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German Pages 376 Year 2016
Dae Sung Jung Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Histoire | Band 85
Dae Sung Jung promovierte an der Universität Bielefeld im Fach Geschichte. Er lehrt westliche Zeitgeschichte (Schwerpunkt Europa und USA) an der Universität Pusan in Südkorea. Seine Forschungsschwerpunkte sind die globalen 68erBewegungen, Filmgeschichte und die Geschichte der Rock- und Popmusik.
Dae Sung Jung
Der Kampf gegen das Presse-Imperium Die Anti-Springer-Kampagne der 68er-Bewegung
Gedruckt mit Unterstützung der KHK Stiftung – Kim Hee-Kyung Scholarship Foundation for European Humanities – in Seoul
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Inhalt Einleitung | 9 Fragestellung | 18 Theoretischer Hintergrund | 19 Forschungs- und Quellenlage | 24 Aufbau der Arbeit | 31
I V orgeschichte der A nti -S pringer -K ampagne | 35 1. Zum theoretischen Hintergrund der Kampagne | 37 Die Manipulationsthese und die Kulturkritik der Frankfurter Schule | 39 Der »Strukturwandel der Öffentlichkeit« von Jürgen Habermas | 41
2. Die Spiegel-Affäre: Vorspiel der Kampagne und der 68er-Bewegung | 47 Die Regierungskrise | 48 Die Mobilisierung der Öffentlichkeit | 52 Der Umgang der Springer-Presse mit der Spiegel-Affäre | 57 3. Eine kurze Geschichte des Axel Springer Verlags | 61 4. Das Aufkommen der Kritik am Axel Springer Verlag | 71
II E ntstehung und V erl auf der A nti -S pringer -K ampagne | 83 1. Vor der Kampagne: Berliner Ereignisse | 87 Die »Anti-Tschombé-Demonstration« im Dezember 1964 | 88 Die Kuby-Krippendorff-Affäre im Sommersemester des Jahres 1965 | 92 Der Aufruf »Frieden für Vietnam« und die Springer-Presse im Sommer 1965 | 95 Das ›Pudding-Attentat‹ auf den US-Vizepräsidenten Humphrey im April 1967 | 97
2. Der Tod von Benno Ohnesorg: Auslöser der Kampagne und der Mobilisierung der 68er-Bewegung | 103 Der Auftakt zur Anti-Springer-Kampagne | 103 Die Anti-Schah-Demonstrationen und der Tod des Studenten Benno Ohnesorg | 106 Die Reaktion der politischen Führung Westberlins und die Mobilisierung der 68er-Bewegung | 115 Die Reaktionen der Springer-Presse auf die Ereignisse des 2. Juni und der Start der Anti-Springer-Kampagne der Studentenbewegung sowie der APO | 125 3. Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967 | 133 Die Entwicklung der Anti-Springer-Kampagne | 135 Die Entwicklung der publizistischen Kritik am Springer-Verlag | 146 Die Reaktionen des Axel Springer Verlags auf die Anti-Springer-Kampagne | 148 4. Die Eskalation der Kampagne bis Ende des Jahres 1967 | 155 Die 22. DK des SDS im September 1967 und die Anti-Springer-Kampagne | 156 Die Intensivierung der Kritik am Springer-Konzern und die Offenbacher Konferenz | 160 Die Anti-Springer-Resolution der Gruppe 47 und die Anti-Springer-Aktionen auf der Frankfurter Buchmesse | 166 Die Eskalation der Anti-Springer-Kampagne | 171 Das Engagement der KfA für die Anti-Springer-Kampagne | 183 Die Eskalation der publizistischen Kritik am Springer-Verlag | 189 Die Reaktionen des Axel Springer Verlags auf die Anti-Springer-Kampagne | 192 5. Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing | 201 Zur Vorgeschichte des Springer-Tribunals | 204 Die »Molotow-Veranstaltung« am 1. Februar 1968 und ihre Folgen | 209 Die Eröffnung des Springer-Hearings, seine Vertagung und die Folgen | 218 Die Reaktionen des Axel Springer Verlags auf die Anti-Springer-Kampagne | 225 Nach dem Scheitern: Der Konflikt innerhalb des SDS und seine Rückzugserklärung aus der Anti-Springer-Kampagne | 229 Exkurs: »Enteignet Springer!«? – Über die ›symbolische‹ Parole der Anti-Springer-Kampagne | 235
6. Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«: von der Aufklärung zur Aktion | 237 Das Attentat auf Rudi Dutschke | 238 Die Reaktionen der APO auf den Springer-Konzern am 11. April 1968 | 242 Die Anti-Springer-Aktionen am 12. April 1968 | 251 Die Anti-Springer-Aktionen am 13. und 14. April 1968 | 258 Die Anti-Springer-Aktionen am Ostermontag, dem 15. April 1968 | 262 Die Anti-Springer-Solidarität der Intellektuellen und Akademiker | 267 Die Anti-Springer-Solidarität im Ausland | 271 Die Reaktionen des Axel Springer Verlags auf die Springer-Blockade | 276
III N iedergang und A uswirkung der A nti -S pringer -K ampagne | 285 1. Der Niedergang der Kampagne und die Demobilisierung der 68er-Bewegung | 289 2. Die Auswirkung: Das Ende der Expansionsstrategie Springers | 297 3. Schluss | 305 Anhang | 317 Abkürzungen | 317 Archivalien | 318 Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichtenmagazine | 328 Dokumentarfilme, Hörbücher | 338 Onlinepublikationen | 338 Veröffentlichte Primärtexte und Quellensammlungen | 340 Sekundärliteratur | 347 Dank | 371
Einleitung
»Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massen medien.«1 N iklas L uhmann , 1995 »There have only been two world revolutions. One took place in 1848. The second took place in 1968. Both were historic failures. Both transformed the world.« 2 G iovanni A rrighi / Terence K. H opkins / I mmanuel Waller stein , 1989
Es gibt wohl kaum einen Gegenstand, der solch heftige Kontroversen hervorruft wie die Ereignisse um das Jahr 1968 herum. Der Deutungskampf um ›68‹ wird in Deutschland mit Vehemenz ausgetragen. 1968 – das ist für die einen der »Durchbruch der demokratischen Zivilgesellschaft«.3 Die 68er-Bewegung, erklärt etwa der ehemalige 68er und grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin, habe eine kulturelle Liberalisierung und eine erste politische Demokratisierung der »erstickte[n] Gesellschaft« der Bundesrepublik bewirkt.4 ›68‹ habe mit »seiner weltweiten demokratischen Ausstrahlung« einen »Grundstein für
1 | Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien, Wiesbaden 32004, S. 9. 2 | Arrighi, Giovanni / H opkins, Terence K. / Wallerstein, Immanuel: Anti-Systemic Mo vements, London 1989, S. 97, Herv. i. O. 3 | Frese, Matthias / P aulus, Julia: »Geschwindigkeit und Faktoren des Wandels – die 1960er Jahre in der Bundesrepublik«, in: dies. / K arl Teppe (Hg.), Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. Die sechziger Jahre als Wendezeit der Bundesrepublik, Pa derborn 2005, S. 1-23, hier S. 1. 4 | Trittin, Jürgen, zit. n. Dworok, Gerrit / Weißmann, Christoph (Hg.): 1968 und die 68er: Ereignisse, Wirkungen und Kontroversen in der Bundesrepublik, Wien / K öln / Wei mar 2013, S. 12.
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das Jahr 1989« gelegt.5 Andererseits werden die 68er als »deutsche Spätausläufer des Totalitarismus«6 mit einem »totalen Willen zur Destruktion« 7 diskreditiert. Der ehemalige CDU-Bundesfamilienminister Bruno Heck behauptet, die »Rebellion von 1968« habe »mehr Werte zerstört als das Dritte Reich« 8, und schreibt damit alle Probleme – vom Autoritätsverfall in Gesellschaft und Staat über den Leistungsfall in den Schulen bis hin zum Schwinden eines Bildungskanons und zur Entstehung des RAF-Terrorismus – der 68er-Bewegung zu. Trotz aller heftigen Kontroversen kann man festhalten, so der Historiker Norbert Frei: »Nach ›68‹ war fast nichts mehr so wie vorher. Und in diesem Sinne war ›68‹ überall.«9 Die 68er-Bewegung war ein facettenreiches Phänomen. Im Zuge von 1968 bildeten sich Kommunen und veränderten sich Lebensstile. Das Jahr veränderte das Fernsehen, das Theater, den Film und auch die Musik. 2003 erschien das Buch des amerikanischen Autors und Journalisten Mark Kurlansky 1968: The Year That Rocked the World.10 Das Jahr »rockte« die Welt der Musik. 1968 sangen die Beatles in ihrem Song »Revolution 1«: »We All Want to Change the World«. Im März 1968 schrieb Mick Jagger nach einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg das Stück »Street Fighting Man« – ein Lied, das bis heute zu den berühmtesten Protestsongs zählt. Auf vielen Demonstrationen vereinte »We Shall Overcome«, ein musikalisches Symbol der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, tausende Demonstrierende. Die Protestbewegung verknüpfte Musik und Protest und brachte auf diese Weise Songs hervor, die wiederum Proteste und Protestierende ermutigten. »The Times They Are A-Changin’«, wie Bob Dylan sang – es war die Zeit, in der alles möglich zu sein schien, eine Zeit, in der die Parole der 68er-Bewegung lautete: »Die Phantasie an die Macht!« und: »Unter dem Pflaster liegt der Strand!« »Inspiriert durch eine intellektuelle Nouvelle Gauche, New Left, Nuova Sinistra oder Neue Linke, ist die 68er-Bewegung die bislang letzte Protestbewegung gewesen, die über einen Gegenentwurf zur bestehenden Gesellschafts-, 5 | Lucke, Albrecht von: 68 oder neues Biedermeier. Der Kampf um die Deutungsmacht, Berlin 2008, S. 81. 6 | Aly, Götz: Unser Kampf. 1968 – Ein irritierter Blick zurück, Frankfurt a. M. 2008, S. 8. 7 | Hildebrand, Klaus: Von Erhard zur Großen Koalition 1963-1969 (= Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in 5 Bänden, hg. von Karl Dietrich Bracher / T heodor Eschenburg / J oachim C. Fest / E berhard Jäckel, Band 4), Stuttgart 1984, S. 366. 8 | Heck, Bruno, zit. n. Kersting, Franz-Werner: »›Unruhediskurs‹. Zeitgenössische Deu tungen der 68er-Bewegung«, in: Frese / P aulus / Teppe (Hg.), Demokratisierung und ge sellschaftlicher Aufbruch (2005), S. 715-740, hier S. 717. 9 | Frei, Norbert: 1968. Jugendrevolte und globaler Protest, München 2008, S. 228. 10 | Kurlansky, Mark: 1968: The Year That Rocked the World, New York 2004.
Einleitung
Wirtschafts- und Herrschaftsordnung verfügte«, so die Historikerin Ingrid Gilcher-Holtey im Vorwort zur koreanischen Übersetzung ihrer Studie 1968 – Eine Zeitreise.11 Das Besondere der 68er-Bewegung stellte für den Historiker Eric Hobsbawm »das globale Ausmaß« der Bewegung dar, die sich bis in die Tschechoslowakei und Jugoslawien erstreckte,12 obgleich sie 1968 in den USA, Frankreich, Italien und der Bundesrepublik Deutschland kulminierte. Die 68er-Bewegung, die sich »vom Westen in den Osten, vom Norden in den Süden und umgekehrt«13 ausbreitete und »mit dem Pariser Mai und dem Prager Frühling ihre Höhepunkte«14 erreichte, war die erste globale Bewegung des 20. Jahrhunderts.15 Sie ist, als »World Revolution« betrachtet, vom Sozialwissenschaftler und Sozialhistoriker Immanuel Wallerstein mit der Revolution von 1848 verglichen worden.16 Beeindruckt von der weltweit eskalierenden Protestbewegung schrieb die Philosophin Hannah Arendt schon im Juni 1968 an Karl Jaspers: »Mir scheint, die Kinder des nächsten Jahrhunderts werden das Jahr 1968 mal so lernen wie wir das Jahr 1848.«17
11 | Gilcher-Holtey, Ingrid: »›Seomoon‹« (›서문‹ [Vorwort]), in: dies., 68 Hyukmyung, Segerl Duyhundun Sangsanglyuk (잉그리트 길혀홀타이 지음, 『68혁명, 세계를 뒤흔든 상 상력』, 정대성 옮김), Changbi 2009 (zuerst: 1968: Eine Zeitreise, Frankfurt a. M. 2008), S. 7. Sofern nicht anders angegeben, stammen die Übersetzungen fremdsprachiger Zi tate vom Autor. 12 | Hobsbawm, Eric: Zwischenwelten und Übergangszeiten: Interventionen und Wort meldungen (hg. von Friedrich-Martin Balzer / G eorg Fülberth), zweite, durchgesehene Auflage, Köln 2010, S. 197. 13 | Della Porta, Donatella: »›1968‹ – Zwischennationale Diffusion und Transnationale Strukturen: Eine Forschungsagenda«, in: Ingrid Gilcher-Holtey (Hg.), 1968 – Vom Er eignis zum Mythos, Frankfurt a. M. 2008 (Orginalausgabe: 1968 – Vom Ereignis zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft, 1998), S. 173-198, hier S. 173. 14 | Ebbinghaus, Angelika / L inden, Marcel van der: »1968 – Ein Blick auf die Protest bewegungen 40 Jahre danach aus globaler Perspektive«, in: Angelika Ebbinghaus / M ax Henninger / M arcel van der Linden (Hg.), 1968 – Ein Blick auf die Protestbewegungen 40 Jahre danach aus globaler Perspektive, Wien 2009, S. 7-20, hier S. 8. 15 | Vgl. Kastner, Jens / M ayer, David (Hg.): Weltwende 1968? Ein Jahr aus globalge schichtlicher Perspektive, Wien 2008. 16 | Vgl. Wallerstein, Immanuel: World-Systems Analysis: An Introduction, Durham 2004; ders.: The End of the World As We Know It: Social Science for the Twenty-first Century, Minneapolis 1999; ders.: Utopistics: Or Historical Choices of the Twenty-first Century. New York 1998. »[T]he world revolution of 1968 […] played a role comparable to that of 1848 in terms of its impact on the geoculture.« Ebd., S. 28. 17 | Arendt, Hannah / Jaspers, Karl: Briefwechsel 1926-1969, hg. von Lotte Köh ler / H ans Saner, München 1985, S. 715 f.
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Auch wenn die 68er-Bewegung für eine »Weltrevolution« gehalten wurde, verdichteten sich die Ereignisse vor allem in Westeuropa und den USA. In Frankreich, wo innerhalb eines Monats die Studentenproteste in einen Generalstreik mündeten, solidarisierte sich die Studentenbewegung mit der Arbeiterbewegung. Auf dem Höhepunkt der Proteste und Demonstrationen kam es im Mai 1968 zum Generalstreik, an dem sich ca. 7,5 bis neun Millionen Arbeiter beteiligten. Präsident de Gaulle ging von einem Machtverlust aus und verließ sein Land am 29. Mai mit dem Hubschrauber nach Baden-Baden.18 In den USA verbanden sich die Studentenproteste mit der Bürgerrechtsbewegung und den Antivietnamkriegsprotesten,19 während in Italien nach dem im Februar und März 1968 erreichten Mobilisierungshöhepunkt der Studentenbewegung die Arbeiterschaft ins Zentrum des Protestes rückte.20 Auch in der Bundesrepublik kam es im April und Mai 1968 zur bis dahin größten Massenmobilisierung in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Nachdem während der Ostertage mit den vom Attentat auf Rudi Dutschke ausgelösten heftigen Demonstrationen gegen den Springer-Verlag die Protestbewegung etwa 100.000 Menschen mobilisiert hatte, zogen im Mai 60.000 Demonstranten21 in einem Sternmarsch nach Bonn. In der Bundesrepublik waren die sogenannte Springer-Blockade 18 | Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: »Die Phantasie an die Macht«. Mai 68 in Frankreich, Frankfurt a. M. 1995. Zur 68er-Bewegung in Frankreich vgl. auch Baer, Willi / D ellwo, Karl-Heinz (Hg.): Paris Mai 68. Die Phantasie an die Macht, Hamburg 2011; Seidman, Michael: The Imaginary Revolution: Parisian Students and Workers in 1968, New York 2004; Horn, Gerd-Rainer: The Spirit of ’68: Rebellion in Western Europe and North Ame rica, 1956-1967, Oxford 2007, S. 100-111. 19 | Vgl. Klimke, Martin: The Other Alliance: Student Protest in West Germany and the United States in the Global Sixties, Princeton 2010; Schmidtke, Michael: Der Auf bruch der jungen Intelligenz. Die 68er Jahre in der Bundesrepublik und den USA, Frank furt a. M. / N ew York 2003. 20 | Vgl. Tolomelli, Marcia: »Repressiv getrennt« oder »organisch verbündet«. Studen ten und Arbeiter 1968 in der Bundesrepublik Deutschland und Italien, Opladen 2001; dies.: »1968. Formen der Interaktion zwischen Studenten- und Arbeiterbewegung in Italien und der Bundesrepublik«, in: Gilcher-Holtey (Hg.), 1968 – Vom Ereignis (2008), S. 109-132; dies.: »Studenten und Arbeiter 1968 in Italien«, in: Bernd Gehrke / G erdRainer Horn (Hg.), 1968 und die Arbeiter. Studien zum »proletarischen Mai« in Europa, Hamburg 2007, S. 295-313. Zur 68er-Bewegung in Italien vgl. auch Kurz, Jan: »Die ita lienische Studentenbewegung 1966-1968«, in: Gilcher-Holtey (Hg.), 1968 – Vom Ereig nis (2008), S. 85-107; ders., Die Universität auf der Piazza: Entstehung und Zerfall der Studentenbewegung in Italien 1966-1968, Köln 2001; Hilwig, Stuart J.: Italy and 1968. Youthful Unrest and Democratic Culture, New York 2009. 21 | Sofern nicht anders gekennzeichnet, ist mit Nennung der männlichen Funktionsbe zeichnungen stets auch die weibliche Form mitgemeint.
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und der Sternmarsch die Höhepunkte der 68er-Bewegung, die schon Ende Mai 1968 Auflösungserscheinungen zeigte.22 Schlussendlich bewährte sich überall die repräsentative Demokratie. Die »Stabilität des Institutionensystems der westlichen Demokratien« wehrte die Herausforderung der 68er-Bewegung ab, die eine über politische Grenzen weit hinausgehende Krise verursacht hatte.23 Handelt es sich bei der 68er-Bewegung, die 2012 erneut in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit rückte, als enthüllt wurde, dass die Berliner Polizei den gezielten Schuss auf Benno Ohnesorg vom Juni 1967 zu vertuschen versucht hatte,24 um die »revolutionäre[n] Hirngespinste, mit denen letztlich reale Reformchancen verspielt« wurden, wie der Historiker Bernd Sösemann bemerkt?25 Oder stellte, wie Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild-Zeitung bis 2015 und Gesamtherausgeber der Bild-Gruppe, 2007 behauptete, die 68erBewegung den »Epochenbruch der deutschen Gesellschaft in Richtung Egozentrik, Mittelmaß und Faulheit« dar? Sind die 68er sowohl politisch als auch ästhetisch und moralisch gescheitert?26 Erfuhr die Zäsur von 1968, so der Historiker Hans-Ulrich Wehler, eine »grandiose Überschätzung«?27 Wie im Folgenden gezeigt werden soll, lassen sich diese Einschätzungen in mehrfacher Hinsicht widerlegen. In seiner Antrittsrede als Bundespräsident im März 2012 würdigte Joachim Gauck die Leistung der 68er, als er sie für ihre Verdienste um die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit lobte. Durch ihren Kampf gegen die Verdrängung der Naziverbrechen hätten, so Gauck, die 68er die »historische Schuld ins kollektive Bewusstsein gerückt«.28 Die 68er-Bewegung habe, so der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einer Rede 22 | Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: Die 68er Bewegung. Deutschland – Westeuropa – USA, München 42008; Wolfrum, Edgar: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesre publik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Bonn 2007, S. 261 ff. 23 | Vgl. I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 126, zit. n. ebd. 24 | Vgl. Dahlkamp, Jürgen / R öbel, Sven / S ontheimer, Michael / S oukup, Uwe / S tark, Holger / Wensierski, Peter: »Zeitgeschichte. Aus kurzer Distanz«, in: Der Spiegel vom 23. Januar 2012, S. 36-45. 25 | Sösemann, Bernd: »Die 68er-Bewegung und die Massenmedien«, in: Jürgen Wilke (Hg.), Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Köln / Weimar / W ien 1999, S. 672-697, hier S. 692. 26 | Diekmann, Kai: Der große Selbst-Betrug. Wie wir um unsere Zukunft gebracht wer den, München 2007, S. 13 und vgl. S. 251 ff. 27 | Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949-1990, Bonn 2009, S. 310 f. 28 | Internetseite des Bundespräsidenten, in: http://www.bundespraesident.de/ SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2012/03/120323-Vereidigung-desBundespraesidenten.html vom 20. Januar 2016.
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zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, »zu einer Vertiefung des demokratischen Engagements in der Gesellschaft« beigetragen.29 In der geschichtswissenschaftlichen Forschung wird die Bewegung als »ein historisches Phänomen« beschrieben, das »einen bedeutsamen Einschnitt in der Nachkriegsgeschichte« markiere.30 In ihrem Zuge veränderte sich die Gesellschaft der Bundesrepublik und vor allem das, »was man […] die ›Nachkriegszeit‹ nennt, kam zu einem Ende«.31 Auch gemessen an der konkreten politischen Entwicklung kann man den Einfluss und die Wirkung der 68er-Bewegung erfassen. Mit ihrem Zerfall bewegte sich ihr größter Teil zur SPD hin. Die Protestbewegung spielte eine wichtige Rolle für die Bildung der sozialliberalen Koalition 1969 mit Willy Brandt als Kanzler an ihrer Spitze und trug zur demokratischen Vitalisierung der politischen Arena der Bundesrepublik bei. Brandt stellte 1977 rückblickend die rhetorische Frage, wo »unsere Gesellschaft, unser Staat« stehen würden, wenn die SPD derzeit »nicht mutig genug gewesen wäre, die ›Generation der Unrast‹ von 1968 in ihre Reihen, in ihre Debatten aufzunehmen«.32 Der Beitrag, den die 68er-Bewegung zur Demokratisierung der Bundesrepublik leistete, spiegelte sich in der Regierungserklärung der sozialliberalen Koalition wider, in der Brandt appellierte: »Mehr Demokratie wagen«. Dementsprechend stellt Gilcher-Holtey fest, dass »die Mobilisierung der Außerparlamentarischen Opposition und deren Kritik an der Großen Koalition als Kontextbedingungen des Machtwechsels in Bonn den Wahlsieg der sozialliberalen Koalition mitbedingten«.33 Die Kräfte für mehr Demokratie und die Reformpolitik, die die Regierungszeit Brandts prägten, gingen auch auf die 68er-Bewegung zurück. Der Journalist Rainer Bieling beschreibt die Funktion der Bewegung: »Die Gesellschaft kapitulierte vor dem revolutionären Entwurf der Außerparlamentari schen Opposition, indem sie ihn pragmatisch zur Gesellschaftsreform ummünzte. Die
29 | Zit. n. Bude, Heinz: Das Altern einer Generation: Die Jahrgänge 1938-1948, Frank furt a. M. 1997, S. 21. 30 | Gilcher-Holtey, Ingrid: »Prolog: 1968 – Vom Ereignis zum Gegenstand der Ge schichtswissenschaft«, in: dies. (Hg.), 1968 – Vom Ereignis (2008), S. 7-12, hier S. 7. 31 | Dies.: »Der kritische Moment. Deutschland, Frankreich und die Rebellion des Mai 1968«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Mai 1998, S. 3. 32 | Zit. n. Baring, Arnulf: Machtwechsel: Die Ära Brandt-Scheel, Stuttgart 1982, S. 90. 33 | I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 116. Auch der Historiker Wolfgang Kraus haar konstatiert, dass die 68er-Bewegung »zu einer parlamentarischen Mehrheit für die Bildung einer sozialliberalen Koalition maßgeblich beigetragen und auf diese Weise innen- wie außenpolitisch eine reformorientierte Politik ermöglicht« habe. Ders.: Acht undsechzig. Eine Bilanz, Berlin 2008, S. 286.
Einleitung Protestbewegung hatte den Grundstein zur Demokratisierung der Buchstabendemokra tie gelegt, die sozialliberalen Wähler bauten ein komfortables Gemeinwesen darauf.« 34
Als einen Beitrag der 68er-Bewegung für die Entwicklung der Bundesrepublik nennen Brand, Büsser und Rucht auch eine »im kulturrevolutionären Sinne modernisierende Funktion«. Der gegenkulturelle und politische Protest brach »hierarchisch-autoritär[e] Strukturen und traditionell geprägt[e] Orientierungs- und Verhaltensmuster« auf.35 Die 68er-Bewegung bewirkte eine »erhöhte soziale Durchlässigkeit, [eine] verstärkte Integration der Frauen ins Berufsleben, [den] Abbau patriarchalisch-autoritärer Sozialisations- und Herrschaftsstrukturen« in Betrieben, Schulen und Familien. Auf subjektiver Ebene kam es zu einer »Liberalisierung der Sexualmoral« sowie einer »Auflösung asketischer pflicht- und arbeitsorientierter Wertmuster«.36 Die Protestbewegung trug, so der Historiker Axel Schildt, zu einer »dynamischen Modernisierung« der Bundesrepublik und ihrer »politischen Kultur« bei,37 zu einer »Fundamentalliberalisierung«38 der westdeutschen Gesellschaft. Diese Fundamentalliberalisierung verweise, so Jürgen Habermas, auf den »neuen Individualismus der Lebensstile, die sich an libertären Vorbildern orientieren, auch [auf] die neuen Formen autonomer Öffentlichkeit, in denen die Grenzen zwischen Demonstration und zivilem Ungehorsam, zwischen Diskussion, Festival und expressiver Selbstdarstellung verschwimmen«. Habermas sieht in all dem eine »Langzeitwirkung« der 68er-Bewegung.39 Diese war, so seine These, »für die politische Kultur der Bundesrepublik ein Einschnitt, in den heilsamen Folgen nur übertroffen von der Befreiung vom NS-Regime durch die Alliierten.« Er stellt fest: »Was 1945 für die Umwälzung unseres Verfassungszustandes bedeutet hat, bedeutet 1968 für einen aufgelockerten Zustand der politischen Kultur, für eine sich erst heute voll auswirkende Liberalisierung in den Lebens- und Umgangsformen. […] Ohne den da mals ausgelösten Einstellungsdruck hätten wir heute keine Grünen, keine scenes in den Großstädten, kein Bewußtsein davon, daß subkulturelle und ethnische Vielfalt unsere 34 | Bieling, Rainer: Die Tränen der Revolution. Die 68er zwanzig Jahre danach, Berlin 1988, S. 48. 35 | Brand, Karl-Werner / B üsser, Detlef / R ucht, Dieter: Aufbruch in eine andere Gesell schaft: Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik, Frankfurt a. M. 1986, S. 71 f. 36 | Ebd. 37 | Schildt, Axel: »Vor der Revolte: ›Die sechziger Jahre‹«, in: Aus Politik und Zeitge schichte B22-23 (2001), S. 7-13, hier S. 13. 38 | Habermas, Jürgen: »Interview mit Angelo Bolaffi«, in: ders., Die nachholende Re volution (= Kleine politische Schriften VII), Frankfurt a. M. 1990, S. 21-28, hier S. 26. 39 | Ebd.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium stromlinienförmige Kultur bereichert – wir hätten nicht das Maß an Urbanität, das sich allmählich herstellt, vermutlich hätten wir eine geringere Sensibilität der Regierenden gegenüber Stimmungslagen der Bevölkerung, vielleicht hätten wir in der CDU keinen sogenannten liberalen Flügel.« 40
Nach 1968 veränderten sich Lebensgefühl und Lebensstil nicht nur der Jugend und der Studenten, wie der Historiker Christoph Kleßmann sagt. Ohne die 68er-Bewegung wären die neuen sozialen Bewegungen, die Bürgerinitiativ-, Frauen-, Ökologie- und Antiatomkraftbewegungen der 70er Jahre kaum vorstellbar.41 Die 68er-Bewegung, die die Forschung als eine antiautoritäre Bewegung betrachtet und die als Voraussetzung einer ›anderen‹ Gesellschaft die Selbstbestimmung des Menschen betont habe, habe darüber hinaus in der Bundesrepublik »zur Überwindung obrigkeitsstaatlich orientierter, autoritärer Verhaltensdispositionen« beigetragen.42 In der Zeit um 1968 herum veränderten sich »Gesicht und Mentalität« der Bundesrepublik.43 Ein solcher »Mentalitätswandel«, ausgelöst unter Mitwirkung der 68er-Bewegung, ist, so Gilcher-Holtey, vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte als »eine politische und kulturelle Strukturveränderung« zu interpretieren.44 Die 68er-Bewegung in der Bundesrepublik war, wie es die Medienwissenschaftlerin Kathrin Fahlenbrach ausdrückt, im doppelten Sinne »eine Medienrevolte: eine Revolte gegen die Medien und eine Revolte mit den Medien«.45 Die Protestbewegung benutzte die Medien und wurde von ihnen benutzt. Sie attackierte die Medien und wurde von ihnen attackiert. Die Auseinandersetzun40 | Ebd., S. 28. 41 | Vgl. Kleßmann, Christoph: »1968 – Studentenrevolte oder Kulturrevolution?«, in: Manfred Hettling (Hg.), Revolution in Deutschland? 1789-1989, Göttingen 1991, S. 90105, hier S. 102. 42 | Gilcher-Holtey, Ingrid: »Protest, Revolte, Kulturrevolution? Die 68er-Bewegung«, in: Praxis Geschichte, 6 (2001), S. 8-13, hier S. 13. 43 | N. Frei: 1968, S. 228. 44 | I. Gilcher-Holtey: »Protest, Revolte, Kulturrevolution?«, S. 13. Die Veränderung oder »Zersetzung der herrschenden Alltagskultur« wird für das größte Verdienst der 68er-Bewegung gehalten. Brandes, Volkhard: Wie der Stein ins Rollen kam. Vom Auf bruch in die Revolte der sechziger Jahre, Frankfurt a. M. 1988, S. 194. 45 | Fahlenbrach, Kathrin: Protest-Inszenierungen. Visuelle Kommunikation und kol lektive Identitäten in Protestbewegungen, Wiesbaden 2002, S. 179, Herv. i. O. Stefan Aust schreibt ähnlich: »Die Revolte der 68er« war in wesentlichen Aspekten »eine Me dien-Revolte: mit den Medien, gegen die Medien, vor den Medien.« Ders.: »1968 und Medien«, in: Edmund Jacoby / G eorg M. Hafner (Hg.), 1968 – Bilderbuch einer Revolte, Frankfurt a. M. 1993, S. 81-96, hier S. 81.
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gen der 68er-Bewegung mit dem Verlag, der den westdeutschen Pressemarkt dominierte, war die Anti-Springer-Kampagne. Sie stellte ein besonderes Merkmal der 68er-Bewegung in Deutschland dar. Die Macht Springers schildert der amerikanische Historiker Stuart J. Hilwig: »Only in the Federal Republic did a conservative newspaper publisher have the will and power to counter the students’ rhetoric with his own interpretations of the German past, the Cold War, and the nature of postwar democracy.«46 Die Zeitungen des Verlags hatten in Westberlin und in Hamburg nahezu eine Monopolstellung und beherrschten den bundesrepublikanischen Pressemarkt zu fast einem Drittel.47 Ihnen wurde vorgeworfen, eine Hetzkampagne gegen die außerparlamentarische Opposition (APO) und die Studentenbewegung zu führen. Durch tendenziöse Berichterstattung würden sie in verfälschender Weise über die Proteste berichten und ihre Wortführer wie Rudi Dutschke als Staatsfeinde beschimpfen. Die Akteure des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) und der APO waren überzeugt, dass die SpringerPresse sie mit einer Hetz- und Diffamierungskampagne überzog. Diese habe, so die Protagonisten der Anti-Springer-Kampagne, nicht nur die Ziele der Protestbewegung diskreditiert, sondern ein für sie geeignetes Meinungsklima geschaffen, um den Status quo aufrechtzuerhalten, zu rechtfertigen und von den realen Missständen in der Bundesrepublik abzulenken. Nach dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 196748 vergrößerte sich die Protestbewegung und gipfelte in der Anti-Springer-Kampagne. Studenten fertigten Transparente mit der Aufschrift »Bild hat mitgeschossen« an und forderten bei Sit-ins und Teach-ins, auf Plakaten und in Sprechchören: »Enteignet Springer!« – ein Schlachtruf, der zum symbolischen Slogan der Kampagne avancierte. Der 2. Juni 1967 rückte die Anti-Springer-Kampagne in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der 68er-Bewegung.49 Die Kampagne hatte zu Beginn noch den Charakter einer Aufklärungsaktion, büßte diesen aber im April 1968 nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, der Ikone der Protestbewegung, rasch ein. Mit den Barrikaden gegen den Springer-Konzern, 46 | Hilwig, Stuart J.: »The Revolt Against the Establishment: Students Versus the Press in West Germany and Italy«, in: Carole Fink / P hilipp Gassert / D etlef Junker (Hg.), 1968. The World Transformed, Washington 1998, S. 321-349, hier S. 330. 47 | Vgl. Kruip, Gudrun: Das »Welt«-»Bild« des Axel Springer Verlags. Journalismus zwi schen westlichen Werten und deutschen Denktraditionen, München 1999, S. 71-114. 48 | Zum 2. Juni 1967 vgl. Soukup, Uwe: Wie starb Benno Ohnesorg? Der 2. Juni 1967, Berlin 2007; Baer, Willi / B itsch, Carmen / D ellwo, Karl-Heinz (Hg.): Der 2. Juni 1967, Hamburg 2010. 49 | Vgl. Richter, Pavel A.: »Die Außerparlamentarische Opposition in der Bundesrepu blik Deutschland 1966 bis 1968«, in: Gilcher-Holtey (Hg.), 1968 – Vom Ereignis (2008), S. 47-74.
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die nach dem Attentat errichtet wurden, verwandelte sich die Aufklärungskampagne in eine auf direkte Aktionen gerichtete Bewegung. Die Springer-Blockade, als Demonstranten wiederholt die Auslieferung der Produkte der SpringerPresse zu blockieren versuchten, war das beherrschende Thema während der Ostertage, als die Anti-Springer-Kampagne und auch die 68er-Bewegung kulminierten.
F r agestellung Die 68er-Bewegung gehörte dem Historiker Michael Schmidtke gemäß zu den »ersten Protestbewegungen«, in denen »das Unbehagen an der ›Medien- und Kulturindustrie‹ sowie an deren Manipulation von mentalen Strukturen ein zentrales Motiv« darstellte.50 Die Kritik an den Medien, insbesondere die Kritik an Springer, wurde im Verlauf der Anti-Springer-Kampagne zum wesentlichen Element der Protestbewegung. In der Auseinandersetzung mit dem SpringerVerlag machte die 68er-Bewegung die Erfahrung, Forderungen und Argumente nicht durchsetzen zu können, weil sie manipulativer Berichterstattung zum Opfer fielen.51 Obgleich die »Logik der Bewegung« mit der »Auseinandersetzung um die Pressefreiheit« verknüpft war,52 steht eine historische Analyse der Anti-Springer-Kampagne noch aus. Die Anti-Springer-Kampagne verfolgte eine duale Strategie, um Meinungsfreiheit zu verwirklichen. Sie setzte auf die Veränderung einerseits von kognitiven und mentalen, andererseits von institutionellen Strukturen durch Aktionsstrategien und Aufklärung der breiten Öffentlichkeit. Die Kampagne wurde zum strategischen Knotenpunkt der 68er-Bewegung, um so ihre verschiedenen Ziele zu artikulieren. Oder anders gesagt: Sie mobilisierte auf der einen Seite die 68er-Bewegung, auf der anderen Seite war sie eine Aktion, durch die sich die Mobilisierungsdynamik der Bewegung ausdrückte. Aktivisten betrachteten sie daher als den Transmissionsriemen der 68er-Bewegung. Ende der 60er Jahre sprang der Funke der Proteste auf den gesamten Medienbereich über. Insbesondere unter den Jüngeren der Branche fanden sie breite Unterstützung.53 Die daraus resultierende Redakteursbewegung hatte sich die »Demokratisierung der Medien von innen durch ›Redaktionsstatute‹ auf 50 | M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 297. 51 | Vgl. P. A. Richter: »Die Außerparlamentarische Opposition«, S. 69 f. 52 | Kraushaar, Wolfgang: 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur, Hamburg 2000, S. 340. 53 | Vgl. Hodenberg, Christina von: »Der Kampf um die Redaktionen. ›1968‹ und der Wandel der westdeutschen Massenmedien«, in: dies. / D etlef Siegfried (Hg.), Wo »1968« liegt. Reform und Revolte in der Geschichte der Bundesrepublik, Göttingen 2006, S. 139-163; M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 183 ff.
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die Fahnen« geschrieben54 und trug zur Entwicklung innerer Pressefreiheit in der Bundesrepublik bei. Diese Redakteursbewegung war eine unmittelbare Folge der 68er-Bewegung und eine der Auswirkungen der Anti-Springer-Kampagne auf den Medienbereich der Bundesrepublik. Die Kampagne ebnete darüber hinaus der Ostpolitik Brandts den Weg, indem sie einen »ersten öffentlichen Riss im antikommunistischen Konsens«55 der Ära Adenauer offenbarte. Trotz dieser Bedeutungen der Kampagne als »key target«56 der 68er-Bewegung liegt bislang keine historisch-systematische Untersuchung über sie vor. Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Frage, was die Anti-SpringerKampagne eigentlich war, welche Rolle sie für die 68er-Bewegung in der Bundesrepublik spielte und welche Bedeutung sie während und nach 1968 einnahm.
Theore tischer H intergrund Die Anti-Springer-Kampagne war, wie etwa die Antinotstandskampagne und die Antivietnamkriegkampagne, eine Teilbewegung der 68er-Bewegung, die in dieser Arbeit als eine soziale Bewegung verstanden wird. Die Soziologen Friedhelm Neidhardt und Dieter Rucht definieren eine soziale Bewegung als ein »auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentlicher Proteste herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen«.57 Soziale Bewegungen bestehen, so Joachim Rasch54 | C. v. Hodenberg: »Der Kampf um die Redaktionen«, S. 153. 55 | S. J. Hilwig: The Revolt Against the Establishment, S. 329. Hilwig schreibt: »Alt hough a majority of West Germans supported the West’s position in the Cold War, the students’ attack on Springer was the first public split in the anticommunist consensus of the Adenauer years and paved the way for Willy Brandt and the implementation of Ostpolitik.« Ebd. 56 | Ebd., S. 321. 57 | Zit. n. I. Gilcher-Holtey: »Mai 68 in Frankreich«, in: dies. (Hg.), 1968 – Vom Ereig nis (2008), S. 16. Original: Neidhardt, Friedhelm / R ucht, Dieter: »The Analysis of Social Movements: The State of the Art and Some Perspectives for Further Research«, in: Die ter Rucht (Hg.), Research on Social Movements: The State of the Art in Western Europe and the USA, Frankfurt a. M. 1991, S. 421-464, hier S. 450: »[We] define a social mo vement as an organized sustained effort of a collectivity of inter-related individuals, groups and organizations to promote or resist social change with the use of public pro test activities.« Für eine ähnliche Definition vgl. Rucht, Dieter: Modernisierung und neue soziale Bewegungen: Deutschland, Frankreich und USA im Vergleich, Frankfurt a. M. 1994, S. 76 f.
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ke, aus einem »mobilisierende[n] kollektive[n] Akteur, der mit einer gewissen Kontinuität auf der Grundlage hoher symbolischer Integration und geringer Rollenspezifikation mittels variabler Organisations- und Aktionsformen« Protest artikuliert.58 Sozialer Wandel bedeutet in diesem Zusammenhang eine umfassende Transformation bestehender gesellschaftlicher Strukturen und Institutionen.59 Rucht geht von drei Entstehungsbedingungen sozialer Bewegungen aus: Zunächst einmal müssen Akteure ihre Situation als »untragbar oder ungerecht« vor sich und vor anderen empfinden. In einem zweiten Schritt definieren sie gemeinsam die Situation, in der sie sich befinden, und bilden dadurch eine Gemeinschaft und vor allem ein Wir-Gefühl aus. Schließlich ist eine Interaktion mit »externe[n] Gelegenheitsstrukturen« zu beobachten, die der Mobilisierung der entstehenden sozialen Bewegung zuträglich ist und stabilisierend wirkt.60 Dabei spielt, darauf hat der französische Soziologe Alain Touraine mit Nachdruck aufmerksam gemacht, der Gegner, gegen den sich eine Bewegung richtet, eine wichtige, konstitutive Rolle. Erst der Gegner einer Bewegung vermittelt den Akteuren, die diese bilden, ein Gespür für den eigenen Ort in der Welt und eine Idee über die eigene Position. Die kollektive Identität einer Bewegung, die auf diese Weise eingeübt wird, geht nicht aus »selbstreferentieller Geschlossenheit« hervor – so argumentiert Rucht unter Verweis auf Luhmann –, sondern entwickelt sich »in Auseinandersetzung mit Bezugsgruppen, die ihre Bilder von sich und der Bewegung wieder an diese zurückspiegeln«.61 Der gemeinsame Gegner, gegen den sich die Mitglieder der Anti-SpringerKampagne im Sinne von Sidney Tarrow durch gemeinsame Ziele und Solida58 | Raschke, Joachim: Soziale Bewegungen: Ein historisch-systematischer Grundriß, Frankfurt a. M. 1985, S. 77. Vgl. als weitere Literatur zur sozialen Bewegungsforschung unter anderem D. Rucht: Modernisierung und neue soziale Bewegungen; ders.: »Soziale Bewegungen der 1960er und 70er Jahre in der Bundesrepublik«, in: Siegfried Herm le / C laudia Lepp / H arry Oelke (Hg.), Umbrüche: Der deutsche Protestantismus und die sozialen Bewegungen in den 1960er und 70er Jahren, Göttingen 2007, S. 91-107; Rucht, Dieter / B lattert, Barbara / R ink, Dieter: Soziale Bewegungen auf dem Weg zur Institutio nalisierung: Zum Strukturwandel »alternativer« Gruppen in beiden Teilen Deutschlands, Frankfurt a. M. 1997; K.-W. Brand / D. Büsser / D. Rucht: Aufbruch in eine andere Ge sellschaft; Della Porta, Donatella: Social Movements, Political Violence, and the State: A Comparative Analysis of Italy and Germany, Cambridge 1995; Neidhardt, Friedhelm (Hg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen (= Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 34), Opladen 1994. 59 | Vgl. D. Rucht: Modernisierung und neue soziale Bewegungen, S. 76 f. 60 | Rucht, Dieter: »Kollektive Identität: Konzeptionelle Überlegungen zu einem De siderat der Bewegungsforschung«, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 1 (1995) (= Kollektive Soziale Bewegungen und kollektive Identität), S. 9-23, hier S. 11. 61 | Vgl. ebd., S. 13, und zit. ebd.
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rität zu einer Bewegung vereinten, war der Springer-Verlag.62 Für sie waren die Auseinandersetzungen zwischen Springer und der Bewegung, zwischen Aktivisten und der Polizei, zwischen Politik und APO zentral. Erst in der Konfrontation kristallisierte sich eine kollektive Identität heraus. Erst in der Erfahrung der brutalen Polizeigewalt und der Hetze in den Springer-Presseerzeugnissen konstituierte sich die Bewegung als handlungsfähiger kollektiver Akteur. Wie nun wird man dieser Dimension, die Tarrow nicht abdeckt, gerecht? Die britischen Soziologen Ron Eyerman und Andrew Jamison legen bei ihrer Definition von sozialen Bewegungen ein besonderes Augenmerk auf die Interaktion zwischen Bewegungsakteuren und deren Gegnern einerseits und den Auswirkungen auf die kognitive Orientierung, die diese Interaktionen bei den Protagonisten sozialer Bewegungen hinterlassen, andererseits. Sie verstehen soziale Bewegungen als »Formen kognitiver Praxis«.63 Soziale Bewegungen würden Veränderungen im Bewusstsein der Protestakteure, ausgelöst durch Interaktionen mit dem Gegner, zum Ausdruck bringen. Mit Eyerman und Jamison rückt in den Mittelpunkt, dass die kognitive Orientierung einer sozialen Bewegung auch geprägt wird von Zusammenstößen zwischen der Bewegung und ihren Gegnern. Man kann noch konkreter formulieren: Die Anti-Springer-Kampagne war ein Kampf um die legitime Wahrnehmung der sozialen Welt. Die Aktivisten dachten, die Demokratie in der Bundesrepublik sei durch die Notstandsgesetze und den Kalten Krieg bedroht, permanent in Frage gestellt durch die mögliche Eskalation des weltweiten Wettrüstens zu einem Atomkrieg, der die ganze Menschheit auf einen Schlag auslöschen würde. Der Kampf gegen ein Presseimperium, das die Notstandsgesetze und den Antikommunismus energisch verteidigte, war die kognitive Praxis der AntiSpringer-Kampagne – und zugleich ein Wahrnehmungskampf um die legitime Definition der Welt. Insofern teilte die Anti-Springer-Kampagne einige Aspekte sozialer Bewegungen, obgleich sie eine Teilbewegung der viel größeren 68er-Bewegung darstellte. Sie verfügte über einen gemeinsamen Gegner, eine kollektive Identität, über Netzwerke, die aus Gruppen und Organisationen bestanden, und schließlich entwickelte sie eigene »Organisations- und Aktionsformen«. Sie strebte durch Aufklärung der breiten Öffentlichkeit und Veränderung institutioneller, mentaler und kognitiver Strukturen eine grundlegende Transformation der gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik an. Doch was ist eine Kampagne? Aus soziologischer Sicht wird sie definiert als eine »(a) geplante und vorbereitete Reihe von Kommunikationsaktivitäten (b) zur Erzielung oder Verhinderung eines Wandels von Einstellun62 | Vgl. Tarrow, Sidney: Power in Movement: Social Movements, Collective Action and Politics, Cambridge 1994, S. 2 ff. 63 | Vgl. Eyerman, Ron / Jamison, Andrew: Social Movements: A Cognitive Approach, Cambridge 1991, S. 2 ff., zit. n. S. 4.
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gen, Verhaltensweisen oder Entscheidungen (c) bestimmter, zu benennender Adressaten«.64 Kampagnen, die sich zum Ziel setzen, »Einstellungen, Handlungen oder Entscheidungen spezifischer Adressaten zu verändern und / oder zu bestätigen«, lassen sich, so der Soziologe Christian Lahusen, nach Zielsetzung und Adressat in vier verschiedene Formen unterscheiden: die Aufklärungs-, die Aktions-, die Rekrutierungs- und die Einflusskampagne.65 Die »Aufklärungskampagne« hat das Ziel der »Einstellungs- und Verhaltensänderung« von spezifischen Teilgruppen. Im Mittelpunkt solcher Kampagnen stehen die »Informationsarbeit«, also Fakten, Hintergrundinformationen und Prognosen bereitzustellen, und die »Überzeugungsarbeit« mittels moralischer Appelle.66 Von der »Aufklärungskampagne« ist die »Aktionskampagne« zu unterscheiden: Sie basiert auf der »Mobilisierung der Öffentlichkeit und / oder einer spezifischen Zielgruppe«. Für diese Kampagnen geht es zum einen darum, die »öffentliche Unterstützung für die eigenen Themen und Forderungen […] zu dokumentieren«, zum anderen sind sie darauf ausgerichtet, »Andersdenkende oder Unbeteiligte« unter Druck zu setzen. Dieser Kampagnentypus ist daher »aktions- oder protestorientiert«.67 Die »Rekrutierungskampagne« wiederum konzentriert sich darauf, »Ressourcen für die eigene Organisationsarbeit« zu sammeln und zuzuweisen. Adressaten dieser Kampagnen mit ihren typischen Arbeitsformen des »membership drive« und Fundraising sind sowohl die breite Öffentlichkeit als auch spezifische Personenkreise wie Jugendliche, Experten und Wohlhabende.68 Die »Einflusskampagne« setzt sich schließlich zum Ziel, Entscheidungsträger zu beeinflussen. Weil zu ihren Adressaten »korporative Akteure«, insbesondere »spezifische Funktionsträger« – von politischen Institutionen wie Parlamenten, Ministerien und Behörden bis hin zu Unternehmen und Fachleuten –, gehören, charakterisiert sie
64 | Lahusen, Christian: »Transnationale Kampagnen sozialer Bewegungen. Grund züge einer Typologie«, in: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 15, 1 (2002) (= Transnationale Aktionsnetzwerke – Chancen für eine neue Protestkultur?), S. 40-46, hier S. 40. Vgl. auch Solomon, Douglas S. / C ardillo, Barbara A.: »The Elements and Pro cess of Communication Campaigns«, in: Teun A. van Dijk (Hg.), Discourse and Communi cation. New Approaches to the Analysis of Mass Media Discourse and Communication, New York 1985, S. 60-68; McGuire, William J.: »Theoretical Foundations of Campaigns«, in: Ronald E. Richt / C harles K. Atkin (Hg.), Public Communication Campaigns, London 1989, S. 43-65. 65 | C. Lahusen: »Transnationale Kampagnen«, S. 43. 66 | Vgl. ebd. 67 | Ebd. 68 | Ebd.
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sich »durch etablierte Verfahren und Techniken der verbandlichen Interessenvertretung oder des Lobbyings«.69 In der Praxis gehen die verschiedenen Kampagnenformen ineinander über, wie die Kampagnensoziologie bestätigt. Dies ist auch am Beispiel der AntiSpringer-Kampagne zu beobachten. Sie war ein fluides Gebilde, eine Mischung aus mehreren Kampagnenformen, die ineinander verschränkt waren und deren jeweils charakteristische Elemente teilweise im Vordergrund, teilweise im Hintergrund standen. Als Aufklärungskampagne betrieb die Anti-SpringerKampagne »Informationsarbeit«: Sie brachte Fakten über den Springer-Verlag und seine Marktmacht in Umlauf, informierte über dessen Hintergründe sowie Geschichte und stellte Prognosen zu möglichen Ergebnissen der Pressekonzentration an. Damit wollte sie eine »Einstellungs- und Verhaltensänderung« von Zielgruppen, insbesondere der Bevölkerung außerhalb des Universitätsmilieus, bewirken. Die Anti-Springer-Kampagne war phasenweise, insbesondere nach dem Attentat auf Dutschke, eine »Aktionskampagne«: Durch verschiedene Aktionen und Proteste (Sit-ins, Teach-ins und Demonstrationen) zielte sie auf die »Mobilisierung der Öffentlichkeit« ab. Für die »eigenen Themen« (etwa die Pressekonzentration und die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland) und »Forderungen« (»Enteignet Springer«) versuchte sie, »öffentliche Unterstützung« zu generieren. Sie wollte »Andersdenkende« (Unterstützer Springers) und »Unbeteiligte« (Sympathisanten und Zuschauer) unter Druck setzen. Während sie sich als »Rekrutierungskampagne« darauf konzentrierte, unter »spezifischen Personenkreisen« (Studenten und Konkurrenten von Springer wie Rudolf Augstein und Gerd Bucerius) Spenden zu sammeln, setzte sie sich als »Einflusskampagne« zum Ziel, »spezifische Funktionsträger« (Parlamentarier, Politiker, Journalisten und Hochschulprofessoren) zu beeinflussen. Sie nutzte dabei allerdings keine »etablierten Verfahren und Techniken des Lobbyings«, sondern wollte »spezifische Funktionsträger«, insbesondere aus dem parlamentarischen und politischen Umfeld, mit Protesten und Demonstrationen unter Druck setzen. Eine entscheidende Rolle für die Anti-Springer-Kampagne spielten der Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 und das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968. Beide Geschehnisse stellten nach Pierre Bourdieu »kritische Ereignisse« 70 dar, die mit der Nacht der Barrikaden am 11. Mai 1968 in Paris vergleichbar sind. Kritische Ereignisse, so Gilcher-Holtey, »synchronisieren« Wahrnehmungsmuster, verursachen einen »Bruch mit dem Alltag, dem Gewohnten, der ›normalen‹ Zeitwahrnehmung« und fordern »sowohl Individuen als auch Gruppen […] zur Stellungnahme« heraus.71 Bourdieu 69 | Ebd., S. 43 f. 70 | Bourdieu, Pierre: Homo academicus, Frankfurt a. M. 1988, S. 255. 71 | I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 72.
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legt nahe, ein »außergewöhnliche[s], außeralltägliche[s] [kritisches] Ereignis […] in die Reihe der alltäglichen Ereignisse« zurückzusetzen, »in deren Rahmen es seine Erklärung findet«, und so die Besonderheit des einzelnen Ereignisses zu erkennen.72 Worin lag die Besonderheit des Todes von Ohnesorg? Allein die Tatsache, dass erstmals während der Proteste ein Demonstrant durch eine Kugel eines Polizisten getötet wurde, kann als »kritisches Ereignis« verstanden werden. Ohnesorgs Tod war ein Wendepunkt der 68er-Bewegung, weil er, die Mobilisierung der Protestbewegung beschleunigend, zu einem Auslöser der Anti-Springer-Kampagne wurde. Das Attentat auf Dutschke war das zweite »kritische Ereignis«. Unmittelbar nach dem Anschlag beschuldigte die Protestbewegung die Springer-Presse, eine Hetzkampagne gegen ihn geführt zu haben. Eine Welle von Empörung und Demonstrationen erhob sich. Die 68erBewegung wurde nun ganz und gar zur Anti-Springer-Kampagne, und diese wiederum verwandelte sich von einer Aufklärungs- zu einer Aktionskampagne. Die Springer-Blockade hatte Barrikaden zur Folge, entfachte Straßenkämpfe mit der Polizei und führte zum Kulminationspunkt der Kampagne.
F orschungs - und Q uellenl age 1968 ging, wie kaum ein anderes Jahr, in die Geschichte des 20. Jahrhunderts ein. Als ein weltweites Ereignis ist die 68er-Bewegung vielfach etikettiert worden: Handelte es sich um eine ›Studentenrevolte‹ oder eine ›Jugendrebellion‹? Oder etwa um eine ›Generationenrevolte‹, um eine ›Lebensstilreform‹ oder eine »Kulturrevolution«,73 in der »persönliche und soziale Befreiung […] Hand in Hand« 74 gingen? Einige Kommentatoren schreiben von einem »harmlose[n] Aufbegehren«,75 einem »kollektiven Narzissmus«,76 einem bloßen »Karneval«,77 72 | Ebd., S. 256. 73 | Hobsbawm, Eric: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München 1995, S. 552. Vgl. auch Marwick, Arthur: The Sixties. Cultural Revolution in Britain, France, Italy, and the United States, 1958-1974, Oxford 1998; ders.: »Die 68er Revolution«, in: Peter Wende (Hg.), Große Revolutionen der Geschichte. Von der Frühzeit bis zur Gegenwart, München 2000, S. 312-332; Siegfried, Detlef: Sound der Revolte. Studien zur Kulturrevolution um 1968, München 2008. 74 | E. Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme, S. 418. 75 | Dahrendorf, Ralf: Reisen nach innen und außen. Aspekte der Zeit, Stuttgart 1984, S. 28. 76 | Fest, Joachim C.: Aufgehobene Vergangenheit. Portraits und Betrachtungen, Stuttgart 1981, S. 119. 77 | Aron, Raymond: La révolution introuvable. Réflexions sur les événements de mai, Paris 1968.
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einem »romantischen Rückfall« 78 und von einer »Weltrevolution«,79 die das kapitalistische System erschüttert hätte. Was ›68‹ war, was davon blieb, war und ist umstritten und Gegenstand von Debatten und heftiger Kontroversen.80 Zur 68er-Bewegung liegen umfangreiche Studien vor. Die Literatur über ›68‹ wurde von Anfang an und noch lange nach den damaligen Ereignissen von Akteuren, Zeitzeugen und Kritikern bestimmt. Eine befriedigende, historische Analyse, die differenziert – von den politischen bis zu den kulturrevolutionären Bestandteilen – vorgeht, gibt es in der Geschichtswissenschaft oder Politikwissenschaft bis heute nicht. Die empirisch gestützte historische Forschung über die 68er-Bewegung begann in der Bundesrepublik erst gegen 1998,81 im Jahr ihres 30. Jubiläums, das sich mit der Öffnung der staatlichen Archive verband. Einschließlich Archiv- und Quellenführer82 untersuchen seither etliche geschichtswissenschaftliche Studien die 68er-Bewegung oder ›68‹.83 Diese Be78 | Löwenthal, Richard: Der romantische Rückfall, Stuttgart 1970. 79 | I. Wallerstein: World-Systems Analysis; ders.: The End of the World; ders., Utopistics. 80 | Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: »›1968‹ – Eine versäumte Kontroverse?«, in: Martin Sabrow / R alph Jessen / K laus Gorße Kracht (Hg.), Zeitgeschichte als Streitgeschich te. Große Kontroversen seit 1945, München 2003, S. 58-73; Wolfrum, Edgar: »›1968‹ in der gegenwärtigen deutschen Geschichtspolitik«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B22-23 (2001), S. 28-36; Weber, Wolfgang: »Die ›Kulturrevolution‹ 1968«, in: Volker Dotterweich (Hg.), Kontroversen der Zeitgeschichte: Historisch-politische Themen im Meinungsstreit, München 1998, S. 207-228. 81 | Zu detaillierten Forschungsberichten bis 1998 vgl. Kersting, Franz-Werner: »Ent zauberung des Mythos? Ausgangsbedingungen und Tendenzen einer gesellschaftsge schichtlichen Standortbestimmung der westdeutschen ›68er‹-Bewegung«, in: Westfä lische Forschungen (= Zeitschrift des westfälischen Instituts für Regionalgeschichte des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, hg. von Karl Teppe / B ernard Korzus) 48 (1998), S. 1-19; Kraushaar, Wolfgang: »Der Zeitzeuge als Feind des Historikers? Ein Li teraturüberblick zur 68er-Bewegung«, in: ders., 1968 als Mythos (2000), S. 253-347. 82 | Gassert, Philipp / R ichter, Pavel A.: 1968 in West Germany. A Guide to Sources and Literature of the Extra-Parliamentarian Opposition, Washington 1998; Becker, Tho mas / N eumann, Ute (Hg.): Die Studentenproteste der sechziger Jahre. Archivführer – Chronik – Bibliographie, Köln 2000. 83 | Vgl. I. Gilcher-Holtey (Hg.): 1968 – Vom Ereignis; dies.: Die 68er Bewegung; dies.: 1968: Eine Zeitreise; der gesamte Band der Westfälischen Forschungen 48 (1998); Schildt, Axel / S iegfried, Detlef / L ammers, Karl Christian (Hg.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000; W. Kraus haar: 1968 als Mythos; ders.: Achtundsechzig; Klimke, Martin / S charloth, Joachim (Hg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengechichte der Studentenbewegung, Stuttgart / Weimar 2007; N. Frei: 1968; Sabrow, Martin (Hg.): Mythos »1968«?, Leip
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schäftigung löste eine Historisierung der 68er-Ereignisse aus. Die Forschung drang bis zur Regional- und Stadtgeschichte vor.84 Inzwischen nimmt sie die Frauenbewegung, die Hochschulreform, die Jugendkultur, die Justiz und die Parteien in den Blick.85 Wissenschaftliche Studien drehen sich nicht nur um
zig 2009; Rathkolb, Oliver / S tadler, Friedrich (Hg.): Das Jahr 1968 – Ereignis, Symbol, Chiffre, Göttingen 2010; Wengst, Udo (Hg.): Reform und Revolte: Politischer und gesell schaftlicher Wandel in der Bundesrepublik Deutschland vor und nach 1968, München 2011; G. Dworok / C . Weißmann (Hg.), 1968 und die 68er; Gilcher-Holtey, Ingrid (Hg.): »1968« – Eine Wahrnehmungsrevolution? Horizont-Verschiebungen des Politischen in den 1960er und 1970er Jahren, München 2013. 84 | Vgl. Hildebrandt, Dietrich: »… und die Studenten freuen sich!« Studentenbewe gung in Heidelberg 1967-1973, Heidelberg 1991; Holl, Kurt / G lunz, Claudia (Hg.): 1968 am Rhein: Satisfaction und Ruhender Verkehr, Köln 1998; Bothien, Horst-Pierre: Protest und Provokation. Bonner Studenten 1967 / 1968, Essen 2007; Berlit, Anna Christina: Notstandskampagne und Roter Punkt: Die Studentenbewegung in Hannover 19671969, Bielefeld 2007; Kozicki, Norbert: Aufbruch in NRW: 1968 und die Folgen, Essen 2008; Dohms, Peter / P aul, Johann: Die Studentenbewegung von 1968 in NordrheinWestfalen, Siegburg 2008; Stankiewitz, Karl: München ’68: Traumstadt in Bewegung, München 2008; Müller, Michael Ludwig: Berlin 1968: Die andere Perspektive, Berlin 2008; Kißener, Michael: »›1968‹ in Rheinland-Pfalz: Probleme und Erträge einer his torischen Spurensuche«, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 35 (2009), S. 559-608; Nagel, Katja: Die Provinz in Bewegung: Studentenunruhen in Heidelberg 1967-1973, Heidelberg 2009. 85 | Vgl. Schulz, Kristina: Der lange Atem der Provokation: Die Frauenbewegung in der Bundesrepublik und in Frankreich 1968-1976, Frankfurt a. M. 2002; Rohstock, Anne: Von der »Ordinarienuniversität« zur »Revolutionszentrale«?: Hochschulreform und Hochschulrevolte in Bayern und Hessen 1957-1976, München 2010; Siegfried, Detlef: Time is on my Side: Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 60er Jahre, Göttingen 2006; Dostal, Caroline: 1968 – Demonstranten vor Gericht. Ein Bei trag zur Justizgeschichte der Bundesrepublik, Frankfurt a. M. 2006; Seiffert, Jeanette: »Marsch durch die Institutionen?«: Die 68er in der SPD, Bonn 2009; Kraft, Sandra: Vom Hörsaal auf die Anklagebank: Die 68er und das Establishment in Deutschland und den USA, Frankfurt a. M. / N ew York 2010; Schmidt, Daniel: »›Die geistige Führung verloren‹. Antworten der CDU auf die Herausforderung ›1968‹«, in: Franz-Werner Kersting / J ürgen Reulecke / H ans-Ulrich Thamer (Hg.), Die zweite Gründung der Bundesrepublik. Genera tionswechsel und intellektuelle Wortergreifungen 1955-1975, Stuttgart 2010, S. 85107; Philipps, Robert: Sozialdemokratie, 68er-Bewegung und gesellschaftlicher Wan del 1959-1969, Baden-Baden 2012.
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Literatur und Buchmarkt, Fernsehen, Theater und Musik im Umfeld des Jahres 1968,86 sondern ebenso um Zivildienst, Medizin und Kirche.87 Vernachlässigt hat die Forschung bislang die Anti-Springer-Kampagne der APO. Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Studie, die sich auf sie konzentriert. Florian Melchert hat in seiner Dissertation Meinungsfreiheit in Gefahr?: Die medienpolitische Debatte in der Bundesrepublik vom Fernsehstreit bis zur AntiSpringer-Kampagne (1961-1969) die Kampagne zwar behandelt.88 Die Arbeit re86 | Vgl. Marmulla, Henning: Enzensbergers Kursbuch: Eine Zeitschrift um 68, Berlin 2011; Füssel, Stephan (Hg.): Die Politisierung des Buchmarkts. 1968 als Branchener eignis, Wiesbaden 2007; Vogel, Meike: Unruhe im Fernsehen: Protestbewegung und öffentlich-rechtliche Berichterstattung in den 1960er Jahren, Göttingen 2010; Kraus, Dorothea: Theater-Proteste: Zur Politisierung von Straße und Bühne in den 1960er Jah ren, Frankfurt a. M. / N ew York 2007; Jacobshagen, Arnold / L eniger, Markus (Hg.): Re bellische Musik: Gesellschaftlicher Protest und kultureller Wandel um 1968, Köln 2007; Kutschke, Beate (Hg.): Musikkulturen in der Revolte: Studien zu Rock, Avantgarde und Klassik im Umfeld von ›1968‹, Stuttgart 2008; Gäsche, Daniel: Born to be wild oder die 68er und die Musik, Leipzig 2008; Staib, Klaus: Rockmusik und die 68er-Bewegung: Eine historisch-musikwissenschaftliche Analyse, Hamburg 2009. 87 | Vgl. Bernhard, Patrick: Zivildienst zwischen Reform und Revolte: Eine bundesdeut sche Institution im gesellschaftlichen Wandel 1961-1982, München 2005; Forsbach, Ralf: Die 68er und die Medizin: Gesundheitspolitik und Patientenverhalten in der Bun desrepublik Deutschland (1960-2010), Göttingen 2011; Hey, Bernd / W ittmütz, Volk mar: 1968 und die Kirchen, Bielefeld 2008. Als ausführliche Forschungsberichte über die bisherigen zahlreichen Studien – insbesondere vor und nach dem 40. Jubiläums jahr 2008 erschien eine Flut von Publikationen zum Thema »68« – vgl. Siegfried, Det lef: »Furor und Wissenschaft. Vierzig Jahre nach ›1968‹«, in: Zeithistorische Forschun gen / S tudies in Contemporary History 5 (2008), S. 130-141; ders.: »Weite Räume, schneller Wandel. Neuere Literatur zur Sozial- und Kulturgeschichte der langen 60er Jahre in Westdeutschland«, in: Historische Literatur 1 (2003), S. 7-34; Brown, Timo thy S.: »1968. Transnational and Global Perspectives«, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11. Juni 2012, http://docupedia.de/zg/1968?oldid=84852 vom 18. Januar 2014; Lauermann, Manfred: »Vierzig Jahre 1968. Ein Literaturüberblick«, in: Berliner Debatte Initial 20 (2009), S. 111-149; Gassert, Philipp: »Das kurze ›1968‹ zwischen Geschichts wissenschaft und Erinnerungskultur: Neuere Forschungen zur Protestgeschichte der 1960er-Jahre«, in: H-Soz-u-Kult, 30. April 2010, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin. de/forum/2010-04-001 vom 21. Januar 2016; Weinhauer, Klaus: »Zwischen Aufbruch und Revolte: Die 68er-Bewegung und die Gesellschaft der Bundesrepublik der sechziger Jahre«, in: Neue Politische Literatur 46 (2001), S. 412-432. 88 | Vgl. Melchert, Florian: Meinungsfreiheit in Gefahr?: Die medienpolitische Debatte in der Bundesrepublik vom Fernsehstreit bis zur Anti-Springer-Kampagne (1961-1969). Unveröffentlichte Dissertation, Universität Bochum 2003.
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konstruiert sie aber nicht ausführlich – eine systematische Analyse legt Melchert nicht vor. Darüber hinaus unterschätzt er ihre Schlagkraft, indem er sie als erfolglos betrachtet. Dies gilt auch für andere Forschungsliteratur: Sie ignoriert die vielfältigen und komplexen Aktivitäten gegen Springer. Die Studie Feind-Bild Springer: Ein Verlag und seine Gegner, die sich der Kritik an Springer widmet, hat ein ähnliches Problem.89 Sie konzentriert sich auf die AntiSpringer-Kampagne der DDR und nicht so sehr auf die Anti-Springer-Kampagne der APO. Erwähnenswert ist die Magisterarbeit von Manuel Seitenbecher, Den deutschen »Cäsar« bezwingen: Die 1960er und die Kampagne gegen Springer,90 deren Hauptkapitel lautet »Die studentische Anti-Springer-Kampagne« [Herv. durch den Autor]. Seitenbecher analysiert die Kampagne nicht als ein Projekt der gesamten APO und rückt den Einfluss der DDR auf die Kampagne in den Vordergrund. Dies gilt teilweise auch für Forschungen des Historikers Wolfgang Kraushaar, der sich schon früh mit der Kampagne beschäftigt und sie rekonstruiert hat.91 Seine Ansicht, dass diese gescheitert sei – man müsse von einer »Niederlage«92 sprechen –, wird indes nicht plausibel erklärt. Auch die Behauptung von Hubertus Knabe, die Anti-Springer-Kampagne habe »die Parolen der SED« aufgegriffen und zugespitzt, sie sei gar das Werk von SED und Stasi gewesen, lässt sich bei genauerer Betrachtung, wie zu zeigen sein wird, nicht halten.93 Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht nicht die publizistische Kritik am Springer-Verlag und nicht die ostdeutsche Anti-Springer-Kampagne, sondern die außerparlamentarische Anti-Springer-Kampagne: Diese war ein zentraler Bestandteil der APO und wird mit Blick auf diese betrachtet und analysiert. Die bisherige Forschung hat nicht erkannt, welche Bedeutung die Kampagne für 89 | Vgl. Staadt, Jochen / Voigt, Tobias / Wolle, Stefan: Feind-Bild Springer: Ein Verlag und seine Gegner, Göttingen 2009. 90 | Vgl. M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen. 91 | Vgl. Kraushaar, Wolfgang: »1968 und Massenmedien«, in: Archiv für Sozialge schichte 41 (2001), S. 317-347, hier S. 321-331; ders., »Kleinkrieg gegen einen Groß verleger. Von der Anti-Springer-Kampagne der APO zu den Brand- und Bombenanschlä gen der RAF«, in: ders. (Hg.), Die RAF und der linke Terrorismus, Band 2, Hamburg 2006, S. 1075-1116; ders.: Achtundsechzig, S. 157-163. 92 | Ebd., S. 286. 93 | Vgl. Knabe, Hubertus: Der diskrete Charme der DDR: Stasi und Westmedien, Ber lin / M ünchen 2001, S. 352-383, hier zit. S. 358; ders., »›Hetzer, Fälscher, Meinungs macher‹. Die Anti-Springer-Kampagne: Wie SED und MfS die West-Berliner Studenten bewegung manipulierten«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22.3.2001, S. 10. Dies gilt auch für die Behauptung, dass die DDR die Protestbewegung manipuliert oder gelenkt hätte. Vgl. Conze, Eckart: Die Suche nach Sicherheit: Eine Geschichte der Bun desrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 338.
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die Protestbewegung hatte und wie nachhaltig sie auf den Springer-Verlag und dessen Inhaber wirkte. Eine weitere Akzentuierung ist nötig: Fast alle Studien zur Anti-Springer-Kampagne bezeichnen ihren Untersuchungsgegenstand als »die studentische Anti-Springer-Kampagne«94 oder »die Springer-Kampagne des SDS«95 [Herv. durch den Autor]. Sie leisten damit einer Unterschätzung der Kampagne Vorschub: Die Kampagne war kein spontaner »Reflex«96 auf die Springer-Presse, sondern stand für eine programmatische politische Forderung, welche sich unmittelbar aus dem Weltverständnis der Akteure ableiten lässt. Sie war eine der wichtigsten Kampagnen der gesamten APO und der 68er-Bewegung. Obwohl SDS und Studenten von Beginn an zu ihren Hauptträgergruppen zählten, rückten spätestens ab Herbst 1967 wichtige nichtstudentische Kernorganisationen der APO, unter anderem die Kampagne für Abrüstung (KfA) und der Republikanische Club in Westberlin (RC), die Kampagne in den Mittelpunkt ihrer Arbeit; hierzu gehörte ebenso die Humanistische Union (HU). Die Kampagne war somit kein studentischer »Selbstläufer«.97 Sie avancierte zu einem zentralen Anliegen der APO, zu einem Thema, das immer mehr Menschen bewegte und auf die Straßen trieb, weit über das studentische Milieu hinaus. Seit September 1967 spielte beispielsweise die KfA eine Hauptrolle in der Anti-Springer-Kampagne. Ohne Berücksichtigung ihrer Anti-SpringerAktivitäten bleibt eine umfassende Rekonstruktion der Kampagne lückenhaft. Die oft gebrauchte Bezeichnung der Anti-Springer-Kampagne als »›Enteignet Springer‹-Kampagne«98 ist unzutreffend. Dass »Enteignet Springer« die wichtigste und berühmteste Parole der Kampagne war, ist zweifelsohne richtig – gleichwohl handelte es sich nicht um eine Kampagne, deren Akteure beabsichtigten, Axel Springer zu enteignen. Auch wenn Aktivisten und Demonstranten immer wieder »Enteignet Springer« riefen, ging fast niemand ernsthaft davon aus, dass eine Enteignung möglich sei. Die Feststellung, die Enteignung des Verlags sei eine »Vorbedingung aller weiterführenden Ziele« der Protestbewegung gewesen,99 greift wohl zu weit. Die vorliegende Studie versteht den Leitspruch als eine symbolische Parole, mit der die Kampagne ihren Kampfes-
94 | M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 57; F. Melchert: Mei nungsfreiheit in Gefahr?, S. 415. 95 | J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 125. 96 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 414. 97 | Ebd., S. 415. 98 | Ebd., S. 286; Schwarz, Hans-Peter: Axel Springer. Die Biografie, Berlin 2008, S. 430. 99 | M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 103.
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willen demonstrierte. »Enteignet Springer« war, so Rudi Dutschke, »eine Parole, um die grosse Masse zu mobilisieren«.100 Wichtigste Grundlage dieser Arbeit ist der Aktenbestand zweier Archive. Im Archiv »APO und soziale Bewegungen« (APO-Archiv) an der Freien Universität in Berlin findet sich eine Fülle von Dokumenten, die Aufschluss über die Kampagne geben, ebenso im Axel Springer Unternehmensarchiv in Berlin. Das APO-Archiv verfügt über die wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen zur Anti-Springer-Kampagne. Für ihre Rekonstruktion und Analyse waren diese Materialien unverzichtbar. Von Belang ist für diese Arbeit auch der Bestand des Springer-Archivs, in dem unter dem Schlagwort »Anti-Springer-Kampagne« zahlreiche Publikationen verwahrt werden, die sich kritisch mit dem Verlag oder der Berichterstattung seiner Zeitungen beschäftigt haben. Die Publikationen aus beiden Archiven umfassen nicht nur verschiedene Flugblätter, Zeitungen und Dokumentationen der Anti-Springer-Kampagne, sondern auch zeitgenössische Zeitungs- und Zeitschriftenartikel mit Bezug zur Kampagne. Die Verlagsdokumentationen und -publikationen, die in beiden Archiven vorliegen, dienen dazu, die Reaktionen des Verlags auf die Kampagne zu beschreiben und darzustellen. Insgesamt wurden mehrere tausend, aus beiden Archiven stammende Dokumente untersucht: Flugblätter, Zeitschriften, Gegenzeitungen, Protokolle, Pamphlete, Briefe, Telegramme und ähnliche Textarten ebenso wie Bildmaterial, Plakate, Postkarten, Karikaturen und Buttons. Hilfreich für die Rekonstruktion der Anti-Springer-Kampagne waren in beiden Archiven vorliegende Flugblätter und Dokumentationen der verschiedenen an den Anti-Springer-Maßnahmen beteiligten Studentengruppen sowie etliche studentische Zeitungen und Zeitschriften: das auditorium (Hamburg), der DISKUS (Frankfurt), die Freiburger Studenten Zeitung (Freiburg), frontal (Bonn), der FU-Spiegel (Westberlin), die information (München), LSZ – Liberale Studentenzeitung (Bonn), die marburger blätter (Marburg), nobis (Mainz), die notizen (Tübingen), die skizze (Kiel), das ventil (Karlsruhe) etc. Um die Geschichte der Anti-Springer-Kampagne zu rekonstruieren, ist insbesondere die Auswertung der Dokumentationen und Protokolle der nichtstudentischen Organisationen der APO von großer Bedeutung. Diese Materialien, zumeist aus dem APO-Archiv, zeigen, dass die Kampagne keine reine studentische Angelegenheit war, sondern dass sich dabei die ganze APO-Front engagierte.
100 | Zit. n. o. A.: »Springer«, S. 2, in: ASV-UA (Axel Springer Unternehmensarchiv in Berlin), NL Horst Mahnke (Nachlass Dr. Horst Mahnke, Geschäftsführer des Redaktio nellen Beirats).
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A ufbau der A rbeit Die vorliegende Arbeit geht chronologisch vor. Sie gliedert sich in drei Teile: Der erste Teil untersucht die Vorgeschichte der Anti-Springer-Operation, wobei sich zunächst alles um deren theoretischen Hintergrund dreht. Kapitel 1 zeigt, dass die sogenannte Manipulationsthese und die Kulturkritik der Frankfurter Schule sowie Habermas’ Strukturwandel der Öffentlichkeit wichtige theoretische Grundlagen der Kampagne darstellten. Das zweite Kapitel rückt die Spiegel-Affäre in den Mittelpunkt, die man als Vorläuferin der späteren 68er-Bewegung und der Anti-Springer-Kampagne ansehen kann, während Kapitel 3 eine kurze Geschichte des Springer-Verlags darlegt: Es zeichnet den Weg bis zur Pressekonzentration und zur marktbeherrschenden Stellung des Verlags des Jahres 1968 nach und verdeutlicht, wie der Verlag in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte und die Kritik an seinem Gebaren zunahm. Das letzte Kapitel des ersten Teils konzentriert sich auf die Entstehung der Springer-Kritik, die zunächst vor allem aus Pressemedien kam und zu deren Vorreiter der Spiegel avancierte, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem das Thema Springer in der westdeutschen Studentenbewegung noch eine eher untergeordnete Rolle spielte. Teil II der Arbeit untersucht die Entstehung und den Verlauf der Anti-Springer-Kampagne in sechs Kapiteln. Zunächst wird der Vorlauf zur Kampagne dargestellt (Kapitel 1). Der Antagonismus zwischen den Studenten und der Springer-Presse war schon vor dem Beginn der Anti-Springer-Kampagne latent und verschärfte sich nach und nach. Das zweite Kapitel handelt vom Tod des Studenten Benno Ohnesorg. Er wirkte wie ein Fanal für die Mobilisierung der Protestaktionen und wird in dieser Studie als Startschuss für das Entstehen der Kampagne gegen den Springer-Konzern betrachtet. Im Vordergrund steht die Analyse der Ereignisse vor und nach dem Tod Ohnesorgs, die die Protestbewegung beschleunigten. Das dritte Kapitel behandelt die Entwicklung der Kampagne bis zum August 1967. Die Rekonstruktion der Welle der Proteste und Demonstrationen gegen Springer sowohl in Westberlin als auch in der Bundesrepublik verdeutlicht, wie sich eine breite Front gegen Springer formte und der Konzern mehr und mehr in den Mittelpunkt der Protestaktionen rückte. Geschildert wird, welche Organisationen der APO an der Kampagne aktiv teilnahmen, wie sie diese leiteten und wie der Springer-Verlag die sich intensivierende Kampagne beobachtete und auf sie reagierte. Das vierte Kapitel, das mit der 22. Delegiertenkonferenz des SDS beginnt, widmet sich der Eskalation der Anti-Springer-Kampagne bis Ende 1967. Untersucht werden hier die Intensivierung der Proteste gegen den Medienkonzern und die gewachsene Bedeutung der Rolle der nichtstudentischen APO-Gruppen, insbesondere der KfA und des RC. Die Offenbacher Konferenz im Oktober 1967, ein großer Wendepunkt für die Kampagne, wird ebenso analysiert wie die Anti-Springer-Resolution der Gruppe 47 und die Anti-Springer-Aktio-
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nen auf der Frankfurter Buchmesse. Schließlich beleuchtet das Kapitel, wie die Kampagne gegen Springer sowohl zu einem gemeinsamen Ziel des SDS und der wichtigsten Organisationen der APO als auch zur Kernstrategie der ganzen APO-Bewegung wurde. Im Mittelpunkt des fünften Kapitels stehen das »Springer-Tribunal« und das »Springer-Hearing«. Zunächst geht es dabei um den Vorlauf des Tribunals und jene Ereignisse, die schließlich wegen der in die Fensterscheiben der Springer-Filialen geworfenen Steine zum Scheitern des Tribunals führten. Danach werden die Nachwirkungen der Steinwürfe und die durch sie ausgelöste Krise innerhalb der Anti-Springer-Kampagne behandelt. Die Kampagne erfuhr eine so tiefe Erschütterung, dass sie nicht nur Bündnispartner vor allem aus Teilen der kritischen Intelligenz und der liberalen Presse verlor, sondern auch unter der beschädigten Bündnisfähigkeit innerhalb des SDS und der APO litt. Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit dem Attentat auf Rudi Dutschke und stellt die Springer-Blockade als den Kulminationspunkt der Kampagne im April 1968 dar. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der ausführlichen Rekonstruktion der während der Ostertage wiederholt unternommenen Versuche, Springer-Häuser in Westberlin und in der Bundesrepublik zu blockieren. Nachgezeichnet wird, wie sich die Anti-Springer-Kampagne von einer Aufklärungskampagne in eine Aktionskampagne verwandelte. Der dritte Teil der Arbeit thematisiert schließlich die Demobilisierung der Protestbewegung sowie den Niedergang und die Auswirkungen der Anti-Springer-Kampagne. Das erste Kapitel schildert, wie die Konflikte innerhalb der APO und die Gewaltfrage, die durch die Springer-Blockade aufgeworfen wurde, sowohl auf die Demobilisierung der 68er-Bewegung als auch auf den Niedergang der Kampagne gegen den Verlag einwirkten. Im abschließenden Kapitel, das die Auswirkungen der Kampagne auf den Springer-Verlag betrachtet, soll gezeigt werden, wie stark die Kampagne und insbesondere die Springer-Blockade den Verlag und dessen Inhaber Axel Springer prägten. Es soll verdeutlichen, inwiefern die Einstellung der Expansionsstrategie des Verlags als Reaktion auf die Kampagne interpretiert werden kann. *** Es sind spezifisch koreanische Motive, aus denen heraus mein Interesse für die Anti-Springer-Kampagne entstand. In Südkorea kann man seit Langem von einer Monopolisierung des Pressemarktes sprechen. Drei konservative Tageszeitungen – die Chosun, die Joongang und die Donga – beherrschen seit Ende des 20. Jahrhunderts mit ihren über sechs Millionen verkauften Exemplaren etwa 75 Prozent des südkoreanischen Pressemarkts. Bis heute stehen sie für pro-USamerikanische Positionen und kritisieren die westeuropäischen Sozialstaaten mitunter scharf. Sie verschränken Publizistik und Politik bei der Vermittlung von nationalen und internationalen Nachrichten. Alle drei Zeitungen sind mit
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großen koreanischen Konzernen verknüpft, die über diese Zeitungen Einfluss auf die öffentliche Meinung und die Politik ausüben können. Sie erschweren die Entwicklung Koreas von einer formalen zu einer faktischen Demokratie. Proteste gegen ihre marktbeherrschende Stellung zu erheben, ist in der gegenwärtigen Situation nicht leicht. 1999 kam es zu einer Kampagne gegen die größte Zeitung Koreas, die Chosun: Die sogenannte »Anti-Chosun-Undong« (Bewegung). Diese Bewegung erhielt viel Aufmerksamkeit. Jedoch konnte auch sie die Presselandschaft nicht verändern. Seit dem Jahr 2011 hat sich die Lage noch einmal verschärft. Zu beobachten ist, dass die großen Zeitungen durch Beteiligungen an Fernsehkanälen ihre Macht und ihren Einfluss in der koreanischen Gesellschaft erweitern. Vor diesem Hintergrund habe ich begonnen, mich wissenschaftlich mit der Anti-Springer-Kampagne zu beschäftigen. Meine Arbeit will mit der Analyse dieser Kampagne an der gegenwärtigen Bewegung für eine Medienreform in Korea partizipieren und aufzeigen, dass es historische Vorläufer der Pressekritik gab, mithin Erfahrungen, an denen man sich heute in Korea orientieren könnte.
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I Vorgeschichte der Anti-Springer-Kampagne
1. Zum theoretischen Hintergrund der Kampagne
»Springer und Kompagnon / s chreiben dir / d as Rezept geht zum Kiosk / h ol dir / a us der Papier-Apotheke die Anti-Hirnpillen / s ie wirken / t odsicher«1 A rtur Troppmann
»Die Erkenntnis, daß das, was in […] Zeitungen steht, nicht nur objektive Information ist, sondern manipuliert sein kann, war ein wichtiges Thema der Studentenbewegung 1968.« So wird die kurze Inhaltsangabe des Dokumentarfilms Brecht die Macht der Manipulateure (1967 / 68) eingeleitet, der von Helke Sander gedreht wurde und der die Kampagne gegen den als ›Manipulator‹ betrachteten Springer-Konzern sowie einen Teil ihrer Folgen darstellen wollte.2 Es ging aber nicht nur um »Erkenntnis«, sondern auch um Überzeugungen: »[A]t the heart of the SDS’s newfound campaign against the Springer media empire lay its conviction of the media’s ability to manipulate public opinion.«3 Die 22. Delegiertenkonferenz des SDS verabschiedete im September 1967 in Frankfurt am Main eine Resolution, die »zum Kampf gegen Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit« aufrief. Um »die Diktatur der 1 | Troppmann, Artur: »Todsicher«, zit. n. Fuhrmann, Joachim / H inrichsen, Diede rich / H üfner, Agnes / K uhnke, Klaus / S chütt, Peter / Wandrey, Uwe (Hg.): agitprop: Lyrik, Thesen, Berichte, zweite, unveränderte Auflage, Hamburg 1969, S. 90. 2 | Beiheft von Sander, Helke: DVD-Box (5 DVDs), Berlin 2007, S. 27; vgl. http://www. helke-sander.de / v om 23. Januar 2016. Helke Sander hat an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin studiert und 1968 den »Aktionsrat zur Befreiung der Frau« mit gegründet. Im September 1968 hielt sie als dessen Vertreterin bei der Delegiertenkon ferenz des SDS eine bahnbrechende Rede. Darauf folgte der berühmte ›Tomatenwurf‹, der als Auftakt für eine zweite Welle der Frauenbewegung in der Bundesrepublik gilt. 3 | Langston, Richard: Visions of Violence. German Avant-Gardes After Facism, Evan ston 2007, S. 169.
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Manipulateure«4 zu stürzen, wollte der SDS »gemeinsam mit allen Kräften der anti-autoritären und anti-kapitalistischen Opposition eine Kampagne zur Entlarvung und Zerschlagung des Springer-Konzerns führen«.5 Nach Ansicht des SDS war eine demokratische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik nicht vorhanden. Um jeglichen Zusammenschluss von Menschen zu verhindern, der an dieser Situation etwas ändern könnte, mobilisiere der Spätkapitalismus »ununterbrochen ein gigantisches Manipulationssystem«, das zur »künstlich[en] […] Isolierung der Produzenten« führe.6 Diese Resolution, so Gottfried Oy, fasse die wesentlichen Argumente der Manipulationsthese der Anti-Springer-Kampagne zusammen.7 Auch in den ersten Flugblättern, die die Studentenbewegung anfertigte und welche sich auf den Springer-Konzern bezogen, kritisierte der SDS die Manipulation durch die Springer-Presse scharf. Diese schüre Ressentiments gegen beliebige gesellschaftliche Gruppen und sorge für die Unterdrückung »jede[r] anti-institutionelle[n] Opposition«.8 Gegen die Manipulation der Öffentlichkeit kämpfte nicht nur der SDS. Während der Osterunruhen im Jahr 1968, die durch spontane Reaktionen auf den Mordanschlag auf Rudi Dutschke, den charismatischen Wortführer der APO, ausgelöst wurden und zur ›Springer-Blockade‹ führten, mit der die Auslieferung der Springer-Presse verhindert werden sollte, erklärte die als linksliberal geltende Humanistische Studenten-Union (HSU) in einem offenen Brief an Bundeskanzler Kiesinger: »Der Bundesvorstand der HSU hält […] Auslieferungsverhinderungen für verständliche Aktionen gegen die systematische Meinungsmanipulation in unserem Staate.«9 4 | Rudi Dutschke in der Fernsehsendung »Monitor« vom 3. November 1967, zit. n. ders.: Mein langer Marsch: Reden, Schriften und Tagebücher aus zwanzig Jahren, hg. von Gretchen Dutschke-Klotz / Jürgen Miermeister / Jürgen Treulieb, Hamburg 1980, S. 61. 5 | Altvater, Elmar / B lanke, Bernhard / D utschke, Rudi / K rahl, Hans-Jürgen / S chauer, Helmut: Resolution der 22. ordentlichen Delegiertenkonferenz des SDS (8.9.1967) zum Kampf gegen Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit, S. 4, in: APO-Archiv (Archiv »APO und soziale Bewegungen« der Freien Universität Berlin), SDS»Manipulation«, Privatbesitz, [Frank] Deppe / [ Tilman] Fichter. 6 | Ebd., S. 1 f. 7 | Vgl. Oy, Gottfried: Die Gemeinschaft der Lüge. Medien- und Öffentlichkeitskritik so zialer Bewegungen in der Bundesrepulik, Münster 2001, S. 125. 8 | Flugblatt des SDS, »Springer nicht enteignen …?«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne, zit. n. M. Seitenbecher: Den deut schen »Cäsar« bezwingen, S. 62. 9 | Offener Brief des Bundesvorsitzenden der HSU, Klaus Kreppel, vom 14. Mai 1968, zit. n. Kreppel, Klaus: »Linksliberalismus. Das Beispiel der Humanistischen StudentenUnion«, in: Richard Faber / E rhard Stölting (Hg.), Die Phantasie an die Macht? 1968 –
Zum theoretischen Hintergrund der Kampagne
D ie M anipul ationsthese und die K ulturkritik der F r ankfurter S chule Der ideologische Hintergrund der Kampagne gegen Springer speiste sich aus der intensiven Beschäftigung der Protestakteure mit den theoretischen Arbeiten aus dem Umfeld der Kritischen Theorie. Ihre Begründer gingen davon aus, dass die Presse ihre politische Unabhängigkeit verloren habe und »manipuliert« werden könne. Den Ursprung dieser Annahme kann man bis zum Anfang der 1940er Jahre zurückverfolgen: Der Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, Max Horkheimer, war während seines Exils in den USA zu der Einsicht gekommen, dass ein autoritärer Staat auf den Einsatz von repressiven Mitteln zur Herstellung von Massenloyalität verzichten könne, wenn es ihm gelinge, das Bewusstsein der Bevölkerung dauerhaft zu »manipulieren«. Die »Manipulation« der öffentlichen Meinung mittels der Informationsmedien erzeuge Massenloyalität.10 Horkheimer schrieb, dass es zum »Katechismus der autoritären Regierungskunst« gehöre, »die Isolierung der Individuen voneinander mit allen Verkehrsmitteln, mit Zeitung, Kino, Radio, systematisch« zu betreiben.11 Die Studie Dialektik der Auf klärung (1947), die er zusammen mit Theodor W. Adorno verfasste, verfolgte diesen Ansatz weiter und entwickelte ihn zu einer Kritik der modernen Medien- und »Kulturindustrie«. Die »ganze Welt« werde, so die These, »durch den Filter der Kulturindustrie geleitet«. Dies schränke die Vorstellungskraft und Spontaneität des Kulturrezipienten stark ein. Kulturkonsumenten würde jede »denkende Aktivität« verboten werden. »Je fester die Positionen der Kulturindustrie werden«, so die Argumentation, »um so summarischer kann sie mit dem Bedürfnis der Konsumenten verfahren, es produzieren, Versuch einer Bilanz, Berlin 2002, S. 82-106, hier S. 91. Dazu hat der Vertreter des Bundeskanzlers in der Antwort sein Bedauern darüber ausgedrückt, »daß der Bun desvorstand der HSU sich nicht von den gewaltsamen Aktionen zur Verhinderung von Zeitungsauslieferungen distanziert«. Zit. n. ebd. Die HSU wurde 1962 von Mitgliedern der Humanistischen Union gegründet und hatte 1968 ca. 1000 Mitglieder, die in 33 Gruppen zusammengeschlossen waren. Vgl. Weigt, Peter (Hg.): Revolutions-Lexikon. Taschenbuch der außerparlamentarischen Aktion, Frankfurt a. M. 1968, S. 26. 10 | Vgl. Max Horkheimer, »Autoritärer Staat«, in: ders., Gesammelte Schriften Band 5: ›Dialektik der Aufklärung‹ und Schriften 1940-1950, hg. von Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt a. M. 1987, S. 293-319; M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäser« bezwingen, S. 62; W. Kraushaar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1081. Das Theorem vom autoritären Staat, so Kraushaar, wurde 1940 unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Pak tes sowie der Nachricht vom Selbstmord Walter Benjamins aufgestellt. Vgl. ders.: 1968 als Mythos, S. 32. 11 | M. Horkheimer: »Autoritärer Staat«, S. 302.
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steuern, disziplinieren, selbst das Amusement ein[be]ziehen«.12 Adorno und Horkheimer gingen davon aus, dass die fortwährende bürgerliche Herrschaft irrational war, und betonten deren »manipulative Herrschaftsmechanismen«.13 Auch die angestrebte Demokratisierung der Kultur hatte aus ihrer Sicht keinen emanzipativen Charakter mehr. Vielmehr werde »Aufklärung als Massenbetrug« dargestellt,14 so der Untertitel des Kulturindustriekapitels – das klinge, so Kraushaar, wie eine weitere Variante der Manipulationsthese.15 Die Kulturindustrie, lautet Horkheimers und Adornos Fazit, sei Betrug. Sie halte nicht das, was sie verspreche: ein schönes und besseres Leben.16 Auch andere Intellektuelle aus dem Umfeld der Frankfurter Schule formulierten die Kritik am ›manipulierenden‹ Einfluss der Kulturindustrie und der Massenmedien. Durch Verknüpfung mit Argumenten Herbert Marcuses und des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger erhielt die Manipulationsidee eine neue Ausrichtung. Enzensberger, den man in einem weiteren Sinne auch zu den Schülern der Kritischen Theorie zählen kann, spielte eine Mentorenrolle für die 68er-Bewegung in der Bundesrepublik und deren Kulturkritik. Er hatte 1962 den Begriff der »Bewußtseins-Industrie« entwickelt und darin auch der Medienkritik eine wichtige Bedeutung zugeschrieben. Bei dieser zur »Schlüsselindustrie« des 20. Jahrhunderts gewordenen »Bewußtseins-Industrie« komme es darauf an, »die existierenden Herrschaftsverhältnisse zu verewigen«. Dieses Ziel werde durchgesetzt, so Enzensberger, indem ein fiktives Bewusstsein der Massen errichtet werde.17 Herbert Marcuse, der als wichtiger Vordenker und Ideengeber der weltweiten 68er-Bewegung gilt, beschäftigte sich in seiner Untersuchung Der eindimensionale Mensch mit der Öffentlichkeit der Ge12 | Horkheimer, Max / A dorno, Theodor W.: »Dialektik der Aufklärung«, in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, Band 3, hg. von Rolf Tiedemann, Darmstadt 1998, S. 147 f. und S. 166. 13 | G. Oy: Die Gemeinschaft der Lüge, S. 27. 14 | M. Horkheimer / T. W. Adorno: »Dialektik der Aufklärung«, S. 141. Vgl. auch G. Oy: Die Gemeinschaft der Lüge, S. 28. 15 | Vgl. W. Kraushaar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1081. 16 | Vgl. M. Horkheimer / T. W. Adorno: »Dialektik der Aufklärung«, S. 161. 17 | Enzensberger, Hans Magnus: »Bewußtseins-Industrie«, in: ders., Einzelheit, Frank furt a. M. 1962, S. 7-15. Vgl. auch Hodenberg, Christina von: »Konkurrierende Konzepte von ›Öffentlichkeit‹ in der Orientierungskrise der 60er Jahre«, in: Frese / P aulus / Tep pe (Hg.), Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch (2005), S. 205-226, hier S. 221; W. Kraushaar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1081 f.; M. Seiten becher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 62; Michael Schmidtke: »›1968‹ und die Massenmedien – Momente europäischer Öffentlichkeit«, in: Jörg Requate / M artin Schulze Wessel (Hg.), Europäische Öffentlichkeit. Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2002, S. 273-294, hier S. 277 f.
Zum theoretischen Hintergrund der Kampagne
genwart, vor allem der Massenmedien, die er als Teil eines repressiven Systems betrachtete. Dieses System zwinge mittels »Manipulation« der Masse dem einzelnen Menschen unechte Bedürfnisse auf, lähme seine kritische Vernunft und schaffe letztendlich ein »eindimensionales Denken« des Menschen.18
D er »S truk turwandel der Ö ffentlichkeit« von J ürgen H abermas Die 68er-Bewegung ist »die erste soziale Bewegung«, wie Kathrin Fahlenbrach schreibt, »die ihre Aktionen nicht nur politisch, sondern auch medientheoretisch begründet«.19 Als wichtige theoretische Fundierung der Anti-SpringerKampagne kann die im Juni 1962 unter dem Titel Strukturwandel der Öffentlichkeit20 erschienene Habilitationsschrift von Habermas verstanden werden. In dieser Studie, die der Soziologe Ralf Dahrendorf im gleichen Jahr in einem Rundfunkvortrag als eine der »wichtigsten deutschen Veröffentlichungen der Nachkriegszeit«21 bezeichnete, setzte sich Habermas mit der Entstehung und Wandlung der bürgerlichen Öffentlichkeit seit dem 17. Jahrhundert auseinander. Der Autor, der als der bekannteste Theoretiker der »zweiten Generation«22 der Kritischen Theorie gilt, legte die zentrale Bedeutung von Öffentlichkeit für den bürgerlichen Verfassungsstaat dar. Sie sei zu einer Instanz demokratischer Kontrolle gegenüber politischer Herrschaft geworden. Indem er »›Öffentlichkeit‹ als politischen Begriff« freilegte, »ohne seine Verwandlung durch privates Eigentum und Konsumgesellschaft zu vernachlässigen«,23 bildete Habermas einen Idealtypus bürgerlicher Öffentlichkeit, deren Zerfall er bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nachzeichnete.24 18 | Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fort geschrittenen Industriegesellschaft, Neuwied 1967. Vgl. auch M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 63. 19 | K. Fahlenbrach: Protest-Inszenierungen, S. 170. 20 | Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990 (zuerst: 1962), S. 49. 21 | Zit. n. Reck, Siegfried: »Öffentlichkeit und Rechtsstaat. Zu Habermas’ ›Struktur wandel der Öffentlichkeit‹«, in: neue kritik 4, 14 (1963), S. 16. 22 | Demirovic, Alex: »Das Institut für Sozialforschung: Ein Ort kritischer Gesellschafts theorie«, in: Forschung Frankfurt 3 (1999), S. 20-35, hier S. 24, zit. n. G. Oy: Die Ge meinschaft der Lüge, S. 31. 23 | Müller, Hans Dieter: Der Springer-Konzern. Eine kritische Studie, München 1968, S. 9 f. 24 | Vgl. J. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Vgl. auch W. Kraushaar: »1968 und Massenmedien«, S. 322; Hodenberg, Christina von: Konsens und Krise.
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Eine bürgerliche Öffentlichkeit richtete sich zunächst gegen das absolutistische Reglement des 17. Jahrhunderts, bevor sie sich, so seine These, als kritisches Publikum konstituiert, das in den um die Mitte des 17. Jahrhunderts gegründeten Salons und Kaffeehäusern zusammentraf und diskutierte.25 Kritische Publizität und Publizistik, die sich gegenüber Herrschaft vermittelnd, überwachend und eindämmend verhielten, seien zum Kernstück bürgerlicher Öffentlichkeit geworden. »Bürgerliche Öffentlichkeit läßt sich vorerst als die Sphäre der zum Publikum ver sammelten Privatleute begreifen; diese beanspruchen die obrigkeitlich reglemen tierte Öffentlichkeit alsbald gegen die öffentliche Gewalt selbst, um sich mit dieser über die allgemeinen Regeln des Verkehrs in der grundsätzlich privatisierten, aber öffentlich relevanten Sphäre des Warenverkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit auseinanderzusetzen.«26
Der Zerfall dieser bürgerlichen Öffentlichkeit habe bereits am Ende des 19. Jahrhunderts eingesetzt. Sowohl die Teilnahme aller Staatsbürger am politischen Prozess als auch eine rationale Diskussion hätten nicht mehr stattgefunden. Die Öffentlichkeit habe »immer weitere Sphären der Gesellschaft« durchdrungen, aber »ihre politische Funktion, nämlich die veröffentlichten Tatbestände der Kontrolle eines kritischen Publikums zu unterwerfen«, verloren.27 Während dieses Zerfallsprozesses, so Habermas, habe sich die Vermittlungsfunktion der Publizität zwischen Gesellschaft und Staat vom Publikum entfernt und sei auf Institutionen wie Verbände und Parteien übergegangen. Diese hätten sich intern über Machtvollzug und Machtausgleich gegenüber dem Staatsapparat verständigt. Die Massenmedien seien dabei vor allem der Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945-1973, Göttingen 2006, S. 16; Scheibe, Moritz: »Auf der Suche nach der demokratischen Gesellschaft«, in: Ul rich Herbert (Hg.), Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Li beralisierung 1945-1980, Göttingen 2002, S. 245-277, hier S. 255. Habermas hat sei ne Studie Wolfgang Abendroth in Marburg gewidmet, bei dem er habilitierte. Auf Druck Horkheimers, der sich 1958 am Frankfurter Institut für Sozialforschung gegen die sei nes Erachtens von Habermas vertretene revolutionär-idealistische Marxismusinterpre tation gewandt hätte, hatte Adorno, der ursprünglich der Betreuer der Habilitation war, die Annahme der Arbeit abgelehnt. Vgl. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 292, Anm. 15; Kraushaar, Wolfgang (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewe gung. Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail 1946-1995, Band 1, Frankfurter a.M. 1998, S. 190. 25 | Vgl. J. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 90 ff. 26 | Ebd., S. 86. 27 | Ebd., S. 223.
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Aufgabe nachgekommen, im Publikum Zustimmung oder mindestens Duldung hervorzurufen. Da außerdem Zeitungen und Zeitschriften wegen des Anzeigengeschäftes mehr und mehr von wirtschaftlichen Interessen abhängig geworden seien, hätten die Massenmedien die Funktion kritischer Publizität eingebüßt.28 Die Gefahr der manipulativen Nutzung von Medien beschrieb Habermas mit den Worten: »Ursprünglich garantierte Publizität den Zusammenhang des öffentlichen Räsonne ments sowohl mit der legislativen Begründung der Herrschaft als auch mit der kritischen Aufsicht über deren Ausübung. Inzwischen ermöglicht sie die eigentümliche Ambivalenz einer Herrschaft über die Herrschaft der nichtöffentlichen Meinung: Sie dient der Mani pulation des Publikums im gleichen Maße wie der Legitimation vor ihm. Kritische Publi zität wird durch manipulative verdrängt. […] Statt der öffentlichen Meinung spielt sich in der manipulierten Öffentlichkeit eine akklamationsbereite Stimmung ein«. 29
Habermas vertrat die These, dass die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik konform, wehrlos und manipulierbar geworden sei und zwischen der Manipulation von oben und der Apathie der käuflichen Konsumenten zerrieben werde. Seine Ausführungen hinterließen im studentischen Milieu einen nachhaltigen Eindruck und schlugen sich beispielsweise 1968 in einer studentischen Zeitschrift deutlich nieder. In einem Artikel der marburger blätter hieß es: »Ehemals kritische Publizität wird zum Mittel gesteuerter Integration. Dadurch wer den liberal-demokratische Institutionen in Herrschaftseinrichtungen einer Minderheit transformiert. Das Informations- und Entscheidungsmonopol der Parteiführungsstäbe in Verbindung mit den etablierten Herrschaftsträgern außerhalb des Parlaments ver dammt die Mehrheit der Volksvertretung zum Ritual formaler Akklamation.« 30
Das Parlament, welches einmal öffentlich konkurrierende Interessengegensätze gestützt habe und »Kontrollorgan der Exekutive« gewesen sei, glätte nun »als manipulatives Integrationsmittel gesellschaftliche Konflikte«.31 Der Einfluss von Habermas’ Studie war so groß, dass die Akteure des SDS Habermas als Hauptreferenten für ihre Delegiertenkonferenz im Herbst 1962 in das Frankfurter Studentenhaus einluden.32 Darüber hinaus publizierte 1963 die Zeitschrift neue kritik, das Bundesorgan des SDS, eine Rezension über sie. Es 28 | Ebd., S. 270. 29 | Ebd. und S. 321. 30 | »Spätkapitalismus und intellektuelle Opposition in der Bundesrepublik«, in: mar burger blätter, 18, 5 / 6 (1968), S. 11-18, hier S. 13. 31 | Ebd. 32 | Vgl. W. Kraushaar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1082.
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war ein Aufsatz, der »keine Buchbesprechung im üblichen Sinne« sein sollte. Es ging vielmehr »um die Herausarbeitung […] bestimmter gesellschaftlicher Tendenzen«, die bei der Diskussion um die Möglichkeiten einer Demokratisierung der westlichen Gesellschaft im Zentrum zu stehen hätten.33 Aufgrund der Überlegungen von Habermas könne man, so der Autor des Essays, »die Chancen für die Erhaltung« oder die »Wiederbelebung rechtstaatlich bewußter Öffentlichkeit« zweifelsohne als »äußerst pessimistisch« einschätzen: ein »gewiß sachlich berechtigter Pessimismus«.34 Indem er in Strukturwandel der Öffentlichkeit eine nichtvorhandene oder manipulierte Öffentlichkeit für eine nichtvorhandene oder verkümmerte Demokratie verantwortlich machte, prägte Habermas die im SDS aktiven Studenten tiefgreifend. Gewannen diese doch die Überzeugung, dass ohne eine funktionierende Öffentlichkeit keine funktionsfähige Demokratie möglich sei. Der SDS hatte sich schon früh mit dieser Problematik beschäftigt. Bereits 1961 war ein Bundesseminar mit dem Thema »Massenmanipulation und politisches Bewusstsein« veranstaltet worden. Die Habilitationsschrift von Habermas traf bei den Akteuren des SDS einen Nerv.35 Oskar Negt, damals Assistent von Habermas, bezeichnete die Studie zehn Jahre später als »einen Wendepunkt der Linken in der Auseinandersetzung mit den Massenmedien«. Wie wichtig sie war, beschrieb er in der Einleitung des Buches Kritische Kommunikationsforschung: »Für alle Versuche der Protestbewegung, die antiautoritären, wesentlich noch auf indi viduelle Emanzipation abgestellten Inhalte der kritischen Theorie in kollektiven Formen der Gegenöffentlichkeit auf ihre politischen Konsequenzen zu bringen, war das 1962 erschienene Buch von Jürgen Habermas ›Strukturwandel der Öffentlichkeit‹; es markiert theoretisch wie praktisch einen Wendepunkt der Linken in der Auseinandersetzung mit den Massenmedien: indem es die mit Kulturkritik aufs engste verflochtenen medien theoretischen Ansätze der Frankfurter Schule in den kategorialen Zusammenhang einer empirischen Gesellschaftsanalyse einbezog, wurde es zum praktisch politischen Im
33 | S. Reck: »Öffentlichkeit und Rechtsstaat«, S. 16. 34 | Ebd., S. 19. Fast 20 Jahre danach aber ändert Habermas seine Meinung, wenn er in seiner Theorie des komunkaktiven Handels (1981) zu dem Schluss kommt, dass auch in postliberalen Gesellschaften bürgerliche Öffenlichkeit nicht ganz ausgeschaltet ist. Vgl. ders.: Theorie des kommunikativen Handelns, Band 2, Frankfurt a. M. 1981. 35 | Vgl. Bauß, Gerhard: Die Studentenbewegung der sechziger Jahre in der Bundesre publik und Westberlin, Köln 1977, S. 72, Anm. 5; Kraushaar, Wolfgang: »Denkmodelle der 68er-Bewegung«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 22-23 (2001), S. 14-27, hier S. 18; Hadem, Marco: Wechselwirkungen – Die Berichterstaatung ausgewählter Zeitun gen des Axel-Springer-Verlags und die ›Anti-Springer-Kampagne‹ der 68er-Studenten bewegung, Norderstedt 2008, S. 45.
Zum theoretischen Hintergrund der Kampagne puls für die später von den Protestbewegungen formulierte Strategie der Herstellung von Öffentlichkeit.« 36
Im September 1967 rief der SDS in der Resolution zum Kampf gegen Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit dazu auf, langfristig »eine aufklärende Gegenöffentlichkeit zu schaffen«, damit man das Informationsund Marktmonopol der Springer-Presse dauerhaft brechen könne.37 In der Tat war der Anteil des Springer-Konzerns an der Gesamtauflage deutscher Tageszeitungen schon zwischen 1956 und 1965 von 21 Prozent auf 37 Prozent gestiegen. In Berlin und Hamburg beherrschte er sogar 67 Prozent bzw. 69 Prozent des Zeitungsmarkts. Aus der Perspektive von Habermas stellten diese Konzentrationsprozesse in der Medienbranche »einen grundlegenden Strukturwandel der Öffentlichkeit« dar.38
36 | Negt, Oskar: »Massenmedien: Herrschaftsmittel oder Instrument der Befrei ung?«, in: Dieter Prokop (Hg.), Kritische Kommunikationsforschung. Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialforschung, München 1973, S. I-XXVIII, hier S. VIII, Herv. i. O. Das Buch von Habermas wurde nach Jochen Staadt zum »Katechismus der Anti-SpringerAktivisten.« Staadt, Jochen: »Die Drahtzieher der Anti-Springer-Kampagne«, in: Berliner Morgenpost vom 6. Juni 2009, http://www.morgenpost.de/berlin/article104192760/ Die-Drahtzieher-der-Anti-Springer-Kampagne.html vom 15. Januar 2016. 37 | E. Altvater et al.: Resolution, S. 4 (Archivalien). Im Kampf gegen eine als von Mas senmedien, insbesondere von Springer-Medien, manipuliert betrachtete Öffentlichkeit gewann so auch der Begriff der »Gegenöffentlichkeit« an Bedeutung. 38 | Vgl. M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 176.
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2. Die Spiegel-Affäre: Vorspiel der Kampagne und der 68er-Bewegung
Schon im Herbst 1962, fünfeinhalb Jahre vor der Osterunruhe 1968 und dem Kulminationspunkt der Anti-Springer-Kampagne, brach in der Bundesrepublik eine heftige Auseinandersetzung um die Pressefreiheit aus: Die sogenannte Spiegel-Affäre, die durch die Besetzung der Redaktionsräume und die Verhaftung leitender Redakteure des Spiegels wegen angeblichen Landesverrats eingeleitet wurde, bewirkte »nicht nur eine Regierungskrise, sondern auch eine breite Mobilisierung der Öffentlichkeit«.1 Während diese Maßnahmen auf scharfe Kritik von Journalisten und Intellektuellen sowie Professoren stießen, gingen 1 | Gilcher-Holtey, Ingrid: »Vorwort«, in: Dorothee Liehr, Von der Aktion gegen den Spiegel zur Spiegel-Affäre. Zur gesellschaftspolitischen Rolle der Intellektuellen, Frankfurt a. M. 2002, S. 9; eine ausführliche Darstellung und Dokumentation der Spiegel-Affäre bietet Seifert, Jürgen (Hg.):Die Staatsmacht und ihre Kontrolle (=Die Spiegel-Affäre. Band 1, hg. von Alfred Grosser / d ers.), Olten / F reiburg i. Br. 1966; ders. (Hg.):Die Reaktion der Öffentlichkeit (= Die Spiegel-Affäre. Band 2, hg. von Thomas Ell wein / M anfred Liebel / I nge Negt), Olten / F reiburg i. Br. 1966; eine gute Zusammenfas sung der Ereignisse findet sich bei Kleßmann, Christoph: Zwei Staaten, eine Nation. Deutsche Geschichte 1955-1970, Göttingen 1988, S. 162 ff.; vgl. auch Søe, Christian: Politische Kontrolle und Verantwortlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland am Ende der Adenauer-Ära. Eine Verlaufsanalyse der Spiegel-Affäre (= Dissertation, Freie Uni versität Berlin 1972), Berlin 1976; Brawand, Leo: Rudolf Augstein, Düsseldorf 1995, S. 131-158; Weiß, Matthias: »Journalisten: Worte als Taten«, in: Norbert Frei (Hg.), Kar rieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945, Frankfurt a. M. 2001, S. 241-299, hier S. 272 ff.; Köhler, Otto: Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland, München 2003, S. 123-146; Greiwe, Ulrich: Augstein. Ein gewisses Doppelleben, München 2003, S. 5080; Schröder, Dieter: Augstein, München 2004, S. 108-120; Bölsche, Jochen (Hg.): Ru dolf Augstein. Schreiben, was ist: Kommentare, Gespräche, Vorträge, München 2004, S. 85-104; C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 328 ff.; unlängst auch: Merseburger, Peter: Rudolf Augstein. Biographie, München 2007, S. 244-289; Doerry, Martin / J ans sen, Hauke (Hg.): Die SPIEGEL-Affäre: Ein Skandal und seine Folgen, München 2013.
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Studierende aus Protest gegen die Regierung auf die Straße und demonstrierten, »im Namen verletzter Grundrechte«,2 für die Pressefreiheit. Zwischen »autoritäre[m] Kanzlerregime«3 und den Verteidigern der Pressefreiheit baute sich eine Front auf. Für die einen ging es um ›Landesverrat‹, für die anderen um Presse- und Meinungsfreiheit.
D ie R egierungskrise Die Spiegel-Ausgabe vom 10. Oktober 1962 enthielt die Titelgeschichte »Bedingt abwehrbereit«, die das NATO-Herbstmanöver »Fallex 62« ausführlich analysierte. In dem Artikel setzte sich der Spiegel »mit der Verteidigungskonzeption der Bundesrepublik« auseinander und hob »die Mängel in der Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr« hervor.4 Aus Sicht des Spiegels war offensichtlich, dass »die Vorbereitungen der Bundesregierung für den Verteidigungsfall völlig ungenügend« seien. Die Redaktion des Magazins kam zu dem Schluss, der Bundeswehr könne lediglich die »NATO-Note: zur Abwehr bedingt geeignet« zugeschrieben werden.5 Aufgrund des Artikels leitete die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein, das die Informationsquelle der Spiegel-Reportage aufdecken sollte. Zwei Wochen nach Erscheinen des Beitrags, am 23. Oktober 1962, wurden Haftbefehle gegen mehrere Redakteure, unter anderen den Herausgeber Rudolf Augstein sowie den zuständigen Redakteur für Bundeswehrthemen, Conrad Ahlers, erlassen.6 Am 27. Oktober wurden Augstein in Hamburg und Ahlers in Spanien »wegen dringenden Verdachts, Militärgeheimnisse verraten und deshalb Landesverrat begangen zu haben«,7 in Untersuchungshaft genommen. Conrad Ahlers, der zusammen mit seiner Frau in Spanien im Urlaub war, wurde aufgrund der, wie sich später herausstellte, per2 | Habermas, Jürgen: Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt a. M. 1969, S. 169. 3 | Thränhardt, Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1996, S. 151. 4 | Vgl. ebd., S. 153; Doering-Manteuffel, Anselm: Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer. Außenpolitik und innere Entwicklung 1949-1963, Darmstadt 1983, S. 242; D. Schröder: Augstein, S. 109. 5 | Zit. n. C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 162. Vgl. auch P. Merseburger: Rudolf Aug stein, S. 244 f. 6 | Vgl. Kepplinger, Hans Mathias: »Publizistische Konflikte«, in: Wilke (Hg.), Medienge schichte, S. 698-719, hier S. 702; O. Köhler: Rudolf Augstein, S. 134. 7 | W. Kraushaar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1080. Am 7. Februar 1963, erst nach 103 Tagen, kam Augstein aus der Untersuchungshaft frei. Damit war er der am längsten inhaftierte Spiegel-Mitarbeiter.
