auxiliareinheiten herangezogen wurden – etwa die Hälfte der männlichen Jugendlichen der bataver diente verteilt über das
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III. Von Tiberius bis zur Katastrophe des «Besten»
ganze imperium in der römischen armee. als Vitellius im Sommer 69 n. chr. darüber hinaus weitere batavische kontingente rekrutieren lassen wollte, um seine position gegenüber Vespasian zu stärken, verweigerten die bataver den Gehorsam. nach der Schilderung des tacitus war die rebellion anfangs nur durch das fehlverhalten römischer rekrutierungsoffiziere motiviert, doch nach anfänglichen Erfolgen des aufstands setzten sich die insurgenten weitergehende ziele, bis sie schließlich den austritt aus dem imperium versuchten. an die Spitze der bewegung setzte sich ein charismatischer anführer, der im römischen Heer gedient hatte und einen römischen namen führte: Gaius iulius civilis. im lauf des Herbstes schlossen sich mehrere linksrheinische Volksgruppen wie die keltischen lingonen (um langres) und treverer (um trier) der separatistischen rebellion an. Die ausbildung effizienter gemeinsamer kommandostrukturen oder gar die formulierung eines einheitlichen politischen ziels gelang diesen Gruppen jedoch nicht. ihr anfänglich fulminanter Erfolg erklärt sich wohl vor allem daraus, dass zahlreiche Soldaten der rheinfront sich nicht bei ihren Stammeinheiten aufhielten, sondern an verschiedene kriegsschauplätze abkommandiert waren. nach mehreren Siegen schlossen die bataver unter iulius civilis schließlich im September 69 das legionslager in Xanten (Castra Vetera) ein, wo sich noch insgesamt 5000 Soldaten der zwei dort stationierten legionen befunden haben sollen. zeitweilig brach die römische Herrschaft entlang des rheins zusammen. im frühjahr des Jahres 70 sammelte das imperium allmählich seine kräfte. Vespasian ließ eine Eingreiftruppe aus nicht weniger als acht legionen zusammenstellen, die unter das kommando von zwei «Vespasianern», Quintus pettilius cerialis und annius Gallus, gestellt wurde. im lauf des Jahres 70 gelang es dieser interventionsarmee, die aufständischen voneinander zu trennen und zu unterwerfen. Die bataver ergaben sich jedoch nicht und zogen sich im Spätherbst in das sumpfige und von zahlreichen über die Ufer getretenen flussarmen durchzogene rheindelta zurück. bis zu dieser phase des krieges liegt die detaillierte Schilderung der taciteischen Historien vor, deren manuskript zu beginn des fünften
politik des Innehaltens: Vespasian und Titus
buches jedoch abbricht. Da auch keine andere Quelle über den fortgang des krieges berichtet, können über das Ende des konflikts nur mutmaßungen angestellt werden. Die bataver stellten jedenfalls in den Jahrzehnten nach dem krieg weiterhin beträchtliche auxiliarkontingente für die römische armee und genossen steuerliche privilegien, so dass vermutet werden kann, dass der krieg von 69/70 n. chr. mit einem Verhandlungsfrieden endete. Dazu passt, dass tacitus in den letzten erhaltenen kapiteln seiner Historien andeutet, beide Seiten seien kriegsmüde und verhandlungsbereit gewesen.
6. politik des Innehaltens: Vespasian und Titus (69–81 n. Chr.) nach der beilegung der von seinen Vorgängern geerbten konflikte ließ sich Vespasian auf keine neuen militärischen abenteuer mehr ein. Sobald sich die beendigung der kämpfe in iudaea und niedergermanien abzeichnete, nahm er eine grundlegende neugruppierung der provinzheere in angriff. Grenzarmeen, die ihren esprit de corps über die treue zum regierenden kaiserhaus gestellt hatten, wurden auseinandergerissen, indem einzelne truppenkörper neue, weit von den alten Stationierungsräumen entfernt liegende Garnisonsorte erhielten. Wohl vier legionen wurden aufgelöst und neue, unbelastete Einheiten an ihrer Stelle gebildet. insgesamt blieb die truppenstärke mit den von Vespasian neu aufgestellten drei legionen etwa gleich (29 legionen,34 vier mehr als beim tod von augustus). Diese maßnahmen belasteten nach den kostspieligen kriegen der letzten Jahre noch einmal die Staatskasse, wurden aber offenbar als unumgänglich notwendig empfunden. Doch nach abschluss dieser neugruppierungen verzichtete Vespasian auf größere truppenbewegungen und leitete damit die Sanierung der Staatsfinanzen ein. als regelrecht unmilitärische phase kann die Herrschaft Vespasians allerdings nicht bezeichnet werden. Das zeigen schon die zahlreichen Siegestitel, die dieser imperator im laufe seiner re-
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gierungszeit sammelte. Doch die Grundtendenz der vespasianischen außenpolitik war defensiv, ohne eine besondere nachgiebigkeit gegenüber den nachbarstaaten zu zeigen. Die nahöstliche Grenze zum parthischen königreich wurde unter der aufsicht des marcus Ulpius traianus, des Vaters des späteren kaisers traian, mit der anlage von Straßen und festungen aufwendig ausgebaut. Die bisher in Syrien und zeitweise in Ägypten konzentrierten legionen wurden in einem weiter ausgreifenden bogen stationiert, indem zwei neue militärstandorte in zentralanatolien, melitene und Satala, eingerichtet und an das Verkehrsnetz der provinz Cap padociaGalatia angebunden wurden. in der nähe des heutigen tiflis wurde auf «befreundetem» territorium eine festung gebaut und bemannt. Durch diese und andere maßnahmen rückte das imperium mit einer verdichteten Sicherheitsarchitektur näher an die Westgrenze des parthischen königreiches heran. offenkundig wurde damit eine kompensation für den Verlust armeniens als cordon sanitaire geschaffen, den nero durch den Verzicht einer direkten Einflussnahme auf die armenische thronfolge hatte hinnehmen müssen. Der parthische könig verhielt sich angesichts der verstärkten römischen präsenz in der region vorsichtig. Um keinen Vorwand für eine römische intervention zu bieten, bat er nach einem Streit mit den kaukasischen alanen um Entsendung eines römischen Expeditionsheeres. Vespasian stellte jedoch lediglich fest, «es sei nicht seine Sache, sich in fremde angelegenheiten einzumischen».35 Die meisten kaiser hätten diese Gelegenheit, an einem großen krieg teilzunehmen, nicht verstreichen lassen – und die spätere Historiographie hätte wie in den gleichliegenden fällen die intervention als unerlässlich für die römische Sicherheit dargestellt. Vespasian zeigte jedoch, dass es auch anders ging, im übrigen ohne jede beeinträchtigung der römischen Sicherheit. typisch für Vespasians außenpolitik war ferner der bau einer militärstraße von dem Straßburger legionslager nach tuttlingen an der Donau im Jahr 73/74 n. chr. am Verlauf dieser Straße, am oberen neckar, befestigten die Expeditionstruppen ein lager, in
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dessen nähe bald die zivilsiedlung Arae Flaviae, das heutige rottweil, entstand. Diese Heerstraße verkürzte den Weg vom oberrhein an die obere Donau erheblich. Gleichzeitig wurde ein Stück fruchtbares land rechts des rheins angeeignet und aufgesiedelt, ohne dass die römischen truppen auf nennenswerten Widerstand getroffen wären (wahrscheinlich war die Schwarzwaldregion seit dem abzug der Sueben in caesars zeit weitgehend siedlungsleer). nicht ganz in das hier skizzierte Szenario der auswärtigen politik unter Vespasian passt die von diesem imperator in britannien praktizierte Expansionspolitik. Die allmähliche und zuweilen unterbrochene Eroberung der britischen Hauptinsel hatte bereits mit der claudischen invasion von 43 n. chr. begonnen. Unter Vespasian wurde ihre besetzung systematisch unter dem kommando der profilierten consulare pettilius cerialis (seit 71), Sextus iulius frontinus (74–77) und schließlich Gnaeus iulius agricola (77– 84/85) vorangetrieben. agricola aus fréjus in Südgallien, Schwiegervater des tacitus, wurde später zum protagonisten eines biographischen frühwerks dieses Historikers, in dessen mittelpunkt agricolas britannienfeldzüge stehen und das daher eine wichtige Quelle zu diesen kriegen darstellt, in deren Verlauf die nördlichen Gebiete von Wales und große teile Schottlands erobert wurden. bei inchtuthil, am Südrand der schottischen Highlands, ließ agricola ein legionslager errichten und signalisierte damit, dass die römische präsenz in dieser region dauerhaft sein sollte. Schließlich zeigte die nordumfahrung der insel durch eine römische flotte unmissverständlich, dass der römische besitzanspruch der gesamten insel galt. in diesem fall war es kaiser Domitian, der 85 n. chr. das kostenträchtige Unternehmen abbrach und auf die ökonomisch und strategisch unsinnige annexion der Highlands verzichtete. im Gedächtnis geblieben ist Vespasian den meisten römern und Untertanen wahrscheinlich nicht aufgrund seiner militärpolitik, sondern wegen seiner Steuererhöhungen bzw. der Einführung neuer phantasiereicher Steuern. charakteristisch ist folgender abschnitt aus Suetons Vespasianbiographie:
102 III. Von Tiberius bis zur Katastrophe des «Besten» «Der einzige Fehler, den man ihm mit Recht vorhalten konnte, war seine Habgier. Nicht damit zufrieden, die unter Galba aufgehobenen Steuern (gemeint sind Steuern, die Nero erhoben hatte, um mit der Finanzkrise zurechtzukommen [AE]) wieder einzuführen, fügte er neue drückende Ab gaben hinzu, vergrößerte, ja verdoppelte zum Teil die Tributleistungen der Provinzen und trieb in aller Öffentlichkeit Geschäfte, deren sich sogar ein Privatmann hätte schämen müssen; so kaufte er gewisse Waren en gros auf, um sie nachher mit großem Gewinn wieder loszuschlagen. Er scheute auch nicht davor zurück, Ämter an Kandidaten oder Freisprüche an Angeklagte, ob diese schuldig oder unschuldig waren, zu verkaufen».36
Schon am beginn dieses abschnitts kommt die verblüffende naivität zum ausdruck, die diese politik als konsequenz des persönlichen, angeblich raffgierigen charakters Vespasians sah. Wahrscheinlich wusste auch Sueton, dass das nicht der fall war. Derselbe biograph berichtet an anderer Stelle seiner lebensbeschreibung, dass Vespasian mit seinem persönlichen Vermögen sehr großzügig umgehen konnte, indem er etwa künstlern fürstliche Jahrespensionen aus seiner privatkasse anweisen ließ. Der sogenannte «Geiz» Vespasians war vielmehr ausdruck des drückenden staatlichen Geldbedarfs, ein Erbe der neronischen kriegspolitik und der bürgerkriegsjahre. nach dem Übergang zu einer friedlichen außenpolitik konsolidierten sich die Staatsfinanzen rasch, und Vespasian konnte eine großzügige baupolitik betreiben, die sich ihrerseits – weil die großen baustellen Verdienstmöglichkeiten für viele menschen boten – in die ausgleichende, auf beruhigung setzende politik des princeps einfügte. Die bauprojekte der flavier setzten weithin sichtbar und programmatisch einen kontrapunkt zu der egozentrischen architektur neros. Eine abkehr von dessen Gigantomanie fand allerdings nicht statt, im Gegenteil: sogar der colossus, neros weit überlebensgroße Statue, blieb stehen, erhielt aber ein neues Gesicht. Doch die flavischen imponierbauten hatten einen ausgesprochen öffentlichen charakter, während neros parklandschaft im Herzen der Stadt dem privatvergnügen des imperators gedient hatte. bezeichnenderweise wurden sowohl der park als auch das areal, auf
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dem das Goldene Haus gestanden hatte, rasch überbaut. Die bekanntesten bauten, die in diesem zusammenhang zu nennen sind, sind der monumentale tempel für claudius, den nero begonnen, aber nicht fertiggestellt hatte, und das unter dem mittelalterlichen namen colosseum bekannte neue amphitheater. Weiterhin entstanden im Stadtzentrum der «friedenstempel», der für die niederschlagung des jüdischen aufstandes geweiht wurde und der unter anderem den siebenarmigen leuchter und die bundeslade als ausstellungsstücke beherbergte, und natürlich der neubau des 69 n. chr. abgebrannten tempels für die capitolinische Götterdreiheit, bei dessen neuerrichtung Vespasian selbst mit Hand anlegte. Wie claudius im Jahr 47/48 n. chr. bekleidete auch Vespasian für achtzehn monate das amt der censur (73/74 n. chr.). in diesem fall war allerdings kein arrivierter Senator wie seinerzeit lucius Vitellius, sondern der Sohn Vespasians, titus, kollege des kaiserlichen censors. Diese besetzung war ausgesprochen typisch für die dynastische politik Vespasians, der Schlüsselpositionen der administration gezielt an angehörige des kaiserlichen Hauses vergab. Daher war titus wiederholt mitkonsul des kaisers (insgesamt siebenmal), hatte seit 71 n. chr. die tribunizische Vollmacht inne und bekleidete ganz gegen die üblichen Gepflogenheiten seit demselben Jahr auch die prätorianerpräfektur, die zuvor immer mit rittern besetzt worden war. Die traditionelle Hauptaufgabe der censoren war die aktualisierung der römischen bürgerliste, die in republikanischen zeiten alle fünf Jahre durchgeführt wurde. Der anlass dafür, dass dies 73 n. chr. noch einmal – das letzte mal in der römischen Geschichte – praktiziert wurde, waren die Verluste, die unter anderem die höchsten Stände im bürgerkrieg erlitten hatten. Die flavier nutzten diese Gelegenheit jedoch auch, um parteigänger zu belohnen oder auch um sich neue freunde durch zuwahl in die führenden ordines (Stände) zu schaffen. manche familien, die während der flavischen zensur senatorisch wurden oder gar in den wiederbelebten adelsrang des patriziats aufstiegen, haben die römische politik in den kommenden Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt, darunter etwa die annii und ceionii, die die meisten sogenannten
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«adoptivkaiser» des zweiten Jahrhunderts stellten. Der bekannteste der flavischen neopatrizier ist wohl marcus Ulpius traianus senior, der Vater des späteren kaisers. als Vespasian am 23. Juni 79 in der nähe von reate (rieti) starb, hinterließ er zwei volljährige Söhne, die aus seiner Ehe mit flavia Domitilla, der tochter eines scriba (Sekretärs), hervorgegangen waren. Domitilla hatte lange zeit als geborene Sklavin gegolten, bevor ihr Vater in einem prozess ihr das recht erstritt, sich freigeboren nennen zu dürfen. Der ältere Sohn titus flavius Vespasianus, genannt titus, ist wohl Ende 39 n. chr. in rom geboren, Domitian zwölf Jahre später, ebenfalls in rom. flavia Domitilla starb noch vor Vespasians Staatsstreich am 1. Juli 69, und Vespasian verzichtete auf eine weitere Ehe, um keine konkurrenten für seine erstgeborenen Söhne in die Welt zu setzen oder ins Haus zu holen. in der zeit seiner Herrschaft lebte er wieder mit seiner ehemaligen Geliebten, der freigelassenen antonia caenis, zusammen. Doch gegenüber seinen Söhnen zeigte er eine deutliche Vorliebe für den älteren, der bereits seit der Verleihung der tribunicia potestas inoffiziell als nachfolger designiert war. Der offenbar äußerst ehrgeizige Domitian erhielt zwar auch einige ehrenhafte positionen, wie etwa einen Suffektconsulat (nachrückerconsulat) von märz bis Juni 71, aber keine wirklich verantwortungsvollen aufgaben, nach denen er sich offenbar sehnte. nach dem tod Vespasians bestand jedoch bei den maßgeblichen kräften im römischen Senat kein zweifel, dass der Verstorbene seinen älteren Sohn titus als alleinigen nachfolger gewünscht hatte. am tag nach Vespasians tod, am 24. Juni 79, wurden daher die kaiserlichen Vollmachten (soweit er sie nicht schon besaß) durch Senat und Volk allein auf titus übertragen. Die reibungslosigkeit der machtübertragung bedeutete allerdings nicht, dass sein regierungsantritt allgemein enthusiastisch erwartet worden wäre. Wenn die Erinnerungen, die Sueton etwa ein menschenalter später zu papier brachte, nicht täuschen, stand titus in dem ruf, ein neronischer charakter mit Hang zu Grausamkeiten, egomanischer prachtentfaltung und Genusssucht zu sein. Seit seinem Herrschaftsantritt bemühte sich der 40-jährige flavier dann geflissent-
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lich, dem Eindruck entgegenzuwirken, er strebe eine art neronische renaissance an. Er soll geschworen haben, lieber sterben zu wollen, als einen anderen sterben zu lassen. anklagen wegen pflichtvergessenen Verhaltens (impietas) gegen den imperator und majestätsklagen wollte er im ansatz unterbinden. in den zusammenhang der Demonstrationen guten Willens gehört aber auch die trennung von seiner lebensgefährtin berenike, der Schwester des jüdischen tetrarchen iulius agrippa (ii.), die er öffentlichkeitswirksam nach Hause entließ. Dieses Verhalten sollte eine Hinwendung zur sittlichen Solidität demonstrieren und versicherte zudem die besorgten zeitgenossen, dass kein eventueller unehelicher nachkomme die nachfolgeansprüche Domitians infrage stellen konnte. auch dass titus (jedenfalls zunächst) auf eine Heirat verzichtete, war möglicherweise als Versuch zu verstehen, die spätere nachfolge des zwölf Jahre jüngeren bruders nicht zu behindern. Der mit diesen maßnahmen signalisierten programmatik ist titus im wesentlichen treu geblieben, wodurch sich zum teil seine außerordentliche, weit über seinen tod hinaus währende popularität im imperium erklärt. Hinzu kam noch, dass titus sich sehr bald nach seinem Herrschaftsantritt aufgrund einer ganzen reihe schwerer katastrophen als zutiefst besorgter landesvater inszenieren konnte. am 24. august 79 wurden durch einen ausbruch des Vesuvs die kampanischen küstenstädte Pompeii, Herculaneum und Stabiae zerstört. noch während sich der kaiser auf dem Weg in das katastrophengebiet befand, zerstörte ein brand große teile der Stadt rom, darunter den erst vor kurzem wieder aufgebauten tempel für die capitolinische trias, die drei Hauptgötter des römischen Staates. Und nur wenige Wochen später wurde latium von einer schweren Epidemie heimgesucht, an der wahrscheinlich zehntausende menschen starben. mit seinem Verhalten im angesicht der katastrophen konnte sich titus effektvoll von nero absetzen, von dem das Gerücht ging, er habe sich von der kulisse des brennenden rom als Dichter inspirieren lassen. Der Wiederaufbau der zerstörten bauwerke in rom, aber auch in neapel und Salerno erfolgte in großem tempo und in aufwendiger Weise. bereits zu beginn der Herrschaftszeit Domitians konnte
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der restaurierte capitolinische tempel geweiht werden. Die neue, in fürstlicher Weise ausgestaltete und erst unter Domitian fertiggestellte residenz auf dem palatin ist in ihrer Grundstruktur bis in die Spätantike und darüber hinaus Vorbild für luxuriöse fürstensitze geblieben. obwohl diese verschwenderische prachtanlage unter titus begonnen wurde und dabei durchaus anklänge an neronische megalomanien sichtbar wurden, gab es offenbar keinerlei Vorwürfe gegen diesen kaiser, der schnell und irreversibel einen platz unter den «guten kaisern» gefunden hatte. Sueton begann seine titusbiographie mit dem Satz: «titus (…) war der liebling und das Entzücken des menschengeschlechts.» Etwa hundert Jahre später resümierte cassius Dio nach einer aufzählung menschenfreundlicher taten des zweiten flaviers: «titus traf auch sonst zahlreiche maßnahmen, um das leben der menschen von Unsicherheit und Schmerz zu befreien. So erließ er ein Edikt, das alle Geschenke der früheren Herrscher an Einzelpersonen bestätigte (…).»37
Damit erwies sich titus in dem milieu, das von kaiserlichen Geschenken zu profitieren pflegte, als eine erfreuliche ausnahme unter den insgesamt eher düsteren Herrschergestalten des ersten Jahrhunderts. Das freundliche bild, das in diesen kreisen von titus in Erinnerung blieb, ist allerdings durch andere, weniger philanthropische aspekte seines Wirkens zu relativieren. flavius Josephus, mit ganzem Herzen ein pro-flavischer Schriftsteller, bezeugt, dass titus als verantwortlicher kommandeur während der belagerung von Jerusalem die leute, die sich nachts aus der Stadt wagten, um für ihre familien etwas Essbares aufzutreiben, aufgreifen und zur abschreckung der belagerten vis-à-vis der Stadtmauer kreuzigen ließ, bis zu fünfhundert pro tag. «Die Soldaten aber trieben voller Wut und Hass ihren Spott mit den Ge fangenen, indem sie jeden einzelnen in einer anderen Stellung an das Kreuz nagelten, und bald fehlte es an Platz für die Kreuze und an Kreuzen für die Leiber, so viele waren es.»38
insgesamt fielen der belagerung des titus laut Josephus weit über eine million menschen – nach tacitus immerhin etwa die Hälfte
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dieser zahl – und eben der zweite tempel zum opfer. Solche Handlungen passen nicht eigentlich zu einem philanthropen und «Entzücken des menschengeschlechts». auch dürfte seine paternalistische fürsorge sich kaum auf die nöte aller menschen erstreckt haben, auch wenn Dios oben zitierter Satz über die fürsorge des kaisers das vielleicht suggerieren mag. Ein außergewöhnlicher fund aus der nähe von Herculaneum hat vor einiger zeit noch einmal ein Schlaglicht auf die lebensbedingungen von armen und reichen im italien unter titus geworfen: Während des Vesuvausbruchs von 79 n. chr. hatten einige hundert (oder vielleicht einige tausend) menschen am Strand einen natürlichen Schutzraum gesucht und waren dort verschüttet worden. Die Überreste von 139 der opfer (51 männer, 49 frauen und 39 kinder), ein willkürlicher ausschnitt aus der Gesellschaft einer mittelgroßen Stadt Süditaliens, sind um die Jahrtausendwende medizinisch untersucht worden. an den Skeletten zeigten sich noch die drastischen Unterschiede zwischen den sportlichen, gleichmäßig gewachsenen und gesund ernährten mitgliedern der oberschicht und den kleineren, häufig von Haltungsschäden und merkmalen der Überarbeitung gezeichneten körpern von angehörigen der Unterschicht. an den Schultergelenken eines siebenjährigen mädchens lässt sich noch erkennen, dass dieses kind in seinem kurzen leben sehr hart gearbeitet hat. auch das verwachsene Skelett eines 46-jährigen zeigt starke Spuren von fehlernährung und Überbeanspruchung.39 menschen wie dieser lastenträger arbeiteten ohne jegliche soziale Sicherung als tagelöhner, solange sie eben konnten, um dann zu sterben. ihr leben wurde sicher nicht durch titus «von Unsicherheit und Schmerz» befreit. allerdings blieb dem imperator wenig zeit, um eine eigene programmatik für seine Herrschaft zu entwickeln. Unvorhergesehen starb er am 13. September 81 n. chr. während eines Sommeraufenthalts bei reate im selben Haus wie sein Vater Vespasian an einer plötzlichen Erkrankung und machte damit den Weg frei für seinen bruder titus flavius Domitianus.
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7. Von der Rückkehr zur offensiven Kriegspolitik bis zur Katastrophe im mittleren osten: Domitian und Traian (81–117 n. Chr.) Der offizielle Herrschaftsbeginn Domitians ist der 14. September 81, der tag nach dem tod seines bruders. Schon am Vortag, unmittelbar nach dem Eintreffen der todesnachricht, hatten ihn die prätorianer als imperator akklamiert. Die machtübertragung scheint demnach reibungslos und wie schon vorbereitet abgelaufen zu sein. Doch dass die Stimmung im zentrum der macht verändert war, ist schon daran erkennbar, dass Domitian Hochverratsprozesse gegen personen, die eine tatsächliche oder angebliche oppositionelle Haltung gegenüber dem kaiser an den tag legten, wieder zuließ. als charakteristisch für seine von tiefem misstrauen geprägte regierungszeit ist das Diktum überliefert, die Stellung des princeps sei erbärmlich, denn man glaube ihm erst, dass es Verschwörungen gebe, wenn er ermordet worden sei.40 Domitian wollte zeit seines lebens seinen mördern zuvorkommen, und dementsprechend ist seine biographie, die letzte aus der suetonischen reihe von kaiserviten, angefüllt von Erzählungen über politische krisen, Schauprozesse und ähnlichem. kurz nach dem tod des Herrschers schrieb der senatorische Historiker tacitus einige zeilen nieder, die häufig in Erinnerung gerufen werden, wenn das lebensgefühl von Überlebenden eines terrorregimes thematisiert wird: «So wie ein früheres Zeitalter das Höchstmaß an Freiheit erlebt hat, so unseres das Höchstmaß an Sklaverei, da durch die permanente Spitzelei (per inquisitiones) sogar der Austausch im Sprechen und Zuhören genom men wurde. Die Erinnerung hätten wir mit der Stimme eingebüßt, wenn es ebenso in unserer Macht gestanden hätte, zu vergessen wie zu schweigen. Jetzt kehrt allmählich das Bewusstsein zurück.»41
aufgrund solcher passagen haben moderne forscher den Herrschaftsstil Domitians mit dem Stalins verglichen. Dazu ist allerdings relativierend zu sagen, dass die von tacitus erwähnten «inquisitionen», soweit wir wissen, nur einen kleinen teil der Elite,
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nämlich die Senatoren und ihr Umfeld sowie auch einige Schauspieler und Schriftsteller betrafen, und nicht die masse der bevölkerung, jedenfalls nicht über das übliche maß hinaus. aber auch hinsichtlich der Senatoren ist zu beachten, dass sie nicht alle potentielle opfer Domitians waren oder in intransigenter feindschaft zu Domitian gestanden haben. Viele Senatoren unterstützten Domitian rückhaltlos, unter anderem indem sie ihre Standesgenossen bei ihm als politisch unzuverlässig denunzierten, um auf diese Weise von den politischen Verhältnissen zu profitieren. alle Senatoren, die sich nach dem tod Domitians im Jahr 96 abschätzig und hasserfüllt über den tyrannen äußerten, hatten unter diesem kaiser karriere gemacht und sich seinen Erwartungen gebeugt, auch und besonders wenn es darum ging, Gegner des kaisers zu verurteilen oder zu töten. Die wenigen echten Dissidenten wie der philosoph Helvidius priscus (der Jüngere) waren 96 n. chr. bereits tot. Domitian hatte sich zu lebzeiten seines Vaters und seines bruders die betrauung mit eigenständigen militärkommandos erhofft und war wiederholt enttäuscht worden. nachdem ihm die alleinherrschaft zugefallen war, konnte er sich endlich den lang gehegten Wunsch erfüllen, persönlich große Heeresverbände zu kommandieren. Die fiskalische Erholung war zudem im Jahr 82 bereits so weit gediehen, dass Domitian zu den vorneronischen münzprägestandards zurückkehren und wieder zu einer aktiven kriegspolitik übergehen konnte. als objekt der römischen aggression wurden zunächst die chatten ausgewählt, die von mainz aus 83 n. chr. von einem römischen Expeditionsheer angegriffen wurden, dessen Hauptstoß sich wohl gegen die Siedlungszentren im Gebiet zwischen dem heutigen fritzlar und kassel richtete. Den Überfallenen konnte bereits im Sommer 83 ein vertraglich geregeltes abhängigkeitsverhältnis aufgezwungen werden. Dieser partikulare Erfolg wurde mit großem aufwand als endgültiger Sieg «über die Germanen» in ihrer Gesamtheit gefeiert. Unter anderem wurde in rom eine beispiellose anzahl von Ehrenbögen für Domitian errichtet – die nach dem tod des kaisers allerdings wieder abgerissen wurden. zu einem nicht genau bekannten zeitpunkt, aber nicht lange nach dem Sieg über die chatten, ließ
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Domitian die provisorischen germanischen Heeresbezirke der augusteischen zeit in zwei reguläre provinzen umwandeln (Germa nia Inferior, niedergermanien, und Germania Superior, obergermanien). Damit wurde die fiktion aufgegeben, dass die beiden Heeresbezirke am rhein lediglich die aufmarschgebiete seien, aus denen heraus die Eroberung der Großprovinz Germania noch erfolgen sollte. mit der Wiederaufnahme der kriegspolitik wurden auch die Staatskassen wieder stärker belastet. Hinzu kam, dass Domitian, der sich vor allem dem militär verbunden fühlte, den Einstiegssold für rekruten um ein Drittel erhöhte und vermutlich die Gehälter der oberen Dienstgrade entsprechend anpasste. aufgrund der schlechten Quellenlage ist es nicht völlig klar, wie Domitian die notwendigen mittel für seine ausgabenpolitik auftreiben wollte, doch haben sich einige Hinweise bei spätantiken Schriftstellern erhalten, die dafür sprechen, dass er zu einer verschärften Eintreibungspolitik bei den nachbarn des imperiums überging, die durch klientelverträge mit dem römischen reich verbunden waren. Diese politik löste dort teilweise heftige abwehrreaktionen aus. Unter anderem soll nach dem bericht des romanisierten Goten iordanes ein nördlich der unteren Donau siedelnder «gotischer» (gemeint ist wahrscheinlich «dakischer») Stamm in der regierungszeit Domitians «aus angst vor der Habgier des kaisers» sein Vertragsverhältnis mit rom gebrochen und plünderungszüge südlich der Donau begonnen haben.42 Domitian bestand erwartungsgemäß auf der respektierung der wohl noch aus augusteischer zeit herrührenden Verträge und bereitete deren gewaltsame Durchsetzung vor. Doch im zuge dieser Erzwingungspolitik erlitten römische truppen mehrfach vernichtende niederlagen (86 n. chr.). Da die Daker massive Vergeltungsschläge erwarteten, vereinigten sie sich unter einem könig, Decebalus, zu einer Defensivallianz. Decebalus bot den abschluss eines allianzvertrages mit allen dakischen Stämmen, die unter seiner führung standen, an, doch Domitian verlangte eine bedingungslose Unterwerfung der Gegner. Unter dem Eindruck der wachsenden Spannungen kündigten weitere nördlich der Donau siedelnde Volksgruppen, na-
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mentlich die markomannen (in böhmen), die Quaden (etwa im heutigen mähren) und die sarmatischen iazygen (in der Donautheiß-Ebene)ihre klientelverträge mit rom. zwischenzeitlich zeigte sogar das römische Herrschaftssystem östlich des niederrheins risse, als der Statthalter obergermaniens, lucius antonius Saturninus,sichvonDomitianlossagte(Jahreswechsel88/89 n. chr.) und die niedergermanischen truppen roms zur niederschlagung der rebellion nach Süden in marsch gesetzt wurden. Die revolte des Saturninus wurde innerhalb weniger Wochen niedergeworfen, aber die Herstellung der zusammengebrochenen Vertragsarchitektur nördlich der Donau nahm insgesamt zwölf Jahre äußerst wechselvoller und verlustreicher kämpfe in anspruch. Erst unter nerva, 97 n. chr., waren die klientelverträge mit den Volksgruppen nördlich der Donau vollständig in der alten form wiederhergestellt. Domitian ist den antiken Schriftstellern zufolge einer palastverschwörung von Sklaven und freigelassenen der kaiserlichen familie am 18. September 96 n. chr. zum opfer gefallen. Über die politischen Hintergründe der tat erfährt man von dem biographen Sueton oder anderen autoren nichts konkretes. manche Hinweise sprechen allerdings dafür, dass der tod Domitians für einige angehörige der politischen Eliten nicht völlig unvorhergesehen kam, sondern dass es über den kreis der Verschwörer hinaus mitwisser oder vielleicht sogar förderer des anschlags in einflussreichen milieus gegeben hat. zu diesen indizien zählt, dass sich der Senat schon an Domitians todestag auf einen nachfolger für den Ermordeten einigte, nämlich auf den wohl 30 n. chr. geborenen «äußerst sanften Greis»43 marcus cocceius nerva aus narnia in Umbrien. Die charakterisierung nervas stammt von plinius dem Jüngeren, dem bekannten redner (62–112 n. chr.) und zeitgenossen der kaiser von Domitian bis traian, dessen briefe an Senatoren und ritter einige unschätzbare Einblicke in die damaligen Stimmungslagen und Erwartungen liefern. in plinius’ zwei Jahre nach nervas tod geäußerten Worten spiegelt sich wohl noch eine Erinnerung an die im Jahre 96 von vielen Senatoren geteilte Hoffnung wider, dass der harte und unberechenbare regierungsstil Domitians mit dem neuen prinzipat der Vergangenheit angehören würde. Einige
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Quellen zeigen jedoch, dass die Euphorie über den «tyrannenmord» – wie einige die tötung Domitians deuteten – keineswegs so allgemein war, wie plinius und tacitus dies in ihren Schriften erscheinen lassen wollten. Ein wichtiges zeugnis liegt in einem brief des plinius an einen jungen Standesgenossen vor,44 in dem der redner stolz referiert, dass er unmittelbar nach dem tode Domitians eine anklage gegen einen verhassten parteigänger des imperators, einen Senator mit namen publicius certus, wegen eines angeblichen Justizmordes vorbereitete. aber schon während der Vorbereitung des prozesses zeigte sich, dass publicius certus, damals immerhin präfekt des aerariums (aufseher über die Hauptstaatskasse), mächtige freunde hatte, die ihn im Senat öffentlich und entschieden unterstützten. plinius hatte in diesem Gremium einen antrag auf zulassung einer klage gegen certus eingebracht, doch als über die beschlussvorlage abgestimmt werden sollte, traf sie auf heftigen Widerstand vieler Senatoren, so dass nerva schließlich die Sitzung abbrach und den prozess unterband. Schon diese Episode zeigt, dass der Senat in der frage, wie die Vergangenheit zu behandeln sei, zutiefst gespalten war. Es wäre allerdings zu einfach, die gegnerischen Gruppierungen mit den Schlagworten pro- bzw. antidomitianer zu belegen. Die große mehrzahl der männer, die im Jahre 96 im Senat saßen, hatte in der einen oder anderen Weise den «tyrannen» unterstützt. nach römischem Sprachgebrauch waren sie alle «Domitianer». Der Streit, der den höchsten Stand entzweite, entzündete sich an der frage, ob die besonders aktiven Denunzianten und zuträger des ermordeten imperators zur rechenschaft gezogen werden sollten oder ob sie weiterhin einflussreiche und politisch wichtige positionen bekleiden durften. Die «Denunzianten» hätten sich wahrscheinlich selbst loyale Verteidiger ihres imperators genannt. im Unterschied zu ihren Gegnern sahen sie die Ermordung des flaviers als ein schweres Verbrechen. nerva hatte durch sein Einschreiten in dem publicius-prozess gezeigt, welche rolle ihm nach seiner auffassung in diesem konflikt zufiel: als kompromisskandidat symbolisierte er gewissermaßen das vorläufige patt zwischen den beiden lagern und konnte
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jedenfalls für den moment verhindern, dass der Gegensatz offen und gewaltsam ausgetragen wurde. in seinem consilium, dem inoffiziellen kronrat, befanden sich sowohl befürworter als auch Gegner des mordes an Domitian. Die heftige Spannung, unter der der Senat stand, betraf zunächst nur eine kleine Elite, auch wenn erkennbar ist, dass andere Stände und die bevölkerung in rom anteil an dem konflikt nahmen. Einen politisch ausschlaggebenden Druck konnten die «zivilen» kräfte in dieser frage, wie meist in der kaiserzeit, nicht entfalten. Dies galt aber nicht für die Streitkräfte, die mit der Ermordung des in militärkreisen populären Domitian und der inthronisierung nervas in rom vor vollendete tatsachen gestellt worden waren. im September 96 war es zunächst völlig unklar, wie die provinzialarmeen und die prätorianer auf die Ernennung des 66-jährigen nerva, der über keinerlei Einfluss beim militär verfügte, reagieren würden. Die geschichtlichen Erfahrungen seit caesars Ermordung legten allerdings die Erwartung nahe, dass binnen kurzer zeit eine reaktion erfolgen würde. Die Situation unterschied sich allerdings in mehrfacher Hinsicht von der letzten großen Herrschaftskrise nach dem Sturz neros im Juni 68. Damals hatte es unter den provinzialarmeen und ihren kandidaten verschiedene parteiungen gegeben, die ihre ansprüche mit Waffengewalt gegeneinander durchzusetzen strebten. 96 n. chr. durfte davon ausgegangen werden, dass sämtliche legionen und Hilfstruppen die Ermordung ihres imperators missbilligten. aber es gab keine exponierten kommandeure oder amtsträger in rom, die sich offen zur Verantwortung für den mord an Domitian bekannten. Der Hass der Soldaten oder jedenfalls der prätorianer scheint sich hauptsächlich gegen den «kämmerer» (a cubiculo) Domitians, tiberius claudius parthenius, gerichtet zu haben, in dem sie wohl zu recht den Hauptverantwortlichen für das mordkomplott sahen, sowie gegen titus petronius Secundus, einen der beiden prätorianerpräfekten, dem – ohne dass beweise existierten – nachgesagt wurde, dass er die Verschwörer wissentlich gedeckt habe. Damit richtete sich der zorn der prätorianer gegen ihren eigenen befehlshaber. Der andere oberkommandierende der Garde war von nerva gegen einen mann
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ausgetauscht worden, der unter Domitian bereits einmal die prätorianer befehligt hatte, dann aber in Ungnade gefallen war: Gaius casperius aelianus. Diese Wahl erwies sich als ein verhängnisvoller fehler, denn dieser mann fraternisierte sich einige monate nach seiner Ernennung mit den Soldaten gegen seinen kollegen petronius. Damit war auch in dieser Eliteeinheit das patt hergestellt, das in der gesamten politischen klasse herrschte: Der eine befehlshaber befürwortete den «tyrannenmord», der andere trat für die aburteilung der Verschwörer ein. Die extreme politische Spannung löste sich wohl im September 97, zu beginn des zweiten Herrschaftsjahres nervas, als casperius aelianus an der Spitze einer prätorianerabteilung in das kaiserliche Haus eindrang und ultimativ verlangte, dass parthenius und petronius als mörder bestraft würden. als nerva sich weigerte, die beschuldigten auszuliefern, übten die Soldaten brutale lynchjustiz. Darüber hinaus zwangen sie den imperator, die Ermordeten in einem Edikt als «schlechteste und ruchloseste aller menschen»45 zu verurteilen. mit dieser Demütigung hatten die prätorianer den imperator vor aller augen zu einer marionette der restaurativen fraktion gemacht. aelianus hatte für den augenblick die kontrolle über die Stadt rom in seinen Händen. Doch nach den Spielregeln der römischen politik, so wie sie jedenfalls zu dieser zeit noch Geltung hatten, konnte der prätorianerpräfekt als ritter, also als angehöriger des zweiten Standes nach den Senatoren, nicht selbst imperator werden. Es ist daher zu recht und aufgrund starker indizien vermutet worden, dass aelianus im Einverständnis mit mächtigen Senatoren handelte, die Domitian über den tod hinaus die treue hielten und einen der ihren auf den thron zu bringen planten. als bedeutendster dieser (noch) im Hintergrund operierenden Senatoren ist marcus cornelius nigrinus gesehen worden, einer der Generäle Domitians, der mit auszeichnung an der Donau gekämpft hatte und mittlerweile legat (kaiserlicher militärgouverneur) in Syrien war, womit er sich in einer strategisch ähnlich guten position wie Vespasian 69 n. chr. befand. Ein putsch unter der führerschaft des nigrinus und damit eine anknüpfung an die domitianische praxis der politischen prozesse
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und willkürlich verhängten todesurteile zeichneten sich ab. Doch die Gegenseite hatte nicht untätig abgewartet. Einer diplomatisch besonders geschickten Gruppe muss es gelungen sein, Einfluss auf die von nerva ausgesprochenen Statthalterernennungen zu gewinnen. plinius und tacitus standen dieser Gruppe politisch nahe, ohne zu ihrem inneren zirkel zu gehören. nach der neubesetzung einer reihe wichtiger Statthalterpositionen stellte sich die Situation mitte 97 n. chr. folgendermaßen dar: Die beiden Heeresgruppen am rhein – die italien neben dem pannonischen Heer am schnellsten erreichen konnten – waren in den Händen von zwei wichtigen mitgliedern der eben genannten Gruppe. Strategisch am besten positioniert war der Statthalter obergermaniens, marcus Ulpius traianus iunior. Der Statthalter niedergermaniens, lucius licinius Sura, war ein langjähriger freund und politischer berater traians. Er galt als einer der strategischen köpfe der fraktion, der auch als redenschreiber des späteren imperators und damit als programmatischer Stichwortgeber fungierte. Wie die familie traians, die aus Italica in der provinz Hispania Baetica stammte (s. S. 127), hatte der clan des licinius Sura seinen Hauptwohnsitz in einer der spanischen provinzen. Die «spanische» Herkunft war jedoch nicht das wichtigste bindeglied der fraktion um traian, sondern ihre gemeinsame Sozialisation im römischen reichsdienst und ihre ablehnung des domitianischen regierungsstils. ihr wichtigster Gegner, cornelius nigrinus, stammte übrigens auch aus Spanien. Die beiden bei ihren Heeren populären kommandeure Ulpius traianus und licinius Sura bildeten einen wichtigen machtblock in der komplizierten konstellation des Herbstes 97. Die meisten an der Donau eingesetzten befehlshaber hätten im falle einer militärischen Eskalation des konflikts aufgrund persönlicher beziehungen und politischer orientierung höchstwahrscheinlich für diesen machtblock optiert. Die Vernetzung der Gegenseite um cornelius nigrinus war zu diesem zeitpunkt weitaus schlechter. Es ist plausibel geschätzt worden, dass die Gruppe um traian im kriegsfall 22 von 28 legionen auf ihrer Seite gehabt hätte. Doch die nigrinus-Gruppe war in der Hauptstadt seit dem lynchmord an parthenius und petronius stärker.
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Ein geschickter Schachzug der traianer brachte schließlich die Entscheidung. im oktober 97 n. chr. wurde nach rom gemeldet, dass die militärischen auseinandersetzungen mit den «Sueben» (den markomannen und Quaden im heutigen böhmen und mähren) an der mittleren Donau mit einem römischen Siegfrieden beendet worden waren. Dies war eigentlich ein posthumer Erfolg Domitians, der aber nach den römischen konventionen dem imperator nerva zugeschrieben wurde. Diesem oblag es, im rahmen der Siegesfeierlichkeiten am 27. oktober 97 das kapitol zu besteigen und im tempel des iuppiter optimus maximus einen lorbeerzweig als Dankesgabe an den Gott niederzulegen. Um zeuge dieses rituals zu werden, hatte sich eine große menschenmenge versammelt. Dieses maximum an öffentlichkeit nutzte der imperator, um zu verkünden, dass er den Statthalter obergermaniens, marcus Ulpius traianus, an Sohnes statt annehme und ihn zugleich als «teilhaber und Genossen in der Herrschaft» ausgewählt habe.46 Umgehend nach der adoption wurde der befehlsbereich traians auf die gesamten rheinprovinzen ausgedehnt. Durch die nomenklatur wurde ausgedrückt, dass zwischen dem Senior und dem adoptierten formal noch ein Hierarchieverhältnis bestehen blieb. Der Ehrenbeiname augustus blieb für nerva, während die namensform «traianus caesar» zum ausdruck brachte, dass der Ulpier nerva nach dessen ableben als augustus beerben sollte. Dieses Über- und Unterordnungsverhältnis der beiden männer bestand allerdings lediglich in der theorie. in den wenigen monaten, die nerva noch zu leben blieben, wurde er zum machtlosen platzhalter traians degradiert. nerva bewohnte zwar noch den domitianischen palast in rom, die das imperium betreffenden anordnungen wurden jedoch aus traians Hauptquartier, zunächst meist von köln aus, erteilt. zu diesen befehlen gehörte verständlicherweise die abberufung des cornelius nigrinus aus der provinz Syrien, der nicht einmal auf seinen nachfolger in der Statthalterschaft warten durfte, sondern umgehend von dem Quaestor (kassenführer) der provinz asia abgelöst wurde. nach dem tod nervas nahm traian am 28. Januar 98 den augustusnamen an, ohne dass dies seiner machtstellung noch We-
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sentliches zugefügt hätte. auch jetzt, nachdem er formal die alleinherrschaft als augustus angetreten hatte, begab er sich nicht nach rom, sondern besuchte noch für mehr als anderthalb Jahre truppenstandorte an rhein und Donau. Die reisen dienten unter anderem dazu, das Vertrauen und die Wertschätzung der wohl überwiegend domitianisch gesinnten Soldaten in diesen regionen zu gewinnen. Galba und Vitellius hatten sich 68 bzw. 69 n. chr. überhastet mit einer geringen truppenanzahl nach rom begeben, ohne einen ausreichenden rückhalt bei der mehrzahl der Grenztruppen des reiches zu haben. nicht zuletzt aus diesem Grund war ihnen die Hauptstadt zur todesfalle geworden. traian wollte diesen fehler nicht wiederholen. casperius aelianus ließ er in sein Hauptquartier beordern, als ob er dem prätorianerpräfekten einen militärischen auftrag erteilen wollte, ordnete dann aber seine Verhaftung und Ermordung an. Damit war der machtkampf mit den «Domitianern» entschieden. Um zu signalisieren, dass eine neue zeit angebrochen sei, leistete traian zu beginn seiner regierungszeit den Eid, in seiner amtszeit keine «ehrenwerte person» hinrichten zu lassen, und wiederholte ihn später noch öfter. tatsächlich verzichtete der neue Herrscher nach dem mord an aelianus auf den üblichen terror gegen die politischen Gegner und legte damit den Grundstein zu dem mythos, der sich um seine person entwickeln sollte. noch Jahrhunderte später jubelten Senatoren, die einem imperator besonders schmeicheln wollten, zu: «(Du bist) glücklicher als augustus, besser als traian.» im oktober 99, etwa zwei Jahre nach seiner adoption durch nerva, erreichte er rom, wo er mit seiner familie die prachtgemächer des domitianischen palastes bezog. Viel zeit zur wohnlichen Einrichtung blieb nicht, denn schon zu dieser zeit war ein erneuter angriff auf die Daker eine beschlossene Sache. 97 n. chr. war der frieden mit den Quaden und markomannen geschlossen worden, der die friedensverträge mit den iazygen von 92 n. chr. und mit den Dakern von 89 n. chr. ergänzte und einen stabilen zustand an der Donau herbeigeführt hatte. Dieses Vertragssystem gab traian im Jahr 101 mit seinem angriff auf das dakische reich
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ohne offizielle rechtfertigung wieder auf. Wie die Verantwortlichen in rom diesen Vertragsbruch begründeten, lässt sich noch aus der Dankrede (gratiarum actio) eines regimenahen Senators, Gaius plinius Secundus, ablesen, die dieser anlässlich des antritts seines consulats am 1. September 100 n. chr., als die kriegsvorbereitungen schon angelaufen waren, gehalten und später überarbeitet publiziert hat (Panegyricus). plinius denunziert im elften kapitel seiner rede den frieden von 89 n. chr. als einen bloßen Waffenstillstand, dessen bedingungen im Wesentlichen die Gegenseite festgelegt hätte. Ein friede, der mit der Würde des imperiums vereinbar sei, müsse aber von den besiegten als Gnadenakt erbeten werden.47 Einem abschluss, der wie unter Gleichberechtigten zustande gekommen war, kam daher per definitionem keine Gültigkeit zu: eine bequeme formel für einen Vertragsbruch. traian brach am 25. märz 101 n. chr. von rom aus an die front auf, um die operationen wie seinerzeit Domitian persönlich zu koordinieren. Die invasion des dakischen kernlandes (in Siebenbürgen) erfolgte in mehreren Heeressäulen, unter anderem von der provinz Moesia superior aus nach osten durch den pass bei der dakischen festung tapae (im heutigen Westrumänien) beziehungsweise dem olt folgend nordwärts. Dieser angriff auf Dakien gehört zu den aufwendigsten Unternehmungen der gesamten römischen Geschichte. allein die Versorgung der weit über 100 000 Soldaten, die auf der römischen Seite beteiligt waren und die unter anderem aus britannien, den rheinprovinzen und aus dem osten zuzug erhielten, war eine extreme logistische Herausforderung. besondere berühmtheit hat die nach den plänen des Damaszener architekten apollodoros zwischen 102 und 105 n. chr. erbaute Donaubrücke bei turnu Severin (östlich von belgrad) erlangt, aber diese war nur ein logistisches Element unter vielen (wie z. b. dem Straßen- und lagerbau oder Städtegründungen). Die heutige Erinnerung an die Dakerkriege traians ist aber vor allem durch Siegesmonumente und die bilderfolge der sogenannten traianssäule auf dem traiansforum in rom geprägt worden. nicht zu Unrecht ist gesagt worden, dass die offiziösen Darstellungen dieses aggressionskrieges gewisse modern anmutende züge
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Der römische Angriff auf die Daker im Sommer 101 n. Chr.
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aufweisen. Das gilt etwa für das von traian dem «rächenden mars» geweihte monument von adamclisi in der Dobrudscha, auf dem die namen von über 3400 römischen Gefallenen verzeichnet sind, die jährlich mit einer parade geehrt werden sollten. Das monument, speziell das lange Gefallenenverzeichnis, ist für die römische kultur ungewöhnlich, während es auf den modernen betrachter vertraut wirkt. Dasselbe gilt für die bildersequenzen der traianssäule auf dem forum Traiani, einer freistehenden Säule, die ein etwa 200 meter langes friesband mit insgesamt 155 aufeinander folgenden farbigen Szenen aus den dakischen kriegen traians umgibt. Diese bildersequenzen haben gewisse Ähnlichkeiten mit offiziösen Wochenschaufilmen. zu weit sollte die analogie allerdings nicht getrieben werden. Die abbildungen konnten angesichts der Höhe der Säule (mit Sockel 40 meter) von den zeitgenossen nicht sämtlich im Detail studiert werden – und ganz aktuell waren die bilder zur zeit der aufrichtung der Säule im Jahr 113 n. chr. auch nicht
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mehr. Vor allem seitdem bequem zu betrachtende photographien der einzelnen bilder vorliegen, haben diese die gängigen Vorstellungen von römisch-«barbarischen» kriegen stark beeinflusst. in der Wirklichkeit verlief der krieg für die römer zunächst unerwartet schwierig und machte es bald nötig, weitere truppen von anderen Grenzen abzuziehen. im Sommer 102 war Decebalus zur Unterwerfung zu demütigenden bedingungen bereit. Weite teile seines – erst unter dem Eindruck der domitianischen angriffe aus den dakischen Einzelstämmen entstandenen – königreichs wurden durch das imperium annektiert, das noch während der kampfhandlungen mit dem aufbau einer eigenen infrastruktur im eroberten terrain begann. Doch es war noch immer nicht genug: mit zwei neuerlichen Expeditionen zerstörte die römische militärmaschinerie 105 und 106 n. chr. («zweiter Dakerkrieg») das dakische königreich endgültig, an dessen Stelle eine neue provinz nördlich der Donau mit dem namen Dacia trat. im laufe der nächsten Jahrzehnte entwickelte sich diese provinz, auf deren territorium mehrere großflächige regionalstaaten gegründet wurden, zu einem für personen aus dem gesamten reich attraktiven Einwanderungsgebiet. für die zuwanderer diente die lateinische Sprache als ein allgemein zugängliches Verständigungsmittel, das sich als Verkehrssprache in Dakien durchsetzte und bis heute in Gestalt des rumänischen überlebt hat. Dakien wurde durch diese Einwanderungsbewegung auch ein fiskalisch wichtiges territorium, da die neusiedler meist solvente Steuerzahler wurden, während sie in ihren Herkunftsregionen nicht selten zu den besitzlosen gezählt haben dürften. Doch zunächst wurde ein anderer aspekt als Hauptgewinn der feldzüge von 105 und 106 n. chr. verbucht: Den invasoren fiel der dakische kronschatz in die Hände, über dessen fabelhafte Größe noch in der Spätantike phantastische zahlen kursierten. Wenn diese in der modernen forschung in der regel angezweifelten zahlen nur annähernd zutreffen sollten, hatte der Schatz einen Wert von 30 milliarden Sesterzen, eine der größten zahlen in der gesamten antiken Überlieferung. Die großen mengen Edelmetall, die die dakischen könige angehäuft hatten (angeblich 5 millionen
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pfund Gold und 10 millionen pfund Silber), erinnern daran, dass in den karpatischen kulturlandschaften seit Jahrtausenden ein entwickeltes metallhandwerk geblüht hatte, das vielfältig in die nachbarregionen ausgestrahlt hatte. Der raub des von vielen Generationen zusammengetragenen dakischen Schatzes durch die römer stand daher auch symbolisch für die zerstörerische aneignung einer alten kultur durch das imperium. Wichtiger dürfte für die reichszentrale allerdings der fiskalische aspekt der beute gewesen sein. Gewissermaßen über nacht konnte für die über zwei Jahrzehnte andauernden kriege an der Donau eine finanziell positive bilanz gezogen werden. allerdings lagen die Dinge so einfach nicht. Der Schatz, wie reich er auch gewesen sein mag, brachte nur einen Einmaleffekt. auf der anderen Seite ergaben sich aus dem Vorschieben der Grenze nicht nur neue Einnahmen, sondern auch dauerhafte kosten. Schon während des Ersten Dakerkriegs (101–102 n. chr.) hatte sich traian genötigt gesehen, zwei neue legionen aufzustellen, da die vorhandenen Streitkräfte zur Durchsetzung der neuen ordnung nicht ausreichten. Der strategisch ungünstige Grenzverlauf der neuen provinz, die fast wie eine Exklave in die osteuropäischen Stammesterritorien hineinragte, machte zudem die aufstellung neuer auxiliareinheiten notwendig, während gleichzeitig die Garnisonen an der Donau nur partiell reduziert werden konnten, obwohl diese fortan auf mehr als 200 kilometern länge ein binnenfluss des imperiums war (vgl. karte S. 191). auf die Dauer war diese provinz trotz der Steuereinnahmen eher ein zuschussgeschäft, so dass es nicht verwundert, dass Dakien als erste aller provinzen während der großen reichskrise evakuiert und aufgegeben wurde (271/275 n. chr.). Ein anderer aspekt, dessen langfristige negative auswirkungen vermutlich kein zeitgenosse registrierte, wog noch schwerer. Die erbeuteten Geldmengen verleiteten die politischen Verantwortungsträger dazu, jeden zweifel an der Expansionspolitik des imperiums zurückzustellen und weiter auf angriffskriege als innerste ratio ihrer politik zu setzen. zwar wurde die kriegsbeute auch in große bauvorhaben investiert, doch die auswertung der in den
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Jahren nach 106 n. chr., also seit der Erbeutung des dakischen königsschatzes, geprägten münzen zeigt, dass das ausgabenniveau des Staates erst seit 112 n. chr wieder rasant anstieg. Diese ausgabensteigerungen standen mit den Vorbereitungen der großen partherexpedition in zusammenhang, zu der traian in der zweiten Jahreshälfte 113 n. chr. aufbrach. bereits 106 n. chr. war in einem vorbereitenden Schritt das nabatäische königreich, nachdem dessen könig rabbell ii. kinderlos gestorben war, kampflos als römische provinz Arabia (auf dem Gebiet des heutigen Jordanien) eingezogen worden. als anlass für die Eröffnung der römischen feindseligkeiten gegen die parther wählten traian und seine ratgeber 113 n. chr. – als die römischen kriegsvorbereitungen schon angelaufen waren – einen thronwechsel, den der parthische könig chosroës in armenien initiiert hatte. chosroës bot Gespräche und eine gütliche Einigung an, doch traian war nicht einmal bereit, eine parthische Gesandtschaft anzuhören, und setzte seinen Vormarsch in richtung armenien fort. Der von chosroës bestimmte armenische könig parthamasiris reiste dem invasionsheer entgegen und begab sich waffenlos in das Heerlager traians, als dieser das bereits auf armenischem territorium liegende Elegeia erreicht hatte (114 n. chr.). Der könig legte vor traian und dessen in formation angetretenen Soldaten sein Diadem in der Erwartung nieder, es aus der Hand des römischen Herrschers – wie einst tiridates von nero – zurückzuerhalten. Stattdessen erntete er nur Spott, wurde von den Soldaten verhöhnt und später, als er aus dem lager abgeführt wurde, ermordet. traian ordnete per Edikt die annexion armeniens an und ließ kurz darauf das ehemalige königreich der römischen provinz Cappadocia in zentralanatolien angliedern, was die völlig überraschten armenischen «Großen» (megistanen) zunächst mit sich geschehen ließen. nach der Überwinterung im syrischen Antiochia ließ traian seine truppen den Euphrat entlang in das parthische königreich einmarschieren. Das ziel war, den einzigen geographischen nachbarn, der dem imperium romanum politisch und militärisch auf augenhöhe begegnen konnte, als konkurrenten dauerhaft auszuschalten und große teile seines territoriums zu annektieren. Die
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römischen truppen gelangten im laufe des feldzugs fast kampflos bis zur parthischen residenzstadt Ktesiphon (südlich des heutigen bagdad) und erreichten, wohl im februar 116 n. chr., den persischen Golf. traian konnte auf dem territorium des parthischen reiches zwei neue römische provinzen einrichten lassen: Assyria am oberen tigris und Mesopotamia im kernland des parthischen imperiums im heutigen zentralirak. kaiserliche münzen erschienen mit der legende: «parthien ist gefangen». Dem Senat meldete traian so viele besiegte Völker, dass die verwirrten Senatoren dem imperator gestatteten, über alle Völker zu triumphieren, über die er nur wollte. mit dem frühjahr 116 n. chr. war jedoch der zenit von traians feldherrnglück überschritten. Die bevölkerung der neuen provinzen Assyria und Mesopotamia wurde noch während des Vordringens der römischen armee nach Süden in Steuerlisten erfasst und für die finanzierung des krieges herangezogen. Diese politik provozierte Widerstand in der bevölkerung, römische Garnisonen wurden angegriffen; Städte wie Edessa, Nisibis und Seleukia am tigris kündigten den Gehorsam gegenüber den besatzern auf. Darüber hinaus begannen jedoch spätestens mit dem frühjahr 116 n. chr. angriffe regulärer parthischer truppen aus dem noch unbesetzten östlichen teil des parthischen reiches auf die römisch besetzten Gebiete. im Spätsommer (?) des Jahres 116 machte traian, nachdem die besatzer schwere Verluste erlitten hatten, eine erste weitreichende konzession gegenüber den aufständischen: in Ktesiphon ließ er in einem aufwendigen zeremoniell einen übergelaufenen Sohn des chosroës mit namen parthamaspates zum neuen parthischen könig von roms Gnaden krönen, ein erster Schritt zurück von der kompromisslosen Unterwerfungspolitik, die noch wenige monate zuvor gefeiert worden war. Eine besonders aktive rolle bei der spontanen aufstandsbewegung gegen die römischen besatzer spielte die jüdische bevölkerung in mesopotamien. als fatal für die römische Eroberungspolitik erwies sich, dass die jüdische rebellion nicht auf das besetzte mesopotamien beschränkt blieb, sondern auch Ägypten, die cyrenaïca (im heutigen nordostlibyen) und zypern ergriff. reste
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prophetischer oder visionärer literatur dieser zeit legen den Gedanken nahe, dass in einigen jüdischen milieus die Erwartung einer Endzeit herrschte, in der – in anlehnung an Jesajas Visionen – Jerusalem zum mittelpunkt des letzten Weltreichs der Geschichte werden sollte: «O Sion, freue dich laut! Lasst euch sehen, alle Städte Judas! Zeige dich inmitten von Jubelrufen, o Jerusalem! Öffne deine Tore beständig, um zu dir die Reichtümer der Völker hereinzulassen! Und ihre Könige sollen dir dienen, und es sollen sich alle vor dir niederwerfen, alle deine Bedrücker!»48
Wie viele der aufständischen Juden sich von texten dieser art inspirieren ließen, lässt sich nicht mehr sagen. Die Juden bildeten ebenso wenig wie die anderen ethno-religiösen Gruppen, die in die kampfhandlungen eingriffen, eine einheitliche, immer im Einverständnis handelnde Gruppe. Es ist beispielsweise bekannt, dass in den 70er Jahren des ersten Jahrhunderts besorgte jüdische Gemeindevorstände gewaltbereite mitglieder ihrer Synagoge bei römischen funktionären angezeigt hatten. Doch in den monaten nach dem beginn des partherkriegs, nachdem zunächst zahlreiche besatzungstruppen in das östliche kriegsgebiet abkommandiert worden waren und später römische niederlagen von der ostfront gemeldet wurden, gewannen die zum aufstand bereiten kreise die oberhand. als reaktion auf die rebellion im rücken der neu eroberten Gebiete räumten die römischen invasionstruppen im Sommer und Herbst 116 n. chr. Südmesopotamien, um kräfte zu konzentrieren. Assyria war zum größten teil wieder verloren, und in armenien wurden die römischen besatzer aus dem östlichen teil des königreichs vertrieben. Die römer behaupteten nur einen Streifen im Westen armeniens, den traians nachfolger wenig später ebenfalls aufgab. als das ausmaß der jüdischen Erhebung im Hauptquartier des kaisers klar wurde, wurden große teile der Expeditionsarmee zur niederschlagung der rebellion nach zypern, Ägypten und die cyrenaïca zurückbeordert. Sie erhielten den auftrag, gnadenlos gegen die insurgenten vorzugehen. Hunderttausende kamen bei diesen Vergeltungsmaßnahmen ums leben. in Ägypten außerhalb von Alexandria und der cyrenaïca lassen sich
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für viele Jahrzehnte keine jüdischen Gemeinden mehr nachweisen. zypern durfte nach der niederwerfung der rebellion von keinem Juden mehr betreten werden, selbst schiffbrüchige Juden sollten ohne Verfahren getötet werden. aus der imperialistischen perspektive war es inmitten der katastrophe gewissermaßen noch ein Glück, dass der aufstand der Juden sich vornehmlich gegen ihre polytheistischen nachbarn und nicht primär gegen reguläres militär, das ja zum großen teil an die ostfront verlegt worden war, gerichtet hatte. Dies bewirkte zunächst, dass sich die nicht-jüdische bevölkerung mit den reichsinstitutionen solidarisierte. Einige Jahre nach der niederschlagung des jüdischen aufstandes erhoben sich auch teile der graeco-ägyptischen bevölkerung gegen die römische fremdherrschaft (121 n. chr.). nach der rückkehr der legionen in ihre Heimatstandorte war diese auf sich allein gestellte Erhebung chancenlos. für 117 n. chr. wurde im römischen Hauptquartier ein neuer großer feldzug gegen das partherreich geplant. Die Vorbereitungen waren bereits weit gediehen, als der offenkundig durch die Strapazen erschöpfte traian einen Schlaganfall erlitt und den oberbefehl an der ostfront vorübergehend niederlegte, um sich in italien zu erholen. Doch während der Schiffsreise entlang der Südküste kleinasiens verschlechterte sich der Gesundheitszustand des imperators so dramatisch, dass die kaiserliche familie im kilikischen Selinus an land gehen musste. Dort starb traian der offiziellen Version zufolge am 7. august 117 n. chr. (s. dazu unten S. 127 f.).
IV. DIE EINLöSuNG DES ImpERIALISTISCHEN TRAumS: DIE FRIEDLICHSTEN JAHRE DES ImpERIumS (117–161 N. CHR.)
1. «Goldenes zeitalter»: Hadrian und Antoninus pius traian hatte sich bis kurz vor seinem tod nicht entschließen können, unmissverständlich deutlich zu machen, wen er sich als seinen nachfolger wünschte. Das zögern des imperators, durch eine adoption klarheit zu schaffen, erklärt sich wohl daraus, dass er jene monate lebhaft in Erinnerung hatte, als nerva ihn bereits adoptiert und als seinen Wunschkandidaten ausgezeichnet hatte (oktober 97 bis Januar 98 n. chr.). Schon vom tage der adoption an war traian, damals kommandeur der rheinlegionen, wie ein regierender imperator aufgetreten, während nerva endgültig jeden Einfluss verlor und respektlos wie ein bloßer platzhalter behandelt wurde. nach dem Willen traians sollte sich dieses Schauspiel, in dem aber diesmal ihm selbst die rolle des alten, die kontrolle aus der Hand gebenden nerva zugefallen wäre, nicht wiederholen. Doch als die schwere Erkrankung den alternden kaiser traf, war er noch hilfloser und einsamer, als wenn er rechtzeitig einen nachfolger seines Vertrauens an seine Seite gestellt hätte. Den zugang zu dem Schwerkranken kontrollierten der prätorianerpräfekt attianus und die frauen aus der Umgebung des kaisers, vor allem traians Gattin plotina und seine nichte matidia. Diese Gruppe konnte bestimmen, welche Äußerungen des todkranken nach außen drangen, und hatte damit eine weitgehende Deutungshoheit über den kaiserlichen Willen gewonnen. Um die Ereignisse, die sich in dem Sterbezimmer traians in Selinus in der provinz kilikien abgespielt haben sollen, rankten sich aus diesem Grund bald Vermutungen und legenden. cassius Dio berief sich
«Goldenes zeitalter» 127
für seine Version auf seinen Vater, cassius apronianus, der als Statthalter kilikiens etwa 65 Jahre nach traians tod ausführliche recherchen über die letzten tage des imperators angestellt haben will. Dios zusammenfassung dieser Untersuchungen liegt uns heute noch vor. Diese Darstellung steht den Ereignissen zeitlich am nächsten und ist die ausführlichste, kann aber nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Dieser Version zufolge hätten plotina, matidia und attianus den tod traians einige tage lang geheim gehalten und die Weichen der machtübertragung in ihrem Sinne gestellt. Vor allem die frauen hatten einen favoriten: den Ehemann von matidias tochter Vibia Sabina, publius aelius Hadrianus. Hadrians familie stammte wie diejenige traians aus Italica, einer 206 v. chr. im Süden Spaniens (10 kilometer westlich vom heutigen Sevilla) gegründeten ansiedlung italischer Soldaten. Wie die Ulpier hatten die aelier im ersten Jahrhundert n. chr. im römischen reichsdienst karriere gemacht und ihren lebensmittelpunkt wieder nach italien verlegt, ohne dabei aber die aus der alten Heimat herrührenden beziehungen aus den augen zu verlieren. So erklärt sich, dass Hadrian in die kaiserliche familie einheiraten konnte (wohl um 100 n. chr.). Diese alliance war vor allem von den großen Damen des kaiserlichen Hauses, plotina, traians Schwester marciana und matidia, favorisiert worden. traian verhielt sich gegenüber Hadrian eher reserviert, willigte um des friedens mit den frauen seiner Umgebung willen aber in der regel ein, wenn diese ein avancement ihres Schützlings erbaten. Vibia Sabina dagegen hasste ihren homosexuellen Gatten, wurde aber als junge frau, wie es den regeln römischer Sozialbeziehungen entsprach, nur als ein instrument der familienpolitik behandelt. mit einer seiner letzten Handlungen soll nun traian eben diesen Hadrian als seinen Sohn adoptiert haben. Das Schreiben, in dem die adoption dem Senat mitgeteilt wurde, war entgegen allen Usancen von dessen frau, plotina, unterzeichnet. Es nimmt also nicht wunder, dass sich bald Gerüchte verfestigten, die frauen um traian hätten die zügel in die Hand genommen und die Herrschaft ihrem Günstling zugespielt. am 7. august 117 wurde traian
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schließlich offiziell für tot erklärt. So weit reichen die oben erwähnten mitteilungen des cassius apronianus. am 9. august 117 n. chr. erreichte Hadrian die nachricht vom tod traians und von seiner adoption in Antiochia am orontes. traian hatte ihn dort als legaten der provinz Syria und, Dios Darstellung zufolge, als befehlshaber des geschlagenen invasionsheeres zurückgelassen. zwei tage später ließ sich der damals 41-jährige Hadrian von seiner reitergarde und den bei Antiochia stehenden truppen als imperator begrüßen. Die republikanischen institutionen in rom, Senat und Volksversammlung, wurden über die Erhebung durch ein Schreiben Hadrians benachrichtigt und vor vollendete tatsachen gestellt. Hadrians erster Weg führte ihn nach Selinus an die bahre traians. Dort beschloss der kleine zirkel um plotina, dass die frauen der domus Augusta und der prätorianerpräfekt attianus sich zunächst ohne Hadrian nach rom begeben sollten. in diesem kreis dürfte auch die Entscheidung gefallen sein, in rom die soeben erlittene schwere niederlage an der ostfront als triumphalen Erfolg des optimus princeps auszugeben und feiern zu lassen. plotina und ihren Vertrauten oblag die Vorbereitung der triumphfeierlichkeiten, die im Spätsommer oder Herbst 118 n. chr. unter der imaginären leitung traians stattfanden, von dem ein bild angefertigt wurde, das ihn während der festlichkeiten vertrat. Die motive für dieses ungewöhnliche Vorgehen sind allerdings nicht ganz deutlich. Es muss schon im august 117 allen beteiligten klar gewesen sein, dass die Eroberungen traians nicht zu halten waren und an die parther zurückgegeben werden mussten. indem aber Hadrian seinem Vorgänger einen Sieg auf ganzer linie zuschrieb, musste seine kapitulation unverständlich oder defätistisch erscheinen. möglicherweise erschien dem neuen imperator die Herausstellung seiner pietät gegenüber dem adoptivvater wichtiger als die abwehr des odiums der niederlage, aber er belastete mit dieser Geste seine künftige regierung schwer. im Herbst 117 mussten die reste des geschlagenen invasionsheeres aus sämtlichen parthischen territorien abgezogen werden. Dies geschah unter dem Schutz eines von chosroës gewährten Waffenstillstandes. Der Großkönig erwies sich in der notlage
«Goldenes zeitalter» 129
seiner feinde nicht als unversöhnlich, konnte sich allerdings rachsucht in seiner damaligen lage auch gar nicht leisten, weil seine thronansprüche von einem internen konkurrenten, Vologaises iii ., angefochten wurden. Der von traian ernannte Gegenkönig parthamaspates musste selbstverständlich das parthische reich verlassen, erhielt aber mit parthischem Einverständnis ein kleines königtum (osrhoëne), das östlich an die provinz Syrien angrenzte. im Großen und Ganzen war mit diesem friedensschluss der Status quo wiederhergestellt. Die römischen niederlagen in mesopotamien hatten jedoch nicht nur bei den Juden in der östlichen reichshälfte Hoffnungen geweckt, die imperiale besatzungsmacht vertreiben zu können, sondern aufstandsbewegungen in weit voneinander entfernten regionen des reiches provoziert, etwa in mauretanien, britannien, Dakien und zeitverzögert auch in Ägypten. in Dakien scheint 118 n. chr. der bestand der gesamten jüngst eroberten provinz gefährdet gewesen zu sein. Die aufstandsbewegungen konnten in heftigen, aber relativ kurz andauernden kämpfen niedergeworfen werden. an der unteren Donau war eine kurzfristige befriedung jedoch wiederum nur um den preis extensiver Gebietsaufgaben zu erreichen. Unter anderem wurden weite teile des Siedlungsgebiets des Stammes der roxolani nördlich der unteren Donau wieder geräumt, die traian 106 n. chr. der provinz Moesia inferior zugeschlagen hatte (vgl. karte S. 191). nach der aufgabe von armenien, assyrien und mesopotamien war die räumung der gerade erst besetzten Gebiete nördlich des Donaudeltas, die mit der zusage beträchtlicher militärhilfen an den roxolanischen könig verbunden waren, ein weiterer demütigender rückschlag für das imperium innerhalb sehr kurzer zeit. Den rückzug und die Unterhandlungen über den neuen Grenzverlauf leitete Hadrian im Übrigen selbst, während er sich auf der reise auf dem landweg von kleinasien nach italien befand (118 n. chr.). Während der kaiser sich erneut bereitfand, den makel des zurückweichens und der Gebietsaufgabe auf sich zu nehmen, sammelten seine kommandeure bei der niederschlagung von aufständen militärisches prestige. besonderes augenmerk zog dabei der ehemalige centurio Quintus marcius turbo auf sich, der nach einer steilen karriere im rang
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eines präfekten Ägyptens die operationen gegen die dortigen jüdischen aufständischen leitete (117 n. chr.) und anschließend an die front in mauretanien beordert wurde, um dort gegen rebellierende «berberstämme» zu kämpfen. im römischen Wertesystem nahmen Siege und militärische triumphe eine dominante Stellung ein. Schon aus diesem Grund brachten die defensiven friedensschlüsse und Gebietsaufgaben den neuen imperator in eine schwierige Situation. Diese wurde noch verschärft durch die zweifelhaften Umstände, unter denen Hadrian die Herrschaft zugefallen war. Viele der hoch dekorierten militärs traians, die seine Siege miterfochten und die niederlagen an vorderster front erlebt hatten, standen der politik des militärischen zurückweichens äußerst ablehnend gegenüber. Sie hatten den partherkrieg noch nicht als verloren angesehen und wären bereit gewesen, weiter zu kämpfen, koste es, was es wolle. Hinzu kam die brüskierung, dass über ihre köpfe hinweg ein Günstling der wichtigsten Hofdamen gekürt worden war, der schon mit seinem auftreten, etwa der altmodischen barttracht und seinem lebhaften interesse an griechischer kultur, ostentativ demonstrierte, dass er nicht wirklich zu ihnen gehörte. Die Quellen zu den folgenden Geschehnissen sind, wie es häufig bei Schlüsselereignissen des zweiten und dritten Jahrhunderts der fall ist, sehr schlecht. an dieser Stelle muss in kürze auf eine ebenso wichtige wie problematische Quelle eingegangen werden, die nach der ausgabe des Genfer philologen isaac casaubon aus dem Jahre 1603 Historia Augusta genannt wird; der antike originaltitel ist unbekannt. Es handelt sich dabei um eine spätantike Sammlung von biographien der kaiser im zeitraum von 117 (oder vielleicht 98) bis 284 n. chr., die nach den im manuskript überlieferten angaben ein angebliches Gemeinschaftswerk von sechs autoren ist und den kaisern Diocletian und konstantin gewidmet sein will. Wie so vieles andere in diesem Werk stellen diese angaben jedoch sehr wahrscheinlich die bewussten fiktionen eines autors dar, der vielleicht gegen Ende des vierten Jahrhunderts gelebt und geschrieben hat. Er ist seit einem 1889 erschienen aufsatz Hermann Dessaus, in dem zum ersten mal die identität der sechs autoren
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infrage gestellt wurde, immer wieder als fälscher denunziert worden, was seiner arbeit jedoch nicht ganz gerecht wird. Sicher trieb der anonymus ein mutwilliges Spiel mit seinen lesern, erfand Dokumente oder gar historische persönlichkeiten, aber wahrscheinlich rechneten seine zeitgenössischen leser mit solchen Erfindungen und fanden sie eher amüsant als skandalös. in einem fiktiven Gespräch mit einem kritischen leser sagt der autor, «es gebe ja gar keinen Schriftsteller, soweit jedenfalls die Geschichtsschrei bung betroffen ist, der nicht manchmal gelogen habe. Und ich führte sogar Stellen an, an denen Livius, Sallustius, Cornelius Tacitus und schließlich Pompeius Trogus von unwiderlegbaren Zeugen überführt werden. Da schlug sich (mein Gesprächspartner) auf meine Seite, streckte mir scher zend die Hand entgegen und sagte: ‹Schreibe, wie es gefällt, und fühle Dich sicher – in einem Gefolge aus Lügnern, die wir als Meister historiographi scher Eloquenz bewundern.›»49
Wer so schreibt, möchte nicht als wissenschaftlicher Historiker gelesen werden. Und damit wäre die Historia Augusta als Quelle für eine faktenorientierte Geschichtsschreibung erledigt – wenn es genügend vertrauenswürdige narrative Quellen gäbe, die sich an ihrer Stelle heranziehen ließen. Doch in vielen fällen bietet die Historia Augusta die einzige noch existierende Version eines Ereignisses, in anderen ist die parallelüberlieferung auch nicht viel zuverlässiger. manchmal berichtet sie auch nachweislich richtiges. aus diesen Gründen wird die Historia Augusta auch heute noch zitiert und sorgfältig kommentiert, allerdings immer unter dem Vorbehalt, dass ihr autor auf die Historizität seiner Geschichten keinen großen Wert legte und sich «im Gefolge von lügnern» sicher fühlte. Erhalten sind nur 30 biographien; für den zeitraum zwischen 244 und 253 n. chr. und wahrscheinlich am anfang sind die Handschriften lückenhaft. Wenn im folgenden von «der biographie» o. Ä. eines kaisers die rede ist, dann bezieht sich der ausdruck auf die Historia Augusta. Entsprechend vorsichtig müssen solche nachrichten gewertet werden. Um zu der Situation von 118 n. chr. zurückzukehren: auf dem Höhepunkt der Spannungen zwischen denjenigen Senatoren, die
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die aggressive politik traians fortsetzen wollten, und dem militärisch defensiv eingestellten kaiser ordnete der Senat in rom (so jedenfalls heißt es in der Historia Augusta) die sofortige tötung der vier consulare lusius Quietus, avidius nigrinus, cornelius palma und publilius celsus an. Der Erzählung der Hadriansbiographie zufolge wurden sie von mordkommandos aufgesucht und ausgeschaltet. man darf vermuten, dass diese hochrangigen politiker und militärs, die allesamt enge Vertraute traians gewesen waren, sich durch die obskure nachfolgeregelung von Selinus übergangen oder kaltgestellt fühlten. Die morde an den vier consularen belasteten das Verhältnis des neuen princeps zum Senat schwer. obwohl das höchste Gremium das Urteil gegen die angeblichen Verschwörer selbst gefällt hatte – wahrscheinlich, weil der präfekt attianus dies als Wunsch Hadrians dargestellt hatte –, wurde die Verantwortung für die Exekutionen allein dem neuen imperator zugerechnet. als dieser im Juli 118 rom erreichte, versicherte er öffentlich, nichts von den aktionen gegen die vier männer gewusst zu haben, und gab seinem engen Vertrauten, dem präfekten attianus, die Schuld für die Eskalation. Er schloss daran den von traian übernommenen Eid an, niemals einen Senator zu bestrafen, aber mit dem zusatz, «es sei denn, auf Weisung des Senats».50 Dies war in der damaligen Situation eine absurde formulierung, denn die vier consulare waren ja soeben, formal betrachtet, auf Weisung des Senats getötet worden. Die Senatoren, oder jedenfalls die mehrheit unter ihnen, haben Hadrian diesen regierungsauftakt nie vergessen. Sie fühlten sich in die domitianische zeit zurückversetzt und waren nachhaltig verängstigt und enttäuscht. Doch dieser Hypothek stand als Gewinn für das neue regime gegenüber, dass mit der ausschaltung der vier consulare ein wesentliches politisches ziel Hadrians erreicht war. Die opposition der traianischen «Generalität» verstummte fortan, und der neue Herrscher konnte seine defensive und auf regeneration ausgerichtete außenpolitik ungestört umsetzen. Wie die folgende zeit zeigen sollte, war der permanente und von launen diktierte terror Domitians für Hadrian tatsächlich kein modell. mittels ausgesuchter Details und kleiner Gesten machte der neue Herrscher deutlich, dass er sich vor allem einem anderen
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politischen Vorbild besonders verpflichtet fühlte, nämlich dem des augustus. So führte er in seinem Siegelring ein portrait des ersten princeps. Die komplizierte namenstitulatur seiner ersten Herrschaftsjahre, in der noch die adoption durch traian hervorgehoben worden war, trat seit 123 n. chr. auf münzen zugunsten des knappen und aussagekräftigen Hadrianus Augustus in den Hintergrund. Die Wahl dieses Vorbilds hatte mehrere Gründe. Sie stellte beispielsweise einen bezug zu dem berühmten posthumen rat des ersten imperators her, die Grenzen des reiches nicht mehr zu erweitern. aber es gab ebenso eine innenpolitische komponente: auch augustus hatte zu beginn seiner Herrschaft deutlich gemacht, dass er bei der Unterdrückung von opposition keinerlei Skrupel kannte (etwa bei der Einsetzung eines Schnellgerichts gegen die konspiratoren von 23 v. chr.). Gegenüber einer durch den punktuellen terror disziplinierten und kooperationswillig gemachten Elite verhielt sich augustus dennoch berechenbar und, wenn er wollte, sogar zuvorkommend und höflich. Dieses Verhalten war auch charakteristisch für Hadrian. nachdem im Jahr 118 die fronten geklärt waren, zeigte er sich im Umgang mit der politischen Elite meist respekt- und rücksichtsvoll, solange nur sein unbedingter Herrschafts- und Überlegenheitsanspruch akzeptiert wurde. nach der ausschaltung bzw. Einschüchterung der inneren opposition war der Weg frei für eine neugestaltung der außenpolitik. Spätestens 118 n. chr. stand Hadrians angesichts der ausdehnung des reiches phantastisch anmutender plan fest, die imperialen außengrenzen zu befestigen. an eine das imperium vollständig umschließende befestigung war dabei nicht gedacht, sondern eher an eine abriegelung sensibler zonen, doch das war bereits aufwendig genug. Selbst quer durch die Sahara wurden in den 120er Jahren Steinmauern von jeweils mehreren Dutzend kilometern länge gebaut, um das territorium des imperiums von dem seiner nachbarn sichtbar zu trennen. Wie wichtig Hadrian das befestigungsvorhaben war, wird schon daraus ersichtlich, dass er die ausführung der bauarbeiten oder deren Ergebnisse im laufe seiner ausgedehnten reisen an verschiedenen frontabschnitten persönlich inspizierte.
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zuerst besuchte er im Winter 121/122 n. chr. oder im Sommer 122 den obergermanisch-raetischen Grenzabschnitt. Seit den domitianischen Eroberungen von 83 n. chr. waren in dieser region truppen aus den Gebieten westlich des rheins über den fluss nach osten vorverlegt und dort in kastellen stationiert worden. Diese kastelle ließ Hadrian über weite Strecken durch eine palisade miteinander verbinden, so dass eine im Gelände gut sichtbare, linear verlaufende Grenzbefestigung entstand. Die palisade wurde aus vertikal geteilten Eichenstämmen errichtet, deren flache Seite nach außen zeigte. in der modernen literatur ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass dieser palisadenzaun, auch wenn er durch ein System von Wachtürmen und kastellen verstärkt war, kein ernsthaftes Hindernis für ein feindliches invasionsheer darstellte. Diese beobachtung ist unter rein militärisch-technischen Gesichtspunkten durchaus zutreffend. Dennoch war der befestigte limes nicht einfach als eine symbolische linie oder gar als eine bloße «kontaktzone» intendiert, wie heute häufig gesagt wird. Dafür war der aufwand, der für die Errichtung der anlage betrieben wurde, zu groß. So mussten zehntausende Eichen erst einmal gefällt, transportiert und bearbeitet werden. Eine symbolische linie hätte man mit einfacheren mitteln konstruieren können, oder besser: Sie existierte unter Domitian oder spätestens unter traian bereits mit der kastelllinie östlich des rheins. Dass ein zum krieg entschlossener aggressor die neue anlage relativ leicht überwinden konnte, muss dem militärisch geschulten Hadrian vollkommen klar gewesen sein. zugleich wusste er aber, dass mit regelrechten Eroberungszügen großer Heeresgruppen aus mitteleuropa oder einer der anderen zonen, gegen die er befestigte Grenzen ziehen ließ, wie etwa nordbritannien oder der Sahara, in absehbarer zukunft nicht zu rechnen war. Die letzte große invasion germanischer Gruppen – der kimbern- und teutonenzug – lag weit über 200 Jahre zurück. Seitdem waren die großen kriege von rom ausgegangen. Was Hadrian aller Wahrscheinlichkeit nach befürchtete, waren keine angriffe ganzer Völker oder Völkerallianzen, sondern Grenzzwischenfälle geringer bis mittlerer intensität, also etwa raubzüge
«Goldenes zeitalter» 135
Der obergermanische-rätische limes im 2. Jh. n. Chr. Legionslager Statthaltersitz Provinzhauptort und Legionslager Palisadenanlage mit Wachtürmen als Grenzsicherung (limes)
N
S
GERMANIA INFERIOR
Vetera Novaesium BELGICA
GE R MAN I A MAGNA
Colonia Agrippinensis (Köln)
Bonna
(Bonn)
Augusta Treverorum (Trier)
Mogontiacum Rh
en
us
(Mainz)
Castra Regina Argentorate
Augusta Vindelicum
(Straßburg)
GERMANIA SUPERIOR
Dan u
RAETIA 0
100
vius
Lauriacum NORICUM 200
Brigetio
300 km
Virunum
Vindobona (Wien) Carnuntum
us
kleinerer Wanderverbände. Die römische öffentlichkeit, vor allem die maßgeblichen kräfte im Heer, erwartete in solchen fällen eine massive antwort, die weit über die Grenzverteidigung hinausging. So hatte die Grenzverletzung durch die Sugambrer 17/16 v. chr. am niederrhein als allgemein akzeptierter Vorwand für den plan gedient, ganz mitteleuropa zu besetzen. Doch dieses unrealistische Vorhaben musste nach fast dreißig Jahren krieg abgebrochen werden. Die zwischenfälle an der Donau im Jahre 85 n. chr. hatten einen zwanzigjährigen römischen Eroberungskrieg provoziert. Dieser Dynamik von provokationen und massiven Gegenschlägen
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wollte Hadrian wahrscheinlich mit seinen Grenzbefestigungen einen riegel vorschieben. im Sommer 122 n. chr. setzte er mit einer größeren Streitmacht nach britannien über. auf der insel dauerten an einzelnen brennpunkten die aufstände noch an, die auf die nachrichten vom fiasko des römischen angriffsheeres in mesopotamien hin begonnen hatten. Das kaiserliche Expeditionsheer wurde mit den resten dieses aufbegehrens rasch fertig. im norden der insel, von der Solway-mündung auf der Westseite bis zur mündung des tyne im osten ließ Hadrian im anschluss an diese kämpfe wiederum eine teils als Steinmauer, teils als Erdwall aufgeführte befestigung anlegen, die heute Hadrianswall genannt wird. auf etwa 120 kilometern länge war die Grenzanlage durch insgesamt siebzehn kastelle und zusätzlich durch Wachtürme und weit vorgeschobene außenposten gesichert. Der massive ausbau und der große personelle aufwand, der zur Sicherung der anlage getrieben wurde, zeigen noch einmal deutlich, dass es Hadrian mit der militärischen abriegelung der neuralgischen Grenzgebiete ernst war. auch an dieser Grenze war der preis der Sicherungsmaßnahme die aufgabe weitläufigen terrains bis auf die Höhe der Hebriden, das bereits einmal als zum imperium gehörig betrachtet worden war. Hadrian beaufsichtigte die arbeiten an «seinem» Wall nur für relativ kurze zeit persönlich. noch im Sommer 122 n. chr. setzte der princeps seine reise fort und wandte sich nach Süden, in richtung der gallischen und spanischen provinzen. Die aufmerksamkeit für die militäranlagen und truppenstützpunkte des imperiums trat in der folgezeit gegenüber anderen interessen des kaisers zeitweise in den Hintergrund, ohne grundsätzlich aus dem fokus zu geraten. aber wir sehen den imperator jetzt häufig in der rolle des touristen in seinem eigenen reich. Eine unersättliche neugier scheint ihn getrieben zu haben, immer neue Städte seines reiches aufzusuchen, um eine umfassende kenntnis der alten kulturlandschaften zu gewinnen, die im lauf der Jahrhunderte in das imperium integriert worden waren. aus dem interesse für berühmte landschaften erklärt sich wohl auch seine in der antike außerge-
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wöhnliche neigung zum bergsteigen. beispielsweise erklomm er im laufe seiner reisen den Ätna und den syrischen «Götterberg» kasion (keldağ) an der mündung des orontes. Es ging ihm dabei nicht um sportliche betätigung, sondern um die aussicht, die diese Gipfel gewährten. allerdings beließ er es nicht bei der betrachtung berühmter landschaften oder Stätten. in vielen fällen veranlasste er die restauration verfallener oder die Errichtung neuer Gebäude. angesichts der enormen zahl der von Hadrian finanzierten, inspirierten oder sogar entworfenen bauwerke müssen hier nur wenige beispiele genügen. Unter den ehrgeizigen projekten sind etwa die zu Ehren von traians Gemahlin plotina in ihrer Geburtsstadt Nemausus (nîmes) errichtete prachtvolle basilica sowie die renovierung des verfallenen augustusheiligtums am Sitz des provinziallandtages in Tarraco (heute tarragona in katalonien) zu nennen. Die Herkunftsstadt seiner familie, Italica in der südspanischen provinz Baetica, erhielt seit 123 n. chr. eine prächtige urbane neuausstattung. in athen, wo sich Hadrian im laufe seiner regierung dreimal für längere zeit aufhielt, setzte er das umfangreichste bauprogramm seiner Herrschaft um. zu den bauwerken, die er entweder vollkommen neu errichten oder restaurieren ließ, gehören beispielsweise die prozessionsstraße nach Eleusis mit der kephisosbrücke, eine neue Wasserleitung vom lykabettos in die Stadt, die noch im 19. Jahrhundert funktionierte, ein Gymnasion (Übungsgebäude für athleten) außerhalb der Stadt, eine bibliothek und mehrere tempel von außergewöhnlichen Dimensionen, zum teil neubauten wie das «allgötterheiligtum» und das olympieion oder restaurierungen wie im falle des tempels für den olympischen zeus, den Hadrian über 600 Jahre nach beginn des gigantomanen bauvorhabens fertigstellen ließ. in der Stadt Kyzikos am Südufer der propontis, die Hadrian zu beginn des Jahres 124 besuchte, veranlasste er die fertigstellung des unter dem pergamenischen könig attalos ii. (159–138 v. chr.) begonnenen, aber aufgrund der monumentalität des Entwurfs für Jahrhunderte unvollendet gebliebenen zeustempels. Diese liste könnte fast nach belieben verlängert werden. Erwähnt werden muss natürlich, dass auch die Stadt rom in der had-
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rianischen zeit berühmte bauwerke erhielt, die das Gesicht der Stadt für Jahrhunderte mitprägten. Genannt seien nur das pantheon («allgötterheiligtum»), das nach den Entwürfen des Damaszener architekten apollodoros in völlig neuer Gestalt wiedererrichtet wurde, nachdem der augusteische Vorgängerbau 110 n. chr. nach einem blitzschlag ausgebrannt war, sowie das mausoleum Hadriani («Engelsburg»). für repräsentative zwecke und zu seinem persönlichen Vergnügen ließ sich Hadrian seine berühmte «Villa» in tivoli als Sommerresidenz errichten, eine vielgestaltige parkanlage von an nero erinnernder pracht und Größe, die sich über ein Gebiet von 1,5 Quadratkilometern ausdehnte. Schon an den wenigen genannten beispielen wird deutlich, dass sich die kaiserlichen investitionen in die infrastruktur und in die ästhetische Gestaltung der Städte auf das ganze römische reich erstreckten. Das war insofern bedeutsam, als die überkommene Unterscheidung zwischen dem privilegierten kernland des reiches, also italien, und der unterworfenen peripherie, den provinzen, durch diese generöse politik verwischt wurde. zum ersten mal in der Geschichte des imperiums schienen Spanien oder Griechenland genauso wichtig wie italien zu sein. Erstaunlich mutet an, dass die finanzen des reiches nach dem gescheiterten partherkrieg traians die großzügige ausgabenpolitik Hadrians gestatteten. noch mehr verblüffen muss allerdings, dass Senat und Volk von rom bereits 118 n. chr. eine Ehrung für Hadrian mit der begründung beschließen konnten, dass er «als erster und einziger aller principes den heute lebenden und ihren nachkommen, indem er ihnen 900 millionen Sesterzen Steuerschulden erließ, durch seine Großzügigkeit Sicherheit (für die zukunft) schenkte».51 Hadrian machte also schon zu beginn seiner regierung den bürgern und Untertanen ein Steuergeschenk von fast einer milliarde Sesterzen, deutlich mehr als ein Jahreshaushalt des imperiums. Und obwohl er im laufe seiner reisen die ausgaben in den provinzen erheblich steigerte, konnte er der linie seiner großzügigen fiskalpolitik treu bleiben. Dieser außergewöhnliche Erfolg kann nur dadurch erklärt werden, dass Hadrian auf kostspielige angriffskriege gegen die nachbarn des reiches konsequent verzichtete.
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Dieser politik der friedenswahrung blieb er auch treu, als ihn während seines aufenthalts in Spanien 123 n. chr. meldungen erreichten, dass an der Grenze zum partherreich ein Grenzzwischenfall eskaliert war. Die Details des konflikts sind aus der lapidaren notiz des antiken biographen nicht mehr rekonstruierbar. Deutlich ist nur, dass sich Hadrian in aller Eile von Spanien an den Euphrat begab und die angelegenheit mit einem Gespräch bereinigte. traians Verweigerung eines solchen Gesprächs in einer ganz ähnlichen Situation zehn Jahre zuvor hatten zehntausende menschen mit dem leben bezahlt. nach der diplomatischen intervention konnte Hadrian seine reisen wieder aufnehmen, die ihn 124 n. chr. zunächst nach kleinasien und Griechenland und anschließend zurück nach italien führten. 128 n. chr. brach er wieder auf, zunächst nach nordafrika, im anschluss bis zum Jahr 132 wiederum in die griechischsprachigen provinzen. bereits der Umstand, dass Hadrian einen großen teil seiner Herrschaftszeit, insgesamt mehr als zehn Jahre, in diesen provinzen im osten des reiches verbrachte, ist ein deutlicher Hinweis auf die bedeutung, die Hadrian – als erster römischer Herrscher in dieser starken ausprägung – der griechischen kulturwelt beimaß. Diese Wertschätzung ging weit über ein bloßes interessiertsein oder gar geostrategische Erwägungen hinaus. man kann vielmehr von einer authentischen zuneigung sprechen, die Hadrian zur griechischen Sprache, literatur, architektur und bildenden kunst empfand. Diese philhellenische neigung ging indes nicht mit einer abwendung von der römischen kultur einher. Hadrian hatte gerade auch im lateinischen ausgesprochene Vorlieben – paradoxerweise schätzte er besonders die texte des alten cato, der seinerseits für die griechische literatur nicht viel übrig hatte – und verstand sich als ambitionierter lateinischsprachiger Dichter und redner. man kann diese Widersprüchlichkeit wohl als ausdruck des komplexen charakters Hadrians verstehen, der sowohl in fragen des literarischen Geschmacks wie auf anderen Gebieten einander widerstrebende tendenzen aufnehmen und verarbeiten konnte. politisch schlug sich sein philhellenismus vor allem in dem bestreben nieder, die gegenüber dem imperium teil-
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weise immer noch recht kühlen Griechen mit den politischen realitäten der Gegenwart zu versöhnen. Der bekannteste Vorstoß in diese richtung ist eines seiner letzten großen politischen projekte (131/132 n. chr.), das leider in keiner literarischen Quelle der antike, sondern nur in inschriften erwähnt wird und das aus diesem Grund etwas rätselhaft bleibt. Gemeint ist die Stiftung eines gemeingriechischen parlaments (panhellenion) in athen, in das alle Städte, die eine genuin griechische Herkunft nachweisen konnten, abgesandte, sogenannte panhellenen, entsenden durften. Das parlament stand unter der leitung eines sogenannten archon, der für vier Jahre gewählt wurde. Das oben skizzierte, von Hadrian weitgehend finanzierte bauprogramm der «freien Stadt» athen war in mehrfacher Weise mit dem panhellenischen programm verbunden, indem es das Versammlungslokal der panhellenen, Heiligtümer für Gottesdienste und Wettkampfstätten für die panhellenischen Spiele zur Verfügung stellte. Der inhalt des panhellenischen programms bleibt für uns sehr unbestimmt, aber höchstwahrscheinlich stand der kaiserkult im zentrum. Über wichtige politische fragen hat das panhellenische parlament offenkundig nicht entschieden, sonst hätten die Geschichtsschreiber zumindest einmal notiz von dem Gremium genommen. auf der anderen Seite wissen wir, dass die durch Wahl besetzten plätze in dem panhellenion sehr begehrt waren und viele Städte sich (nicht immer erfolgreich) um aufnahme bemühten. aktivitäten des panhellenions sind durch inschriften noch bis ins dritte Jahrhundert dokumentiert. bis in den Sommer 132 n. chr. ging die auf diplomatischen ausgleich setzende politik Hadrians vollkommen auf. Dies wurde auch in der art und Weise, wie Hadrian sich selbst nach außen darstellte, in einer ganz neuartigen Weise demonstriert. Seine Vorgänger hatten ihre leistungen durch permanente Siegesmeldungen an den Senat unterstrichen. Dieser reagierte dann in der regel, indem er den Herrschern das recht auf triumphzüge oder zusätzliche imperatorentitel zuerkannte. Hadrians Vorgänger traian durfte sich beispielsweise seit 116 n. chr. «dreizehnfacher imperator» nennen. in abkehr von dieser politik beanspruchte Hadrian
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keine triumphzüge und bis zum Jahr 136 n. chr. keine zusätzlichen imperatorentitel zu seinem ersten vom august 117. als er dann doch noch zu außergewöhnlichen militärischen Ehren kam, geschah dies im Grunde ungewollt. anlass war die niederschlagung der letzten großen jüdischen revolte gegen das imperium romanum, des nach dem anführer der rebellen so genannten bar kochba-aufstandes (132–136 n. chr.). Die aus der antike überlieferten drei berichte über diese rebellion sind sehr lakonisch und unterscheiden sich beträchtlich voneinander. Der von der forschung mit großem misstrauen behandelte spätantike biograph Hadrians gibt an, dass der anlass für die rebellion ein von Hadrian ausgesprochenes Verbot der Genitalverstümmelung gewesen sei, das auch auf das jüdische ritual der beschneidung bezogen worden sei. mehr Glauben hat die Version des byzantinischen mönchs Johannes Xiphilinos (11. Jh.) gefunden, die dieser aus heute verlorenen passagen der Römischen Geschichte cassius Dios (um 220/230 n. chr.) exzerpiert hat. Demnach habe Hadrian 130 n. chr. auf seiner reise von kleinasien nach Ägypten während eines aufenthalts in iudaea angeordnet, das im Jahr 70 n. chr. zerstörte Jerusalem als eine griechische Stadt mit heidnischen tempeln unter dem namen Aelia Capitolina wieder aufzubauen. Was auch immer der genaue anlass gewesen ist, zahlreiche Juden begannen 132 n. chr. einen bewaffneten aufstand, bei dem wie 66 n. chr. noch einmal (und zum letzten mal) die Sezession iudaeas vom imperium angestrebt wurde. Die rebellen vermieden bewusst eine offene feldschlacht mit den römischen legionen und setzten ganz auf die taktik des Guerillakriegs. ihr kommandant, bar kochba, sah sich selbst als Staatschef eines wiedererstandenen, freien iudaeas. Er ließ münzen prägen, in deren legenden das erste Jahr des aufstands als beginn einer neuen Ära erschien, einer Ära «der freiheit». trotz beträchtlicher anfangserfolge gegen die besatzer kontrollierten die rebellen politisch nur ein relativ kleines territorium im Umland von Jerusalem, das im Süden etwa bis Hebron und im osten bis zum toten meer reichte. bis zur mittelmeerküste konnten bar kochbas leute niemals vordringen, doch schlossen sich vereinzelt nachbarn der Juden wie die nabatäer in
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der provinz Arabia dem aufstand an, so dass das kriegsgebiet deutlich über kerniudaea hinausreichte. nachdem die römische Seite zu beginn der kämpfe schwere Verluste erlitten hatte, reagierte Hadrian mit umfangreichen rekrutierungen und truppenverlegungen in das aufstandsgebiet. flottensoldaten aus italien wurden kurzerhand als infanteristen in eine legion des kampfgebietes eingegliedert. Der in den augen Hadrians fähigste kommandeur der zeit, Sextus iulius Severus, wurde aus britannien an die judäische Guerillafront kommandiert. Severus ging einem offenen kampf ebenso aus dem Weg wie bar kochba. Seine erfolgreiche taktik bestand darin, den lebensmittelnachschub der rebellen zu behindern. Diese zogen sich in Höhlen und unterirdische Verstecke zurück, die von den aufständischen im kriegsgebiet angelegt worden waren und inzwischen zu Hunderten wiederentdeckt worden sind. Ende 135 n. chr. oder zu beginn des folgejahres wurden diese Verstecke von den römern aufgespürt. nur wenige aufständische und flüchtlinge dürften mit dem leben davongekommen sein. zu den letzten rückzugsgebieten der rebellen gehörten Höhlen in den zerklüfteten bergwänden des Wadi nahal Hever, südwestlich des toten meeres. Unter anderem wurden dort briefe des kommandanten bar kochba gefunden, in denen er Weisungen an andere rebellenoffiziere erteilt. aber auch die familienarchive von kriegsflüchtlingen, die sich vor den kampfhandlungen in arabien in Sicherheit bringen wollten, wurden in diesen fluchthöhlen entdeckt. 136 n. chr. befand sich die gesamte region wieder fest in römischer Hand, allerdings war sie mit massengräbern übersät (Xiphilinos schreibt von 580 000 im krieg Gefallenen auf Seiten der Juden – ohne die Hungertoten oder andere opfer).52 Die nun endgültig vollzogene Gründung von Aelia Capitolina an der Stelle Jerusalems fand in einer weitgehend entvölkerten region statt. Die provinz Iudaea sollte zukünftig, um die jüdische identität noch stärker zu treffen, Syria Palaestina heißen. auf die übliche Siegessymbolik scheint Hadrian dagegen weitgehend verzichtet zu haben. Der einzige bekannte triumphbogen, der an den römischen Sieg erinnerte, wurde in der nähe von beth Shean bei einem legi-
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onslager in Syria Palaestina errichtet. in italien wies wahrscheinlich kein größeres monument auf den krieg hin, auf münzlegenden wurde er nicht erwähnt. Die jüdische religion und kultur überlebte im Diasporajudentum, unter anderem jenseits der Grenzen des imperiums bei den östlichen nachbarn. Später wurde auch das heilige land wieder von Juden besiedelt, die sich nach und nach ihre Geschichte wieder aneigneten. Emblematisch für diesen prozess steht das allmähliche Verschwinden des namens Aelia Capito lina aus der Überlieferung, der im alltäglichen Sprachgebrauch wieder dem altehrwürdigen namen Jerusalem platz machte. Der krieg gegen die Guerilla bar kochbas wurde von Hadrians Generälen geführt. Der imperator selbst, der sich nach einem rastlosen leben offenbar müde fühlte, verließ italien seit dem frühjahr 134 n. chr. nicht mehr. Es war zeit, an eine nachfolgeregelung zu denken, doch aufgrund der Homosexualität Hadrians existierte kein Stammhalter. nachdem sich eine erste nachfolgekonzeption, wohl aufgrund eines kapriziösen Verdachts Hadrians gegen den begünstigten, zerschlagen hatte, adoptierte Hadrian 136 n. chr. einen der consuln jenes Jahres, lucius ceionius commodus, und bezeichnete mit diesem akt seinen Wunschnachfolger. Doch dieser mann, der seitdem den namen lucius aelius caesar trug, war vermutlich schon todkrank, als Hadrian ihn auswählte. Von einem nur wenige monate dauernden aufenthalt als Statthalter in pannonien an der mittleren Donau kehrte er vom tode gezeichnet nach rom zurück, wo er im Januar 138, nicht einmal 40-jährig, starb. Der nunmehr bettlägerige imperator entschied sich anschließend für den 121 n. chr. geborenen marcus annius Verus (den späteren kaiser marc aurel), der dem schwerkranken Herrscher zu jenem zeitpunkt aber noch als zu unerfahren erschien, um die Herrschaft über das imperium zu übernehmen. Er nahm daher zuflucht zu einem adoptionskonstrukt nach augusteischem Vorbild: annius Verus wurde auf Weisung Hadrians von einem bereits älteren Senator aus seinem beraterkreis (consilium principis) mit namen titus aurelius fulvius antoninus (dem späteren antoninus pius) adoptiert, dem eine art platzhalterfunktion für den jungen Verus zugedacht war und den Hadrian seinerseits adoptierte. Über die
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rolle eines platzhalters wuchs der aurelier allerdings weit hinaus, und dies nicht nur, weil er seit dem tag der Herrschaftsübernahme (10. Juli 138) noch fast 23 Jahre lebte. Hadrian starb während eines kuraufenthaltes in dem badeort Baiae am Golf von neapel am genannten 10. Juli. Wenig später kam es zu dem einmaligen Vorgang, dass die Senatoren den gewohnheitsmäßig eingebrachten antrag des designierten nachfolgers antoninus zurückwiesen, den Verstorbenen unter die Staatsgötter zu erheben und ihm kultische Verehrung zuzubilligen. Diese Weigerung war ausdruck der tiefen missbilligung des den Senatoren völlig entfremdeten Herrschers, dem sie ähnlich wie rund 40 Jahre zuvor Domitian jegliche legitimation nachträglich absprechen wollten. Ein Grund für die scharfe ablehnung war die Ermordung einiger profilierter Senatoren, die Hadrian zu verantworten hatte. Es mag aber auch verletzter Stolz eine rolle gespielt haben, da Hadrian italien im lauf seiner regierungszeit eher stiefmütterlich behandelt hatte und dort sogar bevollmächtigte eingesetzt hatte, die zwar nur beschränkte richterliche kompetenzen hatten, aber dennoch den titel von Statthaltern führten (legati pro praetore), gleichsam als ob italien «provinzialisiert» worden wäre. aus diesen und anderen Gründen hatte sich soviel abneigung gegen Hadrian angesammelt, dass die Senatoren sich zu dem affront entschlossen, den durch den adoptivsohn gestellten antrag auf Vergöttlichung Hadrians abzulehnen. in einer demütigenden rede beschwor antoninus die Senatoren unter tränen, von ihrer Haltung abzurücken. Schließlich soll er sie in drastischen Worten auf die folgen ihrer Hartnäckigkeit hingewiesen haben: «nun, dann will ich auch nicht euer kaiser sein, wenn jener euch als Übeltäter, Gegner und Staatsfeind erschien; denn dann werdet ihr offensichtlich auch seine sämtlichen maßnahmen für ungültig erklären, wozu auch meine adoption zählt.»53 angesichts dieser «rücktrittsdrohung» stellten die Senatoren, die allesamt wussten, welche folgen eine thronvakanz nach sich ziehen konnte, resigniert ihren Hass zurück und erhoben den verstorbenen Hadrian unter die Staatsgötter. antoninus nannte sich nach seinem adoptivvater imperator caesar titus aelius Hadria-
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nus antoninus augustus pius. Der beiname «pius» (der pflichtgetreue) wurde ihm möglicherweise vom Senat – mit ein wenig ironie – wegen seines standhaften Eintretens für die Vergöttlichung seines adoptivvaters zuerkannt. Vom Standpunkt der hadrianischen konsolidierungspolitik aus erwies sich antoninus pius als eine glückliche Wahl. Seine familie, die ihren Stammsitz seit einigen Generationen im gallischen Nemausus (nîmes) hatte, gehörte zu jenen, die für die frühzeitige Unterstützung der Usurpation Vespasians den patrizischen rang erhalten hatte. als patrizier hatte antoninus eine beschleunigte, aber unspektakuläre karriere im reichsdienst durchlaufen. aufsehenerregende militärische taten oder auch nur eine nennenswerte profilierung sind in seiner biographie nicht zu verzeichnen – auch nicht für die zeit, in der er als imperator das reich regierte. Die biographische Geschichtsschreibung zu seiner person ist anekdotisch geprägt und betont das ausgleichende, bescheidene und Humane an seiner regierungsführung. Der tief empfundene kontrast zwischen unberechenbaren Gewaltherrschern vom Schlage Domitians und dem verlegen-höflichen antoninus hat entscheidend zur Entstehung des mythos vom «Goldenen zeitalter» roms unter der Herrschaft des antoninus und seiner nachfolger beigetragen. teil dieses mythos ist die antoninische Gesetzgebung, in der sich die abneigung des Herrschers gegen Gewaltexzesse spiegelt. Ein beispiel bietet das juristische lehrbuch des Gaius, das der rechtsgelehrte während der regierungszeit des antoninus pius zu schreiben begann. man liest hier etwa: «(…) heutzutage dürfen weder römische Bürger noch irgendwelche andere Menschen, die unter der Herrschaft des römischen Volkes leben, ihre Skla ven über das Maß hinaus und ohne Grund misshandeln; denn eine Verord nung des allerheiligsten Imperators Antoninus befiehlt, dass derjenige, der ohne Grund seinen eigenen Sklaven getötet hat, ebenso strafbar ist wie derjenige, der einen fremden Sklaven getötet hat. Aber auch eine allzu große Strenge der Sklavenhalter wird durch einen Erlass desselben Kaisers gezügelt: Als er nämlich von einigen Provinzstatthaltern wegen solcher Sklaven, welche zu Götterhainen oder Kaiserstatuen ihre Zuflucht neh
146 IV. Die friedlichsten Jahre des Imperiums (117–161 n. Chr.) men, um Rat gefragt wurde, befahl er, dass die Sklavenhalter gezwungen werden sollten, ihre Sklaven zu verkaufen, wenn man ihre Grausamkeit als unerträglich ansehe.»54
Es war offenkundig wiederholt vorgekommen, dass Sklaven zu kaiserstatuen «geflohen» waren, d. h. diese berührten oder umklammerten, und dann laut die Grausamkeit und Willkür ihrer Herren angeklagt hatten. Die berührung eines sakralen Gegenstandes wie eines altars oder einer kaiserstatue gewährte einen gewissen Schutz. normalerweise dürften die Sklaven jedoch, spätestens sobald sie erschöpft oder ausgehungert waren, von den lokalen polizeiorganen abgeführt und ihren Haltern zur bestrafung übergeben worden sein. Einige Statthalter hatten wahrscheinlich bei antoninus pius um Verhaltensregeln für solche fälle nachgesucht und dieser hatte angeordnet, dass die schutzsuchenden Sklaven von ihren Herren verkauft werden mussten, wenn sie opfer «unerträglicher Grausamkeit» (intolerabilis saevitia) geworden waren. Das war nach römischen rechtsvorstellungen ein bemerkenswertes zugeständnis an die Sklaven, die schließlich, damit festgestellt werden konnte, ob sie «unerträgliche Grausamkeit» erlitten hatten, angehört werden mussten. Ein anrecht auf gerichtliche anhörung hatten Sklaven normalerweise nicht, weil sie keine rechtspersonen waren, sondern dem Sachenrecht unterlagen. man würde in die von antoninus pius angeordneten novellierungen allerdings zu viel hineinlesen, wenn man darin einen konsequenten Willen zur Humanisierung des Sklavenrechts erkennen wollte. Der imperator hatte als ausgesprochen konservativer charakter einen hohen respekt vor den überlieferten römischen institutionen, deren fester bestandteil das harte Sklavenrecht war. in einigen aspekten ist dieses recht durch pius sogar noch verschärft worden. beispielsweise waren Sklavenaussagen vor Gericht nur dann zulässig, wenn sie unter folter erpresst worden waren, da man meinte, den Unfreien andernfalls nicht glauben zu können. Einige Sklavenhalter ließen ihre Sklaven deshalb im Vorfeld einer anstehenden Gerichtsverhandlung frei, damit sie vor der Erzwingungsfolter geschützt waren. antoninus pius erklärte solche frei-
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lassungen jedoch für unwirksam.55 Ein weiteres beispiel sei genannt: privater Grund und boden durfte normalerweise nicht ohne Genehmigung des Hausherrn von fremden betreten werden. Dieser Schutz des Eigentums galt aber nicht gegenüber privaten Suchtrupps, die nach flüchtigen Sklaven fahndeten – eine analogie zum modernen recht der Jagdfolge. in einem Erlass des antoninus pius wurde an das geltende recht erinnert, dem zufolge solchen Suchtrupps nach statthalterlicher Genehmigung ein uneingeschränktes zugangsrecht zu privaten und selbst zu kaiserlichen Grundstücken gewährt werden musste. auf anforderung hatten die provinzstatthalter personal zu stellen, das bei der Sklavenjagd behilflich war.56 Das Verbergen eines flüchtigen Sklaven galt auch für pius als schwere Straftat. Die angeführten beispiele sind charakteristisch für eine aus heutiger Sicht gewisse ambivalenz im charakter dieses princeps. Einerseits war er sanft und höflich im persönlichen Umgang und neigte nicht dazu, seine Vollmachten zur Vergeltung an persönlichen Gegnern zu nutzen. Doch andererseits zeigte er, wenn es um das römische Staatsinteresse ging (oder jedenfalls um das, was er dafür hielt), das charakteristisch römische Verständnis für Härte und rücksichtslosigkeit. nur in einigen fällen führte seine persönliche abneigung gegen brutale Gewalt zu gewissen milderungen in der behandlung der Unterprivilegierten. Eine vergleichbare ambivalenz lässt sich in seiner außenpolitik beobachten. antoninus pius war als konservativer römer ein zutiefst überzeugter imperialist und Expansionist. Gleichwohl war er vorsichtig und versuchte, die römischen Grenzen ohne größere kriege zu erweitern. Diese neigung verrät schon sein erstes und größtes militärisches Vorhaben, das er unmittelbar nach regierungsantritt in angriff nahm: die Vorverlegung der von Hadrian zwischen tyne und Solway gewählten nordgrenze britanniens auf die linie vom firth of forth zum firth of clyde, an die engste Stelle der britischen insel. Gegen diese Grenzverschiebung gab es durchaus lokalen Widerstand, der aber zunächst mit dem regionalen truppenbestand in Schach gehalten werden konnte. Der 143 n. chr. begonnene ausbau der mitten durch feindesland füh-
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renden neuen Grenze, eines durch Wachtürme und kastelle ergänzten rasensodenwalls auf einer Steinbasis, ist jedenfalls ohne größere Störungen vonstatten gegangen. Eine aufwendigere Grenzverlegung folgte etwa zehn bis fünfzehn Jahre später in obergermanien. Der Vorgang scheint sich völlig unblutig abgespielt zu haben, da die Germanen einen respektvollen abstand von der hadrianischen Grenze wahrten, so dass ein mehrere Dutzend kilometer breites Glacis südlich des mains bis an die rätische nordgrenze entstanden war. in diesen weitgehend siedlungsleeren raum stießen die römischen pioniere und Heeresingenieure auf Weisung des imperators seit etwa 155 n. chr. vor. im zuge dieser Expansion wurde die hadrianische linie, die wegen der ausnutzung von flussläufen und Urwäldern nicht durchgehend befestigt gewesen war, etwa 25 bis 30 kilometer auf eine linie vorgeschoben, die von miltenberg (am südlichsten punkt des mainvierecks) bis lorch an der rems reichte. Über eine Strecke von 81 kilometern, vom kastell Walldürn bis zum kastell Welzheim, verlief der vorgeschobene palisadenzaun wie mit dem lineal gezogen durch die landschaft, ohne auf naturräumliche Gegebenheiten oder militärische Erfordernisse rücksicht zu nehmen (vgl. karte S. 135). Die neue Grenzanlage war wahrscheinlich von einem rein strategischen Gesichtspunkt aus nicht gerade praktisch, aber militärische praxistauglichkeit war möglicherweise gar nicht ihr Hauptzweck. Die über Dutzende kilometer weithin sichtbar das land durchschneidende anlage sollte wohl primär einschüchtern. im freien Germanien gab es zwar burganlagen, aber keine befestigungen von vergleichbarer Größenordnung. Die Distanz, die die Germanen in den ersten Jahren des bestehens zu dieser Grenzbewehrung hielten, scheint dafür zu sprechen, dass das römische kalkül nicht völlig verfehlt war. Später, insbesondere als die Eichenpfähle zu verrotten begannen, dürfte sich die ursprüngliche Wirkung verbraucht haben. Der ausbau mancher kastelle auf der neuen Grenzlinine erfolgte erst bis zu vier Jahrzehnte nach Errichtung der palisade. Die anlage der neuen Grenze stellte demnach eine Generationen überschreitende aufgabe dar, die ein geduldiges Eindringen in den raum symbolisierte, an dessen Erobe-
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rung augustus gescheitert war. im Hinterland der Grenzlinie wurden die zentralen lager an der rhein- und Donaulinie im lauf des zweiten Jahrhunderts in massiver Steinbauweise renoviert. Es war also offenkundig nicht intendiert, diese militärbasen in absehbarer zeit zu verlassen, um neue territorien zu erobern. als die bäume für den bau des neuen «äußeren» limes in oberdeutschland im Jahr 159/160 n. chr. gefällt wurden, war die Vorlegung der britischen nordgrenze bereits gescheitert. Die literarischen Quellen schweigen nahezu völlig über die Ereignisse, die sich in den augen der meisten reichsbewohner an einem nahezu unbekannten Winkel der Welt abspielten und zu deren aufklärung die reichsregierung nichts beigetragen haben dürfte. Einige wenige literarische indizien, vor allem aber archäologische Spuren zeigen, dass kastelle am antoninuswall von kriegergruppen aus den Highlands, aber auch von jüngst unterworfenen Gruppen südlich der Grenze angegriffen, verbrannt und von ihren Garnisonen geräumt wurden. teilweise wurden die forts wohl sogar von den römischen Soldaten selbst zerstört, um sie nicht in die Hände der angreifer fallen zu lassen. Vermutlich hatten die «barbaren» den bau der neuen Grenzanlage mitte der 150er Jahre zunächst abwartend beobachtet, dann kräfte gesammelt und die besatzer in einer konzertierten aktion aus diesem Gebiet gejagt. inschriften zeigen, dass antoninus sogar truppen aus niedergermanien an die britische nordgrenze verlegen ließ. zeitweise waren wohl kastelle der antoninuslinie zwischen forth und clyde wieder mit Garnisonen belegt worden, bevor die neue Grenze und damit der Süden Schottlands Ende der 160er Jahre endgültig aufgegeben und der Hadrianswall zwischen tyne und Solway wieder zur äußersten nordgrenze des imperiums wurden. Diesen rückschlägen steht allerdings der Erfolg der unblutigen Expansion in obergermanien gegenüber. Schon zu beginn der regierungszeit des antoninus pius war den suebischen Quaden nördlich der Donau ebenso wie den armeniern in ostanatolien ein könig aufoktroyiert worden, was von den betreffenden Völkern und ihren nachbarn offenbar widerstandslos akzeptiert worden war. zwar gab es noch einige begrenzte rebellionen an den rand-
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zonen des imperiums, etwa in der nördlichen Sahara, über die in der Überlieferung nur wenige notizen erhalten sind. Das fehlen informativer berichte zu diesen konflikten an der peripherie sollte nicht dazu verleiten, diese als belanglos oder geringfügig einzustufen. Doch größere kriege im Stile der domitianischen oder traianischen feldzüge, in denen viele tausend menschen ums leben gekommen wären, gab es ganz offensichtlich nicht. Das antoninische zeitalter war demnach vor allem aufgrund seiner verhältnismäßigen friedlichkeit «golden». Das hängt natürlich auch mit dem überwiegend friedlichen Verhalten der nachbarn des imperiums zusammen. nicht einmal das Vorschieben der imperialen Grenze in den obergermanischen raum traf auf nennenswerten Widerstand. im Grunde war das jedoch in den Jahrzehnten zuvor kaum anders gewesen: auch Decebalus, chosroës oder andere Gegner wären zum frieden mit dem imperium bereit gewesen, wenn ihnen dieser frieden gewährt worden wäre. Dass antoninus die in dieser prinzipiellen friedensbereitschaft liegende chance nutzte, lag – wie oben bereits gesehen – keineswegs daran, dass er weniger imperialistisch dachte als etwa Domitian oder traian. Entscheidend war, dass er nach den Erfahrungen des traianischen Desasters, anknüpfend an die politik Hadrians, vorsichtiger kalkulierte. Er galt als hervorragender kenner der Haushaltslage: «Die aufstellungen der provinztribute und der Einnahmen aus indirekten Steuern kannte er vorzüglich», vermerkt der spätantike biograph des antoninus.57 andere Quellen bestätigen das interesse des kaisers für Haushaltsfragen. am Ende seiner regierungszeit verzeichneten die Staatskassen einen Überschuss von 2,7 milliarden Sesterzen.58 Dieser sensationelle Erfolg wurde, soweit heute noch erkennbar, ohne Steuererhöhungen erzielt. im Gegenteil: im Jahr 147 n. chr. konnte antoninus nach dem Vorbild Hadrians Steuerschulden in erheblichem Umfang erlassen. auch von einer konsequenten Sparpolitik kann kaum die rede sein. beispielsweise wurde das von nerva oder traian begründete fondssystem zur finanziellen Unterstützung italischer kinder, die sogenannten alimenta, weiter ausgebaut. Die großzügige baupolitik Hadrians führte antoninus
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zwar nicht im gleichen Umfang weiter, vollendete aber die noch nicht fertiggestellten bauten wie etwa den römischen tempel der Venus et Roma, das hadrianische pantheon und dessen mausoleum, ohne abstriche bei der monumentalität dieser Gebäude zu machen. Einige ältere durch brand oder baufälligkeit beschädigte römische bauwerke wie etwa das Amphitheatrum Flavium und die cestius- und Subliciusbrücke ließ er aufwendig restaurieren. Das scheinbare paradoxon, dass unter Hadrian und antoninus pius der Steuerdruck nachließ, die ausgaben jedoch stiegen und in der bilanz der insgesamt 44 Jahre währenden regierungszeit dieser beiden Herrscher der fabelhaft anmutende Haushaltsüberschuss von 2,7 milliarden Sesterzen erzielt worden sein soll, ist einzig und allein mit dem konsequenten Verzicht auf massive militärinterventionen und groß angelegte aggressionskriege zu erklären. ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass das imperium romanum in dieser verhältnismäßig kurzen, von 117 bis 161 n. chr. währenden phase das zivilisatorische potential, das in ihm angelegt war, vollständig entfalten konnte. Diese zeit des für antike Verhältnisse relativen friedens, in der die gesellschaftliche und politische form, für deren Hervorbringung mehrere Jahrhunderte lang gekämpft worden war, ihre ungestörte ausprägung erreichte, gibt Gelegenheit innezuhalten, um den institutionellen aufbau des reichsstaats genauer zu betrachten.