Die Spiegel-Af färe: Vorspiel der Kampagne und der 68er-Bewegung
sönlichen Intervention von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) von der dortigen Polizei festgenommen.8 Vor allem dieses Vorgehen des Ministers löste in der Öffentlichkeit Empörung aus. Bereits in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober hatte die Polizei einen Einsatz in den Spiegel-Redaktionsräumen. Polizisten durchsuchten die Zentrale, also die Hamburger Redaktion, die Bonner Redaktion sowie mehrere Privatwohnungen »nach illegal beschafften Informationen«. Die Redaktionsräume blieben wochenlang besetzt. Rund 30.000 Schriftstücke wurden beschlagnahmt.9 Trotzdem sollte die Sache juristisch letztlich keinen Erfolg haben. Der Bundesgerichtshof lehnte im Mai 1965 die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen Augstein und Ahlers wegen Mangels an Beweisen ab. Bereits Anfang des Jahres war es zur Einstellung der meisten Ermittlungsverfahren gegen die in die Affäre verwickelten Personen gekommen.10 Die Polizeimaßnahmen, nicht zuletzt die ›Nacht-und-Nebel-Aktion‹ gegen den Spiegel, lösten ein politisches Erdbeben aus und wurden zum »Bumerang für die Regierenden«.11 Dass diese Aktion ohne Wissen und folglich auch ohne Veranlassung des zuständigen Bundesjustizministers Wolfgang Stammberger
8 | Vgl. Pross, Harry: »Presse – Konzentration und Alternative«, in: Hilmar Hoff mann / H einrich Koltz (Hg.), Die Kultur unseres Jahrhunderts. Band 5: Die Sechziger, Düsseldorf 1987, S. 222-239, hier S. 230; C. Søe: Politische Kontrolle, S. 205; O. Köh ler: Rudolf Augstein, S. 135 f.; D. Schröder: Augstein, S. 111 ff. 9 | Vgl. Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999, S. 383; H. M. Kepplinger: »Publizistische Konflikte«, S. 702; Seifert, Jürgen: »Die Spiegel-Affäre«, in: Georg M. Hafner / E dmund Jacoby (Hg.), Die Skandale der Republik, Hamburg 1990, S. 69-84, hier S. 73; P. Mer seburger: Rudolf Augstein, S. 254 f. Diese Aktion gegen den Spiegel, so Dieter Wild, sei der »größte Politkrimi in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« gewesen. Ders.: »(K)ein Abgrund von Landesverrat«. Vortrag über die Spiegel-Affäre am 12. Juli 2005 in Hörsaal 19 der Universität Leipzig. Zit. n. ebd., S. 254. Zu den Ereignissen der Nacht vom 26. zum 27. Oktober 1962: D. Liehr: Von der Aktion, S. 15 ff.; L. Brawand: Rudolf Augstein, S. 143 f. 10 | Vgl. Liege, Hubert (Hg.): Deutschland 1945-1963, Hannover 1967, S. 321; J. Sei fert: »Die Spiegel-Affäre« (1990), S. 83; J. Bölsche (Hg.): Rudolf Augstein, S. 86; P. Mer seburger: Rudolf Augstein, S. 268. Die juristischen Aspekte der Affäre sind ausführlich dokumentiert bei J. Seifert (Hg.): Die Spiegel-Affäre, Band 1, S. 549 ff. 11 | Schildt, Axel: »Materieller Wohlstand – pragmatische Politik – kulturelle Umbrüche. Die 60er Jahre in der Bundesrepublik«, in: ders. / S iegfried / L ammers (Hg.), Dynamische Zeiten (2000), S. 21-53, hier S. 40; ders.: »Vor der Revolte«, S. 10; M. Görtemaker: Ge schichte der Bundesrepublik, S. 383; vgl. auch U. Greiwe: Augstein, S. 75.
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(FDP) erfolgt und damit »etwas außerhalb der Legalität«12 verlaufen war, wie Bundesinnenminister Hermann Höcherl (CSU) eingestehen musste, wurde als besonders skandalös angesehen. Aufgrund dieser »politischen Brüskierung des Koalitionspartners«13 weitete sich die Affäre bald zur Regierungskrise aus und leitete »das letzte Kapitel der Ära Adenauer«14 ein bzw. beschleunigte den »Untergang der Adenauerära«.15 Stammberger, der erst aus der Presse von den Maßnahmen gegen den Spiegel erfahren hatte, verlangte von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) seine Entlassung als Minister. Zudem forderten die Freien Demokraten, dass zumindest die beiden Staatssekretäre des Verteidigungs- und Justizministeriums, Volkmar Hopf und Walter Strauß, die es versäumt hatten, den Justizminister über die ergriffenen Maßnahmen gegen den Spiegel zu informieren, entlassen werden sollten.16 Überzeugt von der Rechtmäßigkeit der Aktion, weigerte sich Adenauer, den Rücktritt anzunehmen. Unter diesen Umständen beschloss die FDP, ihre Minister aus dem Kabinett abzuziehen, um eine Regierungsneubildung zu erzwingen. Es ging ihr darum, ein neues Kabinett zu bilden, dem eine Person nicht angehören sollte: Franz Josef Strauß.17 Von Anfang an stand Strauß als der »eigentliche Drahtzieher der Strafver folgungsaktion«18 gegen den Spiegel sowie der Verhaftung Ahlers und seiner Frau in Spanien im Zentrum der Aufmerksamkeit. Hinter den Geschehnissen vermuteten Zeitgenossen ein Ringen zwischen dem Magazin und dem Verteidigungsminister. Zwischen beiden hatte es eine seit Längerem andauernde Fehde gegeben, in der die Zeitschrift Strauß wegen dessen Pläne für eine atomare Aufrüstung kritisiert und »als korrupte[n], maßlos ehrgeizige[n], macht- und kriegslüsterne[n] Anwärter auf die Kanzlerschaft« porträtiert hatte.19 Strauß erklärte jedoch, mit der Affäre nichts zu tun haben. Angesichts des 12 | Liebel, Manfred: »Die öffentlichen Reaktionen in der Bundesrepublik«, in: Seifert (Hg.), Die Spiegel-Affäre. Band 2 (1966), S. 37-240, hier S. 107. 13 | C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 164. 14 | Mündemann, Tobias: Die 68er. … und was aus ihnen geworden ist, München 1988, S. 51. 15 | Grimberg, Steffen: »Staatsstreich im Regen«, in: tageszeitung vom 26. Oktober 2002, http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2002/10/26/a0198 vom 26. Januar 2016. 16 | Vgl. M. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik, S. 383; H. Liege (Hg.): Deutschland, S. 317. 17 | Vgl. C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 164; M. Görtemaker: Geschichte der Bundesre publik, S. 383; L. Brawand: Rudolf Augstein, S. 154 f. 18 | W. Kraushaar: »1968 und Massenmedien«, S. 323. 19 | C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 328. Vgl. auch D. Liehr: Von der Aktion, S. 24; M. Görtemaker: Geschichte der Bundesrepublik, S. 381; O. Köhler: Rudolf Aug stein, S. 131-134; D. Schröder: Augstein, S. 102-108. Zu einer langen und ausführlichen Darstellung der ab Ende der 50er Jahre beginnenden Fehde, vgl. P. Merseburger: Rudolf
Die Spiegel-Af färe: Vorspiel der Kampagne und der 68er-Bewegung
Verdachts seiner Beteiligung an der als illegal betrachteten und deshalb zum Skandal gewordenen Festnahme des Ehepaars Ahlers in Spanien beteuerte der Verteidigungsminister bereits am 30. Oktober in der Frankfurter Abendpost, dass er »mit der Ingangsetzung dieser Aktion nichts zu tun« habe.20 Strauß versuchte am 7. November im Bundestag zunächst sein Vorgehen, das zur Verhaftung von Ahlers geführt hatte, zu vertuschen. Am selben Tag, während der Fragestunde vor dem Bundestag, verteidigte Bundeskanzler Adenauer, der sich immer vorbehaltlos hinter Strauß gestellt hatte, ohne seine Antipathie gegen den Spiegel zu verheimlichen, die Ende Oktober gegen das Nachrichtenmagazin eingeleiteten Polizeimaßnahmen mit den Worten: »Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande«. Außerdem warf er Augstein vor, den Landesverrat systematisch zu betreiben, um damit Geld zu verdienen.21 Diese willkürliche Verurteilung des Spiegels durch Adenauer sorgte sowohl bei FDP und SPD als auch in der Öffentlichkeit für Empörung. Wenige Tage später musste Strauß zugeben, dass er die Festnahme von Conrad Ahlers in Spanien veranlasst hatte.22 Unter dem Eindruck des eskalierenden Protests der Öffentlichkeit gegen die Regierung im Allgemeinen und Strauß im Besonderen traten am 19. November die fünf FDP-Minister zurück. Die SPD forderte den Rücktritt von Strauß.23 Nach den Verhandlungen zwischen CDU / CSU und SPD über die Möglichkeit einer Großen Koalition, die erfolglos abgebrochen wurden, erklärten am 27. November auch die Minister der Union ihren Rücktritt, um die Voraussetzungen für die Regierungsneubildung in einer kleinen Koalition zu schaffen. Nicht nur die FDP, sondern auch vier Minister der CDU wollten ein neues Kabinett ohne Strauß. Am 30. November erklärte dieser, er werde nicht mehr ins Kabinett eintreten. Am 11. Dezember wurde aus einer erneuerten CDU / CSUFDP-Koalition die neue Regierung gebildet. Adenauer blieb Regierungschef,
Augstein, S. 224-243. Mit seinem Griff nach Atomwaffen schien Strauß Augstein sehr gefährlich zu sein und wurde zum »überdimensionierte[n] Feindbild«, das »der Spiegel Heft für Heft und Jahr für Jahr« aufgebaut habe. Ebd., S. 233. Vgl. auch U. Greiwe: Aug stein, S. 52-64 und S. 68; O. Köhler: Rudolf Augstein, S. 133 f.; C. Søe: Politische Kon trolle, S. 56-86. 20 | Zit. n. J. Seifert: »Die Spiegel-Affäre« (1990), S. 74 f. Vgl. auch O. Köhler: Rudolf Augstein, S. 129. 21 | Vgl. Schoenbaum, David: »Ein Abgrund von Landesverrat«. Die Affäre um den Spiegel, Wien 1968, S. 117; D. Schröder: Augstein, S. 114. 22 | Vgl. Winkler, Heinrich August: Der lange Weg nach Westen, Band 2: Deutsche Ge schichte vom »Dritten Reich« bis zur Wiedervereinigung, München 2000, S. 210; G. Kru ip: Das »Welt«-»Bild«, S. 252. 23 | Vgl. A. Doering-Manteuffel: Die Bundesrepublik Deutschland, S. 244.
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hatte aber seinen Rücktritt für den Herbst des Jahres 1963 zusagen müssen.24 Dass Strauß der neuen Bundesregierung nicht mehr angehörte, kommentierte Hans Magnus Enzensberger in einem Brief an Alfred Andersch vom 30. Januar 1963 mit den Worten: »das war für deutsche verhältnisse ein unwahrscheinlicher sieg für die demokratie«.25 Mit Strauß’ Sturz war die durch die Spiegel-Affäre ausgebrochene Regierungskrise beendet und die Affäre politisch bewältigt.
D ie M obilisierung der Ö ffentlichkeit Neben den erheblichen Folgewirkungen auf die Politik, die sich in einer Regierungskrise manifestierten, löste die Spiegel-Affäre in der Öffentlichkeit »eine bis dahin unbekannte Mobilisierung und Solidarisierung im Zeichen der Pressefreiheit« aus.26 Die Massenmedien reagierten mehrheitlich kritisch bis heftig, und erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik rollte eine wochenlange Welle von Protesten, Demonstrationen, Erklärungen, Diskussionsveranstaltungen und studentischen Sitzstreiks durch das Land.27 Die Spiegel-Affäre zog in Westdeutschland eine sofortige Reaktion sowohl der Presse und des Hörfunks als auch des Fernsehens nach sich. Von Ende Oktober bis Anfang Dezember berichteten die Medien täglich über die Affäre und gingen ungewöhnlich intensiv auf die Vorgänge ein. »Kaum ein Blatt, das nicht mehrere Kommentare zum Thema druckte. Das Fernsehmagazin ›Panorama‹ brachte drei ausführliche Beiträge […]. Und von den 70 Nachrichten-Schlagzeilen [der fünf überregionalen Tageszeitungen, Anm. d. V.] betrafen in dieser Zeit 54 die Spiegel-Affäre.«28 24 | Vgl. D. Thränhardt: Geschichte der Bundesrepublik, S. 155 f.; H. Liege (Hg.): Deutschland, S. 322 f.; A. Doering-Manteuffel: Die Bundesrepublik Deutschland, S. 244; H. A. Winkler: Der lange Weg, S. 210 f.; D. Schröder: Augstein, S. 115; L. Bra wand: Rudolf Augstein, S. 155. Erstmals wurde eine Bundesregierung nicht nach Wah len, sondern als Folge innenpolitischer Auseinandersetzungen neu gebildet. Adenauer, so Ulrich Greiwe, sei jedoch in diesem Winter politisch bereits »ein toter Mann« gewe sen. U. Greiwe: Augstein, S. 76. 25 | Zit. n. Øhrgaard, Per: »ich bin nicht zu herrn willy brandt gefahren« – Zum politi schen Engagement der Schriftsteller in der Bundesrepublik am Beginn der 60er Jahre, in: Schildt / Siegfried / L ammers (Hg.), Dynamische Zeiten (2000), S. 719-733, hier S. 728. 26 | C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 329. Vgl. auch P. Merseburger: Rudolf Aug stein, S. 255 f. und S. 265 f.; D. Schröder: Augstein, S. 118; L. Brawand: Rudolf Aug stein, S. 147; C. Søe: Politische Kontrolle, S. 294-321. 27 | Vgl. C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 166; M. Görtemaker: Geschichte der Bundes republik, S. 385. 28 | Schöpf, Joachim: Die Spiegel-Affäre des Franz Josef Strauß, Hamburg 1983, S. 207 f.
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Auch wenn die Medien das Vorgehen der Behörden gegen das Nachrichtenmagazin keineswegs einhellig verurteilten, waren entschiedene Stellungnahmen gegen den Spiegel eher die Ausnahme.29 In den ersten drei Tagen nach Bekanntwerden der Polizeiaktion verteidigten beinahe 25 Prozent der Tageszeitungen die Aktion gegen den Spiegel, während über 35 Prozent sich unentschieden äußerten.30 Als im Laufe der Zeit die Widersprüche und Lücken in der Regierungsversion immer offenkundiger wurden, fand ein Meinungsumschwung statt – so dass schließlich fast alle Zeitungen die Ausschaltung des Justizministers und die Vorgänge um Ahlers’ Festnahme in Spanien verurteilten und den Rücktritt Strauß’ begrüßten.31 Die Zeitschrift Stern stellte sich eindeutig hinter den Spiegel und kritisierte Polizei und Geheimdienste. Während am 5. November die Illustrierte Revue statt ihrer regulären Leitartikel eine Stellungnahme der Redaktion zur bedrohten Pressefreiheit veröffentlichte, riet die Zeitschrift Quick dem Verteidigungsminister: »Mach mal Pause …« Das Fernsehen ging die Regierung scharf an: nicht nur »Panorama«, sondern auch »Report« berichtete mehrmals kritisch über die Spiegel-Affäre.32 Der »Internationale Frühschoppen« diskutierte erstmals ein innenpolitisches Ereignis. Am 28. Oktober hieß es dort: »Wenn es hier schon um Freiheit und Sicherheit geht, wäre es schade, wenn durch diesen bisher einmaligen Fall in der jungen Geschichte der Bundesrepublik eben diese Freiheit, auf die Presse angewandt, in Frage gestellt werden könnte.«33 Die überwiegende Mehrheit der westdeutschen Massenmedien sah in der Spiegel-Affäre einen direkten Angriff auf die Pressefreiheit oder zumindest einen politischen Eingriff in sie. Die aufwendige Polizeiaktion gegen den Spiegel provozierte studentische Reaktionen. Am 29. / 30. Oktober, nur zwei Tage nach dem Einsatz, protestierten Studenten an der Frankfurter Hauptwache gegen die Verhaftung der Spiegel-Journalisten. Als Transparente verwendeten sie bunte Kartons mit handgeschriebenen Parolen. Sie lauteten unter anderem: »1962 – Ende der Demokratie?«, »Schlag gegen den Spiegel – Schlag gegen die Demokratie!«, »Ohne Pressefreiheit keine Demokratie! Sieht so die Pressefreiheit aus?«, »Befiehlt Strauß der Justiz?« und »Vorgeschmack auf Notstandsgesetz?« Dabei kam es auch zu einem Sitzstreik. Auf den Gehwegplatten am Versammlungspunkt ließen sich die rund einhundert Teilnehmer nieder und forderten in Sprechchören den sofortigen Rücktritt des Bundesverteidigungsministers: »Strauß 29 | Vgl. C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 166; H. M. Kepplinger: »Publizistische Konflik te«, S. 703. 30 | Vgl. M. Liebel: Die öffentlichen Reaktionen, S. 42. 31 | Vgl. C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 329. 32 | Vgl. ebd., S. 329 f.; M. Liebel: Die öffentlichen Reaktionen, S. 145. 33 | Ebd., S. 63.
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rein – Augstein raus!« Es formierte sich ein Demonstrationszug quer durch die Stadt.34 Die Gruppe 4735, deren Mitbegründer Alfred Andersch sich an der oben genannten Protestaktion in Frankfurt beteiligte, reagierte auf die mitten in ihre jährliche Tagung geplatzte Spiegel-Affäre. In einem am 28. Oktober veröffentlichten Manifest, als dessen Urheber der Kabarettist Wolfgang Neuss sowie die Schriftsteller Andersch, Hans Magnus Enzensberger, Uwe Johnson, Klaus Roehler und Peter Weiß gelten,36 erklärten 49 Schriftsteller und Journalisten, dass sie »[i]n einer Zeit, die den Krieg als Mittel der Politik unbrauchbar gemacht hat, […] die Unterrichtung der Öffentlichkeit über sogenannte militärische Geheimnisse für eine sittliche Pflicht« betrachteten. Darüber hinaus unterstützten sie Augstein gegen diesen »Akt von staatlicher Willkür gegen den Spiegel« und forderten den verantwortlichen Verteidigungsminister Strauß zum Rücktritt auf,37 was einen Tag später auch von den in Frankfurt protestierenden Studenten verlangt wurde. Am 29. Oktober gab das bundesdeutsche PEN-Zentrum ein Telegramm für Bundesinnenminister Hermann Höcherl auf, das Befürchtungen über mögliche »Folgen der Polizeiaktion« gegen den Spiegel artikulierte. Die Pressefreiheit sei »ein so eminent wichtiges Grundrecht«, das »nicht ohne dringende Not« beschränkt werden dürfe. Wenn sich herausstelle, dass »der Fall verhältnismäßig harmlos« gewesen sei, würde »dieser spektakuläre Schritt dem Ansehen der Bundesrepublik als eines freiheitlichen Staates einen lang nachwirkenden Schaden zufügen«.38 Am 31. Oktober erstellte der Allgemeine Studentenausschuss (AStA) der Freien Universität Berlin (FU) eine Presseerklärung zur Spiegel-Affäre, die die gegen das Nachrichtenmagazin gerichtete Polizeiaktion verurteilte. Über34 | Vgl. SDS-Bundesvorstand (BV), Rundschreiben Nr. 1 (31. Oktober 1962), in: APOArchiv in Berlin, SDS-BV, Spiegel-Affäre, 1962, S. 1 f.; W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Band 1, S. 192 f. 35 | Zur Gruppe 47 vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: »Was kann Literatur und wozu schreiben? Das Ende der Gruppe 47«, in: Berliner Journal für Soziologie 2 (2004), S. 207-232; dies.: »Die APO und der Zerfall der Gruppe 47«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 25 (2007), S. 19-24; Arnold, Heinz Ludwig: »Aufstieg und Ende der Gruppe 47«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 25 (2007), S. 4-11. 36 | Vgl. C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 332; H. M. Kepplinger: »Publizistische Konflikte«, S. 703. 37 | Zit. n. Wagenbach, Klaus / S tephan, Winfried / K rüger, Michael (Hg.): Vaterland, Muttersprache. Deutsche Schriftsteller und ihr Staat von 1945 bis heute, Berlin 1979, S. 199 f. Vgl. auch J. Schöpf: Die Spiegel-Affäre, S. 218; D. Liehr: Von der Aktion, S. 100. 38 | Telegramm des PEN-Zentrums der Bundesrepublik an den Bundesminister des Inneren, Hermann Höcherl, vom 29. Oktober 1962, zit. n. J. Seifert (Hg.): Die SpiegelAffäre, Band 2, S. 384.
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dies enthielt sie die Forderung an die zuständigen Behörden, »den in der Öffentlichkeit entstandenen Verdacht einer Verletzung des Grundgesetzes zu beseitigen«.39 Am selben Tag fand in Westberlin auf dem Steinplatz gegenüber der Technischen Universität eine Protestkundgebung, die Spiegel-Affäre betreffend, statt. Ca. 400 bis 500 Teilnehmer, überwiegend Studenten, demonstrierten gegen den »Akt […] staatlicher Willkür«. Von den fünf Rednern bekam Wolfgang Neuss, der das Manifest der Gruppe 47 verlas und auf die Notwendigkeit des Rücktritts von Strauß hinwies, den meisten Beifall. Es wurden Telegramme verlesen, unter anderem von mehreren Professoren aus Oxford, vom Hauptvorstand der IG Druck und Papier und vom Vorsitzenden der gewerkschaftlichen Journalisten-Union. Auf den mitgeführten Plakaten und Transparenten waren Aufschriften zu lesen wie »Die Demokratie braucht den Spiegel«, »Deckt die Hintergründe auf«, »Carl von Ossietzky 1929, Augstein 1962?«, »Deutschland unheilbar – Freiheit teilbar?« Der Sender Freies Berlin (SFB) nahm die ca. eine Stunde dauernde Kundgebung auf.40 In vielen Universitätsstädten gingen Professoren zusammen mit Studenten auf die Straße und demonstrierten für die Wiederherstellung der Presse- und Meinungsfreiheit. Ab dem 31. Oktober kam es zu kritischen Stellungnahmen von Professoren, an denen sich insgesamt mehr als 600 Hochschullehrer beteiligten. Sie gaben die politische Zurückhaltung auf, die sie seit Langem pflegten. Dietrich Thränhardt zufolge stellte das »massiv[e] Eingreifen von Professoren in die Politik« ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik dar.41 Es kam zu mehreren Erklärungen studentischer Gruppen: Am 2. November 1962 gab der Bundesvorstand (BV) des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) eine Erklärung ab, nach der eine »mißliebige« Zeitung »mundtot gemacht« werden sollte und die gegen die Bedrohung der Pressefreiheit durch die »schleppende Untersuchung« der Bundesanwaltschaft protestierte. Am fol39 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): Freie Universität Berlin 1948-1973. Hochschule im Umbruch [abgekürzt als FU, HiU], Teil 3: Auf dem Weg in den Dissens (1957-1964), ausgewählt und dokumentiert von Siegward Lönnendonker / T ilman Fichter, Berlin 1974, S. 147 (Zeittafeldatum 31. Oktober 1962). 40 | Vgl. den Brief an SDS-BV Diether Sterzel vom 2. November 1962, in: APO-Archiv, SDS-BV, Spiegel-Affäre, 1962; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 3, S. 48. Die fünf Redner waren: Dr. Margherita von Brentano (Argument-Club an der FU), HansWerner Richter (Gruppe 47), Wolfgang Neuss (Kabarettist), Marianne Regensburger (Publizistin, RIAS) und der Bezirksstadtrat Dr. Josef Grunner (SPD). Bezeichnend ist, dass der Verfasser des mit »Peter« unterzeichneten Briefes die Anwesenheit des Fern sehens für »das wichtigste an der ganzen Demonstration« hielt. Brief an den SDS-BV Diether Sterzel. 41 | D. Thränhardt: Geschichte der Bundesrepublik, S. 155. Vgl. auch H. A. Winkler: Der lange Weg, S. 210; J. Seifert: »Die Spiegel-Affäre« (1990), S. 82.
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genden Tag erklärte der Bundesausschuss der Sozialistischen Jugend Deutschlands, die Falken, dass er die gegen den Spiegel angewendeten Methoden als einen Verstoß gegen Grundrechte betrachte und alle freiheitlich gesinnten Bürger »jedem Angriff auf demokratische Grundrechte« entschieden entgegentreten müssten. In einer gemeinsamen Erklärung behaupteten am 4. November die Vorstände der Deutschen Jungdemokraten und des Liberalen Studentenbundes Deutschlands (LSD), dass die Rechtsstaatlichkeit »nicht eher sicher sein kann, bis der eigentlich Verantwortliche, Bundesverteidigungsminister Strauß, entlassen« sei. Auch der Bundesvorsitzende des SDS, Diether Sterzel, gab eine Erklärung ab, in der er dafür plädierte, »an den Hochschulen und in der Öffentlichkeit in verstärktem Maße auf die Tendenzen aufmerksam zu machen, die die im Grundgesetz geschaffenen elementaren Grundrechte weiter einschränken oder aufheben«.42 Von Anfang an beschäftigte sich der SDS, der zu diesem Zeitpunkt nur eine kleine studentische Gruppe unter anderen darstellte, aber nur wenige Jahre später zu der leitenden Gruppe an den Hochschulen und dem Kern der APO heranwachsen sollte, intensiv mit der Spiegel-Affäre. Er stellte die Aktionen gegen das Nachrichtenblatt in den Zusammenhang mit der »gerade daran sichtbar werdenden progressiven Ausbreitung autoritärer Tendenzen« sowie mit der »jetzt zur Verabschiedung vorliegende[n] Notstands- und Notdienstgesetzgebung«.43 Der BV des SDS hob zudem die Wichtigkeit einer vom SDS organisierten umfassenden »Unterschriftensammlung mit Forderung [des] Rücktritt[s] Strauß[’]« an sämtlichen Universitäten hervor,44 um sich bei allen Aktionen um eine breite Basis zu bemühen. Diese Unterschriftenaktion gebe dem SDS »die Möglichkeit, große Teile der Studentenschaft zu einer Stellungnahme für Demokratie und Rechtsstaat zu provozieren«. Dazu biete sie »die Chance, über den Rahmen der Hochschule hinaus die Publizität zu erhöhen«.45 Der BV betonte die Zusammenarbeit mit anderen Studentenorganisationen durch die Flugblattherstellung und Beteiligung an den Aktionsgemeinschaften, in denen alle politischen Hochschulgruppen vertreten waren.46 In Hamburg demonstrierten mehrere hundert Studenten vor dem Gefängnis, in dem Rudolf Augstein einsaß. Auf den Plakaten von Demonstranten stand: »Spiegel tot – Freiheit tot«.47 Außerdem protestierten Studenten gegen 42 | Jugend-Schnelldienst vom 15. November 1962, S. II-2, S. II-6, S. II-7 und S. II-10, in: APO-Archiv, SDS-BV, Spiegel-Affäre, 1962. 43 | SDS-BV, Rundschreiben Nr. 1 (Archivalien). 44 | SDS-BV, Telegramm (16. November 1962) (Archivalien). 45 | SDS-BV, Nr. 2 (2. November 1962) (Archivalien). 46 | SDS-BV, Nr. 3 (7. November 1962) (Archivalien). 47 | Vgl. H. M. Kepplinger: »Publizistische Konflikte«, S. 703; M. Weiß: Journalisten, S. 273. Im Untersuchungsgefängnis konnte Augstein nachts nicht einschlafen, da De
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die Regierung und zwar nicht nur in München, wo am 2. November Studenten für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik demonstrierten, wozu die Studentenzeitung Profil, der Gewerkschaftliche Arbeitskreis, der LSD und der SHB aufgerufen hatten, sondern im ganzen Land: Düsseldorf, Stuttgart, Heidelberg, Tübingen, Mannheim, Marburg, Braunschweig, Duisburg, Bielefeld etc.48 Gerade in den ersten Tagen der Spiegel-Affäre trat also die Studentenschaft bei den Protestkundgebungen für die Pressefreiheit ein. Diese studentische Welle der Empörung wird oft als »Auftakt zur späteren Revolte«49 betrachtet. In diesem Sinne hatte der Widerstand der Studenten »eine Art Vorläufercharakter«50 für die wenige Jahre später beginnende Studentenbewegung.
D er U mgang der S pringer -P resse mit der S piegel-A ffäre Auffallend ist, wie die Zeitungen des Axel Springer Verlags mit der Spiegel-Affäre umgingen. Die Springer-Blätter, konstatiert Gudrun Kruip, seien nahzu die einzigen Stimmen gewesen, die »wie Adenauer den Bericht des ›Spiegels‹ als Landesverrat kritisierten«. Als die Polizei mehrere Redakteure des Magazins verhaftet hatte, hätten Springer-Zeitungen »im Gegensatz zum überwiegenden Teil der westdeutschen Presse einheitlich die Ansicht der Regierung« unterstützt. Während sich die Massenmedien gegen das als staatliche Willkür betrachtete Vorgehen wehrten, hätten sich »nur die Zeitungen und Zeitschriften des Springer-Verlags« in diesem Chor zurückgehalten. »Erst nach zwei Tagen« habe die Welt über die Polizeiaktionen gegen den Spiegel berichtet.51 Während der Spiegel-Affäre, als man Augstein und einige seiner Redakteure festgenommen hatte, so Michael Jürgs, sei bei Axel Springer »die ganz große Freude« aufgekommen.52 Springer soll sogar die Welt am Sonntag angewiesen
monstranten unter seinem Zellenfenster unermüdlich den Ruf skandierten: »Alle Leu te müssen schreien: Augstein raus und Strauß hinein!« Sommer, Theo: »Augstein raus und Strauß hinein!«, in: zeit.de vom 24. Oktober 2002, http://www.zeit.de/2002/44/ Augstein_raus_und_Strauss_hinein_ vom 17. Februar 2016. Augstein nannte es ein »unbeschreibliches Gefühl«. Vgl. J. Bölsche (Hg.): Rudolf Augstein, S. 96; P. Mersebur ger: Rudolf Augstein, S. 265. 48 | Vgl. Jugend-Schnelldienst vom 15. November 1962, S. III-1-III-8 (Archivalien); C. Søe: Politische Kontrolle, S. 302 ff. 49 | W. Kraushaar: 1968 als Mythos, S. 338. 50 | S. Grimberg: »Staatsstreich im Regen«. 51 | G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 149 und S. 252. 52 | Jürgs, Michael: Der Fall Axel Springer. Eine deutsche Biographie, München 1995, S. 243.
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haben, ein redaktionelles Urteil über die Affäre zunächst aufzuschieben.53 Es war kein Wunder, dass seine Anweisung an die Welt-Redaktion zunächst lautete: »nicht mehr als dreißig Zeilen« über die Ereignisse.54 Um »kein großes Aufsehen« um Augstein, den Konkurrenten von Springer, zu machen, habe sich, so Christina von Hodenberg, die Bild-Zeitung etwa bis zum 3. November mit Kommentaren zurückgehalten.55 Aufgrund der Brisanz der Affäre sowie auf Druck von Redakteuren und Lesern ließ sich diese Haltung jedoch nicht lange aufrechterhalten. Ein Leitartikel der Welt vom 2. November 1962 machte nicht den Staat verantwortlich für Verstöße gegen die Pressefreiheit, sondern den investigativen Journalismus des Spiegels.56 Die Bild-Zeitung stand ebenso uneingeschränkt auf der Seite Adenauers: »Landesverrat ist und bleibt Landesverrat und ein schweres Verbrechen. Wir halten auch jetzt die Pressefreiheit nicht für bedroht. Denn die Pressefreiheit endet dort, wo das natürliche Recht des Staates auf Sicherung seiner Geheimnisse und damit seiner Existenz beginnt.«57 Der Bild-Zeitung sei, stellt Kruip fest, ihre »unkritische Staatsloyalität« größer, das »natürliche Recht des Staates« wichtiger gewesen als die Sorge um die Pressefreiheit. Obwohl während der Spiegel-Affäre die Springer-Zeitungen an einzelnen Punkten wie der Verhaftung Ahlers in Spanien Kritik geübt hätten, hätten sie gleichzeitig den Staat und dessen Befugnisse unterstützt.58 Damit unterschied sich die Bewertung der Spiegel-Affäre in den Springer-Blättern von derjenigen der anderen Zeitungen. Trotzdem wandten sich Studierende und Intellektuelle nicht gegen die Springer-Presse. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, gegen den staatlichen Angriff auf die Pressefreiheit zu protestieren.
53 | Vgl. D. Schoenbaum: »Ein Abgrund von Landesverrat«, S. 164. 54 | Paczensky, Gert von: »Springer – die anonyme Macht«, in: Neue Politik vom 14. Ok tober 1967, S. 5, zit. n. Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen? Materialien zur Diskussion – Presse-Arbeitskreis des Republikanischen Clubs e. V. Westberlin, Westberlin 1967, S. 17. 55 | C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 329. 56 | Vgl. G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 252. 57 | Vortrag von Herbert Scharnowskis, der als Bild-Reporter bei Fallex 62 anwesend war, am 22. November 1962, zit. n. ebd., S. 252 f. 58 | Ebd., S. 253. Als für den Spiegel, der sich in einer Notlage bei der Herstellung des Magazins befand, andere Hamburger Verlage Räume, Fernsprecher, Schreibmaschinen und ihre Telefonzentralen zur Verfügung stellten, bot sogar das Haus Springer seine Hil fe an. Das Angebot, welches von Springers Generalbevollmächtigtem Christian Kracht stammte, musste dieser jedoch nur zwei Tage später auf Anweisung Axel Springers zu rückziehen. Vgl. M. Jürgs, Der Fall Axel Springer, S. 244; L. Brawand: Rudolf Augstein, S. 147; D. Schröder: Augstein, S. 117 f.; P. Merseburger: Rudolf Augstein, S. 255 f.; J. Bölsche (Hg.): Rudolf Augstein, S. 90.
Die Spiegel-Af färe: Vorspiel der Kampagne und der 68er-Bewegung
War die Spiegel-Affäre die »Geburtsstunde der außerparlamentarischen Opposition«59 und ›das Vorspiel der APO‹? Sie schärfte vor allem unter Studierenden und Intellektuellen das Bewusstsein für die Aufgaben der ›vierten Macht im Staate‹ und für die Notwendigkeit einer kritischen Öffentlichkeit als eines Nervs der Demokratie. Insofern kann die Affäre als Vorgeschichte der späteren Anti-Springer-Kampagne angesehen werden, die sich gegen die Pressekonzentration und das Pressemonopol des Axel Springer Verlags richtete und auch eine Auseinandersetzung um die Pressefreiheit darstellte. Die Spiegel-Affäre wurde mit der Polizeiaktion vom 2. Juni 1967 verglichen, während der ein Polizist in Westberlin den Studenten Benno Ohnesorg erschoss. Beide Polizeieinsätze hätten in eklatanter Weise die Legalität verletzt, so Jürgen Seifert, um gegen die APO vorzugehen.60 Während es in der Spiegel-Affäre um die Bevormundung der kritischen Öffentlichkeit durch die Politik bzw. die Regierung ging, richtete sich die Anti-Springer-Kampagne gegen die sogenannte Manipulation der Öffentlichkeit durch einen Teil dieser Öffentlichkeit selbst, nämlich den Axel Springer Verlag. Studierende und Intellektuelle, die während der Spiegel-Affäre für die Presse- und Meinungsfreiheit sowie für ein Nachrichtenmagazin auf die Straße gingen, demonstrierten knapp fünf Jahre später gegen einen Verlag, der wegen seines Marktmonopols und der ihm attestierten Manipulation der Öffentlichkeit ins Kreuzfeuer der Kritik geriet.
59 | Ahlers, Conrad: »Ein ›Abgrund von Landesverrat‹«, in: Roderich Klett / Wolfgang Pohl (Hg.) Stationen einer Republik, Stuttgart 1979, S. 131-147, hier S. 145. Vgl. auch U. Greiwe: Augstein, S. 80. 60 | Das sagte Jürgen Seifert (SDS) am 16. Juni 1967 in der Diskussionsveranstaltung des SDS und des AStA der Freien Universität im Auditorium maximum. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5: Gewalt und Gegengewalt (1967-1969), ausgewählt und dokumentiert von Siegward Lönnendonker / T ilman Fichter / J ochen Staadt, Berlin 1983, S. 27 (Zeittafeldatum 16. Juni 1967). Seifert war an der historischen Aufarbeitung der Spiegel-Affäre beteiligt. Vgl. Teil I, Kapitel 2, Anm. 1, S. 37.
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3. Eine kurze Geschichte des Axel Springer Verlags
»Fragt am Kiosk öfter mal nach ganz anderen Zeitun gen, bevor es sie nicht mehr gibt.«1 U we Wandrey
»Frei ist, wer reich ist. Das ist nicht von Karl Marx […]. Aber richtig ist es trotzdem«, schrieb 1965 der konservative Journalist Paul Sethe. »Im Grundgesetz stehen wunderschöne Bestimmungen über die Freiheit der Presse. Wie so häufig ist die Verfassungswirklichkeit ganz anders als die geschriebene Verfassung. Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.«2 Das ist Sethes Diktum über die zunehmende Konzentration im bundesdeutschen Pressebereich und die steigende Gefahr für einen unabhängigen Journalismus. Die schon 1964 eingesetzte parlamentarische »Kommission zur Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk / Fernsehen und Film«, nach ihrem Vorsitzenden Elmar Michel meist nur »Michel-Kommission« genannt, kam im September 1967 zu dem Schluss, dass es »keine Wettbewerbsverzerrung zwischen Presse und Rundfunk« gebe.3 Auf den Wettbewerb innerhalb der Presse hinweisend, betonte sie darüber hinaus im April 1968 in 1 | Wandrey, Uwe: Anleitung zum Lesen gewisser Zeitungen, zit. n. J. Fuhrmann et al. (Hg.): agitprop, S. 93. 2 | Sethe, Paul: In Wasser geschrieben. Porträts, Profile, Prognosen, Frankfurt a. M. 1968, S. 169. 3 | Zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 348. Vgl. auch Schütz, Walter J. (Hg.): Medienpolitik. Dokumentation der Kommunikationspolitik in der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis 1990, Konstanz 1999, S. 142; Frei, Norbert: »Die Presse«, in: Wolfgang Benz (Hg.), Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Band 4: Kultur, Frankfurt a. M. 1989, S. 370-416, hier S. 400; M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 19.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
einem Sonderbericht für Berlin den hohen Marktanteil des Springer-Verlags, welcher im letzten Quartal des Jahres 1967 einen Anteil von beinahe 70 Prozent an der Gesamtauflage aller Tageszeitungen in Westberlin erreichte. Das sei mit »einer deutlichen Marktbeherrschung« vergleichbar.4 Im Juli des Jahres 1968 stellte die auf Veranlassung des Bundestages Mitte 1967 gegründete »Günther-Kommission«5 in ihrem Schlussbericht fest, dass »dem Bürger [in der Bundesrepublik] […] in absehbarer Zeit durch fortschreitende Konzentration nicht mehr genügend unabhängige und über große Breitenwirkung verfügende Publikationsorgane zur Verfügung stehen, aus denen er frei seine Meinung bilden kann«.6 Auf ihrer im Mai 1968 abgehaltenen abschließenden Sitzung resümierte diese Kommission, dass der Springer-Verlag, der 33 Prozent des gesamten Publikationsmarktes in der Bundesrepublik beherrschte, die vom deutschen Grundgesetz garantierte Pressefreiheit gefährde. Seine Entflechtung sei daher zu empfehlen.7 Der Axel Springer Verlag stand im Zentrum der zeitgenössischen Debatte um die Pressekonzentration. Weil eine ausführliche Betrachtung der Verlagsgeschichte und der westdeutschen Presselandschaft im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann, soll an dieser Stelle nur skizzenhaft die Pressekonzentration und das Marktmonopol des Verlags beschrieben werden. Der Axel Springer Verlag wurde 1946 von dem damals 66-jährigen Altonaer Verleger Heinrich Springer und seinem gut 30 Jahre jüngeren Sohn Axel Cäsar Springer
4 | F. Melchert: Meinungsfreiheit, S. 383. Vgl. auch Republikanischer Club (Hg.): Sprin ger enteignen?, S. 14 f.; W. J. Schütz (Hg.): Medienpolitik, S. 147; M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 20. Seitenbecher schreibt, dass die von Springer ge forderte Einsetzung dieser Kommission für den Verleger ein »doppeltes Eigentor« ge worden sei, weil die Michel-Kommission einerseits mit ihrem Schlussbericht die Fern sehpläne Springers, entgegen dessen Vorstellungen, beendet hätte. Gleichzeitig wurde mit dieser Auseinandersetzung um eine vermeintliche Wettbewerbsverzerrung zwischen Presse und Rundfunk auch zum ersten Mal verstärkt die Konzentration innerhalb und durch die Presse in der Öffentlichkeit thematisiert. Ebd., S. 21. 5 | Die nach ihrem Vorsitzenden, dem Präsidenten des Bundeskartellamts, Dr. E. Gün ther, genannte Günther-Kommission wurde offiziell als »Kommission zur Untersuchung der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Presseunternehmen und der Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik« bezeichnet. 6 | Zit. n. C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 169. Vgl. auch Kunert, Wolfgang: Pressekonzent ration und Verfassungsrecht, Berlin 1971, S. 17 ff.; W. J. Schütz (Hg.): Medienpolitik, S. 149. 7 | Vgl. Grossmann, Heinz / N egt, Oskar (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt. Springer blockade und politische Reaktion in der Bundesrepublik, Hamburg 1968, S. 123; W. Kraushaar: 1968 als Mythos, S. 339; K. Fahlenbrach: Protest-Inszenierungen, S. 270.
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in Hamburg gegründet. Er stand für die »unglaublichste Erfolgsgeschichte«8 der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg.9 Als das eigentliche Geburtsdatum des Verlags gilt der April des Jahres 1946, in dem erstmals die Monatsschrift Nordwestdeutsche Hefte, später Kristall, zum Preis von einer Reichsmark angeboten wurde. Die Nordwestdeutschen Hefte, für deren Herausgabe Axel Springer eine Lizenz von der britischen Militärregierung erhalten hatte, verkauften sich gut und erreichten schon Ende 1946 eine Auflage von 100.000 Exemplaren.10 Am 11. Dezember 1946 erschien die erste Nummer der Programmzeitschrift Hör Zu mit einer Startauflage von 250.000 Exemplaren zu dreißig Reichspfennigen. Die Auflage erreichte vier Jahre später bereits eine Million.11 Axel Springer erhielt am 12. Juli 1948 Hamburgs erste Lizenz für eine unabhängige Tageszeitung. Nur drei Monate später erschien erstmalig das Hamburger Abendblatt, anfangs nur dreimal wöchentlich und mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren. Das als »Keimzelle des Konzerns«12 bezeichnete Hamburger Abendblatt, das seine Auflage über fast 120.000 im Januar 1949 auf 330.000 Exemplare 1953 steigern konnte, wurde zur größten Zeitung Hamburgs und gilt als erfolgreichste Lokalzeitung der Bundesrepublik.13 Die 1950er Jahre waren für den Springer-Verlag der Auftakt seines großen Erfolgs. Vor allem die Etablierung der Bild-Zeitung und der Ankauf von weiteren Verlagen führten zu einer ausgeprägten Machtposition Springers im Zeitungssektor. Am 24. Juni 1952 erschien die erste Ausgabe der Bild-Zeitung
8 | Naeher, Gerhard: Axel Springer. Mensch, Macht, Mythos, Erlangen / B onn / W ien 1991, S. 9. 9 | Vgl. Jacobi, Claus: 50 Jahre Axel Springer Verlag, 1946-1996, Berlin 1996, S. 23. 10 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 112; G. Naeher: Axel Springer, S. 72; G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 79; H. Lohmeyer: Henno: Springer: Ein deutsches Imperium, Berlin 1992, S. 103 f.; Jacobi, Claus: Der Verleger Axel Springer. Eine Biographie aus der Nähe, München 2005, S. 114 f. 11 | Vgl. G. Naeher: Axel Springer, S. 75; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 117 f.; C. Jaco bi: Der Verleger, S. 116 ff.; G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 80 f.; H. Lohmeyer: Springer, S. 114 ff.; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 54. Zum ausführlichen Überblick über die Geschichte dieser Zeitschrift vgl. ebd., S. 45-64. 12 | Ebd.: S. 65. 13 | Vgl. Koszyk, Kurt: »Presse unter alliierter Besatzung«, in: Wilke (Hg.), Medienge schichte (1999), S. 31-58, hier S. 46; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 136 f.; C. Jacobi: Der Verleger, S. 125 f.; G. Naeher: Axel Springer, S. 80 f.; G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 82 f.; H. Lohmeyer: Springer, S. 132. Zur ausführlichen Geschichte des Blatts vgl. C. Jacobi: 50 Jahre, S. 65-83. Das Hamburger Abendblatt wurde unter dem Motto »Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen« gegründet. Vgl. G. Naeher: Axel Springer, S. 80.
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mit einer Gesamtstartauflage von 455.000.14 Das neue Massenblatt, von dem Axel Springer eigentlich nur »eine unernste, besser gesagt anti-konventionelle Zeitung«15 erwartete, wurde zur auflagenstärksten Zeitung der Bundesrepublik. Für Bild ließ sich Springer vom Daily Mirror, einer englischen Tageszeitung, inspirieren. Das Blatt überschritt 1955 die Auflagenhöhe von einer Million. Bis Mitte der 1960er Jahre verkauften sich schon bis zu 4,3 Millionen Stück der Bild-Zeitung täglich.16 Das »Flaggschiff«17 des Springer-Verlags, auf welcher Springers politische Macht in erster Linie beruhte,18 sollte 1967 / 68 zum Hauptziel der Anti-Springer-Kampagne werden. Die APO machte insbesondere sie für die »Hetze« gegen sie verantwortlich.19 Am 17. September 1953, fast 15 Monate nach der »Erfindung«20 der Bild-Zeitung, kaufte Springer die Welt-Verlagsgesellschaft. Zu ihr gehörten die Publikationen Welt, Welt am Sonntag und Das neue Blatt – »ein weiterer Coup«.21 Obgleich Springer mittlerweile mit Massenblättern, einschließlich der Bild, und einer starken Regionalzeitung, dem Hamburger Abendblatt, Erfolg hatte, erhielt er erst mit der Welt den Status eines »großen, seriösen [und] politisch einflußreichen Verlegers«.22 Der Kauf dieser Verlagsgesellschaft bedeutet nach Gudrun 14 | Danach betrug die Auflage 250.000 Exemplare. Vgl. H. D. Müller: Der SpringerKonzern, S. 74; G. Naeher: Axel Springer, S. 93. 15 | Axel Springer an Wolfgang Köhler, 1. Februar 1952, zit. n. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 166. 16 | Vgl. Schütz, Walter J.: »Entwicklung der Tagespresse«, in: Wilke (Hg.), Medienge schichte (1999), S. 109-134, hier S. 124 f.; H.-U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsge schichte 1949-1990, S. 391; M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 99; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 166 ff.; G. Naeher: Axel Springer, S. 93 f. Zum ausführlichen Überblick über die Geschichte der Zeitung vgl. H. D. Müller: Der Springer-Konzern, S. 73-126; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 87-111. Jacobi fasst die Geschichte der Bild-Zeitung als »vom Groschen blatt zur nationalen Institution« zusammen. Ebd., S. 87. Die Auflagenstärke erreichte im Frühjahr 1982 mit über 5,4 Millionen Exemplaren ihren Höhepunkt. Vgl. W. J. Schütz: »Entwicklung«, S. 124. 17 | Dussel, Konrad: »Vom Radio- zum Fernsehzeitalter. Medienumbrüche in sozialge schichtlicher Perspektive«, in: Schildt / S iegfried / L ammers (Hg.), Dynamische Zeiten (2000), S. 673-694, hier S. 677. 18 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 166. 19 | Vgl. Minzberg, Martina: BILD-Zeitung und Persönlichkeitsschutz. Vor Gericht und Presserat: Eine Bestandsaufnahme mit neuen Fällen aus den 90er Jahren, Baden-Ba den 1999, S. 44 ff. 20 | G. Naeher: Axel Springer, S. 90. 21 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 177. 22 | Pritzkoleit, Kurt: Die neuen Herren. Die Mächtigen in Staat und Wirtschaft, Wien 1995, S. 538, zit. n. ebd. Die Welt erschien zum ersten Mal am 2. April 1946 unter der
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Kruip in doppelter Hinsicht einen Wendepunkt in der Geschichte des SpringerVerlags. Zum einen sei die Ära der eigenen Blattgründungen überwiegend abgeschlossen worden, weil der Springer-Konzern fortan hauptsächlich durch geschickte Ankäufe und Beteiligungen wuchs, auch wenn nach der Bild-Zeitung noch Bild am Sonntag 23 neu gegründet wurde. Abseits der Bild als einer Massenzeitung habe Springer mit der Welt, dem »Intelligenzblatt«24 im Springer-Konzern, eine Chance erhalten, die oberen gesellschaftlichen Schichten anzusprechen. Zum anderen habe die Welt für Springer, der sich ab den frühen 1950er Jahren immer mehr zum »politischen Missionar« und »politischen Verleger«25 entwickelte, »einen weiteren Grundstein« für die zunehmenden Angriffe auf seinen Konzern und ihn persönlich im Laufe der 1960er Jahre gebildet.26 Während der Anti-Springer-Kampagne 1967 / 68 wurde auch die Welt, jene »auf Springers Weltbild verpflichtete«27 Zeitung, zur Zielscheibe der Kritik. Im Jahr 1959, ca. drei Jahre nach dem Erwerb einer 26-prozentigen Beteiligung an der Berliner Ullstein AG, welche seit 1952 bzw. 1953 die Berliner Morgenpost und die B.Z. (Berliner Zeitung) herausgab,28 sagte Axel Springer: »Ich war mir seit dem Kriegsende darüber klar, daß der deutsche Leser eines auf keinen Fall wollte, nämlich nachdenken. Und darauf habe ich meine Zeitungen eingestellt.«29 Im Laufe der 60er Jahre richtete er seinen Verlag immer stärker politisch aus. Zwischen 1963 und 1967 kam es zu einem Kurswechsel in eine Kontrolle der Alliierten. Die Startauflage betrug 160.000 Exemplare. Vgl. Republikani scher Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 6; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 115. 23 | Am 29. April 1956 erschien die erste Ausgabe der Bild am Sonntag. Diese Boule vardzeitung, die nach nur zwei Jahren die Millionengrenze überschritten hatte, erreichte im 2. Quartal 1967 über 2,5 Millionen Exemplare, sie war damit die auflagenstärkste Sonntagszeitung Europas. Vgl. Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 6; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 104. 24 | H. D. Müller: Der Springer-Konzern, S. 127. Zur ausführlichen Geschichte der Welt vgl. ebd., S. 127-184; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 113-138. 25 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 204. 26 | G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 92 f., hier S. 93. Vgl. auch H.-P. Schwarz: Axel Sprin ger, S. 204-218. 27 | H.-U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949-1990, S. 393. 28 | Vgl. Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 7; G. Naeher: Axel Sprin ger, S. 113. Mit dem Aktienpaket in Höhe von 26 Prozent sicherte sich Springer die Sperrminorität bei Ullstein. Vgl. ebd.; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 234. Vgl. auch insgesamt Münzel, Martin / S teiner, Kilian J. L.: »Die langen Schatten der ›Arisierung‹. Die Berliner Unternehmen Loewe und Ullstein nach 1945«, in: Christof Biggeleben / B e ate Schreiber / K ilian J. L. Steiner (Hg.), »Arisierung« in Berlin, Berlin 2007, S. 287-314. 29 | Zit. n. SDS-Autorenkollektiv / S pringer Arbeitskreis der KU (Hg.): Der Untergang der Bild-Zeitung, Berlin 1968 / 1969, S. 6 f.
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»dezidiert konservativ-nationale«30 Richtung, den die zunehmende Ideologisierung und Politisierung verursachte. Ein Zeichen für diesen Trend war im Herbst des Jahres 1966 der Umzug des Verlagszentrums von Hamburg nach Berlin, der Frontstadt des Kalten Krieges, dem Symbol der zeitgenössischen ideologischen Gegensätze.31 Zeitungen in einer Demokratie waren für Springer die »notwendigen ständigen Begleiter der Politik«.32 Die Erfahrungen, die er während eines zweiwöchigen Besuchs in Moskau im Januar 1958 gemacht hatte, bestärkten ihn in seiner Entscheidung für Berlin. Ziel der Reise war es gewesen, den sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow von einer deutschen Wiedervereinigung zu überzeugen. Springers gescheiterte Mission war ein Anstoß für das politische Engagement seines Konzerns.33 In den 1960er Jahren kaufte das Haus Springer weitere Verlage, mit denen es zum dominanten Unternehmen im Zeitungssektor der Bundesrepublik aufstieg. Der Auftakt zum Marktmonopol war die Übernahme der UllsteinAktienmehrheit. Am 29. Dezember 1959 erwarb Springer den Aktienbesitz der Ullsteins und hielt eine Majorität von über 70 Prozent an der Ullstein AG. Kurze Zeit später übernahm er von Gerd Bucerius weitere 10 Prozent und kam so auf ca. 83 Prozent. Damit war der Sprung von Hamburg nach Berlin 30 | Payk, Marcus M.: »›… die Herren fügen sich nicht; sie sind schwierig.‹ Gemein schaftsdenken, Generationenkonflikte und die Dynamisierung des Politischen in der konservativen Presse der 1950er und 1960er Jahre«, in: Kersting / R eulecke / T hamer (Hg.), Die zweite Gründung der Bundesrepublik (2000), S. 43-67, hier S. 53. 31 | Vgl. G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 106. 32 | Axel Springer in einer Rede am 5. Mai 1967 in Columbia, Missouri, anlässlich der Auszeichnung der Welt als »Zeitung des Jahres« durch die journalistische Fakultät der Universität von Missouri, zit. n. Wallenberg, Hans (Hg.): Axel Springer. Von Berlin aus gesehen, Stuttgart 1971, S. 212 f. 33 | Vgl. G. Naeher: Axel Springer, S. 22 und 128 ff.; G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 104 f. Nach seinem erfolglosen Moskaubesuch hätte Springer von den Publikationen seines Verlags »eine scharf antikommunistische Ausrichting« verlangt. M. M. Payk: »›… die Herren‹«, S. 52. Und nach dem Scheitern der Moskaureise hätte, so Schröder, Sprin ger auch der Welt einen antikommunistischen Rechtskurs verordnet. Vgl. D. Schröder: Augstein, S. 147. Das Resultat des Moskaubesuchs sei ein Kurswechsel von Welt, Welt am Sonntag und anderen Zeitungen des Springer-Verlags gewesen: »Nun sollte Aufklä rung über die Expansionsabsichten der UdSSR betrieben werden.« Chmel, Christian: Die DDR-Berichterstattung bundesdeutscher Massenmedien und die Reaktionen der SED (1972-1989), Berlin 2009, S. 97. Dazu kommentierte der Spiegel am 28. März 1966: Seit Springer und sein Begleiter der Moskaureise Hans Zehrer 1958 »enttäuscht aus Moskau zurückkehrten, wo sie vergeblich in Sachen Wiedervereinigung antichambriert« hätten, gehöre »militanter Antikommunismus zum guten Ton«. O. A.: »Presse. ›Die Welt‹. Links von der Wand«, in: Der Spiegel vom 28. März 1966, S. 64-68, hier S. 64.
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gelungen.34 Mit dieser Transaktion stieg Springers Marktanteil bei Tageszeitungen 1960 auf 28 Prozent. Am 1. Januar 1964 sicherte sich Springer 60 Prozent der Mittag-Verlagsgesellschaft GmbH.35 Sein Marktanteil im Zeitungssektor betrug nun über 30 Prozent. Im Juli 1965 kaufte er den Münchner Kindler und Schiermeyer Verlag, dem eine Tiefdruckerei und die Jugendzeitschrift Bravo gehörten. Der Anteil der Publikationen des Springer-Verlags an der Gesamtauflage deutscher Tageszeitungen erhöhte sich 1965 auf 37 Prozent. In Berlin wurden 1966 68 Prozent aller Tageszeitungen von Springer verdrängt.36 Trotz scharfer Kritik an der Pressekonzentration und an dem sogenannten Marktmonopol gingen die Zukäufe Springers weiter. 1966 kaufte er mehrere Zeitschriften vom BauerVerlag, die Jungendzeitschriften OK und Twen sowie die Sportzeitschrift Kicker. Axel Springer kontrollierte 1967 den Pressemarkt in der Bundesrepublik zu einem knappen Drittel. In Berlin und Hamburg stellte er fast 70 Prozent der Publikationen. 90 Prozent der großen überregionalen Tageszeitungen, über 90 Prozent aller Sonntagszeitungen und 88 Prozent aller Jugendzeitschriften kamen in Westdeutschland aus dem Hause Springer.37 Es gab nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA oder England keine mit Springer vergleichbaren Konzerne. Für die damaligen Springer-Gegner bedeutete das: »Während z. B. in den USA und in Großbritannien zwar Zeitungskonzerne existieren, die mit ihren Auflagenziffern Springer übertreffen, denen jedoch im gleichen Land mehrere gleichgewichtige Konkurrenten gegenüberstehen, hat in der Bundesrepublik der Verlag 34 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 294 ff.; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 144 ff.; Repu blikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 7; Koszyk, Kurt: »Das Ende der Vielfalt. Die Monopolisierungs-Tendenzen auf dem Pressemarkt«, in: Unsere Medien Unsere Republik 5 (1990), S. 17 ff., hier S. 18. Der gelungene Sprung nach Berlin war eine Vo raussetzung der Vorprogrammierung des später in der zweiten Hälfte der 60er Jahre eskalierenden Konflikts zwischen dem Springer-Verlag und der von Berlin ausgehenden Studentenbewegung. Vgl. ebd. 35 | Der Mittag war eine in Düsseldorf erscheinende Tageszeitung und wurde am 20. September 1967 eingestellt. 36 | Vgl. Sörgel, Peter: »Der Springer-Konzern in Westberlin«, in: Bernd Jansen / A rno Klönne (Hg.), Imperium Springer. Macht & Manipulation, Köln 1968, S. 80-100, hier S. 87; Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 7; M. Schmidtke: Der Auf bruch der jungen Intelligenz, S. 176. 37 | Vgl. ebd., S. 52-55; C. v. Hodenberg: Konsens und Krise, S. 362-369; H. Gross mann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 123; Grass, Günter: Der Fall Axel C. Springer am Beispiel Arnold Zweig. Eine Rede, ihr Anlaß und die Folgen, Berlin 1967, S. 64. Im ersten Halbjahr 1967 stieg die Auflage der sechs Springerzeitungen um 260.000, während sich die der acht großen nicht zu Springer gehörenden Zeitungen nur um 32.000 erhöhte. Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 14.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium Springer […] eine derart absolute Führungsposition […], daß hier von Konkurrenz heute oder in Zukunft keine Rede mehr sein kann. […] [T]atsächlich dominiert in der Bundes republik, und nur hier, ein publizistischer Großkonzern. […] Springer«. 38
Dieser Entwicklung entsprach die Pressekonzentration der Tageszeitungen in den 50er und 60er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. 1954 gab es insgesamt 1500 Zeitungen, die 624 Verlage mit einer verkauften Gesamtauflage von 13,4 Millionen Exemplaren herausgaben. Die Zahl der Vollredaktionen (»publizistische Einheiten«) betrug 225. Bis 1959 stieg die Auflage auf 14,8 Millionen, während die Zahl der Vollredaktionen und der Verlage auf 200 bzw. 581 sank. Im Laufe der 60er Jahre erhöhte sich zwar die Auflage von knapp 15 auf gut 18 Millionen. Aber die Zahl der Vollredaktionen schrumpfte in nur zehn Jahren von 200 auf 149, also um ein Viertel. Die Anzahl der Verlage und Zeitungsausgaben verringerte sich von 581 bzw. 1500 auf 517 bzw. 1372. Im Rahmen dieser Pressekonzentration ragte der Springer-Konzern heraus.39 Mit seiner Bild-Zeitung, die eine Auflage von über vier Millionen Exemplaren erreichte, war das Springer-Imperium der große Sieger der Konzentrationsprozesse auf dem deutschen Pressemarkt in den 60er Jahren. 1968 verfügte es über insgesamt 19 Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von 17,5 Millionen Exemplaren und beherrschte den westdeutschen Pressmarkt zu fast einem Drittel.40 Die Kritik am Springer-Verlag konzentrierte sich auch auf den Mann, der dem Verlag vorstand, den einzigen Besitzer des Konzerns. In der vom Repub38 | Klönne, Arno: »Warum Springer enteignen?«, in: Informationen zur Abrüstung 51 (1967) (= Springer-Sonder-Nummer), S. 1 ff., hier S. 2 (auch in: APO-Archiv, SDS-Sprin ger Kampagne), Herv. i. O. 39 | Vgl. W. J. Schütz: »Entwicklung«, S. 114 f.; N. Frei: »Die Presse«, S. 400; Repu blikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 4; K. Dussel: »Vom Radio- zum Fern sehzeitalter«, S. 677 f.; H.-U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949-1990, S. 390 f.; C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 166 ff. Es lässt sich eine auffällige Eigenheit dieses Konzentrationsprozesses der Tageszeitungen beobachten: Während sich zwi schen 1954 und 1967 die Zahl der selbständigen Zeitungen mit einer Auflage von mehr als 40.000 nicht vermindert hatte (1954: 104, 1964: 105, 1967: 103), ist die Anzahl der Zeitungen mit einer Auflage unter 40.000 von 121 im Jahr 1954 auf 55 im Jahr 1967 drastisch gesunken. Damit verminderte sich auch der Anteil der kleinen Vollredaktionen an der Gesamtauflage der bundesrepublikanischen Tageszeitungen sehr deutlich (15 % 1954, 5,4 % 1967). Noelle-Neumann, Elisabeth: »Pressekonzentration und Meinungs bildung«, in: Publizistik 13 (1968), S. 107-136, hier S. 107. Vgl. auch Goltz, Peter / R . Langenbucher, Wolfgang: Der mißachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse, Köln 1969, S. 163 f. 40 | Vgl. Meyer, Gerhard: »Die 68er-Bewegung und die zeitgenössischen Medien«, in: Geschichte Lernen 15, 86 (2002), S. 59-65, hier S. 64.
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likanischen Club herausgegebenen Publikation Springer enteignen? Materialien zur Diskussion brachten Akteure der Anti-Springer-Kampagne, um den Springer-Konzern zu kritisieren und die Enteignung Springers zu fordern, ihre Sorge zum Ausdruck: »Es bedeutet aber dann unter allen Unständen eine unüberschätzbare Gefährdung für die Pressefreiheit und damit für das Funktionieren der Demokratie, wenn die geistigen Produzenten einer Zeitung nur der Kontrolle und der Willkür einer Gruppe oder gar eines einzigen Mannes unterstehen, der die technischen Produktionsmittel der Zeitung be sitzt und nach dem sie um ihrer wirtschaftlichen Existenz willen ihre Meinung ausrichten müssen, der sich selber jedoch auf Grund seiner wirtschaftlichen Macht jeder wirksa men Kontrolle entziehen kann. Der Mann, der die Konzentration der technischen wie der geistigen Zeitungsproduktion in der Bundesrepublik und in Westberlin am weitesten vorangetrieben hat, ist Axel Cäsar Springer«.41
Ganz anderer Meinung war Axel Springer, der sich »als zweiter Hugenberg« sowie als ein Mann, der die »öffentliche Meinung« in der Bundesrepublik »in seine Hand« nehmen wolle, verunglimpft sah.42 Die Wirtschaftskrise 1967 habe gezeigt, so Springer, dass »Konzentration Notwehr« sei.43 Und »nicht einmal in Berlin«, wo 1967 der Springer-Konzern fast 70 Prozent des Pressemarktes beherrschte, sei der Konzern übermächtig.44 Die »Großen«, also große Verlage, garantierten aus Springers Sicht die Pressefreiheit am ehesten.45 Er glaubte überdies, dass das »Heranwachsen größerer Zeitungsunternehmen die Presse insgesamt […] freier machen« werde.46 Natürlich könne ein Pressekonzern »die Meinungsfreiheit [im Land, Anm. d. V.] nicht gefährden«, weil eine solche Gefährdung nur bestehe, wenn sich ein Verlag »an die 100 Prozent« Marktbeherrschung heranbewegen würde.47 Die marktbeherrschende Stellung seines Unternehmens erschien Springer nicht nur als gerechtfertigt, sondern auch als ein Garant für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik. 41 | Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 5. 42 | Axel Springer auf dem Empfang für seinen Partner K. A. Voss am 31. Mai 1967, zit. n. Staeck, Klaus (Hg.): Die Leiden des Axel Cäsar Springer, Göttingen 1981, S. 49. 43 | Ebd. 44 | Axel Springer an den Generalsekretär der Evangelischen Akademikerschaft am 29. April 1968, zit. n. ebd., S. 51. 45 | Axel Springer in einer Rede am 4. Mai 1967 in der Universität von Missouri in Co lumbia, zit. n. ebd., S. 49. 46 | Axel Springer in einer Rede am 4.5.1967 in der Universität von Missouri in Colum bia, zit. n. G. Naeher: Axel Springer, S. 215. 47 | Axel Springer im ZDF-Interview am 21. Mai 1968, zit. n. K. Staeck (Hg.): Die Leiden, S. 51.
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4. Das Aufkommen der Kritik am Axel Springer Verlag
»Millionen stimmen täglich am Kiosk für mich ab«1 A xel S pringer »Springer, das ist nicht einfach Verlag. Springer – das ist Religion.« 2 C hristian K racht
Nicht erst seit dem 2. Juni 1967, dem Tag, an dem der Student Benno Ohnesorg starb, gab es Kritik an »Axel Springers Mammutkonzern«.3 1962 kritisierte die Zeitschrift konkret die Bild-Zeitung scharf und auch pardon publizierte eine starke Kritik am Springer-Verlag sowie seinem Verleger. 1963 griffen das Fernsehmagazin »Panorama« und das Wochenmagazin Stern Springers Marktmacht auf, 1964 die Zeitschrift Capital, 1965 schließlich das Hamburger Magazin Spiegel. Seit Ende 1964 beriet die Michel-Kommission des Bundestags über die Konkurrenzsituation von Fernsehen und Presse. Ihr Schlussbericht aus dem Jahr 1967 warnte vor dem Versuch Springers, das Privatfernsehen zu erobern. 1967 und 1968, während des Höhepunkts der 68er-Protestbewegung, beschäf1 | Zit. n. Müller, Hans Dieter: »Brief an den Chefredakteur von Bild«, in: Vorgänge. Eine kulturpolitische Korrespondenz 7, 6 (1968), S. 217. 2 | Zit. n. H. Lohmeyer: Springer, S. 7. 3 | Paczensky, Gert von: »Liebe Sternleser!«, in: Stern vom 27. August 1963, zit. n. Kain, Florian: Das Privatfernsehen, der Axel Springer Verlag und die deutsche Presse. Die medienpolitische Debatte in den 60er Jahren, Münster 2003, S. 110. Obwohl es auch in den 1950er Jahren starke Kritik am Springer-Verlag innerhalb des Pressewe sens gab, wurden das breite Interesse sowie die Kritik am Springer-Verlag erst durch seine Auseinandersetzungen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die damit einsetzende Berichterstattung konkurrierender Presseorgane ausgelöst. Vgl. M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 33.
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tigte sich die Günther-Kommission mit den »Folgen der Konzentration für die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik« und kam zu einem Schluss, der das Geschäftsgebaren des Springer-Verlags deutlich missbilligte: die Empfehlung, Springer zu entflechten.4 Es war die monatlich erscheinende linke Zeitschrift konkret, welche im Juli 1962 mit der Überschrift »BILD-Leser sehen Dich an« harsche Kritik an dem »mächtigste[n] Organ des Springer-Konzerns« übte.5 Die Aufgabe der Bild-Zeitung bestehe nicht darin, »Denken zu erwecken, sondern es in Gefühlen zu ersticken«.6 Die jegliche Vernunft zerstörende Bild-Zeitung sei geradezu ein »Antipode demokratischen Denkens«.7 Drei Monate später, im Oktober 1962, während der Spiegel-Affäre, thematisierte die satirische Zeitschrift pardon den Springer-Verlag und seinen Verleger.8 Unter der Überschrift »Krieg wegen Axel Springer?« stellte sie die Meinungsmacht der Bild-Zeitung anhand einer Reihe von Karikaturen dar. Darüber hinaus verspottete der Journalist Erich Kuby, dessen Redeverbot an der FU zur Mobilisierung der Studenten im Sommersemester 1965 beitragen sollte, Springers Bemühungen um die deutsch-deutsche Wiedervereinigung. Kuby schloss seinen Beitrag mit einer scharfen Kritik an den Springer-Zeitungen. Diese würden den »politisch manipulierte[n] Neandertaler« erzeugen. Die Springer-Presse mache »ihre Leser dumm wie die Hühner und blutdurstig wie die Wölfe«.9 In einer Sendung vom 11. Februar 1963 beschäftigte sich die Redaktion des TV-Magazins »Panorama« mit der Bild-Zeitung und der Pressekonzentration, die auch im nachfolgenden Sommer in kommunikationswissenschaftlichen Zirkeln diskutiert werden sollte. Im O-Ton dieser Sendung hieß es: »Das Fernsehen wird demokratisch kontrolliert. Aber niemand kontrolliert Axel Springer.«10 Der Soziologe Harry Pross gab ein Interview und sprach sich für gesetzliche Mittel gegen die Pressekonzentration in Westberlin aus. »Panorama« richtete heftige Angriffe vor allem gegen die Bild-Zeitung. Ihr »Stil ent4 | Vgl. M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 100; C. v. Hodenberg: »Der Kampf um die Re daktionen«, S. 141; F. Kain: Das Privatfernsehen, S. 110 und S. 147; W. J. Schütz (Hg.): Medienpolitik, S. 109 ff.; M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 37; J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 100 f. 5 | Abosch, Heinz: »BILD-Leser sehen dich an«, in: konkret vom Juli 1962, S. 5. 6 | Ebd. 7 | Ebd. 8 | O. A.: »Krieg wegen Axel Springer?«, in: pardon vom Oktober 1962, S. 15-22. 9 | Kuby, Erich: »Reizende Leute. Oder Die Geschichte vom deutschen Axel, der auszog, den Osten das Fürchten zu lehren«, in: pardon vom Oktober 1962, S. 20. 10 | Zit. n. M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 24, Anm. 111. In ei ner Sendung vom 18. November 1963 hatte »Panorama« die Praktiken der Bild-Zeitung und des Springer-Konzerns thematisiert. M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 100.
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stammt der Reklame. Kurz, abgehackt und suggestiv«,11 lautete der Kommentar. Auf die Sendung antwortete die Bild-Zeitung am 13. Februar 1963 mit der Schlagzeile: »BILD-Leser: Das war Fernsehhetze. PANORAMA – Geschäft für Ulbricht.« Die Auseinandersetzung zwischen »Panorama« und der SpringerZeitung war der Ausgangspunkt für den in den folgenden Jahren immer stärker werdenden publizistischen Protest gegen den Konzern.12 Vor der Formierung der Anti-Springer-Kampagne der APO kam die Kritik am Springer-Konzern überwiegend von Konkurrenzmedien. Zum Beispiel kritisierte der Stern den Verlag wegen dessen Bemühungen um das Verlegerfernsehen. Am 27. August 1963 griff Gert von Paczensky, der sich als Komoderator13 von »Panorama« mit der Bild-Zeitung beschäftigt hatte und inzwischen für den Stern Kolumnen und Briefe an die »lieben Sternleser« schrieb, in den Fernsehstreit ein. Über einen möglichen Einstieg des Springer-Verlags in das Fernsehgeschäft behauptete er warnend: Der Springer-Konzern – »die größte Zeitungskonzentration in Deutschland, seit Max Amann für Adolf Hitler die Presse gleichschaltete – hat sich inzwischen sehr weit von den Grundsätzen einer de mokratischen Meinungsbildung entfernt. Zu weit, um nun noch nach einem neuen Mas senmedium greifen oder gegenüber dem Fernsehen als Wahrer der öffentlichen Interes sen auftreten zu dürfen.«14
Im November 1964 widmete das Wirtschaftsmagazin Capital dem »SpringerKonzern« eine kritische Titelstory, die erstmals ausführlich die Marktanteile der einzelnen Zeitungs- und Zeitschriftensparten des Konzerns unter dem Gesichtspunkt der Pressekonzentration erörterte. »Die Nachricht, daß Springer den deutschen Pressemarkt beherrscht, ist gewiß […] nicht neu. Wir aber haben, zum ersten Mal, untersucht, wie diese Marktbeherrschung im einzelnen aussieht.«15 Nach der Recherche von Capital, die sich auf die IVW-Statistik des 11 | Zit. n. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 67, vgl. auch S. 101. 12 | Vgl. Lampe, Gerhard / S chumacher, Heidemarie: Das »Panorama« der 60er Jahre. Zur Geschichte des ersten politischen Fernsehmagazins der BRD, Berlin 1991, S. 67 f.; F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 160. Aber Lampe und Schumacher halten diese Konfrontation gar für den Ausgangspunkt der in den folgenden Jahren zunehmen den Kritik an der Macht des Springer-Konzerns, die letztlich in den Demonstrationen der APO gegen den Medienkonzern am Ende der 60er Jahre kulminierte. G. Lampe / H . Schumacher: Das »Panorama« der 60er Jahre, S. 69. 13 | Ab dem 4. Juni 1961 sendete »Panorama« im zweiten Programm der ARD unter Leitung von Gert von Paczensky und Rüdiger Proske. Im Mai 1963 wurde Paczenskys Vertrag nicht verlängert. Vgl. ebd., S. 211 f. 14 | G. v. Paczensky: »Liebe Sternleser!«, zit. n. F. Kain: Das Privatfernsehen, S. 110 f. 15 | O. A.: »Der Springer-Konzern«, in: Capital 3, 7 (1964), S. 20-27, hier S. 21.
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dritten Quartals 1963 stützte, kontrollierte der Springer-Konzern 88,7 Prozent der Gesamtauflage der überregionalen Tagespresse der Bundesrepublik, in den größten deutschen Städten Berlin und Hamburg 65,8 bzw. 69,9 Prozent der dortigen Auflage, 86,8 Prozent der Sonntagpresse, 53 Prozent der Programmzeitschriften und 30 Prozent der sogenannten Soraya-, also der Regenbogenpresse: »Jedes vierte Pressedruckwerk«, schrieb Capital, »gehört in diesen Landen Springer«. Von allen Zeitungen der Bundesrepublik halte das Verlagshaus »ein gutes Drittel der Auflage, genau 36,53 %«. Springer sei ein »Konzentrator« und der »mit Abstand größte deutsche Verleger«.16 Weil viele nachfolgende Springer-kritische Berichte die Zahlen des Capital-Artikels aufgriffen, so der Historiker Florian Melchert, müsse man den Text als Auftakt des publizistischen »Feldzug[s] gegen Springer und seinen Verlag« ansehen.17 Im Februar 1965 druckte der Spiegel die 14-seitige Titelstory »Springer-Vorstoß auf das Fernsehen«.18 Der Artikel beschäftigte sich mit den Bemühungen Springers um eine Beteiligung am Rundfunk sowie mit den Auflagen des Springer-Konzerns. Der teilweise auf dem Capital-Bericht vom November 1964 basierende Text zog den Schluss, dass »die Macht des größten Verlegers auf dem europäischen Kontinent […] schon heute bis ans Monopol« reiche. Springer strecke daher »seine Hand nach dem Fernsehen nicht offen«, sondern nur verdeckt aus.19 Der »Zeitungs-Zar« wolle das Zweite Deutsche Fernsehen insgeheim übernehmen.20 Der Artikel war vor allem auch deshalb brisant, weil er unkritisch die Einschätzung aufgriff, durch den Springer-Konzern drohe »ein Meinungs-Monopol«, »wie es seit dem Goebbels-Propagandaministerium nicht mehr bestand«.21 Diese Meinung hatte Sebastian Haffner im Stern formuliert. Er hatte vor der Fusion der »zwei Riesen, dem Springer-Konzern und dem Zwei16 | Ebd. S. 27. 17 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 161. Vgl. auch M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 25; Böddeker, Günter: 20 Millionen täglich. Wer oder was beherrscht die deutsche Presse?, Hamburg 1967, S. 81. Der Capital-Herausgeber John Jahr verhandelte zu der Zeit mit Gerd Bucerius und Richard Gruner über einen ge meinsamen Verlag. Daher beabsichtigten die drei Verhandlungspartner mit dem Artikel, so Seitenbecher und Melchert, den Fokus auf Springer und dessen Verlag zu richten und so von eigenen Konzentrationsplänen abzulenken. Kurz danach wurde der Verlag Gruner + Jahr gegründet. Vgl. M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 25; F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 161. 18 | O. A.: »Fernsehen. Springer. ›Bild‹ im Bildschirm?«, in: Der Spiegel vom 3. Februar 1965, S. 40-53. 19 | Ebd., S. 40. 20 | Ebd., S. 44. 21 | Zit. n. ebd., S. 40; Haffner, Sebastian: »Meinungsmonopol«, in: Stern vom 20. De zember 1964, S. 18 f.
Das Aufkommen der Kritik am A xel Springer Verlag
ten Deutschen Fernsehen«,22 gewarnt. Nach Melchert konnte Haffners Vergleich schnell so gelesen werden, dass der Springer-Konzern gar »Vorbote eines ›Vierten Reiches‹ sei«.23 In zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben bezeichnete Peter Grubbe, linksliberaler Journalist und Autor, in der Zeitschrift Monat den Springer-Verlag als Gefahr für die westdeutsche Gesellschaft und verglich ihn mit dem Verleger Hugenberg in der Weimarer Republik.24 Während Hugenberg damals nur einer der drei großen Konzerne gehört hätte und die Häuser Ullstein und Mosse ihm gegenübergestanden hätten, habe Springer vor allem nach Ankauf des Ullstein-Verlags und des Düsseldorfer Mittag-Verlags in Deutschland »keinen auch nur annährend ebenbürtigen Konkurrenten« mehr.25 Indem sich unter Führung des Springer-Konzerns die Masse der Tageszeitungen nach rechts bewegt habe, würden die kritischen und notwendigen Stimmen der oppositionellen Linken immer leiser und dünner werden.26 Zeitgleich beschäftigte sich konkret unter der Überschrift »Springer-Fernsehen?« mit dem Konzern. In dem im April 1965 erschienenen Artikel kritisierte Ulrike Meinhof, Springer drohe die »übrige Presse in der Bundesrepublik zu ruinieren«. Er wolle das »Zweite Deutsche Fernsehen zum Erbhof machen«, das dann »unempfindlich gegen politische Veränderung auf Grund der Stabilität seiner wirschaftlichen Macht« sei. Solches Fernsehen sei »BILD-Fernsehen«. Politische Parteien wie CDU und CSU könnten es nur allzu leicht ausnutzen. Diese wollten im Grunde ein »Springerfernsehen«, so Meinhof.27 Bald darauf setzte es auch Angriffe gegen den Springer-Konzern aus anderen Medien. Der Intendant von Radio Bremen, Heinz Kerneck, warnte im Mai 1965 eindringlich vor der Macht des Konzerns. In seinem Vortrag mit dem Titel »Pressemonopol – Gefahr für die Freiheit?«, den er auf Einladung des AStA der Universität Bonn hielt, sagte Kerneck: »Viele glauben, […] daß wir hier von einem Nebenkriegsschauplatz sprechen. Glauben Sie das bitte nicht. Es geht um Ihre Zukunft – Es geht darum, ob Sie in Zukunft über die mächtigsten Medien mitzubestimmen haben oder ob einigen wenigen neben der
22 | Ebd., S. 19. Der Artikel wurde als »Sebastian Haffners Meinung«, nicht als die der gesamten Redaktion, gekennzeichnet. Ebd., S. 18; vgl. auch M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 25, Anm. 117. 23 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 164. 24 | Grubbe, Peter: »Freiheit, die ich meine«, in: Der Monat 17, 199 (1965), S. 88-94. 25 | Ebd., S. 89. 26 | Ebd., S. 92 f. 27 | Meinhof, Ulrike Marie: »Springer Fernsehen?«, in: konkret vom April 1965, S. 3.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium Verfügungsgewalt über heute schon allzu viele Rotationsmaschinen auch noch die Ver fügungsgewalt über Fernsehkameras und Mikrophone eingeräumt wird.« 28
Während sich Springer mit harschen Angriffen gegen jegliche Bemühungen hinsichtlich des Verlegerfernsehens und der Kritik an der wachsenden Macht des Konzerns ausgesetzt sah, ging der Konzentrationsprozess des Springer-Verlags mit dem Kauf des Kindler und Schiermeyer Verlags im Juli 1965 weiter.29 In dieser Zeit erschien ein Aufsatz mit dem Titel »Die Konzentration in der deutschen Presse« in einem Sammelband, der 1965 von Harry Pross herausgegeben wurde und sich vor allem mit der Rolle des Springer-Konzerns beschäftigte.30 Zwar stünde Axel Springer, dessen Zeitungen politisch einseitig berichteten, »nur an der Spitze einer Reihe von Namen«31 und er sei »noch nicht mit Hugenberg«32 vergleichbar. Die Pressefreiheit sei jedoch durch die schiere Größe seines Konzerns gefährdet. Im FU-Spiegel, der offiziellen Studentenzeitschrift der FU, erschien bald darauf eine Rezension des Aufsatzes. Der Autor vom Institut für Publizistik der FU wage es, »gegen Axel Springer anzugehen«, und er weise »in seinem ausgezeichneten Beitrag […] auf den Vorgang selbst mit eindeutigen Zahlen hin, und auch auf die drohenden Konsequenzen«.33 In diesem Zusammenhang wurde die von Paul Sethe im Mai 1965 formulierte kritische Äußerung – in der Bundesrepublik bedeute Pressefreiheit, dass die 200 reichsten Leute das Recht hätten, ihre Meinung der Öffentlichkeit kundzutun34 – auch auf den Springer-Verlag bezogen. Seit dem Frühjahr 1966 befasste sich die bundesrepublikanische Medienpolitik neben dem Thema Pressekonzentration verstärkt mit dem Verlegerfernsehen und der Wettbewerbsverzerrung,35 was fortan auch das öffentliche Bewusstsein prägte. Mithin erreichte die Debatte um Konzentration und Meinungs28 | Kerneck, Heinz: »Pressemonopole – Gefahr für die Freiheit?« Vortrag auf Einladung des AStA der Universität Bonn, 21. Mai 1965, in: ACDP (Archiv für Christlich-Demokra tische Politik in Sankt Augustin), 12 / 16 (»Pressekonzentration I, vom Mai 1964 bis 31. Dezember 1971«), zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 168. 29 | Zur Pressekonzentration des Springer-Konzerns vgl. Teil I, Kapitel 3, S. 61 in dieser Arbeit. 30 | Kötterheinrich, Manfred: Die Konzentration in der deutschen Presse, in: Harry Pross (Hg.), Deutsche Presse seit 1945, Bern / M ünchen / W ien 1965, S. 76-97. 31 | Zit. n. ebd., S. 84, vgl. auch S. 93 f. 32 | Ebd., S. 93, vgl. auch S. 82. 33 | FU-Spiegel 11, 47 (1965), S. 18, zit. n. M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 26. 34 | P. Sethe: In Wasser geschrieben, S. 169. 35 | Vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 187.
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macht im Pressewesen in diesem Zuge die Politik. Fritz Sänger, SPD-Abgeordneter im Bundestag, griff etwa im Februar 1966 den Springer-Verlag an. Auch wenn aufgrund der »ungewöhnliche[n] Investitionsbedürfnisse der Zeitungen (moderne Druck-, Funkdruck- und Bildfunk-Maschinen)« eine Konzentration an sich unvermeidlich sei, verurteilte er, dass »rund 87 % der Tageszeitungsauflage bereits von einem Unternehmen kontrolliert«36 würden. Der Bundesparteitag der FDP in Nürnberg diskutierte im Juni 1966 den Springer-Verlag und dessen Pressekonzentration kritisch. Christian Kayser, ehemaliger Bundesvorsitzender des LSD, mahnte: »Die Presse ist doch in einem derartig großen Umfang konzentriert – […] man denke nur an den Springer-Konzern –, daß es bedenklich ist, wenn hier nicht von einer liberalen Partei Gegenanregungen und Gegengewichte auf politischer Ebene geschaffen werden«. Kayser warnte vor einer »Meinungsmonopolisierung«, die dadurch entstehen könne, dass »bestimmte Informationen unter den Tisch fallen oder nur in Randbemerkungen gedruckt werden«, und befürwortete gar eine »Entflechtung«.37 Im April 1966 kritisierte pardon die Springer-Presse mit dem Artikel »Der Fall. Berlin – Hauptstadt ohne Presse«: »Berlin [brauche] eine neue Zeitung«, da, »wer wirklich informiert sein will«, die in Berlin erscheinenden acht Blätter nicht zu lesen brauche.38 Der Artikel richtete sich gegen »rein propagandistische Aktionen«39 der Springer-Zeitungen. Im Mai beschäftigten sich mehrere Periodika vom Spandauer Volksblatt bis Christ und Welt mit dem Thema der Pressekonzentration.40 Es war aber vor allem der Spiegel, der in der publizistischen Kritik gegen den Springer-Verlag eine große Rolle spielte. Er griff im März 1966 die Welt, »Springers angesehenstes Blatt«, an, da es ein »liberales Urteil« nicht mehr kenne.41 Rudolf Augstein, der mit seinem Spiegel der publi36 | Fritz Sänger an Karl Mommer und Georg Kurlbaum, 22. Februar 1966, S. 1 f., in: Archiv der Sozialdemokratie, Nachlass Fritz Sänger, 102, zit. n. ebd., S. 206 f. 37 | XVII. Ordentlicher Bundesparteitag der FDP vom 6. bis 7. Juni 1966 in Nürnberg, stenographisches Protokoll, S. ›M3‹f., in: Archiv des Deutschen Liberalismus, A-1 (Bundesparteitag), 309, zit. n. ebd., S. 207 f. Im gleichen Monat hatte der ehemalige Welt-Auslandskorrespondent Peter Grubbe auf einer Studentenversammlung in BerlinTiergarten vorgeschlagen, dass »man Springer endlich entmachten solle, weil seinem Kommando mehr als 70 % aller Druckerzeugnisse in W[est]D[eutschland] unterstehen und besonders die politische Meinung manipuliert wird.« J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 105. 38 | Köhler, Otto: »Der Fall. Berlin – Hauptstadt ohne Presse«, in: pardon vom April 1966, S. 17-24, hier S. 17. Köhler schrieb später für den Spiegel und konkret gegen Springer. 39 | Ebd., S. 18. 40 | Vgl. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 92. 41 | O. A.: »Presse. ›Die Welt‹. Links von der Wand«, in: Der Spiegel vom 28. März 1966, S. 64.
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zistische »Vorreiter der westdeutschen Anti-Springer-Kampagne«42 werden sollte, behauptete, dass eine kapitalistische Ordnung, in der bis zu 50 Prozent des »täglichen Zeitungslesestoffes von einem Mann [Springer, Anm. d. V.] dirigiert werden« könne, ein »wenig unproportioniert« sei.43 Die am 1. August 1966 erschienene »Lex Springer«-Kolumne des Spiegel-Herausgebers stellte den »ersten Höhepunkt der publizistischen Eskalation«44 der Angriffe dar. In seiner Kolumne forderte Augstein eine gesetzliche Begrenzung der Marktanteile des Springer-Verlags: eine »Lex Springer«, welche Springer verbieten würde, seinen Konzern »auf Kosten all seiner Mitbewerber« weiter auszudehnen.45 Darüber hinaus verglich Augstein den Großverleger mit Hitler bzw. seinen Verlag mit einer Krankheit: »Die Volksgemeinschaft des Adolf Hitler ist von niemand geschickter beerbt worden als von diesen beiden, Adenauer und eben Springer. […] Springers Konzern wächst […] wie ein gefräßiger Tumor. Kein einzelner Mann in Deutschland hat vor Hitler und seit Hitler so viel Macht kumuliert, Bismarck und die beiden Kaiser ausgenommen. Kein westli ches Land ist bekannt, in dem ein einzelner Mann 40 % der gedruckten Nachrichten und Meinungen kontrolliert, und zwar nicht als gewichtiger Minderheitsaktionär, sondern als Alleininhaber seiner Zeitungen, Zeitschriften und Druckereien, der sein Commonwealth vererben kann, wem er lustig ist. […] Der eine Mann, dessen ganz unschuldiges, teils sogar naives Wirken und Wachsen den Staat bedroht, findet politische Parteien vor, die nichts mehr gegen ihn tun werden, je mehr er sich ausdehnt, desto weniger. Ja, sie werden ihn auch noch ins Fernsehen lassen, wenn er ihnen nur paritätische Sendezeiten verspricht.« 46
Die Titelseite der Spiegel-Ausgabe, in der Augsteins Text erschien, zeigte Hitler in Rednerpose mit dem Titel »Fahrplan eines Welteroberers«. Im selben Monat, in dem Augstein seine Kolumne publizierte, schrieb der Fernsehjournalist Thilo Koch ganz ähnlich gegen Springer an. Sein Text erschien in der Hessischen Allgemeinen, dem Darmstädter Echo sowie dem Südkurier. Koch behauptete: Es sei »höchste Zeit, daß der Bundestag sich mit dem Pressekonzern Axel Springers« beschäftigt. »[V]iel zu lange schon« habe man »Augen und Ohren verschlossen vor der Tatsache«, dass allein ein Verlag 40 Prozent aller Presseprodukte in der Bundesrepublik drucke. In seinem Bei42 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 11. 43 | Augstein, Rudolf: »Ulbricht und der Stimmzettel«, in: Der Spiegel vom 2. Mai 1966, S. 26-29, hier S. 29. 44 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 210. 45 | Augstein, Rudolf: »Lex Springer«, in: Der Spiegel vom 1. August 1966, S. 10-12, hier S. 10 und S. 12. 46 | Ebd.
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trag betonte Koch, dass die Freiheit selber auf dem Spiel stehe, »die für einen demokratischen Rechtsstaat ausschlaggebende Freiheit der Meinung, wenn ein einzelner Mann, eine einzige Firma diese Macht ausübt, dieses Ausmaß von Marktbeherrschung erreicht«. Auch Koch verglich Springer mit Hugenberg: »Wie sehr die persönliche politische Meinung eines Großverlegers die Geschicke eines Staatswesens beeinflussen kann«, dafür sei der »unselige Hugenberg« aus der Weimarer Zeit ein »warnendes Beispiel«.47 Nur zwei Monate nach der »Lex Springer«-Kolumne griff Augstein Springer mit der Überschrift »Ave Cäsar«, die auch »als Analogie zum nationalsozialistischen Gruß ›Heil Hitler‹«48 betrachtet werden konnte, noch einmal an. Springer verkaufe in Westberlin mindestens 70 Prozent aller Zeitungen. Der »nicht abwählbare« Konzernlenker habe dort so viel Einfluss wie der demokratisch »gewählte und abwählbare« Senat. Augstein, der ein Gesetz »gegen Presse-Monopole (und natürlich nicht speziell gegen das Haus Springer) angeregt« hatte, erklärte, dass durch den Springer-Verlag »Meinungen und Nachrichten mit den Mitteln eines neuzeitlichen Syndikats konzerniert und propagiert« würden. Der Springer-Verlag sei ein Hindernis für eine europäische Friedensordnung: »Je größer, je reicher, je mächtiger das Haus Springer emporwächst, desto höher wird das Hindernis, das Springer selbst mittlerweile auf dem Weg zu einer friedlichen Ordnung in Europa darstellt.«49 Dem Springer-Verlag gelang es nicht, die sich verschärfende publizistische Kritik abzuschwächen oder gar zu stoppen. Den Startschuss für die Angriffe habe, so Axel Springer, das Wirtschaftsmagazin Capital im November 1964 gegeben. Gefolgt sei der Spiegel »mit den gleichen Behauptungen« wie Capital.50 Bis Anfang August 1966 habe der Springer-Verlag auf einen publizistischen Gegenangriff verzichtet. »Schmutzschleuderern [hätte er, Anm. d. V.] nicht noch zu größerer Publizität« verhelfen wollen. Der Grundsatz des Springer-Verlags sei gewesen: »Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter.«51 Unmittelbar nach dem Erscheinen der »Lex Springer«-Kolumne änderte sich die Strategie des Hauses. Die Zeiten, in denen Springer auf publizistische Angriffe mit Schweigen reagierte, waren vorbei, insbesondere bei der Welt.52 Heinz Pentzlin, 47 | Zit. n. Verlagshaus Axel Springer (Hg.): Die These von der »Enteignung des AxelSpringer-Verlages«. Ihr Ursprung und ihre Verbreitung, Juli 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968, S. 1-14, hier S. 7. 48 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 216. 49 | Augstein, Rudolf: »Ave Cäsar«, in: Der Spiegel vom 3. Oktober 1966, S. 20. 50 | Springer, Axel: »SPD-Stellungnahme hat mich erleichtert«, in: LSZ – Liberale Stu dentenzeitung 15, 5 / 6 (1966), S. 7. 51 | Ebd. 52 | Vgl. F. Kain: Das Privatfernsehen, S. 168; F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 219.
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geschäftsführender Redakteur der Zeitung, antwortete am 4. August auf die Frage nach der Macht und der meinungsbildenden Kraft der Springer-Presse und relativierte den Einfluss seines Hauses: Der Springer-Verlag stehe »keineswegs so überragend in einsamer Höhe, wie es meist geglaubt« werde, obwohl er der größte Verlag in Deutschland sei. Die Verlagsgruppe verkaufe insgesamt 5,26 Millionen Tageszeitungen. Aber »[n]ur wenige […] Leser lesen nur eine Zeitung, um sich über die Vorgänge in ihrem Hei matort, in Deutschland und in der Welt zu unterrichten. Die meisten lesen noch andere Zeitungen und bedienen sich weiterer Mittel der Information – Fernsehen und Rundfunk, Illustrierte und Fachpresse, um nur die wichtigsten Träger ›veröffentlichter Meinung‹ zu nennen.« 53
Diese Taktik bringt Kain auf den Punkt: »Beweist uns, den Größten, erst einmal, daß wir auch wirklich am größten sind.«54 Zeitgleich jedoch nahm der Verlag hinsichtlich des Verlegerfernsehens eine defensive Haltung an. Durch den anwachsenden Druck von außen ging es nun nicht mehr um das Monopol des angeblichen Staatsfernsehens, sondern um das Meinungsmonopol des Verlags.55 Vor diesem Hintergrund spitzte sich die Debatte um die Pressekonzentration weiter zu. Sie fiel zeitlich zusammen mit einer Häufung der Konzentrationserscheinungen um die Jahreswende 1966 / 67. Zwischen dem 1. November 1966 und dem 31. März 1967 kam es zu nicht weniger als 18 Zeitungs- und Zeitschrifteneinstellungen, -verkäufen, -zusammenschlüssen sowie Kooperationsvereinbarungen: Insgesamt waren mehr als 35 Titel betroffen.56 Wie gingen die Studenten mit dem Medienkonzern um, als die publizistische Kritik an ihm immer deutlicher wurde? Im Dezember 1964 hatte der SpringerVerlag anlässlich der »Anti-Tschombé-Demonstration« eine der ersten Konfrontationen mit den Studenten ausgelöst. In Bezug auf die Berichterstattung der Berliner Morgenpost über die Tschombé-Demonstration stellte der SDS Strafantrag gegen den verantwortlichen Redakteur. Schon im Juni 1965 kritisierte frontal, das Organ des SHB, die Macht des Springer-Verlags und des »Presse-Zar[s]« Springer mitsamt seinen Bemühungen um das Verlegerfernsehen.57 Dennoch 53 | Pentzlin, Heinz: »Monopol für Meinungen?«, in: Die Welt vom 4. August 1966, S. 2. 54 | F. Kain: Das Privatfernsehen, S. 168. 55 | Vgl. ebd., S. 169. 56 | Vgl. ebd., S. 170; Richter, Rolf: Kommunikationsfreiheit = Verlegerfreiheit? Zur Kommunikationspolitik der Zeitungsverleger in der Bundesrepublik Deutschland 19451969, München 1973, S. 248. 57 | Vgl. Uth, Illa: »Krieg um Knöpfe. Axel Springer auf die Mattscheibe?«, in: frontal 5, 28 (1965), S. 4-8.
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spielte Springer bis zum 2. Juni 1967 in der westdeutschen Studentenbewegung eine eher untergeordnete Rolle. Das theoretische Organ des SDS, neue kritik, behandelte die Springer-Presse vor den Ereignissen des 2. Juni – wenn überhaupt – nur am Rande und dann satirisch.58 1963 hatte zum Beispiel die neue kritik die Angriffe der Zeitschrift pardon auf die Springer-Presse, insbesondere die Bild-Zeitung, mit den Worten kritisiert: »Der Gegner wird überhöht, die Situation überzeichnet – in der Hoffnung, das größere Ziel besser treffen zu können. Und genau diese Methode ist inadäquat.«59 Dieser Artikel von Lothar Hack war, so Richard Langston, »the best example of the SDS’s indifference toward the Springer media empire«.60 Die Studentenpresse stellte vor allem das Problem der Pressekonzentration und speziell im Fall des Hauses Springer kaum als politisches Problem dar. Beispielsweise hieß es im Sommer 1966 in der Liberalen Studentenzeitung des LSD: »Springer ist in erster Linie Geschäftsmann […]: Springer ist nicht Hugenberg. Das wird immer wieder von Kennern der damaligen Situation betont.«61 58 | Dazu schrieb Richard Langston: »Prior to June 1967, the central Organ of the SDS, the Journal neue kritik, hardly paid attention to the possible consequences of mogul Axel Springer’s media empire.« Ders.: Visions of Violence, S. 168. 59 | Hack, Lothar: »Kein Pardon für Pardon«, in: neue kritik 4, 15 (1963), S. 18 f., hier S. 19. 60 | R. Langston: Visions of Violence, S. 285, Anm. 10. 61 | Hummel, Volker: »›Lieber Gott, erhalte mir die deutsche Volksschule‹. Die Konzentra tion in der deutschen Presse«, in: LSZ – Liberale Studentenzeitung 15, 5 / 6 (1966), S. 6 f., hier S. 6. Obwohl im Januar 1966 auch in der Studentenzeitung, den marburger blättern, die Macht Springers, welcher »der ›Mächtigste‹ in Deutschland« sei, kritisiert wurde, at tackierten in dieser Zeit eher die nichtstudentischen Organe der APO die Springer-Pres se. Es waren die Sozialistische Politik, das Kursbuch und die Marxistischen Blätter. Vgl. Stahl, Rainer: »Wem gehörte die deutsche Presse?«, in: marburger blätter 16, 102 (1966), S. 15; Sachs, Ingrid: »Die Lehren einer ›Bild‹–Provokation«, in: Sozialistische Politik 13, 4 (1966), S. 4; Lettau, Reinhard: »Journalismus als Menschenjagd«, in: Kursbuch 2, 7 (1966), S. 116-129; Christian, Peter: »Springers ›Welt‹-›Bild‹ I. Im Dienst der Bürgerkriegs strategie«, in: Marxistische Blätter 4, 5 (1966), S. 7-11. Kegel, Franz: »Springers ›Welt‹›Bild‹ II. Boulevardblatt für 12 Millionen«, in: ebd., S. 12-18. Auch die Gewerkschaftspres se behandelte das Thema Springer und warnte vor monopolistischen Machtballungen in der Presse. Vgl. Gross, Rolf: »Kann die zunehmende Konzentration des Pressewesens bekämpft werden?«, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 16, 11 (1965), S. 654; ders.: »Freiheit der journalistischen Meinungsäußerung und Pressekonzentration«, in: Gewerk schaftliche Monatshefte 18, 11 (1967), S. 648 f.; Sänger, Fritz: »Konzentration in der deutschen Presse«, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 16, 11 (1965), S. 651 ff.; Engel mann, Bernt: »Die Traumfabrik des Axel Sp… (Teil I)«, in: Metall vom 24. Januar 1967, S. 6; ders.: »Die Traumfabrik des Axel Sp… (Teil II)«, in: Metall vom 7. Februar 1967, S. 6; ders.: »Die Traumfabrik des Axel Sp… (Schluß)«, in: Metall vom 21. Februar 1967, S. 6.
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II Entstehung und Verlauf der Anti-Springer-Kampagne
Die Anti-Springer-Kampagne, so die These, weist zentrale Aspekte sozialer Bewegungen auf, und in der vorliegenden Dissertation wird sie als eine Teilbewegung der 68er-Bewegung betrachtet. Sie bestand aus einem kollektiven Akteur, der mit variablen Organisations- und Aktionsformen Protest artikulierte, um über die Veränderung institutioneller, mentaler und kognitiver Strukturen eine grundlegende Transformation der gesellschaftlichen Ordnung in der Bundesrepublik zu bewirken. Dieser kollektive Akteur bildete sich in Interaktionen mit einem gemeinsamen Gegner, dem Springer-Verlag, heraus. In ihnen wuchsen die einzelnen Mitglieder der Kampagne im Hinblick auf vier Faktoren zu einer Bewegung zusammen: 1. das betraf ihre Ziele und ihre Solidarität untereinander1 und 2. ihre Kooperation und Zusammenarbeit, durch die sich die einzelnen Akteure und Trägergruppen zu Netzwerken aus verschiedenen Gruppen und Organisationen zusammenfügten. In der Auseinandersetzung mit dem Springer-Verlag entwickelten sich 3. eigene Organisations- und Aktionsformen sowie 4. die kognitive Orientierung der Akteure durch Bewusstseinsveränderungen. Unter Rückgriff auf Begriffe und Hypothesen der sozialen Bewegungsforschung können in der Anti-Springer-Kampagne vier Kampagnenformen identifiziert werden, mit denen die Bewegungsakteure eine Wandlung der Einstellungen, Handlungen oder Entscheidungen von bestimmten Adressaten zu erzielen versuchten. So lässt sie sich abhängig von der Zielsetzung und den Adressaten analytisch in eine Aufklärungs-, eine Aktions-, eine Rekrutierungs- und eine Einflusskampagne unterteilen.2 Im Verlauf der Kampagne gegen den Springer-Konzern gingen die verschiedenen Kampagnenformen ineinander über und standen ihre jeweiligen Elemente mal im Vordergrund, mal im Hintergrund. Obwohl sich parallel auch die Rekrutierungs- und die Einflusskampagne entwickelten, waren die Aufklärungs- und die Aktionskampagne zentral. Als Aufklärungskampagne, die mit Hilfe von »Informationsarbeit […] Einstellungs- und Verhaltensänderung[en]«3 von spezifischen Teilgruppen, 1 | Vgl. S. Tarrow: Power in Movement, S. 2 ff. 2 | Vgl. C. Lahusen: »Transnationale Kampagnen«, S. 40. 3 | Ebd., S. 43.
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insbesondere der Bevölkerung außerhalb des Universitätsmilieus, intendierte, brachte die Anti-Springer-Kampagne, um die Hintergründe der Springer-Pressemacht darzulegen, Informationen über den Konzern und seine Geschichte in Umlauf. Sie stellte Prognosen zur Pressekonzentration und zum Marktmonopol der Springer-Presse auf. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 wurde der Kampf gegen Springer vor allem mit den Mitteln und Strategien der Aktionskampagne geführt. Mit spezifischen Aktionsformen wie der Springer-Blockade, Sit-ins, Teach-ins und militanten Demonstrationen versuchten die Akteure, die Öffentlichkeit – politische Gegner, Unterstützer Springers, »Andersdenkende«, »Unbeteiligte«,4 Sympathisanten und Zuschauer – für die Ideen und Ziele der Bewegung zu mobilisieren.
4 | Ebd.
1. Vor der Kampagne: Berliner Ereignisse
»Und der Schupo, der hat Waffen, / d er Student, der hat sie nicht; / D arum stellt die jungen Laffen / s chnellstens vor das Schnellgericht […] Von den Waffen Schutz- und Kripo / m achen rechtswidrig Gebrauch. / Wenn’s nicht hinhaut, tritt der Schupo / D emonstranten in den Bauch. […] Und Herrn Springer läuft vor Eifer, / u nterm Fallbeil sie zu sehn, / a us der Presse Gift und Geifer: / R übe ab! – Ach, wär det scheen!! […] Höret her, Berliner Bür ger, / a uf die einst die Welt geschaut; / S pringer, gute »Frontstadt«-Bürger, / h at Euch Kopf und Herz geklaut! […] Rafft Euch auf, seid Demokraten! / D em Herrn Springer bietet Halt! / S pringer hetzt zu blutigen Ta ten! / L aut Herrn Albertz langt’s uns bald… […] Sprin ger, setz dich ab nach Persien, / d ann erst, Bürger, sind wir frei; / Z eitungszar, zieh ab nach Persien, / d ann, Ber liner, sind wir frei; / P resseherr, schwirr ab nach Persi en, / d ann erst sind wir Mensch und frei!!!«1 K onrad B orn , 1967
Am Abend des 2. Juni 1967 demonstrieren Studenten vor der deutschen Oper in Berlin gegen den Besuch des Schahs von Persien, der gemeinsam mit dem deutschen Bundespräsidenten Heinrich Lübke einer Aufführung von Mozarts »Zauberflöte« beiwohnen will. Während der »brutalste[n] Knüppelei« gegen Studenten, die man »bis dahin im Nachkriegsberlin erlebt hatte«,2 tötet ein Polizeiobermeister den 26-jährigen Studenten Benno Ohnesorg durch einen Schuss aus nächster Nähe. Diese Tat wird die Verhältnisse in der Bun1 | Flugblatt des SDS, Born, Konrad, »Der Song von der Springer-Presse«, 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 2 | Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex, Hamburg 2008 (zuerst: 1985), S. 79.
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desrepublik Deutschland umwälzen. Der Tag gilt als »magisches Datum der Veränderung«,3 der die »Demokratisierung der Demokratie«4 vorangetrieben habe. Es gibt allerdings eine Vorgeschichte zum 2. Juni in Westberlin, von wo aus die Welle der Studentenrevolte schließlich auf andere deutsche Städte übergriff. Aus diesem Grund ist es angebracht, die »Berliner Inkubationszeit«5 darzustellen. Schon vor dem 2. Juni 1967 war Westberlin eine Hochburg studentischer Proteste.
D ie »A nti -Tschombé -D emonstr ation « im D ezember 1964 Die Stadt Westberlin war Ausgangspunkt der 68er-Bewegung und die »Hauptstadt der Revolte«6 in der Bundesrepublik. Dort, in der Halbstadt inmitten der DDR, startete die Revolte. Im Dezember 1964, drei Monate nachdem in den USA die Studentenrebellion auf dem Campus von Berkeley begonnen hatte,7 fand in der Bundesrepublik, in Westberlin, eine wichtige Demonstration gegen den Staatsbesuch von Moise Tschombé statt.8 Am 18. Dezember besuchte der Diktator in seiner Funktion als kongolesischer Ministerpräsident Westberlin. Studenten, die an der verbotenen Demonstration teilnahmen, machten ihn für die Ermordung seines Amtsvorgängers Patrice Lumumba verantwortlich, des »bedeutendsten afrikanischen Revolutionärs«,9 der sich für die kongolesische und afrikanische Unabhängigkeit eingesetzt hatte.10 Die Demonstration 3 | Rott, Wilfred: Die Insel. Eine Geschichte West-Berlins 1948-1990, München 2009, S. 235. 4 | R. Bieling: Die Tränen der Revolution, S. 38. 5 | A. Baring: Machtwechsel, S. 83. 6 | W. Rott: Die Insel, S. 229. 7 | Eine ausführliche Darstellung der Unruhe an der Berkeley-Universität bietet S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 64-86. Vgl. auch I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 25-29. 8 | Für eine ausführliche Darstellung der Demonstrationen in der Bundesrepublik gegen Tschombé vgl. Seibert, Niels: Vergessene Proteste. Internationalismus und Antirassis mus 1964-1983, Münster 2008, S. 27-34, für die Demonstration in Westberlin gegen Tschombé vor allem S. 30-33. 9 | Dutschke, Rudi: »Die Widersprüche des Spätkapitalismus, die antiautoritären Stu denten und ihr Verhältnis zur Dritten Welt«, in: Uwe Bergmann / R udi Dutschke / Wolf gang Lefèvre / B ernd Rabehl, Rebellion der Studenten oder die neue Opposition, Ham burg 1968, S. 33-93, hier S. 63. 10 | Vgl. Balsen, Werner / R össel, Karl: Hoch die internationale Solidarität. Zur Ge schichte der Dritte Welt-Bewegung in der Bundesrepublik, Köln 1986, S. 124. Lumum ba war der Vorsitzende der nationalen Unabhängigkeitsbewegung Mouvement National Congolais. Tschombé, so lautete der Vorwurf, hätte im Auftrage Belgiens und der CIA
Vor der Kampagne: Berliner Ereignisse
war der erste Studentenprotest außerhalb des Campus der FU, die »erste bewußt politische Demonstration«11 von Berliner Studenten. Bereits am 12. Dezember empfingen deutsche und afrikanische Studenten in München Tschombé mit Rauch- und Stinkbomben. Unter dem Titel »Was hat der Mörder Tschombé bei uns zu suchen?« erklärte ein Flugblatt der »Aktion für internationale Solidarität«, die sich aus Mitgliedern des Münchener SDS und der Münchner Anschlag-Gruppe12 zusammensetzte: »80 % der kongolesischen Wirtschaft befinden sich in Händen belgischer, englischer und amerikanischer Kapitalisten. […] Zum Schutz westlicher Konzerninteressen hat Tschombé belgische Panzer, amerikanische Flugzeuge, deutsche SS-Leute, südafrika nische Rassisten und französische OAS-Terroristen eingekauft. […] Indem die Bundes republik den Verbrecher Tschombé einlud, zeigte sie sich als ein Glied in der weltweiten Kette der Unterdrückung.«
Das Flugblatt endete mit einem entscheidenden Satz: »Die Unterdrücker des kongolesischen Volkes sind auch unsere Unterdrücker!«13 Während Demonstranten Tschombé am 17. Dezember in Düsseldorf mit »Mörder! Mörder! von Lumumba ermorden lassen. Vgl. Enzensberger, Ulrich: Die Jahre der Kommune I. Berlin 1967-1969, München 2006, S. 30 f. 11 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 290. 12 | »Anschlag-Gruppe« war eine andere Bezeichnung für die Gruppe Subversive Aktion, die sich von der 1958 in München gegründeten und 1961 wegen »ästhetischen Elitismus« von der Situationistischen Internationalen ausgeschlossenen Gruppe SPUR abgespalten hatte. Da die Subversive Aktion, die sich 1962 / 6 3 in München, Stuttgart und Westberlin gebildet und in München und Berlin ihre Zentren hatte, eine Zeitschrift mit dem Namen Anschlag herausgab, hieß sie auch Anschlag-Gruppe. Vgl. Böckelmann, Frank / N agel, Herbert (Hg.): Subversive Aktion. Der Sinn der Organisation ist ihr Schei tern, Frankfurt a. M. 2002; Fritzen, Florentine: »Die Berliner ›Kommunen‹: Träger einer Kulturrevolution von 1968?«, in: Riccardo Bavaj / d ies. (Hg.), Deutschland – Ein Land ohne revolutionäre Traditionen?, Frankfurt a. M. 2005, S. 137-157, hier S. 140; I. Gil cher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 55; Keil, André / K owalick, Angela / Wendte, Lena: »Rudi Dutschke«, in: Jessica Hoffmann / H elena Seidel / N ils Baratella (Hg.), Geschichte der Freien Universität Berlin. Ereignisse – Orte – Personen, Berlin 2008, S. 147-153, hier S. 148; Krovoza, Alfred: »Performanz versus Herrschaftsrationalität. Zum Politik verständnis der Protestbewegung«, in: Friedemann Kruder / M ichael Bachmann (Hg.), Politik mit dem Körper. Performative Praktiken in Theater, Medien und Alltagskultur seit 1968, Bielefeld 2009, S. 27-41, hier S. 32 f. 13 | Miermeister, Jürgen / S taadt, Jochen (Hg.): Provokationen. Die Studenten- und Ju gendrevolte in ihren Flugblättern 1965-1971, Darmstadt 1980, S. 74 f., vgl. auch S. 70; N. Seibert: Vergessene Proteste, S. 28 f.
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Lumumba!«-Rufen empfingen, protestierten in Westberlin die Studentengruppen SDS, die Berliner Anschlag-Gruppe,14 der Argument-Club (AC), der Afrikanische Studentenbund und der Lateinamerikanische Studentenbund gegen den Empfang durch den regierenden Bürgermeister Willy Brandt mit einer gemeinsamen Erklärung, die auf 8000 Flugblätter gedruckt und so in den Westberliner Hochschulen bekannt gemacht wurde. Auch der Berliner Landesverband des SPD-nahen SHB richtete sich in einem Telegramm an Brandt und sprach sich gegen die Audienz aus. Zum einen forderten die Studentengruppen den Berliner Senat auf, sich öffentlich von Tschombé zu distanzieren und auf seinen Besuch beim Bürgermeister zu verzichten. Zum anderen riefen diese Gruppen die Berliner Studenten für den 18. Dezember um 10.00 Uhr zur Teilnahme an einer Schweigedemonstration am Flughafen Tempelhof in Westberlin auf.15 Am Freitagvormittag gegen 10.00 Uhr versammelten sich ca. 800 Studenten, unter ihnen über 150 ausländische Kommilitonen, auf dem Platz der Luftbrücke vor dem Ausgang des Flughafens zur von der Berliner Polizei genehmigten Demonstration. Die Demonstranten trugen die vom SDS und dem Afrikanischen Studentenbund mitgeführten Transparente mit Aufschriften wie »Keine Berlin-Umarmung für Tschombé«, »Keine Blutbäder im Namen der Humanität« und »Kick him out Willy«. Einige kongolesische Studenten trugen das Plakat »Tschombé = Mörder, BRD = Feind des Kongos, DDR = Freund des Kongos«, ohne Genehmigung der Veranstalter, wie der SDS betonte. Tschombé hatte den Flughafen durch einen Seitenausgang verlassen und befand sich auf dem Weg zum Schöneberger Rathaus, als es den Demonstranten gelang, die Polizeikette am Mehringdamm in der Nähe des Flughafens zu durchbrechen. Die Veranstaltung, die eigentlich ein Schweigemarsch hatte sein sollen, verwandelte sich in eine »sehr lebendige Demonstration«.16 »Alle Stoppversuche der Polizei«, schrieb Rudi Dutschke später in sein Tagebuch, »gingen schief.«17 Die Demonstranten zogen zum Rathaus Schöneberg und versammelten sich in der Bannmeile davor. Nachdem eine studentische Delegation gegenüber Brandt ihre Enttäuschung über Tschombés offiziellen Empfang zum Aus14 | Laut Karl spielte diese Gruppe bei der Anti-Tschombé-Demonstration in Westber lin eine zentralle Rolle. Karl, Michael: Rudi Dutschke. Revolutionäre ohne Revolution, Frankfurt a. M. 2003, S. 30. 15 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4: Die Krise (1964-1967), ausge wählt und dokumentiert von Siegward Lönnendonker / T ilman Fichter, Berlin 1975, S. 9 (Zeittafeldatum 17. Dezember 1964), S. 175 und S. 179 (Dokument 358 und 361); N. Seibert: Vergessene Proteste, S. 29 f. 16 | Ebd., S. 31. 17 | Dutschke, Rudi: Jeder hat sein Leben ganz zu leben. Die Tagebücher 1963-1979, Köln 2004, S. 23.
Vor der Kampagne: Berliner Ereignisse
druck gebracht hatte, bewarfen einigen Demonstranten Tschombés Wagen bei dessen Abfahrt mit Tomaten und Eiern. Tschombé wurde am selben Freitagabend nicht nach Frankfurt am Main, wie ursprünglich vorgesehen, sondern mit einer US-amerikanischen Militärmaschine nach Brüssel geflogen.18 Damit war die Angelegenheit nicht beendet. Am 19. Dezember berichteten die Zeitungen – nicht nur in Westberlin, sondern auch bundesweit erscheinende Medien – ausführlich von den Protesten vom Vortag, jedoch überwiegend kritisch und ablehnend.19 Die Berliner Morgenpost des Springer-Verlags unterstellte dem SDS am 20. Dezember 1964 eine Zusammenarbeit mit der Ostberliner FDJ (Die Freie Deutsche Jugend). Der Artikel war überschrieben mit: »Studenten holten Ost-FDJler zum Tschombé-Protest.«20 Laut Berliner Morgenpost habe ein Vertreter des »linksextreme[n]«21 SDS zur Demonstration gegen Tschombé die »Ost-FDJ eingeladen«. Es sei zudem bekannt geworden, so die Zeitung weiter, dass die »Kommunisten […] in einem Autobus mit Ostberliner Kennzeichen bis zum Platz der Luftbrücke«22 gefahren waren. Der SDSLandesverband Berlin forderte daraufhin eine Richtigstellung in der Berliner Morgenpost. Laut dieser Erklärung, die der SDS formulierte, hatten zwar auch Westberliner FDJ-Mitglieder an dem Demonstrationszug teilnehmen wollen. Sie hätten aber an der Vorbereitung oder gar der Durchführung der Veranstaltung weder direkt noch indirekt partizipiert. Die Organisatoren der Demonstration hätten »keinen Bus mit einer Ostberliner Nummer«23 gesehen. Der SDS wollte die Behauptung zurückweisen, dass »Handlangerdienste des SDS für die (Ost-)FDJ nachgewiesen« worden waren.24 Nachdem die Forderung des SDS, den Sachverhalt korrekt darzustellen, und ein Antrag auf eine einstweilige Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung beim Landgericht Berlin keinen
18 | Vgl. W. Rott: Die Insel, S. 236; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 9 f. (Zeittafeldatum 18. Dezember 1964), S. 176 (Dokument 359), S. 179 f. (Doku ment 361); N. Seibert: Vergessene Proteste, S. 30 ff.; Fichter, Tilman: »Meine Uni war der SDS«, in: Ästhetik & Kommunikation 39, 140 / 141 (2008), S. 17-26, hier S. 20. 19 | Vgl. Tilman Fichter / S iegward Lönnendonker, Kleine Geschichte des SDS. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund von Helmut Schmidt bis Rudi Dutschke, Bonn 2008, S. 115; N. Seibert: Vergessene Proteste, S. 32; Miermeister, Jürgen: Rudi Dutschke, Hamburg 1986, S. 51 f. 20 | O. A.: »Studenten holten Ost-FDJler zum Tschombé-Protest«, in: Berliner Morgen post vom 20. Dezember 1964, S. 1 (auch in: ASV-UA). 21 | O. A.: »Linksradikale geben den Ton an«, in: Berliner Morgenpost vom 20. Dezem ber 1964, S. 2 (auch in: ASV-UA). 22 | O. A.: »Studenten holten Ost-FDJler«, S. 1. 23 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil IV: Die Krise, S. 176 (Dokument 359). 24 | Ebd., S. 180 (Dokument 361).
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Erfolg hatten, stellte der SDS Strafantrag gegen den verantwortlichen Redakteur der Berliner Morgenpost.25 Die Anti-Tschombé-Demonstration, die der US-amerikanischer Historiker Geoff Eley als »the first major action of the emerging extra-parliamentary opposition (APO)«26 in Westberlin bezeichnet, war nicht nur die »erste Demonstration, bei der es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei«27 kam, sondern auch eine der ersten Konfrontationen zwischen der Studentenbewegung und dem Axel Springer Verlag. Auch wenn dieser Zusammenstoß zunächst nur eine Zeitung des Verlags betraf und nicht das gesamte Verlagshaus, hinterließ die Begegnung des SDS und der Studentenbewegung mit dem Springer-Verlag Spuren. In diesem Sinne kann die Anti-Tschombé-Demonstration als Vorlauf zur Anti-Springer-Kampagne der Studentenbewegung und der APO bezeichnet werden.
D ie K uby -K rippendorff -A ffäre im S ommersemester des J ahres 1965 Die FU war das Zentrum der Studentenrevolte in der Bundesrepublik Deutschland. Von dort aus nahm die bundesdeutsche Studentenbewegung ihren Ausgang. Genauso wie 1964 in den USA die Studentenrevolte mit den Protesten auf dem Campus der kalifornischen Berkeley-Universität begonnen hatte, startete sie 1965 in der Bundesrepublik an der FU. Auslöser war die Kuby-Krippendorff-Affäre.28 Am 8. April 1965 weigerte sich der seit dem Oktober 1963 amtierende Rektor der FU, der konservative Genetiker Herbert Lüers, dem AStA für ein Podiums25 | Vgl. ebd., S. 176 (Dokument 359) und S. 180 (Dokument 361). 26 | Eley, Geoff: »Germany Since ’68: From the APO to the Greens«, in: Socialist review 18 (1988), S. 130-142, hier S. 130. 27 | W. Balsen / K . Rössel: Hoch die internationale Solidarität, S. 251. 28 | Zum Folgenden vgl. J. Seiffert: »Marsch durch die Institutionen?«, S. 47-52; Krip pendorff, Ekkehart: »Mein Weg nach ›68‹«, in: Neues Deutschland vom 26. / 27. April 2008, S. 2; Tent, James F.: The Free University of Berlin. A Political History, Bloomington 1988, S. 290-306; Rabehl, Bernd: Am Ende der Utopie. Die politische Geschichte der Freien Universität Berlin, Berlin 1988, S. 189 ff.; Hermann, Kai: Die Revolte der Studen ten, Hamburg 1967, S. 30-35; Braun, Jules / M agic, Monica: »›Go In‹: 1968«, in: Hoff mann / S eidel / B aratella (Hg.), Geschichte der Freien Universität Berlin (2008), S. 6171, hier S. 61 ff.; T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 135 ff.; Görlich, Christopher: Die 68er in Berlin. Schauplätze und Ereignisse, Berlin 2002, S. 49-54; I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 29 ff.; K. Staib: Rockmusik und die 68er-Bewegung, S. 86 ff.
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gespräch zum Thema »Restauration oder Neubeginn – Die Bundesrepublik 20 Jahre danach«, der später sogenannten Kuby-Veranstaltung,29 für den 8. Mai einen Raum zur Verfügung zu stellen. Der als Redner vorgesehene Journalist und Schriftsteller Erich Kuby war an der FU zur Persona non grata erklärt worden, nachdem er dort am 12. Juni 1958 in einem Vortrag behauptet hatte, dass der Name der Universität ein »äußerstes Maß von Unfreiheit zum Ausdruck« bringe, weil sich die »Freie Universität« nur im Gegensatz zur »andere[n] unfreie[n] Universität«30 in Ostberlin als frei bezeichnen könne. Aufgrund dieses Satzes erteilte der damalige Rektor der FU, der in Kubys Rede eine Diffamierung erkannte, dem Journalisten ein »Hausverbot«. Lüers hatte es zwar nicht ausgesprochen, doch schloss er sich der Haltung seines Vorgängers an. Der AStA, an dessen Spitze seit dem 1. April 1965 Wolfgang Lefèvre (SDS, AC) als erster und Peter Damerow (AC) als zweiter Vorsitzender standen, betrachtete das Hausverbot als Einschränkung der Redefreiheit und der freien Wahl der Diskussionspartner seitens der Studentenschaft. In einem gemeinsamen Flugblatt der Studentenverbände der FU hieß es: »Bricht Hausrecht Grundrecht?«31 Es kam zu einem Konflikt zwischen dem AStA und dem Rektor der FU sowie zu einer großen Demonstration. Am 7. Mai 1965, nachmittags gegen halb fünf, demonstrierten etwa 500 Studenten vor dem Henry-Ford-Bau unmittelbar neben der Villa, in der sich das Rektorat befand, gegen »politische Bevormundung« und »Redefreiheit 20 Jahre danach«.32 Auf das Vorbild der US-amerikanischen Studenten von der Berkeley-Universität verweisend, die ab September 1964 in der »Free Speech Movement« aufgegangen waren, beschlossen die versammelten Studenten folgende Resolution: »Wir fordern den Rektor auf zu bestätigen, dass wir an unserer Universität Jedermann, zu jeder Zeit, zu jedem Thema hören und mit ihm darüber diskutieren können.«33 Zehn Tage später hatten bereits 3000 Studenten unterschrieben. Am selben 7. Mai fand auch die ursprünglich für den 8. Mai, den Jahrestag der Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschland im Zweiten Weltkrieg, geplante Podiumsdiskussion statt – unter anderen mit Kuby, aber nicht auf dem Campus der FU, sondern im Studentenhaus der Technischen Universität (TU) Berlin am Steinplatz. Zwischen dem 10. und dem 15. Mai bildeten Studenten der FU zudem eine »picketing-line« um die Universität, ebenfalls nach US-amerikanischem Vorbild, 29 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 20 (Zeittafeldatum 8. April 1965). 30 | Kuby, Erich: Mein ärgerliches Vaterland. Eine Chronik der Bundesrepublik, Berlin 2010, S. 215. 31 | Flugblatt verschiedener Studentenverbände vom 10. Juni 1965, in: APO-Archiv, zit. n. J. Seiffert: »Marsch durch die Institutionen?«, S. 47. 32 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 25 (Zeittafeldatum 7. Mai 1965). 33 | Ebd.
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und trugen Protestplakate mit Aufschriften wie: »Kämpft gegen Meinungsterror der Universitätsverwaltung« und »Wir wollen eine freie Universität«.34 Am 18. Mai traten schließlich 80 Prozent der Studenten des Otto-Suhr-Instituts für politische Wissenschaften aus Protest gegen das Redeverbot in einen befristeten Vorlesungsstreik. Es war der »erste politische Streik«,35 den die Studenten nach dem Krieg in der Bundesrepublik durchführten. Der Konflikt weitete sich wegen einer weiteren Affäre aus, der sogenannten Krippendorff-Affäre. Ekkehart Krippendorff, Assistent am Otto-Suhr-Institut, berichtete am 14. Mai im Spandauer Volksblatt unter Verweis auf ein Gerücht Beachtenswertes: Der Rektor habe verhindert, dass Karl Jaspers anlässlich des 8. Mai in der FU eine Rede halten könne. Weil Jaspers diese »Einladung« jedoch aus »gesundheitlichen Gründen nicht annehmen«36 konnte, musste Krippendorff seine Behauptung am 19. Mai zurücknehmen und sich entschuldigen. Dennoch weigerte sich der Rektor, Krippendorffs am 30. September 1965 auslaufenden Assistentenvertrag zu verlängern. Es kam zu Protesten und Solidarisierungskundgebungen der Studentenschaft, etwa am 28. Mai während der Immatrikulationsfeier zum Sommersemester 1965 im vollbesetzten Auditorium Maximum. Der AStA-Vorsitzende Wolfgang Lefèvre griff in seiner Rede das Verhalten von Rektor und Akademischem Senat in den Fällen Kuby und Krippendorff an. Am 13. Juli machten zwölf politische Studentenverbände an der FU, unter anderem AC, SDS, SHB, LSD und der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), den Fall Krippendorff auf einem Flugblatt öffentlich und forderten das Rektorat der FU auf, dessen Vertrag zu verlängern.37 An einer Vollversammlung aller Fakultäten im Auditorium Maximum am 16. Juli nahmen über 1000 Studenten, Assistenten und Professoren teil. Bei dieser Veranstaltung forderten sie den Rücktritt des Rektors. Dieser habe das Ansehen der FU mit seinen Aktionen geschädigt. Die Studentenschaft war in Bewegung gekommen. Schließlich gab der Rektor nach und besorgte Krippendorff ein Habilitationsstipendium. Das Sommersemester 1965 sei, so Krippendorff, die »eigentliche Geburtsstunde der Studentenbewegung«38 gewesen. Während der Kuby-Krippendorff-Affäre brachte die Springer-Presse ihr Missfallen über die Studentenproteste klar zum Ausdruck. Andere Zeitungen hingegen, zum Beispiel die FAZ und der Tagesspiegel, waren bestrebt, ihre Neutralität zu wahren.39 Die Berichterstattung der Zeitungen des Springer-Verlags 34 | Ebd., S. 26. 35 | J. Braun / M . Magic: »›Go In‹«, S. 62. 36 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU Teil 4, S. 28 (Zeittafeldatum 19. Mai 1965). 37 | Ebd., S. 221 f. (Dokument 420). 38 | E. Krippendorff: »Mein Weg nach ›68‹«. 39 | Vgl. J. F. Tent: The Free University, S. 293 f.
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sei oft »openly demagogic«40 gewesen, so der Historiker James Tent. Obgleich die Studenten auf die diskreditierende Berichterstattung der Springer-Presse nicht direkt reagierten, intensivierten sich die Spannungen zwischen ihr und der sich konstituierenden Studentenbewegung in dieser Zeit.
D er A ufruf »F rieden für V ie tnam « und die S pringer -P resse im S ommer 1965 Am 17. August 1965 veröffentlichte der Westberliner »ständige Arbeitsausschuß für Frieden, nationale und internationale Verständigung«, der der SED in Westberlin nahestand, einen Aufruf mit dem Titel »Frieden für Vietnam«. Der Arbeitsausschuss erklärte: »Aus tiefer Sorge um den Weltfrieden […] treten wir für die Wiederherstellung des Frie dens in Vietnam, für die Einstellung der Bombenangriffe auf Nordvietnam und für den Abzug der Truppen der USA aus Südvietnam ein. […] [Die] Angriffe der US-Luftstreitkräf te […] auf Nordvietnam [und] die Landung immer größerer Verbände regulärer Truppen der USA in Südvietnam […] [würden] unübersehbare Gefahren für den Weltfrieden« 41
darstellen. Diesen Aufruf unterzeichneten 107 Schriftsteller, Journalisten, Rechtsanwälte, Ärzte, Studenten und andere Trägergruppen des Protests. Außerdem unterschrieben neben elf weiteren SDS- und AC-Mitgliedern die beiden AStA-Vorsitzenden der FU Wolfgang Lefèvre und Peter Damerow den Appell, um andere Bevölkerungskreise außerhalb der Universität über die USIntervention in Vietnam aufzuklären.42 Bereits am nächsten Tag veröffentlichte die B.Z. einen polemischen Artikel über die Studentensprecher der FU mit dem Titel »Inspektor sagt: AStA auf SED-Kurs«. Der Kommentator der B.Z. erklärte, dass der AStA-Vorsitzende Lefèvre sich auf die Seite der Kommunisten geschlagen habe und deren Vietnampolitik unterstütze – und das an einer von US-Amerikanern gegründeten Universität. Die FU solle ihr Verhältnis zu den beiden AStA-Vorsitzenden überprüfen. Es sei untragbar, dass Repräsentanten der Studenten »unverhüllte SED-Politik gemacht« hätten und »kommunistische Mitläufer« seien.43 Es begann eine Kampagne der Springer-Presse unter dem Motto »AStA auf SED-Kurs«. Auf einer am 10. September 1965 einberufenen Sitzung des Hauptausschusses des Konvents der FU forderten die Vertre40 | Ebd., S. 293. 41 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU Teil 4, S. 239 (Dokument 441). 42 | Vgl. ebd., S. 43 f. (Zeittafeldatum 17. August 1965). 43 | O. A.: »Inspektor sagt: AStA auf SED-Kurs«, in: B.Z. vom 18. August 1965, S. 2 (auch in: ASV-UA).
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ter des LSD und SHB den sofortigen Rücktritt des ersten und des zweiten AStAVorsitzenden. Der Hauptausschuss kritisierte, dass sich Lefèvre und Damerow nicht über die der SED nahestehenden Urheber der Vietnam-Erklärung informiert hatten, wenngleich er sich von der »verleumderischen Darstellung des Vorfalls durch einen Teil der Westberliner Presse«44 distanzierte, die die beiden Vorsitzenden als Unterstützer einer »Tarnorganisation der SED«45 verunglimpft habe.46 Am 26. Oktober trat der Konvent der FU zusammen. Am selben Tag veröffentlichte die B.Z. einen Leitartikel, der sich gegen die beiden AStA-Vorsitzenden richtete. Der Autor behauptete: Lefèvre und Damerow würden mit einer »kommunistischen Tarnorganisation« zusammenarbeiten. »Dieses Arm-inArm mit den Kommunisten war ein vorläufiger Höhepunkt in der Entwicklung unserer Freien Universität. […] [D]ie klar Denkenden unter den Konventsmitgliedern sind aufgerufen, die Stimme der Vernunft zur Geltung zu bringen!« Denn die »Diktatur der Minderheit [der Radikalen] muß endlich weg!«47 Der Wunsch der B.Z. erfüllte sich. Nach der zweimonatigen Kampagne der Springer-Presse wurden am Abend dieses Tages auf der 10. ordentlichen Sitzung des 17. Konvents der FU die beiden Vorsitzenden abgewählt. Lefèvre hatte noch versucht, seine Unterschrift zu verteidigen: »Es kommt nicht darauf an, wer einen Aufruf formuliert, sondern was der Aufruf aussagt. […] [D]ie Methoden [der] amerikanische[n] Krieg[s]führung in Vietnam […] sind zweifellos die schlechtesten, die eine hochentwickelte Industrienation gegen ein Entwicklungsland anwenden kann.«48 Das half aber nichts. Das Vertrauen wurde dem AStA-Vorsitz in geheimer Abstimmung mit 33 zu 22 Stimmen bei zwei Enthaltungen verweigert.49 Die B.Z. kommentierte am 28. Oktober das Ergebnis in einem Leitartikel. Endlich habe man an der FU klargestellt, dass es in Westberlin eine »Schande ist, sich mit den Kommunisten, den Feinden der Freiheit, zu verbünden! Das ist ein Erfolg!«50 Deutlich geworden war nun, dass die Springer-Presse, insbesondere die B.Z., sich als Sprachrohr des Antikommunismus verstand. Der B.Z. folgend, kam es darauf an, wer den Aufruf initiiert hatte. Der Inhalt 44 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU Teil 4, S. 46 (Zeittafeldatum 10. Septem ber 1965). 45 | Ebd., S. 45 (Zeittafeldatum 7. September 1965). 46 | Vgl. ebd., S. 45 f. (Zeittafeldatum 7. September 1965 und 10. September 1965). 47 | O. A.: »Inspektor sagt: Die Diktatur der Minderheit muß endlich weg!«, in: B.Z. vom 26. Oktober 1965, S. 2 (auch in: ASV-UA). 48 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU Teil 4, S. 49 (Zeittafeldatum 26. Oktober 1965). 49 | Vgl. ebd., S. 50 (Zeittafeldatum 26. Oktober 1965). 50 | O. A.: »Inspektor sagt: Sie halten sich für den Nabel der Welt«, in: B.Z. vom 28. Ok tober 1965, S. 2 (auch in: ASV-UA).
Vor der Kampagne: Berliner Ereignisse
spielte keine Rolle. Daher konnten die Springer-Blätter die beiden AStA-Vorsitzenden zu »kommunistischen Mitläufern« abstempeln. Simplifizierende und einseitige Argumente waren oft Ausgangspunkte der Berichterstattung der Springer-Medien über die Studentenbewegung.
D as ›P udding -A t tentat‹ auf den US-V izepr äsidenten H umphre y im A pril 1967 Anhand der Kampagne der Springer-Presse erfuhr die Studentenbewegung nicht nur die Macht des Verlagshauses hautnah, sondern auch die sich zwischen ihnen intensivierende Polarisierung. Die »Berliner Inkubationszeit«,51 die sich 1966 etwa durch die Demonstration im Februar gegen den Vietnamkrieg und die »Spaziergang-Demonstration« im Dezember noch zuspitzte, kulminierte im April 1967 im ›Pudding-Attentat‹ auf den amerikanischen Vizepräsidenten Hubert Horatio Humphrey. Was war geschehen? Am 5. April 1967, ein Tag vor dem Berlin-Besuch Humphreys, verkündete der AStA der FU auf Flugblättern ironisch, dass man dem »Repräsentanten der Macht«, der »die Freiheit Berlins in Vietnam und anderen Ländern so eindrucksvoll und wirksam verteidigt, […] gebührende […] Ovationen darbringen sollte«.52 Am Donnerstag, dem 6. April um 20.00 Uhr, gebe der Senat von Berlin Vizepräsident Humphrey in der Eichengalerie im Schloss Charlottenburg einen Empfang. Am Ende des Flugblattes forderte der AStA die Studenten auf: »Bekunden auch Sie Ihr Vertrauen und bereiten Sie Herrn H.H.H. ebenfalls einen herzlichen Empfang vor dem Schloß Charlottenburg.«53 Am Abend des Tages nahm die Berliner Polizei elf Studenten fest. Es handelte sich überwiegend um Mitglieder der Kommune I, die dem US-amerikanischen Staatsgast einen »ganz speziellen Empfang bereiten«54 wollten, der kurze Zeit später als das ›Pudding-Attentat‹ bekannt werden sollte. In einer Mitteilung der Polizei hieß es zu den Festnahmen, dass die Mitglieder der Kommune I »unter verschwörerischen Umständen zusammengekommen« waren und »Anschläge gegen das Leben oder die Gesundheit des amerikanischen Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey mittels Bomben, mit unbekannten Chemikalien gefüllten Plastikbeuteln oder mit anderen gefährlichen Tatwerkzeugen wie
51 | A. Baring: Machtwechsel, S. 83. 52 | Zit. n. J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 87. 53 | Ebd. 54 | Dutschke, Gretchen: Rudi Dutschke. Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben. Eine Biographie, München 1998, S. 118.
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Steinen usw. geplant« hätten.55 Die Polizeimitteilung vom 5. April erwies sich als falsch. Bei einer Durchsuchung wurden keine Waffen gefunden. Es hatte sich nur um Rauchkerzen gehandelt, die nicht funktionierten, des Weiteren um Plastikbeutel mit Farbstoff, Pudding und Mehl. Die Kommunarden wollten auf das Auto Humphreys Puddingpulver und Joghurt werfen und auf diese Weise den eskalierenden Vietnamkrieg der USA kritisieren.56 Obwohl schon nach 36 Stunden die elf »Pudding-Attentäter«57 alle wieder auf freiem Fuß waren, veröffentlichte die Polizei die Meldung. Am 6. April reagierte die Berliner Presse auf die Falschmeldung mit Schlagzeilen wie: »Bombenattentat gegen Humphrey in Berlin vereitelt« (Telegraf),58 »Maos Botschaft in Ostberlin lieferte die Bomben gegen Vizepräsident Humphrey« (Der Abend) und »Elf Personen von der Polizei festgenommen« (Der Tagesspiegel).59 Auch die Springer-Presse reagierte. Der Aufmacher der B.Z. lautete: »Studenten planten Attentat auf Humphrey.«60 Die Redaktion meinte: »Diese Schande – ohne uns! Wenn sich dieser schwere Verdacht bestätigt, dann kann es sich nur um das Vorhaben einiger politisch Geisteskranker handeln.« Die Bild-Zeitung (Berlin-Ausgabe) titelte mit Buchstaben, die größer waren als jene anlässlich
55 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 151 (Zeittafeldatum 5. April 1967). Gegen die elf Beschuldigten wurde ein »Ermittlungsverfahren wegen Vorberei tung zu einem Verbrechen und Vorbereitung eines Sprengstoffverbrechens« eingeleitet. Ebd. Am 30. Oktober 1967 musste die Berliner Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen die sogenannten Humphrey-Attentäter einstellen. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 51 (Zeittafeldatum 30. Oktober 1967). 56 | Vgl. Friedeburg, Ludwig von / H örlemann, Jürgen / H übner, Peter: Freie Universität und politisches Potential der Studenten: Über die Entwicklung des Berliner Modells und den Anfang der Studentenbeweung in Deutschland, Neuwied / B erlin 1968, S. 355 f.; Matussek, Matthias: Als wir jung und schön waren, Frankfurt a. M. 2008, S. 38; Lön nendonker, Siegward / R abehl, Bernd / S taadt, Jochen: Die antiautoritäre Revolte. Der Sozialistische Deutsche Studentenbund nach der Trennung von der SPD. Band 1: 19601967, Wiesbaden 2002, S. 319 f. 57 | Zit. n. J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 86. 58 | O. A.: »Bombenattentat gegen Humphrey in Berlin vereitelt«, in: Telegraf vom 6. Ap ril 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192581/245.jpg. pdf vom 16. September 2015). 59 | Zit. n. U. Enzensberger: Die Jahre der Kommune I, S. 119. 60 | O. A.: »Berliner Polizei: Studenten planten Attentat auf Humphrey. 11 Festnah men«, in: B.Z. vom 6. April 1967, S. 1 (auch in: AS-OMA68: http://www.medienar chiv68.de/dl/192575/242.jpg.pdf vom 16. September 2015).
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der Berichterstattung über den Präsidentenmord von Dallas in Texas:61 »Geplant. Berlin: Bombenanschlag auf US-Vizepräsidenten.«62 Die Bild-Redaktion schrieb: »Mit Bomben und hochexplosiven Chemikalien, mit sprengstoffgefüllten Plastikbeu teln – von den Terroristen ›Mao-Cocktail‹ genannt – und Steinen haben Berliner Ext remisten einen Anschlag auf den Gast unserer Stadt vorbereitet. 18 Stunden vor Ein treffen des US-Vizepräsidenten hat Berlins Politische Polizei gestern Abend elf der Verschwörer in Gewahrsam genommen. Acht Männer und drei Mädchen […] gehören zur ›Mao-Gruppe‹ des linksradikalen Sozialistischen Studentenbund (SDS).« 63
Die Berliner Morgenpost verknüpfte das von der Kripo knapp vereitelte ›Attentat‹ mit Peking: »FU-Studenten fertigten Bomben mit Sprengstoff aus Peking«.64 Dann erklärte die Zeitung: »In einer Blitzaktion nahm die Politische Polizei gestern Abend in Berlin elf Rädelsführer fest, die für heute einen Anschlag gegen US-Vizepräsident Humphrey geplant hatten.« Details folgten: »Die Polizei überraschte mehrere kommunistisch orientierte Westberliner Studenten beim Abwiegen von Sprengstoff in behelfsmäßige kleine Granathülsen und beim Ein füllen einer ätzenden Säure in Plastikbeutel. Die Demonstranten wollten sich heute in das Schöneberger Rathaus einschmuggeln und mit den Granaten, Stinkbomben und Tränengas gegen Humphrey vorgehen. Die ätzenden Chemikalien sollten gegen den Wa gen Humphreys während seiner Fahrt durch die Berliner Straßen geworfen werden.« 65
Noch während die Kommunarden inhaftiert waren, demonstrierten am Abend des 6. April 1967 etwa 2000 Studenten vor dem Charlottenburger Schloss gegen den Berlin-Besuch Humphreys und die Vietnam-Politik der Vereinigten Staaten. Als der Berliner Senat im Schloss einen feierlichen Empfang für den Vizepräsidenten abhielt, forderten die Demonstranten die sofortige Freilassung der am Vortag festgenommenen Studenten und riefen: »Humphrey ist der Vizekiller! Jeder, der den Springer liest, auch auf Vietnamesen schießt!«66 Bei der An- und Abfahrt Humphreys flogen Eier und Mehltüten auf dessen Wagen. Die 61 | K. Hermann, Die Revolte, S. 47. 62 | O. A.: »Geplant. Berlin: Bombenanschlag auf US-Vizepräsidenten«, in: BildZeitung vom 6. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/ dl/192569/239.jpg.pdf vom 16. September 2015). 63 | Ebd. 64 | O. A.: »Attentat auf Humphrey von Kripo vereitelt: FU-Studenten fertigten Bomben mit Sprengstoff aus Peking«, in: Berliner Morgenpost vom 6. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192573/241.jpg.pdf vom 16. September 2015). 65 | Ebd. 66 | Zit. n. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 118.
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Polizei nahm zehn Personen fest. Später am Tag versammelten sich mehrere hundert Demonstranten vor dem Verlagshaus des Springer-Konzerns in der Kochstraße, das Humphrey nach dem Empfang besucht hatte. Als der Vizepräsident um 21.25 Uhr vor dem Hochhaus der Springer-Zentrale eintraf, begrüßten die Demonstranten ihn im strömenden Regen mit den Sprechchören »Mörder, Mörder« und »Vizekiller«. Sie riefen: »Springer raus aus Westberlin!«67 Um 22.00 Uhr wurden auf die geparkten Wagen des Humphrey-Konvois Steine und Flaschen geworfen. Die Polizei ging überaus brutal gegen die Demonstranten vor und verhaftete insgesamt 23 Studenten.68 Trotz der von der Springer-Presse inszenierten »Pressehysterie«69 vom 6. April musste die Polizei, die sich mit ihrer Falschmeldung blamiert hatte, am frühen Morgen des 7. April die Inhaftierten freilassen. Sie berichtigte die Meldung nicht. Auch die Falschmeldungen der Berliner Presse, insbesondere der Springer-Zeitungen, die auf die falsche Bombenmeldung der Polizei besonders stark angesprungen waren, wurden weder erklärt noch richtiggestellt noch gegenüber den Lesern entschuldigt. War die Polizei nicht in der Lage, Mehl und Joghurt von Dynamit und ätzenden Chemikalien, von lebensbedrohlichen Bomben zu unterschieden? Der Berliner Senat, die politischen Parteien und die Springer-Presse billigten die Aktion der Polizei gegen die Kommunarden und Demonstranten.70 Am 8. April erschien die Bild-Zeitung (Berlin-Ausgabe) mit der Schlagzeile: »Die Polizei hat sich ein Lob verdient«. »[F]ür ihren Super-Einsatz« bei Humphreys Besuch gebühre ihr der »Dank aller Berliner!« 71 Die Springer-Presse forderte härtere Maßnahmen gegen die »Störer« 72 und gegen eine »verschwindend kleine Minderheit«, die »lautstark und gewalttätig« 73 versucht habe, den Berlinbesuch Humphreys zu stören: 67 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 152 (Zeittafeldatum 6. April 1967). 68 | Vgl. ebd., S. 151 f.; L. v. Friedeburg / J. Hörlemann / P. Hübner: Freie Universität, S. 357; U. Enzensberger: Die Jahre der Kommune I, S. 120 f.; J. F. Tent: The Free Univer sity, S. 322. 69 | S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 218. 70 | Vgl. ebd.; L. v. Friedeburg / J. Hörlemann / P. Hübner: Freie Universität, S. 357 f. 71 | O. A.: »Die Polizei hat sich ein Lob verdient«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 8. April 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192619/264.jpg.pdf vom 16. September 2015). 72 | O. A.: »Humphrey an die Berliner: Amerika bleibt Euer Freund«, in: Berliner Mor genpost vom 7. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/ dl/192593/251.jpg.pdf vom 16. September 2015). 73 | O. A.: »Pfiffe, Sprechchöre und Tumulte«, in: B.Z. vom 7. April 1967, S. 3 (auch on line unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192599/254.jpg.pdf vom 16. September 2015).
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»Wären beim Besuch Humphreys Rauchbomben und Feuerwerkskörper geworfen worden, […] hätten möglicherweise Sicherheitsbeamte von ihrer Schußwaffe Gebrauch gemacht«.74 Auf einer Pressekonferenz am Tag der Freilassung der Kommunarden, von der die Verantwortlichen die Springer-Zeitungen ausgeschlossen hatten,75 formulierte ein Mitglied der Kommune 1 in ähnlicher Weise: Es habe »angesichts der ›Hysterie‹ in West-Berlin die Gefahr bestanden […], daß die Sicherheitsbeamten eine Schießerei« hätten anfangen können. 76 Der Reporter der Zeit Kai Hermann schätzte die Lage so ein: »Sie gehören untrennbar zusammen: ›Bild‹, ›BZ‹, ›Morgenpost‹, eine hysterische Polizei und jene Provos, die von ersteren [den Springer-Zeitungen] aus ganz Europa magisch nach Berlin gezogen werden.« 77 Er übersah, dass nicht nur die Polizei, sondern auch einige Politiker mit hysterischen Äußerungen reagiert hatten. Der Senatsrat Hans-Joachim Prill drohte den Demonstranten: »Die sollen nur kommen, dann kriegen sie eins mit dem Knüppel über den Kopf, das ist dann ein gutes Übungsfeld für unsere Polizeibeamten.« 78 Innensenator Kurt Neubauer fügte dem hinzu: »Auf Tote kommt es nicht an.« 79 Die Anwendung physischer Gewalt gegenüber Studenten wurde hier von politischer Seite ausdrücklich legitimiert. Einige Monate nach dem 2. Juni 1967 konnte Hermann in einer retrospektiven Stellungnahme mit vollem Recht die Ereignisse jenes Tages mit dem ›Pudding-Attentat‹ in Verbindung bringen: »Ein Polizeipräsident, der eine Meldung herausgab, die Berlin nach [Dallas in] Texas versetzte, […] konnte sich auf den 2. Juni 1967 vorbereiten.«80 Es hatte freilich keine direkte und monokausale Verbindung zwischen dem Polizeieinsatz während des Berlinbesuchs von Humphrey und ihrer Aktion knapp zwei Monate später im Juni, während des Schahbesuchs in Westberlin, gegeben. Die Reaktion der Polizei war dennoch eine Vorbereitung auf den 2. Juni, weil bereits während des Besuchs des USamerikanischen Präsidenten zivile Greiftrupps »fast ausnahmslos ungerechtfertigt gegen einzelne Demonstranten vorgingen, auf sie einschlugen und eine Reihe von ihnen festnahmen«.81
74 | L. v. Friedeburg / J. Hörlemann / P. Hübner: Freie Universität, S. 358. 75 | U. Enzensberger: Die Jahre der Kommune I, S. 123. 76 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil IV: Die Krise, S. 152 (Zeittafeldatum 7. April 1967). 77 | Hermann, Kai: »Elf kleine Oswalds«, in: Die Zeit vom 14. April 1967, S. 11, zit. n. S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 218. 78 | Zit. n. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 118. 79 | Zit. n. ebd. 80 | K. Hermann: Die Revolte, S. 49. 81 | L. v. Friedeburg / J. Hörlemann / P. Hübner: Freie Universität, S. 357.
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2. Der Tod von Benno Ohnesorg: Auslöser der Kampagne und der Mobilisierung der 68er-Bewegung
»Allein weint eine Witwe, / o hne Vater wächst auf ein Kind. / Wo sind die Mörder, sind die Schläger? / […] Schuld ist nicht ein Polizeiknüppel, / s chuld ist nicht ein Befehl daran. / S chuld sind Systeme und Men schen, / d ie den Kampf belohnen gegen Widerstand.«1 R einer R owald »Jetzt schreiben wir die Kreuze an die Wände mit ro ter Farbe. Warum Eure Wut? / D as ist doch Farbe. Aber Eure Hände / s ind seit Berliner Tagen voller Blut. / Z er quetschte Schädel stellt Ihr zum Vergleich / G eplatzten Eiern und Tomaten.« 2 F ranz J osef D egenhardt
D er A uf tak t zur A nti -S pringer -K ampagne Auf die Repressionen nach dem ›Pudding-Attentat‹ vom 5. April 1967 reagierte der AStA der FU zwei Wochen später mit einer Protestversammlung. Zwischenzeitlich hatte der Regierende Bürgermeister in Westberlin die staatlichen Zuschüsse für den Haushalt des AStA drastisch gekürzt. Disziplinarverfahren gegen die Mitglieder der Kommune 1 waren bereits eingeleitet worden. Der SDS stand unter Druck: Der Akademische Senat drohte den Studenten da1 | Rowald, Reiner: »2. Juni«, zit. n. Sellhorn, Werner (Hg.): Protestsongs, Berlin 1968, S. 60. 2 | Degenhardt, Franz Josef; »2. Juni 1967«, zit. n. Deppe, Frank (Hg.): 2. Juni 1967 und die Studentenbewegung heute, Dortmund 1977, S. 88.
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mit, ihre Förderungswürdigkeit abzuerkennen, da dem SDS eine Mitschuld an dem missglückten ›Pudding-Attentat‹ auf Humphrey zugeschrieben wurde. Zu der Vollversammlung des AStA am 19. April erschienen ca. 2000 Studenten im Auditorium Maximum der FU.3 Während dieser Veranstaltung, die in ihrem Verlauf in ein spontanes Sit-in überging und die herbeigerufene Polizei zum Eingreifen veranlasste – »for the first time in its history the Free University witnessed the arrival of the police on campus, called there by its rector« 4 –, kam es zu einer Aktion, die symbolisch für die sich nach dem 2. Juni entwickelnde Anti-Springer-Kampagne der Studentenbewegung und der APO war. Der deutsch-amerikanische Schriftsteller Reinhard Lettau, Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, stand am Rednerpult, nachdem man ein Grußtelegramm von Helmut Gollwitzer, Professor für Evangelische Theologie an der FU, unter tosendem Applaus verlesen hatte:5 »Eine Suppe braucht Salz. Eine FU den SDS. Sonst verwechselt der Schah Berlin mit Teheran.«6 Lettau hielt die Rede, da man ihn gebeten hatte, an die deutsche Öffentlichkeit ein paar Worte über die Art und Weise zu richten, wie die Westberliner Presse arbeite. Zunächst kritisierte er scharf die Polizei: »Nirgendwo in der Welt außer in Westberlin ist es ein Geheimnis, daß der Polizeipräsident Duensing hysterisch ist und absichtlich oder unabsichtlich falsche Statements herausgibt.« 7 Danach sprach er über sein Hauptthema. Es ging um die Berliner Presse, insbesondere um die Springer-Erzeugnisse: »In der ganzen Welt, außer in Westberlin, weiß man, daß die hiesige Presse polizeihörig und servil ist […]. Gegen Notstandsgesetze demonstrieren: das können nur ›Krakeeler‹, ›Radaubrüder‹, ›Radikalinskis‹ sein. […] Wir haben jahrelang versucht, mit den Befür wortern der Notstandsgesetze, des Kriegs in Vietnam und der Springerschen Presse 3 | Vgl. J. Seiffert: »Marsch durch die Institutionen?«, S. 58; K. Hermann: Die Revolte, S. 49; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU,Teil 5, S. 155 (Zeittafeldatum 19. April 1967). 4 | J. F. Tent: The Free University, S. 322. 5 | Vgl. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 118 f. 6 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4: Die Krise, S. 155 (Zeittafeldatum 19. April 1967). 7 | Ebd., S. 413 (Dokument 671). Für die Polizei war diese Kritik Grund zu einem Aus weisungsbescheid gegen Lettau. Der Polizeipräsident Duensing stellte fest, dass Lettau die Studenten damit gegen die Polizei aufzuhetzen versucht habe. Duensing beschränk te daher die ursprünglich bis zum 17. November 1967 erteilte Aufenhaltserlaubnis für Lettau für die Bundesrepublik Deutschland auf den 30. Juni 1967. Gleichzeitig wollte er darauf hinweisen, dass er nicht bereit gewesen sei, die Aufenthaltserlaubnis über diesen Zeitpunkt hinaus zu verlängern. Briegleb, Klaus: 1968. Literatur in der antiauto ritären Bewegung, Frankfurt a. M. 1993, S. 74.
Der Tod von Benno Ohnesorg monopole zu diskutieren. Was passierte? Die Herren kamen nicht. […] Stattdessen aber seitenlange Berichte über einen Fackelmarsch der Antistalinisten. Nun sind wir zwar auch nicht Freunde von Stalin. […] Mit den Lieber-Duensing-Springer-Rezepten wären wir heute noch in der Steinzeit. […] Ich habe immer von der Westberliner Presse gespro chen. […] Westberliner Presse: das sind ja einzelne Menschen, […] und was sie leisten, ist so plump, daß auch das stumpfeste kritische Besteck sich als zu fein erweist, um benutzt werden zu können. […] [B]itte Sie nur, zu bedenken, daß diese teils ignorante, teils zynische Berichterstattung der Westberliner Zeitungen, d. h. der Springer-Zeitun gen […] täglich stattfindet und lediglich anläßlich einer Demonstration uns besonders auffällt und dann besonders grotesk und unverantwortlich wird. Ich habe vor einiger Zeit eine Analyse dieser Zeitungen versucht und bin zu einem Resultat gekommen, das sich kurz und bündig in dem Titel ausdrücken läßt, den ich der Analyse gegeben habe: ›Journalismus als Menschenjagd‹. 8 In den Artikeln, die ich untersucht habe, wird fast durchweg untersucht, die eigene Meinung des Verfassers als eine feststehende, allge meine Meinung zu etablieren. In den Artikeln wird die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland mißachtet. […] Es ist unter diesen Umständen verständlich, daß der SDS zu seinen Pressekonferenzen Springerlinge nicht mehr einlädt.« 9
Am Ende seines Vortrags präsentierte Lettau einige »Ausgaben der Springerzeitungen«,10 die er mitgebracht hatte und sagte: »Verzeihen Sie, wenn ich das Resultat meiner Berliner-Presse-Analyse dadurch mitteile, daß ich hier jetzt die Berliner Zeitungen zerreiße.«11 Indem er die Springer-Zeitungen öffentlich in Stücke riss, beendete er unter Beifall seine Intervention. Mit seiner Aktion machte Lettau seiner Empörung über die Springer-Presse Luft. Es war der Protest eines Schriftstellers, der aus heutiger Sicht wie eine Kampfansage an die Springer-Presse erscheint, ein symbolischer Vorläufer der AntiSpringer-Kampagne.
8 | Siehe Teil I, Kapitel 4, Anm. 61, S. 81. Man könne, so der Politologe Greven, in dieser Analyse den Beginn der späteren Anti-Springer-Kampagne vermuten. Greven, Michael T.: Systemopposition: Kontingenz, Ideologie und Utopie im politischen Denken der 1960er Jahre, Opladen / B erlin 2011, S. 157. 9 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 413 f. (Dokument 671). 10 | Schneider, Peter: Rebellion und Wahn. Mein ’68. Eine autobiographische Erzäh lung, Köln 2008, S. 128. 11 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 4, S. 414 (Dokument 671).
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D ie A nti -S chah -D emonstr ationen und der Tod des S tudenten B enno O hnesorg Seit dem Winter 1990 steht auf dem Vorplatz der Deutschen Oper an der Bismarckstraße 35 in Berlin ein Denkmal, »Der Tod des Demonstranten«, welches 1971 von dem österreichischen Bilderhauer Alfred Hrdlicka geschaffen wurde. Das lebensgroße Bronzerelief zeigt, wie zwei behelmte Polizisten auf einen am Boden liegenden Demonstranten einprügeln. Auf der in den Sockel eingelassenen Gedenktafel heißt es: »Am 2. Juni 1967 wurde der Student Benno Ohnesorg im Hof des Hauses Krumme Stra ße 66 während einer Demonstration gegen den tyrannischen Schah des Iran von einem Polizisten erschossen. Sein Tod war ein Signal für die beginnende studentische und außerparlamentarische Bewegung, die ihren Protest gegen Ausbeutung und Unterdrü ckung besonders in den Ländern der Dritten Welt mit dem Kampf um radikale Demokra tisierung im eigenen Land verband.«
Wie kam es zum Tod des Studenten Benno Ohnesorg? Der 26-jährige Romanistikstudent an der FU beteiligte sich am 2. Juni in Westberlin neben Tausenden seiner Kommilitonen an den Protesten gegen den Staatsbesuch des iranischen Schahs, Mohammad Reza Pahlewi, und seiner Frau, Kaiserin Farah Diba. Westberlin war nur eine Station ihrer Europareise, die sie zuvor durch Österreich und die Bundesrepublik Deutschland geführt hatte. In Deutschland waren sie am 27. Mai 1967 angekommen. Bereits vor ihrem Besuch in Berlin, auf dem sie dann von Fernsehsendern begleitet wurden, die live über den Besuch berichteten, war es unter anderem in Bonn, Köln und München zu Demonstrationen gegen das Schah-Regime und den Empfang des Schahs gekommen.12 Am Tag vor der Ankunft des Herrscherpaars in Westberlin am 2. Juni fand im Audimax eine Informationsveranstaltung des AStA der FU statt. Hier referierte der Exilperser Bahman Nirumand, der in den 50er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland studiert hatte, vor ca. 3000 Studenten über Mord, Folter und Verfolgung unter dem Schah-Regime.13 Auch Ohnesorg war zuge12 | Vgl. Gilcher-Holtey, Ingrid: »Der Tod des Benno Ohnesorg – Ikone der Studenten bewegung«, in: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Bilder im Kopf: Ikonen der Zeitgeschichte, Köln 2009, S. 121-129, hier S. 122; Müller, Marion G.: »Der Tod des Benno Ohnesorg: Ein Foto als Initialzündung einer politischer Bewegung«, in: Gerhard Paul (Hg.), Das Jahrhundert der Bilder. Band 2: 1949 bis heute, Bonn 2008, S. 338-345, hier S. 340. Für die Demonstrationen in Bonn, Köln und Mün chen vgl. Derix, Simone: Bebilderte Politik. Staatsbesuch in der Bundesrepublik 19491990, Göttingen 2009, S. 294 ff. 13 | Vgl. P. A. Richter: »Die Außerparlamentarische Opposition«, S. 47.
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gen, und dieser Vortrag sowie das Anfang 1967 erschienene Buch von Nirumand, Persien: Modell eines Entwicklungslandes oder Diktatur der freien Welt, von dem sich schnell hunderttausend Exemplare verkauften und das zur »Bibel der deutschen Schah-Kritik«14 wurde, hatten Ohnesorg bewogen, sich am folgenden Tag zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt an einer Demonstration zu beteiligen.15 Es handelte sich um den von der SDS organisierten Protestzug vor dem Schöneberger Rathaus und vor der Deutschen Oper. Es sollte gegen die »brutal[e] Willkür und autoritär[e] Herrschaft« des Schahs und seine vor allem von den »Amerikanern […] getragene Militärdiktatur« demonstriert werden. Der Empfang, von einem Großaufgebot der Polizei abgesichert, schien zudem ein erster Ausdruck der Notstandsgesetze zu sein, über die die Politik zur selben Zeit verhandelte. Studenten bezeichneten ihn daher auch als »NotstandsStaatsbesuch«.16 Nicht zuletzt, weil Nirumand den Schah in seinem Buch als »Inkarnation der Unterdrückung« und »blutigen Diktator« darstellte, interpretierten die Studenten den herzlichen Empfang durch den Westberliner Bürgermeister sowohl als eine »offizielle Billigung der persischen Verhältnisse«17 als auch als Symbol für einen »drohenden Rückfall in den Faschismus«18 der Bundesrepublik. Die Stimmung in der Studentenschaft war schon vor der Ankunft des Schahs gereizt, und so konnten die Veranstalter mit einer starken Beteiligung an der Demonstration vor dem Schöneberger Rathaus rechnen. Nachdem am Tag zuvor im Schloss Bellevue dem Verleger Axel Springer von Bundespräsident Heinrich Lübke das »Große Verdienstkreuz mit Stern« für »besondere Verdienste um Staat und Volk« verliehen worden war,19 warteten am 2. Juni gegen 11.30 Uhr ca. 3000 Schaulustige, unter ihnen etwa 750 Demonstranten, auf die Ankunft des Schahs. Sie standen hinter den Absperrungen, ungefähr 30 Meter von der Freitreppe entfernt. Die Anti-Schah-De14 | Frei, Norbert: »Aufbruch der Siebenundsechziger. Ein langer Sommer des Protests: Vor 40 Jahren formierte sich die deutsche Studentenbewegung«, in: Die Zeit – Zeitge schichte 2 (2007) (= Das Jahr der Revolte), S. 18-30, hier S. 21. 15 | Vgl. Timm, Uwe: Der Freund und der Fremde, München 2005, S. 109; I. GilcherHoltey: »Der Tod«, S. 122 und S. 124; M. G. Müller: »Der Tod«, S. 340; S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 221. 16 | SDS-Flugblätter: »Praktisierter Notstands-Staatsbesuch« und »Die Vereinigten Staaten, die Befreiungsbewegungen und die Sowjetunion«, o. D., vermutlich Ende Mai oder 1. Juni 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 17 | G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 52. 18 | Butollo, Florian / K ufferath, Philipp / S chalauske, Jan: »40 Jahre 1968. Die Rol le des SDS: Eine Organisation in Bewegung«, in: Sozialismus (Supplement) 3 (2008), S. 1-33, hier S. 19. 19 | Die Welt vom 2. Juni 1967, S. 1, zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 292.
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monstranten trugen Plakate mit Aufschriften wie »Schluß mit der Folterung politischer Gefangener«, »Nieder mit der Militär-Diktatur«, »Welcome to Berlin Mr. Dictator« und »Der Mörder des persischen Volkes«. Mitglieder des SDS sowie der Conföderation Iranischer Studenten – Nationalunion20 verteilten schahkritische Flugblätter.21 Gegen 11.45 Uhr fuhren zwei Omnibusse der Berliner Verkehrsbetriebe mit ca. 80 Persern auf den Vorplatz des Rathauses. Diese später von der Presse als ›Jubelperser‹ bezeichneten Personen stellten sich in einer Sonderabsperrung vor den Demonstranten und den Schaulustigen auf. Um 12.03 Uhr traf der Wagen des Schahs ein und wurde überwiegend mit Buhrufen und Pfiffen empfangen. Rauchkerzen wurden angezündet sowie Eier geworfen. Demonstranten riefen »Mörder, Mörder« und »Schah – Schah – Scharlatan«.22 Die darauffolgende Situation schildert Roman Brodmann in seinem 45-minütigen Dokumentarfilm Der Polizeistaatsbesuch: »Kaum ist der Schah im Rathaus verschwunden, gehen die Jubelperser zum Angriff über. Die Schranken, die sie von den Demonstranten trennten, sind plötzlich geöffnet, man weiß nicht wie, und ebenso plötzlich sind die unheimlichen Gäste mit Totschlägern und Holzknüppeln bewaffnet. Bei den ersten Attacken gegen Demonstranten und harmlose Zuschauer gibt es noch abwehrende Hände aus den eigenen Reihen. Aber von 5000 Berliner Polizisten ist keiner mehr da, um das Folgende zu verhindern. Nachdem die Jubelperser einige Minuten lang hemmungslos in die Menge geprügelt haben, jubeln die Demonstranten. Nun greift endlich die Polizei ein. Es fragt sich nur, auf welcher Seite. Es verstärkt sich der Eindruck, daß die Berliner ein Freund und Helfer der Studenten nicht sein mag. Die berittenen Beamten gehen die Demonstranten an und lassen die Prügelperser ungeschoren.«23
20 | Für die Rolle der Conföderation Iranischer Studenten – Nationalunion bei den De monstrationen gegen den Staatsbesuch des Schahs vgl. Wolf, Annette: »Seit wann liegt Berlin in Persien?« Die »Conföderation Iranischer Studenten – Nationalunion« (CISNU) und der 2. Juni 1967. Unveröffentlichte Bachelorarbeit im Fach Geschichtswissen schaft, Universität Bielefeld 2010. 21 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 7 f.; vgl. S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 222. 22 | Vgl. Sack, Fritz / S teinert, Heinz: Protest und Reaktion (= Analysen zum Terroris mus, Band 4 / 2, hg. vom Bundesministerium des Inneren), Opladen 1984, S. 148; Pres sestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 8. 23 | Brodmann, Roman: Der Polizeistaatsbesuch, 1967 (Film: 44 Min.), Min. 32-35. Vgl. auch E. Jacoby / G . M. Hafner (Hg.): 1968, S. 91. Im Mittelpunkt des Polizeistaatsbesuchs, der am 26. Juli 1967 zum ersten Mal gesendet und aufgrund der großen Re sonanz bereits nach einigen Monaten erneut ausgestrahlt wurde, stand die Kritik an der Polizeigewalt gegen die Demonstranten sowohl vor dem Schöneberger Rathaus als auch
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Brodman akzentuiert in seiner Schilderung das Verhalten der Polizei. Diese habe keine Demonstranten geschützt, sondern mit den Jubelpersern gemeinsame Sache gemacht. Die Berliner Schutzpolizei griff erst mit einer Reiterstaffel ein, nachdem die mit Stahlstangen und Holzlatten bewaffneten Jubelperser – größtenteils hatte es sich um Angehörige des persischen Geheimdienstes SAVAK und von diesem rekrutierte Schah-Anhänger gehandelt 24 –, die auf die Transparente und Rufe der Anti-Schah-Demonstranten reagierten, minutenlang ungehindert auf die Demonstranten und Zuschauer eingeschlagen hatten. Mit ihrem Einsatz unterbanden die Polizeireiter jedoch die Prügelei nicht, sondern gingen nun ebenfalls mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. Nur Personen aus dem Kreis der Demonstrierenden wurden verhaftet oder mussten sich ausweisen. Die Polizei nahm keinen einzigen iranischen Pro-Schah-Demonstranten fest und interessierte sich auch nicht für deren Personalien. Das, was vor dem Rathaus passiert war, verbreitete sich wie ein »Lauffeuer«25 unter den Studenten. Großen Anteil daran hatte die Berichterstattung des Berliner Rundfunksenders RIAS. Empört über die Vorfälle wollten sich am Abend mehrere tausend Anti-Schah-Demonstranten, darunter auch Benno Ohnesorg, an der Deutschen Oper versammeln, wo der Schah einer Aufführung von Mozarts »Zauberflöte« beiwohnen wollte.26 Gegen 18.00 Uhr trafen vor der Deutschen Oper in der Bismarckstraße die ersten Zuschauer und die Schah-Gegner ein. Die Polizei sperrte den Vorplatz sowie die parallel zur Oper verlaufende Bismarckstraße ab. Nur die Südseite der Oper war dem Publikum zugänglich. Gegen 19.00 Uhr riefen die Demonstranten, auf deren Plakaten »Blutsauger«, »Mörder raus aus West-Berlin« oder »Freilassung der inhaftierten Studenten« zu lesen war, Sprechchöre wie »Mo – Mo – Mossadegh«,27 »Schah-Schah-Schaschlik« und »Mörder«. Die Schmährufe richteten sich auch gegen die Polizei: »SA – SS – Schah«, »Gestapo«, »Notstandsübung« und »Schweine«. Der Bürgermeister von Westberlin, Heinrich Albertz, als einer der ersten Gäste an der Oper eingetroffen, zeigte sich überrascht, dass die Ordnungskräfte nach den Vorfällen am Vormittag entgegen seiner Anweisung nicht den gesamten Opernplatz und die Bismarckstraße freigehalten hatten. Er ordnete an, den Platz zu räumen, sobald der Schah einvor der Deutschen Oper. Vgl. M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 159 und S. 164, für eine ausführliche Analyse und Darstellung des Films vgl. auch S. 159-172. 24 | U. Soukup: Wie Starb Benno Ohnesorg?, S. 15. 25 | Ebd., S. 24. 26 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 8; P. A. Richter: »Die Außer parlamentarische Opposition«, S. 47 f.; M. G. Müller: »Der Tod«, S. 340; U. Soukup: Wie starb Benno Ohnesorg?, S. 24. 27 | Mohammad Mossadegh war der 1953 vom Schah gestürzte Ministerpräsident des Iran.
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getroffen sein würde. Nicht nur der Schah machte sich auf den Weg zur Oper. Auch die Jubelperser trafen um 19.21 Uhr mit den zwei schon bekannten Sonderbussen ein. Demonstranten bewarfen sie über die Absperrung hinweg mit Eiern, Tomaten, Farbbeuteln, Rauchkerzen, Sandtüten, Gummiringen und brennenden Zigaretten. Die Spannung stieg, als um 19.56 Uhr die Limousine mit dem Herrscherpaar vor dem Opernportal erschien. Es flogen Rauchkerzen, Eier und Farbbeutel auf die Straße. Die Polizei warf einige der Rauchkerzen in die Zuschauermenge zurück, die zwischen der Krummen und der Sesenheimer Straße in dem von der Polizei sogenannten Schlauch28 eingeschlossen war. Während sie Personen, die die Rauchkerzen erneut zurückwarfen, zum Teil unter Schlägen festnahm, flogen Steine, die laut Polizeiauskunft bis 20.04 Uhr sechs Polizeibeamte trafen. Das persische Herrscherpaar wurde, zusammen mit dem Bundespräsidenten Heinrich Lübke, nur verbal belästigt. Sie gelangten schnell in die Oper. Als die Ouvertüre der »Zauberflöte« einsetzte, war der Höhepunkt der Demonstration zunächst überschritten und die Lage entspannte sich. Die Demonstranten verabredeten, in drei Stunden wiederzukommen, da die Vorführung mindestens so lange dauern würde – Aufgeben wollten sie nicht. Zu diesem Zeitpunkt begann die Polizei mit der gewaltsamen Räumung des Vorplatzes.29 Die Bismarckstraße vor der Oper verwandelte sich, so Wilfried Rott, zum Ort der mit »aller Gewalt und Rücksichtslosigkeit« durchgeführten »Attacken«30 auf die Anti-Schah-Demonstranten. Kurz nach 20.00 Uhr erhielt das Einsatzkommando der Polizei den Befehl »Knüppel frei«.31 Die Polizei ging nach einer Methode vor, die Polizeipräsident Erich Duensing später als »Leberwurst-Taktik« beschrieb: »Nehmen wir die Demonstranten als Leberwurst, dann müssen wir in die Mitte hineinstechen, damit sie an den Enden auseinanderplatzt.«32 Um 20.04 Uhr kam es zu zwei Keildurchbrüchen in die Mitte der Demonstranten und der Schaulustigen, die in dem ›Schlauch‹ vor der Oper standen. Zwei Polizeigruppen griffen 28 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 8. Der sechs Meter breite und mehrere hundert Meter lange ›Schlauch‹ war vorne durch Polizeigitter, hinten durch ei nen Bauzaun begrenzt. Vgl. Soukup, Uwe: »Der Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 in Berlin«, in: Baer / B itsch / D ellwo (Hg.), Der 2. Juni 1967 (2010), S. 23-59, hier S. 29 f. 29 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 8 ff.; S. Lönnendonker / B. Rabehl / J. Staadt: Die antiautoritäre Revolte, S. 333 ff.; F. Sack / H . Steinert: Protest und Reaktion, S. 154 ff.; K. Hermann: Die Revolte, S. 9 ff.; S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 225 ff.; I. Gilcher-Holtey: »Der Tod«, S. 122 ff.; Nevermann, Kurt (Hg.): Der 2. Juni 1967. Studenten zwischen Notstand und Demokratie – Dokumente zu den Ereignissen anläßlich des Schah-Besuchs, Köln 1967, S. 17 f. 30 | W. Rott: Die Insel, S. 239. 31 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 10. 32 | Zit. n. W. Rott: Die Insel, S. 240.
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über die Absperrgitter in die Zuschauermenge ein. Während eine Gruppe von Polizisten den Gehweg in Richtung Sesenheimer Straße absperrte und gegen die Demonstranten sowie gegen einige Schaulustige unter dem Einsatz von Schlagstöcken vorging, drängte die andere Gruppe die Menschenmenge mit Gummiknüppeln in Richtung Krumme Straße.33 Obwohl laut Polizeibericht die Polizisten über Lautsprecher zur Räumung aufgefordert hatten, hörten die meisten Demonstranten die Durchsagen nicht.34 Die Polizisten benutzten ihre Schlagstöcke und schlugen »wahllos auf Demonstranten und Schaulustige, Studenten und Bürger, Mädchen wie Männer« ein.35 In nur 15 Minuten, zwischen 20.00 Uhr und 20.15 Uhr, verletzte die Polizei ca. 80 Demonstranten und Zuschauer.36 Unmittelbar vor dem Angriff, so Uwe Soukup, hatte man die Polizisten über einen Lautsprecherwagen darüber informiert, dass die Protestierenden einen Polizisten erstochen hätten. Diese sich später als Falschmeldung herausstellende Durchsage sei der »eigentliche Schlüssel« für das brutale Verhalten der Polizei gewesen.37 Nachdem die Bismarckstraße fast komplett geräumt worden war, kamen gegen 20.20 Uhr in der Krummen Straße, in deren Richtung der größte Teil der Demonstranten gedrängt worden war, Wasserwerfer zum Einsatz. Greiftrupps der Polizei versuchten, vermeintliche ›Rädelsführer‹ festzunehmen, die die Polizei als ›Füchse‹ bezeichnete. Die Aktion »Füchse jagen« begann.38 Es kam zu einer »regelrechte[n] Straßenschlacht«.39 Die Einsatzkräfte prügelten mit ihren Gummiknüppeln im Eingang des Parkgeländes in der Krummen Straße 66 / 67 auf die dort Eingeschlossenen ein. In dieser Situation schlugen mehrere uniformierte Polizisten Benno Ohnesorg in der Mitte des Parkplatzes zusammen. Er war zuvor während der Räumungsaktion, die vor der Oper stattgefunden hatte, in Richtung Krumme Straße gedrängt worden. Er trug ein auffallendes rotes Hemd sowie eine helle Hose. Gegen 20.30 Uhr fielen zwei Schüsse. 33 | Vgl. I. Gilcher-Holtey: »Der Tod«, S. 124; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 10; S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 228. 34 | Vgl. ebd., S. 227 f. 35 | O. A.: »Berlin. Polizei. Knüppel frei«, in: Der Spiegel vom 12. Juni 1967, S. 41-46, hier S. 43. 36 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 10. 37 | U. Soukup: »Der Tod Benno Ohnesorgs«, S. 33 f. Nach dem offiziellen Untersu chungsbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses von Westberlin, der kurz nach dem 2. Juni organisiert wurde, war die Durchsage erst ab 21.00 Uhr ergangen. Dieses Gerücht hätte auf die Ereignisse vor der Oper keinen Einfluss gehabt. Vgl. ebd., S. 34; S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 232. 38 | K. Hermann: Die Revolte, S. 11. 39 | S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 229. Vgl. auch U. Soukup: »Der Tod Benno Ohnesorgs«, S. 38.
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Einer traf Benno Ohnesorg von hinten in den Kopf. Der Schütze, Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras, war einer der Zivilbeamten und stand nur wenige Meter von Ohnesorg entfernt, als er auf ihn schoss. Der Polizeiobermeister Geier, der die Szene um Ohnesorg beobachtet hatte und dicht bei Kurras stand, drehte sich unmittelbar nach dem Schuss um und schrie Kurras an: »Bist du wahnsinnig, hier zu schießen!« Darauf antwortete Kurras stammelnd: »Die ist mir losgegangen.« Das plötzliche Zusammenbrechen des am Kopf blutenden Ohnesorg brachte Geier jedoch nicht mit dem Schuss in Verbindung. Bewusstlos erreichte Ohnesorg das Moabiter Krankenhaus, wo er um 22.55 Uhr verstarb. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er demonstriert, war seit fünf Monaten mit seiner Frau Christa verheiratet, die ein Kind erwartete.40 Mehr als vierzig Jahre später, im Mai 2009, wird bekannt, dass Kurras ein aktiver Spitzel des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und Mitglied der SED war. Schon seit 1955 hatte er als ein inoffizieller Mitarbeiter des MfS gearbeitet. 1964 war er der SED beigetreten.41 Die Kurras-Enthüllung entfachte eine Diskussion um den 2. Juni und seine Bedeutung für die Geschichte der 68er-Bewegung: Muss sie und damit ebenso die der Bundesrepublik aufgrund dieser Enthüllung umgeschrieben werden? Ein Wortführer der 68er-Bewegung, Peter Schneider, fragte sich kontrafaktisch, »ob die Geschichte der Bundesrepublik nach dem 2. Juni anders verlaufen wäre, wenn die Stasi-Identität von Kurras damals […] bekannt geworden wäre. Ich bejahe diese Frage, aber ich kann sie nur durch Spekulationen stützen.«42 Der Spiegel behauptete, dass mit der Kurras-Enthüllung die Akteure der Protestbewegung einen »wichtigen Baustein ihrer Begründung für die Rebellion verloren« hätten, denn Kur-
40 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 10; S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 229-232. 41 | Vgl. Müller-Enbergs, Helmut / Jabs, Cornelia: »Der 2. Juni 1967 und die Staatssi cherheit«, in: Deutschland Archiv – Zeitschrift für das vereinigte Deutschland 3 (2009), S. 395-400; Kurbjuweit, Dirk / R öbel, Sven / S ontheimer, Michael / Wensierski, Peter: »Verrat vor dem Schuss«, in: Der Spiegel vom 25. Mai 2009, S. 42-51. Über die KurrasEnthüllung wurde Ende Mai 2009 auch in der koreanischen Presse berichtet. Insbeson dere interessierte sie die konservativen Zeitungen, die dem studentischen Protest kri tisch gegenüberstanden und die nun über eine direkte Verbindung zwischen dem 2. Juni und der Entstehung der RAF schrieben, gleichsam behauptend, dass es Hinweise gege ben hätte, die die Möglichkeit des Auftragsmordes vom MfS an Kurras angedeutet hät ten. Vgl. http://news.chosun.com/site/data/html_dir/2009/05/29/2009052900017. html vom 16. September 2015; http://news.donga.com/3/all/20090524/8735528/1; http://news.donga.com/3/all/20100416/27605937/1 vom 16. September 2015. 42 | Schneider, Peter: »Ein armer, aggressiver Tropf. Der 2. Juni 1967 in neuen Licht«, in: Der Spiegel vom 25. Mai 2009, S. 52 f., hier S. 53.
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ras schien der DDR mehr verbunden zu sein als der Westberliner Polizei.43 Obgleich es bis heute keinen Beweis für einen Auftragsmord des MfS an Kurras gibt,44 stellten die Bild-Zeitung und die Welt provozierende Fragen: »Gab Mielke ihm [Kurras] den Schießbefehl?«45 und »Tod von Benno Ohnesorg: Staatsmord aus Ostberlin?«46 Die Springer-Zeitungen beschäftigten sich mit der Frage nach der »Bedeutung der DDR als Auslöser der Eskalation«.47 Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlags, behauptete am 7. Juni 2009 im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Wenn sich der »Repräsentant des repressiven, reaktionären, spätfaschistischen West-Berliner Polizeistaates«, also Kurras, tatsächlich als »SED-Bewunderer und Stasi-Spion« erweisen sollte, wenn er »von der DDR finanziert, von der DDR mit Waffen ausgestattet, von der DDR gesteuert wurde«, dann sei unwichtig, ob es einen offiziellen »Schießbefehl« gegeben habe oder nicht. »Ein Gründungsmythos der 68er«, so der Springer-Chef, sei ins »Wackeln« geraten.48 Auch einige neue Studien, die nach der Kurras-Enthüllung publiziert wurden – einige von ihnen davon motiviert –, sprechen sich dafür aus, die Geschichte der 68er-Bewegung umzuschreiben. Der Journalist Sven Felix Kellerhoff, der als leitender Redakteur für den Bereich Zeit- und Kulturgeschichte bei Springer-Zeitungen wie der Welt, der Welt am Sonntag und der Berliner Morgenpost arbeitet, stellte die Behauptung auf: Ohne den Tod Benno Ohnesorgs »wäre es vielleicht nie zu jener
43 | D. Kurbjuweit / S . Röbel / M . Sontheimer / P. Wensierski: »Verrat vor dem Schuss«, S. 45. 44 | H. Müller-Enbergs / C . Jabs: »Der 2. Juni 1967 und die Staatssicherheit«, S. 399. 45 | Beeg, Rena / B etz, Malte / H ellwig, Marcus / N achtsheim, Katharina / U hlenbro ich, Burkhard: »Karl-Heinz Kurras. Gab Mielke ihm den Schießbefehl?«, in: bild.de vom 23. Mai 2009, http://www.bild.de/BILD/politik/2009/05/24/karl-heinz-kurrasschiessbefehl/benno-ohnesorg-stasi.html vom 22. März 2011. Erich Mielke war dama liger Minister bei der Stasi gewesen. 46 | Röhl, Bettina: »Tod von Benno Ohnesorg: Staatsmord aus Ostberlin?«, in: welt. de vom 24. Mai 2009, http://www.welt.de/debatte/weblogs/Sex-Macht-und-Politik/ ar ticle6065978/Tod-von-Benno-Ohnesorg-Staat smord-aus-Ostberlin.html vom 22. März 2011. 47 | Kolpatzik, Andrea: »Der Spion, der aus dem Internet kam. Geschichtsjournalismus in den neuen Medien«, in: Susanne Popp / M ichael Sauer / B ettina Alavi / M arko Deman towsky / G erhard Paul (Hg.), Zeitgeschichte – Medien – Historische Bildung (= Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 2), Göttingen 2010, S. 321-338, hier S. 333. 48 | O. A.: »Im Gespräch: Mathias Döpfner. ›Springer ist Unrecht widerfahren‹«, http:// www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/im-gespraech-mathias-doepfner-springer-istunrecht-widerfahren-1817311.html vom 2. Februar 2016.
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Bewegung gekommen, die als ›Achtundsechzig‹ bekannt wurde«.49 Die »treibende Kraft« hinter der 68er-Bewegung, vermutete der Autor Peter Horvath, seien die Kommunisten in der DDR gewesen. Ein Schuss eines »Top-Spion[s]« ist »kein Zufall«. Kurras habe »nicht aus Versehen geschossen«. Nach dem »strategische[n] Konzept des Ostens« habe Kurras den »Startschuss zu 68« gegeben.50 Kurzum: Weil es ohne seinen Schuss keine 68er-Bewegung gegeben hätte und Kurras Mitarbeiter der Stasi gewesen sei, lasse sich mit der KurrasEnthüllung beweisen, dass die DDR die Bewegung entfacht und gesteuert habe. Die Geschichte der 68er-Bewegung müsse umgeschrieben werden. KD Wolff, ein Protagonist der Bewegung, reagierte auf die Frage nach der Neubewertung der 68er-Beweung ganz anders. Götz Aly, Wolfgang Kraushaar und andere würden, so KD Wolff, schon seit Jahren die These vertreten, dass die Geschichte der Bewegung umgeschrieben werden müsse und dass die 68erBewegung an der Leine der DDR geführt worden sei. Die Behauptung, dass sie sich von einem als »agent provocateur tätigen Stasi-Agenten provozieren lassen« habe, sei absurd.51 Nach dem Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler könne selbst ein Auftragsmord des MfS nicht ausgeschlossen werden. Die DDR sei zu allem bereit gewesen. Die Stasimitarbeit des Polizisten Kurras als solche sei aber für den Historiker mitnichten ein »dramatisches Ereignis«. Der Fall Kurras sei vor allem ein Produkt der Medien, die das Ganze hochkochen würden.52 Es lasse sich im vorliegenden Archivmaterial für die »Auftragsthese […] absolut kein Hinweis«53 finden. Zwar hat der Tod Ohnesorgs die Stimmung angeheizt, die 68er-Bewegung hatte jedoch viel früher begonnen.54 Zu behaupten, die Bewegung sei von dem Mord abhängig gewesen, ist daher eine diskreditierende Übertreibung. Auch wenn Kurras’ wahre Identität damals bekannt gewesen wäre, hätte sie, so die Historikerin Sandra Kraft, für die Legitimation des studentischen Protests keine wichtige Rolle gespielt. Die Empörung vonseiten der Studierenden habe sich nicht gegen den Polizisten Kurras 49 | Kellerhoff, Sven Felix: Die Stasi und der Westen. Der Kurras-Komplex, Hamburg 2010, S. 12. 50 | Horvath, Peter: Die inszenierte Revolte. Hinter den Kulissen von ’68, München 2010, S. 16, S. 28, S. 48, S. 55 und S. 75. 51 | O. A.: »Hier konkret«, in: konkret vom Juli 2009, S. 3, Herv. i. O. 52 | Vgl. o. A.: »Der Fall Kurras ist vor allem ein Produkt der Medien«, Interview mit Hans-Ulrich Wehler, in: stuttgarter-zeitung.de vom 2. Juni 2009, http://content.stutt garter-zeitung.de/stz/page/2041614_0_9959_--quot-der-fall-kurras-ist-vor-allemein-produkt-der-medien-quot-.html vom 12. Mai 2011. Ähnlich lautet der Titel des Arti kels von Andrea Kolpatzik: dies.: »Der Spion, der aus dem Internet kam«. 53 | Fuhrer, Armin: Wer erschoss Benno Ohnesorg? Der Fall Kurras und die Stasi, Berlin 2009, S. 132. 54 | Vgl. o. A.: »Der Fall Kurras« (Onlinepublikation).
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als Einzeltäter gerichtet, sondern gegen das »faschistoide« Establishment der Bundesrepublik Deutschland.55 Es ging nicht um einen individuellen Polizisten. Das legte etwa auch das Lied »2. Juni« von Reiner Rowald nahe: »Wo sind die Mörder?« »Schuld sind Systeme.«56 Zu diesen Systemen gehörten der Senatsrat in Westberlin, Prill, der zwei Monate vor dem 2. Juni den »Knüppel über den Kopf« der Demonstranten als »ein gutes Übungsfeld« für seine Polizeibeamten betrachtet hatte, und Innensenator Neubauer, der die Polizeigewalt gegen dieselben Demonstranten gebilligt und sie bedroht hatte: »Auf Tote kommt es nicht an.«57 Die Reaktionen von Polizei und Regierung in Westberlin auf den Tod Ohnesorgs haben die studentischen Vorwürfe provoziert, denn der Polizeipräsident und der Bürgermeister haben sich unkritisch und vorbehaltlos hinter ihren Mitarbeiter gestellt, den Todesschützen, und einseitig nur die Studenten und Demonstranten kritisiert. Das staatliche Echo auf das Gewaltverbrechen an Ohnesorg – »egal ob von der Stasi provoziert oder nicht« – hätte unmittelbar nach dem 2. Juni die Empörung und Unruhen in der Studentenschaft ausgelöst. Dieses Verhalten von staatlicher Seite könnte auch eine »historische Neuinterpretation« nicht rechtfertigen.58 Es müsse beachtet werden, so Kraft, »dass es den Studenten damals nicht nur um den Tod von Benno Ohnesorg ging, sondern um die polizeilichen Ausschreitungen vor der Oper insgesamt«.59 Der Obduktionsbefund zeigt, dass Ohnesorg zum Opfer zahlreicher Schläge geworden war. Sie beweisen das grundsätzlich brutale Vorgehen der Polizisten bei der ›Räumung‹.
D ie R e ak tion der politischen F ührung W estberlins und die M obilisierung der 68 er -B e wegung Nick Thomas, Historiker an der der Universität Nottingham, unterstreicht die Bedeutung des Todes von Ohnesorg: »It is not too extravagant to say that Ohnesorg’s death changed the political landscape [in West Germany, Anm. d. V.] irrevocably.«60 Der 2. Juni 1967 war nicht nur ein tragisches Ereignis, welches das Leben einer jungen Familie zerstörte, sondern auch ein historisch ein55 | Vgl. S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 234. 56 | Zit. n. W. Sellhorn (Hg.): Protestsongs, S. 60. 57 | Vgl. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 118 und zit. ebd. 58 | S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 234, Anm. 268. 59 | Ebd. Vgl. auch Brenner, Michael: Kinder der Verlierer. Erinnerungen einer Generati on, Norderstedt 2010, S. 129 ff.. 60 | Thomas, Nick: Protest Movements in 1960 s West Germany: A Social History of Dissent and Democracy, Oxford / N ew York 2003, S. 107, zu den Ereignissen des 2. Juni siehe auch S. 107-123.
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schneidendes, das die Wut breiter Kreise der Studentenschaft entfachte und ihren Protest provozierte. Die tödlichen Schüsse von Kurras wurden zum »Auslöser der Mobilisierung«.61 Der Tod von Ohnesorg wirkte wie ein Fanal für die Studentenbewegung und löste eine Solidaritätswelle der Studentenschaft in allen Universitätsstädten der Bundesrepublik Deutschland aus.62 Der 2. Juni 1967 gilt als eines der »Schlüsseldaten der Protestbewegung«.63 Die sich nach dem Tod von Ohnesorg entwickelnde Situation schildert die Historikerin Ingrid Gilcher-Holtey: »Die Ereignisse des 2. Juni 1967 haben [zuerst, Anm. d. V.] die Situation in der Stadt verändert. Die tödlichen Schüsse aus der Waffe eines Polizisten […] haben Panik, Ent setzen und Wut in der Studentenschaft ausgelöst. Viele, die bislang eher mit Distanz die Aktionen der Studentengruppen verfolgten, haben sich persönlich getroffen gefühlt und ihre Betroffenheit in politisches Engagement überführt. Nicht nur in Berlin hat sich dadurch die Basis der studentischen Protestbewegung verbreitert, sondern der Funken des Protestes ist auf die Universitäten der Bundesrepublik übergesprungen.« 64
In der Nacht vom 2. auf den 3. Juni diskutierten verschiedene Hochschulgruppen Berlins über die Lage in der Stadt im RC in der Wielandstraße. Im Anschluss fand im SDS-Zentrum eine Diskussion statt, bei der eine studentische Gruppe behauptete, dass die »physische Liquidierung« der Berliner APO durch die Polizei unmittelbar bevorstehe.65 Nach vierstündiger Diskussion beschloss der SDS für den 3. Juni eine Demonstration, die von der FU zum Rathaus Schöneberg führen sollte. Kurz nachdem gegen 0.30 Uhr am 3. Juni die Polizei die Unruhe für beendet erklärt hatte, verkündete um 1.00 Uhr der Regierende Bürgermeister in einer Presserklärung, dass ausschließlich die Demonstranten die Schuld am Tod von Ohnesorg trügen.66 Kein einziges Wort des Bedauerns richtete Albertz an die Angehörigen des Getöteten. Uneingeschränkt stellte er sich hinter das brutale Vorgehen der Polizeibeamten, die die »systematischen Mißhandlungen von wehrlosen, am Boden liegenden und bereits festgenommenen
61 | D. Gäsche: Born to be wild, S. 106 und S. 110. 62 | Vgl. Wolfrum, Edgar: Die 60er Jahre. Eine dynamische Gesellschaft, Darmstadt 2006, S. 15; Voßberg, Henning: Studentenrevolte und Marxismus. Zur Marxrezeption in der Studentenbewegung auf Grundlage ihrer politischen Sozialisationsgeschichte, München 1979, S. 102 f. 63 | M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 171. 64 | I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 66. 65 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 10 66 | Vgl. ebd.; S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 232.
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Demonstranten«67 zu verantworten hatten, ein Vorgehen, bei dem schließlich ein unbewaffneter Student erschossen wurde. Albertz verkündete: »Die Geduld der Stadt ist am Ende. Einige Dutzend Demonstranten, unter ihnen auch Studenten, haben sich das traurige Verdienst erworben, nicht nur einen Gast der Bun desrepublik Deutschland in der deutschen Hauptstadt beschimpft und beleidigt zu haben, sondern auf ihr Konto gehen auch ein Toter und zahlreiche Verletzte – Polizeibe amte und Demonstranten. Die Polizei, durch Rowdies provoziert, war gezwungen, scharf vorzugehen und von ihren Schlagstöcken Gebrauch zu machen. Ich sage ausdrücklich und mit Nachdruck, daß ich das Verhalten der Polizei billige und daß ich mich durch eigenen Augenschein überzeugt habe, daß sich die Polizei bis an die Grenzen des Zu mutbaren zurückgehalten hat.« 68
Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin über den polizeilichen Knüppelgebrauch bei der Demonstration am 2. Juni 1967 deutete, knapp 18 Monate später, im November 1968, das Vorgehen der Polizei ganz anders. Das Gericht stellte fest, dass der »gesamte Polizeieinsatz« während des Schah-Besuches am 2. Juni »rechtswidrig« und »antidemokratisch« gewesen war, weil die Behörden für die sogenannte »Ruhe und Ordnung« das »fundamentale demokratische Demonstrationsrecht unverhältnismäßig eingeschränkt« hätten.69 Das Urteil hebt die Bedeutung der Protestform »Demonstration« für die politische Kultur des Widerspruchs der Bundesrepublik hervor. In der Zwischenzeit, schon im September 1967, hatte Albertz aufgrund öffentlichen Drucks von seinem Amt zurücktreten müssen, wie auch der Innensenator Wolfgang Büsch und der Polizeipräsident Erich Duensing.70 In diesem Kontext scheint nachvollziehbar, dass Peter Schneider die Erklärung des Regierenden Bürgermeisters als eine »schamlose Verdrehung der Tatsachen« bezeichnet hat, die ein »Diktator der Dritten Welt« hätte formulieren können. Sie war für ihn ebenso »unwirklich« wie der tödliche Schuss auf Ohnesorg.71 Der AStA der FU reagierte am 3. Juni 1967 um 4.25 Uhr mit einer Presseerklärung auf die »zynisch[e] Erklärung« eines Pastors, des Regierenden Bürger67 | Flugblatt der HU, »Was nun noch?«, 23. Juli 1967, S. 1, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. 68 | Zit. n. Schuster, Jacques: Heinrich Albertz – der Mann, der mehrere Leben lebte: Eine Biographie, Berlin 1997, S. 213. 69 | Zit. n. o. A.: »Polizeieinsatz gegen Demonstranten. Das Urteil des Verwaltungsge richts Berlin über den Polizeiknüppelgebrauch bei der Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni 1967«, in: Vorgänge 7, 12 (1968), S. 452-456, hier S. 452. 70 | Vgl. Knopp, Guido / H artl, Peter: »Das Opfer«, in: ders., Die großen Fotos des Jahr hunderts. Bilder, die Geschichte machten, München 1994, S. 122-133, hier, S. 133. 71 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 163.
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meisters, die ihn »sprachlos« gemacht habe. Indem die Polizei Ohnesorg als einen der »aktivsten Anführer« abgestempelt hätte, habe sie versucht, den »Mord [an dem Studenten, Anm. d. V.] nachträglich auf makaberste Weise« zu rechtfertigen. Mit seiner Presseerklärung habe der Bürgermeister das »brutale Verhalten« der Polizei gegen den »berechtigten Protest« der Demonstranten entschuldigt. In seiner »unmenschliche[n] Rechnung« sei der Tod von Ohnesorg auf das »Konto« der Demonstranten verbucht worden. In der Versammlung am darauffolgenden Tag wird der AStA allen Universitätsmitgliedern vorschlagen, eine »mehrtätige Arbeitsniederlegung« zu beschließen.72 Gegen 10.00 Uhr am 3. Juni kamen vor dem Henry-Ford-Bau der FU 1000 Studenten zu einem Trauermarsch zusammen. Sie formierten sich zu einem Zug und wollten zum Rathaus Schöneberg ziehen. Eine Polizeieinheit blockierte diesen Versuch. Die Demonstration sollte sich auflösen, das ordnete die Polizei an. Obwohl der AStA für 15.00 Uhr zu einer Schweigedemonstration vor dem Rathaus Schöneberg aufgerufen hatte, verhinderte die Polizei, die am Rathaus mit Fahrzeugen und Wasserwerfern bereitstand, auch diese Demonstration.73 Ein vom AStA spontan gebildeter »Vorbereitender Untersuchungs-Ausschuß an der FU« rief in einem mit »Geplanter Mord!« überschriebenen Flugblatt zu einer Versammlung für 16.00 Uhr vor dem Henry-Ford-Bau auf. Die Versammlung sollte einen Untersuchungssauschuss ins Leben rufen, der sich der Ereignisse vom 2. / 3. Juni annehmen sollte. Die Polizeiaktion vom 2. Juni hätte nach dem Muster einer »systematisch geplanten Notstandsübung« stattgefunden, so das Flugblatt. Dieser Einsatz sei vom Berliner Senat »politisch« vorbereitet worden, um die »studentische und außerparlamentarische Opposition mundtot« zu machen. Die Studenten deuteten die in der Erschießung Ohnesorgs gipfelnde Polizeiaktion als eine staatlich geplante Handlung, deren Ziel darin lag, Systemkritik auszuschalten und damit einer politischen Kultur des Widerspruchs entgegenzuwirken. Die »Mörder« dieses »vorbereiteten Verbrechens« seien der Regierende Bürgermeister Albertz und sein Innensenator Wolfgang Büsch.74 Im Anschluss an eine Sondersitzung des Senats am 3. Juni bekräftigte Albertz im SFB sein einseitiges Urteil über die Ereignisse des 2. Juni und erklärte die Verhängung eines generellen Demonstrationsverbots. Er setzte eine entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren einer Demokratie zeitweise außer Kraft. Hervorzuheben ist, dass die Fraktionsvorsitzenden der drei im Ab72 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 177 (Dokument 723). 73 | Vgl. ebd., S. 11; S. Lönnendonker / B. Rabehl / J. Staadt: Die antiautoritäre Revolte, S. 336 f. 74 | Flugblatt von Studenten, »Geplanter Mord!«, Vorbereitender Untersuchungs-Aus schuss an der FU, 3. Juni 1967, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker.
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geordnetenhaus von Westberlin vertretenen Parteinen diese Maßnahme unterstützten: »Wir lassen uns nicht länger von einer Minderheit terrorisieren. […] Die Geduld der Berli ner hat ein Ende. Sicherheit und Ordnung müssen in dieser Stadt gewährleistet bleiben. Aus diesem Grund hat sich der Senat veranlaßt gesehen, bis auf weiteres jede öffentli che Demonstration zu untersagen. Wer sich dieser Anordnung widersetzt, wird auf den energischen Widerstand der Polizei stoßen und ohne Ansehen der Person strafrechtlich verfolgt werden. […] Die Rektoren der Universitäten haben zugesagt, daß gegen alle an den Ausschreitungen beteiligten Studenten Disziplinarverfahren eingeleitet werden.«75
Albertz forderte die Staatsanwaltschaft zur »Einrichtung von Schnellgerichten« auf, um die »Kriminalität« der »terroristische[n] Minderheit« nachhaltig zu bekämpfen.76 Schnell reagierte der AStA der FU mit einer Presseerklärung auf diesen Schritt: Das Vorhaben, »Schnellgerichte zu schaffen« und »Demonstrationen generell in Berlin, auch in der Universität, zu verbieten«, sei »traurig und enttäuschend«. Albertz schrecke als »aktiver Christ« nicht davor zurück, die »Teilnahme [an] der Beerdigung als Demonstration zu verbieten«.77 Auch der BV des SDS reagierte auf die Erklärung des Bürgermeisters. In einer Pressemitteilung bezeichnete der SDS den »Totschlag« von Ohnesorg durch die »Polizisten« als den »ersten politischen Mord« in der Nachkriegszeit der Bundesrepublik 78 und forderte, dass die »Schuldigen und die politisch Verantwortlichen« von ihren Ämtern abgelöst werden müssten.79 Die Parteien und die Polizeigewerkschaft in Westberlin unterstützten Albertz uneingeschränkt. In einer Erklärung des Berliner SPD-Landes- und Fraktionsvorstandes vom 3. Juni verurteilten die Sozialdemokraten die »Auswüchse bei den Demonstrationen« und kritisierten den »Mißbrauch des Demonstrationsrechts durch tätliche Angriffe« vonseiten der Demonstranten.80 Der Vorstand des Berliner Landesverbandes der Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund klagte in einer Erklärung vom selben Tag die »randalierenden
75 | »Erklärung des Regierenden Bürgermeisters Heinrich Albertz vom 3. Juni«, zit. n. K. Nevermann (Hg.): Der 2. Juni 1967, S. 141. 76 | Ebd., S. 141 f. 77 | AStA der FU: »Presserklärung vom 3. Juni 1967«, in: Pressestelle der FU Berlin (Hg.), FU, HiU, Teil 5, S. 178 (Dokument 727). 78 | SDS-BV: »Pressemitteilung«, 3. Juni 1967, zit. n. G. Bauß: Die Studentenbewe gung, S. 57. 79 | SDS-BV: »Pressemitteilung«, 3. Juni 1967, zit. n. S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 235. 80 | »Entschließung der Berliner SPD-Landes- und Fraktionsvorstandes vom 3. Juni«, zit n. K. Nevermann (Hg.): Der 2. Juni 1967, S. 142.
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Studenten« an.81 Die Presseerklärung der Gewerkschaft der Polizei des Landes Berlin vom 3. Juni bezeichnete die Demonstranten als »wirrköpfi[g]« und als »hysterische« und »notorische Radaumacher«, als eine »kleine radikale Clique«, als einen »Mob«, als »Störer« und schließlich als »hemmungslose Rowdies«, die durch »kriminell[es] Verhalten« aufgefallen wären. Ihnen gehe es darum, das »Ansehen Berlins systematisch zu ruinieren«. Von einer »Minderheit von Ordnungsstörern« werde die »Demonstrationsfreiheit gegen die Demokratie« missbraucht.82 Die Erklärung des geschäftsführenden Landesvorstandes der Berliner CDU vom selben Tag stellte fest, dass sich Berlin »nicht länger von einigen hundert radikalen Müßiggängern terrorisieren lassen« könne. Sie betrieben, so die Erklärung, das »Geschäft der Kommunisten«. Es sei höchste Zeit, »studentische Rädelsführer […] von der Universität [zu] entfern[en]«.83 Diese Behauptung klang wie die Feststellung der Springer-Presse, welche etwa zwei Jahre zuvor die beiden AStA-Vorsitzenden der FU als »kommunistisch[e] Mitläufer« etikettiert hatte.84 Sie zeigt die Ähnlichkeit der Wahrnehmungsmuster, die weite Teile der Politik und die Springer-Presse mobilisierten, um die Studenten zu verstehen. Trotz des Demonstrationsverbots versammelten sich am Nachmittag des 3. Juni ca. 4000 Studenten zu einer Protestversammlung auf dem Campusgelände der FU. Ein Text auf einem Banner lautete: »Benno Ohnesorg erschossen.« 85 Auf einem handgeschriebenen Plakat, von Michael Ruetz fotografiert, stand: »HEUTE OHNESORG MORGEN WIR«.86 Weil ein generel81 | »Erklärung der Polizeigewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund, Landesver band Berlin vom 3. Juni«, zit. n. AStA der FU Berlin, Dokumente des 2. Juni 1967 und der Zeit danach, 7. Juli 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. 82 | »Erklärung der Gewerkschaft der Polizei, Landesverband Berlin vom 3. Juni«, zit. n. ebd. 83 | »Erklärung des Geschäftsführenden Landesvorstandes der CDU Berlin vom 3. Juni«, zit. n. K. Nevermann (Hg.): Der 2. Juni 1967, S. 142. 84 | Vgl. Teil II, Kapitel 1. Die Bonner Regierung teilte die Meinung des Westberliner Senats. Am 3. Juni 1967 bedauerte Pressesprecher Karl-Günther von Hase im Namen der Bundesregierung die Ausschreitungen nicht der Polizei, sondern der Studenten. In zwischen hatten Staatssekretär Gerhard Jahn (SPD) vor dem Bundestag und Kanzler Georg Kiesinger (CDU) in einem Schreiben an den Schah die Einschätzung ihres Pres sesprechers bekräftigt. Auch die Bonner Regierung unterstützte also den Diktator aus dem Iran. Vgl. Högemann, Jörg: »Die Rebellion der Studenten – Ursachen und Möglich keiten«, in: Marxistische Blätter 5, 6 (1967), S. 39-46, hier S. 39. 85 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 164. 86 | Ruetz, Michael: »Ihr müßt diesen Typen nur ins Gesicht sehen«. APO Berlin 19661969, Frankfurt a. M. 1980, S. 38.
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les Demonstrationsverbot erlassen worden war und sich der Rektor der FU geweigert hatte, die Hörsäle des Henry-Ford-Baus zu öffnen, drohte die Polizei, die Versammlung gewaltsam aufzulösen. In dieser Situation entschied der Dekan der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät, Professor Dr. Wolfgang Wetzel, Hörsäle des Gebäudes für die Versammlung zur Verfügung zu stellen. Damit konnte die Protestveranstaltung fortgeführt werden, ganze vier Stunden lang. An der Versammlung nahmen auch mehrere Professoren der FU teil, wie Helmut Gollwitzer und Richard Löwenthal, die Schriftsteller Günter Grass und Erich Kuby, die auch vor den Versammelten sprachen.87 Der Vorsitzende der Studentenvertretung der TU Berlin und Landesvorsitzende des Verbands Deutscher Studentenschaften (VDS), Rolf Vieten, sagte, er schäme sich, in einem Staat zu leben, in dem die »Polizei einen Demonstranten niederschießen« könne. Er forderte den Rücktritt der »Verantwortlichen von der politischen Bühne«.88 Daraufhin wurden für die ersten drei Tage der nächsten Woche der Ausfall der Vorlesungen angekündigt und Beileidstelegramme verlesen. Für die schwangere Witwe von Ohnesorg kamen bei einer spontanen Spendenaktion 9500 Mark zusammen. Zum Schluss der Protestveranstaltung versammelten sich die Teilnehmer nochmals auf dem Campus. Weil sich die Studenten auf verschiedene Hörsäle verteilt hatten, war es technisch zunächst unmöglich gewesen, über eine Resolution abzustimmen. Nach einer Schweigeminute für Benno Ohnesorg wurde sie einstimmig verabschiedet.89 In ihr forderten die Studenten den Rücktritt Albertz’, des Innensenators Büsch und des Polizeipräsidenten Duensing, die »Entfaschisierung« der Berliner Polizei, vor allem der Polizeispitze, die Bestrafung des »Mörders« und die Vernichtung des »schwarzen Materials über die politische Opposition in Westberlin«. Sie verlangten insbesondere, Maßnahmen für eine »Enteignung des Springer-Konzerns« einzuleiten »aufgrund der Bestimmungen der Verfassung von Westberlin und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland«.90 Ab 19.10 Uhr löste sich die Protestversammlung allmählich auf. Ein langer 3. Juni 1967 endete in Westberlin. Der Tod Ohnesorgs führte zu den bis dahin größten Protestaktionen und einer breiten Solidarisierungswelle innerhalb der Studentenschaft. »Über 87 | Vgl. Below, Irene: »Eingreifende Kunstgeschichte – Der Aufbruch 1967 in Berlin«, in: Kunst und Politik 12 (2010) (= Schwerpunkt: Kunstgeschichte nach 1968, hg. von Martin Papenbrock / N orbert Schneider), S. 11-32, hier S. 15; Hager, Jens: Die Rebellen von Berlin. Studentenpolitik an der Freien Universität, Köln / B erlin 1967, S. 160; Mager, Friedrich / S pinnarke, Ulrich: Was wollen die Studenten?, Frankfurt a. M. 1967, S. 113. 88 | S. Lönnendonker / B. Rabehl / J. Staadt: Die antiautoritäre Revolte, S. 337. 89 | Vgl. ebd., S. 337 f.; J. Hager: Die Rebellen von Berlin, S. 160. 90 | »Resolution vom 3. Juni 1967«, zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.), FU, HiU, Teil 5, S. 180 (Dokument 734).
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100.000 Studenten […] haben in der Woche vom 2. bis 9. Juni« in Westberlin und in der Bundesrepublik Deutschland »gegen die Brutalität der Polizei protestiert«.91 Nach dem 2. Juni erhielt der AStA der FU eine Fülle von Protestund Solidaritätsschreiben von Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen aus dem In- und Ausland. »Fast alle Studentenvertretungen erklärten sich mit dem Protest der Berliner Studenten solidarisch.«92 Etliche Studentenzeitungen berichteten kritisch über den 2. Juni.93 In einer gemeinsamen Erklärung attackierten die verschiedenen politischen Studentengruppen – VDS, SHB, SDS, LSD, Evangelische Studenten-Gemeinde und World University Service – mit den vielen ASten in der gesamten Bundesrepublik – Westberlin, Bonn, Frankfurt, Gießen, Heidelberg, Mainz, München, Marburg und Tübingen – und mit der Studentengewerkschaft Bonn das Vorgehen der Polizei in Westberlin. Es kam zu Trauerkundgebungen, Schweigemärschen und Protestversammlungen außerhalb Westberlins, unter anderem in Aachen, Bochum, Düsseldorf, Gießen, Köln, Bonn, Heidelberg, München, Frankfurt, Münster, Erlangen, Darmstadt, Stuttgart, Marburg, Göttingen, Hannover, Hamburg und Bielefeld.94 In Tübingen zogen am 4. Juni Studenten vor die Universität und hielten eine Ehrenwache ab. Während am 5. Juni in Westberlin in einer Resolution der Konvent der FU den Tod Ohnesorgs beklagte und dem Berliner Senat eine »obrigkeitsstaatliche Regierungspraxis« vorwarf,95 fand in München eine vom Münchner SDS organisierte Demonstration mit etwa 9000 Menschen statt. Als am gleichen Tag im Auditorium Maximum der FU die Vollversammlung aller Fakultäten die Bildung dreier Komitees – »Komitee zur Aufklärung der 91 | K. Nevermann (Hg.): Der 2. Juni 1967, S. 5. 92 | Flugblatt der FU, o. T., o. D., vermutlich Juni 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allge mein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. 93 | Vgl. unter anderem FU-Spiegel 13, 58 (1967) (= Sonderdruck); Wilhelmer, Bern hard: »Bericht«, in: FU-Spiegel 13, 59 (1967), S. 3; Strecker, R. M.: »Politischer Mord«, in: DISKUS 16, 5 (1967), S. 3; Ahrweiler, Georg: »Polizei probt den Notstand«, in: mar burger blätter 17, 113 (1967), S. 3; o. A.: »Der Fall Ohnesorg«, in: notizen 12, 77 (1967), S. 3-10; Berg, Hanjo: »Dieser Tage in Berlin«, in: skizze 15, 4 (1967), S. 14 f.; Leitner, Kerstin: »Westberliner Demokratie«, in: Freiburger Studenten Zeitung 17, 4 (1967), S. 3 f. DISKUS, notizen und skizze sind die Studentenzeitungen der Universitäten in Frankfurt a. M., Tübingen bzw. Kiel. 94 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 53 f.; Kühne, Hans-Jörg: Bielefeld ’66 bis ’77: Wildes Leben, Musik, Demos und Reformen, Bielefeld 2006, S. 14. Am 6. Juni fand auch in Bielefeld, wo es zu diesem Zeitpunkt noch keine Universität gab, ein Schweige marsch zum Gedenken an Ohnesorg statt. Vgl. ebd. 95 | »Resolution der außerordentlichen Sitzung des XIX. Konvents der FU vom 5. Juni«, zit. n. K. Nevermann (Hg.): Der 2. Juni 1967, S. 87-90, hier S. 88. Vgl. auch I. Below: »Eingreifende Kunstgeschichte, S. 16 f.
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Bevölkerung«, »Ermittlungskomitee« (später: »Ermittlungsausschuß«) und »Aktionskomitee zur Organisierung der Trauerfeierlichkeiten« – beschloss,96 protestierten in Göttingen über 6000 Studenten gegen das »brutale und undemokratische Verhalten und Vorgehen der Berliner Polizei«97 sowie die »Übergriffe auf die politische Autonomie der Bürger in Berlin durch die staatliche Obrigkeit«.98 An der größten Demonstration seit der Gründung der Göttinger Universität nahm beispielsweise eine Frau vom SDS teil, Kathrin Svoboda, die ein handgeschriebenes Plakat mit der Aufschrift in ihren Händen hielt: »DER NÄCHSTE SCHUSS KANN MORGEN FALLEN«.99 Studenten sahen sich und die Demokratie der Bundesrepublik einem unmittelbaren Bedrohungspotential durch den Staat ausgesetzt. Der Staat wurde nicht mehr als eine Schutzinstanz imaginiert, sondern als eine repressive und autoritäre Gewaltinstanz. In Frankfurt und Marburg verabschiedeten Studenten auf Kundgebungen Solidaritätsadressen, die sich an die Westberliner Kommilitonen richteten und heftige Kritik an dem »Verhalten sowohl der Polizei als auch der politisch Verantwortlichen« in der Stadt übten.100 In Marburg kam es am 5. Juni zu einem Schweigemarsch von 1500 Studenten.101 In Heidelberg fand am 6. Juni eine Trauerkundgebung auf dem Universitätsplatz statt, bei der 2000 Menschen zusammenkamen. Auf einem studentischen Transparent stand: »Albertz vors Schnellgericht!« Im Anschluss an die Kundgebung kam es auch hier zu einem Schweigemarsch, an dem sich etwa 1500 Menschen beteiligten.102 Während am 7. Juni in Braunschweig ca. 1200 Studenten zusammenkamen und in Saarbrücken 3000 Studenten die größte Kundgebung der Geschichte der Universität veranstalteten, forderten in Gießen 2500 Studenten den Rücktritt des Berliner Regierenden Bürgermeisters und des Innensenators.103 In Köln kam es am selben Tag zu einem Trauermarsch sowie zu einem Schweigemarsch für Ohnesorg, zu dem Studentenverbände aller politischen Richtungen gemeinsam aufgerufen hatten. An ihm nahmen etwa 6000 Universitätsangehörige – unter
96 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 15. 97 | Ebd. 98 | T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 165. 99 | Vgl. Dahms, Hans-Joachim / S ommer, Klaus P.: 1968 in Göttingen. Wie es kam und was es war in unbekannten Pressefotos, Göttingen 2008, S. 54-58, hier S. 58. 100 | A. Rohstock: Von der »Ordinarienuniversität« zur »Revolutionszentrale«?, S. 171. 101 | T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 165. 102 | Vgl. K. Nagel: Die Provinz in Bewegung, S. 41-44. 103 | Vgl. T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 165; Pressestel le der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 19.
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ihnen sowohl Studenten als auch Dozenten und Professoren – teil. Er mündete in einer Großkundgebung gegen die »Gewaltpolitik des Berliner Senats«.104 Die Beerdigung Ohnesorgs in seiner Heimatstadt Hannover am 9. Juni, der etwa 10.000 Menschen folgten, ist für den Historiker Klaus Hildebrand die »Geburtsstunde« der APO.105 Bereits am Vortag war der Leichnam Ohnesorgs von Westberlin nach Hannover überführt worden, nachdem in der FU die Studenten eine Trauerfeier mit rund 10.000 Menschen veranstaltet hatten.106 Der Kongress »Hochschule und Demokratie«, der nach der Beisetzung in Hannover mit rund 5000 Teilnehmern stattfand, wurde zu einem »überregionale[n] Höhepunkt der Solidarisierungswelle«.107 Zunächst kam es zu einem Schweigemarsch, bei dem 7000 Studenten durch die Innenstadt Hannovers zogen. Über den Schweigemarsch berichtete der Semesterspiegel, eine Studentenzeitung aus Münster: »Siebentausend Studenten nahmen an dem Sieben-Kilometer-Schweigemarsch durch die Innenstadt teil, viele in dunkler Kleidung, mit Trauerfahnen oder schlichten Plakaten: ›Wir trauern um Benno Ohnesorg‹, die dem Spruchband-Verbot nicht geopfert worden waren.«108 Der sich an den Marsch anschließende Kongress, der am Abend in der Niedersachsenhalle stattfand, versammelte fast alle für die Studentenbewegung entscheidenden Akteure. Redner waren unter anderem Knut Nevermann, Wolfgang Lefèvre, Rudi Dutschke, die Professoren Wolfgang Abendroth, Jürgen Habermas, Helmut Gollwitzer und der Journalist Erich Kuby.109 Nevermann, ehemaliger AStA-Vorsitzender der FU, betrachtete den Tod Ohnesorgs nicht als ein singuläres und zufälliges Ereignis, sondern als einen »blutigen Freitag«, den man in die »konservierende, restaurative Entwicklung Westberlins und der bundesrepublikanischen Gesellschaft« einordnen müsse.110 Ohnesorgs Tod und die Vorfälle vor der Deutschen Oper stünden für den »Terror« sowie den »bitteren Höhepunkt einer Politik«, so Nevermann, die »Minderheiten und Nonkonformisten ausschalten will«.111 Mit dem Hinweis auf die Gefahr der von der großen Koalition dem Parlament vorgelegten »Notstandverfassung […], die man dazu mißbrauchen könnte, aus dem ei104 | Vgl. K. Holl / C . Glunz (Hg.): 1968 am Rhein, S. 50 f., zit. S. 50; J. Seiffert: »Marsch durch die Institutionen?«, S. 76. 105 | K. Hildebrand: Von Erhard zur Großen Koalition 1963-1969, S. 381. 106 | Vgl. L. v. Friedeburg / J. Hörlemann / P. Hübner: Freie Universität, S. 396. 107 | G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 61. 108 | Semesterspiegel 14, 94 (1967), S. 7, zit. n. ebd., S. 62. Vgl. auch A. C. Berlit: Notstandskampagne und Roter Punkt, S. 64 f. 109 | Vgl. Vesper, Bernward (Hg.): Bedingungen und Organisation des Widerstandes. Der Kongreß in Hannover. Protokolle, Flugblätter, Resolutionen, Berlin 1967; A. C. Ber lit: Notstandskampagne und Roter Punkt, S. 66 ff. 110 | B. Vesper (Hg.): Bedingungen und Organisation, S. 17. 111 | Ebd.
Der Tod von Benno Ohnesorg
nen Erschossenen notfalls tausende Erschossene zu machen«, betonte der Marburger Politologe Abendroth auf dem Kongress die Notwendigkeit, sich mit dem »Kampf gegen die Notstandsgesetzgebung«, welche die »deutsche Demokratie umbringen« würde, zu beschäftigen.112 Am selben Tag war in Bonn eine ähnliche Stimme zu hören. Auf einer Trauerfeier des AStA der Universität Bonn für Ohnesorg beschrieb der bekannte Historiker und Professor Karl Dietrich Bracher den Tod Ohnesorgs als »bewußten Terror gegen Andersdenkende«.113 Seine Kritik richtete sich auch gegen die Springer-Zeitungen: »Liest man die Presse des Springerkonzerns mit ihren vielfältigen Ausläufern, die so viel Mitschuld an der Radikalisierung des politischen Klimas trägt, so wird man an die Hetzkampagnen der Hugenberg-Presse erinnert, an der einst die Weimarer Republik zerbrach.«114 Nach dem Tod Ohnesorgs geriet die Springer-Presse in das Zentrum der Kritik der Studentenbewegung und der APO.
D ie R e ak tionen der S pringer -P resse auf die E reignisse des 2. J uni und der S tart der A nti -S pringer -K ampagne der S tudentenbe wegung sowie der APO Mit dem Tod Ohnesorgs und aufgrund der Reaktion der politischen Führung Westberlins begann der Mobilisierungsprozess der Studentenschaft. Der 2. Juni 1967 war, so die These des vorliegenden Kapitels, ein »kritisches Ereignis«, welches mit der sogenannten Nacht der Barrikaden am 11. Mai 1968 in Paris vergleichbar ist.115 Für die Studentenbewegung und die APO symbolisierten die Ereignisse des Tages »vorweggenommene Notstandsmaßnahmen«,116 die es zu verhindern galt. Es kam zur Gründung von lokalen Antinotstandskomitees im ganzen Land. Die Ereignisse des 2. Juni richteten den Protest der Studentenbewegung und der APO auf ein politisches Ziel, darauf, die als antidemokratisch eingestufte Notstandsgesetzgebung zu verhindern. Doch die Ereignisse stießen noch ein weiteres Projekt an. Es handelt sich um eine Kampagne, gerichtet gegen den Springer-Konzern, der in Westberlin über ein Monopol in der Nachrichtenübermittlung verfügte und dessen manipulative Berichterstattung, aus Sicht der Studentenbewegung und der APO, eine Pogromstimmung gegen die Studenten erzeugt hatte.117 Die Ereignisse des 2. Juni waren das »kri-
112 | Ebd., S. 32 f. 113 | Zit. n. K. Nevermann: Der 2. Juni 1967, S. 43. 114 | Ebd, S. 44. 115 | Vgl. I. Gilcher-Holtey: »Der kritische Moment«, S. 3. 116 | Dies.: Die 68er Bewegung, S. 66. 117 | Vgl. ebd., S. 66 ff.
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tische Ereignis« (Pierre Bourdieu) sowohl für die 68er-Bewegung insgesamt als auch für die Anti-Springer-Kampagne der Studentenbewegung und der APO. »Ziel der wissenschaftlichen Intention […] ist das außergewöhnliche, außeralltägliche Ereignis zurückzuversetzen in die Reihe der alltäglichen Ereignisse, in deren Rahmen es seine Erklärung findet. Und dies, um im Anschluß daran zu fragen, worin denn die Singularität dessen liegt, was ein beliebiges Moment der historischen Reihe bleibt – wie aus allen Phänomenen der Stufe, der Schwelle zu ersehen ist, diesen qualitativen Sprüngen, in denen die stete Addition gewöhnlicher Begebenheiten sich zu einem ein zigartigen, außergewöhnlicher Moment verdichtet.«118
Worin lag die »Singularität« des Todes von Benno Ohnesorg? Seine Tötung war zweifelsohne, im Sinne Pierre Bourdieus, ein »außergewöhnliches« und »außeralltägliches« Ereignis, welches nicht nur in »Westberlin Emotionen aufrührte wie kein Ereignis seit dem Bau der Mauer«,119 sondern auch einen Wendepunkt in der Studentenbewegung sowie in der APO der Bundesrepublik Deutschland und Westberlins darstellte. Allein die Tatsache, dass erstmals im Zuge der Proteste ein Demonstrant durch die Kugel eines Polizisten starb, ist ein »kritisches Ereignis« an sich. Der Tod Ohnesorgs wirkte als ein »kritisches Ereignis«, das, so Gilcher-Holtey, die »Wahrnehmung heterogener Akteure« synchronisierte, mithin einen »Bruch mit […] dem Gewohnten, der ›normalen‹ Zeitwahrnehmung« herbeiführte. Dadurch werden bei Individuen und Gruppen »Erwartungen« hervorgerufen und »Ansprüche« generiert.120 Auch die Springer-Presse, die durch ihre Berichterstattung die Lage zuspitzte, hatte dazu beigetragen, dass eine solche Situation entstehen konnte. Als ihre Zeitungen nach den gewalttätigen polizeilichen Aktionen vor der Deutschen Oper und dem Tod Ohnesorgs die Demonstranten heftig angriff und ihnen die Schuld daran zuwies, setzte die Studentenbewegung den Startschuss für die Anti-Springer-Kampagne. Im Folgenden wird eingehend beleuchtet, dass die Ansichten der Springer-Presse über die Demonstranten identisch waren mit der Wahrnehmung der politischen Führung Westberlins, insbesondere des Regierenden Bürgermeisters Albertz. Es gilt zu betonen, dass diese Wahrnehmungsmuster nicht nur übereinstimmten, sondern dass die Springer-Presse sie überdies erheblich dramatisierte und verschärfte. Die Schlagzeile der Berliner Bild-Zeitung vom 3. Juni 1967 lautete: »Blutige Krawalle: 1 Toter!«121 Darunter war ein Foto von einem am Kopf blutenden Po118 | P. Bourdieu: Homo academicus, S. 256. 119 | O. A.: »Berlin. Polizei«, S. 41. 120 | I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 72. 121 | O. A.: »Der Schah und Rarah in Berlin. Blutige Krawalle: 1 Toter!«, in: BildZeitung vom 3. Juni 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/
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lizisten zu sehen, den zwei Kollegen stützten. Jeder, der das Bild sah, musste denken, dass es sich bei dem Toten vom 2. Juni um einen Polizisten gehandelt hatte. Erst im Kleingedruckten stand ganz unten mit der Überschrift »Demonstrieren – JA! Randalieren – NEIN!«: »Ein junger Mann ist gestern gestorben.« Er sei »Opfer von Krawallen« geworden, welche »politische Halbstarke« inszeniert hätten. Ein Kommentar vermittelte dem Leser den Eindruck, man befinde sich in einer Situation, die unmittelbar mit der von 1933 vergleichbar sei: »Gestern haben in Berlin Krawallmacher zugeschlagen, die sich für Demonstranten halten. […] Sie müssen Blut sehen. Sie schwenken die rote Fahne […]. Wir haben etwas gegen SA-Methoden. Die Deutschen wollen keine braune und keine rote SA. Sie wollen keine Schlägerkolonnen, sondern Frieden. Wer bei uns demonstrieren will, der soll es friedlich tun. Und wer nicht friedlich demonstrieren kann, der gehört ins Gefängnis.«122 Am selben Tag hieß es in einem Kommentar in der B.Z. unter der Überschrift »Das ist Terror«: Eine Minderheit von »zumeist junge[n] Menschen« wolle Berlin in ein »Rabaukennest« verwandeln. Was gestern in Berlin geschehen sei, habe nichts mehr mit Politik zu tun. Das sei »kriminell in übelster Weise« gewesen. Die B.Z. schien die »arbeitende Bevölkerung« zum Widerstand gegen die Studenten aufzurufen, denen »jedes Gefühl für Verantwortung« fremd sei. Diese könnten von der Bevölkerung »kein Verständnis« mehr erwarten. »[G] anz allein« den »Anständigen« gehöre die Stadt. »Wer Terror produziert«, behauptete der Kommentar, »muß Härte in Kauf nehmen«.123 Kein Wort des Bedauerns fiel über den Tod von Ohnesorg. Die Springer-Zeitungen machten die Demonstranten zu »Halbstarken«, »Krawallmachern«, »Randalierern«, »Wirrköpfen«, »Rabauken« und sogar zu »Schlägerkolonnen« einer »rote[n] SA«, die »Terror« verbreitet hätten. Die Redaktionen verzichteten auf jede Distanz und Objektivität. Vor diesem Hintergrund erhielt Kai Hermann den Eindruck, dass die Springer-Presse in Westberlin den »totalen Bürgerkrieg« wolle.124 Peter Schneider, der am 2. Juni an der Demonstration vor der Deutschen Oper teilgenommen hatte, berichtete 40 Jahre später im ZDF-Nachtstudio in einer Gesprächsrunde mit dem Titel »1967 – Der Sommer der 68er und die dl/193050/478.jpg.pdf vom 16. September 2015). Die Bild-Zeitung lautete: »35 Ran dalierer wurden festgenommen. […] In Berlin gab es bisher Terror nur östlich der Mauer. Gestern haben bösartige und dumme Wirrköpfe zum ersten Mal versucht, den Terror in den freien Teil der Stadt zu tragen.« Ebd. 122 | O. A.: »Demonstrieren JA! Randalieren NEIN!«, in: Bild-Zeitung vom 3. Juni 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/193052/479.jpg.pdf vom 16. September 2015). 123 | O. A.: »Das ist Terror«, in: B.Z. vom 3. Juni 1967, S. 3 (auch online unter http:// www.medienarchiv68.de/dl/193086/496.jpg.pdf vom 16. September 2015). 124 | K. Hermann: Die Revolte, S. 16.
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Folgen« über seine persönlichen Erfahrungen und die Berichterstattung der Springer-Presse: »Ich habe mit eigenen Ohren gehört, dass ein Polizeiwagen mit Megafon verkündete, es sei ein Polizist mit einem Messer von einem Studenten, von einem Protestierer lebens gefährlich verletzt worden. Und dann am nächsten Tag in der Springer-Presse […] sah man einen blutenden Polizisten. Und es wurde so dargestellt, als sei – da stand dann, es ist ein Studenten umgekommen. Aber der war das Opfer der Randalierer. Also das hat ei nen derartig wütend gemacht. Das war eine derartige Unverschämtheit ins Gesicht von uns allen, die dabei waren, gelogen. Dass die Feindschaft unversöhnlich war. Springer wurde über Nacht zum Hauptfeind von einer Kampagne.«125
Die Überschrift eines Leitartikels in der zum Springer-Konzern gehörenden Berliner Morgenpost vom 4. Juni 1967, in der am Tag zuvor die Demonstranten als »notorische Radaumacher« und »geschulte kommunistische Straßenkämpfer«126 bezeichnet worden waren, lautete: »Heinrich Albertz bleibt hart«. Die Polizei trage keinerlei Schuld an den blutigen Zusammenstößen mit den Demonstranten. Sie habe »ihre schwere Pflicht« getan. Der tödliche Schuss auf Ohnesorg sei »in Notwehr« gefallen. Ohnesorg sei kein Märtyrer der »Krawall-Radikalen« und »FU-Chinesen«, sondern deren »Opfer«. Die Geduld der Berliner Bevölkerung sei erschöpft.127 Eine Karikatur der Berliner Morgenpost bezeichnete Studenten als »Randalierer«: Die Zeichnung zeigte einen an einer Tür lehnenden bärtigen jungen Mann mit einer Keule in der Hand. Durch die Keule war ein Nagel geschlagen. An der Tür hing ein Schild, auf dem »Studenten-Ausschuß« stand. Vor dem Mann stand ein erschreckter Bürger, der einen Anzug trug und nun fragte: »Darf ich zum Fußballspiel gehen – Oder randalieren Sie dort auch?«128 Die räumliche Entgrenzung der Gewalt, die den Demonstranten zugeschrieben wurde, verdeutlicht die radikale 125 | Peter Schneider in der Fernsehsendung »1967 – Der Sommer der 68er und die Folgen«, ZDF-Nachtstudio vom 26. August 2007, etwa Min. 45. 126 | Stiege, Rudolf: »Es geht um den Ruf Berlins«, in: Berliner Morgenpost vom 3. Juni 1967, S. 2, (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/193066/486.jpg.pdf vom 16. September 2015). 127 | Ders.: »Heinrich Albertz bleibt hart«, in: Berliner Morgenpost vom 4. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202082/513.jpg.pdf vom 16. September 2015). In einem Leserbrief in der Berliner Morgenpost wurde behauptet: »Die Drahtzieher der Demonstrationen wurden zu Mördern. Sie wußten, daß bei ihren Krawallen Blut fließen würde, und sie wollten es offensichtlich auch.« 128 | Stenzel, Hans J.: »Darf ich zum Fußballspiel gehen – Oder randalieren Sie dort auch?«, in: Berliner Morgenpost vom 4. Juni 1967, S. 3 (auch online unter http://www. medienarchiv68.de/dl/202090/517.jpg.pdf vom 16. September 2015).