2. Die soziale und politische Verfassung des kaiserzeitlichen Imperium Romanum 2.1. Die Parzellierung des imperialen Bodens und ihre soziale Bedeutung aus dem blickwinkel der luftbildarchäologie betrachtet, zeigt sich das territorium des imperium romanum in Hunderttausende parzellen von sehr unterschiedlicher Größe gegliedert. bei näherer betrachtung verrät diese feingliederung des bodens viel über die sozialen und politischen bauprinzipien des römischen reiches. Die
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meisten dieser bodenabschnitte können relativ wenigen Statuskategorien zugeordnet werden: ein teil des imperialen territoriums war kaiserlicher Grundbesitz, der entweder landwirtschaftlich oder zur rohstoffgewinnung genutzt wurde. andere abschnitte waren militärischen Einheiten als nutzland oder Übungsgelände zugewiesen. Ein weiterer teil des bodens gehörte Gemeindestaaten, war also lokaler öffentlicher Grundbesitz, der teils auf Stadtgebiet lag, teils ländlich war (Wald, Weiden, Äcker). nur ein relativ kleiner teil des insgesamt vorhandenen bodens war bebautes Stadtgebiet im engeren Sinn. Den weitaus größten teil machte privat bewirtschaftetes, agrarisch genutztes land aus. Vor allem im Westen des imperiums war die vorherrschende nutzungseinheit die villa, ein nach italischem Vorbild gestalteter kombinierter Wohn- und produktionsbetrieb, dessen agrarisch genutzte, an den Wohnbereich angrenzende flächen sich über wenige Hektar bis zu deutlich über hundert Hektar erstrecken konnten. besonders verbreitet waren, jedenfalls im nordwesten des reiches, Größen zwischen 20 und 120 Hektar. in der osthälfte des reiches gab es eine eigenständige tradition des agrarischen Großbetriebs, die allerdings im laufe der kaiserzeit durch italische Elemente beeinflusst wurde. im zentrum einer villa standen eine repräsentative Wohnanlage (der «städtische teil», die pars urbana) und ein wirtschaftlicher nutzkomplex (pars rustica), der eng mit dem Wohnbereich verschränkt, aber auch deutlich von diesem getrennt sein konnte. Der «städtische teil» einer villa bildete neben dem repräsentativen Wohnsitz in der Stadt einen lebensmittelpunkt für wohlhabende familien. in den obersten Gesellschaftsklassen war der besitz mehrerer verstreuter Villen üblich. Die arbeitskräfte (Sklaven oder lohnarbeiter) waren mitunter in der pars rustica untergebracht, aber auch in naheliegenden Dörfern. Die landwirtschaftlich genutzten flächen im kernbereich der villa boten häufig einen gartenähnlichen anblick, weil viele Großgrundbesitzer um der ökonomischen risikoverminderung willen verschiedene produkte wie oliven, Wein, obst, Sesam, Gerste oder Weizen auf relativ kleinen, rechteckigen flächen anbauten. aber auch ausgedehnte monokulturen kamen vor, zum beispiel Weizen (in nordafrika und
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Sizilien) oder oliven (z. b. in Syrien). Weiter entfernt vom zentrum der villa lagen gewöhnlich kleinere Höfe, die von pächtern (coloni) des Großgrundbesitzers bearbeitet wurden. neben den pächtern gab es selbständige kleinbauern, deren wirtschaftliche Existenz aufgrund des staatlichen Steuerdrucks und der konkurrenz der Großbetriebe häufig prekär war. Eine nicht näher bestimmbare, aber nicht ganz geringe zahl wanderte in die größeren Städte ab, trat in die armee ein oder wurde pächter eines Villenbesitzers. Dieser prozess der «colonisierung» (Verpächterung) erfuhr im dritten Jahrhundert wahrscheinlich eine beschleunigung; statistische angaben zu diesem prozess sind jedoch nicht möglich. in den regionen östlich der Ägäis (vor allem in kleinasien und im nahen osten) existierte noch aus der zeit vor der römischen Expansion eine halbfreie landbevölkerung, die in der kaiserzeit zunächst einen gewissen sozialen aufstieg bis hin zur teilhabe am römischen bürgerrecht unter kaiser caracalla (212 n. chr.) erlebte, um dann parallel zu den ehemals freien bauern im Westen in den sozialen abstieg der ärmeren landbevölkerung hineingezogen zu werden. Die Eigentümer der villae waren die dominante soziale klasse des imperiums. Ein großer teil von ihnen war als ratsherren (decu riones) in den lokalen Gemeinderäten vertreten. Die Gesamtzahl dieser ratsherren ist auf etwa 200 000 bis 250 000 personen geschätzt worden. Diese lokale Grundbesitzeraristokratie profitierte von der Schaffung des imperialen friedensraumes, der einen weitgehend ungestörten Handelsverkehr zwischen weit auseinanderliegenden regionen ermöglichte. Die meisten unter ihnen bemühten sich um die aneignung einer gehobenen ausdrucksfähigkeit in den gängigen kultursprachen latein (im Westen) und Griechisch (im osten). als ratsherren und magistrate waren sie in die lokalen regierungsgeschäfte ihrer Gemeindestaaten eingebunden. Diesen kleinstaaten ist als weiterem wichtigen bauelement des imperiums der folgende Unterabschnitt gewidmet.
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2.2. Die Gemeindestaaten (civitates) auf dem Boden des Reiches auf dem etwa vier bis fünf millionen Quadratkilometer großen territorium des römischen reiches lagen einige tausend ehemals souveräne Staaten, die meist einige hundert bis tausend bürger und nur in wenigen ausnahmefällen (zum beispiel das ägyptische Alexandria oder Antiochia in Syrien) mehrere hunderttausend bürger (oder jedenfalls Einwohner) hatten. Die lateinische bezeichnung für diese Staaten lautete civitas, ein aus dem Wort für «bürger», civis, abgeleitetes abstraktum. auf dem Gebiet dieser civitates konnten mehrere große Siedlungen liegen, aber von diesen nahm nur eine Stadt die rolle des politischen zentrums wahr, das meist der gesamten civitas den namen gab und in dem die regierungsinstitutionen wie der rat, die magistrate und die Volksversammlung ihren Sitz hatten. Die Existenz von Städten oder stadtähnlichen Siedlungen war allerdings keine Voraussetzung dafür, dass eine soziokulturelle oder gentile Gruppe, die auf dem Gebiet des imperiums siedelte, als civitas betrachtet wurde. Die am nordrand der Sahara nomadisch oder halbnomadisch lebenden «Stämme» hatten beispielsweise häufig keine Städte oder entwickelten diese erst im laufe der zeit, in der sie im kontakt mit dem imperium standen, galten aber für die römischen regierungsorgane dennoch als civita tes. Wichtiger als die Urbanisierung, die gleichwohl von der römischen Seite als moment der kulturellen assimilation gerne gesehen und mitunter aktiv gefördert wurde, war der politische organisationsgrad, der eine Voraussetzung für die kommunikation mit den reichsbehörden und für die Erfüllung von aufgaben wie Steuerund Dienstleistungen (zum beispiel Straßen- oder Deichbau) war. zu beginn der kaiserzeit waren die meisten civitates auf dem reichsgebiet sogenannte «fremde» oder peregrine Staaten, d. h. sie verfügten über ihr eigenes rechtssystem und ihre tradierte politische Verfassung. Einige dieser peregrinen Staaten wie zum beispiel athen oder Aphrodisias in karien waren als sogenannte «freistaaten» (civitates liberae) dem zugriff der reichsbehörden entzogen und lagen als Enklaven innerhalb des reichsgebietes. Sie bildeten unter den peregrinen Staaten nur eine kleine minderheit. Die
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meisten der «fremden Staaten» waren durch Eroberung teil des imperiums geworden und schuldeten aus diesem Grund der römischen Siegermacht beispielsweise Steuern oder Dienstleistungen (munera). Die Verpflichtungen gegenüber rom konnten in einem bilateralen Vertrag geregelt (bei civitates foederatae) oder durch einen einseitigen akt der besatzungsmacht festgelegt sein (bei civi tates stipendiariae). neben den peregrinen civitates gab es solche römischen rechts, deren zwei wichtigste typen kolonien bzw. munizipien hießen. kolonien entstanden ursprünglich durch neuansiedlung römischer bürger auf enteignetem territorium einer peregrinen civitas, auf dem ein lokalstaat nach stadtrömischem Vorbild, also mit Senat, Volksversammlung und jährlich wechselnden magistraten gegründet wurde. in späterer zeit wurde der koloniale Status auch als privileg an peregrine Gemeinden verliehen, die heute mit dem begriff «titularkolonien» bezeichnet werden. munizipien waren im prinzip sehr ähnlich wie kolonien aufgebaut, nur dass diese nicht durch neuansiedlungen und -gründungen entstanden, sondern durch Verleihung des römischen rechts an einen peregrinen Staat. Eine zwischenstufe waren munizipien latinischen rechts, deren rechtssystem an das römische Vorbild angelehnt war und die über eine entsprechende Verfassungscharta verfügten, deren bürger aber überwiegend nicht das römische bürgerrecht und die mit diesem verbundenen privilegien besaßen. Die Verleihung des römischen bürgerrechts war in diesen munizipien an die bekleidung öffentlicher Ämter oder, je nach Verfassungsurkunde, an den Erwerb eines ratssitzes durch Volkswahl gekoppelt. Das latinische Verfassungsrecht war ein wichtiges akkulturationsinstrument, von dem manche kaiser extensiven Gebrauch machten. So wurden unter den flaviern sämtlichen peregrinen Staaten auf der iberischen Halbinsel (außer den bereits privilegierten) latinische munizipal-Verfassungen verliehen und damit die älteren, iberokeltischen oder phönizischen Verfassungsformen aufgehoben. Generell lässt sich im lauf der kaiserzeit ein trend zur angleichung der civitasverfassungen an das römische Vorbild beobachten.
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rom selbst hatte eine eigenartige Doppelstellung in diesem System inne. Einerseits war es selbst eine civitas mit einer typisch mediterranen Stadtstaatverfassung, andererseits herrschte es über alle anderen lokalstaaten des reiches mit ausnahme der civitates liberae. zunächst, zur zeit der republik, wuchsen die städtischen institutionen roms daher in die rolle einer reichsregierung hinein, mit den consuln als einer art reichspräsidenten und dem Senat als reichsparlament. nach der augusteischen revolution blieben viele dieser reichsstaatlichen funktionen erhalten, verloren aber unter der aufsicht des imperators erheblich an politischem Eigengewicht. Die meisten bewohner der größeren Städte des reiches waren Händler oder Handwerker, nicht selten wohl beides, wenn ihre Werkstätten mit ladenlokalen gekoppelt waren. Viele Handwerksund Handelsunternehmer waren in berufsvereinen, den sogenannten collegia, organisiert. zur Gründung eines collegium war eine staatliche Genehmigung zwingend notwendig, doch die reichsregierung förderte und unterstützte durch Gewährung von Steuervorteilen solche zusammenschlüsse. Das interesse der reichsregierung an der Existenz solcher berufsspezifischer collegia lag vor allem darin begründet, dass die kaiser ansprechpartner für die Vergabe von öffentlichen aufträgen benötigten, so etwa im bereich des Schiffbaus, des transports für den Heeresbedarf oder der öffentlichen lebensmittellieferungen (s. S. 169 f.). auch für die Übernahme lokaler öffentlicher aufgaben wie der brandbekämpfung oder der Durchführung öffentlicher bauvorhaben waren berufsvereine erwünscht. Die collegia verliehen den Handwerkern und kaufleuten jedoch eine gewisse Verhandlungsmacht und organisatorische Schlagkraft, die zu Streiks und zur Durchsetzung politischer ziele genutzt werden konnten. aus diesem Grund schwankten die kaiser immer wieder zwischen der privilegierung und dem Verbot von collegia. Doch insgesamt überwog das interesse des reichsstaates an der organisation «nützlicher» collegia, das im lauf der zeit dazu führte, dass die mitgliedschaft in solchen Vereinen nicht nur gefördert, sondern für bestimmte berufsgruppen geradezu erzwungen wurde.
Die soziale und politische Verfassung 157
2.3. Italien und die Provinzen Das italische festland südlich des Padus (po) war das eigentliche kernland des reiches. Die civitates der Halbinsel waren im vierten und dritten Jahrhundert v. chr. zug um zug durch rom unterworfen und in ein abhängigkeitsverhältnis gepresst worden. Eine aufstandsbewegung der Unterworfenen gegen rom endete 90/89 v. chr. mit einem kompromissfrieden, unter dessen konditionen fast sämtliche civitates italiens zu Staaten römischen rechts wurden. Damit kamen die freien bürger der italischen civitates in den Genuss von privilegien, beispielsweise wurden sie keinen Statthaltern unterstellt, nicht durch militärgarnisonen belastet und zahlten keine direkten Steuern. für einige zentrale politische aufgaben wie die aufrechterhaltung des inneren friedens oder die zwischenstaatliche rechtsprechung waren römische funktionäre, vor allem der Stadtpräfekt (praefectus urbi) und die prätorianerpräfekten zuständig, aber mit einigermaßen gutem Willen konnten die italischen Staaten und ihre bürger die zentralregierung in rom auf Distanz halten und dürften im alltag relativ wenig von ihrer Existenz gespürt haben. Versuche der kaiser, italien stärker in die reichsorganisation einzubeziehen, stießen zumindest bei den städtischen Eliten auf ablehnung. Doch deren Widerwillen zum trotz fand im lauf der Jahrhunderte eine allmähliche annäherung italiens an den Status der unterworfenen territorien (provinzen) statt. Seit dem zweiten Jahrhundert n. chr. agierten in italien vom kaiser ernannte funktionäre mit judikativen aufgaben, die denselben titel wie kaiserliche Statthalter führten, und unter kaiser Septimius Severus (193–211 n. chr.) wurde erstmalig ein permanenter legionsstandort in italien eingerichtet. Die nahezu vollständige Übernahme des für die provinzen geltenden regierungsmodus der kaiserlichen Herrschaft erfolgte schließlich unter kaiser Diocletian (284–305 n. chr.). außerhalb italiens lag das eigentliche imperium, also der bereich, auf den sich die befehlsgewalt (lateinisch ebenfalls impe rium) des römischen Volkes, repräsentiert in seinen Statthaltern und dem imperator, erstreckte. Das Gesamtgebiet des imperiums
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war in provinzen, zuständigkeitsbereiche von römischen Gouverneuren, untergliedert (ca. zwanzig bis über hundert in den unterschiedlichen Epochen der kaiserzeit). anders als die civitates, die bereits vor der Eroberung existiert hatten und gewaltsam in das reich inkorporiert worden waren, waren die provinzen reine Schöpfungen der besatzungsmacht ohne institutionelle Vorgeschichte. Die anzahl der civitates, die in einer provinz zusammengefasst waren, konnte sehr unterschiedlich sein. in niedergermanien lagen beispielsweise sechs; die drei von caesar eroberten gallischen provinzen Belgica, Aquitania und Lugdunensis kamen gemeinsam auf vierundsechzig; in der provinz Asia, das in seiner ausdehnung ungefähr dem ehemaligen königreich pergamon im Westen kleinasiens entsprach, waren im ersten Jahrhundert n. chr. 282 regionalstaaten zusammengefasst. Das gesamte territorium einer provinz, das viele tausend Quadratkilometer umfassen konnte, war dem kommando eines in rom bestimmten Statthalters unterstellt, der in seiner person die höchste militärische befehlsgewalt und rechtsprechungskompetenz innerhalb der provinzgrenzen vereinigte. in der alltagspraxis der provinzialregierung nahmen jedoch die rechtsprechung und zunehmend auch weitere zivile aufgaben gewöhnlich mehr zeit in anspruch als die leitung militärischer operationen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass die Gouverneure während ihrer amtszeit durch ihre provinz reisten, um sogenannte conventus (wörtlich «zusammenkünfte») abzuhalten. in erster linie handelte es sich dabei um Gerichtstage, die aber von der provinzbevölkerung auch genutzt werden konnten, um spezielle anliegen, meist in form von petitionen, gegenüber dem Statthalter vorzubringen. Die konventsreisen erfolgten entlang bestimmter routen, an denen die konventsorte lagen. als richter musste der Statthalter nur bei bestimmten angelegenheiten eingeschaltet werden, etwa wenn in einem zivilverfahren der Streitwert eine bestimmte obergrenze überschritt. Die modalitäten waren in den chartas der einzelnen Gemeindestaaten geregelt. Darüber hinaus bestand für parteien, die vor einem civitas-Gericht in einem prozess unterlegen waren, in bestimmten fällen die möglichkeit, an den römischen Statthal-
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Die civitates
(Regionalstaaten) innerhalb der Provinz Germania inferior
Nordsee
Forum Hadriani
Rhein
Cannanefates
Ulpia Noviomagus
Ganuenta (?)
Batavi
Frisiavones
GERMANIA MAGNA
Colonia Ulpia Traiana Cugerni
GERMANIA INFERIOR Ara Ubiorum
GALLIA BELGICA
Maas
ein Rh
Atuatuca Tungrorum Ubii
Tu n g r i
el os M
0 10 20 30 40 50 km
GERMANIA SUPERIOR
Augusta Treverorum
ter zu appellieren. Eine weitere Gelegenheit für die Untertanen, mit dem römischen regierungspersonal in direkte Verbindung zu treten, waren die mit einem modernen Sammelbegriff sogenannten «provinziallandtage», zu denen die civitates der provinz abgesandte delegierten. Deren Hauptaufgabe war zwar lediglich die Durchführung von opfern und Gebeten für die kaiser, doch gewährten die landtage den Delegierten zumindest die informelle möglichkeit, ihre positionen gegenüber den Vertretern der römischen regierung aufeinander abzustimmen. im rahmen der 27 v. chr. entworfenen friedensarchitektur hatte sich augustus das recht übertragen lassen, für neun provinzen die Statthalter aussuchen und investieren zu dürfen, während
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für die übrigen zehn provinzen der republikanische auswahl- und Ernennungsmodus beibehalten werden sollte. bis zum tod kaiser caracallas (217 n. chr.) kamen, teilweise durch teilung bereits bestehender, etwa fünfundzwanzig weitere provinzen hinzu. Sie wurden durchgehend als «kaiserliche» provinzen eingerichtet. obwohl die Unterscheidung zwischen den provinztypen sich bald verwischte und augustus und seine nachfolger nahezu nach belieben in die regierung der «provinzen des römischen Volkes» eingriffen, wurde der Unterschied auf der rechtlichen und symbolischen Ebene als so gravierend empfunden, dass zunächst nicht einmal ein oberbegriff für die funktionäre entstand, die heute mit modernen begriffen wie «Statthalter» oder «Gouverneur» bezeichnet werden. Die meisten der durch den imperator in seinen provinzen eingesetzten Statthalter hießen legati Augusti («beauftragte des augustus»), während die durch los ermittelten Statthalter der «provinzen des römischen Volkes» den titel pro consule führten. Während diese formal gesehen souveräne Hoheitsträger des römischen Volkes waren, gehörten die legaten zum personal des kaisers, der seine provinzen von rom aus regierte. in der praxis erhielten die legati Augusti jedoch die strategisch wichtigeren provinzen, in denen die mannschaftsstarken militärstandorte lagen. neben den genannten gab es noch eine reihe weiterer Statthaltertypen, die in der regel in kleineren, dem imperator direkt unterstehenden provinzen eingesetzt wurden. Da die kaiser jedoch dazu neigten, auch die formal unabhängigen Gouverneure wie ihre Untergebenen zu behandeln und die tätigkeitsprofile der unterschiedlichen Statthaltertypen ohnehin sehr ähnlich waren, ließ die Verwendung penibel unterscheidender begriffe schließlich nach. Die Juristen gingen dazu über, unpräzise, aber praktische bezeichnungen wie praesides («Vorsteher») oder iudices («richter») undifferenziert für alle Statthalter zu verwenden. Die weitgehende Verdrängung der Senatoren, die bis in die severische zeit nahezu alle bedeutenden Statthalterposten außer dem ägyptischen besetzt hatten, aus der provinzialverwaltung im laufe des dritten Jahrhunderts beschleunigte den prozess der angleichung der provinzen noch. am Ende der Entwicklung
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waren die heroischen militärs vom Schlage eines agricola als Statthaltertypus verschwunden und die praesides als untereinander ranggleiche, kaiserlich ernannte beamte in die zivile Verwaltung ihrer provinzen integriert. nur einige wenige proconsulare provinzen überlebten um 300 n. chr. als relikte einer vergangenen zeit.
2.4. Zentrale Institutionen und Stände Der Imperator oder Princeps Die monarchie als politische Grundform des römischen reiches der kaiserzeit war aus dem konstitutionellen provisorium von 27 v. chr. hervorgegangen, das eigentlich nur für zehn Jahre gelten sollte (s. oben kapitel i. 1.). Da niemals auch nur ansatzweise eine gesetzlich verankerte nachfolgeregelung durchgesetzt werden konnte, blieb der prinzipat, was er von beginn an gewesen war: ein auf die (offen ausgeübte oder latent angedrohte) Gewalt der armee gestütztes ausnahmeamt. in die von augustus geschaffene berufsarmee exportierte die Gesellschaft des reiches einen Großteil ihrer sozialen konfliktstoffe: Junge männer, die ansonsten kaum aussichten auf ein gutes auskommen oder sozialen aufstieg hatten, hatten in der bereits im zweiten Jahrhundert mehr als 400 000 köpfe zählenden imperialen armee einen zufluchtsort. Die in sich durch rivalitäten von truppenteilen instabile armee benötigte einen erfolgreichen und charismatischen imperator, der ihre innere Einheit verkörperte. Die informelle Vorauswahl des Herrschers beim thronwechsel wurde von der armee oder, wenn die truppen sich nicht einig waren, von einem siegreichen armeeteil getroffen. im ersten und zweiten Jahrhundert akzeptierten die Soldaten in der regel, wenn erfolgreiche imperatoren ihre legitimen oder adoptierten Söhne als nachfolger präsentierten, doch eine Garantie dafür bestand nicht, und im dritten Jahrhundert scheiterten die meisten Dynastiebildungen bereits im ansatz. Der von der armee oder ihrem dominanten teil akzeptierte mann wurde formal zum imperator, indem er durch einen Senatsbeschluss und ein Volksgesetz ein besonders ausgestaltetes imperium («befehlsgewalt») erhielt. Das kaiserliche imperium beinhaltete eine Vielzahl von außergewöhn-
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lichen Vollmachten, darunter das recht, über krieg und frieden zu entscheiden, Verträge mit Gesandtschaften zu schließen und die tagungsordnung des Senats zu bestimmen. Die überlieferte auflistung der kompetenzen ist lückenhaft und kann teilweise nur hypothetisch ergänzt werden. im zentrum der kaiserlichen Vollmachten standen die proconsulare kommandogewalt, mittels derer der imperator seine provinzen und die in ihnen stationierten Soldaten kontrollierte, die tribunizische amtsvollmacht, die ihm die leitung der politischen institutionen roms ermöglichte, und der oberpontifikat, der ihm die kontrolle über das öffentliche kultwesen roms und einen privilegierten zugang zu den übernatürlichen mächten gab, die von Staats wegen verehrt wurden (vgl. kapitel i.1). Darüber hinaus war der imperator kraft seiner Stellung der reichste privateigentümer des reiches. Der antike lateinische fachausdruck für seinen Güterkomplex lautete patrimonium princi pis, die zentrale Verrechnungsstelle dieser Herrengüter befand sich in rom und hieß fiscus Caesaris. Dabei handelte es sich zum größten teil um agrarisch genutztes Gebiet, das in kleinen parzellen an pächter ausgegeben wurde. für die großen komplexe kaiserlicher Domänen galten jeweils eigene «Gesetze» (leges), in denen unter anderem geregelt war, unter welchen bedingungen die pächter des kaisers einzelne parzellen des Herrenlandes bebauen durften. neben agrarflächen verfügte der imperator auf unterschiedlichen rechtsgrundlagen über bergbaugebiete, Steinbrüche, fischgründe und forstflächen. auch für diese Sonderzonen galten jeweils eigene Statuten, die die wirtschaftliche nutzung und die rechte und pflichten des personals innerhalb dieser Gebiete regelten. Entstanden war der Grundstock des patrimoniums während des bürgerkriegs von 44–29 v. chr., als sich der jüngere caesar und spätere augustus große teile des privatvermögens seiner Gegner aneignete. in der folgezeit wurde dieses geraubte Vermögen innerhalb der iulisch-claudischen Dynastie weitervererbt. Eine wichtige zäsur in der Geschichte des patrimoniums war der tod neros (68 n. chr.), der keinen politischen nachfolger und keinen direkten nachkommen innerhalb seiner familie hatte. Unter zivilrechtlichen Vorgaben wäre in dieser Situation ein testament oder
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der normale Erbgang ausschlaggebend für die Übertragung des gewaltigen kaiserlichen privatvermögens gewesen. De facto fiel das gesamte, durch beute und konfiskationen noch vergrößerte Vermögen hingegen an den Sieger des bürgerkriegs von 68–70 n. chr., Vespasian. Damit war eine regel gesetzt, die fortan für die gesamte kaiserzeit gelten sollte: nicht der privatrechtliche, sondern der politische nachfolger eines Herrschers erbte das patrimonium, das auf diese Weise seinen Status als privatbesitz allmählich verlor und faktisch öffentlich-rechtliches Gut wurde. allerdings hatte schon augustus Gelder aus dem patrimonium für dezidiert öffentliche aufgaben und die Subventionierung der überforderten öffentlichen kassen verwendet. Dies blieb in der zukunft die regel – nicht ganz zufällig verstehen wir heute unter dem Wort fiscus, das eigentlich «privatkasse» bedeutet, das genaue Gegenteil, nämlich «Staatskasse». Verwaltet wurde das patrimonium von treuhändern (procuratoren) des imperators. zu beginn der kaiserzeit waren dies häufig freigelassene des Herrschers, also angehörige von dessen Haushalt. prinzipiell änderte sich an dieser rekrutierungsbasis auch später wenig. in zentralen, gehobenen positionen des procuratorischen Dienstes wurden allerdings seit dem Ende des ersten Jahrhunderts zunehmend hochrangige angestellte des kaisers, vorzugsweise aus dem ritterlichen Stand, eingesetzt. Durch den ausbau des patrimoniums mit seiner procuratorischen Verwaltung entstand eine art Staat im Staate mit eigener Gerichtsbarkeit (spätestens seit claudius) und kassenführung. Senat und Senatorenstand (ordo senatorius) augustus hatte nach beendigung des bürgerkriegs entschieden, die traditionsreichen institutionen der republik am leben zu erhalten und die zusammenarbeit mit den alten Eliten des römischen Staates zu suchen. Unter diesen traditionellen kräften hatten die Senatoren (etwa: «Älteste») das größte Gewicht. Sie hatten ihre sozialen Wurzeln in dem oben beschriebenen Großgrundbesitzermilieu, zu dessen wohlhabendstem und einflussreichstem Segment sie gehörten. Die senatorischen familien bildeten einen eigenen Stand (ordo senato
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rius), der seit augusteischer zeit stärker abgeschlossen war und über dessen zusammensetzung der imperator entschied. Die mitglieder dieses Standes lebten nach bestimmten Standesregeln, konnten eine Vermögensqualifikation in Höhe von einer million Sesterzen nachweisen und waren äußerlich an Standesabzeichen wie dem breiten purpurstreifen an der toga zu erkennen. Seit traianischer zeit wurde von Senatoren der nachweis verlangt, dass ihre familie mindestens ein Drittel ihres Vermögens innerhalb italiens in landbesitz investierte; marc aurel setzte den anteil auf ein Viertel herab. Der Senatorenstand als Gesellschaftsschicht ist zu unterscheiden von dem Senat als «Ältestenrat». Von den jungen angehörigen des ordo wurde erwartet, dass sie eine stadtrömische Ämterlaufbahn – bestehend aus Quästur, Volkstribunat oder Ädilität, prätur und consulat – anstrebten, im zuge derer sie mitglieder des Senats wurden. De iure wurden diese Ämter durch ein kompliziertes, mehrfach gestaffeltes Wahlsystem besetzt. allerdings traf der kaiser eine Vorauswahl unter den bewerbern, die das feld der kandidaten stark eingrenzte. Entscheidend für eine erfolgreiche karriere war daher zunächst, dass ein aspirant auf eine Senatorenlaufbahn einflussreiche fürsprecher hatte, die sich beim kaiser für ihn verwendeten. Das ausschlaggebende Gewicht bei der Ergänzung des ordo senatorius hatten unter diesen Umständen Senatsmitglieder, die entweder das Vertrauen des regierenden kaisers genossen oder deren rat der kaiser nicht übergehen wollte. Gewöhnlich nahmen die imperatoren bei ihrer Vorauswahl auf den rang rücksicht, den die familie eines bewerbers bereits erreicht hatte. Wer einen senatorischen Großvater vorweisen konnte, hatte daher in der regel bessere karten als ein «neuer mann» (homo novus) aus dem ritterstand, der als erster seiner familie die aufnahme in den senatorischen Stand anstrebte. Da jedoch insgesamt die zahl der bewerber aus «neuen familien» überwog und der Senat auf einer Standardgröße von etwa 600 personen gehalten werden sollte, öffnete sich der Stand immer weiter für neueinsteiger, die in wachsender anzahl auch außerhalb italiens aus reichen römischen familien der provinzen rekrutiert wurden. Diese politik der öffnung
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führte langfristig dazu, dass große teile des imperiums und damit bestimmte regionale interessen, wenn auch sehr ungleichmäßig, in dem höchsten reichsgremium vertreten waren. im anschluss an die prätur, dem alten stadtrömischen Gerichtsamt, begann in der regel der eigentliche reichsdienst außerhalb italiens. auf dieser Stufe der karriere waren die Senatoren meist etwas über dreißig Jahre alt. Seit der flavischen zeit (69–96 n. chr.) war der erste posten im reichsdienst regelmäßig ein kommando über eine legion, darauf folgte die bekleidung weniger bedeutsamer Statthalterschaften in provinzen mit relativ geringer militärpräsenz. Ein erheblicher teil der Senatoren kam über diese Stufe nicht hinaus. Diejenigen, die für größere kommanden ausersehen waren, bekleideten als zeichen der besonderen Wertschätzung durch den imperator in rom (meist für zwei bis vier monate) einen der beiden consulate, in der regel einige Jahre nach ihrem vierzigsten Geburtstag. Der consulat hatte zwar seit der augusteischen revolution als amt erhebliche machteinbußen hinnehmen müssen, bewahrte aber nahezu ungebrochen seinen symbolischen Wert. Die consulare, also die Senatoren, die den consulat erreicht hatten, bildeten den inneren zirkel der senatorischen Standeselite. Die kaiser selbst bekleideten regelmäßig consulate, und zwar wie alle anderen consuln gemeinsam mit einem unter rechtlichen Gesichtspunkten gleichrangigen kollegen. aus dem kreis der consulare wählten die kaiser die Statthalter (legati Augusti) der strategisch bedeutsamen und militärreichen provinzen aus. Der engste kreis der kaisernahen Senatoren konnte im abstand einiger Jahre einen zweiten oder dritten consulat bekleiden. auf diese Weise wurde ein System von karriereanreizen geschaffen, über die das Wohlwollen des kaisers entschied: fortschritte in der karriere und besondere auszeichnungen zeigten an, dass der auf diese Weise Herausgestellte die Gunst des Herrschers besaß. Da die Senatoren, die eine legionskommandantur oder eine Statthalterschaft innehatten, zudem eine vom imperator festgesetzte «aufwandsentschädigung» (salarium) erhielten, nahm der ehemalig im Staatsinteresse geleistete Ehrendienst züge einer amtslaufbahn im kaiserlichen Dienst an.
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Der ordo senatorius besaß mit dem Senat ein eigenes Standesgremium, in dem das rede- und das initiativrecht stark nach dem rang der mitglieder abgestuft waren. Die einzelnen Voten waren jedoch bei abstimmungen alle gleich gewichtet. mitglieder des Senats waren verpflichtet, an den Sitzungen teilzunehmen, soweit sie nicht durch Übernahme von regierungsaufgaben außerhalb italiens oder krankheitsbedingt entschuldigt waren. prinzipiell konnte der Senat über alle politischen Gegenstände beschlüsse fassen. Diese beschlüsse, sogenannte consulta, hatten in der kaiserzeit Gesetzeskraft, waren aber in der regel – und bei wichtigen politischen fragen ausnahmslos – mit dem imperator, der selbst dem Senat angehörte, inhaltlich abgestimmt. obwohl der Senat prinzipiell dem regierenden kaiserhaus gegenüber loyal eingestellt war und aus seinen reihen bis weit ins dritte Jahrhundert die wichtigsten regierungspositionen besetzt wurden, gelang die ausbalancierung der regierungstätigkeit zwischen imperator und höchstem ordo keineswegs so reibungslos, wie sich das augustus und seine berater 27 v. chr. erhofft hatten. im laufe der Jahrzehnte führte das dazu, dass vom kaiserlichen Haushalt ausgehend parallelinstitutionen aufgebaut wurden, die die Senatoren in einem langen prozess aus dem zentrum der macht verdrängten. in vielen fällen, wenn auch keineswegs immer, griffen die kaiser beim aufbau dieser parallelinstitutionen auf ritter als führendes personal zurück. Um diese personalpolitik richtig einordnen zu können, ist zunächst ein blick auf die ritter als zweiten Stand der römischen Gesellschaft notwendig. Der Ritterstand (ordo equester) Der ritterstand der frühen kaiserzeit hatte geschätzt 20 000 mitglieder. Ähnlich wie die Senatoren waren die ritter ein herausgehobenes Segment der landbesitzenden sozialökonomischen Elite des kaiserreichs. Voraussetzung für die mitgliedschaft im ordo equester war neben dem besitz des römischen bürgerrechts der nachweis eines Vermögens im Gesamtwert von wenigstens 400 000 Sesterzen. Dieses Vermögen musste standesgemäß, zum beispiel durch Erbschaften, die bewirtschaftung großer landgüter oder durch Geldgeschäfte (etwa Handelskredite,
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Steuerpacht), erworben worden sein. Erfolgreiche und dementsprechend wohlhabende Schauspieler oder Gladiatoren waren dagegen von der mitgliedschaft ausgeschlossen. Wer durch den kaiser in den ordo aufgenommen wurde, durfte sich «römischer ritter» (eques Romanus) nennen und bestimmte Standesabzeichen wie den ritterring und die toga mit dem schmalen purpurstreifen tragen. Die mehrzahl der ritter strebte nicht mehr als den mit diesen Statussymbolen verbundenen prestigegewinn an und verbrachte ein relativ beschauliches leben in der jeweiligen Heimatstadt. Ein kleiner teil bewarb sich um aufnahme in den Senat oder strebte eine karriere im kaiserlichen Dienst außerhalb des Senats an. Die trennlinie zu den senatorischen familien verlief nicht scharf und war durchlässig. Es kam vor, dass sich ein zweig einer familie für eine senatorische laufbahn und ein anderer für eine ritterliche entschied. Wenn eine senatorische familie nach zwei bis drei Generationen – was häufig zu beobachten ist – wieder aus dem ordo senatorius ausschied, behielt sie noch für einige Generationen die senatorischen rangprädikate und wurde dann in der regel wieder ritterlich. auf der anderen Seite wurden erfolgreiche ritter oft durch die imperatoren in den Senat versetzt, seit commodus (180–192 n. chr.) mitunter sogar in die höchste rangstufe, «unter die ehemaligen consuln» (inter consulares). auf diese Weise bestand eine kontinuierliche fluktuation zwischen den beiden höchsten Ständen. Diejenigen ritter, die sich für eine laufbahn im kaiserlichen Dienst entschieden, übernahmen in der regel zunächst das kommando über kleinere Hilfstruppeneinheiten (cohortes auxiliariae). als befehlshaber der kohorten leiteten sie auch die Selbstverwaltung ihrer Einheit (etwa in den bereichen Güterversorgung, personalersatz und -ausbildung, krankenversorgung, kassenführung, nutzung des territoriums der Einheit etc.), so dass diese kommandeurstellen zugleich eine praktische Schule der administration für die jungen ritter darstellten. in der regel folgten eine Dienstzeit im offiziersstab einer legion und weitere kommandostellen im auxiliardienst. Ein größerer teil der ritterlichen offiziere schied auf einer dieser militärischen Dienststufen aus und begab
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sich wieder in seine italische oder provinziale Heimat. für die ritter, die eine weitere laufbahn im kaiserlichen Dienst verfolgen wollten, standen in der frühen und hohen kaiserzeit einige Dutzend Stellen zur Verfügung, die im folgenden vorgestellt werden. Neue durch die Imperatoren geschaffene Regierungsinstitutionen Es ist oben darauf hingewiesen worden, dass die kaiser im laufe der zeit, ohne dass dem ein systematischer politischer Wille zugrunde gelegen hätte, neue behörden und institutionen aufbauten, die in einem langen prozess die alten republikanischen institutionen roms an den rand drängten und mitunter auch ersetzten. zum einen handelte es sich bei diesen parallelinstitutionen um regelrechte staatliche zentralbehörden mit einer vom kaiser vorgegebenen aufgaben- und besoldungsstruktur. zum anderen entstanden diese institutionen aus dem kaiserlichen privathaushalt und gewannen aufgrund des überdimensionierten ökonomischen und politischen Gewichts dieses Haushalts im lauf der zeit immer stärker öffentlichen charakter (vgl. S. 172 f.). Die wichtigsten neuen zentralbehörden bzw. kommandostellen wurden bereits unter augustus geschaffen, darunter mehrere von rittern geleitete präfekturen: die prätorianerpräfektur, die Vigilenpräfektur und die annona-präfektur, allesamt in rom, sowie die Statthalterschaft in Ägypten (praefectura Aegypti). Die meist als Doppelkollegium amtierenden prätorianerpräfekten befehligten die prätorianer, eine von augustus zu seiner besonderen Verwendung geschaffene Elitetruppe. in einem flagranten bruch des republikanischen tabus, in italien oder gar auf dem entmilitarisierten Stadtgebiet roms bewaffnete truppen zu stationieren, hatte diese Eliteeinheit zunächst in verschiedenen Standorten latiums, seit tiberischer zeit in einer kaserne nordöstlich vor der Stadt, schließlich (seit probus, 276–282 n. chr.) innerhalb der Stadtmauern ihr Quartier. Die Stärke der prätorianer betrug anfangs wahrscheinlich 9000, im dritten Jahrhundert 10 000 mann. Sie genossen zahlreiche privilegien, etwa im Vergleich zu gewöhnlichen legionären einen erhöhten Sold und eine verkürzte Dienstzeit. als die prätorianerpräfektur 2 v. chr. geschaffen wurde, handelte es sich noch
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um eine rein militärische Dienststellung. im laufe der Jahrhunderte delegierten die kaiser immer mehr zentrale regierungsfunktionen an die prätorianerpräfekten, während der militärische aspekt ihrer Stellung allmählich in den Hintergrund trat. im Jahr 6 v. chr. wurden die sieben Vigilenkohorten (cohortes vigilum) in einer Gesamtstärke von 3500 mann ins leben gerufen, die in rom patrouillendienste leisteten und in der brandbekämpfung eingesetzt wurden. Das kommando über diese Einheiten hatte ein ritterlicher Vigilenpräfekt inne. Die annona-präfektur hatte zwei spezielle aufgaben im bereich der Hauptstadtversorgung zu betreuen. Einerseits existierte in rom ein privilegierter personenkreis, der an bestimmten festtagen einen anspruch auf kostenlose zuteilung von lebensmitteln (öl und Getreide) hatte. Die zahl der Empfangsberechtigten hatte augustus auf 200 000 festgesetzt. Die aufnahme in den kreis dieser privilegierten erfolgte ohne eine bedürftigkeitsprüfung unter allen in rom ansässigen römischen bürgern. Starb ein Empfangsberechtigter, wurde aus den zuvor nicht berechtigten ein neuer Empfänger nachgelost. zweitens griff der praefectus annonae regulierend in die lebensmittelversorgung roms, insbesondere bei akuten Versorgungskrisen, ein. in diesem fall profitierten alle Stadtrömer direkt oder indirekt, allerdings nicht von kostenlosen öl- oder Weizenzuteilungen, sondern von subventionierten preisen. Die präfekten der annona organisierten den transport der lebensmittel nicht selbst, sondern schlossen kontrakte mit produzenten (z. b. bäckern) und lieferanten (z. b. Seekaufleuten) ab. ihre Hauptaufgabe lag in der Überprüfung der lieferungen hinsichtlich Qualität und Umfang. Das stadtrömische Vorbild der annona wurde teilweise in den provinzen nachgeahmt. Die Einrichtung der neuen ritterlichen präfekturen geschah auf kosten ehemals senatorischer zuständigkeiten und Vorrechte. Die prätorianerpräfekten und die praefecti Aegypti kommandierten als erste nicht-senatorische befehlshaber strategisch wichtige und große Heeresverbände. Sowohl die Vigilenpräfekten als auch die praefecti annonae übernahmen mit einer großzügigen ausstattung aufgaben, die zuvor in die kompetenz der sechs vom Volk jeweils
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für ein Jahr gewählten Ädilen gefallen waren. Dennoch lag diesen Übertragungen von einigen ehemals senatorischen zuständigkeiten an ritter keine systematische «antisenatspolitik» zugrunde. augustus hatte über mehrere Jahrzehnte versucht, die senatorischen amtsträger innerhalb ihrer gewachsenen aufgabenbereiche in seine politik einzubinden. Die Schaffung neuer zentralisierter und vom kaiser abhängiger behörden erfolgte in der regel dann, wenn die Jahresmagistraturen sich, zum beispiel angesichts von Hungersnöten oder feuersbrünsten, als überfordert oder politisch unzuverlässig erwiesen. Es zeigte sich in solchen Situationen, dass auf den imperatoren ein erheblicher Erwartungsdruck der stadtrömischen bevölkerung lastete, dem sie sich, wenn es sich um die lebensmittelversorgung und die öffentliche Sicherheit handelte, in der regel beugten. Dies ist der Hintergrund für die Einrichtung neuer zentralbehörden, deren personal und ausstattung nicht mehr jedes Jahr neu zusammengesetzt, sondern unmittelbar vom kaiser und dauerhaft eingesetzt wurde, so dass über Jahre und Jahrzehnte Erfahrung akkumuliert werden konnte. bezeichnenderweise amtierte der erste bekannte praefectus annonae, Gaius turranius Gracilis, mindestens von 14 bis 48 n. chr. neben den genannten bedeutenden präfekturen gab es noch eine reihe weiterer, die etwa für die leitung der italischen oder provinzialen flotten oder die aufsicht über die großen römischen Gladiatorenkasernen zuständig waren. Die mehrzahl der für die machtstellung des kaisers wichtigen leitungspositionen war (oder wurde im lauf der zeit) mit rittern besetzt, aber es gab auch ausnahmen. Die aufsicht über das besonders sensible aerarium militare, die kasse, aus der die abfindungsprämien für Veteranen gezahlt wurden, lag bei senatorischen praefecti. Der Stadtpräfekt (praefectus urbi), der über eine 1500 mann starke polizeitruppe verfügte und für die Disziplinierung und Überwachung der stadtrömischen bevölkerung zuständig war, war regelmäßig ein consular. insofern kann nicht von einer konsequenten und systematischen Verdrängung der Senatoren aus sensiblen politikbereichen gesprochen werden. im laufe der ersten zwei Jahrhunderte der kaiserzeit vergrößerten die principes die anzahl senatorischer zuständigkeitsfelder sogar immer
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weiter: Die instandhaltung der öffentlichen Gebäude und tempel in rom, der Straßen und Wasserleitungen italiens, das italische transportdienstsystem, gekoppelt mit den Versorgungsfonds für kinder (alimenta), und manches andere mehr wurden senatorische aufgabenbereiche. traian begann damit, italischen und provinzialen civitates, deren Haushalte nicht in ordnung waren, zur «betreuung» (curatio) einzelne Senatoren zuzuweisen. Der berufungsmodus war für die Senatoren allerdings in solchen fällen ganz ähnlich wie bei den großen ritterlichen behörden: Der kaiser beorderte die Senatoren ebenso wie ritter oder freigelassene an die Spitze von ihm geschaffener institutionen, so dass sie tendenziell in die rolle von angestellten des kaisers hineinwuchsen. Das unterschied die neu geschaffenen kaiserlichen Dienststellen fundamental von den alten Wahlämtern, die den magistraten, wie manipuliert die Wahlen auch immer gewesen sein mochten, eine eigenständige legitimätsbasis verschafften. Consilium und comitatus Das oberhaupt eines römischen Haushalts, der sogenannte pater familias, zog bei wichtigen Entscheidungen, wie etwa dem kauf eines Grundstücks oder dem aufsetzen eines testaments, gewöhnlich einen «rat» (consilium) aus freunden hinzu. augustus und seine nachfolger verhielten sich nicht anders: Wenn sie das bedürfnis nach einem frei geäußerten rat empfanden, baten sie freunde und Vertraute als consilium um deren meinung. Da die kaiser aus dem senatorischen milieu stammten, waren die mitglieder ihres consilium meistens Senatoren. Grundsätzlich war die auswahl der berater dem freien Ermessen der imperatoren überlassen, so dass die einzelnen consilia je nach beratungsgegenstand unterschiedlich zusammengesetzt sein konnten. im Unterschied zu den gewöhnlichen consilia beriet das kaiserliche consilium jedoch meist über politik, etwa über krieg und frieden, neue Steuern, die auswahl eines nachfolgers und vieles andere mehr. «privat» waren diese Gespräche jedoch insofern, als der kaiser sich formal gesehen lediglich bei seinen freunden danach erkundigte, wie sie an seiner Stelle handeln würden. Da die Gegenstände des consilium jedoch meist öffentlicher natur waren, bil-
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dete sich allmählich die Gewohnheit heraus, bestimmte personen ex officio zu den beratungen hinzuzuziehen, wie etwa die prätorianerpräfekten oder bestimmte angestellte des kaiserlichen Hauses. trotz einer gewissen Verfestigung seit dem zweiten Jahrhundert blieb diese praxis jedoch gewohnheitsrechtlicher natur. Erst im vierten Jahrhundert veränderte sich das consilium unter der neuen bezeichnung consistorium nachhaltig von einer privaten institution zu einem staatsrechtlich definierten Gremium, dem aufgrund gesetzlicher regelungen bestimmte funktionsträger angehörten, die wie in einem ministerialkabinett in festgelegter reihenfolge über ihren Verantwortungsbereich Vortrag erstatteten. Eine ähnliche Einrichtung wie das consilium war der comitatus, das «Gefolge» der imperatoren auf reisen. Hochstehende persönlichkeiten reisten in der römischen antike regelmäßig mit Gefolge, das den regeln der Standesgesellschaft entsprechend nach rängen gegliedert war. Die höchstrangigen, persönlich ausgesuchten mitglieder im Geleit des kaisers führten die bezeichnung des «begleiters» (comes) als eine art titel. in der frühen kaiserzeit dürfte sich der personenkreis von consilium und comitat oft weitgehend gedeckt haben, doch als amtsträger wie der Stadtpräfekt oder der praefectus annonae, die in rom unabkömmlich waren, immer häufiger zum consilium gebeten wurden, begann sich die mitgliedschaft in den beiden Einrichtungen auseinanderzuentwickeln. Der comitat wurde zum reiseconsilium der kaisers. Er erlebte eine ähnliche Entwicklung von einer quasi-privaten zu einer staatsrechtlich definierten institution wie das consilium. im vierten Jahrhundert hießen die höchsten zivilen regierungsinstitutionen, wie die finanzdepartments, «comitate», was etwa «ministerien» entspräche. Mitglieder und Angestellte in der Verwaltung des kaiserlichen Haus halts Wie bereits mehrfach angesprochen, banden die imperatoren die Sklaven und freigelassenen ihres privaten Haushalts großzügig in regierungsaufgaben ein. Sehr früh wird das bei den rechnungsleitern des kaiserlichen Haushalts, den a rationibus, deutlich. Die öffentlichen kassen, von dem zentralen aerarium in rom bis zu den provinzialfisci, hatte augustus unter der leitung senatorischer
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oder ritterlicher Geschäftsträger belassen. Doch das System dieser öffentlichen kassen hatte stets darunter gelitten, dass es keine Gesamtbilanz und keine zentrale buchhaltungsstelle gab. Die Gesamtberechnung des staatlichen Haushalts konnte augustus daher leicht an sich ziehen und übertrug sie den spezialisierten freigelassenen und Sklaven seines eigenen Haushalts. Dies war die keimzelle eines eigenständigen finanzressorts. Ähnlich, allerdings langsamer, entwickelten sich die Schreibsekretariate (a libellis und ab epistulis), die anfangs vor allem rhetorisch begabte Sklaven und freigelassene beschäftigten. in auseinandersetzung mit ihren aufgaben erwarben sich diese männer solide und mitunter brillante juristische kenntnisse. Wenn es kaisern wie nero oder commodus nicht danach war, sich mit den mühsamen alltagsaufgaben eines princeps zu beschäftigen, waren diese Sekretäre durchaus in der lage, selbständig zu entscheiden und faktisch zu regieren. Seit dem Ende des ersten Jahrhunderts wurden zunehmend ritter als leiter der einzelnen ressorts eingestellt. Domitian berief die Vorsteher der Sekretariate oder «palatinen büros» bereits regelmäßig in sein consilium, wo sie gemeinsam mit consularen und präfekten den kaiser berieten. Seit dem späteren zweiten Jahrhundert wurden die palastsekretariate mitunter zur Vorstufe außergewöhnlicher karrieren, die bis zur prätorianerpräfektur und oder sogar zur alleinherrschaft führen konnten. Viele der berühmten juristischen autoren des dritten Jahrhunderts, beispielsweise Ulpian oder papinian, waren als Verwaltungsfachleute in diesem feld geprägt worden und soziopolitisch aufgestiegen.
3. Ablösung der hauptstädtischen Literatur durch die weltreichsliteratur der provinzen: Das Imperium wächst kulturell zusammen Die römische literatur der frühen kaiserzeit war in hohem maß mit der Stadt rom als politischem mittelpunkt des imperiums, ihren institutionen und ihrer Geschichte verknüpft. Das gilt in besonderem maß für die literatur der augusteischen Epoche, etwa
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für die Geschichtsschreibung des livius und anderer Historiker, für die Epik Vergils, die lyrik des Horaz, die Elegiker und das vielgestaltige poetische Werk ovids. Diese Weltliteratur war zugleich im Wortsinn eine urbane literatur, die ohne ihre Einbindung in die Gesellschaft der imperialen Hauptstadt mit ihren öffentlichen lesungen, Dichterzirkeln, reich ausgestatteten bibliotheken und inspirationen nicht denkbar ist. Das sollte lange zeit so bleiben. Die Hauptstadt des reiches setzte die literarischen trends, wirkte als magnet für literaten und andere ehrgeizige künstler wie architekten oder Schauspieler. Während der Herrschaftszeit traians und Hadrians entstanden noch mindestens vier Werke der Weltliteratur, deren inhaltliche Gestalt in erster linie durch die geistige Gravitationskraft der imperialen Hauptstadt bestimmt war: die Historien und die Annalen des tacitus, die Satiren iuvenals und die Caesarenleben Suetons. Danach setzte allmählich eine Wende ein und rom verlor für lange zeit seine Stellung als produktives zentrum der literatur. natürlich handelte es sich wie stets im Geistesleben nicht um einen präzise datierbaren Schnitt. Die Hauptstadt blieb ein mittelpunkt geistiger auseinandersetzungen und verfügte über viele reich ausgestattete öffentliche und private bibliotheken: aulus Gellius etwa muss einen Großteil der seltenen Werke, die er für seine Attischen Nächte exzerpierte, im rom der antoninischen zeit gefunden und gelesen haben. Der christliche philosoph iustinus richtete hier seine Schule ein und verfasste seine Verteidigungsschriften für die christliche religion unter antoninus, in zeitlicher nachbarschaft zu den christlichen Visionen des Hermas, einer der wichtigsten apokalyptischen Schriften des frühen christentums. Dennoch ist der bruch nicht zu übersehen. nach den Annalen des tacitus und den Satiren iuvenals verstummte die urban-imperiale lateinische literatur für lange zeit. beides sind Werke der Weltliteratur von zeitloser bedeutung, in denen das in ihren jeweiligen Gattungen angelegte potential ausgeschöpft und zu seinem vorläufigen abschluss geführt wurde. tacitus stand in der tradition der römischen annalistik, der Jahresgeschichtsschreibung, die ursprünglich ohne künstlerischen anspruch die bedeutenden Ereignisse eines Jahres mechanisch verzeichnet hatte. taci-
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tus folgte äußerlich diesem einfachen Schema der kalendarischen Geschichtsschreibung, verdichtete aber die einzelnen Episoden zu emotional und darstellungstechnisch intensiven miniaturen. iuvenal stellte sich in die tradition der spöttischen und vor allem anprangernden poetischen Satire, die in rom besonders aules persius und in anderer literarischer form petronius in neronischer zeit zur meisterschaft entfaltet hatten, und führte seinen lesern moralisches fehlverhalten – oder was er dafür hielt – der römischen oberschichten in scharfer und nicht selten verletzender, dabei phantasiereicher und meisterhaft rhythmisierter Sprache vor. Die Vollendung der literarischen formen erklärt vielleicht auch, warum die urban-imperiale literatur mit diesen autoren zu einem vorläufigen abschluss gelangte und längere zeit keine großen Werke mehr hervorbrachte: in gewisser Hinsicht war alles gesagt, was sich in den etablierten Genera der hauptstädtischen literatur sagen ließ. Der nächste Satiriker hätte weiterhin Erbschleicherei, Ehebrüche (der frauen), Geldgier und Verrat an den altrömischen traditionen angeprangert; ein fortsetzer der taciteischen annalistik hätte nur immer weitere prozesse und Verurteilungen großer männer, Verschwörungen, kaisermorde und unberechenbare Gewalttaten exzentrischer oder misstrauischer kaiser aufzählen können. Die durch diese inhalte bestimmte Geschichte schien sich zu perpetuieren und wurde von den späteren griechischen chronisten der imperialen Geschichte wie Herodian und cassius Dio so fortgeschrieben – mit der gebührenden reverenz für die wenigen «guten kaiser», die allerdings wenig Stoff für unterhaltsame Erzählungen boten. Die in ihrem zenit stehende romzentrierte literatur war voll von Unzufriedenheit und Verbitterung. in den erhaltenen bänden der Historien und der Annalen des tacitus wird man kaum ein freudiges Ereignis beschrieben finden, höchstens einmal lob für opfermut in auseinandersetzung mit der tyrannei oder Stolz auf eine gewonnene Schlacht. Eine von leichen der feinde bedeckte landschaft und ein vom blut rot gefärbtes meer: So malte sich der jüngere plinius das Glück des neuen, traianischen zeitalters im Jahr 100 n. chr. aus.59 tacitus und iuvenal teilten neben ihrer
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künstlerischen Sensibilität auch ihre misogynie, ihren hasserfüllten antijudaismus60 und ihre angst vor allem fremden und Ungewohnten. Es war vielleicht auch diese defensive, in der Sorge um die bewahrung ererbter privilegien erstarrte Grundhaltung, die diese literaturtraditionen von der unmittelbaren zukunft abschnitt. Erst im vierten Jahrhundert fand tacitus mit ammianus marcellinus einen fortsetzer. Doch es entstand neues an ihrer Stelle. parallel zu dem bedeutungsverlust der hauptstädtischen literatur gewannen die in den provinzen, vor allem in der osthälfte des reiches verfassten Werke zunehmend an form und Gewicht. Dieser prozess setzte spätestens mit den philosophischen lehrschriften und den berühmten Vergleichenden Biographien des plutarch aus der boiotischen Stadt Chaironeia ein, in denen er die lebensgeschichte jeweils eines griechischen und eines römischen Staatsmannes nebeneinanderstellte und diese anschließend einer vergleichenden beurteilung unterzog. Die zukunftsweisende essayhafte form, die plutarchs lehrund kulturhistorischen Schriften eigen ist, findet sich auch in den Werken seines zeitgenossen Dion von prusa (ca. 40–120), eines wandernden redners aus wohlhabendem Hause, der in seinen texten teilweise konventionelle moralische und politische themen, zum teil aber auch soziale probleme der Gegenwart in plastischer Sprache und innovativer gestalterischer manier behandelt, etwa in der Zweiten tarsischen Rede über den aufstand der leinenweber in tarsos oder in der Euböischen Idylle, in der die lebensbedingungen der verarmten landbevölkerung auf Euböa (und damit in den vergessenen oder entlegenen regionen des imperiums) idealisierend dargestellt werden. Die sprachlich dichten und häufig mit überraschenden peripetien und Exkursen komponierten prosatexte Dions enthalten bereits viele merkmale, die für die großen Werke der griechischen literarischen renaissance des zweiten Jahrhunderts typisch sind. Dabei sind nicht zuletzt die inhaltliche bandbreite und die generische Vielfalt dieser produktiven phase erstaunlich, die hier nur an einigen beispielen angedeutet werden können. So bilden etwa die manchmal parodierend-imitierenden, manchmal dialogisch in-
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szenierenden und immer sprachlich eleganten Satiren des hellenisierten Syrers lukian von Samosata (ca. 120–180) in ihrer zwar boshaften, aber zugleich heiteren tonalität einen kontrapunkt zu der verbitterten moralität iuvenals. Eher konventionell wirkt dagegen das Œuvre des preisredners publius aelius aristides, dessen musterreden, vor allem seine lobreden auf Städte, dem nach rhetorischer brillanz und sprachlicher reinheit verlangenden zeitgeist entgegenkamen. Der märchenhafte reiseroman Die Verwand lungen des apuleius von madaura (im heutigen algerien; ca. 125–nach 170) ist entgegen dem trend in lateinischer Sprache geschrieben, hat jedoch genuinen anteil an der Eroberung literarischer Hoheit durch die provinzbevölkerung des reiches. Ein anderer literaturgeschichtlich äußerst wichtiger roman ist die von verschiedenen forschern in das erste, zweite bzw. dritte Jahrhundert datierte bukolische (der Hirtendichtung zugehörige) Erzählung Daphnis und Chloe des longos, in dem das gestalterische Wirken göttlicher kräfte innerhalb der kosmischen ordnung und damit auf einzelne menschliche Schicksale anhand der Geschichte der beiden Hirtenkinder Daphnis und chloe geschildert wird. Hervorhebung verdient in diesem zusammenhang auch die biographie des pythagoreischen philosophen apollonios von tyana aus der feder philostrats von lemnos (165/170–244/249), die züge einer heidnischen «Heiligenvita» trägt. Diese beispiele müssen an dieser Stelle genügen. Schon die knappe auswahl führt die themenvielfalt und die ausdehnung des geographischen raumes, aus dem die unterschiedlichen autoren stammten, vor augen. trotz der erheblichen thematischen Variationsbreite wurzelt diese literatur durchweg in der griechischen bildung, die sich die Schriftsteller in beschwerlicher arbeit aneigneten, denn die gesprochene Sprache hatte sich gegenüber der klassischen literatursprache oder besser: ihren unterschiedlichen ausprägungen im lauf der Jahrhunderte erheblich weiterentwickelt. Diese bildung gestalteten die autoren kreativ und innovativ, aber doch immer in tuchfühlung mit der literarischen hellenischen tradition weiter. Dieser Vorgang ist besonders gut in dem Führer durch Hellas des kleinasiatischen Griechen pausanias doku-
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mentiert: in den akten des betrachtens, Erforschens, beschreibens und historischen Einordnens der noch erhaltenen monumente des politisch unterworfenen Griechenland, die pausanias in seinem Werk vorführt, manifestiert sich die Wiederfindung und aneignung der griechischen Geschichte durch die intellektuellen der zeit. Von einer modernen Warte aus betrachtet, legt ein solcher prozess der aneignung eines kulturellen Erbes vielleicht die Erwartung nahe, dass er sich politisch zu einer art «los-von-rombewegung» entwickeln würde. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Die seit dem späten ersten Jahrhundert entstandene «provinzliteratur» wurde vielmehr sekundär ein medium der identifikation der griechischsprachigen Eliten mit dem imperium, das sie großteils ganz selbstverständlich als «ihren» Staat begriffen, was nicht heißt, dass sie ihn liebten. aelius aristides fasste das zugrunde liegende herrschaftssoziologische prinzip in seiner Rom rede (155 n. chr.) in folgende Worte: «(Eure Herrschaft) benötigt keine Garnisonen, welche in den Stadtfestun gen einquartiert sind, denn die angesehensten und einflussreichsten Män ner wachen überall in eurem Interesse über ihre Stadt, und so kontrolliert ihr die Städte in doppelter Weise, einmal von Rom aus und (in jeder einzel nen Stadt) durch diese Bürger.»61
Die rede endet in einem Gebet für das Wohlergehen von kaiser und reich, das dem in dieser zeit gewachsenen reichspatriotismus einen besonders intensiven ausdruck verleiht.
4. Ein illegaler Gegenentwurf zum römischen Reichsstaat: Das frühe Christentum organisiert sich als pazifistisches Netzwerk von Gemeinden religion und politik bildeten im klassischen altertum keine getrennten Sphären, sondern eine organische Einheit. politische Erfolge wie Siege oder Expansion wurden als resultat göttlicher Unterstützung gewertet, um die sich die regierenden, sei es in weltlichen, sei es in priesterlichen funktionen, zu bemühen hatten.
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Der triumph des römischen imperialismus bedeutete daher auch eine niederlage der nicht-römischen Götter. ihre Existenz wurde zwar zunächst nicht in frage gestellt, doch ihre politische bedeutung aufgrund ihres Versagens erheblich geschmälert. ihren ehemals dominanten platz im politischen leben der Unterworfenen nahm seit augustus die religiöse Verehrung der regierenden und verstorbenen kaiser ein. Dem Herrscherkult fehlte jegliches spirituelle moment: niemand dürfte in einer existentiellen notlage ein Stoßgebet an den göttlichen claudius oder traian gerichtet haben. in den zahlreichen zaubertafeln, amuletten und privaten Votivtafeln, die aus der antike erhalten sind, wird regelmäßig eine bunte Vielfalt göttlicher potenzen um Hilfe angerufen, aber niemals ein kaiser. Der Vollzug der religiösen kaiserverehrung, dessen bombastische inszenierungen an die atmosphäre moderner massenparteitage erinnern, konnte bestenfalls das Gefühl politischer Stabilität, andererseits aber auch den Eindruck des ohnmächtigen ausgeliefertseins an eine politisch vielfach überlegene macht vermitteln. Sie war die religion der militärisch Unterlegenen und des militärs selbst. Diese theologisch leere religion ließ platz für andere kultformen offen. Vor diesem Hintergrund ist die betrachtung der erfolgreichsten in einer Vielfalt von Erlösungsreligionen der kaiserzeit, des christentums, lehrreich. Von Jerusalem aus war die Jesusreligion seit den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts durch eine von großer missionsleidenschaft beseelte bewegung in die provinzen des imperiums und nach italien gebracht worden. Die initiierungsphase der religion war daher vor allem durch die wandernden apostel, lehrer und propheten geprägt, die der lehre vom auferstandenen Gottessohn und seiner baldigen Wiederkunft eine große Verbreitung sicherten. in dieser zeit war die bewegung noch besonders stark von ihren jüdischen Wurzeln geprägt. Sich ihr bewusst und ernsthaft anzuschließen setzte eine große Vertrautheit mit den heiligen Schriften des Judentums, seinen tabus, heilsgeschichtlichen lehren und historisch gewachsenen interpretationen (etwa der messiaserwartung) voraus. Dieser Umstand macht die schnelle Verbreitung des christentums erstaunlich, denn außerhalb der
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jüdischen Gemeinden bestand häufig keine tiefere oder nur eine verzerrte kenntnis der jüdischen lehren. Dass die frühen missionare diese kulturelle Schwelle so mühelos überwinden konnten, ist offenbar auf das weit verbreitete bedürfnis nach Erlösungslehren zurückzuführen, mit dem eine hohe bereitschaft einherging, sich in Ungewohntes und neues einzufinden. Die neue religion setzte starke künstlerische, vor allem schriftstellerische Energien in milieus frei, die normalerweise aufgrund ihrer sozialökonomischen Situation keine autoren und künstler hervorbrachten. Diese kreativen kräfte bescherten der jungen religion schon im Verlauf der ersten Generationen ihres bestehens eine große Vielfalt pastoraler und theologischer lehrschriften, die ihr einen erlernbaren und leicht tradierbaren dogmatischen Gehalt gaben. Die Vielfalt und teilweise Widersprüchlichkeit der frühen Evangelien, lehrbriefe, prophezeiungen und apokalypsen wurde erst später, mit zunehmender institutioneller Verfestigung, zu einem ernsthaften problem. Eine weitere entscheidende Stärke der christlichen bewegung lag in ihrer befähigung zur spontanen Selbstorganisation. als beispielsweise paulus im Jerusalem der frühen 30er Jahre in einen gefährlichen dogmatischen konflikt geriet, besaß die bewegung der apostelgeschichte zufolge schon eine fluchthilfeorganisation, die den Gefährdeten in kurzer zeit von Jerusalem bis nach tarsos bringen konnte.62 Diese fähigkeit kam den christen besonders in der Gemeindeorganisation und der Verbindung der Gemeinden untereinander zugute. Wichtige Dienste leistete in diesem zusammenhang das konzeptuelle talent der Gründergenerationen, etwa bei der Verwendung des Ekklesiabegriffs zur Selbstbezeichnung der Gemeinden. in der griechisch geprägten kulturwelt war dieser terminus untrennbar mit der Versammlung der freien und gleichen bürger einer polis verbunden. als freie und Gleiche trafen sich auch die mitglieder der lokalen, von den Wandermissionaren gegründeten Gemeinden, die aber anders als griechische bürgerversammlungen auch für frauen, Sklaven und fremde als gleichberechtigte teilnehmer platz hatten. Diese einzelnen Gemeinden hießen Ekklesien, beispielsweise die «Ekklesia, die im Haus von
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prisca und aquila zusammenkommt», oder die «Ekklesia Gottes, die in korinth ist»,63 gleichzeitig hieß aber auch die gesamte bewegung des neuen Gottesvolks Ekklesia, die Volksversammlung Gottes. in der praxis der predigt und Verkündigung waren die Gebrauchsweisen des Wortes nicht scharf getrennt: Jede lokale Ekklesia konnte sich daher als teil und repräsentant der umfassenden Ekklesia empfinden, die als ein leib ihres Hauptes christus galt. Dieser Gedanke hielt das große, unter antiken kommunikationsbedingungen kaum beherrschbare Gebilde zusammen und verlieh ihm eine dynamische Einheit. Die masse der namenlosen, die «hier (im römischen reich) keine bleibende polis» hatte, «sondern die zukünftige» suchte,64 konnte in dieser virtuellen Gemeinschaft des Gottesreiches auch eine politische Heimat finden. politische ambitionen im engeren Sinn hatte die junge kirche indes nicht. Sie erwartete die Wiederkunft christi in der nahe bevorstehenden zukunft und bereitete sich darauf vor. Doch in einer politischen kultur, die eine trennung von Staat und religion nicht einmal im ansatz kannte, war die Selbstorganisation der kirche per se ein politischer und überdies illegaler akt. Ein politisches kollektiv teilte nach antikem Verständnis zugleich bestimmte religiöse Vorstellungen und vollzog gemeinsame kultische Handlungen. Wer auf dem boden eines Staates einen neuartigen kult organisieren wollte, dessen theologischer Gehalt den politisch etablierten religionen zuwiderlief, der musste vorher einen krieg gegen diesen Staat gewinnen. Die christen jedoch übersprangen diesen Schritt und begannen die organisation ihrer Gemeinden mit eigenen funktionären (wie episkopoi oder presbyteroi, «aufsehern» und «Ältesten»), Gemeindeordnungen und Gerichten, so als ob sie einen krieg gegen das imperium romanum gewonnen hätten. Den Gemeindebriefen der ersten missionarsgeneration waren briefköpfe vorangestellt, die in ihrem Duktus den Eingangsformeln offizieller kaiserlicher Schreiben glichen. Die in den neutestamentlichen briefen mehrfach erwähnte, in kleinasien und Griechenland erhobene «kollekte» für die Ekklesia in Jerusalem erinnert an eine Steuer, wie sie auch die Juden freiwillig an den Jerusalemer tempel zahlten. paulus untersagte den mitgliedern
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der korinthischen Ekklesia, einen rechtsstreit vor einem staatlichen Gericht oder, wie er sagt, «Gericht der Ungerechten» auszutragen und verwies auf das Gemeindegericht.65 christen sollten, nach den Vorstellungen des paulus, so in der Welt leben, «als ob sie nicht in ihr lebten»,66 d. h., die institutionen des Staates und seiner Untergliederungen sollten gegenüber den neuen, «kirchlichen» keine ernsthafte bedeutung haben. Demgegenüber hat die bekannte formel des römerbriefs, dass jede obrigkeit von Gott eingesetzt sei,67 lediglich pazifizierenden charakter: Sie entspricht der allgemeinen tendenz der frühen kirchenlehrer, sozialrevolutionären bestrebungen innerhalb der jungen bewegung durch Ermahnungen vorzubauen. nicht einmal der Verfasser der Johannesapokalypse, der von authentischem Hass auf das imperium beseelt war, strebte eine revolution an. Eine politische revolution war für die frühe kirche tatsächlich überflüssig, da sie sich ohne rücksicht auf das imperium ihre organisation gab, als ob das imperium nicht existierte. Dies war eine ideologische positionierung von politisch ohnmächtigen, die sich à la longue durée als bedrohlicher für die alte politisch-ideelle ordnung erweisen sollte als sämtliche bewaffneten rebellionen der kaiserzeit. Die repräsentanten der staatlichen ordnung, wie der kaiser und die Statthalter, spürten diese tendenz zunächst instinktiv und verfolgten die junge bewegung ohne genaue kenntnisse ihrer Dogmen mit tödlicher feindschaft. Ein traianisches reskript («antwortschreiben» auf anfragen) schuf eine präzisere rechtslage, die das bekenntnis zur christlichen religion als einen todeswürdigen Straftatbestand definierte. Die staatlichen behörden sollten allerdings von sich aus keine fahndungen einleiten, sondern nur regulären klagen von privatpersonen nachgehen. Wenn ein Verdächtiger oder eine Verdächtige angezeigt wurde, konnte er oder sie sich durch ein opfer an eine staatlich anerkannte Gottheit und die Verfluchung christi salvieren. bekannte er oder sie sich jedoch zu christus, war die Exekution die regelmäßige folge. Viele christen nahmen dieses martyrium auf sich. Die bewegung wurde durch ihren mut und ihre authentizität stärker, auch wenn sie noch im dritten Jahrhundert eine gesellschaftliche minderheit dar-
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stellte. Erst in dieser zeit kamen einige kaiser von der Strategie ab, Sündenböcke zur abschreckenden Wirkung zu bestrafen, und versuchten, die organisationsstruktur der kirche als ganze zu zerschlagen (siehe kap. Vii , S. 281). Das Scheitern dieser Versuche leitete dann die Wende zur fast vollständigen christianisierung der antiken Gesellschaft seit dem vierten Jahrhundert ein.
V. ExpANSIoNSpoLITIK, SEuCHE uND BÜRGERKRIEG (161–197 N. CHR.)
1. Die wiederaufnahme der Eroberungspolitik und ihr Scheitern (161–180 n. Chr.) antoninus pius starb am 7. märz 161 n. chr. einen friedlichen tod in seinem bett, nachdem er, wie sein biograph sagt, keine einzige Expedition, es sei denn zu seinen landgütern im Umkreis roms, durchgeführt hatte.68 mit diesen friedlichen zuständen sollte es nun bald ein Ende haben. Wie oben dargelegt, hatte antoninus auf Wunsch Hadrians 138 n. chr. einen Sohn der mit Hadrian verwandten multimillionärin Domitia lucilla, marcus annius Verus, adoptiert. Gleichzeitig hatte antoninus den gleichnamigen Sohn des im Januar 138 verstorbenen thronkandidaten lucius ceionius commodus an Sohnes statt angenommen. als pius starb, war nach den Usancen der römischen nomenklatur eigentlich nur marcus annius Verus durch den 139 n. chr. angenommenen namensteil «caesar» als gewünschter nachfolger ausgewiesen, während der Sohn des ceionius commodus gewissermaßen als eine art reservist für den fall, dass marcus durch krankheit oder tod ausschied, vorgesehen war. marcus bat jedoch den Senat, für seinen «adoptivbruder» eine annähernd gleiche machtstellung wie für ihn selbst zu akzeptieren. Der Senat folgte dieser bitte, reservierte allerdings den oberpontifikatfürmarcus.anlässlichdesgemeinsamenHerrschaftsantritts tauschten die beiden jungen männer als zeichen des Einvernehmens namensbestandteile untereinander aus und übernahmen zusätzlich namensteile ihres adoptivvaters. marcus annius Verus nannte sich fortan marcus aurelius antoninus, sein bruder nahm den namen lucius aurelius Verus an. Vereinfachend sprach man schon in der antike von dem brüderpaar als marcus und Verus. nur der ältere von beiden, marcus aurelius, hat in der Überlieferung ein markantes profil gewonnen: Er ist weit über den kreis
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von fachleuten hinaus als «philosophenkaiser» in Erinnerung geblieben. Die wichtigste rolle bei der Herausbildung dieser Sichtweise auf den kaiser spielen die «Selbstbetrachtungen»: ein außergewöhnliches, von ihm selbst verfasstes buch, dem er – vor allem während der Jahre in den donauländischen feldlagern seit 170 n. chr. – intime autobiographische und philosophische reflexionen anvertraut hat. außergewöhnlich ist an diesen «notizheften» (hypomnematia), wie marcus selbst das Werk nannte, dass es nicht für die publikation bestimmt war, so dass der kaiser ohne rücksicht auf äußerliche Wirkung seinen Stimmungen ausdruck verleihen konnte. Wie diese notizen überlebt haben, ist ganz rätselhaft: Der erste sichere beleg für das Überleben des texts stammt aus dem frühen 10. Jahrhundert. Die Sammlung kurzer reflexionen sollte nicht innovativ sein, sondern seinem autor im akt des niederschreibens das Gefühl gewähren, in einer philosophischen lehre aufgehoben zu sein und eine Stütze zu finden. Häufig sind die Gedanken tief melancholisch: «In einem Augenblick wirst Du nur Asche oder ein Skelett sein, oder nur noch ein Name oder nicht mal ein Name. Ein Name – ein leeres Geräusch, ein Echo. Das, was in diesem Leben besonders geschätzt wird – leer, dreckig, armselig, Hunde, die sich in einander verbeißen, Kinder, die sich zanken, die lachen und im nächsten Augenblick heulen.»69
Diesem resignativen zug stehen passagen gegenüber, in denen marcus die kosmopolitische tradition der Stoa aus innerer Überzeugung zu ergreifen scheint: «Wenn die Intelligenz uns allen gemeinsam ist, dann auch die Vernunft, kraft derer wir vernunftbegabte Wesen sind. Wenn dies zutrifft, dann ist auch die Einsicht in die Regeln, was zu tun und was zu unterlassen ist, allen Menschen gemeinsam. Also ist das Gesetz für alle das gleiche. Dann sind wir alle Bürger und haben alle an einem Staat Anteil. Und dann ist der Kos mos wie eine einzige Stadt.»70
abschnitte wie diese haben das bild vom philosophenkaiser und seiner ganzen Epoche, die der britische Historiker Edward Gibbon im 18. Jahrhundert die «glücklichste und beste des ganzen men-
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schengeschlechts» genannt hat, wesentlich geformt. in der praktischen politik war marcus allerdings ein weitaus konventionellerer Herrscher als in seinen philosophischen tagebüchern. im bereich des Sklavenrechts, dem quantitativ gewichtigsten teil seiner legislativen tätigkeit (60 der über 300 erhaltenen Gesetze des marcus behandeln fragen, die Sklaven oder freigelassene betrafen), haben marcus und Verus zwar einige Härten abgemildert, aber das lag durchaus im trend der zeit und ist nicht durch die orientierung an einer humanen philosophie wie der Stoa zu erklären. Den Erleichterungen steht zudem eine ganze reihe von Verschärfungen des Sklavenrechts gegenüber. normalerweise schützte beispielsweise das römische recht Sklavenhalter davor, durch unter folter erzwungene aussagen ihrer eigenen Sklaven einer Straftat überführt zu werden. Doch marcus erlaubte die Sklavenfolter zur belastung von dessen Herrn ausdrücklich immer dann, wenn die «majestät» des imperators betroffen war, also etwa, wenn der Sklavenbesitzer im Verdacht stand, sich beleidigend gegen den imperator geäußert zu haben. Von der gemeinsamen polis aller menschen, die alle an dem einen recht und der einen Vernunft teilhaben, wie sie marcus in seinen privaten notizheften pries, ist hier nichts zu spüren. Die außenpolitik von marcus und Verus war ebenso wie ihre Gesetzgebung unbeeinflusst von humanitären ideen und ausschließlich an den militärischen und fiskalischen interessen des imperiums orientiert. Die kaiserlichen brüder gingen davon aus, dass die mittlerweile erfolgte konsolidierung der römischen ressourcen die Wiederaufnahme der interventionistischen militärpolitik erlaube. So endete fast gleichzeitig mit ihrem Herrschaftsantritt die nachtraianische Ära einer verhältnismäßig friedlichen außenpolitik des imperiums, die ein knappes halbes Jahrhundert gewährt hatte. Die erste Etappe der neuen kriegsepoche bildete der partherkrieg von 161 bis 166 n. chr. Der parthische monarch Vologaises iV. hatte, kurz nach dem tod von pius, unter Verletzung des abkommens von Rhandeia (64 n. chr., s. oben S. 82) in armenien einen arsakiden mit namen pakoros eingesetzt, ohne die neuen kaiser zu konsultieren. Übrigens hatte auch antoninus pius zwanzig Jahre zuvor «den ar-
Eroberungspolitik und ihr Scheitern 187
meniern einen könig gegeben»,71 wie er auf seinen münzen mitteilen ließ. Seinerzeit hatte der imperator offenbar parthische irritationen mit einem offiziellen Schreiben beilegen können. 161 n. chr. reagierte die römische Seite hingegen sofort mit militärischer Gewalt: aus der provinz kappadokien, die eine gemeinsame Grenze mit dem königreich armenien hatte, ließ der römische militärgouverneur einen teil der ihm unterstehenden provinzialarmee in armenien einmarschieren. bei Elegeia, nur wenige kilometer östlich der armenisch-kappadokischen Grenze, erlitt diese interventionsarmee gegen die parther eine vernichtende niederlage. anschließend ließ Vologaises sein Heer in Syrien einmarschieren (vgl. karte S. 189). Die beiden augusti reagierten darauf mit massiven truppenverlegungen an die ostfront. Die operationen standen unter der alleinigen leitung des jüngeren bruders Verus, der sein Hauptquartier in Antiochia am orontes aufschlug. 163 n. chr. vertrieben römische truppen die parther aus Syrien und nahmen die armenische Hauptstadt Artaxata ein. im folgenden Jahr ließ Verus einen romanisierten arsakiden und römischen Senator, Gaius iulius Sohaemus, als armenischen könig einsetzen, für den eine neue Hauptstadt, Kainepolis: die «neustadt», errichtet wurde. 165 n. chr. stießen römische Heereskolonnen unter der führung von Gaius avidius cassius den Euphrat entlang in richtung auf das ehemalige babylonien, das zentrum des parthischen reiches, vor. Ktesiphon, die auf dem rechten tigrisufer gelegene Hauptstadt des reiches, wurde genommen und der königspalast zerstört. Die bevölkerung der Großstadt Seleukeia, einer über 450 Jahre alten, ursprünglich griechischen polis auf dem gegenüberliegenden flussufer, öffnete dem römischen Heer die tore. Dennoch wurde die Stadt geplündert und vollständig niedergebrannt. Die einstmals blühende, multikulturelle metropole, die im zweiten Jahrhundert noch 400 000 Einwohner gehabt haben soll, erholte sich nie mehr von diesem Schlag. als die offiziellen nachrichten über diese aktionen rom erreichten, billigte der Senat dem imperator lucius Verus einen triumph zu und gestattete ihm, sich zukünftig parthicus maximus («Größter parthersieger») zu nennen, wodurch seine Erfolge un-
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missverständlich über diejenigen traians gestellt wurden, der 116 n. chr. nur zum «einfachen» parthicus erhoben worden war. Vologaises fand sich nach der kette von rückschlägen zu erheblichen zugeständnissen bereit. Er erkannte den römischen prätendenten auf dem armenischen thron und dessen neue residenzstadt Kainepolis (Etschmiazin) an. Die kleinstaaten des nördlichen mesopotamiens (vor allem osrhoëne und nisibis) wurden römische klientelstaaten und erhielten römische Garnisonen. Die parthische karawanenstadt Dura Europos, die einen der wichtigsten Übergänge über den Euphrat kontrollierte, wurde direkt dem römischen Statthalter Syriens unterstellt und mit einer Garnison belegt. auf die Einrichtung neuer provinzen verzichteten die imperatoren, wahrscheinlich in Erinnerung an die aufstände von 116 n. chr. und ihre katastrophalen folgen. Die triumphfeierlichkeiten für die im osten erkämpften Siege wurden von beiden augusti am 12. oktober 166 in rom abgehalten. zu diesem zeitpunkt war die euphorische Stimmung der vorhergehenden Jahre bereits deutlich getrübt. Ein Grund dafür war, dass die Soldaten der verischen armee aus mesopotamien eine sich epidemisch ausbreitende, tödliche krankheit ins reich und auch nach rom mitgebracht hatten. bis in die Spätantike hielt sich hartnäckig eine in verschiedenen Versionen überlieferte Geschichte, der zufolge die Soldaten des Verus während der plünderung von Seleukia eine unzugängliche kammer gewaltsam geöffnet hätten, aus der ein «urtümliches Verderben» entwichen sei, das sich der mordbrennenden Soldaten bemächtigt habe.72 in diesem mythos drückt sich unverkennbar das schlechte Gewissen der angreifer aus, möglicherweise bewahrt er aber auch eine authentische Erinnerung an die Ereignisse von 165 n. chr.: Das sumpfige klima der babylonis und die vielen verwesenden leichen hatten jedenfalls günstige bedingungen für den ausbruch der Seuche geboten. außerdem warf ein neuer, langwieriger krieg seine Schatten voraus. Die spätantike Vita des marc aurel bemerkt dazu lakonisch: «Während der parthische krieg noch geführt wurde, entstand der markomannische.»73 Die markomannen, ein aus den Sueben hervorgegangener Stammesverband, der nördlich von
CYR ENE
C RE TA
AEGYPTUS
Alexandria
Mittelmeer
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SYRIA PALAESTI NA
CY PRUS
Melitene
Eu ph ra t
ARABIA
Petra
Totes Meer
SYRIA PHOENIC E
Palmyra
Nisibis
Vansee
ARMENIA
Kainepolis
Die östlichen Provinzen
ME DIA
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Ktesiphon
Persischer Golf
PA R T H I S C H E S REICH
Urmiasee
Artaxata
(Provinzgliederung der severischen Zeit)
SKENITISCHE ARABER
Seleucia
Dura-Europus
Hatra
M ESOP O TA M IA
O SRH O EN E Edessa
SYRI A COELE
Zeugma
Emesa
Antiochia
CI LI CIA
GA L AT I A
C A P PA D O C IA Caesarea
Satala
Schwarzes Meer
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BITHYNIAPONTUS
LY C IA PA M P HY L I A
A S IA
Byzantium
Ephesus
THRA CIA
Eroberungspolitik und ihr Scheitern 189
190 V. Expansionspolitik, Seuche und Bürgerkrieg
noricum und Westpannonien im Gebiet des heutigen böhmen seine Wohnsitze hatte, haben dem großen, durch eine kurze friedensphase unterbrochenen krieg an der nordgrenze des römischen imperiums (166/70–175 und 178–180 n. chr.) eher zufällig den namen gegeben. betroffen war eine ganze reihe von Völkern unterschiedlicher ethnischer zugehörigkeit: neben den römern die sogenannten «freien Daker» (die außerhalb der traianischen provinz Dacia geblieben waren), kelten, Germanen wie die Quadi, markomannen, Hermunduren, aber auch sarmatische iraner (iazygen, roxolanen) und andere. Die Quellenlage für diesen epochalen krieg ist wie bei der mehrzahl der kaiserzeitlichen kriege sehr schlecht, vielleicht noch etwas schlechter als gewöhnlich. Die wichtigste bekannte Erzählung, die des cassius Dio, ist nur noch in wenigen Exzerpten erhalten. ansonsten existieren noch einige von verschiedenen Schriftstellern überlieferte anekdoten sowie die unzuverlässigen biographien des marcus, Verus und commodus in der Historia Augusta. Hinzu kommen inschriftliche und archäologische zeugnisse, die in der forschung unterschiedlich gewichtet und eingeordnet werden. aufgrund dieser mangelhaften Quellenlage wird der ablauf der kriegsereignisse in der forschung sehr unterschiedlich dargestellt. an dieser Stelle kann keine rekapitulation der komplexen Diskussion mit ihren zahlreichen Verzweigungen erfolgen. Eine kurze begründung für die Wahl der hier vertretenen Sicht ist jedoch unumgänglich: Die einzige halbwegs zusammenhängende und daher äußerst einflussreiche Darstellung der Ereignisse stammt aus der marcusbiographie der Historia Augusta. Doch diese Erzählung ist zutiefst ambivalent, weil sie ganz unterschiedliche und einander widersprechende traditionen hinsichtlich der Ursachen der «markomannischen» kriege miteinander zu verbinden versucht hat. Die erste, bis heute stark nachwirkende tradition ist vor allem in der rahmenerzählung fassbar. Dort heißt es, dass sich «alle Völker, vom äußersten illyrien (also der westlichen Schwarzmeerküste) bis nach Gallien» zu einem gemeinsamen Überfall auf das reich «verschworen» hätten.74 mit dieser theorie von der «Verschwörung
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MOESIA INFERIOR
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Die Rhein- und Donaugrenze im 2. Jh. n. Chr.
Eroberungspolitik und ihr Scheitern 191
192 V. Expansionspolitik, Seuche und Bürgerkrieg
der Völker» verband der autor wirkungsvoll, aber nicht ganz stimmig eine art Dominotheorie, der zufolge die am nordufer der Donau siedelnden Völker durch germanische Wanderbewegungen in nord- und mitteleuropa so stark unter Druck geraten seien, dass ihnen die flucht in das imperium als einziger ausweg geblieben sei. Diese Darstellung der Historia Augusta ist seit Jahrhunderten immer wieder aufgegriffen und in machtvollen Sprachbildern, etwa von den «Sturmfluten» der Völker, die die römischen provinzen «überschwemmten», kolportiert worden.75 in der kollektiven Erinnerung verbindet sich mit diesen bildern die Vorstellung vom beginn der großen, spätantiken Völkerwanderungen. Vermutlich ist in der Erzählung der Historia Augusta eine verschwommene Erinnerung an die gotische abwanderung aus dem mittleren Weichselraum verarbeitet, die sich allerdings – wenn sie aus den archäologischen Quellen richtig rekonstruiert ist – nicht wie eine «lawine» durch Europa wälzte, sondern als langsame, achtzig Jahre dauernde Expansionsbewegung vollzog, deren zielgebiet auch nicht die mittlere Donau, sondern die region nördlich und nordwestlich des Schwarzen meeres war (siehe kap. Vii ). Doch neben dieser rahmenerzählung von der Völkerverschwörung und der Völkerflut gibt es auch eine detaillierte Erzählung, die zweite traditionslinie, der der autor der Historia Augusta in der Darstellung des krieges verpflichtet ist und die mit der ersten nicht harmoniert. in der detaillierten Erzählung hat es das römische imperium durchaus nicht mit unwiderstehlichen «Völkerfluten» zu tun, sondern fast ausschließlich mit seinen nachbarn nördlich der Donau, die am Ende der kriegsereignisse dieselben Siedlungsräume bewohnen wie zu beginn. Die von norden «großen Druck ausübenden» Völker und ihre «Verschwörung» verschwanden in dieser Detailerzählung vollkommen, weil sie nicht in die Darstellung integriert werden konnten. Die markomannen und ihre nachbarn waren 167, 175 und 180 n. chr. der Historia Augusta zufolge zu friedensschlüssen auf der basis des Status quo oder zu verschlechterten bedingungen bereit. Wie konnten sie das, wenn sie doch von norden aus ihren Siedlungsräumen gedrängt wurden? Unüberwindliche Schwierigkeiten macht dem biographen auch
Eroberungspolitik und ihr Scheitern 193
der Umstand, dass die Völkerlawine bereits 165/166 n. chr., als der partherkrieg noch nicht beendet war, losgebrochen sein soll, marcus aber vier Jahre, bis 170, brauchte, bis sein Expeditionsheer an die Grenze geführt worden war. in der zwischenzeit sollen die Statthalter im Donauraum die Völkerflut, so die Historia Augusta, «durch kunst» (arte) aufgehalten haben, was auch immer das bedeuten soll.76 besser als eine künstliche Vereinigung der widersprüchlichen Erzählungen erscheint es daher, der plausibleren traditionslinie, also der detaillierten Erzählung zu folgen. Es zeichnet sich dann etwa folgender ablauf der Ereignisse ab: Ende 165 oder anfang 166 n. chr. erschien eine etwa 6000 männer, frauen und kinder starke Wandergruppe aus elbgermanischen obiern und langobarden an der mittleren Donau, um mit den römischen autoritäten über einen beitritt zum imperium zu verhandeln. Die Verhandlungen scheiterten, woraufhin die Gruppe eigenmächtig die Donau überschritt. Die in der nähe von brigetio (vgl. karte S. 49) stationierten Hilfstruppen schlugen jedoch die Germanen rasch und ohne größere probleme in die flucht. Die nördlich der Donau siedelnden Völker wählten in folge der Ereignisse von 166 n. chr. den markomannenkönig ballomarius zum leiter einer Gesandtschaft, der sich bei dem Statthalter oberpannoniens, iallius bassus, dafür entschuldigen sollte, dass dem langobardisch-obischen Wanderverband freier Durchzug durch markomannisches Gebiet (böhmen) gewährt worden war. bassus akzeptierte die Entschuldigung, und die alten Verträge zwischen rom und den klientelkönigtümern nördlich der Donau wurden erneut beeidet. Darauf folgte seit 167 n. chr. eine massive römische mobilisierung an der mittleren Donau. in italien wurden zwei neue legionen ausgehoben; mit diesen neuen Einheiten standen für den aufmarsch auf relativ engem raum, abgesehen von Hilfstruppen, sieben legionen zur Verfügung. Die legionen wurden so gruppiert, dass sie die nahezu rechteckige Ebene zwischen Donau und theiß umschlossen. Hier siedelten seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert die irano-sarmatischen iazygen (vgl. karte S. 191), die aus ihren alten Siedlungsgebieten (im kaukasus?) ihre
194 V. Expansionspolitik, Seuche und Bürgerkrieg
traditionelle reiterkultur mitgebracht und bewahrt hatten. Dass ausgerechnet sie objekt des geplanten angriffs werden sollten, ist kaum auf konkrete Vergehen der iazygen zurückzuführen, als vielmehr darauf, dass marcus die alte augusteische Expansionspolitik wieder aufnahm, die im wesentlichen das ziel verfolgte, die lücken zu schließen, die vergangene Eroberungen offen gelassen hatten. Dass an diese politik gerade jetzt im großen Stil angeknüpft wurde, hängt wohl auch damit zusammen, dass marcus sich durch die militärischen Erfolge seines jüngeren bruders im partherkrieg in seinem Stolz und Geltungsbedürfnis zurückgesetzt fühlte. marcus und Verus brachen im frühjahr 168 n. chr. in das aufmarschgebiet auf. in Aquileia, wo sie einen längeren aufenthalt einlegten, erreichte sie eine gemeinsame Gesandtschaft der Völker nördlich der Donau, die um frieden nachsuchte. lucius Verus sei, dem bericht der Historia Augusta zufolge,77 geneigt gewesen, auf die angebote einzugehen und den aufmarsch abzubrechen. Dabei spielte wohl – abgesehen davon, dass Verus sich seine militärischen auszeichnungen bereits verdient hatte – eine rolle, dass die nach norden ziehenden truppen die aus dem orient eingeschleppte tödliche Seuche mitbrachten. Der leibarzt der kaiserlichen brüder, Galen, berichtet in seinen Erinnerungen an diese zeit vom massensterben unter der zivilbevölkerung und den Soldaten. Doch marcus, der Senior der beiden Herrscher, widersetzte sich einem friedensabkommen. im lauf des Jahres 168 n. chr. inspizierten die beiden imperatoren die im aufbau befindliche front, marcus zum losschlagen drängend, Verus eher widerwillig. im Winter 168/169 n. chr. begaben sich die imperatoren auf Verus’ Wunsch wieder nach italien. Doch die Epidemie begleitete das zurückverlegte kaiserliche Hauptquartier. als die Seuche Aquileia erreichte, brachen die kaiserlichen brüder in richtung rom auf, doch nach nur kurzer Wegstrecke ereilte Verus 169 n. chr., möglicherweise im februar, in Altinum der tod durch einen Schlaganfall. marcus gab seinem bruder daraufhin das letzte Geleit in die Hauptstadt, wo der Verstorbene vergöttlicht und standesgemäß beigesetzt wurde. zu diesem zeitpunkt waren die kaiserliche und die Staatskasse bereits so stark strapaziert, dass sich marc aurel zu dem spekta-
Eroberungspolitik und ihr Scheitern 195
kulären und öffentlichkeitswirksamen Schritt entschloss, mobiliar, Schmuck und Garderobenstücke aus kaiserlichem privatbesitz zu versteigern, um Geld für die kriegskasse einzunehmen. Die Epidemie hatte in die Expeditionsarmee unterdessen so enorme lücken gerissen, dass sich der imperator entgegen dem Herkommen dazu entschloss, unter Sklaven, Gladiatoren und dalmatischen banditen Soldaten zu rekrutieren. Doch alle diese Widrigkeiten und rückschläge konnten marcus nicht von dem angriffsplan gegen die iazygen abbringen. Der Historia Augusta zufolge sollte der niederwerfung der iazygen die Unterwerfung und annexion der Quaden und markomannen folgen.78 Doch so weit kam es nicht. Der erste Vorstoß der römischen legionen endete 170 n. chr. als misserfolg, mit schweren Verlusten und dem rückzug über die Donau und die theiß. nach dem römischen angriff stimmten die betroffenen Völker, vor allem die Quaden, markomannen, iazygen und kostoboken, ihre politik stärker aufeinander ab, und ad hoc gebildete abteilungen unternahmen Strafexpeditionen bis tief in imperiales Gebiet hinein, die römische kräfte banden, aber keine nachhaltige strategische Wirkung hatten. besonders nachdrücklich in Erinnerung geblieben ist der Überfall einer markomannisch-quadischen Gruppe auf die venetische Stadt Opitergium (oderzo) in nordostitalien, der erste germanische angriff auf eine italische Stadt seit dem kimbernzug 101 v. chr. Doch noch im lauf des Jahres 171 n. chr. gingen römische Verbände nördlich der Donau wieder zur offensive über. Der imperator leitete die operationen in unmittelbarer frontnähe von dem Hauptquartier in Carnuntum (niederösterreich) aus. Die allianz der Gegner erwies sich in der Defensive als brüchig, die römischen angreifer konnten einzelne fürstentümer besetzen, ohne dass wirksame Hilfe von den nachbarn geleistet wurde. bereits Ende 171 n. chr. konnten die Quaden wieder in ein separates Vertragsverhältnis gebracht werden, das ihnen harsche bedingungen auferlegte. archäologische und epigraphische funde (lagerreste und inschriften, zum beispiel in trenčin in der westlichen Slowakei) zeigen zudem, dass der ausbau der römischen besatzungsstruktu-
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ren nördlich der Donau entschlossen vorangetrieben wurde. Die Quaden waren offenkundig ausersehen, teil der projektierten provinz Marcomannia zu werden. ihren Versuch, zu den als stammverwandt angesehenen Semnonen auszuwandern, unterband marcus mit militärischen mitteln. Die chronologie der folgenden kriegsjahre 172–175 n. chr. ist nahezu heillos verwirrt. mehrfach ist in den erhaltenen fragmenten aus cassius Dios Geschichtswerk angedeutet, dass die Quaden auch nach 172 ihre endgültige Unterwerfung noch nicht akzeptierten und ziel von angriffen wurden. aber das Hauptaugenmerk des kaisers richtete sich in diesen vier Jahren auf die markomannen und die sarmatischen iazygen. in dieser zeit soll marcus einen Völkermord an den iazygen geplant haben,79 der allerdings aufgrund der militärischen kräfteverhältnisse nicht umgesetzt werden konnte. 175 n. chr. schloss der imperator mit den iazygen einen friedensvertrag, der die auslieferung der über 100 000 Gefangenen und Überläufer durch die iazygen vorsah und sie zur Stellung militärischer bundeshilfe verpflichtete. Die friedensbereitschaft des kaisers stellte sich vor dem Hintergrund einer krisenhaften zuspitzung der politischen Situation im imperium ein. Die wachsenden kriegskosten und der steigende Steuerdruck führten zu Steuerflucht der bevölkerung und zu regionalen rebellionen wie dem sogenannten «Hirtenaufstand» im nildelta (171/172 n. chr.). als im frühjahr 175 n. chr. das Gerücht die runde machte, der imperator sei gestorben, ließ sich avidius cassius, der von marcus mit der bekämpfung der ägyptischen rebellen betraut worden war, von seinen truppen zum imperator ausrufen. Diese Usurpation fand in einem Gebiet, das von Syrien bis Ägypten reichte, und bei sieben legionen anerkennung. Die kriegsgegner des marcus schlossen in dieser Situation bereitwillig frieden mit dem imperator, was sie ja bereits sieben Jahre zuvor angeboten hatten. mehr noch: Sie beteiligten sich aktiv an dem kriegszug gegen avidius cassius; allein die iazygen stellten 8000 reiter für diesen krieg an der Seite von marcus. zu größeren kämpfen kam es indes nicht mehr: cassius wurde im Juli 175 von Soldaten seines Heeres ermordet, woraufhin die
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gesamte rebellion sofort zusammenbrach. Der vorbereitete feldzug in die ostprovinzen wurde dennoch unter marc aurels leitung durchgeführt, zum einen als Strafexpedition gegen die Unterstützer der «rebellion des ostens», zum anderen um vor augen zu führen, dass der imperator noch lebte. auf die bei solchen Gelegenheiten üblichen Schauprozesse und öffentlichen Exekutionen verzichtete marcus weitgehend und setzte auf Versöhnung. im Dezember 176 feierte er einen triumph über Germanen und Sarmaten und konnte damit endlich im Hinblick auf militärisches prestige mit seinem verstorbenen bruder gleichziehen. im Sommer 177 wurde sein einziger überlebender Sohn – vier oder fünf seiner Söhne waren im kindesalter gestorben –, lucius aurelius commodus, durch «Senat und Volk» zum augustus und damit zum gleichberechtigten mitherrscher marc aurels ernannt. Wenige monate später beschloss der imperator, den 175 n. chr. unterbrochenen Eroberungskrieg nördlich der Donau wieder aufzunehmen und ihn, in den Worten des biographen, «endgültig abzuschließen».80 in der christlichen literatur ist die zeit, in der der sogenannte «zweite Germanische feldzug» marc aurels vorbereitet wurde, als eine phase besonders scharfer antichristlicher repression in Erinnerung geblieben. Ein zeitgenosse der Ereignisse, athenagoras von athen, beklagte sich in seiner um 178 n. chr. an marcus und commodus gerichteten petition, dass die christen nur um ihres namens willen mit kaiserlicher billigung systematisch gejagt und misshandelt würden. Der berühmte brief der christlichen Gemeinden von Lugdunum (lyon) und Vienna (Vienne), in denen diese ihren Schwestergemeinden in den provinzen Asia und Phrygia von den extrem gewalttätigen und vom kaiser gestatteten pogromen gegen die christen von Lugdunum berichten, ist ein weiteres zeugnis für den Staatsterror jener Jahre. marc aurel verfuhr offenbar nach einer trivialen Sündenbock- und ablenkungsstrategie. Die Gesamtsituation des imperiums war in der tat beängstigend. Während der Hochphase der durch die militärbewegungen weit verbreiteten Epidemie mussten jährlich wahrscheinlich zehn bis zwanzig prozent der mannschaftsbestände ersetzt werden. Überall im reich waren rekrutierungsoffiziere unterwegs, um
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junge männer für die Schlachtfelder an der Donau in Dienst zu stellen. Um dem stetig steigenden Steuerdruck und den rekrutierungen zu entkommen, entschlossen sich wahrscheinlich viele, Haus und Hof zu verlassen. aus einem regierungsbezirk in nordostägypten ist eine Statistik aus den frühen 170er Jahren erhalten, die die Schrumpfung einzelner Dorfpopulationen gegenüber den alten Steuerregistern festhält: in einzelnen Dörfern des bezirks fehlten über siebzig prozent, in anderen sogar weit über neunzig prozent der ursprünglich ansässigen Steuern zahlenden bevölkerung. Die fluchtbewegung und auch die durch die Epidemie bedingte Sterblichkeit können nicht überall so drastisch zutage getreten sein, aber die krisensymptome sind insgesamt eindeutig: Die «glückseligste zeit des menschengeschlechts» war offenbar nicht angebrochen. Vor diesem Hintergrund erfolgte am 3. august 178 n. chr. der offizielle aufbruch der beiden augusti an die Donaufront. in der kurzen zeit, die marcus noch als befehlshaber an der nordfront bis zu seinem tod am 17. märz 180 verblieb, gelang es, im Siedlungsgebiet der markomannen und Quaden (vgl. karte S. 191) besatzungstruppen in der Größenordnung von 20 000 mann fest zu etablieren, die an ihren Garnisonsstandorten bereits lagerbäder errichteten – ein deutliches zeichen dafür, dass sich die besatzer dauerhaft einzurichten gedachten. Die römer führten in der formulierung eines modernen forschungsartikels einen «rigorosen Vernichtungskrieg gegen die dortige bevölkerung und deren Ernährungsgrundlage».81 «Wäre ihm (marcus) nur ein einziges Jahr mehr vergönnt gewesen, hätte er aus diesen (den markomannen, Quaden und iazygen) provinzen gemacht», schrieb bedauernd der spätantike biograph des marcus aus ferner rückschau.82 Doch der vollkommen erschöpfte imperator verstarb im frühjahr 180 in einem feldlager (in Vindobona oder Sirmium), vielleicht an den folgen einer krebserkrankung oder als opfer der immer noch virulenten Seuche, die die römischen truppen 15 Jahre zuvor von den mesopotamischen kriegsschauplätzen in das imperium eingeschleppt hatten. Sein Sohn war nicht bereit, den «Vernichtungskrieg» nördlich der Donau weiterzuführen.
Rückkehr zur hadrianischen Friedenspolitik 199
2. Commodus (180–192 n. Chr.): Ein gewaltsüchtiger Herrscher kehrt zur hadrianischen Friedenspolitik zurück Einen tag vor seinem tod am 17. märz 180 n. chr. hatte marc aurel der Darstellung des zeitgenössischen Historikers Herodian zufolge seinen einzigen überlebenden Sohn lucius aurelius commodus, der bereits seit 177 n. chr. sein formal gleichberechtigter mitherrscher war, seinen engsten beratern in einer letzten ansprache anvertraut.83 Damit war die absicht verbunden, den erst 18-jährigen augustus unter eine art politische aufsicht zu stellen und damit ein gewisses maß an kontinuität in der innen- und vor allem der außenpolitik sicherzustellen. als Wortführer des beratergremiums, das die kriegspolitik unter marcus über viele Jahre wesentlich mitgeprägt hatte, erscheint in den Quellen tiberius claudius pompeianus, der mit der ältesten Schwester des commodus, lucilla augusta, der Witwe des verstorbenen augustus lucius Verus, verheiratet war – eine Verbindung, die ihm ein immenses politisches Gewicht verlieh. Unter dem Druck der männer um pompeianus entschloss sich commodus dazu, noch einen weiteren feldzug gegen die Quaden zu unternehmen. Doch bereits nach wenigen monaten brach er zur großen Enttäuschung der berater seines Vaters diese Expedition nördlich der Donau ab und begab sich nach rom, wo er im oktober 180 n. chr. einen triumph für die Siege an der Donau feierte. Die beilegung der kampfhandlungen übertrug er den zurückgelassenen befehlshabern, die möglicherweise noch einige (sehr schlecht dokumentierte) militärische operationen durchführten, allerdings ohne nachhaltige Erfolge. nach und nach wurden alle angriffe eingestellt und mit den fürstentümern nördlich der Donau friedensabkommen geschlossen. nach Herodian waren diese friedensschlüsse von rom mit dem Versprechen hoher kontributionszahlungen erkauft. cassius Dio nennt darüber hinaus eine reihe präziser friedensauflagen, die die suebischen und sarmatischen Stammesstaaten akzeptierten. Ein fünf meilen (7,5 kilometer) breiter Streifen «an der Grenze von
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Dakien» hatte vollständig unbewohnt zu bleiben; die an den kriegen des letzten Jahrzehnts beteiligten Volksgruppen mussten Gefangene und Deserteure übergeben sowie Getreide und Waffen an rom liefern. ferner mussten Quaden und markomannen truppen für die römische armee stellen, alleine die Quaden 13 000 mann (für die markomannen wird keine zahl genannt). Volksversammlungen durften die Germanen nur noch in anwesenheit eines römischen Unteroffiziers an einem von den römern angewiesenen ort abhalten. Untereinander krieg zu führen, wurde ihnen untersagt. Diese von Dio genannten friedensbedingungen klingen eher nach einem römischen Diktat, doch schließt das keineswegs aus, dass auch die von Herodian postulierten Subsidienzahlungen geflossen sind, die ja in ihrer funktion, wie bereits oben erwähnt, mit «militärhilfen» vergleichbar sind, mit denen moderne hegemoniale Staaten ihre Dominanz gegenüber Staaten in einem klientelverhältnis absichern. Die antiken Historiker legen großen Wert darauf, dass commodus den politikwechsel an der Donau unter dem Einfluss verantwortungsloser berater seiner nächsten Umgebung vollzog, darunter freigelassene Sklaven, die ihm den luxus der Hauptstadt im kontrast zu dem gefährlichen, aber auch eintönigen leben an der front vor augen hielten. Der wahre kern mag sein, dass der jugendliche kaiser, der bis zum tode seines Vaters wenig Gelegenheit gehabt hatte, das Vertrauen und die achtung der alten Staatsmänner aus dem Umkreis marc aurels zu erwerben, sich zunächst an seiner gewohnten Umgebung, d. h. seinen Dienern und Spielgefährten orientierte. bei claudius war dies etwa anderthalb Jahrhunderte zuvor ganz ähnlich gewesen. Das bedeutet allerdings nicht, dass die friedensschlüsse als solche von einer kapriziösen Einfalt eingegeben worden waren. in dem kreis um claudius pompeianus scheint sich früh der noch von der Historia Augusta reflektierte mythos herausgebildet zu haben, dass nur noch eine kurze anstrengung nötig gewesen wäre, um die fürstentümer nördlich der Donau zu zerstören oder zu annektieren. Doch die reichsfinanzen und die bevölkerung waren ohne nachhaltige Erfolge bis zur Erschöpfung strapaziert worden,
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so dass der reichsleitung praktisch keine andere option blieb, als den Gegnern friedensverträge anzubieten, die diese erfreut annahmen. Das imperium konnte von Glück sagen, dass es diese option noch hatte. Wäre es wirklich mit einer fast unbesiegbaren «Völkerflut» konfrontiert gewesen (oben S. 192 f.), hätte es wohl kaum eine friedensarchitektur aushandeln können, die im Wesentlichen die politische landkarte von 165 n. chr. wiederherstellte. Der prozess der abnabelung des commodus von den verbitterten beratern seines Vaters war mit der Wendung zu einer friedenspolitik an der Donau noch nicht abgeschlossen, sondern vollzog sich in den folgejahren in schmerzvollen und gewaltsamen krisen. Eine rolle mag dabei gespielt haben, dass commodus die schroff und überlegen auftretenden ehemaligen ratgeber seines Vaters nicht als seinesgleichen akzeptierte. marc aurel hatte bei der auswahl seiner frontkommandeure auf Standeskriterien praktisch keine rücksicht genommen und ganz auf eine pragmatische personalpolitik gesetzt. publius Helvius pertinax etwa, der mehrere Jahre während der «markomannenkriege» erfolgreich an wichtigen frontabschnitten das kommando geführt und es bis zum consulat und zur Stadtpräfektur gebracht hatte, war wahrscheinlich der Sohn eines freigelassenen Wollhändlers. tiberius claudius pompeianus, der als eine art politischer Vermächtnisverwalter des verstorbenen kaisers auftrat, war ein politscher aufsteiger aus dem syrischen Antiochia. Diesen männern gegenüber fühlte sich commodus, der abkömmling eines patrizischen imperatorengeschlechts, der erste «in purpur geborene prinz»84 der kaisergeschichte, offenbar nicht rechenschaftspflichtig. Herodian gibt commodus’ Schwester lucilla eine schwere mitschuld bei der Eskalation des konflikts zwischen commodus und den «freunden» marc aurels.85 ihr war nach dem tod ihres ersten mannes, des kaisers Verus, gestattet worden, weiterhin kaiserliche insignien zu führen, etwa das sogenannte kaiserliche feuer vor sich hertragen zu lassen und sich augusta zu nennen. Doch nach seiner Eheschließung mit bruttia crispina reservierte commodus diese Ehrenrechte für seine Gemahlin. in ihrer Erbitterung über die erlittene zurücksetzung soll lucilla einen kreis jugendlicher Ver-
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ehrer um sich gesammelt haben, die sie anstiftete, einen anschlag auf das leben des kaisers durchzuführen. Wäre dieser anschlag geglückt, hätte wohl ihrem mann claudius pompeianus der Weg auf den thron freigestanden. Doch er schlug jämmerlich fehl. Es folgten die in solchen Situationen üblichen Verhaftungen, peinlichen Verhöre und Exekutionen. Die Vertrauten der lucilla augusta wurden exekutiert, lucilla selbst zunächst verbannt, aber wenig später ermordet. zu den prominentesten opfern des kaiserlichen rachefeldzuges gehörten die brüder Quintilius maximus und Quintilius condianus, die beide hohe kommandopositionen an der Donaufront bekleidet hatten. claudius pompeianus, der wohl am meisten von dem Gelingen des anschlags profitiert hätte, erhielt die Erlaubnis, sich aus der politik zurückzuziehen. mit dem anschlag von 182 (oder 181) n. chr. war das Verhältnis zwischen commodus und der älteren politikergeneration endgültig zerrüttet. Wenn der extrem misstrauisch gewordene junge imperator in der zukunft noch jemandem sein Vertrauen schenkte, handelte es sich um ritter oder freigelassene Sklaven, die in ihrer position vollkommen von ihm abhängig waren. Doch so vorbehaltlos er auf einzelne personen über Jahre hinweg setzen konnte, so plötzlich und vollständig entzog er dieses Vertrauen auch wieder, wenn er glaubte, einmal mehr enttäuscht worden zu sein. Die Geschichte seines prinzipats ist dementsprechend von den antiken Historikern als eine aufeinanderfolge von aufstieg und fall persönlicher Günstlinge geschrieben worden, die meist in den dunkelsten farben als hemmungslose und von rücksichtsloser bereicherungsgier getriebene karrieristen geschildert werden. Schon in der Generation nach commodus rankten sich teilweise einander erheblich widersprechende legenden um die rasch aufgestiegenen und jäh abgestürzten Günstlinge des kaisers. zu den profilierten karrieristen, die die frühen Jahre der Herrschaftszeit des commodus prägten, zählt etwa der prätorianerpräfekt tigidius perennis, der nach cassius Dio im Jahre 185 n. chr. zu fall gekommen sein soll,86 nachdem das römische besatzungsheer britanniens eine Gesandtschaft von insgesamt 1500 Soldaten nach rom entboten habe, um den jugendlichen imperator vor den
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verschwörerischen plänen des präfekten zu warnen. Unter dem Eindruck der aufgebrachten Soldatenmenge habe commodus seinen Günstling den legionären ausgeliefert, die den überrumpelten Gardepräfekten lynchten. andere berichte stimmen zwar darin überein, dass perennis 185 n. chr. in Ungnade fiel, schildern aber die Ereignisse um seinen Sturz in ganz anderer Weise. Ähnlich undurchdringlich ist das Dickicht der legenden um den bekanntesten und wohl am meisten verhassten Vertrauten des commodus, den freigelassenen Sklaven marcus aurelius cleander. als Sklave am kaiserlichen Hof war der gebürtige phryger in den kindertagen des commodus zeitweise dessen betreuer (tutor) gewesen. als imperator machte commodus den mittlerweile aus dem Sklavenstatus entlassenen cleander zu seinem kammerdiener und räumte ihm in dieser position weitgehenden Einfluss auf die personalpolitik des imperiums ein. auf dem zenit seiner macht wurde cleander zum dritten prätorianerpräfekten neben den beiden hauptamtlichen inhabern dieses postens ernannt, eine einmalige konstruktion in der Geschichte der kaiserzeit. Während einer Versorgungskrise im Jahre 190 n. chr. setzte sich dann in rom das wahrscheinlich von Gegnern cleanders gezielt ausgestreute Gerücht fest, die Getreideknappheit sei durch Spekulationen des phrygers herbeigeführt worden. als eine aufgebrachte menschenmenge seinen kopf forderte, ließ cleander Soldaten gegen sie einsetzen. als es daraufhin in rom zu heftigen und blutigen Straßenkämpfen kam, opferte commodus schließlich auch diesen Günstling dem Volkszorn, der bald darauf, nachdem cleander gelyncht worden war, abebbte. Ein weiteres Hauptthema der antiken autoren, die sich mit commodus befassen, sind dessen egomanische allüren, etwa die öffentlichen auftritte als Gladiator oder als reinkarnation des Halbgottes Hercules. Die berichte der zeitgenossen, speziell die der Historiker cassius Dio und Herodian, die auftritte von commodus aus nächster nähe miterlebt haben, wirken streckenweise phantastisch und ins Groteske übertrieben. Der in den 160er Jahren geborene cassius Dio, der unter commodus seine Senatslaufbahn begann und den Eskapaden und Drohungen des kaisers
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gelegentlich unmittelbar ausgesetzt war, scheint in dieser zeit eine regelrechte paranoia entwickelt zu haben. So schreibt er etwa: «Indem sich Commodus von seinen Vergnügungen und Spielen erholte, mordete er weiter und tötete die angesehenen Männer. (…) Viele Men schen fanden außerdem, nicht nur in der Stadt, sondern beinahe über das ganze Reich hin, durch Verbrecher den Tod. Diese bestrichen nämlich dünne Nadeln mit tödlichen Giftstoffen und infizierten damit für Geld andere Leute.»87
bei der lektüre dieser und einiger ähnlicher passagen drängt sich die frage auf, ob sie nicht teilweise auf die Einbildungskraft des traumatisierten cassius Dio, der in seinem leben manche todesangst hat ausstehen müssen, zurückzuführen sind. insgesamt aber sind die belege für die unberechenbaren Extravaganzen des commodus zu dicht, um sie als Erfindungen abtun zu können. beispielsweise gründete er rom als Colonia Commodiana neu und ließ die zwölf monate des römischen kalenders nach phantasienamen neu benennen, die er sich im lauf seiner regierungszeit gegeben hatte, beginnend mit Amazonius und bei Exsuperatorius («der alles Überragende») endend. beim abschlachten wilder tiere leistete er in der arena offenbar außerordentliches, so erlegte er einmal an einem einzigen tag hundert bären. regelmäßig verbrauchte er nur so viele Geschosse, wie er tiere erlegte, und setzte jeden Schuss sicher ins Herz. Seine auftritte als Hercules sind durch bildliche Darstellungen gut bezeugt. Dass commodus seine rolle als Gladiator ernster nahm als seine kaiserlichen aufgaben, stellte vor allem ein problem für die Eliten dar, die durch das Verhalten des imperators ihre Standesehre herabgewürdigt sahen. Große teile der italischen bevölkerung waren jedoch um die Ehre der Senatoren und des kaisers offenbar weit weniger besorgt, jedenfalls waren die auftritte des imperators in der arena gut besucht und stießen auf ein lebhaftes interesse. populär war commodus auch bei den Soldaten, zumindest bei den prätorianern, die alles andere als erfreut reagierten, als der junge kaiser 192 n. chr. ermordet wurde. insofern zeichnen die Quellen ein ganz einseitiges bild. massaker wie das an der bevölkerung von
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Seleukia am tigris 165 n. chr. oder pogrome wie das von Lug dunum 177 n. chr. kamen im übrigen unter commodus nicht vor; für bären und Strauße waren seine Herrschaftsjahre allerdings eine schlechte zeit. Die Sicht auf commodus ist vermutlich auch dadurch negativ beeinflusst worden, dass er die ökonomischen folgen der ehrgeizigen außenpolitik seines Vaters geerbt hatte und ihm die Schuld an diesen problemen zugeschrieben wurde. Jedenfalls lässt sich in Ägypten, wo sich als einziger römischer provinz alltagsdokumente wie Quittungen und rechnungen in größerer zahl erhalten haben, seit den Herrschaftsjahren des commodus ein deutlicher preisauftrieb beobachten. aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei dieser inflation um eine zeitverzögerte reaktion auf die kriegsbedingten münzmanipulationen unter marc aurel. Solche verspäteten marktreaktionen waren unter antiken bedingungen keine Seltenheit und angesichts der Schwerfälligkeit des ökonomischen Systems nur natürlich. Das dürfte die zeitgenossen nicht daran gehindert haben, das angebliche missmanagement des jugendlichen kaisers und seiner berater für den preisauftrieb und eventuelle folgeprobleme wie die oben genannten Versorgungsschwierigkeiten verantwortlich zu machen. Deren Ursache in der kriegspolitik der brüder marcus und Verus zu suchen, wäre einem Sakrileg gleich (aber wohl auch der Wahrheit näher) gekommen.