Der Tod von Benno Ohnesorg
Haltung, die die Springer-Presse einnahm. Es handelte sich um eine »Provokation [durch] überzogen[e] Formulierungen«129, die, wie der bereits oben zitierte Bonner Historiker Bracher meint, »an die Hetzkampagnen der HugenbergPresse erinnert[e]«.130 Der Journalist Werner Sikorski stellte in der B.Z. vom 5. Juni 1967 fest: »Unsere Gesellschaft, wir alle, sind zur Zeit außerstande, unsere Beziehungen zu den Studenten vernünftig zu regeln!« Und mit den »Drahtziehern« an der FU, die einen nahezu »fanatischen Willen zu Krawall und Terror« hätten, könnten vernünftige Bürger nicht mehr diskutieren. Sie hätten den »Boden der Demokratie« verlassen. »Wenn diese Leute Staat und Gesellschaft weiter herausfordern, dann muß diese Herausforderung angenommen und ihr Terror gebrochen werden!«131 Die Lage spitzte sich am selben Tag durch eine provozierende Meldung der Berliner Bild-Zeitung mit der Überschrift »Studenten drohen: Wir schießen zurück« noch einmal zu: »Kurz zuvor hatten radikale Studenten BILD-Berlin telefonisch angekündigt: ›Wenn die Polizei noch einmal auf uns schießt, werden wir zurückfeuern. Wir sind schon dabei, uns […] Gaspistolen zu beschaffen.‹ […] Zahlreiche Studentenorganisationen im Bundesgebiet warfen der Berliner Polizei ›Versagen und Brutalität‹ während der Schah-Tumulte vor.«132 Bei dieser Meldung handelte es sich um eine gezielte Falschmeldung. Der Autor des Artikels, Bild-Reporter Peter Behrendt, erklärte gegenüber dem Berliner Extra-Dienst, er habe sich für seine Zeitung geschämt. Das mit dem »Zurückschießen« habe zunächst mit keinem Wort in seinem Artikel gestanden. »Das haben die erst in der Redaktion dazugedichtet, um eine knallige Überschrift zu kriegen.«133 Die Studie Protest und Reaktion von Fritz Sack und Heinz Steinert analysiert die Berichterstattung der Springer-Presse 17 Jahre später:134 Die Berliner Massenpresse des Springer-Konzerns habe die Sprache des »Vorurteils, der Stigmatisierung, der Kriminalisierung, der Ausgrenzung und [der] Isolierung von Minoritäten« gesprochen. Nicht nur durch »redaktionelle Mittel und durch 129 | G. Naeher: Axel Springer, S. 232. 130 | Zit. n. K. Nevermann: Der 2. Juni 1967, S. 43. 131 | Sikorski, Werner: »Das ist ein Trauerspiel«, in: B.Z. vom 5. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202114/529.jpg.pdf vom 16. Septem ber 2015). 132 | Heine, Klaus / B ehrendt, Peter: »Studenten drohen: Wir schießen zurück: Sanfte Polizeiwelle / Ü berall Diskussionen«, in: Bild-Zeitung vom 5. Juni 1967, S. 2 (auch on line unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202110/527.jpg.pdf vom 16. September 2015). 133 | O. A.: »Bildzeitung: Wir schiessen zurück«, in: Berliner Extra-Dienst vom 10. Juni 1967, S. 4. 134 | F. Sack / H . Steinert: Protest und Reaktion.
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Weglassen, Zusammenstellen, Neuarrangieren von Informationen« habe die Springer-Presse manipuliert, sondern sie »dichtete, erfand und log«. Es habe sich von selbst verstanden, dass diese Presse mit dem Tod von Ohnesorg »so umging, wie die Polizei es ›vorschrieb‹«. Es seien die von der Springer-Presse verbreiteten »Informationen« und Interpretationen über die Vorgänge am 2. Juni 1967 gewesen, die viele Studenten auf die Straße getrieben hätten. Damit hatte die Berliner Presse aus dem Hause Springer die Situation selbst hervorgerufen, die der »Ausgangspunkt für die weitere Eskalation« war.135 Die »Agitation der Springer-Presse«136 blieb nicht auf Berlin beschränkt. In der Welt am Sonntag vom 4. Juni 1967 lautete die Unterschrift zu einem Bild, welches die knüppelnden »Jubel-Perser« zeigte: »Mit langen Holzlatten gingen diese Demonstranten auf die Berliner Polizeibeamten los.«137 Über den Tod Ohnesorgs schrieb die Zeitung neben dem Foto unter der Überschrift »So kam es zum Tod des Studenten beim Schah-Besuch. Erst Fußtritte – dann zogen sie Messer …«: »Sie drängten ihn [den Kripobeamten, Anm. d. V.] in einen Hof ab, umringten ihn und traten ihn nieder. Als sie zum Messer griffen, zog der Kripobeamte seine Dienstwaffe. Die Anti-Schah-Demonstranten von Berlin beschworen herauf, was sie jetzt vor ihrem Gewissen zu verantworten haben: Die Kugel aus dem Polizeirevolver traf den 26jährigen Studenten Benno Ohnesorg«.138
Diese Beschreibung vermittelt den Eindruck, Kurras habe aus Notwehr getötet. Die Welt am Sonntag beschrieb den Vorfall ausschließlich aus der Perspektive von Kurras und verbuchte den Tod somit auf dem Konto der Demonstranten.139 Am 5. Juni berichtete die Welt, das »Intelligenzblatt«140 des Springer-Konzerns sowie eine der größten überregionalen Tageszeitungen der Bundesrepublik, über die Ereignisse in Westberlin mit der Überschrift: »Freiheit – kein Freibrief für Rowdys: Der tödliche Schuß an der Oper – Polizei greift zu spät ein – Drakonische Maßnahmen nötig«. In seinem Kommentar betonte der Autor Bernt 135 | Ebd., S. 187 f. 136 | F. Mager / U. Spinnarke: Was wollen die Studenten?, S. 45. 137 | O. A.: »So kam es zum Tod des Studenten beim Schah-Besuch. Erst Fußtritte – dann zogen sie Messer …«, in: Welt am Sonntag vom 4. Juni 1967, S. 8 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202104/524.jpg.pdf vom 16. September 2015). 138 | Ebd. 139 | Am 2. Juni teilte Kurras gegen 23 Uhr dem Einsatzleiter der Schutzpolizei schrift lich mit, dass er aus Notwehr zwei Warnschüsse abgegeben habe. Vgl. S. Kraft: Vom Hörsaal, S. 238 f. 140 | H. D. Müller: Der Springer-Konzern, S. 127.
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Conrad: »Moralisch verantwortlich für die erschreckenden Szenen vor der Deutschen Oper Berlin sind jene studentischen Extremisten, die den SchahBesuch benutzten, um zum direkten Straßenterror überzugehen.«141 Die Unterschrift der Welt vom 7. Juni 1967 lautete: »Lust am politischen Rabatz – Demonstrationen als Form der direkten Aktion – Die Radikalen tarnen sich als ›Gute Demokraten‹.«142 Eine Auswertung der zeitgenössischen Quellen bestätigt, dass die Ereignisse des 2. Juni den entscheidenden Anstoß für die Anti-Springer-Kampagne gaben. Bereits am 3. Juni pochten die Studenten in einer Protestversammlung an der FU auf die »Enteignung des Springer-Konzerns«.143 Am 9. Juni während der Trauerfeier für Ohnesorg in Hannover forderte der Publizist Erich Kuby zu prüfen, »ob juristische Möglichkeiten zur Enteignung des Springerkonzerns in Berlin bestehen« würden.144 Hannes Schwenger, einer der Akteure der AntiSpringer-Kampagne, berichtete in der Novemberausgabe 1967 des FU-Spiegels: »Der Tod Ohnesorgs war […] der Wendepunkt, an dem ein Teil der öffentlichen Meinung gegen Springer umzuschlagen begann.«145 Zu dieser Einschätzung passen die Notizen Heinz Grossmanns. Dieser schrieb 1968 von der Entstehung der Anti-Springer-Kampagne, die in Westberlin begonnen habe, »nachdem am 2. Juni und mehr noch am 3. Juni 1967 offenbar geworden war, welch totalitäres Klima ein in jeder Beziehung marktbeherrschender Konzern schaffen konnte«.146 Bernd Rabehl, einer der wichtigsten Akteure des SDS und enger Vertrauter Rudi Dutschkes, stellte im Jahr 1985 auf einem Symposium von ehemaligen Aktivisten der 68er-Bewegung rückblickend fest: »Die Idee der Springer-Kampagne wurde nach dem 2. Juni 1967 geboren.«147 Anders als die Kampagne für die Hochschulreform und gegen den Vietnamkrieg bildete sich die
141 | Conrad, Bernt: »Freiheit – kein Freibrief für Rowdys«, in: Die Welt vom 5. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202130/537.jpg.pdf vom 16. September 2015). 142 | Zehm, Günter: »Lust am politischen Rabatz«, in: Die Welt vom 7. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202220/582.jpg.pdf vom 16. September 2015). 143 | »Resolution vom 3. Juni 1967«, zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.), FU, HiU, Teil 5, S. 180 (Dokument 734). 144 | M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 179. 145 | Schwenger, Hannes: »Eiche und Blitz. Axel Springers Machtstellung und die Berliner Studenten«, in: FU-Spiegel 13, 60 (1967), S. 21. Vgl auch M. Seitenbecher: S. 58 f. 146 | H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Auferstehung der Gewalt, S. 14. 147 | Lönnendonker, Siegward (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch zwischen »Kulturre volution« und »Kultureller Zerstörung«. Der SDS in der Nachkriegsgeschichte (19461969). Dokumentation eines Symposiums, Opladen 1998, S. 139.
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Anti-Springer-Kampagne als »Reaktion auf die protestpolitische Erfahrung«148 heraus, die ihre Mitglieder gemeinsam gemacht hatten. Diese These stimmt mit einer Beobachtung KD Wolffs überein. Auf einer Podiumsdiskussion 1998 erklärte er, die Anti-Springer-Kampagne habe für die Studentenbewegung eine »ganz zentrale Bedeutung« gespielt: »Sie entstand tatsächlich aus einer konkreten Erfahrungssituation, daß die Springer-Presse am extremsten jede Initiative, die jemand von links machte, nicht einfach nur kritisierte und angriff, sondern verteufelte, also bis zu den Zeichnungen, den Cartoons, […] in der SpringerPresse in Berlin vor allem.«149 Festzuhalten bleibt: Der Tod von Benno Ohnesorg, der Günter Grass vom »ersten politischen Mord in der Bundesrepublik«150 sprechen ließ, wirkte wie ein Fanal für die Mobilisierung der Studentenbewegung und der APO. In der Folge waren in Universitätsstädten Proteste und Demonstrationen nicht mehr isolierte Aktionen von kleinen politisch-studentischen Gruppen. »Der Schuß auf Benno Ohnesorg«, so der Soziologe Niklas Luhmann, »schoß die Studenten aus der Gesellschaft hinaus – und von da ab konnte man über den Rasen laufen«.151 Das Ereignis des 2. Juni, das die Frankfurter Studentenzeitung DISKUS als »Beispiel eines offen gewalttätigen Vorgehens der Staatsmacht gegen eine unerwünschte Opposition«152 interpretierte, markierte den Übergang vom Protest zum Widerstand. Der 2. Juni war zugleich ein »gigantischer Versuch der tonangebenden privaten Massenmedien, die politisierten Studenten der Manipulation zu unterwerfen«.153 Er löste die Anti-Springer-Kampagne der Studentenbewegung und der APO aus. Es war der Moment, in dem der Funke der Proteste auf andere Gruppen in der Bundesrepublik übersprang. Deshalb kann der Tag als der eigentliche Beginn sowohl der Mobilisierung der 68er-Bewegung als auch der Anti-Springer-Kampagne bezeichnet werden.
148 | J. Högemann: »Die Rebellion der Studenten«, S. 39. 149 | O. A.: »›Nach der Stagnation der Aufbruch? Buchhandel und Rundfunk nach 1968‹. Podiumsdiskussion im Deutschen Literaturarchiv ín Marbach am 5. November 1998«, in: Monika Estermann / E dgar Lersch (Hg.), Buch, Buchhandel und Rundfunk 1968 und die Folgen, Wiesbaden 2003, S. 256-286, hier S. 267. 150 | Zit. n. E. Wolfrum: Die geglückte Demokratie, S. 262. 151 | Luhmann, Niklas: »1968 – und was nun?«, in: ders., Universität als Milieu. Kleine Schriften, hg. von André Kieserling, Bielefeld 1992, S. 147-165, hier S. 148. 152 | Grossmann, Heinz: »Strategien der Manipulation. Politisierte Studentenschaft und außerparlamentarische Opposition im Spiegel der Massenmedien«, in: DISKUS 16, 6 (1967), S. 4. 153 | Ebd.
3. Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967
»Mit Druckerschwärze werden Herz und Hirn gewa schen. / N ur zwanzig Pfennig kostet so ein Bad, […] / D u schwarzes Schaumbad für Idioten! / D ich zu entlarven ist gemeine Hetze. / U nd selbst zu denken und zu han deln ist verboten. / D afür, so schreibst du, brauchen wir Notstandgesetze.«1 R ichard L impert
Die Ereignisse des 2. Juni 1967 beschleunigten einerseits die 68er-Bewegung und bildeten anderseits einen Katalysator für die Genese der Anti-SpringerKampagne. Nach dem 2. Juni eskalierten die Proteste in den meisten Universitätsstädten. Die Politisierung eines Großteils der Studentenschaft zeigte sich in steigenden Mitgliederzahlen der Studentenverbände. Zudem vergrößerten sich die linken Organisationen an vielen Universitäten.2 Infolge der von fast allen studentischen Gruppierungen unterstützten breiten Protestwelle gegen das Vorgehen der Polizei am 2. Juni 1967 stiegen die Vertreter der Studenten1 | Limpert, Richard: »Spring-(er)-Flut«, zit. n. J. Fuhrmann et al. (Hg.): agitprop, S. 89. 2 | Vgl. A. v. Lucke: 68 oder neues Biedermeier, S. 17 f.; R. Dutschke: »Die Wider sprüche des Spätkapitalismus«, S. 80 f. Zudem wurden auch Schüler politisiert und verbreiteten sich als eine bundesweite Schülerbewegung: Am 18. Juni 1967 fand in Frankfurt a. M. der erste Kongress des Aktionszentrums unabhängiger und sozialisti scher Schüler (AUSS) statt, das am 26. Februar 1967 mit Unterstützung des SDS ge gründet worden war und zu dem sich sozialistische Schülergruppen aus ca. 20 Städten zusammenschlossen. Vgl. Winkler, Hans-Joachim (Hg.): Das Establishment antwortet der APO, Opladen 1968, S. 165; Mosler, Peter: Was wir wollten, was wir wurden. Studen tenrevolte – zehn Jahre danach, Hamburg 1977, S. 73. Die Verbreitung der Schülerbewe gung kann auch als ein Ausweis für die Beschleunigung der 68er-Bewegung angesehen werden.
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bewegung, insbesondere die Leitfiguren des SDS, zu Sprechern der gesamten Studentenschaft auf.3 Im studentischen Milieu rückte der SDS in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Eine Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach zum Thema »Student und Politik 1967« vom 17. bis zum 26. Juli 1967 im Auftrag der Bundesregierung durchführte, zeigte, dass insgesamt 47 Prozent der Befragten den Einfluss des SDS an den Universitäten im Vergleich mit anderen studentischen Gruppierungen als stärksten einschätzten: Auf die Frage, welche Gruppe an der Universität am einflussreichsten sei, nannten 30 Prozent der befragten Studenten den »linken SDS«-Flügel um Rudi Dutschke und Wolfgang Lefèvre. Dieser strebe »durch direkte Aktionen eine gesellschaftliche Umwälzung« an. Nur 17 Prozent antworteten, dass der »gemäßigte SDS«-Flügel um Ulrich K. Preuß und Klaus Meschkat, der sich mit dem »Wandel der Gesellschaft […] und besonders mit der Hochschulreform« befasse, die einflussreichste Gruppe sei. Hinter dem SDS rangierte der SHB, dem 27 Prozent der Befragten den größten Einfluss auf die Universitäten bescheinigten.4 Nach dem 2. Juni 1967 setzte ein Massenansturm der Studenten auf den SDS ein. Die Mitgliederzahlen verdoppelten sich von 1200 im Herbst 1966 auf 2500 im darauffolgenden Herbst.5 Der SDS Westberlin verzeichnete innerhalb von sieben Monaten einen deutlichen Anstieg der Mitgliederzahlen: von 200 im Januar 1967 auf 300 im August desselben Jahres.6 Bauß erklärt den Zustrom zum SDS damit, dass viele Studenten der politisch aktivsten Studentenorganisation beizutreten suchten und der SDS insgesamt als solche eingeschätzt wurde.7 Einige bereits politisierte Studenten wechselten von anderen studentischen Gruppierungen zum SDS. So entschloss sich beispielsweise im Juli die Gruppe Lüneburg des SHB zum Austritt und trat dem SDS bei.8 Der SDS entwickelte sich zu einem »Sammelbecken« für die APO.9 Insbe3 | Vgl. J. Seiffert: »Marsch durch die Institutionen?«, S. 74-77. 4 | Bericht des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung an den Bundes kanzler, September 1967, S. 1-26, hier S. 7, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. Der Bericht fasste die Ergebnisse der Allenbach-Umfrage »Student und Politik 1967« analytisch zusammen. 5 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 79; K. Fahlenbrach: Protest-Inszenierun gen, S. 186. Im gleichen Zeitraum änderte sich die Mitgliederzahl anderer politischer Studentenorganisationen wie folgt. SHB: von 1500 auf 2000, LSD: von 900 auf 1100: RCDS: stabil bei 2200. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 79, Anm. 34. 6 | Vgl. ebd., S. 80, Anm. 40. 7 | Vgl. ebd., S. 79 f. 8 | Vgl. o. A.: »Kaum zu glauben?«, in: Freiburger Studenten Zeitung 17, 7 (1967), S. 18. 9 | Kätzel, Ute: Die 68erinnen. Porträt einer rebellischen Frauengeneration, Berlin 2002, S. 15.
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sondere in Westberlin wurde der am 30. April 1967 gegründete RC, zu dessen Gründern auch SDS-Mitglieder gehörten, zum »Aktionszentrum« der APO.10 Rückblickend fasste Dutschke die Beschleunigung der 68er-Bewegung in den Wochen und Monaten nach dem 2. Juni dahingehend zusammen, dass es auf der Grundlage der Erfahrungen des 2. Juni und anderer Auftritte des Schahs in der Bundesrepublik Deutschland zu einer breiten Mobilisierung von Studenten, jungen Arbeitern, Angestellten und Schülern gekommen sei.11
D ie E nt wicklung der A nti -S pringer -K ampagne Mit dem Tod Ohnesorgs und den Reaktionen der Springer-Presse auf die Ereignisse des 2. Juni intensivierte sich die Kritik am Springer-Verlag und seiner Presse. Die Kampagne kam »so richtig in Schwung«.12 Auf Plakaten und Flugblättern forderten Vertreter der Studentenbewegung und der APO »Enteignet Springer«. Indem der Verleger von Missständen und Problemen in Deutschland ablenke, qualifiziere er die Ziele der Protestbewegung ab.13 Der Meinung, dass der Springer-Konzern enteignet werden solle, stimmten in der Allensbach-Umfrage aus dem Juli 1967 24 Prozent der befragten Studenten voll und ganz zu, 26 Prozent teilweise. 48 Prozent lehnten die Forderung ab. Jeder zweite Student stimmte damit, so wurde dieses Befragungsergebnis kommentiert, der Forderung nach der Enteignung des Springer-Konzerns zu.14 Unter den Studenten ging Axel Springers Image auf »Talfahrt«.15 Seit dem 2. Juni war er zur »Schlüsselfigur der innenpolitischen Auseinandersetzungen«16 geworden. In der Allensbach-Umfrage sahen ihn nur noch vier Prozent der Studenten als Vorbild an. Ein Jahr zuvor waren es noch acht Prozent gewesen. Springer lag damit hinter Mao Tsetung (5 Prozent), während sein Konkurrent Rudolf Aug-
10 | Regensburger, Marianne: »Jahresbericht des RC«, 25. Mai 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973, S. 1-4, hier S. 1. Im Laufe des Jahres verbreitete sich der RC im ganzen Land und in zahlreichen Städten der Bundesrpublik existierten rund 30 RCs. Ebd., S. 2. 11 | Vgl. R. Dutschke: »Die Widersprüche des Spätkapitalismus«, S. 80. 12 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 449. 13 | Vgl. G. Meyer: »Die 68er-Bewegung und die zeitgenössischen Medien«, S. 59. 14 | Bericht des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, S. 21 und S. 23 (Archivalien). 15 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 449. 16 | H. Knabe: Der diskrete Charme der DDR, S. 358.
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stein mit 23 Prozent wie im Vorjahr (24 Prozent) für deutlich mehr Studenten Vorbildfunktion hatte.17 Die kritische Einstellung zu Axel Springer und seinem Verlag beschränkte sich nicht auf das studentische Milieu. Indem sie sich mit den Ursachen der Ereignisse des 2. Juni auseinandersetzten, richteten auch andere Organisationen der APO ihre Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten der Manipulation der öffentlichen Meinung durch Massenmedien, insbesondere durch den Springer-Verlag. Mehrere Gruppen der APO, nicht nur der SDS, sondern auch der RC, die Falken und die KfA begannen, sich mit der Enteignungsthematik zu beschäftigen.18 Die Forderung nach der Enteignung des Konzerns als Symbol und Slogan der Anti-Springer-Kampagne avancierte zum »Kern des rhetorischen Repertoires«19 der APO und der Studentenbewegung. Eine breite »Anti-Springer-Front«20 stützte sie. Damit begann die Anti-Springer-Kampagne, die vom Juni 1967 bis zum April 1968 andauerte. Der SDS blieb nach der Ermordung von Benno Ohnesorg der Vorreiter der studentischen Organisationen, die den Springer-Konzern zu entlarven versuchten und gegen ihn protestierten. Schon am 6. Juni 1967 übte der SDS in einer Erklärung zu den Ereignissen des 2. Juni heftige Kritik am Konzern, dessen Presse die »Ideologie der Frontstadt […] ständig verfestigt« habe.21 Der Spinger-Konzern beherrsche in Westberlin nahezu den gesamten Zeitungsmarkt. Die Welt rückte als »Kopf blatt« des Verlags ins Zentrum der Kritik. Die Zeitung habe, hieß es in der Erklärung des SDS, »wesentlich die Voraussetzungen mitgeschaffen«, die zur Erschießung Ohnesorgs geführt hätten. Ein großer Teil der Studentenbewegung, der die »Durchbrechung der Demokratie durch die Konzentration und Gleichschaltung der Presse in privater Hand« erkannt habe, fordere daher die Enteignung und Demokratisierung des Springer-Konzerns.22 In Tübingen veröffentlichten die Studentenorganisationen gemeinsam eine Dokumentation über die verzerrende und einseitige Berichterstattung der Springer-Presse über den 2. Juni. Zu den Herausgebern dieser Dokumentation mit dem Titel »Wie sind wir belogen worden? Was ist wirklich geschehen?« gehörten nicht nur der AStA, der SDS, der SHB und die HSU, sondern
17 | Vgl. ebd.; Bericht des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, S. 14 (Archivalien). Auf Platz 1 rangierte in beiden Jahren Carl Friedrich von Weizsäcker mit je 42 Prozent (1966) bzw. 50 Prozent (1967). 18 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 433. 19 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 301 f. 20 | Ebd., S. 414. 21 | SDS-BV, »Niederlage oder Erfolg der Protestaktion: Erklärung des SDS«, 6. Juni 1967, S. 2, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 22 | Ebd., S. 3.
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auch der RCDS, welcher der CDU nahestand.23 Der Mainzer RCDS hatte schon am 4. Juni 1967 festgestellt, dass die vom Springer-Konzern dominierte Westberliner Presse gegen die Studentenschaft eine »verantwortungslose Hetze« betrieben habe und seit Monaten in einer »regelrechten Kampagne« die Bevölkerung Westberlins »systematisch gegen die Studenten aufzubringen« versuche.24 Auch die Evangelische Studentengemeinde in Berlin attackierte den Springer-Konzern. In ihrem Informationsblatt Nr. 8 vom 6. Juni kontrastierte sie die Springer-Meldungen vom 2. bis zum 5. Juni mit den Fakten und stellte die Frage, »ob es nicht im Interesse der Allgemeinheit liegt, die Konzentration der Zeitungen in den Händen des Verlegers Axel Springer aufzulösen«.25 Nicht zuletzt auf dem Kongress in Hannover vom 9. Juni 1967 unmittelbar nach der Beisetzung Ohnesorgs wurde der Springer-Konzern scharf kritisiert, zugleich aber die Kritik am Verlag auch als Problem für die Bewegung behandelt. Dutschke erklärte: »Die Mobilisierung der Pseudoöffentlichkeit der Massenmedien gegen uns ist unvermeidbar, aber relativ unwichtig. Wir dürfen uns nicht über Springer und Co. definieren.«26 Für Dutschke ging es um unmittelbare Aktionen. Die »bewußte Durchbrechung dieser etablierten Spielregeln« musste, aus seiner Sicht, Ausgangspunkt der Politisierung der Studentenschaft sein.27 Er forderte alle Studenten auf, sofort »Aktionszentren«28 in den Universitäten zu bilden. Im Schlusskommuniqué, das auf dem Kongress in Hannover wegen der vorgerückten Stunde nicht mehr verabschiedet werden konnte,29 stand: »Wir fordern die Enteignung des die politische Meinungsbildung monopolistisch beherrschenden Springer-Konzerns«. Dessen Presse mobilisiere das in der »Phase des kalten Krieges angesammelte Aggressionspotential«.30 Dutschke hatte schon vor dem Kongress die Studenten zu einer ganz besonderen Demonstrationsform aufgerufen, dem ›Go-in‹. Ihrer Kritik am Springer-Konzern sollten sie anlässlich einer Einladung zur Besichtigung des Sprin23 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 69. 24 | Gutenberg-Express, Mitteilungen des AStA der Universität Mainz, 4. Juni 1967, zit. n. ebd. 25 | Evangelische Studentengemeinde Berlin: »Information über die Berichterstattung vom Senat, der Polizei und der Presse«, Informationsblatt Nr. 8 vom 6. Juni 1967, in: Pressestelle der FU Berlin (Hg.), FU, HiU, Teil 5 (1983), S. 188 f. (Dokument 749), hier S. 189. 26 | Rudi Dutschke, 9. Juni 1967, zit. n. B. Vesper (Hg.): Bedingungen und Organisati on, S. 80. 27 | Rudi Dutschke, 9. Juni 1967, zit. n. ebd., S. 80. 28 | Rudi Dutschke, 9. Juni 1967, zit. n. ebd., S. 82. 29 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 58. 30 | Schlußkommuniqué des Studentenkongresses in Hannover vom 9. Juni 1967, S. 3 und S. 1, zit. n. ebd., S. 70.
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ger-Hochhauses an der Kochstraße in Westberlin Nachdruck verleihen.31 Das Angebot der Berliner Redaktion der Bild-Zeitung, die dem SDS am 26. Juni vorgeschlagen hatte, seine »Haltung in 30 bis 40 Schreibmaschinenzeilen« in ihrem Blatt darzustellen, derweil ablehnend,32 erklärte der Westberliner SDS in einem Flugblatt: »Wer in BILD schreibt und hilft, Vorwürfe gegen die SpringerPresse zu entkräften, lügt mit.« Im Juli nahm der SDS Dutschkes Vorschlag für das Go-in an. Man werde mit »unentkräfteten Vorwürfen« das Springer-Haus begehen und in einer öffentlichen Stellungnahme seine Haltung gegenüber der Springer-Presse darlegen. Das Flugblatt, das die Information kommunizierte, forderte die »Enteignung des Springer-Konzerns!!!«33 In Hamburg kam es am 9. Juni zu einer Demonstration gegen die SpringerPresse. Der Hamburger Schriftsteller und Dichter Peter Rühmkorf hatte bei einer Veranstaltung anlässlich der Beisetzung Ohnesorgs, organisiert von politischen Studentenorganisationen, zu der Kundgebung aufgerufen. Während der Protestaktion, an der sich etwa 700 Hamburger, größtenteils Studenten, beteiligten, nannte Rühmkorf die Springer-Presse einen »Meinungskonzern«. Einige Demonstranten trugen Transparente mit der Aufschrift: »Schluß mit der Demagogie – Enteignet Springer«.34 In Berlin spielten sich ähnliche Szenen ab: Hier wurde am 13. Juni das Transparent »Bild hat mitgeschossen« bei einer Demonstration getragen, mit der der AStA der FU gegen die Haltung von Senat und Polizei vor und nach dem 2. Juni protestierte.35 15 Politologen der FU legten nur wenige Tage später eine Dokumentation mit dem Titel Demokratie 31 | Vgl. o. A.: »Springer-Demonstrationen«, in: Der Tagesspiegel vom 9. Juni 1967 (auch in: ASV-UA, NL Horst Mahnke). 32 | Zit. n. J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 139. Am selben Tag bot auch die B.Z. dem FU-AStA eine Kolumne in unregelmäßiger Folge an. Der AStA be schloss, auf das Angebot nur einzugehen, wenn garantiert werden würde, dass man ohne politische Einflussnahme der Redaktion den Inhalt der Kolumnen bestimmen kön ne. Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 31. 33 | Zit. n. J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): ebd., S. 140. Das Go-in am 11. Juli 1967 wur de nicht realisiert, da der Springer-Verlag am Tag zuvor aus Angst vor der geplanten Ak tion die Veranstaltung absagte. Am 11. Juli stellte sich eine Studentin mit einem Plakat vor das Springer-Hochhaus, auf dem die Enteignung des Springer-Konzerns gefordert wurde. Vgl. F. Sack / H . Steinert: Protest und Reaktion, S. 189; H. Knabe: Der diskrete Charme der DDR, S. 369. 34 | Vgl. o. A.: »Studentendemonstration mit Angriffen auf Springer-Presse«, in: ASVUA, NL Horst Mahnke. 35 | O. A.: »Eine unheilige Allianz«, in: Positionen 1, August (1967), S. 14 f., hier S. 14 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). Der Slogan »Bild hat mitgeschos sen« ging aus einer früheren Schlagzeile der Bild-Zeitung, »Gott hat mitgebohrt«, hervor, als diese über die Rettung verschütteter Bergarbeiter in Lengede berichtete. Vgl. ebd.
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und Presse in Berlin vor.36 Sie hatten die Berichterstattung der fünf Berliner Zeitungen des Springer-Verlags im Zeitraum vom 2. bis zum 10. Juni 1967 über den »Verlauf und [die] Nachwirkungen« der Anti-Schah-Demonstrationen in Westberlin untersucht. Auf Grundlage ihrer Recherchen warfen sie der Springer-Presse vor, Nachrichten unterdrückt und verfälscht zu haben. Das zentrale Ergebnis der Studie lautete: »Es wurde eindeutig zuungunsten einer unbequemen Minderheit berichtet – im untersuchten Fall waren es Studenten.« Die Springer-Presse habe die Meldungen »teilweise unterdrückt oder verzerrt«. Sie habe ein »stark verändertes Bild von den Vorgängen« vermittelt.37 Die Berichterstattung der Springer-Presse war, so Melchert, häufig »einseitig, parteiisch« und »falsch«.38 Die Forderungen nach der Enteignung Springers rissen nicht ab: Die Thematik prägte auch die am 20. Juni 1967 publizierte »Erklärung der am Hungerstreik zur Freilassung Fritz Teufels Beteiligten«. Um gegen die Fortdauer der Untersuchungshaft des am 2. Juni während der Anti-Schah-Demonstration in Berlin festgenommenen Studenten Teufel zu protestieren, riefen der Landesverband des SDS und die HSU Berlin zu einem Hungerstreik als einer »solidarischen Aktion« auf.39 Zu den sechs Forderungen einer Presserklärung, welche die etwa einhundert Teilnehmer des 48-stündigen Hungerstreiks gaben, gehörte neben der »Ablösung der Polizeiführung« und dem »Rücktritt von Albertz und Büsch« auch die »Enteignung des Springer-Konzerns«.40 Vor diesem Hintergrund trafen am 25. Juni 1967 Vertreter des AStA, des SDS und des RC zusammen. Sie verabredeten gezielte Aktionen gegen den Springer-Verlag, etwa eine für den 10. Juli anvisierte große Veranstaltung in der Berliner Hasenheide.41 Die Kundgebung in der Hasenheide sollte unter dem Slogan »Enteignet Springer« stattfinden und auch sechs Referate umfassen. Neben verschiedenen Versammlungen gegen den Springer-Konzern 36 | Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut, Studentenvertretung, Fachschaft Po litologie (Hg.), Demokratie und Presse in Berlin. Analyse der Informationsauswertung und Berichterstattung der Berliner Zeitungen des Axel Springer Verlages über Verlauf und Nachwirkungen der Anti-Schah-Demonstrationen in Berlin, 15. Juni 1967, Berlin 1967. 37 | Ebd., S. 15 f. Die fünf Zeitungen waren Bild (Berliner Ausgabe), B.Z., Berliner Morgenpost, Die Welt (Berliner Ausgabe) und die Wochenzeitung Welt am Sonntag (Berliner Ausgabe). 38 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 297. 39 | Vgl. ebd., S. 29, zit. S. 211. 40 | Ebd. Teufel wurde am 22. Dezember 1967 freigesprochen. Bis November 1967 saß er wegen des Vorwurfs in Untersuchungshaft, einen Stein geworfen zu haben. Am 6. Juli 2010 starb er in Berlin. 41 | Vgl. H. Knabe: Der diskrete Charme der DDR, S. 367 ff.
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sollte auch ein Tribunal – das »Springer-Tribunal« – zu Beginn des Wintersemesters stattfinden. Dieses sollte, wie der Historiker Hubertus Knabe rekonstruiert, Springer wegen »Marktbeherrschung und Völkerverhetzung ›moralisch verurteil[en]‹«.42 Darüber hinaus sollte vermutlich nach dem Tribunal vor dem Springer-Hochhaus oder vor der Druckerei ein ›Lay-in‹ durchgeführt werden, um die Auslieferung der Springer-Presse zu blockieren.43 Die am 25. Juni geäußerten kritischen Töne gegen Springer fanden sich im Spiegel als dem publizistischen Vorreiter der Kritik gegen den Springer-Verlag wieder. Am 10. Juli brachte das Magazin ein Interview mit dem Protagonisten der Studentenbewegung sowie des SDS, Rudi Dutschke. Überzeugt, für größere Teile der deutschen Bevölkerung zu sprechen, forderte Dutschke darin die Enteignug des Verlages. Sie stellte für ihn einen »strategische[n] Transmissionsriemen« zwischen der Studentenschaft und der Bevölkerung dar.44 Der charismatische Studentenführer mit, so der Spiegel, »unleugbarem rhetorischen und politischen Talent«45 fuhr fort: »Die während der letzten Wochen entstandenen studentischen Aktionszentren an der Freien Universität werden im Laufe des nächsten Semesters direkte Aktionen gegen die Auslieferung von Springer-Zeitungen in West-Berlin unternehmen.« Tausende Studenten sollten, so Dutschke, vor der Berliner Druckerei des Verlags durch »passive Formen des Widerstandes« die Auslieferung der Springer-Zeitungen verhindern. Flugblätter sollten diese Aktion ankündigen. Gleichzeitig plante die APO, »kritische und informative Zeitungen für alle Teile der Bevölkerung« herauszugeben.46 Seine Ankündigungen ergänzte Dutschke mit einem Aufsatz, den er am 12. Juli 1967 im Oberbaum Blatt veröffentlichte. Die grundlegende Aufgabe der nächsten Etappe der Protestbewegung, schrieb er darin, sei eine »systematische Kampagne für die Enteignung des Springer-Konzerns«. Erneut formulierte er die Erwartung, dass diese Kampagne in gewissen Teilen der Bevölkerung auf »große Resonanz« stoßen werde.47 In einer Diskussion mit Herbert Marcuse im Rahmen einer mehrtägigen Veranstaltung vom 10. bis 13. Juli 1967 äußerte er sich ähnlich: Es gelte, die Auslieferung der Springer-Zeitungen durch »systematische Kampagnen, wochenlange Kampagnen« in der Bevölkerung zu verhindern und gleichsam einen »systematischen Aufklärungsprozeß durch die 42 | Ebd., S. 367. Diese Information zitierte Knabe aus Stasi-Akten. 43 | Vgl. ebd. 44 | O. A.: »›Wir fordern die Enteignung Axel Springers‹. Spiegel-Gespräch mit dem Ber liner FU-Studenten Rudi Dutschke (SDS)«, in: Der Spiegel vom 10. Juli 1967, S. 29-33, hier S. 31. 45 | H.-U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949-1990, S. 315. 46 | O. A.: »›Wir fordern die Enteignung Axel Springers‹«, S. 31. 47 | Dutschke, Rudi: »Zum Verhältnis von Organisation und Emanzipationsbewegung«, in: Oberbaum Blatt vom 12. Juli 1967, S. 5.
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Aktionskomitees« der verschiedenen Hochschulen, Universitäten, Schulen, vielleicht auch der Betriebe und anderen Vertreter der Gesamtbevölkerung zu starten und auf diese Weise die Unterstützung immer weiterer Bevölkerungsschichten zu gewinnen. Die von ihm als »strategischer Transmissionsriemen« bezeichnete Anti-Springer-Kampagne erschien ihm als Möglichkeit, die Isolation der Studenten zu beenden.48 Er rief auf, »Aktionskomitees zur Enteignung von Axel Springer« in und außerhalb der Universitäten zu bilden. Diese Aktionskomitees würden am Ende die Studenten in »direkten ›Kampfkontakt‹ mit dem bewußtesten Teil der nichtstudentischen radikaldemokratischen Opposition« bringen. Die »Notwendigkeit der Enteignung« werde man, so Dutschke, der Bevölkerung durch Flugblätter unter »Ausnutzung der Enteignungspassage« in der Berliner Verfassung, durch »täglichen Nachweis der Lügen, Verzerrungen, der Völkerverhetzung« der Springer-Zeitungen vor Augen führen.49 Dutschke sah den Springer-Verlag als zentralen Faktor des spätkapitalistischen Systems an, so Michaela Karl in ihrer biografischen Studie über den Studentenführer. Dem Springer-Verlag die »Aufgabe der funktionalen Beherrschung der Massen« durch Manipulation zuschreibend,50 definierte Dutschke das Ziel der Kampagne gegen den Konzern mit den Worten: »Die lang andauernde Kampagne wird ihren Höhepunkt in der Blockierung der Produktion bzw. Verteilung von Springerzeitungen an einem bestimmten, öffentlich bekanntgegebenen Termin finden.«51 Tausende sollten, so Dutschkes Vorstellung, sich an der »Springer-Aktion« beteiligen, die sich primär auf Westberlin und Hamburg konzentrieren würde, wo der Springer-Konzern jeweils fast 70 Prozent der Publikationen beherrschte.52 Die »Blockierung der Springerzeitungen« könne einen »entscheidenden Lebensnerv« der deutschen Gesellschaft treffen, da sie die »funktionale Beherrschung der in Unmündigkeit und leidender Passivität gehaltenen Massen« durchbrechen werde.53 Die Schwierigkeit, die Auslieferung und den Verkauf von Springer-Zeitungen zu blockieren, war Dutschke durchaus bewusst. Er zählte allein für Berlin 1650 Zeitungskioske, die für so eine Blockade in Frage kamen.54 Dennoch kündigten Ende Juli 48 | Dutschke, Rudi: »Diskussion zu ›Das Problem der Gewalt in der Opposition‹«, in: Herbert Marcuse, Das Ende der Utopie: Herbert Marcuse diskutiert mit Studenten und Professoren Westberlins an der Freien Universität Berlin über die Möglichkeiten und Chancen einer politischen Opposition in den Metropolen in Zusammenhang mit den Be freiungsbewegungen in den Ländern der Dritten Welt, Berlin 1967, S. 55-82, hier S. 72 f. 49 | R. Dutschke: »Zum Verhältnis«, S. 5. 50 | M. Karl: Rudi Dutschke, S. 125. 51 | R. Dutschke: »Zum Verhältnis«, S. 5. 52 | Ebd., S. 5 f. 53 | Ebd., S. 6. 54 | Vgl. M. Karl: Rudi Dutschke, S. 125.
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1967 SDS-Vertreter an, unmittelbar nach den Semesterferien eine umfassende politische Kampagne gegen den Springer-Konzern starten zu wollen.55 Das Heidelberger Tageblatt vom 29. Juli 1967 berichtete: Ziel der linken Studenten sei die Enteignung des Springer-Konzerns und die Umwandlung in eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit Kontrolle. Sollten Polizisten Westberlins die Auslieferung der Springer-Zeitungen beschützen müssen, werde sich, so Dutschke, zeigen, wie die »Bürokratie mit den Manipulatoren der Meinung unter einer Decke« stecke.56 Im Forum der Welt, in dem im Juli 1967 fünf Vertreter der unterschiedlichen politischen Studentenorganisationen – SDS, SHB, LSD, VDS und RCDS – zu der Entwicklung an den Universitäten Stellung nahmen, kritisierte Reimut Reiche, erster Vorsitzender des SDS, den Springer-Verlag scharf. Die Enteignung und Demokratisierung des Springer-Konzerns fordernd, schloss er seinen Artikel mit der Aussicht auf Aktionen gegen den Springer-Konzern als den Inbegriff der Konzentration und der »Gleichschaltung« der Presse in privater Hand in der Bundesrepublik Deutschland. In den Sommerferien würde man konkretere Schritte erarbeiten: »die große Kampagne für die ökonomische Entflechtung und die politische Demokratisierung der Presse in der Bundesrepublik und in Westberlin, voran des Pressemonopols, das den überwiegenden Teil der ›Meinung‹ beherrscht«.57 Auf diese Weise kündigten Vertreter des SDS die Kampagne und weitere Aktionen gegen den Verlag öffentlich an. Ihr schloss sich schon Ende Juni 1967 die KfA an. Der Zentralausschuss der KfA verabredete am 24. / 25. Juni, die von »großen Teilen der Westberliner Studentenschaft nach der Erschießung von Benno Ohnesorg« aufgestellte »Forderung nach Entmachtung des Springer-Konzerns« zu unterstützen.58 Weitere Gruppen kamen hinzu. Die Anti-Springer-Kampagne erhielt immer mehr Unterstützung. Nach einer Meldung der Duisburger Zeitschrift Tatsachen vom 22. Juli 1967 forderte der Bundesvorstand der Kriegsdienstverweigerer die Bundesregierung auf, gegen Axel Springer und seinen Konzern beim Bundesverfassungsgericht ein Verfahren auf Verwirkung der Grundrechte einzuleiten.59 Dies begründete er damit, dass die Springer-Presse die »Grundrechte der freien Meinungsäußerung« missbraucht habe. Springer schüre seit Jahren »Haß und Pogromstimmung gegen politische Minderheiten«. Der Vorstand erklärte: »Auf Grund des 55 | Vgl. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 125. 56 | Zit. n. »Springer«, S. 1 (Archivalien). 57 | Reiche, Reimut: »Berlin ist ein Exempel«, in: Die Welt (Berlin) vom 26. Juli 1967, S. 7. 58 | »Protokoll der Sitzung des Zentralen Ausschusses der KfA vom 24. / 25. Juni 1967«, S. 3, zit. n. Otto, Karl A.: Die außerparlamentarische Opposition in Quellen und Dokumenten (1960-1970), Köln 1989, S. 255. 59 | Vgl. Verlagshaus Axel Springer (Hg.): Die These (Archivalien), S. 12.
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Artikels 18 könnte das Bundesverfassungsgericht in einem Verfahren gegen Springer seinem Konzern nicht nur das Grundrecht der freien Meinungsäußerung, sondern auch das Eigentumsrecht aberkennen und damit im Ergebnis eine Enteignung aussprechen.«60 Als Waffe der Kritik am Springer-Verlag spielten die Flugblätter und Zeitungen der Studentenbewegung und der APO eine wichtige Rolle. Darin bekräftigten sie ihre Kritik und erhoben Forderungen nach der Enteignung des Springer-Konzerns. Schon bald nach dem 2. Juni erklärten die ASten der FU, TU und der Pädagogischen Hochschule mit dem Flugblatt »Berlinerinnen und Berliner!«: Die Springer-Presse habe über den Tod Ohnesorgs Falschmeldungen verbreitet. Sie habe die Bevölkerung »einseitig informiert« und die Studentenschaft als »Randalierer und Krakeeler« diskreditierend beschrieben.61 Zeitungen des Springer-Verlags hätten die Studenten verteufelt.62 Nach dem 2. Juni sei deutlich geworden, so das Flugblatt des SDS, dass die »Unterdrückung« durch Springer bis an das Ende seiner Existenz weitergehen werde. Als einziges Mittel, die durch Manipulation aufrechterhaltene Beherrschung der öffentlichen Meinung zu beenden und die demokratische Kontrolle der Presseorgane sowie einen kritischen Meinungsbildungsprozess in der deutschen Bevölkerung einzuleiten, wurde erneut die Enteignung des Springer-Verlages genannt.63 Diese Forderung erhob auch ein Flugblatt des SDS in Erlangen-Nürnberg, der in dem Konzern den »Hauptverantwortlichen für die Pogromstimmung« in Westberlin erkannte.64 Andere Studentenvertretungen außerhalb Berlins gingen in die gleiche Richtung. So schlossen sich der Kritik am Springer-Verlag die ASten der Frankfurter und Konstanzer Universitäten an. Der AStA der Frankfurter Universität kritisierte in einem Flugblatt die »einseitigen Informationen« der SpringerPresse, die behaupte, dass Studenten nur »Randalierer« seien.65 In Konstanz wurde bei einer Demonstration ein Flugblatt mit dem Titel »Springers Macht ist undemokratisch« ausgegeben. Der AStA der Universität Konstanz forderte darin neben einer unmanipulierten Berichterstattung und allgemeinen Aufla60 | Zit. n. ebd., 12 f. 61 | Flugblatt der Asten der FU, TU und Pädagogischen Hochschule, »Berlinerinnen und Berliner!«, o. D., vermutlich Juni 1967, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. 62 | Vgl. Flugblatt von SDS, RC und den Falken, o. T., 25. August 1967, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / F ichter. 63 | Vgl. Flugblatt des SDS, »Springer nicht enteignen …?« (Archivalien). 64 | Flugblatt des SDS Erlangen-Nürnberg, »Flugblatt Nr. 4«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 65 | Flugblatt des AStA der Universität in Frankfurt a. M., »Bürgerinnen und Bürger!«, o. D., vermutlich Juni 1967, in: ebd.
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genbeschränkung auch die »Entflechtung« des Springer-Konzerns durch ein Gesetz, das die »Konzentration der Presse« einschränken solle. Axel Springers Macht sei eine Macht ohne Mandat und ohne Kontrolle. Seine Presse propagiere »blinden Antikommunismus« und verhindere eine »pluralistische politische Meinungsbildung« durch breite Diskussion. Dieser blinde Antikommunismus diene der Verlängerung des Kalten Krieges. Die von der Springer-Presse in Berlin geschürte »unduldsame Frontstadtatmosphäre« habe den Tod Ohnesorgs verursacht.66 Auch in Lindau kam es zu einer Demonstration gegen einen »Pressetrust, dessen unkontrollierte Macht das für eine Demokratie fundamentale Grundrecht der Meinungsfreiheit« aushöhle. Ein Flugblatt, das an dem Tag verteilt wurde, an dem das Jahrestreffen des Springer-Konzerns mit seinen Zeitungsgroßhändlern stattfand, beschrieb Axel Springer als »Diktator des deutschen Zeitungswesens« und »Herrscher über Markt und Meinung«: Er beherrsche 30 Prozent der bundesdeutschen Tageszeitungen, 90 Prozent aller Sonntagszeitungen und 17 Prozent der Publikumszeitschriften. Weil im Pressewesen ein Marktmonopol ein Meinungsmonopol darstelle, beherrsche er die öffentliche Meinung und das Denken großer Bevölkerungsteile.67 Hamburger Studenten stellten im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem AStA ihrer Universität ein Hamburger Extrablatt für die deutschen Bürger zusammen. Sie listeten Marktanteile des Springer-Verlags68 auf und berichteten über den Hannover-Kongress vom 9. Juni 1967 und dessen Hauptforderungen nach einer neuen Pressepolitik, in deren Zentrum die »Enteignung des die Presse monopolistisch beherrschenden Springerkonzerns« stand.69 Die Kritik an dem Konzern, die aus Bad Kreuznach kam, war ungewöhnlich scharf und trug spöttische Züge: Ein Flugblatt des sogenannten Demokratischen Forums bezeichnete den Springer-Verlag als »Rauschgift«. Angesichts der marktbeherrschenden Stellung des SpringerKonzerns könne man nur sagen: »Hinein in die chloroformierte Gesellschaft mit Axel Springer.« Wenn man etwas gegen eine solche Art von Rauschgift habe, dann sollte man einen Rat frei nach Springer befolgen: »Seien Sie nett zueinander.« Leser des Flugblattes erhielten den Rat: »Praktizieren Sie christliche Nächstenliebe, indem Sie die Enteignung Springers fordern!« 70 Der RC, der 66 | Flugblatt des AStA der Universität Konstanz, »Springers Macht ist undemokra tisch«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ebd. 67 | Flugblatt aus Lindau, »Wir demonstrieren gegen Axel Cäsar Springer«, o. D., ver mutlich Juni oder Juli 1967, in: ebd. 68 | Vgl. o. A.: »Springer muß man kaufen«, in: Hamburger Extrablatt vom 22. Juni 1967, S. 2 (Archivalien). 69 | O. A.: »Enteignet Springer«, in: ebd., S. 4. 70 | Flugblatt des Demokratischen Forums in Bad Kreuznach, »Vorsicht Rauschgift!«, 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967
am 30. April 1967 von den »nicht marodierende[n] Studenten, sondern Publizisten, Anwälte[n], Verleger[n] und Geschäftleuten« 71 gegründet wurde und einen wichtigen Sammelpunkt der APO in Berlin darstellte, avancierte zu einem zentralen Raum für die Kritik an Springer. Der »Horizont« des Clubs, so beschrieb es ein von ihm publiziertes Informationsblatt, sei »nicht auf den der Springer-Presse geschrumpft«.72 Der RC, der unter dem ersten Vorsitzender Klaus Meschkat im Juli 1967 430 Mitglieder zählte, wollte am 4. August eine Veranstaltung mit dem Thema organisieren: »Überblick über den Stand der Pressekonzentration und Vorschläge zur Entflechtung des Springerkonzerns.« 73 In den Zeitungen der APO und der Studentenbewegung wurde die Kritik am Springer-Verlag immer lauter. Die Positionen, eine theoretische Zeitschrift der Berliner Sozialistischen Jugend Deutschlands, Die Falken, bezeichnete die Springer-Presse als »gemeingefährlich, pervers und Demokratie erdrosselnd«. Der Versuch der »Einschüchterung politischer Minderheiten« habe seinen »vorläufigen Höhepunkt« in der Erschießung von Ohnesorg, dem »blutigen Massaker«, gefunden. Die Springer-Presse habe zur »physischen Vernichtung der Studenten« aufgerufen. »Manipuliert« vom Springer-Konzern, seien die Berliner in ihrer Mehrheit »nicht in der Lage, ihre eigenen konkreten Lebensinteressen zu erkennen und zu artikulieren«.74 Es sei das Ziel von Axel Springer, die politische Linke in Westberlin zu zerschlagen.75 Stellvertretend für viele APO-Organisationen stellte der Vorstand der Berliner Falken fest: »Die Forderung nach der Enteignung des Springer-Konzerns steht dringender denn je auf der Tagesordnung, damit die Demokratie bei uns nicht gänzlich vor die Hunde geht.« 76 Neben anderen studentischen Zeitungen übte auch die Zeitschrift ventil, die der AStA der Technischen Hochschule Karlsruhe herausgab, Kritik an Springer. Auf der Titelseite vom Juli 1967 erschien die Schlagzeile: »Springers Kreuzzug gegen die Studenten«. In Bezug auf die Ereignisse des 2. Juni druckte ventil eine Zeichnung, die Axel Springer in Matador-Kleidung zeigte, die prügelnden Polizisten steuernd. Daneben setzte sie den Untertitel: »Die Poli71 | Bohrer, Karl Heinz: »Die linke Minderheit –Theorie und Praxis der Rebellen von Berlin«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Juni 1967 (auch in: APO-Archiv, SDS / R C). 72 | Republikanischer Club (Hg.), Informationsblatt, »Der Republikanische Club in Westberlin«, o. D., vermutlich April 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. 73 | Republikanischer Club (Hg.), »Informationsbrief IV«, 25. Juli 1967, S. 1, in: APOArchiv, SDS / R C. 74 | O. A.: »Der 2. Juni – ein neuer Anfang?«, in: Positionen 1, August (1967), S. 3 ff., hier S. 3 f. (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). 75 | O. A.: »Eine unheilige Allianz«, S. 15 (auch in: ebd.). 76 | O. A.: »Vietnam und der Imperialismus«, in: Positionen 1, August (1967), S. 10 (auch in: ebd.)
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zei trägt keine Schuld an den Zusammenstössen.« 77 Die Macht von Axel Springer und seinem Konzern, dessen Presse mit ihrer »planmäßige[n] Hetze« die »Stimmung gegen die Studenten« 78 in Westberlin aufgeheizt und die Brutalität der Polizei am 2. Juni verursacht habe, wurde damit symbolisch artikuliert und satirisch kritisiert. Auch die nobis, die Mainzer Studentenzeitung, erhob die Forderung nach der »Auflösung des Springer-Konzerns«.79
D ie E nt wicklung der publizistischen K ritik am S pringer -V erl ag Für die publizistische Kritik am Springer-Verlag bedeuteten die Ereignisse vom 2. Juni 1967 eine Zäsur. Zeitungen nahmen Axel Springer und seinen Konzern nun mit kritischeren Augen wahr. Die Berichterstattung über ihn und seinen Verlag verschärfte sich. Neben linksliberalen Zeitungen und Zeitschriften wie dem Spiegel, dem Stern, der Zeit, der Frankfurter Rundschau, der Süddeutschen Zeitung, pardon und konkret berichteten regionale und lokale Zeitungen wie die Westfälische Rundschau, die Neue Westfälische und der Südkurier über die Thematik um den Springer-Konzern. Auch am rechten publizistischen Rand rückten der erfolgreichste Verleger des Landes und sein Verlag in den Mittelpunkt der Kritik.80 Axel Springer avancierte in der Abendzeitung gar zum »Fall Axel Springer«.81 Der Verleger, den die rechtsextremistische National-Zeitung als »nichtjüdischen Zionisten« beschimpfte, und dessen Welt die gewerkschaftliche Welt der Arbeit aufgrund der vermeintlich »manipulierten Tatsachen« in der Berichterstattung aufs Korn nahm, las in der Zeitung Neues Deutschland aus Ostdeutschland einen schon bekannten Satz: »Springer muß enteignet werden.«82 Solche Stellungnahmen wiederholten sich, auch wenn längst nicht alle so drastisch formuliert waren. Das zeigt auch eine zehnseitige Liste, die im 77 | Siehe die Frontseite des ventils, der Karlsruher Studentenzeitung, in: ventil 15, 4 (1967). 78 | Göpfert, Winfried: »Springers Kreuzzug gegen die Studenten«, in: ebd., S. 4 f., hier S. 4 und S. 5. 79 | Schroeder, Thomas: »Auflösung des Springer-Konzerns«, in: nobis 20, 140 (1967), S. 9. 80 | Siehe dafür o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, Liste aus dem Springer-Verlag, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Vgl. auch F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 302 f.; M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 40 f. 81 | Zit. n. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968« (in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). 82 | Zit. n. ebd.
Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967
Bestand über die Anti-Springer-Kampagne im Unternehmensarchiv der Axel Springer AG abgelegt ist: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, lautet ihr Titel. Diese Aufstellung dokumentiert die Veröffentlichungen über den Verlag in anderen Medien, einschließlich kurzer Notizen über Springer-kritische Veranstaltungen, Demonstrationen und verteilte Flugblätter der Studentenbewegung und der APO.83 Schon am 5. Juni 1967 berichtete die Frankfurter Rundschau, dass der am 3. Juni in Westberlin von den Studenten zum Ausdruck gebrachte Wunsch, die Bundesregierung solle den Springer-Konzern enteignen, keine unrealistische Forderung sei, sondern den »Kern der Sache durchaus trifft«.84 In seiner Kolumne im Stern vom 25. Juni griff Sebastian Haffner den Springer-Verlag äußerst scharf an. In Bezug auf die Ereignisse des 2. Juni schrieb er über die angebliche »Pogromhetze« und die »tatsächlichen Pogrome« des SpringerKonzerns. Zwar distanzierte sich die Stern-Redaktion von Haffners Kolumne über die »Refaschisierung in der Bundesrepublik«, aber Haffner konnte publizieren, »daß dieses Springer-Berlin von 1967 in der Sache […] wieder ein faschistisches Berlin geworden« sei.85 Er konstatierte: Axel Springer, den »eigentlichen Herrn« Westberlins, den Regierenden Bürgermeister Albertz und den Polizeipräsidenten Duensing verbinde eine »ununterbrochene Kette der Komplizenschaft zu den Direkttätern«.86 Im August wurde der Springer-Verlag, wie die Liste aus dem Unternehmensarchiv der Axel Springer AG zeigt, noch schärfer kritisiert, insbesondere in der Zeit.87 Für die publizistische Kritik an Springer spielte nicht zuletzt der Spiegel eine große Rolle. Das Magazin hatte schon im Juli mittels eines Interviews mit Dutschke, der die Enteignung des Konzerns gefordert hatte, indirekt den Verlag kritisiert. Nach knapp einem Monat feuerte er den »ersten Schuss des ›großen Orlogs‹«88 ab. Dabei handelte es sich um eine Enthüllungsstory, die ausführlich schilderte, dass Hermann F. Arning, Fernsehbeauftragter Springers, zwei Publizisten von Hör Zu ohne Kenntnisse des Chefredakteurs eingestellt hatte, um das ZDF auszuspähen.89 In der Öffentlichkeit nahm da83 | Ebd. 84 | Zit. n. M. L. Müller: Berlin 1968, S. 170. Vgl. auch G. Bauß: Die Studentenbewe gung, S. 78. 85 | Haffner, Sebastian: »Nacht der langen Knüppel«, in: Stern vom 25. Juni 1967, zit. n. ders.: Zwischen den Kriegen. Essays zur Zeitgeschichte, Berlin 1999, S. 300. 86 | Zit. n. ebd., S. 299. 87 | O. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968« (Archivalien). 88 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 451. 89 | Vgl. o. A.: »Affären. Springer-Fernsehen. Aus dem süßen Leben«, in: Der Spiegel vom 7. August 1967, S. 36-45; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 451 f.
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durch das Ansehen des Springer-Verlags schweren Schaden. Auf das Thema reagierend, kritisierten auch die Süddeutsche Zeitung, der Stern und die Zeit Springer und seinen Konzern.90 Verschiedene Zeitungen griffen nun den Begriff »Meinungsmonopolist«91 auf. Die Kritik des Zeit-Chefredakteurs Josef MüllerMarein auf der Titelseite seines Blattes war am schärfsten: »Wenn Axel Springer ein Demokrat ist, sollte er sich über die Existenz jedes Blattes freuen, das er nicht besitzt. Wenn nicht, stoppt Springer!«92 Anfang September beschäftigten sich auch Blätter wie die Fuldaer Zeitung, die Aachener Nachrichten, der Tagesspiegel und auch wieder die Welt der Arbeit, die National Zeitung und das Neue Deutschland mit Springer.93
D ie R e ak tionen des A xel S pringer V erl ags auf die A nti -S pringer -K ampagne Gegen die Anti-Springer-Kampagne und die »Enteignet Springer«-Forderungen gab der Springer-Verlag im Juli 1967 unter dem Titel »Die These von der ›Enteignung des Axel-Springer-Verlages‹. Ihr Ursprung und ihre Verbreitung« eine umfangreiche Dokumentation heraus.94 Die 14-seitige Studie, die der Springer-Konzern im August 1967 als Broschüre an alle Bundesministerien und an führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verschickte, unter anderem an alle Bundestagsabgeordneten,95 versuchte nachzuweisen, dass die Forderung nach Enteignung sowie die gesamte Anti-Springer-Kampagne aus der DDR kommen würden und ein Produkt der SED-Propaganda seien. Das erst Mal habe Walter Ulbricht am 21. April 1966 aus Anlass des 20. Jahrestages der Gründung der SED die Forderung nach der Enteignung des Springer-Konzerns formuliert, hieß es in der Dokumentation. Sie sei dann von »radikalisierten politischen Gruppierungen« in der Bundesrepublik Deutschland übernommen worden: »von links-radikalen Studentengruppen, von bestimmten Presseorganen, von Kriegsdienstverweigerern und Ostermarschierern«. Der Springer-Verlag sei in den »taktischen Überlegungen« dieser Gruppen das »Angriffsziel Nr. 1«. Erfolg und Misserfolg der Anti-Springer-Kampagne hingen 90 | Vgl. ebd., S. 452. 91 | Ebd. 92 | Müller-Marein, Josef: »Axel Springers Fall«, in: Die Zeit vom 25. August 1967, S. 1. Vgl. auch H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 452 f. 93 | Vgl. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968« (Archivalien), S. 1 f. 94 | Verlagshaus Axel Springer (Hg.): Die These (Archivalien). 95 | Vgl. o. A.: »Quellenforschung«, in: Der Spiegel vom 4. September 1967, S. 18; H.P. Schwarz: Axel Springer, S. 432; G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 226, Anm. 128.
Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967
davon ab, »ob diese Gruppen in der Lage sind, die Angleichung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik an die der SBZ [die Sowjetische Besatzungszone, Anm. d. V.] voranzutreiben, um damit im Sinne der Politik Ulbrichts und der SED wirksam zu werden«.96 Abgesehen davon, dass in Ulbrichts Rede das Wort »Enteignung« nicht fiel, sondern Ulbricht nur die »Kontrolle« des Springer-Konzerns gefordert hatte,97 traf es schlicht nicht zu, dass die Anti-Springer-Kampagne und die Parole »Enteignet Springer« aus dem Osten stammten. Die Staatssicherheit ging sogar davon aus, so Kruip, dass die Parole potentielle Anhänger der Kampagne abschrecken würde. Sie sei zu radikal formuliert. Auf Grundlage der Stasi-Akten sei nachweisbar, dass es erst am 25. Oktober 1967 innerhalb des Zentralkomitees der SED eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel gab, die »bereits existierende Anti-Springer-Kampagne in Westdeutschland« zu unterstützen – allerdings »mit zweifelhaftem Erfolg«. Denn die Studentenbewegung, insbesondere der antiautoritäre Flügel des SDS, hätten versucht, sich von der »Instrumentalisierung durch die DDR« oder Stasi freizuhalten.98 Die Resonanz der Dokumentation des Springer-Verlages war klein und konnte die Anti-Springer-Kampagne nicht schwächen. Die Springer-Presse verschärfte ihre Kommentare und Kritik an den Studenten in dieser Zeit. Eine Karikatur aus der B.Z. vom 4. Juli 1967 zeigte zum Beispiel einen Kommunarden, der einem Affen ähnelte. Er saß auf einer Bank, während er auf den ihn bald behandelnden Tierarzt wartete.99 Die SpringerPresse zeichnete sich durch eine »unerbittliche Kritik an der APO und 68er-Bewegung« sowie durch eine »Diffamierungs- und Verdammungsstrategie« aus, die den »Beginn eines deutschen Bürgerkriegs suggerierte«.100 Der außerparlamentarische Protest wurde verteufelt, die Protestierenden stigmatisiert.101 Doch die sich rasant entwickelnde Kampagne beunruhigte den Konzern immer mehr. Ab Mitte Juni 1967 wurde Axel Springer jede Woche darüber informiert, wie die APO in vielen Universitätsstädten Demonstrationen und Teach-ins ge-
96 | Verlagshaus Axel Springer (Hg.): Die These (Archivalien), S. 14. 97 | In seiner Rede am 21. April 1966 widmete Ulbricht dem Thema Springer nur einen einzigen Satz: »Von besonderer Bedeutung ist, die Zeitungskonzerne wie den SpringerKonzern u. a. unter Kontrolle zu nehmen und damit der Hetze des kalten Krieges und der Kriegshetze einen Riegel vorzuschieben.« Zit. n. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 432. 98 | Vgl. G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, zit. S. 226. 99 | Vgl. Scharloth, Joachim: 1968. Eine Kommunikationsgeschichte, München 2011, S. 316, Abb. 17. 100 | H.-U. Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1949-1990, S. 392. 101 | Vgl. Großkopff, Rudolf: Unsere 60er Jahre. Wie wir wurden, was wir sind, Frank furt a. M. 2007, S. 284; G. Oy: Die Gemeinschaft der Lüge, S. 123.
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gen den Konzern veranstaltete.102 Aus einem Bericht vom 4. Juli 1967, verfasst von Horst Mahnke, dem Geschäftsführer des redaktionellen Beirats, gehen die Sorgen deutlich hervor, die im Verlag wegen der Anti-Springer-Kampagne entstanden waren. Mahnke hatte brisante Informationen von Hamburger Journalisten erhalten, die er nun an seinen Vorgesetzten weitergab. Gewisse Studentengruppen unter Führung des SDS würden den Plan einer »systematische[n] Terrorkampagne« gegen das Verlagshaus Axel Springer Berlin verfolgen. Im Einzelnen seien folgende Aktionen geplant: »Über einen längeren Zeitraum andauernde Demonstrationen für die Enteignung Axel Springers, ›Sit-ins‹ vor dem Berliner Verlagshaus, vor Vertriebsbüros und Außenstellen, Provokationen gegen Zeitungsboten, Zeitungsverkäufer, Angehörige des Hauses etc., [und] tätliche Angriffe gegen Verlagsfahrzeuge.« Der SDS hoffe, »daß [bei den Provokationen] […] Studenten zu Tode kommen oder zumindest verletzt werden«. Der SDS wolle die Dinge so weit forcieren, dass sich etwa »Studentinnen vor Firmenkraftwagen des Hauses werfen«. Der SDS verschmolz in der Wahrnehmung Springers zu einer terroristischen Gruppe und Dutschke wurde zudem unterstellt, in zynischster Weise über den Tod Ohnesorgs zu sprechen. »Ohnesorg sei ›ein einfältiger Esel, der sich eine Kugel in den Schädel jagen läßt‹. Aber man braucht noch mehrere solcher Fälle, um zur ›revolutionären Aktion durchzubrechen‹.«103 Der Springer-Bericht machte Dutschke zu einem terroristischen Drahtzieher und diffamierte ihn als eiskalte Person, die den Toten beschimpft habe. 102 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 449. 103 | Bericht von Mahnke an Springer, »Betr.: Studenten«, 4. Juli 1967, S. 1 f., in: ASVUA, NL Horst Mahnke. In einem weiteren Bericht, den Mahnke mit der Bitte um strengste Vertraulichkeit am 21. Juli 1967 an Axel Springer gab, ging es um Axel Springer selber. In einem von Mahnke beigefügten Aktenbericht, den sein Informant, ein Hamburger Kri minalbeamter, angefertigt hatte, wurde Springer als Schreibtischmörder bezeichnet. Von einem Mann, der am 24. Juni 1967 bei der Polizeifernmelde-Betriebsstelle ange rufen hatte, hatte er Kenntnis von einem Gespräch erhalten. Es sei darum gegangen, Springer einen »Denkzettel« in Gestalt eines Attentats zu verpassen, da er als »Expo nent der kapitalistischen Ordnung« der Bundesrepublik und »wegen seines terroristi schen Meinungsmonopols die geistige Verantwortung« für den Tod Ohnesorgs trage. Springer sei der »typische Schreibtischmörder«. Einer der Gesprächsteilnehmer habe des Weiteren besonders rabiat verlangt, dass Springer »umgelegt« werden müsse. O. A.: »Streng vertrauliche Notiz für Horst Mahnke«, S. 1, in: ebd. Damit kann man vermuten, dass diese »rabiat[e]« Stimme Springer in der Tat aufschreckte. Florian Melchert spricht in diesem Zusammenhang von der »ersten Attentatsdrohung« gegen Springer. Siehe F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 310, vgl. auch Anm. 82. Aber scheint dies ein aufgeregter Ausdruck der Wut zu sein, die sich aufgrund der Erschießung Ohnesorgs und der Ereignisse des 2. Juni gegen Springer richtete.
Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967
Die Sorgen des Springer-Verlags führten zu ganz eigenen Reaktionen. So wandte sich Springer zum Beispiel aufgrund von Bedenken wegen einer am 6. Juli geplanten Demonstration vor dem Springer-Hochhaus an Bürgermeister Albertz. Ab dem 7. Juli wurden dort Sicherungsmaßnahmen installiert: die Verlegung eines Anschlusses für einen Starktonlautsprecher und eine Telefonnotleitung; die am Eingang durchgeführten strengen Kontrollen der Betriebsausweise; die Anfertigung der Schlaginstrumente gegen etwaige Blockaden etc.104 Am 10. Juli sagte Springer den Tag der offenen Tür für den Folgetag ab, nachdem er Kenntnis von den Plänen des SDS erhalten hatte, diesen Tag für Protestaktionen zu nutzen.105 Vor diesem Hintergrund veröffentlichte der Verlag am 31. Juli eine hauseigene Untersuchung der Berichterstattung in den Zeitungen und Zeitschriften über die Unruhe in Westberlin am 2. Juni 1967 und deren Hintergründe mit dem Titel »Studenten und Presse in Berlin«. Anlass der 46-seitigen Untersuchung war das »offensichtlich gestörte Verhältnis zwischen der Studentenschaft, oder besser einiger Teile, und der Öffentlichkeit«.106 Sie kann als eine Reaktion sowohl gegen die am 15. Juni von den 15 Politologen der FU erstellte Dokumentation »Demokratie und Presse in Berlin« als auch gegen die Anti-Springer-Kampagne betrachtet werden. Der Verlag warf den Politologen vor, eine »wissenschaftlich unzulängliche Arbeit« vorgelegt zu haben. In der Schlussfolgerung habe man sich um eine »negative Interpretation« bemüht. Die Springer-Zeitungen hätten nicht einheitlich, sondern unterschiedlich berichtet. Sie hätten sich um eine »differenzierte Haltung gegenüber den Studenten« bemüht und das »Recht der Studenten auf Protest« anerkannt. Die Existenz einer radikalen studentischen Minderheit sei nicht die Erfindung der Springer-Presse. Sie habe sich hauptsächlich um den SDS formiert. Ziel der Hochschulpolitik des SDS sei die Politisierung der Universität als Ausgangspunkt »für die Veränderung und schließlich für den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung in der Bundesrepublik«. Die Springer-Zeitungen wüssten »wohl zu unterscheiden zwischen diesen ›revolutionären‹ Gruppierungen und der Minderheit der ›protestierenden‹ Studenten«. Die Anti-Springer-Kampagne sei nur ein »Teilaspekt der beabsichtigten Zerstörung der deutschen Pressestruktur überhaupt« und das gemeinsame Ziel der in sich zerstrittenen Gruppen.107
104 | Vgl. H. Knabe: Der diskrete Charme der DDR, S. 367 und S. 369. 105 | F. Sack / H . Steinert: Protest und Reaktion, S. 189. 106 | Verlagshaus Axel Springer, Information Berlin (Hg.): Studenten und Presse in Berlin. Eine Untersuchung der Berichterstattung in Zeitungen und Zeitschriften über die Unru hen in Berlin am 2. Juni 1967 und deren Hintergründe, August 1967, S. 5, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 107 | Ebd., S. 8 ff.
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Der Springer-Verlag reagierte auf die Entwicklung der gegen ihn gerichteten Kampagne, indem er seine Zeitungen bezüglich der Berichterstattung über die Ereignisse des 2. Juni 1967 verteidigte. Die hauseigenen Studien seien jedoch, so Melchert, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, etwas gegen die Kampagne auszurichten. Sie dokumentierten vielmehr die »Hilf- und Machtlosigkeit« des Verlags gegenüber der Proteststimmung der Studentenbewegung und der APO, die sich auch »in anderen Bevölkerungskreisen, beispielweise bei Schülern und Gewerkschaftlern, breitzumachen begann«.108 Die Forderung nach der Enteignung des Springer-Konzerns, die bereits Mitte Mai erstmals das Berliner Extrablatt der APO mit der Parole »Enteignet Axel Caesar Springer!« erhoben hatte,109 gehörte nach dem 2. Juni neben der Kritik an den geplanten Notstandsgesetzen und dem Vietnamkrieg zum Kernbestandteil der APO-Forderungen.110 Die von Springer in Auftrag gegebenen Studien betrachtet die vorliegende Arbeit trotzdem nicht ausschließlich als Ausdruck der »Hilf- und Machtlosigkeit« des Verlags gegenüber der Anti-Springer-Kampagne der APO, sondern als eine aktive Dokumentation sowohl der Verteidigung gegenüber der Kampagne als auch der Propaganda für die eigenen Zeitungen. Die Nachrichten fassten die Studie Studenten und Presse in Berlin noch einmal im August 1967 zusammen, ebenso wie die Springer-Post / Ullstein-Post im Oktober desselben Jahres.111 Eine Zusammenfassung der Dokumentation Die These von der »Enteignung des Axel-Springer-Verlages« erschien darüber hinaus im September 1967 in der Springer-Post / Ullstein-Post.112 Im August 1967 blieben die Bedenken des Springer-Verlags gegenüber der Anti-Springer-Kampagne virulent. Nach einem Bericht an Axel Springer von Horst Mahnke, seinerseits am 8. August 1967 von einem Beamten des Bundesverfassungsschutzamtes informiert, blieb Springer das »Angriffsziel Nr. 1« der »radikalisierten Berliner Studentengruppen« SDS, SHB und RC, die finanziell von der IG Metall und der IG Chemie unterstützt würden.113 Innerhalb des 108 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 301. 109 | O. A.: »Enteignet Axel Caesar Springer!«, in: Berliner Extrablatt vom 13. Mai 1967, S. 1. 110 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 301 f. 111 | O. A.: »Berliner Studenten und die Presse«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nach richten vom August 1967, S. 1 ff., in: ASV-UA; o. A.: »›Berliner Studenten und die Pres se‹. Bericht über eine Untersuchung«, in: Springer-Post / U llstein-Post vom Oktober 1967, S. 3 f., in: ebd. 112 | O. A.: »Was und wer steckt hinter der Forderung nach der ›Enteignung des AxelSpringer-Verlages‹?«, in: Springer-Post / U llstein-Post vom September 1967, S. 3, in: ASV-UA. 113 | Bericht von Mahnke an Springer, »Betr.: DGB«, 8. August 1967, S. 1, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke.
Die Entwicklung der Kampagne bis August 1967
Springer-Konzerns stellte man fest, dass das Verlagshaus zum wichtigsten Objekt der Attacken der 68er-Bewegung geworden war. Der Konzern ging in die Offensive, indem er mit hauseigenen Studien und mit seinen Zeitungen nicht nur sich selbst verteidigte, sondern heftig gegen die Kampagne vorging. Zudem öffnete sich das Verlagshaus gegenüber den Studenten. Vor dem Hintergrund der Sorge um die Entwicklung der Kampagne gab Springer den Studenten Raum für deren Stellungsnahme in der Welt und bot ihnen Kolumnen in der Bild und der B.Z. an. Die Sorge um die Kampagne innerhalb des Verlags war so groß, dass Vorstellungen über sie, ihre Wirkkraft und ihre Akteure aus heutiger Sicht als überzogen erscheinen.
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4. Die Eskalation der Kampagne bis Ende des Jahres 1967
»Wenn Springers Blätter eines Tages nicht erscheinen, / Und seine Leute brüllen, grollen oder weinen, / Wenn sein Verlagshaus mal in Flammen steht, / U nd er ›Ver gebt mir‹ schreit, um Gnade fleht, / Wenn einem also et was Gutes widerfährt, / D as ist schon einen edlen Trop fen wert.«1 J oachim F uhrmann
Die Studentenbewegung und die APO griffen immer öfter den Springer-Verlag an und beschäftigten sich im Rahmen von Veranstaltungen, zum Beispiel zur Pressekonzentration und -freiheit, breitflächig mit dem Thema. Zwischen Juni und Ende 1967 diskutierte fast jede Studentenzeitung über Springer. Die Stimmen, die »Enteignet Springer« riefen, wurden lauter. Der entsprechende Button verkaufte sich binnen Kurzem zehntausendfach.2 Diesen Zustand beschrieb der Germanist Richard Langston, der an einer US-amerikanischen Universität lehrte: »By the fall of 1967, expropriating Springer became a central theme within the SDS and among many other kindred student organizations like the Republican Club, Liberal Student League of Germany, and the Social Democratic University Union.«3 Nach der 22. Delegiertenkonferenz (DK) des SDS breiteten sich die Aktivitäten gegen den Springer-Verlag weiter aus. Der Slogan »Enteignet Springer« fehlte nicht nur bei kaum einer Demonstration, sondern war auch auf Hauswänden und in Straßenunterführungen zu lesen.4 Es gab in Westberlin und in 1 | Fuhrmann, Joachim: »Ergänzungsvorschlag zur Weinbrandwerbung«, zit. n. ders. et al. (Hg.): agitprop, S. 93. 2 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 82-89; N. Frei: »Die Presse«, S. 401. 3 | R. Langston: Visions of Violence, S. 169. 4 | Vgl. G. Naeher: Axel Springer, S. 30.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
der Bundesrepublik Deutschland eine Reihe von Anti-Springer-Aktionen und -Demonstrationen. Auch Großveranstaltungen, welche auf die Aufdeckung der manipulativen Berichterstattung der Springer-Presse zielten, waren geplant.5 In der Kampagne spielten die nichtstudentischen APO-Gruppen nun eine größere Rolle. Neben dem SDS befassten sich insbesondere die KfA und der RC aktiver als zuvor mit der Kritik am Springer-Konzern. Es schlossen sich zudem linke und linksliberale Schriftsteller der Kampagne an, welche im Oktober 1967 auf das Literaturestablishment der Bundesrepublik übergriff. So beschloss beispielsweise die Gruppe 47 eine Anti-Springer-Resolution. Sie stellte in der Geschichte des deutschen Pressewesens einen einmaligen Boykott dar.
D ie 22. DK des SDS im S ep tember 1967 und die A nti -S pringer -K ampagne »Faustrecht gehört nicht in unsere Stadt.« Am 3. September 1967 warnte auf diese Weise Heinrich Albertz in einer Stellungnahme vor »Nervosität und Hysterie«. Er war der Empfehlung von Springers Berliner Morgenpost gefolgt, die in einer Schlagzeile kundtat: »Berliner fordern: Senat muß härter reagieren.«6 Vor diesem Hintergrund begann am folgenden Tag in der Mensa der Frankfurter Universität die 22. o. DK des SDS demonstrativ unter der Fahne der vietnamesischen FNL (Front National de Libération). Auf der Konferenz, die bis zum 8. September ging, tagten unter großer Aufmerksamkeit der Massenmedien 70 Delegierte, welche die 35 Hochschulgruppen des SDS mit inzwischen rund 2000 Mitgliedern vertraten.7 Unter den unterschiedlichen diskutierten Themen- und Aufgabenstellungen war auch die Ausweitung der Anti-Springer-Kampagne, der SDS machte die Kampagne zu einem der wichtigsten Themen seiner Mobilisierungsstrategie. Es kam zu einer Strategiediskussion über
5 | Vgl. I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 70. 6 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 42 (Zeittafeldatum 3. Septem ber 1967) und S. 227 f. (Dokument 788). 7 | Vgl. T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 172 f.; W. Kraus haar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Band 1, S. 268 f. Auf dieser De legiertenkonferenz setzte sich der von Dutschke und Krahl repräsentierte antiautoritäre Flügel des SDS zum ersten Mal durch, d. h., er brachte die Mehrheit hinter sich, und ge wann die Wahlen zum BV. Zum neuen Bundesvorsitzenden des SDS wurde Karl Dietrich Wolff (Freiburg), zum stellvertretenden Vorsitzenden sein Bruder Frank Wolff (Frankfurt) gewählt. Außerdem erhielten Hans-Jürgen Krahl (Frankfurt), Herbert Lederer (Köln) und Bernd Rabehl (Berlin) Mandate für den BV des SDS. Vgl. ebd., S. 270.
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die Frage, wie die Kampagne am besten zu führen sei.8 Immerhin handelte es sich bei der Forderung »Enteignet Springer«, so die Wahrnehmung des SDS, um »ein[en] konkrete[n], wenn auch noch nicht zu sich selbst gekommene[n] Ausdruck einer politischen Bewegung«.9 Reimut Reiche, der als Vorsitzender des Verbandes den Rechenschaftsbericht des BV vortrug, brachte die Bedeutung der Kampagne auf den Punkt. In die Anti-Springer-Kampagne müssten alle Elemente der Kampagnen gegen die Notstandsgesetze, gegen den Vietnamkrieg und die Mobilisierung nach dem 2. Juni eingehen: »Die Springer-Kampagne muß her. Wir werden mit dieser Kampagne die Chance haben, die mythologischen und exotischen Elemente des Vietnam-Engagements politisch auf zuarbeiten, die Phantasie der Vietnamaktionen politisch zu nutzen, die Schwäche unse rer Notstandsarbeit aufzuheben, ohne unseren Ort der revolutionären Anstrengungen, die BRD, zu verlassen.«10
Die Kampagne sei ferner, erklärte der BV des SDS, eine die »Studenten wirklich interessierende, […] ihre Konflikte auch subjektiv einleuchtend aktualisierende Aktion«.11 Diese Einschätzungen zeigen, wie integrativ sie angelegt war. Es ging ihr nicht nur um den Springer-Konzern, sondern ebenso um die Protestbewegung inklusive der Studentenbewegung. Sie war das dynamisierende Moment der Bewegung, der Anlass, der die Bewegung immer wieder zusammenkommen ließ und sie dadurch sicht- und erfahrbar machte. Die hohe Bedeutung, die die DK der Anti-Springer-Kampagne beimaß, kam in einer Resolution zum Ausdruck, die trotz aller politischer Differenzen von den »Traditionalisten« (dem linkssozialistischen Flügel des SDS) und den »Dutschkisten« (dem antiautoritären Flügel des SDS) einstimmig verabschiedet wurde. In der »Resolution zum Kampf gegen Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit« hieß es, der Spätkapitalismus benötige »ein gigantisches Manipulationssystem«, um die Massen von einer möglichen politischen Befreiung abzuhalten. Der Kampf für diese Befreiung erfordere zunächst die »Befreiung des Bewußtseins«. Die demokratische Öffentlichkeit sei zerstört und »das Grundrecht der Informations- und Meinungsfreiheit« we8 | Vgl. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 125; G. Bauß: Die Studen tenbewegung, S. 84. 9 | Reiche, Reimut: Rechenschaftsbericht des Bundesvorstandes für die 22. ordentli che Delegiertenkonferenz des SDS, September 1967, S. 14, zit. n. G. Bauß: Die Studen tenbewegung, S. 85. 10 | R. Reiche: Rechenschaftsbericht, S. 16, zit. n. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 85. Vgl. auch J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 126. 11 | R. Reiche: Rechenschaftsbericht, S. 26, zit. n. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 85.
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gen der ökonomischen Konzentrations- und Monopolisierungstendenzen in der Presse zum »Exklusivrecht weniger privater Großverleger« wie Axel Springer geworden. Unter dem Schein der Objektivität würden Nachrichten beliebig zusammengestellt, unterdrückt und verzerrt.12 Der SDS stellte fünf Forderungen für eine »allgemeine Umwandlung der Institutionen der öffentlichen Meinungsbildung« auf.13 Sie zielten vor allem auf den Springer-Verlag. 1. Man forderte, das »Meinungsmonopol« und das »Diktat des Profitinteresses« durch »Entflechtung und Überführung in öffentliches Eigentum« zu zerschlagen. 2. Die »Konsumpropaganda«sollte abgeschafft und durch »sachgerechte Verbraucherinformation« ersetzt werden. 3. Der SDS bestand auf der »Unabhängigkeit der Presse, des Rundfunks und Fernsehens von der öffentlichen Gewalt und d[er] Garantie ihrer Kritikfähigkeit gegenüber deren Instanzen«. 4. Es gelte die »Sicherung der Journalisten gegen wirtschaftliche und politische Pressionen und demokratische Selbstbestimmung der Redaktionen« zu gewährleisten. 5. Als letzten Punkt verlangte der SDS für jede politisch, sozial oder kulturell relevante und demokratische Gruppe »unabhängig von wirtschaftlicher Beschränkung« die Möglichkeit, »ihre Forderungen zu artikulieren und ihre Auffassungen zu publizieren«.14 Der SDS betrachtete die Verwirklichung jener Grundsätze als langfristiges Ziel. Man sei sich bewusst, dass dieses Programm nur durch eine revolutionäre Transformation der deutschen Gesellschaft in eine sozialistische Demokratie erreicht werden könne. Wenn sich der SDS dem Slogan »Enteignet Springer« anschließe, so deshalb, weil er in dieser Forderung die »erste offensive Aktion gegen die spätkapitalistischen Besitzverhältnisse« sehe. Wenn es der Anti-Springer-Kampagne gelinge, zumindest teilweise den Schleier von den ökonomischen Verhältnissen zu ziehen, würde sie auch die »Disziplin in der kapitalistischen Produktion« treffen. Die Kampagne gegen den Springer-Konzern, der durch die größte publizistische Macht zur sichtbarsten Verkörperung der Manipulation geworden sei, müsse die Möglichkeit bieten, den in ihr »aktivierten Minderheiten« die Befreiung von der Manipulation »durch kollektive Aktion und eigene Informationsmedien« vor Augen zu führen. Die Anti-Sprin-
12 | E. Altvater et al.: Resolution (Archivalien). 13 | Ebd., S. 3. 14 | Ebd.
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ger-Kampagne könne damit über die Studentenbewegung hinaus dem Bedürfnis nach Befreiung nachkommen.15 Der SDS beschloss ein Aktionsprogramm: »1. Der SDS wird gemeinsam mit allen Kräften der anti-autoritären und anti-kapitalis tischen Opposition eine lang andauernde Kampagne zur Entlarvung und Zerschlagung des Springer-Konzerns führen. 2. Diese Kampagne wird das Grundrecht auf Freiheit der Information und Meinungsäußerung demonstrativ über das private Interesse des Springer-Konzerns stellen. Sie wird den realdemokratischen Widerstand gegen das Ma nipulationswesen organisieren. 3. Im Rahmen dieser Kampagne wird der SDS in den Zentren des Springer-Konzerns in Westberlin und der BRD eine koordinierte Aktion zur Durchbrechung der Manipulation und demonstrativen Verhinderung der Auslieferung unternehmen. 4. Zur Vorbereitung wird der Bundesvorstand eine zentrale Aktionskonfe renz gemeinsam mit anderen oppositionellen Organisationen einberufen.«16
Um die Bildung einer »kritischen Öffentlichkeit« zu unterstützen, forderte der SDS ferner: 1. alle Besitzverhältnisse und Verflechtungen wirtschaftlicher und politischer Art im gesamten Pressewesen offenzulegen, 2. »die systematische Vernichtung des gesellschaftlichen Reichtums durch Konsumterror, [den] geplanten Verschleiß und Aufbau unproduktiver funktionaler Anpassungsindustrien« wissenschaftlich zu analysieren und allgemein aufzuklären und 3. die arbeitsrechtliche, wirtschaftliche und politische Lage der Journalisten im Hinblick auf ihre geistige und publizistische Unabhängigkeit zu untersuchen. Alle kritischen Journalisten rief der SDS auf, in ihren Publikationen für die »Aufdeckung und Zersetzung autoritärer Publizistik« andauernde Pressekritiken einzurichten und dadurch »verzerrende und unwahre Berichterstattung« zu entlarven. Antiautoritäre Journalisten sollten »an demokratischen Urzeitungen« mitwirken, um in der Anti-Springer-Kampagne eine »unmittelbar-demokratische Öffentlichkeit« herzustellen. Am Ende der Resolution erklärte der SDS: »Es kommt darauf an, eine aufgeklärte Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Die Diktatur der Manipulateure muß gebrochen werden.«17 Die bei der 22. DK des SDS verabschiedete Resolution machte deutlich, dass der SDS dem Springer-Konzern eine Schlüsselrolle zuschrieb. Der Großverlag avancierte zum Symbol der verkrusteten Gesellschaft der Bundesrepublik. Der 15 | Ebd., S. 3 f. 16 | Ebd., S. 4. 17 | Ebd.
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Kampf gegen den Konzern war für den SDS deshalb ein »Kampf gegen das spätkapitalistische Herrschaftssystem selbst«.18 Mit dieser offiziellen Erklärung wollte der SDS die Anti-Springer-Kampagne mit »allen Kräften der anti-autoritären und anti-kapitalistischen Opposition« einen und sie dadurch verstärken.
D ie I ntensivierung der K ritik am S pringer -K onzern und die O ffenbacher K onferenz Die Auseinandersetzung zwischen dem Springer-Verlag und den Vertretern der Kampagne steigerte sich nach der DK des SDS. Innerhalb des SDS war die Notwendigkeit der Kampagne gegen den Verlag unbestritten, und auch andere Hochschulgruppen reihten sich zu diesem Zeitpunkt in die Anti-Springer-Kampagne ein. Zu einem vom Münchener SDS organisierten Springer-Seminar sollten beispielweise unter anderen der LSD, die HSU, die Deutsch-Israelische Studiengruppe und der Gewerkschaftliche Arbeitskreis der Studenten (GAST) eingeladen werden19 und an der Offenbacher Konferenz nicht nur der SDS, der LSD und der SHB teilnehmen, sondern auch eine Reihe von ASten. Im Studenten- und APO-Milieu wurde die Springer-Presse, die »Bibel aller kalten Krieger«,20 nicht nur aufgrund ihres Meinungsmonopols heftig kritisiert, sondern auch wegen ihrer rechten politischen Ausrichtung und ihrer »Entspannungs«- und »Demokratiefeindlichkeit«.21 Bis zum Ende des Jahres kritisierten viele Studentenzeitungen den Springer-Verlag scharf und forderten immer wieder dessen Enteignung.22 In der Mainzer Studentenzeitung nobis fand die Kritik am Springer-Verlag einen prägnanten Niederschlag. Allein die September / Oktober-Ausgabe 1967, auf deren Cover der Slogan »Enteignet Springer« erschien, beinhaltet nicht weniger als 13 Artikel über den Verlag und das Problem der Pressefreiheit und -konzentration.23 Sie umfassen 14 der insgesamt 24 Seiten des Heftes. Im 18 | Ebd. 19 | Vgl. AStA München, »Öffentlichkeitsarbeit«. Einladungsschreiben des Münchener AStA, 27. Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne; vgl. auch G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 89. 20 | Staeck, Klaus: »Über Axel, Gott und die Welt«, in: ders. (Hg.), Die Leiden, S. 11-16, hier S. 12. 21 | G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 78. 22 | Vgl. unter anderem DISKUS 16, 6 (1967); Freiburger Studenten Zeitung 17, 6 und 7 (1967); FU-Spiegel 13, 60 und 61 (1967); LSZ – Liberale Studentenzeitung 16, 7 (1967); marburger blätter 17, 114 und 115 (1967); notizen 12, 78 (1967); skizze 15, 6 (1967); ventil 15, 5 (1967). 23 | Vgl. nobis 20, 142 / 143 (1967).
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Vorwort schrieb Chefredakteur Jochen Harms, dass er Springer gebeten habe, über Macht und Verantwortung des Verlegers in der Mainzer Universität einen Vortrag zu halten, dieser aber abgesagt habe.24 Mit dem Artikel »Befreiung der Presse« in nobis griff auch Reimut Reiche, bis September 1967 Bundesvorsitzender des SDS, den Springer-Konzern an.25 Die bundesrepublikanische Meinungsfreiheit sei das »Recht des wirtschaftlich stärksten Verlegers«. Die Parole »Enteignet Springer!« sei unmittelbar aus der Protestbewegung aus dem Juni 1967 hervorgegangen. Abschließend berichtete er, dass der SDS auf seiner 22. DK ein »Aktionsprogramm für eine lang andauernde Kampagne gegen die Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit«, eine sogenannte Anti-Springer-Resolution, beschlossen habe.26 Die Forderung nach Enteignung des Konzerns beschränkte sich nicht auf studentische Zeitungen. Schon bald nach der 22. DK griff die »unabhängige Jugendzeitung« ergo, die in Wetter (an der Ruhr) in unregelmäßigen Abständen erschien, Axel Springer auf ihrem Titelblatt mit »Enteignet Springer!« an.27 Dieser mache mit Schlagzeilen Politik. Er bringe die »Volksseele zum Kochen«, während er die Studenten mit den »Radikalinskis« gleichsetze. Er habe seine Macht missbraucht. ergo forderte: »Enteignet den Schreibtischmörder!«28 Der Forderung nach Enteignung des Konzerns schlossen sich auch Schüler an. Die mit einer Auflage von über 1400 Exemplaren größte Schülerzeitung Ulms Schubartchronik forderte, unterlegt mit Statistiken aus dem Spiegel und Zitaten aus der Pardon, die Enteignung des Springer-Konzerns.29 Ein anderer Artikel in ergo verlangte: »Haut dem Springer auf die Finger!« Darin rief ergo zur Unterstützung der »Anti-Springer-Bewegung« auf, lobte ein vom Spiegel vorgeschlagenes »Anti-Pressetrust-Gesetz« und warb für die Anti-Springer-Buttons.30 Auch der SHB hatte sich der Anti-Springer-Kampagne angeschlossen und führte ab September 1967 eine Aufklärungs- und Aktionskampagne durch. Ziel dieser Aktion sei es, so deren Bundesvorsitzender Erdmann Linde, die »Parlamentarier [dazu zu] bewegen […], ein Pressegesetz zu erlassen, das die
24 | Vgl. Marms, Jochen: »Springer will nicht kommen«, in: nobis 20, 142 / 143 (1967), S. 4. 25 | Vgl. Reiche, Reimut: »Befreiung der Presse«, in: nobis 20, 142 / 143 (1967), S. 5. 26 | Ebd. 27 | O. A.: »Enteignet Springer!«, in: ergo 6 (1967), S. 1 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). 28 | Ebd. 29 | Schubartchronik 3 (1967), o. D., vermutlich im Oktober 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 30 | O. A .: »Springer«, in: ergo 6 (1967), S. 9 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti Springer-Kampagne).
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Konzentration der deutschen Presse« einschränken oder aufheben würde.31 Der SHB habe etwas dagegen, dass die Menschen in der Bundesrepublik den »Gedanken und Stimmungen« von Springer ausgesetzt seien, »ohne Möglichkeit, sich eine andere Meinung« zu bilden. Mit seinen 52 Gruppen wolle der SHB mit einem »Fächer von Aktionen« reagieren, die etwa die Vorlage eines Gesetzentwurfs für ein »demokratisches Pressegesetz« zum Gegenstand haben sollten, die Organisation von »Aufklärungsforen mit verschiedenen Bevölkerungsteilen« und »Boykottaktion[en] mit gleichzeitigem Verkauf von Springer-fremden Zeitungen«. In diesen Aktionen werde der SHB darauf hinweisen, dass die Publikationsorgane des Springer-Verlags die Demokratie des Landes zu zerstören drohten.32 Während die anderen an der Kampagne beteiligten Organisationen von Anfang an der vom SDS geprägten Parole »Enteignet Springer« zustimmten, gab es innerhalb des SHB verschiedene Ansichten. Auch wenn der Bund mit dem Motto »Haut dem Springer auf die Finger« über eine eigenständige Parole verfügte und in diesem Punkt nicht dem SDS folgte, nannte er doch am 13. September 1967 in einem Memorandum die »Enteignung und Entflechtung des Springerkonzerns« eine verfassungsmäßige Pflicht.33 Die unterschiedlichen Parolen störten die Zusammenarbeit nicht. Am 6. Oktober 1967 fand in Offenbach eine zentrale Konferenz über die Weiterentwicklung der Anti-Springer-Kampagne statt. Sie bot das bis dahin größte Forum zur Koordination der Kampgagne. Laut Protokoll nahmen 21 Vertreter studentischer und nichtstudentischer Verbände sowie einer Reihe von ASten teil: der LSD, SHB, SDS, die Ausschüsse aus Tübingen, Heidelberg, Mainz, Freiburg, Bochum, Frankfurt und Hannover, die Studentengewerkschaft Bonn, die KfA, der RC Westberlin sowie des Berliner Extra-Dienstes, einer gegen das Monopol der Springer-Presse im Mai 1967 in Berlin gegründeten Zeitung. In der Diskussion kam es zu folgenden gemeinsamen Feststellungen: 1. Die prinzipiellen Schwierigkeiten für die Pressefreiheit gründeten in der bestehenden Struktur der Presselandschaft, die auf private Gewinnmaximierung ausgerichtet sei und die Tendenz zur Konzentration in sich trage. 2. Die spezifische Form der Pressekonzentration und der Monopolbildung in der Bundesrepublik Deutschland habe nicht zur Konkurrenz mehrerer 31 | Linde, Erdmann: »Haut dem Springer auf die Finger!«, in: nobis 20, 142 / 143 (1967), S. 9. 32 | Ebd. Auf die Pressekonzentration des Springer-Konzerns hinweisend, hatte der SHB schon im März 1967 die SPD-Bundestagsfraktion aufgefordert, ein »Gesetz gegen die Konzentration der Presse« einzubringen. »Entschließung der 8. Delegiertenkonfe renz des SHB«, zit. n. K. A. Otto: Die außerparlamentarische Opposition, S. 254. 33 | Zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 43 (Zeittafeldatum 13. September 1967).
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gleichgewichtiger Zeitungskonzerne geführt, sondern zur Vormachtstellung des Springer-Konzerns. 3. Die spezifische politische Tendenz des Springer-Konzerns wirke »innenpolitisch für autoritäre Verhältnisse, außenpolitisch gegen Entspannung«.34 Die Anti-Springer-Kampagne sollte alle Kräfte umfassen, die bereit seien, die Kampagne »nicht nur etwa unter der Parole ›Stoppt Springer‹, sondern mit jener Entschiedenheit zu führen, die sich u. a. in der Parole ›Enteignet Springer‹ ausdrückt«, die man als »Widerstandsformel« begreife. Das »Grundrecht der freien Informations- und Meinungsäußerung« genieße absolute Priorität vor den »privatwirtschaftlichen Interessen und den Eigentumstiteln« des SpringerKonzerns. Diese Auffassung stimme mit dem Grundgesetz und seiner durch die obersten Gerichte der Bundesrepublik Deutschland vorgetragenen Interpretationen überein. Die Konferenz in Offenbach beschloss, in den nächsten Monaten die Auseinandersetzung mit dem Springer-Konzern zu einem zentralen Thema der »öffentlichen und internen Meinungsbildung« zu machen.35 Der Berliner Extra-Dienst legte auf der Offenbacher Konferenz ein Angebot für die Herstellung eines Extrablattes, einer »Anti-Springer-Zeitung«, vor. Es sollte Bild-Zeitungsformat haben, mit einer Auflage von 500.000 Exemplaren erscheinen und ab Ende November 1967 für 20 Pfennig an den verkaufsoffenen Wochenenden in den Handel gebracht werden.36 Der Verkaufserlös würde den Planungen gemäß dem Springer-Tribunal, dem Berliner Extra-Dienst, der KfA und den am Vertrieb beteiligten Gruppen zugute kommen. Dieser Vorschlag wurde begrüßt – über die Frage der Aufteilung des Erlöses indes konnte die Konferenz keine Einigung erzielen. Wichtig war allen Beteiligten, dass das Impressum des Extrablattes die ganze Bandbreite der Gruppen und Verbände abbilden sollte, welche die Zeitschrift und somit einen »beträchtlichen Teil« der Anti-Springer-Kampagne ausmachten. Der KfA wurde das Recht eingeräumt, 34 | Vack, Klaus: »Protokoll der Konferenz über die Fortführung der Anti-SpringerKampagne vom 6. Oktober 1967«, 15. Oktober 1967, S. 1, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Für die 21 Teilnehmer der Konferenz vgl. die »Teilnehmerliste der koordinie renden Besprechung über die Kampagne gegen den Springer-Konzern am 6. Okt. 1967 in Offenbach« (Archivalien). 35 | K. Vack: »Protokoll«, S. 1, Herv. i. O. 36 | Ebd. Das Extrablatt ist nicht identisch mit dem Berliner Extrablatt, das Mitte Mai 1967 in seiner letzten, 14. Nummer die Parole »Enteignet Axel Caesar Springer!« ge prägt hatte. Anfang 1968, etwas später als geplant, erschien tatsächlich das Extrablatt, genau wie vorgesehen, als eine sechsseitige, großformatige »Anti-Springer-Zei tung«, in der alle Artikel der Springer-Kritik gewidmet waren. Vgl. Der Extra-Dienst GmbH (Hg.), »Extrablatt«, in Zusammenarbeit mit der KfA, o. D., vermutlich im Januar 1968, in: APO-Archiv, Springer, Privatbesitz von Bernhard Blanke.
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der Redaktion des Extrablattes ihre Vorstellungen mitzuteilen, die »berücksichtigt werden sollten«, und »nach Abschluß der redaktionellen Arbeit die Texte noch einmal« zu lesen.37 Schließlich vereinbarte die Konferenz, dass die interessierten Gruppen nach Beratungen in ihren Vorständen über das Angebot mit dem Berliner Extra-Dienst direkten Kontakt aufnehmen sollten.38 Die Vertreter mehrerer ASten hatten laut Protokoll im Rahmen der Konferenz berichtet, dass an den Universitäten für das Wintersemester verschiedene Veranstaltungen, Diskussionen und Aktionen für die Anti-Springer-Kampagne vorbereitet wurden. Die in Offenbach teilnehmenden Organisationen sollten Agitationsmaterial zur Verfügung stellen: Beim Berliner Extra-Dienst konnten Plaketten mit dem Slogan »Enteignet Springer« gegen eine Gebühr von 2 DM bestellt werden, beim SHB Briefaufkleber und Anstecker mit dem Motto »Haut dem Springer auf die Finger«; die KfA hielt Buttons mit den Aufschriften »Bild macht dumm« und »Bildung macht frei – BILD macht dumm« zum Verkauf bereit, außerdem die Sonderausgabe der KfA-Zeitschrift, die Informationen und Kommentare über den Springer-Konzern enthielt, jeweils für 1 DM. In Vorbereitung waren ferner ein Sammelband im Taschenbuchformat über den Springer-Konzern und eine Autoplakette. Der SDS leitete zusätzlich eine Dokumentation und ein Plakat in die Wege. Ein wesentliches Ergebnis der Offenbacher Konferenz war die Gründung eines Verteilerbüros, das unmittelbar im Anschluss an die Konferenz seine Arbeit aufnahm, indem es Informationen und Materialien der einzelnen Verbände und Gruppen weitergab. Die Büroleitung und die Verantwortung für die Koordination der Anti-Springer-Kampagne übernahm Klaus Vack aus der KfA, der das Protokoll des Offenbacher Treffens verfasste.39 Er wurde zum Koordinator künftiger Planungen bestimmt. Die Vertreter des SDS und anderer Verbände seien überzeugt gewesen, dass nur die KfA für die geplanten Anti-Springer-Aktionen über »genügend organisatorischen Zusammenhalt« verfüge.40 Das Bundesamt für Verfassungsschutz interessierte sich für die Offenbacher Konferenz. Die Teilnehmer des Treffens in Offenbach hätten versucht, so eine Einschätzung vom 6. November 1967, die »Antispringeraktionen zu koordinieren«. Es sei beschlossen worden, die Kampagne fortzusetzen, jedoch habe man sich nicht über ein gemeinsames Vorgehen einigen können.41 Zu einer ähnlichen Beurteilung kommen die Autoren der Studie Feind-Bild Springer: »Tatsächlich waren bei dem Offenbacher Treffen die unterschiedlichen 37 | K. Vack: »Protokoll«, S. 2 f. (Archivalien). 38 | Vgl. ebd., S. 3. 39 | Vgl. ebd. 40 | Otto, Karl A.: Vom Ostermarsch zur APO. Geschichte der außerparlamentarischen Opposition in der Bundesrepublik 1960-70, Frankfurt a. M. 1977, S. 163. 41 | Zit. n. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 136.
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Vorstellungen der antiautoritären und traditionalistischen Linken deutlich geworden.«42 Vor dem Hintergrund der oben herausgestellten Beschlüsse, auf die man sich hatte einigen können, und gestützt zudem durch die Einrichtung des erwähnten Verteilerbüros, sind die beiden Bewertungen jedoch als nicht zutreffend anzusehen. Obwohl die Aufschriften der Plaketten die unterschiedlichen Vorstellungen der Verbände widerspiegelten, fand die ganze Konferenz unter einem Motto statt: »Enteignet Springer«. Auch kann nach den Angaben im Protokoll nicht davon die Rede sein, dass die unterschiedlichen Vorstellungen der »antiautoritären und traditionalistischen Linken deutlich«43 in den Vordergrund getreten wären. Wie kommen die Autoren von Feind-Bild Springer zu ihrer Einschätzung? Sie zitieren eine Stellungnahme Wolfgang Lefèvres aus dem März 1968 über das Treffen in Offenbach, der zwar zur »traditionalistischen Linken« gehörte, aber selbst nicht an der Konferenz teilnahm. Lefèvre habe, stellen die Autoren der Studie fest, unter anderem den »fatale[n] Slogan ›Bild macht dumm‹«44 kritisiert und das Treffen als den »Anfang vom Ende der Anti-SpringerKampagne«45 bezeichnet. Tat er das wirklich? Die Aussage über den Anfang vom Ende der Kampagne wird in dem Dokument, aus dem die Autoren vorgeben zu zitieren, nicht getroffen, auch wenn Lefèvre die Kampagne als »relativ wirkungslos« bezeichnete.46 Seine Einschätzung liefert auch keinen Beweis für die »unterschiedlichen Vorstellungen der antiautoritären und traditionalistischen Linken«. Während der Offenbacher Konferenz wurden trotz differierender Ideen der Verbände die Voraussetzungen für die Koordination der Kampagne geschaffen. Für die »antiautoritäre und traditionalistische Linke«, sozusagen den »antiautoritären und linkssozialistischen Flügel« des SDS, war die Anti-Springer-Kampagne ein wichtiger gemeinsamer Nenner ihrer Zusammenarbeit. Sie ermöglichte die Verklammerung von Studentenbewegung und APO, insbesondere der aus der Ostermarschbewegung hervorgegangenen KfA. Die Offenbacher Konferenz lotete den Spielraum eines breiten Bündnisses gegen den Springer-Konzern aus und erlaubte die Artikulation unterschied-
42 | Ebd. 43 | Herv. durch den Autor. 44 | O. A. [Lefèvre, Wolfgang]: »Berliner Winter«, Manuskript, o. D., vermutlich März 1968, S. 6, in: APO-Archiv, Springer, Privatbesitz von Bernhard Blanke. Die Autoren von Feind-Bild Springer verwechseln Lefèvre mit Bernhard Blanke, der in der Offenbacher Konferenz den RC vertrat. In dem Manuskript ist kein Verfasser angegeben, aber der Artikel »Berliner Winter« erschien in der neuen kritik mit dem Name Lefèvre, der nicht in Offenbach war, vgl. ders.: »Berliner Winter«, in: neue kritik 9, 47 (1968), S. 46-59. 45 | J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 137. 46 | Vgl. o. A. [W. Lefèvre]: »Berliner Winter«, S. 7.
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licher Vorstellungen der nichtstudentischen Verbände und des studentischen Milieus.
D ie A nti -S pringer -R esolution der G ruppe 47 und die A nti -S pringer -A k tionen auf der F r ankfurter B uchmesse Vom 5. bis 8. Oktober 1967 tagte die Gruppe 47 im Gasthof Pulvermühle in der Fränkischen Schweiz. Studenten, vor allem Mitglieder des SDS Erlangen, demonstrierten am 6. Oktober vor der Tagungsstätte. Sie verbrannten Exemplare der Bild-Zeitung und forderten die Gruppe auf, sich ihrer Parole »Enteignet Springer« anzuschließen. Sie bezeichneten die Schriftsteller als harmlose Dichter und störten die Lesungen der Gruppe 47 lautstark. Ihre Aktion, die zeitgleich mit der Offenbacher Konferenz stattfand, kann als strategische Provokation und spielerische Regelverletzung betrachtet werden. Die Studierenden wollten damit die Autorinnen und Autoren zu einer Stellungnahme gegen den Springer-Konzern provozieren. Die brennenden Zeitungen riefen zunächst einmal jedoch Bilder der Vergangenheit wach. Die unmittelbaren Reaktionen der Schriftsteller fielen unterschiedlich aus. Einige Mitglieder, darunter Reinhard Lettau, Erich Fried, Peter Weiss und Martin Walser, solidarisierten sich mit den Studenten, andere, wie Günter Grass, blieben auf Distanz. Einer Gruppe um Grass ging es darum, die Pressekonzentration durch parlamentarische Anstrengungen einzuschränken. Eine andere Gruppe um Lettau kam zu dem Schluss, dass das Springer-Tribunal die Enteignung des Springer-Konzerns bewirken könne. Trotz dieser Debatte schloss sich die Gruppe 47 der SpringerKritik der Studentenbewegung und der APO schließlich an. In der Nacht vom 6. zum 7. Oktober entstand eine »Anti-Springer-Resolution«, die am nächsten Tag fast 80 Gruppenmitglieder, mithin ein großer Teil der Tagungsteilnehmer, unterschrieben, einschließlich Lettau und Grass.47 Die Unterzeichner der Resolution verurteilten das Informationsmonopol des Springer-Konzerns, der 32,7 Prozent aller deutschen Zeitungen und Zeitschriften kontrolliere. Dadurch sei die »zuverlässige Information der Öffentlichkeit« bedroht. Die Konzentration betrachteten sie als »Einschränkung und 47 | Vgl. Böttiger, Helmut: Die Gruppe 47: Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb, München 2012, S. 410-413; Gilcher-Holtey, Ingrid: »Was kann Literatur und wozu schreiben? Handke, Enzensberger, Grass, Walser und das Ende der Gruppe 47«, in: dies., Eingreifendes Denken. Die Wirkungschancen von Intellektuellen, Göttingen 2007, S. 184-221, hier S. 184 f.; M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 187; Kiesel, Helmut: »Literatur um 1968. Politischer Protest und postmoderner Impuls«, in: Ulrich Ott / F riedrich Pfäfflin (Hg.), Protest! Literatur um 1968, Marbach 1998, S. 593629, hier S. 619.
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Verletzung der Meinungsfreiheit« und damit als »Gefährdung der Grundlagen der parlamentarischen Demokratie«. Nachdrücklich erklärten sie: »1. Wir haben daher beschlossen: Wir werden in keiner Zeitung oder Zeitschrift des Springer-Konzerns mitarbeiten. 2. Wir erwarten von unseren Verlegern, daß sie für un sere Bücher in keiner Zeitung oder Zeitschrift des Springer-Konzerns inserieren. 3. Wir bitten alle Schriftsteller, Publizisten, Kritiker und Wissenschaftler, die Kollegen im PEN und in den deutschen Akademien, zu überprüfen, ob sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Springer-Konzern noch verantworten können.« 48
Der Boykottaufruf war Teil einer Diskreditierungsstrategie, die versuchte, den Springer-Verlag in der Medienlandschaft zu isolieren. Die Störungen durch die SDS-Studenten begleiteten die Tagung auch am 7. Oktober. Der schwedische Autor Lars Gustafsson las gerade eine Geschichte über Michail Bakunin vor, den berühmten Anarchisten, als von außen Lärm in den Saal drang: Lautsprecher, Musik und Rufe, die immer lauter wurden: »Enteignet Springer!« Indem die Studenten provokativ »Die Gruppe ist ein Papiertiger« skandierten, spekulierten sie darauf, so ist anzunehmen, von den dort versammelten Schriftstellern bei ihrer Anti-Springer-Kampagne unterstützt zu werden. Einen Studenten, der sich Zutritt in den Saal verschaffte, setzte man vor die Tür. Zwar gelang es den SDS-Studenten nicht, mit einem Go-in den Saal zu besetzen, doch die Lesung musste unterbrochen werden. Nachdem man sich auf eine Kaffeepause geeinigt hatte, strömten die Tagungsteilnehmer nach draußen. Lettau ergriff ein Megaphon, stellte sich auf einen Stuhl, sprach die Studenten als »Genossen« an und berichtete von der »Anti-Springer-Resolution« der Gruppe 47. Dass er den Studenten die Resolution vorlas, missbil-
48 | O. A.: »Resolution gegen die Pressepolitik des Springer-Konzerns«, in: ebd., S. 123 f., hier S. 123. Diese Resolution wurde über zehn Jahre später mit einem Appell gegen den Springer-Konzern unterstützt. Der Boykottappell wurde im Oktober 1980 von Grass, Peter Rühmkorf und Klaus Staeck unter dem Namen »Wir arbeiten nicht für Springer-Zeitungen« vorgestellt und erklärt: »Wir schreiben nicht für Springer, weil er die Leser betrügt, […] weil der in seinen Blättern praktizierte Journalismus den Grundsät zen der Demokratie Hohn spricht. […] Wir geben auch keine Interviews und […] wollen keine Werbung in den Blättern dieses Konzerns. Mit diesem Appell bekräftigen wir den Beschluß der Mitglieder der Gruppe 47 von 1967.« Aus den 63 Erstunterzeichnern wa ren in einem Jahr weit über 400 geworden. Mit dem Namen »Politiker arbeiten nicht für Springer-Zeitungen« schlossen sich über 150 Abegeordnete der SPD dem Appell an. Vgl. Wallraff, Günter: Das BILD-Handbuch bis zum Bildausfall, Hamburg 1981, S. 229 ff., zit. S. 230. Vgl. auch K. Staeck (Hg.): Die Leiden, S. 171-190.
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ligte Grass, der mit seinem Engagement gegen den Springer-Konzern49 nicht vor den »Karren des SDS gespannt« werden wollte.50 Einige Mitglieder, unter ihnen Fried, gingen zu den Studenten und tauschten sich mit ihnen aus. Um dem Protest Nachdruck zu verleihen, ließen die Studenten 30 Bild-Zeitungen zwischen Bäumen in Flammen aufgehen.51 Der Funke vom Tagungsort der Gruppe 47 sprang auf die Frankfurter Buchmesse über, die vom 12. bis zum 17. Oktober 1967 stattfand. Entsprechend dem Wunsch der Gruppe, verfassten am Abend der Messeeröffnung einige deutsche Verleger eine Resolution gegen den Springer-Verlag. Sie hatte das Ziel, die Kontrolle Springers zu institutionalisieren: »Die unterzeichneten Verleger erkennen in der Konzentration der Presse eine Gefahr für die unabhängige öffentliche Meinungsbildung. Sie respektieren die Sorge der […] Auto 49 | Zu dieser Zeit gab es einen schweren Konflikt zwischen Grass und dem SpringerVerlag, nachdem der Schriftstelle am 25. September 1967 in der Fernsehsendung »Panorama« den Zeitungen des Springer-Konzerns vorgeworfen hatte, »mit wahrhaft fa schistischen Methoden Zweckmeldungen zu verbreiten, die […] den politischen Vorstel lungen des Herrn Springer und seinen dienstwilligen Journalisten entsprechen«. Zit. n. G. Grass: Der Fall Axel C. Springer, S. 3. Der Anlass seiner Kritik war, dass drei SpringerZeitungen, die Berliner Morgenpost, das Hamburger Abendblatt und der Mittag, am 9. September eine Falschmeldung verbreitet hatten, in der es unter anderem hieß, dass der in der DDR lebende Schriftsteller Arnold Zweig das dortige Leben als »Hölle« und den Staat als »ein[en] russische[n] Satrap[en], der nach Moskaus Pfeife tanzt«, bezeichnet hätte, was Zweig gleich dementiert hatte. Während die Berliner Morgenpost danach ihre Meldung widerrufen hatte, hatten die Springer-Zeitungen Grass mit intensiver Kritik ge antwortet: »Dichter mit der Dreckschleuder« (Bild-Zeitung), »redet Ulbrichts Propagan da-Chinesisch«, »Art von Terror« (beide Die Welt), »skandalös« (Hamburger Abendblatt) und »Haß, der blind, ungeheuerlich und neurotisch ist« (Berliner Morgenpost) etc. Dar über hinaus stellten einige Redakteure der Bild-Zeitung und der Welt Strafantrag gegen Grass, der zwei Jahre später zurückgezogen werden sollte. Mit dem »ziemlich starke[n] Tobak«, so Peter Merseburger, der Moderator der »Panorama«-Sendung, mache Grass »aus dem Fall Arnold Zweig einen Fall Axel Springer«. Die Reaktion von Grass sei ein Beispiel für die »zunehmende Verhärtung der Fronten zwischen dem Zeitungskönig und seinen Gegnern«. Vgl. und zit. n. ebd., S. 18 und S. 35. Auch vgl. K. Wagenbach / W. Ste phan / M . Krüger (Hg.): Vaterland, Muttersprache, S. 250. Dieser Streit zwischen Grass und der Springer-Presse habe den vielen linken Schriftstellern den Anstoß zur »AntiSpringer-Bewegung« gegeben. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 454. 50 | Vgl. Schutte, Jürgen: Dichter und Richter. Die Gruppe 47 in der deutschen Nach kriegsliteratur, Berlin 1988, S. 310 f.; I. Gilcher-Holtey: »Was kann Literatur und wozu schreiben? Handke«, S. 184; K. Briegleb: 1968, S. 122-125 und zit. S. 125. 51 | Vgl. ebd., S. 125 ff.
Die Eskalation der Kampagne bis Ende des Jahres 1967 ren, die bei der letzten Tagung der Gruppe 47 diese Bedenken gegenüber dem SpringerKonzern in einer Resolution ausgedrückt haben. Die Bücher dieser Autoren werden die unterzeichneten Verleger in Organen des Springer-Konzerns nicht mehr anzeigen. Die Verleger fordern den Bundestag auf, eine gesetzliche Kontrolle zu schaffen, die die Un abhängigkeit der Meinungsbildung garantiert.« 52
Sieben deutsche Buchverlage unterzeichneten die Resolution: Suhrkamp, Luchterhand, Rowohlt, Wagenbach, Hanser, Piper und Kiepenheuer & Witsch. Die Schriftsteller der Gruppe 47 fanden zudem Solidarität bei sechs ausländischen Verlagen: Feltrinelli, Longanesi (Mailand), Penguin, Cape (London), Polak & van Gennep (Amsterdam) und Wahlström & Widstrand (Stockholm).53 Am 14. Oktober kam es zu den studentischen Anti-Springer-Demonstrationen, zu denen der SDS aufgerufen hatte. Etwa 300 Menschen, darunter Frankfurter SDS-Studenten und Schüler, demonstrierten vor den Ständen der zum Springer-Konzern gehörenden Welt der Literatur sowie des Ullstein Verlags. Der SDS und das AUSS (Aktionszentrum unabhängiger und sozialistischer Schüler) organisierten dort ein Teach-in.54 Wie ein auf der Buchmesse verteiltes Flugblatt zeigt, verstanden sie es als eine »Anti-Springer-Veranstaltung«. Der SDS forderte die Verleger auf, »keine Verlagsanzeigen in […] Springer-Publika52 | Seyer, Ulrike: »Die Frankfurter Buchmesse in den Jahren 1967-1968«, in: Füssel (Hg.), Die Politisierung des Buchmarkts (2007), S. 159-241, hier S. 182. Die Boykotte gegen Springer betrachtete Florian Melchert als »ein Eigentor« der Gruppe-47-Autoren und ihrer Verleger, weil die »Anzeigen in den Springer-Zeitungen wegen ihrer hohen Auf lagen eine große Aufmerksamkeit und Kaufinteresse in der Bevölkerung […] herstellen konnten.« Ders.: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 312. Er hat den Boykott vermutlich missverstanden, da die Schriftsteller und Verleger wahrscheinlich trotzdem die Boy kottresolutionen gegen Springer verabschiedeten. Auf Kosten einer großen Aufmerk samkeit und eines Kaufinteresses boykottierten sie Springer und versuchten damit, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf das Monopol des Springer-Konzerns und die Gefahr der Pressekonzentration zu lenken. 53 | Vgl. Schneider, Ute: »Die Buchmesse im Gegenwind: Die Jahre 1967-1969«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 2. Oktober 1999, S. 2-5, hier S. 2 f. (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne); dies., »Literarische und politi sche Gegenöffentlichkeit. Die Frankfurter Buchmesse in den Jahren 1967 bis 1969«, in: Stephan Füssel (Hg.), 50 Jahre Frankfurter Buchmesse 1949-1999, Frankfurt a. M. 1999, S. 89-114, hier S. 95 f.; U. Seyer: »Die Frankfurter Buchmesse«, S. 181 f. 54 | Vgl. Kröger, Claus: »›Establishment und Avantgarde zugleich?‹ Siegfried Unseld und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1967 / 6 8«, in: Gilcher-Holtey (Hg.), Zwischen den Fronten. Positionskämpfe europäischer Intellektueller im 20. Jahrhun dert, Berlin 2006, S. 311-331, hier S. 326; U. Seyer: »Die Frankfurter Buchmesse«, S. 182; Becker / N eumann (Hg.): Die Studentenproteste, S. 154.
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tionen« zu veröffentlichen.55 Das AUSS stellte in einem auch auf der Buchmesse verteilten Flugblatt fest: »Weg mit Bravo von der Berufsschule«, »Weg mit Twen von der Oberschule«, »Weg mit Bild von der Arbeitspause«, »Ullstein raus aus der Messe«. Springer wolle, so das AUSS, die Schüler »manipulieren«. Das Flugblatt forderte: »Brecht die Macht der Manipulateure!«56 Das Teach-in auf der Buchmesse verlief spektakulär. Die Demonstranten warfen Exemplare der Welt und Ullstein-Prospekte in die Luft. Dabei hielten sie Plakate mit der Aufschrift »Ist Adolf Springer nicht süß?« in den Händen und riefen immerzu Parolen wie »Haut dem Springer auf die Finger!« Schärfere Parolen wie »Springer-Presse halt die Fresse!«, »Adolf Springer in den Zwinger!« und »Springer und Ullstein raus aus diesem Haus!« mündeten in der Forderung nach der Enteignung des Verlegers. Zu einer Beschädigung der Messestände der Welt der Literatur sowie des Ullstein-Verlags kam es indes nicht.57 Die Messeleitung drohte aber dem Berliner Voltaire-Verlag, der Plaketten mit der Aufschrift »Enteignet Springer!« verkaufte, den Stand zu schließen. Dank einer Solidaritätsaktion anderer Verleger, wie des Italieners Feltrinelli, der seinerseits damit drohte, sich zurückzuziehen, blieb der Voltaire-Verlag auf der Messe vertreten.58 Am 16. Oktober, zwei Tage später, verkündete der SDS auf einem Flugblatt ein weiteres »Anti-Springer-Teach-In«, das im Rahmen der Buchmesse stattfinden sollte. Das Flugblatt verkündete, dass nach einer Intervention Axel Springers bei der Messeleitung für den Hessischen Rundfunk, die Tagesschau der ARD und das ZDF ein »Sendeverbot für Filmberichte« gelte, in denen die Demonstrationen vom 14. Oktober gegen die Ausstellungsstände des SpringerKonzerns thematisiert würden. Der SDS erklärte: »Springer zeigt die Zähne«, um zu fordern: »Sie müssen ihm gezogen werden.«59 Gegen 15 Uhr versammelten sich vor dem Stand der Welt der Literatur abermals 500 Demonstranten und protestierten gegen den Springer-Konzern. Der 2. Bundesvorsitzende des SDS, Frank Wolff, richtete sich mit einem Megafon an die Demonstranten und prangerte die Monopolisierungsbestrebungen des Verlags an. Er warnte zudem vor den antidemokratischen Folgen der Pressekonzentration. Noch bevor er seine Rede beendet hatte, nahm ihn die Polizei fest. Danach drohte die Situation 55 | Flugblatt des SDS, »Panoptikum – 67. Buchmesse oder Bildzeitung«, o. D., in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 56 | Flugblatt des AUSS, o. T., o. D., in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 57 | Vgl. Weidhaas, Peter: Zur Geschichte der Frankfurter Buchmesse, Frankfurt a. M. 2003, S. 230 f.; o. A.: »Buchmesse: Heiß gekocht«, in: Der Spiegel vom 23. Oktober 1967, S. 197 ff.; U. Seyer: »Die Frankfurter Buchmesse«, S. 182; W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 273. 58 | Vgl. U. Schneider: »Die Buchmesse im Gegenwind«, S. 2; dies.: »Literarische und politische Gegenöffentlichkeit«, S. 96. 59 | Flugblatt des SDS, »Enteignet Springer!«, o. D., in: APO-Archiv, SDS-BV, 1967.
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zu eskalieren. Eine Hundertschaft der Polizei machte sich bereit einzugreifen. Ein Kompromiss zwischen den Demonstranten und der Staatsgewalt entspannte die Lage: Er sah vor, dass die Polizei die Halle verlassen würde und der zuvor verhaftete Wolff seine Ansprache beenden könne. Daraufhin würden, so lautete die Abmachung, auch die Demonstranten aus der Halle abziehen. Nachdem Wolff zurückgekehrt war und seine Rede abgeschlossen hatte, löste sich der Protest in der Halle auf.60 Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass der SDS für seine Aktionen die Frankfurter Buchmesse ausgewählt hatte. Zum einen konnte er auf Unterstützung der Schriftsteller und Verleger hoffen, die die Kritik am Springer-Verlag teilten, zum anderen war durch die Präsenz von Journalisten sichergestellt, dass die Botschaft ihres Protests ein größeres Publikum als nur die Messebesucher erreichen würde. Die Demonstrationen stellten die »erste[n] Höhepunkte« der Anti-Springer-Kampagne dar.61
D ie E skal ation der A nti -S pringer -K ampagne Rudi Dutschke, der mittlerweile zur Symbolfigur des SDS sowie der ganzen Studentenbewegung aufgestiegen war und im Juli 1967 im Interview mit dem Spiegel die Enteignung des Springer-Verlags ausdrücklich gefordert hatte, führte im September desselben Jahres in der Zeitschrift Pardon seinen Angriff auf den Verlag fort: »In der Bundesrepublik und besonders in West-Berlin beherrscht der Springer-Konzern die Massenzeitungen, die noch immer bedeutendste Indoktrinierungsebene. Er entfal tet seit langer Zeit im Interesse der bestehenden Ordnung eine planmäßige Verhetzung aller Kräfte, die das Freund-Feind-Schema der Meinungsmacher nicht akzeptieren wol len! Infolge der Politisierung einer relativ breiten studentischen Minderheit (4000 bis 6000 im antiautoritären Lager) ist in West-Berlin eine für das System bedrohliche Situ ation entstanden: durch die Vereinigung von Teilen der Lohnabhängigen in den Fabriken mit diesem Lager innerhalb der Studentenschaft könnte der Senat, genauer die gesell schaftliche Struktur ›gekippt‹ (Albertz) werden. Haupthindernis ist die Tyrannei der Ma nipulation und ihrer Produzenten. Diese Beherrschung muß durchbrochen werden. […] Die Aktionen gegen den Springer-Konzern und die Notstandsgesetze treffen zentrale
60 | Vgl. U. Seyer: »Die Frankfurter Buchmesse«, S. 183 f.; W. Kraushaar (Hg.): Frank furter Schule und Studentenbewegung, S. 274. 61 | Lothar Rolke: Protestbewegungen in der Bundesrepublik: Eine analytische Sozial geschichte des politische Widerspruchs, Opladen 1987, S. 283.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium Nervenpunkte: die funktionale Beherrschung der Menschen durch Manipulation und angedrohte (potentielle) direkte Repression.« 62
Dutschke brachte eine innerhalb der Linken weit verbreitete Haltung auf den Punkt. Demnach war der Kampf gegen Springer, neben den Protesten gegen die Notstandsgesetze, als Inbegriff des Kampfs gegen das ›System‹ zu verstehen. Und der ging weiter: Am 9. September 1967 demonstrierten Studenten und Schüler in Hamburg auf einem Flohmarkt gegen den Springer-Konzern.63 Während der SDS für das Wintersemester ankündigte, Inhaltsanalysen der Springer-Presse vorzulegen,64 planten einige Studenten laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 15. September ein Go-in ins Parlament, um dort unter anderem eine »konkrete Kampfansage« an den Konzern auszusprechen.65 Als am 26. September der Berliner Bürgermeister Albertz seinen Rücktritt bekannt gab, sprach der Berliner SDS in einem Flugblatt von einem »großen Erfolg« der APO. In dieser Erklärung mit dem Titel »Warum mußte Albertz gehen?« wurde Axel Springer scharf kritisiert. Dieser schreie nach dem »Machtkartell der Großen Koalition«, das »zunächst einmal die Anti-Springer-Kampagne« abwürgen solle.66 Das AUSS verteilte am 4. Oktober bei einer Demonstration in Essen Flugblätter, die die Enteignung des Verlegers forderten.67 Am Tag der Offenbacher Konferenz, dem 6. Oktober, kam es somit in Westberlin parallel zum Protest gegen Springer. Bei einer Veranstaltung an der FU beanstandeten Demonstranten die Anwesenheit des Verlegers und forderten die Freilassung von Fritz Teufel. Weil er immerzu »Teufel raus, Springer rein!« rief, führten Ordner Dieter Kunzelmann, den Mitbegründer der Kommune I, schließlich aus dem Veranstaltungssaal. Im SDS-Zentrum am Kurfürstendamm trafen später einige Akteure der Anti-Springer-Kampagne zusammen, um über weitere Aktionen zu beratschlagen.68 Schon bald nach dem 6. Oktober kam es wieder zu Anti-Springer-Aktionen. Am 9. Oktober klebten Studenten Pappschilder mit der Parole »Haut 62 | Dutschke, Rudi: »Besetzt Bonn!«, in: Jürgen Miermeister (Hg.), Rudi Dutschke. Ge schichte ist machbar, Berlin 1980, S. 96-103, hier S. 97 ff. (zuerst erschienen in der pardon 9 [1967]). 63 | Vgl. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, S. 2 (Archivalien). 64 | Vgl. ebd., S. 3. 65 | Vgl. und zit. ebd., S. 2. 66 | Flugblatt des SDS Berlin, »Warum mußte Albertz gehen?«, 27. September 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. 67 | Ebd., S. 4. 68 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 46 (Zeittafeldatum 6. Ok tober 1967).
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dem Springer auf die Finger!« auf verschiedene, sogenannte stumme Verkäufer Springers in Hamburg.69 Demonstranten trugen allerorten die »Enteignet Springer«-Buttons, von denen bis Ende November 1967 18.000 Stück verkauft worden waren.70 Die Buttons waren so beliebt, dass Mütter sie sogar bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg im Oktober in Westberlin ihren Babys an die Pullover steckten.71 Das AUSS beklagte bei seiner 2. DK am 14. und 15. Oktober 1967 in einer Resolution den »Machtmißbrauch der Springer-Presse« und forderte die Einleitung eines Enteignungsverfahrens.72 Am 26. Oktober 1967 demonstrierten etwa 40 Mitglieder des Hamburger SDS vor dem Haupteingang des Hotels Atlantic gegen Springer, wo der Verleger eine Rede mit dem an Shakespeare angelehnten Titel »Viel Lärm um ein Zeitungshaus« hielt und unter anderem der Schah schon genächtigt hatte. Sie skandierten: »Springers Schreiberhorden halfen Benno morden!« 73 Axel Springer sei, war auf dem vom SDS verteilten Flugblatt zu lesen, die »Schlüsselfigur der bundesdeutschen Manipulation und Entmündigung«.74 Der Titel seiner Rede verdeutliche den »Mechanismus der Manipulation«. Bei »Viel Lärm um ein Zeitungshaus« denke man sofort an »Viel Lärm um nichts«. Springer wolle die Aufregung um seinen Verlag verharmlosen und der Lächerlichkeit preisgeben. Mit dem Flugblatt machte der SDS auf die politische und ökonomische Macht Springers aufmerksam und klagte die Fähigkeit Springers an, Kritik von vornherein zu verhindern. In dem Flugblatt hieß es weiter: »Die Berliner und Hamburger Studenten, die gegen den orientalischen Potentaten, den Schah von Persien, demonstrierten, haben die Folgen der Manipulation am eigenen Kör per verspürt. Aus der Bewegung des 2. Juni ist daher folgerichtig die Parole ›Enteignet 69 | Vgl. Weber an Kripahle (beide Mitarbeiter des Springer-Verlags), o. T., 9. Oktober, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Auch vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 309 f., Anm. 78. 70 | Vgl. M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 104 und Anm. 93. Die Buttons wurden auch unter den oppositionellen Studenten in Heidelberg viel verkauft und getragen. Vgl. D. Hildebrandt: »… und die Studenten freuen sich!«, S. 65. 71 | Vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 309. 72 | W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 274. Das AUSS bestand aus den 47 Gruppen mit 1800 Mitgliedern in Gymnasien und Berufsschulen in der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. ebd. In Bezug auf das Schulmilieu forderte das AUSS in der Resolution unter anderem das »Streik- und Demonstrationsrecht in der Schule« und das »Vetorecht gegenüber der Schulverwaltung bei Verweis«. Resolution der 2. Delegiertenkonferenz des AUSS, in: APO-Archiv, SDS-BV, 1967. 73 | Vgl. und zit. W. Kraushaar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1083. 74 | Flugblatt des SDS Hamburg, »Springer-Aktion«, 26. Oktober 1967, in: ASV-UA, Be stand Anti-Springer-Kampagne.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium Springer‹ hervorgegangen. Diese Parole trifft einen entscheidenden Lebensnerv dieser Gesellschaft: Die Beherrschung der in Unmündigkeit und leidender Passivität gehalte nen Massen.«75
Am Ende des Flugblatts stellte der SDS fest: »Wenn Springer die Räder der Halbwahrheiten, Vorurteile und Mordberichte weiterlaufen läßt, so werden wir sie zum Stillstand bringen.« 76 Andere Studentenverbände flankierten die Schritte des SDS. Der SHB hatte schon am 13. September 1967 die »Enteignung und Entflechtung« des Springer-Verlags eine verfassungsmäßige Pflicht genannt.77 Unter dem Motto »Haut dem Springer auf die Finger« führte der SHB seine Anti-Springer-Aktionen fort.78 Mitte Oktober erklärte der LSD, dass er die Kampagne unterstütze. Sie diene der Mobilisierung der Öffentlichkeit, um Machtanhäufungen und den Machtmissbrauch der Informationsindustrie zu verhindern.79 Bei einer Diskussionsveranstaltung fragte der LSD als Jugendverband der Partei, welche Maßnahmen die FDP für die Durchsetzung der Entflechtung des Springer-Verlags ergreifen wolle.80 Und auch beim RCDS, obgleich er die These »Enteignet Springer« ablehnte, ging man davon aus, dass Springer eine »potenzielle Gefahr« für die Demokratie in der Bundesrepublik darstelle. Eine »umfassend[e] Meinungsmanipulation« durch den Konzern sei möglich.81 Die Zeitschrift notizen, die der RCDS herausgab, teilte in ihrer Ausgabe Nummer 4 diese Sorge. Ein Flugblatt warnte vor der Gefahr der »Monopolstellung« des Springer-Verlags für die demokratische Grundordnung Berlins und forderte die »sofortige Entflechtung« des von Springer beherrschten Berliner Pressewesens.82 75 | Ebd. 76 | Ebd. 77 | Zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 43 (Zeittafeldatum 13. September 1967). 78 | Vgl. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, S. 3 (Archivalien). 79 | Vgl. Flugblatt des LSD Berlin, »Pressefreiheit heute?«, 16. Oktober 1967, in: APOArchiv, Berlin FU Allgemein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. 80 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 48 (Zeittafeldatum 16. Ok tober 1967). 81 | Runge, Jürgen-Bernd (Vorsitzender des RCDS-FU): »RCDS an der FU zur Presse konzentration«, 25. Oktober 1967, S. 3, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flug blätter (Dutschke-Attentat), April 1968. 82 | notizen 12, (1967), zit. n. Flugblatt des RCDS-FU, »Zur Klarstellung – Gegen Flüs terpropaganda von Rechts«, 25. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Über den RCDS und dessen Beziehung zum SDS schrieb die englische Historikerin Anna von der Goltz: »There was […] much overlap
Die Eskalation der Kampagne bis Ende des Jahres 1967
Am 1. November 1967 fanden sich über 2000 Studenten aller Berliner Hoch- und Fachschulen zur Gründungsversammlung der »Kritischen Universität« (KU) im Audimax der FU ein. Insgesamt gab es 34 Arbeitskreise, einer davon gab sich den Namen »Springer-Tribunal«. Im Kampf gegen den Springer-Konzern sollte eines der Ziele der KU darin bestehen, eine »Gegenuniversität in der etablierten Freien Universität«83 zu bilden.84 Der »vorgesehene praktische Zentrierungspunkt der KU-Arbeit« sollte nach einer später formulierten Einschätzung des damaligen Konventsvorsitzenden der FU, Wolfgang Lefèvre, innerhalb der Anti-Springer-Kampagne liegen.85 Schon in der Phase, als die Gründung der KU vorbereitet wurde, hatte im September und Oktober 1967 einer ihrer Arbeitskreise im Namen des »Springer-Enteignungskomitees« eine Gegen-Bildzeitung herausgegeben, die kostenlos – verbunden mit der Bitte um eine Spende – verteilt wurde.86 Neben den vier Personen, die auf der Gründungsversammlung der KU zu Themen wie »Wissenschaft und politisches Handeln«, »Kritische Universität und Studienreform« oder »Arbeitsweise und Ziele der Kritischen Universität« sprachen, referierte Bernhard Blanke, Vertreter des RC in der Offenbacher Konferenz, über das Springer-Tribunal. Er kündigte an, im Rahmen der KU ein Tribunal gegen den SpringerKonzern einzuberufen, den er als eine »Fabrik zur massenhaften Herstellung antidemokratischer Ideologien« bezeichnete.87 Das Tribunal sollte klären, inbetween the RCDS and the SDS in terms of the political problems and social ills they identified, but they proposed very different solutions. The RCDS rejected the revoluti onary aims of the SDS as ›anti-democratic‹ and sought to win over sutdents for ›politi cal involvement inherent in the system‹.« Dies.: »A polarised generation? Conservative Students and West Germany’s ›1968‹«, in: dies. (Hg.), »Talkin’ ’bout my generation«. Conflicts of generation buildung and Europe’s ›1968‹, Göttingen 2011, S. 195-215, hier S. 220. 83 | Braunbehrens, Volkmar von: »Die kritische Universität. Eine Gegenuniversität – wofür oder wogegen?«, in: Vorgänge 7, 2 (1968), S. 71-75, hier S. 71. 84 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 51 (Zeittafeldatum 1. No vember 1967). 85 | O. A. [W. Lefèvre]: »Berliner Winter«, S. 11 (Archivalien). In seinem Artikel, der in der neuen kritik erschien, schrieb Lefèvre aber nicht »der vorgesehene praktische Zen trierungspunkt der KU-Arbeit«, sondern »einer der vorgesehenen praktischen Zentrie rungspunkte der KU-Arbeit«. W. Lefèvre: »Berliner Winter«, S. 56. 86 | Vgl. Springer-Enteignungskomitee, Gegen-Bildzeitung, Nr. 2, o. D., vermutlich Ende September 1967; Gegen-Bildzeitung, Nr. 3 vom 7. Oktober 1967; Gegen-Bildzei tung, Nr. 4 vom 11. Oktober 1967, alle in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Dass um eine Spende gebeten wurde, ist dem beigelegten Vermerk zu entnehmen. Auch vgl. M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 179. 87 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 51 und zit. n. ebd.
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wiefern die Tätigkeit des Springer-Konzerns mit einer demokratischen Gesellschaft vereinbar sei. Man wolle jedoch nicht die Person Axel Springer für alles verantwortlich machen. »Wenn das Tribunal Springer anklagt, so klagt es eine Gesellschaft an, die Springer nicht nur erträgt, sondern ihn hervorgebracht hat.« 88 Der Arbeitskreis Springer-Tribunal sollte folgende Themenkomplexe bearbeiten: Die »Entwicklung des Antikommunismus« in den SpringerZeitungen, die »Konstruktion des Innenfeindes« und die »Mobilisierung der Bevölkerung«.89 Auch der Heidelberger SDS gründete einen »Springer-Arbeitskreis« nach der 22. DK des SDS. Im Wintersemester 1967 / 68 tagte der Studentenbund regelmäßig und plante eine allgemeine Aufklärungskampagne, zu der auch eine »Anti-Springer-Zeitung« sowie öffentliche Aktionen gegen den Konzern gehörten.90 Im November 1967 ereigneten sich weitere Anti-Springer-Aktionen. Der Berliner SDS verfasste zum Beispiel einen offenen Brief an den US-amerikanischen Künstler Sammy Davis jr., der auf Einladung Axel Springers in der Berliner Philharmonie auftreten sollte. Springer sei ein »Super-Rassist«, der die »Vernichtung der farbigen Bevölkerung Asiens« offen unterstütze. Der farbige Künstler Davis jr. lasse sich »als [ein] Feigenblatt« benutzen, wenn er für Springer singe. Springer wurde als »faschistische[r] Herrenmensch«, »Neo-Goebbels« und »brutalste[r] Mittelsmann faschistischen Terrors« bezeichnet. Der SDS fragte: »Hätten Sie auch für Hitler im Sportpalast gesungen?«91 Die Verwendung des Begriffes »Rassist« ermöglichte den direkten Vergleich zwischen Springer und Hitler. Sie kann als Teil einer Dramatisierungsstrategie bezeichnet werden, die den Nazivergleich als negativen Bezugspunkt in der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland benutzte. In München hängten Studenten am 13. November ein Plakat auf: »Schützt München vor der Springer-Diktatur«.92 Am 18. November stand auf der Landesvollversammlung des Berliner SDS neben den Konventswahlen an der FU die Anti-Springer-Kampagne auf der Tagesordnung.93 In Tübingen erschien, herausgegeben vom AStA und SHB im Rahmen der Anti-Springer-Aktionen, eine umfangreiche Dokumentation zur Pressekonzentration mit einer Fülle von 88 | Fonius, Sigrid, »Bericht über die Gründungsveranstaltung der Kritischen Universi tät«, in: ebd., S. 248 f. (Dokument 804), hier S. 248. 89 | Ebd. Auch vgl. V. v. Braunbehrens: »Die kritische Universität«, S. 75. 90 | Vgl. D. Hildebrandt: »… und die Studenten freuen sich!«, S. 65. 91 | Flugblatt des SDS, »Offener Brief an Sammy Davis Junior«, November 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 92 | O. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, S. 6 (Archivalien). 93 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 54 (Zeittafeldatum 18. / 19. November 1967).
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Zahlen, Fakten und Daten, die mit Anspielung auf den berühmten ersten Satz des Manifestes der kommunistischen Partei von Karl Marx begann: »Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Zeitungssterbens.«94 Paul Sethes These aus dem Jahr 1965 – Pressefreiheit sei die Freiheit von 200 wohlhabenden Leuten, ihre Meinung zu verbreiten – müsse inzwischen lauten, dass die Pressfreiheit zur Freiheit von Springer geworden sei, die Menschen zu »erpress[en]«.95 An der Frankfurter Universität führte der SDS am 21. November ein Go-in in die Vorlesung des Politikwissenschaftlers Iring Fetscher durch. Der Professor hatte als Vorsitzender der Bewilligungskommission der Frankfurter Universität einen Zuschuss zur Finanzierung einer »Anti-Springer-Veranstaltung« verweigert.96 Während in München der SDS die Anti-Springer-Plaketten und auch Postkarten verkaufte, plante der GAST eine Ausstellung zur Pressekonzentration und die Herstellung einer Gegenzeitung. Sie sollte auf einer konkreten Ausgabe der Bild-Zeitung basieren und an üblichen Verkaufsstellen verteilt werden. Der Münchener LDS dachte an die Einrichtung eines Arbeitskreises, um eine Gesetzesvorlage für ein »Anti-Presse-Konzentrationsgesetz« zu erarbeiten.97 Auch im Dezember 1967 gingen die Anti-Springer-Aktionen weiter. Bei einer Demonstration in Heidelberg wurden zum Beispiel Transparente mit Aufschriften wie »Kurras schoss für Bild« gesichtet.98 Auf der 4. ordentlichen Delegiertenversammlung der HSU am 9. / 10. Dezember in Marburg spielte ihr gerade verabschiedetes Gesamtprogramm deutlich auf die Springer-Kritik an: Die »Manipulation des Bewußtseins« diene der Absicherung der bestehenden Machtverhältnisse. »Kritische Öffentlichkeit« könne nicht entstehen, wo die Voraussetzungen für eine objektive Information nicht vorhanden seien. Nachdrücklich erklärte die HSU: »Wir verurteilen jede Art der Konzentration von Kommunikationsmitteln und fordern die Entflechtung und öffentliche Kontrolle der Pressekonzerne.«99
94 | Vgl. AStA / S HB Tübingen, »Dokumentation zur Pressekonzentration«, 20. Novem ber 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne, zit. S. 1. 95 | Ebd., S. 11. 96 | W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 281. Vgl. auch G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 93. 97 | AStA München, »Öffentlichkeitsarbeit« (Archivalien). 98 | Vgl. K. Nagel: Die Provinz in Bewegung, S. 46, Anm. 55. Karl Heinz Kurras wurde am 21. November 1967 von der Anklage der fahrlässigen Tötung des Benno Ohnesorg freigesprochen; gegen den Freispruch protestierten zahlreiche Studentenverbände in Presseerklärungen. Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 54 (Zeittafel datum 21. November 1967). 99 | Zit. n. o. A.: »Aus der Humanistischen Studentenunion«, in: Vorgänge 7, 2 (1968), S. 69 f., hier S. 70.
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Im Rahmen der Anti-Springer-Kampagne fanden auch Seminare und Diskussionsveranstaltungen zur Pressekonzentration und zu Springer statt. Der Tübinger SDS organisierte am 20. Oktober 1967 eine Diskussion über Springer, um Maßnahmen zur Behinderung der Zeitungsauslieferung zu besprechen.100 In Westberlin kam es im Oktober zu einem Diskussionsabend zwischen Studenten und jeweils einem Bundestagsabgeordneten der FDP und der CDU. Die Redebeiträge der Studenten erreichten ihren Höhepunkt, als sie die Enteignung Springers bzw. die Auflagenbeschränkung seiner Presseerzeugnisse forderten.101 Am 2. November richtete der Hamburger Landesverband des VDS eine Diskussion über die Frage: »Enteignet Cäsar Axel Springer?« aus.102 Während der SDS in Tübingen einen Diskussionsabend veranstaltete, bei dem es um die geplante Auslieferungsverhinderung der Bild-Zeitung in Esslingen ging, organisierte der RCDS in Köln eine Gesprächsrunde über den SpringerKonzern, der Meldungen in seinen Zeitungen manipuliere.103 Stuttgarter Studenten debattierten am 8. November in Stuttgart über die Enteignung des Verlegers.104 In München wollte der SDS, wie der Münchener AStA ankündigte, am 11. / 12. November gemeinsam mit dem SDS Erlangen und dem SDS Ulm ein Springer-Seminar veranstalten. Zu den Themen gehörten die »Strategie der Anti-Springer-Aktionen« und die »Anti-Springer-Kampagne«. Eingeladen waren auch der LSD, die HSU, die Deutsch-Israelische Studiengruppe und der GAST.105 Am 13. November hielt Bernhard Blanke vom Berliner RC und der FU im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Reihe des Münchener SDS einen Vortrag über »Pressekonzentration und Meinungsmanipulation«.106 Der AStA der FU veranstaltete am 18. / 19. November in Westberlin ein Wochenendseminar zum Thema Springer und »Pressekonzentration in Berlin«. Sieben Referate sollten gehalten werden, sie trugen Titel wie »Einfluß des Springer-Konzerns auf den Staatsapparat« oder die »Möglichkeit einer Entflechtung«.107 Nur wenige Tage danach, am 23. November, organisierten die Studentenvertretungen der FU und der TU Berlin im großen Hörsaal der TU eine Podiumsdis100 | Vgl. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, S. 6 (Archivalien). 101 | Vgl. ebd., S. 5. 102 | Ebd., S. 6. 103 | Ebd. 104 | Ebd. 105 | Vgl. AStA München, »Öffentlichkeitsarbeit« (Archivalien). 106 | Vgl. ebd.; SDS München, »Sozialwissenschaftliche Reihe des SDS, WS 67 / 6 8«, o. D., in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. 107 | Vgl. Flugblatt des AStA der FU Berlin, »Liebe Kommilitonen!«, 13. November 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU, November / D ezember 1967. Vgl. auch Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 54 (Zeittafeldatum 18. / 19. November 1967).
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kussion zum Thema »Pressekonzentration in Berlin«, an der 1200 Studenten teilnahmen. Die Diskussionsbeiträge lauteten unter anderen: »Die Losung – Enteignet Springer« (Bernd Rabehl und Christian Semler), das »Ziel und [die] Funktion des Springertribunals« (Peter Schneider) und die »Notwendigkeit des antimanipulativen Kampfes« (Rudi Dutschke).108 Bei einem weiteren Wochenendseminar des AStA der FU am 2. / 3. Dezember referierten Rabehl und Semler, Mitglieder des Berliner SDS, zum Thema »Springer Kampagne«.109 Der Hamburger AStA kündigte am 12. Dezember eine Diskussion zwischen Studenten und zwei Mitarbeitern des Springer-Verlags über die Frage an: »Bedroht die Pressekonzentration die Meinungsfreiheit?« Zugleich sollte es um den Machtmissbrauch Springers gehen, die vom Verlag betriebene »Volkshetze«, um die »Propagierung des Antikommunismus« und um die »Verstöße gegen das Grundgesetz«.110 Die Themen Pressekonzentration und Springer-Verlag avancierten bundesweit zu einem beliebten Gegenstand von Seminaren und Diskussionen, die von der studentischen Anti-Springer-Kampagne organisiert wurden. Die Anti-Springer-Aktivitäten der nichtstudentischen Verbände der APO nahmen an Intensität zu. Die HU hatte schon Ende September mit einem Flugblatt, von dem sie in Westberlin mehr als 100.000 Exemplare verteilt hatte, den Springer-Verlag kritisiert. In Westberlin könne, so die HU, der Konzern fast drei Viertel aller Zeitungen »zielstrebig für eine bestimmte Politik« einsetzen und grundlegend zur »Verschärfung der Gegensätze« beitragen.111 Der Psychologe und Mitbegründer der HU Alexander Mitscherlich stärkte den an der Anti-Springer-Kampagne beteiligten Studenten den Rücken, als er feststellte: »Hören wir auf, Springers Druckerzeugnisse zu kaufen.«112 Auch der Theologe 108 | Vgl. Flugblatt der Studentenvertretung der TU und der FU, »Pressekonzentration in Berlin«, o. D., in: APO-Archiv, Berlin FU, November / D ezember 1967. Vgl. auch Chaus sy, Ulrich: Die drei Leben des Rudi Dutschke, Zürich 1999, S. 191. 109 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 58 (Zeittafeldatum 2. / 3. November 1967). 110 | O. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, S. 7 (Archivalien). 111 | Flugblatt der HU, »Terror in Berlin?«, 25. September 1967, in: APO-Archiv, Ber lin FU Allgemein, FU / T U-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Die HU wurde am 28. August 1961 von dem Verleger Gerhard Szczensny, dem hessischen Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer und Professor Alexander Mitscherlich in München gegründet. Als ihre wich tigste Aufgabe wurde die Verteidigung der Geistesfreiheit in allen Bereichen betrachtet. 1968 hatte sie insgesamt ca. 4600 Mitglieder. Vgl. P. Weigt (Hg.): Revolutions-Lexikon, S. 26 f. 112 | Mitscherlich, Alexander: »Die Gefahr am Schopfe fassen!«, in: pardon vom Sep tember 1967, S. 16, zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 311.
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Helmut Gollwitzer, der sich an der HU engagierte, erhob in Westberlin scharfe Kritik am Springer-Verlag. Am 21. Oktober sprach er bei einer Rede im Rahmen einer großen Demonstration gegen den Vietnamkrieg, an der sich etwa 7000 Menschen beteiligten, auch über den Springer-Konzern. Dessen schiere Größe sei unerträglich für das Funktionieren der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, die wegen der Pressekonzentration »täglich untergraben« werde. Trotz aller Enteignungskampagnen würde man Springer jedoch nicht enteignen. Dieser sei »schon viel zu mächtig«.113 Während dieser Demonstration wurde unter anderem die Parole »USA aus Vietnam raus – Bombt doch mal das Springer-Haus« skandiert.114 Die Anti-Springer-Aktionen der HU schlugen sich in der Resolution zur Lage der Demokratie in der Bundesrepublik in ihrer dritten ordentlichen Bundesmitgliederversammlung am 18. und 19. November 1967 nieder. Die HU, die als »Glied der außerparlamentarischen Opposition« die Leistung des Widerstandes gegen »rechtswidrig ausgeübte Staatsgewalt« als Recht und Pflicht der Bürger betrachtete, versuchte, eine »funktionsfähige kritische Öffentlichkeit« zu schaffen. Erst dadurch werde es der APO ermöglicht, »in Vertretung der bisher Machtlosen Einfluß« auszuüben und den »Prozeß der Machtkonzentration« aufzuhalten.115 Die der APO angehörende Deutsche Friedens-Union (DFU) griff den Springer-Konzern an. Sie verteilte ein Flugblatt mit dem Titel »Hamburg schläft nicht!« und kritsierte den Springer-Konzern heftig.116 Mit seinen Zeitungen diskriminiere Springer Andersdenkende, betreibe Volksverhetzung und verschweige und verdrehe unbequeme Tatsachen. Der Konzern manipuliere Meinungen – so etwa in der Berichterstattung über die angeblichen Äußerungen des Schriftstellers Arnold Zweig über das Leben in der DDR.117 Der »Riese im deutschen Blätterwald« habe sich zudem aufgemacht, einen Zwerg, die Lokalzeitung Stellinger-Eidelstedter Anzeiger, zu zerschlagen, lag dem Hamburger Abendblatt doch seit dem 8. September 1967 täglich eine Bezirksausgabe bei. Das Motto des Hamburger Abendblattes (»mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen«) wurde als Angriff Springers auf die Heimatzeitungen interpretiert. Die DFU rief die Abgeordneten der Bürgerschaft auf, einer weiteren Monopolisierung der Hamburger Presse durch den Springer-Konzern entgegenzuwirken. Gleichzeitig forderte sie die »Überführung des Springer-Konzerns 113 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 49 (Zeittafeldatum 21. Ok tober 1967) und zit. S. 242 (Dokument 797). 114 | Vgl. I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 66. 115 | O. A.: »›Resolution zur Lage der Demokratie in der Bundesrepublik‹ der HU«, in: Vorgänge 6, 12 (1967), S. 445. 116 | Vgl. Flugblatt der DFU, »Hamburg schläft nicht!«, 18. November 1967, in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 117 | Vgl. G. Grass: Der Fall Axel C. Springer, siehe etwa S. 7 ff.
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in öffentliches Eigentum und demokratische Kontrolle durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts«. Artikel 14 des Grundgesetzes würde diese Forderung begründen: »Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.« Da Springer sich nicht selbst entmachten werde, sollten, so die DFU, mündige Staatsbürger die Forderung »Enteignet Springer!« unterstützen.118 Die Organisation, die die Anti-Springer-Kampagne neben dem SDS und der KfA am stärksten vorantrieb, war der RC. Er spielte seit seiner Gründung Ende April 1967 eine zentrale Rolle als Diskussionsforum sowie als Sammelpunkt der APO in Westberlin. Im September hatte er etwa 500 Mitglieder. Bereits vor der 22. DK des SDS hatte es innerhalb des RC ein »Pressekomitee« gegeben, das sich als »Anti-Springer-Ausschuß« mit dem Springer-Konzern beschäftigt hatte. Nach dem Protokoll seiner Sitzung vom 21. August 1967 hatte das Pressekomitee eine Grundsatzdiskussion über einen Gesetzesentwurf gegen Springer zwischen Vertretern einer Kontrolllösung und einer Enteignungslösung geführt. Es war beschlossen worden, den »Enteignungsvorschlag« weiter zu verfolgen. Zu diesem Zweck wurden folgende Schritte beschlossen: 1. Ausarbeitung einer Springer-kritischen Dokumentation und eines Gesetzentwurfs, 2. Demonstrationen, Prozesse, Springer-Tribunal und Postwurfsendungen etc., sowie 3. Weiterleitung des Gesetzentwurfs an den Bundestag bzw. das Abgeordnetenhaus.119 Unter der Anwesenheit vieler außerparlamentarischer Verbände, darunter auch Vertreter aus vier Gewerkschaften, bildete sich am 21. September 1967 in den Räumen des RC der »Koordinationsausschuß« der APO in Westberlin. Er sollte über keine Beschlussfunktion verfügen, sondern den Diskussionsfluss zwischen den beteiligten Gruppen garantieren. Neben Aktionen gegen die Notstandsgesetzgebung, gegen den Vietnamkrieg und für die Gründung der KU formulierte der Ausschuss die Aufklärung über den Springer-Konzern als eine seiner Aufgaben.120 Der RC, dessen Mitgliederzahl Anfang Oktober auf etwa 118 | Vgl. Flugblatt der DFU, »Hamburg schläft nicht!« (Archivalien). 119 | Huffschmid, Jörg: »Pressekomitee im Republikanischen Club: Protokoll der Sit zung am 21. August 1967«, S. 1 f., in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / F ichter. Vgl. auch Rundschreiben des RC, 8. September 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. 120 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 44 (Zeittafeldatum 21. September 1967). Vgl. auch Rundschreiben des RC, 18. Oktober 1967, in: APOArchiv, SDS / R C.
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650 gestiegen war, sollte am 24. Oktober 1967 auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung über die Tätigkeit seines Springer-Arbeitskreises berichten.121 Für den 25. Oktober war ein weiteres »Koordinierungsgespräch« in den Räumen des RC über die Fortführung der Westberliner APO im Wintersemester geplant. Darin wurde eine von den Gewerkschaften initiierte »Anti-Notstandskundgebung« thematisiert. In diesem Zusammenhang formulierte der RC die Prämisse der Anti-Springer-Kampagne: »In Westberlin werden die Gewerkschaften im November erstmals eine größere AntiNotstandskundgebung durchführen. Die außerparlamentarische Opposition sollte in ei ner gezielten Kampagne diese Kundgebung vorbereiten und unterstützen, wobei diese Kampagne mit den Aktivitäten gegen den Springer-Konzern koordiniert werden sollte, um immer wieder die zentrale Aufgabe – die Wiederherstellung der Meinungsfreiheit – in den Vordergrund aller Aktionen zu rücken.«122
Man wolle sich bemühen, einen Überblick über den Stand der Vorbereitungen des Springer-Tribunals und der anderen Anti-Springer-Aktionen zu geben, und praktische Maßnahmen vorschlagen.123 Am 11. November 1967 präsentierte der RC auf einer Pressekonferenz eine Broschüre mit dem Titel »Springer Enteignen?«. Das Pressekomitee des RC Berlin hatte schon auf seiner Sitzung vom 21. August beschlossen, sie auszuarbeiten. Der erste Teil der 51-seitigen Broschüre dokumentierte Machtpositionen und Machtmissbrauch des SpringerKonzerns detailliert unter verschiedenen Aspekten.124 Der RC unterstrich die Gefahr, die Springer für die Pressefreiheit darstellte, und forderte im zweiten Teil des Hefts die Politik dazu auf, gesetzgebend tätig zu werden. Die Pressekonzentration, insbesondere im Springer-Konzern, sei so weit fortgeschritten, dass die Pressefreiheit in der Bundesrepublik gefährdet oder zum Teil aufgehoben sei. Daher stellte der RC einen »Entwurf eines Bundesgesetzes zur Wahrung der Pressefreiheit« vor. Dieser zielte auf eine Beschränkung der Auflagenhöhe. Wenn das Presseunternehmen den Anforderungen des Gesetzes durch freiwilligen Verkauf oder Ähnliches nicht nachkommen würde, würde eine »Teilenteignung« erfolgen. Den so enteigneten Besitz würde die sogenannte Enteignungsbehörde verwalten und reprivatisieren. Der RC leitete die Enteignung aus dem Recht auf Pressefreiheit ab. Der Bundestag sei nach Artikel 5 des 121 | Vgl. Republikanischer Club (Hg.), »Informationsbrief VIII«, 5. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973; Republikanischer Club (Hg.), »Einladungsbrief zur außerordentlichen Mitgliederversammlung des RC«, o. D., in: ebd. 122 | Rundschreiben des Republikanischer Club, o. D., in: APO-Archiv, SDS / R C. 123 | Vgl. ebd. 124 | Vgl. Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen? Vgl. auch Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 53 (Zeittafeldatum 11. November 1967).
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Grundgesetzes verpflichtet, die Pressefreiheit und eine Vielfalt von Presseerzeugnissen zu gewährleisten. Zugleich sei er nach Artikel 74, Paragraf 16, berechtigt, gesetzliche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Pressefreiheit zu ergreifen.125 Auf jeden Fall habe die Broschüre, so eine spätere Einschätzung des RC, während der Anti-Springer-Kampagne eine große Rolle gespielt. Sie habe eine »wichtige theoretische Stütze« dargestellt.126
D as E ngagement der K f A für die A nti -S pringer -K ampagne Nach der 22. DK des SDS spielte die KfA für die Anti-Springer-Kampagne, der sie sich schon Ende Juni 1967 angeschlossen hatte, eine zentrale Rolle. Nur eine Woche nach der Konferenz tagte am 16. / 17. September der Zentralausschuss der KfA in Frankfurt am Main und diskutierte über das Thema »Anti-Springer-Kampagne in Berlin und im gesamten Bundesgebiet«. Um eine größtmögliche Öffentlichkeit sicherzustellen, erhielten auch ausländische Beobachter eine Einladung.127 Neben dieser konkreten Aktion gegen Springer galt es, die Anti-Springer-Kritik auf eine theoretische Grundlage zu stellen. In dem Papier mit dem Titel »Entwurf für Leitsätze zur Kritik autoritärer Meinungsbildung und der Rolle des Springer-Konzerns« stellte die KfA, die sich hierdurch mit der Forderung der studentischen Anti-Springer-Kampagne nach Enteignung des Konzerns solidarisierte, vermutlich im September sechs Thesen gegen den Konzern vor:128 »These 1. Der Springer-Konzern ist als die propagandistische Vorhut des aggressiven Antikommunismus das entscheidende Hemmnis für die Entwicklung einer demokratischen und sozialen Innenpolitik in der Bundesrepublik sowie für eine Politik der Entspannung und Abrüstung. […] These 2. Wirtschaftliche Konzentration, Oligopol- und Monopolbildungen in der Presse machen das Grundrecht auf Freiheit der Information und Meinungsäußerung zur Farce. […] Im gesamten Bundesgebiet stehe der Springer125 | Republikanischer Club (Hg.): Springer enteignen?, S. 43-47. Vgl. auch M. Vogel: Unruhe im Fernsehen, S. 110 f. 126 | Republikanischer Club (Hg.), »Entwurf eines Arbeitsprogrammes des Republika nischen Clubs«, o. D., vermutlich Ende 1968, S. 2, in: APO-Archiv, SDS / R C. 127 | Vgl. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, S. 3 (Archivalien). 128 | Schauer, Helmut: »Entwurf für Leitsätze zur Kritik autoritärer Meinungsbildung und der Rolle des Springer-Konzerns«, in: neue kritik 8, 44 (1967), S. 67-74 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne: Zentralausschuss der KfA, o. D., vermutlich im September 1967, S. 1-11).
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Ein Strategiepapier für die Offenbacher Konferenz, das vermutlich zur selben Zeit entstand, verknüpfte die Springer-Kritik der KfA mit der Frage der AntiSpringer-Aktionen. Helmut Schauer, ein Vertreter der KfA, legte im Auftrag des Zentralen Ausschusses der KfA das Papier »Bemerkungen zu allgemeinen praktischen Fragen der Springer-Aktion« vor.130 Die Forderung nach Enteignung Springers sei, schreibt Schauer, die »radikale Negation der autoritär verfassten und verformten Öffentlichkeit«. Sie sei im Bewusstsein ihrer Träger nicht auf die Kritik am Springer-Konzern beschränkt, sondern meine die »gesamte öffentliche Meinungsbildung« in der Bundesrepublik.131 Es gehe darum, aus der »abstrakten Enteignungsparole globale und konkrete Kritik autoritärer Öffentlichkeit« zu machen. Die Springer-Kritik betrachtete Schauer als den exemplarischen Ausgangspunkt einer umfassenden Kampagne, welche die »gesamte Institution der Öffentlichkeit einschließlich der öffentlich-rechtlichen Körperschaften des Rundfunks und Fernsehens« einschließen sollte.132 Schauer forderte, »daß wir durch Mitarbeit und Diskussion linke Journalisten näher an uns heranführen müssen«. Dann würden diese auch bereit sein, »in ihren Stellungen als Partisanen der Opposition« zu arbeiten. Mit den Anti-Springer-Aktionen stehe die »junge Opposition der Bundesrepublik vor einer ganz neuen Aufgabe«. Während die bisherigen Aktionen der Opposition den »Widerstand gegen Angriffe der herrschenden Kräfte« zum Ausdruck ge-
129 | Ebd., Herv. i. O. 130 | Schauer, Helmut: »Bemerkungen zu allgemeinen praktischen Fragen der Springer-Aktion«, o. D., vermutlich im September 1967, S. 1-5, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 131 | Ebd., S. 1. 132 | Ebd., S. 2.
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bracht hätten, setze sie sich jetzt »ein allgemeines eigenes Ziel gegenüber den herrschenden Verhältnissen«.133 Ende September 1967 schlug sich die Verstärkung der Anti-Springer-Aktionen durch die KfA in deren Zeitschrift Informationen zur Abrüstung (Nr. 50) nieder. Die Überschrift, die der Soziologe und Politikwissenschaftler Arno Klönne, ein Sprecher der KfA, für seinen Text gewählt hatte, brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass die KfA von nun an die von der oppositionellen Studentenschaft erhobene Forderung nach Enteignung des Springer-Konzerns und Aufklärung über Springer unterstützen würde.134 Einerseits übe der Konzern »eine für Demokraten unerträgliche Meinungsdiktatur und Informationssperre« aus, andererseits setze er seine Macht für »eine autoritäre Innenpolitik und eine gegen Entspannung gerichtete Außenpolitik« ein. Die Forderung nach Enteignung und demokratischer Kontrolle der Pressemacht sei vereinbar mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik. In den Artikeln 14 und 15 stehe, dass eine »Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit zulässig [und] eine Überführung von Produktionsmitteln in Gemeineigentum möglich« sei. Die freie Information und Meinungsbildung, die durch den Springer-Konzern verhindert werde, gelte es durch die Enteignung des Konzerns wieder herzustellen.135 Auf den Kommentar der Welt, der die Springer’sche These wiederholte, dass Walter Ulbricht 1966 die Kampagne gegen den Springer-Konzern losgetreten habe, reagierte die KfA prompt. Die Welt hatte am 6. September 1967 behauptet, dass sich die KfA der von Ulbricht angeordneten Kampagne angeschlossen habe, nachdem die Themen Notstandsgesetze und Vietnamkrieg an Attraktivität verloren hätten. Darauf antwortete die KfA, dass man die Forderung nach öffentlicher und demokratischer Kontrolle der Pressemacht in der Bundesrepublik Deutschland lange vor 1966 und damit vor Ulbrichts Rede vom 21. April 1966 aufgestellt habe. Spätestens seitdem Springer über eine Monopolstellung verfüge, habe es diese Forderung gegeben. Man habe sich der Anti-SpringerKampagne nicht deshalb angeschlossen, weil bisherige Themen nicht mehr interessieren würden, sondern weil sich »gerade in Fragen der Abrüstung, des Vietnamkrieges und der Notstandsgesetzgebung die unheilvolle Wirkung [der] Informations- und Meinungssteuerung« des Springer-Konzerns zeige.136 Diese Erklärung zeigt, warum die Anti-Springer-Kampagne für die KfA, ebenso wie für den RC und den SDS, von so großem Belang war.
133 | Ebd., S. 5. 134 | Klönne, Arno: »Enteignet Springer!«, in: Informationen zur Abrüstung 50 (1967), S. 1 (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne). 135 | Ebd., S. 2. 136 | Ders.: »Billiger geht es wohl nicht!«, in: Informationen zur Abrüstung 50 (1967), S. 2 (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne).
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Nachdem die KfA am 6. Oktober 1967 in der Offenbacher Konferenz eine Koalition mit den studentischen Verbänden der Anti-Springer-Kampagne eingegangen war, verstärkte sie ihren Protest gegen den Springer-Konzern. Ihre Zeitschrift Informationen zur Abrüstung erschien Mitte Oktober 1967 (Nr. 51) als »Springer-Sonder-Nummer« und widmete sich der Anti-Springer-Kampagne. Nicht nur der Artikel auf ihrer Frontseite mit dem Titel »Warum Springer enteignen?« behandelte das Thema.137 Durch ihre Konzentration auf die Kampagne gegen den Großverlag wurden die anderen Anliegen der KfA, zum Beispiel der Protest gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg, an den Rand gedrängt. In der Springer-Sonder-Nummer griff die KfA zunächst vor allem die Monopolstellung des Verlags an. Kein Konzern in den USA oder England habe die Stellung, die Springer in Deutschland genieße. Anders als in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien, wo es zwar Zeitungskonzerne gebe, deren Auflagenziffern diejenigen des Springer-Konzerns überträfen, denen aber mehrere gleichgewichtige Konkurrenten gegenüberstünden, besetze Springer in der Bundesrepublik eine »absolute Führungsposition«. Von Konkurrenz könne gegenwärtig und in naher Zukunft keine Rede sein. Tatsächlich dominiere »in der Bundesrepublik, und nur hier, ein publizistischer Großkonzern«.138 Die Pressefreiheit sei durch dessen Position zur Fiktion verkommen. Der marktbeherrschende Pressekonzern sei derzeit Instrument einer Politik, welche sich die Umwandlung der Bundesrepublik in einen »autoritären Staat« zum Ziel gesetzt habe. Die Machtposition Springers müsse durch gesetzliche Maßnahmen gebrochen werden. Daher kritisierte die KfA die Meinung von Rudolf Augstein und Thilo Koch, die gegen die Enteignung Springers argumentiert hatten. Während Augstein die Forderung, Springer zu enteignen, als illegitim bezeichnete, habe Koch sie als kommunistischen Unsinn abgetan. Die Parole »Enteignet Springer« meine nichts anderes, stellt Klönne heraus, als dass in diesem Fall das »Eigentumsrecht zurückzutreten hat gegenüber dem Recht auf freie Information und freie Meinungsäußerung«. Diese Auffassung sei vereinbar mit den Prinzipien der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Pressefreiheit habe Priorität vor privatwirtschaftlichen Interessen.139 Die Anti-Springer-Aktivitäten würden »künftig unter Leitung der ›Kampagne für Abrüstung‹« stehen, lässt sich den Akten des MfS vom 30. Oktober 1967 entnehmen, welche die Anti-Springer-Aktivitäten zum Gegenstand ha-
137 | Vgl. auch die Seiten 1 bis 12 der Informationen zur Abrüstung 51 (1967) (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne). 138 | A. Klönne: »Warum Springer enteignen?«, S. 2 f., Herv. i. O. 139 | Ebd.
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ben.140 Diese Einschätzung stellte sich als durchaus zutreffend heraus. Anfang November legte der Zentrale Ausschuss der KfA in einem Papier mit dem Titel »Überlegungen zur Springer-Aktion der Kampagne« die Gründe für ihre Beteiligung an den Aktionen gegen den Springer-Konzern vor.141 Die KfA bemühte sich, den Zusammenhang zwischen der Anti-Springer-Kampagne auf der einen und dem Ziel der Friedenssicherung und der Abrüstung auf der anderen Seite klarzumachen. Um den Frieden zu erhalten, wird in dem Text festgestellt, ist die Bereitschaft erforderlich, sich zu verständigen, zusammenzuarbeiten und abzurüsten. Hierbei komme den Massenkommunikationsmitteln eine wesentliche Aufgabe zu. Es sei unübersehbar, dass der »wachsende […] Druck der Springerschen Monopolisierung diese ohnehin schwierige Aufgabe noch weiter erschwert, wenn nicht bei Anhalten dieses Druckes praktisch unmöglich« mache. Meinungsfreiheit werde damit zur Illusion und die »Manipulation der Öffentlichkeit« perfekt. Der erste Grund des Engagements der KfA für die »Springer-Aktion« gelte also der »Erhaltung der im Grundgesetz verankerten Meinungsfreiheit«. Die Meinungsfreiheit zu bewahren und auszubauen seien Grundvoraussetzungen, um den Frieden zu sichern und Abrüstung durchzusetzen. Der zweite Grund liege in der »reaktionären Haltung« des Springer-Konzerns. Er heize den Kalten Krieg an, indem er Berlin zur Frontstadt gemacht, den Besitz von Atomwaffen mit der nationalen Würde verbunden und den Notstandsgesetzen das Wort geredet habe. Springer versuche, einen »verhängnisvollen entspannungsfeindlichen Einfluß« auf die politische Vorstellungskraft der Bevölkerung auszuüben und diesen Einfluss zu monopolisieren. Als ein dritter Grund wurde angeführt, dass insbesondere mit Hilfe der Bild-Zeitung der Springer-Konzern eine »Entpolitisierung der Massen« zu erreichen versuche. Der Bürger erhalte ausgewählte Informationen, die zu den politischen Zielen der Herausgeber passten.142 Die Motivation der KfA, sich an den Aktionen gegen Springer zu beteiligen, liege in der »vielfältigen Bedrohung des Fortschrittes zu Entspannung und Friedenssicherung« durch den Konzern.143 Der Zusammenhang zwischen dem Ziel der KfA und den Anti-Springer-Aktivitäten war damit deutlich geworden. Zunächst gehe es darum, »den Kontakt zu all den vielen Gruppen« aufzunehmen, die ebenfalls die Anti-Springer-Kampagne führen würden. 140 | MfS, ZAIG: Einzelinformation vom 30. Oktober 1967 über geplante Maßnahmen gegen den Springer-Konzern in Westdeutschland und Westberlin, BStU, ZA, MfS ZAIG Nr. 10040 Teil 1, zit. n. J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 136. 141 | Buro, Andreas: »Überlegungen zur Springer-Aktion der Kampagne«, Vorlage für die Zentralausschuss-Sitzung der KfA vom 4. / 5. November 1967, S. 1-7, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. 142 | Ebd., S. 1 f. 143 | Ebd., S. 3.
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Auffallend war die Rolle der KfA in der Anti-Springer-Kampagne nach der 22. DK des SDS. Zunächst organisierte sie aus eigener Initiative die Offenbacher Konferenz, für die sie den vielen Verbänden und Aktivisten der APO eine Einladung geschickt hatte.145 Dann stimmte sie sich während der Konferenz erfolgreich mit den studentischen Organisationen der Anti-Springer-Kampagne über die anstehende Koordinationsarbeit ab. Dass bei der Konferenz allein die KfA mit vier Funktionären vertreten war,146 unterstreicht ihr Engagement ebenso wie das Beratungsrecht, das sie gegenüber der Redaktion des Extrablattes hatte, und ihre Verantwortung für das Verteilerbüro, das die Koordination innerhalb der Kampagne vorantreiben sollte. Durch das Verteilerbüro der Kampagne gegen den Verlag kamen die Anti-Springer-Aktivitäten der KfA voran. Das Büro, das im Oktober eingerichtet wurde, bestand bis zum nächsten Jahr und kommunizierte Informationen und Materialien der einzelnen Organisationen der Anti-Springer-Kampagne. Später iniitierte es Beratungen zum weiteren Vorgehen der Kampagne.147 Die KfA hatte darüber hinaus ein Flugblatt mit der Überschrift »Besser Springer jetzt enteignen!« in großer Auflage hergestellt. Es konnte zum Preis von 10 DM je 100 Stück bestellt werden.148 Einerseits brachte die KfA neben dem schon zirkulierenden Anstecker eine selbstklebende Autoplakette mit dem Text »BILD macht 144 | Ebd., S. 7. 145 | Vgl. KfA, »Betr.: Kampagne gegen den Springer-Konzern«, Einladungsbrief, 22. September 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. 146 | Es waren Klaus Vack, Kistel Beilmann, Arno Klönne und Helmut Schauer. Vgl. KfA, »Teilnehmerliste« der Offenbacher Konferenz vom 6. Oktober 1967, in: ebd. 147 | Vgl. Vack, Klaus: Rundbriefe aus dem »Verteilerbüro der Springer-Kampagne« vom 8. November, 1. Dezember 1967 und 9. Februar 1968, in: ebd. 148 | Vgl. ders.: Rundbrief aus dem »Verteilerbüro der Springer-Kampagne« vom 1. De zember 1967 (Archivalien); Flugblatt der KfA, »Besser Springer jetzt enteignen!«, o. D., in: APO-Archiv, Springer, Privatbesitz von Bernhard Blanke.
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dumm« neu heraus, andererseits gab sie gemeinsam mit dem Berliner-Extradienst zwischenzeitlich eine Zeitung, das Extrablatt, gegen Springer heraus, worüber bei der Offenbacher Konferenz diskutiert worden war.149 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Etwa seit September 1967 spielte die KfA aufgrund ihrer organisatorischen Fähigkeiten, die andere Anti-Springer-Gruppen einschließlich des SDS anerkannten, eine Hauptrolle in der Kampagne gegen Springer. Will man die Kampagne angemessen darstellen, muss das Engagement der KfA, einer der wichtigsten Organisationen der APO, in Betracht gezogen werden. Ohne Berücksichtigung ihrer Anti-Springer-Aktivitäten bleibt die Rekonstruktion der Kampagne gegen das Verlagshaus unvollständig. Es waren eben nicht nur studentische Verbände, die sich daran beteiligten, sondern auch nichtstudentische Organisationen der APO, wie die KfA, der Berliner RC und die HU. Vor allem das im Zuge der Offenbacher Konferenz eröffnete Verteilerbüro sorgte dafür, dass die Koalition der unterschiedlichen Trägergruppen der Bewegung nicht zerbrach. Die Anti-Springer-Kampagne war kein studentischer »Selbstläufer«,150 wie Melchert behauptet, sondern eine zentrale Aktion, die die gesamte APO umfasste, prägte und zur Einheit werden ließ, zumindesten phasenweise.
D ie E skal ation der publizistischen K ritik am S pringer -V erl ag Parallel zur Eskalation der Anti-Springer-Kampagne der APO verschärfte sich ab September 1967 die publizistische Kritik am Springer-Verlag. Darauf weist eine Liste hin, die im Bestand des Unternehmensarchivs der Axel Springer AG über die Anti-Springer-Kampagne abgelegt ist. Sie ist überschrieben mit: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«.151 Fast drei Seiten dieser insgesamt zehnseitigen Liste, deren größter Teil sämtliche Veröffentlichungen über den Verlag in anderen Medien dokumentiert, nimmt der September 1967 ein. Sechs Seiten der Liste umfassen den Zeitraum von September bis Dezember 1967. Folgt man der Aufstellung, so berichteten von September bis Dezember 1967 abgesehen von Studentenzeitungen 31 Zeitungen und Zeitschriften in der Bundesrepublik Deutschland mindestens einmal kritisch über den Springer-Konzern.152 Zu einer starken »publizistische[n] 149 | Vgl. K. Vack: Rundbrief aus dem »Verteilerbüro der Springer-Kampagne« vom 9. Februar 1968 (Archivalien); Der Extra-Dienst GmbH (Hg.), »Extrablatt« (Archivalien). 150 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 415. 151 | Siehe die Liste aus dem Springer-Verlag: o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968« (Archivalien). 152 | Vgl. ebd., S. 1-7.
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Fronde«,153 die den Konzern wiederholt scharf anging, gehörten zwar nach wie vor der Spiegel, der Stern, die Zeit, die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung, pardon, konkret und Fernsehmagazine wie »Panorama«. Mit dem Thema Springer beschäftigten sich jetzt aber auch mehrere regionale und lokale Zeitungen wie die Lindauer Zeitung, die Fuldaer Zeitung, die Aachener Nachrichten, die Sylter Rundschau, die Andere Zeitung etc. Die gewerkschaftliche Welt der Arbeit, der sozialdemokratische Vorwärts und Zeitschriften wie die Neue Politik und die Frankfurter Hefte standen Springer immer kritischer gegenüber.154 Um die publizistische Kritik an Springer zu verdeutlichen, sollen einige Beispiele angeführt werden. Im September 1967 antwortete die Journalistin Ulrike Meinhof in der Zeitschrift konkret auf die Frage, warum man Springer enteignen müsse: »Weil jeder Versuch der Redemokratisierung dieses Landes, […] wo Springer so groß und stark ist, wie er ist, an Springer scheitert, scheitern muß.«155 Und das sei nicht nur so, weil der Konzern seine Macht missbrauche, sondern vor allem, weil er sie habe. Die Auflagenhöhe der im Hause Springer erscheinenden Zeitungen müsse auf insgesamt eine halbe Million beschränkt werden. Die Forderung, Springer zu enteignen, sei, konstatiert Meinhof weiter, bereits ein Symptom für ein »neu entstehendes demokratisches Bewußtsein« darüber, das für die seit der Bildung der Großen Koalition eingeforderte Redemokratisierung der Bundesrepublik nötig sei. Damit sich ein solches Bewusstsein ausbreiten könne, »muß Springer enteignet werden«.156 Unter der Überschrift »Gefahr für Deutschlands Zeitung« widmete der Spiegel am 25. September 1967 dem »Presse-Zar« Axel Springer eine zwölfseitige Titelgeschichte. Die Gefahr komme einzig von »Springers Imperium«, weil kein anderer Zeitungsverlag Millionenauflagen vorweisen könne.157 In den Blättern von Springer herrsche »Mißtrauen gegen Intellektuelle, Gammler und demonstrierende Studenten«. Sie würden einen »eifernde[n] Antikommunismus und Nationalismus« verbreiten.158 Im selben Heft des Spiegels forderte Augstein ein neues Gesetz, das »ohne Springer nicht oder noch nicht notwendig wäre« und wonach kein Verlag und Verleger in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 20 Prozent aller Tageszeitungen oder mehr als 40 Prozent aller Wochenzeitun-
153 | G. Naeher: Axel Springer, S. 223. 154 | Vgl. o. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968« (Archivalien). 155 | Meinhof, Ulrike Marie: »Enteignet Springer!«, in: konkret vom September 1967, S. 2 f., hier S. 2. 156 | Ebd., S. 3. 157 | O. A.: »Presse. Tageszeitungen. Stimmen verstummt«, in: Der Spiegel vom 25. September 1967, S. 36-57, hier S. 41. 158 | Ebd., S. 44.
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gen und Publikumszeitschriften verlegen dürfe.159 Indem er für diese gesetzlichen Auflagenbegrenzungen plädierte, wandte er sich jedoch gegen die Enteignungsforderung: »Wer dagegen ›Enteignet Springer!‹ schreit, bewirkt außer dem Krawall nur das Gegenteil.«160 Im Stern unterstützte Sebastian Haffner die Enteignungsforderung, die nach Artikel 14 des Grundgesetzes notwendig sei.161 In einem weiteren Artikel mit dem Titel »Die Axel-Springer-Story«, der reich bebildert auf 14 Seiten auch das Privatleben des Verlegers ausführlich thematisierte, stellte der Stern im November 1967 den »mächtigste[n] Verleger des europäischen Kontinents«162 und »Berlins heimliche[n] Herrscher«163 persönlich und politisch an den Pranger. Die Springer-Presse in Westberlin heize die »Studentenunruhen in der geteilten Stadt maßlos« an. Die »unrealistische Studentenparole ›Enteignet Springer!‹« finde »immer mehr Befürworter«.164 Hubertus Knabe zufolge bemühte sich die Springer-Presse, diese Vorwürfe zu bestreiten, verschaffte dadurch der publizistischen Kritik am Verlag jedoch nur noch mehr Publizität.165 Obwohl die zumeist linksliberalen Zeitungen und Zeitschriften, wie insbesondere der Spiegel und der Stern, die Enteignungsforderung seitens der APO nicht befürworteten, sympathisierten sie doch mit der Bewegung und teilweise auch mit der von ihr getragenen Anti-Springer-Kampagne. Augstein (Spiegel) und Bucerius (Stern sowie die Zeit) sind hierfür auffallende Beispiele. Augstein erklärte im Oktober 1967 gegenüber seiner Redaktion die von ihm gehegte Sympathie für die Studenten: »Im Grunde habe ich zu ihnen inneren Zugang.«166 159 | Augstein, Rudolf: »Enteignen?«, in: Der Spiegel vom 25. September 1967, S. 24 f., hier S. 25. 160 | Ebd. Am 13. Oktober 1967 sollte Augstein auch auf einer Podiumsdiskussion über »Ziele und Gefahren der direkten Aktion« die Enteignungsforderung kritisieren. Er hielte die Parole »Enteignet Springer!« vom SDS für ungeeignet Vgl. W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 273. 161 | Haffner, Sebastian: »Worum geht es im Fall Springer?«, in: Stern vom 1. Oktober 1967, S. 184 f. 162 | Bissinger, Manfred: »Die Axel-Springer-Story«, in: Stern vom 12. November 1967, S. 34-44 und S. 228 ff., hier S. 34. 163 | Ebd., S. 231. 164 | Ebd., S. 40 f. 165 | H. Knabe: Der diskrete Charme der DDR, S. 377. Zum Beispiel wurde auch in den Nachrichten des Springer-Verlags die Widerlegung des Sterns versucht. Vgl. o. A.: »Axel Springer-Story im Stern«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom November 1967, S. 2 f., in: APO-Archiv, SDS-Springer. 166 | Winkler, Willi: »Anti-Springer-Kampagne 1968. Der innere Zugang«, in: Süddeut sche Zeitung vom 7. März 2008 (auch online unter http://www.sueddeutsche.de/kul tur/anti-springer-kampagne-der-innere-zugang-1.263989 vom 16. September 2015).
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Bucerius empfing 1967 die Wortführer der Berliner Studentenbewegung in seiner Hamburger Wohnung und äußerte sich später begeistert: »Sie haben ja so recht […]. Die Gesellschaft wird sich vor ihnen bewähren müssen«.167 Augstein und Bucerius unterstützten die Anti-Springer-Kampagne sogar finanziell. Peter Schneider, der im Sommer 1967 von Dutschke und Gaston Salvatore für den publizistischen Feldzug rekrutiert wurde und als »Sekretär dieser Kampagne« Spenden bei Sympathisanten sammeln sollte, erinnert sich: »Augstein, Nannen, Bucerius spendeten großzügig für die Antispringerkampagne«.168 Bucerius habe insgesamt 55.000 DM gegeben, Augstein dem SDS 50.000 DM zukommen lassen.169 Zu berücksichtigen ist, dass Augstein und Bucerius durchaus eigene, wirtschaftliche Interessen verfolgten, indem sie die Aktion finanziell unterstützten. War es ihnen doch ein Anliegen, die wirtschaftliche Übermacht des Springer-Imperiums einzudämmen.170 Andererseits resultierte ihre Unterstützung, wie Schneider schreibt, aus dem Zeitgeist und der Sympathie für die APO-Bewegung, die immer größer wurde.171 Auch der Kampagne nützten solche Unterstützungsleistungen, so dass beide Seiten voneinander profitierten. Als Folge dieser Wechselwirkung verstärkte sich die Aufmerksamkeit auf den Axel-Springer-Verlag und auf die Anti-Springer-Aktion. Unabhängig von den Motiven spielte die verstärkte publizistische Kritik am Verlag eine unterstützende Rolle für ihr Anliegen.
D ie R e ak tionen des A xel S pringer V erl ags auf die A nti -S pringer -K ampagne Der Springer-Verlag beobachtete die 22. ordentliche DK des SDS kritisch. Dies ist einem Artikel des Welt am Sonntag-Journalisten Joachim Neander zu entnehmen, der über den Ablauf der Konferenz ausführlich berichtete.172 Er teilte die etwa 2000 Mitglieder des SDS in drei Hauptgruppen ein:
167 | Ebd. 168 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 193 und S. 211. 169 | Vgl. ebd., S. 212; W. Winkler: »Anti-Springer-Kampagne 1968«. 170 | Vgl. ebd.; Rabehl, Bernd: »Dutschke, Springer und die Taz«, in: die tageszeitung vom 10. April 1993, S. 41. 171 | Die Spenden von Augstein und Bucerius kamen, so Schneider, »auch aus […] Sympathie für den rätselhaften Virus der Rebellion«. P. Schneider: Rebellion und Wahn S. 211. 172 | Neander, Joachim: »22. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt (4. bis 8. Sept. 1967). Bericht und Analyse«, S. 1-5, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
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1. »Die orthodox-marxistische Gruppe« beharre darauf, dass die Arbeiterklasse die führende Rolle in der Revolution spielen müsse. Sie habe die Forderung erhoben, in den Gewerkschaften tätig zu werden und gute Kontakte zur DDR aufzubauen.173 2. »Die jüngere Gruppe« formiere sich vor allem um Rudi Dutschke und orientiere sich an den revolutionären Bewegungen der Dritten Welt. Sie befinde sich in offener Feindschaft zum »›bürokratisierten, stalinisierten‹ OstKommunismus«174 und fordere »unverzügliche ›direkte Aktionen‹«.175 3. Die dritte Gruppe sei die »der ideologisch und soziologisch ungeschulten Mitläufer aller Art«. Unter ihnen gebe es eine große Zahl »relativ hübscher Mädchen«,176 was allerdings in diesem Zusammenhang eine merkwürdige Anmerkung ist. Im Laufe der Konferenz sei vor allem durch die Unterstützung der dritten Gruppe die Macht im SDS von der ersten auf die zweite Gruppe übergegangen. Unter Führung der zweiten Gruppe habe man die »Anti-Springer-Revolution« einstimmig verabschiedet.177 Der Bericht stellte die »geplanten Aktionen gegen den Springer-Verlag« vor.178 Vorgesehen seien vier verschiedene Aktionsarten: 1. »Das Go-in«, das man zunächst nur für Zentren des Springer-Verlags wie Westberlin, Hamburg und Essen ins Auge fasse. Man plane, Gespräche mit Setzern, Redakteuren, Druckern und dem Verleger selbst zu führen. 2. »Die demonstrative Verhinderung der Zeitungsauslieferung«, die man in Westberlin und in sechs bundesrepublikanischen Zentren für Mitte Oktober, den Semesteranfang, anstrebe. Dutschke rechne pro Druckhaus mit einem Personalbedarf von 1000 Menschen. 3. »Die Schaffung einer sogenannten ›Gegenöffentlichkeit‹ am Ort des Zeitungsverkaufs«. Man werde »›Gegen-‹ und ›Ur-Zeitungen‹« an die Leute verteilen und »Bild-Käufer« in Diskussionen verwickeln. 4. »Mobilisierung der Öffentlichkeit gegen Springer«: Ein Aktionskomitee solle andere Gruppen der APO zur Mitarbeit bewegen und die bisherige Notstandskampagne auf die »Springer-Aktion ›umgeleitet‹ werden«. Der SDS wolle dazu Springer-Hearings und Ähnliches veranstalten.179 173 | Ebd., S. 1. 174 | Ebd. 175 | Ebd., S. 2. 176 | Ebd. 177 | Ebd. 178 | Ebd., S. 1. 179 | Ebd., S. 3 f.
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Um die Organisation der Anti-Springer-Kampagne zu verbessern, habe der SDS, hält der Bericht weiter fest, sogar seine interne Struktur verändert. Dem BV stehe ein 15-köpfiges »Politkomitee« gegenüber, in dem auch Dutschke und Helmut Schauer vertreten seien. Weil Schauer als Generalsekretär des Kuratoriums »Notstand der Demokratie« über beste Erfahrungen verfüge, würde er die Anti-Springer-Aktionen durch seine Mitarbeit im eigentlichen Sinne anleiten.180 Weiter ist zu lesen, dass es über die Kampagne gegen Springer trotz teilweise schwerer interner Auseinandersetzungen im SDS keine Differenzen gebe.181 Neander betont, dass die Kampagne, im Gegenteil, »ganz offiziell als ›Kristallisationspunkt‹, als Mittel zur Integration der Kräfte [im SDS] diene«.182 Anti-Springer-Aktionen würden viele Unterschiede innerhalb des SDS zwar zunächst überdecken, sie könnten jedoch, glaubte man bei Springer, »gerade in der Aktion« selbst zu einem bestimmten Zeitpunkt zu Auseinandersetzungen führen, etwa in dem Fall, dass die breite Öffentlichkeit der Kampagne ihre Unterstützung versage.183 Nach der 22. DK des SDS nahmen die Sorgen Springers über die gegen ihn gerichtete Kampagne zu und über die Richtung, in die sie sich aus seiner Wahrnehmung entwickelte. Seit dem Kongress in Frankfurt habe, hieß es in den Nachrichten des Springer-Verlags, der SDS »seinen revolutionären Kurs« verschärft.184 Die »Aktionskonferenz« habe nunmehr in Westberlin stattgefunden. Sie war auf dem Kongress zur Vorbereitung der Anti-Springer-Aktionen einberufen worden. Auch eine »Einsatzgruppe« stehe bereit, die auf den Befehl warte, die Zeitungsauslieferung vor den Springer-Verlagshäusern zu verhindern.185 Insbesondere sorgte sich der Springer-Konzern um seinen Standort in Westberlin, dem Zentrum des PR-Feldzugs gegen das Unternehmen. Zum Schutz des Verlagsgebäudes wurde auf einer Sitzung des Direktoriums am 27. September 1967 über Sicherheitsvorkehrungen gesprochen. Um auf mögliche Angriffe reagieren zu können, wurden im Herbst des Jahres technische Schutzmaßnahmen ergriffen wie etwa die Installation von Lautsprechern auf den Dächern der Setzerei oder von transportablen Scheinwerfern zur Beleuchtung der Gebäude und Grundstücke.186 180 | Vgl. ebd. In seinem Buch schreibt Michael Ludwig Müller, der ab 1960 in der Re daktion der Berliner Morgenpost arbeitete, dass die Leitung der Anti-Springer-Kampag ne dem 15-köpfigen »Politkomitee« übertragen würde. M. L. Müller: Berlin 1968, S. 173. 181 | Vgl. J. Neander: »22. Delegiertenkonferenz«, S. 4 (Archivalien). 182 | Ebd. 183 | Vgl. ebd., S. 5. 184 | O. A.: »Jenseits der Legalität«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Oktober 1967, S. 1 f., in: APO-Archiv, SDS-Springer. 185 | Vgl. ebd., S. 1. 186 | Vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 369 und Anm. 282.
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Der Konzern selbst trug allerdings zur Eskalation der Lage bei. Im September 1967 stellte er den Düsseldorfer Mittag ein, die bundesweit sechstgrößte Tageszeitung. In der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt protestierten mehrere hundert Demonstranten – Gewerkschaftler und Studenten – gegen die Einstellung und forderten die Enteignung des Konzerns. Springers Schritt demonstriere, wie der Bundestagsabgeordnete der SPD Helmut Lenders kritisierte, seine »wirtschaftliche Macht«.187 Angebote des Spiegels und des Droste-Verlages, den Mittag weiterzuführen, lehnte Springer ab. Als der Verlag DuMont Schauberg auf die Einstellung des Mittags mit einer neuen Zeitung reagierte, dem Düsseldorf Express, entzog Springer dem Kölner Verlag den Druckauftrag für seine Bild-Zeitung in Höhe von täglich 70.000 Exemplaren. Damit wollte er die Konkurrenz der neuen Düsseldorfer Ausgabe der Bild-Zeitung ausschalten.188 Springers Machtdemonstration goss Öl ins Feuer der sich radikalisierenden Anti-Springer-Kampagne. In einer Rede vor dem Hamburger Übersee-Club vom 26. Oktober 1967 verteidigte Axel Springer seinen Konzern gegen die Vorwürfe, die immer lauter wurden.189 Trotz der Kritik an seinem Verlagshaus wolle er am bisherigen Expansionskurs festhalten. Auf die Frage, warum sein Verlag so groß sei, antwortete er: »Die Größe des Springer-Hauses ist nicht die Folge einer Monopolstellung, sondern die Folge unendlichen Bemühens, Fleißes und der Tüchtigkeit seiner vielen Mitarbeiter und möglicherweise eines Glückes, das wir vielleicht nicht verdient haben.«190 Vor dem Übersee-Club thematisierte Springer auch die politische Ausrichtung seiner Zeitungen. Die Springer-Presse vertrete die »breite konservative Mitte«.191 Eine »zentrale ideologische Lenkung« oder einen »Super-Chefredakteur« gebe es nicht und werde es nicht geben. Er selbst sei es auch nicht.192 Den Kritikern, die ihm eine Meinungsgleichschaltung seiner Redaktionen vorwarfen, entgegnete er, dass es »vier Grundsätze« gebe, die für jeden Journalisten des Verlags gelten. Sie lauteten: »1. unbedingtes Eintreten für 187 | Zit. n. o. A.: »Enteignung Springers gefordert«, in: Informationen zur Abrüstung 51 (1967), S. 7 (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne). 188 | Vgl. ebd., S. 7 f.; G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 82 f.; Faber, Ulrich: »Sprin geropfer«, in: Express International vom 25. September 1967, S. 2. 189 | Verlagshaus Axel Springer, Information Berlin (Hg.): »Viel Lärm um ein Zeitungs haus«. Rede des Verlegers Axel Springer vor dem Übersee Club in Hamburg, 26. Oktober 1967, S. 1-35, in: APO-Archiv, SDS-Springer (auch in: H. Wallenberg [Hg.], Axel Springer [1971], S. 139-158; in Auszügen auch in: Döpfner, Mathias [Hg.], Axel Springer. Neue Blicke auf den Verleger, Berlin 2005, S. 187-196). 190 | Verlagshaus Axel Springer, Information Berlin (Hg.): »Viel Lärm um ein Zeitungs haus«, S. 5 (Archivalien). 191 | Ebd., S. 23. 192 | Ebd., S. 24.
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die Wiederherstellung der deutschen Einheit; 2. Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden; 3. Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus; 4. Bejahung der sozialen Marktwirtschaft.«193 Diese Richtlinien erschienen Kritikern als der Versuch einer meinungspolitischen Gleichschaltung. Spingers Redakteure seien an dessen Weisungen in politischen Fragen gebunden. Er habe in der Rede vor dem Übersee-Club »dieses Recht« in aller Deutlichkeit für sich in Anspruch genommen.194 Nachdem Springer die »vier Grundsätze« vorgestellt hatte, wiederholte er die Behauptung, die sein Konzern schon oft in die Welt gesetzt hatte: »Ich weiß zuverlässig«, betonte er, »daß zum ersten Mal die Parole ›Enteignet Springer!‹ jenseits der Mauer […] geäußert wurde.« Sie sei dann in der Bundesrepublik Deutschland von vielen Gruppen aufgenommen worden, »über deren Zusammenhänge, Hintermänner und Finanzierung eines Tages noch öffentlich zu sprechen sein« werde.195 Eine Studie Springers mit dem Titel »Das ›Springer-Monopol‹. Eine Klarstellung« wiederholte in übertriebener Manier die Behauptung des Verlegers über den Ursprung der Kampagne.196 Die 16-seitige Abhandlung, mit der man Stellung zur Kritik und den Vorwürfen gegen den Konzern bezog, stellte die Kampagne als besonders wichtig heraus. Die Kampagne sei als »ein Teil des weltweiten Kampfes des Kommunismus gegen die Demokratie westlicher Prägung« von außen in die Bundesrepublik Deutschland hineingetragen worden.197 Eine Artikelserie in der Moskauer Wochenzeitung Literaturnaja Gazeta habe den ersten längeren Artikel gegen Axel Springer veröffentlicht. Von dort sei die »ferngesteuerte Hetze« in alle Länder des Ostblocks übergesprungen und habe danach die Bundesrepublik Deutschland erreicht. Alle Argumente und Slogans gegen den Sprin193 | Ebd., S. 25. Vier Leitlinien Springers wurden später, am 1. Januar 1970, mit fast gleichem Wortlaut in die Redakteursverträge des Verlags aufgenommen. Vgl. M. Seiten becher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 79. Nach der deutschen Wiedervereini gung ist der erste der vier Grundsätze so verändert worden: »Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und die Förderung der Einigungsbemühungen Europas.« Meyn, Hermann: Massenmedien in Deutschland, Konstanz 2001, S. 147. 194 | Osborg, Eckart: »Verfassungsnotstand durch Pressekonzentration«, in: Vorgänge 8, 1 (1969), S. 15 ff., hier S. 16. Vgl. auch Arnim, Tim von: »Und dann werde ich das größte Zeitungshaus Europas bauen«. Der Unternehmer Axel Springer, Frankfurt / N ew York 2012, S. 231. 195 | Verlagshaus Axel Springer, Information Berlin (Hg.): »Viel Lärm um ein Zeitungs haus«, S. 29 (Archivalien). Dabei stützte sich Springer auf die im Juli 1967 von dessen Verlag herausgegebene Studie: Verlagshaus Axel Springer (Hg.): »Die These «. 196 | Verlagshaus Axel Springer, Information Berlin (Hg.): Das »Springer-Monopol«. Eine Klarstellung, S. 1-16, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 197 | Ebd., S. 10.
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ger-Konzern seien in der DDR entstanden – von dem Vorwurf des zu hohen Marktanteils bis zur Enteignungsforderung.198 Linke Studenten und »Wohlmeinende«, die zumeist keine Ahnung hätten, dass sie die »Gedanken Ulbrichts« verträten, würden die Forderungen nach Entmachtung des Konzerns von der DDR übernehmen.199 Kurzum: Die Anti-Springer-Kampagne sei Bestandteil der »kommunistischen Bemühungen, Zersetzung« in die Bundesrepublik hineinzutragen.200 Jenseits solcher von Springer wiederholt formulierten Behauptungen steigerte sich die Furcht vor einem Angriff auf das Springer-Hochhaus in Westberlin, der sich insbesondere im Oktober 1967 nach den dramatischen AntiSpringer-Aktionen auf der Frankfurter Buchmesse anzukündigen schien. Der Spiegel berichtete, dass der Springer-Verlag für den Notfall vorgesorgt habe: »Ein Alarmplan sieht die Abriegelung aller Gebäudezugänge beim Anmarsch der Protestanten und den Einsatz der Feuerlöscheinrichtungen gegen Eindringlinge vor. Das Haus wurde mit Not-Telephonen ausgerüstet, die rund hundert Fahrzeuge des Vertriebsfuhrparks erhielten Taxi-Alarmgeräte.«201 Während sich die Bedenken innerhalb des Verlags mehrten, versuchte Springer, mit neuen Mitteln auf die Kampagne zu reagieren. Im November 1967 veröffentlichte das Unternehmen eine vierseitige Flugschrift mit dem Titel »Springer enteignen – Beiträge zur Diskussion über die Pressekonzentration«202 und verteilte sie an Westberliner Universitäten. Darin setzte sich der Verlag mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen auseinander, insbesondere mit der Broschüre »Springer enteignet?« des Berliner RC, die gerade erschienen war und eine Fülle der gegen den Verlag gerichteten Behauptungen enthielt.203 Springer wies auf acht falsche Annahmen hin und widerlegte sie. Unter anderem hätten die Verfasser der Broschüre die Auflage des im vergangenen September eingestellten Mittag nicht in die Gesamtauflage der Springer-Presse hineingerechnet. Sie hätten behauptet, der Springer-Verlag sei mit 8,8 Millionen verkauften Presseerzeugnissen an der Gesamtauflage der deutschen Zeitungen von 21,3 Millionen beteiligt. Auch stimme nicht, dass die geplante Zeitschrift Jasmin mit einer Anfangsauflage von über einer Million Exemplaren auf den Markt komme. Ihre
198 | Ebd. 199 | Ebd., S. 11. 200 | Ebd., S. 16. 201 | O. A.: »Alarmplan«, in: Der Spiegel vom 30. Oktober 1967, S. 24, zit. n. W. Kraus haar: Achtundsechzig, S. 161. 202 | Springer-Verlag (Hg.): »Springer enteignen – Beiträge zur Diskussion über die Pressekonzentration«, November 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU, November / D ezem ber 1967. 203 | O. A.: »Anzeigen, Vertrieb und Jugend-Zeitschriften«, S. 2, in: ebd.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Startauflage werde zwischen 500.000 und 600.000 Exemplaren liegen.204 Die Einstellung des Mittags, der eine Auflage von 285.000 Exemplaren hatte, veränderte den Marktanteil des Verlags tatsächlich nicht signifikant. Jasmin dagegen erschien am 14. März 1968 mit einer Startauflage von 900.000 Exemplaren – das entspricht der dreifachen Auflage des eingestellten Mittags – und überschritt schnell die Millionenmarke.205 Die zentrale Feststellung des RC, der Springer-Konzern dominiere den deutschen Zeitungsmarkt und besitze nahezu eine Monopolstellung, konnte Springer nicht entkräften. Interessant ist, dass der Springer-Verlag in seiner Flugschrift auch über die Offenbacher Konferenz vom 6. Oktober berichtete und sie kommentierte.206 Die »Konzentration der Angriffe« auf das Haus Springer stelle, so die Flugschrift, die Frage nach den »Initiatoren der immer heftiger werdenden Kampagne«. Es werde der Anschein geweckt, dass sich die Kräfte »um einen Punkt« sammeln würden207 – eine deutliche Anspielung auf die KfA. Alle Zweifel seien beseitigt, dass es sich bei der Anti-Springer-Kampagne »noch um ›spontane Aktionen‹ einiger Gruppen« handele. Die Aktion gegen den Verlag hätte einen »eindeutig ausgerichteten politischen Charakter« und würde »gesteuert« werden. Es folgten einige Auszüge aus dem Anfang November 1967 vom Zentralen Ausschuss der KfA vorgelegten Papier mit dem Titel »Überlegungen zur SpringerAktion der Kampagne«. Darin beschäftige sich, ist in der Flugschrift weiter zu lesen, die KfA mit ihren »ideologischen Zielen«.208 Auf Grundlage dieses Textes, in dem die KfA den Zusammenhang zwischen den Anti-Springer-Maßnahmen und dem Ziel der Friedenssicherung und Abrüstung herstellte, und des Verlaufs der Offenbacher Konferenz, in der sie ihre Initiative deutlich gezeigt hatte, erkannte der Springer-Verlag die prominente Position der KfA in der Anti-Springer-Kampagne. Springers Nachrichten veröffentlichten im Dezember 1967 eine Äußerung Axel Springers, die als Antwort auf die Anti-Springer-Operation anzusehen ist. »Wenn die Leute meine Zeitungen nicht mehr kaufen«, sagte Springer, »dann ist das ein Zeichen für ihre Opposition gegenüber meiner Politik. Ich erinnere mich mit Schrecken an das Unglück, das die sogenannte unpolitische Presse während
204 | Ebd. 205 | Vgl. o. A.: »Elefant mit fünf Beinen«, in: Der Spiegel vom 18. März 1968, S. 28; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 182. 206 | Vgl. unter der Überschrift »Kampagne der Kampagne« in: Springer-Verlag (Hg.): »Springer enteignen«, S. 4 (Archivalien). 207 | Ebd. 208 | Ebd.
Die Eskalation der Kampagne bis Ende des Jahres 1967 der Weimarer Republik über uns gebracht hat. Es ist mein Credo, daß ein Zeitungsverle ger nicht das Recht hat, politisch indifferent zu bleiben.« 209
Die Anti-Springer-Kampagne und die Stimmung gegen seinen Konzern, die diese ausgelöst hatte, waren nicht spurlos an ihm vorbeigezogen. In einem Interview in der Zeit im Dezember desselben Jahres erklärte er: »Aber ich habe Angst vor Leuten, die auf der Suche nach einem Idealstaat sind. Dutschke will den permanenten Höhepunkt. […] Ich möchte mich mit den Studenten verständigen. Sie wissen ja nicht, wie ich darunter leide, daß die mich völlig falsch sehen.«210 Beunruhigt durch die eskalierenden Proteste, erkannte Ende 1967 die Spitze des Konzerns den Ernst der Lage. Im Dezember bildete man einen eigenen Arbeitsstab, der sich zweimal pro Woche in der Verlagszentrale in Westberlin traf. Gegenmaßnahmen sollten beschlossen werden. Man wollte um Sympathie für Springer werben211 und versuchen, ihn »aus der Schußlinie« zu nehmen.212 Die Anti-Springer-Aktion war zu einem bundesweiten Phänomen geworden. Überall fanden Demonstrationen, Seminare und Diskussionsveranstaltungen statt. Der Slogan »Enteignet Springer« fehlte bei kaum einer Protestveranstaltung der Studentenbewegung bzw. der APO. Die Kritik an Springer rückte mit der Kampagne nicht nur in den Mittelpunkt studentischer Publikationen, sondern auch in das Blickfeld nichtstudentischer APO-Organisationen. Mit großen Demonstrationen und Protesten gegen den Springer-Konzern trat der SDS in Erscheinung, der auf seiner 22. DK die Operationen gegen den Verlag als ein Hauptziel des SDS ausgerufen hatte. Die Konferenz, auf der zum »Kampf gegen Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit« aufgerufen wurde, dynamisierte den Anti-Springer-Feldzug. Der spektakuläre Protest und die Demonstrationen gegen den Konzern, die der SDS vor der Tagungsstätte der Gruppe 47 und auf der Frankfurter Buchmesse durchführte, stellten 209 | O. A.: »Time über Axel Springer«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Dezember 1967, S. 2 f., in: APO-Archiv, SDS-Springer. 210 | Witter, Ben: »Mit Axel Springer am Wannsee«, in: Die Zeit vom 8. Dezember 1967. 211 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 461. Ende 1967 machte Springer Notizen zu einem Vortrag vor der Kieler CDU, aus denen man über seine mutmaßliche Beurteilung der Lage spekulieren kann. Er hat dort »Angriffe auf drei Ebenen« geschrieben: »a) Stu denten, die einen Kristallisationspunkt für ihren Unmut brauchen und kommunistische Forderungen (Enteignung) aufgegriffen haben, b) Konkurrenten (Bucerius), c) Kommis sion [die Günther-Kommission], deren Anschlag auf die freie Marktwirtschaft von der Bundesregierung souverän zurückgewiesen wurde.« Zit. n. ebd. 212 | Schreiben von Springer an Otto Bechtle, 6. November 1967, zit. n. T. v. Arnim: »Und dann werde ich«, S. 231.
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einen Höhepunkt der gesamten Kampagne dar. Die daraus resultierenden Anti-Springer-Resolutionen der Gruppe 47 und einiger Verleger veranschaulichen die Erweiterung der Anti-Springer-Kampagne zu dieser Zeit. Die Offenbacher Konferenz im Oktober 1967, an der 21 Vertreter der studentischen und nichtstudentischen Verbände und vieler ASten im Rahmen der APO teilnahmen, war das bisher größte und wichtigste Treffen, auf dem über das weitere Vorgehen beratschlagt wurde. Die Anti-Springer-Kampagne stand auf drei großen Säulen: der organisatorisch geschulten KfA, dem dynamischen SDS und dem RC als Organisator des Springer-Tribunals. Auf eindrucksvolle Weise veränderten sie ihre strategischen Kerne, indem sie ihre Energie für die Notstandskampagne auf die Anti-Springer-Operation umleiteten oder zumindesten die Notstandskampagne mit den Aktivitäten gegen den Springer-Konzern abstimmten.
5. Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
»Hier steht Springer, seht ihn an: / K opf bis Fuß, ein gan zer Mann. / S teht sehr frech und sehr bequem, / d enn er steht auf dem System. / I m Januar hauen wir dem Sprin ger / G anz gehörig auf die Finger. / N ahmen ihm dann ab die Zehn – / B ald kann Springer nicht mehr stehen. […] / Wenn das alte Jahr vorbei, / ist der Springer sor genfrei, / F ast enteignet, sehr geschockt, / H at sich sel ber eingebrockt.«1 F riedrich C hristian D elius
Zu Beginn des Jahres 1968 wies nichts darauf hin, dass sich die Spannungen zwischen den Akteuren der Anti-Springer-Kampagne und denen des SpringerKonzerns auflösen würden. Das Jahr startete mit einer weiteren Zuspitzung der Kritik am Konzern. So begann etwa der renommierte westdeutsche Schauspieler Wolfgang Kieling sich kritisch zu äußern. Die Goldene Kamera, ein Fernsehpreis des Hauses Springer, den Kieling vor einem Jahr entgegengenommen hatte, gab er am 11. Januar 1968 unter Protest an den stellvertretenden Chefredakteur der Zeitschrift Hör Zu zurück. Zur Bekanntgabe seiner Entscheidung bevollmächtigte er das Vorbereitungsbüro des Springer-Tribunals.2 Diese Anti-Springer-Erklärung eröffnete das neue Jahr: »Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen, weil ich in der Öffentlichkeit nicht länger dem Verdacht ausgesetzt sein will, daß ich mich als Besitzer dieses Preises in irgendei 1 | Delius, Friedrich Christian: »Springers Jahreslauf«, zit. n. J. Fuhrmann et al. (Hg.): agitprop, S. 87. 2 | Vgl. Kraushaar, Wolfgang: 1968. Das Jahr, das alles verändert hat, München 1998, S. 17; o. A.: »Schauspieler Kieling gab Springer-Preis zurück«, in: Freiburger Studenten Zeitung 18, 2 (1968), S. 9.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium ner Weise mit der Politik der Springer-Zeitungen identifiziere. Die Springer-Presse hat in diesem Jahr gezeigt, daß sich hinter ihrem Etikett ›Seid nett zueinander‹ eine terroristi sche Meinungsmaschine verbirgt. Ihre Berichterstattung über die studentische Oppo sition hat deutlich gemacht, daß sie vor keiner Lüge und Diffamierung zurückschreckt, wenn es darum geht, Andersdenkende mundtot zu machen. Sie hat sich nicht gescheut, die von ihr falsch informierte Bevölkerung zum Studentenpogrom offen aufzuhetzen, und ist dadurch unübersehbar zu einer Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratisie rung geworden. Dem Protest der Betroffenen und ihrer Forderung ›Enteignet Springer‹ möchte ich mich mit diesem Schritt anschließen.« 3
Zwei Tage später starteten Studenten der Deutschen Film- und Fernseh-Akademie einen provokanten Angriff auf den Verlagschef Axel Springer. Mit ihrem Kommilitonen Harun Farocki und ihrem Kameramann Skip Norman begab sich Helke Sander, die als Studentin der Film-Akademie gerade den Dokumentarfilm Brecht die Macht der Manipulateure drehte, in Abendkleidung auf den Berliner Presseball. Springer sollte provoziert und das sich dann ereignende Geschehen gefilmt werden. Hinter dem Tisch, an dem Springer, Bild-Chefredakteur Peter Boenisch und der Springer-Vorstandsvorsitzende Peter Tamm saßen, entrollten Helke Sander und Harun Farocki ein Transparent mit der Aufschrift: »Mit Geld Politik Machen – Mit Politik«. Anschließend zog Sander ein zweites Transparent aus ihrer Bluse, auf dem die provozierende Zeile zu lesen war: »Axel, das ist Dein Schlußball«. Der Berliner Innensenator Kurt Neubauer kam eilig herbei und drängte das Filmteam persönlich aus dem Ballsaal mit der Bemerkung, warum sie nicht in Moskau demonstrieren würden. Bereitschaftspolizisten nahmen die drei Filmemacher fest und inhaftierten sie für fünf Stunden.4 In dieser Situation verstärkte die Anti-Springer-Kampagne ihre Aktionen. Am 30. Januar 1968 legte der SDS in Tübingen den Bild-Zeitungen ein »AntiSpringer-Blatt« bei.5 Das Flugblatt warf Axel Springer vor, die Wahrheit in der Bild-Zeitung zu unterdrücken. Springer wolle nicht, dass man die ganz Wahrheit erfahre. Erst einseitige Berichterstattung würde die »Politik der mächtigen Millionäre« möglich machen. Das Flugblatt forderte, den Springer-Konzern wie das Unternehmen Volkswagen zu einem gemeinnützigen Unternehmen zu 3 | Zit. n. ebd. 4 | H. Sander, Brecht die Macht der Manipulateure, Min. 30-35. Vgl. auch W. Kraus haar: »Kleinkrieg gegen einen Großverleger«, S. 1087; M. L. Müller: Berlin 1968, S. 178. In ihrem Dokumentarfilm Brecht die Macht der Manipulateure zeigt Sander ein Transpa rent, das sie aus ihrer Bluse gezogen hat und auf dem zu lesen ist: »Axels Schlußball«. Vgl. Sander, Brecht die Macht der Manipulateure, ebd. 5 | Kuhlemann an Schröder, in: Hausmitteilung des Springer-Verlags, 30. Januar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
machen und an die Leser der Bild-Zeitung Volksaktien auszugeben. Das Flugblatt endete mit dem Satz: »Bild-Leser werden Volksaktionäre des SpringerKonzerns.«6 Am darauffolgenden Tag, am 31. Januar, rief der SDS zusammen mit dem LSD, dem SHB und der Kommunistischen Studentenunion in Tübingen zu einem »Anti-Springer-Tag« mit Teach-in im Festsaal und zu einem »Anti-Springer-Ball« im Clubhaus auf.7 Die KfA, die schon im Oktober 1967 zur Kernorganisation der Anti-Springer-Kampagne avanciert war, kritisierte in auffallender Weise den Springer-Konzern. Sie setzte dazu einen »Sonderdruck für die Mitglieder der Kampagne für Demokratie und Abrüstung« ein, das sechs Karikaturen des Zeichners Arno Ploog enthielt. Das Heftchen mit dem Titel »Sei bös zu Dir: nimm Bild« stellte die Bild-Zeitung als Unterstützerin des Kalten Krieges dar. Der Springer-Konzern rufe die Polizei auf, die »Rabatz-Studenten«, »FU-Chinesen« und »Unruhestifter« zu verjagen, zu säubern und auszumerzen. Die dadurch aufgeheizte und provozierte Polizei habe bereits einen Demonstranten erschossen. Danach jubelte, der Karikatur zufolge, der Springer-Konzern: »Wer Terror produziert, muß Härte in Kauf nehmen!!« 8 Die Karikaturen Ploogs bestätigen einmal mehr, dass die Anti-Springer-Kampagne zu immer neuen Mitteln griff, um den Konzern anzugreifen. Eine weitere Zuspitzung der Kampagne gegen Springer spiegelte sich im Verhalten des namensgleichen Springer-Verlags, der Fachzeitschriften und Bücher herausgab und bis auf den Namen nichts mit dem Hamburger Pressehaus zu tun hatte. Der fachwissenschaftliche Springer-Verlag verbreitete auf Flugblättern in drei Sprachen (auf Deutsch, Englisch und Französisch): »Springer ist nicht Springer. […] Im Verlagswesen gibt es zwei Springer, die zwar nichts außer dem Wort ›Springer‹ gemeinsam haben, aber […] oft verwechselt werden. […] Zwischen den beiden Verlagen bestehen keinerlei verwandtschaftliche oder wirtschaftliche Verbindungen.«9 Der Fachverlag betonte seine Distanz zum Axel-SpringerImperium auch mit Werbeanzeigen in Studentenzeitungen.10
6 | Flugblatt des SDS, »Sie lesen heute in der Bild-Zeitung«, o. D., vermutlich 30. Januar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 7 | Becker / N eumann (Hg.): Die Studentenproteste, S. 170. 8 | Ploog, Arno, »Sei bös zu Dir: nimm Bild«, Sonderdruck der KfA, o. D., in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 9 | Flugblatt des Springer-Verlags Berlin / H eidelberg / N ew York, Januar 1968, in: ebd., Herv. i. O. 10 | Vgl. o. A.: »Springer ist nicht Springer«, in: DISKUS 17, 1 (1968), S. 15.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Z ur V orgeschichte des S pringer -Tribunals Nach der Kurras-Enthüllung im Frühjahr 2009, die in Deutschland für Unruhe sorgte, versuchte Matthias Döpfner, Chef des Springer-Verlags, im Herbst des Jahres ein zweites Springer-Tribunal zu veranstalten. Es kann als Neuauflage des Tribunals von 1968 angesehen werden11 und sollte einer moralischen Wiedergutmachung des Springer-Verlags dienen. Döpfner verlangte eine Entschuldigung der »uneinsichtigen Protagonisten der 68er-Bewegung«. Seinem Haus sei damals »Unrecht widerfahren«.12 Dies forderte der Springer-Verlag aufgrund der im Zusammenhang mit der Kurras-Affäre ans Licht gekommenen Fakten. Denn Kurras, Symbolfigur der Gewaltbereitschaft des verhassten ›Systems‹, verkörperte eben nicht nur dieses System, wie damals und seitdem immer wieder behauptet wurde, sondern war auch Spitzel der DDR, Mitarbeiter der Stasi und zudem Mitglied der SED. Mehrere prominente Alt-68er verweigerten die Teilnahme an dem Tribunal – unter anderem Daniel Cohn-Bendit, Peter Schneider und Christian Semler –, so dass das Springer-Tribunal 2009 scheiterte. Im Januar 2012 wurden dann durch neue Ermittlungen der Bundesanwaltschaft und Recherchen des Spiegels weitere Details bekannt. Kurras habe, entgegen seiner Behauptung, Ohnesorg wie bei einer »Exekution« erschossen. Die Berliner Polizei habe die Wahrheit systematisch vertuscht.13 In diese Geschichte ist auch der Springer-Journalist Wolfgang Schöne verwickelt. Er war ein mit Kurras privat befreundeter Polizeireporter der B.Z. Als eine Hausdurchsuchung drohte, habe Kurras seine überschüssige Munition an ihn mit der Bitte übergeben, sie verschwinden zu lassen.14 Diese neue Enthüllung ist wichtiger als die Enttarnung Kurras’ als Stasiinformant. Deutlich wird: Die Verbindung Kurras’ zum MfS spielte für den Tod Ohnesorgs keine Rolle. Maßgeblich für das Verhalten des Todesschützen war nicht dessen Tätigkeit als Spion, sondern die hohe Gewaltbereitschaft gegen Demonstranten, die die gesamte Berliner Polizei prägte.
11 | Vgl. I. Below: »Eingreifende Kunstgeschichte«, S. 11. 12 | Zit. n. ebd. Vgl. auch Toepser-Ziegert, Gabriele: »Erinnerungen an die Anti-Sprin ger-Kampagne«, in: Horst Pöttker / d ies. (Hg.), Journalismus, der Geschichte schrieb. 60 Jahre Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland: Symposium für Kurt Koszyk, Berlin / N ew York 2010, S. 73-76, hier S. 75. 13 | Vgl. J. Dahlkamp / S . Röbel / M . Sontheimer / U. Soukup / H . Stark / P. Wensierski: »Aus kurzer Distanz«, in: Der Spiegel vom 23. Januar 2012, S. 36-45, hier S. 42. 14 | Winkler, Willi: »Berliner Polizei vertuschte den gezielten Schuss«, in: süddeutsche. de vom 22. Januar 2012, http://www.sueddeutsche.de/politik/tod-von-benno-oh nesorg-berliner-polizei-vertuschte-den-gezielten-schuss-1.1264325 vom 22. August 2012.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
Das Springer-Tribunal im Februar 1968 sollte eine große dreitägige Veranstaltung werden. Es war an die Idee von Bertrand Russells »Vietnam-Tribunal« aus dem Jahr 1967 angelehnt. Ein Tribunal wird wie ein Strafprozess geführt, an dessen Schluss das Auditorium den Urteilsspruch fällt. Worum sollte es gehen? Im Laufe des Tribunals sollten die »Manipulationstechniken, die Korrumpierung der Mitarbeiter innerhalb des Verlagshauses und die zunehmende Monopolisierung der Presse vor einem Auditorium« aufgedeckt werden.15 Auf die spektakulären, vom SDS durchgeführten Anti-Springer-Demonstrationen, die sich im Oktober 1967 auf der Frankfurter Buchmesse vor laufenden Fernsehkameras abgespielt hatten, folgte das Tribunal als weiterer Höhepunkt der Kampagne.16 Nachdem mit verschiedenen Anti-Springer-Großveranstaltungen an Universitäten und in Großstädten seit dem Oktober 1967 ein »Flugblattkrieg« geführt wurde und »Gegenzeitungen« wider die Springer-Blätter erschienen, wurde das Tribunal der »Ausgangspunkt für verschiedene Verweigerungs- und Blockadeaktionen«. Durch diese Aktivitäten sollte die Anti-Springer-Operation im Frühjahr 1968 ein Stadium erreichen, in dem sich die »Möglichkeit[en] für konzentrierte Massenaktionen und deren Offensivcharakter«17 gegen den Konzern zu konkreten Formen entwickeln würden. Die Vorgeschichte des Tribunals reicht bis in den Sommer 1967 zurück. Kurz nach dem Beginn der Anti-Springer-Kampagne am 5. Juli 1967 berichtete der Berliner Extra-Dienst über die Vorbereitung eines Tribunals gegen den Springer-Konzern. Darin sollte geprüft werden, ob das Unternehmen gegen das Verfassungsgebot der Völkerverständigung verstoße und Volksverhetzung betreibe.18 Auf einer Sitzung beschloss der RC am 21. August 1967, die Öffentlichkeit über das geplante Springer-Tribunal zu informieren.19 In der ersten Vollversammlung, die im RC im Zusammenhang mit der in Planung stehenden KU innerhalb der FU stattfand, sollte als vorrangiges Thema die Vorbereitung des Springer-Tribunals diskutiert werden.20 Auch Dutschke äußerte sich im September 1967 zum Tribunal. Er hatte am 10. Juli desselben Jahres bereits im Spiegel die Enteignung des Springer-Verlags gefordert. Das Tribunal solle beweisen, 15 | T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 181. 16 | Vgl. L. Rolke: Protestbewegungen in der Bundesrepublik, S. 283. 17 | O. A. [W. Lefèvre]: »Berliner Winter«, S. 5 f. (Archivalien). 18 | J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 130. 19 | Vgl. RC, »Pressekomitee im Republikanischen Club: Protokoll der Sitzung am 21. August 1967«, S. 2, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / F ich ter. Die Broschüre »Springer Enteignen?«, die der RC im November 1967 herausgege ben hat, entstand auch zur Vorbereitung des Springer-Tribunals. Vgl. M. L. Müller: Berlin 1968, S. 174. 20 | Vgl. KU, »Information Nr. 1«, Seminar II der Kritischen Universität, am 23. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973.
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dass die »Volksverhetzung und Entmündigung der Menschen durch Manipulation« in der Bundesrepublik Deutschland die »Ergänzung zum Völkermord in Vietnam [und] zur gewaltsamen Niederschlagung aller sozialrevolutionären Bewegungen in der Dritten Welt« sei. Man habe das Recht und die Pflicht, die »antidemokratische Tätigkeit der Manipulateure« anzugreifen.21 Ein Konzeptpapier des Tribunals aus dem Oktober 1967 begriff den Springer-Konzern als »Fabrik zur massenhaften Herstellung [einer] antidemokratische[n] Ideologie«.22 Das Tribunal solle klären, inwiefern der Konzern den »Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft« widerspreche und wie er zu bekämpfen sei.23 Eine kleine Gruppe in Westberlin bereitete das Tribunal vor. Das Sekretariat bestand aus Personen, die für die Anti-Springer-Kampagne eine wichtige Rolle spielten: Bernhard Blanke, Hans-Joachim Hameister und Peter Schneider. In einem von ihnen erarbeiteten Papier mit dem Titel »Springertribunal in Berlin« hieß es: Die Springer-Presse sei »schon längst zu einer von niemanden bestellten und von niemanden kontrollierten Zensurbehörde über die öffentliche Meinung geworden. […] Heute ist das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Westdeutschland, in Westberlin ein Monopol Axel Springers.«24 Spätestens seit dem 2. Juni 1967 sei klar, dass die Springer-Presse nicht nur eine Bedrohung für das Leben der Demokratie, sondern auch für das Leben des Einzelnen sei. Die »Interessengemeinschaft« zwischen dem Springer-Konzern und dem Staat lähme dessen Kontrollinstanzen. »Der Fall Springer« müsse öffentlich verhandelt werden. Daher würde im Dezember 1967 in Westberlin ein Tribunal tagen, das untersuchen solle, welcher »Vergehen gegen unsere Gesellschaft« sich der Springer-Konzern schuldig gemacht habe.25 Am Ende des Papiers bat das Sekretariat um eine Spende.26 Schon im Oktober 1967 standen folgende Anklagepunkte fest, die den Kern der Anschuldigung ausmachten: »Praktizierung faschistischen Meinungsterrors, Boykotthetze gegen Gastarbeiter bei Ansteigen der Arbeitslosenzahlen, Verniedlichung und Ignorierung von Mißständen in nerhalb der [öffentlichen, Anm. d. V.] Verwaltung, Anstiftung zum Mord, Rufmord an
21 | R. Dutschke: »Besetzt Bonn!«, S. 98. 22 | O. A.: »Konzeption des Springer-Tribunals – Vorläufiger Entwurf«, Oktober 1967, S. 3, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. 23 | Ebd., S. 1. 24 | Blanke, Bernhard / H ameister, Hans-Joachim / S chneider, Peter: »Springertribunal Berlin«, das vorbereitende Sekretariat des Springer-Tribunals, o. D., vermutlich Oktober oder November 1967, S. 1, in: ebd. 25 | Ebd., S. 2. 26 | Ebd., S. 4.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing fortschrittlichen Persönlichkeiten, Aufruf zur Lynchjustiz und Aufforderung an die WestBerliner Bevölkerung, sich den links-fortschrittlichen Kräfte gewaltsam zu entledigen.«27
Während sich diese Aspekte allgemein auf den Konzern bezogen, richtete sich der nächste Anklagepunkt an den Gründer und Inhaber des Konzerns, Axel C. Springer: »Als Funktionär des Propagandaministeriums unter Goebbels« habe er seine Kenntnisse und Fähigkeiten nach 1945 für die Umgestaltung der Zeitungslandschaft der Bundesrepublik Deutschland genutzt. In ihrer Struktur würde diese nun an die »unpolitische Seite der nationalsozialistischen Propaganda« anknüpfen.28 Bernd Rabehl, einer der wichtigsten Aktivisten des SDS, erklärte die Bedeutung des Tribunals in Hinsicht auf die Bündnisstrategie des SDS: »Auf einem ›Tribunal‹ sollten Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Medien über den Zustand der westdeutschen Nachkriegsdemokratie befinden. Diese Veranstaltung wurde als Gelegenheit betrachtet, die unterschiedlichen Oppositionskräfte in West deutschland und Westeuropa zusammenzubringen, um über Aktionen gegen den einen Konzern den Kampf gegen die Konzernwirtschaft allgemein in Gang zu bringen. Das ›Tri bunal‹ sollte ein Bündnis schmieden und zugleich einen Prozeß vor dem Verfassungs gericht oder vor einem europäischen Gerichtshof anstreben, der ein Monopol in den Medien untersagen sollte, weil die Freiheit der Meinung und der Information durch das ›Meinungsmonopol‹ gefährdet schien. […] [W]ichtig waren für den SDS die Bündnisfrage und die Aktionen, um über den subjektiven Faktor die objektiven Herrschaftsbedingun gen zum Einsturz zu bringen.«29
Das seit Juli 1967 angekündigte Springer-Tribunal, das eigentlich zu Beginn des Wintersemesters im Oktober stattfinden sollte, wurde von Monat zu Monat verschoben und schließlich für den Februar 1968 angesetzt.30 Es kam zur Gründung eines »Büros des Springertribunals«. Es forderte die ASten in Westberlin und der Bundesrepublik Deutschland auf, beim Verkauf der Plaketten mit der Aufschrift »Sprengt Springer« zu helfen. Das eingenommene Geld soll-
27 | SDS-Projekt, Leitung Theo Pirker, Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche For schung der Freien Universität Berlin – Abschlußbericht für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis zum 31. Juli 1990, zit. n. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 174. 28 | Ebd., S. 174 f. 29 | Rabehl, Bernd: »Die drei Anti-Springer-Kampagnen 1967 / 6 8. Kommentar zu den Arbeiten von Hubertus Knabe«, in: Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat 7, 11 (2002), S. 143-150, hier S. 144. 30 | Vgl. M. L. Müller: Berlin 1968, S. 177.