3. Risse im imperialen Staat: Kampf der Grenzarmeen gegeneinander (193–197 n. Chr.) in der neujahrsnacht von 192 auf 193 n. chr. wurde commodus das opfer einer palastintrige. Die erzählenden Quellen, die möglicherweise eine art offiziöse Version widerspiegeln, wissen nur von einem kleinen kreis unmittelbar Eingeweihter zu berichten, die zudem nicht in der ersten politischen reihe standen. Die ausführlichste Erzählung vom Ende des kaisers stammt aus der feder Herodians und lautet in den Grundzügen so: commodus habe Ende des Jahres 192 n. chr. seinen engsten Vertrauten-
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kreis – seine Geliebte marcia, seinen kammerdiener Eclectus und den prätorianerpräfekten Quintus aemilius laetus – mit dem plan konfrontiert, auf die am 1. Januar übliche, von einem fenster des palatiums an das Volk gerichtete ansprache zu verzichten, um stattdessen das amtsjahr mit einem Gladiatorenumzug durch die Stadt zu eröffnen, den er in voller rüstung anzuführen beabsichtigte. Die angesprochenen hätten entsetzt reagiert und den imperator bedrängt, den Eklat zu vermeiden. obwohl zutiefst beleidigt, schien dieser die Sache zunächst auf sich beruhen lassen zu wollen. Doch wenige Stunden später habe marcia durch zufall eine liste von der Hand des kaisers entdeckt, auf der die todeskandidaten des kommenden tages verzeichnet waren, darunter sie selbst, Eclectus und laetus. Darüber hinaus hätte aber eine große zahl Senatoren sterben und schließlich eine art Gladiatorenstaat an die Stelle der zerstörten alten ordnung treten sollen. Um der katastrophe des Staates und ihrer eigenen zuvorzukommen, ermordeten marcia und ihre Vertrauten den kaiser noch am selben abend mit Hilfe eines bestochenen athleten namens narcissus aus der Umgebung des commodus. Der leichnam des Ermordeten sei schließlich in alte bettwäsche gehüllt und auf einem abfallkarren unbemerkt aus dem Gebäude geschafft worden.88 Diese detailreiche Erzählung geht möglicherweise über mehrere zwischenstufen auf Hintermänner der Verschwörung zurück, die ein interesse daran hatten, den Senatoren ihre angeblich akute lebensgefahr vor augen zu stellen, um so den tyrannenmord alternativlos und unaufschiebbar erscheinen zu lassen. Diesem bericht zufolge wurde den aus dem Schlaf gerissenen, nichtsahnenden prätorianern von ihrem präfekten aemilius laetus mit dem 66-jährigen publius Helvius pertinax ein erfahrener frontoffizier aus den markomannenkriegen marc aurels als kandidat für die kaiserwürde vorgestellt. Das plötzliche ableben des noch jungen commodus wurde, jedenfalls Herodian zufolge, mit einem Schlaganfall erklärt. Um erst gar keine kritischen fragen aufkommen zu lassen, wurde jedem einzelnen Soldaten eine Sonderzahlung von 12 000 Sesterzen für den fall in aussicht gestellt, dass sie die kandidatur des pertinax unterstützten. obwohl die überrumpelten
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prätorianer schon bei diesem nächtlichen antreten zeichen des Unwillens zeigten, erklärten sie sich angesichts der Höhe des betrages für pertinax und begrüßten ihn als ihren imperator. anschließend zogen die Verschwörer weiter zur kurie, dem Versammlungslokal des Senats auf dem forum romanum, in dem eine nachtsitzung bei fackelschein anberaumt worden war. Der junge cassius Dio, der an dieser denkwürdigen Sitzung teilgenommen hat, erinnerte sich etwa vierzig Jahre später noch, dass er sich durch das Gedränge der Senatoren nur mit mühe einen Weg zu dem prätendenten bahnen konnte, um einen persönlichen Gruß, wohl einen kuss, auszutauschen. pertinax erklärte den erschienenen Senatoren: «ich bin durch die Soldaten zum kaiser ernannt worden, wünsche das amt aber nicht und werde sogleich – heute noch – darauf verzichten, und zwar wegen meines alters, meiner geschwächten Gesundheit und der schwierigen lage des Staates.»89 Doch die Senatoren überredeten den vorgeblich zögernden ohne sonderliche mühe, die kaiserwürde zu behalten, und stimmten daraufhin eine art fluchgesang an, eine poetische inversion der noch kurz zuvor bei jeder Gelegenheit zum Wohlergehen des commodus gesungenen Segenswünsche. in der biographie des commodus hat sich ein zweiseitiges protokoll dieser Verwünschungen erhalten, das der spätantike autor angeblich aus dem zeitgenössischen Geschichtswerk des marius maximus kopiert hat. Von der bereitstellung des Geldes für die prätorianer über die anberaumung einer gut besuchten nächtlichen Senatssitzung bei fackelschein bis zur Einstudierung der gesungenen fluchlitanei gegen commodus – in die angesichts der veränderten machtsituation auch die anhänger des Ermordeten einstimmen mussten – war der Umsturz von den Verschwörern anscheinend penibel organisiert worden. auch der 182 n. chr., nach der Verschwörung der lucilla, unter Hausarrest gestellte Schwiegersohn marc aurels, claudius pompeianus, erschien nun wieder im Senat. alles schien dafür zu sprechen, dass die regierung des commodus nur eine bizarre Episode bleiben sollte und die alten offiziere, die unter marcus karriere gemacht hatten und deren politische Vorstellungswelt sich in den Schlachten an der Donau geformt hatte, wieder die zügel in die
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Hand nehmen würden, die ihnen unter commodus entglitten waren. Sowohl Herodian als auch cassius Dio spiegeln in ihren Darstellungen die Hoffnung der militärkreise, die den putsch gegen commodus inspiriert hatten, dass die kriege an der Donau bald wieder aufgenommen werden könnten. Doch es sollte anders kommen. publius Helvius pertinax regierte nur 87 tage, ehe er von den prätorianern, die ihn zum kaiser gemacht hatten, ermordet wurde. Der bei den Senatoren beliebte ältere Herr scheint bei den Soldaten generell nicht besonders populär gewesen zu sein, obwohl er nach gewöhnlichem Verständnis eigentlich, aus kleinen Verhältnissen kommend und in der armee bis in die Generalität avanciert, dem typus des «Soldatenkaisers» entsprach. Doch neben den Details seiner erstaunlichen karriere haben sich auch Erinnerungen an korrupte praktiken erhalten: beispielsweise soll er während seiner Statthalterschaften Urlaubsscheine und Dienstbefreiungen an Soldaten verkauft haben und dadurch ein Vermögen gemacht haben. pläne für eine landreform, die unter anderem die mittelschichten in italien belastet hätte, könnten zudem seiner rückendeckung durch die Eliten erheblich geschadet haben. Entscheidend war jedoch wahrscheinlich, dass sich die prätorianer dadurch, dass sie in der neujahrsnacht 192/193 n. chr. vor vollendete tatsachen gestellt worden waren, in ihrem Selbstwertgefühl getroffen fühlten und sich außerdem durch eine neubesetzung der imperatorenposition weiteren pekuniären Gewinn versprachen. am 28. märz 193 wurde pertinax von einer Gruppe prätorianer in seinem palast erschlagen. anschließend verbarrikadierte sich die truppe in ihrer kaserne und ließ von dort durch ausrufer verkünden, dass die kaiserwürde zum Verkauf stehe und angebote bei ihr einzureichen seien. zwei hochrangige Senatoren begaben sich darauf hin zu den castra praetoria: titus flavius Sulpicianus, der nachfolger des pertinax im amt des Stadtpräfekten und gleichzeitig dessen Schwiegervater, und marcus Didius iulianus, ein weiterer hochrangiger frontkommandeur, der unter marc aurel an der Donaufront gekämpft hatte und 175 n. chr. gemeinsam mit pertinax einen consulat bekleidet hatte. Die prätorianer entschieden sich für Didius iulianus, unter anderem weil dieser die höhere
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Summe angeboten hatte, aber wohl auch, weil die mörder des pertinax nicht dessen Schwiegervater zu ihrem oberkommandeur machen wollten. Die Herrschaft des iulianus stand jedoch von anfang an unter keinem guten Stern: Der unpopuläre Senator musste von einer bewaffneten abteilung prätorianer zum palatium eskortiert werden, weil auf den Straßen wütend gegen die Versteigerung der kaiserwürde protestiert wurde. Ebenso wenig wie in rom traf der neue imperator bei den provinzialarmeen auf ungeteilte zustimmung. ausschlaggebend für die meist ablehnende reaktion der Grenztruppen dürfte gewesen sein, dass diese die führende und lukrative rolle der verhältnismäßig kleinen und im Vergleich zu den provinztruppen militärisch unbedeutenden prätorianergarde nicht akzeptieren wollten. als iulianus schließlich das Geld ausging, beschleunigte sich die Erosion seiner anhängerschaft. Der erste Schlag gegen ihn erfolgte bereits am 9. april 193, als die truppen der provinz oberpannonien (vgl. karte S. 191) ihren Gouverneur lucius Septimius Severus als imperator des römischen reiches begrüßten. Die strategische lage von oberpannonien an der mittleren Donau war für einen putsch äußerst günstig, da der marschweg nach italien sehr kurz war und durch kein nennenswertes militärisches Hindernis versperrt werden konnte. zudem hatte sich Severus mit den anderen militärkommandeuren an der Donau, darunter sein bruder publius Septimius Geta, legat der provinz Moesia inferior, schnell ins benehmen gesetzt: Die Statthalter und legionskommandeure dieser region stellten sich auf seine Seite. Weiter im Westen gelang Severus ein geschickter Schachzug, als er dem ehrgeizigen legaten britanniens, Decimus clodius albinus, anbot, den caesarnamen zu führen. albinus ging darauf ein und war durch diese namenswahl für den augustusrang designiert, falls Severus im bevorstehenden bürgerkrieg fallen sollte. Severus selbst nannte sich seit dem 9. april imperator caesar lucius Septimius Severus pertinax augustus. Der namensteil augustus drückte seinen anspruch auf die alleinherrschaft aus, während die Übernahme des beinamens pertinax von seinem ermordeten Vorgänger ein fiktives Verwandtschaftsverhältnis zu diesem kreierte, mit dem
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eine Verpflichtung zur bestrafung der mörder, in diesem fall der prätorianer, verbunden war. Die lage wurde allerdings dadurch noch komplizierter, dass die stadtrömische bevölkerung nicht nur vehement gegen Didius iulianus, den kandidaten der prätorianer, demonstrierte, sondern in Sprechchören in den Straßen und im theater einen eigenen favoriten ins Spiel brachte. Dieser mann war lucius pescennius niger, ein abkömmling eines italischen rittergeschlechts, dem unter commodus als Erstem seiner familie der aufstieg in den Senat gelungen war. auch er hatte seine meriten an der Donaufront, wohl zu beginn der 180er Jahre, gesammelt. Seit 191 n. chr. war er Gouverneur der provinz Syria und kontrollierte damit eine der schlagkräftigsten Grenzarmeen. als er sich mitte april 193 entschloss, den Griff nach der kaiserwürde zu wagen, berief er sich auf die Demonstrationen des römischen Volkes, das ihn gegen den tyrannen iulianus zur Herrschaft gerufen habe. Damit brachte er in durchaus origineller Weise ein plebiszitäres Element in den politischen konkurrenzkampf ein, das er noch dadurch unterstrich, dass er sich nicht, wie es bei früheren Usurpationen die regel gewesen war, in einem militärlager, sondern in der Stadt Antiochia am orontes von einer gemischten Versammlung der Soldaten und des Volkes als imperator begrüßen ließ. Die antiochener bejahten die Usurpation nigers fanatisch und stellten eine improvisierte bürgerwehr auf, die die regulären truppen der ostprovinzen während der kommenden kämpfe opferbereit unterstützte. Weitere Stadtbevölkerungen innerhalb des von kleinasien bis Ägypten reichenden Großraums, dessen Gouverneure sich für niger erklärt hatten, folgten den antiochenern, ebenso wie die kleinen fürstentümer oder Volksgruppen östlich des Euphrat wie die adiabener und die skenitischen araber (vgl. karte S. 189). Der parthische Großkönig Vologaises erkannte die ansprüche nigers an. mit der Usurpation pescennius nigers war Severus zwischen zwei fronten geraten, doch waren die truppen, die sich mit ihm solidarisch erklärt hatten, allen Gegnern numerisch – wenn man die improvisierten Stadtaufgebote in Syrien und kleinasien nicht mitzählt – und bezüglich der kampfkraft bei weitem überlegen. Er
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entschied sich in dieser Situation dafür, zunächst an der Spitze pannonischer legionen nach italien zu ziehen und die blockade des landwegs am Hellespont und bosporus seinen feldherren zu überlassen. Dem Einmarsch des Usurpators nach italien und seinem zug bis vor die tore roms wurde kein nennenswerter Widerstand entgegengesetzt. Didius iulianus versuchte, die Stadt in abwehrbereitschaft zu setzen und gleichzeitig mit Severus über eine Herrschaftsteilung und schließlich über seinen freiwilligen rücktritt zu verhandeln. Severus wies alle Verhandlungsangebote zurück. angesichts des unbehelligten Vorrückens seiner legionen verfielen die Senatoren in aktionismus, ließen iulianus anfang Juni 193 exekutieren, versetzten pertinax unter die Staatsgötter und erkannten Severus als kaiser an. Dieser ließ seine truppen unweit von rom haltmachen und beorderte die prätorianer in sein marschlager, wo sie in ihrer paradeuniform und ohne Waffen zu erscheinen hatten. Gegenüber den gefechtserprobten Donaulegionen wagten die prätorianer keinerlei Widerstand. Severus ließ sie von seinen Soldaten umzingeln, ihre in der kaserne zurückgelassenen Waffen wurden vorsorglich eingesammelt. nach einer demütigenden ansprache über Soldatenpflichten und darüber, dass sie aufgrund ihrer Verbrechen die todesstrafe verdient hätten, entließ der neue imperator die Gardesoldaten schimpflich aus dem militärdienst und verbot ihnen den aufenthalt in der Hauptstadt und ihrem weiteren Umkreis. Eine neue Garde wurde aus pannonischen legionären gebildet, und der hochgradig privilegierte Dienst in dieser Eliteeinheit, Gegenstand des neides der provinzialarmeen seit den tagen des augustus, für Soldaten aller legionen geöffnet. kurz darauf, wohl am 9. Juni 193, zog Septimius Severus an der Spitze seiner truppen in rom ein. Der Senat und das Volk von rom erkannten alle seine ansprüche widerspruchslos an, darunter auch seine fiktive Verwandtschaft mit pertinax, dessen tod er mit der Demütigung der prätorianer offiziell gerächt hatte. Von Sympathien für pescennius niger war in rom selbstverständlich keine rede mehr. Die auseinandersetzung mit dessen truppen begann mit dem Jahreswechsel 193/194 n. chr. aus den Donauarmeen
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wurden Stoßtruppen zusammengestellt, die nach kleinasien übersetzten und, zum teil gegen heftigen Widerstand, nach Süden vorrückten. Die «nigeriani» mussten zug um zug ihre Verteidigungsstellungen zurückverlegen. Die improvisierten bürgerwehren erlitten furchtbare Verluste, allein die antiochener sollen etwa 20 000 mann verloren haben. Einzelne Städte wie Nikomedia in nordwestkleinasien oder Laodikeia in Syrien erklärten sich für Severus, andere blieben selbst dann, als die reguläre armee nigers aus ihren mauern abgezogen war, unerschütterlich auf der Seite des syrischen legaten, darunter die festung byzanz, deren Einwohner den severischen truppen sogar nach nigers tod noch einen erbitterten abwehrkampf lieferten. Diese parteinahmen der griechischen Städte verdankten sich weniger der Sympathie für den einen oder anderen römischen Usurpator als alten, häufig seit Jahrhunderten währenden rivalitäten untereinander. Die bürger der konkurrierenden poleis wetteten gewissermaßen in einem gefährlichen Spiel auf einen bestimmten prätendenten, um sich Vorteile gegenüber ihren jeweiligen nachbarn für die zeit nach dem krieg zu sichern. für die anhänger des Severus ging diese rechnung auf. pescennius niger versuchte nach der letzten niederlage seiner truppen bei issos in nordsyrien, aus Antiochia in das Gebiet des befreundeten parthischen königs Vologaises zu fliehen, wurde aber Ende april 194 n. chr. auf der flucht ergriffen und enthauptet. Seine exponierten anhänger und seine familie ließ Severus töten. Städte, die niger aktiv unterstützt hatten, wurden mit herben Statusverlusten bestraft. Das syrische Antiochia etwa, eine der größten metropolen der mittelmeerwelt, wurde formal auf den rang eines Dorfes zurückgestuft und der zuständigkeit des nahegelegenen Laodikeia übertragen. Die Stämme und fürstentümer östlich des Euphrat, die niger unterstützt hatten, wurden in einer von Severus persönlich geleiteten Strafexpedition im Jahr 195 n. chr. heimgesucht. Eines der resultate war die annexion großer teile des königtums osrhoëne (mit ausnahme der Hauptstadt Edessa) als römische provinz, ohne dass der parthische könig konsultiert wurde (vgl. karte S. 189). angesichts der römischen Überlegenheit akzeptierte
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Vologaises V. diesen Schritt jedoch zunächst widerwillig. Gegen Ende des Jahres 195 n. chr. nahmen severische truppen auch byzanz ein. nach der niederlegung der berühmten befestigungsanlagen dieser Stadt wurde sie als Dorf dem territorium der rivalisierenden Stadt Perinthus zugeschlagen. zeitgleich mit diesen außenpolitischen Erfolgen definierte Severus seine dynastische politik neu. Er setzte an die Stelle der fiktiven Verwandtschaft mit pertinax eine ebenso fiktive adoption durch den anderthalb Jahrzehnte zuvor verstorbenen marc aurel. auch sein 188 n. chr. geborener älterer Sohn Septimius bassianus, der besser unter seinem Spitznamen caracalla bekannt ist, führte seit dieser zeit den namen marcus aurelius antoninus, als wäre er ein Enkel jenes princeps. Wenig später (195 oder 196 n. chr.?) trat der name caesar hinzu. mit diesen Umbenennungen signalisierte Severus dem legaten britanniens clodius albinus unmissverständlich, dass die ihm zwei Jahre zuvor in aussicht gestellte nachfolgeoption zugunsten einer rein dynastischen regelung kurzerhand zurückgenommen worden war. albinus reagierte, indem er sich den augustusnamen zulegte und einen teil des britannischen provinzheeres über den kanal übersetzen ließ. zumindest ein teil der germanischen und gallischen Statthalter scheint sich für ihn erklärt zu haben. in rom hatte er einen großen kreis von Sympathisanten, die Severus wegen seiner harschen Herrschaftsmethoden ablehnten und albinus höher schätzten, dies aber unter den gegebenen bedingungen nicht offen zeigen konnten. an der Entscheidungsschlacht bei Lugdunum am 17. februar 197 n. chr. nahmen beide imperatoren persönlich und, dem zeitgenossen cassius Dio zufolge,90 die unglaubliche zahl von 150 000 Soldaten auf beiden Seiten teil. nach einem langen und blutigen ringen setzten sich die Soldaten des Severus durch, albinus beging Selbstmord. Der Sieger zeigte sich nach der Entscheidung unversöhnlich. in einer kurz nach der Schlacht im Senat vorgetragenen abrechnungsrede, der Dio persönlich beiwohnte, berief sich Severus zum Schrecken der Senatoren auf augustus als sein Vorbild und lobte dessen Grausamkeit als die sicherste regierungsmethode. Jeder wusste, was das zu bedeuten hatte: die
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schonungslose und ohne rücksicht auf Gesetze vollzogene abrechnung mit tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Gegnern. zur illustration gibt die Historia Augusta eine liste von 41 Senatoren, die unter Severus ermordet worden sein sollen. als weiteres Vorbild hob er in einer langen Verteidigungsrede ausdrücklich commodus hervor, dessen dramatische Verfluchung durch den Senat gerade einmal vier Jahre zurücklag. Unter ihrem neuen Herrn, der sich in offiziellen texten fortan «bruder des commodus» nannte oder nennen ließ, mussten die Senatoren jenen verhassten imperator unter die Staatsgötter erheben und ihm fortan kultische Ehren erweisen.
VI. STABILISIERuNG AuF KoSTEN DER zuKuNFT: DIE EpoCHE DER SEVERER (197–235 N. CHR.)
1. Die militärische politik bis zum Sturz von Alexander Severus Der parthische könig Vologaises V. war nicht bereit, die von Severus 195 n. chr. begonnene provinzialisierung von fürstentümern östlich des Euphrats einfach hinzunehmen. Doch auf die parthischen aktionen gegen Edessa und Nisibis östlich der syrischen Euphratgrenze antwortete Severus mit einem erneuten fulminanten zug gegen das partherreich, der ihn bereits 197 n. chr. in die residenzstadt Ktesiphon in babylonien führte. Das parthische reich war nach diesem Einfall so geschwächt, dass es die Gründung einer weiteren römischen provinz östlich des Euphrat hinnehmen musste: Mesopotamia mit der Hauptstadt Nisibis (vgl. karte S. 189). Der Erfolg brachte Severus erhebliches prestige ein, hatte aber auch einen hohen preis. Die wiederholten römischen militärschläge und die mit ihnen verbundenen großen Verluste an menschen und ansehen auf der Seite der parther schwächten die arsakidische Dynastie, die für die römer meist eine berechenbare politische Größe gewesen war, so weit, dass sie bald nach den niederlagen des Vologaises unterging: an ihre Stelle trat eine neue Herrscherfamilie aus der persis (s. unten S. 256 f.), die die römischen Eroberungen in nordmesopotamien nicht anerkannte und sie etwa ein halbes Jahrhundert später – diesmal unter schweren Verlusten für die römische Seite – weitgehend rückgängig machen sollte. zunächst konnte Severus jedoch in der folgenden phase relativer außenpolitischer ruhe ausgedehnte reisen innerhalb seines imperiums unternehmen, die ihn nach Ägypten (199/200 n. chr.), an die Donau und im Jahr 203 n. chr. in seine nordafrikanische Heimat führten. Der relativ kurze, von zahlreichen baumaßnahmen militärischer und ziviler art geprägte besuch in afrika stellte den Höhe-
216 VI. Die Epoche der Severer (197–235 n. Chr.)
punkt der reisetätigkeit und der regierungszeit des Severus dar. Sein Heimatmunizipium Lepcis Magna (heute lebda in Westlibyen) erhielt eine neue, großzügige Gestaltung, die bis heute in der nicht überbauten ruinenstadt bewundert werden kann. in zahlreichen abschnitten zwischen Sahara und provinzialen Weidezonen wurden mit Gebietsgewinnen für das imperium Grenzen neu gezogen und aufwendig befestigt. Wahrscheinlich wurden mit diesen maßnahmen allerdings alte Weidewege der halbnomadischen bevölkerung gestört und keime für zukünftige konflikte gesät. Die anschließenden Jahre, die Severus in italien verbrachte und die den auftakt zu einem beschaulichen lebensabend hätten bilden können – der kaiser wurde 204 n. chr. achtundfünfzig Jahre alt –, wurden durch zwistigkeiten innerhalb der familie und der nächsten Umgebung zutiefst getrübt. Der bei weitem einflussreichste mann in der Umgebung des kaisers, der prätorianerpräfekt und Schwiegervater caracallas fulvius plautianus, stürzte 205 n. chr., nachdem ihm der bruder des kaisers Umsturzpläne vorgeworfen hatte. plautian seinerseits hatte in den Jahren vor seinem fall, als er eine fast kaisergleiche Stellung neben Severus innehatte, kontinuierlich versucht, die Gattin des Herrschers, iulia Domna, beim kaiser in ein möglichst schlechtes licht zu rücken, und war so weit gegangen, freundinnen der kaiserin verhaften und peinlich verhören zu lassen, um indizien für irgendein Vergehen iulias zu finden. Sogar noch schwerer wog in dieser völlig vergifteten atmosphäre im kaiserlichen Haus der allmählich zur todfeindschaft eskalierende konflikt der Söhne des Severus, caracalla und Geta. Vor diesem Hintergrund hat die Spekulation der antiken Historiker Herodian und cassius Dio eine gewisse plausibilität, dass es den alternden und gichtkranken imperator deswegen wieder ins feldlager zog, weil er den enervierenden lebensumständen in rom entkommen und vor allem weil er seine Söhne der disziplinierenden Wirkung des Soldatenlebens aussetzen wollte. in italien erregte zu dieser zeit die romantische züge tragende aufstandsbewegung des räuberhauptmanns bulla felix erhebliches aufsehen, die jedoch in den augen von Severus keinen ausreichenden rang
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hatte, um einen feldzug unter kaiserlicher leitung zu rechtfertigen. Die bande bullas, der sich von kaiserlichen Gütern geflohene Sklaven und desertierte Soldaten angeschlossen haben sollen, wurde nach etwa zwei Jahren von den militärpolizeilichen kräften italiens zur Strecke gebracht (ca. 206/207 n. chr.). Die rebellion war allerdings keineswegs harmlos und strahlte bis Gallien und an den rhein aus, wo Detachements von vier legionen eingesetzt wurden, um Gruppen der aufstandsbewegung zu bekämpfen. als kriegsschauplatz, der der kaiserlichen Dignität entsprach, wurde schließlich britannien ausgewählt. Den auslöser bot nach der Darstellung Herodians ein brief des britannischen Statthalters: Die provinz werde von barbaren überrannt, die alles verwüsteten und die bewegliche Habe wegtrügen. Solche vom autor frei komponierte «alarmbriefe» pflegen bei Herodian die Erzählung größerer kriege einzuleiten. Es ist jedoch fraglich, ob die Situation wirklich so ernst war: Herodian selbst berichtet im selben kontext, dass die Hochlandstämme der maeatae und caledonii demütig friedensgesandtschaften zu Severus schickten, als sie erfuhren, dass sie ins Visier einer kaiserlich geleiteten Expedition kommen sollten. Diese Gesandtschaften wurden jedoch brüsk zurückgewiesen und die kriegsvorbereitungen in großem Umfang vorangetrieben. allein in Arbeia, einem fort am östlichen Ende des Hadrianswalls, wurden Vorräte für ein ca. 40 000 mann starkes invasionsheer zusammengetragen. zunächst drangen die römischen truppen 208 n. chr. fast ungehindert nach norden vor, während sich die caledonii und maeatae ins Hochland zurückzogen. im folgejahr traten repräsentanten der angegriffenen Stämme weite teile ihrer Weidegebiete an das römische reich ab. im heutigen Südschottland entstand ein netzwerk neuer kastelle, darunter als bekanntestes carpow bei der heutigen Stadt perth im östlichen zentralschottland, eine elf Hektar umfassende polygonale Steinfestung mit massiven, ein meter starken mauern. Diese nördlich des britannischen limes begonnene offensive hatte einen der letzten kaiserzeitlichen Eroberungskriege im klassischen Stil eröffnet: ausgehend von einem begrenzten oder hochgespielten Grenzkonflikt, wurde er mit dem ziel umfangreicher
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annexionen begonnen und ohne politische oder militärische nachteile für die römische Seite abgebrochen, nachdem das römische Heereskommando das interesse an dem feldzug verloren hatte. für viele Jahrzehnte sollte es das letzte mal gewesen sein, dass die angegriffenen das imperium so glimpflich davonkommen ließen. Während sich der Eroberungskrieg also positiv für den kaiser zu entwickeln schien, nahmen die schweren Spannungen innerhalb seiner familie weiter zu und griffen schließlich auf das Heer über. als caracalla – angeblich vor den augen römischer Soldaten – einen anschlagsversuch auf das leben seines Vaters unternahm, beließ es Severus gegenüber seinem Sohn bei einer mündlichen Ermahnung, ließ aber eine ganze reihe von offizieren exekutieren, die er der komplizenschaft mit seinem Sohn verdächtigte. Die lage wurde nicht einfacher, als die caledonier und maeaten schon nach einem Jahr den abtretungsvertrag von 209 n. chr. kündigten. zu dieser zeit war Severus, wohl aufgrund der Gicht, so unbeweglich, dass er in Eburacum (York) zurückbleiben musste, während caracalla einen im Ergebnis erfolglosen Straffeldzug gegen die Hochlandstämme selbständig kommandierte. am 4. februar 211 starb Severus verbittert auf seinem krankenbett in Eburacum. Seine beiden Söhne marcus aurelius antoninus (caracalla) und publius Septimius Geta, denen Severus noch zu seinen lebzeiten das führen des augustusnamens gestattet hatte, traten noch im kriegsgebiet unangefochten die nachfolge als gleichgestellte Herrscher an. obwohl caracalla niemanden als gleichberechtigt neben sich ertragen konnte und daher seinen bruder tödlich hasste, gelang es den beiden zum ersten und letzten mal zusammenzuwirken, als sie einen sofortigen frieden mit den angegriffenen Hochlandstämmen schlossen. Sämtliche anlagen, die im zuge der expeditio Britannica errichtet worden waren, wurden abgebrochen, und die beiden augusti begaben sich unverzüglich nach italien. bereits auf dem marsch mussten zwei lager mit getrennten Hauptquartieren eingerichtet werden, weil die brüder die Gegenwart des jeweils anderen nicht ertrugen. Entsprechend wurden nach der ankunft in rom die Wohnbereiche im palatium geteilt und die kaiserlichen Sekretariate verdoppelt. Damit hatte der Staat zwei
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verfeindete regierungen, die nicht koexistieren konnten. am 26. Dezember 211 ließ caracalla seinen bruder, der sich in die arme seiner mutter geflüchtet hatte und um sein leben bettelte, von einigen centurionen – wohl prätorianern – ermorden. nach außen hin wurde der mord als eine tat der notwehr stilisiert, und spontane freudenfeste wurden angeordnet. Ein glücklicher Gesichtsausdruck war politische pflicht und wurde auch von der mutter Getas, iulia Domna, unter todesdrohungen unnachsichtig eingefordert. Die angehörigen von Getas parallelregierung und alle, die dem Ermordeten in irgendeiner Weise nahegestanden hatten, wurden getötet, über 20 000 personen nach der Schätzung Dios. Die in der nähe roms kampierenden Soldaten, die die kaiser aus britannien nach italien geleitet hatten, gewann caracalla unmittelbar nach der tat mit einer für seine regierungszeit charakteristischen (von Dio nachempfundenen) ansprache für sich: «Ich bin einer von euch, und allein euretwillen will ich leben, damit ich auf euch viele Wohltaten häufen kann; denn alle Schätze gehören euch! (…) Ich bitte darum, wenn irgendwie möglich, mit euch zusammenleben zu dürfen, und sollte dies ausgeschlossen sein, mit euch sterben zu dürfen. Ich fürchte mich ja nicht – in welcher Form auch immer – vor dem Tod, und es ist mein Verlangen, im Krieg mein Dasein zu beschließen.»91
Hervorgehoben wird in der antiken literatur sein im Einklang mit derartigen reden stehender anspruchsloser, am soldatischen alltag orientierter lebensstil, den er allerdings mit kostspieligen Extravaganzen kombinierte. 213 n. chr. verließ er rom, um ganz seiner neigung zur lebensweise des feldlagers zu frönen. zunächst leitete er einen feldzug rechts des rheins gegen den erst kurze zeit vorher entstandenen alamannenbund (dazu unten S. 246–251). Die mittelalterlichen Exzerpte aus Dios Geschichtswerk, die zu diesem krieg noch erhalten sind, sind allerdings zu anekdotisch, um eine rekonstruktion der militärischen Ereignisse zu gestatten. Eine gegenüber caracalla äußerst feindselig formulierte passage scheint dafür zu sprechen, dass der imperator den alamannen als Gegenleistung für einen friedensschluss die zahlung eines Jahrgeldes zusagte. nach rom zurückgekehrt, bereitete
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caracalla im Winter 213/214 n. chr. einen großen feldzug in den osten des reiches vor, der sich angesichts der Größenordnung der zusammengezogenen truppen nur gegen das partherreich richten konnte, auch wenn ein offizieller kriegsgrund noch nicht vorlag. Ein motiv lag in dem thronstreit der beiden Söhne des 208 n. chr. verstorbenen königs Vologaises V., artabanus und Vologaises, der die Defensivkraft der parther schwächte und von dem caracalla glaubte, ihn durch intrigen selbst herbeigeführt zu haben. Der marsch verlief zunächst langsam entlang der Donau; in makedonien rekrutierte caracalla ein korps, das mit historischen Verkleidungen der alexanderzeit ausgestattet wurde und die Expedition zu einer mimikry des alexanderzugs (330er Jahre v. chr.) machte. Die Überwinterung erfolgte 214/215 n. chr. in Nikomedia im nordwesten kleinasiens. Das erratische und langsame fortkommen des zuges erklärt sich wohl auch durch den psychischen zustand des kaisers, der von quälenden Visionen und träumen heimgesucht wurde. Er wandte sich daher mit dem Wunsch nach Heilung an orakel und Heilgötter, ohne Erfolg zu haben. Dio vermerkt, dass der einzige Geist, den der von Gewissensqualen wegen des brudermords Gepeinigte heraufbeschwören konnte, der des commodus gewesen sei, und der habe ihm nur baldigen Untergang vorausgesagt. Während des Sommers 215 hielt sich caracalla meist in Antio chia in Syrien auf, wohl in der absicht, von hier aus sein großes Vorhaben, die Wiederholung des alexanderzuges, zu beginnen. aus unbekannten Gründen wurde der angriff jedoch verschoben, und caracalla begab sich zunächst nach Alexandria. cassius Dio zufolge waren ihm von dort höhnische bemerkungen einiger alexandriner über die Ermordung Getas zugetragen worden. bereits der befehl, dass niemand das Haus verlassen dürfe, und der Umstand, dass der kaiser seinem Heer bewaffnet in die Stadt einzurücken befahl, ließen nichts Gutes ahnen. Es folgte ein furchtbares Strafgericht, über das stark abweichende berichte vorliegen, die jedoch alle von sehr hohen opferzahlen unter der Stadtbevölkerung ausgehen. Die massaker trafen nur einheimische alexandriner, die fremden wurden aus der Stadt ausgewiesen.
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im frühjahr 216 befand sich caracalla wieder in Antiochia in Syrien, dieses mal entschlossen, einen krieg gegen das parthische reich zu beginnen. Er eröffnete die diplomatischen kontakte jedoch mit dem überraschenden an artabanus herangetragenen ansinnen, eine tochter dieses prätendenten heiraten zu wollen. nach Herodian habe er artabanus ganz explizit eröffnet, auf eine Vereinigung beider Großmächte unter seiner führung zu spekulieren. artabanus wies diese provokation zunächst zurück, willigte jedoch nach weiterem Drängen caracallas in den plan ein. nach Herodians Darstellung habe artabanus den kaiser inmitten einer großen festgesellschaft bei einem nicht näher bezeichneten palast (wohl Arbela im heutigen nordirak) erwartet, als caracalla völlig unerwartet seine truppen angreifen ließ. nur dem Geschick seiner leibwache sei es zu verdanken gewesen, dass artabanus als einer von wenigen dem Überfall entkam. ohne auf größeren Widerstand zu treffen, verwüsteten die römischen Soldaten die landschaft und die Siedlungen; auf dem Höhepunkt der plünderungen wurden die Grablege der arsakiden in Arbela geöffnet und die Gebeine der toten verstreut. Wie schon nach der massakrierung der alexandriner ließ der Senat – notgedrungen – dem kaiser seine Glückwünsche übermitteln. Der imperator und sein kernheer überwinterten in Edessa, der alten Hauptstadt des königsreichs osrhoëne, die seit 213 n. chr. keine residenzstadt mehr war, sondern ein in die provinz osrhoëne integrierter Stadtstaat. Von hier aus sollte 217 n. chr. der krieg weitergeführt werden. Doch dazu kam es nicht mehr, da caracalla am 8. april 217 in der nähe von Karrhai dem anschlag eines Soldaten, der einen persönlichen Groll gegen ihn hegte, zum opfer fiel. Von der armee wurde der mord mehrheitlich mit großem Unwillen zur kenntnis genommen, da gerade die einfachen Soldaten den ihren lebensstil teilenden kaiser mehr als kameraden denn als ihren befehlshaber betrachtet zu haben scheinen. Der mörder wurde von der germanischen leibwache caracallas umgehend gefasst und getötet. für einige tage war niemand in der lage, eine Entscheidung zu treffen. Doch von osten näherte sich ein parthisches Heer, das un-
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ter seinem könig artabanus rache für die römischen Verbrechen des Vorjahres nehmen wollte. in dieser Situation konnten die offiziere des führerlosen römischen Expeditionsheeres nicht abwarten, wie sich die überlebenden familienmitglieder caracallas oder der Senat in rom zu der nachfolgefrage äußern würden. Die Soldaten trafen daher eine unorthodoxe, aber nachvollziehbare Entscheidung, indem sie einen der beiden prätorianerpräfekten, marcus opellius macrinus, zu ihrem kaiser und befehlshaber erhoben. Die kommandeure der prätorianer waren nicht nur persönlich für das leben und die Unversehrtheit der Herrscher verantwortlich, sondern waren – jedenfalls seit der severischen zeit – deren engste mitarbeiter im regierungsalltag, genossen daher häufig großes Vertrauen und trafen zuweilen in weniger bedeutenden angelegenheiten Entscheidungen an kaisers statt. aufgrund ihres gelegentlichen Einblicks in die alltäglichen regierungsgeschäfte kann von den prätorianerpräfekten zugespitzt gesagt werden, dass zumindest einige unter ihnen – anders als die meisten Senatoren – eine intime kenntnis von dem Herrschaftsalltag eines imperators hatten. aus diesem Grund war die Entscheidung des Expeditionsheeres im april 217, sich in der eskalierenden Situation einen «ausgebildeten» imperator zu wählen, durchaus plausibel. problematisch war jedoch, dass die präfekten nicht über die Standesqualifikation verfügten, die bisher alle imperatoren besessen hatten: Sie waren nur ritter und keine Senatoren. Den Vorbehalten, die viele Senatoren gegenüber der Entscheidung der Soldaten empfunden haben dürften, hat der Senator cassius Dio, dessen Römische Ge schichte für das Jahr 217 n. chr. nach einer großen lücke noch einmal im originalwortlaut erhalten ist, deutlich ausdruck verliehen: «Macrinus war maurischer Herkunft, stammte aus Caesarea (sc. in Maure tanien) und hatte ein sehr bescheidenes Elternhaus; ganz passend kann man ihn daher mit jenem Esel vergleichen, der von dem Geist zum Kaiser palast geführt wurde.»92
trotz dieser Vorurteile und obwohl macrinus nicht einmal der form halber um die anerkennung der Senatoren nachsuchte, sondern umgehend nach der akklamation durch das Heer die impera-
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torischen titel und insignien führte, akzeptierte der Senat den ritterlichen kaiser nolens volens. macrinus führte mit den parthern einen erbitterten abwehrkrieg in Syrien, bevor es ihm gelang – wenn die Darstellung Herodians die Vorgänge richtig wiedergibt –, artabanus durch einen geheimen boten davon zu überzeugen, dass die von den parthern verlangte rache durch die tötung caracallas vollzogen sei. Dennoch musste sich macrinus zu einem demütigenden friedensvertrag bereit finden: Sämtliche Eroberungen, beutestücke und kriegsgefangenen mussten an artabanus zurückgegeben und als buße für die Schändung der königsgräber in Arbela eine zahlung in Höhe von 200 millionen Sesterzen geleistet werden. auf den münzen des macrinus wurde dieses resultat erwartungsgemäß als «Sieg über die parther» (Victoria Parthica) gefeiert. Doch macrinus’ Verhältnis zu seinen Soldaten, die sich wohl keineswegs als Sieger sahen, kühlte sich nach der beilegung der akuten bedrohung durch die parther rasch ab. Diese Entfremdung wurde von macrinus noch dadurch vergrößert, dass er eine reihe von privilegien zurücknahm oder auch nur in frage stellte, die caracalla und sein Vater den Soldaten gewährt hatten (siehe Vi. 3.). cassius Dio lobte in seiner Darstellung diese Entscheidungen zwar, rügte jedoch, dass macrinus sie öffentlich machte, bevor das große Expeditionsheer caracallas in seine Heimatstandorte entlassen war. So waren die konsequenzen von macrinus’ politik abzusehen. Die überlebende familie caracallas hatte sich in das syrische Emesa am orontes zurückgezogen, dem Ursprungsort der priesterdynastie, aus der die Gattin des Severus, iulia Domna, stammte. zu den Überlebenden der gestürzten familie gehörten die Schwester der iulia Domna, iulia maesa, und deren töchter Soaemias und mamaea. als diese unter den truppeneinheiten in Syrien das Gerücht verbreiten ließen, der vierzehn- oder fünfzehnjährige Sohn der Soaemias sei aus einem unehelichen Verhältnis mit caracalla hervorgegangen und beanspruche unter dem namen marcus aurelius antoninus die alleinherrschaft, erklärte sich die mehrzahl der Soldaten für den Usurpator. macrinus und sein zum mitaugustus erhobener minderjähriger Sohn Diadumenian waren der Über-
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macht nicht gewachsen, flohen nach einer verlorenen Schlacht (8. Juni 218), wurden aber bald verhaftet und getötet. mit der Verwendung des namens marcus aurelius antoninus, des namens caracallas, hatten die syrischen prinzessinen den Soldaten erfolgreich suggeriert, dass der junge prätendent die militärfreundliche politik der Severer fortsetzen würde. aufgrund dieser Suggestion hatten die Soldaten sich gegen macrinus gestellt, waren aber offenkundig getäuscht worden. Der junge antoninus war als Hohepriester des Sonnengottes von Emesa, Elagabalos, erzogen worden, der dort in Gestalt eines schwarzen meteoriten (eines sogenannten baitylen) verehrt wurde. Der Jugendliche gedachte seine neue rolle als römischer kaiser dazu zu nutzen, den von ihm geleiteten kult in den mittelpunkt der römischen Staatspraxis zu stellen. an dieser obsession hielt er trotz beharrlicher Versuche seiner Umgebung, ihn umzustimmen, während seiner gesamten regierungszeit fest und setzte sie erfolgreich in die tat um. in seiner offiziellen titulatur nannte er sich «Höchster priester der unbesiegbaren Sonne Elagabal». in anlehnung an diese nomenklatur nannten ihn die Geschichtsschreiber Elagabal oder Heliogabal, nach dem latinisierten namen seiner Gottheit. Die Darstellungen seiner regierungszeit in der Historia Augusta, bei Herodian und cassius Dio sind voller pittoresker Episoden, die reichlichen Stoff für Dichter und romanciers späterer zeit geboten haben. Es fehlt hier der platz, die chronik der Skandale Elagabals durchzugehen, so dass lediglich anhand einer passage aus Herodian die atmosphäre jener Jahre (218–222 n. chr.) vor augen geführt werden mag: «(Elagabal) errichtete einen großen und beeindruckenden Tempel für seinen Gott (sc. das Elagabalium in Rom) und weihte eine Vielzahl von Altären in der Umgebung des Heiligtums. Jeden Morgen kam er in aller Frühe hierhin und opferte Hekatomben von Rindern und eine große Zahl Schafe, die er auf die mit allen Arten von Aromastoffen eingedeckten Altäre legte. Vor den Altären wurden viele Amphoren des ältesten und kostbarsten Weines ausgegossen, so dass Ströme von Wein und Blut sich mischten. Um die Altäre tanzte er zu den bunten Klängen verschiedener Instrumente, und
militärische politik bis zum Sturz von Alexander Severus 225 Frauen aus seiner Heimat tanzten mit ihm – sie liefen um die Altäre und schlugen Zymbeln und Trommeln. Der gesamte Senat und der Ritterstand waren als Zuschauer in der Ordnung, die sie sonst im Theater einhielten, zugegen. Die Eingeweide der geopferten Tiere und die Aromastoffe wur den in goldenen Gefäßen auf den Köpfen herumgetragen – nicht etwa von Sklaven oder niedrigstehenden Menschen, sondern von Militärtribunen und höchstrangigen Amtsträgern. Als Kleidung trugen sie bis zum Boden reichende Kleider mit langen Ärmeln, in der Mitte mit einem Gürtel ver sehen.»93
Diese maskeraden und vor allem der zwang, sich an ihnen beteiligen zu müssen, wurden von den römischen Eliten als Demütigung empfunden, auch wenn sie sich, wie üblich, zu lebzeiten des kaisers gegen die zumutungen nicht wehrten, sondern sich gefügig in die fremden zeremonien einbinden ließen. immerhin brachte die bizarre regierungszeit des jungen priesters dem reich noch einmal eine friedensphase, die von außen nicht gestört wurde. noch konnte sich das imperium einige Jahre extravaganten karnevals leisten, den viele genossen haben dürften, auch wenn das militärische führungspersonal und die armee die Vorgänge in rom mit abscheu beobachteten. Dieses milieu gewann jedoch bald wieder die oberhand. Um den enttäuschten Erwartungen des militärs entgegenzukommen, wirkte iulia maesa auf Elagabal ein, seinen jüngeren Vetter bassianus alexianus zu adoptieren und als potentiellen nachfolger zu designieren (wahrscheinlich im Juni 221). bassianus, der sich nach der adoption marcus aurelius alexander nannte, zeigte keine neigungen zu ausschweifender Spiritualität und wurde offenbar als Hoffnungsträger wahrgenommen, dem zugetraut wurde, die rolle auszufüllen, an der Elagabal in den augen des militärs gescheitert war. iulia maesas personalentscheidung führte jedoch zunächst zu erheblichen Spannungen, da die Soldaten, in erster linie naturgemäß die prätorianer, den jungen alexander als ihren Schutzbefohlenen betrachteten, den sie beständig durch anschlagspläne Elagabals gefährdet sahen. mehrfach führten Gerüchte, der thronfolger sei getötet worden, zu schweren krisen, bis eine die-
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ser Situationen im märz 222 n. chr. schließlich außer kontrolle geriet. obwohl es Elagabal einmal mehr gelang, den misstrauischen prätorianern seinen Vetter lebendig zu präsentieren, ließen sich die Soldaten nicht mehr beruhigen; sie töteten Elagabal, seine mutter Soaemias und einige weitere, den Getöteten nahestehende personen und richteten die leichname übel zu. mit dem tod dieses zweigs der Dynastie begann, offiziell am 13. märz 222, die alleinherrschaft Severus alexanders. Seine Gestalt ist in der Überlieferung vollkommen von einem ideal überlagert und als historische kaum noch zu erkennen. Während die antiken autoren bei der Darstellung des prinzipats Elagabals ihren sadistischen und morbiden phantasien freien lauf lassen konnten, wurde – jedenfalls von dem autor der einzigen erhaltenen biographie – in die Gestalt alexanders ein von traditionellen römischen Werten stimuliertes idealbild hineinprojiziert, das mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben dürfte. Ähnlich wie Elagabal war alexander bei seinem Herrschaftsantritt noch ein kind (sein Geburtsjahr ist wahrscheinlich 208 n. chr.), das sich jedoch anders als die bisherigen jugendlichen kaiser von caligula bis Elagabal in den Händen seiner berater und Erzieher(innen) als ungewöhnlich gefügig erwies. alexander war für ein gewisses, traditionell denkendes milieu eine art Wunschkaiser, der, ohne viele fragen zu stellen, die Schriftstücke unterschrieb, die ihm zur Unterzeichnung von maßgeblichen Vertretern der machteliten vorgelegt wurden. Es zeigte sich unter alexander, dass die legislative und judikative maschinerie der kaiserlichen regierung unter einem unmündigen, aber kooperativen Herrscher im Wesentlichen weiterhin funktionierte, so als ob ein aktiv regierender kaiser in ihrem zentrum stehen würde. Gleich zu beginn der alleinherrschaft alexanders publizierten die kaiserlichen Sekretariate zirkulare, in denen eine reduzierung der abgabenbelastung für die städtischen Eliten angekündigt wurde (s. unten Vi. 3.). Dies war eine kehrtwendung gegenüber der politik seiner Vorgänger und eine wichtige Voraussetzung für alexanders popularität in den besitzenden Schichten. auch der respektvolle Umgang alexanders mit den traditionellen Eliten, den
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diese seit dem tod marc aurels (180 n. chr.), sieht man von dem kurzen intermezzo des pertinax ab, nicht mehr gewohnt waren, trug zu der späteren mythenbildung bei. tatsächlich war die regierungszeit alexanders jedoch von extremen Spannungen gekennzeichnet, die einmal mehr darin begründet lagen, dass der Herrscher und seine Umgebung kein positives Verhältnis zur armee und den ihr nahestehenden ritterlichen und senatorischen funktionären finden konnten. in dem entmilitarisierten senatorischen milieu, für das der spätantike biograph schrieb, brachte dieses schlechte Verhältnis zum militär dem kinderkaiser wahrscheinlich Sympathien ein, in der historischen realität brachte es ihm den tod. Dabei schien für das militär die Welt mit dem Jahr 232 n. chr. wieder in ordnung zu sein, als eine große römische invasionsarmee sich anschickte, in drei Heeressäulen in das nunmehr persische nachbarreich im osten einzufallen. in diesem fall handelte es sich allerdings nicht um eine der üblichen aggressionen der römischen Seite gegen seinen östlichen nachbarn, sondern um eine reaktion auf die aggressive politik der neo-persischen Dynastie der Sasaniden. Doch als der römische angriff ausgeführt werden sollte, geschah etwas Unerwartetes: Die nord- und Südarmee setzten sich befehlsgemäß in bewegung und drangen tief in sasanidisches territorium ein, während alexanders kontingent – wenn Herodian die Ereignisse richtig wiedergibt – entgegen dem feldzugsplan bei Antiochia blieb und nicht an dem vereinbarten treffpunkt der drei Heeressäulen erschien. aus diesem Grund habe der persische könig die numerisch unterlegene invasionsarmee vernichtend schlagen können. Wie gewohnt, kann diese Darstellung nicht mehr verifiziert werden. am Ende des feldzugs stand offenbar ein frieden oder wenigstens ein Waffenstillstand, denn die römischen truppen konnten unbelästigt aus dem kampfgebiet abziehen, ohne dass die perser die Situation für den moment aggressiv ausgenutzt hätten. inschriften belegen die präsenz eines römischen Hilfstruppenkontingents in der nordmesopotamischen festung Hatra, die zu beginn des feldzugs noch persisch besetzt gewesen war. Dieser befund spricht für einen gewissen Verhandlungserfolg der römischen
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Seite, der möglicherweise auf das diplomatische Geschick der kaisermutter iulia mamaea zurückging, der an einem langgezogenen krieg, der ja das leben ihres Sohnes gefährdet hätte, Herodian zufolge nicht gelegen war. Ein weiterer Grund für die rasche beilegung des krieges waren jedoch nachrichten aus der oberrheinregion, denen zufolge es aufgrund germanischer raubzüge zu schweren Verwüstungen, wohl vor allem links des oberrheins, im sogenannten Dekumatland und in der Wetterau, gekommen war. nach auffassung des consiliums alexanders war die anwesenheit eines kaiserlich kommandierten Heeres in der krisenregion notwendig. alexander hatte es allerdings wiederum nicht eilig, an den brennpunkt des Geschehens zu kommen, und zog es der Historia Augusta zufolge vor, zunächst in rom einen triumph über die perser zu feiern (angeblich am 25. September 233). Die triumphalen münzlegenden alexanders sprechen dafür, dass die nachricht der Historia Augusta nicht aus der luft gegriffen ist. nachdem alexander schließlich im Jahr 234 n. chr. in seinem neuen Hauptquartier bei Moguntiacum (mainz) eingetroffen war, versuchten er und seine Vertrauten nach einem kurzen abschreckungszug rechts des rheins, wie schon mit den persern zu einer Verhandlungslösung zu kommen, die angeblich auch die zahlung von tributen an die rechtsrheinischen Germanen vorsah (offenbar in anknüpfung an den Vertrag, den caracalla 213 n. chr. mit den alamannen geschlossen hatte). für die mehrheit der Soldaten, die auf einen sofortigen angriff und auch auf beute gehofft hatten, war mit dieser erneuten Verzögerungspolitik eine rote linie überschritten: Sie ermordeten alexander und seine mutter zu beginn des Jahres 235 n. chr. und erhoben mit maximinus thrax einen offizier an seine Stelle, der bereit war, einen Eroberungskrieg von augusteischer Größenordnung im freien Germanien zu führen (s. unten Vii . 1.)
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2. Aus unterworfenen werden Bürger: Eine phase beschleunigter Integration Die chronisten der severischen Epoche gehörten wie fast alle antiken Historiker den soziopolitischen Eliten an und beschäftigten sich vorwiegend mit den interessen und lebensbedingungen dieser klassen. Da deren Verhältnis zur severischen Dynastie voller Spannungen war und zahlreiche Exekutionen und Strafmaßnahmen zu verzeichnen waren, erscheint die Herrschaftszeit der Severer im rückblick als von äußerster Härte geprägt. zu diesem durchaus zutreffenden Eindruck tragen natürlich Episoden wie die gnadenlose abrechnung des Severus mit Byzantium und Antiochia oder das völlig sinnlose massaker caracallas an den alexandrinern bei. Doch die severische politik hatte noch andere facetten als repression und Willkür. Dazu rechnet an erster Stelle ihre graduelle abwendung von rom als dem stadtstaatlich geprägten zentrum des imperiums und ihre Hinwendung zum Gesamtreich und seiner bevölkerung, die hadrianische züge trägt, aber im Vergleich zum Stil jenes kaisers einen ausgeprägteren strukturpolitischen Gestaltungswillen zeigt. Die bekannteste maßnahme in diesem zusammenhang ist die Verleihung des römischen bürgerrechts an nahezu die gesamte nicht-römische reichsbevölkerung durch caracalla wahrscheinlich im Jahr 212 n. chr. Dieses Gesetz, die sogenannte constitutio Anto niniana (antoninisches kaisergesetz), hatte epochale bedeutung, da es die überkommene Spaltung der reichsangehörigen in privilegierte römische bürger (cives Romani) und fremde (peregrini) aufhob und an ihre Stelle ein einheitliches reichsbürgerrecht setzte. Diese neuerung hatte mit der großen mehrzahl römischer reformen gemein, dass sie keinen bruch mit der bisherigen Entwicklung bewirkte, sondern einen ohnehin vorhandenen trend fortsetzte bzw. in diesem fall zum abschluss brachte. Die Verleihung des römischen bürgerrechts an einzelne peregrine oder ganze Gruppen hatte vor der constitutio Antoniniana bereits eine lange tradition. Um nur die zwei wichtigsten beispiele zu nennen: angehörige von
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auxiliareinheiten bekamen anlässlich ihrer Entlassung aus dem aktiven Dienst regelmäßig das römische bürgerrecht verliehen, und bürger sogenannter latinischer munizipien erhielten das römische bürgerrecht, wenn sie in ihrem Heimatmunizipium ratsmitglied wurden bzw. ein amt bekleideten (s. iV. 2.). Da sich die zahl der auxiliarsoldaten bereits im zweiten Jahrhundert n. chr. auf über 200 000 mann belief und es innerhalb des reiches eine Vielzahl latinischer munizipien gab, gingen allein aus diesen beiden bevölkerungsgruppen in jeder Generation zahlreiche römische neubürger hervor, die ihren Status in rechtmäßigen Ehen weitervererben konnten. Daher gab es um 212 n. chr., als caracalla sich zu seiner historischen maßnahme entschloss, bereits viele millionen römischer familien innerhalb des reiches. Dieser Expansionsprozess hatte dem römischen bürgerrecht viel von seiner aura der privilegierung genommen. Ursprünglich waren die cives Romani die Eroberer der ökumene gewesen, die auf die unterworfenen «fremden» voller Überlegenheit herabgeblickt hatten. Doch mit der ausbreitung des römischen bürgerrechts ging dessen nimbus allmählich verloren. als nach 212 n. chr. fast jeder reichsbewohner cives Romanus oder Romana war, verfiel der Wert dieses Status rasch noch mehr. Vor allem die steuerlichen und die strafrechtlichen Vorrechte, die den inhaber des bürgerrechts vor willkürlichen Verhaftungen und besonders demütigenden Straf- und zwangsmaßnahmen geschützt hatten, gerieten in Vergessenheit. Stattdessen trat die im Strafrecht verankerte Unterscheidung zwischen «ehrenwerteren» (honestiores) und «geringeren» (humiliores) bürgern stärker in den Vordergrund. Die «ehrenwerteren» bürger genossen einen besonderen rechtsschutz vor entehrenden und qualvollen Strafen, denen die «geringeren» bürger bei identischen Vergehen regelmäßig unterworfen wurden. Ein humilior war nicht einmal vor dem Verlust seiner freizügigkeit geschützt und konnte beispielsweise gezwungen werden, nach abschluss eines pachtvertrages lebenslang in dem betreffenden pachtverhältnis zu bleiben und seine pachtstelle nicht zu verlassen. Diese langfristige Entwicklung hatte caracalla allerdings nicht absehen können, und sie war wohl auch nicht in seinem Sinn. Die
Aus unterworfenen werden Bürger 231
ausweitung des bürgerrechts war zwar höchstwahrscheinlich aus einer augenblickseingebung heraus erfolgt (wohl in der Euphorie nach der tötung Getas), entsprach aber einer tendenz severischer politik, den interessen der reichsbewohner entgegenzukommen und diese gegebenenfalls gegen den machtmissbrauch staatlicher funktionäre zu schützen. Unter den einschlägigen maßnahmen können hier nur einige zur illustration genannt werden. aus dem februar 200 n. chr. ist ein Gesetz des Severus im originalwortlaut erhalten, in dem er einschärfte: «(…) dass niemand gezwungen werden darf, für einen anderen, sei es der Vater für seinen Sohn, oder der Sohn für seinen Vater oder wer auch immer für jemand anders (eine Zahlung an den Staat zu leisten). Sollte irgendein (Funktionär) überführt werden, solche Stellvertreterforderungen einzu treiben, wird er keiner geringen Gefahr entgegensehen.»94
Etwa in dieser zeit, also während der monate des Ägyptenbesuchs, beendete Severus außerdem eine jahrhundertealte anomalie, indem er erlaubte, in den ägyptischen bezirkszentren (metropoleis) kommunale Selbstverwaltungsorgane einzurichten, wie sie in den übrigen provinzen des reiches dem Standard entsprachen. bei der Heranziehung der bevölkerung zu staatlichen Dienstleistungen (wie transportdiensten, Straßen- oder Deichbauarbeiten) wurden altersgrenzen eingeschärft und auf wohnortnahe Einsätze geachtet. Die ursprünglich zur Versorgung italischer kinder ins leben gerufenen alimentarstiftungen wurden wahrscheinlich unter Septimius Severus und caracalla im gesamten reichsgebiet eingerichtet und unter die obhut der provinzstatthalter gestellt. Wohlwollende Verordnungen dieser art sind, wie gesagt, typisch für die politik der severischen Dynastie. Dem Stil der kaiserzeitlichen rechtssetzungspraxis entsprechend, wurden die meisten Entscheidungen der kaiser als reaktion auf anfragen von privatpersonen getroffen, in denen beispielsweise Schutz gegen selbstherrliche funktionäre gesucht oder rechtsgutachten in persönlichen angelegenheiten erbeten wurden. Die uns heute in der regel unter der bezeichnung «Juristen» bekannten severerzeitlichen fachautoren wie papinian, Ulpian oder marcian waren zugleich
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regierungsfunktionäre, die ihre Werke zum großen teil in auseinandersetzung mit den alltäglichen anfragen der bürger erarbeiteten. Die gestalterische und reformerische Hinwendung der Severer zu den provinzen und ihrer bevölkerung erklärt sich vielleicht zum teil daraus, dass diese Dynastie die erste von authentischer provinzialer Herkunft war. Die Heimatstadt der Severer, Lepcis Magna, war eine phönizische Gründung, deren führende familien durch den anbau von oliven und ihre Stellung im mediterran-schwarzafrikanischen transithandel reich geworden waren. Seit augustus war diese Stadt teil der römischen provinz Africa. Unter dem Einfluss römischer Gouverneure und zuwanderer latinisierte sich die städtische oberschicht gründlich und nahm lateinische namen, Sprache und bildung an. Lepcis wurde zum lateinischen municipium, später zur titularkolonie. architektonisch wurde das Stadtzentrum im lauf des ersten Jahrhunderts vollkommen nach italischen Vorbildern gestaltet. Die Septimii zählten zu den vermögendsten familien der Stadt und besaßen spätestens seit dem ersten Jahrhundert größere landgüter im extrem teuren Umland der Stadt rom. Der Großvater des imperators Septimius Severus erreichte den rang eines römischen ritters. Vor dem Hintergrund dieser akkulturationsgeschichte erscheint es allerdings als irreführend, wenn Septimius Severus als «afrikanischer» oder «phönizischer» imperator bezeichnet wird, wie es häufiger geschehen ist. Die funktionärselite des imperiums war offen für aufsteiger aus den verschiedensten kulturkreisen, aber sie war alles andere als multikulturell. Dass angehörige von familien mit einem provinzialen Hintergrund wie die Septimii in zunehmender zahl im reichsdienst karriere machen und im Extremfall sogar kaiser werden konnten, ist vielmehr ausdruck der starken prägenden kraft der römischen instiutionen. Die Verleihung römischer Verfassungen an loyale regionalstaaten (wie Lepcis Magna), die aufstiegschancen in der armee oder auch im ritterlichen oder senatorischen Dienst spielten in dieser Hinsicht eine entscheidende rolle. Was über Septimius Severus und seine familie in diesem zusammenhang gesagt werden kann, gilt mutatis mutandis für fast alle
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imperatoren der folgezeit. auch wenn bei einer ganzen reihe unter ihnen durch antike und vor allem moderne autoren die nichtrömische («thrakische», «illyrische» oder «arabische») Herkunft betont wurde und wird, so spielte diese regionale Herkunft für die prägung und das politische agieren der betreffenden Herrscher nur eine geringe oder gar keine rolle: Sie waren durch den Dienst in der armee oder auf anderen Stellen (z. b. procuraturen oder präfekturen) so stark latinisiert, dass aus ihrem reden, Schreiben und Handeln nichts auf eine «fremde» Herkunft hindeutet. Der einzige imperator, der sich den römischen Verhaltensnormen nicht beugte, war das «Elagabal» genannte kind auf dem kaiserthron, das tatsächlich keinerlei römische Sozialisation genossen hatte. Dieses problem wurde auf bewährte römische Weise gelöst, indem der Jugendliche nach relativ kurzer regierungszeit ermordet wurde.
3. Gekaufte Treue: Solderhöhungen und Truppenvermehrung angehörige der severischen Dynastie regierten von 193 bis 235 n. chr., unterbrochen nur von dem vierzehnmonatigen intermezzo des opellius macrinus. Diese lange regierungszeit ist, gemessen an den Verhältnissen des dritten Jahrhunderts, ein ausdruck einer gewissen politischen Stabilität, die allerdings insofern nur relativ ist, als fünf der vier augusti, die aus diesem Haus hervorgingen, und zwei kaiserinnen durch einen gewaltsamen tod ihr Ende fanden. Diese relative Stabilität der Dynastie hatte ihre Ursache in der popularität, die Septimius Severus und caracalla bei der armee genossen und die sich dem prestigezuwachs und den materiellen Vorteilen verdankte, die die beiden imperatoren der armee zukommen ließen. als eine der ersten Entscheidungen nach der Erkämpfung der alleinherrschaft 197 n. chr. ordnete Severus eine anhebung des Wehrsoldes an, deren Umfang sich zwar nicht mehr beziffern lässt, die jedoch in den Worten der Historia Augusta «hö-
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her (war) als irgendein princeps sie je gewährt hat».95 Unter caracalla folgte eine weitere anhebung des basissoldes um fünfzig prozent und unter maximinus (235–238 n. chr.) eine nochmalige um hundert prozent. innerhalb von vierzig Jahren war der Wehrsold damit um 200 bis 250 prozent erhöht worden, nachdem zuvor über hundert Jahre – trotz der durch die münzverschlechterungen unter marc aurel bedingten teuerung – keine Soldanpassung stattgefunden hatte. Die fiskalische bedeutung dieser Solderhöhungen wurde noch dadurch vergrößert, dass die Sollstärke des Heeres unter den Severern anstieg. allein für die partherkriege des Septimius Severus wurden drei legionen neu aufgestellt und ausgerüstet, mit anderen Worten etwa 15 000 männer zusätzlich in Dienst gestellt, darunter etwa 180 hochbezahlte centurionen und weitere Unteroffiziere. Die zahl der städtischen kohorten wurde vervierfacht und neue auxiliareinheiten wurden aufgestellt. als außergewöhnliche belastung für die Staatskasse kamen die anlässlich von feiertagen des kaiserhauses ausgeschütteten Geldgeschenke (donativa) für die Soldaten hinzu, die unter den Severern rekordhöhen erreichten und die der zeitzeuge cassius Dio mit wachsendem ingrimm und Entsetzen verzeichnet. allein für die bei der Gelegenheit seines zehnjährigen regierungsjubiläums an die prätorianer und die Empfangsberechtigten der römischen annona (vgl. S. 169) ausgeschütteten Goldzahlungen wendete Severus einen betrag von 200 millionen Sesterzen auf. Das entspricht der Summe, die artabanus 218 n. chr. als Entschädigung für die zerstörung der parthischen königsgräber von den römern verlangte und die eine ungewöhnlich hohe buße darstellte. Die armee war neben den stadtrömischen annonaberechtigten der wichtigste profiteur dieser ausgabenpolitik. Der Historiker cassius Dio gehörte als angehöriger des Senatorenstandes zu einer der zahlungskräftigen Gruppen der reichsgesellschaft, die die finanziellen lasten der severischen klientelpolitik zu tragen hatten, und damit zu deren Verlierern. Seine Römische Geschichte oder genauer: die erhaltenen Exzerpte dieses monumentalen Werks dokumentieren in ungefilterten Worten die affekte, die die starke finanzielle beanspruchung der städtischen Eliten durch den severischen
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Heeresklientelismus auslöste. Eine typische charakteristik caracallas liest sich beispielsweise so: «Dieser Alexandernarr Antoninus konnte sich nicht genug tun, den Solda ten, die er in sehr großer Zahl um sich hatte, Geldgeschenke zu machen, wobei er immer neue Vorwände und Kriege angab. Was jedoch die ge samten übrigen Menschen anlangte, so bestand seine Arbeit darin, sie aus zuziehen, auszuplündern und zugrunde zu richten, nicht zum wenigsten die Senatoren. Da gab es erstens die goldenen Kränze, die er als angeblicher Dauersieger über die Feinde immer wieder forderte; ich spreche dabei nicht von der tatsächlichen Anfertigung von Kränzen – auf wie viel beläuft sich dies auch schon? –, sondern von dem riesigen Geldbetrag, der dauernd unter jenem Namen von den Städten für die herkömmliche Bekränzung der Kaiser, wie es heißt, entrichtet werden muß.»96
Es folgen klagen über die Heranziehung der Senatoren zur finanzierung der Heereslogistik und der luxuriösen ausstattung der mobilen regierungszentrale. Das zitierte Exzerpt gewährt unter anderem einen Einblick in die techniken, derer sich die Dynastie bediente, um die erhöhten ausgaben zu bestreiten. Senatoren waren als römische bürger und mitglieder des ersten Standes von vielen regulären abgaben befreit, wurden jedoch durch bestimmte unregelmäßig anfallende Steuern wie die Erbschaftssteuer stark belastet. zu den besonders schwer kalkulierbaren abgaben zählten für angehörige der oberschicht die von Dio gehassten Goldkränze bzw. kranzgelder, deren zahlung die Stadträte des reiches bei besonderen Gelegenheiten wie regierungs- oder Siegesjubiläen für das kaiserhaus beschlossen. Der Historiker fühlte sich durch diese kranzabgaben «ausgezogen, ausgeplündert und zugrunde gerichtet», und daraus erklärt sich nicht zum wenigsten sein Hass auf caracalla, den er in seiner Geschichte durchgehend voller Verachtung behandelt und selten ohne beistellung ausgesuchter Schimpfworte auftreten lässt. mit dieser Grundhaltung konnte Dio auf die Sympathien der meisten seiner Standesgenossen hoffen, von denen die kaiser aufs Ganze gesehen kaum Verständnis für ihre lage erwarten durften. als mit Severus alexander 222 n. chr. ein kind das palatium be-
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zog, das sich als im Sinne der Geldeliten des imperiums manipulierbar erwies, verzichteten er oder vielmehr seine berater auf das zum Herrschaftsantritt übliche kranzgold und machten diesen beschluss reichsweit publik. Dies war einer der Grundsteine, auf dem der mythos vom «guten kaiser» alexander Severus aufbaute. Doch in demselben Schreiben, mit dem dieser Verzicht angekündigt wurde, musste das kaiserliche Sekretariat einräumen, dass es auf früher bereits zugesagte kranzgelder, die die zentralen Sekretariate sorgfältig in ihre bücher aufgenommen hatten, nicht verzichten konnte. mit dem Einsetzen der Vorbereitungen des ostfeldzugs in den 230er Jahren dürften auch die «freiwilligen» kranzgelder wieder verstärkt auf die tagesordnung gekommen sein. Doch die kaiser mochten noch so große finanzielle opfer von den Untertanen verlangen, für die regelmäßige bestreitung der erhöhten militärkosten reichte das eingenommene Edelmetall nicht aus. bereits 194 n. chr. lag der Silbergehalt von Standardsilberbarren nach einer jüngeren metallurgischen Studie bei nur noch 46 prozent. außerdem wurde das Gewicht der münzen weiter verringert. caracalla experimentierte bereits mit einem nominellen Doppeldenar, der nur noch das Gewicht von anderthalb älteren Denaren hatte. Diese münze, die in der wissenschaftlichen literatur nach caracallas familiennamen Antoninianus genannt wird, sollte später, nach 238 n. chr., für lange zeit zu einer leitmünze des zahlungsverkehrs im imperium werden. in der gegenwärtigen forschung wird häufig die meinung vertreten, die metallverschlechterungen und Gewichtsmanipulationen der zeit hätten für die bürger keine größere bedeutung gehabt, weil deren möglichkeiten der metallanalyse nur sehr beschränkt waren und die regierung die Stabilität des Währungssystems (nicht allerdings der Warenpreise) ohnehin per Dekret garantierte. richtig daran ist, dass das neue, «schlechtere» Geld über viele Jahrzehnte ohne nennenswerte Störungen in den Wirtschaftskreislauf integriert wurde. Dennoch sollten die psychologischen auswirkungen der Geldverschlechterungen nicht unterschätzt werden. Dio ist wiederum ein wichtiger zeitzeuge:
Solderhöhungen und Truppenvermehrung 237 «Antoninus schenkte (…) den Barbaren vollwertige Münzen, während er für die Römer nur verfälschtes Silber und Gold zur Verfügung hatte; die eine Art ließ er nämlich aus Blei mit Silber, die andere aus Kupfer mit Gold auflage herstellen.»97
Dio nahm darüber hinaus an, dass das «gute» Geld, das jährlich aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen an die «barbaren» abfloss, ungefähr den Jahresausgaben im inneren des reiches entsprach, die in «verfälschten» münzen bestritten wurden. Wenn auch die Exaktheit dieser angaben nicht nachgeprüft werden kann, so dokumentieren Dios ausführungen jedenfalls, dass die von der regierung praktizierten Geldverschlechterungen durchaus nicht unbemerkt blieben und als demütigend für das imperium und «die römer» empfunden wurden. Die treue der Soldaten wurde mithin mit einer äußerst belastenden Hypothek bezahlt. Es sollte sich darüber hinaus in der zeit nach caracalla bald herausstellen, dass die materielle Überprivilegierung der armee längst keine Garantie für ihre loyalität gegenüber den imperatoren war, da die Soldaten sicher damit rechnen konnten, dass jeder prätendent ihnen wenigstens die bereits erreichten begünstigungen zugestehen würde. Sie konnten daher in jener zeit noch stärker, als sie dies traditionell ohnehin gewohnt waren, anwärter auf den thron gegeneinander ausspielen und sich – zeitweise – für den meistbietenden erklären.
VII. FÜNFzIG JAHRE KRISE (230ER–280ER JAHRE)
1. Ein Intermezzo: Der letzte römische Angriff auf mitteleuropa und seine Folgen (235–238 n. Chr.) Das am rhein zusammengezogene Expeditionsheer hatte 235 n. chr. die Ermordung alexanders auch deswegen so euphorisch begrüßt, weil mit der ausschaltung dieses imperators die aussicht auf eine aggressive kriegführung rechts des rheins verbunden war, für die der neue kaiser maximinus programmatisch stand. bereits der zeitgenosse des maximinus, Herodian, ging davon aus, dass das ziel der 235 beginnenden feldzüge die Unterwerfung der germanischen Gebiete «bis an den ozean» war (gemeint sind nord- und ostsee).98 Die forschung hat diese Einschätzung in der regel als bloße phantasterei abgetan, doch archäologische funde der jüngeren zeit lassen Herodians aussage in einem gänzlich neuen licht erscheinen: militariafunde bei dem sogenannten Harzhorn im kreis northeim (niedersachsen) dokumentieren ein aufeinandertreffen germanischer kämpfer und römischer Soldaten, das sehr wahrscheinlich in den 230er Jahren stattgefunden hat. Der fundplatz liegt etwa 300 kilometer nordöstlich von mainz und belegt damit das weite ausgreifen der operationen maximins, von dem schon Herodian und die Historia Augusta berichteten. nach anfänglichen Erfolgen scheiterte die ehrgeizige Expansionspolitik maximins jedoch, allerdings weniger auf militärischem als auf fiskalischem Gebiet. Seine massiven Solderhöhungen, die baumaßnahmen im zuge der kriegsvorbereitungen, vor allem aber die aufwendige logistik der Germanienfeldzüge erzeugten kosten, die das imperium nicht mehr finanzieren konnte oder wollte. insofern war die Wiederaufnahme der immerhin unter wesentlich günstigeren fiskalischen bedingungen bereits gescheiterten augus-
Der letzte römische Angriff auf mitteleuropa 239
teischen Eroberungspolitik ein anachronistischer Versuch. maximinus musste schmerzhaft lernen, dass große teile der reichsbevölkerung schlicht nicht mehr bereit waren, eine aufwendige Expansionspolitik, noch dazu in Gebieten, die keine kurzfristige rendite versprachen, zu unterstützen. Die offene revolte gegen die Herrschaft des «Soldatenkaisers» maximinus begann anfang des Jahres 238 in der provinz Africa. Eine Gruppe paramilitärisch organisierter junger leute, wohl eine art knüppelgarde der provinzialen oberschicht, erschlug bei Thysdrus, südlich von karthago, einen procurator des kaisers, der in unnachsichtiger Weise pachtrückstände eingetrieben hatte. Da es nach dieser bluttat kein zurück mehr gab, zwangen die aufrührer den widerstrebenden 80-jährigen Statthalter der provinz, marcus antonius Gordianus, unter androhung von Waffengewalt zur annahme des imperatortitels. Etwa mitte april 238 n. chr. wurden maximinus und sein Sohn maximus durch den Senat zu Staatsfeinden (hostes) erklärt und Gordian mit seinem etwa 45-jährigen gleichnamigen Sohn als augusti anerkannt. 265 Jahre nach dem augusteischen Staatsstreich war dies das erste mal, dass der Senat einen kaiser absetzte, der über rückhalt beim militär verfügte und an der Spitze einer kampferprobten provinzialarmee stand. Die maßnahme schien anfangs aussichtslos zu sein, illustriert aber den extremen Unwillen der städtischen Eliten, immer weiter steigende mittel für die armee und ihre aggressive politik aufzuwenden. Wo immer in der zivilen bevölkerung eine freie meinungsäußerung möglich war, fand der Schritt des Senats Unterstützung. Doch nur etwa eine Woche nach der anerkennung der beiden Gordiane durch den Senat hatte die in unmittelbarer reichweite karthagos stationierte legion die Usurpation mit dem tod der Gordiane beendet und unter der karthagischen bevölkerung ein blutbad angerichtet. rom und italien drohte dasselbe Schicksal, denn hier standen ebenso wenig wie in nordafrika kampferprobte truppen zur Verfügung, die es mit den professionellen legionären maximins hätten aufnehmen können. Doch die Erklärung maximins zum Staatsfeind ließ sich nicht mehr ungeschehen machen.
240 VII. Fünfzig Jahre Krise (230er–280er Jahre)
für die elf regionen italiens wurden spezielle beauftragte ernannt, die rekruten für den abwehrkampf ausheben und Waffenmanufakturen einrichten sollten. koordiniert wurden die abwehrmaßnahmen zunächst durch ein aus zwanzig consularen gebildetes kollegium. zwei Senatoren wurden durch Senatsbeschluss zu oberbefehlshabern des erst im Entstehen befindlichen abwehrheeres ernannt: marcus clodius pupienus maximus und Decimus caelius balbinus. Doch die stadtrömische bevölkerung lehnte diese «Senatskaiser» – dem bericht Herodians zufolge – erbittert ab: mit Stöcken und Steinen bewaffnet, belagerten sie pupienus und balbinus, die sich mit einer improvisierten Garde aus jugendlichen rittern umgeben hatten, auf dem kapitol. Ein regen von Steinen ging über den kaisern und ihren beschützern nieder, bis diese eine zentrale forderung des aufbegehrenden Volkes erfüllten: die Ernennung eines zusätzlichen imperators, der den namen der in afrika zu tode gekommenen Gordiane tragen sollte. Die Wahl fiel auf den erst zwölf oder dreizehn Jahre alten Enkel des älteren Gordian, marcus antonius Gordianus (Gordian iii .).99 maximinus hatte in der zwischenzeit auf die nachrichten aus italien und afrika hin die operationen nördlich der Donau abgebrochen und rüstete ein Expeditionsheer zu einem marsch auf rom. im Sommer 238 n. chr. führte er dieses Heer von nordosten nach italien. Überall im imperialen mutterland wurden Städte in abwehrbereitschaft gesetzt, truppen ausgehoben und ausgerüstet. im nordosten italiens schloss maximins Heer die festung Aquileia ein, die den «kaiserlichen» einen fanatischen abwehrkampf lieferte. Die bürgerschaft dieser Stadt, die durch die Vermittlung des Handels zwischen italien und dem illyrischen und pannonischen Hinterland reich geworden war, kann als repräsentativ für jenes städtische milieu gelten, dass durch die pax Romana viel zu gewinnen hatte und durch eine riskante militärpolik alles verlieren konnte. Doch nicht nur ihr heroischer abwehrkampf brachte maximinus zu fall. Entscheidend wurde, dass die bevölkerung italiens und wohl auch der nachbarprovinzen die Versorgungswege für das belagerungsheer sorgfältig und großräumig abriegelte. Die boten des zum hostis erklärten kaisers konnten den
Der letzte römische Angriff auf mitteleuropa 241
raum um Aquileia nicht mehr verlassen, so dass dem invasionsheer nicht nur die Versorgungsgüter, sondern auch die informationen über die kriegslage ausgingen. Ein teil der invasionsarmee rebellierte unter diesem Druck gegen maximinus und tötete ihn. Der rest des Heeres streckte daraufhin resigniert die Waffen und forderte die Verteidiger der Stadt auf, ihnen als nunmehr befreundetem Heer die tore zu öffnen. Die aquileier gingen darauf erst ein, nachdem die ausgehungerten belagerer einige vor die mauern der Stadt herausgetragene bilder von pupienus, balbinus und Gordian iii . angebetet und die Himmelfahrt der beiden älteren Gordiane als historisches faktum anerkannt hatten. als diese Vorgänge nach rom gemeldet wurden, entstand nach dem (detaillierten aber unzuverlässigen) bericht Herodians ein tumult.100 Ein teil der zivilen bevölkerung der Stadt habe sich mit Waffen aus den Gladiatorenkasernen versorgt und die in rom stationierten Soldaten attackiert. Der Senat ernannte Sonderkommandeure und beorderte frisch ausgehobene rekruten nach rom. Die folgenden Straßenschlachten zogen sich über tage hin; ganze Stadtviertel wurden von den prätorianern, die attacken aus den engen und unübersichtlichen Seitenstraßen befürchteten, niedergebrannt. Da sie nach diesen aktionen angeblich fürchteten, dass pupienus und balbinus sie nach dem Vorbild des Septimius Severus entwaffnen könnten, griffen die prätorianer im mai 238 auch die mittlerweile wieder in rom weilenden kaiser im palatium an. als pupienus die in rom stationierten germanischen Spezialtruppen zum palast beorderte, um den angriff der prätorianer abzuwehren, unterband balbinus dies, weil er seinem partner misstraute. Jeder schien jetzt gegen jeden zu kämpfen. Damit endete das kurze intermezzo eines zivilen aufbegehrens gegen die absolute Dominanz des militärs. Die prätorianer drangen unbehelligt in das palatium ein, entkleideten die imperatoren, rissen ihnen die bärte und augenbrauen aus und verschleppten sie in ihre kaserne. als die germanischen Gardesoldaten doch noch einen angriff auf die prätorianer unternahmen, töteten diese balbinus und pupienus und begrüßten Gordian iii . als nunmehr alleinigen augustus.
242 VII. Fünfzig Jahre Krise (230er–280er Jahre)
2. zeitenwende: Das Imperium wird vom Angreifer zum Angegriffenen Die angriffe der perser in Syrien und der Germanen westlich des rheins markierten in den 230er Jahren eine zeitenwende für das imperium romanum: Es wurde von einem expandierenden Staat zu einem in der permanenten Defensive. auch die militärischen Erfolge des dritten Jahrhunderts und der folgezeit erfochten die Soldaten des imperiums fast ausnahmslos auf dem boden des reiches: ihr Ergebnis war die Vertreibung von aggressoren, territoriale oder fiskalische Gewinne erbrachten diese Siege nicht. an nahezu allen Grenzen erfolgten im lauf des dritten Jahrhunderts größere Umgestaltungen in der politischen organisation der nachbarn roms und der geostrategischen lage. Diese Veränderungen werden in diesem kapitel vorgestellt. Dabei wird von der chronologischen Darstellungsweise abgewichen, um die wichtigsten betroffenen regionen vom niederrhein bis marokko in einem im Uhrzeigersinn laufenden rundgang um das imperium einzeln in den blick zu nehmen.
2.1. Der fränkische Stammesbund östlich des niederrheins bildete sich im lauf des dritten Jahrhunderts ein lockerer zusammenschluss von germanischen Volksgruppen, die das Gebiet vom rhein bis etwa zur Weser und im Süden wohl bis nach nordhessen besiedelten. Die erste antike bezeugung für die Selbstbezeichnung der bundesmitglieder als «franken» (etwa: «die kühnen»), stammt aus einer relativ späten Quelle, einem text des festredners mamertinus aus dem Jahr 291 n. chr. zu diesem zeitpunkt war der frankenname allerdings bereits ein fest eingeführter begriff, den offenbar jedermann verstand. Wann der zusammenschluss genau stattgefunden hat, muss angesichts dieser Quellenlage jedoch unklar bleiben. Der Stammesverband der franken war anfangs nur locker ausgestaltet und hatte im dritten Jahrhundert noch keine zentralen politischen institutionen.
Vom Angreifer zum Angegriffenen 243
Die fürsten einzelner teilverbände wie der bructerer oder amsivarier nennen die lateinischen autoren reges oder reguli («Häuptlinge»). mitunter wurden mit diesen ausdrücken aber auch bloße Gefolgschaftsführer bezeichnet, die eine auf beutesuche und abenteuer ausgezogene kriegergruppe für die Dauer des Unternehmens befehligten. Diese züge, mit denen die «franken» seit den 250er Jahren die gallischen und andere Gebiete des imperiums regelmäßig heimsuchten, waren nicht von zentraler Stelle angeordnet, sondern weitgehend autonome Unternehmungen einzelner kriegergruppen. Dennoch spricht die Gleichzeitigkeit wenigstens einiger großer, parallel stattfindender raubzüge innerhalb des imperiums dafür, dass diese angriffe abgesprochen waren und dass der frankenbund die möglichkeit zu solchen Verabredungen hatte. Seit den 250er Jahren bis in die 280er ist eine lange reihe von fränkischen kriegs- und plünderungszügen westlich des rheins zu verzeichnen. an einigen größeren raubzügen müssen mehrere tausend kämpfer teilgenommen haben, die – aufgeteilt in getrennt agierende Gruppen – tief in das römische reichsgebiet eindrangen. Der bekannteste zug (im Jahr 257 oder 259/260) führte fränkische angreifer bis zu den südspanischen Häfen und von dort auf Schiffen zur nordafrikanischen küste. Doch diese spektakulären züge waren die ausnahme, gewöhnlich betrafen die Einfälle niedergermanien und den nordostgallischen raum. Die bevölkerung in Grenznähe reagierte teilweise mit der aufgabe ihrer Höfe und dem rückzug in die oft erst seit dieser zeit wieder befestigten Städte. Wohlhabende Grundbesitzer, die ihr Hab und Gut nicht aufgeben wollten, ließen von ihren arbeitskräften Wachtürme (sogenannte burgi) auf oder bei ihren Höfen errichten.
2.2. Das gallische Sonderreich (260–274 n. Chr.) im Spätsommer des Jahres 260 n. chr. spitzte sich die krise am niederrhein weiter zu. nachdem es dem frontkommandeur marcus cassianus latinius postumus gelungen war, einer fränkischen Gruppe, die auf dem rückweg von einem raubzug in ihre rechtsrheinischen Siedlungsgebiete war, ihre beute wieder abzunehmen,
244 VII. Fünfzig Jahre Krise (230er–280er Jahre) Hadriansmauer
Die germanischen Stammesverbände östlich des Rheins im 3. Jh.
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verteilte er diese umgehend als belohnung an seine Soldaten, stieß damit jedoch auf den erzürnten Widerstand eines gewissen Silvanus, der als Vormund eines minderjährigen kaisersohnes in köln weilte und ultimativ verlangte, dass die Soldaten des postumus die der zivilbevölkerung von den franken abgenommenen Güter wieder herausgaben. Diese forderung provozierte eine spontane meuterei, die Soldaten zogen nach köln, belagerten und erstürmten die Stadt (wohl im august 260 n. chr.). Die Episode wirft ein Schlaglicht auf die Situation an den Grenzen in diesen krisenjahren. Die römischen Soldaten verhielten sich
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prinzipiell nicht anders als die beutesuchenden «barbaren»: Wenn sich die chance ergab, eine Sonderzulage zu kassieren oder eine Stadt zu plündern, unterschieden sie nicht zwischen freundes- und feindesgebiet, sondern folgten in der auswahl ihrer Eroberungsziele demjenigen befehlshaber, der ihnen kurzfristig den größten materiellen Vorteil versprach. Diese Verhaltensweise war immer charakteristisch für das berufsheer der römischen kaiserzeit gewesen, neu war im dritten Jahrhundert allerdings, dass die anzahl der Situationen rasant anwuchs, in denen die Soldaten als marodeure im eigenen land Gewinn machen konnten. Gallienus, der regierende augustus (alleinherrschaft 260–268 n. chr.), war durch angriffe von Germanen und persern in seiner Handlungsfähigkeit auf verschiedene frontabschnitte des imperiums beschränkt und musste ohnmächtig mit ansehen, wie der mörder seines Sohnes eine konsolidierte machtposition in den nordwestprovinzen des reiches (Germanien, Gallien und raetien, spätestens 261 auch in britannien und den spanischen provinzen) aufbaute. Das in diesem bereich kurzfristig konsolidierte staatliche Gebilde wird in der forschung traditionell «Gallisches Sonderreich» genannt. im Grunde handelte es sich jedoch eher um ein «römisches Sonderreich» ohne rom. Wie das kernimperium verfügte es über jährlich wechselnde consulpaare, eine eigene prätorianergarde und wohl auch eine art Senat. in ihren residenzstädten (trier und/oder köln) verteilten die «Sonderkaiser» nach römischem Vorbild Geld- und Getreidespenden. Dieses Separatimperium erbte allerdings auch die probleme des mutterimperiums, ohne über die entsprechenden ressourcen an Soldaten und Edelmetall zu verfügen. nachdem der kölner metallschatz, den postumus erobert hatte, verbraucht war, sank der Edelmetallgehalt in den münzen der Sonderkaiser schnell ab. Die Soldaten schlugen sich gegen die franken und andere Germanen mit beachtlichem Erfolg, profitierten aber auch von zeitweiligen atempausen, die die angreifer ihnen in den 60er Jahren gewährten. als postumus seinen truppen 269 n. chr. die plünderung von mainz untersagte, erschlugen sie ihn kurzerhand und begrüßten den lagerschmied marcus aurelius marius als ihren neuen impe-
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rator, der nach wenigen monaten seinerseits ermordet wurde. Der Separatstaat zeigte jetzt starke Verfallserscheinungen, während die imperatoren des kernimperiums die bemühungen um eine rückführung der weggebrochenen provinzen intensivierten. Die von der Soldateska der Sezessionisten heimgesuchten bevölkerungen vieler Städte sympathisierten offenbar mit den kaisern des zentralreichs. Schließlich verließ der letzte imperator des «Sonderreichs», tetricus, kurz vor der Entscheidungsschlacht bei Cata launum (châlons-sur-marne/châlons-en-champagne) sein Heer und suchte den pardon des zentralkaisers aurelian (274 n. chr.), der ihn freundlich aufnahm. Die fränkischen angriffe nahmen nach dem Ende des Sonderreichs allerdings wieder zu. Die Strategie, einzelnen kriegergruppen den Verbleib im reich zu erlauben und sie mit Siedlungsland auszustatten, erwies sich als kontraproduktiv: Von den neuen Siedlungsplätzen aus unternahmen die fränkischen kolonisten weitere agriffe, zum beispiel auf britannien, nordafrika und Sizilien.
2.3. Der alamannische Bund im Süden der franken, in dem raum zwischen main und Donau, entstand mit der alamannischen föderation ein politisch ähnlich wie das der franken strukturiertes und vergleichbar aggressives Gebilde. Seine Entstehung verlief jedoch anders als im falle der franken, deren bündnis im Gegensatz zu dem der alamannen in erster linie aus bereits ansässigen Stämmen bestand. Das Gebiet zwischen dem obergermanischen limes, main, Donau und (ungefähr) der naab im osten, war seit dem ersten Jahrhundert weitgehend siedlungsleer oder beheimatete jedenfalls keine größeren, politisch verfassten Gruppen. aus diesem Grund hatte von der flavischen bis zur antoninischen zeit (etwa von 70 bis 160 n. chr.) in dieser region die reichsgrenze schrittweise vorverlegt werden und das kampflos gewonnene land an neusiedler aus dem reich vergeben werden können. in das großteils unbesiedelte land östlich und nördlich des limes wanderten dann, etwa seit der mitte des zweiten Jahrhunderts, kleine germanische Gruppen ein, um sich dauerhaft
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Balearen
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Sardinien
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Mittelmeer
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Gallisches Sonderreich Herrschaftsbereich des Gallienus Palmyrenischer Reichsteil
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Atlantischer Ozean
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Nordsee
300 km
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248 VII. Fünfzig Jahre Krise (230er–280er Jahre)
dort niederzulassen. zunächst lässt sich nur ein relativ bescheidener zuzug aus dem rhein-weser-germanischen bereich in das taubertal feststellen (wenige kilometer östlich des limesabschnitts zwischen miltenberg und osterburken). Später, wohl seit der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts, trafen größere Wandergruppen vor allem aus der region der mittleren Elbe ein. Erhaltene trachtbestandteile, Schmuck und keramik weisen diese neusiedler eindeutig als angehörige der an der Elbe siedelnden suebischen Volksgruppen aus. aufgrund der Siedlungsstruktur in kleinen, nur kurzzeitig bewohnten Dörfern und der Eigenart der begräbnistechniken im dritten Jahrhundert ist die anwesenheit der suebischen neusiedler allerdings nur selten und durch zufallsfunde nachweisbar. Der leider nur in späten, bruchstückhaften auszügen erhaltene bericht des zeitgenossen cassius Dio101 über den feldzug, den caracalla 213 n. chr. östlich der obergermanischen limeslinie führte (oben S. 219), legt jedoch die annahme nahe, dass die germanischen Einwanderer bereits in dieser zeit mit dem alamannennamen (etwa: «ganze kerle») eine kollektive Selbstbezeichnung angenommen hatten und zur organisation einer effektiven gemeinsamen abwehr in der lage waren. am Ende der kampfhandlungen musste sich caracalla jedenfalls zu einer Geldzahlung an die angegriffenen bereit finden – was impliziert, dass diese über wie auch immer definierte Vertreter verfügten, die das Geld im namen der Gemeinschaft entgegennehmen konnten. Wie die politischen institutionen der alamannen im dritten Jahrhundert im Einzelnen aussahen, ist unbekannt. Sicher ist lediglich, dass sie ebenso wenig wie die franken über ein gemeinsames königtum verfügten. typisch scheinen sehr kleinräumige, von lokalen «königlichen» (regales) regierte Herrschaftseinheiten gewesen zu sein, die allerdings bei bedarf ihre aktionen miteinander koordinieren konnten. im laufe der Expansion nach Süden und nach Westen bildeten sich im dritten und vierten Jahrhundert Unterabteilungen des Hauptstamms, die ebenso wie die alamanni als kollektiv neu gebildete namen trugen, wie etwa die brisigavi (nach der civitas Brisiacum) oder die lentienses nach der in den bodensee
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fließenden linz. Eine etwas weiter östlich (etwa zwischen altmühl und naab) siedelnde Gruppe, die sich von den suebischen Semnonen abgespalten hatte, bewahrte unter dem namen iuthungi bis ins fünfte Jahrhundert eine gewisse Selbständigkeit gegenüber den alamannen, so dass sie von den autoren mitunter als eigenständiges Volk, zuweilen aber auch als «teil der alamannen» angesprochen wird. Die angriffe auf das reichsgebiet, die alexander Severus 233 n. chr. zum abbruch des perserfeldzugs zwangen, waren wahrscheinlich vor allem von alamannen durchgeführt worden. Die attacken betrafen nach Herodians Darstellung regionen, die von der mainmündung bis zum Voralpenland reichten.102 Sollte das zutreffen, zeigten die alamannischen angriffe bereits in den 230er Jahren eine außerordentliche ausdehnung und verraten einen gewissen koordinierungsgrad. Die Gegenangriffe von maximinus (235–238) scheiterten zwar, jedenfalls insofern großräumige strategische intentionen mit ihnen verbunden waren, hatten aber noch einmal eine annähernd zwanzig Jahre dauernde ruhephase an rhein und unterer Donau zur folge. mit den großen raubzügen der franken und alamannen erreichten die angriffe der rechtsrheinischen Germanen seit 256/257 n. chr. eine neue Qualität. alamannische angreifer gelangten in dieser zeit bis nach italien, das kernland des imperiums, und sogar bis rom (259/260 n. chr.). Viele der plündernden Haufen hatten nur eine Stärke von einigen hundert kämpfern, doch fanden sich auch zusammenschlüsse von mehreren tausend mann. Dies erhellt aus der tatsache, dass einige Verbände erfolgreich gegen kaiserlich geführte Heere kämpfen bzw. tausende von Gefangenen mit sich führen konnten, wie etwa ein 1992 im flussbett des lech in der nähe von augsburg gefundener römischer Weihaltar bezeugt, dessen Votivinschrift von vielen tausend Gefangenen berichtet, die eine improvisierte römische Eingreiftruppe aus der Gefangenschaft eines iuthungischen plünderverbandes befreit hatte.103 in den 260er Jahren mussten die imperialen Gebiete nördlich der Donau und östlich des oberrheins von den römischen besat-
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zungstruppen geräumt werden. Ein teil der zivilbevölkerung blieb wahrscheinlich unter alamannischer Herrschaft zurück. nach einer kurzen atempause zu beginn der 260er Jahre nahmen die Einfälle der alamannen in raetien und norditalien wieder an intensität zu. Ein auf münzlegenden und in der späteren chronistik gefeierter Sieg des kaisers claudius (268–270) am Gardasee gegen eine über den brenner nach italien eingedrungene alamannengruppe im Jahr 268 n. chr. eröffnete aber eine reihe siegreicher römischer Schlachten, die unter den nachfolgenden kaisern aurelian (270–275) und probus (276–282) im Voralpenland geschlagen wurden. auch wenn in der vereinfachenden Darstellungsweise der Schlachtenchronographie die römische Seite mit diesen Siegen wieder die oberhand an der unteren Donau zu gewinnen scheint, so sollte die kette gefeierter Erfolge über alamannen und andere Germanen nicht überbewertet werden. in diesen siegreichen Schlachten wurden einzelne eingedrungene Gruppen zurückgewiesen oder sogar in Haft genommen, um zukünftig die Grenzgarnisonen des imperiums zu verstärken. Das bedrohungspotential der alamannen und anderer germanischer Gruppen (z. b. Vandalen und burgunder) wurde durch diese punktuellen Erfolge jedoch nicht wesentlich verringert. zahlreiche, von der antiken Geschichtsschreibung nicht dokumentierte «barbarische» züge verliefen erfolgreich, wie die funde von römischem beutegut im freien Germanien zeigen. langfristig setzten sich zwei trends durch, die im dritten Jahrhundert begonnen hatten: Die Siedlungsdichte innerhalb des alamannischen bundesgebietes nahm kontinuierlich zu, während das alamannische territorium auf kosten des imperiums expandierte. Die provinz raetien blieb auch nach den Siegen von aurelian und probus, entgegen der Darstellung des Historikers zosimos (6. Jh. n. chr.), ziel germanischer angriffe. Das Siedlungsbild änderte sich infolge der attacken und der permanenten Unsicherheit nachhaltig. Viele römische Gutshöfe und Dörfer lagen in den 270er Jahren in ruinen; die militärischen Einheiten und ein teil der verbleibenden bevölkerung zogen sich auf befestigte anhöhen zurück. in italien, Gallien und illyrien erhielten viele Städte als
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reaktion auf die raubzüge der Germanen wieder befestigungen, nachdem der festungsbau über Jahrhunderte praktisch keine rolle gespielt hatte. Der bekannteste fall ist rom selbst, das nach einer niederlage aurelians gegen die iuthungen 271 n. chr. einen neuen, 19 kilometer langen mauerring erhielt, der unter aurelian begonnen und unter probus fertiggestellt wurde.
2.4. Die «gotischen Völker» an der unteren Donau und im nördlichen Schwarzmeerraum Die Gebiete an der mittleren Donau erwiesen sich im dritten Jahrhundert, von ausnahmen abgesehen, als relativ stabil. Doch nördlich des Donaudeltas in der rumänischen tiefebene, ließen sich, vielleicht seit den 220er Jahren, Goten und andere Volksgruppen nieder, die sich als äußerst aggressive nachbarn des imperiums erwiesen. Die nördlich der Donau an der Schwarzmeerküste ansässigen irano-sarmatischen roxolanen assimilierten sich den Einwanderern so weit, dass ihr name aus der Geschichte verschwand. auch die region nordwestlich der Schwarzmeerküste war von gotischer Einwanderung betroffen. Das Eintreffen dieser Wanderverbände in Südosteuropa bezeichnet das vorläufig letzte Stadium einer langsamen Expansionsbewegung gotischer Gruppen, die etwa mitte des zweiten Jahrhunderts aus der region der mittleren Weichsel ihren anfang genommen und im Verlauf von mehreren Generationen wahrscheinlich östlich der karpaten (durch die heutige Westukraine und das heutige moldawien) bis in die mündungsgebiete von Donau, bug und Dnjepr geführt hatte, die etwa um 220/230 n. chr. gotisch besiedelt wurden. nur erwähnt werden kann an dieser Stelle, dass die Historizität dieser gotischen Wanderungen von einigen forschern in der jüngeren zeit bestritten worden ist.104 mit guten Gründen haben die Vertreter dieser skeptischen richtung auf die Unsicherheit der archäologischen befunde hingewiesen. Da jedoch, soweit ich sehe, noch kein befriedigendes neues modell existiert, in das die archäologischen und sprachlichen Quellen integriert werden können, wird hier an der alten migrationsthese festgehalten.
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nach dieser these bildeten die neuankömmlinge zunächst ein lockeres Gefüge verschiedener Siedlungs- oder auch Volksgruppen (Gepiden, Heruler, bastarnen, Skiren oder alanen), die zuweilen mit dem begriff «gotische Völker» zusammengefasst werden. Diese «gotischen Völker» waren weder eine ethnische noch eine politische Einheit, sondern lebten in einem spannungsreichen Verhältnis von feindschaften und wechselnden koalitionen. Durch teilung oder zusammenschlüsse konnten bestehende Gruppen schnell auseinanderfallen oder neue entstehen. auf der anderen Seite war das organisationspotential dieser Volksgruppen so hoch, dass sie gemeinsame, weitausgreifende raubzüge auf das Gebiet des römischen reiches unternehmen konnten. Ein symbolisch wichtiges Datum stellt in diesem zusammenhang die belagerung und Einnahme der griechischen polis Histria (unterhalb des Donaudeltas an der Schwarzmeerküste) durch einen «gotischen» Verband im Jahre 238 n. chr. dar, die die Entstehung einer neuartigen Gefährdungslage allgemein vor augen führten. Es folgten annähernd vier Jahrzehnte schwerer gotischer raubzüge, von denen nahezu alle anrainergebiete des östlichen mittelmeers betroffen waren. Dabei scheint es anfangs auf Seiten der angreifer durchaus noch strittig gewesen zu sein, welcher Volksgruppe bei diesen beutezügen die führungsstellung zukam. Doch im laufe der großen raubzugepoche von den 240er bis in die 270er Jahre bildete sich eine klare Dominanz der gotischen Hauptgruppen an der unteren Donau (die sich später terwingen oder Vesier nannten) bzw. an der Schwarzmeerküste (die späteren ostrogothen oder Greutungen) über die anderen germanischen, iranischen und thrakischen Volksgruppen der region heraus. Die von den gotischen Verbänden bzw. ihrer führung koordinierten und gut vorbereiteten züge im östlichen mittelmeerraum waren keine fortsetzung der Wanderbewegungen des zweiten und frühen dritten Jahrhunderts, sondern meist reine beutezüge, was sich daran ablesen lässt, dass die kriegergruppen mit ihrem raubgut regelmäßig zurück in ihre südosteuropäischen Siedlungsgebiete zogen oder jedenfalls ziehen wollten.
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Die chronologie der einzelnen raubzüge und der römischen abwehroperationen ist sehr kompliziert und aufgrund der lückenund fehlerhaften Überlieferung nur schwer zu rekonstruieren. nur einige wichtige Ereignisse seien hervorgehoben: Der legat der 238 n. chr. überfallenen provinz Moesia inferior, tullius menophilus, hatte den abzug der gotischen angreifer durch die zusicherung von Jahrgeldern erkauft. Diesen Vertrag kündigte der imperator philippus (244–249), wahrscheinlich in der euphorischen Stimmung, die nach der prunkvollen 1000-Jahrfeier der Stadt rom im april 248 herrschte. Die «gotischen Völker» an der unteren Donau rüsteten als reaktion auf diesen Schritt zu einem massiven Straffeldzug, das heißt: Sie reagierten wie das römische reich in früheren Jahrzehnten mit repressalien gegen die bevölkerung des vertragsbrüchigen Staates. Die invasoren – Goten, karpen, bastarnen und andere – bestimmten den Goten kniva zu ihrem anführer, der sich im lauf der kampfhandlungen einen legendären ruf erwerben sollte und als einer der bedeutendsten Vertreter der für die raubzugszeit charakteristischen «Heerkönige» gelten kann. Die Situation nahm katastrophenhafte züge an, als der hochrangige offizier pacatianus an der Donau noch im Jahr 248 philipp die loyalität aufkündigte und zur selben zeit – neben weiteren prätendenten – in Syrien ein Usurpator mit namen iotapian auftrat. Die abwehroperationen gegen die Schläge knivas scheiterten zunächst vollständig, da der 249 n. chr. ins krisengebiet an der unteren Donau kommandierte Senator Gaius messius Decius nach der ausschaltung des pacatianus ebenfalls als Usurpator auftrat. anstatt gegen die marodierenden Goten zu kämpfen, wandte sich Decius zunächst gegen seinen Dienstherrn philipp und entblößte die Donau weitgehend von kampftruppen. Damit eröffnete er den gotischen angreifern und ihren Verbündeten an der unteren Donau ein weites terrain für plünderungen und Verwüstungen. Marcianopolis und Philippopolis (das moderne plovdiv) wurden belagert und eingenommen. Erst nach der ausschaltung von philipp und dessen Heer konnte Decius im lauf des Jahres 250 versuchen, der gotisch geführten invasion Herr zu werden. Die von ihm be-
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fehligten truppen scheinen zunächst südlich der unteren Donau einige Erfolge gegen die angreifer verzeichnet zu haben, ehe sie im frühjahr 251 n. chr. eine der größten katastrophen der römischen kriegsgeschichte erlitten. Viele tausend römische Soldaten und ihr imperator ließen sich bei Abrittus (südlich des Donaudeltas, das heutige razgrad in bulgarien) in einen Sumpf locken und fanden dort den tod. nach dem tod des Decius ließ sich der legat der Moesia inferior trebonianus Gallus, nachdem er seinem kaiser in der Schlacht nicht zu Hilfe gekommen war, von seinen truppen und dem restheer des Decius zum neuen imperator erheben und erneuerte mit den Goten den 238 von tullius menophilus geschlossenen bündnisvertrag, der die römische Seite zur zahlung von Subsidien verpflichtete. Die invasoren durften ihre gesamte beute, einschließlich der aus Philippopolis und den anderen eroberten Städten entführten menschen, mit in ihre Siedlungsgebiete nehmen. nach diesem Erfolg hielten sich die Goten nicht lange an die Vereinbarungen mit der römischen Seite und nahmen ihre ausgedehnten plünderungszüge wieder auf. Erleichtert wurden diese beutezüge in der östlichen reichshälfte durch wiederholte römische thronstreitigkeiten, die abwehrkräfte auf der Seite des imperiums banden und die römer durch Heeresteilungen schwächten. 253 n. chr. machte der Statthalter der Moesia superior marcus aemilius aemilianus seine anfangs erfolgreiche abwehrstrategie gegen die Goten durch die Einstellung der Subsidienzahlungen und seine anschließende Usurpation wieder zunichte. Die Goten reagierten, wie bereits vier Jahre zuvor, 254 n. chr. mit einer Strafexpedition unter kniva. in den darauffolgenden Jahren weiteten sich die gotisch geführten raubzüge noch aus. Hatten bisher vor allem die nördlich der Donau siedelnden Goten angriffe vorgetragen, traten nun die «gotischen Völker» (Goten, Heruler, bastarnen, boraner) der Schwarzmeerküste in den Vordergrund. Dabei sah sich die römische Seite erstmals seit dem ersten Jahrhundert v. chr. wieder mit massiven flotteneinsätzen ihrer Gegner konfrontiert, durch die die gotischen angriffe noch unberechenbarer und in ihrem radius
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bedeutend erweitert wurden. an einer der verheerendsten Expeditionen der raubzugszeit, dem gotisch-herulischen feldzug von 269/270 n. chr., sollen 320 000 Heruler, Goten, peuci und viele andere auf insgesamt 6000 Schiffen teilgenommen haben. auch wenn die zahlenangaben105 sicher übertrieben sind, spiegeln sie doch den Eindruck wider, den diese flottenunternehmung bei den zeitgenossen hinterlassen hat. Ein wertvolles zeugnis, das die Verhältnisse während der katastrophalen raubzugsjahre dokumentiert, ist der sogenannte Kano nische Brief Gregors des «Wundertäters» (ca. 213 bis ca. 270 n. chr.), bischof von Neocaesarea in pontus, nahe der südlichen Schwarzmeerküste. Das Gebiet war wiederholt ziel schwerer gotischer angriffe. in dem genannten text heißt es: «Dass aber in der Zeit der Invasion, während so großer Trauer und so vie ler Tränen, einige meinen, die Zeit, die so vielen Untergang bringt, sei für sie eine Zeit des Gewinns: dies ist eine Haltung von Sündern und Gottes hassern, die ein unvorstellbares Maß an verbrecherischer Gesinnung zei gen. Daher scheint es uns richtig, alle diese Leute zu exkommunizieren (…).»106
als bischof interessierte sich Gregor ausschließlich für das Verhalten von christen, vor allem weil er befürchtete, dass das Verhalten Einzelner den ohnehin gegen angehörige dieser religion vorhandenen Unmut noch verschärfen könnte. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass nur christen die anwesenheit der plündernden Eindringlinge ausnutzten, um sich unrechtmäßig in den besitz von Gütern, land und Sklaven zu setzen. Wie viele provinzbewohner sich als profiteure der invasoren erwiesen, lässt sich zwar nicht schätzen, doch lässt bereits der Umstand, dass Gregors mahnbrief kirchenrechtliche bedeutung erlangte, vermuten, dass es sich nicht um seltene Einzelfälle handelte. Von den gotischen angriffen der 250er und 260er Jahre waren fast alle Gebiete des östlichen mittelmeeres und die anrainer des Schwarzen meeres betroffen. zahlreiche Städte in kleinasien und auf der balkanhalbinsel, die seit Jahrhunderten ohne Stadtmauern ausgekommen waren, errichteten angesichts der permanenten be-
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drohung aufwendige befestigungsanlagen, die allerdings nicht immer den angreifern standhielten. Doch seit den späten 260er Jahren hatten sich die römischen kaiser und ihre feldherren allmählich besser auf die gotischen Strategien und kampfweisen eingestellt und ein tief gestaffeltes, mobiles Verteidigungssystem geschaffen. in der folge erfochten römische Soldaten eine reihe von Siegen über die Goten und ihre Verbündeten, darunter als bekanntesten den legendären Erfolg claudius’ ii. bei Naissus (niš in Serbien) 269 n. chr. und als vorläufig letzten denjenigen des imperators marcus claudius tacitus (276 n. chr.) in Südkleinasien. Doch ähnlich wie dies bei den oben erwähnten Erfolgen gegen die alamannen und franken der fall war, verschafften die Siege gegen die gotischen Völker dem imperium nur eine vorübergehende ruhepause, ohne die kräfteverhältnisse dauerhaft zu ändern.