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te das Tribunal finanzieren.31 Zur weiteren Finanzierung und Werbung für das Tribunal wurden Postkarten verkauft, die Axel Springer mit einem Becher in der Hand zeigten, auf dem das Logo »Enteignet Springer« zu lesen war.32 Die Vorbereitungsgruppe des Tribunals entwarf auch Flugblätter, die an Staatsanleihen erinnerten: »Anleihe der Antispringer-Kampagne 1.000 DM«. Jedes einzelne Plakat hatte eine eigene Nummer und zeigte den Abgabepreis sowie ein Spendenkonto an.33 Auf der Rückseite dieser Flugblätter prangte eine Collage aus verschiedenen Springerzeitungen, in der Mitte durchschlagen von einer geballten Faust. Ein kleiner Text auf der Vorderseite des Flugblattes erklärte die ironische Absicht: »Der Springerkonzern schuldet dem Inhaber dieser Anleihe 1.000 DM. Die Zinsen wer den von den Inhabern selbst bestimmt und können durch gemeinsame Aktionen gegen das Springerhochhaus in Berlin und alle Zweigstellen des Springerkonzerns Tag und Nacht eingelöst werden. Die ersten Verzinsungsaktionen finden noch in diesem Jahr statt. Alle Anleihen der Antispringerkampagne sind ungedeckt und werden revolutionär getilgt. Der Tag der Enteignung gilt als Tag der Einlösung. Eine vorzeitige Kündigung ist ausgeschlossen. Die Inhaber der Anleihe verpflichten sich, das gesamte Springerkapi tal zum Kampf gegen das Bonner Bildleserparlament und seine Minister zu verwenden. Der Anspruch auf das Kapital erlischt, wenn die Enteignung Springers nicht sofort nach dem Eintritt ihrer Möglichkeit durchgeführt wird.« 34
Eine »kompromißlos[e] Umsturz- und Enteignungsrhetorik«35 prägte die zweite Hälfte des Flugblattes. In deren Zentrum war eine geballte Faust abgebildet, begleitet von dem Text: »Zögert nicht! Die Vernichtung des Springerkonzerns hat schon begonnen. Weder die internationale Konterrevolution noch ihre Läu31 | Büro des Springertribunals, Rundbrief, o. D., vermutlich Januar 1968, in: APOArchiv, SDS-Springer Kampagne. 32 | Postkarte, die ein Foto von Axel Springer mit dem Becher zeigte, vermutlich Januar 1968, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. 33 | Flugblatt der Anti-Springer-Kampagne, »Anleihe der Antispringer-Kampagne 1000 DM«, 1968, in: ebd. Während der Abgabepreis in diesem Flugblatt 3 DM beträgt, beläuft er sich in einem anderen Flugblatt auf 2 DM: J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provoka tionen, S. 147. Das Exemplar mit der ›Anleihe‹ zu 3 DM hat die Nummer 00074, das zu 2 DM hat die 01039. Zu vermuten ist, dass der Abgabepreis allmählich gesunken ist. 34 | Flugblatt der Anti-Springer-Kampagne, »Anleihe« (Archivalien). 35 | Baringhorst, Sigrid / K neip, Veronika / N iesyto, Johanna: »Wandel und Kontinuität von Protestkulturen seit den 1960er Jahren: Eine Analyse ausgewählter Anti-Corporate Campaigns«, in: dies. / A nnegret März (Hg.), Politik mit dem Einkaufswagen: Unterneh men und Konsumenten als Bürger in der globalen Mediengesellschaft, Bielefeld 2007, S. 109-135, hier S. 120.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
fer und Springer können gerettet werden. Worauf wartet ihr? Feinfühligkeit gegenüber dem Feind bedeutet Brutalität gegenüber der Revolution.« Das Flugblatt forderte: »Brecht die Macht der Manipulateure! Enteignet Springer!«36 Aufgrund der verschiedenen Mobilisierungsstrategien gegen den SpringerVerlag konkurrierte das für Februar 1968 geplante Springer-Tribunal innerhalb der Anti-Springer-Kampagne mit der Idee des »Springer-Hearings«. Die Linksliberalen wie Augstein vom Spiegel und Bucerius vom Stern, welche die Kampagne der APO unterstützten, favorisierten letzteres. Anders als ein Tribunal, das aus einer Anklage und gegebenenfalls einer Verurteilung bestand, würden während eines Hearings von Fachleuten erstellte Gutachten mit wissenschaftlich abgesicherten Ergebnissen vorgetragen werden. Die Verleger Augstein und Bucerius machten ihre finanzielle Unterstützung davon abhängig, dass die für den Februar geplante Großveranstaltung in ein Hearing umgewandelt und der Anspruch, den Konzern zu enteignen, abgeschwächt werden würden. Während der SDS und der Springer-Arbeitskreis der KU – eine »Avantgarde des studentischen Kampfes gegen Springer«37 – unbedingt am Konzept des Tribunals festhalten wollten, waren die Linksliberalen und der RC dafür, es als Hearing zu organisieren. Die Befürworter der Anhörung hofften, die linksbürgerlichen und sozialdemokratischen Kreise für die Kampagne gewinnen und die Aktion so auf eine breitere Basis stellen zu können.38
D ie »M olotow -V er anstaltung « am 1. F ebruar 1968 und ihre F olgen Vor diesem Hintergrund kamen die Protagonisten am 1. Februar 1968 in Westberlin zusammen, um das Tribunal vorzubereiten. Das Plakat, das die Veranstaltung ankündigte, schlug noch einen eher kämpferischen Ton an. In seinem 36 | Flugblatt der Anti-Springer-Kampagne, »Anleihe« (Archivalien). 37 | KU, »Zur Notwendigkeit von Kampagnen – Erfahrungen des Arbeitskreises Springer der Kritischen Universität«, S. 1-3, hier S. 1, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Für den »Springer-Arbeitskreis« der KU vgl. Pätzold, Ulrich: Der Springer-Arbeitskreis der Kritischen Univeristät 1967 / 6 8. Versuch einer publizistikwissenschaftlichen Ein ordnung. Unveröffentlichte Magisterarbeit, Freie Universität Berlin 1970. 38 | Vgl. T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 181; M. Schmidt ke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 180; G. Oy: Die Gemeinschaft der Lüge, S. 128. Bucerius war deutlich gegen das Konzept des Tribunals. »Das ›Tribunal‹ sollten wir scharf kritisieren […]. Es erinnert peinlich an das Stockholmer Tribunal gegen die USA.« Zit. n. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 455. Auch für Augstein war das Tribunal »unnütz, ja schädlich« und deshalb müsse »der Gedanke des Tribunals aufgegeben wer den.« Zit. n. o. A.: »Rückspiegel: Zitat«, in: Der Spiegel vom 8. Juni 2009, S. 154.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Zentrum befand sich eine große Faust, zu lesen war: »Arbeitskreis der Kritischen Universität SPRINGERTRIBUNAL zerstört SPRINGERS WELT BILD […] Enteignet Springer!«39 Ein Flugblatt, ebenfalls für die Veranstaltung entworfen, verlautbarte: »Wie kämpft man gegen die Manipulateure? Arbeitskreis der Kritischen Universität SPRINGERTRIBUNAL beginnt den Kampf.«40 Diese Ankündigungen zeigen, dass der »Springer-Arbeitskreis« der KU in »Springertribunal« umbenannt worden war, um das Konzept des Tribunals zu unterstreichen. Am Abend des 1. Februar trafen also im Auditorium Maximum der TU in Westberlin rund 1500 Personen ein, um im Rahmen einer Veranstaltung der KU das Tribunal vorzubereiten.41 Peter Schneider, der als Mitorganisator und Sekretär der Anti-Springer-Kampagne auch zum vorbereitenden Sekretariat des Tribunals gehörte, hielt die Eröffnungsrede.42 Er betonte, dass die Protestbewegung nicht deshalb gegen die Springer-Presse kämpfe, weil diese einseitig berichte und auf Emotionen setze, sondern weil sie dies alles im Interesse der Herrschenden tue. Die Springer-Presse sei nicht »Anwalt der arbeitenden Massen, sondern ihr Feind«.43 Weil es nicht mehr ausreichte, die Springer-Presse als Feind der Studentenbewegung zu identifizieren, unterstrich Schneider am Ende der Rede das Bündnis der Anti-Springer-Kampagne mit der Arbeiterklasse. Er verkündete: »Wir, die Studenten und Arbeiter, haben […] den gleichen Feind. […] Wenn wir Springer als gemeinsamen Feind der Studenten und Arbeiter bekämpfen wollen, dann müssen wir ihn auch gemeinsam mit den Arbeitern bekämpfen.«44 Nach der Rede von Schneider trug der Springer-Arbeitskreis der KU seine Analyse der Berichterstattung der Springer-Presse vor.45
39 | KU, Plakat für die Veranstaltung am 1. Februar 1968, Arbeitskreis der KU, Sprin gertribunal, in: APO-Archiv, FU-Flugblätter, Internationale Vietnam-Konferenz, Februar 1968. 40 | Flugblatt der KU für die Veranstaltung am 1. Februar 1968, Arbeitskreis der KU, Springertribunal, in: ebd. 41 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 69 (Zeittafeldatum 1. Feb ruar 1968). 42 | Ingo Cornils, Germanist in England, schrieb über Peter Schneider: »The young wri ter was chosen by none other than Rudi Dutschke himself to prepare the Anti-Springer campaign«. Ders.: »Utopian Moments: Memory Culture and Cultural Memory of the Ger man Student Movement«, in: ders. / S arah Waters (Hg.), Memories of 1968. Internati onal Perspectives (= Cultural History and Literary Imagination, Band 16), Bern 2010, S. 281-298, hier S. 291. 43 | Schneider, Peter: »Die Bild-Zeitung, ein Kampfblatt gegen die Massen«, in: ders., Ansprachen: Reden, Notizen, Gedichte, Berlin 1981, S. 15-28, hier S. 23. 44 | Ebd., S. 27 f. 45 | Vgl. U. Pätzold: Der Springer-Arbeitskreis, S. 53, Anm. 13.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
Tilman P. Fichter und Siegward Lönnendonker, ehemalige Aktivisten des SDS, hielten diese Szene fest: »Für den organisatorischen Ablauf wählten die Veranstalter bewußt eine Form, die nichts mehr mit einer traditionellen Universitätsveranstaltung zu tun hatte: Die herge brachten Mittel, Spannung zu erzeugen – z. B. durch Streitgespräche zwischen Autori täten –, wurden bewußt gemieden. Stattdessen saßen ca. 50 Personen an mehreren Tischen auf dem Podium und trugen die Ergebnisse der verschiedenen Untergruppen des Springer-Arbeitskreises der KU vor: Die Berichterstattung der Springer-Presse über die Große Koalition, Gewerkschaften und Notstandsgesetze, das Grubenunglück in Lengede, die Kulturrevolution in der Volksrepublik China, die Black-Power-Bewegung, über ›Sittenstrolche‹ u. a. Der letzte Beitrag ›Der Zynismus der BILD-Leser‹ faßte die bisherige empirische und theoretische Arbeit der Gruppen in dem Slogan zusammen: ›Das Problem der BILD-Leser ist nicht ihre Dummheit, sondern ihre Ohnmacht!‹« 46
Am Ende der Veranstaltung verabschiedeten die Teilnehmer eine Resolution. Sie stellte dem Verleger Springer das Ultimatum, innerhalb von 14 Tagen seine Enteignung einzuleiten und die Redaktionen der Bild-Zeitung und der B.Z. durch gewählte Vertreter der Studentenschaft besetzen zu lassen. Falls er diese Forderung nicht erfülle, würden »direkte Aktionen« gegen seinen Pressekonzern folgen.47 Bevor es zur Abstimmung kam, flimmerte noch ein fünfminütiger Film des Filmstudenten Holger Meins über eine Leinwand. Er trug den Titel: »Wie stelle ich einen Molotow-Cocktail her?« Nach der Abstimmung wurde der kurze Lehrfilm erneut vorgeführt. In seiner Schlusssequenz trifft ein Molotowcocktail auf ein Autowrack. Im Hintergrund der Szene, eher beiläufig zu sehen: das Springer-Hochhaus.48 Die Vorführung dieses »kleine[n] naive[n] Film[s]« sei vorher nicht besprochen worden, so das ehemalige SDS-Mitglied Thomas Mitscherlich.49 Die Zuschauer reagierten auf den Film teils mit Unbe46 | T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 181. Für die gesam ten Referate vgl. o. A.: »Referate der Springer-Veranstaltung der KU vom 2.2.1968«, in: SDS-Autorenkollektiv / S pringer Arbeitskreis der KU (Hg.), Der Untergang der BildZeitung, S. 15-67. Das Datum, 2. Februar 1968, war falsch, die Veranstaltung hatte am 1. Februar stattgefunden. 47 | J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 142. 48 | Vgl. U. Chaussy: Die drei Leben, S. 202; Achenbach, Marina: »Ein Mosaik zärtlicher Erinnerungen an einen verhungerten Terroristen«, in: freitag.de vom 23. März 2001, http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ein-mosaik-zar tlicher-erinnerungen-aneinen-verhungerten-terroristen vom 31. August 2012. Holger Meins, der später als RAFMitglied aufgrund eines Hungerstreik in der Haft verstarb, studierte wie Helke Sander an der Deutschen Film- und Fernsehakademie. 49 | Zit. n. S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 178.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
hagen, teils mit Begeisterung. Einige Aktivisten im Publikum verstanden ihn als Aufruf zur Tat. Der SDS-Aktivist Christian Semler, der kurz danach auf der Bühne auftauchte und ein Streichholz anzündete, dachte dazu laut über »revolutionäre Touristen« nach, die mit Molotowcocktails in ihren Rucksäcken nach Spanien zu Diktator Franco reisen könnten.50 Semlers Verhalten löste bei einigen Zuschauern ein Kopf kino aus: verbotene Wünsche, unterdrückte Bilder. Der Film und Semlers Auftritt konnten als Aufruf zum Gebrauch von Molotowcocktails gegen Springer verstanden werden. Wegen der Filmvorführung ging dieses Treffen als die sogenannte Molotow-Veranstaltung in die Geschichte ein. Sie zog scharfe Kritik auf sich, auch von Teilen der Protestbewegung.51 Die Vorbereitungsveranstaltung vom 1. Februar wurde aufgrund der Filmvorführung und der sich anschließenden Ereignisse, die im weiteren Verlauf dieses Kapitels dargestellt werden, berühmter als das Springer-Hearing. In derselben Nacht durchschlugen Steine die Fensterscheiben von sieben Filialen der zum Springer-Konzern gehörenden Berliner Morgenpost. Einige der Geschosse waren in Flugblätter eingewickelt, die die Aufschrift »Enteignet Springer« trugen. Die Polizei konnte die Täter nicht ermitteln.52 Bernhard Blanke, Sprecher des Presse-Arbeitskreises im RC, hatte noch wenige Stunden vor den Steinwürfen vor derartigen Aktionen gewarnt. Diese würden der Anti-Springer-Kampagne schaden, hatte er während der Veranstaltung in der TU erklärt.53 Durch den Vandalismus sei nicht die Springer-Presse zum »Objekt der Öffentlichkeit« geworden, sagte Mitscherlich, »sondern wieder einmal wir selbst«.54 Schneider wusste, dass Steinwürfe das »Ende des Tribunals« darstellten. In den nächsten Tagen erreichten ihn Absagen von prominenten Akteuren, die er zur großen Anti-Springer-Veranstaltung eingeladen hatte, die für den 9.
50 | Vgl. P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 246. Zit. n. ebd. 51 | Vgl. o. A.: »Kritik der Molotow-Veranstaltung«, in: SDS-Autorenkollektiv / S pringer Arbeitskreis der KU (Hg.), Der Untergang der Bild-Zeitung, S. 68-72. 52 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 69 (Zeittafeldatum 2. Fe bruar 1968); T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 182. An der »Anti-Springer-Aktion« nahm Dutschke mit dem Komponisten Hans Werner Henze teil. Obwohl die Steinwürfe Henzes von Kameras aufgenommen wurden, die im SpringerHaus eingebaut waren, verschwieg die Springer-Presse Henzes Tat. Nur Dutschke wurde später dafür verantwortlich gemacht. Vgl. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 175. Vgl. auch Dutschke, Rudi: Aufrecht gehen. Eine fragmentarische Autobiographie, Frankfurt a. M. 1981, S. 199. »Die Premiere des weltberühmten Komponisten als Streetfighter« sei, bemerkt auch Peter Schneider, von der Kamera ohne Zweifel festgehalten, aber vom Springer-Konzern verheimlicht worden. P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 247. 53 | Vgl. W. Kraushaar: Achtundsechzig, S. 161. 54 | Zit. n. S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 178
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
bis 11. Februar geplant war.55 Die Anschläge hatten zudem zur Folge, dass der Senat in Westberlin starken Druck auf Professoren und Journalisten ausübte, die ihre Teilnahme bereits zugesagt hatten, aber nunmehr zurückschreckten. Rektoren wurden aufgefordert, keine Räume für das Hearing oder das Tribunal zur Verfügung zu stellen.56 Mit einer hasserfüllten Sprache reagierten die Springer-Zeitungen auf die Steinwürfe. Die Bild-Zeitung brachte die Schlagzeile »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!«57 In einer vom Springer-Konzern am Morgen des 2. Februar verbreiteten Erklärung hieß es: »Die sich aus solchen Gewalttaten ergebenden Gefahren für die demokratische Gesellschaft und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik sind offensichtlich. Wir erinnern an die zahlreichen Übergriffe der Nationalsozialisten, die fast auf den Tag genau vor 35 Jahren die Macht in Deutschland übernahmen.«58 Wie einem Befehl des Oberhaupts gehorchend, verbreitete die Bild-Zeitung am nächsten Tag diese Erklärung. Sie wiederholte und konkretisierte sie: Auf der einen Hälfte einer Zeichnung, die die Bild-Zeitung druckte, werfen zwei SA-Leute Steine in einen Laden. Auf der Fensterscheibe steht »JUDEN RAUS«. Auf der anderen wirft ein mit »SDS« gekennzeichneter Mann die Fensterscheibe einer Berliner-Morgenpost-Filiale ein, auf der »ENTEIGNET SPRINGER« steht. Der Text darunter: »Wie sich die Bilder gleichen!«59 Das Beispiel zeigt, wie die Springer-Presse über die APO und ihre Anti-Springer-Kampagne urteilte. Mit der Karikatur, welche die Steine werfenden Studenten mit der SA der Reichskristallnacht in der NS-Zeit verglich, machte die Springer-Presse die Aktivisten der APO und der Anti-Springer-Operation zu Faschisten. Indem es die Opfer des Naziterrors für sich instrumentalisierte, stilisierte das »größte Presseimperium« der Bundesrepublik Deutschland sich selbst zum »neue[n] Opfer der wieder auferstandenen Nazitäter«.60 Am selben Tag reagierte die von den Steinwürfen getroffene Berliner Morgenpost mit bissigen Schlagzeilen. Sie kritisierte »Molotow-Cocktails vor dem Zirkus«.61 Das Springer-Tribunal sei eine »Aufforderung zum Terror«. Mit der 55 | Vgl. P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 247. 56 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 92; I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewe gung, S. 70. 57 | O. A.: »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 7. Fe bruar 1968, S. 1. 58 | Zit. n. J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 142. 59 | O. A.: »Terror-Aktion gegen Zeitungs-Filialen«, in: Bild-Zeitung (Berlin), 3. Februar 1968, S. 3. 60 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 247. Vgl. auch S. Lönnendonker (Hg.): Links intellektueller Aufbruch, S. 178. 61 | Köster, Heinz: »Molotow-Cocktails vor dem Zirkus«, in: Berliner Morgenpost vom 3. Februar 1968, S. 2.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
»direkten Aufforderung zu Gewalttätigkeiten« gegen den Konzern habe eine »Anti-Springer-Veranstaltung« in der TU ihren »Höhepunkt« erreicht.62 Diese Behauptung verschärfte die Bild-Zeitung vom 5. Februar in einem Kommentar mit der Überschrift »Enteignet Deutschland«. Angesichts der zerbrochenen Fensterscheiben sei klar geworden: »Es geht nicht um Springer, […] sondern um unser aller Freiheit. Aus dem ›Enteignet Springer‹ wird ein ›Enteignet Deutschland‹.«63 Zwei Tage später rief die Bild-Zeitung unter der Überschrift »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!« offen zu Gewalt auf: »Man darf über das, was zurzeit geschieht, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und man darf auch nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen. Schlafen unsere Ritter? Schlafen unsere Politiker? Wie lange wollen sie noch zulassen, daß unsere jungen Leute von roten Agitatoren aufgehetzt, daß unsere Gesetze in Frage gestellt, unterwandert und mißachtet werden? […] Unsere Jung-Roten sind inzwischen so rot, daß sie nur noch rot sehen, und das ist gemeingefährlich und in einem geteilten Land lebensgefährlich. Stoppt ihren Terror jetzt!« 64
Das klang wie eine Aufforderung zur Menschenjagd, die auf Aktivisten der APO und der Anti-Springer-Kampagne zielte. Politiker in Westberlin unterstützten den Springer-Konzern dabei kräftig. In einer Stellungnahme bezeichnete der Justizsenator Hans-Günther Hoppe (FDP) die Aktionen gegen die Springer-Filialen als »faschistische Methoden« und verglich sie mit der Reichskristallnacht.65 Innensenator Kurt Neubauer (SPD) sprach von »kriminelle[n] Handlung[en]«.66 Der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) erklärte mit Nachdruck, dass der Senat mit allen Mitteln gegen jeden Versuch vorgehen 62 | O. A.: »›Wie stelle ich einen Molotow-Cocktail her?‹ ›Springer-Tribunal‹: Aufforde rung zum Terror«, in: Berliner Morgenpost vom 3. Februar 1968, S. 7. 63 | O. A.: »Enteignet Deutschland«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 5. Februar 1968, S. 1. 64 | O. A.: »Stoppt den Terror«. Zusammen mit dem Artikel war ein gerahmtes Foto von Dutschke abgedruckt. Dessen Sohn Marek erhebt im April 2012 in einem Beitrag für Spiegel Online Vorwürfe gegen den Springer-Konzern: Die Parolen der Bild-Zeitung, wie »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!«, hätten die Schüsse auf seinen Vater provo ziert. Springer sei mitverantwortlich für das Attentat auf Dutschke und für die weitere Eskalation der Gewalt. Vgl. Dutschke, Marek: »Dutschke-Sohn: Springer war Meinungs macher, kein Opfer«, in: Spiegel Online vom 30. April 2012, http://www.spiegel.de/kul tur/gesellschaft/marek-dutschke-axel-springer-war-kein-opfer-a-829694.html vom 12. Juli 2013. 65 | Zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 70 (Zeittafeldatum 3. Fe bruar 1968). Der Bundestagsabgeordnete Adolf Arndt (SPD) sprach sogar von Gewalt taten »roter Faschisten«. Zit. n. H. Voßberg: Studentenrevolte und Marxismus, S. 211. 66 | Zit. n. W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 39.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
werde, den Rechtsstaat handlungsunfähig zu machen.67 Die Welt am Sonntag veröffentlichte am 4. Februar die Kritik vieler Bundespolitiker. Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt betrachtete die Angriffe auf den Springer-Konzern als »Übertretungen jener Grenzen, die Anstand und Gesetz gebieten«.68 Während der stellvertretende Vorsitzende der CDU / CSU-Bundestagsfraktion Richard Stücklen von »übelstem Rowdytum« sprach, erklärte der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Wolfgang Mischnick: »Wer glaubt, mit Sprengkörpern oder Gewalt Probleme der Pressekonzentration lösen zu können, täuscht sich.« Der ehemalige Berliner DGB-Chef Ernst Scharnowski überzeichnete die Situation: In Westberlin habe man es mit dem »weiße[n] Vietkong« zu tun, der die »Machtergreifung« im Blick habe.69 In dieser aufgeheizten Situation diskutierte das Berliner Abgeordnetenhaus am 8. Februar über die »innere Situation der Stadt« und über ein Verbot des SDS. Kurt Neubauer verkündete derweil ein härteres Vorgehen der Polizei bei illegalen Demonstrationen. »Wer die Konfrontationen will, muß wissen, daß der Punkt erreicht ist, wo er sie auch bekommt.« 70 Die Reaktion der Studenten auf die Kritik der Springer-Presse ähnelte der Art und Weise, mit der diese die Protestbewegung zu diskreditieren versucht hatte. In einem Flugblatt stellten sie Julius Streicher und Axel Springer nebeneinander. Während Streicher in seiner Zeitung Der Stürmer den »Judenmord« verklärt habe und dafür zum Tode verurteilt worden sei, würde Springer, der zum »Studentenmord« aufrufe, bisher nicht verurteilt werden und weiter hetzen.71 Ein anderes Flugblatt (überschrieben mit: »Wer ist hier Nazi und wer Jude?« 72) stellte Szenen aus dem Jahr 1933 und 1968 nebeneinander und setzte so die Studenten an die Stelle der Juden: Ein Foto aus dem Jahr 1933 zeigt einen von Nazis bewachten Juden, ein Foto von 1968 einen auf dem Boden liegenden, von Polizisten zusammengeschlagenen Demonstranten der APO. Daneben waren zwei zeitgenössische Fotos von Springer gesetzt, auf einem ist er mit Naziuniform zu sehen.73 Dazu heißt es in einem Begleittext in einer Frage an die 67 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 70 (Zeittafeldatum 5. Feb ruar 1968). 68 | Zit. n. o. A.: »Stücklen erklärt: Übles Rowdytum. Politiker äußern sich zu Vorgängen in Berlin«, in: Welt am Sonntag vom 4. Februar 1968, S. 5. 69 | Ebd. 70 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 72 (Zeittafeldatum 8. Februar 1968). 71 | J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 144. 72 | Flugblatt von Studenten, »Wer ist hier Nazi und wer Jude?«, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 73 | Das Foto war aus dem Jahr 1933, in dem Springer für knapp sechs Monate Anwär ter auf eine Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps war. Ansonsten
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Leser des Flugblatts: »Was hättet ihr gesagt, wenn die Juden damals die Fensterscheiben der SA-Filialen zertrümmert hätten?« 74 Die Steinwürfe gegen den Springer-Konzern stellten demnach einen Akt des Widerstands dar, einen Hilferuf, der die Bevölkerung wachrütteln und ihr die Augen öffnen sollte. Der Geist des Nationalsozialismus schien nach Auffassung der Studenten in Springer einen zeitgenössischen Ausdruck gefunden zu haben, und die Studenten kämpften dagegen an. Steine gegen die Springer-Schaufenster seien daher, das bekäftigte das ehemalige SDS-Mitglied Thomas Mitscherlich, ein »bewußtes Wollen« und ein »bewußter Akt« gewesen.75 Die Zerstörung der Fenster habe, erklärte der damalige SDS-Aktivist Peter Gäng, nur eine »harmlose Aktion« dargestellt. Die Handlung sei »nachträglich legitimiert worden, da die Springer-Presse durch ihre Berichterstattung die Situation auf den Kopf gestellt« habe.76 Diese Behauptung, aufgestellt von einem Teil der Protestbewegung, schlug sich in am 6. Februar 1968, vier Tage nach den Steinwürfen gegen den Konzern, in einer studentischen Resolution der Vollversammlung der KU nieder, die fast ohne Reaktion blieb: »Steine gegen Amerikahäuser und Morgenpost-Filialen sind keine Gewalt im Vergleich zu Flächenbombardements in Vietnam; Filme über Molotowcocktails sind die Parodie von Gewalt im Vergleich zu der permanenten Entmündigung der Massen, deren wirkliche Interessen deformiert und zu denen der Herrschenden umgebogen werden. Steinwür fe gegen Fensterscheiben eines übermächtigen privaten Propagandaministeriums […] sind Ausdruck ohnmächtiger symbolischer Gewalt gegen Sachen.«77
Die Steinwürfe lösten heftige Kritik innerhalb der Protestbewegung und der Anti-Springer-Kampagne aus. In einer Stellungnahme kritisierte der SHB am 3. Februar die »Gewalttätigkeiten« gegen die Springer-Filialen. Er bezeichnete sie als unvereinbar mit dem »Kampf für demokratische Freiheiten«. Der Bund forderte vom Springer-Tribunal und der KU eine entschiedene Distanzierung.78 Auch der VDS bezog Stellung. Wenn die Protestbewegung die Steinwahrte er durchaus Distanz zur NSDAP und ihren Massenorganisationen. Vgl. G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 74 f.; M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar« bezwingen, S. 51, Anm. 276 und S. 86 f. 74 | Flugblatt von Studenten, »Wer ist hier Nazi und wer Jude?« (Archivalien). 75 | Zit. n. S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 180 76 | Zit. n. o. A.: »Zu guter letzt«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Febru ar 1968, S. 16, in: APO-Archiv, SDS-Springer. 77 | »Resolution von Vollversammlung der Kritischen Universität am 6.2.1968«, zit. n. P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 202. 78 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 70 (Zeittafeldatum 3. Februar 1968).
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
würfe billige, dann würde sich der »legitime Protest der Studenten gegen diesen Verlag selbst ad absurdum« führen und der Protest dadurch »zwangsläufig diskreditiert« werden. Durch Gewaltanwendung dürfe man nicht der »Gegengewalt ein Alibi« verschaffen.79 Ein Sprecher des RC erklärte, dass sich der Club nicht mit diesen Aktionen gegen den Springer-Konzern identifiziere – obgleich angesichts der Hetze der Springer-Presse das Verhalten und die Beweggründe der Studenten nur allzu verständlich seien.80 In einer Erklärung bedauerten die FU-Professoren Helmut Gollwitzer und Jacob Taubes »einige Vorfälle der letzten Tage«. Die beiden Professoren warnten nicht nur vor der »Anwendung von Gewaltmitteln und vor Provozierung der Polizei«, sondern auch vor »putschistischen Aktionen und einzelgängerischen Ausschreitungen«, die das Ziel – die »Mobilmachung der öffentlichen Meinung« – untergraben würden.81 Die Kritik an den Steinwürfen mündete schließlich in der Distanzierung des SDS von direkten Angriffen gegen den Verlag: »Solange dafür noch keine Massenbasis« gegeben sei, müsse von »solchen Aktionen« abgeraten werden.82 Die Folgen der Angriffe auf die Springer-Filialen waren verheerend. Durch sie verlor die Anti-Springer-Operation vor allem ihre linksliberalen Freundeskreise.83 Peter Schneider, quasi der Sekretär der Kampagne, betrachtete die »Steinattacken« als »hirnverbranntes Unternehmen«. Denn die realistische »Möglichkeit, die Antispringerkampagne in eine breite Öffentlichkeit zu tragen, war zugunsten einer Aktion, bei der eine paar ›Entschlossene‹ ihren Mut bewiesen hatten, verschenkt worden«.84 Vor allem sei Schneider zufolge klar geworden, dass »aus dem Springertribunal nichts mehr werden könne. Es wurde beschlossen, eine Ersatzveranstaltung namens ›Springer-Hearing‹ durchzuführen.« 85 Die Steinwürfe und das Scheitern der Anti-Springer-Veranstaltung folgten dem »Prinzip der Störung durch direkte Aktion« des SDS. Dieses Prinzip steht in einem Spannungsverhältnis zu jenem Teil der APO, der »auf koordinierte Aktionen mit Teilen der kritischen Intelligenz, der liberalen Presse und der Gewerkschaften sowie mit der Kampagne für Abrüstung setzt«.86 Für das 79 | Ebd.. 80 | Vgl. ebd. 81 | Zit. n. ebd. Am Ende der Erklärung riefen sie den Senat, die Polizei, die Presse und die Bevölkerung auf, »sich nicht durch diffamierende Vergleiche studentischer Aktionen […] mit Nazi-Terror von einer gerechten Würdigung der humanen Intention der Studenten abhalten zu lassen.« Zit. n. ebd. 82 | F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 369. 83 | Vgl. P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 247; J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: FeindBild Springer, S. 132. 84 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 247 f. 85 | Ebd., S. 248. 86 | I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 70 f.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Scheitern der Veranstaltung gegen den Springer-Konzern war aber nicht nur der gewalttätige Zwischenfall verantwortlich. Es gab auch strategische und bündnispolitische Differenzen innerhalb des SDS, die die Absagen vieler eingeladener Gäste erklärten. Anders als Dutschke widersetzte sich am 8. Februar Hans-Jürgen Krahl, Sprecher des SDS in Frankfurt, einem Bündnis von SDSStudenten und Vertretern der politischen Gewerkschaften und der liberalen Presse. Er lehnte eine »Koalition mit Augstein und Brenner« (dem IG-MetallVorsitzenden) ausdrücklich ab.87 Die Folgen der zerschmissenen Fenster schlugen sich auf einem Plakat nieder, das zwecks Werbung für die inzwischen auf ein Hearing reduzierte Anti-Springer-Veranstaltung publiziert wurde. Verglichen mit dem Plakat für die sogenannte Molotow-Veranstaltung am 1. Februar veränderten sich Aufmachung und Tenor dramatisch. Unter dem Titel »Hearing über den Springer-Konzern 9., 10., 11. Febr.« stand: »Veranstaltet von den Studentenvertretungen der Freien Universität, der Technischen Universität und vom Republikanischen Club e. V., Berlin, im Auditorium Maximum der TU. Beginn Freitag 19.00, Sonnabend 15.00, Sonntag 11.00 Uhr«. Auf dem Plakat war diesmal weder eine Faust zu sehen noch »Enteignung« oder »Zerstörung« zu lesen, sondern nur »öffentliche Untersuchung«. Damit war ein moderater politischer Ton angeschlagen, der die Bündnispartner aus den linksliberalen Kreisen nicht verschrecken sollte.88 Dieses Plakat deutet auf einen Stimmungswandel hin. Doch es half alles nichts. Die prominenten Liberalen konnten nicht zurückgewonnen werden. Auch diese Veranstaltung scheiterte, da viele der eingeladenen Gäste nicht erschienen.
D ie E röffnung des S pringer -H e arings , seine V ertagung und die F olgen Nachdem der Rektor der FU schon am 6. Februar ausgeschlossen hatte, dass im Auditorium seiner Universität das Springer-Hearing stattfinden werde, versammelten sich am Abend des 9. Februar 1968, dem Tag, an dem der Bundestag über Fragen der Hochschulreform und des Studentenprotests diskutierte, im Ernst-Reuter-Saal der TU etwa 1800 Studierende zur Eröffnungsveranstaltung des Springer-Hearings. Der TU-Rektor gab den Saal für diese Veranstaltung erst frei, nachdem ihm der veranstaltende RC schriftlich zugesichert hatte, dass während des Hearings nicht zu ungesetzlichen Aktionen aufgerufen werde. Klaus Meschkat vom RC hielt die Eröffnungsrede. Er erklärte, dass das 87 | Vgl. ebd., S 70. 88 | Plakat für das Springer-Hearing, »Hearing über den Springer-Konzern«, o. D., ver mutlich Anfang Februar 1968, in: APO-Archiv. Vgl. auch HKS 13 (Hg.): Vorwärts bis zum nieder mit: 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen, Berlin 2001, S. 23.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
eigentliche Springer-Hearing aufgrund »anhaltende[r] Hetze« auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wurde.89 Der konkrete Anlass für das Vertagen des Hearings war ein anderer: Viele der eingeladenen Professoren und Journalisten hatten bereits im Vorfeld abgesagt. Man hatte unter anderem Jürgen Habermas, Hans Dieter Müller, Helmut Ridder, Eugen Kogon und Alexander Mitscherlich zu Gast gebeten, dazu die Journalisten Erich Kuby, Karl-Hermann Flach, Gerd von Paczensky und Otto Köhler sowie Rudolf Augstein und Gerd Bucerius. Es erschienen jedoch lediglich Erich Kuby und Eugen Kogon. Viele Gutachter und Zeugen fehlten. Das Material, das für die Kritik an Springer gesammelt worden war, wurde zurückgehalten. Das zunächst auf drei Tage angesetzte Hearing dauerte nur einen einzigen Tag. Anstatt des ursprünglich geplanten Programms90 wurden kurze Statements über die »Manipulation der 89 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 72 (Zeittafeldatum 10. Februar 1968). Das Zeittafeldatum ist falsch, das Springer-Hearing fand am 9. Februar statt. 90 | RC, »Programm des Springer-Hearing«, o. D., in: APO-Archiv, SDS-Springer Kam pagne, zeigt das eigentlich geplante Programm: »Am Freitag, 9. Februar, ab 18 Uhr: A: Vorstellung und Begründung des Hearings durch Prof. Dr. Werner Hofmann (Marburg), Dipl. Volkswirt Jörg Huffschmid (Westberlin) und Ulrich K. Preuss (Paris). Fragen der Pressekonzentration und Pressefreiheit. B: Die Geschichte des Springer-Konzerns: Als Gutachter treten auf Dipl. Betriebswirt Jochen Geiger (Westberlin): Springer im Anzeige markt; Peter Sörgel (Westberlin): der Einfluss der Massenpresse auf die Publizistik. Als Zeugen sagen aus: ehemalige Angestellte des Konzerns. C: Anwendung der Wirtschafts macht des Konzerns durch Anzeigenpolitik. Anwendung der bereits akkumulierten Macht zur Durchsetzung des Konzentrationsprozesses: Als Gutachter Dipl. Betriebswirt Bernd Jansen (Westberlin): Die Fernsehkampagne; Dipl. Volkswirt Luise Braun: Sprin gers Marketing. Als Zeugen aus Opfer des Konzerns. Am Sonnabend, 10. Februar, ab 15 Uhr: D: Die Organisationsstruktur des Springer-Konzerns: Als Gutachter Dr. Gerd Fuchs (Hamburg): Die Redaktionspolitik der ›Welt‹ seit 1964; Otto Köhler (Hamburg): Selbst darstellung Springers zur Freiheit seiner Redaktionen; Prof. Dr. Peter Brückner (Hanno ver): Selbstverständnis Springers als Unternehmer. Als Zeugen sagen aus: ehemalige Angestellte des Konzerns und Redakteure seiner Zeitungen. E: Strukturelle Teilmärkte und schichtenspezifische Manipulation: Als Gutachter Dr. Heribert Adam (Frankfurt): Die ›Bild‹-Leser; Dipl. Soziologe Wilke Thomssen (Westberlin): Über die Scheinöffent lichkeit der ›Bild‹-Zeitung; Prof. Dr. Tobias Brocher (Frankfurt): ›Bild‹ und Bartsch; Dr. Völker (München): Die Sprache der ›Bild‹; Reimar Lenz (Westberlin): Die Sprache der ›Welt‹; Ulrich Sander (Wiesbaden): Konzentration bei der Jugendpresse; Heiner Schäfer (Frankfurt): Schichtenspezifische Manipulation; Pfarrer Marquardt (Westberlin): Pfarrer in ›Bild‹. Am Sonntag, 11. Februar, ab 11 Uhr: F: Einzelne Kampagnen des Konzerns, Fälle von Fälschungen mit politischer Tendenz und Fälschungen ohne Tendenz: Als Gut achter Dr. Dieter Hirschfeld (Westberlin): Springers Antikommunismus; Martin Buchholz (Westberlin): Springer und die Mauer; Dipl. Politologe Wolfgang Steiner (Westberlin):
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öffentlichen Meinung in Berlin« abgegeben. Unter anderem sprachen der Politikwissenschaftler Kogon, der Publizist Kuby, Peter Schneider vom SDS, Jörg Huffschmid, Manfred Bissinger, Bernhard Blanke und Hans-Joachim Hameister, die zum RC gehörten. Während der Diskussion verbrannten Studenten vor dem Saal Exemplare der vom Springer-Verlag herausgegebenen Zeitung Extra, die mit der Schlagzeile »Revolution ist ein Gewaltakt« die Vorstellungen der APO angegriffen hatte.91 Beim Hearing, das »in jedem Sinn des Wortes eine Ersatzveranstaltung«92 geworden war, saß Hans-Joachim Hameister, der dem vorbereitenden Sekretariat des Tribunals angehört hatte, auf dem Podium mit Kuby, Schneider, Huffschmid, Meschkat und anderen.93 Man müsse die »Verlogenheit« des Springer-Konzerns entlarven. Springer erzeuge »monopolistisch Meinung« und »Meinungslosigkeit«. Im Namen der Pressefreiheit vertrete der Konzern »anti-demokratische« Positionen.94 Nachdem die Telegramme der ASten einiger Universitäten vorgelesen und Grußadressen von Wolfgang Abendroth, Rainer Kühne, Peter Römer und der IG Metall vorgestellt worden waren,95 hielt Kroll und Schröde; Wolfram Dorn (Bonn) MdB: Springerpresse und Notstand; Werner Hermann (Westberlin): Springerpresse und Große Koalition; Dr. Reinhard Kühnl (Mar burg): Springers Antifaschismus; Günther Anders (Wien): Israel-Arabien-Konflikt; Jakob Moneta (Franfurt): Springerpresse und Gewerkschaften; Lothar Pinkall (Westberlin): Berlin-Syndrom, Berliner Wirtschaft; Dr. Peter Furth (Westberlin): Die Studentenbericht erstattung; Otto Köhler (Hamburg): Die Auslandsberichterstattung; Manfred Bissinger (Hamburg): Die Pro-Springer-Kampagne; Erich Kuby (München): Die Springerpresse als ›Sprecher der Nation‹. G: Springer und die organisierte Öffentlichkeit: Als Gutachter: Dr. Eberhard Sommer (Westberlin): Pressekommission; Rechtsanwalt Kurt Groenewold (Hamburg): Kritik des BGH-Urteils zu Blinkfuer-Affäre; Christian Semmler (Westberlin): Springer und die Justiz; N.N.: Problematik des Wettbewerbsrechts; Bernhard Blanke (Westberlin): Parlamente und Parteien; Christel Dietze (Westberlin); Die Verbände und Institutionen im Pressewesen; Dr. Johannes Agnoli (Westberlin): Bedingungen und Mög lichkeiten einer demokratischen Öffentlichkeit.« 91 | Vgl. T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 182; G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 92; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 50; RC, »An alle Mitar beiter!«, Rundbrief vom Büro-Springer-Hearing des RC, 8. April 1968, S. 1-4, in: APOArchiv, SDS-Springer Kampagne. Bissinger, Blanke und Hameister gehörten zu einem Arbeitskomitee des RC, das sich mit der Anti-Springer-Aktion sowie mit der Vorberei tung des Springer-Hearings beschäftigte. Vgl. ebd. 92 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 252. 93 | Vgl. M. Ruetz: »Ihr müßt«, S. 94. 94 | Wolff, Frank / W indhaus, Eberhard (Hg.): Studentenbewegung 1967-69. Protokolle und Materialien, Frankfurt a. M. 1977, S. 83. 95 | Vgl. ebd.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
Eugen Kogon, dem man die Leitung des Springer-Hearings übertragen hatte, eine Rede. Die Anhörung müsse Druck auf das Parlament machen, um die Übermacht des Springer-Konzerns einzuschränken und Journalisten bei ihrem Kampf für Pressefreiheit zu unterstützen.96 Er beendete seinen Vortrag mit den optimistischen Worten: »Ich bin überzeugt davon, daß es uns möglich ist, aus einer relativ geringen und heute schon so bedeutenden und in der Welt beachteten Bewegung das zu machen, was historisch notwendig ist: die Republik zu ihren Aufgaben zu führen.«97 Kuby hingegen musste sein Publikum enttäuschen. Ihm zufolge sei der Funke der Revolte in Westberlin erloschen.98 Nach ihm war Hameister an der Reihe. Er schlug vor, in nächster Zeit eine allgemeine Diskussion zu führen, um das Hearing vorzubereiten. Damit die Diskussion nicht ziellos verlief, las er den Entwurf einer Resolution vor, über die im Anschluss diskutiert wurde.99 Hameister betonte: Unabhängige Journalisten seien bei Springer nicht vorgesehen. Journalisten seien für das Zeitungshaus Bestandteil einer »Öffentlichkeitsfabrik«, die die Meinungen der für sie schreibenden Journalisten gleichförmig ausrichte. Er bezeichnete den Springer-Konzern als eine »einzige Fabrik von Anpassungsjournalismus«. Diese Behauptung dürfe nicht nur »link[e] Phrase« bleiben, sondern müsse auch bewiesen werden.100 Andere Redner betonten ebenfalls, das Springer-Hearing müsse einen »seriöse[n] Charakter« behalten. »Exponenten einer liberalen Öffentlichkeit« dürften nicht abgeschreckt werden, sondern müssten sich vielmehr mit dem SDS solidarisieren können.101 Die Erregung steigerte sich, als gegen 21.30 Uhr die Meldung die Runde machte, dass im Anschluss an eine Vietnam-Demonstration in Hamburg mit 3000 Studenten viele Demonstranten vor das Springer-Hochhaus gezogen waren, um die Auslieferung der Bild-Zeitung zu blockieren.102 Ein Redner löste erneut Aufregung, Beifall und Zurufe aus mit den Worten: »Wir haben Informationen aus Westberliner Pressekreisen, daß [der Innensenator] Herr Neubauer nur darauf wartet, uns auf die Straße hinauszubringen und dann mit Tränen gas systematisch die Westberliner Studentenschaft zusammenzuschießen. Und das muß in diese Resolution rein […]. Wir müssen einfach dazu übergehen, den Faschismus-
96 | O. A.: »Prof. Dr. Eugen Kogon: Rede am 9. Februar 1968«, S. 1, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. 97 | Ebd., S. 2. 98 | P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 252. 99 | F. Wolff / E . Windhaus (Hg.): Studentenbewegung, S. 84. 100 | Ebd., S. 85. 101 | Ebd. 102 | Vgl. ebd.; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 49.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium Vorwurf zurückzugeben und die Faschisten im [Springer-]Hochhaus und im Senat so zu benennen, was sie sind, nämlich Faschisten«.103
Am Ende der Veranstaltung schlug Ulrike Meinhof vor, aus dem Hearing eine Demonstration vor dem Hochhaus des Springer-Verlags zu machen. Christian Semler reagierte kritisch auf diese Intervention: Eine solche Aktion sei gefährlich, da die darauf vorbereitete Polizei die Demonstranten »zur Sau machen« würde.104 Man sagte daraufhin den Demonstrationsmarsch zum SpringerHochhaus ab. Es gelang den Veranstaltern, die Diskussion auf die Abstimmung über die Resolution zu lenken. In ihr forderte die Versammlung alle demokratischen Kräfte in Westberlin und der Bundesrepublik auf, das Zustandekommen des Hearings nach Kräften zu unterstützen. Die Resolution lautete: »Das Springer-Hearing konnte infolge repressiver Maßnahmen des politischen Senats von West-Berlin nicht zum beabsichtigten Termin und nicht in der beabsichtigten Form durchgeführt werden. Wir haben deshalb den Termin verschoben. Die gewonnene Zeit muß im Sinne der Verbreiterung der demokratischen Basis genützt werden. Die zur Eröffnung des Springer-Hearings Versammelten fordern deshalb alle demokratischen Kräfte West-Berlins und der Bundesrepublik, insbesondere die Gewerkschaften, die progressive Wissenschaft, diejenigen Kräfte in den Parteien, welche der SpringerDiktatur sich nicht unterwerfen wollen, und die demokratischen Journalisten in allen Redaktionen auf, die Vorbereitungen für das eröffnete und vertagte Springer-Hearing in den nächsten Wochen auf jede nur mögliche Weise ideell und materiell zu unterstützen. Wir fordern alle Studentenvertretungen West-Berlins und der Bundesrepublik auf, sich dieser Resolution anzuschließen.«105 103 | F. Wolff / E . Windhaus (Hg.): Studentenbewegung, S. 85 f. 104 | Vgl. P. Schneider: Rebellion und Wahn, S. 252 und zit. n. ebd. 105 | O. A.: »Resolution vom 9.2.1968«, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Der Kabarettist Wolfgang Neuss las beim Springer-Hearing den Inhalt seiner Platte »Neuss liest BILD« vor: »Bild ist gut. Gestern hat die Polizei wieder mal einen Fußgänger auf dem Zebrastreifen erschossen. Das geht zu weit, man muß nicht gleich erschießen. Oder wollte die Polizei einem Autofahrer zuvorkommen? Bild fragte den pensionier ten Geheimdienstchef Gehlen, der lange Jahre unschuldig im Staatsdienst tätig war, ist Bild kulturpolitisch wichtig? Dazu Gehlen: Bild ist eine Notwendigkeit. Endlich ha ben die Deutschen ihr Wessel-Lied wieder. Wessel ist Nachfolger von Gehlen. Und die Menschen können wieder singen. Sekretär der Bayern CSU für Anerkennung der DDR. Bild sprach wenige Sekunden danach mit der Leiche.« Neuss spendete den Erlös der Platte für die Vorbereitung der Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Das Jahr der Revolution 1968«, München 1998 / 2008 (Audio CD). Und Neuss, Wolfgang: »›Neuss liest BILD‹, beim Springer-Hearing, 9.2.1968«, Audiodatei vom Rundfunk »Kalter Krieg im Radio«, http://www.kalter-krieg-im-radio.de/index.php?er=11 vom 11. September 2012.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
Mit der Verabschiedung dieser Erklärung endete die Veranstaltung. »Warum wurde das Springer-Hearing vertagt?«,106 fragte die Studentenvertretung der TU am 13. Februar in einem Flugblatt. Sie machte dafür die »hysterischen Reaktionen« der Springer-Presse und des Senats verantwortlich. Die »konzertierte Reaktion« der Springer-Presse und des Senats hätten »Früchte« getragen. In der Öffentlichkeit sei mehrere Tage lang der Eindruck erzeugt worden, »man hätte die Veranstaltungen verboten«.107 Der Berliner Innensenator Neubauer habe nicht vor »Falschmeldungen und massiven Drohungen« zurückgeschreckt, um die Organisatoren einzuschüchtern. Er habe am 6. Februar der Presse mitgeteilt, die Rektoren der TU und FU hätten das Springer-Hearing abgesagt. Der Rektor der TU habe sie zwar korrigiert. Das sei aber erst am Nachmittag des 8. Februar geschehen, nur einen Tag vor dem Hearing. Die Rufe nach »härterem Durchgreifen« in der Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses am 8. Februar und die Unsicherheit hinsichtlich der Raumverfügung hätten viele westdeutsche Gäste und Zeugen abgeschreckt, nach Westberlin zu kommen. Sie hätten fürchten müssen, es würde zu Eingriffen von außen kommen, die eine »nüchterne und sachliche Durchführung des Hearings« unmöglich machen würden. »Wer wollte ihnen die vorläufige Absage an die Veranstalter übel nehmen?«108 Der RC wies der Springer-Presse die Hauptschuld an der Vertagung des Hearings zu. Diese habe mit »hysterischen Gegenaktionen« reagiert und in den Steinwürfen gegen die Springer-Filialen einen »willkommenen Anlaß« gefunden, Erinnerungen an die Reichskristallnacht 1938 zu wecken. So habe sie der Kampagne eine »demokratiefeindliche Tendenz und faschistische Praxis« vorwerfen können.109 Obgleich die Polizei die Täter nicht ermitteln konnte und die Veranstalter des Hearings nichts mit den Anschlägen zu tun gehabt hätten,110 habe der Senat unter Druck des Springer-Konzerns geschworen, das Hearing zu verhindern, und begonnen, massiv Druck auf die Rektoren der Westberliner Universitäten auszuüben. Diese »gemeinsamen Anstrengungen« hätten die Vorbereitungen des Hearings nachhaltig gestört, und so kam es erst am Mittag des 9. Februar zur Raumvergabe für das Hearing, das bereits am Abend beginnen sollte. Weil dadurch keine belastbaren Informationen weitergegeben werden konnten, hätte eine Reihe von Zeugen ihr Erscheinen abgesagt und viele Gutachter hätten nicht mehr rechtzeitig anreisen können. Das Hearing habe 106 | Flugblatt der TU, »Warum wurde das Springer-Hearing vertagt?«, 13. Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 107 | Ebd. 108 | Ebd. 109 | RC, »An alle Mitarbeiter!«, S. 1 (Archivalien). 110 | RC, »Sehr geehrter Herr«, Rundbrief vom Büro-Springer-Hearing des RC, 15. März 1968, S. 2, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne.
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daher, so der RC, »nur mit einem unvollständigen, seiner Knüller beraubtem Programm« ablaufen können. Die Veranstalter des Hearings würden der Springer-Presse nicht die Gelegenheit geben wollen, eine »Restveranstaltung zu verreißen«, und hätten sich daher für eine »demonstrative Eröffnung und Vertagung« entschieden.111 Unter der Leitung des »Büro-Springer-Hearings« des RC hielten die Bemühungen an, die Anhörung vorzubereiten. Im Zentrum dieses Büros stand das »Springer-Komitee«, das aus Bissinger, Blanke, Hameister und Günter Möllendorf bestand. Das Hearing sollte Ende Mai 1968 in Hamburg stattfinden.112 Schon im März 1968 wurde ein Kuratorium geplant, das für die Zeit bis zur Durchführung des Springer-Hearings gebildet wurde und auch als Ansprechpartner der Öffentlichkeit dienen sollte.113 Das »Kuratorium für eine demokratische Öffentlichkeit«, das am 30. März in Frankfurt seine erste Sitzung abhielt, galt als Ergebnis der Bemühungen des RC, die Basis der Anti-Springer-Kampagne zu erweitern.114 Es entschied, das zunächst für Ende Mai geplante Hearing vom 14. bis 16. Juni in Hamburg abzuhalten. Was waren die Gründe für Hamburg? Obwohl das Hearing keine »Agitationsveranstaltung zur Vorbereitung einer direkten Aktion« sei, könne die aufgeheizte Atmosphäre Westberlins der Veranstaltung schaden. Indem die Veranstaltung, an deren Programm sich nichts ändern sollte, in Hamburg stattfand, würde die Anti-Springer-Kampagne nicht nur auf Westberlin begrenzt bleiben.115 Trotz aller Vorbereitungen kam das Springer-Hearing nicht zustande. Die Osterereignisse im April 1968 überholten es. Am 11. Juni verkündete das »Büro-Springer-Hearing« das Aus des Projekts.116 Die Aktionen gegen den Springer-Konzern, hervorgerufen durch das Attentat auf Rudi Dutschke, hätten die Anti-Springer-Kampagne so nachhaltig verändert, dass die »alte Hearing-Planung nicht mehr sinnvoll gewesen wäre«. Die Aktionen gegen die SpringerHäuser hätten Fragen aufgeworfen, welche »die gesamte Strategie der APO betreffen und in der Beschränkung auf Springer nicht mehr verhandelt werden können, ohne deren Erörterung die Auseinandersetzung mit dem Pressekonzern aber ohne Perspektive bleiben muß«. Um die neue Situation einschätzen zu können, müsse noch einmal grundsätzlich über das Hearing nachgedacht werden. Die bisher vorliegenden Beiträge der Gutachter sollten aber dennoch
111 | RC, »An alle Mitarbeiter!«, S. 1 (Archivalien). 112 | Vgl. ebd., S. 2; vgl. auch RC, »Sehr geehrter Herr«, S. 1-4 (Archivalien). 113 | Ebd., S. 3. 114 | RC, »An alle Mitarbeiter!«, S. 1 (Archivalien). 115 | Ebd., S. 1 f. 116 | Vgl. RC, »An alle Gutachter!«, Rundbrief vom Büro-Springer-Hearing des RC, 11. Juni 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
in Buchform veröffentlicht werden.117 Parallel mit dieser Ankündigung machte der RC die Kosten für das »Springer-Komitee« öffentlich. Die gesamten Ausgaben von Februar bis Juni 1968 betrugen etwa 25.000 DM, worin der Aufwand für die Vorbereitungsveranstaltung des Tribunals am 1. Februar sowie für das Hearing am 9. Februar 3267 DM ausmachten. Für den Ausschuss des »Springer-Komitees« waren 8918 DM und für das »Institut für Presseanalyse und Öffentlichkeitsforschung« (später bekannt als »Gegenöffentlichkeitsinstitut« – GÖFI) 12.791 DM veranschlagt.118 Mit der Veröffentlichung dieser Rechnung lösten sich, so ist anzunehmen, das »Springer-Komitee« und das »Büro-Springer-Hearing« auf und gingen in die deutsche Geschichte ein.
D ie R e ak tionen des A xel S pringer V erl ags auf die A nti -S pringer -K ampagne Anfang 1968 wurde der Ton der Springer-Presse gegenüber den Studenten heftiger. Kaum ein Tag verging, an dem sie keine scharfe, verleumderische Kritik an der Studentenbewegung und der Anti-Springer-Kampagne übte. Diese Situation fasste der amerikanische Autor und Journalist Mark Kurlansky zusammen: »But in 1968, what Germany’s New Left was most aware of was that the Springer press had declared war on them, demanding repressive laws to curtail demonstrations and to deal harshly with demonstrators, whom he called ›terrorists‹. He urged vigilante violence against the students.«119 Diese Darstellung ist zutreffend. Springer was »a forerunner of [Rupert] Murdoch and [Silvio] Berlusconi«,120 Medienmogule in den USA und Italien. Springer selbst sah sich immer noch in einem anderen Licht: Er sagte, dass er nur einen »Zipfel 117 | Ebd. Ein aus diesen Beiträgen entstandenes Buch war: H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Auferstehung der Gewalt. 118 | Vgl. RC, »Abrechnung Springer-Komitee des Republikanischen Clubs e. V.«, 10. Juni 1968, S. 1-4, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Mitglieder des Sprin ger-Arbeitskreises der KU, des SDS, des RC und der Redaktionen des Spiegels und des Sterns gründeten das GÖFI Anfang 1968. Zum Institut gehörten unter anderen Peter Schneider, Bernhard Blanke, Karl-Joachim Heymann, Günter Möllendorf und Hans-Joa chim Hameister. Obwohl das Hauptziel des Instituts die Gründung einer linken Zeitung für Westberlin war, engagierte es sich auch innerhalb der Anti-Springer-Kampagne. Sei ne drei ständigen Mitarbeiter Blanke, Möllendorf und Hameister waren gleichzeitig auch Mitglieder des »Springer-Komitees« im RC. Sie erhielten daher ein Gehalt. Vgl. ebd.; T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 181; G. Oy: Die Gemeinschaft der Lüge, S. 127 f. 119 | M. Kurlansky: 1968, S. 155. 120 | Ebd.
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Macht« besitze, die er als »Lehen« betrachte. Denn »sie ist mir von den Lesern meiner Zeitungen […] verliehen worden«.121 Die breite Öffentlichkeit hingegen nahm ihn, so Bernd Rabehl, ausschließlich als »Symbol von Monopol, Manipulation und staatlicher Mobilmachung« wahr.122 Wenn die Erklärung des Springer-Konzerns vom 2. Februar 1968, in der die Steinwürfe gegen die eigenen Filialen mit Gewalttaten der Nationalsozialisten verglichen wurden, als persönliches Statement Springers aufgefasst werden kann, so ist anzunehmen, dass die Springer-Presse in ihrer Hetze gegen die Protestbewegung der Meinung ihres Verlegers folgte. 1968 reagierte Springer auf die Angriffe gegen ihn und seinen Verlag offensiver als zuvor. Er bezeichnete sich selbst als »Buhmann der Nation«. Am 5. Februar 1968 konstatierte er in einem Interview mit Hans Klein, Korrespondent der Neuen Revue: »Nach Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß wird mir die Ehre zuteil, Buhmann der Nation zu sein.«123 Den Erfolg des Konzerns schrieb er der »inneren Freiheit, der schöpferischen Initiative vieler Mitarbeiter« zu, verneinte aber ein Meinungsmonopol seiner Presse. In Deutschland habe es »noch nie so viele Informationsmöglichkeiten […] wie heute« gegeben.124 Die Anti-Springer-Kampagne bestand, so Springer, aus den »links ungebundenen Kräfte[n], denen das klare Nein gegenüber kommunistischen Forderungen« missfalle, und »einigen millionenschweren Konkurrenzverlegern«. Diese Einschätzung war nicht neu. Einen anderen Teil der an der Kampagne Beteiligten nannte Springer auch die »ewig Staatsverdrossenen, die heute mit gleicher Gehässigkeit das gefährliche Wort ›Establishment‹ auf den Lippen tragen wie seinerzeit die Nazis von der ›Systemzeit‹ sprachen, wenn sie die Weimarer Republik meinten«.125 Dieser erneute Nazivergleich entsprach den Angriffen der Springer-Zeitungen, die vor allem die Steinwürfe mit den Gewaltaktionen der Nazis in Zusammenhang brachten. An den Angriffen auf die Anti-SpringerAktion nahm auch die Springer-Post / Ullstein-Post mit einem Artikel unter der Überschrift »Für Totalitäre Methoden ist kein Platz« teil.126 So hieß es lapidar: »Was die linksradikalen Gegner des Verlagshauses Axel Springer bereits vor Monaten angekündigt hatten, setzten sie im Februar 1968 erstmals in die Tat um.« Den »Aufrufen zu Gewalttätigkeiten« gegen Springer seien zwischen 121 | Springer, Axel: »Axel Springers Antwort an Josef Müller-Marein«, in: Die Zeit vom 18. August 1967. 122 | B. Rabehl: Die drei Anti-Springer-Kampagnen, S. 144. 123 | Zit. n. T. v. Arnim: »Und dann werde ich«, S. 239. 124 | Springer, Axel : »Interview mit der ›Neuen Revue‹«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Februar 1968, S. 4 f., in: APO-Archiv, SDS-Springer. 125 | Ebd., S. 4. 126 | O. A.: »Für Totalitäre Methoden ist kein Platz: Zu den Gewaltaktionen gegen unser Verlagshaus«, Springer-Post / U llstein-Post vom März 1968, S. 3, in: ASV-UA.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
dem 2. und dem 9. Februar die »ersten ›direkten Aktionen‹« gefolgt. In Westberlin hätten »Terroristen« die Fensterscheiben von acht Filialen der Berliner Morgenpost zerschlagen. In Hamburg hätten »Krawallbrüder« versucht, die Auslieferung der Bild-Zeitung »mit Gewalt« zu verhindern.127 Steinwerfer wurden kurzerhand zu »Terroristen«. Wer an friedlichen Sit-ins teilnahm, avancierte zum »Krawallbruder«. Anfang Februar 1968 gab Axel Springer dem ZDF ein Interview. Es kann als Reaktion auf die schwierige Lage seines Konzerns und auf die Planungen für das Spinger-Hearing verstanden werden, das zum Zeitpunkt des Gesprächs noch am 9. Februar beginnen sollte.128 Mit Hilfe des Fernsehauftritts wollte Springer, so ist anzunehmen, die für ihn ernste Situation durchbrechen. In dem am 8. Februar ausgestrahlten Gespräch mit dem Publizisten Klaus Harpprecht erklärte er: Er und sein Verlag seien »zur Symbolfigur« der Bundesrepublik geworden.129 Gleichzeitig räumte er ein, dass er die radikalen Proteste gegen sein Haus nicht mehr mit Gleichmut zur Kenntnis nehme.130 Die Kritik seiner Gegner, die ihm rechtes Gedankengut attestierten, versuchte er zu entkräften. Sein Verlag stehe für die »breit[e] konservativ[e] Mitte« und die »allgemein[e] demokratisch[e] Mitte«.131 Auch die Steinwürfe kommentierte er. Für diese machte er nicht direkt die Studenten verantwortlich, sondern »radikal[e] Strömungen«, durch die sein geliebtes Berlin »unappetitlich geworden« sei.132 »[J]ene von einer Minderheit getragene Heftigkeit, jener Radikalismus« habe zur ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegenüber den Studenten beigetragen. Er hoffe, dass »Einsicht und Differenzierung« zwischen »radikalen Strömungen« und »Studenten« Platz greifen würde.133 Das ZDFInterview sei für Springer ein Erfolg gewesen, konstatiert Melchert. Die Fernsehzuschauer hätten einen »distinguierten und eloquenten Springer« erlebt. Dem Verleger sei es »tatsächlich« gelungen, »das von der APO gezeichnete Zerrbild über sich und seinen Verlag zu relativieren, in vielen Teilen sogar zu revidieren«.134 Da er trotz der »Radikalisierung des Protests« weiterhin in der Lage gewesen sei, sich öffentlich »gutgelaunt, witzig und liebenswürdig« zu geben, habe er der Anti-Springer-Kampagne Anfang 1968 einen Großteil ihrer »argumentativen Schlagkraft« genommen. Das »selbstbewußte Auftreten« 127 | Ebd. 128 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 461. 129 | Zit. n. ebd. 130 | M. L. Müller: Berlin 1968, S. 179. 131 | Zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 370. 132 | Zit. n. W. Rott: Die Insel, S. 266. Vgl. auch F. Melchert: Meinungsfreiheit in Ge fahr?, S. 370 f. 133 | Zit. n. ebd., S. 371. 134 | Ebd.
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Springers habe eine Ausweitung der Kampagne in weitere Kreise der Bevölkerung verhindert.135 Melcherts Beobachtungen sind mit Vorsicht zu genießen. Springer gab selten Interviews. Allein die Tatsache, dass er sich im ZDF öffentlich erklärte, verdeutlicht die Macht, die die Anti-Springer-Kampagne über ihn hatte. Springer musste sich erklären. Er konnte die Kritik nicht länger ignorieren. Die Zuschauer mögen ihn als einen »sympathische[n] Mensch[en]« empfunden haben136 – Springer stand dennoch mit dem Rücken zur Wand. Das Interview war ein Verteidigungsschlag, mit dem er sich und seinen Konzern ins rechte Licht rücken wollte. Wie heftig die Springer-Presse auf die Steinwürfe im Anschluss an die Vorbereitungsveranstaltung für das Tribunal reagierte, wurde oben bereits gezeigt. In ebenso dramatischer Weise reagierte der Konzern auf das für den 9. bis 11. Februar geplante Hearing. 1000 Exemplare des Sonderdruckes Extra – einer »Gegenzeitung«137 – des Springer-Verlags wurden vor der TU (Ernst-Reuter-Haus), dem Ort des Hearings, kostenlos verteilt und zum Teil von Studenten vor dem Eingang des Hauses verbrannt. Die Auflage von Extra, das dem Berliner Extra-Dienst nachempfunden wurde, umfasste rund 3000 Exemplare. Die restlichen 2000 Hefte wollte Springer bei anderen Veranstaltungen der Studentenbewegung verteilen lassen.138 Die Schlagzeile lautete: »Revolution ist ein Gewaltakt!«139 Der Bundestagsabgeordnete und ehemalige Senator in Westberlin, Adolf Arndt (SPD), habe, Extra zufolge, an Axel Springer geschrieben: »Als sei es erst gestern gewesen«, stehe ihm vor Augen, dass »Hitlers braune SA die Schaufenster der ›jüdischen‹ Warenhäuser zertrümmerte. Das war einer der Auftakte zum Völkermord.«140 Die »Gewalttaten ›roter‹ Faschisten« gegen die Springer-Filialen seien »gegen Recht und Freiheit gerichtet[e] Verbrechen. […] Alle müssen darin solidarisch sein«, rief Arndt auf, »solchen Anfängen zu wehren.«141 Extra erwiderte: »Kein Mittel ist ihnen zu billig, kein Trick zu plump, wenn es um die Parole geht: Haut dem Springer auf die Finger! Da versammeln sie sich und stoßen in das gleiche Horn: die Abrüster und die Ostermarschierer, die Intellektuellen und die rabiaten Extremisten, die 135 | Ebd., S. 372. 136 | Ebd., S. 371. 137 | S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 139. 138 | Vgl. Hausmitteilung des Springer-Verlags am 16. Februar 1968 an Weber, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Vgl. auch M. Seitenbecher: Den deutschen »Cäsar bezwingen«, S. 86 und Anm. 461. 139 | O. A.: »Revolution ist ein Gewaltakt!«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Be stand Anti-Springer-Kampagne. 140 | O. A.: »›Rote‹ Faschisten«, in: Extra, Februar 1968, in: Ebd. 141 | Ebd.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing ›kritischen‹ Studenten und die ganz ›kritischen‹ Oberschüler, die Geschäftemacher und die Konkurrenten. Die Diktatur der Manipulateure hat begonnen.«142
Die Reaktionen der Springer-Blätter nahmen zeitweise extremistische Züge an. Das Verlagshaus habe sich einer »brachiale[n] publizistische[n] Method[e]« bedient,143 räumte der Journalist Sven Felix Kellerhoff ein, der als leitender Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte bei der Welt und der Berliner Morgenpost arbeitete. Brachial war auch die Wortwahl des Extra-Blattes: Die Gegner von Springer hätten sich ein »gewaltiges Programm« für das Springer-Hearing vorgenommen. Es gehe um eine Veranstaltung »wie sie die Faschisten und die Kommunisten lieben«.144 Den SDS bezeichnete Extra als »sehr brauchbare[n] Hilfstrupp« der SED.145 Mit den Steinwürfen gegen die Morgenpost-Filialen, die als Startpunkt für einen »Angriff auf die Demokratie«146 betrachtet wurden, habe die Hetze gegen Springer einen »terroristischen Höhepunkt« erreicht.147 Und »wie vor 35 Jahren« seien die »radikalen Stoßtrupps« dabei, »Terror« zu verbreiten.148
N ach dem S cheitern : D er K onflik t innerhalb des SDS und seine R ück zugserkl ärung aus der A nti -S pringer -K ampagne Die Anti-Springer-Operation ging trotz dieser Angriffe auf die Protestbewegung im März 1968 weiter. Der maßgebende Akteur war wieder Wolfgang Kieling, der Anfang des Jahres 1968 mit der Rückgabe des Fernsehpreises die Aktionen im Rahmen der Anti-Springer-Kampagne eröffnet hatte. Er konnte die Hetze des Großverlags nicht mehr ertragen. Aus Solidarität mit der Studentenbewegung und aus Protest gegen die Springer-Presse verließ er am 18. März die Bundesrepublik Deutschland und zog in die DDR. Zu dieser Entscheidung verbreitete der RC in Kielings Namen folgende Erklärung: 142 | O. A.: »Frage: Wer macht hier wen eigentlich dumm?«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 143 | Kellerhoff, Sven Felix: »1968 und die Medien«, in: Bernhard Vogel / M atthias Kutsch (Hg.), 40 Jahre 1968. Alte und neue Mythen – Eine Streitschrift, Freiburg i. Br. 2008, S. 86-110, hier S. 104. 144 | O. A.: »Die Opfer sagen aus«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 145 | O. A.: »Hilfstrupps der SED marschieren voran«, in: Extra, Februar 1968, in: ebd. 146 | O. A.: »Als sei es gestern gewesen…«, in: Extra, Februar 1968, in: ebd. 147 | O. A.: »Durchschlagende Argumente«, in: Extra, Februar 1968, in: ebd. 148 | O. A.: »SDS: Alle Macht den Räten«, in: Extra, Februar 1968, in: ebd.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium »Ich habe an den Veranstaltungen der Studenten teilgenommen und habe gelesen, wie die Berliner Zeitungen über diese Veranstaltungen berichtet haben. Da sah ich, wie in dieser Stadt gelogen wird, das Bewußtsein der Menschen manipuliert wird. Da begriff ich, daß ein einzelner Schauspieler, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt, nichts mehr ausrichten kann gegen so viel brutale, erdrückende Verfälschung der Wirklichkeit, wie die Springer-Presse sie betreibt. […] Ich kenne […] den Verfall des westdeutschen Kul turbetriebes durch Manipulation und Bevormundung. […] Meine Sympathie gehört der jungen Generation in Westdeutschland und Westberlin, die angefangen hat, politisch zu arbeiten, die angefangen hat, gegen […] Manipulation und Gleichschaltung Widerstand zu leisten […]. Ich verlasse Westdeutschland aus Solidarität mit ihnen.«149
Auch Kielings Protest kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Scheitern des Springer-Tribunals und des Springer-Hearings die Anti-Springer-Kampagne tief erschüttert hatten. Wenn das Hearing wie geplant durchgeführt worden wäre, hätte es APO und Studentenbewegung die Gelegenheit gegeben, eine Koalition mit Teilen der kritischen Intelligenz, der liberalen Presse und den Gewerkschaften zu bilden sowie mit der KfA die Anti-Springer-Operation zu erweitern und zu stabilisieren. Die Enttäuschung innerhalb der Protestbewegung ob der verpassten Chance war groß. Das Scheitern des Springer-Tribunals sei, so Hannes Schwenger, damaliger Redakteur beim Berliner Extra-Blatt und dann beim Berliner Extra-Dienst, der Moment gewesen, »wo die Luft raus war«.150 Für die Stimmung innerhalb des SDS, der von Anfang an auf ein Tribunal anstelle eines Hearings bestanden hatte, kann Schwengers Meinung als repräsentativ angesehen werden – auch wenn Schwenger nicht Mitglied des SDS war. Die interne Sichtweise des Studentenbundes auf die Anti-Springer-Kampagne veränderte sich. Dessen außerordentliche DK im März 1968 maß dem PR-Feldzug »keinerlei Bedeutung« mehr bei.151 Auch gegenüber dem »Kuratorium für eine demokratische Öffentlichkeit«, welches das für Hamburg geplante Hearing unterstützen sollte, verhielt sich der SDS kritisch. Der Studentenbund war überzeugt, dass in der Konzeption des Hearings der »emphatisch revolutionäre Anspruch«, der die Anti-Springer-Operation bestimmen sollte, völlig verdrängt worden war.152 Nach der Vertagung des Hearings gab es für den SDS keinen Grund mehr, auf ein zukünftiges Hearing zu hoffen. Das Scheitern des Tribunals und die Verschiebung des Herarings veranlassten den Verband zu einer Kehrtwende. Die Anti-Springer-Kampagne verlor an Bedeutung. 149 | Kieling, Wolfgang, »Erklärung des Schauspielers Wolfgang Kieling«, in: APO-Ar chiv, SDS-Springer Kampagne. 150 | Zit. n. S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 139. 151 | O. A.: »Rechenschaftsbericht des Bundesvorstands zur 23. ordentlichen Dele giertenkonferenz des SDS«, in: neue kritik 9, 50 (1968), S. 68-87, hier S. 69. 152 | Ebd.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
Wäre das Hearing ein Erfolg gewesen, hätte wohl auch die Einschätzung des SDS anders ausgesehen. Die Ereignisse um das Tribunal und das Hearing wirkten in den SDS hinein. Die Anti-Springer-Aktion war nach dem 2. Juni 1967 als zentrale Kampagne entstanden, die eine »heterogene Organisation«, den SDS, »an bestimmten politischen Zielen« zusammenhielt. Der Verband habe sie, Bernd Rabehl gemäß, für »bündnisfähi[g]« befunden.153 In der Tat arbeiteten bei der Kampagne beide Flügel des SDS – der linkssozialistische und der antiautoritäre – zusammen. Sie verabschiedeten, wie bereits geschildert, während der DK im September 1967 einstimmig eine Anti-Springer-Resolution. Warum maß nun der SDS im März 1968 der Kampagne »keinerlei Bedeutung« mehr bei? Das Ende der Operation sorgte bei Helmut Gollwitzer das erste Mal für Enttäuschung über den SDS. In einem Symposium im Juni 1985 fragt er die ehemaligen Protagonisten, warum der SDS die Kampagne »wie eine heiße Kartoffel« fallen gelassen habe?154 Das Ende der Kampagne, so Manfred Rexin, Mitglied des SDS sowie Mitbegründer des RC, könne man auf eine kurze Formel bringen: »Da der revolutionäre Gesamtumbruch der Gesellschaft unmittelbar bevorsteht, löst sich das Problem der BILD-Zeitung nach der Revolution von selbst.«155 Tilman Fichter widersprach ihm: »Ein großer Teil der Leute, die anfangs den Tribunal-Gedanken mit ausformuliert hatten, haben sich relativ kurz vor Beginn des Tribunal zurückgezogen und gegenüber dem SDS die Forderung erhoben, daß der Tribunal-Charakter nicht durchgehalten wird. […] Es ist wirklich nicht so, daß wir gesagt haben ›Die Revolution erledigt dieses Problem von ganz allein‹, sondern wir hatten unsere Bündnispartner weitgehend verloren, und wir waren vollkommen überfordert durch die Auseinandersetzungen, die nach dem Atten tat auf Rudi [Dutschke] auf den Straßen gelaufen sind. Und es wäre eine vollkommene Fehleinschätzung zu meinen, daß diese Kampagne deshalb ziemlich schwach beendet worden sei, weil wir euphorische Revolutionsvorstellungen gehabt haben, sondern der SDS als eine Organisation, die ja letztlich ausgegrenzt war aus dem, was übriggeblieben ist von der organisierten Arbeiterbewegung, war in dem Moment wirklich zu schwach, diese Auseinandersetzung ohne die Intellektuellen zu führen.«156
Diese Argumente erklären nicht hinreichend, warum im März, also vor den durch das Attentat auf Dutschke ausgelösten Osterunruhen, die Anti-SpringerKampagne für den SDS bedeutungslos wurde. Klar ist: Das Scheitern des Tribunals und die Vertagung des Hearings enttäuschten den SDS. Die Vorberei153 | S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 139. 154 | Ebd., S. 135. 155 | Ebd., S. 136. 156 | Ebd., S. 136 f.
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tungsveranstaltung des Tribunals hatte zu den Steinwürfen gegen Springers Berliner Morgenpost geführt. Der SDS konnte daraufhin nicht nur das Tribunal abschreiben, sondern bekam auch Probleme, die Bündnispartner des Hearings in weitere Planungen einzubeziehen. Vielen von ihnen war schon der Anspruch zu radikal, Anklage gegen Springer auf dem Tribunal zu erheben. Die Steinwürfe schreckten sie nun vom Hearing ab. Zu vermuten ist, dass der SDS aufgrund der kaputten Fensterscheiben nicht nur Bündnispartner verlor, die vor allem aus Teilen der kritischen Intelligenz und der liberalen Presse kamen, sondern dass die SDS-Flügel ihre Bündnisfähigkeit untereinander aufgaben. Das Manuskript »Berliner Winter«, das der linkssozialistische Flügel des SDS vermutlich im März 1968 verfasst hatte und das auch später in der neuen kritik (Nr. 47 vom April 1968) als Artikel erschien, kritisierte die Steinwürfe scharf: Sie könnten nur zur »Auflösung der ›außerparlamentarischen Opposition‹ beitragen«.157 Der linkssozialistische Flügel des SDS richtete seine Kritik auch auf den Zustand der Anti-Springer-Kampagne selbst. Das Springer-Tribunal sei unter den bislang von der Kampagne geschaffenen Bedingungen »sinnlos«. Denn die Arbeiter und Angestellten würden sich erst dann aktiv am »Kampf gegen den Springer-Konzern« beteiligen, wenn ihnen die Springer-Presse »als unmittelbares Repressionsmittel gegen ihre sozialen und politischen Kämpfe« entgegentrete. Die Anti-Springer-Operation bleibe »relativ wirkungslos«, solange sie nicht eine »gemeinsame Bewegung« der Arbeiter und Angestellten sei. Als Ersatz für den Kampf in deren spezifischen sozialen Bereichen sei die Kampagne »unbrauchbar«.158 Der PR-Feldzug habe es nicht geschafft, die »Isolation der Bewegung« praktisch zu überwinden. Die Anti-Springer-Aktion hatte der »Beginn eines gewerkschaftlich-politischen Kampfs relevanter Teile der Arbeiter und Angestellten« sein sollen.159 Der linkssozialistische Flügel kritisierte den antiautoritären Flügel des SDS: »[Aber] niemand aus dem Berliner ›antiautoritären Lager‹ [hatte] irgendwann ernsthaft eine Alternative konstruiert zwischen der mühevollen und kontinuierlich-systematisch zu betreibenden Aufbauarbeit neuer und zunächst informeller Organisationszusammen hänge unter den wichtigsten Fraktionen der Arbeiter- und Angestelltenschaft einerseits und andererseits den notwendig zunächst und lange noch expressionistischen Massen aktionen derer, die schon zum ›antiautoritären Lager‹ gehören. […] Der Komplementär zusammenhang zwischen diesen beiden Praxisformen [war] erkannt und anerkannt. Dennoch ist nicht zu übersehen, daß die seit dem 2. Juni betriebene Praxis fast aus
157 | O. A. [W. Lefèvre]: »Berliner Winter«, S. 10 (Archivalien); W. Lefèvre: »Berliner Winter«, S. 54. 158 | Ebd., S. 51. 159 | Ebd., S. 52.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing schließlich die Praxis expressionistischer Massenaktionen blieb; wodurch diese Mas senaktionen selbst nicht darüber hinauskamen, nur Reaktion zu sein«.160
Nachdem der linkssozialistische Flügel auf diese Weise den antiautoritären Flügel kritisiert hatte, fassten seine Vertreter die Situation im Februar 1968 wie folgt zusammen: Die Anti-Springer-Kampagne würde zum Vehikel des Zusammenbruchs der Protestbewegung werden, wenn sie, ohne ihre »entscheidenden politischen Bedingungen« zu erarbeiten, auf ein »technisches Offensiv-Niveau« herabsinken würde, das dann nur die »Zerschlagung der ›außerparlamentarischen Opposition‹« einleiten würde.161 Die Steine gegen die Springer-Filialen, die unter »anderen politischen, klassenkämpferischen Bedingungen funktionale Momente der Auseinandersetzung sein können«, hätten zur »Auflösung der ›außerparlamentarischen Opposition‹ beigetragen, wäre uns nicht Innensenator Neubauer mit einer plumpen Offensive zu Hilfe gekommen«.162 Die Steinwürfe schienen ein »Zeichen der aktuellen Schwäche« der APO zu sein.163 Indem er sie als schädliche und gefährliche Aktion bewertete und Solidarität mit den Arbeitern und Angestellten betonte, kritisierte der linkssozialistische Flügel den antiautoritären Flügel des SDS und die Anti-Springer-Aktion selbst. Angesichts der damaligen Situation in der Bundesrepublik Deutschland erscheint diese Kritik als naiv. Die Aussischt auf Solidarität zwischen Studentenbewegung und Arbeiterbewegung wäre in jedem Fall gering gewesen. Die Anti-Springer-Kampagne hätte stärker von einer Zusammenarbeit mit nichtstudentischen Gruppen – etwa im Rahmen des Hearings – profitiert, anstatt sich nur auf die Arbeiterklasse zu konzentrieren. Auch der antiautoritäre Flügel des SDS reflektierte die Anti-Springer-Operation kritisch. Der BV, der sich aus Vertretern dieses Flügels zusammensetzte, problematisierte den Verlauf des publizistischen Feldzugs während der 23. ordentlichen DK des SDS im September 1968.164 Die Anti-Springer-Kampagne, welche die »neue Phase der Protestbewegung« nach dem 2. Juni 1967 repräsentiere, habe eine »radikale Ausweitung und Verallgemeinerung der politischen Konzeption« impliziert und damit den »Charakter der antiautoritären Opposition« adäquat ausgedrückt. »Verallgemeinerung« habe zugleich »Radikalisierung des revolutionären Anspruchs« dargestellt. Die Kampagne hätte die160 | Ebd. 161 | Ebd., S. 54. 162 | Ebd. 163 | Ebd., S. 58. 164 | SDS-BV, »Rechenschaftsbericht des Bundesvorstands«, S. 1-23, in: Dokumente der 23. ordentlichen Delegiertenkonferenz des SDS, September 1968, in: APO-Archiv, SDS-BV, 23. DK. Auch o. A.: »Rechenschaftsbericht des Bundesvorstands zur 23. or dentlichen Delegiertenkonferenz«.
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sen Anspruch zunächst aber »nur propagandistisch« stellen können, ohne die »wirkliche Arbeit der Opposition« zu bestimmen.165 Sie hätte mit »prinzipiellen Schwierigkeiten« zu kämpfen. Auf der einen Seite sei sie eine »aktionistisch[e] Kampagne«, auf der anderen Seite gehe es ihr um eine Erweiterung der AntiSpringer-Operation durch eine »organisierte Gegenöffentlichkeit und Syndikalisierung von Nicht-Studenten«. Die Spannung zwischen diesen Ebenen habe sich in der »Auseinandersetzung um die Aktionspläne« gezeigt. Nach dem ursprünglichen Plan hatten die »Aktionskonferenzen« auf regionaler und nationaler Ebene »organisatorisch[e] Funktionen« erfüllen sollen. Das »Ziel und [die] praktische Zusammenfassung« der Anti-Springer-Kampagne sei die »massenhafte Belagerung« der Verlagshäuser.166 Die »Fehleinschätzung« habe darin gelegen, dass der »allgemein[e] Wille«, der die Anti-Springer-Kampagne hatte tragen sollen, von dieser »erst mobilisiert werden mußte«. Die Operation sei aufgrund dieses Widerspruchs »oberflächlich« gescheitert, gleichwohl sie »latent wirksam geblieben« sei. Die »analytische und propagandistische Arbeit« der Springer-Arbeitskreise der KU und des RC in Westberlin, wie auch einzelne SDS-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland, hätten das »Bewußtsein von der Notwendigkeit« der Kampagne verbreitetet und ein »gemeinsames Bedürfnis« mobilisiert.167 Weiter wurde berichtet: »Im Februar z. B. zogen nach einer Vietnam-Demonstration in Hamburg spontan über tausend Studenten und Schüler zu einer improvisierten Springer-Blockade vors Druck haus. Springer war zum sichtbaren Allgemein-Gegner geworden, aber um den Preis, daß die prinzipielle Argumentation sich auf Parolen und die Person Springers zu reduzieren drohte, während die Kampagne im übrigen von der sonstigen Praxis abgelöst war, also gerade die zentrale Rolle in der antiautoritären Bewegung nicht wahrnehmen konnte. Die strategische Bedeutung der geplanten nationalen Aktion hatte sich problemati siert, nachdem […] Zweifel an der politischen und organisatorischen Umsetzbarkeit entstanden waren. Die Absetzung zunächst des Berliner Tribunals, dann die Verschie bung des Springer-Hearings sind ein Ausdruck dieser Schwierigkeit wie schon die Ver lagerung auf diese propagandistischen bzw. theoretisch analytischen Veranstaltungen den anfänglichen [revolutionären] Anspruch zurückgenommen hatten. So wurde auf der außerordentlichen Delegiertenkonferenz im März der Kampagne keinerlei Bedeutung mehr zugemessen.«168
165 | SDS-BV, »Rechenschaftsbericht, S. 1 (Archivalien). 166 | Ebd., S. 1 f. 167 | Ebd., S. 2. 168 | Ebd.
Das Springer-Tribunal und das Springer-Hearing
E xkurs : »E nteigne t S pringer!«? – Ü ber die › symbolische ‹ Parole der A nti -S pringer -K ampagne Die Kernparole des Anti-Springer-Feldzugs lautete ohne Zweifel »Enteignet Springer!« Sie bildete die Hintergrundmusik der Kampagne, die oft auch »Enteignet Springer«-Kampagne genannt wurde. Der Slogan ist aber nicht wörtlich zu nehmen. »Enteignet Springer!« war eine ›symbolische‹ Parole, die das Weltverständnis und die politische Richtung vieler in ihr versammelter Akteure und Gruppen zum Ausdruck brachte. Laut dem Springer-Auslandsdienst habe Rudi Dutschke, den der Springer-Konzern als »studentische[n] Demagoge[n]«169 bezeichnete, am 21. Februar 1968 in einem Interview mit der in Amsterdam erscheinenden Zeitung De Volkskrant erklärt: »›Enteignet Springer‹ ist […] nur eine Parole, um die große Masse zu mobilisieren. Wir können ihn natürlich nicht wirklich enteignen.«170 Schon im September 1967 hatte sich Dutschke in der Zeitschrift pardon ähnlich geäußert: »Die Enteignung des Springer-Konzerns unter den bestehenden gesellschaftlichen Bedingungen scheint uns weder wahrscheinlich noch besonders ›fortschrittlich‹ zu sein, es sei denn, daß wir die ›Verbesserung der Gefängniszellen‹ als geschichtlichen Fortschritt begriffen.«171 Diese Einschätzung teilte auch Reimut Reiche, erster Vorsitzender des SDS, der im Juli 1967, in der Anfangsphase der Anti-Springer-Kampagne, erklärte: Die Forderung nach der Enteignung des Springer-Konzerns sei »aktuell aussichtslos«. Und die »Bewußtmachung dieser Aussichtslosigkeit« sei ein Mittel der »Politisierung, der Bewußtseinsbildung und der Mobilisierung der demokratischen Oppositionskraft«.172 Der SDS erkannte, dass es unmöglich war, den Springer-Konzern zu enteignen. Unter den Protagonisten der Anti-Springer-Kampagne herrschte Klarheit darüber, dass Forderungen nach Enteignung nicht zu realisieren waren. Ihren symbolischen Charakter anerkennend, wollten der SDS und die APO die Parole als wichtiges Mobilisierungsmittel für den Feldzug nutzen. Die Vertreter der KfA, die an der Operation teilnehmen wollten, hatten sie anfangs bei einem Treffen mit Vertretern des RC scharf kritisiert. Sie hielten den Slogan für eine »abenteuerliche und niemandem zu vermittelnde Parole«.173 Die Vertreter der KfA, unter anderem Klaus Vack, der später für das »Verteilerbüro der Springer-
169 | Zit. n. o. A.: »Die studentische Ideologie«, S. 1, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. 170 | Zit. n. o. A.: »Springer«, S. 2 (Archivalien). Vgl. Auch J. Staadt / T. Voigt / S . Wolle: Feind-Bild Springer, S. 129 und S. 296, Anm. 83. 171 | R. Dutschke: »Besetzt Bonn!«, S. 99. 172 | R. Reiche: »Berlin ist ein Exempel«. 173 | Zit. n. S. Lönnendonker (Hg.): Linksintellektueller Aufbruch, S. 133.
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Kampagne« zuständig wurde, akzeptierten ihn dennoch.174 Die KfA hatte seinen Symbolcharakter erkannt. In diesem Kontext ist das in der Veranstaltung vom 1. Februar 1968 verabschiedete Ultimatum aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es wurde, wie oben ausgeführt, von Axel Springer gefordert, innerhalb von 14 Tagen seine eigene Enteignung einzuleiten und ein absolutes Mitbestimmungsrecht der Studenten in den Springer-Zeitungen einzuführen. Die Forderung könnte, wie Ulrich Chaussy schrieb, ein »lächerliches, völliges ernstgemeintes Ultimatum«175 sein. Sie muss aber zunächst als symbolisch verstanden werden, so lautet die hier entfaltete These, da man nicht an ihre Verwirklichungsmöglichkeit glaubte. Der Boykott der Springer-Presse und die Demonstrationen vor den Verlagshäusern wurden als realisierbares Mobilisierungsziel propagiert, weil klar war, dass die Enteignung unmöglich war und erst nach der revolutionären Transformation des kapitalistischen Systems der Gesellschaft realisiert werden würde.
174 | Vgl. ebd. 175 | U. Chaussy: Die drei Leben, S. 202.
6. Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«: von der Aufklärung zur Aktion
»Wenn er auf einen Schwächeren trifft / ist sein ers ter Reflex ihm zu helfen […] Da er großes Vertrauen zu den Menschen hat / h at er Selbstvertrauen, auch umge kehrt / E r ist der einzige, den ich kenne / d er mit vollkom men gutem Gewissen siegen kann«1 P eter S chneider »Drei Kugeln auf Rudi Dutschke, / e in blutiges Atten tat. / W ir haben genau gesehen, / w er da geschossen hat […] Die Kugel Nummer eins kam / a us Springers Zeitungswald.« 2 Wolf B iermann
Am 11. April 1968, am Gründonnerstag, wurde Rudi Dutschke, eine Symbolfigur der 68er-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland, in Westberlin niedergeschossen. Es waren »Schüsse, die alle linken Oppositionsgruppen aktivierten und solidarisierten«.3 Die Studentenbewegung und die APO machten die Springer-Presse sofort für die Hetzkampagne gegen Dutschke verantwortlich. Die Demonstranten riefen im Sprechchor: »Bild hat mitgeschossen!«
1 | Peter Schneider: »Rudi«, in: ders.: Ansprachen, S. 68. 2 | Wolf Biermann: »Drei Kugeln auf Rudi Dutschke«, zit. n. K. Staib: Rockmusik und die 68er-Bewegung, S. 176. 3 | Nevermann, Knut: »Revolte. Der Muff von tausend Jahren. 1968«, in: Uwe Prell / L o thar Wilker (Hg.), Die Freie Universität Berlin. 1948 – 1968 – 1988. Ansichten und Ein sichten, Berlin 1989, S. 70-82, hier S. 72.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Es war die »einhellige Antwort tausender APO-Studenten«.4 Eine Welle der Empörung erhob sich und führte zu einer Flut von Demonstrationen gegen den Springer-Konzern. Während der Ostertage löste das Attentat auf Dutschke in Westberlin und in der Bundesrepublik Deutschland Blockadeaktionen vor Springer-Druckereien aus. Die Anti-Springer-Kampagne erreichte ihre spektakulärste Phase. In vielen Städten marschierten Demonstranten gegen den Springer-Konzern und versuchten, die Auslieferung der Bild-Zeitung zu blockieren. Man begann, wie es Dutschke im Februar 1968 auf dem Internationalen Vietnam-Kongress in Westberlin angekündigt hatte, »militante Aktionen gegen die Manipulationszentren, […] gegen die unmenschliche Maschinerie«5 des Springer-Verlags durchzuführen. Die Anti-Springer-Operation verwandelte sich von einer Kampagne, deren Protagonisten es um Aufklärung ging, in eine auf Aktionen gerichtete Bewegung. Das Attentat war neben dem Tod von Benno Ohnesorg das zweite »kritische Ereignis«, das zum Kulminationspunkt der Anti-Springer-Kampagne führte. Die auf das Attentat folgende »Springer-Blockade« markierte den Höhepunkt der Kampagne, leitete jedoch zugleich auch ihr Ende ein. Im Verlauf der Ostertage steigerten sich die Aktionen, die sowohl auf Seiten der Demonstranten als auch auf Seiten der Polizei von Gewalt geprägt waren. Es kam immer wieder zu Straßenschlachten, die in Westdeutschland in dieser Heftigkeit seit den Auseinandersetzungen während der Weimarer Republik nicht mehr stattgefunden hatten. Diese in ihrer Intensität für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland beispiellosen Unruhetage gingen als die »Osterunruhen« in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein.
D as A t tentat auf R udi D utschke Wie ein Interview mit Dutschke am 11. April 1968 zeigt, hatte der Aktivist nicht mit der Möglichkeit eines Attentats auf ihn gerechnet.6 Gleichwohl gab es in Westberlin, wo die öffentliche Stimmung immer mehr von Gewaltbereitschaft geprägt war, mehrmals Vorzeichen für ein mögliches Attentat. Am 24. Dezember 1967 etwa hatte ein Kriegsversehrter Dutschke während des Weihnachts4 | Pätzold, Ulrich: »Die Schüsse auf Rudi Dutschke«, in: ders., Achtundsechzig. Noti zen im Alter, Berlin 2013, S. 15-18, hier S. 16. 5 | Dutschke, Rudi: »Die geschichtlichen Bedingungen für den internationalen Emanzi pationskampf«, in: SDS Westberlin / I nternationales Nachrichten- und Forschungs-Ins titut (INFI) Redaktion (Hg.), Internationaler Vietnam-Kongreß Februar 1968 Westberlin. Der Kampf des vietnamesischen Volkes und die Globalstrategie des Imperialismus, Westberlin 1968, S. 107-124, hier S. 122 f. 6 | Im Interview sagt Dutschke, dass er sich »überhaupt nicht bedroht« fühle. Zit. n. J. Miermeister / J. Staadt (Hg.): Provokationen, S. 125.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
gottesdienstes in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit einem Krückstock attackiert und am Kopf verletzt, als er mit einer Gruppe des Westberliner SDS gegen den Vietnamkrieg protestierte.7 Im Januar 1968 hatte Wolf Biermann, der in der DDR als Liedermacher und Lyriker lebte und ein scharfer Kritiker der DDR-Parteidiktatur war, Dutschke per Brief vor möglichen Anschlägen der Rechten gewarnt. Der Soziologiestudent Dutschke hatte dies für eine Übertreibung gehalten.8 Die in Westberlin schon lange andauernden Hetzaktivitäten gegen APO-Anhänger und Studenten im Allgemeinen und gegen Dutschke im Besonderen verschärften sich während des Vietnam-Kongresses am 17. / 18. Februar 1968 und eskalierten schließlich. Vor dem Kongress hatte die Bild-Zeitung am 7. Februar getitelt: »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!«9 Neben dieser Schlagzeile war ein Bild des Aktivisten abgedruckt. In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar wurde Dutschke mit zwei Begleitern in einem PKW von einem Dutzend Taxis eingekreist und konnte sich, nach gelungener Flucht, bei seinem Freund Helmut Gollwitzer verstecken, einem Professor der FU.10 Weiter aufgeheizt wurde das Klima am 21. Februar auf einer Gegenkundgebung zur Studentenbewegung, zu der der Berliner Senat aufgefordert und welche die Springer-Presse unterstützt hatte.11 Die Kundgebung bildete die direkte Vorstufe zum Attentat auf Dutschke. Auf den Plakaten der Teilnehmer konnte man lesen: »Dutschke Volksfeind Nr. 1« und »Dutschke raus aus West-Berlin«. Im Anschluss an die Kundgebung verfolgte die aufgebrachten Masse einen Mann, der wie Dutschke aussah, und lynchte ihn fast. Unter den Rufen »Lyncht die Sau«, »Schlag ihn Tod«, »Kastriert das Judenschwein« oder »Dutschke ins KZ« wurde der Mann durch die Straßen gejagt und erst im letzten Augenblick durch das Eingreifen der Polizei gerettet.12 Vor Ostern 1968, vor dem Attentat auf ihn, erhielt Dutschke zudem eine Reihe von Drohbriefen, in denen von »umbringen« die Rede war, vom »Tod der roten Pest!!« und vom »Tod dem roten Faschisten Dutschke«. Ein Bauarbeiter drohte sogar, er habe sich »geschworen diese[s] rote
7 | Vgl. W. Rott: Die Insel, S. 257; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 62 (Zeittafeldatum 24. Dezember 1967). 8 | Vgl. Dutschke, Rudi: »Bisher konnte ich mich auf meine Beine und Fäuste verlassen … (Aus dem Tagebuch, Januar 1968)«, in: Miermeister (Hg.), Rudi Dutschke, S. 104. 9 | O. A.: »Stoppt den Terror«. 10 | Vgl. Winkler, Willi: Die Geschichte der RAF, Berlin 2007, S. 116 f.; M. Karl: Rudi Dutschke, S. 208 f. 11 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 75 (Zeittafeldatum 19. und 20. Februar 1968). 12 | Vgl. ebd., S. 76 (Zeittafeldatum 21. Februar 1968); M. Karl: Rudi Dutschke, S. 208; G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 188 f.
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Schwein Rudi abzuschießen wie ein[en] Hasen«.13 Kurze Zeit später setzte ein anderer Arbeiter diese Ankündigung in die Tat um. Am Nachmittag des 11. April, eine Woche nach der Ermordung von Martin Luther King, einem der bekanntesten Sprecher der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, verletzte der 23-jährige Anstreicher Josef Bachmann den Soziologen Dutschke in Westberlin auf offener Straße mit drei Pistolenschüssen lebensgefährlich. Nachdem Bachmann, ein dem Neonazismus nahestehender Hitler-Verehrer, ihm zugerufen hatte: »Du dreckiges Kommunistenschwein!«14, trafen ihn die Kugeln in die rechte Wange, in den Kopf und in die Schulter. Im Zimmer Bachmanns fand die Polizei ein Bild von Hitler an der Wand sowie ein Exemplar von Mein Kampf.15 Außerdem stellt sich nach seiner Verhaftung heraus, dass er einen Artikel aus der neofaschistischen Deutschen Nationalzeitung vom 22. März 1968 mit sich führte, dessen Überschrift lautete: »Stoppt Dutschke jetzt! Sonst gibt es Bürgerkrieg«.16 Bachmann hatte Kontakte zur Neonaziszene und nach einem Bericht des Spiegels von dem früheren NPD-Mann Wolfgang Sachse Schusswaffen und Munition gekauft und damit Schießen geübt.17 13 | O. A.: »Kastrieren, lynchen, totschlagen: Drohbriefe an Dutschke«, in: FU-Spiegel 14, 64 (1968), S. 14: »Wir hassen und verachten Euch so, das[s] wir Arbeiter Euch al lesamt umbringen möchten.« »Dutschke, Ihr Hunde bald ist […] Schluß mit Euch – Ihr werdet umgelegt!!! Auch Eure Hurenmadel.« »Tod dem Kommunisten Dutschke und der Atheisten Nutte!« »Dutschke muß stündlich mit offener Lynchjustiz durch die ob rigkeitlich angefeuerten und gedeckten Faschisten rechnen.« Vgl. auch U. Pätzold: Der Springer-Arbeitskreis, S. 4. 14 | Funke, Hajo: Das Otto-Suhr-Institut und der Schatten der Geschichte. Eine andere Erinnerung, Berlin 2008, S. 61; G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 197 f. Bachmann, der am 14. März 1969 im Westberliner Schwurgericht zu sieben Jahren Zuchthaus verur teilt wurde, nahm sich am 24. Februar 1970 im Gefängnis das Leben. Dutschke, der mit seinem Attentäter einen Briefwechsel führte, starb am Heiligen Abend 1979 an den Spätfolgen des Attentats. Auf der Trauerveranstaltung in der FU Berlin am 3. Januar 1980 erklärte Erich Fried, der sich als Lyriker in der 68er-Bewegung engagiert hatte: »Daß Rudi ermordet worden ist, das wissen wir alle. Ermordet nicht nur von dem armen Teufel, der geglaubt hat, was die Zeitungen über Rudi schrieben, und vor elf Jahren auf ihn geschossen hat und auch tot ist. Die eigentlichen Mörder leben und morden wei ter.« Fried, Erich: »Rede von Erich Fried«, in: tageszeitung vom 7. Januar 1980 (auch in: Küpper, Ralf Gregor [Hg.], Der Tod von Rudi Dutschke in der deutschsprachigen Presse, Berlin 1981, S. 252). 15 | Vgl. N. Thomas: Protest movements, S. 168; L. v. Friedeburg / J. Hörlemann / P. Hübner: Freie Universität, S. 466, Anm. 120. 16 | Vgl. H. Funke: Otto-Suhr-Institut, S. 61; W. Winkler: Die Geschichte der RAF, S. 116. 17 | O. A.: »Enthüllung durch Stasi-Akte: Dutschke-Attentäter hatte Kontakt zu Neo nazis«, in: Spiegel Online vom 5. Dezember 2009, http://www.spiegel.de/politik/
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
Zudem war er ein »notorischer Bild-Leser«,18 rezipierte also jene Zeitung, die mit ihrer Berichterstattung die Stimmung zugespitzt und, mit den Worten Edgar Wolfrums, Dutschke als eine Art »Staatsfeind« verteufelt hatte, »dessen man sich entledigen müsse«.19 Im Krankenhaus gab Bachmann der Westberliner Untergrundzeitschrift linkeck, herausgegeben von einer Kommune gleichen Namens, ein Interview. Darin stellte er fest: »Ja, selbstverständlich habe ich jeden Morgen die Bild gelesen.«20 Ihr hatte er die Forderung entnehmen können, dass die »Radaubrüder aus Berlin […] ausgemerzt werden müssen«. Nach der Tat habe die Bild-Zeitung ihn jedoch verraten, weil sich jetzt darin »gegen das, was ich getan habe, […] beschämende Schimpfwörter« fänden.21 Obgleich Bachmann am 4. März 1969, dem ersten Tag der Schwurgerichtsverhandlung gegen ihn in Westberlin, zunächst erklärte, »keine Springer-Zeitung« gelesen zu haben, widerrief er dies am zweiten Verhandlungstag – »Vornweg habe ich die Bild-Zeitung gelesen!« – und gab an, tags zuvor »auf die Springer-Presse Rücksicht« genommen zu haben.22 Stattdessen stellte er nun fest: »Meine täglichen Informationen habe ich […] der ›Bild-Zeitung‹ entnommen.«23 Dutschke
deutschland/enthuellung-durch-stasi-akte-dutschke-attentaeter-hatte-kontakt-zuneonazis-a-665334.html vom 6. Februar 2013. 18 | Claussen, Detlev: »Im Zerrspiegel von Zeitzeugen und Wissenschaft – Springer und ›68‹«, in: Fritz Backhaus / D mitrij Belkin / R aphael Gross (Hg.), Bild dir dein Volk! Axel Springer und die Juden, Göttingen 2012, S. 164-171, hier S. 165, Herv. i. O. Über die Bild-Zeitung schrieb Wolf Biermann 2001: »Immerhin war es vor allem die Hetze in Springers Bild-Zeitung in den heißesten Zeiten des Kalten Kriegs, die in West-Berlin eine Stimmung in der Bevölkerung aufheizte, ohne die der junge Nazi Bachmann wohl kaum seine drei Kugeln in den Kopf von Rudi Dutschke geschossen hätte.« Zit. n. Sz czerbak, Jacek: »Die Studentenbewegung 1968 im Spiegel der deutschen Presse. Ein Überblick über die Schlagzeilen zur Anti-Springer-Kampagne im April 1968«, in: Glotto didactica 30-31 (2005), S. 247-264, hier S. 262 f. 19 | E. Wolfrum: Die geglückte Demokratie, S. 262. 20 | O. A.: »Das verstehe ich nicht«, in: linkeck 3a, o. D. [1968], S. 5, Herv. durch den Autor. (auch in: Halbach, Robert [Hg.], Linkeck – Erste antiautoritäre Zeitung. Jedes Ur teil wissenschaftlicher Kritik ist mir willkommen, Berlin 1987 [Nachdruck der Ausgaben 1-9 von 1968 / 6 9]). 21 | Ebd. Die Bild-Zeitung nannte Bachman einen »halbirren Rechtsradikalen«. O. A.: »Im Berliner Westend-Krankenhaus ringen die Ärzte um Dutschkes Leben«, in: Bild-Zei tung (Berlin), 13. April 1968, S. 1. 22 | Zit. n. U. Chaussy: Die drei Leben, S. 283 und S. 285, Herv. i. O. 23 | Zit. n. Mauz, Gerhard: »›Siebzig Prozent reiben sich die Hände‹. SPIEGEL-Reporter Gehard Mauz im Prozeß gegen Josef Bachmann«, in: Der Spiegel vom 10. März 1969, S. 76-78, hier S. 78. Vgl. auch N. Thomas: Protest movements, S. 169 f.
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selbst schrieb später über seinen Attentäter: »Bachmann mußte kaum ausgebildet sein, täglich wurde er von Springer und NPD-Zeitungen […] bestimmt.«24 Der Hamburger Historiker Wolfgang Kraushaar beruft sich für sein Urteil lediglich auf Bachmanns Aussage vom ersten Verhandlungstag: »Die Frage jedoch, ob sich der Attentäter tatsächlich durch Organe des Hauses Springer angestiftet gefühlt haben könnte, war nicht so einfach zu beantworten.«25 »[S]ehr viel wahrscheinlicher« ist es für Kraushaar, dass die Deutsche Nationalzeitung Bachmann beeinflusst hatte. Insofern sei es womöglich ein »schwer wiegender Fehler« der Demonstranten gewesen, »ihre Empörung über das Attentat« ausschließlich gegen den Springer-Konzern und nicht auch gegen den Herausgeber der Deutschen Nationalzeitung oder direkt gegen die NPD gerichtet zu haben.26 Berücksichtigt man die erwähnten Aussagen Bachmanns am zweiten Verhandlungstag und das Interview mit linkeck, lassen sich die Verbindungen zwischen dem Attentat und der Bild-Zeitung kaum leugnen. Darüber hinaus sind die beiden Gegner der Prostestbewegung – Bild-Zeitung (und SpringerKonzern) einerseits und die Deutsche Nationalzeitung (und NPD) anderseits – in ihrem Einfluss, den sie auf Öffentlichkeit und Bevölkerung ausübten, nicht vergleichbar. Allein die Bild-Zeitung hatte über vier Millionen Leser. Mehrere Gründen lassen es somit nachvollziehbar erscheinen, dass sich Empörung und Wut der Demonstranten nach dem Attentat ausschließlich direkt gegen den Springer-Konzern und dessen Bild-Zeitung richteten.
D ie R e ak tionen der APO auf den S pringer -K onzern am 11. A pril 1968 In seinem Lied »Drei Kugeln auf Rudi Dutschke« drückte der »Liedermacher der Protestbewegung«27 Wolf Biermann aus, was viele Demonstranten dachten: dass »die Kugel Nummer eins« an Dutschke aus »Springers Zeitungswald« gekommen war und der Springer-Konzern und dessen Blätter, insbesondere die Bild-Zeitung, für das Attentat verantwortlich waren. Biermann sang weiter: »Des zweiten Schusses Schütze im Schöneberger Haus [in Westberlin] […]. Der Edel-Nazi-Kanzler schoß Kugel Nummer drei.«28 In einer Erklärung, die der SDS-BV drei Tage nach dem Attentat abgab, schlug sich diese Wahrneh24 | Reisner, Stefan (Hg.): Briefe an Rudi D., Berlin 1968, S. 2, zit. n. Reinicke, Helmut: Rudi Dutschke. Aufrecht gehen, 1968 und der libertäre Kommunismus, Hamburg 2012, S. 37. 25 | W. Kraushaar: »1968 und Massenmedien«, S. 329. 26 | Ebd., S. 331. 27 | J. Szczerbak: Die Studentenbewegung 1968, S. 263. 28 | K. Staib: Rockmusik und die 68er-Bewegung, S. 176 f.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
mung eindeutig nieder: »Der Mordanschlag auf Rudi Dutschke ist ebensowenig bloß die Tat eines Einzelnen wie die Erschießung Benno Ohnesorgs. Beide sind Opfer einer systematischen Hetzkampagne des Springer-Konzerns im Verein mit der Staatsgewalt.«29 Eine ähnliche Meinung vertrat der Marburger Professor Wolfgang Abendroth. Das Attentat auf Dutschke sei die Folge einer »systematischen Hetze vor allen Dingen der Springer-Presse und der Führung des Senats von Berlin«.30 Für die KfA, seit 1968 in Kampagne für Demokratie und Abrüstung (KfDA) umbenannt, war ebenso klar, dass der »verbrecherische Anschlag« auf Dutschke ein »extremer Ausdruck jener Hetze« gegen die APO gewesen war, die ein Teil der Presse, vor allem der Springer-Gazetten, und der politischen Klasse seit Monaten systematisch betrieben habe. Die KfDA erklärte, der Ostermarsch 1968 werde gleichzeitig zu »einer Demonstration gegen das Attentat« werden.31 Die Hauptschuld – die »Kugel Nummer eins« – wurde dem Springer-Verlag zugeschrieben. Zu offensichtlich erschien es, dass der Konzern grundsätzlich für die Entstehung des Hassklimas verantwortlich war, das in Bachmann die Tat ausgelöst hatte.32 »Egal wer der Täter war – Springer ist schuld.«33 Die Forderung »Enteignet Springer« wurde erneut zu einem Kristallisationspunkt der Anti-Springer-Kampagne, deren Kritik am Konzern durch das Attentat eine unerwartete Radikalisierung erfuhr. So hielt auch der SDS am Ende seiner Erklärung drohend fest: »Wir erklären, daß es keine Ruhe geben wird, bis geeignete Maßnahmen zur Enteignung des Springer-Konzerns eingeleitet sind«,34 und stellte diese insgesamt unter den Titel »Grundsatzerklärung zur Kampagne für die Enteigung des Konzerns«. Die Radikalität der Erklärung spiegelte sich in den wiederholten Versuchen, die Auslieferung der Springer-Presse zu 29 | SDS-Bundesvorstand: »Grundsatzerklärung zur Kampagne für die Enteignung des Springer-Konzerns, 14. April 1968«, in: neue kritik 9, 47 (1968), S. 7-9, hier S. 7. (auch in: Pressestelle der FU Berlin [Hg.], FU, HiU, Teil 5, S. 295 f. [Dokument 857]). 30 | Zit. n. Renz, Andreas, Die Studentenproteste von 1967 / 6 8 im Spiegel der Münch ner Presse, München 1992 (= Dissertation, Universität München 1992), S. 132. 31 | Flugblatt der KfDA, »Die Saat geht auf: Attentat auf Rudi Dutschke!«, o. D., vermut lich April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 32 | Vgl. Negt, Oskar: »Das Attentat«, in: TAZ Journal 27, 1 (2006) (Dutschke und Du), S. 14 f., hier S. 14. 33 | K. Nevermann: Revolte, S. 73. »Nicht Bachmann, Springer hat geschossen […]: den Springer nicht bloß anklagen, die Auslieferung seines Drecks verhindern!« So äußerte sich 1975 Thomas Schmid in Autonomie. Schmidt gehörte 1968 dem SDS in Frankfurt an und arbeitet seit 2010 als Herausgeber der Welt-Gruppe. Zit. n. Seitenbecher, Manu el: Mahler, Maschke & Co. Rechtes Denken in der 68er-Bewegung?, Paderborn 2013 (= Dissertation, Universität Potsdam 2012), S. 395, Anm. 10. 34 | SDS-Bundesvorstand: »Grundsatzerklärung«, S. 8.
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verhindern. Insofern war die Erklärung eher der sprachliche Ausdruck der bereits laufenden Springer-Blockade, als dass sie neue direkte Aktionen vorgab. In ihren Erinnerungen beschreibt Barbara Brick, damals Mitglied des Münchner SDS, die Radikalisierung der Kampagne in den Ostertagen 1968: »There was a readiness for violence now which came from an enormous rage […]. We were out for war now, civil war. If it hadn’t been so, we wouldn’t have built barricades with other people’s cars, without thinking for a moment to ask their owners. Wouldn’t have overturned a bus as a matter of course and set fire to it. Yes, emotionally we de clared war, at first primarily on the media which killed people by its defamations and slanders.« 35
Orientiert an den Schlagworten »Allen voran schreitet Axel Cäsar Springer! Er schoß mit!!«36 und »Springer zielt, und Bachmann, der Attentäter, schießt!«,37 brachen sich jetzt bundesweit spontane Aktionen gegen den Medienkonzern Bahn. Der Titel eines SDS-Flugblatts, vermutlich das erste Flugblatt des SDS in Westberlin unmittelbar nach dem Attentat, für das noch keine Informationen über den Täter bekannt waren, bezichtigte den Springer-Konzern als Hauptschuldigen: »Attentat auf Dutschke – Bild war dabei – Attentat auf Dutschke.«38 Beim Attentäter handele es sich möglicherweise um »einen Einzelgänger«; die »wirklichen Täter« seien dem SDS zufolge jedoch diejenigen, die Dutschke »als ›Staatsfeind Nr. 1‹ [ab]gestempelt haben […] [und] die Vorurteile gegen die Studenten geweckt und mobilisiert« hätten. Diese Delinquenten seien Leute, die in den »Redaktionsstuben des Springer-Konzerns, im Senat und im Abgeordnetenhaus West-Berlins« säßen und jetzt »Krokodilstränen« weinten. Morgen aber würden sie »ihre Kampagnen« gegen die Studenten und in der Folge gegen andere Bevölkerungsgruppen fortsetzen.39 Ein weiteres Flugblatt, wahrscheinlich das zweite Westberliner SDS-Flugblatt nach dem Attentat, bezeichnete den Schützen als »aufgehetzte[n] Jugendliche[n]«. Der SDS machte auch hier deut35 | Zit. n. Fraser, Ronald (Hg.), 1968 – A Student Generation in Revolt, New York 1988, S. 191. 36 | Zit. n. o. A.: »›Wer hier als Christ gleichgültig bleibt und schweigt, verrät seinen Herrn‹. Die Oster-Unruhen in Berlin und in der Bundesrepublik: Augenzeugenberichte, Flugblätter, Dokumente, Interviews«, in: Der Spiegel vom 29. April 1968, S. 32-34, hier S. 33. 37 | P. Mosler: Was wir wollten, S. 75. 38 | Flugblatt des SDS Berlin, »Attentat auf Dutschke – Bild war dabei – Attentat auf Dutschke«, o. D., vermutlich 11. April 1968, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. 39 | Ebd.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
lich, »daß dieses Verbrechen nur Konsequenz der systematischen Hetze ist, welche Springerkonzern und Senat in zunehmendem Maße gegen die demokratischen Kräfte in dieser Stadt betrieben haben«.40 Auch diesen beiden Flugblättern gemäß trug eindeutig der Konzern die Hauptschuld. Ein Flugblatt, das der zum RC in Berlin gehörende Jüdische Arbeitskreis für Politik41 herausgab, griff das Unternehmen noch erbitterter an: Vor allem die »faschistische Pogromhetze« der Springer-Zeitungen habe dazu beigetragen, diesen »perfiden Mordanschlag« zu ermöglichen. Dutschke, eine »Symbolfigur« der APO, sei »Opfer eines politischen Verbrechens« geworden.42 Die Nachricht über das Attentat auf Dutschke, das um 16.30 Uhr verübt wurde, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Im SDS-Zentrum am Berliner Kurfürstendamm versammelten sich zahlreiche Studenten, die jedoch wie gelähmt schienen, einige junge Frauen weinten. Es gab weder Diskussionen noch Reden. Der SFB hatte zunächst berichtet, Dutschke sei tot. Erst um 18.30 Uhr wurde bekannt, dass er noch lebte und seine Überlebenschancen fünfzig Prozent betrügen. Nun kam es zu ersten leisen Diskussionen. Man ging davon aus, dass man gegen den Springer-Konzern demonstrieren und die Auslieferung seiner Zeitungen verhindern musste:43 »Die Blockade des Springer-Hochhauses ist die einzig mögliche Antwort auf den Mordanschlag.«44 Um 20.00 Uhr versammelten sich, wie das nach dem Attentat verteilte SDS-Flugblatt gefordert hatte,45 mehr als 2000 APO-Anhänger im Audimax der TU Berlin. Neben zahlreichen anderen Rednern machte auch Bernd Rabehl vom SDS die »Hetze 40 | Flugblatt des SDS Berlin, »Freunde und Genossen!«, 11. April 1968, in: APO-Ar chiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. 41 | Der Jüdische Arbeitskreis für Politik wurde am 8. März 1968 als Arbeitskreis des RC in Westberlin gegründet und verstand sich selbst als »Teil der sozialistischen Linke[n] und der Außerparlamentarischen Opposition«. Die Mitglieder bestanden dem nach aus Schülern, Angestellten, Arbeitern und Studenten. Vgl. RC, »Selbstdarstellung aller im RC tagenden Arbeitskreise«, o. D., vermutlich Mai 1968, S. 1-5, hier S. 3 f., in: APO-Archiv, SDS / R C. 42 | Flugblatt des Jüdischen Arbeitskreises für Politik – Berlin e. V., »Rudi Dutschke auf offener Straße niedergeschossen!!!«, 11. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. 43 | Vgl. S. Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex, S. 98 f; U. Chaussy: Die drei Leben, S. 248 f. 44 | Semler, Christian, »Die lange Nacht vom 11.4.1968: Ein Rückblick ohne Zorn auf die Kampagne zur Enteignung Axel Cäsar Springers«, in: taz vom 10. April 1993; auch in und zit. n. ders.: Kein Kommunismus ist auch keine Lösung, Berlin 2013, S. 11-15, hier S. 14. 45 | Am Ende des Flugblatts »HEUTE ABEND 20.00 Uhr AUDI-MAX T.U.«, Flugblatt des SDS Berlin, »Freunde und Genossen!« (Archivalien).
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des Springer-Konzerns« für das Attentat mitverantwortlich: »Ich spreche ganz deutlich aus, die wirklichen Schuldigen heißen Springer, und die Mörder heißen [der Westberliner Innensenator Kurt] Neubauer und [der Regierende Bürgermeister Klaus] Schütz!«46 Nach den Diskussionen wurden die Enteignung des Springer-Konzerns, der Rücktritt des Berliner Senats und die Demokratisierung der Rundfunkanstalten gefordert. Mit großer Mehrheit beschloss die Versammlung, zum Springer-Hochhaus in der Kreuzberger Kochstraße an der Mauer zu ziehen.47 Man gab die Parole aus: »Der Hauptschuldige sitzt in der Kochstraße«.48 Um 21.15 Uhr begann der Marsch, begleitet von Sprechchören der Demonstranten: »Mörder! Springer – Mörder! Springer raus aus Westberlin! Bild hat mitgeschossen!«49 Der Marsch zum Springer-Haus kam weder für die Polizei noch für den Verlag überraschend. Das Hochhaus war nach dem Attentat mit Stacheldraht und durch Bereitschaftspolizei abgesichert worden. Um 21.30 Uhr trafen die ersten Demonstranten ein. Wenig später kam es zu ersten Auseinandersetzungen mit den dort wartendenen Polizeibeamten. Die Demonstranten riefen lautstark: »Springer, Mörder!« Steine zerschlugen die Scheiben des Eingangsportals des Gebäudes. Um 22.50 Uhr erreichte der an der TU gestartete Demonstrationszug den Ort des Geschehens. Aus der auf inzwischen 5000 Menschen angewachsenen Menge Protestierender wurde skandiert: »Rudi Dutschke!«, »Springer, Mörder!«, »Springer, Nazi!« und »Seid nett zu Springer, enteignet ihn jetzt!«50 Im Laufschritt durchbrachen die Demonstranten die Polizeikette vor dem Springer-Hochhaus und drangen durch die zerstörten Scheiben in die Eingangshalle ein. Es folgten Rangeleien mit Angestellten und Arbeitern des Verlags, die die Demonstranten wieder ins Freie drängten. Zugleich wurden die Polizeikräfte weiter verstärkt. Schließlich glichen die Szenen einer Straßenschlacht: Barrikaden wurden errichtet, Steine geworfen und rote Fah46 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 83 (Zeittafeldatum 11. April 1968). Vgl. auch U. Chaussy: Die drei Leben, S. 249 f. 47 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 83 (Zeittafeldatum 11. April 1968); U. Chaussy: Die drei Leben, S. 250. 48 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 462. 49 | S. Aust: Der Baader-Meinhof-Komplex, S. 100. Nach Fritz Teufel riefen die De monstranten auch: »Dutschke lebt, wenn Springer brennt!« Ders.: »Rudi, der Kampf geht weiter!«, in: Bernd Kramer (Hg.), Gefundene Fragmente. Die umherschweifenden Haschrebellen & Peter Handke, Hartmut Sander, Rolf Dieter Brinkmann, Rudi Dutschke, Rainer Langhans, Fritz Teufel et al. 1967-1980, Band 1, Berlin 2004, S. 166-175, hier S. 172. 50 | Vgl. Kloepfer, Inge, Friede Springer. Die Biographie, Pößneck 2005, S. 74 f.; B. Gäsche: Born to be wild, S. 129 f.; G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 98; Pressestel le der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 83.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
nen gehisst; die Polizei traktierte die Demonstranten mit Schlagstöcken und Wasserwerfern. In diesem Moment brach auf dem gegenüberliegenden Parkplatz ein Feuer aus.51 Stefan Aust, damals Reporter der Zeitschrift konkret und später viele Jahre Chefredakteur des Spiegels, berichtete: »Gegen 0.30 Uhr schlagen plötzlich Flammen aus Auslieferungswagen von ›Morgenpost‹ und ›BZ‹. Unbemerkt von der Polizei haben sich kleine Gruppen von Demonstranten, keine Studenten, wie man später hört, Lehrlinge und Jungarbeiter, die an diesem Abend zum erstenmal dabei sind, an die gegenüber dem Verlagshaus parkenden Fahrzeuge herangeschlichen und die Auslieferungswagen in Brand gesteckt. Wasserwerfer der Po lizei, die kaum 100 Meter vom Brandherd entfernt gegen Demonstranten gerichtet sind, werden nicht zum Löschen eingesetzt.« 52
Die Molotowcocktails, die erstmals in Westberlin zum Einsatz kamen und die Lieferwagen des Konzerns in Brand setzten, hatte ein Spitzel des Verfassungsschutzes, Peter Urbach, mitgebracht und unter den Demonstranten verteilt.53 Für die Stadt wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen. Der Polizeivizepräsident Westberlins, Hans-Joachim Prill, soll geschrien haben: »Das ist keine Demonstration mehr, das ist ein Aufstand!«54 Die Demonstrationen und Auseinandersetzungen in der Umgebung des Springer-Hochhauses dauerten bis in die frühen Morgenstunden an. Studentischen Flugbättern und einer außerparlamentarischen Dokumentation zufolge, überfuhren Auslieferungsfahrzeuge des Verlags zwei Demonstranten und verletzten sie schwer.55 Eine fünfstündi-
51 | Vgl. ebd.; Gehrs, Oliver: Der Spiegel-Komplex. Wie Stefan Aust das Blatt für sich wendete, München 2005, S. 56; Aust, Stefan: »Staat der Gewalt. Protokoll eines Atten tats«, in: konkret vom Mai 1968, S. 7-11 und S. 37, hier S. 11. 52 | Ebd. 53 | Vgl. Etzemüller, Thomas, 1968 – Ein Riss in der Geschichte? Gesellschaftlicher Umbruch und 68er-Bewegungen in Westdeutschland und Schweden, Konstanz 2005, S. 132 f. 54 | U. Pätzold: »Schüsse auf Rudi Dutschke«, S. 18. Diese Nacht nannte Pätzold »das Woodstock der APO 1968 in Deutschland«. Ebd., S. 17. 55 | Vgl. Flugblatt der FU, »Dokumentation der Ereignisse seit dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke«, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Atten tat), April 1968; Ermittlungskomitee der Arbeiter, Schüler und Studenten, »Ermittlun gen über Aktionen und Demonstrationen der außerparlamentarischen Opposition und die vergeblichen Versuche der Polizeibürokratie sie zu liquidieren: Westberlin Ostern 1968«, S. 4, in: ebd.
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ge Operation im Westend-Krankenhaus rettete Rudi Dutschke währenddessen das Leben.56 Auf den von einem Drahtzieher »›bestellten‹ Mord«,57 wie ein aus Hamburg stammendes studentisches Flugblatt das Attentat bezeichnete, reagierten Studenten und APO-Anhänger in zahlreichen Städten auch außerhalb Westberlins noch unmittelbar am selben Tag. Aus Wut auf den Mordanschlag auf Dutschke, der vom 2. Juni 1967 bis zum 11. April 1968 und somit zehn Monate und eine Woche das Gesicht und die Stimme der 68er-Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland gewesen war, brachen sich Proteste und Demonstrationen gegen den Springer-Konzern Bahn. Die städtischen Zentren waren Hamburg, Frankfurt am Main, Hannover, Bochum, Bonn, Köln, Essen, Heidelberg und München. In Hamburg bildete sich ein spontaner Demonstrationszug durch die Innenstadt, zu dem der SDS aufgerufen hatte. Vor Springers Hamburger-Abendblatt-Geschäftstelle am Gänsemarkt versammelten sich einige hundert Studenten und zertrümmerten mehrere Ladenscheiben. Während die Demonstranten von einer Springer-Filiale zur nächsten zogen, waren Sprechchöre mit den Rufen »Bild hat mitgeschossen« zu hören.58 Ein Flugblatt 56 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 83. Die Verletzungen mach ten jedoch eine lange Genesungszeit und eine Sprachtherapie notwendig, weil Dutsch ke durch die Schüsse einen Hirnschaden erlitten hatte. Für seine Rekonvaleszenz sollte er sich auch in der Schweiz, Italien und Großbritannien aufhalten. Vgl. G. Dutschke: Rudi Dutschke, S. 200-210. Spiegel Online zufolge überwachten Verfassungsschützer den invaliden Dutschke nach dem Attentat bis Mitte der siebziger Jahre in einem fast absurden Ausmaß. Vgl. Bohr, Felix / W iegrefe, Klaus: »Der Klassenfeind liest mit: Über wachung von Rudi Dutschke«, in: einestages. Zeitgeschichten auf Spiegel-Online vom 8. Juli 2013, http://einestages.spiegel.de/s/tb/28988/rudi-dutschke-umfassendeueberwachung-durch-den-verfassungsschutz.html vom 10. Juli 2013. 57 | Flugblatt von AStA, SHB und SDS, jeweils Hamburg, »Attentat auf Dutschke«, 12. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Als Drahtzieher des Mor des nannten die Studenten »Schütz, Neubauer, Springer und Co.« Ebd. 58 | Vgl. Schulenburg, Lutz (Hg.): Das Leben ändern, die Welt verändern!: 1968. Do kumente und Berichte, Hamburg 1998, S. 142. An dem Protest gegen die Bild-Zeitung beteiligte sich auch die KfDA mit einer Postkarte, die von ihr selbst entworfen und am 15. April an die Bild-Redaktion in Hamburg geschickt wurde. Auf der Vorderseite ist eine Karikatur des Zeichners Arno Ploog zu finden: Ein Arbeiter wird von Axel Springer mit Fußketten an seine Maschine gekettet. Die Bildunterschrift lautet: »Sie können völlig beruhigt sein. Mann: Wir proben nur mal durch, wie sich das Zivildienstgesetz in un serem Betrieb anwenden lässt …« Auf der Rückseite steht der Satz »Auflagen machen kann man mit der Doofheit – Auflagen halten mit Polizeigewalt!«, darunter der Stempe laufdruck »Weiterleiten bis zum Chef«. Postkarte der KfDA, 15. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
fragte »Gestern Benno Ohnesorg, heute Rudi Dutschke – wer wird der nächste sein?«59 Auch in der Frankfurter Universität wurde, nachdem die Nachricht vom Attentat eingetroffen war, eine Protestversammlung abgehalten. Teilnehmer schlugen vor, vor der Societäts-Druckerei die Auslieferung der SpringerPresse zu verhindern und den Zugverkehr im Hauptbahnhof mehrere Stunden lang lahmzulegen. Im Anschluss an die Versammlung zogen 250 Demonstranten zum Schauspielhaus, um dort mit den Zuschauern über das Attentat zu diskutieren.60 In Hannover wiederum kam es nur drei Stunden nach dem Mordanschlag auf Dutschke zu ersten Protestaktionen. Der hannoversche SDS, der auf dem Opernplatz demonstrierte, hielt den Springer-Konzern für den »wahren Schuldigen an der Hetzjagd« auf Studenten und auf Dutschke.61 Die wirklichen Attentäter auf Dutschke, behauptete ein SDS-Flugblatt, seien »diejenigen, die Rudi Dutschke zum Staatsfeind Nr. 1 gestempelt haben. Diese Täter sitzen in den Redaktionsstuben des Springer-Konzerns, im Senat und im Abgeordnetenhaus West-Berlins.«62 Der AStA der jungen Ruhr-Universität in Bochum organisierte am selben Abend eine Demonstration in der Innenstadt. Flugblätter und Transparente, die die Springer-Presse und den Westberliner Bürgermeister Klaus Schütz kritisierten, wurden angefertigt und verteilt. Gegen 23.30 Uhr marschierten rund 150 Teilnehmer schweigend in Richtung Hauptbahnhof. Von Bochum aus fuhren etwa 40 Demonstranten zur Springer-Filiale nach Essen, kehrten indes bereits um 2 Uhr morgens unverrichteter Dinge zurück. Nach einer Diskussion in Bochum kam man überein, in der folgenden Nacht die Auslieferung der Springer-Presse aus dem Essener Verlagshaus zu verhindern.63 In Essen selbst kam es gleich nach Bekanntwerden des Attentats zu ersten Protestaktionen. Am Abend zogen über einhundert junge Leute zum Springer-Haus in der Sachsenstraße, das im Verlauf der Oster59 | Flugblatt Hamburger Studenten, zit. n. o. A.: »Die Oster-Unruhen in Berlin und in der Bundesrepublik«, in: Der Spiegel vom 29. April 1968, S. 33. Ein Flugblatt des kon servativen RCDS in Hamburg lautete: »Was lehren uns die Schüsse auf Dutschke? Daß der Attentäter für diese Gesellschaft schoß! […] Daß Presse und Parteien die Schuß richtung wiesen!« Flugblatt des RCDS Hamburg, zit. n. ebd. 60 | Vgl. W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, Band 1, S. 305. 61 | A. C. Berlit: Notstandskampagne und Roter Punkt, S. 80. 62 | Flugblatt des SDS Hannover, »Terror wird Methode!«, 13. April 1968, in: Stadtar chiv Hannover, Sammlung Weiberg 71, zit. n. ebd. 63 | Vgl. N. Kozicki: Aufbruch in NRW, S. 15 f.; Rieser, Daniel: Die Studentenbewegung an der Ruhr-Universität Bochum vom Wintersemester 1965 / 6 6 bis zum Sommersemes ter 1971. Unveröffentlichte Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 1973, S. 44; Linder, Werner: »Die Studentenbewegung im Spiegel der Ruhrgebietspresse«, in: Westfälische Forschungen 48 (1998), S. 217-239, hier S. 219.
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tage zunehmend in den Fokus der Anti-Springer-Aktionen geriet. Die Protestierenden, angeführt vom BV-Mitglied des SDS Herbert Lederer, beschränkten ihre Aktionen an diesem Abend jedoch auf verbale Attacken gegen den Springer-Konzern.64 Am gleichen Tag veranstalteten Studenten auch in Bonn eine spontane Demonstration. Gegen Mitternacht fand ein Protestmarsch statt, der die Studenten zum Kanzleramt führte, um hier eine Petition zu überreichen. Auf einem Transparent prangte die Frage: »Wer ist der nächste?«65 In Köln kam es am Tag des Mordanschlags ebenfalls zu Protestaktionen. Auf Initiative des Kölner Republikanischen Clubs wurden an zwei Verkehrsknotenpunkten Demonstrationen organisiert. Obwohl man versuchte, für jeweils fünf Minuten den gesamten Verkehr zu blockieren, griff die anwesende Polizei nicht ein.66 Eine weitere Universitätsstadt, in der sich Studenten schon am Abend des Attentats versammelten und über Flugschriften und mögliche Protestaktionen diskutierten, war Heidelberg.67 In einem Flugblatt, das am selben Tag im Münchener Stadtteil Schwabing verteilt wurde, hieß es in erbittertem Tonfall: »Mord an Rudi Dutschke? Hat Springers Pogromhetze nach Benno Ohnesorg ein neues Todesopfer gefordert? Wenn wir uns nicht sofort zur Wehr setzen, wird Springer weiter morden.«68 Ein Flugblatt des Münchner SDS sah in dem Attentat die »Konsequenz eines einseitigen Kesseltreibens gegen aufmuckende Minderheiten«. »Allen voran schreitet Axel Cäsar Springer! Er schoß mit!!«69 In der bayerischen Hauptstadt folgten Aktionen gegen den Springer-Konzern, den »exponierteste[n] Teil der Kampagne gegen die Demokratisierung [dieser] Gesellschaft«,70 die nicht auf verbale Attacken begrenzt blieben. Sie steigerten sich zu gewalttätigen physischen Angriffen. In der Nacht vom 11. auf den 12. April trafen ca. 250 Studenten vor dem Buchgewerbehaus ein, in dem die BildZeitung gedruckt wurde. Sie skandierten »Enteignet Springer« und schrieben »Springer Mörder« an die Hauswände. Schließlich stürmten und beschädigten sie die Redaktionsräume.71
64 | Vgl. ebd., S. 19f: G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 102. 65 | Vgl. H.-P. Bothien: Protest und Provokation, S. 53. 66 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 101. 67 | Vgl. K. Nagel: Die Provinz in Bewegung, S. 187. 68 | V. Brandes: Wie der Stein ins Rollen kam, S. 160. 69 | Flugblatt des Münchner SDS, zit. n. o. A.: »Die Oster-Unruhen«, S. 33. 70 | Flugblatt eines Münchner Studenten, zit. n. ebd. 71 | Vgl. K. Stankiewitz: München ’68, S. 37.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
D ie A nti -S pringer -A k tionen am 12. A pril 1968 Schon am Abend des Attentats hatte ein Vertreter des SDS-BV in Frankfurt die Springer-Blockade für den 12. April angekündigt: »In der Nacht vom Freitag auf Samstag werden wir in Berlin, Frankfurt, Hamburg und Essen demonstrativ die Auslieferung der Springer-Zeitungen verhindern.« 72 Für Frank Wolff, Vorstandsmitglied des SDS, war die Blockade als direkte Aktion notwendig, denn »Springer zu überreden, etwas von seiner Macht zurückzugeben« entspräche dem Versuch, »den Papst überreden zu wollen, evangelisch zu werden«.73 Am Abend des Karfreitags wurden in vielen Städten die Anti-Springer-Aktionen unmittelbar zur Springer-Blockade. In der Nacht vom 12. auf den 13. April versuchten die Demonstranten, die Auslieferung der Springer-Presse zu verhindern oder zu erschweren. In Westberlin, Hamburg, Frankfurt, Esslingen, Essen, Hannover und München errichteten sie Barrikaden. Protestierende stürzten einzelne Lieferwagen des Verlags um, in München setzten sie sie mit Molotowcocktails in Brand. Dabei kam es auch zu militanten Auseinandersetzungen und zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei.74 1500 Personen hielten sich gegen Mittag im Audimax der TU in Westberlin auf, die meisten waren Studenten, aber auch Schüler und Lehrlinge befanden sich unter ihnen. Reden und Referate wurden gehalten. Peter Gäng vom SDS rechtfertigte den Springer-Konzern als das richtige Ziel der direkten Aktionen. Mit dem Vorgehen gegen »Maschinen, gegen Auslieferungen und gegen Gebäude« des Konzerns müsse man, sagte Gäng weiter, immer wieder deutlich machen, dass es darum gehe, eine »Manipulationsmaschine zu zerstören«, und dass man nicht den Fehler nach dem 2. Juni 1967 wiederholen werde: die Enteignung lediglich zu fordern, ohne etwas für sie zu tun.75 Bei einer Demonstration am Nachmittag vor dem Schöneberger Rathaus forderten Protestanten, den Konzern aus der Stadt zu vertreiben und Presse, Funk und Fernsehen demokratisch zu kontrollieren.76 Gegen 14.30 Uhr verließen die etwa 1500 Anwesenden die TU und formierten einen Demonstrationszug. Schon am Nachmit72 | Axel Springer Verlag AG, Abteilung Information (Hg.): Kampf gegen Springer. An griffe, Gewaltakte, Boykottaufrufe. Eine Dokumentation, Berlin (August) 1971, S. 5, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne, zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 380. 73 | Zit. n. A. Renz: Studentenproteste von 1967 / 6 8, S. 109 f. 74 | Vgl. Uesseler, Rolf: Die 68er: »Macht kaputt, was Euch kaputt macht!«, München 1998, S. 290; Koenen, Gerd / Veiel, Andres: 1968: Bildspur eines Jahres, Köln 2008, S. 116; B. Gäsche: Born to be wild, S. 130; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 84. 75 | Vgl. U. Chaussy: Die drei Leben, S. 254 f., zit. n. ebd., S. 255. 76 | Vgl. ebd., S. 254.
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tag kam es in Westberlin vielerorts, insbesondere auf dem Kurfürstendamm, dem Schöneberger Rathausplatz und vor dem Sender RIAS Berlin, zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und der demonstrierenden Menge, die inzwischen 10.000 Teilnehmer zählte. Vor dem Schöneberger Rathaus verlas Ekkart Krippendorff, ehemaliger FU-Assistent, die Forderungen an Senat und Abgeordnetenhaus, die am frühen Nachmittag auf einem Treffen der APO-Gruppen beschlossen worden waren. Er stand dabei vor den Wasserwerfern der Polizei, die kaltes Wasser in die Menge spritzte.77 Krippendorff konstatierte zunächst, dass erst die Springer-Presse mit ihrer »systematischen Hetze gegen die linke Opposition« das Klima geschaffen habe, in dem ein Einzeler den Mordanschlag auf Dutschke habe planen können, und dass sich der Senat, das Abgeordenetenhaus sowie die Partei- und Gewerkschaftsspitzen in Westberlin zu »Handlangern der Manipulationszentren« machten.78 Die APO-Gruppe forderte: »1. Rücktritt des Senats und Bildung eines neuen Senats, der mit uns zusammen erste Schritte unternimmt, in Berlin demokratische Verhältnisse zu schaffen. 2. Unverzüg liche Enteignung Springers und Schaffung eines Rates aus Arbeitern, Angestellten, Studenten und Schülern, der Pläne dafür ausarbeitet, wie die Produktionsmittel dieses Konzerns in den Dienst einer demokratischen Öffentlichkeit gestellt werden können. 3. Dieser Rat hat ebenfalls Pläne zur Demokratisierung der Rundfunkanstalten zu erarbei ten. Für den RIAS fordern wir die sofortige Ablösung der amerkanischen Kontrolle durch ein gewähltes und jederzeit abwählbares Kontrollorgan; in den SFB sind sofort Vertreter der außerparlamentarischen Opposition in die Aufsichtsgremien hineinzuwählen un ter der Bedingung, daß diese Gremien öffentlich tagen. 4. Für die Zeit bis zum 1. Mai fordern wir täglich eine Stunde Sendezeit, um mit der arbeitenden Bevölkerung dieser Stadt über die wirtschaftliche und politische Lage Westberlins und Möglichkeiten ihrer Veränderung diskutieren zu können. Damit soll gewährleistet werden, daß die Bevölke rung eintscheiden kann, ob ihre Teilnahme an der sogenannten Freiheitskundgebung auf dem Platz der Republik oder an einer sozialistischen Maidemonstration ihren wah ren Interessen entspricht.«79
Gegen 18 Uhr sammelten sich vor dem Sitz des RIAS etwa 300 Demonstranten, die mit den 30 Polizisten zunächst ein Übereinkommen trafen: Solange die Menge keine Gewalt anwendete, würde die Polizei nicht gegen sie vorgehen und die Treppe zum Eingang des Rundfunksenders nicht räumen. Nachdem die Polizeikräfte verstärkt worden waren, griff die Polizei jedoch unter Einsatz 77 | Vgl. ebd., S. 255; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 83 f. 78 | O. A.: »Forderungen der Außerparlamentarischen Opposition an Senat und Abge ordnetenhaus von Westberlin«, 12. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FUFlugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. 79 | Ebd.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
eines Wasserwerfers und ihrer Schlagstöcke die Demonstranten an. Jetzt flogen Steine gegen die Polizei und das RIAS-Gebäude, dessen Fensterscheiben zu Bruch gingen.80 Um 20.00 Uhr versammelten sich wiederum 2000 Personen im Audimax der TU, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Vertreter des SDS schlugen vor, »Aktionsausschüsse« zu gründen, um »bei der Öffentlichkeitsarbeit und in den vorzubereitenden Aktionen« »koordinier[t]« vorgehen zu können.81 Über diesen Vorschlag der SDS-Vertreter kursiert aber noch eine andere Version: Nach Bauß wurde am selben Tag, dem 12. April, ein »Zentralausschuß für Arbeiter, Schüler und Studenten« gebildet. Er setzte sich aus vielen Organisationen zusammen: dem SDS, dem SHB, den Falken, dem FDJ Westberlin, der Gewerkschaftlichen Studentengruppe, dem LSD, verschiedenen christlichen Jugend- und Studentenorganisationen, den ASten aller Westberliner Hochschulen und Universitäten, der SED-Westberlin etc.82 Auch einige Berichte des RC erwähnen den Zentralausschuss, der nach den Osterereignissen in der Vollversammlung gewählt worden sei. Zu ihm hatten demnach mehrere Mitglieder des RC gehört sowie die meisten Gruppen der APO. Der Zentralausschuss und die in der TU tagende Vollversammlung hätten den RC, der bis dahin als Aktions- und Koordinationszentrum der APO fungiert hätte, während der Ostertage vorübergend ersetzt.83 Das politische Leben der APO habe sich dadurch in die TU verlagert.84 Einem damaligen Dokumentationsblatt zufolge waren am 12. April in der TU-Versammlung, die »zum Diskussionszentrum« der APO aufgestiegen sei, »Arbeitskomitees« von Arbeitern, Studenten und Schülern gegründet worden. Die Arbeitskomitees hätten ihre Arbeit aufgenommen: »Flugblätter, Diskussion mit den Osterbesuchern aus der BRD, Kindergarten in der TU«.85 Aufgrund dieser Dokumentation und der oben erwähnten Darstellungen ist es auch möglich, dass der SDS den Zentralausschuss und die Arbeitskomitees ins Leben gerufen hat, obwohl es dafür keinen eindeutigen Beleg gibt – auch nicht in der Dokumentation, welche die Pressestelle der FU Berlin veröffentlicht hat. Klar ist aber, dass die TU während der Ostertage das Zentrum für den Zentralausschuss und die Arbeitskomitees der Westberliner APO
80 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 84. 81 | Ebd. 82 | G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 99. 83 | RC, »Jahresbericht«, Marianne Regensburger, 25. Mai 1968, S. 1, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Nach dem 1. Mai 1968 habe sich der Zentralausschuss aufgelöst. Ebd. Vgl. auch RC, »Rechenschaftsbericht des Vorstandes«, Klaus Meschkat, 25. Mai 1968, S. 6, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. 84 | RC, »Informationsbrief XIV«, 17. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. 85 | Flugblatt der FU, »Dokumentation der Ereignisse« (Archivalien).
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war. Dort wurde über die Anti-Springer-Aktionen und sonstige Demonstrationen diskutiert und der Versuch unternommen, diese zu koordinieren. Während der Versammlung im Audimax rief Jürgen Bernd Runge (RCDS) dazu auf, keine weitere Gewalt anzuwenden, stattdessen aber die Parteien und den Senat unter Druck zu setzen, um eine Enteignung Springers zu erreichen.86 Dass ein Vertreter des konservativen RCDS die Enteignung Springers als ›Ziel‹ benannnte, ist als Symptom für die Radikalisierung unter den Studentenorganisationen zu betrachten. Nachdem sich Berlins Bürgermeister Schütz bereit erklärt hatte, mit einer Abordnung der Versammlung zu verhandeln, wurden sechs Delegierte gewählt: Klaus Meschkat (RC), Bernd Rabehl, Christian Semler (beide SDS), Martin Barth (als Vertreter der christlichen Opposition), Ekkart Krippendorff und der Rechtsanwalt Horst Mahler. Die erste Forderung der Delegation war eine sofortige »Gesetzesvorlage zur Enteignung Springers und zu einer demokratischen Neuordnung der West-Berliner Presse«.87 Die Abordnung wollte das Gespräch mit dem Bürgermeister aufzeichnen. Als die Gesandtschaft darum bat, das Tonband anschließen zu dürfen, rief Schütz: »Dann brauchen wir nicht zu verhandeln. […] Raus, raus, […] verlassen sie sofort den Raum. Raus, raus!« 88 Das Gespräch endete, bevor es begonnen hatte. Nachdem die Delegierten der TU-Versammlung über das Geschehen berichtet hatten, brachen etwa 2000 Studenten erneut zum Springer-Hochhaus auf. Es war kurz nach 22.00 Uhr.89 Sie wollten die Zufahrtsstraßen zum Springer-Hochhaus blockieren und die Auslieferung der Zeitungen des Verlags verhindern. Bis in die frühen Morgenstunden lieferten sich Demonstranten und Polizei Scharmützel, Schlagstöcke und Wasserwerfer inklusive. Fahrzeuge, Baumaterial und Bauwagen verwandelten sich in Barrikaden, errichtet mit dem Ziel, den Verlag daran zu hindern, seine Presseerzeugnisse ausliefern zu können. Als die Polizei versuchte, die Straße zu räumen, reagierten die Demonstranten mit einem sit-down strike.90 Nicht nur die Demonstranten trugen während der andauernden schweren Zwischenfälle Körperverletzungen davon, sondern auch unbeteiligte Passanten. Nur ein einziger Lieferwagen konnte gestoppt und die Zeitungen auf der Straße zerstreut werden.91 Auch in vielen Städten außerhalb Westberlins wurde am Karfreitag zahlreich gegen den Springer-Konzern demonstriert. In Hamburg hatten SDS, SHB und AStA der Universität in einem Flugblatt zur Anti-Springer-Demonstration 86 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 84. 87 | Ebd. 88 | Ebd. 89 | Vgl. U. Chaussy: Die drei Leben, S. 256. 90 | N. Thomas: Protest movements, S. 172. 91 | Vgl. ebd.; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 84; Ermittlungsko mitee der Arbeiter, Schüler und Studenten, »Ermittlungen über Aktionen« (Archivalien).
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
aufgerufen. Darin bezeichneten sie Springer als »Drahtzieher d[er] Bluttat«92 an Dutschke. Auf der Moorweide versammelten sich 2000 Personen. Während der Protestkundgebung wurde gefordert, einen Demonstrationszug durch die Innenstadt zu veranstalten und anschließend den Springer-Verlag zu blockieren. In der Nacht versuchte die Menge dann auch, vor dem Gebäude des Konzerns mit Barrikaden und Sit-ins zu verhindern, dass die Zeitungen zugestellt wurden, was zumindest teilweise über mehrere Stunden gelang. Bei den anschließenden schweren Zusammenstößen konnte die Polizei erst spät am Abend mit Hilfe von Wasserwerfern, Tränengas und Gummiknüppeln die Sitins durchbrechen und die Blockade auflösen.93 Hierbei schlug sie auch wehrlose Passanten brutal zusammen, wie Augenzeugen und betroffene Demonstranten schilderten.94 Gegen den »brutale[n]« Einsatz vor dem Springer-Haus protestierten studentische Gruppen mit einem Brief an den Hamburger Innensenator Heinz Ruhnau »auf das schärfste« und forderten seinen Rücktritt.95 Während es am selben Tag in Mainz zu einem Schweigemarsch von 200 Studenten kam, artikulierten in Gießen verschiedene politische Hochschulgruppen unter Führung des SDS ihren Abscheu über das Attentat auf Dutschke. In Stuttgart protestierten Studenten in der Innenstadt gegen den Mordanschlag und gaben Handzettel gegen »scheinheilige Trauer von Kiesinger, Schütz und Neubauer« aus. Es wurde ein Teach-in organisiert, bei dem man die Umbenennung der Konrad-Adenauer-Straße in Martin-Luther-King-Straße verlangte, bis die Polizei die Versammlung auflöste.96 Auch in Heidelberg kam es an diesem Tag auf dem Universitätsplatz zu einem Aufmarsch.97 In Münster fanden derweil mehrere Anti-Springer-Aktivitäten statt. Bepackt mit über 20.000 Flugblättern ging der AStA in die Stadt und versuchte die Bevölkerung überdies mit Diskussionsgruppen zu erreichen. In Göttingen verteilten Demonstranten 30.000 Flyer und bauten am Bahnhof Barrikaden.98 92 | Flugblatt von AStA, SHB und SDS, jeweils Hamburg, »Attentat auf Dutschke« (Archivalien). 93 | Vgl. L. Schulenburg (Hg.): Das Leben ändern, S. 143 f.; M. Brenner: Kinder der Ver lierer, S. 134; Becker / N eumann (Hg.): Die Studentenproteste, S. 184. 94 | Vgl. o. A.: »Die Oster-Unruhen«, S. 45. 95 | Vgl. Brief Hamburger Studenten an Innensenator Heinz Ruhnau, zit. n. ebd., S. 48. 96 | Ebd. 97 | Vgl. K. Nagel: Die Provinz in Bewegung, S. 395. 98 | O. A.: »Studenten in eigener Sache«, in: auditorium 9, 53 (1968), S. 3 f., hier S. 4 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). Der AstA-Göttingen fragt in einem Flugblatt: »Was hat Springer mit dem Attentat auf Rudi Dutschke zu tun?« Die Springer-Presse habe die Studenten zu »Freiwild« erklärt und zur »Selbstjustiz« aufge fordert: »Man darf nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.« (Bild-Zeitung vom 7. Februar 1968). Diese Aufforderung Springers habe in
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Ein »voller Erfolg«99 war die Springer-Blockade am 12. April in Esslingen. Es gelang den Demonstranten, die aus Heidelberg und Tübingen kamen, mit ihren Autos die Ausfahrt zu blockieren. Der Versuch der Polizei, mit dem Wasserwerfer die Autos wegzuschleppen, und ihr Bemühen, die Auslieferung durch einen Knüppeleinsatz zu ermöglichen, hatten keinen Erfolg. Am frühen Morgen beschloss die Ansammlung, die Blockade abzubrechen.100 Die Hamburger Studentenzeitschrift auditorium hielt fest, dass das Zustellen der Springer-Presse »entscheidend« verzögert werden konnte.101 Essen wurde in der Nacht vom 12. zum 13. April zum Brennpunkt der Anti-Springer-Aktionen im Ruhrgebiet: Gegen 18 Uhr versammelten sich 50 Demonstranten vor dem Springer-Haus in der Sachsenstraße. Nach und nach wuchs die Menge auf 2000 an – unter ihnen nicht nur Studenten und Gewerkschaftler, sondern auch viele Frauen und junge Mädchen –, die unter anderem aus Bochum, Köln, Münster, Bonn und Hagen gekommen waren. Aus dem Gefolge erschallten die Rufe »Mörder! Nazis! Notstandsübung!«, Balken, Mülltonnen, Steine, Moniereisen und ein Betonmischer wurden zu drei Barrikaden getürmt. Die Polizei setzte wiederholt Wasserwerfer ein. Nachdem einige Wagen des Konzerns die Hindernisse hatten durchbrechen können, versuchten die Demonstranten, mit ihren Autos und mit Sit-ins die Ausfahrt zu versperren. Auf den Barrieren, die immer höher wuchsen, hisste man eine rote Fahne. Danach beruhigte sich die Lage.102 Der Sozialwissenschaftler Norbert Kozicki schilderte die Situation: »Das Springerhaus war belagert. Die Polizei, mit vier Hundertschaften an diesem Abend angetreten, kapitulierte vor der Mehrheit der Demonstranten. Die Anti-Springer-De monstranten konnten der Polizei die Bedingungen für ihren Abzug diktieren. Kurz vor vier Uhr morgens löste sich die verkrampfte Situation auf. Die ersten Polizeitrupps rückten ab, von den Demonstranten angewiesen, Abstand zu halten, damit sich kein Springer wagen dazwischen setzen konnte. […] Viele fuhren jetzt nach Hause.«103 der Person von Bachmann »ihren Vollstrecker« gefunden. Der AStA-Göttingen forderte die Bürger auf: »Unterstützt unseren Boykott des Springer-Verlags!« Flugblatt des AStA Göttingen, »Warum gegen Springer?«, o. D., vermutlich vom 15. oder 16. April 1968, in: Sievers, Rudolf (Hg.): 1968. Eine Enzyklopädie, Frankfurt a. M. 2004, S. 427 f. 99 | D. Hildebrandt: »… und die Studenten freuen sich!«, S. 65. 100 | Vgl. ebd., S. 65 f.; Becker / N eumann (Hg.): Die Studentenproteste, S. 184. 101 | O. A.: »Studenten in eigener Sache«, S. 3. 102 | Vgl. N. Kozicki: Aufbruch in NRW, S. 20 ff.; K. Holl / C . Glunz (Hg.): 1968 am Rhein, S. 112. An der Springer-Blockade in Essen nahmen auch die Hagener teil. Vgl. Hagener Geschichtsverein e. V. (Hg.): Hagen 1968. Eine Stadt im Umbruch: Erinnerungen Hage ner Zeitzeugen Teil 3, Hagen 2004, S. 53. 103 | N. Kozicki: Aufbruch in NRW, S. 22.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
Am Abend des 12. April versuchten auch in Frankfurt am Main etwa 2000 Protestierende, die Societäts-Druckerei zu belagern, damit keine Springer-Zeitung aus dem Gebäude gelangen konnte. Der SDS hatte am Abend zuvor in der Universität dazu aufgerufen. Mülltonen sowie Bretter und zwei umgekippte Wagen einer Baustelle wurden zu einer Straßensperre. Die militante Schlacht mit der Polizei hielt mehrere Stunden an. Der Versuch, mit Wasserwerfern freie Fahrt zu erzwingen, war vergeblich. Die Blockierer stoppten einige Lieferwagen, indem sie die Luft aus den Reifen ließen. Gegen 2.30 Uhr am 13. April, nach fast zehn Stunden also, gelang es der Polizei, inzwischen durch Einheiten aus ganz Hessen auf insgesamt sechs Hundertschaften verstärkt, den Haupteingang der Druckerei freizuräumen. Die Konfrontation endete mit 28 Verletzten, darunter drei Polizisten, und zehn Verhaftungen.104 Als am Abend des Karfreitags in München über 1000 Menschen vor das Buchgewerbehaus in der Barer Straße zogen, in dem die Bild-Zeitung gedruckt wurde, verschanzte sich die Polizei, anders als am Tag zuvor, im Gebäude, das sie wie eine Festung ausbauten. Während die Demonstranten die Lastwagen des »Hetz-Konzerns«105 blockierten, versuchte die Polizei, sie zu vertreiben und setzte Wasserwerfer ein, woraufhin es zu einer Straßenschlacht kam. Sieben Demonstranten wurden festgenommen. Die Auslieferung der Bild-Zeitung konnte lediglich verzögert, aber nicht aufgehalten werden.106 In Hannover zeigten Anti-Springer-Blockade und Reaktion der Polizei am Karfreitag dramatische Auswirkungen. Nachdem es schon um 10 Uhr eine Protestmarsch gegeben hatte, verteilte der hannoversche SDS gegen 18 Uhr Flugblätter unter Passanten mit dem Titel »Springer hat mitgeschossen«. Darin wurde von der Hannoverschen Presse verlangt, ihre Geschäftsverbindungen zum Springer-Konzern zu lösen. Zwei Stunden später versammelten sich etwa 1000 Demonstranten zur Anti-Springer-Blockade vor dem Pressehaus. In diesem Verlagsgebäude der Hannoverschen Presse wurden auch die regionalen Ausgaben der Bild-Zeitung gedruckt. An beiden Einfahrten des Pressehauses entstanden Barrikaden, bis 23 Uhr waren 1500 Personen versammelt. Auf Forderungen der Polizei und des hannoverschen Bürgermeisters Otto Barche (SPD), die Blockade zu beenden, reagierten die Demonstranten mit Sit-ins und passivem Widerstand. Um 2.45 Uhr begann die Polizei an der Pressehaus-Einfahrt in der Odeonstra104 | Vgl. W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 305 f.; Cohn-Bendit, Daniel / M ohr, Reinhard: 1968. Die letzte Revolution, die noch nichts vom Ozonloch wußte, Berlin 1988, S. 129; H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Auferstehung der Gewalt, S. 81 f. 105 | O. A.: »Warum stinkt Bild heute?«, Abschrift eines Zettels an Verkaufshilfen der BildZeitung in München, 4. Dezember 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 106 | Vgl. K. Stankiewitz: München ’68, S. 38; V. Brandes: Wie der Stein ins Rollen kam, S. 160.
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ße, wehrlose und eingehakt sitzende Demonstranten zunächst mit Wasserwerfern und schließlich mit Gummiknüppeln zu attackieren und schreckte auch vor Misshandlungen nicht zurück. Nach ca. einer Viertelstunde gelang es ihr, die Blockade zu durchbrechen und den Zustellern der Bild-Zeitung frei Fahrt zu gewähren. An der zweiten Einfahrt des Pressehauses ging der Polizeieinsatz weiter. Polizisten verfolgten und, wie berichtet wurde, misshandelten Einzelne aus der sich auflösenden Menge. Gegen 4 Uhr hatte die Staatsgewalt beide Zugänge des Pressehauses geräumt und insgesamt 39 Personen verhaftet. Nach Einschätzung des NDR handelte es sich bei den Auseinandersetzungen um den »radikalisten und schärfsten Zusammenstoß« zwischen Jugendlichen und der Polizei in Hannover seit Kriegsende.107 In einer Flugschrift mit dem Titel »Terror wird Methode!« kritisierte der hannoversche SDS nicht nur das gewalttätige Vorgehen der Polizei als »gesetzeswidrig«, sondern wandte sich auch in scharfer Form gegen die Springer-Macht. Als Antwort auf die »gewaltlose[n] Aktionen« gegen seinen Konzern habe Axel Springer »seine Privat-Armee – ›unsere Polizei‹ – mobilisiert«.108 Der SDS wertete diese Anti-Springer-Aktionen trotzdem als »Erfolg«.109 Zumindest zog sich die Springer-Blockade in Hannover über mehrere Stunden hin und verzögerte so die Auslieferung der Springer-Presse.
D ie A nti -S pringer -A k tionen am 13. und 14. A pril 1968 Am Samstag, dem 13. April, trug sich eine weitere Protestversammlung im Audimax der TU zu. Die KfDA hatte schon für Samstagmittag in zahlreichen Großstädten anlässlich des Ostermarsches zu einer fünfminütigen Verkehrsruhe aufgerufen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, beschloss die Versammlung, den Verkehr an einigen Schwerpunkten in der Innenstadt lahmzulegen. Am Olivaer Platz und am Kranzler-Eck blockierten die Demonstranten den Verkehr für kurze Zeit. Eine Polizeikette kesselte in der Meinekestraße einige Hundert Demonstranten ein. Der »[b]isher brutalste Polizeieinsatz«110 begann mit Wasserwerfern und Knüppeln. Es kam zu 18 Körperverletzungen, davon waren sieben schwer. Die Polizei verhaftete über 200 Personen und transportierte sie in die Polizeischule in Spandau ab.111 Am 107 | A. C. Berlit: Notstandskampagne und Roter Punkt, S. 87, vgl. auch S. 80-86. Vgl. auch D. Cohn-Bendit / R . Mohr: 1968, S. 128; K. Nagel: Die Provinz in Bewegung, S. 188. 108 | Zit. n. A. C. Berlit: Notstandskampagne und Roter Punkt, S. 86 f. 109 | Ebd., S. 88. 110 | Flugblatt der FU, »Dokumentation der Ereignisse« (Archivalien). 111 | Vgl. ebd.; Ermittlungskomitee der Arbeiter, Schüler und Studenten, »Ermittlun gen über Aktionen«, S. 4 f. (Archivalien); Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 84.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
Abend versammelten sich über 1500 APO-Anhänger wieder im Audimax der TU. Nach einer Diskussion verabschiedeten sie eine »Rundfunkresolution«, in der sie vom SFB täglich eine Stunde Sendezeit verlangten und dafür eine Frist bis Ostermontag 18 Uhr setzten. Mit heftigem Applaus quittierten die Versammelten die Nachricht, dass sich Dutschke außer Lebensgefahr befinde.112 An diesem Tag erzwangen Demonstranten in insgesamt 50 Städten der Bundesrepublik Deutschland Verkehrsunruhen.113 In Hamburg, Frankfurt, Essen, Köln, München und Esslingen starteten Aktionen vor Springer-Verlagsgebäuden.114 In Essen strömten 500 Demonstranten vor das Springer-Haus in der Sachsenstraße. Nach den schweren Auseinandersetzungen vom Vorabend stand die Polizei für die nächsten Liefertage unter Alarmbereitschaft, die Polizeikräfte wurden deutlich verstärkt. Diese Maßnahmen gewährleisteten die Zustellung der Springer-Zeitungen.115 In Köln hatten SDS und der dortige RC am Abend eine Blockade der Druckerei des Kölner Stadt-Anzeigers, organisiert, zu der sich 300 Teilnehmer versammelten. Der AStA hatte den Verleger des Anzeigers Alfred Neven DuMont nach dem Dutschke-Attentat in einem offenen Brief aufgefordert, den Druckauftrag der Bild-Zeitung abzugeben. DuMont erlaubte den Protest auf dem Firmengelände und diskutierte während der Blockade mit Vertretern des SDS sowie des RC in Köln. Wie verabredet erhielten Fahrzeuge mit den Nicht-Springer-Blättern Kölner Stadt-Anzeiger und EXPRESS freie Fahrt. Am 14. April gegen 1.45 Uhr begannen 300 Polizisten die Blockade zu räumen, sie nahmen 19 Demonstranten fest. Bald darauf kündigte Springer den Druckauftrag bei DuMont.116 Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger warnte am 13. April in der Tagesschau vor »gewalttätigen Aktionen« der Studentengruppen, die von »kleinen, aber militanten linksextremistischen Kräften« angeführt würden, auch wenn er den Anschlag auf Dutschke verurteilte. Trotz vieler brutaler Aktionen der Polizei ging Kiesinger davon aus, dass »die staatlichen Reaktionen […] bisher bewußt zurückhaltend« gewesen seien, »um unnötige Opfer zu vermeiden«.117 Am selben Tag sprach der Bundesminister des Innern, Ernst Benda (CDU), in einem 112 | Vgl. ebd., S. 84 ff. 113 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 104. 114 | Vgl. M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 182. 115 | Vgl. N. Kozicki: Aufbruch in NRW, S. 23. Von Karfreitag bis Ostermontag wurden die Polizeikräfte in Essen von 200 auf 700 Mann verstärkt. Vgl. P. Dohms / J. Paul: Stu dentenbewegung von 1968, S. 20. 116 | Vgl. ebd.; K. Holl / C . Glunz (Hg.): 1968 am Rhein, S. 114; o. A.: »Aufruhr Studen ten. Verlorenes Wochenende«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 25 ff., hier S. 27; o. A.: »Das nächtliche Ultimatum«, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 16. April 1968, S. 3 f. (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). 117 | Zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 294 (Dokument 855).
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Interview mit der Welt am Sonntag von einer »explosiven Situation« und warnte davor, Gewalt anzuwenden: »Sollten sich die polizeilichen Mittel als nicht ausreichend erweisen, könnte eine Situation entstehen, in der die freiheitlich gesinnte Bevölkerung zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung aufgerufen werden muß.«118 Diese Erklärung erinnert an den unheilvollen Aufruf der Bild-Zeitung: »Man darf […] nicht die ganze Drecksarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen.«119 Am nächsten Tag nahm in den ZDF-Nachrichten auch der Justizminister Gustav Heinemann (SPD) »zu den Vorgängen nach dem Attentat auf nahm Rudi Dutschke« Stellung: »Wer mit dem Zeigefinger allgemeiner Vorwürfe auf den oder die vermeintlichen Anstif ter oder Drahtzieher zeigt, sollte daran denken, daß in der Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger zugleich drei andere Finger auf ihn selbst zurückweisen. Damit will ich sa gen, daß wir alle uns zu fragen haben, was wir selber in der Vergangenheit dazu beige tragen haben könnten, daß Antikommunismus sich bis zum Mordanschlag steigerte und daß Demonstranten sich in Gewalttaten der Verwüstung bis zur Brandstiftung verloren haben. Sowohl der Attentäter, der Rudi Dutschke nach dem Leben trachtete, als auch die elftausend Studenten, die sich an den Demonstrationen vor Zeitungshäusern be teiligten, sind junge Menschen. Heißt das nicht, daß wir Älteren den Kontakt mit Teilen der Jugend verloren haben oder ihnen unglaubwürdig wurden? Heißt das nicht, daß wir Kritik ernst nehmen müssen, auch wenn sie aus der jungen Generation laut wird?«120
118 | O. A.: »Unruhige Ostern: Minister Benda warnt vor neuen Gewalttätigkeiten«, in: Welt am Sonntag, 14. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68. de/dl/206163/2533.jpg.pdf vom 16. September 2015). Benda machte später vor dem Bundestag den SDS für die Osterunruhen verantwortlich, weil sie vom SDS »ausgelöst[e] und gesteuert[e] Unruhen« gewesen seien. Er sah im SDS eine »verfassungsfeindliche Organisation«, die eine »revolutionäre Transformierung der Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik, d. h. [den] Umsturz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung« anstrebe. Wegen der Ostertage würde so bewiesen, dass »die Überwachung des SDS durch den Verfassungsschutz« notwendig sei. Obwohl die Voraussetzungen für ein Ver bot des SDS gegeben seien, wolle die Bundesregierung »zum gegenwärtigen Zeitpunkt« von einem Verbot absehen. Benda, Ernst: »Bundesinnenminister Ernst Benda zu den Os terunruhen 1968«, am 30. April 1968 vor dem Bundestag, in: Verhandlungen des Deut schen Bundestages, Stenographische Berichte, 5. Wahlperiode, 169. Sitzung, 30. April 1968, Band 67, S. 8989-8998, hier S. 8994 f. 119 | O. A.: »Stoppt den Terror«. 120 | Zit. n. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 295 (Dokument 856).
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
Heinemann räumte eine Mitschuld des Staates am Attentat auf Dutschke ein. Als Justizminster unterstrich er jedoch ebenso, dass Gewalttaten »gemeines Unrecht und eine Dummheit obendrein« seien.121 Am Ostersonntag gingen die Demonstrationen und die Auseinandersetzungen mit der Polizei weiter. Auf dem Wittenbergplatz in Westberlin versammelten sich etwa 10.000 Personen zu einem Ostermarsch, zu der für 15 Uhr die KfDA aufgerufen hatte. Danach lieferten sich Teile davon auf dem Kurfürstendamm stundenlange Straßenschlachten mit der Polizei und errichteten mit Baumaterial Barrikaden.122 Nach dem Bericht des Ermittlungskomitees der Arbeiter, Schüler und Studenten, der die Westberliner Ereignisse vom 11. bis zum 14. April 1968 dokumentierte, zogen die militanten Zusammenstöße dieses Nachmittags 39 Verletzte nach sich, 13 davon waren schwere Fälle.123 Die Polizei habe auch wehrlose Passanten »brutal zusammengeschlagen«. Man müsse das Vorgehen der Beamten als teilweise »sadistisch« und »terroristisch« bezeichnen.124 Etwa 1500 Menschen versammelten sich am Abend im Audimax der TU und beschlossen, die am Vortag in der Meinekestraße festgenommenen Demonstranten von den drei Haftanstalten, in denen diese einsaßen, abzuholen und sie in die TU zu bringen. Als dann in der Nacht zum Montag in der Spandauer Pank- und Friesenstraße Inhaftierte entlassen wurden, trat die Polizei erneut gewalttätig und brutal auf. In der Friesenstraße prügelten zwei Trupps der Staatsgewalt auf kleine Diskussionsgruppen ein, die auf inhaftierte Kommilitonen warteten. Beamte zerrten mehrere Studenten aus ihren Autos und schlugen sie mit Gummiknüppeln. Sie verhafteten und verprügelten ebenso einen Reporter und einen Kameraassistenten des Sterns.125 Der SDS-BV kündigte in einer »Grundsatzerklärung zur Kampagne für die Enteigung des Springer-Konzerns«126 am 14. April an, sich entschieden dem »Angriff« auf den Großverlag widmen zu wollen. Mit seiner Macht habe der Konzern weite Teile der Presse in der Bundesrepublik zu »bloßen Staatsor121 | Zit. n. ebd. Auch Willy Brandt zeigte einerseits Sympathie gegenüber der APO: »Wir Älteren brauchen die sachliche Herausforderung durch die junge Generation«, weil es in der APO »auch Stimmen« gebe, »denen man Aufmerksamkeit schenken sollte«. Andererseits sprach Brandt von einer Grenze. Sie liege dort, »wo aus einer außerparla mentarischen Opposition eine antiparlamentarische und antidemokratische Oppositi on zu werden droht«. Interview Brandts mit der Illustrierten Quick, 26. April 1968, zit n. R. Philipps: Sozialdemokratie, S. 304 f. 122 | Vgl. Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 86. 123 | Vgl. Ermittlungskomitee der Arbeiter, Schüler und Studenten, »Ermittlungen über Aktionen« (Archivalien). 124 | Ebd., S. 10. 125 | Vgl. ebd., S. 11 ff.; Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 86. 126 | SDS-Bundesvorstand: »Grundsatzerklärung«.
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ganen« gemacht und die »Herrschaftsfunktionäre des Staates, der Parlamente und Prateien zu Hörigen Springers«.127 Der Verlag sei nicht nur »das Symbol«, sondern auch »der Motor der Zerstörung von Öffentlichkeit«. Der SDS erklärte, weiterhin Anti-Springer-Aktionen durchführen zu wollen. Die politischen Mittel würden nicht ausreichen, um die Macht des Konzerns einzuschränken. Der Verband forderte als Voraussetzung für eine demokratische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik die Enteignung des Unternehmens Springer. Er stellte fünf grundsätzliche Forderungen auf: »1. Befreiung der Presse vom Meinungsmonopol und vom Profitinteresse durch ihre Entflechtung und Überführung in öffentliches Eigentum und demokratische Kontrolle. 2. Abschaffung der Konsumpropaganda und ihr Ersatz durch sachgerechte Verbrauche rinformation. 3. Unabhängigkeit der Presse, des Rundfunks und Fernsehens von der öffentlichen Gewalt und die Garantie ihrer Kritikfähigkeit gegenüber deren Instanzen. 4. Sicherung der Journalisten gegen wirtschaftliche und politische Pressionen. Demokra tische Selbstbestimmung der Redaktionen. 5. Materielle und juristische Verankerung des Rechts für jede politisch, sozial oder kulturell relevante und demokratische Gruppe, in der ihr angemessenen Weise, unabhängig von wirtschaftlicher Beschränkung, ihre Forderungen zu artikulieren und ihre Auffassungen zu publizieren.«128
D ie A nti -S pringer -A k tionen am O stermontag , dem 15. A pril 1968 Der Montag markierte den Höhepunkt der Osterunruhen. Etwa 45.000 Demonstranten zogen in mehr als 20 Städten der Bundesrepublik und in Westberlin vor Springer-Verlagsgebäude, um mit Sit-ins das Ausliefern der Springer-Zeitungen zu blockieren und für Meinungsfreiheit und Demokratie zu kämpfen. Ihnen standen 21.000 Polizisten gegenüber, die in erster Linie garantieren sollten, dass die Blätter des Großverlags pünktlich die Kioske erreichten. In vielen Städten wiederholten sich die gewalttätigen Konfrontationen. Zahlrei-
127 | Ebd., S. 7. In der Zur Sache, die vom AStA Haumburg herausgegeben wurde, lau tete es ähnlich: »Springer pfeift – Regierung tanzt«. O. A.: »Springer pfeift – Regierung tanzt«, in: Zur Sache 1, April (1968), S. 2 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kam pagne). In dem Artikel ging es um einen Bericht über eine angebliche Abhängigkeit der Regierung vom Springer-Konzern. 128 | SDS-Bundesvorstand: »Grundsatzerklärung«, S. 8 f.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
che Personen erlitten leichte oder schwere Verletzungen. In München wurden bei den Tumulten 14 Menschen verletzt, zwei starben.129 In Stuttgart formierte sich nach den Ostermarschdemonstrationen der KfDA neuer Anti-Springer-Protest. In Esslingen sollte wie zwei Tage zuvor kollektive Aktionen die Ausfuhr blockieren, was zwölf Hundertschaften mit 90 Hundeführern, Wasserwerfern, zwei Panzerwagen und vielen Festnahmen zu verhindern wussten.130 Nach dem Ostermarsch erachteten viele studentische Gruppen in Hamburg Anti-Springer-Aktionen als »notwendiger denn je«.131 Ein Blockadeversuch von 4000 Teilnehmern eines Sitzstreiks scheiterte, weil die Polizei hart und sytematisch vorging und die Demonstration auflöste.132 Vor dem Eingriff der Polizei, den die AStA-Info der Universität Hamburg als einer der »brutalste[n]« einschätzte, habe ein Lieferwagen von Springer versucht, die Sitzenden zu überfahren und dabei einen Menschen erfasst und lebensgefährlich verletzt.133 Gegen die 1500 Protestierenden, die anschließend vor dem Polizeipräsidium die Freilassung der verhafteten SDS-Mitglieder forderten, ging die Polizei scharf vor, mit Gummiknüppeln und Tränengas trieb sie den Aufmarsch auseinander.134 Augenzeugen und betroffene Demonstranten berichteten von einem brutalen Vorgehen der Polizei, das eine »Panik« ausgelöst habe.135 In Westberlin, im Auditorium der TU, auf einer Versammlung, die von Mitternacht bis in den frühen Morgen des 15. April andauerte, drängte Bischof Kurt Scharf darauf, die »Manipulationen durch die Massenmedien« schnellstens zu beenden. Er bevorzugte statt der Springer-Blockade eine gesetzliche Lösung. Gewalt ablehnend, betonte Helmut Gollwitzer, dass die APO realistische Forderungen erheben und sich als »demokratische Gegenmacht« etablieren müsse. 129 | Vgl. Fichter, Tilman / L önnendonker, Siegward: »Berlin: Hauptstadt der Revolte«, in: Ruetz, »Ihr müßt« (1980), S. 160-168, hier S. 168; M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelligenz, S. 183; R. Uesseler: Die 68er, S. 295 f.; Becker / N eumann (Hg.): Die Studentenproteste, S. 185 f. 130 | Vgl. D. Hildebrandt: »… und die Studenten freuen sich!«, S. 66; D. Cohn-Ben dit / R . Mohr: 1968, S. 128. 131 | Flugblatt von AStA, SHB, HSU, AUSS, Gewerkschaftlicher Studentengruppe, SDS, jeweils Hamburg, »Mordanschlag auf Dutschke – die Tat eines Irren?«, o. D., ver mutlich 14. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 132 | Vgl. L. Schulenburg (Hg.): Das Leben ändern, S. 144. 133 | AStA Hamburg, »AStA-Info: Informationen des Allgemeinen Studentenaus schusses der Universität Hamburg«, Nr. 1, 16. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 134 | Klaus Weinhauer, Schutzpolizei in der Bundesrepublik zwischen Bürgerkrieg und innerer Sicherheit: Die turbulenten sechziger Jahre, Paderbon u. a. 2003, S. 310. 135 | Vgl. o. A.: »Die Oster-Unruhen«, S. 45, vgl. auch S. 48.
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Gegen 4 Uhr am Morgen wurde beschlossen, »ein Aktionskomitee der Arbeiter, Schüler und Studenten« für die Aktivitäten der APO als »oberstes Koordinationsorgan« zu bilden.136 Am Nachmittag des Ostermontag fanden sich 8000 Menschen auf dem Hammarskjöldplatz vor dem Funkturm zu einer Protestkundgebung ein. Einer der Redner war Ralf Dahrendorf. Er pochte auf die »Beseitigung jedes Informationsmonopols« und einen Rückritt des Bundespräsidenten Heinrich Lübke. Er kritisierte den Springer-Konzern, der ein Klima rationaler Veränderung verhindert habe. Anschließend zog die Hälfte der versammelten Menge zur TU, um einer Diskussion mit den Rednern der Kundgebung beizuwohnen.137 Im Rahmen dieser Veranstaltung stellten die Anwesenden dem SFB ein Ultimatum: Bis 21 Uhr sei der APO regelmäßige Sendezeit einzuräumen. Nach Ablauf der Frist beschloss man, vor das SFB-Gebäude zu ziehen und die Forderung erneut zu artikulieren. 30 Minuten später versammelten sich 3000 Menschen vor dem Gebäude des SFB. Nachdem er mit einer Delegation der Demonstranten verhandelt hatte, akzeptierte der neugewählte SFB-Intendant Franz Barsig, in der TU an einer Diskussion teilzunehmen. Dort lehnte er den Anspruch nach Sendezeit ab. Unter Tumulten verließ er das Universitätsgebäude.138 In Essen zogen am Abend des 15. April fast 1000 Menschen zum Springer-Haus in der Sachsenstraße. Vor dem Gebäude warteten schon 700 Bereitschaftspolizisten, die nicht nur aus Essen, sondern auch aus Bochum, Borken 136 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5, S. 86. Zwei Flugblätter, die schon jeweils am 13. und 14. April 1968 von einem Aktionskomitee der Schüler, Studenten und Arbeiter erschienen waren, sind im APO-Archiv in Berlin zugänglich. Daher kann man vermuten, dass bereits vorher das Aktionskomitee gegründet und am 15. April von der Vollversammlung in der TU nachträglich gebilligt worden war. In dem Flugblatt vom 13. April antwortete das Aktionskomitee der Schüler, Studenten und Arbeiter auf die Äußerung des Bürgermeisters Klaus Schütz – »Gegen die Führung dieser Stadt wird mit Gewalt vorgegangen« – mit der Frage: »Wer übt hier Gewalt aus? Wurde Kurras von Oh nesorg erschossen? Hat Dutschke auf einen politischen Gegner geschossen?« Dann ging es weiter: »Wir wollen keine Straßenschlachten, aber die Polizei knüppelt rück sichtslos. Wir wollen keine Wasserwerfer auf dem Ku-Damm, aber die Polizei benutzt legale Demonstrationen als Übung für den Notstandsfall.« Und das Ende des Flugblat tes lautete: »Gewalt geht von der Führung dieser Stadt aus – nicht von uns.« Flugblatt des Aktionskomitees der Schüler, Studenten und Arbeiter, »?«, 13. April 1968, in: APOArchiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. In dem Flugblatt vom 14. April artikulierte das Komitee mit Nachdruck: »Wir werden Springer aus dieser Stadt vertreiben!« Flugblatt des Aktionskomitees der Schüler, Studenten und Arbeiter, »Was haben wir getan?«, 14. April 1968, in: ebd. 137 | Pressestelle der FU Berlin (Hg.): FU, HiU, Teil 5. 138 | Vgl. ebd., S. 87.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
und Wuppertal kamen. Gegen 21.30 Uhr begann die Anti-Springer-Aktion. Vor einer Ausfahrt begannen Demonstranten mit einem Sit-in. Die Polizei reagierte schnell und konsequent. Sie löste den Blockadeversuch auf und verhaftete 19 Personen. Nachdem die Wagen mit der Springer-Presse das Gelände verlassen hatten und die Blockade mithin erneut gescheitert war, drückten die AntiSpringer-Demonstranten mit Sitzstreiks vor dem Essener Hauptbahnhof ihre Wut aus.139 Im Ruhrgebiet mündeten die Demonstrationen an diesem Tag in einer Großkundgebung in der Dortmunder Westfalenhalle mit mehr als 20.000 Teilnehmern.140 Nach der Abschlusskundgebung des Ostermarsches organisierte der SDS in Frankfurt ein Teach-in. Dort rief der Marburger Professor Wolfgang Abendroth die Teilnehmer auf, den Springer-Konzern »in die Luft zu sprengen«.141 Am Abend sollte die Societäts-Druckerei blockiert werden. Als die nunmehr besser vorbereitete Polizei Wasserwerfer einsetzte, um den Weg frei zu machen, war das der Startschuss für neue militante Scharmützel, ähnlich denen des Karfreitags. Es flogen Flaschen und Steine. Die Situation eskalierte, als berittene Polizei auftauchte. Schlagstöcke und harte Wasserstrahlen gingen auf die Sitzblockierer und Demonstranten nieder.142 Sie wurden »durch die Straßen gejagt, in Gärten, Höfe und Treppenhäuser verfolgt und mißhandelt«.143 Gegen 20 Uhr zog der Hauptteil der inzwischen auf mehr als 5000 angewachsenen Menschenansammlung zur Nordseite des Hauptbahnhofs, um das Verladen der Bild-Zeitung zu verhindern, worauf die Polizei mit zwei Wasserwerfern und dem rücksichtslosen Einsatz ihrer Knüppel reagierte.144 Am nächsten Tag schrieb ein Reporter der Frankfurter Rundschau: Es kam »zu unvorstellbaren Prügelszenen. Kameraleute filmten, wie mehrere Polizeibeamte minutenlang auf einen Demonstranten mit Gummiknüppeln einhieben«. Auch einzelne Polizisten verurteilten das Vorgehen »als sinnlos scharf«.145 Während Oberbürgermeister Willi Brundert (SPD) auf einer Pressekonferenz erklärte, dass der Polizeieinsatz »korrekt verlaufen« sei, verlangten die Demonstranten angesichts 139 | Vgl. N. Kozicki: Aufbruch in NRW, S. 23. 140 | Vgl. R. Uesseler: Die 68er, S. 294. 141 | W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 307. 142 | Vgl. ebd., S. 307 f. 143 | H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Auferstehung der Gewalt, S. 85. Obwohl der Historiker Christoph Kleßmann über kleine Gruppen schreibt, die zur »Eskalation der Gewalt« beigetragen hätten, kritisiert er die Gewalt der Polizei eindeutig: »Anderer seits machte vor allem der Einsatz der berittenen Polizei unzweifelhaft deutlich, daß die staatliche Gewaltanwendung zeitweise außer Kontrolle geriet und in einer brutalen Prügelaktion endete.« C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 270 f. 144 | Vgl. W. Kraushaar (Hg.): Frankfurter Schule und Studentenbewegung, S. 308. 145 | Ebd.
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der Brutalität des Einsatzes von ihm und von Polizeipräsident Gerhard Littmann den Rücktritt.146 Der Spiegel berichtete über die »wilde Prügelszene« und die »Brutalität« der Polizei unter Verweis auf Beobachtungen mehrerer Augenzeugen.147 Sechs Polizisten hätten eine junge Frau verfolgt und geschlagen. Mit gezogener Pistole habe ein Polizist einen Demonstranten sogar mit den Worten bedroht: »Ich schieße dich gleich nieder!«148 In Hannover hatte der SDS bereits während des Osterwochenendes in Flugblättern dazu aufgerufen, am Ostermontag an Protestzügen teilzunehmen und erneut das Pressehaus zu blockieren. Nach seinen Vorstellungen sollten die Demonstrationen zwar diszipliniert und gewaltlos ablaufen. Die Blockadeaktionen seien aber notwendig, da am Freitag zuvor das Verschicken der Springer-Presse lediglich verzögert worden sei.149 Der SDS nutzte das Ende des Ostermarsches am 15. April um 16.30 Uhr nach der Abschlusskundgebung, um die Teilnehmer zur gewaltlosen Fortsetzung der Anti-Springer-Demonstration aufzurufen. Da der Demonstrationszug nicht vor das Pressehaus ziehen konnte – die Polizei hatte schon seit dem Mittag die Straßen abgeriegelt –, kam es auf dem Steintorplatz, einem Knotenpunkt der Straßenbahnlinien, zu einer Sitzdemonstration, die den Verkehr lahmlegte.150 Gegen 20 Uhr begann die Polizei, Wasserwerfer und Gummiknüppeln einzusetzen. Doch Passanten, die sich über das Vorgehen der Polizei empörten, solidarisierten sich mit den Angegriffenen, so dass deren Zahl auf 3000 Personen anschwoll. Ungefähr um halb zehn verlagerte sich der Sitzstreik auf die Herschelstraße, die parallel zur Odeonstraße verläuft und in der die Pressehauseinfahrt lag. Mit diesem erneuten Blockadeversuch verlangten sie zudem die Freilassung der zuvor Verhafteten. Doch der Einsatzleiter der Polizei wiederholte nur, dass es bis zum Ende der Demonstration keine Freilassungen geben werde. Letztlich gaben Vertreter aus den Reihen der Portestierenden bekannt, nicht länger an einer Springer-Blockade festhalten zu wollen. Die Demonstration löste sich auf. Kurz vor elf ließ die Polizei die Inhaftierten frei.151 Die Ostertage endeten am Montag mit einem blutigen Finale in München. Nach der Abschlusskundgebung des Ostermarsches versammelten sich am frühen Abend 2000 Menschen ein weiteres Mal, um die Abfahrt der Lieferwagen des Springer-Konzerns zu verhindern. Das Buchgewerbehaus, der Druckort der Bild-Zeitung, war inzwischen durch Stacheldraht und reichlich Polizeipräsenz abgesichert worden. Die Bereitschaftspolizisten gingen brutal gegen 146 | Zit. n. und vgl. ebd.. 147 | O. A.: »Die Oster-Unruhen«, S. 50 und S. 54, vgl. auch S. 57. 148 | Ebd., S. 57. 149 | Vgl. A. C. Berlit: Notstandskampagne und Roter Punkt, S. 88. 150 | Ebd., S. 89 ff. 151 | Ebd., S. 91 f.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
die Sitzstreiks der Demonstranten vor und traktierten selbst Frauen mit Faustschlägen und Magenstößen. Das Verhalten beider Seiten führte schließlich zur Eskalation, es flogen Pflastersteine und Bohlen. Die militanten Schlachten forderten zwei Tote: Gegen 21 Uhr wurde der 32-jährige Fotograf Klaus-Jürgen Frings von einem Stein am Kopf getroffen. Der verletzte ihn so schwer, dass er zwei Tage später an einem Blutgerinnsel starb. Das zweite Todesopfer war der Student Rüdiger Schreck, 27 Jahre alt. Er erlitt eine Schädelfraktur und erlag ebenfalls zwei Tage darauf einer Gehirnblutung.152 Schreck war seinem Bruder zufolge nicht politisch aktiv gewesen, war »über die Hetze der Bild-Zeitung« jedoch so »empört«, dass er gleichwohl an der Demonstration teilgenommen hatte.153 Weder die genauen Umstände der Todefälle noch die Identität der Täter konnten eindeutig geklärt werden.
D ie A nti -S pringer -S olidarität der I ntellek tuellen und A kademiker Unterstützung fanden die Anti-Springer-Demonstranten unter Intellektuellen und Akademikern. In einer Erklärung vom 13. April 1968 stellten unter anderen Theodor W. Adorno, Alexander Mitscherlich, Helmut Ridder, aber auch der konservative Historiker Golo Mann fest, dass »zum zweitenmal innerhalb eines Jahres blutige Gewalt die Studenten getroffen« habe.154 Das Klima, in dem der Mordanschlag geschehen konnte, sei von einer Presse »systematisch« vorbereitet worden. Diese gebe vor, »im Namen der Ordnung und Mehrheit zu sprechen, [meine] mit dieser Ordnung aber nichts anderes […] als die Herrschaft über unmündige Massen und den Weg in einen neuen, autoritätsbestimmten Nationalismus«. Seit mehr als einem Jahr hätten Leitartikel der Springer-Zeitungen dazu aufgefordert, »Berlin vom ›immatrikulierten mobilisierten Mob‹ zu befreien«. Zwar riefen die Unterzeichner der Resolution die Studenten dazu auf, »sich bei allen Aktionen der Gewalt zu enthalten«, forderten aber zugleich eine »öffentliche Diskussion über den Springer-Konzern, seine politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und seine Praktiken der publizistischen Ma-
152 | Vgl. V. Brandes: Wie der Stein ins Rollen kam, S. 160 f.; D. Cohn-Bendit / R . Mohr: 1968, S. 129; K. Stankiewitz: München ’68, S. 38. 153 | Zit. n. ebd., S. 40. 154 | O. A.: »Erklärung zum Mordanschlag auf Rudi Dutschke«, in: Grossmann / N egt (Hg.), Die Auferstehung der Gewalt (1968), S. 30. Andere Unterzeichner: Prof. Hans Paul Bahrdt, Prof. Peter Brückner, Prof. Ludwig von Friedeburg, Prof. Walter Jens, Prof. Eugen Kogon, Hans Dieter Müller, Prof. Heinrich Popitz, Prof. Helge Pross, Prof. Hans-Günther Zmarzlik. Vgl. ebd.
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nipulation« ein.155 In ihrer sogenannten »Erklärung der Vierzehn«156 appellierten sie, Solidarität gegenüber den Studenten und Kritik gegenüber dem Springer-Konzern zu üben. Heinrich Böll, der die Resolution ebenfalls unterschrieben hatte, nahm kurz darauf, am 19. April, im Kölner Stadt-Anzeiger außerdem individuell Stellung. Darin bezog er, der nach eigener Einschätzung als Schriftsteller »von Natur aus zur außerparlamentarischen Opposition« zähle, eindeutig Position für die Studenten und die versuchte Springer-Blockade.157 Die Demonstranten wollten, merkte Böll an, die »Übermacht der stimmungsmachenden und meinungsbildenden Publikationen« des Konzerns brechen und die »Öffentlichkeit auf diese Übermacht« aufmerksam machen. Sie gingen dafür auf die Straße – für die Studenten das »einzige […] Publikationsmittel« außerhalb der Universität.158 Der Soziologe und FDP-Politiker Ralf Dahrendorf forderte Springer auf, sich aus dem »Geschäft der Meinungsmacher« zurückzuziehen. Seine Presse schüre »seit Monaten einen zweifellos vorhandenen Unmut in der Bevölkerung gegen die Studenten«.159 Golo Mann schrieb in der Zeit: »Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, daß es für den Konzern praktisch nichts mehr gibt, was er nicht tun kann, wenn er will …«.160 Helmut Gollwitzer kritisierte Springer scharf und bezeichnete ihn nach dem Attentat im Radio »als den eigentlichen Herrn der Bundesrepublik«.161 Gollwitzers Einschätzung ähnelte der Charkterisierung Springers als »zweite[n] Cäsar«, der Deutschland besetzt halte. Bahman Nirumand hatte sie auf dem Internationalen Vietnam-Kongress im Februar 1968 in Westberlin entfaltet.162 In die Anti-Springer-Solidarität stimmte ein Teil der christlichen Welt ein. Die Repräsentanten der evangelischen Akademikerschaft, die 8000 Mitglieder zählte, stellten auf einer Tagung eine Woche nach Ostern fest, dass die Springer-Zeitungen »eine Mitverantwortung an den Unruhen und den damit ver-
155 | Ebd. 156 | Die Erklärung erschien am 19. April wieder in der Zeit mit dem Titel »Erklärung der Vierzehn«. Vgl. W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 110 f. 157 | Zit. n. ebd., S. 111. 158 | Ebd. 159 | Zit. n. P. Dohms / J. Paul: Studentenbewegung von 1968, S. 18 f. Dahrendorf warnte aber andererseits die APO vor weiteren Gewaltakten. Vgl. A. Renz: Studenten proteste von 1967 / 6 8, S. 136. 160 | Zit. n. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 466 f. 161 | Zit. n. ebd., S. 471. 162 | SDS Westberlin / I nternationales Nachrichten- und Forschungsinstitut (INFI) Re daktion (Hg.), Internationaler Vietnam-Kongreß Februar 1968 Westberlin, S. 63.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
bundenen Gewalttatten« trügen.163 Habe die Springer-Presse doch ein »Verlangen nach ›Ruhe und Ordnung‹« geweckt. »[D]ie dadurch geförderte Abneigung gegen jede Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und die Vertiefung von Vorurteilen gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen wirk[t]en sich immer deutlicher dahin aus, unbequeme Meinungen Andersdenkender zu unterdrücken.« Daher würden »Mitbürger und Minderheiten« der Bevölkerung diffamiert und »Haß und physisch[e] Gewalt« ausgelöst.164 Der evangelische Bischof Kurt Scharf kritisierte am 12. April in seiner Karfreitagspredigt die SpringerPresse heftig: »Der, an dessen Kreuzestod wir heute erinnert worden sind, sagt in seiner großen Bergrede: Mord beginnt beim bösen Wort über den Mitmenschen. Nicht der erst ist ein Mörder, der einen anderen totschlägt, sondern schon der, der ihn einen gefährlichen, wertlosen Lumpen nennt, einen verlausten Nichtstuer, einen Zerstörer der gesellschaft lichen Ordnung oder auch einen gottlosen, bösen Tyrannen. Das verurteilende böse Wort über den anderen ist schon der Anschlag auf sein Leben.«165
Scharfs Kritik an Springer ordnet die Strategien des Konzerns, obgleich die Bezugnahme auf Jesus’ Wort metaphorisch gemeint ist, als Gewalt ein. In diesem Sinne stellte auch Günter Grass fest, dass die Springer-Presse monatelang »zum Durchgreifen, zur tätigen Selbsthilfe« aufgerufen und nach dem Attentat auf Dutschke »biedermännische Empörung« geheuchelt habe.166 Grass forderte den Bundestag auf, »endlich und ohne die übliche Furcht, ein Gesetz zu erarbeiten und zu verabschieden, das die Entflechtung des verfassungswidrigen Staates im Staate, bekannt unter dem Namen Springer-Konzern, mit demokratischen Mitteln ermöglicht«.167 Wenn er sich »weiterhin der Macht des Springer-Konzern beug[e]«, warnte Grass, dann wäre der Bundestag »hauptverantwortlich […] für die Radikalisierung des politischen Klimas« und für den erneuten »Selbstzerstörungsprozeß der Demokratie« in der Bundesrepublik Deutschland.168 Eine Woche nach dem Dutschke-Attentat, am 18. April 1968, richtete sich Hans Dieter Müller, dessen Buch Der Springer-Konzern. Eine kritische Studie im Februar 1968 erschienen war, im Zusammenhang mit der Anti-Springer-Kam163 | G. Naeher: Axel Springer, S. 249, vgl. auch S. 248 f. 164 | Ebd., S. 249. 165 | Zit. n. ebd., S. 250. 166 | Grass, Günter: »›Gewalttätigkeit ist wieder gesellschaftsfähig‹. Günter Grass zum 1. Mai über Staat, Springer und Studenten«, in: Der Spiegel vom 6. Mai 1968, S. 52-58, hier S. 52. 167 | Ebd., S. 57. 168 | Ebd.
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pagne in einem offenen Brief an den Chefredakteur der Bild-Zeitung Peter Boenisch.169 Müller kritisierte vor allem die Behauptung des Konzerns, dass dieser für »sachliche Auseinandersetzung« plädiere – und argumentierte dabei, dass die Konzern-Spitze drei Einladungen zu Diskussionen abgesagt habe: am 12. Februar 1968 in der Sendung »Panorama«, am 29. Februar im Anglo-GermanClub in Hamburg und am 19. März im Hörfunk des Norddeutschen Rundfunks. An einer Diskussion über das Problem der Pressekonzentration hätten Vertreter des Konzerns nur unter der Bedingung teilgenommen, dass vom Springer-Verlag selbst keine Rede sein würde. Auch wenn jeder die »Pression durch verhüllte oder unverhüllte Macht« des Konzens kenne, schrieb Müller weiter, sage das keiner offen. Darüber hinaus würden prominente Politiker nicht mit den Studenten, wohl aber mit dem Chefredakteur der Bild-Zeitung oder Axel Springer selbst sprechen wollen.170 Müller schlug eine Diskussion zwischen den Studenten, den Redakteuren und den Arbeitnehmern des Springer-Verlags vor. Eine Veröffentlichung seines Briefs in der Bild-Zeitung würde er als einen »erste[n] Schritt der wiedererstandenen, praktizierten Demokratie« bewerten171 – ein Schritt, den die Bild-Zeitung nicht bereit war zu gehen. Der Spiegel fasste die Verbreitung der Anti-Springer-Solidarität unter Intellektuellen und Akademikern wie folgt zusammen: »Nicht nur bei den Studenten, sondern bei den liberalen Intellektuellen herrscht Einmü tigkeit: Springer-Blätter haben mitgeschossen, weil sie die jungen Linken unablässig als ›Rabauken‹ und ›rote SA‹ geschmäht und wahre Pogromaufrufe gegen Dutschke und seine Genossen losgelassen hatten: ›Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!‹. ›Stören friede ausmerzen‹.«172
Der Funke der Anti-Springer-Solidarität sprang auch auf die Theaterszene über. Nach dem Attentat auf Dutschke inszenierte der Regisseur und Schauspieler Rainer Werner Fassbinder, der heute als einer der wichtigsten Vertreter des Neuen Deutschen Films der 70er und 80er Jahre gilt, im Münchener ActionTheater ein Schauspiel über die Protestbewegung und ihre Anti-Springer-Kampagne: Axel Caesar Haarmann. Der Erlös der Aufführung – der Programmzet169 | Müller, Hans Dieter: »Brief an den Chefredakteur von ›Bild‹«, in: Vorgänge 7, 6 (1968), S. 217. Über das Buch Der Springer-Konzern und die Reaktionen innerhalb des Konzerns vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 372 ff. 170 | H. D. Müller: »Brief an den Chefredakteur«. 171 | Ebd. 172 | Spiegel-Verlag (Hg.): Die Wilden 68er. Die Spiegel-Serie über die Studentenrevo lution, Hamburg 1988, S. 23. Die Zitate der Springer-Zeitungen stammen aus der Berliner Zeitung vom 3. Juni 1967, S. 3, der Bild-Zeitung vom 3. Juni 1967, S. 1, bzw. vom 7. Februar 1968, S. 1, und der Berliner Morgenpost vom 11. Januar 1967, S. 1.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
tel war nach Art eines Flugblatts gestaltet – kam dem Fonds der »Rechtshilfe« zugute, einer Organisation, die angeklagte Aktivisten unterstützte. Auf der Bühne waren Demonstrationszüge, Sitzblockaden und Teach-ins zu sehen. Der Schluss machte den Namen des Theaters zum Programm: Nachdem das Publikum dreimal per Lautsprecher aufgerufen worden war, den Saal zu verlassen, spritzte Fassbinder mit einem Schlauch Wasser in den Zuschauerraum.173
D ie A nti -S pringer -S olidarität im A usl and In zahlreichen europäischen und außereuropäischen Großstädten löste das Attentat auf Dutschke heftige Proteste aus. Der britische Historiker Ronald Fraser fasst die Situation zusammen: »It was the first time that an event affecting a student movement in one country led to student protest internationally.«174 Zwischen dem 12. und dem 19. April solidarisierten sich von Toronto und Washington über London und Stockholm bis Brüssel und Zürich die Menschen mit den deutschen Studenten, wurde in Oslo und Kopenhagen, in Prag und Wien, in Belgrad und in Tel Aviv aus Empörung über das Attentat protestiert. Die Demonstrationen richteten sich oft gegen ortsansässige Springer-Büros oder andere bundesdeutsche Einrichtungen und Niederlassungen.175 In Oslo beschmierten aufgeregte Studenten aus Protest das deutsche Botschaftsgebäude mit Hakenkreuzen. In Paris, New York, Mailand und Rom kam es außerdem vor den Generalkonsulaten der Bundesrepublik zu Kundgebungen.176 Schon in der Nacht zum Freitag, dem 12. April, marschierten etwa 200 Studenten vor dem bundesdeutschen Generalkonsulat in Amsterdam auf. Auf ihren Transparenten stand unter anderem »Der Neofaschismus auf dem Kriegspfad«, sie skandierten »Es lebe Dutschke« und »Tod dem Faschismus«.
173 | Vgl. Hemler, Stefan, Protest-Inszenierungen: die 68er-Bewegung und das Thea ter in München, in: Hans-Michael Körner / J ürgen Schläder (Hg.), Münchner Theaterge schichtliches Symposium 2000, München 2000, S. 276-318, hier S. 298. 174 | R. Fraser (Hg.): 1968, S. 194. 175 | Vgl. Siemens, Anne Maria: Durch die Institutionen oder in den Terrorismus: Die Wege von Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit, Hans-Joachim Klein und Johannes Weinrich, Diss. München Uni. 2005, Frankfurt a. M. 2006, S. 142; Juchler, Ingo: Die Studentenbewegungen in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutsch land der sechziger Jahre. Eine Untersuchung hinsichtlich ihrer Beeinflussung durch Befreiungsbewegungen und -theorien aus der Dritten Welt (= Dissertation Universität Marburg. 1994), Berlin 1996, S. 270; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 107. 176 | Vgl. M. Schmidtke: »›1968‹ und die Massenmedien«, S. 289.
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Anschließend versuchten sie mit Sit-ins auf der Fahrbahn den Straßenverkehr zu stören.177 Am 12. April überschlugen sich die Ereignisse in der italienischen Hauptstadt Rom, wo die Demonstranten die Fenster des Corriere della Sera einwarfen. Die Zeitung galt als das italienische Pendant zur Springer-Presse. Zudem flogen Molotowcocktails gegen die Vertretungen von Mercedes-Benz und Porsche.178 In Kopenhagen ging ein Steinhagel auf die deutsche Botschaft nieder.179 In New York verwandelte sich eine Demonstration gegen den Springer-Verlag in gewalttätige Straßenkämpfe mit der Polizei.180 In Wien protestierten unmittelbar nach Bekanntwerden der Tat 1500 Studenten und Schüler. Mit Bildern von Dutschke und Martin Luther King zogen sie von der Kärntner Straße zu einer Protestkundgebung an der Universitätsrampe und von dort zu den Redaktionsräumen der zum Springer-Verlag gehörenden Programmzeitschrift Hör zu. Während des Marsches zum Verlagsgebäude kam es auf jeder Kreuzung, die der Zug überquerte, zu einem Sitzstreik. Die Demonstranten machten den Verlag für das Attentat verantwortlich. Der Mordanschlag auf Dutschke sei, hieß es in den an Passanten verteilten Flugblättern, »eines der blutigen Ergebnisse« der Kampagne des Springer-Konzerns, in deren Mittelpunkt »ständige Hetze gegen kritische und sozial fortschrittliche Kräfte«181 stünde. Vor dem Verlagsgebäude forderten die Demonstranten, die improvisierte Transparente mit Aufschriften wie »Springer – Mörder« und »Gestern King – heute Dutschke – morgen wir« dabei hatten, etwa eine Viertelstunde lang in Sprechchören: »Springer-Presse, halt die Fresse!«182 In London zogen am Ostermontag rund 2000 Personen zur deutschen Botschaft. Aus Protest gegen den Springer-Konzern verbrannten sie eine deut-
177 | Vgl. o. A.: »Solidarität im Ausland«, in: LSZ – Liberale Studentenzeitung 17, 2 (1968), S. 10. 178 | Vgl. I. Gilcher-Holtey: 1968: Eine Zeitreise, S. 53; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 107. 179 | Flugblatt des Ostpolitischen Deutschen Studentenverbands Berlin, »Auf ein Wort, Herr Mahler u. Genossen!«, o. D., vermutlich April 1968, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. 180 | Vgl. R. Fraser (Hg.): 1968, S. 195; M. Schmidtke: Der Aufbruch der jungen Intelli genz, S. 183; I. Gilcher-Holtey: 1968: Eine Zeitreise, S. 53. 181 | Zit. n. Keller, Fritz: Wien, Mai 68: Eine heiße Viertelstunde, Wien 2008, S. 120 f. 182 | Vgl. ebd., S. 117-122; Rohrhofer, Franz Xaver: Die 68er in Oberösterreich – Oder: Die Lust an der Provokation, Linz 2008, S. 53; Ebner, Paulus / Vocelka, Karl: Die Zahme Revolution: ’68 und was davon blieb, Wien 1998, S. 148; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 107.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
sche Fahne mit aufgemaltem Hakenkreuz und riefen »Sieg Heil«.183 Es kam zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Ein leitender Botschaftsangehöriger empfing eine Delegation aus dem Aufmarsch. Tariq Ali stand als einer der britischen Studentenführer der Abordnung vor. Er betonte gegenüber dem Deutschen, dass die Springer-Presse seit Jahren eine Kampagne organisiere. Ali kündigte in diesem Zusammenhang an, falls man den SDS verbiete, würde man die westdeutschen Botschaften in Europa belagern. Anschließend marschierte der Zug zum Hochhaus des Daily Mirror, wo der Springer-Verlag seine Büros unterhielt, um dort weiter zu protestierten. Nachdem man Ali und einige andere zum britischen Direktor der Springer-Verlagsgruppe gebracht hatte, machten sie den Verlag für das Attentat auf Dutschke verantwortlich. Springer habe die Massen zum Mordanschlag aufgehetzt. Die vehementen Proteste wirkten. Der Daily Mirror kündigte zwei Tage später auf der Titelseite an, dass die Redaktion den Protestierenden eine Seite zur Verfügung stelle. Sie sollten die Gelegenheit bekommen, ihre Beweggründe darzulegen.184 Spektakulär waren die Anti-Springer-Aktionen in Paris. Etwa 1000 Jugendliche demonstrierten am 13. April vor dem Gebäude der deutschen Botschaft, das die Polizei abgeriegelt hatte. Schon zwei Tage zuvor, am Abend des Gründonnerstags, hatte sich in Paris spontan junge Franzosen und Deutsche getroffen, um Informationen über den Mordanschlag auf Dutschke zu verbreiten.185 Das auf Deutsch und Französisch verfasste Flugblatt, das an diesem Abend entstanden und mit »Wer schoß auf Rudi Dutschke? / Attentat Contre Rudi Dutschke« überschrieben war,186 bezeichnete den Springer-Konzern als mitschuldig am Attentat auf den charismatischen Studentenführer. Springer führe »seit Monaten in ganz Westdeutschland [eine] verleumderische Hetzkampagne gegen die revolutionären Studenten«.187 Das Comité Vietnam National, die Etudiants Socialistes Unifiés, die Jeunesse Communiste Revolutionnaire, die Union National des Etudiants de France UNEF (Nanterre) und der SDS Paris hatten das Flugblatt unterzeichnet. An seinem Ende stand der Aufruf, am 13. April vor der Deutschen Botschaft zu demonstrieren.188 Nachdem sich die Solidaritäts183 | Vgl. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 142; Sonthei mer, Michael: »Sturm auf Springer: 68er-Aufstand«, in: einestages. Zeitgeschichten auf Spiegel Online vom 8. Juli 2013, http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumback ground-xxl/1780/sturm_auf_springer.html vom 10. Juli 2013. 184 | Vgl. Ali, Tariq: Street Fighting Years: Autobiographie eines ’68ers, Köln 1998, S. 208 ff.; I. Gilcher-Holtey: 1968: Eine Zeitreise, S. 52 f.; R. Fraser (Hg.): 1968, S. 195. 185 | Vgl. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 130. 186 | O. A.: »Wer schoß auf Rudi Dutschke?«, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968; o. A.: »Attentat Contre Rudi Dutschke«, in: ebd. 187 | O. A.: »Wer schoß« (Archivalien). 188 | Vgl. ebd.
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demonstration gebildet hatte, leisteten tausend Demonstranten, darunter viele deutsche Studenten, mutig Widerstand gegen das starke Polizeiaufgebot, das den Protestierenden gegenüberstand. Vor der Botschaft sangen sie gemeinsam die Internationale und riefen in Sprechören »Rudi Dutschke«, »Solidarität mit dem SDS«, »Springer Mörder – Kiesinger Komplize« und »SDS wird siegen«. Auf ihren Transparente stand »Rosa Luxemburg 1919 – Rudi Dutschke 1968« oder »Imperialismus – Terror – Vietnam – Memphis – Berlin« und sie schwenkten rote Fahnen durch die aufgeheizte Luft. Die Solidaritätskundgebung sei »recht erfolgreich« verlaufen, so ein deutscher Student aus Paris in einem Brief an den SDS.189 Im Anschluss an die Demonstration kam es zum ersten Mal zu Straßenkämpfen mit Einheiten der französischen Bereitschaftspolizei CRS. Es waren »relativ hart[e] Zusammenstöß[e]«, die Verhaftungen, verletzte Polizisten und beschädigte Polizeiautos nach sich zogen.190 In Paris sollte am 19. April eine zweite Solidaritätsdemonstration stattfinden. Zu deren Organisation trafen sich zum ersten Mal Vertreter verschiedener politischer linker Studentengruppen, die bislang aus ideologischen Gründen nicht in Verbindung zueinander gestanden hatten. Unter dem Eindruck des brutalen Attentats auf Dutschke und angesichts der Gewalt der französischen Polizei einigten sich fast alle Gruppen auf eine gemeinsame Protestaktion.191 Die zweite Solidaritätskundgebung war deutlich größer als die erste. Einige tausend Demonstranten trieb es am 19. April auf die Straße: »Aus Solidarität mit ›Rudi le Rouge‹, wie Dutschke von den mit ihm sympathisierenden Franzosen genannt wird, und dem SDS ziehen 4.000 Studenten zum Quartier Latin. Auf Transparenten und Spruchbändern verurteilen sie das Attentat, kritisieren die Zeitun gen des Axel-Springer-Verlags, die geplanten Notstandsgesetze und Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Als sie am Geothe-Institut vorbeikommen, werfen sie dort eine Scheibe ein. Die Polizei greift dabei ebensowenig ein wie bei einer andern Situation, in der Demonstranten die Scheiben eines ihrer Fahrzeuge einschlagen.«192
189 | O. A.: »Liebe Genossen«, ein Brief, 14. April 1968, aus Paris, in: APO-Archiv, SDSBV, Post 1968. 190 | Ebd. Zum Verlauf der Demonstration vgl. auch o. A.: »Solidarität im Ausland«; H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 131. 191 | Vgl. ebd., S. 132. Zu diesen Gruppen gehörten: die Jeunesse Communiste Revo lutionnaire, die Jeunesse Communiste-Marxiste Leniniste (maoistisch), die Fédération des Etudiants Revolutionnaire, die Bewegung des 22. März (Cohn-Bendit), die Studen ten der Parti Socialiste Unifié, die Union National des Etudiants de France UNEF, der Comité Vietnam National und prochinesische, verschiedene trotzkistische, linkssozia listische und syndikalistische Verbindungen. Vgl. ebd. 192 | W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 112.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
Die Pariser Demonstranten protestierten nicht nur gegen die deutschen Notstandsgesetze, sondern auch gegen die französischen Ausnahmegesetze. Sie brachten die konservative Tageszeitung Le Figaro und die staatliche Rundfunkanstalt ORTF (Office de Radiodiffusion Télévision Française) mit Springer in Zusammenhang, dessen »Pressediktatur« laut Le Monde vom 15. April »auf zunehmenden Widerstand« stoße und der in großem Maße für die »Besatzungsmentalität« in Westberlin verantwortlich sei.193 Die Solidaritätsbekundungen in Paris beeinflussten die Entstehung des ›Mai 68‹194 zumindesten indirekt, weil sie linken Studentengruppen die Gelegenheit boten, erstmals zusammenzukommen und gemeinsame Aktionen durchzuführen. Parallel zu den Protestmärschen aus Solidarität mit Dutschke erreichte den SDS ein Ansturm von »Solidaritätstelegrammen« aus ausländischen Städten: Prag, New York, Mailand, Turin, London, Rom, Brüssel, Amsterdam, Kopenhagen, Antwerpen, Paris, Toronto, Wien, Belgrad, Genf, San Francisco, Jerusalem, Palästina etc.195 Studenten der Philosophischen Fakultät der Universität Prag erklärten: »Wir möchten zu Ihren Protestdemonstrationen unsere Unterstützung ausdrücken.«196 Die San Francisco Local Young Socialist Alliance formulierte: »we wish to express our sorrow and anger at the attempted assassination of rudi dutschke and to extend our solidarity to you in your struggle.«197 Die Teilnehmer des Internationalen Studentenseminars der Universität Ljubljana in Jugoslawien (im heutigen Slowenien) kritisierten den Springer-Konzern scharf. Dessen Presse habe »systematische Progromhetze gegen Studenten und besonders gegen die exponierte studentische Linke« betrieben. Die Studenten aus Ljubljana verurteilten den Mordanschlag auf Dutschke – und ebenso eine »Politik« in Westberlin, die diesen ermöglicht habe – und erklärten sich »solidarisch mit den Protestaktionen der westdeutschen Kommilitonen«.198 Den 193 | Zit. n. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 132 f. Le Monde betonte: »Das durch den Einfluß des Hauses Springer und besonders durch die ge fährliche Uniformierung seiner politischen Thesen und Vorstellungen geschaffene Un behagen hat mit dem Attentat auf Rudi Dutschke einen Punkt erreicht, von dem es kein Zurück gibt.« Zit. n. ebd., S. 133. 194 | Zum Mai 68 vgl. I. Gilcher-Holtey: »Die Phantasie an die Macht«. 195 | Vgl. etliche Telegramme, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968; o. A.: »Ausschnitte aus Solidaritätstelegrammen«, Nr. 1 / 14.4.68, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FUFlugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968, zit. n. ebd. Allein bis zum 14. April gingen etwa 300 Telegramme aus deutschen und internationalen Städten ein. Vgl. ebd. 196 | Ebd. 197 | San Francisco Local Young Socialist Alliance, Telegramm, 17. April 1968, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968. 198 | Internationales Studentenseminar der Universität Ljubljana, Solidaritätsbrief, 15. April 1968, in: ebd.
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SDS beeindruckten die vielen Solidaritätsadressen und -kundgebungen. Die dadurch kommunizierte »internationale Solidarität« brachte seiner Ansicht nach zum ersten Mal einen »praktischen Internationalismus« zum Ausdruck, der »direkt auf die Protestbewegung bezogen […] und nicht über [die] gemeinsame Solidarität, etwa mit der vietnamesischen Revolution, vermittelt war«.199
D ie R e ak tionen des A xel S pringer V erl ags auf die S pringer -B lockade »Es ist ein Unding, einen Dutschke zum ›Volksfeind Nr. 1‹ stempeln zu wollen!«200 Mit diesem Zitat aus der B.Z. vom 22. Februar 1968 versucht Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlags, in seinem »Editorial zum Medienarchiv68«, das der Springer-Verlag 2010 eröffnet hatte, die Argumente der APO – die Springer-Presse habe Dutschke und seine Mitkämpfer als ›Teufel‹ etikettiert – zu widerlegen.201 Das von Döpfner angeführte B.Z.-Zitat ist korrekt – aber die Ausnahme. Springer-Zeitungen waren durchsetzt mit Schimpfwörtern gegen die Demonstranten und die Studenten: »Halbstarke«, »Krawallmacher«, »Randalierer«, »Wirrköpfe«, »Rabauken«, »Schlägerkolonnen« und »rote SA«.202 Mit Schlagzeilen wie »Wer Terror produziert, muß Härte in Kauf nehmen« (B.Z. am 3. Juni 1967), »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!« (Bild-Zeitung vom 7. Februar 1968) und anderen markigen Überschriften generierte, wie die oben bereits untersuchte Erklärung der Vierzehn bereits konstatiert hatte, die Springer-Presse ein Klima des Hasses, das zum Mordanschlag auf Dutschke führte. Insbesondere die »emotionalisierte Sprache« der Bild-Zeitung habe zur »Verhärtung der Fronten« beigetragen, konstatiert der Historiker Christoph Kleßmann.203 Diese Annahme gilt auch für die Zeit nach dem Attentat auf Dutschke. Außerhalb Westberlins und Hamburgs, wo der Springer-Verlag neben der Bild-Zeitung noch andere Massenblätter besaß, richteten sich die Anti-Springer-Aktionen nahezu ausschließlich gegen die Bild.204 Das Blatt stellte die oben erwähnte Kritik der APO und der Intellektuellen in Frage, indem es 199 | SDS-BV, »Rechenschaftsbericht«, S. 4 (Archivalien). 200 | O. A.: »B.Z. meint: Haß den Radikalen überlassen!«, B.Z. vom 22. Februar 1968, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/204854/1897.jpg.pdf vom 16. September 2015). 201 | Vgl. Döpfner, Mathias, »Editorial zum Medienarchiv68«, http://www.medienar chiv68.de / v om 12. Juli 2013. 202 | Siehe K. Hermann: Die Revolte, S. 16. 203 | C. Kleßmann: Zwei Staaten, S. 280. 204 | Vgl. G. Bauß: Die Studentenbewegung, S. 98.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
am 13. April 1968 die Schlagzeile »Terror in Berlin!« formulierte und zugleich fragte: »Und wer hat auf ihn [Dutschke] geschossen? Nicht […] Springer. […] Der fanatische Linksradikale Dutschke wurde das Opfer eines halbirren Rechtsradikalen.« Die Bild-Zeitung kommentierte die Springer-Blockade: »Seinen [Dutschkes] Freunden scheinen die drei Kugeln, die ihn trafen, nur willkommener Anlaß für neue Haß- und Gewaltakte zu sein.«205 Über ein Foto eines Theologiedoktoranden, der sich dem Strahl eines Wasserwerfers während der Osterereignisse in Westberlin mit einem Holzkreuz entgegenstellte, schieb die Bild-Zeitung: »Sie (die Demonstranten) schreckten auch vor dem Kruzifix als Schlagwerkzeug nicht zurück.«206 Mit der Schlagzeile »Ist das Demonstration, ist das Diskussion? – Möbelhaus in Brand gesteckt!« berichtete die Bild-Zeitung am 16. April 1968 über ein Feuer in Gladbeck. Das Blatt stellte den zerstörten Möbelmarkt in einen Zusammenhang mit dem SDS und den Demonstrationen gegen den Springer-Verlag,207 was sich jedoch als falsche Fährte herausstellte. Die Polizei ermittelte, dass die Brandstiftung nichts mit der Demonstration zu tun hatte.208 In der Falschmeldung der Bild-Zeitung hieß es weiter. »Ein SDS205 | O. A.: »Terror in Berlin!«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 13. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/204928/1934.jpg.pdf vom 16. Sep tember 2015). 206 | Zit. n. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Auferstehung der Gewalt, S. 164. 207 | O. A.: »Ist das Demonstration, ist das Diskussion? – Möbelhaus im Brand ge steckt!«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 16. April 1968, S. 1 (auch online unter http:// www.medienarchiv68.de/dl/205009/1972.jpg.pdf vom 16. September 2015). 208 | Vgl. Flugblatt von Studenten, »Kommilitonen«, 7. November 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Das Flugblatt kritisierte die Springer-Presse un ter Bezugnahme auf ein Zitat des Esslinger Amtsgerichts vom 24. Oktober 1968: »Die Springer-Zeitungen sind Musterbeispiele publizistischer Verantwortungslosigkeit. Es wird nicht objektiv berichtet, sondern aus Stimmungsmache, oder um einen Knüller zu haben, die Wahrheit gebogen, ja, es wird effektiv gelogen.« Der Auszug der Entschei dung wurde dokumentiert in: o. A.: »Der Esslinger Beschluß zu den Osterdemonstrati onen«, in: Vorgänge 7, 12 (1968), S. 449-450, hier S. 450. Das Esslinger Amtsgericht rechtfertigte die studentische Kritik am Springer-Verlag: Die den Verlag kritisierenden Studenten würden von der Springer-Presse »in einen Topf geworfen mit Gammlern und Halbstarken und als Radaubrüder qualifiziert. […] Wenn ›Bild‹ am 7.2.1968 schreibt: ›Man darf über das, was zur Zeit geschieht, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und man darf auch nicht die ganze Dreck[s]arbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen‹, so ist dies nicht eine demokratische Auseinandersetzung mit einem An dersdenkenden, sondern übel Stimmungsmache und Aufhetzung zu Gewalttaten (§ 130 StGB!) Vor diesem Hintergrund ist die Meinung, der Mordanschlag auf Rudi Dutschke sei ein mittelbarer Erfolg der durch die Springer-Presse gegen die radikalen Studen ten aufgewiegelten und manipulierten Öffentlichkeit, zumindest verständlich. […] Im
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Vertreter« habe die Studierenden aufgefordert, nun »zum Sturm auf die Zeitungskioske anzutreten, statt das Springerhaus zu belagern«.209 Die Bild-Zeitung habe »wieder einmal die Unwahrheit« behauptet, verkündete daraufhin ein studentisches Flugblatt. Der Verterter des SDS habe auf einer am 17. April vom Hamburger AStA initiierten Diskussionsversanstaltung gefordert, dass man »an die Kioske gehen und mit den Käufern von BILD diskutieren« müsse.210 Die Zeitung wiederholte zudem einen altbekannten Verdacht und heizte, indem sie ihn erneut formulierte, die Stimmung weiter an: »Immer mehr deutet darauf hin, daß Kommunisten die Terroraktionen [der Demonstranten, Anm. d. V.] gesteuert haben.«211 Die Reaktionen der Welt auf die Springer-Blockade waren so heftig, dass es nach dem Attentat auf Dutschke in Hamburg zu Demonstrationen vor dem Verlagsgebäude der Zeitung kam.212 Über die Osterereignisse schrieb das Blatt: »Der SDS probte den Notstand.«213 Die Welt verstand den SDS als eine »linksextremistisch-militante Organisation von Berufsrevolutionären« (16. April).214 Während die Bild am Sonntag die Anti-Springer-Aktionen für einen »Sturm auf die Meinungsfreiheit« (14. April) hielt, bedeuteten sie für die Welt einen Widerstreit zwischen der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit und der Pressefreiheit (welches Grundrecht durch den Grundrechtsträger selbst gefährdet ist) war es auch ein durchaus angemessenes, sozial adäquates Mittel, der berechtigten (siehe GüntherKommission) politischen Fordeung durch eine zeitweise Auslieferungsblockade Nach druck zu verleihen. […] Ins Gewicht fiel auch die Tatsache, daß unsere Gesellschaft den Widerstand von insbesonders jungen Leuten und Studenten dort begrüßt, wo er in an deren Ländern gegen Unfreiheit und Unterdrückung geleistet wird (Bürgerrechtsbewe gung in Amerika, Widerstand der Tschechen gegen die Besetzung ihres Landes, Protest gegen die Demonstrationsprozesse in Moskau). Unsere Gesellschaft muß es auch be grüßen […], wenn gegen ihre eigenen Mißstände angegangen wird«. Ebd. 209 | Flugblatt des AStA Hamburg, »So informiert euch BILD«, April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 210 | Ebd. Durch einen Rechtsanwalt forderte der AStA die »Richtigstellung« der Falschmeldung. 211 | O. A.: »Foto-Reporter Frings ist tot: ›Liefert den Täter aus!‹ – Kripo fand heiße Spur«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 18. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www. medienarchiv68.de/dl/205173/2041.jpg.pdf vom 16. September 2015). 212 | Vgl. Winckler, Stefan: »›Die Welt‹ – Ein Sprachrohr der schweigenden Mehrheit? Die Gegnerschaft zu den politischen Demonstrationen der Studenten 1967 / 6 8 aus publizistikwissenschaftlicher Sicht«, in: Hartmut Becker / F elix Dirsch / d ers. (Hg.): Die 68er und ihre Gegner: Der Widerstand gegen die Kulturrevolution, Graz 2003, S. 183207, hier S. 190. 213 | Zit. n. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 74. 214 | Zit. n. S. Winckler: »›Die Welt‹«, S. 195 f.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
»massiven Übergriff auf privates Eigentum« (17. April).215 Die Demonstranten wurden an den Pranger gestellt. Der Welt erschienen sie als »lautstarke und gewalttätige Minderheit, die geführt und gesteuert wird von einer Handvoll bis zum äußersten entschlossener Umstürzler« (16. April).216 Bei den Aktionen der APO habe es sich um »planmäßige Zusammenrottungen revolutionären Charakters unter Einsatz krimineller Mittel« gehandelt (16. April).217 Die Welt stellte fest, »daß die Verantwortung für die Ausschreitungen in erster Linie beim SDS liege« (18. April).218 Mit der Springer-Blockade setze der Studentenverband die »Pressefreiheit für ein paar Stunden« außer Kraft (16. April).219 Für an »wirtschaftliche[r] Stabilität« interessierte Unternehmer sei es »unbedingt notwendig, daß sich die [deutsche] Regierung gegen politische Extremisten« durchsetze und keinerlei »Zeichen von Unsicherheit« zeige (17. April).220 »Gewaltakte«, lautete dementsprechend eine Schlagzeile der Zeitung, »sollen im Keim erstickt werden« (18. April).221 Die Art und Weise, wie sich die Welt mit den Anti-Springer-Aktionen nach dem Attentat auf Dutschke auseinandersetzte, offenbart ihr Verständnis von der APO und dem SDS als kleine, marxistisch orientierte radikale Minderheit, bei der Gewalt und Linksradikalismus Hand in Hand gehen.222 Nachdem der Springer-Verlag mittels permanenter Polizeieinsätze in Westberlin und der Bundesrepublik Deutschland die Blockade seiner Blätter mit großen Mühen hatte abwenden können, dankte Axel Springer am 16. April, als er aus der Schweiz zurückkehrte, wohin er während der Ostertage abgetaucht war,223 seinen Mitarbeitern mit einer Stellungnahme. Trotz der »Welle von Gewalttaten« gegen das Verlagshaus hätten sie die »Herstellung und Auslieferung« der Zeitungen gewährleistet. Den Protagonisten der Anti-SpringerOperation warf er die »Zerstörung […] der Gesellschaftsordnung und der De215 | Zit. n. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 42. 216 | Zit. n. ebd. 217 | Zit. n. S. Winckler: »›Die Welt‹«, S. 196. 218 | Zit. n. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 46. 219 | Zit. n. ebd., S. 48. 220 | Zit. n. ebd. 221 | Zit. n. ebd., S. 49. 222 | Für eine ähnliche Darstellung und einen allgemeinen Überblick zur Gegnerschaft der Welt vgl. S. Winckler: »›Die Welt‹«, S. 183-207. Es gab noch einen dramatischeren Fall, der mit Berichten der Springer-Presse zu tun hatte. Als während der Osterunruhen in Hamburg die Demonstranten einen Rocker, der mit einem Messer ausgerüstet war, der Polizei auslieferten, habe die Springer-Presse aus diesem Rocker einen bewaffne ten Demonstranten gemacht. H. Grossmann / O. Negt (Hg.): Die Aufstehung der Gewalt, S. 166. 223 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 465.
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mokratie« vor.224 Zwei Tage später, am 18. April, bat der Gesamtbetriebsrat des Springer-Verlags in einer Erklärung »zu den Aktionen gegen die Pressefreiheit« die Mitarbeiter, sich auch in Zukunft nicht provozieren zu lassen. Er lobte »ihr besonnenes Verhalten« in Hinsicht auf die vor allem »gegen ihre Arbeitsplätze gerichteten Aktionen«.225 Auf die versuchte Springer-Blockade und die Kritik am Verlag reagierten auch die Nachrichten des Springer-Verlags. Auf Seite eins der Ausgabe vom April 1968 erschien eine Antwort auf die Erklärung der Vierzehn vom 13. April. Deren Kritik stelle eine »beleidigende Unterstellung« dar. Die Erklärung der Vierzehn sei eine »groteske Umkehrung der Tatsachen«. Fakt sei, dass nach dem Attentat auf Dutschke der SDS die »organisierte[n] Gewalttaten« in Gang gesetzt habe.226 Der Artikel »Auslandsstimmen zu den Terrorakten« berichtete, dass zahlreiche ausländische Zeitungen zu den Anti-Springer-Aktionen und den »Ausschreitungen linksradikaler Studenten« gegen den Springer-Konzern kritisch Stellung bezogen hätten.227 Die Industriegewerkschaft Druck und Papier habe die Forderung der Studentengruppen auf »Enteignung des SpringerKonzerns« mit der Begründung zurückgewiesen, dass man damit das »Problem der Pressekonzentration« nicht lösen könne.228 Die Nachrichten vom Mai 1968 beschäftigte sich mit einem Artikel der Zeit vom 26. April (»Springers Berlin-Monopol«), in dem es um einen Bericht der »Michael-Kommission« über die Massenmedien in Westberlin ging. Das Blatt kritisierte den Artikel als »ein anschauliches Beispiel für tendenziöse und einseitige Berichterstattung« und behauptete, dass es absurd sei, von einem »Monopol« des Springer-Verlags zu sprechen, auch wenn er mit etwas »mehr als zwei Dritteln« an der Gesamtauflage der in Westberlin erscheinenden Tageszeitungen beteiligt sei.229 Diese Ausgabe der Nachrichten veröffentlichte auch die erste öffentliche Stellungnahme von Axel Springer nach den Osterunruhen, die er am 17. April in einem In224 | Aus einer internen Stellungnahme von Springer vom 16. April 1968: o. A.: »Mei ne lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«, in: Springer-Post / U llstein-Post vom April 1968, S. 2, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. 225 | Klose, Walter / D aacke, Berta von, »Erklärung des Gesamtbetriebsrats der zum Verlagshaus Axel Springer gehörenden Unternehmen«, 18. April 1968, in: ASV-UA, Be stand Anti-Springer-Kampagne. 226 | O. A.: »Die Tatsachen auf den Kopf gestellt«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nach richten vom April 1968, S. 1, in: APO-Archiv, SDS-Springer. 227 | O. A.: »Auslandsstimmen zu den Terrorakten«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom April 1968, S. 2, in: ebd. 228 | O. A.: »IG Druck und Papier gegen Enteignungsforderung«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom April 1968, S. 4, in: ebd. 229 | O. A.: »Zeit-Informationen zum Michel-Bericht«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Mai 1968, S. 1, in: ebd.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
terview mit dem Deutschlandkorrespondenten der Londoner Daily Mail abgegeben hatte: »Die Demokratie, in der wir gegenwärtig leben, ist vielleicht nicht perfekt, aber sie hat 59 Millionen Menschen mehr Freiheit und mehr Wohlstand gebracht, als dieses Land je zuvor gekannt hat. Ich kann nicht verstehen, warum deutsche Studenten das zu zerstö ren wünschen sollten, für das ihre Kommilitonen in Prag – wohlgemerkt: kommunisti sche Studenten – kämpfen.«230
Springer fasste die Demonstrationen gegen seinen Verlag als Kampf gegen die Demokratie auf. Er wusste offenkundig nicht, dass sich allen voran Dutschke, aber auch der ganze antiautoritäre Flügel des SDS immer kritisch über den sogenannten Realsozialismus des Ostblocks geäußert hatten und diese sozialistischen Staaten für sie kein Vorbild darstellten. Die Kritik, der er sich ausgesetzt sah, machte ihm derweil immer mehr zu schaffen. Er befand es schließlich für nötig, zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen. Am 14. Mai erschien in der Welt ein Schreiben Springers, das eine Antwort auf die Erklärung der evangelischen Akademikerschaft aus dem April war, in der sie den Springer-Zeitungen »eine Mitverantwortung an den Unruhen« während der Ostertage »und den damit verbundenen Gewalttaten« zugeschrieben hatten. Diesem Vorwurf begegnend, behauptete der Konzernlenker nun: »Das Verlagshaus Axel Springer sieht den Grund für die Verketzerung der publizistischen Leistungen seiner Zeitungen in der Tatsache, daß in seinen Blättern konsequent eine Haltung und Meinung vertreten wird, die der extremen Linken diametral entgegengesetzt ist.«231 Die »Unruhe auf den Straßen«, formulierte er pointiert, werde keine »grundsätzliche Veränderung der verlegerischen und redaktionellen Arbeit« seiner Zeitungen bewirken. Man werde weiterhin »gegen jede extremistische Politik« und »gegen jeden Radikalismus« kämpfen.232 Der Verlag veröffentlichte im Mai 1968 eine Dokumentation, die über die Gründe der »Eskalation der Sprache einiger Zeitungen« aus dem Hause Springer auf klären wollte.233 Seit 1966 hätten radikalisierende Studentengruppen »zur Gewal[t]« aufgerufen. Als »die Gewalt« daraufhin eskaliert sei, habe, der 230 | Springer, Axel, »Axel Springer nimmt Stellung«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Mai 1968, S. 2, in: ebd. 231 | Springer, Axel: »›Dieser Staat ist wert, verteidigt zu werden‹ – Eine Antwort des Verlegers Axel Springer«, in: Die Welt vom 14. Mai 1968, S. 8 (auch online unter http:// www.medienarchiv68.de/dl/208684/3792.jpg.pdf vom 16. September 2015). 232 | Ebd. 233 | O. A.: »Das Problem der Hochschulreform im Spiegel der Zeitungen des Verlags hauses Axel Springer: Eine Dokumentation«, Mai 1968, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke.