2.5. Das neopersische Großreich der Sasaniden mit dem neo-persischen Großreich unter der Herrschaft der sasanidischen Dynastie konstituierte sich südlich von armenien und östlich des mittleren und unteren Euphrat ein weiterer aggressiver nachbar des römischen imperiums, der eine ältere, gegenüber rom wesentlich friedfertigere Großmacht, das parthische königreich der arsakidischen Herrschaftsfamilie, im ersten Drittel des dritten Jahrhunderts verdrängt hatte. Der sasanidische clan hatte seinen Stammsitz in der persischen kernlandschaft persis (fars) im Süden des heutigen iran am persischen Golf. Hier hatten während der gesamten parthischen Epoche (ca. 140 v. chr. bis 224 n. chr.) persische klientelkönige in abhängigkeit von den parthischen Großkönigen regiert und unter anderem über das privileg eigener münzprägung verfügt. Die loslösung aus der loyalität gegenüber dem arsakidischen Haus begann wohl 205/206 n. chr. (dem beginn der sasanidischen Ära), als die parthische monarchie sowohl durch die römischen aggressionen als auch durch einen innerdynastischen Streit entscheidend geschwächt war. Der sasanidische clanführer ardašīr (artaxerxes) dehnte die macht der perser zunächst über große teile des südlichen iran aus
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und konnte schließlich, am 28. april 224 n. chr., das Heer des parthischen königs artabanus iV. bei Hormuzgan (an der Straße von Hormuz) in einer Entscheidungsschlacht stellen und schlagen. mit diesem Sieg ardašīrs endete die Geschichte des partherreichs. fortan nannte sich ardašīr «könig der könige» und beanspruchte damit die Stellung seines ums leben gekommenen rivalen artabanus. Die unmittelbar anschließenden Jahre widmete ardašīr der militärischen Durchsetzung dieses anspruchs. Während die östlichen Gebiete der ehemaligen arsakidischen Herrschaft zunächst problemlos unter die sasanidische oberhoheit gelangten, scheint der Versuch, die arsakidische Sekundogenitur in armenien zu übernehmen, zunächst gescheitert zu sein. 226 oder 227 n. chr. ließ sich ardašīr in Ktesiphon, der alten arsakidischen Hauptresidenz, formal zum Großkönig des von ihm eroberten imperiums krönen. Das primäre ziel der kriegspolitik ardašīrs und seiner nachfolger dürfte es gewesen sein, das sasanidische Herrschaftsrecht innerhalb des ehemaligen arsakidischen machtbereichs zu behaupten. Die jüngsten römischen Eroberungen der severischen zeit erkannten die Sasaniden dabei offenkundig nicht als legitim an. Diese auffassung dürfte die persischen angriffe auf die nordmesopotamischen festungen wie Nisibis und Hatra seit 227 n. chr. erklären, auch wenn die Expeditionen ardašīrs und später Šhābuhrs über das geographisch unmittelbar beanspruchte Gebiet hinaus bis Syrien und kappadokien führten. Wie oben berichtet, scheiterte der erste römische Versuch, dieser politik ardašīrs entgegenzuwirken, mit dem abbruch von alexanders feldzug 233 n. chr. nach dem abzug des römischen Expeditionsheeres konnte ardašīr wichtige römische positionen in nordmesopotamien, wie Nisibis und Karrhai, in besitz nehmen. Seine aktionen führten noch einmal zu einem massiven Gegenangriff des imperiums unter Gordian iii . (238–244 n. chr.). Um den Jahreswechsel 242/243 n. chr. überschritt ein römisches invasionsheer den Euphrat und fügte den persischen truppen bei Rhesaina eine niederlage zu. Die römische Heeresleitung unter dem bestimmenden Einfluss des prätorianerpräfekten timesitheus beabsichtigte offensichtlich, nach dem seit vielen Jahrzehnten einge-
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übten Schema antiparthischer «ordnungskriege» in das zentrum des gegnerischen imperiums zu gelangen, um symbolträchtige ziele zu zerstören. Doch während diese Strategie gegen die arsakiden seit den tagen traians mehrfach umgesetzt worden war, ohne dass die angreifer (zunächst) auf größeren Widerstand getroffen waren, machte die entschlossene und systematische Gegenwehr des persischen königsheeres rasch deutlich, wie sehr sich das geostrategische Umfeld des römischen imperialismus verändert hatte. bei misiche in der heutigen irakischen provinz al-anbar, wo sich Euphrat und tigris fast berühren, verstellte ein persisches Herr unter Šhābuhr zu beginn des Jahres 244 n. chr. den römern den Weg und fügte ihnen eine vernichtende niederlage zu. Den zeitgenössischen persischen Siegesinschriften zufolge fiel der imperator Gordian iii . in dieser Schlacht. Die wesentlich später schreibenden westlichen autoren behaupten hingegen, Gordian sei das opfer einer innerrömischen intrige geworden, während wieder andere meinen, der kaiser sei bei einem Unfall verstorben.107 Die Wahrheit kann nicht mehr geklärt werden. Gordians nachfolger wurde der aus dem Hauran in Syrien gebürtige prätorianerpräfekt marcus iulius philippus (244–249), der unmittelbar nach Gordians tod – an dem er angeblich nicht unschuldig war – von dem Expeditionsheer als imperator begrüßt wurde. Die bedingungen für einen halbwegs glimpflichen frieden diktierte der persische Großkönig: Der imperator musste sich zur zahlung eines tributs an die perser verstehen und außerdem mit einer Einmalzahlung von 500 000 Goldmünzen die freilassung römischer kriegsgefangener erkaufen. Die am beginn des feldzugs von den römern zurückeroberten nordmesopotamischen Städte Karrhai, Nisibis und Rhesaina blieben allerdings beim imperium. Der siegreiche persische könig Šhābuhr war von seinem Vater ardašīr (gest. 242 n. chr.) schon zu dessen lebzeiten zum mitregenten und nachfolger erhoben worden: Wohl seit 240 n. chr. führte er den titel «könig der könige» und kommandierte das persische aufgebot. Spätestens mit seiner regierungszeit gingen die perser gegenüber dem imperium romanum zu einer eindeutig aggressiv bestimmten außenpolitik über, wie sie die parther nur in
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seltenen ausnahmefällen betrieben hatten. Šhābuhr hat seine kriege gegen rom in einem dreisprachigen (mittelpersisch, parthisch, griechisch) bericht dokumentiert, der inschriftlich auf dem sogenannten «Würfel des zoroaster» (ka’be-ye zardušt) erhalten ist, einem turmartigen bauwerk, das unterhalb der altpersischen felsgräber in naqsh-i rustam (in der persis) steht. Die Wiederentdeckung des bauwerks und der auf ihm eingemeißelten texte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bieten die seltene möglichkeit, die authentische Darstellung eines kriegerischen konfliktes aus einer nicht-römischen perspektive kennenzulernen. Šhābuhr berichtet in diesem text von drei großen feldzügen, die er gegen die römer unternommen hat, den ersten als defensiven (gegen den angriff unter Gordian iii . 242–244), die zwei späteren als angriffsunternehmungen. Die forschung orientiert sich für die rekonstruktion der chronologie in Ermangelung einer anderen zusammenhängenden Darstellung meist an diesem text Šhābuhrs auf der ka’be-ye zardušt und spricht von einer ersten, zweiten und dritten Expedition des persischen königs, wobei die Synchronisierung mit der westlichen Überlieferung, die mehr als drei feldzüge Šhābuhrs kennt, allerdings Schwierigkeiten macht. folgende Eckdaten stehen dennoch fest: 252 n. chr. besetzten sasanidische truppen armenien und vertrieben die arsakidische Dynastie aus ihrer letzten bastion. im anschluss wurden die letzten verbliebenen römischen positionen im östlichen teil der provinz mesopotamien in persischen besitz genommen. 253 n. chr. (oder schon 252) begann eine große persische offensive in der römischen provinz Syria und in kleinasien. Die regulären römischen truppen leisteten nach einer schweren niederlage bei Barbalissus (einem ort in der nähe von Dura Europos am Euphrat) keinen Widerstand mehr. nach seinen eigenen angaben konnte Šhābuhr 37 Städte in Syrien und kappadokien einnehmen, darunter Seleukia Piereia, Apamea am orontes und den Statthaltersitz nordsyriens, die metropole Antiochia. Doch die bevölkerung westlich des Euphrat wehrte sich aus eigener initiative gegen die invasoren. Die landbewohner im Umland der heiligen Stadt Emesa leisteten unter einem priester des aphroditetempels, den sie unter dem namen Uranius antoninus
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zu ihrem imperator erhoben, Widerstand und zwangen die persischen truppen zur aufgabe des feldzuges. nach dem abzug der perser aus Syrien im Jahr 253 hatte Uranius offenbar seine Schuldigkeit als «imperator» getan und verschwindet aus der Überlieferung. Das persische Heer, das sich auf den rückmarsch aus dem römischen territorium begab, wurde auf dem Weg an den Euphrat von Einheiten des zentralsyrischen karawanenstaates palmyra (s. unten S. 263–267) unter ihrem befehlshaber odainathos überfallen. Der imperator Valerian dankte dem palmyrener diese initiative, indem er ihn und seinen ältesten Sohn in absentia in den römischen Senat aufnehmen ließ. Šhābuhr hatte allerdings nicht vor, es bei der niederlage von 253 n. chr. bewenden zu lassen, sondern begann neue anti-römische offensiven. Während seines Euphratfeldzugs 256 n. chr. wurde die römische Garnisonsstadt Dura Europos zerstört, deren ruinen noch heute von diesem Ereignis zeugnis ablegen. 260 n. chr. trug Šhābuhr einen massiven angriff vor, der tief in das imperium hineinführte. zu dieser zeit war es bereits zu einem gewohnten zustand geworden, dass das imperium an mehreren Grenzabschnitten gleichzeitig attackiert wurde und die imperatoren sich entscheiden mussten, wo sie wirksamen Widerstand organisieren wollten und an welchen frontabschnitten sie die Eindringlinge gewähren ließen. Valerianus, der in einer der akutesten phasen der raubzugepoche herrschte (253–260 n. chr.), wurde in dieser konstellation zu einer besonders tragischen figur. mehrfach eilte er an der Spitze von Entsatzheeren in krisengebiete, ohne entscheidende Wendungen herbeiführen zu können. 258 n. chr. leitete er die Verteidigung des von persischen angriffen bedrohten syrischen Antiochia, begab sich im folgejahr von dort aber auf die nachricht gotischer Einfälle hin hastig nach zentralanatolien, ohne viel ausrichten zu können. als boten mit berichten über den Einfall der perser in Syrien eintrafen (260 n. chr.), soll Valerian nach der Darstellung des zosimos108 geplant haben, Šhābuhr Geld anzubieten, wenn er seine Soldaten hinter die Euphratlinie zurücknehmen würde. Doch während der vertraulichen Unterredung, die er sich mit Šhābuhr ausbedungen
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habe, sei Valerian plötzlich festgenommen und als kriegsgefangener abgeführt worden – nie zuvor und danach wurde ein römischer kaiser in Gefangenschaft genommen. neben dieser Version des einmaligen Ereignisses existieren allerdings noch viele weitere. Dieser Variantenreichtum ist charakteristisch für die phantasiereiche manier, in der die spätantike Geschichtsschreibung mit der Erinnerung an die katastrophenzeit umging. nach einer dieser Versionen habe sich Valerian freiwillig in persische Gefangenschaft begeben, weil er angesichts der probleme verzweifelte oder weil er fürchtete, dass seine eigenen, vom Hunger gepeinigten Soldaten ihn töten könnten. anderen autoren zufolge sei Valerian sofort nach seiner festnahme getötet worden, wieder andere malen sich eine lange Gefangenschaft des imperators mit zahlreichen Demütigungen aus. nach Šhābuhrs eigener auskunft will er Valerian sowie sämtliche römischen kommandeure, den prätorianerpräfekten und viele weitere hochgestellte personen «mit seinen eigenen Händen» während einer zwischen Edessa und Karrhai in nordmesopotamien angesiedelten Schlacht gefangen genommen und ihre Deportation in die persis angeordnet haben.109 in einem berühmten, vom siegreichen könig selbst in auftrag gegebenen felsrelief in naqsh-i rustam ist Valerian in einer demütigenden position als Gefangener Šhābuhrs dargestellt. Welche der zahlreichen Varianten der Wahrheit am nächsten kommt, entzieht sich unserer kenntnis. in der folge der niederlage Valerians ging die staatliche Einheit des imperiums vorübergehend verloren. Ein überlebender logistikoffizier des unglücklichen kaisers, titus (?) fulvius macrianus, ließ seine beiden jugendlichen Söhne macrianus und Quietus als imperatoren begrüßen. ingenuus, der an der Donau das faktische kommando anstelle des minderjährigen, gleichnamigen Enkels Valerians geführt hatte, ehe dieser Ende 257 oder anfang 258 verstorben war, erklärte sich zum augustus. am niederrhein putschte der Statthalter postumus und gewann die kontrolle über die nordwestlichen provinzen des imperiums (oben S. 243 f.). Es war ein für die politische kultur des römischen imperiums typischer Wettlauf der Eliten um frei gewordene machtpositionen. für Gallienus, den
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überlebenden Sohn Valerians, der nach dem Ausscheiden seines Vaters aus dem politischen Wettkampf als Alleinherrscher zurück geblieben war, blieb als Herrschaftsgebiet nur noch ein Streifen im Zentrum des auseinanderfallenden Imperiums (vgl. Karte S. 247). Während die römischen Konkurrenten 260/261 n. Chr. unter einander in Kämpfe verwickelt waren, sah sich Šhābuhr keiner regulären römischen Streitmacht mehr gegenüber und konnte sich in den östlichen Provinzen ungehindert bewegen. Nach einer persischen Quelle, dem Rechenschaftsbericht des Oberpriesters Kerdīr,110 wurde Antiochia ein zweites Mal eingenommen und ge plündert. Unter der Führung Šhābuhrs durchzogen die persischen Truppen Kilikien und Kappadokien; Zehntausende Menschen wurden verschleppt, die später in verschiedenen Regionen des Per serreichs angesiedelt wurden. Doch auch der oben erwähnte spon tane Widerstand gegen die Invasoren hielt an. Bei Pompeiopolis in Kilikien konnte ein gewisser Kallistos (oder Ballista) Reste des ge schlagenen valerianischen Heeres sammeln und Teilen der persi schen Armee eine empfindliche Niederlage beibringen. Unter anderem soll der Harem Šhābuhrs in seine Hände geraten sein. Erbittert über diesen Verlust brach der König den Feldzug ab. Während des Rückzugs wurde er wiederum, wie schon 256 n. Chr., von palmyrenischen Truppen unter Odainathos gestellt. In Edessa versperrte eine improvisierte Miliz dem königlichen Heer den Weg und nötigte Šhābuhr, sich einen freien Übergang über den Euphrat zu erkaufen. Trotz der Rückschläge am Ende der Expedition von 260 n. Chr. konsolidierte sich im Zuge der militärischen Unternehmungen Šhābuhrs das sasanidische Reich als neue regionale Großmacht. Sie zeigte in mancher Hinsicht einen ambivalenten Charakter. Einer seits trug sie multikulturelle Züge, ablesbar etwa an den zahlrei chen auf ihrem Gebiet existierenden Religionsgemeinschaften, die sich durch die Praxis der massiven Deportationen noch vermehr ten. Zu nennen sind etwa Christen, Buddhisten, Hindus, Juden und Manichäer. Der Kronrat, der in der sasanidischen Frühzeit großen Einfluss auf die Thronfolge nehmen konnte, war nicht nur aus den Häuptern persischer, sondern auch parthischer adeliger
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familien besetzt. auf der anderen Seite wurde an der Dominanz der zoroastrischen religion, der religion der Herrscherdynastie und der persischen Elite, kein zweifel gelassen. in der spezifisch sasanidischen ausprägung des zoroastrismus ging diese religion eine unlösbare Verbindung mit dem iranischen Staatsdenken ein. man hat in diesem zusammenhang von einer ideologie des «iranismus» (Josef Wiesehöfer) gesprochen, die sich im dritten Jahrhundert am sasanidischen Hof und in der priesterlichen funktionärsschicht herausbildete. «iran» (Ēran) wurde im zuge dieser Entwicklung ein politisch, religiös und kulturell stark aufgeladener begriff, der antithetisch zu der gefährlichen, götzenanbetenden außenwelt (Anēran/«nicht-iran») verstanden wurde. in analogie zu den außenpolitischen maximen des römischen imperiums tendierte diese iranozentrische ideologie dazu, die Welt nach einem freund-feind-Schema zu erfassen und in den nachbarn keine gleichberechtigten partner, sondern moralisch unterlegene objekte einer tendenziell aggressiven außenpolitik zu sehen. Selbst das imperium romanum erscheint in offiziellen sasanidischen texten als ein abhängiges, prinzipiell und faktisch dem Ēran tributpflichtiges Gebiet. in phasen innenpolitischer krisen oder außenpolitischer rückschläge konnte der in der ideologie des iranismus angelegte ausschließlichkeitsanspruch zu repressionswellen gegen religiöse minderheiten wie die christen oder manichäer führen.
2.6. Palmyra Während der spontanen Erhebungen gegen die persischen raubzüge 256 und 260 n. chr. hatte die oasenstadt palmyra in zentralsyrien große strategische bedeutung gewonnen. reguläre römische truppen spielten in diesen auseinandersetzungen praktisch keine aktive rolle mehr. Es waren dann auch palmyrenische Soldaten und ihre Verbündeten, die 261 n. chr. den augustus titus fulvius Quietus, den überlebenden Sohn macrians, stürzten und damit die interessen der nach der Gefangennahme Valerians durch die perser hilflosen valerianischen Dynastie verteidigten. Dessen Sohn Gallienus sah keine möglichkeit mehr, in den ostprovinzen per-
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sönlich einzugreifen und forderte nicht einmal um der form willen die freilassung seines Vaters. offenkundig war er froh, in der palmyrenischen Elite einen bundesgenossen der um ihr Überleben kämpfenden römischen zentralregierung zu finden und ermutigte sie zu einer aktiven und selbständigen politik in den östlichen provinzen. Unter den augen des kaisers und seiner nachfolger wuchs so auf dem territorium des imperiums ein expandierender klientelstaat heran, der auf dem Höhepunkt seiner machtentfaltung den Sprung in die Unabhängigkeit versuchen sollte. palmyra war in hellenistischer zeit als ein unabhängiger kleinstaat von aramäern und arabern mit dem baal-tempel an der zentralsyrischen oase Tadmor als mittelpunkt gegründet worden. nach seiner Einbeziehung in die römische provinz Syria genoss palmyra jedoch wegen seiner ökonomisch wichtigen funktion als relaisstation für den orienthandel erhebliche freiheiten. Die palmyrener verfügten über eine kette von Handelskontoren, die von der syrischen Wüste bis zum persischen Golf reichte, und stellten den Geleitschutz für die karawanen, die sich zwischen den kontoren bewegten; ihre Handelsgesellschaften hatten aber auch unmittelbaren anteil an dem Warenimport und -export. Dabei unterhielt der karawanenstaat sowohl zu den römern als auch zu den parthern ein gutes Verhältnis und akkumulierte unter geschickter nutzung seiner handelsstrategisch günstigen lage im lauf der Jahrhunderte einen immensen reichtum. im Jahre 212 n. chr. erhob caracalla ihn zu einer römischen kolonie italischen rechts, wodurch palmyra neben der politischen privilegierung Steuer- und abgabenfreiheit gewann. obwohl ihre politische Verfassung mit diesem Verleihungsakt römisch wurde, bewahrte die Stadt weiterhin ihr aramäisch-arabisches Gepräge, in das allerdings die lateinischen formen – etwa in Gestalt einer geläufigen Dreisprachigkeit (lateinisch, Griechisch, palmyrenisch) der oberschicht und der palmyrenischen Soldaten – zwanglos integriert wurden. Die vielfältig privilegierte Stellung der Stadt erklärt, warum sich die palmyrener den zerstörerischen Unternehmungen Šhābuhrs so entschlossen entgegenstellten. Wahrscheinlich gestanden die Sasaniden den palmyrenern keine unmittelbare kontrolle über die
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Handelskontore im südlichen mesopotamien mehr zu. aus diesem Grund geriet palmyra in eine unmittelbare frontstellung gegen das neupersische Großreich, die noch dadurch zementiert wurde, dass Valerian und später sein Sohn Gallienus nach dem zusammenbruch der römischen Verteidigungsstrukturen palmyra zum interessenwahrer des römischen imperiums bestimmten. zentrale figur wurde der oben bereits genannte odainathos (S. 260), an den bereits Valerian in den 250er Jahren militärische befehlsgewalt delegiert hatte. Gallienus wertete die Stellung odainaths erheblich auf, als er ihn nach der katastrophe des valerianischen Heeres zum «befehlshaber des ostens» ernannte und ihm damit eine nahezu kaisergleiche Stellung im osten verlieh. odainathos machte die mit dieser Delegierung übertragenen aufgaben zu den seinen und widerstand, jedenfalls zunächst, der Versuchung, unter dem Deckmantel römischer Ehrentitel oder funktionsbezeichnungen politik in rein palmyrenischem interesse zu machen. Er drang wiederholt mit einem Heer tief in das persische reich ein, kehrte jedoch 267 n. chr. von babylonien aus abrupt um, als ihm ein gotischer Einfall an der über 2000 kilometer entfernten Schwarzmeerküste gemeldet wurde. Sein folgender zug ans Schwarze meer gibt einen Eindruck von der Größe des areals, für das er sich unmittelbar zuständig fühlte, und demonstriert in aller Deutlichkeit, wie ernst er die territoriale integrität des imperiums – und nicht nur palmyras – nahm. auf der anderen Seite verriet sein politisches agieren von anfang an ambitionen, die über die rolle eines bloßen Vertreters römischer macht, die ihm von den imperatoren zugedacht war, eindeutig hinauswiesen. Dies wird etwa daran deutlich, dass er seine titel und privilegien auf seinen Sohn Hairān übertrug und auf diese Weise einer Dynastiebildung Vorschub leistete, die nicht im Sinne des von den kaisern gewollten Delegationsprinzips sein konnte. als odainathos schließlich im Winter 267/268 n. chr. auf dem Weg nach Heracleia am Schwarzen meer einem mordkomplott zum opfer fiel, kam der wenig überraschende Verdacht auf, dass Gallienus im Hintergrund die fäden des attentats gezogen habe.
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Wenn hinter dem mord die absicht des Gallienus gestanden haben sollte, die palmyrenische position zu schwächen, so scheiterte dieses Vorhaben. Der Gemahlin des Ermordeten in zweiter Ehe, Septimia zenobia bat-zabbai, gelang es, ihrem etwa sieben Jahre alten Sohn Wahballāt (latinisiert Vaballathus), alle titel und Vorrechte ihres Ehemannes übertragen zu lassen. Wie sich dieser Vorgang im Einzelnen abgespielt hat, ist nicht mehr zu rekonstruieren; sicher ist lediglich, dass die fortschreibung der position odainaths eine palmyrenische Eigenmächtigkeit war, denn die nachfolger des 268 n. chr. ermordeten Gallienus erkannten Vaballathus nicht an. faktisch übte die mutter zenobia die befehlsgewalt für ihren minderjährigen Sohn aus, der offiziell die lateinischen titel «führer der römer» (dux Romanorum) und «befehlshaber des gesamten ostens» (corrector totius orientis) führte. Wo die anerkennung dieser titel mit Waffengewalt erzwungen werden musste, wie beispielsweise in Ägypten, geschah dies in zenobias offizieller Darstellung im interesse der legitimen kaiser. Dies änderte sich erst im Jahr 272, als der imperator des zentralreichs aurelian (270–275) zu einer militärischen Unternehmung gegen den von zenobia und den palmyrenern kontrollierten reichsteil rüstete. Erst jetzt trat Vaballath offiziell als ein konkurrent aurelians auf, der mit diesem um die Vorherrschaft im Gesamtreich kämpfte. Den angriff der Donaulegionen aurelians erwartete zenobia in Syrien, wo im frühjahr und Sommer 272 n. chr. mehrere große reiterschlachten zwischen den kontrahenten ausgetragen wurden. trotz einer schweren niederlage der palmyrener bei Antiochia sollen dem frühbyzantinischen Historiker zosimos zufolge 70 000 palmyrenische panzerreiter vor Emesa in der Syria Phoinike auf das aurelianische Heer gewartet haben.111 Doch die legionäre und auxiliare aurelians trugen schließlich einen uneingeschränkten Sieg davon, der sich auch dem Umstand verdankte, dass sich die städtische bevölkerung kleinasiens überwiegend auf die Seite des zentralimperiums stellte und den palmyrenischen Separatismus nicht länger unterstützte. aurelian konnte die reintegration der sezessionistischen Gebiete relativ problemlos abschließen, zumal
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er auf harte repressionsmaßnahmen gegen abtrünnige Städte verzichtete. im anschluss an den Versuch, zu einer regionalen mittelmacht aufzusteigen, erlebte palmyra einen ökonomischen und kulturellen abstieg, der allerdings nicht, wie früher angenommen, durch kriegszerstörungen, sondern wohl eher mit dem Verlust der handelsstrategischen position der Stadt zwischen zwei Großmächten zu erklären ist. Um diesen abstieg zu verhindern, hatte sich die palmyrenische Elite seit beginn der 250er Jahre gegen die neue aggressive Großmacht der Sasaniden gestellt und mit einer ungeheuren Energieleistung versucht, den zeitweiligen ausfall der imperialen präsenz in der region aus eigenen kräften zu kompensieren, ohne dabei die prinzipielle legitimation der römischen Herrschaft in frage zu stellen. Dieser Versuch ging über die kräfte der oasenstadt, und andere Stadtstaaten der region wie Antiochia oder Emesa sind zunächst mit ihrer politik des abwartens besser gefahren. palmyra ist an dem Wagnis gescheitert, in einer hart umkämpften region die aufgaben eines imperiums zu übernehmen.
2.7. Die nordafrikanischen Grenzen Solch massive Grenzdurchbrüche wie am rhein, an der Donau und den östlichen provinzen haben die nordafrikanischen provinzen des imperiums im dritten Jahrhundert nicht erlebt. Dennoch war die für dieses Jahrhundert charakteristische Unruhe in dieser region deutlich spürbar, wenn auch nicht überall in gleichem maße. Die Städte der küstenlandschaften wie alexandria, karthago und zahlreiche andere blieben von den angriffen der nomaden aus der Sahara oder anderer kriegerverbände meist noch verschont. Viele erlebten im dritten Jahrhundert sogar eine prosperitätsphase. in den ländlich geprägten Grenzregionen des Südens war die neue Unsicherheit jedoch häufig sehr konkret fühlbar. Die probleme deuteten sich bereits unter den Severern an, die – als reaktion auf ein gesteigertes bedrohungsgefühl – das befestigungssystem des nordafrikanischen limes massiv ausbauten.
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Die kontaktzone zwischen imperialem territorium und den Gebieten der südlichen nachbarn war seit Jahrhunderten konfliktträchtig. Das imperium bedrohte den zugang zu Wasserstellen und die Viehtriebwege, aber auch die Souveränitätsrechte der nomadisch und halbnomadisch lebenden Gruppen der nordsaharischen Steppenzone. für die nomaden, die die römer häufig mit einem pauschalen kunstbegriff als «mauren» bezeichneten, waren dagegen die reichen fruchtebenen der mittelmeerküsten ein verlockendes ziel für gelegentliche beutezüge. Solche Einfälle, die bei entsprechend organisierter Gegenwehr zu regelrechten kriegen eskalieren konnten, scheinen im dritten Jahrhundert vermehrt vorgekommen zu sein. Die Quellenlage ist allerdings selbst für die Verhältnisse des dritten Jahrhunderts außergewöhnlich schlecht. auffällig ist jedoch, dass bestimmte phänomene, die sich etwa in den mitteleuropäischen Grenzregionen registrieren lassen, auch in nordafrika beobachtet werden können. Dazu gehört etwa der gelegentliche zusammenschluss von gentilen Gruppen zu festgefügten oder provisorischen Stammesallianzen, die wiederholt als Gegner römischer truppen erscheinen. Das bekannteste beispiel sind die Quinquegentanei (der «fünfstämmebund»), die sich in der großen kabylei, im heutigen nordöstlichen algerien, also innerhalb des römischen reichsgebiets formierten und wiederholt als Gegner römischer truppen erscheinen. Weiter westlich, im atlasgebilde, tritt in einer inschrift aus der zeit um 232/234 n. chr. ein gemeinsamer «Häuptling» der bavares und baquates auf, die bis zu dieser zeit als politisch unabhängig voneinander agierende Gruppen belegt sind. mehr als diese vereinzelten nachrichten geben die sehr spärlichen Quellen nicht preis, doch passen diese Hinweise zu den (ebenfalls dünn gesäten) informationen über dauerhafte zusammenschlüsse oder kriegerische koalitionen in anderen regionen wie etwa den frankenbund am niederhein (oben S. 242 f.) oder die herulisch oder gotisch dominierten Expeditionsverbände im nordosten des imperiums. Ähnlich wie an anderen frontabschnitten (etwa an der Donau und am Euphrat) reagierte die reichszentrale auf das bedrohungsszenario mit der Schaffung außerordentlicher militärischer kom-
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mandozonen, den sogenannten Ducaten, die mehrere provinzen als kompetenzbereich umfassten und auf diese Weise beachtliche Größen erreichen konnten. in nordafrika ist die Einrichtung solcher Ducate mehrfach bezeugt, in einem fall zu beginn der 260er Jahre erstreckte sich ein Ducat von der Mauretania Tingitana bis zur Africa proconsularis (modern gesprochen von marokko bis libyen). Gewöhnlich zögerten die kaiser mit guten Gründen, kommandeure mit einer machtposition dieser Größenordnung auszustatten, weil die duces und ihre truppen als potentielle Usurpatoren eine ebenso große Gefahr für die zentralregierung bedeuten konnten wie die «barbaren», gegen die sie eigentlich kämpfen sollten. für nordafrika wog das bedrohungsgefühl, das aus römischer Sicht von den «mauren» ausging, aber offensichtlich stärker als die bedenken gegen die Übertragung zu großer militärischer macht an Einzelne. zu beginn der 260er Jahre scheint eine gewisse beruhigung der lage eingetreten zu sein – allerdings nur für eine relativ kurze zeit. bereits Ende der 280er Jahre begannen wieder angriffe auf römische militärstandorte und Städte der provinzzone, die von «maurischen» Gruppen in einem geographisch sehr weit gespannten bogen in wahrscheinlich aufeinander abgestimmten aktionen vorgetragen wurden. Erwähnt werden in diesem zusammenhang etwa die Barbari Transtagnenses («barbaren jenseits der Sümpfe», das heißt südlich der nordsaharischen Salzseen lebende mauren), die Bavares in den mauretanischen provinzen und die Quinquegen tanei in Numidia. Damit war ein areal von mehreren 10 000 Quadratkilometern von den Unruhen betroffen und ein neues niveau antirömischen zusammenwirkens maurischer angreifer erreicht. 296 n. chr. erachtete die reichsregierung die Situation als so gravierend, dass ein kaiserlich geführtes Expeditionsheer in der region intervenierte.
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3. ursachen für die Brüchigkeit der imperialistischen ordnung Der knappe Überblick über die politisch-militärische Entwicklung an den wichtigsten Grenzabschnitten des imperium romanum in den fünfzig Jahren von ca. 235 bis ca. 285 n. chr. hat verdeutlicht, dass sich die geostrategische Situation des reiches in dieser zeit grundlegend veränderte. Das imperium wurde tendenziell vom angreifer zum angegriffenen. auch wenn diese Entwicklung in den folgenden Jahrzehnten zeitweise aufgehalten oder sogar kurzfristig umgekehrt werden konnte, ändert das nichts daran, dass im dritten Jahrhundert eine historische Wende eingeleitet wurde. Historiker haben seit Jahrhunderten nach den Ursachen für diesen Wandel von der imperialen Expansion zum schrittweisen zerfall gesucht, ohne sich auf einen umfassenden Erklärungsansatz einigen zu können. Das imperium war von einer Vielzahl relativ kleiner politischer Einheiten umgeben, die hinsichtlich ihres organisationsgrades und ihrer militärischen Stärke, wenn man von dem partherreich und seinem nachfolger, dem Sasanidenreich, absieht, dem imperium bei weitem unterlegen waren. Über Jahrhunderte hatte das imperium diese tribale Umwelt wirksam kontrolliert und sich mit einem kranz von meist ausgesprochen gefügigen klientelstaaten umgeben. Wie konnte diese ordnung ins Wanken geraten? Eine eindeutige, von der mehrheit der forschung akzeptierte antwort auf diese frage gibt es, wie bereits gesagt, nicht. als ein wichtiger faktor ist häufig die Demographie betrachtet worden, die gegenläufige tendenzen zu zeigen scheint: Während die bevölkerung des imperiums in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts von einer tödlichen, weit ausgreifenden Epidemie heimgesucht wurde, sprechen einige indizien dafür, dass die bevölkerungszahlen in der weiteren peripherie des reiches gestiegen sind. Wirklich sicher ist allerdings nur, dass es die verheerende Epidemie unter marc aurel tatsächlich gab. Wie viele menschen ihr zum opfer fielen und vor allem: wie sich dieser demographische knick längerfristig auf die
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bevölkerungsentwicklung des reiches auswirkte, lässt sich kaum sagen. Ebenso sind aussagen über die demographische Entwicklung außerhalb des imperiums immer noch mit sehr hohen Unsicherheitsfaktoren belastet. Einzelne sehr gut untersuchte germanische Siedlungen, wie etwa die feddersen Wierde nahe der Wesermündung, ein Dorf auf dem bärhorst in Westbrandenburg oder kablow östlich von berlin, erlebten dem archäologischen befund zufolge offenbar eine starke bevölkerungszunahme vom ersten zum dritten Jahrhundert n. chr. Die durchschnittliche bewohnerzahl der feddersen Wierde betrug nach einer Schätzung beispielsweise im ersten Jahrundert etwa 50 personen, im dritten Jahrhundert waren es wahrscheinlich etwa 300. Die Verteilung der Siedlungen in einigen sehr gut untersuchten regionen, wie beispielsweise dem Staatsgebiet des heutigen Dänemark, entsprach während der kaiserzeit bereits dem modernen niveau. für die im engeren Sinne mitteleuropäischen Gebiete bzw. die nordsahara oder den nahen osten liegen meines Wissens noch keine flächendeckenden Untersuchungen vor, so dass pauschale aussagen über die bevölkerungsentwicklung in diesen regionen nur als vorsichtige Schätzung zu behandeln sind. Das bevölkerungswachstum in der germanischen kulturwelt hat offenbar zu vereinzelten migrationsbewegungen geführt, die in der regel in richtung der reichsgrenzen erfolgte. insgesamt waren diese Wanderungsbewegungen jedoch, jedenfalls zunächst, eine eher untergeordnete und als solche alles andere als neuartige Erscheinung. nahezu sämtliche germanischen Gruppen, die entlang des rheins oder nördlich der mittleren Donau siedelten, waren während der ersten zwei Jahrhunderte der kaiserzeit zugewandert, ohne dass dies zu nachhaltigen krisen führte. Die wichtigsten migrationen des dritten Jahrhunderts waren die elbgermanische Einwanderung in das südwestdeutsche Gebiet und die (umstrittene) Wanderung einiger «gotischer» Gruppen von der Weichsel an die untere Donau und die nördliche Schwarzmeerküste (siehe S. 251 f.) (ca. 150 bis ca. 230 n. chr.). Doch an den meisten Grenzabschnitten hatte das imperium am Ende des dritten Jahrhunderts
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dieselben ethnischen nachbarn wie zu dessen beginn. Geändert hatten sich allerdings deren politische organisationsformen. Der generelle trend ging zur formierung größerer politischer Einheiten (wie bei den franken, alamannen, Goten oder den nordafrikanischen Stammeskoalitionen). auch wenn diese zusammenschlüsse erst eine Etappe auf dem Weg zur verbindlichen Staatlichkeit darstellten, waren sie doch erheblich stabiler als beispielsweise die – wenn überhaupt – nur unter dem Druck äußerer bedrohung funktionierenden Stammeskoalitionen der frühen kaiserzeit. Verbände wie die der alamannen oder franken überstanden selbst schwere niederlagen, ohne auseinanderzufallen, und erwiesen sich bei der Verabredung gemeinsamer militärischer Unternehmungen als ausgesprochen effizient. Doch die größere fähigkeit, sich zu dauerhaften militärischen zweckbündnissen oder festen politischen organisationen zusammenzuschließen, ist nur ein äußerer ausdruck von weiter reichenden Veränderungen innerhalb des «barbaricum». Diese lassen sich vor allem in mitteleuropa beobachten, sind aber mutatis mutandis auch in anderen regionen anzutreffen. Ein wichtiger motor dieser Veränderungen war der zwischen dem imperium romanum und seinen nachbarn im dritten Jahrhundert schon viele Generationen zurückreichende austausch von kulturmaterialien, menschen und im weitesten Sinn technischem Wissen. Dieser transfer griff weit über die eigentlichen Grenzregionen hinaus. im besonderen an rhein und Donau war die kontaktzone entlang der meisten Grenzabschnitte auf der «barbarischen» Seite nur relativ dünn besiedelt. Viele Siedlungsagglomerationen befanden sich dagegen im heutigen niedersachsen und in mitteldeutschland, und dort finden sich auch römische artefakte wie münzen oder luxusgegenstände in relativ größerer Dichte. Dieses material dürfte zum teil durch Handel in die germanischen territorien gekommen sein, wurde aber auch von ehemaligen Soldaten, die in der römischen armee gedient hatten, mitgebracht. Später kam vermehrt beutegut hinzu. Der aus den mediterranen Gebieten stammende reichtum kam, wie die auswertung von Grabbeigaben zeigt, nicht gleichmäßig bei allen bevölkerungsschichten an, sondern gelangte konzentriert in
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die Hände einer neuen oberschicht, die den zustrom materieller Güter und technischen Wissens in ihrem Sinn kontrollierte und manipulierte. Diese neue Elite setzte sich in der Hauptsache aus anführern bewaffneter Gefolgschaften zusammen, die untereinander auf leben und tod um Einfluss und prestige konkurrierten. archäologische funde – wie etwa die vornehmlich in Südskandinavien aus Seen und Sümpfen gehobenen «Heeresausrüstungsopfer» – dokumentieren die hierarchische Struktur dieser bewaffneten Gruppen. Ein bekanntes beispiel ist die ausrüstung einer etwa 200 mann starken Gefolgschaft, die um 300 n. chr. in einem innergermanischen krieg in Südjütland untergegangen war und deren demolierte Waffen bei Ejsbøl mose in einem See versenkt worden waren. Etwa zehn dieser kämpfer besaßen eine reiterausrüstung, etwas über 60 hatten Schwerter, Dolche und dazugehörige Gürtel, während die übrigen zwei Drittel der krieger wohl nur über Speere verfügt hatten. Die mit Schwertern ausgerüsteten kämpfer stellten offenbar den engeren kreis der Gefolgschaftsgruppe dar, während in der berittenen, reich ausgestatteten abteilung die Elite dieser kleinen kriegergesellschaft zu sehen ist. Einer der gut ausgerüsteten reiter war wahrscheinlich ein regulus, der «Heerkönig» seiner Gruppe. kriegergruppen dieses oder ähnlichen typs bildeten ein charakteristikum der in bewegung geratenen Gesellschaft der mitteleuropäischen Stammesstaaten. Ein teil der neuen «Edlen» dürften Veteranen der römischen armee gewesen sein, die Erfahrungen und technische kenntnisse in ihre alte Heimat mitbrachten. Wissenstransfer fand jedoch auch durch die Verschleppung und ansiedlung von menschen aus dem mediterranen kulturkreis statt. Dieses technische Wissen wurde unter anderem in der Waffenproduktion angewandt, wie etwa an den Schwertern erkennbar wird, die in Ejsbøl mose gefunden wurden: ihre Gestalt und Verarbeitung sind römisch, aber sie stammen sehr wahrscheinlich aus germanischer produktion. zur Gewinnung des zu ihrer Herstellung notwendigen metalls wurden neue Erzabbaustätten erschlossen, beispielsweise auf dem Gebiet des heutigen polen, wo die menge des Eisenerzabbaus in der hohen kaiserzeit deutlich anstieg.
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Die technologischen transfers blieben jedoch nicht auf die Waffenherstellung beschränkt, sondern betrafen fast alle lebensbereiche. Eine zentrale rolle spielte dabei die produktionssteigerung in der landwirtschaft, die in erster linie durch neue organisationsund produktionsformen erreicht wurde. Diese sind wiederum besonders gut für Skandinavien erforscht: im zweiten und dritten Jahrhundert wurde die Unterbringung des Viehs in Wohnstallhäusern im Gegensatz zur früher praktizierten offenen Weidewirtschaft die regel. Der höhere anfall an Dung ermöglichte eine hausnahe intensivierung der feldbewirtschaftung. Damit dieses System funktionierte, war eine permanente Versorgung des Viehs im Jahreskreislauf, also Heu- und andere Winterfutterwirtschaft notwendig. Der sachgemäße Einsatz großer Sensen und blattschneidemesser spielte in diesem zusammenhang eine wichtige rolle. Die skizzierte intensivierung der landwirtschaftlichen produktion war – aufgrund der Erhöhung des netto zur Verfügung stehenden Gesamtnährwerts – eine entscheidende Voraussetzung für die Herausbildung und anspruchsvolle ausrüstung von militärischen Gefolgschaften, wie sie etwa in Ejsbøl mose sichtbar werden, die ganz oder zeitweise von landwirtschaftlichen arbeiten freigestellt waren und sich dauerhaft in den Dienst eines «Heerkönigs» stellen konnten. andererseits war das geschilderte produktionsregime auch sehr verwundbar. fast sämtliches land wurde, zumindest in den gut untersuchten regionen, bebaut, so dass bei regionalen Erntekrisen ein ausweichen in nicht betroffene Gebiete nicht oder nur mit großer Wahrscheinlichkeit von gewaltsamen konflikten möglich war. Der intensive austausch materieller Güter und «technischen» Wissens war keine auf mitteleuropa beschränkte Erscheinung. Sie findet sich ebenso in nordafrika und im nahen und mittleren osten, den sowohl aus dem imperium romanum (etwa durch kriegsgefangene Soldaten und durch Handel) als auch von den nomadischen Völkern asiens neue Entwicklungen militär-technischer und – damit verbunden – organisatorischer art erreichten. Der britische Historiker Jon coulston hat bespielsweise darauf aufmerksam gemacht, dass äußerlich geringfügige Änderungen in der
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reittechnik und der Handhabung von lanzen die «Schockwirkung» gepanzerter kavallerieverbände beträchtlich erhöhen konnten. Die Schlagkraft sasanidischer kampfformationen in der zeit ardašīrs und Šhābuhrs lag wahrscheinlich auch in kleinschrittigen Verbesserungen dieser art begründet.112 Über den Wissenszuwachs auf dem Gebiet der Waffenkonstruktion und -anwendung hinaus ist bei den Gegnern roms eine erhebliche Steigerung taktischer und strategischer fähigkeiten zu beobachten. Sie meisterten den bau großer kriegsflotten, deren Einsatz mit infanterietruppen innerhalb weiter strategischer räume koordiniert und kombiniert wurde. fortschritte in der belagerungstechnik führten dazu, dass die Einschließung und Erstürmung auch größerer Städte für die perser, Germanen oder «mauren» kein unlösbares problem mehr darstellten, und zwangen dem imperium ein umfassendes befestigungsprogramm auf. Der austausch von organisatorischem und technischem Wissen verlief dabei durchaus nicht immer in der einen richtung von dem technisch überlegenen imperium in das umliegende «barbaricum». Vielmehr übernahmen römische kommandeure notgedrungen auch ausrüstungstypen und kampfformen der feinde, etwa die taktik der schwer gepanzerten reiterei von den Sasaniden oder die hochbewegliche Guerillataktik germanischer oder «maurischer» angreifer. im laufe eines langen austauschprozesses, der etwa vom ersten bis zum fünften Jahrhundert n. chr. verlief, bildete sich auf diese Weise in einer geopolitischen Großregion, die von zentralasien bis an die Straße von Gibraltar reichte, eine gemeinsame militärische «kultur» heraus, innerhalb derer eine ungefähre Waffengleichheit herrschte oder, anders ausgedrückt, innerhalb derer das mediterrane imperium seine strategische Überlegenheit allmählich einbüßte. im zuge einer langsamen und schmerzhaften Entwicklung zerfiel daher dieses Großreich, und an seine Stelle trat im frühmittelalter eine Vielzahl einander befehdender kleinerer Staaten. Die sogenannte «krise» des dritten Jahrhunderts n. chr. stellte das erste Stadium dieser Entwicklung dar.
276 VII. Fünfzig Jahre Krise (230er–280er Jahre)
4. Das Chaos regieren: Administrative Antworten auf die Krise Das Stakkato der raubzüge an nahezu allen Grenzen ließ den regierenden seit der mitte des dritten Jahrhunderts wenig zeit, über administrative antworten auf die neuartige bedrohungslage nachzudenken. Den meisten kaisern blieben nur wenige Jahre oder gar monate, bis sie ein opfer der invasoren oder der eigenen Soldaten wurden. Das war kaum genug zeit, um konzeptuell durchdacht und strukturbildend in das administrative und militärische Gefüge des imperiums einzugreifen, zumal die «Soldatenkaiser» einen Großteil ihrer regierungszeit auf dem marsch, von einem kriegsschauplatz zum nächsten eilend, verbrachten. Die reformen der akuten krisenjahre waren meist aus der not geborene improvisationen, mit denen die initiatoren auf akute Gefahren oder missstände spontan reagierten. Erst im lauf des vierten Jahrhunderts wurden die ansätze und Experimente des vorhergehenden Jahrhunderts in dauerhafte institutionelle formen gegossen oder durch neue strukturpolitische maßnahmen ersetzt. als wahrscheinlich wichtigste krisenbedingte reform ist die Umwandlung der statischen «bereitschaftsarmee» augusteischer prägung zu einem permanent mobilen «bewegungsheer» an erster Stelle zu nennen. Dieser unter dem Druck der Verhältnisse vorgenommene institutionelle Umbau zeigt in besonderer Deutlichkeit die soeben angesprochenen Strukturmerkmale der krisenreformen: Er vollzog sich als generationenübergreifender prozess, der den beteiligten höchstwahrscheinlich nur als provisorium erschien, von dem aus jederzeit wieder in den als wünschenswert angesehenen ausgangszustand zurückgekehrt werden konnte und sollte. Doch da sich die geostrategischen realitäten irreversibel verschoben hatten, so dass keine Grenze mehr als sicher gelten konnte, wurden die im inneren des imperiums agierenden «bewegungsheere» im vierten Jahrhundert zu einer festen institution. Die auf augustus zurückgehende Strategie, nahezu die gesamten Streitkräfte in linearer reihung entlang der Grenzen zu positionie-
Das Chaos regieren: Administrative Antworten auf die Krise 277
ren, erwies sich angesichts der dichten folge von angriffen, die an weit voneinander entfernten Grenzabschnitten stattfanden und für die die Grenzbefestigungen kein Hindernis darstellten, als hoffnungslos anachronistisch. Die römischen Verteidiger gingen rasch dazu über, tief im Hinterland der Gefährdungszonen zusammengestellte Verbände zu schaffen, die aus besonders kampferprobten teilen ihrer jeweiligen Stammeinheiten zusammengesetzt waren. Ähnlich waren auch die angriffsheere der hohen kaiserzeit gebildet worden, doch standen für deren aufbau lange Vorlaufzeiten und logistische planungsphasen zur Verfügung. Die Defensivheere der krisenzeit waren hastig improvisierte Gebilde, die in einer art permanentem alarmzustand agierten. anders als die hochkaiserzeitlichen Expeditionsheere bewegten sich die typologischen Vorgänger des bewegungsheeres fast nur innerhalb des reiches und standen nahezu ausnahmslos unter unmittelbarem kaiserlichen kommando. aus diesen improvisierten Verbänden entwickelte sich die mobile Einsatzzentrale des vierten Jahrhunderts. parallel zur Herausbildung des kaiserlich kommandierten bewegungsheeres verlief ein weiterer epochaler reformprozess: die schrittweise Verdrängung der Senatoren aus den militärischen kommandopositionen und den meisten Statthalterschaften. Diese Entwicklung begann in ansätzen unter den Severern und erreichte ihren Höhepunkt unter Gallienus in den 260er Jahren, der sämtliche legionen unter das kommando von rittern stellte und die große mehrzahl der provinzen ritterlichen Statthaltern anvertraute. Schon zuvor hatten die imperatoren vielfältig mit ritterlichen «Stellvertretern» senatorischer Gouverneure experimentiert. Unter Gallienus wurden diese provisorien zur dauerhaften Einrichtung. Über die Gründe für diese Degradierung des Senatorenstandes ist viel diskutiert worden, ohne dass sich ein allgemeiner konsens abzeichnet. Die auf den ersten blick naheliegende Erklärung, der zufolge die imperatoren die militärischen fähigkeiten der ritter höher als die der Senatoren bewerteten, hat wenig für sich, denn die kaiser haben regelmäßig ritter, die sie für besonders talentiert hielten, in den Senatorenstand versetzt. Von daher stand einer personellen Umgestaltung des Senatorenstandes nichts ent-
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gegen, doch die kaiser zogen es vor, dem gesamten Stand die bekleidung militärischer Schlüsselpositionen zu verwehren. Vermutlich spielte bei dieser politik die absicht eine entscheidende rolle, die befehlsketten, die von der ritterlich dominierten kaiserlichen Einsatzzentrale zu den frontabschnitten führten, nicht durch antiquierte Statusempfindlichkeiten zu stören: Senatoren wurden nicht gerne rittern unterstellt, deswegen mussten sie aus den befehlsketten weichen. Daneben und begleitend zu den personalpolitischen Weichenstellungen ist die tendenz zu beobachten, die Verantwortungsbereiche hoher funktionäre zu verkleinern. Seit 214 n. chr. gab es beispielsweise keine provinz mehr, in der mehr als zwei legionen stationiert waren. langfristig setzte sich der trend durch, nur eine legion pro provinz zuzulassen; im vierten Jahrhundert wurde darüber hinaus die Standardlegion deutlich verkleinert. Die Statthalter büßten im zuge dieser Entwicklung ihren Status als «Unterfeldherren» des imperators ein und wurden tendenziell zu zivilem Subalternpersonal. auch diese Entwicklung setzte im dritten Jahrhundert ein und kam im vierten Jahrhundert zum abschluss. Da die bedrohten frontabschnitte jedoch bedeutend größer waren als die relativ kleinen provinzen, sahen sich die imperatoren wiederholt gezwungen, mehrere provinzen zu besonders ausgedehnten kommandobereichen zusammenzufassen oder sogar ganze reichsteile als Verantwortungszonen an personen ihres besonderen Vertrauens zu delegieren. So erhielt beispielsweise iulius priscus, der bruder des imperators philippus (244–249 n. chr.), zeitweise den «gesamten osten» (totus oriens) als besonderen Verantwortungsbereich unterstellt. maßnahmen dieser art wurden im dritten Jahrhundert stets nur temporär in reaktion auf akute bedrohungsszenarien angeordnet. Sie sind wiederum Vorboten der dauerhaften institutionalisierung des vierten Jahrhunderts, in dem territorial ausgedehnte kommando- und Verwaltungsbereiche dauerhaft als zwischenebene zwischen lokaler Verwaltung und kommandozentrale eingezogen wurden. Die dynamische Defensivstrategie war logistisch sehr anspruchsvoll und aus diesem Grund teuer. Hinzu kamen bedeutend gestie-
Das Chaos regieren: Administrative Antworten auf die Krise 279
gene personalkosten, zum einen, weil unter den Severern und wahrscheinlich in der folgezeit neue truppen aufgestellt wurden, zum anderen aufgrund mehrfacher bedeutender Solderhöhungen. allein zwischen 197 und 235 n. chr. sind Solderhöhungen im Umfang von wahrscheinlich 250 % zu verzeichnen. Der reguläre Sold wurde darüber hinaus durch erhebliche Sonderausschüttungen ergänzt, deren Höhe schließlich den basissold übertraf. Um dem ausgabendruck standzuhalten, griffen die imperatoren des dritten Jahrhunderts auf die seit vielen Jahrzehnten geübte praxis zurück, das Gewicht der emittierten münzen zu reduzieren und ihren Edelmetallgehalt abzusenken, wendeten dieses mittel jedoch in einer derart extensiven Weise an, dass die kaiserlichen «Silbermünzen» in den 270er und 280er Jahren nur noch einen zwei- bis fünfprozentigen Silberanteil aufwiesen. Die ökonomischen konsequenzen dieser politik sind aufgrund der schlechten Quellenlage nur schwer einzuschätzen. Die preise scheinen bis in die zeit aurelians (270–275 n. chr.) relativ stabil geblieben zu sein, doch sind pauschale aussagen zur preisentwicklung mit großen Unsicherheiten belastet, unter anderem weil die überlieferten preiszahlen überwiegend aus Ägypten stammen, das eine Sonderwährungszone darstellte. Doch wenn die Einschätzung zutrifft, dass die «Verschlechterung» des Geldes nicht unmittelbar zu einer allgemeinen inflation führte, dann könnte das auch damit zusammenhängen, dass in vielen regionen des reiches nicht nur minderwertiges, sondern auch zu wenig Geld kursierte, so dass die Unterversorgung mit Geld paradoxerweise als Stabilisierungsfaktor wirkte. Die monetäre Situation erschien aurelian schließlich als gravierend genug, um das gesamte imperiale Währungssystem zu reformieren. im zuge dieser reform wurden die lokalen prägerechte, die innerhalb des imperiums noch weiterexistiert hatten, einkassiert. Damit wurde der römische kaiser zum alleinigen prägeherrn, der die Verfügungsgewalt über sämtliches münzmetall des reiches monopolisierte; nur Ägypten blieb vorläufig eine monetäre Sonderzone, aber unter kaiserlicher leitung. Gleichzeitig wurde der Vorgang der münzproduktion, der bislang überwiegend in rom zentralisiert stattgefunden hatte, weitgehend in prägestätten in ita-
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lien und in den provinzen ausgelagert, die näher bei den bestimmungsorten der neu geprägten münzen bzw. in der nähe von Erzförderstätten lagen, um transportkosten zu senken. Die neuen prägemanufakturen gaben eine geringfügig verbesserte pseudoSilbermünze aus, die das Wertzeichen XX i trug, das entweder als «zwanzig gleich eins» zu lesen ist (und in diesem fall anzeigen sollte, dass diese neue Standardmünze den zwanzigfachen Wert der aus dem Verkehr gezogenen alten leitmünzen hatte) oder den buntmetallanteil im Verhältnis zum Silber signalisierte. im anschluss an diese reform setzte 274/275 n. chr. explosionsartig ein preisauftrieb ein, der das preisniveau den ägyptischen Quellen zufolge auf das zehnfache anhob. im Ergebnis war die zentralregierung gezwungen, mit ihrem per Dekret aufgewerteten Geld verteuerte Güter für den Heeresbedarf zu kaufen. flankierend zu seiner reform der münzprägung kehrte aurelian wieder zur prägung reiner Goldmünzen zurück, die allerdings wahrscheinlich nur in relativ kleiner zahl ausgegeben wurden. Vermutlich sollten diese guten Goldmünzen einen monetären Stabilitätsanker bilden, mit denen hohe funktionäre und offiziere bezahlt wurden, um so ein zufriedenheitsreservoir in der kaiserlichen Umgebung zu schaffen. Die Goldwährung erwies sich in der zukunft, und auch während der Hyperinflation in der mitte des vierten Jahrhunderts, als so stabil, dass wir aus den kreisen der Elite kaum klagen über die preisentwicklung hören. aurelian hat daher mit der Sonderbehandlung des Goldes eine zukunftsweisende Weichenstellung vorgenommen, die es der Elite des reiches ermöglichte, sich weiterhin, auch in zeiten akuter zuspitzung des krisenhaften prozesses, mit dem imperium und seinen politischen zielen zu identifizieren. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass einige kaiser der krisenepoche eine religiöse restaurationspolitik betrieben, die die reichsbevölkerung kultisch einigen sollte und die sich unter anderem in repressionen gegen religiöse minderheiten äußerte. anders als bei den zuvor behandelten «strukturpolitischen» und fiskalischen reformen, die mit unterschiedlicher Energie von allen kaisern vorangetrieben oder wenigstens bejaht wurden, war die restauration der
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alten kulte und die Durchsetzung ihrer allgemeinen Verbindlichkeit das anliegen einiger weniger kaiser, während der 50-jährigen krise namentlich von Decius (249–251 n. chr.) und Valerian (253–260 n. chr.). aufgrund der spezifischen Überlieferungsgeschichte sind die religionspolitischen maßnahmen dieser kaiser vor allem aus der perspektive der christlichen Gemeinden bekannt, die allerdings tatsächlich von dem terror, der die restauration der vernachlässigten offiziellen kulte flankierte, mit besonderer Wucht getroffen wurden. Unter Decius wurden die reichsbewohner individuell eingeladen, vor eigens eingesetzten kommissionen ein öffentliches opfer für die vergöttlichten kaiser oder andere offizielle Götter darzubringen. für viele christen war mit dieser forderung akute todesgefahr oder jedenfalls ein schwerer konflikt, sowohl mit ihrem Gewissen als auch mit ihren bischöfen, verbunden. Valerian versuchte, die kirchliche organisation als ganze zu zerstören, und untersagte unter anderem unter androhung schwerster Strafen die bekleidung eines amtes in der kirchlichen Hierarchie. Die staatliche repressionspolitik wurde von brutalen ausschreitungen und pogromen gegen christen und wahrscheinlich auch andere dissidente religionen begleitet. Die akuten Verfolgungswellen dauerten jedoch nur relativ kurz an und haben den bestand der angegriffenen Gemeinschaften nicht gefährdet, auch wenn das christentum eine prinzipiell illegale religion blieb. auch in bezug auf die religionspolitischen maßnahmen gilt, was oben von den strukturpolitischen reformen gesagt wurde: Das eigentliche krisenzeitalter war eine phase des Experimentierens und der Entwicklung von ansätzen, die erst im vierten Jahrhundert konsequent umgesetzt wurden. Die von Decius, Valerian und später Diocletian (284–305 n. chr.) angestrebte religiöse Gleichschaltung der reichsbevölkerung wurde mit nachhaltiger konsequenz erst von den nachfolgern konstantins vorangetrieben, paradoxerweise jedoch unter christlichen Vorzeichen. abgesehen von den bestrebungen, die traditionelle kultausübung gewaltsam einzufordern, sind die reformmaßnahmen des dritten Jahrhunderts von allen Entscheidungsträgern, den kaisern und ihren beratern, als gewissermaßen natürliche und alternativ-
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lose antworten auf die Herausforderungen der Epoche gesehen worden. Wie auch immer die einzelnen momente dieser krisenpolitik zu gewichten sind, es gelang jedenfalls eine zwischenzeitliche Stabilisierung der militärischen Situation seit den späten 260er Jahren. Wie wenig mit den institutionellen adjustierungen ein grundsätzlicher politikwechsel verbunden war, zeigt die Entscheidung des kaisers carus 282 n. chr., die erste atempause, die die nachbarn dem imperium nach Jahrzehnten gewährten, umgehend zu einem Großangriff auf das persische reich zu nutzen. Das klägliche Scheitern dieser invasion hätte allen beteiligten vor augen führen können, dass die zeit einer rücksichtslosen politik der Stärke abgelaufen war. Die grundsätzlichen Veränderungen in der geostrategischen Situation ließen sich durch einige anpassungen in der raumordnung und personalpolitik nicht auffangen. Die folgende Großepoche, die letzte in der Geschichte des römischen imperialismus, sollte das – nicht auf der Ebene der reflexion, sondern der der praktischen politik – deutlich machen.
ANmERKuNGEN
1 Res Gestae Divi Augusti 13. 2 Victor Ehrenberg, arnold Jones, Documents illustrating the Reigns of Augustus and Tiberius, oxford 1955, 45. 3 cassius Dio 53,12,2. 4 cassius Dio 54,3. 5 Res Gestae Divi Augusti 34,3. 6 cassius Dio 54,10,5. 7 Res Gestae Divi Augusti 6. 8 Sueton, Divus Augustus 35,1 f., vgl. cassius Dio 54,13–14. 9 Helmut freis, Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit, Darmstadt 1984, nr. 7 (Übersetzung leicht modifiziert). 10 Annales 4,5 zum Jahr 23 n. chr. 11 tacitus, Historien 1,6. 12 cassius Dio 52,14,3 f. (Übersetzung otto Veh). 13 cassius Dio 54,6; 21,1. 14 florus 2,30,2; vgl. cassius Dio 54,20,4. 15 cassius Dio 56,18,2. 16 kühlborn 2008, 19. 17 Annales 1,60. 18 Velleius paterculus 2,111,1. 19 Annales 1,11–15. 20 Helmut freis, Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit, Darmstadt 1984, nr. 17, z. 20 ff. (Übersetzung leicht geändert). 21 Annales 1,1,3. 22 Sueton, Caligula 50,2 (Übersetzung der Sueton-Stellen nach andré lambert, mit leichten Änderungen). 23 Sueton, Caligula 32,2 f. 24 Sueton, Caligula 30,2. 25 Sueton, Caligula 49. 26 Xiphilinos 172,8 ff. (Veh iV 423 – Die fragmente der römischen Geschichte cassius Dios werden nach der Übersetzung von otto Veh, Darmstadt 2007, unter angabe von band und Seite zitiert.) 27 Sueton, Caligula 60. 28 Sueton, Claudius 3,2; 4,1; 6,2. 29 Sueton, Claudius 43. 30 flavius Josephus, Der jüdische Krieg 2,294. 31 plinius, Briefe 9,19. 32 Historien 1,4. 33 tacitus, Historien 1,32,1 (Übersetzung Helmuth Vretska).
284 Anmerkungen 34 Vgl. Jerome farnum, The Positioning of the Roman Imperial Legions, oxford 2005, 93–95. 35 cassius Dio 65,15,3. 36 Sueton, Vespasian 16. 37 cassius Dio 66,19,3. 38 flavius Josephus, Der jüdische Krieg 5,451 (Übersetzung: michel/bauernfeind). 39 bisel, bisel 2002, 460; 464; 468. 40 Sueton, Domitian 21. 41 tacitus, Agricola 2,4–3,1. 42 iordanes, Gotengeschichte 13,76. 43 plinius, Panegyricus 6,1. 44 9,13, an Gaius Ummidius Quadratus. 45 Epitome de Caesaribus 12,8. 46 plinius, Panegyricus 9,1. 47 plinius, Panegyricus 12. 48 Die Rolle der Bestimmung für den Krieg, zit. nach andré Dupont-Sommer, Die essenischen Schriften vom Toten Meer, tübingen 1960, 214. 49 Historia Augusta, aurelian 2,1 f. 50 Historia Augusta, Hadrian 7,4. 51 Inscriptiones Latinae Selectae 309. 52 cassius Dio 69,14,1 (Xiphilinos; Veh V 235). 53 Xiphilinos aus cassius Dio (70,1,2 f.); Veh V 243. 54 Gaius, Lehrbuch 1,53 (Übersetzung von Ulrich manthe, mit geringfügigen Änderungen). 55 Digesta 40,1,8,2; vgl. auch 40,9,15 pr. und 48,18,1,13. 56 Digesta 11,4,3. 57 Historia Augusta, antoninus pius 7,8. 58 cassius Dio 74,8,3. 59 Panegyricus 12. 60 Vgl. z. b. tacitus, Historien 5,1–10; iuvenal, Satire 3 und 5. 61 aelius aristides, Romrede 64. 62 apg 9,30. 63 Vgl. röm 16,3 und 5; i kor 1,2. 64 Hebr 13,14. 65 i kor 6,1–11. 66 i kor 7,31. 67 röm 13,1–7. 68 Historia Augusta, antoninus pius 7,11. 69 marcus aurelius, Selbstbetrachtungen 5,33. 70 marcus aurelius, Selbstbetrachtungen 4,4. 71 nach der formulierung der münzlegenden; vgl. rémy 2005, 248. 72 ammianus marcellinus 23,6,24. 73 Historia Augusta, marcus 12,13.
Anmerkungen 285 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112
Historia Augusta, marcus 22,1. Vgl. bspw. Schmitt 1997, 139–143, besonders 143. Historia Augusta, marcus 12,13. Historia Augusta, marcus 14,4 f. Historia Augusta, marcus 24,5; 27,10. Excerpta UG 59, 509 (Veh V 256). Historia Augusta, marcus 27,9. kehne, tejral 2001, 313; 319. Historia Augusta, marcus 27,10 f. Herodian, Geschichte seit Marcus 1,4. Herodian, Geschichte seit Marcus 1,5,5. Herodian, Geschichte seit Marcus 1,8. cassius Dio 73,9. cassius Dio 73,14 (Xiphilinos; Veh V 294). Herodian, Geschichte seit Marcus 1,17. cassius Dio 74,1,4f. (Xiphilinos; Veh V 306). cassius Dio 76,6,1 (Xiphilinos; Veh V 347). cassius Dio 78 (77),3,2 nach Xiphilinos (Veh V 385). Übersetzung geringfügig geändert. cassius Dio 79,11 (Veh V 424). Herodian, Geschichte seit Marcus 5,5,8–10. naphtalie lewis, The Humane Legislation of Septimius Severus, Historia 45 (1996), 104–113, hier 107. Historia Augusta, Septimius Severus 12,2; vgl. Herodian, Geschichte seit Marcus 3,8,5. Excerpta Valesiana 365 f. (Veh V 391). Excerpta Valesiana 378 (Veh V 401). Herodian, Geschichte seit Marcus 7,2,9; vgl. Historia Augusta, maximini duo 13,3. Herodian, Geschichte seit Marcus 7,10. Herodian, Geschichte seit Marcus 7,11–8,8. Vgl. die maßgebliche rekonstruktion dieses berichts bei bleckmann 2002. Herodian, Geschichte seit Marcus 6,7. lothar bakker, Raetien unter Postumus. Das Siegesdenkmal einer Juthungen schlacht im Jahre 260 n. Chr. aus Augsburg, Germania 71 (1993), 369–386. Vgl. etwa kulikowski 2009. Vgl. Historia Augusta, claudius 6,5. canon ii, ed. routh, Reliquiae Sacrae, band 3, 258 f. Quellen abgedruckt bei Dodgeon, lieu 1991, 34–48. zosimos, Neue Geschichte 1,36,2. zusammenstellung der Quellen bei Dodgeon, lieu 1991, 57–66. Dodgeon, lieu 1991, 65. zosimos, Neue Geschichte 1,52,3. coulston 1986, 65.
zEITTAFEL
27 v. chr.
25 23/19
20 18
13 12 2
4 n. chr.
6 9 14 16 19 20 Seit 29
31 37
Der neffe und adoptivsohn des Dictators caesar erhält durch Senat und Volk den Ehrennamen augustus und eine auf zehn Jahre befristete befehlsgewalt in neun provinzen. beginn der militärischen öffnung der alpentäler nach mehreren innenpolitischen krisen wird die machtstellung von augustus ausgebaut: Übertragung tribunizischer und consularer Vollmachten. abkommen mit dem parthischen reich. Die römischen Expansionskriege im osten werden abgebrochen. Sondervollmachten von augustus zum ersten mal verlängert. in der folge wird seine befehlsgewalt 13 v. chr., 8 v. chr., 3 n. chr. und 13 n. chr. erneuert. Gesetzliche regelung der besoldung und der Dienstzeiten der Soldaten. Der Senat beschließt den bau der ara pacis. beginn der Unterwerfungsfeldzüge im «freien Germanien». augustus wird pontifex maximus Wiederaufnahme von feindseligkeiten gegen die parther unter dem kommando des Gaius caesar, adoptivsohn des augustus tod des Gaius caesar. beendigung der militäroperationen im osten. augustus adoptiert seinen Stiefsohn tiberius claudius nero, dem für zehn Jahre tribunizische Vollmachten verliehen werden. Einrichtung des aerarium militare (pensionskasse für die armee) niederlage des Varus im teutoburgischen Wald tod des augustus. Der Senat bestätigt tiberius die Vollmachten, die augustus innehatte. Germanicus vom germanischen kriegsschauplatz abberufen. Ende der Expansionskriege in der Germania libera tod des Germanicus, adoptivsohn des tiberius prozess des calpurnius piso aufgrund der Denunziationen des prätorianerpräfekten Seian werden die mutter und zwei Söhne des Germanicus als Verschwörer verurteilt. Sturz Seians tod des tiberius. Der einzige überlebende Sohn des Germanicus, «caligula», wird sein nachfolger.
zeittafel 287 41–54 41–46 54–68 54
59
64
66–73 68 68/69
69–79
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81–96 83
85–97 96–98
claudius mauretanien, britannien, lykien und thrakien werden römische provinzen regierungszeit neros Domitius corbulo wird beauftragt, gegen die parther mit Waffengewalt den römischen anspruch durchzusetzen, den armenischen könig auszuwählen und einzusetzen. nero lässt seine mutter, agrippina die Jüngere, ermorden. Emanzipation des jungen kaisers von seinen beratern. in der folge plant nero Eroberungszüge im kaukasus und in Äthiopien, deren konkrete Vorbereitungen mitte der 60er Jahre beginnen. brand roms. Wiederaufbau im megalomanen Stil (Goldenes Haus, neronischer park). abkommen von rhandeia (Syrien): Der parthische könig bestimmt den armenischen könig, der römische imperator verleiht ihm die Herrschaftsinsignien. Erster Jüdischer krieg (fall Jerusalems und zerstörung des tempels: 70) mehrere Statthalter sagen sich von nero los. flucht des imperators aus rom (8. Juni) und Selbstmord (9. Juni) «Vierkaiserjahr»: nach dem aussterben der iulo-claudischen Dynastie erheben mehrere Senatoren anspruch auf die imperatorenwürde: Galba (imperator 8. Juni 68–15. Januar 69), otho (15. Januar–16. april 69), Vitellius (2. Januar– 20. Dezember 69). Schließlich setzt sich der oberbefehlshaber im jüdischen krieg, Vespasian, durch, der seit dem 1. Juli 69 die kaiserwürde beansprucht. Vespasian. Wiederaufbau roms nach den kriegszerstörungen des Vierkaiserjahrs. abkehr von der egozentrischen architektur neros: neuer capitolinischer tempel, templum pacis, amphitheatrum flavium. Erneuter brand roms unter titus (79–81). beginn der unter Domitian vollendeten residenz auf dem palatin, architektonisches Vorbild zahlreicher Herrscherresidenzen Domitian römischer angriff auf die chatten. in der folge werden ober- und niedergermanien zu provinzen erklärt: aufgabe der fiktion, die germanischen Heeresbezirke seien teile der noch zu erobernden großgermanischen provinz in mitteleuropa kriege gegen die fürstentümer nördlich der Donau nerva
288 zeittafel 97
98–117 101–106 114–117 115–117 117–138
121 (?) 122 132–136 138–161 161–180 161–166
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170–175/ 178–180 175 180–192
193–197
195/198
Die adoption des Statthalters der Germania Superior, marcus Ulpius traianus, durch nerva beendet den machtkampf zwischen den anhängern und Gegnern Domitians im römischen Senat zugunsten der antidomitianer. traian angriffskriege gegen die Daker. Eroberung der neuen provinz Dacia nördlich der Donau Erfolgloser Versuch traians, armenien und große teile des parthischen reiches zu annektieren Jüdische revolte in zypern, Ägypten und der cyrenaïca Hadrian. abkehr von der kriegspolitik der Vorgänger. intensive reise– und bautätigkeit im gesamten römischen reich. Vollständiger neubau des pantheons in rom beginn der befestigung des obergermanisch–rätischen limes beginn des Hadrianwalls bar kochba-revolte in iudaea antoninus pius marc aurel, bis 169 gemeinsamer Herrscher mit seinem bruder Verus römisch-parthischer krieg. zerstörung von Seleukia am tigris. Die römischen Soldaten bringen eine tödliche infektionskrankheit aus mesopotamien mit und verbreiten sie im reich. Ein 6000 personen starker elbgermanischer Wanderverband versucht sich auf römischem territorium südlich der Donau niederzulassen, wird aber von römischen truppen vertrieben. marc aurel nimmt den zwischenfall zum anlass für Eroberungsfeldzüge («markomannenkriege») gegen die fürstentümer nördlich der mittleren Donau. «markomannenkriege», besser «germano-sarmatische kriege», unter dem kommando marc aurels Usurpation des avidius cassius commodus. Der nachfolger marc aurels bricht die feldzüge nördlich der Donau nach seinem Herrschaftsantritt ab und oktroyiert den Germanen und Sarmaten seine friedensbedingungen. beginn einer zwölfjährigen friedensphase prätendentenkämpfe nach der Ermordung des commodus. aus den auseinandersetzungen geht der Statthalter der Pannonia superior, Septimius Severus, als neuer imperator hervor. beginn der severischen Dynastie (193–235) zwei neue römische provinzen auf dem territorium des parthischen reiches
zeittafel 289 208–211
britannienfeldzug. nach dem tod des Severus (211) ergebnislos abgebrochen 212 (?) Constitutio Antoniniana: fast alle freien Untertanen des imperators erhalten das römische bürgerrecht. 215 Erstmalige Emission des gewichtsreduzierten Doppeldenars (Antoninianus). Der Antoninianus wird später in immer minderwertigeren legierungen leitmünze des römischen Währungssystems. 215–217 partherkrieg caracallas 217–218 opellius macrinus 218–222 Elagabal 226 (?) krönung ardašīrs in ktesiphon zum ersten Großkönig des neopersischen reiches 233 abbruch des perserfeldzugs Severus alexanders (222–235) aufgrund von nachrichten über germanische Überfälle am oberrhein. beginn des zeitalters permanenter mehrfrontenkriege 235–238 maximinus «thrax» nimmt die augusteische Eroberungspolitik in Germanien wieder auf und scheitert. Die steuerliche belastung der reichsbevölkerung führt zu revolten und zum Sturz des maximinus. ca. 230–ca. 280 Germanische, sarmatische, persische und «maurische» kriegergruppen überwinden die römischen Grenzbefestigungen in zahlreichen raubzügen. Die römischen kaiser finden anfangs kein mittel gegen die angreifer. zahlreiche Usurpationen und kaisermorde erschweren die Situation. Erst mit der Umgestaltung der Defensivorganisation (bewegungsheer) gewinnt das imperium zeitweise wieder die initiative. 260 Valerian in persischer kriegsgefangenschaft 259/60–274 Gallisches Sonderreich ca. 260–273 palmyrenisches Sonderreich 267/268 Die abwehr eines herulisch-gotischen Verbandes vor athen eröffnet eine reihe von siegreichen abwehrschlachten gegen die invasoren. 269 Sieg des claudius Gothicus (268–270) bei naissus über eine gotisch geführte kriegergruppe 271 alamannische plünderer mehrfach in italien durch aurelian (270–275) besiegt. maßnahmen wie der bau der «aurelianischen» mauer um rom und die räumung der provinz Dacia zeigen, dass keine grundlegend neue bewertung der Sicherheitslage eintrat. 276–282 probus 282–283 carus. römischer angriff auf das persische reich.
LITERATuR
Hinweis: aus platzgründen sind Unter- bzw. reihentitel in der regel nicht aufgeführt. Unter den zahlreichen Überblicksdarstellungen zur römischen kaiserzeit seien genannt: Heinz bellen, Grundzüge der römischen Geschichte, bd. 2: Die kaiserzeit von augustus bis Diocletian, Darmstadt 1998 (sehr knapp); karl christ, Geschichte der römischen kaiserzeit von augustus bis zu konstantin, münchen 1988; John Wacher (Hrsg.), the roman World, 2 bde., london, new York 1989. Das umfangreichste Handbuch ist die cambridge ancient History, von der die bände 10 bis 12 (jeweils in der zweiten auflage) für die hier behandelte zeit einschlägig sind.
I Einen forschungsüberblick mit ausführlicher Darstellung zu augustus gibt Dietmar kienast, augustus, prinzeps und monarch, Darmstadt 42009. Unter den zahlreichen biographien sind bspw. klaus bringmann, augustus, Darmstadt 2007 und Werner Eck, augustus und seine zeit, münchen 52009 zu empfehlen. zur juristischen konzeption der augusteischen machtstellung ist besonders die gründliche Studie von Jean-louis ferrary, a propos des pouvoirs d’auguste, cahiers de centre Gustave-Glotz 12 (2001), 101–154 zu vergleichen. Eine kommentierte karte zur provinzverteilung von 27 v. chr. geben anne-maria Wittke, Eckart olshausen, richard Szydlak, Historischer atlas der antiken Welt, Stuttgart u. a. 2012, 176 f.
II 1. zahlen und Daten zur augusteischen militärpolitik bieten zum beispiel kurt raaflaub, Die militärreformen des augustus und die politische problematik des frühen prinzipats, in: Gerhard binder (Hrsg.), Saeculum augustum i, Darmstadt 1987, 246–307; brian campbell, War and Society in imperial rome, london u. a. 2002. zum aufbau der armee: Yann le bohec, Die römische armee. Von augustus zu konstantin dem Großen, Stuttgart 1993 (Übersetzung des französischen originals). zur sozialen und ökonomischen Dimension der augusteischen militärpolitik siehe z. b. ramsay macmullen, the legion as a Society, Historia 33 (1984), 440–456; lothar Wierschowski, Heer und Wirtschaft. Das römische Heer der prinzipatszeit als Wirtschaftsfaktor, bonn 1984. material zu den geostrategischen und fiskalischen folgen der augusteischen politik: armin Eich, Der Wechsel zu einer neuen grand strategy unter augustus und seine langfristigen folgen, in: Historische zeitschrift 286 (2009), 561–611. zur «Vermessung der Welt» (claude nicolet) unter augustus vgl. bspw. kai brodersen, terra cognita: Studien zur römischen raumerfassung, Hildesheim u. a. 2003. zu den kaiserlichen kassen, ihrer liquidität und Entwicklung vgl. z. b.
Literatur 291 reinhard Wolters, Nummi signati. Untersuchungen zur römischen münzprägung und Geldwirtschaft, münchen 1999. 2. Einen ausführlichen forschungsüberblick zu den positionen bzgl. der augusteischen Eroberungspolitik findet man bei kienast (wie 1.) 42009, 357–377. Speziell zur ostpolitik oliver linz, Studien zur römischen ostpolitik im principat, Hamburg 2009. zur fehleinschätzung der geographischen Verhältnisse durch die römischen planer der ostfeldzüge: christian marek, Die Expedition des aelius Gallus nach arabien im Jahre 25 v. chr., in: chiron 23 (1993), 121–156. zur Expansion in mitteleuropa vgl. diverse beiträge in Johann-Sebastian kühlborn u. a. (Hrsgg.), rom auf dem Weg nach Germanien: Geostrategie, Vormarschtrassen und logistik, mainz 2008. zur römischen Germanienpolitik in dieser zeit und der folgezeit: Helmuth Schneider (Hrsg.), feindliche nachbarn. rom und die Germanen, köln u. a. 2008.
III 1. aus der biographischen literatur, die den kaisern des ersten Jahrhunderts (nach augustus) gewidmet ist, sei auf die Werke von barbara levick (tiberius, the politician, london u. a. 1999; claudius, london 1990; Vespasian, london 1999), aloys Winterling (caligula, münchen 2003), Josiah osgood (claudius caesar, image and power in the Early roman Empire, cambridge 2011), Gerhard Waldherr (nero. Eine biographie, regensburg 2005) und miriam Griffin (nero: the End of a Dynasty, new Haven u. a. 1985) verwiesen. zu Domitian und traian s. unten zu iii . 7. 2. Die materialreichste und übersichtlichste, wenngleich in den kernaussagen umstrittene behandlung des kaiserkults ist das buch von manfred clauss, kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen reich, Stuttgart 1999. Verschiedene wichtige aspekte behandelt der Sammelband von Hubert cancik u. a. (Hrsgg.), Die praxis der Herrscherverehrung in rom und seinen provinzen, tübingen 2003. Das Standardwerk zur repräsentativen Entfaltung des personenkults in rom ist paul zanker, augustus und die macht der bilder, münchen 1987. zum larenkult und verwandten aspekten ist bspw. mary beard, John north, Simon price, religions of rome, cambridge 1998, band 1, 184–186, zu vergleichen. Der Schauprozess calpurnius pisos ist durch einen Senatsbeschluss aus dem Jahr 20 n. chr. dokumentiert, der kommentiert und übersetzt vorliegt: Werner Eck u. a., Das senatus consultum de Cn. Pisone patre, münchen 1996. 3. zum regierungsstil des claudius und der bedeutung der freigelassenen vgl. Werner Eck, Die bedeutung der claudischen regierungszeit für die administrative Entwicklung des römischen reiches, in: V. m. Strocka (Hrsg.), Die regierungszeit des kaisers claudius (41–54 n. chr.). Umbruch oder Episode?, mainz 1994, 23–34. 4. zu den feldzügen in Germanien unter tiberius siehe ralf G. Jahn, Der römisch-Germanische krieg (9–16 n. chr.), bonn 2001; zu den kriegen dieser zeit in nordafrika vgl. charles Whittaker, roman africa, augustus to Vespasian, in: the cambridge ancient History 2Xi, cambridge 1996, 586–618. Die claudische invasion in britannien behandelt peter Salway, roman britain, oxford 1981, 65–99. Die wichtigste Quelle zur annexion lykiens ist das wieder-
292 Literatur entdeckte inschriftliche «Straßenverzeichnis von patara» (ediert und kommentiert von mustafa adak, Sencer Şahin, Stadiasmus patarensis. itinera romana provinciae lyciae, istanbul 2007). 5. Grundlegend zur orientpolitik neros ist matthäus Heil, Die orientalische außenpolitik des kaisers nero, münchen 1997. Der boudicca-aufstand in britannien wird bspw. bei Sheppard frere, britannia. a History of roman britain, london u. a. 31987, 70–77, ausführlich behandelt. zu den römisch-jüdischen konflikten: klaus bringmann, Geschichte der Juden im altertum, Stuttgart 2005, 161–289. zur baupolitik neros in rom vgl. bspw. marianne bergmann, Der koloß neros, die Domus aurea und der mentalitätswandel im rom der frühen kaiserzeit, mainz 1994 und axel boëthius, John bryan Ward-perkins, Etruscan and roman architecture, Harmondsworth 1970, 211–216. Die detaillierteste Darstellung zum sog. «Vierkaiserjahr» 68/69 n. chr. bietet kenneth Wellesley, the Year of the four Emperors, london u. a. 32005. 6. zur administrativen politik unter den flaviern vgl. den kompakten Überblick von miriam Griffin in: the cambridge ancient History 2Xi, cambridge 2000, 1–83. Eine ausführliche auswertung der menschlichen Überreste von Herculaneum unter ernährungsphysiologischen und medizinischen aspekten bieten Sara bisel, Jane bisel, Health and nutrition at Herculaneum. an Examination of Human Skeletal remains, in: Wilhelmina feemster Jashemski u. a. (Hrsgg.), the natural History of pompeii, cambridge 2002, 451–475. 7. Eine faktenreiche Darstellung der regierungszeit Domitians gibt brian W. Jones, the Emperor Domitian, london u. a. 1992. zu traian ersetzt die biographie von karl Strobel, kaiser traian. Eine Epoche der Weltgeschichte, regensburg 2010, die ältere literatur. zu den fiskalischen aspekten der traianischen kriege: reinhard Wolters, traians außenpolitik und die finanzen des reiches, in: Egon Schallmayer (Hrsg.), traian in Germanien, traian im reich, bad Homburg v. d. H. 1999, 115–125. Eine ausführliche kommentierte Quellenpublikation zum jüdischen aufstand hat miriam pucci ben zeev, Diaspora Judaism in turmoil, 116/117 cE. ancient Sources and modern insights, leuven u. a. 2005, vorgelegt.
IV 1. Die detailreichste biographie Hadrians ist: anthony birley, Hadrian, the restless Emperor, london u. a. 1997 (häufig nachgedruckt und 2006 unter dem titel «Hadrian, der rastlose kaiser» auf Deutsch erschienen). Ein unersetzliches repertorium zu den verstreuten Quellen der hadrianischen regierungszeit ist Jörg fündlings zweibändiger kommentar zur Vita Hadriani der Historia augusta, bonn 2006. Über die organisation der römischen außengrenzen existieren einige knappe Überblickswerke, die unterschiedliche akzente setzen, zum beispiel Gerhard Waldherr, Der limes, Stuttgart 2009 (Verständnis der imperialen Grenzen als kulturelle und ökonomische kontaktzonen) oder Egon Schallmayer, Der limes. Geschichte einer Grenze, münchen 32011 (alltag der Soldaten am limes). Die grundlegenden Darstellungen zu Hadrians baupolitik in rom bzw. im reich hat mary boatwright verfasst: Hadrian and the city of rome, rome 1987; Hadrian and the cities of the roman Empire, princeton
Literatur 293 2000. zum panhellenion vgl. anthony Spawforth, Susan Walker, the World of the panhellenion i: athens and Eleusis, Journal of roman Studies 75 (1965), 78–104, und Dietrich Willers, Hadrians panhellenisches programm. archäologische beiträge zur neugestaltung athens durch Hadrian, basel 1990, bes. 93– 103. Die Standarddarstellung zur regierungszeit des antoninus pius ist bernard rémy, antonin le pieux, 138–161: le siècle d’or de rome, paris 2005. Ein kurzer abriss in deutscher Sprache findet sich in oliver Schipp, Die adoptivkaiser, nerva, trajan, Hadrian, antoninus pius, marc aurel, lucius Verus und commodus, Darmstadt 2011, 46–61. zur anlage und aufgabe des antoninuswalls vgl. David breeze, brian Dobson, Hadrian’s Wall, london 31987, 114– 124. Über den ausbau der römischen truppenlager informiert anne Johnson, römische kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. chr. in britannien und in den germanischen provinzen des römerreiches, mainz 1987. 2. zu den villae vgl. die illustrierte Einführung von Ursula Heimberg, Villa rustica, leben und arbeiten auf römischen landgütern, Darmstadt 2011 und die grundlegenden ausführungen von Gerda von bülow, Die archäologischen Quellen zur Entwicklung der Villenwirtschaft, in: Dies., klaus-peter Johne (Hrsgg.), Gesellschaft und Wirtschaft des römischen reiches im 3. Jahrhundert, berlin 1993, 17–63. für die östliche reichshälfte ist die forschungslage bzgl. der landbesitzstruktur weit weniger gut als im Westen (vgl. etwa maurice Sartre, l’asie mineure er l’anatolie d’alexandre à Dioclétien iVe siècle av. J.-c/ iii e siècle ap. J.-c., paris 1995, 288–294). Seitdem ist eine reihe regionaler Surveys dokumentiert worden (z. b. andrea De Giorgi, town and country in roman antioch, in: richard alston, onno van nijf [Hrsgg.], feeding the ancient Greek city, leuven u. a. 2008, 63–83); doch fehlt eine Überblicksdarstellung. zum kaiserlichen Grundbesitz: Dorothy crawford, imperial Estates, in: moses i. finley (Hrsg.), Studies in roman property, cambridge u. a. 1976, 35– 70. als Einführung in die komplizierten fragen der civitastypologie und -verfassungen kann françois Jacques, John Scheid, rome et l’intégration de l’Empire, bd. 1: les structures de l’empire romain, paris 1990, 209–289, gelesen werden (deutsche Übersetzung: Stuttgart 1998). Ein wichtiger Quellentext ist das Stadtgesetz von irni, das jetzt in einer kommentierten zweisprachigen ausgabe bequem zugänglich ist: Joseph Georg Wolf, Die lex irnitana. Ein römisches Stadtrecht aus Spanien, Darmstadt 2011. zu den städtischen oberschichten: Géza alföldy, römische Sozialgeschichte, Stuttgart 42011, 169–179, 235–239. Eine sehr gute Einführung zu den Handwerkerkollegien gibt der artikel von Volker Weber, zum kollegienwesen: Die berufsvereine in Handwerk und Handel, in: Gerda v. bülow, klaus-peter Johne, (Hrsgg.), Gesellschaft und Wirtschaft des römischen reiches im 3. Jahrhundert, berlin 1993, 101–134. Über italien innerhalb des kaiserzeitlichen imperiums handelt fergus millar, italy and the roman Empire: augustus to constantine, phoenix 40 (1986), 295– 318. zu den Verwaltungsinstitutionen des hochkaiserzeitlichen italien: Werner Eck, Die Staatliche organisation italiens in der hohen kaiserzeit, münchen 1979. zu den zentralen regierungsinstitutionen in rom ist ingemar könig, Der römische Staat, band 2: Die kaiserzeit, Stuttgart 1997, als einführende lektüre geeignet. ausführlicher sind die einschlägigen abschnitte in dem be-
294 Literatur reits genannten Handbuch von françois Jacques und John Scheid, rome et l’intégration de l’Empire. zum kaiserzeitlichen Senat ist richard talbert, the Senate of imperial rome, princeton, nJ 1984, grundlegend. zum ritterstand Géza alföldy, röm. Sozialgeschichte (wie oben), 162–169, 233–235. zum annonasystem und zur praefectura annonae vgl. Evelyn Höbenreich, annona. Juristische aspekte der stadtrömischen lebensmittelversorgung im prinzipat, Graz 1997. zum consilium bzw. comitatus und den palatinen officia: Werner Eck, the Emperor and his advisers, in: the cambridge ancient History Xi2, cambridge 2000, 195–213 (deutsche Übersetzung in: Ders., Die Verwaltung des römischen reiches, bd. 2, basel 1998, 3 ff.). 3. zu jedem der genannten Werke existiert mittlerweile eine eigene bibliothek interpretierender literatur, die hier nicht vorgestellt werden kann. als Einführung in die römische literatur eignet sich zum beispiel michael von albrecht, Geschichte der römischen literatur von andronicus bis boethius und ihr fortwirken, münchen 32012. zur griechischen literatur der behandelten Epoche albin lesky, Geschichte der griechischen literatur, bern 31971 (als taschenbuch münchen 1993), 917–972. als klassischer text zur renaissance der griechischen prosaliteratur in der hohen kaiserzeit kann Eduard norden, Die antike kunstprosa, bd. 1, leipzig und berlin 21909 (ndr. Darmstadt 1983), 344– 659, gelesen werden. Ein aktueller titel zur griechischen romanliteratur der Epoche ist: tim Whitmarsh, narrative and identity in the ancient Greek novel, cambridge 2011 (mit einer Übersicht über die wichtigsten erhaltenen Werke des Genres und ihrer chronologische Einordnung 261–264). 4. zum frühen christentum existiert ebenfalls eine ausufernde literatur. zu den im text behandelten aspekten vgl. etwa thomas Weißenborn, apostel, lehrer und propheten: eine Einführung in das neue testament, 3 bde., marburg 2 2012. Eine knappe informative Einführung bietet manfred Jacobs, Das christentum in der antiken Welt von der frühkatholischen kirche bis zu kaiser konstantin, Göttingen 1987. Unter den Handbüchern ist band 1 der aus dem französischen übersetzten «Geschichte des christentums» von luce pietri, thomas böhm (Hrsgg.), Die zeit des anfangs (bis 250), freiburg u. a. 2003, hervorzuheben. Eine umfangreiche kommentierte Quellensammlung haben peter Guyot, richard klein, Das frühe christentum bis zum Ende der Verfolgungen. Eine Dokumentation, Darmstadt 1993/1994, vorgelegt. zur Entstehung der frühesten christlichen Schriften vgl. zum beispiel Udo Schnelle, Einleitung in das neue testament, Göttingen 82013 und (für die sogenannte «apokryphe» literatur) Hans-Josef klauck, apokryphe Evangelien: Eine Einführung, Stuttgart 32008.
V 1. biographien marc aurels: anthony birley, marcus aurelius: a biography, new Haven 21987; Jörg fündling, marc aurel. kaiser und philosoph, Darmstadt 2008. zu marcus aurelius als Schriftsteller finden sich mehrere beiträge in: marcel van ackeren (Hrsg.), a companion to marcus aurelius, chichester u. a. 2012. zur Haltung des philosophenkaisers bzgl. der Sklaverei vgl. peter brunt, marcus aurelius and Slavery, in: michel austin u. a. (Hrsgg.), modus operandi.
Literatur 295 Essays in Honour of Geoffrey rickman, london 1998, 139–150. zur außenpolitik der Epoche gibt marcelo tilman Schmitt, Die römische außenpolitik des 2. Jahrhunderts n. chr., Stuttgart 1997, eine Überblicksdarstellung. Eine gedrängte Skizze zu den markomannenkriegen findet man bei peter kehne, Jaroslav tejral, markomannenkrieg, in: reallexikon der Germanischen altertumskunde 19 (2001), 308–321. Die Darstellung im text verdankt viel dem artikel von karl Strobel, Die «markomannenkriege» und die neuen provinzen marc aurels, in: carinthia romana und die römische Welt, klagenfurt 2001, 103– 124. zu den auswirkungen der Seuche auf das Heer: Werner Eck, Die Seuche unter mark aurel: ihre auswirkungen auf das Heer, in: Elio lo cascio (Hrsg.), l’impatto della ‹peste antonina›, bari 2012, 63–77. zu den antichristlichen pogromen vgl. bspw. marta Sordi, Die «neuen Verordnungen» marc aurels gegen die christen, in: richard klein (Hrsg.), marc aurel, Darmstadt 1979, 176– 196 und andere beiträge in diesem band. 2. zu commodus vgl. olivier Hekster, commodus: an Emperor at the crossroads, amsterdam 2002.
VI 1. biographische literatur: anthony birley, Septimius Severus: the african Emperor, london u. a. 22000; Jörg Spielvogel, Septimius Severus, Darmstadt 2006. zur folgenden dynastischen Geschichte bis 238 n. chr. vgl. clifford ando, imperial rome aD 193 to 284, Edinburgh 2012, 48–75. zum partherreich liegt jetzt ein knapper abriss vor: Stefan Hauser, the arsacid (parthian) Empire, in: Daniel t. potts (Hrsg.), a companion to the archaeology of the ancient near East, oxford 2012, 1001–1020. 2. zur allgemeinen bürgerrechtsverleihung unter caracalla siehe jetzt das kapitel «law, citizenship and the antonine revolution» (76–99) in dem unter Vi. 1. genannten buch von clifford ando, imperial rome. 3. Die nachweise zu den Solderhöhungen sind zum beispiel bei Joachim Jahn, zur Entwicklung römischer Soldzahlungen von augustus bis auf Diocletian, in: Studien zu fundmünzen der antike 2, berlin 1984, 53–74, zusammengestellt. Eine gut lesbare Einführung in die probleme kaiserzeitlicher Geldpolitik gibt christopher Howgego, Geld in der antiken Welt, mainz 22011.
VII 1. zu dem großen konflikt des Jahres 238 siehe z. b. karlheinz Dietz, Senatus con tra principem: Untersuchungen zur senatorischen opposition gegen kaiser maximinus thrax, münchen 1980, und frank kolb, Der aufstand der provinz africa proconsularis im Jahr 238 n. chr., Historia 26 (1977), 440–477. zu den archäologischen funden am Harzhorn-Höhenzug bei kalefeld (kreis northeim) vgl. Gustav adolf lehmann, imperium und barbaricum. neue befunde und Erkenntnisse zu den römisch-germanischen auseinandersetzungen im nordwestdeutschen raum von der augusteischen okkupationsphase bis zum Germanien-zug des maximinus thrax (235 n. chr.), Wien 2011, 96–112. 2. Das Standardwerk zur Geschichte der sogenannten «Soldatenkaiserzeit» ist klaus-peter Johne (Hrsg.), Die zeit der Soldatenkaiser. krise und transforma-
296 Literatur tion des römischen reiches im 3. Jahrhundert n. chr. (235–284), berlin 2008. Den nachbarn des imperiums sind dort jeweils von ausgewiesenen fachleuten verfasste Spezialkapitel gewidmet, auf die hier en bloc verwiesen sei. Eine gute Quellensammlung bietet Stephanie brecht, Die römische reichskrise von ihrem ausbruch bis zu ihrem Höhepunkt in der Darstellung byzantinischer autoren, rahden 1999. Unverzichtbar für die Quellenkritik und chronologie der Ereignisse ist bruno bleckmann, Die reichskrise des iii . Jahrhunderts in der spätantiken und byzantinischen Geschichtsschreibung, münchen 1992. Quellenkritisch wichtig ist auch der aufsatz desselben autors, alamannen im 3. Jahrhundert. althistorische bemerkungen zur Ersterwähnung und zur Ethnogenese, museum Helveticum 59 (2002), 145–171. zum gallischen Sonderreich vgl. auch ingemar könig, Die gallischen Usurpatoren von postumus bis tetricus, münchen 1981. Die kritik der these einer gotischen migration ist bspw. entwickelt bei michael kulikowski, Die Goten vor rom, Darmstadt 2009, 49– 75 (aus dem Engl.); siehe auch Walter pohl, Die Germanen, münchen 2000, 23 f. Eine intensive und überzeugende auseinandersetzung mit dieser kritik findet man bei peter Heather, Empires and barbarians. migration, Development and the birth of Europe, london 2009. Eine umfassende Quellensammlung zu den römisch-sasanidischen konflikten bieten michael Dodgeon, Samuel lieu, the roman Eastern frontier and the persian Wars. a Documentary History, london u. a. 1991. 3. zu den Veränderungen in mitteleuropa lotte Hedeager, iron age Societies: from tribe to State in northern Europe, 500 bc to aD 700, oxford 1992 (aus dem Dänischen); malcolm todd, Die Germanen: von den frühen Stammesverbänden zu den Erben des Weströmischen reiches, Stuttgart 2000 (kapitel 4); Heather, Empires (wie Vii . 2.), 1–206. zur rezeption waffentechnischer Entwicklungen s. neben den genannten titeln Jon coulston, parthian and Sassanid tactical Developments, in: philip freeman (Hrsg.), the Defence of the roman and byzantine East, oxford 1986, 59–75, und oliver Stoll, ‹nulla erunt bella, nulla captivitas›? aspekte der kriegsgefangenschaft und Gefangene als mediatoren römischer technologie im Sasanidenreich, in: Sven Günther (Hrsg.), pragmata. beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der antike im Gedenken an Harald Winkel, Wiesbaden 2007, 116–149. zur Verbreitung römischen fundguts in mitteleuropa gibt Siegmar von Schnurbein, Vom Einfluß roms auf die Germanen, opladen 1995, einen kurzen, aber fundierten Überblick. 4. Eine zusammenfassende behandlung der Veränderungen in der römischen administration des dritten Jahrhunderts gibt peter Eich, zur metamorphose des politischen Systems in der römischen kaiserzeit: Die Entstehung einer ‹personalen bürokratie› im langen dritten Jahrhundert, berlin 2005. für eine handbuchartige Übersicht mit anderen akzenten siehe das unter Vii . 2. genannte Werk von klaus-peter Johne (Hrsg.).
REGISTER
abrittus/razgrad (bulgarien) 254 achaia 88 adamclisi 119 adiabener 210 aelia capitolina 141– 143 aelius aristides, publius 177 f. aelius caesar, lucius siehe ceionius commodus, lucius aelius Hadrianus, publius siehe Hadrianus aelius Seianus, lucius siehe Seianus aemilius aemilianus, marcus 254 aemilius laetus, Quintus 206 aemilius lepidus, marcus (triumvir) siehe lepidus aemilius lepidus, marcus (caligulas Schwager) 68 afranius burrus, Sextus siehe burrus africa/afrika 76, 85, 139, 152, 215, 232, 239 f., 243, 246, 267–269, 274 – africa proconsularis 269 agricola, Gnaeus iulius 101, 161 agrippa, marcus Vipsanius 14, 26 f., 35, 44, 46, 48, 55 agrippa postumus 55 f. agrippina d. Ä., Vipsania 63, 65 f.
agrippina d. J., iulia 68, 74 f., 80 f. Ägypten 17 f., 21, 43, 61, 90, 95, 100, 123 f., 129 f., 141, 168 f., 196, 198, 205, 210, 215, 231, 266, 279 alamannen 219, 228, 246, 248–250, 256, 272 alanen 83, 100, 252 alexander Severus 225–228, 235 f., 238, 249, 257 alexandria 61, 90, 95 f., 124, 154, 220, 229, 267 algerien 76, 177, 268 altinum 194 altmühl 249 ammaedara/Haïdra 76 ammianus marcellinus 176 amsivarier 243 ananos 87 anatolien 45, 100, 122, 149, 260 angrivarier 51 annaeus lucanus, marcus siehe lucanus annaeus Seneca, lucius siehe Seneca annius Gallus 98 annius Verus, marcus siehe marcus aurelius antiochia 61, 122, 128, 154, 187, 201, 210, 212, 220 f., 227, 229, 259 f., 262, 266 f. antonia d. J. 61, 63, 65 antonia caenis 104 antoninus pius 143–151, 174, 184, 186
antonius, marcus siehe marcus antonius antonius Gordianus, marcus siehe Gordianus antonius primus, marcus 95, 96 antonius Saturninus, lucius 111 aostatal 41 apamea am orontes 259 aphrodisias (karien) 154 apollodoros 118, 138 apollonios von tyana 177 apuleius von madaura 177 aquileia 194, 240 f. aquincum/budapest 193 aquitania siehe Gallia ara Ubiorum siehe colonia claudia ara agrippinensium arabia/arabien 122, 142 araber 210, 264 arae flaviae/rottweil 101 aramäer 264 arbeia 217 arbela 221, 223 ardašīr (artaxerxes) 256–258, 275 ariobarzanes 45 armenien 80 f., 100, 122, 124, 129, 149, 187, 256 f., 259 arminius 51, 75 arruntius camillus Scribonianus, lucius 71 artabanus iV. 220–223, 234, 257 artaxata 187
298 Register asia 57, 158, 197 assyria/assyrien 123 f., 129 asturia/asturien 35, 42 athen 137, 140, 154 athenagoras von athen 197 Äthiopien 83, 86 Ätna 137 attalos ii. 137 attianus 126–128, 132 augustus 11–47, 50, 52–61, 70, 75, 83, 99, 133, 148, 159–163, 166, 168–173, 179, 211, 213, 232, 276 aurelian 246, 250 f., 266, 279, 280 aurelius marius, marcus 245 avidius cassius, Gaius 187, 196 avidius nigrinus, Gaius 132 axum 83 babylonien 187 f., 215, 265 baetica siehe Spanien baiae 144 balbinus, Decimus caelius 240 f. balkan 39, 42, 255 ballomarius 193 baquates 268 barbalissus 259 bärhorst (brandenburg) 271 bar kochba 141–143 bassianus alexianus siehe alexander Severus bastarnen 252–254 bataver 46, 97–99 batavodurum siehe noviomagus bavares 268 f.
bedriacum 94, 96 belgica siehe Gallia berenike 105 besançon siehe Vesontio beth Shean 142 bithynia 57 böhmen 52, 111, 116, 190, 193 bonn 46 boraner 254 bosporus 211 boudicca. 82 brenner 250 brisigavi 248 britannia/britannien 77–80, 82, 101, 118, 129, 134, 136, 142, 147 f., 202, 209, 213, 217–219, 245 f. britannicus 74, 75, 78 bructeri/bructerer 47, 75, 243 bruttia crispina 201 bug 251 bulla felix 216 f. burgunder 250 burrus, Sextus afranius 80 f. byzantium/byzanz 212 f., 229
callistus 73 calpurnius piso, Gaius 84 calpurnius piso, Gnaeus (konsul 23 v. chr.) 36 calpurnius piso, Gnaeus (adiutor des Germanicus) 62 f. calpurnius piso licinianus, lucius 92 f. camulodunum/ colchester 82 cappadocia/kappadokien 122, 187, 257, 259, 262 capri 63 f., 66 caracalla 153, 160, 213, 216, 218–224, 228–231, 233–237, 248, 264 carnuntum 195 carpow 217 carthago nova/ cartagena 89 carus 282 catalaunum/châlonssur-marne/châlonsen-champagne 246 casaubon, isaac 130 casperius aelianus, Gaius 114, 117 cassianus latinius postumus, marcus caecina, aulus 94, 96 siehe postumus caelius balbinus, cassius apronianus 127 f. Decimus siehe cassius Dio 19, 27 f., 32, balbinus 50, 68, 72, 77, 106 f., caesar, Gaius iulius 12, 126–128, 141, 175, 15, 34, 69, 76, 101, 113, 190, 196, 199, 200, 158 202–204, 207 f., 213, caesarea (mauretanien) 216, 219 f., 222–224, 222 234–237, 248 caesonia 66, 68 cassivelauni 78 caledonii/caledonier castra Vetera/Xanten 51, 217 f. 98 caligula 64–71, 77–79, cato 139 86 f., 91, 226 ceionius commodus, callaecia 42 lucius 143, 184
Register 299 cestius Gallus, Gaius 87 chaironeia 176 chatti/chatten 46, 51, 97, 109 cherusker 51 chosroës 122 f., 128, 150 cinithii 76 claudius Drusus, nero siehe Drusus claudius ii. (Gothicus) 250, 256 claudius marcellus, marcus 55 claudius nero, tiberius 35, 69–75, 78, 80, 82, 88, 103, 163, 179, 200 claudius parthenius, tiberius siehe parthenius claudius pompeianus, tiberius 199–202, 207 clodius albinus, Decimus 209, 213 clodius macer 91 clodius pupienus maximus, marcus siehe pupienus cocceius nerva, marcus siehe nerva colonia claudia ara agrippinensium/köln 46, 49 f., 58, 74, 116, 244 f. commodus, lucius aurelius 167, 173, 190, 197, 199, 200–205, 207 f., 210, 214, 220 cornelius Gallus, Gaius 21 cornelius nigrinus, marcus 114–116 cornelius palma, aulus 132 cornelius tacitus, publius (?) siehe tacitus
coulston, Jon 274 cyrenaïca. 123 f. Dacia/Dakien 118, 120 f., 129, 190, 200 Daker 110, 117, 190 Dalmatia/Dalmatien 46, 52, 71 Decebalus 110, 120, 150 Decius, Gaius messius 253 f., 281 Dekumatland 228 Dessau, Hermann 130 Diadumenian 223 Didius iulianus, marcus 208–211 Diocletian 130, 157, 281 Dion von prusa 176 Dnjepr 251 Domitia lucilla 184 Domitianus, titus flavius 101, 104–114, 116, 118, 132, 134, 144 f., 150, 173 Domitius ahenobarbus, lucius (nero) siehe nero Domitius corbulo, Gnaeus 80, 81 Donau 26, 35, 40, 47 f., 52, 56, 94, 95, 100 f., 110 f., 114–118, 120 f., 129, 135, 148 f., 192–202, 207–210, 215, 220, 240, 246, 249–254, 261, 267 f., 271 f. Drusus iulius caesar 63, 65 f. Drusus d. Ä., nero claudius 47 f., 61, 69, 75 Drusus d. J., nero claudius 40, 61, 64 Dura Europos 188, 259 f.
Eburacum/York 218 Eclectus 206 Edessa 123, 212, 215, 221, 261, 262 Egnatius rufus, marcus 26–28 Ejsbøl mose 273 f. Elagabal 223–226, 233 Elbe 47, 50, 248 Elegeia 122, 187 Eleusis 137 Emesa 223 f., 259, 266, 267 Euböa 176 Euphrat 43, 45, 122, 139, 187 f., 210, 212, 215, 256–260, 262, 268 fabius Valens 94 feddersen Wierde 271 firth of clyde 147, 149 firth of forth 147, 149 flavia Domitilla, die Ältere 104 flavius Domitianus, titus siehe Domitianus flavius Josephus 88, 91, 106 flavius Sabinus, titus 96 flavius Sulpicianus, titus 208 flavius Vespasianus senior, titus siehe Vespasianus flavius Vespasianus iunior, titus siehe titus florus 48 fonteius capito 91, 96 franken 242–248, 249, 256, 268, 272 fréjus 101 fulvius macrianus, titus (?) 261, 263 fulvius plautianus, Gaius 216
300 Register fulvius Quietus, titus siehe Quietus Gaius 145 Galatien 58, 100 Galba, Servius Sulpicius 89–93, 102, 117 Galen 194 Galilaea 87 f. Gallia/Gallien 18, 33 f., 37, 50, 72, 76 f., 190, 217, 243, 245 - aquitania 58, 158 - belgica 58, 158 - lugdunensis 58, 88, 158 - narbonensis 26 Gallienus 245, 261, 263, 265 f., 277 Gangra (paphlagonien) 30 Gardasee 250 Gellius, aulus 174 Gepiden 252 Germanen 53, 77, 109, 148, 190, 193, 197, 200, 228, 242, 245, 249–251, 276 Germania/Germanien 41, 49 f., 52 f., 77, 110, 245 – Germania inferior/ niedergermanien 46, 91 f., 99, 110, 115, 148, 158, 243 – Germania libera/ freies Germanien 37, 40, 49, 51, 52, 148, 228, 250 – Germania superior/ obergermanien 92, 110 f., 115 f., 148 f. Germanicus 40, 53, 61–65, 74 f. Gessius florus 87 Geta, publius Septimius 209, 216, 218–220, 231 Gibbon, Edward 185
Gordianus i., marcus antonius 239–241 Gordianus ii., marcus antonius 239, 241 Gordianus iii ., marcus antonius 240 f., 257–259 Goten 251–256, 260, 265, 268, 271 f. Gregor der «Wundertäter» 255 Greutungen 252 Griechenland 86, 88, 138 f., 178, 181
130–132, 190, 192–195, 200, 214, 224, 228, 233, 238 Histria 252 Horaz 174 Hordeonius flaccus, marcus 92 Hormuzgan 257 Hunerberg 47
iallius bassus, marcus 193 iazygen 111, 117, 190, 193–196, 198 iceni 81 f. illyricum/illyrien 26, 190, Haalebos, Jan kees 47 f. 240 Hadrianus, publius aelius inchtuthil 101 85, 127–144, 147, ingenuus 261 150 f., 174, 184 iordanes 110 Häduer 77 iotapian 253 Hairān 265 irak 123, 221 Haltern 50 iran/iraner 190, 263 Harzhorn (kreis issa 71 northeim, niederissos 212 sachsen) 238 italica. 115, 127, 137 Hatra 227, 257 italien 19, 23, 31–33, 37, Hauran (Syrien) 258 58 f., 94 f., 107, 115, Hebron 141 125, 127, 129, 138 f., Hellespont 211 142–144, 157, 164–166, Helvidius priscus d. J. 109 168, 171, 179, 193–195, Helvius pertinax, publius, 208 f., 211, 216–219, siehe pertinax 239 f., 249 f., 279 f. Heracleia 265 iuba 76 Herculaneum 105, 107 iudaea 36, 86–88, 95, 99, Hermunduren 190 141 f. Herodian 9, 175, 199, iulia Domna 216, 219, 200 f., 203, 205 f., 208, 223 216 f., 221, 223 f., iulia Drusilla (caligulas 227 f., 238, 240 f., 249 Schwester) 68 Heruler 252, 254 f., 268 iulia Drusilla (caligulas Hessen 46, 242 tochter) 68 Hispania baetica siehe iulia maesa 223, 225 Spanien iulia mamaea 223, 228 Hispania tarraconensis iulia Soaemias 223, 226 siehe Spanien iulius agricola, Gnaeus Historia augusta siehe agricola
Register 301 iulius agrippa ii. 105 iulius alexander, tiberius 95 iulius caesar, agrippa siehe agrippa postumus iulius caesar, Drusus siehe Drusus iulius caesar, Gaius (gest. 44 v. chr.) siehe caesar iulius caesar, Gaius (gest. 4 n. chr.) 45, 55, 60, 62, 69 iulius caesar, Gaius (caligula) siehe caligula iulius caesar, lucius 55, 62 iulius caesar, nero siehe nero iulius caesar, tiberius siehe tiberius iulius civilis, Gaius 98 iulius frontinus, Sextus 101 iulius philippus, marcus siehe philippus iulius priscus, Gaius 278 iulius Sacrovir 77 iulius Severus, Sextus 142 iulius Sohaemus, Gaius 187 iulius Vindex, Gaius siehe Vindex iustinus 174 iuthungen 249, 251 iuvenal 174 f., 177 Jamnia 87 Jemen 43 Jerusalem 86–88, 95, 97, 106, 124, 141–143, 179–182 Johannes Xiphilinos 68, 141 f.
Jordanien 122 lepcis magna/lebda Joseph ben matthias siehe 216, 232 flavius Josephus lepidus, marcus aemilius (triumvir) 11 kablow 271 libyen 76, 123, 216, 269 kainepolis/Etschmiazin licinius crassus 44 187 f. licinius mucianus, Gaius kallistos/ballista 262 95 kandake 43 f. licinius Sura, lucius 115 kantabrer/kantabrien 35, licinius Varro murena, 41 lucius 22 kappadokien siehe lingonen 98 cappadocia linz 249 karpaten 251 lippe 50, 53 karpen 253 livia 63, 69 f. karrhai 221, 257 f., 261 livilla 68 karthago 239, 267 livius 131, 174 kasion (keldağ) 137 lollius, marcus 45 kassel 109 londinium/london 82 kaukasus 85 f., 193 longos 177 kelten 190 lorch an der rems 148 kerdīr 262 lucanus, marcus kilikien 18, 42, 126 f., 262 annaeus 84 kimbern 134, 195 lucilla augusta 199, kleinasien 33, 35, 42 f., 201 f., 207 125, 129, 139, 141, lugdunensis siehe Gallia 153, 158, 181, 210, lugdunum/lyon 58, 74, 212, 220, 255 f., 259, 78, 197, 205, 213 266 lukian von Samosata 177 kniva 253 f. lusitania 92 köln siehe colonia lusius Quietus 132 claudia ara agrippilykabettos 137 nensium lykien 78 f. konstantin 130, 281 kostoboken 195 macedonia/makedonien ktesiphon 123, 187, 215, 21, 26, 58, 220 257 macrinus, marcus kyzikos 137 opellius 222–224, 233 langobarden 193 maeatae/maeaten 217 f. langres 98 mähren 52, 111, 116 laodikeia (Syrien) 212 main 77, 148, 246, 249 latium 105, 168 mamertinus 242 lech 249 marbod 53 lentienses 248 marcia 206 léon 50 marcian 231
302 Register marciana 127 marcianopolis 253 marcius turbo, Quintus 129 marcomannia 196 marcus antonius 11, 61 marcus aurelius antoninus (marc aurel) 143, 164, 184–186, 188–199, 201, 205–208, 213, 227, 234, 270 marius maximus 207 markomannen 52 f., 111, 116 f., 188, 190, 192, 195, 196, 198, 200 marokko 76, 242, 269 marsi/marser 53, 75 matidia 126, 127 mauren 268 f., 275 mauretania/mauretanien 76, 78 f., 129, 130 – mauretania tingitana 269 maximus 239 maximinus thrax 228, 234, 238–241, 249 melitene 100 mesopotamia/mesopotamien 123 f., 129, 136, 188, 215, 257–259, 261, 265 messalina 73 f. miltenberg 148, 248 misiche 258 moesia inferior 129, 209, 253, 254 moesia superior 118 moguntiacum/mainz 48, 51, 77, 109, 228, 238, 245 musulami 76 naab 246, 249 nabatäer 141 nafudwüste 44
naissus/niš (Serbien) 256 napata 43 f. naqsh-i rustam 259, 261 narbonensis siehe Gallia narcissus (ab epistulis) 73 narcissus (athlet) 206 narnia (Umbrien) 111 neapel 105 neckar 100 nemausus/nîmes 137, 145 neocaesarea (pontus) 255 nero iulius caesar 63, 65 f. nero (lucius Domitius ahenobarbus) 74 f., 80–93, 100, 102 f., 105, 113, 122, 138, 162, 173 nerva, marcus cocceius 111–117, 126, 150 neuss 46, 51 niedergermanien siehe Germania inferior nikomedia 57, 212, 220 nisibis 123, 188, 215, 257 f. nola 55 noricum 26, 190 norwich 82 noviomagus/nijmegen 46–48, 50 f. numidia/numidien 91, 269 nybgenii 76 nymphidius Sabinus 91 oberaden 50 obergermanien siehe Germania superior obier 193 octavius, Gaius siehe augustus odainathos 260, 262, 265 f.
olt 118 opellius macrinus, marcus siehe macrinus opitergium/oderzo 195 osrhoëne 129, 188, 212, 221 osterburken 248 ostia 73 ostrogothen 252 otho, marcus Salvius 92–95 ovid 174 pacatianus 253 padus/po 157 pallas 73 palmyra 260, 263–267 pamphylien 42 pannonien 42, 52, 143, 190, 240 – pannonia superior/ oberpannonien 193, 209 papinian 173, 231 parthamasiris 122 parthamaspates 123, 129 parthenius, tiberius claudius 113–115 parther 27, 44 f., 53, 82, 122–125, 128, 139, 187, 215, 220, 223, 257 f., 264, 270 paulus 180, 182 pausanias 177 f. pergamon 57, 158 perinthus 213 perser 227 f., 242, 245, 256, 258, 260, 262 f., 265, 275, 282 persis (fars) 215, 256, 261 persius flaccus, aules 175 pertinax, publius Helvius 201, 206–209, 211, 213, 227
Register 303 pescennius niger, lucius 210–212 petronius, publius 86 petronius niger, titus 84, 175 petronius Secundus, titus 113–115 petillius cerialis, Quintus 98, 101 peuci 255 philippopolis/plovdiv 253 f. philippus, marcus iulius 253, 258, 278 philostrat von lemnos 177 phraates iV. 44 f. phraates V. 45 phrygia 197 pisa 60 pisidien 42 plinius Secundus, Gaius 111 f., 115, 118, 175 plotina 126–128, 137 plutarch 176 pompei 105 pompeiopolis 262 pompeius 18, 23 pompeius trogus 131 postumus, marcus cassianus latinius 243–245, 261 prasutagus 81, 82 primus, marcus 21 f. probus 168, 250 f. propontis 137 ptolemaeus 78 publicius certus 112 publilius celsus, lucius 132 pupienus maximus, marcus clodius 240 f. Quadi/Quaden 111, 116 f., 149, 190, 195 f., 198–200
Quietus, titus fulvius 261, 263 Quintilius condianus 202 Quintilius maximus 202 Quinquegentanei 268 f.
Samaria 88 Samos 26, 44 Sarmaten 197, 199 Sasaniden 227, 256 f., 259, 262, 264, 267, 270, 275 Satala 100 rabbell ii. 122 Schottland 101, 217 raetien 245, 250 Schwarzes meer 79, 190, reate/rieti 104, 107 192, 251 f., 254 f., 265, remagen 46 271 rhandeia 82, 186 Seianus, lucius aelius 63, rhein 40, 46–51, 56, 66 f. 75–77, 89, 97 f., 101, Seleukia 123, 187 f., 205 110 f., 115–118, 134 f., Seleukia piereia 259 148, 217, 219, 228, Selinus 125 f., 128, 132 238, 267, 271 f. Semnonen 196, 249 rhesaina 257 f. Seneca, lucius annaeus rom 11, 19, 21–23, 72, 80–82, 84 25–28, 32, 35, 37, Septimius bassianus siehe 43–45, 49, 52, 55 f., caracalla 58 f., 61–64, 66, 69, 71, Septimius Geta, publius 75, 77, 82–85, 89–94, siehe Geta 96, 104 f., 109, Septimius Severus, lucius 114–118, 128, 132, 157, 209–218, 223, 137 f., 143, 151, 229, 231–234, 241 156–158, 160, 162, Šhābuhr 257–262, 264, 165, 168 f., 171–173, 275 175, 178, 184, 187 f., Sieg 51 194, 199, 202–204, Silius, Gaius 73 209, 211, 213, 216, Silvanus 244 218 f., 222, 225, 228 f., Sirmium 198 232, 239–243, 249, Sizilien 153, 246 251, 253, 279 Skiren 252 rottweil siehe arae Soest 51 flaviae Solway 136, 147, 149 roxolani/roxolanen 129, Spanien 18, 23, 33, 35, 190, 251 36, 41 f., 46, 50, 91, 127, 138 f., 155, 243, Sahara 133 f., 150, 154, 245 216, 267, 271 – Hispania baetica Salassi 41 115, 137 Salerno 105 – Hispania tarraconenSallust 131 sis 89 Salvius otho, marcus Stabiae 105 siehe otho Straßburg 51, 100
304 Register Sueben 101, 116, 188, 199, 248 Sueton 28, 66–70, 72, 88, 90, 101 f., 104, 106, 108, 174 Sugambrer 47 f., 135 Sulpicius Galba, Servius siehe Galba Sutorius macro 64 Syme, ronald 57 Syria/Syrien 18, 58, 62, 86 f., 95, 100, 114, 116, 128 f., 153, 187 f., 196, 210, 223, 242, 253, 257, 259 f., 263 f., 266 – Syria palaestina 142 f. – Syria phoinike 266 tacapitani 76 tacfarinas 76 tacitus, marcus claudius 256 tacitus, publius (?) cornelius 9, 31 f., 40, 52, 56, 64, 72 f., 76 f., 80 f., 84, 90, 98, 101, 106, 108, 112, 115, 131, 174–176 tadmor 264 tapae 118 tarraco/tarragona 137 tarsos 176, 180 taubertal 248 tencterer 47 terwingen 252 tetricus 246 teutoburgischer Wald 52, 75 teutonen 134 theiß 111, 193, 195 thrakien 79 f. thusnelda 75 thysdrus 239 tiberius Gemellus 64, 65 tiberius iulius caesar 40,
42, 48, 53–57, 59, 61–67, 70, 74–77, 88 tiflis 100 tigidius perennis 202 f. tigris 123, 187, 258 timesitheus 257 tiridates 81 f., 122 tongeren 46 totes meer 141 f. traianus, marcus Ulpius 100, 111, 115–119, 121–130, 132–134, 138–140, 150, 171, 174, 179, 182, 188, 258 trebonianus Gallus 254 trenčin (Slowakei) 195 treverer 98 trier 98, 245 tullius menophilus 253 f. tunesien 76 turnu Severin 118 turranius Gracilis, Gaius 170 tuttlingen 100 tyne 136, 147, 149 Ubier 46 Ulpian 173, 231 Ulpius traianus iunior, marcus siehe traianus Ulpius traianus senior, marcus 100, 104 Uranius antoninus 259 f. Valerianus 260–263, 265, 281 Vandalen 250 Venta icenorum 82 Vergil 174 Verginius rufus, lucius 89 f., 92 Verus, lucius aurelius 184, 186–188, 190, 194, 199, 201, 205 Vesier 252
Vesontio/besançon 89 Vespasianus, titus flavius 88, 95 f., 98 f., 101–104, 107, 114, 145, 163 Vesuv 105, 107 Vibia Sabina 127 Vindex, Gaius iulius 88–91 Vindobona 198 Vienna/Vienne 197 Vipsanius agrippa, marcus siehe agrippa Vitellius, aulus 92–94, 96, 98, 117 Vitellius, lucius 103 Vologaises i. 80–82 Vologaises iii . 129 Vologaises iV. 186–188 Vologaises V. 210, 212, 215, 220 Vologaises Vi. 220 Wadi nahal Hever 142 Wahballāt/Vaballathus 266 Waldgirmes 50 f. Walldürn 148 Wales 101 Weichsel 192, 251, 271 Welzheim 148 Weser 242 Wetterau 228 Wiesehöfer, Josef 263 Xanten siehe castra Vetera Xanthos 79 Xiphilinos siehe Johannes Xiphilinos zanker, paul 34 zenobia bat-zabbai, Septimia 266 zosimos 250, 260, 266 zypern 18, 26, 123–125
Zum Buch Die besondere Stellung des neuen Herrn im römischen Staat, den der Senat mit dem Ehrennamen Augustus ausgezeichnet hatte, beruhte auf Ausnahmegewalten. Sie waren ihm im Jahr 27 v.Chr. höchstpersönlich zuerkannt worden und hätten eigentlich nach zehn Jahren erlöschen sollen. Tatsächlich wurden diese Sondervollmachten immer wieder verlängert und blieben bis an sein Lebensende in Kraft. Augustus nutzte sie, um ein schlagkräftiges Berufsheer aufzubauen, das auf ihn als seinen Oberbefehlshaber eingeschworen war. Diese professionelle Armee, die Augustus als sein persönli-ches Machtinstrument konzipiert hatte, entwickelte nach dem Tod ihres Schöpfers politisches Eigengewicht und bestimmte fortan maßgeblich die Geschicke des Imperiums. In letzter Instanz bestimmten die Soldaten, wer über das Reich als Imperator herrschen sollte. Der römische Staat wurde zu einem vom Militär dominierten Kaiserreich.
Über den Autor Armin Eich, Professor für Alte Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal, bietet einen ebenso kompetenten wie fesselnden Überblick über die Entstehung des Kaisertums, die Bedeutung der Legionen und die wichtigen Weg- und Wendemarken der römischen Geschichte von den Tagen Augustus bis zum Ende der Soldatenkaiser (285 n. Chr.).