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Dokumentation zufolge, die Springer-Presse vor den Unruhestiftern gewarnt. Den radikalen Forderungen nach »Revolution und Bürgerkrieg«, »Räteherrschaft« und »Attentaten« sei eine »Eskalation der Sprache« der Springer-Presse gefolgt.234 Diese Annahme geht davon aus, dass die sprachliche Aufrüstung der Springer-Blätter eine Reaktion auf die Radikalität der Protestbewegung darstellte. Nachweise für die studentischen Forderungen nach »Bürgerkrieg« oder »Attentaten« sind in der Dokumentation nicht zu finden. Sie nannte lediglich die Gründe für die sprachliche Verschärfung: Springer wolle »statt Terror und Gewalt die Freiheit« und »Sicherheit statt Chaos«. Die Zeitungen des Verlags werden auch zukünftig vor allen »Anschlägen auf unsere Freiheit« warnen. Das sei die »Pflicht freier Zeitungen in einer freien Gesellschaft«.235 Die Dokumentation endete mit einem Zitat Axel Springers aus dem Schreiben, das am 14. Mai 1968 in der Welt erschienen war: Die Proteste hätten keine Konsequenzen für die Politik seines Hauses. Doch der Eindruck täuschte: Springer war zutiefst getroffen, trotz seiner entschiedenen Stellungnahme.236 Die Gegensätze und Spannungen zwischen dem Konzern und der Protestbewegung hatten sich während der Ostertage in heftigen gewalttätigen Konfrontationen entladen. Der Protest der APO richtete sich nun nahezu ausschließlich auf Springer. Die APO war zur Anti-Springer-Kampagne geworden. Über Ostern war das SpringerHochhaus in Westberlin nahezu belagert. Fotos und Filme von diesem Ereignis erwecken den Eindruck »bürgerkriegsähnliche[r] Zustände«.237 Der Spiegel berichtete über die Situation mit den folgenden Worten: »Es kam zu Straßenschlachten, wie sie Westdeutschland seit der Weimarer Republik nicht mehr gekannt hatte.«238 Die Zeit sprach von einem »Aufstand«.239 Auf Axel Springer und seinen Verlag hatte all das massive Auswirkungen. Um den Vorwürfen gegen seine Person und seinen Konzern die Spitze zu nehmen, rang er sich dazu durch, zum ersten Mal in der Verlagsgeschichte sein Haus zu verkleinern.240 Diese Entscheidung hatte eine von der Konzernspitze eingeleitete »grundsätzliche Veränderung« des Verlags zur Folge. Die Erklärung Springers, die Kampagne gegen ihn laufe ins Leere und präge sein Handeln und Wirken nicht, stimmte nicht mit der tatsächlichen Situation überein, in der er sich befand.
234 | Ebd., S. 12. 235 | Ebd., S. 13. 236 | Vgl. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 469 f. 237 | G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 112, vgl. auch S. 111 f. 238 | O. A.: »Verlorenes Wochenende«, S. 25. 239 | Hermann, Kai: »Der Aufstand nach dem Attentat«, in: Die Zeit vom 19. April 1968, S. 3. 240 | Vgl. G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 112.
Das Attentat auf Rudi Dutschke und die »Springer-Blockade«
Mit den seit Beginn der Kampagne umfassendsten Aktionen gegen den Verlag trat die Anti-Springer-Operation in ihr spektakulärstes Stadium ein. Für die Bewegung markierte dies den Übergang vom Protest zum Widerstand, und für den Anti-Springer-Feldzug die Transformation von einer Aufklärungs- zu einer Aktionskampagne, wenngleich die Aufklärung etwa durch Flugblätter ein permanenter Begleiter der Springer-Blockade war. Die Kampagne, die der SDS im März 1968 nach dem Scheitern des Springer-Hearings als belanglos betrachtet hatte, rückte wieder in das Zentrum der Protestbewegung. Und immer mehr Menschen schlossen sich ihr an. Diese Belebung zeigte sich in der steigenden Zahl von Demonstranten. Abgesehen von den 300.000 Teilnehmern der Ostermärsche beteiligten sich über 60.000 Menschen an der Springer-Blockade und den Anti-Springer-Aktionen. Allein am Ostermontag zogen über 45.000 Personen in mehr als 20 Städten der Bundesrepublik und in Westberlin vor die Verlagshäuser des Konzerns. Der Mobilisierungserfolg spiegelte sich zudem in der Festnahme von 827 Personen wider, gegen die die Polizei bis Ende April 1968 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hatte. Unter ihnen befanden sich 92 Schüler, 286 Studenten, 150 Arbeiter und 185 Angestellte.241 Der Studentenanteil war kleiner als jener der Arbeiter und der Angestellten zusammen. Daraus wird deutlich: Die sogenannte Osterunruhe war kein ausschließlich studentischer Protest, sondern besaß gesamtgesellschaftlichen Charakter. Auch Springer erkannte die Dynamik der Kampage. Nach dem Attentat auf Dutschke sei es der Protestbewegung gelungen, »genügend Demonstranten zu aktivieren«.242 Trotzdem ist oft zu lesen, dass die Springer-Blockade gescheitert sei. Wie gezeigt wurde, hatten es die Demonstranten jedoch insbesondere am Abend des Karfreitags geschafft, in Esslingen, Essen, Frankfurt am Main und Hannover die Auslieferung der Bild-Zeitung bis zum frühen Morgen zu blockieren. Mit Autos, Barrikaden und Sit-ins stellten sich die Teilnehmer der Springer-Blockade Wasserwerfern, Gummiknüppeln und Tränengas entgegen, trotzten auch der sich häufig bis zu Misshandlungen steigernden expliziten Polizeigewalt und konnten so die Auslieferung der Springer-Presse erfolgreich verzögern. Die Springer-Blockade war zumindesten ein Teilerfolg. In Esslingen etwa beschlossen am frühen Morgen die Demonstranten selbst, die Blockade zu beenden. Man hatte protestieren wollen und ein Zeichen gesetzt, konnte aber realistischerweise nicht davon ausgehen, den Betriebsablauf im Hause Springer mittel- und langfristig zu stören. Das weist auf ein wichtiges Merkmal der Springer-Blockade hin: Obwohl diese vom SDS-BV schon am Abend des Attentats demonstrativ angekündigt wurde, äußerte sich die Anti-Springer241 | Vgl. E. Benda: »Bundesinnenminister«, S. 8990 f. 242 | O. A.: »Die Rolle des Verlagshauses Axel Springer in der studentischen ›Schein revolution‹: Eine Dokumentation«, o. D., vermutlich Juli oder August 1968, S. 1-45, hier S. 30, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke.
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Kampagne nicht allein in spontanen Aktionen, also in Aktionen, die nicht von der SDS-Führung sorgfältig geplant und begleitet wurden. Sondern ein ebenso wesentlicher Bestandteil waren symbolische Handlungen, bei denen es nicht ausschließlich um die konkrete und bis zum Schluss durchgehaltene Blockade ging. Vielmehr müssen sie als Ausdruck der Wut und Empörung über den Mordanschlag auf Dutschke angesehen werden. Zum spontanen Charakter der Blockade äußerten sich die SDS-Vorsitzenden in einem Spiegel-Interview: »Die Demonstrationen entstanden aus einer Wut und einer Verzweiflung heraus und waren weitgehend unkoordiniert und unvorbereitet.«243 Das »System« und das »Establishment« schienen Gesellschaftskritik unmöglich zu machen. Die Kampagne kanalisierte diese Wut, gab ihr einen Adressaten und ein Feindbild. Das Prinzip »Gewalt gegen Sachen« veranschaulicht den symbolischen Charakter der Springer-Blockade. Klaus Meschkat, Vorsitzender des RC in Westberlin, erklärte es in einem Interview mit Peter Merseburger in der Fernsehsendung »Panorama« vom 22. April 1968.244 Der SDS und der RC verstanden die Springer-Blockade als Anwendung dieses Prinzips. Von Anfang an unterschieden sie zwischen Gewalt gegen Personen und Gewalt gegen Sachen. Gewalt gegen Sachen könne, so Meschkat, eigentlich »nur symbolischen Charakter« haben. Man könne so die »Produktionsinstrumente« eines Konzerns attackieren, der für die »Entmündigung und Verdummung« der Massen in der Bundesrepublik verantwortlich sei. Obwohl er damit nicht zu entmachten sei, könne gezeigt werden, »dass man es nicht länger hinnehmen wird, dass durch die Existenz eines solchen Konzerns faktische Demokratie in der Bundesrepublik unmöglich gemacht wird«.245
243 | O. A.: »›Ohne uns wäre es viel schlimmer gekommen‹: SPIEGEL-Gespräch mit den SDS-Vorsitzenden Karl Dietrich Wolff und Frank Wolff«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 36-43, hier S. 36. 244 | Vgl. o. A.: »Rätedemokratie: Ein Interview«, in: Klaus Meschkat (Hg.), Konfrontati onen: Streitschriften und Analysen 1958 bis 2010, Hannover 2010, S. 84-89. 245 | Ebd., S. 87 f.
III Niedergang und Auswirkung der Anti-Springer-Kampagne
Wie die Bewegungsforschung zeigt, sind soziale Bewegungen auf eine kontinuierliche Mobilisierung der sie tragenden Akteure, Gruppen und Netzwerke angewiesen. Ohne diese können sie nicht bestehen, verlieren an Dynamik und Bindungskraft. Eine Bewegung erfordert ein Kollektiv, das gut strukturiert ist, andernfalls kann sie nach einer Phase der Mobilisierung durch Stagnation und Demobilisierung zerfallen.1 Auch im Falle der Anti-Springer-Kampagne bestand das »Handlungssystem« aus mobilisierten Netzwerken von Organisationen und Gruppen nur für eine »gewisse Dauer«.2 Es sollte im Anschluss an die Mobilisierungsphase, die nach dem Attentat auf Dutschke ihren Höhepunkt erreichte, zerfallen. Als ein fluides soziales Phänomen konnte die Kampagne nicht dauerhaft in Bewegung bleiben.
1 | Vgl. J. Raschke: Soziale Bewegungen, S. 187 f. und 269 f. 2 | I. Gilcher-Holtey: »Mai 68 in Frankreich«, S. 16. Original: F. Neidhardt / D. Rucht: The Analysis of Social Movements, S. 450.
1. Der Niedergang der Kampagne und die Demobilisierung der 68er-Bewegung
»Es war […] in einer Juninacht / D a haben hier die Bullen den Ersten umgebracht / D och es blieb nicht bei dem Einen / U nd schon im Jahr darauf / D a drückte man uns per Gesetz den Notstandstaat hier auf […] Das wurde uns zum erstenmal am 2. Juni klar.«1 3 Tornados »Widerstand und Meinungsfreiheit sind in Deutschland unbekannt. Vor der Not des Augenblickes rettet uns vom Notstandsland. Vor der Not des Augenblickes ret tet uns vom Notstandsland.« 2 P rotestlied von S tudenten
Die Osterunruhen 1968 stellten den Kulminationspunkt der Anti-SpringerKampagne dar. Gleichzeitig offenbarten sie einen Konflikt innerhalb der APO. Auf dem Höhepunkt des Mobilisierungserfolgs stand die APO vor einer Zerreißprobe. Der SDS, der die Hauptwortführer der Blockadeaktionen gegen den Springer-Verlag stellte, wollte die Ostermärsche für die Abreigelung nutzen. In einem Flugblatt rief der Frankfurter SDS die Teilnehmer des Ostermarsches auf, sich an der Springer-Blockade vor der dortigen Societäts-Druckerei am Ostermontag zu beteiligen.3 Die Sperre am Osterfreitag sei erfolgreich gewesen, 1 | 3 Tornados: »Lied zum 2. Juni 1967«, in: dass., Flipperschau – Eine klare Vorstel lung, 1977. 2 | Zit. n. o. A.: »1968 – Das Jahr der Revolution«, München 1998 / 2008 (Audio-CD), Track 8, ab Min. 4:55. Dieses Lied wurde 1968 von Studenten zur Melodie der deut schen Nationalhymne gesungen aus Protest gegen die Notstandsgesetze. 3 | »SDS-Flugblatt mit Aufforderung zur Teilnahme an den Springer-Blockaden«, o. D., vermutlich 14. April 1968, in: K. A. Otto: Die außerparlamentarische Opposition, S. 266 f.
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behauptete das Flugblatt. Die Aktionen hätten die »Krokodilstränen der Herrschenden« über den Mordanschlag auf Dutschke »zum Versiegen« gebracht. Die Herrschenden würden »unseren Protest als eine Art Naturgewalt, als Rache« für das Attentat verstehen. Doch nicht um »Rache« ging es, sondern um eine »politische Auseinandersetzung«. Nach der ersten Abriegelung habe der SDS keine Antwort auf seine Forderungen erhalten. Wenn die Ostermarschierer vor die Druckerei der Bild-Zeitung ziehen und diszipliniert demonstrieren würden, könnten sie ihnen Nachdruck verleihen. Der SDS wolle keine Schlägereien provozieren, lasse sich aber auch »nicht wehrlos aus der politischen Auseinandersetzung herausdrängen und zerschlagen«.4 Die Leitung der KfDA lehnte die Springer-Blockade ab. Trotz der Aufforderung des SDS appellierte Andreas Buro, Sprecher der KfDA, telegrafisch an den Regionalausschuss West der KfDA am 15. April 1968, keine Blockadeaktionen zu unterstützen.5 Buro fürchtete, es könne im Interesse der Bundesregierung liegen, »gewalttätig[e] Konfrontationen« mit der APO auszulösen, um deren Isolation sowie »völlige Zerschlagung« zu erreichen. Buro dachte, die Sperre müsse zu einer »Konfrontation mit der Staatsgewalt« führen. Damit würde, so sei zu befürchten, »in der […] gegenwärtigen Situation […] die Gemeinsamkeit der Notstandsgegner« zerbrechen. Er forderte, die Verlesung der Erklärung von SDS-Vertretern auf den Schlusskundgebungen des Ostermarsches »unter diesen Gesichtspunkten« zu überprüfen.6 Nach der Abschlusskundgebung des Ostermarsches West in der Dortmunder Westfalenhalle am 15. April versuchte der SDS-Bundesvorsitzende Karl Dietrich Wolff dann tatsächlich, den Ostermarsch für die vom SDS geplante Springer-Blockade in Essen zu instrumentalisieren. Wolff wollte mit der Absicht zum Mikrofon greifen, die etwa 20.000 Teilnehmer zur Unterstützung der Abriegelung aufzufordern. Zwischen Vertretern der KfDA und dem SDS kam es daraufhin zu ernsthaften Auseinandersetzungen.7 Nach dem Vorfall kritisierte Arno Klönne, Pressesprecher der KfDA, Wolff. Zwischen dem SDS und der KfDA habe es »kein[e] Vereinbarung über die Springer-Aktion am Ostermontag« und auch nicht über das »Auftreten von SDS-Rednern« im Rahmen der Schlusskundgebung des Ostermarsches gegeben.8 Stattdessen hatte Klönne 4 | Ebd. 5 | »Telegramm des Sprechers der KfDA, Dr. Andreas Buro, an Christel Beilmann vom 15. April 1968«, in: ebd., S. 268. Vgl auch ders.: Vom Ostermarsch zur APO, S. 175. 6 | »Telegramm des Sprechers der KfDA, Dr. Andreas Buro, an Christel Beilmann vom 15. April 1968«, in: ders.: Die außerparlamentarische Opposition, S. 268. 7 | Vgl. ebd., S. 271; ders.: Vom Ostermarsch zur APO, S. 217, Anm. 79. 8 | »Schreiben des Pressesprechers der KfDA, Arno Klönne, an den SDS-Vorsitzenden Karl Dietrich Wolff vom 16.4.1968«, in: ders.: Die außerparlamentarische Opposition, S. 271 f., hier S. 272.
Der Niedergang der Kampagne und die Demobilisierung der 68er-Bewegung
als »Kompromiß« vorgeschlagen, nach Abschluss der offiziellen Kundgebung über die Lautsprecher mit Wolff über die Anti-Springer-Aktion zu diskutieren. Wolff sei »scheinbar auf diesen Vorschlag« eingegangen. Der SDS habe dennoch versucht, Wolffs Auftritt »in der offiziellen Kundgebung« zu erzwingen und dadurch die Veranstaltung für die Springer-Blockade zu nutzen.9 Klönne wies mit dieser Kritik Wolffs zuvor aufgestellte Behauptung zurück, der Versuch des SDS sei berechtigt gewesen. Diese Haltung der KfDA, die direkte Aktionen gegen den Springer-Verlag ausschloss, spiegelte sich in einem Flugblatt des Zentralen Ausschusses der KfDA zu den Osterunruhen wider.10 Die Demokratie in der Bundesrepublik sei, war darauf zu lesen, in Gefahr. Aber »nicht die Studenten und Schüler gefährden die Demokratie. Ihr Protest ist berechtigt.« Die Pressekonzentration zerstöre die Meinungsfreiheit in Deutschland. Aber »[n]atürlich ist es unsinnig, Steine in Springer-Schaufenster zu werfen.«11 Indem die KfDA die Springer-Blockade während der Ostertage als eine Form der direkten Aktion ablehnte, richtete sie sich zugleich gegen das vom SDS vertretene Prinzip der »Gewalt gegen Sachen«. Die Leitung der KfDA stufte die Absperraktionen als so radikal ein, dass sie die APO durch die gewaltsamen Konfrontationen mit dem Staat in ihrer Existenz bedroht sah. Deshalb wollte sie von ihnen Abstand nehmen. Diese gegensätzliche Haltung gegenüber der Springer-Blockade löste Kritik seitens des SDS aus. Die KfDA, eine »systemkonforme Oppositionsbewegung«, erklärte der Verband, sei »tot«. Während der 1969er Osterkundgebung der KfDA im darauf folgenden Jahr führte der Streit über die Springer-Blockade zu einem Skandal, als der Studentenbund die KfDA des »Revisionismus« bezichtigte und umgekehrt die Kampagne den »blinde[n] Aktionismus« des SDS scharf verurteilte.12 Es ist anzunehmen, dass diese Spannungen im Inneren der Anti-Springer-Operation nicht nur für den Untergang der Kampagne eine Ursache bildeten, sondern auch der APO insgesamt. Sie trugen zur Demobilisierung der Protestbewegung bei. Doch die sogenannte Gewaltfrage, die sich mit der ablehnenden Haltung der KfDA gegenüber der Sperre der Springer-Lieferwagen verknüpfte, löste nicht nur die Spaltung innerhalb der APO aus. Wegen der gewaltsamen Auseinandersetzungen während der Springer-Blockade schlug auch die öffentliche Meinung um. Vor allem veränderte sich die Einstellung der linksliberalen Medien – unter anderen des Spiegels –, die bis dahin der Protestbewegung wohlwollend ge-
9 | Ebd. 10 | »Flugblatt des Zentralen Ausschusses der KfDA zu den Osterunruhen 1968«, in: ebd., S. 272 f. 11 | Ebd., S. 273. 12 | Ders.: Vom Ostermarsch zur APO, S. 175.
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genübergestanden hatten.13 Diese Zeitungen und Zeitschriften hatten zunächst in Bezug auf die Osterunruhen eine Doppelstrategie verfolgt: Sie hatten Kritik sowohl am Springer-Verlag als auch an der Gewalt der Demonstranten geübt. Vorbild war das Verhalten des Spiegels gewesen. Das Hamburger Magazin gab einerseits der Springer-Presse die Hauptschuld an den gewalttätigen Konfrontationen.14 Gleichzeitig kritisierte das Blatt jedoch den SDS: »Die zwei Toten der Ostertage gehen auf das Konto des SDS, daran gibt es keinen Zweifel«.15 Die Öffentlichkeit gab dem SDS und der APO die Schuld an den beiden Opfern und der eskalierenden Gewalt, auch wenn, wie unter anderem der Spiegel erkannt hatte, das brutale Vorgehen der Polizei einen erheblichen Anteil hatte. Laut einer Blitzumfrage, die der Spiegel am 18. April 1968, unmittelbar nach den Ostertagen, in Auftrag gegeben hatte, gaben 80 Prozent der Westberliner Bevölkerung an, ihre »Sympathie für die studentischen Proteste« habe »in der letzten Woche« abgenommen. 92 Prozent aller Westberliner Bürger lehnten »Gewaltanwendeung durch protestierende Studenten« ab. Auch wenn 50 Prozent der 16- bis 30-jährigen Berliner die Proteste weiterhin für berechtigt hielten, erachteten auch in dieser Altersgruppe 86 Prozent die Gewaltanwendung als falsch.16 In dem Ergebnis der Umfrage schlug sich die Abneigung der Westberliner Bevölkerung gegen die Gewaltausbrüche deutlich nieder. Die rebellierenden Studenten betrachteten »Gewalt gegen Sachen« als legitim und lehnten »Gewalt gegen Personen« ab. In diesem Sinne erklärten die ASten der FU, der TU Berlin und der Kirchlichen Hochschule in Berlin gemeinsam: »Unsere Gewalt gegen Sachen, die Mittel von Springers Hetze und Mittel der Polizei sind, ist Gegengewalt gegen die Unterdrückung, der alle ausge13 | Vgl. Karl-Heinz Stamm, Alternative Öffentlichkeit. Die Erfahrungsproduktion neuer sozialer Bewegungen, Frankfurt a. M. / N ew York 1988, S. 37 f. 14 | »Dort, in der sogenannten deutschen Hauptstadt, in der Axel Springer 70 Prozent des Zeitungmarktes beherrscht, entwickelten die Studenten ihr kritisches Bewußtsein […]. Als sie ihrem Unbehagen Ausdruck gaben und Protest auf die Straße trugen, wur den sie erst von der Springer-Presse verteufelt, dann von der Polizei verprügelt.« O. A.: »Verlorenes Wochenende«, S. 26. Ein Titel eines Artikels im Spiegel, ein Zitat eines SDS-Mitglieds, lautete: »Eine Bild-Schlagzeile ist mehr Gewalt als ein Stein am Poli zisten-Kopf.« O. A.: »›Eine Bild-Schlagzeile ist mehr Gewalt als ein Stein am PolizistenKopf‹ – Eine Dokumentation über die Oster-Unruhen und ihre Ursachen: die Rolle des Verlagshauses Axel Springer«, in: Der Spiegel vom 6. Mai 1968, S. 38-41. Vgl auch o. A.: »›Gefahr für uns alle‹ – Studenten gegen Springer«, in: Der Spiegel vom 6. Mai 1968, S. 42. Das Verhalten der Polizei sei »[b]rutal und skadalös« gewesen. 15 | Augstein, Rudolf: »Knüppel frei?«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 22. 16 | O. A.: »Was denken die Berliner über die Studenten? – Blitzumfrage des SPIEGEL über die Reaktion auf die Oster-Demonstration in Berlin«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 28.
Der Niedergang der Kampagne und die Demobilisierung der 68er-Bewegung
setzt sind und die sich gegen uns auf der Straße nur manifestiert.«17 Einer der Gründe für die Eskalation der Gewalt war, dass die direkte Aktion gegen den Springer-Verlag nicht mehr kontrolliert werden konnte. »Steinwürfe«, konstatiert Gilcher-Holtey, »schlossen das Risiko der Körperverletzung ein und damit die Überführung von ›Gewalt gegen Sachen‹ in Gewalt gegen Personen.«18 Während der Springer-Blockade verlor die Revolte auf diese Weise ihre Unschuld: Zwei Menschleben gingen verloren. Die Eskalation der Gewalt läutete das Ende der Anti-Springer-Kampagne sowie der 68er-Bewegung in der Bundesrepublik ein. Es lässt sich noch ein weiterer Grund für den Niedergang der Anti-Springer-Kampagne benennen. Denn ein anderes Thema, die Notstandsgesetze, begann allmählich, die öffentliche Diskussion zu beherrschen. Obwohl nach den Ostertagen die Mobilisierung schnell nachließ, sah im Mai 1968 die Situation schon wieder ganz anders aus. In Bonn schien die Protestbewegung im Disput um die Verabschiedung der Notstandsgesetze im Deutschen Bundestag neuen Schub zu erhalten. Gegen diese Gesetze, die im Fall des Notstandes die Grundrechte eingeschränkt hätten, mobilisierte die APO mehrere zehntausend Demonstranten: Studenten, Schüler, Arbeiter.19 Um gegen die zweite und dritte Lesung der Notstandsgesetze zu protestieren, organisierte das Kuratorium »Notstand der Demokratie« am 11. Mai 1968 einen »Sternmarsch auf Bonn«. Das Kuratorium war im September 1966 auf Initiative des SDS und der KfA entstanden und sollte helfen, Gewerkschaften, KfA und die akademisch-intellektuelle Opposition zu vernetzen und in ihrem Kampf gegen diese Gesetze zu unterstützen. Zu seinem Sekretär wurde der ehemalige SDS-Vorsitzende Helmut Schauer ernannt. Er hatte schon im Oktober 1966 in Frankfurt am Main, unterstützt unter anderem von der IG Metall, der IG Chemie, der Gewerkschaft Leder und der Gewerkschaft Holz, einen Kongress mit dem Titel »Notstand der Demokratie« organisiert. Der Kongress hatte am 30. Oktober mit einer Kundgebung abgeschlossen, bei der mehr als 20.000 Menschen zugegen waren.20 Der 17 | Zit. n. Schlicht, Uwe: Vom Burschenschafter bis zum Sponti: Studentische Opposi tion gestern und heute, Berlin 1980, S. 73. 18 | Gilcher-Holtey, Ingrid: »Transformation durch Subversion: Die Neue Linke und die Gewaltfrage«, in: Freia Anders / d ies. (Hg.), Herausforderungen des staatlichen Gewalt monopols: Recht und politisch motivierte Gewalt am Ende des 20. Jahrhunderts, Frank furt a. M. 2006, S. 198-220, hier S. 213. 19 | Für die Protestbewegung gegen die Notstandsgesetzgebung vgl. Schneider, Mi chael: Demokratie in Gefahr? Der Konflikt um die Notstandsgesetze: Sozialdemokratie, Gewerkschaften und intellektueller Protest (1958-1968), Bonn 1986; Spernol, Boris: Notstand der Demokratie: Der Protest gegen die Notstandsgesetze und die Frage der NS-Vergangenheit, Essen 2008. 20 | Vgl. ebd., S. 36 ff.; M. Schneider: Demokratie in Gefahr?, S. 179 ff.
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»Sternmarsch auf Bonn« 1968 führte zu einer Großdemonstration mit mehr als 60.000 Teilnehmern. Mit Bussen, Sonderzügen und Autos reisten die Notstandsgegner aus vielen Städten der Bundesrepublik in die Hauptstadt. Unter anderem forderten sie: »Treibt Bonn den Notstand aus!« Nach dem Marsch in die Innenstadt begann an der Universität eine Großkundgebung. Dort sprachen zum Beispiel der Kuratoriumssekretär Schauer, der SDS-Bundesvorsitzende Karl Dietrich Wolff, Heinrich Böll und Georg Benz von der IG Metall. Für die Organisatoren war es ein voller Erfolg und ein friedlicher Höhepunk der Notstandsopposition. Der DGB jedoch, der als Dachverband der Gewerkschaften die geplanten Notstandsgesetze kritisiert hatte, unterstützte den Sternmarsch offiziell nicht. Stattdessen veranstaltete er am selben Tag eine Großkundgebung in Dortmund, an der 15.000 Gewerkschaftler unter dem Motto »Keine Notstandsgesetze« teilnahmen. Beim Bonner Sternmarsch konnten sich daher nur kleinere gewerkschaftliche Gruppen engagieren. Auch wenn einige Gewerkschaftler nach Abschluss der Dortmunder Kundgebung nach Bonn reisten, war die Anti-Notstandsbewegung gespalten.21 Diese Spaltung war nicht mehr zu übersehen. Darauf weist der Historiker Michael Schneider mit Nachdruck hin: »[D]er Rückzug der Gewerkschaften aus der APO, der sich schon länger angedeutet hatte, [war] in aller Deutlichkeit vollzogen.«22 Am 15. und 16. Mai 1968, während der zweiten Lesung der Notstandsgesetze, kam es überall in Deutschland zu Streiks, Blockaden, Kundgebungen und Demonstrationen. In Frankfurt am Main fanden zum Beispiel Warnstreiks statt, bei denen mehrere tausend Arbeiter aus 30 Betrieben kurzfristig ihre Arbeit niederlegten und die Werke verließen, um auf den Straßen gegen die Notstandsgesetze zu demonstrieren. Allein am 16. Mai, dem Tag der zweiten Lesung, streikten Studenten in 25 Universitäten. Nachdem der Bundestag die Notstandsgesetze in zweiter Lesung mit großer Mehrheit verabschiedet hatte, forderten am 17. Mai in einem »Streikbrief« der SDS, das Kuratorium »Notstand der Demokratie« und der KfDA von den Gewerkschaften, für den 29. Mai zu einem eintägigen Generalstreik gegen die Notstandsgesetzgebung aufzurufen.23 Mit einer Erklärung hatten sich am Tag zuvor mehrere Professoren, unter ihnen Wolfgang Abendroth (Marburg), Ernst Bloch (Tübingen), Helmut Gollwitzer (Westberlin) und Helmut Ridder (Gießen), mit dem Aufruf solidarisiert. Sie seien überzeugt, »daß Arbeitsniederlegungen politisch notwendig und demokratisch legitim sind«. Sie riefen dazu auf, »die Bewegung der Demokratie und ihre Kampfmaßnahmen gegen die Notstandsgesetze ak21 | Vgl. ebd., S. 245; B. Spernol: Notstand der Demokratie, S. 84 f.; I. Gilcher-Holtey: Die 68er Bewegung, S. 92 f.; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 148. 22 | M. Schneider: Demokratie in Gefahr?, S. 245. 23 | T. Fichter / S . Lönnendonker: Kleine Geschichte des SDS, S. 192; M. Schneider: Demokratie in Gefahr?, S. 255; W. Kraushaar: 1968. Das Jahr, S. 154 ff.
Der Niedergang der Kampagne und die Demobilisierung der 68er-Bewegung
tiv zu unterstützen«.24 Der DGB jedoch lehnte am 19. Mai einen Generalstreik ausdrücklich ab. Eine Arbeitsniederlegung halte man »für einen Verstoß gegen die Grundsätze der parlamentarischen Demokratie, gegen einen mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß des Bundestages«.25 Die Protestwelle gegen die Notstandsgesetze verebbte dennoch nicht. Eine Woche vor der Verabschiedung des Gesetzes gingen abermals rund 150.000 Notstandsgegner bundesweit auf die Straße. Allein bei einer Kundgebung am 27. Mai, die das Kuratorium »Notstand der Demokratie« zusammen mit dem SDS, der KfDA und dem DGB-Landesvorstand Hessen auf dem Frankfurter Römerberg organisiert hatte, kamen 12.000 Demonstranten zusammen. Am selben Tag erklärten die drei Westmächte, dass sie nach Inkrafttreten der das Grundgesetz ergänzenden Notstandsverfassung auf ihr bisheriges Vorbehaltsrecht zum Schutz ihrer Streitkräfte verzichten würden. Am 30. Mai 1968 verabschiedete der Bundestag in dritter Lesung mit 384 zu einhundert Stimmen die Notstandsverfassung und die Notstandsgesetze. Unter den Gegnern waren 53 Abgeordnete des linken Flügels der SPD, ein CDU-Abgeordneter und 46 Abgeordnete der FDP, die sich unter der Großen Koalition als einzige Oppositionspartei geschlossen gegen die Grundrechtseinschränkungen aussprach.26 Nach der Notstandsverfassung durfte unter anderem das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt werden. Des Weiteren waren »der Einsatz der Bundeswehr zur Bekämpfung von Aufständen im Inneren, eine Dienstverpflichtung von männlichen Bundesbürgern, Eingriffe in die Länderhoheit im Spannungs- und Verteidigunsfall sowie verschiedene Möglichkeiten zur Einschränkung der Legislative möglich«.27 Einerseits markierten die Auseinandersetzungen um die Notstandsgesetze den Höhepunkt der APO und der Protestbewegung. Andererseits zeigten sie aber auch, dass sie bereits zerfiel. Mit der Parallelkundgebung des DGB während des »Sternmarschs auf Bonn« grenzten sich die Gewerkschaften deutlich von der APO ab. Nachdem der DGB Streiks gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze abgelehnt hatte, zerbrach die Solidarität zwischen der APO und den Gewerkschaften. Nachdem die Notstandsgesetze verabschiedet worden waren, demobilisierte sich die Bewegung ab Juni 1968 mit zunehmender Geschwindigkeit. Und mit der »Schlacht im Tegeler Weg«, bei der im Novem24 | Zit. n. ebd., S. 156. 25 | Borowsky, Peter: »Große Koalition und Außerparlamentarische Opposition«, in: Informationen zur politischen Bildung 258 (1998), S. 11-22, hier S. 19. 26 | Vgl. B. Spernol: Notstand der Demokratie, S. 85 ff.; Kraushaar, Wolfgang: »Die Furcht vor einem ›neuen 33‹ – Protest gegen die Notstandgesetzgebung«, in: Dominik Geppert / J ens Hacke (Hg.), Streit um den Staat: Intellektuelle Debatten in der Bundes republik 1960-1980, Göttingen 2008, S. 135-150, hier S. 144. 27 | Ebd.
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ber 1968 Studenten einen gewalttätigen Straßenkampf mit der Polizei geführt hatten und die Studentenbewegung von der Öffentlichkeit ins Kreuzfeuer genommen worden war, zersplitterte sie und löste sich auf. Die Studentenbewegung zog sich ins Universitätsmilieu zurück, wurde nunmehr aber auch dort isoliert. Der SDS, der nicht nur die Kernorganisation der Studentenbewegung dargestellt hatte, sondern auch Vorreiter der APO und der Anti-Springer-Kampagne gewesen war, löste sich 1970 auf.
2. Die Auswirkung: Das Ende der Expansionsstrategie Springers
In vielen Städten der Bundesrepublik waren die materiellen Schäden sichtbar, die das Verlagshaus im Zuge der Springer-Blockade während der Ostertage 1968 zu beklagen hatte. An seinem Hauptsitz in Westberlin waren sie mit ca. 500.000 DM am größten.28 Der Verlag schilderte die dortigen Zerstörungen: »22 verlagseigene Fahrzeuge wurden beschädigt; fünf davon erlitten Totalschaden. Auch mehrere auf dem Parkplatz für Verlagsangehörige abgestellte Fahrzeuge von Firmenangehörigen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ein Schleppdach, das der Un terbringung von Vertriebsfahrzeugen diente, wurde teilweise verbrannt. In der Rotati onshalle wurden 43 Fensterscheiben und 22 Jalousetten zerstört, an der Fassade vier Blindscheiben und in der Eingangshalle 28 Scheiben und zwei Glastüren. […] In das Haus und auf das Dach wurden mehrere Brandfackeln und Molotow-Cocktails geworfen. Teile der Fassade wurden mutwillig beschädigt.« 29
Die Verluste, die der Springer-Konzern davontrug, waren aber nicht nur materieller Natur. Für Axel Springer war die Blockade ein regelrechter Schock. Überrascht und entsetzt von der Wut auf die Verlagshäuser, musste er während der kritischen Tage Deutschland verlassen. Als die Schüsse auf Dutschke fielen, war er auf dem Weg aus den USA nach Deutschland. Am Abend informierte man ihn in Hamburg über die Lage in Westberlin und riet ihm eindringlich, der Stadt fernzubleiben, in der er die Ostertage hatte verbringen wollen. Besorgt um seine Sicherheit verließ er umgehend das Land und flog am nächsten Tag unter absoluter Geheimhaltung mit seiner Privatmaschine in die Schweiz. Die Tage in der Schweiz waren aufreibend. Was geschah in Berlin? Was würde aus seinem Presseimperium werden? Er habe dort »fast wie ein Gefangener«
28 | Vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 380 f. 29 | Axel Springer Verlag AG, Abteilung Information (Hg.): Kampf gegen Springer, zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 381.
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gelebt.30 Aus Zürich, wo er ein Ferienhaus besaß, kehrte er erst am Dienstag nach Ostern nach Deutschland zurück. 2006 vergleicht Peter Tamm, der damals der Konzernleitung angehörte, den Axel Springer der Ostertage 1968 mit »einem scheuen Reh auf der Lichtung«.31 Und Gerhard Naeher, zu der Zeit Redakteur für die Welt, schildert in seiner Springer-Biografie das Leiden, das die Springer-Blockade und die Anti-Springer-Kampagne verursachten: »Vom Verlagsgeschäft hatte sich Springer vorübergehend völlig zurückgezogen. Er über ließ die Tagesarbeit den beiden Bevollmächtigten [Christian] Kracht und [Peter] Tamm, die dafür sorgten, daß der Konzern die Krise ohne ernsthafte Blessuren überstand und in der Öffentlichkeit keine Schwäche zeigte. Die Erschütterung des Verlegers blieb das Geheimnis weniger. Die Erfahrung, verhaßt und Zielscheibe einer Kampagne zu sein, sich verstecken zu müssen und ohne Polizeischutz keinen Schritt mehr tun zu können, belastete ihn psychisch so stark, daß das Immunsystem des Körpers geschwächt wur de und das alte Leiden einer Funktionsstörung der Bauchspeicheldrüse, das Springer schon als junger Mann quälte, wieder aufbrach. Virusinfektionen kamen hinzu, die zu Fieberanfällen führten. Springer mußte für längere Zeit ein Sanatorium an der Ostsee aufsuchen.« 32
Nur wenige Monate zuvor, zu Beginn des Jahres 1968, hatte es keine Anzeichen dafür gegeben, dass Springer auf eine weitere Expansion des Konzerns verzichten würde. Mit der am 14. März 1968 erstmals erschienenen Zeitschrift Jasmin, die schnell eine Auflage von über einer Million Exemplaren überschritt, unterstrich er vielmehr seine Expansionspolitik.33 Nach den Ostertagen zeigte sich aber deutlich, dass seine Nerven durch den schier endlosen Protest sowie die Kritik gegen ihn und seinen Verlag gelitten hatten. Sein Leiden führte dazu, dass er die Zukunft des Konzerns neu bewertete. »Zeitungmachen«, habe er gedacht, könne »auch eine Last sein«.34 Und so vollzog er einen für ihn ungewöhnlichen Schritt: Zum ersten Mal in der Geschichte des Verlags verkleinerte er seinen Verlag und entschied sich, Zeitschriften zu verkaufen. Am 23. Juni 1968 wurde bekannt, dass sich der Springer-Konzern von fünf Blättern mit einer Auflage von insgesamt 4,5 Millionen Exemplaren trennen würde: Das entsprach einem Drittel aller Verlagsprodukte sowie einem Viertel der Gesamtauflage des Konzerns. Die abzustoßenden Titel waren Jasmin, Eltern, Das Neue
30 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 464 f.; G. Naeher: Axel Springer, S. 243, vgl. auch S. 32 und S. 242 ff. 31 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 465. 32 | G. Naeher: Axel Springer, S. 247. 33 | Vgl. o. A.: »Elefant mit fünf Beinen«; C. Jacobi: 50 Jahre, S. 182. 34 | I. Kloepfer: Friede Springer, S. 75.
Die Auswirkung: Das Ende der E xpansionsstrategie Springers
Blatt, Bravo und Twen.35 Der Axel Springer Verlag verkaufte die Wochenzeitschrift Das Neue Blatt an den Heinrich Bauer-Verlag und die Zeitschriften Jasmin, Eltern, Bravo und Twen zusammen mit dem Kindler & Schiermeyer-Verlag und der Druckerei in Unterföhring bei München an die Unternehmensgruppe Weipert.36 Wie der Spiegel in einer Titelgeschichte schrieb, war es die »größt[e] Transaktion in der deutschen Presse-Branche« nach 1945.37 Laut dem Verlag ermögliche die Trennung von den Zeitschriften eine stärkere Konzentration auf das Kerngeschäft mit Zeitungen.38 Das war der offizielle Grund für den Verkauf. Auch wenn sich unter den veräußerten fünf Zeitschriften keine der großen meinungsbildenden Organe befanden, liegt auf der Hand, dass Axel Springer diesen Schritt ging, um in der Zukünft Angriffe auf seinen Konzern und ihn selbst zu vermeiden. Er reagierte auf die angespannte Lage seines Verlagshauses. Das war, so ist anzunehmen, der eigentliche Beweggrund, sich von den Zeitschriften zu trennen. Freilich kann man nicht einfach behaupten, dass allein die APO und ihre Anti-Springer-Kampagne diese Wende in der Konzernstrategie bewirkt hätten. Axel Springer habe, folgt man seinem Biografen Hans-Peter Schwarz, damals angenommen, dass die größte Gefahr für sein Haus nicht von der APO ausgehe, sondern von der Günther-Kommission, die die Konzentration im deutschen Pressewesen untersucht hatte.39 Dieser Pressekommission mit ihren 17 ordentlichen Mitgliedern – Verlegern, Journalisten, Intendanten und Gewerkschaftler – hatte in den ersten vier Monaten auch Axel Springer selbst angehört. Zwei weitere prominente Mitglieder waren Anton Betz, Verleger der Rheinischen Post und Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger, und Gerd Bucerius von der Zeit und dem Stern gewesen.40 Der Schlussbericht der Kommission, der offiziell erst am 3. Juli 1968 der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte, aber schon im Mai bekannt wurde, war für Springer unbequem. Er stellte fest: 35 | Vgl. G. Kruip: Das »Welt«-»Bild«, S. 112; F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 398. 36 | Vgl. o. A.: »Springers Zeitschriften-Verkäufe«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nach richten vom Juni 1968, S. 1, in: APO-Archiv, SDS-Springer. 37 | O. A.: »Springer-Verkauf: Um Gottes willen«, in: Der Spiegel vom 1. Juli 1968, S. 52-59, hier S. 52. 38 | O. A.: »Springers Zeitschriften-Verkäufe«, S. 2 (Archivalien). 39 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 471. 40 | Vgl. M. L. Müller: Berlin 1968, S. 186 f.; F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 319; Schneider, Wolf: Die Gruner + Jahr Story. Ein Stück deutsche Pressegeschichte, München 2000, S. 43 f. Wie Springer hatte sich aus der Kommission zurückgezogen. Vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 326 ff.; G. Bauß: Die Studentenbewe gung, S. 104, Anm. 165.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium »Die Sorge der Kommission ist, dem Bürger könnten in absehbarer Zeit durch fortschrei tende Konzentration nicht mehr genügend unabhängige und über große Breitenwirkung verfügende Publikationsorgane zur Verfügung stehen, aus denen er frei seine Meinung bilden kann. Dies ist schon jetzt auf den Teilsektoren des Pressewesens für politische Wochenmagazine, Straßenverkaufszeitungen und für Sonntagszeitungen der Fall. Das gleiche gilt für diejenigen kreisfreien Städte und Landkreise, in denen dem Bürger nur noch eine über Lokalereignisse berichtende Zeitung zur Verfügung steht. Im überregio nalen Bereich wird allerdings zu berücksichtigen sein, daß die Wochenzeitungen unter schiedlichster Richtungen immerhin ein gewißes Gegengewicht darstellen.« 41
Nach Ansicht der Kommission würde die Pressekonzentration in absehbarer Zeit ein unzuträgliches Maß erreichen. Als Gegenmaßnahmen empfahl sie, Höchstgrenzen für die Marktanteile von Presseunternehmen festzulegen, die am 22. Mai 1968 auf der abschließenden Sitzung der Kommission tatsächlich definiert wurden: Demnach galt die Pressefreiheit als »gefährdet«, wenn ein Presseunternehmen mehr als 20 Prozent an der Gesamtauflage der Tages-, Sonntags- oder Publikumszeitschriften halte. Wenn der Anteil 40 Prozent überschreite, dann sei die Pressefreiheit »unmittelbar beeinträchtigt« und das Unternehmen müsse »entflochten« werden. Der Springer-Verlag behauptete damals bei den Zeitungen einen Marktanteil von 39 Prozent.42 Diese abstrakten Zahlen der Kommission konnten dem Springer-Konzern insbesondere in Form einer Zusatzregel gefährlich werden. Danach sei eine »Gefährdung« der Pressefreiheit im Fall von Verlegern, die sowohl auf dem Zeitungs- wie auch auf dem Zeitschriftenmarkt eine beherrschende Position einnahmen, bereits bei zehn Prozent Marktanteil am Zeitschriftenmarkt gegeben. 15 Prozent Marktanteil wurden als eine »unmittelbare Beeinträchtigung« der Pressefreiheit angesehen. Der Gesetzgeber müsse in diesem Fall das Unternehmen entflechten.43 Während Springer also mit seinen 39 Prozent Marktanteil im Bereich der Zeitungen gerade noch im Limit geblieben wäre, lag sein Zeitschriftenanteil seinerzeit bei 18 Prozent und hätte, wie der Spiegel festhielt, durch den Verkauf einzelner Titel unter die von der Kommission benannte Schwelle von 15 Prozent gedrückt werden müssen.44 Einen Tag vor der Schlussabstimmung der Günther-Kommission, am 21. Mai, hatte Springer im ZDF-Interview erklärt: »Ein Pressekonzern kann die Meinungsfreiheit überhaupt nicht gefährden. Es sei denn, er würde alle ande41 | Zit. n. H. Meyn: Massenmedien, S. 64. 42 | K. Koszyk: »Das Ende der Vielfalt«, S. 18. Vgl. auch W. Schneider: Die Gruner + Jahr Story, S. 58; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 472; H. Meyn: Massenmedien, S. 64 f. 43 | Ebd, S. 65. Vgl auch N. Frei: »Die Presse«, S. 402; H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 472; o. A.: »Springer-Verkauf: Um Gottes willen«, S. 54. 44 | Ebd.
Die Auswirkung: Das Ende der E xpansionsstrategie Springers
ren Meinungsgträger stillegen.«45 Springer selbst war überzeugt, dass die von der Günther-Kommission angeregten Zahlen auf seinen Verlag abzielten. Nachdem der Schlussbericht der Kommission schon im Mai 1968 bekannt geworden war, schrieb Springer an Bundeskanzler Kiesinger: »Die Empfehlung der Günther-Kommission gleicht dann auch einem Maßanzug, zugeschnitten auf einen einzelnen Verleger. Die […] Prozentsätze bedeuten die Einmauerung eines einzelnen Verlagsunternehmens in der Bundesrepublik.«46 Obwohl er wusste, dass der Kommissionsbeschluss nur Vorschläge enthalten würde, entschied er sich für den Verkauf der fünf Zeitschriften. Er wollte damit der Kommission zuvorkommen, wie schon zeitgenössische Einschätzungen annahmen: Der Vorsitzende und Namensgeber der Kommission, Eberhard Günther, war der Meinung, dass neben »unternehmerische[n] Überlegungen« auch die »Stimmung in der Bevölkerung« und die Arbeit der Kommission den Verkaufsentschluss beeinflusst habe.47 Für die SPD, die neue Gesetzesinitiativen für den Pressemarkt angekündigt hatte, stand fest, »daß Springer mit seinem Verkauf den Versuch machen wolle, möglichen gesetzlichen Regelungen zugunsten der Pressefreiheit zuvorzukommen«.48 Mit dem Verkauf erreichte Springer sein Ziel: zu vermeiden, dass die Ratschläge der Kommission Realität würden. Die Bundesregierung und der Bundestag hatten mit Springers freiwilligem Verkauf ein hinreichendes Argument, die Vorschläge der Kommission zu ignorieren. Sie lehnten ihre Hauptempfehlungen als ungeeignet ab.49 So wie einerseits die APO-Aktivitäten nicht alleinverantwortlich für die Verkaufsentscheidung Springers waren, kann andererseits auch nicht zwangsläufig geschlussfolgert werden, dass lediglich die Günther-Kommission die ausschalggebende Rolle dafür gespielt hat. Erstens gilt es, die Bildung der Kommission im Zusammenhang mit der APO zu sehen. Ihre Anti-Springer-Kampagne gab dem Bundestag den Anstoß, die Kommission einzusetzen.50 Diese These bleibt auch angesichts des Umstands plausibel, dass sich die Kommission schon am 22. Mai 1967 konstituiert hat – also vor dem Beginn der Kampagne am 2. Juni –, weil die APO schon vor dem Tod Ohnesorgs Kritik an der Pressekonzentration und dem Marktanteil des Springer-Verlags geübt hatte. Zweitens ist darauf zu verweisen, dass die abschließenden Sitzungen der Kommission unter dem Einfluss der Osterunruhen standen. Der Beirat um den Vorsitzenden Günther stellte insbesondere seine Kernforderungen vor dem Hintergrund des Aufruhrs um die Osterfeiertage auf, als die Protestbewegung nahezu 45 | Zit. n. ebd. 46 | Zit. n. H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 472. 47 | Zit. n. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 401. 48 | Ebd., S. 402, vgl. auch S. 402 f. 49 | Vgl. N. Frei: »Die Presse«, S. 402. 50 | Vgl. W. Kraushaar: Achtundsechzig, S. 162.
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ausschließlich den Charakter einer Anti-Springer-Kampagne annahm.51 So stimmten die Mitglieder zum Beispiel am 25. April 1968 über die prozentualen Marktanteile von Presseunternehmen ab, die es rechtfertigen würden, von einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Pressefreiheit zu sprechen.52 Auch Walter J. Schütz, der als Vertreter des Bundespresse- und Informationsamts an den Sitzungen der Kommission teilnahm, schloss sich dieser These an. Seiner Meinung nach müsse man die Festlegung der Marktanteilsgrenzen durch die Kommission im Kontext der Osterunruhen sehen.53 Drittens stand Springer, wie weiter oben gezeigt wurde, wegen der Blockade seiner Auslieferungszentren unter Schock. Er traf die Verkaufsentscheidung auch vor dem Hintergrund persönlicher Betroffenheit. Bei einem Kongress der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte am 5. Mai 2003 im Springer-Hochhaus in Berlin mit dem Thema »1968 und die deutschen Unternehmen« erkannte Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, die Wirkung der Anti-Springer-Kampagne und der 68er-Bewegung an.54 Einem Tagungsbericht zufolge gesteht er ein, dass 1968 in den Redaktionen des Springer-Verlags eine »Bunkermentalität« entstanden sei, eine »›traumatische Fixierung‹«, die bis in die 70er Jahre hinein ihre Wirkung entfaltet und einen tiefgreifenden »intellektuellen Substanzverlust« zur Folge gehabt habe.55 Der Konzern habe wegen der nervenaufreibenden Auseinandersetzung um seine Medienmacht die Expansionschance, die das Haus in den 70er Jahren hätte nutzen können, der Konkurrenz überlassen. Das empfinde er als »frustrierend«.56 Ein Vertreter der Verlagsspitze hält damit im Jahr 2003 fest, wie stark die Anti-Springer-Kampagne in den Jahren 1967 / 68 den Verlag auch noch in der darauffolgenden Dekade geprägt hat. Ebenso unterstreicht der Historiker Axel Schildt auf diesem Kongress die große Wirkung, die die Kampagne auf den Verlag hatte. Der Verkauf der fünf Zeitschriften sei eine »unmittelbare Reaktion auf die kritische Öffentlichkeit« gewesen,57 in deren Mittelpunkt die Anti-Springer-Kampagne gestanden hatte. Er versteht das Ende der »publizistische[n] Expansionsstrategie« des Springer-Verlags als einzige »unmittelbar[e] und tiefgreifend[e] Folg[e]« der 68er-Bewegung für das Han51 | Vgl. N. Frei: »Die Presse«, S. 402. 52 | Vgl. F. Melchert: Meinungsfreiheit in Gefahr?, S. 389 f. 53 | Vgl. ebd., S. 390, Anm. 360. 54 | Vgl. Köster, Roman / S chanetzky, Tim: »Tagungsbericht: 1968 und die deutschen Unternehmen«, 5. Mai 2003, Berlin, in: H-Soz-u-Kult, 20. Mai 2003, http://hsozkult. geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=222. 55 | Ebd. 56 | Ebd. 57 | Ebd.
Die Auswirkung: Das Ende der E xpansionsstrategie Springers
deln eines Unternehmens in der Bundesrepublik.58 Drei Jahre später, 2006, besteht für Döpfner kein Zweifel mehr daran, dass die »Wagenburg- und Bunkermentalität«, die sich angesichts der Auseinandersetzungen der 60er Jahre und der Anti-Springer-Kampagne gebildet hatte, dem Verlag nicht nur in den 70er Jahren zugesetzt habe, sondern ihm bis in die Gegenwart hinein schade.59
58 | Ebd. 59 | Döpfner, Mathias / G rass, Günter: »Spiegel-Streitgespräch. ›Wir Deutschen sind unberechenbar.‹ Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner debattiert mit Literaturno belpreisträger Günter Grass über die Medienmacht des Verlags, das Amerika-Bild der Deutschen sowie Verdienste und Fehler der 68er«, in: Der Spiegel vom 19. Juni 2006, S. 156-163, hier S. 160, zit. n. Bissinger, Manfred (Hg.): Günter Grass / M athias Döpf ner. Die Springer-Kontroverse. Ein Streitgespräch über Deutschland, Göttingen 2006, S. 43.
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3. Schluss Rudi Dutschke war die Symbolfigur nicht nur der 68er-Bewegung, sondern auch der Anti-Springer-Kampagne. Dabei bekleidete er gar kein Amt. Er gehörte nicht einmal zum Pressekomitee oder zum Anti-Springer-Ausschuss, der sich auf die Kritik am Großverlag konzentriert hatte. Er war auch kein Mitglied des Sekretariats, das das Springer-Tribunal vorbereitet hatte. Dennoch kam ihm eine Hauptrolle in der Kampagne zu. Er gab Interviews, publizierte Beiträge und machte die Kampagne in der Öffentlichkeit sichtbar. Dutschkes Forderungen und Aufrufe für die Anti-Springer-Kampagne entsprachen gleichzeitig der Position der gesamten Protestbewegung – er fasste sie zusammen und gab ihr eine markante Stimme. Für die Kampagne war Dutschke sowohl Theoretiker als auch ›symbolischer Kommandant‹ ohne Amt. Ein wichtiger Organisator und Aktivist der Kampagne war auch Peter Schneider, den Dutschke für die Kampagne rekrutiert hatte. Als ›Sekretär der Kampagne‹ sammelte er Spenden bei Sympathisanten wie Augstein und Bucerius und spielte eine wichtige Rolle während der Vorbereitung des SpringerTribunals bzw. -Hearings. Andere bedeutende Aktivisten der Kampagne waren Reimut Reiche, Bernd Rabehl, Christian Semler, Frank Wolff und Karl Dietrich Wolff (SDS); Klaus Meschkat, Günter Möllendorf, Bernhard Blanke, Hans-Joachim Hameister und Manfred Bissinger (RC); Klaus Vack, Helmut Schauer, Andreas Buro und Arno Klönne (KfA / K fDA). Die SDS-Akteure Reiche, Rabehl, Semler, Frank und KD Wolff publizierten Beiträge für die Anti-Springer-Operation und taten sich als Aktivisten und Redner hervor. Blanke, Hameister, Bissinger und Möllendorf vom RC gehörten dem Sekretariat oder dem das Springer-Tribunal vorbereitenden Komitee an und engagierten sich als Organisatoren und Redner, während Meschkat als Vorsitzender des RC dessen Aktivitäten dirigierte. Vack, Schauer, Buro und Klönne koordinierten in ihren leitenden Funktionen in der KfA die Anti-Springer-Aktion und befassten sich in diversen Schriften mit ihr. Hinter diesen Protagonisten standen viele weitere unbekannte Akteure, die an den Demonstrationen und Veranstaltungen, Teach-ins und Sit-ins gegen Springer teilnahmen und leidenschaftlich gegen den Konzern protestierten. Ohne sie hätte es die Anti-Springer-Kampagne nicht gegeben.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Den Akteuren der 68er-Bewegung erschien der Springer-Verlag als »reaktionäre Meinungsfabrik«60 und sein Inhaber als »dämonische Überfigur und geheimer Herrscher der Republik«.61 Im Namen der Anti-Springer-Kampagne wandten sie sich energisch gegen den Verlag. Ihre Mittel waren vielfältig: Von Flugblättern und Zeitschriften, Pamphleten und Erklärungen über Studentenzeitungen und Gegenzeitungen, Plakate, Postkarten und Bildmaterialien bis zu Karikaturen und Anti-Springer-Buttons kam so ziemlich alles zum Einsatz, was sich zum Agitieren eignete. Sogar Max und Moritz von Wilhelm Busch diente als Vorlage. Das Buch Marx und Maoritz wurde »für Erwachsene umfunktioniert«, um die Protestbewegung darzustellen. Der »dritte Streich«, wie im Original mit Karikaturen illustriert, erzählt die Geschichte der Anti-SpringerKampagne und dient so der Kritik an »Axel BILD«.62 Wieso wurde der Kampf gegen den Springer-Konzern mit so viel Vehemenz ausgetragen? Warum standen sich die beiden Fronten mit solcher Härte und Entschiedenheit gegenüber? Im Hintergrund der heftigen Auseinandersetzungen zwischen der APO und dem Konzern standen unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie. Dazu Hilwig: »As the student activists and popular press fought for a public audience in 1968, words and images from the early twentieth century again haunted West Germans […]. [T]he students and their opponen[t] kindled fears that democracy might fail, and they gave different panaceas for its survival.«63 60 | Reuter, Gerhard: »Springers reaktionäre Meinungsfabrik«, in: Deutsche Außenpo litik 12, 10 (1967), S. 1247-1259. 61 | Koenen, Gerd: Das rote Jahrzehnt: Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 19671977, Köln 2001, S. 38. 62 | Budzinski, Klaus / H achfeld, Rainer: Marx und Maoritz, Bern / M ünchen / W ien 1969, S. 18-22: »Jedermann im Lande kannte / D en, der Axel BILD sich nannte. – / A lte Hüte, Sonntagsgüte, / L ange Messer fürs Gemüte, / Westen mit gefüllten Taschen, / O sten, wild und ungewaschen – / A lle diese feinen Sachen / Wußte BILD zu Geld zu machen. / O der wäre was zu hetzen, / Wegzulassen, zuzusetzen, / O der gar ein Kopf zu treffen, / A bzurei ßen, anzukläffen – / W ie und wo und wann es sei, / U nten, oben, einerlei – / A lles steuert Axel BILD, / D aß er seinen Zweck erfüllt. – / – Drum so hat in der Gemeinde / J edermann ihn gern zum Freunde. – / – Aber Marx und Maoritz dachten, / W ie sie könnten ihn ent machten. – / N ämlich vor dem Zeitungshause – / A uf daß BILD darüberbrause / T äglich zu dem Leserstamm – / F ührt ein ungeschützter Damm. / M arx und Maoritz, gar nicht träge, / K ommen BILD nun ins Gehege / U nd errichten, ihm zu schaden, / R itzeratze! Bar rikaden. / – Vieles konnte BILD ertragen, / O hne sogleich zuzuschlagen, / A ber geht’s ihm an die Macht, / R üstet er zur Straßenschlacht. / U nd schon fährt er in die Menge, / D ort gerät er ins Gedränge. / L aut ertönt es: ›BILD macht dumm!‹ / B rennend kippt der Axel um.« 63 | S. J. Hilwig: »The Revolt Against the Establishment«, S. 349.
Schluss
Während die eine Seite den Status quo verteidigte, kämpfte die andere gegen das Establishment. Für Springer bedeutete der gegenwärtige Zustand die erste stabile Demokratie in der deutschen Geschichte, die daher besonders schützenswert sei. Springer war überzeugt, dass die ›radikalen‹ Demonstrationen sowie die allgemeine Stoßrichtung der 68er-Bewegung nicht mit dem von seinem Konzern geschätzten und verteidigten Status quo vereinbar seien. Aus der Perspektive der Springer-Verlags wie seiner Blätter waren die wilde Revolte und der Straßenkampf nichts anderes als ein Symptom des Chaos, unter dem bereits die Weimarer Republik gelitten hatte, die schließlich die Vorstufe der NS-Herrschaft gewesen sei. Für die Studentenbewegung und die APO stellten demgegenüber die Presseerzeugnisse Springers die Feinde der Demokratie dar, die über die Macht verfügten, die Öffentlichkeit gegen die Protestbewegung zu mobilisieren. Der Konzern galt ihren Protagonisten als einer der wichtigsten Vertreter jener etablierten Kräfte, die ein Hindernis für die ›faktische‹ Demokratie in der Bundesrepublik verkörperten. Springer verteidigte zudem die Notstandsgesetze, den Vietnamkrieg und lehnte eine radikale Reform der Hochschulen ab. Der 2. Juni 1967, der Tag, an dem Benno Ohnesorg starb, gilt als ein Schlüsseldatum der 68er-Bewegung. Einerseits waren die Ereignisse dieses Tages ein Faktor, der die Bewegung beschleunigte, andererseits stießen sie aber auch die Kampagne gegen den Springer-Konzern an. Sie waren das »kritische Ereignis« sowohl für die 68er-Bewegung insgesamt als auch für die Anti-Springer-Kampagne. Die Springer-Presse hatte selbst zu dieser Situation beigetragen und mit ihren Reaktionen auf den 2. Juni die zugespitzte Lage mit zu verantworten. Zwar hatte sie bereits seit Mitte der 60er Jahre die studentischen Demonstranten in Westberlin scharf attackiert, doch nun wurde der Ton der Berichterstattung unerbittlich und phasenweise extremistisch. Dabei ging es aber nicht nur um Springer-Berichte über den 2. Juni und die folgenden Geschehnisse. Die Studenten gaben Springer vielmehr eine Mitschuld am Tod Ohnesorgs. Die Gazetten des dominanten Verlags hätten eine Atmosphäre erzeugt, so glaubten sie, in der der Todesschuss überhaupt erst habe fallen können. Vertreter der Studentenbewegung und der APO forderten nun immer öfter: »Enteignet Springer«. Die kritischen Einstellungen gegenüber dem Konzern verbreiteten sich dabei über das studentische Milieu hinaus. Indem sie sich mit den Ursachen für die Ereignisse vom 2. Juni beschäftigten, richteten auch andere Teile der APO ihre Aufmerksamkeit auf den Verlag und dessen Möglichkeiten, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Neben den zahlreichen ASten begannen weitere Gruppen der APO, allen voran der SDS, aber auch der RC, die Falken und die KfA, sich kritisch mit dem Großverlag auseinanderzusetzen. Es formierte sich eine breite Anti-Springer-Kampagne. Vorreiter der Operation blieb derweil der SDS. Nachdem sie zu einem seiner zentralen Anliegen geworden war, schloss sich ihr Ende Juni 1967 auch die KfA an. Der RC, ein wichtiger
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Sammelpunkt der APO in Westberlin, stellte ein Forum für die Kritik an Springer dar. Indem RC und KfA sich an der Kampagne beteiligten, wurden die Institutionen zur strategischen Achse der APO-Bewegung. Die Spannungen zwischen dem Springer-Verlag und der Anti-SpringerKampagne spitzten sich mit der turbulenten Entwicklung der Kampagne nach der 22. SDS-DK im September 1967 zu. Die Anti-Springer-Aktion wurde zu einem bundesweiten Phänomen: Überall fanden Demonstrationen, Seminare und Diskussionsveranstaltungen statt. Der Button »Enteignet Springer« verkaufte sich so gut, dass er den Protest bald alltäglich auf Taschen, Jacken, Mänteln und sonstigen Kleidungsstücken visualisierte. Diese Intensivierung der Proteste stabilisierte die Anti-Springer-Operation. In der Kampagne spielten die nichtstudentischen APO-Gruppen nun eine größere Rolle als vor der 22. SDS-DK. Insbesondere die KfA und der RC konzentrierten sich noch stärker auf die Kritik am Verlag. Einen entscheidenden Wendepunkt der Kampagne markierte die Offenbacher Konferenz im Oktober 1967. Sie war ihr bis dahin größtes Forum. Etliche Vertreter studentischer und nichtstudentischer Verbände partizipierten und nutzten die Gelegenheit, trotz unterschiedlicher Vorstellungen die Bedingungen des weiteren Vorgehens festzulegen und damit den Spielraum für ein breites Bündnis gegen den Springer-Konzern auszuloten. Ein Ergebnis der Konferenz war die Gründung des Verteilerbüros, das bis zum Folgejahr funktionstüchtig blieb. Es brachte Informationen und Materialien der einzelnen Organisationen des Anti-Springer-Feldzugs in Umlauf und koordinierte deren Sitzungen. Indem die KfA die Büroleitung und die Verantwortung für die Koordination der Kampagne übernahm, spielte sie ab Herbst 1967 aufgrund ihrer organisatorischen Fähigkeiten eine Hauptrolle bei der Frontbildung gegen Springer. Eine ›Nebenwirkung‹ der Anti-Springer-Kampagne war die Zusammenarbeit des linkssozialistischen und des antiautoritären Flügels des SDS, die im Zuge der Operation immer wieder aufeinander angewiesen waren. Der gesamte PR-Feldzug gegen Springer kann als der gemeinsame Nenner aufgefasst werden, auf den sich die einzelnen Teile der APO-Bewegung immer wieder einigen konnten und der deutlich machte, dass der Kampf gegen den mächtigen Feind nur gemeinsam bestritten und auf diese Weise vielleicht sogar gewonnen werden konnte. Insofern hielt es die KfA für möglich, wie sie in dem Papier Überlegungen zur Springer-Aktion der Kampagne betonte, dass die Aktionen gegen Springer nicht nur »von ihrer eigentlichen Thematik her große Bedeutung für uns haben«. Sie könnten »für die gesamte Arbeit« der KfA und der APO »zu einem wichtigen Startpunkt für engere Zusammenarbeit und Koordinierung« werden.64 Es schien, als sei der Erfolg der gesamten außerparlamentarischen 64 | A. Buro: »Überlegungen zur Springer-Aktion der Kampagne«, S. 7 (Archivalien).
Schluss
Bewegung mit dem Gelingen der Anti-Springer-Kampagne auf das Engste verbunden. In der Anti-Springer-Operation kreuzten sich die Wege all der anderen Kampagnen der 68er-Bewegung. Der Anti-Springer-Feldzug war keine separate oder gar ›eindimensionale‹ Erscheinung, sondern direkt und indirekt mit denjenigen Operationen der 68er-Bewegung verknüpft, die sich gegen die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg richteten. Als wichtiger Fürsprecher der Notstandsgesetze und der US-amerikanischen Kriegsführung in Vietnam spielte der Springer-Konzern auch in diesen Kampagnen eine wichtige Rolle. Das entscheidende Ereignis der Anti-Springer-Operation war das ›verhinderte‹ Tribunal im Februar 1968. Es bildete einerseits den Auftakt der sich anschließenden Massenmobilisierung gegen Springer und kann als das Kernereignis der Kampagne bewertet werden. Andererseits geriet die AntiSpringer-Kampagne jedoch im Zuge eines Vorbereitungstreffens für das Tribunal, der sogenannten Molotow-Veranstaltung am 1. Februar, welche die Steinwürfe auf die Fensterscheiben der Springer-Filialen nach sich zog, in eine Krise. Die Operation verlor nun vor allem ihre linksliberalen Sympathisanten und Unterstützer. Obwohl als Ersatz für das Tribunal beschlossen wurde, ›nur‹ noch ein Springer-Hearing abzuhalten, zogen fast alle prominenten Redner, die daran teilnehmen sollten, ihre Zusagen zurück. Das eigentlich auf drei Tage angesetzte Hearing wurde mehrfach auf einen späteren Zeitpunkt und an einen anderen Ort, Hamburg, verschoben. Die Ostereignisse kamen dazwischen – auch wenn die Bemühungen, ein Springer-Hearing zu organisieren, fortgesetzt wurden. Die Folgen der Steinwürfe waren verheerend. Das Scheitern des Tribunals bzw. Hearings destabilisierte die Anti-Springer-Kampagne zutiefst. Die Erschütterung sorgte dafür, so ist anzunehmen, dass der SDS nicht nur Bündnispartner vor allem aus Teilen der kritischen Intelligenz und der liberalen Presse verlor, sondern die SDS-Flügel auch ihre untereinander bestehende Bündnisfähigkeit einbüßten. Nachdem auch der antiautoritäre Flügel des SDS die Anti-Springer-Kampagne kritisch reflektierte, erachtete der SDS sie im März 1968 als bedeutungslos und zog sich zurück. Doch damit ist noch nicht die ganze Geschichte der Anti-Springer-Kampagne erzählt. Das Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 löste während der Ostertage eine Welle der Empörung und etliche Demonstrationen gegen den Springer-Konzern aus, die in Westberlin und in der Bundesrepublik zu vielfachen Blockadeaktionen vor Springer-Druckereien führten. Die AntiSpringer-Kampagne kehrte in das Zentrum der Protestbewegung zurück – nun allerdings nicht mehr als eine Aufklärungskampagne, sondern als eine Aktionskampagne, in der direkte Aktionen gegen Springer im Vordergrund standen. Der Versuch, Springer-Blockaden zu errichten, markierte das spektakulärste Stadium der Kampagne. Die Absperraktionen selbst wurden vom SDS nicht gezielt geleitet und kontrolliert. Dieser habe sich vielmehr unfähig ge-
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zeigt, »die Demonstranten praktisch zu organisieren«.65 Eine andere Interpretation legt nahe, dass SDS und APO die Aktionen gegen Springer gar nicht mit dem Ziel durchgeführt haben, die Abriegelung wirklich bis zum Letzten durchzuhalten. Die Springer-Sperren stellten oft nicht nur spontane, von der Führungsgruppe nichtorganisierte und nichtkontrollierte Aktionen dar, sondern auch direkte und symbolische Aktionen. Bei der Springer-Blockade ging es nicht so sehr um den konkreten Erfolg oder Misserfolg, sondern um einen symbolischen Kampf. Die Absperrungen trugen einen symbolischen Charakter. Sie waren Inbegriff der Anti-Springer-Kampagne, deutlicher Ausdruck des Willens, gegen Springer nicht nur schreibend und redend vorzugehen, sondern auch die körperliche Auseinandersetzung zu suchen.66 Die Demonstranten nutzten die Springer-Blockaden demonstrativ, um ihrem Anliegen Ausdruck zu verleihen, das den konkreten Absperraktionen übergeordnet war: Es ging immer auch um den Aufstand gegen einen Konzern, den man als Hindernis für die ›faktische Demokratie‹ ansah. Im Kampf gegen das Presseimperium verfolgte die Anti-Springer-Kampagne eine duale Strategie. Einerseits setzte sie auf den Wandel der institutionellen Strukturen mit Hilfe von Aktionsstrategien, die darauf abzielten, die breite Öffentlichkeit aufzuklären. So versuchte sie als »Einflusskampagne«, durch Proteste und Demonstrationen auf Entscheidungsträger – auf Parlamente, Politiker, Journalisten und Hochschulprofessoren – einzuwirken. Andererseits setzte sie auf den Wandel der kognitiven und mentalen Strukturen. Diese Strategie machte den Kampf gegen Springer zu einem Kampf um Wahrnehmungsschemata, Sicht- und Teilungskriterien der sozialen Welt. Es waren nicht der Sturz der deutschen Regierung und die Übernahme institutioneller Macht in der Bundesrepublik, die der antiautoritäre Flügel des SDS und der APO als eine der Hauptträgergruppen der Anti-Springer-Kampagne erreichen wollte. Ihr Protest richtete sich vielmehr dagegen, dass die Meinungen von oben beherrscht wurden, war ein Versuch, etablierte und vertraute Wahrnehmungsmuster zu brechen und neue Kriterien für die Klassifizierung und Bewertung 65 | Wolff, Karl Dietrich / Wolff, Frank: »Zu den Oster-Aktionen«, in: neue kritik 9, 47 (1968), S. 3-6, hier S. 5. 66 | Den symbolischen Charakter der Blockade betont Klaus Meschkat 2008, 40 Jahre nach der Springer-Blockade, wiederum retrospektiv: »Gewalttätige Proteste, wie etwa das Verbrennen von Fahrzeugen zur Verhinderung der Auslieferung von Springer-Zei tungen nach dem Attentat auf Dutschke, hatten immer noch symbolischen Charakter und waren kein Versuch einer bewaffneten Machtergreifung, auch nicht deren Vorbe reitung.« Meschkat, Klaus: »Kontinuität oder Bruch? Außerparlamentarische Opposi tion und Gewalt«, in: Elmar Altvater / N ele Hirsch / G isela Notz / T homas Seibert et al., »Die letzte Schlacht gewinnen wir!« 40 Jahre 1968 – Bilanz und Perspektiven, Hamburg 2008, S. 194-202, hier S. 199.
Schluss
sozialer Wirklichkeit zu entfalten. Insofern strebten die Akteure der Kampagne keine wirkliche Enteignung Springers an, jedenfalls nicht systematisch. Ihre Parole »Enteignet Springer« war also weniger wörtlich zu verstehen. Sie war vielmehr ein symbolischer Slogan der Anti-Springer-Kampagne, der die Massen gegen Springer mobilisierte. Bis zur Springer-Blockade war sie eine Kampagne, deren wichtigste Eigenschaft in der Aufklärung besatnd, mit deren Hilfe nicht nur die institutionellen Strukturen, sondern auch das Bewusstsein der Menschen verändert werden sollten. Insbesondere diese Transformation kann als ein zentraler Bestandteil des Erfolges der gesamten Protestbewegung betrachtet werden und macht sie zu einer Wahrnehmungsrevolution, die das Bewusstsein vieler neu ausrichtete. Was bedeutete die Anti-Springer-Kampagne für die 68er-Bewegung? Trotz allen politischen Differenzen konnten, erstens, unter ihrem Dach der linkssozialistische und der antiautoritäre Flügel des SDS zusammenfinden und -arbeiten. Die Kampagne stellte für die Studentenbewegung ein Zentrum der Kooperation dar, in dem sich durch die Anti-Springer-Aktivitäten SDS, LSD, SHB, HSU und viele ASten verbanden. Für die Kerngruppen der APO war die Kampagne wichtig, weil sie diese Gruppen zweitens bündnisfähig machte. Die Anti-Springer-Operation war eine der wichtigsten Achsen der APO-Gruppen, die dadurch ihre Zusammenarbeit intensivierten. Im Rahmen der Koordinierungsaufgaben während des PR-Feldzugs stabilisierten sich Verbindungen innerhalb der APO, vor allem zwischen ihren drei Säulen, dem SDS, der KfA und dem RC in Berlin. Die Blockadeaktionen der Anti-Springer-Kampagne traten jedoch wegen der Eskalation der Gewalt an die Stelle scharfer Kritik und trieben auch die Demobilisierung der 68er-Bewegung voran. In der Anti-Springer-Operation manifestierten sich insofern die Mobilisierungsdynamik und das Dilemma der 68er-Bewegung, als die Kampagne sowohl der Mobilisierung diente als auch eine Ursache der Eskalation der Gewalt war, an der die 68er-Bewegung schließlich scheiterte. Bernd Rabehl, einst eines der bekanntesten Mitglieder des SDS und enger Mitkämpfer von Rudi Dutschke, der heute als »rechtsradikaler Konvertit der 68er-Bewegung«67 betrachtet wird, sprach von den »drei Anti-Springer-Kampagnen 1967 / 68«. Die Anti-Springer-Kampagne der »antiautoritären APO« sei weniger erfolgreich gewesen als diejenige der Hamburger Konkurrenz des Springer-Verlags und die der SED.68 Die Konkurrenten – Rudolf Augstein und Gerd Bucerius – wollten, meint Rabehl, die »wirtschaftliche Expansion« Springers verhindern, während für die DDR der Springer-Verlag ein Dorn im Auge gewesen sei, ein »Symbol für den ideologischen Krieg« in der Zeit des Kalten Kriegs im geteilten Deutschland, das die Ausweitung des Kommunismus in der 67 | M. Seitenbecher: Mahler, Maschke & Co., S. 11. 68 | B. Rabehl: »Die drei Anti-Springer-Kampagnen«, S. 149 f.
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Bundesrepublik erschwert habe.69 Diese beiden Kampagnen gegen Springer seien erfolgreich gewesen. Zum einen habe Springer darauf verzichtet, sowohl neben dem Spiegel ein neues Nachrichtenmagazin als auch neue Konkurrenzzeitschriften zum Stern und der Zeit herauszubringen. Zum anderen wurde 1968 die Deutsche Kommunistische Partei gegründet, die finanziell und ideologisch komplett von der SED abhängig gewesen sei und Gewerkschaften, Hochschulen und SPD beeinflusst habe. Der Kampagne der APO schreibt Rabehl, obwohl die Mobilisierung nach dem Attentat auf Dutschke ihren Höhepunkt erlebte, andere Folgen zu. Aufgrund der Politik der neuen sozialliberalen Koalition und der Legalisierung der Deutschen Kommunistischen Partei sei ein großer Teil der aufbegehrenden Studenten und Jugendlichen dauerhaft in den Rahmen der parlamentarischen Demokratie zurückgekehrt.70 Die publizistische Kritik am Springer-Verlag und die gegen ihn gerichte Kampagne seiner Konkurrenten spielte eine die Anti-Springer-Kampagne der APO unterstützende Rolle. Sie wirkte mobilisierend auf die APO. Sie trug indirekt zur Verschärfung der Auseinandersetzung zwischen der Kampagne der APO auf der einen und dem Springer-Verlag auf der anderen Seite bei, obgleich Augstein und Bucerius, als sie die Kampagne finanziell unterstützten, auch eigene wirtschaftliche Interessen verfolgten und die wirtschaftliche Übermacht des Springer-Verlags einzuschränken versuchten. Das MfS, das eine eigene Anti-Springer-Kampagne führte, wollte diejenige der APO steuern oder zumindest auf sie einwirken, indem sie im Oktober 1967 innerhalb des Zentralkomitees eine Arbeitsgruppe für die Unterstützung der bereits angelaufenen Anti-Springer-Operation in Westdeutschland gründete. Eine starke Beeinflussung der APO-Kampagne durch das MfS ist jedoch, so ein Ergebnis der vorliegenden Studie, nicht erwiesen. Die Studentenbewegung, insbesondere der antiautoritäre Flügel des SDS, versuchte in der Regel, jede Instrumentalisierung durch die Stasi abzuwehren. Für die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Springer-Verlag waren nicht die Kampagnen der Hamburger SpringerKonkurrenz und nicht die Kampagne der DDR ausschlaggebend, sondern die Kampagne der APO. Ihr fiel in der Auseinandersetzung mit dem Verlag zweifelsohne die Hauptrolle zu. Aus dieser Perspektive lässt sich die Behauptung nicht nachvollziehen, die Anti-Springer-Operation der APO sei weniger erfolgreich gewesen als die anderen Kampagnen. Diese These hat – ob beabsichtigt oder nicht – Missverständnissen Vorschub geleistet, die zu dem Eindruck führen können, die Kampagne der APO sei erfolg- oder gar wirkungslos gewesen. Das trifft auch für die Bilanz der 68er-Bewegung insgesamt zu, in deren Zusammenhang von den »Niederlagen in der Kampagne gegen die Pressepolitik
69 | Ebd., S. 143. 70 | Ebd., S. 150.
Schluss
des Axel Springer-Verlags« 71 gesprochen wird. Letztlich ist die Anti-SpringerKampagne nicht als Misserfolg zu werten, auch wenn der Verlag seine Pressepolitik nicht grundlegend neu ausgerichtet hat. Mit ihren tiefgreifenden Auswirkungen sowohl auf den Springer-Verlag und dessen Geschichte als auch auf die Medienlandschaft der Bundesrepublik kann am Ende keinesfalls von Erfolglosigkeit gesprochen werden. Als Rudi Dutschke niedergeschossen wurde, textete der Liedermacher Wolf Biermann in seinem Song »Drei Kugeln auf Rudi Dutschke«: »Die Kugel Nummer eins kam aus Springers Zeitungswald«. Mit der Anti-Springer-Kampagne stellte die 68er-Bewegung den sich ausbreitenden Zeitungswald Springers in Frage. Mit der Anti-Springer-Kampagne gelang es der 68er-Bewegung erstmals, die Macht des Presseimperiums zu problematisieren und sie in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit zu rücken. Mit ihrer Verteufelung des Protests und der Stigmatisierung der Protestierenden befeuerten die SpringerZeitungen die Kampagne. Die von hitzigen Aktionen geprägten Springer-Blockaden blieben nicht ohne Folgen. Als unmittelbare Reaktion auf die kritische Öffentlichkeit stieß Axel Springer am Ende einige Teile seines Zeitschriftenimperiums ab und stellte seine publizistische Expansionsstrategie ein. Obgleich die verkauften Zeitschriften nichts mit denjenigen Presseorganen zu tun hatten, die in der Öffentlichkeit scharf kritisiert wurden, bedeuteten die Verkäufe eine der entscheidenden Zäsuren in der Verlagsgeschichte. Zwar machte der Springer-Konzern 1969 900 Millionen DM Umsatz und lag damit in der Bundesrepublik weiterhin an der Spitze,72 doch der Abstand zum zweitgrößten Verlag verringerte sich. Nachdem es sein Territorium 20 Jahre lang erweitert hatte, war die Ausdehnung des Springer’schen Presse-Imperiums zu einem Ende gekommen. Im Kampf gegen dieses Imperium war Goliath, der »MammutVerleger«,73 in die Knie gegangen. Welche Spuren hinterließ die Anti-Springer-Kampagne im Medienbereich der Bundesrepublik Deutschland? Im Juli 1969 schrieb Rudolf Augstein: »Sowenig die APO ihrem Ziel – Enteignung der Presseherren – näherkommen konnte, so gründlich hat sie das Selbstverständnis bei jenen Publikationsmenschen geschüttelt und gerüttelt, die überhaupt noch bereit waren, ihre eigene Rolle und ihre Interessen zu überdenken, den autoritär geführten und verkrusteten SPIEGEL nicht ausgenommen.«74
71 | W. Kraushaar: Achtundsechzig, S. 286. 72 | Vgl. W. Schneider: Die Gruner + Jahr Story, S. 69. 73 | H.-P. Schwarz: Axel Springer, S. 469. 74 | Zit. n. L. Brawand: Rudolf Augstein, S. 184 f. Vgl. auch P. Merseburger: Rudolf Aug stein, S. 415.
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Augstein bescheinigte der APO und ihrer Anti-Springer-Kampagne, nachhaltig auf die Medien der Bundesrepublik Deutschland eingewirkt zu haben. Auch noch Jahre später spielte die scharfe Kritik an der Pressepolitik des SpringerKonzerns eine Rolle. Es erwies sich als schwierig, die von der Anti-SpringerOperation und der kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzern in der deutschen Mediengeschichte hinterlassenen Spuren zu verwischen, wie das Beispiel der 1976 durchgesetzten verschärften Pressefusionskontrolle zeigt. Das Vorhaben des Springer-Konzerns, sich 1978 mehrheitlich an dem Münchener Zeitungs-Verlag zu beteiligen und 1982 mit Burda zu fusionieren, untersagte das Bundeskartellamt – ebenso wie 2006 die Übernahme der ProSiebenSat.1 Media AG, mit der Springer seinen lange gehegten großen Traum vom eigenen Fernsehsender endlich hätte realisieren können. In einem Interview mit dem Spiegel gestand Thomas Schmid, Chefredakteur der Welt-Gruppe, im Jahr 2010 die Probleme ein, die die Schlagzeilen der Springer-Presse verursacht hatten. Es seien Fehler gemacht worden, dafür habe der Springer-Verlag sich mehrfach entschuldigt. Um sich kritisch mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen, stelle das Verlagshaus alle damaligen Artikel der Springer-Presse zum Thema der 68er-Bewegung ins Internet.75 Noch 1991 hatte Claus Jacobi, ein Springer-Journalist, die Anti-Springer-Kampagne »linker Magazine und linker Intellektueller, linker Studenten und simpler Rowdys« (Axel Springer) als die »umfangreichste Hatz« beschrieben, zu der es in der Bundesrepublik gegen »einen Privatmann« gekommen sei.76 Er hatte die Kampagne dadurch entpolitisieren wollen, dass er sie als gegen einen »Privatmann« und nicht gegen ein antidemokratisches System, das es zu bekämpfen galt, gerichtet betrachtet hatte. Die weite Wirkung der Kampagne schlägt sich in der bis heute oft wiederholten Kritik am Verlag und dessen Zeitungen, insbesonders der Bild-Zeitung, nieder. Der Journalist Stefan Niggemeier etwa gehört zu den Gründern des bekannten und populären Bildblogs (www.bildblog.de), das sich kritisch mit der Springer-Presse befasst und nahezu täglich auf Verstöße gegen journalistisches Handwerk, Anstand und Moral hinweist. Zuletzt wurde im April 2012 eine Kampagne gegen Bild organisiert, die am 23. Juni 2012 anlässlich ihres 60-jährigen Bestehens gratis eine Sonderausgabe an alle deutschen Haushalte verteilen wollte. Die Kampagne mobilisierte innerhalb von zwölf Tagen 200.000 Bürger, die Widerspruch beim Springer-Verlag einlegten und erklärten, keine Bild-Zeitung in ihren Briefkästen vorfinden zu wol-
75 | O. A.: »Zeitgeschichte. ›Wir wollen Sachlichkeit‹«, in: Der Spiegel vom 18. Januar 2010, S. 114. Im Januar 2010 öffnete der Springer-Verlag das Onlinearchiv über die 68er-Zeit. Vgl. ebd. 76 | Jacobi, Claus: Fremde, Freunde, Feinde. Eine private Zeitgeschichte, Berlin 1991, S. 272.
Schluss
len.77 Die Anti-Springer-Kampagne der APO stellt kein abgeschlossenes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte dar, sondern vielmehr eine noch laufende Kampagne, die sich immer wieder angesichts neuer Anlässe aktualisiert und immer wieder ins Bewusstsein tritt. Seit 2008 treffen in Berlin vor dem Springer-Hochhaus zwei Symbolfiguren aufeinander, die die Auseinandersetzungen um den Springer-Konzern im 20. Jahrhundert prägten: Dutschke und Springer, als »Rudi-Dutschke-Straße« und »Axel-Springer-Straße« – wie in einem Kampf gegenüberliegend positioniert. Der Name Dutschkes wurde nach jahrelangen politischen und gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Umbenennung der Straße nunmehr fest in die Architektur der Hauptstadt eingeschrieben – und damit die Kritik der APO an Springer institutionalisiert.
77 | Vgl. Internetseite der Nichtregierungsorganisationvon »Campact«, in: https:// www.campact.de/bild/home / v om 18. Januar 2014.
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Anhang A bkürzungen AC Argument-Club APO außerparlamentarische Opposition APO-Archiv Archiv »APO und soziale Bewegungen« an der Freien Universität Berlin AStA Allgemeine Studentenausschuss ASV-UA Axel Springer Unternehmensarchiv in Berlin AUSS Aktionszentrum unabhängiger und sozialistischer Schüler BV Bundesvorstand B.Z. Berliner Zeitung CISNU Conföderation Iranischer Studenten-Nationalunion DFU Deutsche Friedens-Union DK Delegiertenkonferenz ESG Evangelische Studentengemeinde FDJ Die Freie Deutsche Jugend FU Freie Universität FU, HiU Freie Universität Berlin 1948-1973. Hochschule im Umbruch GAST Gewerkschaftlicher Arbeitskreis der Studenten HSU Humanistische Studenten-Union HU Humanistische Union KfA Kampagne für Abrüstung KfDA Kampagne für Demokratie und Abrüstung KU Kritische Universität LSD Liberaler Studentenbund Deutschlands MfS DDR-Ministerium für Staatssicherheit NL Nachlass RC Republikanischer Club in Westberlin RCDS Ring Christlich-Demokratischer Studenten SDS Sozialistischer Deutscher Studentenbund Sozialdemokratischer Hochschulbund SHB SFB Sender Freies Berlin
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
TU VDS
Technische Universität Verband Deutscher Studentenschaften
A rchivalien Folgende Archive wurden genutzt: Archiv »APO und soziale Bewegungen« der FU (zitiert als: APO-Archiv) • • • • • • •
Bestand: SDS Bestand: Berlin-RC Bestand: Berlin-FU Bestand: Berlin-TU Bestand: Privatsammlung von Bernhard Blanke Unverzeichnete Bestände Pressausschnittsammlung
Axel Springer Unternehmensarchiv in Berlin (zitiert als: ASV-UA) • Bestand: »Anti-Springer-Kampagne« • Nachlass Dr. Horst Mahnke, Geschäftsführer des Redaktionellen Beirats (zitiert als: NL Horst Mahnke) • Publikationen des Springer-Verlags
Einzelnachweise XVII. Ordentlicher Bundesparteitag der FDP vom 6. bis 7. Juni 1966 in Nürnberg, stenographisches Protokoll, S. ›M3‹f., in: Archiv des Deutschen Liberalismus, A-1 (Bundesparteitag), 309. Altvater, Elmar / Blanke, Bernhard / Dutschke, Rudi / K rahl, Hans-Jürgen / Schauer, Helmut: Resolution der 22. ordentlichen Delegiertenkonferenz des SDS (8.9.1967) zum Kampf gegen Manipulation und für die Demokratisierung der Öffentlichkeit, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, [Frank] Deppe / [ Tilman] Fichter. AStA der FU Berlin, Dokumente des 2. Juni 1967 und der Zeit danach, 7. Juli 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / TU-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. AStA München, »Öffentlichkeitsarbeit«. Einladungsschreiben des Münchener AStA, 27. Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne.
Anhang
AStA Hamburg, »AStA-Info: Informationen des Allgemeinen Studentenausschusses der Universität Hamburg«, Nr. 1, 16. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. AStA / SHB Tübingen, »Dokumentation zur Pressekonzentration«, 20. November 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Axel Springer Verlag AG, Abteilung Information (Hg.): Kampf gegen Springer. Angriffe, Gewaltakte, Boykottaufrufe. Eine Dokumentation, Berlin (August) 1971, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Bericht des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung an den Bundeskanzler, September 1967, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. Bericht von Mahnke an Springer, »Betr.: DGB«, 8. August 1967, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. Bericht von Mahnke an Springer, »Betr.: Studenten«, 4. Juli 1967, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. Blanke, Bernhard / Hameister, Hans-Joachim / Schneider, Peter: »Springertribunal Berlin«, das vorbereitende Sekretariat des Springer-Tribunals, o. D., vermutlich Oktober oder November 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Brief an den SDS-BV Diether Sterzel vom 2. November 1962, in: APO-Archiv, SDS-BV, Spiegel-Affäre, 1962. Büro des Springertribunals, Rundbrief, o. D., vermutlich Januar 1968, in: APOArchiv, SDS-Springer Kampagne. Buro, Andreas: »Überlegungen zur Springer-Aktion der Kampagne«, Vorlage für die Zentralausschuß-Sitzung der KfA vom 4. / 5. November 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Der Extra-Dienst GmbH (Hg.): »Extrablatt«, in Zusammenarbeit mit der KfA, o. D., vermutlich im Januar 1968, in: APO-Archiv, Springer, Privatbesitz von Bernhard Blanke. Ermittlungskomitee der Arbeiter, Schüler und Studenten, »Ermittlungen über Aktionen und Demonstrationen der außerparlamentarischen Opposition und die vergeblichen Versuche der Polizeibürokratie sie zu liquidieren: Westberlin Ostern 1968«, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. Flugblatt aus Lindau, »Wir demonstrieren gegen Axel Cäsar Springer«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt der Anti-Springer-Kampagne, »Anleihe der Antispringer-Kampagne 1000 DM«, 1968, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. Flugblatt der Asten der FU, TU und Pädagogischen Hochschule, »Berlinerinnen und Berliner!«, o. D., vermutlich Juni 1967, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker.
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Flugblatt der DFU, »Hamburg schläft nicht!«, 18. November 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt der FU, o. T., o. D., vermutlich Juni 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / TU-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Flugblatt der FU, »Dokumentation der Ereignisse seit dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke«, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. Flugblatt der KU für die Veranstaltung am 1. Februar 1968, Arbeitskreis der KU, Springertribunal, in: APO-Archiv, FU-Flugblätter, Internationale Vietnam-Konferenz, Februar 1968. Flugblatt der HU, »Terror in Berlin?«, 25. September 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / TU-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Flugblatt der HU, »Was nun noch?«, 23. Juli 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / TU-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Flugblatt der KfA, »Besser Springer jetzt enteignen!«, o. D., in: APO-Archiv, Springer, Privatbesitz von Bernhard Blanke. Flugblatt der Studentenvertretung der TU und der FU, »Pressekonzentration in Berlin«, o. D., in: APO-Archiv, Berlin FU, November / Dezember 1967. Flugblatt der KfDA, »Die Saat geht auf: Attentat auf Rudi Dutschke!«, o. D., vermutlich April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt der TU, »Warum wurde das Springer-Hearing vertagt?«, 13. Februar 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Flugblatt des Aktionskomitees der Schüler, Studenten und Arbeiter, »?«, 13. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (DutschkeAttentat), April 1968. Flugblatt des Aktionskomitees der Schüler, Studenten und Arbeiter, »Was haben wir getan?«, 14. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FUFlugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. Flugblatt des AStA der FU Berlin, »Liebe Kommilitonen!«, 13. November 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU, November / Dezember 1967. Flugblatt des AStA der Universität in Frankfurt a. M., »Bürgerinnen und Bürger!«, o. D., vermutlich Juni 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des AStA der Universität Konstanz, »Springers Macht ist undemokratisch«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ASV-UA, Bestand AntiSpringer-Kampagne. Flugblatt des AStA Hamburg, »So informiert euch BILD«, April 1968, in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des AUSS, o. T., o. D., in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des Demokratischen Forums in Bad Kreuznach, »Vorsicht Rauschgift!«, 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
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Flugblatt des Jüdischen Arbeitskreises für Politik – Berlin e. V., »Rudi Dutschke auf offener Straße niedergeschossen!!!«, 11. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Flugblatt des LSD Berlin, »Pressefreiheit heute?«, 16. Oktober 1967, in: APOArchiv, Berlin FU Allgemein, FU / TU-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Flugblatt des Ostpolitischen Deutschen Studentenverbands Berlin, »Auf ein Wort, Herr Mahler u. Genossen!«, o. D., vermutlich April 1968, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. Flugblatt des SDS, Born, Konrad, »Der Song von der Springer-Presse«, 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS, »Enteignet Springer!«, o. D., in: APO-Archiv, SDS-BV, 1967. Flugblatt des SDS, »Offener Brief an Sammy Davis Junior«, November 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS, »Panoptikum – 67. Buchmesse oder Bildzeitung«, o. D., in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS, »Sie lesen heute in der Bild-Zeitung«, o. D., vermutlich 30. Januar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS, »Springer nicht enteignen …?«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS Berlin, »Attentat auf Dutschke – Bild war dabei – Attentat auf Dutschke«, o. D., vermutlich 11. April 1968, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. Flugblatt des SDS Berlin, »Freunde und Genossen!«, 11. April 1968, in: APOArchiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. Flugblatt des SDS Berlin, »Warum mußte Albertz gehen?«, 27. September 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / TU-Flugblätter, Juli-Oktober 1967. Flugblatt des SDS Erlangen-Nürnberg, »Flugblatt Nr. 4«, o. D., vermutlich Juni oder Juli 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS Hamburg, »Springer-Aktion«, 26. Oktober 1967, in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des SDS Hannover, »Terror wird Methode!«, 13. April 1968, in: Stadtarchiv Hannover, Sammlung Weiberg 71. Flugblatt des Springer-Verlags Berlin / Heidelberg / New York, Januar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt des RCDS-FU, »Zur Klarstellung – Gegen Flüsterpropaganda von Rechts«, 25. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU / TUFlugblätter, Juli-Oktober 1967. Flugblatt verschiedener Studentenverbände vom 10. Juni 1965, in: APO-Archiv.
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Flugblatt von AStA, SHB, HSU, AUSS, Gewerkschaftlicher Studentengruppe, SDS, jeweils Hamburg, »Mordanschlag auf Dutschke – die Tat eines Irren?«, o. D., vermutlich 14. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-SpringerKampagne. Flugblatt von AStA, SHB und SDS, jeweils Hamburg, »Attentat auf Dutschke«, 12. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt von SDS, RC und den Falken, o. T., 25. August 1967, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / Fichter. Flugblatt von Studenten, »Geplanter Mord!«, Vorbereitender UntersuchungsAusschuss an der FU, 3. Juni 1967, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. Flugblatt von Studenten, »Kommilitonen«, 7. November 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Flugblatt von Studenten, »Wer ist hier Nazi und wer Jude?«, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Fritz Sänger an Karl Mommer und Georg Kurlbaum, 22. Februar 1966, in: Archiv der Sozialdemokratie, Nachlass Fritz Sänger, 102. Hausmitteilung des Springer-Verlags am 16. Februar 1968 an Weber, in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Huffschmid, Jörg: »Pressekomitee im Republikanischen Club: Protokoll der Sitzung am 21. August 1967«, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / Fichter. Internationales Studentenseminar der Universität Ljubljana, Solidaritätsbrief, 15. April 1968, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968. Jugend-Schnelldienst vom 15. November 1962, in: APO-Archiv, SDS-BV, Spiegel-Affäre, 1962. Kerneck, Heinz: »Pressemonopole – Gefahr für die Freiheit?« Vortrag auf Einladung des AStA der Universität Bonn, 21. Mai 1965, in: Archiv für Christlich-Demokratische Politik 12 / 16 (»Pressekonzentration I, vom Mai 1964 bis 31. Dezember 1971«). Kieling, Wolfgang, »Erklärung des Schauspielers Wolfgang Kieling«, in: APOArchiv, SDS-Springer Kampagne. KfA, »Betr.: Kampagne gegen den Springer-Konzern«, Einladungsbrief, 22. September 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Dies., »Teilnehmerliste« der Offenbacher Konferenz vom 6. Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Klose, Walter / Daacke, Berta von, »Erklärung des Gesamtbetriebsrats der zum Verlagshaus Axel Springer gehörenden Unternehmen«, 18. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. KU, Plakat für die Veranstaltung am 1. Februar 1968, Arbeitskreis der KU, Springertribunal, in: APO-Archiv, FU-Flugblätter, Internationale VietnamKonferenz, Februar 1968.
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Dies., »Information Nr. 1«, Seminar II der Kritischen Universität, am 23. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Dies., »Zur Notwendigkeit von Kampagnen – Erfahrungen des Arbeitskreises Springer der Kritischen Universität«, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Kuhlemann an Schröder, in: Hausmitteilung des Springer-Verlags, 30. Januar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Neander, Joachim: »22. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt (4. bis 8. Sept. 1967). Bericht und Analyse«, in: ASV-UA, Bestand Anti-SpringerKampagne. O. A.: »Time über Axel Springer«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Dezember 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Als sei es gestern gewesen…«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Anzeigen, Vertrieb und Jugend-Zeitschriften«, in: APO-Archiv, Berlin FU, November / Dezember 1967 O. A.: »Attentat Contre Rudi Dutschke«, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Auslandsstimmen zu den Terrorakten«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom April 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Ausschnitte aus Solidaritätstelegrammen«, Nr. 1 / 14.4.68, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968 O. A.: »Axel Springer-Story im Stern«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom November 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »›Berliner Studenten und die Presse‹. Bericht über eine Untersuchung«, in: Springer-Post / Ullstein-Post vom Oktober 1967, in: ASV-UA. O. A.: »Berliner Studenten und die Presse«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom August 1967, in: ASV-UA. O. A.: »Das Problem der Hochschulreform im Spiegel der Zeitungen des Verlagshauses Axel Springer: Eine Dokumentation«, Mai 1968, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. O. A.: »Die Opfer sagen aus«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Die Rolle des Verlagshauses Axel Springer in der studentischen ›Scheinrevolution‹: Eine Dokumentation«, o. D., vermutlich Juli oder August 1968, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. O. A.: »Die studentische Ideologie«, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. O. A.: »Die Tatsachen auf den Kopf gestellt«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom April 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Durchschlagende Argumente«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
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O. A.: »Forderungen der Außerparlamentarischen Opposition an Senat und Abgeordnetenhaus von Westberlin«, 12. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. O. A.: »Frage: Wer macht hier wen eigentlich dumm?«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Für Totalitäre Methoden ist kein Platz: Zu den Gewaltaktionen gegen unser Verlagshaus«, Springer-Post / Ullstein-Post vom März 1968, in: ASVUA. O. A.: »Hilfstrupps der SED marschieren voran«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »IG Druck und Papier gegen Enteignungsforderung«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom April 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Jenseits der Legalität«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Kampagnen gegen Springer von August 1967 bis Anfang März 1968«, Liste aus dem Springer-Verlag, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Konzeption des Springer-Tribunals – Vorläufiger Entwurf«, Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. O. A.: »Liebe Genossen«, ein Brief, 14. April 1968, aus Paris, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968. O. A.: »Meine lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter«, in: Springer-Post / Ullstein-Post vom April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Pressekomitee im Republikanischen Club: Protokoll der Sitzung am 21. August 1967«, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / Fichter. O. A.: »Prof. Dr. Eugen Kogon: Rede am 9. Februar 1968«, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. O. A.: »Resolution vom 9.2.1968«, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. O. A.: »Revolution ist ein Gewaltakt!«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »›Rote‹ Faschisten«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand AntiSpringer-Kampagne. O. A.: »SDS: Alle Macht den Räten«, in: Extra, Februar 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Springer«, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. O. A.: »Springers Zeitschriften-Verkäufe«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Juni 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Streng vertrauliche Notiz für Horst Mahnke«, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. O. A.: »Studentendemonstration mit Angriffen auf Springer-Presse«, in: ASVUA, NL Horst Mahnke.
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O. A.: Telegramme, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968 O. A.: »Warum stinkt Bild heute?«, Abschrift eines Zettels an Verkaufshilfen der Bild-Zeitung in München, 4. Dezember 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. O. A.: »Was und wer steckt hinter der Forderung nach der ›Enteignung des Axel-Springer-Verlages‹?«, in: Springer-Post / Ullstein-Post vom September 1967, in: ASV-UA. O. A.: »Wer schoß auf Rudi Dutschke?«, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968. O. A.: »Zeit-Informationen zum Michel-Bericht«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Mai 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A.: »Zu guter letzt«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Februar 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. O. A. [Lefèvre, Wolfgang]: »Berliner Winter«, Manuskript, o. D., vermutlich März 1968, in: APO-Archiv, Springer, Privatbesitz von Bernhard Blanke. Plakat für das Springer-Hearing, »Hearing über den Springer-Konzern«, o. D., vermutlich Anfang Februar 1968, in: APO-Archiv. Ploog, Arno, »Sei bös zu Dir: nimm Bild«, Sonderdruck der KfA, o. D., in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Postkarte, die ein Foto von Axel Springer mit dem Becher zeigte, vermutlich Januar 1968, in: APO-Archiv, Devotionalien, Privatbesitz von Siegward Lönnendonker. Postkarte der KfDA, 15. April 1968, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. RC, »Abrechnung Springer-Komitee des Republikanischen Clubs e. V.«, 10. Juni 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Ders., »An alle Gutachter!«, Rundbrief vom Büro-Springer-Hearing des RC, 11. Juni 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Ders., »An alle Mitarbeiter!«, Rundbrief des RC vom Büro-Springer-Hearing, 8. April 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Ders., »Einladungsbrief zur außerordentlichen Mitgliederversammlung des RC«, o. D., in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Ders., »Entwurf eines Arbeitsprogrammes des Republikanischen Clubs«, o. D., vermutlich Ende 1968, in: APO-Archiv, SDS / RC. Ders., Informationsblatt, »Der Republikanische Club in Westberlin«, o. D., vermutlich April 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Ders., »Informationsbrief IV«, 25. Juli 1967, in: APO-Archiv, SDS / RC. Ders., »Informationsbrief VIII«, 5. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Ders., »Informationsbrief XIV«, 17. April 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Ders., »Jahresbericht«, Marianne Regensburger, 25. Mai 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973.
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Ders., »Pressekomitee im Republikanischen Club: Protokoll der Sitzung am 21. August 1967«, in: APO-Archiv, SDS-»Manipulation«, Privatbesitz, Deppe / Fichter. Ders., »Programm des Springer-Hearing«, o. D., in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne Ders., »Rechenschaftsbericht des Vorstandes«, Klaus Meschkat, 25. Mai 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Ders., »Sehr geehrter Herr«, Rundbrief vom Büro-Springer-Hearing des RC, 15. März 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Ders., »Selbstdarstellung aller im RC tagenden Arbeitskreise«, o. D., vermutlich Mai 1968, in: APO-Archiv, SDS / RC. Regensburger, Marianne: »Jahresbericht des RC«, 25. Mai 1968, in: APO-Archiv, Berlin RC 1967-1973. Resolution der 2. Delegiertenkonferenz des AUSS, in: APO-Archiv, SDS-BV, 1967. Rundschreiben des RC, 18. Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS / RC. Rundschreiben des RC, 8. September 1967, in: APO-Archiv, Berlin RC 19671973. Rundschreiben des RC, o. D., in: APO-Archiv, SDS / RC. Runge, Jürgen-Bernd (Vorsitzender des RCDS-FU): »RCDS an der FU zur Pressekonzentration«, 25. Oktober 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. San Francisco Local Young Socialist Alliance, Telegramm, 17. April 1968, in: APO-Archiv, SDS-BV, Post 1968. Schauer, Helmut: »Bemerkungen zu allgemeinen praktischen Fragen der Springer-Aktion«, o. D., vermutlich im September 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Ders.: »Entwurf für Leitsätze zur Kritik autoritärer Meinungsbildung und der Rolle des Springer-Konzerns«, Zentralausschuss der KfA, o. D., vermutlich im September 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Schubartchronik 3 (1967), o. D., vermutlich im Oktober 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. SDS-BV, »Niederlage oder Erfolg der Protestaktion: Erklärung des SDS«, 6. Juni 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Ders., »Rechenschaftsbericht des Bundesvorstands«, in: Dokumente der 23. ordentlichen Delegiertenkonferenz des SDS, September 1968, in: APOArchiv, SDS-BV, 23. DK. Ders., Rundschreiben Nr. 1 (31. Oktober 1962), in: APO-Archiv in Berlin, SDSBV, Spiegel-Affäre, 1962. Ders., Nr. 2 (2. November 1962), Nr. 3 (7. November 1962), Telegramm (16. November 1962), in: APO-Archiv, SDS-BV, Spiegel-Affäre, 1962.
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SDS-Flugblätter: »Praktizierter Notstands-Staatsbesuch« und »Die Vereinigten Staaten, die Befreiungsbewegungen und die Sowjetunion«, o. D., vermutlich Ende Mai oder 1. Juni 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-SpringerKampagne. SDS München, »Sozialwissenschaftliche Reihe des SDS, WS 67 / 68«, o. D., in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne.»Springer«, in: ASV-UA, NL Horst Mahnke. Springer, Axel, »Axel Springer nimmt Stellung«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Mai 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. Ders.: »Interview mit der ›Neuen Revue‹«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom Februar 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer. Springer-Enteignungskomitee, Gegen-Bildzeitung, Nr. 2, o. D., vermutlich Ende September 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Dass., Gegen-Bildzeitung, Nr. 3 vom 7. Oktober 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Dass., Gegen-Bildzeitung, Nr. 4 vom 11. Oktober 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Springer-Verlag (Hg.): »Springer enteignen – Beiträge zur Diskussion über die Pressekonzentration«, November 1967, in: APO-Archiv, Berlin FU, November / Dezember 1967. Vack, Klaus: »Protokoll der Konferenz über die Fortführung der Anti-SpringerKampagne vom 6. Oktober 1967«, 15. Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDSSpringer Kampagne. Ders.: Rundbrief aus dem »Verteilerbüro der Springer-Kampagne« vom 1. Dezember 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Ders.: Rundbrief aus dem »Verteilerbüro der Springer-Kampagne« vom 8. November, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Ders.: Rundbrief aus dem »Verteilerbüro der Springer-Kampagne« vom 9. Februar 1968, in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne. Verlagshaus Axel Springer (Hg.): Die These von der »Enteignung des AxelSpringer-Verlages«. Ihr Ursprung und ihre Verbreitung, Juli 1967, in: APOArchiv, Berlin FU Allgemein, FU-Flugblätter (Dutschke-Attentat), April 1968. Verlagshaus Axel Springer, Information Berlin (Hg.): Das »Springer-Monopol«. Eine Klarstellung, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne. Dass. (Hg.): Studenten und Presse in Berlin. Eine Untersuchung der Berichterstattung in Zeitungen und Zeitschriften über die Unruhen in Berlin am 2. Juni 1967 und deren Hintergründe, August 1967, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
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Dass. (Hg.): »Viel Lärm um ein Zeitungshaus«. Rede des Verlegers Axel Springer vor dem Übersee Club in Hamburg, 26. Oktober 1967, in: APO-Archiv, SDS-Springer (auch in: H. Wallenberg [Hg.], Axel Springer [1971], S. 139-158; in Auszügen auch in: M. Döpfner [Hg.], Axel Springer [2005], S. 187-196). Weber an Kripahle (beide Mitarbeiter des Springer-Verlags), o.T., 9. Oktober, in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne.
Z eitungen , Z eitschrif ten , N achrichtenmaga zine Folgende Periodika wurden genutzt: • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
Abendzeitung auditorium [Hamburger Studentenzeitschrift] Berliner Extrablatt Berliner Extra-Dienst [gegen das Monopol der Springer-Presse im Mai 1967 in Berlin gegründete Zeitung] Berliner Morgenpost Berliner Zeitung Bild am Sonntag Bild-Zeitung Capital Der Spiegel Deutsche Außenpolitik Die Welt Die Zeit DISKUS [Frankfurter Studentenzeitung] ergo [»unabhängige Jugendzeitung« aus Wetter (an der Ruhr)] Extrablatt Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Rundschau Freiburger Studenten Zeitung frontal FU-Spiegel [Offizielle Studentenzeitschrift an der Freien Universität Berlin] Gewerkschaftliche Monatshefte Hamburger Abendblatt Hamburger Extrablatt [Hamburger Studentenzeitung] Informationen zur Abrüstung [Zeitschrift der KfA] konkret kulturpolitische Korrespondenz Kursbuch
Anhang
• linkeck [von einer Kommune namens Linkeck herausgegebene Westberliner Untergrundzeitschrift] • LSZ – Liberale Studentenzeitung • marburger blätter [Marburger Studentenzeitung] • Marxistische Blätter • Metall • Monat • National-Zeitung • neue kritik • Neue Politik • Neue Westfälische • Neues Deutschland • nobis [Studentenzeitung aus Mainz] • notizen [Tübinger Studentenzeitung, hg. vom RCDS] • Oberbaum Blatt [Berliner links-alternative Wochenzeitung] • pardon • Positionen [Zeitschrift der Falken, das ist die Sozialistische Jugend Deutschlands in Berlin] • Publizistik • Schubartchronik [Schülerzeitung aus Ulm] • skizze [Studentenzeitung an der Universität Kiel] • Semesterspiegel [Studentenzeitung aus Münster] • Sozialistische Politik • Springer-Post / Ullstein-Post [Haus-Illustrierte für alle Mitarbeiter des Verlagshauses Axel Springer] • Stern • Stuttgarter Zeitung Online • Süddeutscher Zeitung • Südkurier • Tagesspiegel • tageszeitung • Telegraf • Unsere Medien Unsere Republik • Vorgänge • Welt am Sonntag • Welt der Arbeit • ventil [Studentenzeitung des AStA der Technischen Hochschule Karlsruhe] • Westfälische Rundschau • Zur Sache [Studentenzeitung der Universität Hamburg, hg. v. AStA Hamburg]
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Einzelnachweise Abosch, Heinz: »BILD-Leser sehen dich an«, in: konkret vom Juli 1962, S. 5. Ahrweiler, Georg: »Polizei probt den Notstand« in: marburger blätter 17, 113 (1967), S. 3. Augstein, Rudolf: »Ave Cäsar«, in: Der Spiegel vom 3. Oktober 1966, S. 20. Ders.: »Enteignen?«, in: Der Spiegel vom 25. September 1967, S. 24 f. Ders.: »Knüppel frei?«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 22. Ders.: »Lex Springer«, in: Der Spiegel vom 1. August 1966, S. 10-12. Ders.: »Ulbricht und der Stimmzettel«, in: Der Spiegel vom 2. Mai 1966, S. 2629. Aust, Stefan: »Staat der Gewalt. Protokoll eines Attentats«, in: konkret vom Mai 1968, S. 7-11 und S. 37. Berg, Hanjo: »Dieser Tage in Berlin«, in: skizze 15, 4 (1967), S. 14 f. Bissinger, Manfred: »Die Axel-Springer-Story«, in: Stern vom 12. November 1967, S. 34-44. Bohrer, Karl Heinz: »Die linke Minderheit –Theorie und Praxis der Rebellen von Berlin«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. Juni 1967. Braunbehrens, Volkmar von: »Die kritische Universität. Eine Gegenuniversität – wofür oder wogegen?«, in: Vorgänge 7, 2 (1968), S. 71-75. Christian, Peter: »Springers ›Welt‹-›Bild‹ I: Im Dienst der Bürgerkriegsstrategie«, in: Marxistische Blätter 4, 5 (1966), S. 7-11. Conrad, Bernt: »Freiheit – kein Freibrief für Rowdys«, in: Die Welt vom 5. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202130/537. jpg.pdf). Dahlkamp, Jürgen / Röbel, Sven / Sontheimer, Michael / Soukup, Uwe / Stark, Holger / Wensierski, Peter: »Zeitgeschichte. Aus kurzer Distanz«, in: Der Spiegel vom 23. Januar 2012, S. 36-45. Döpfner, Mathias / Grass, Günter: »Spiegel-Streitgespräch. ›Wir Deutschen sind unberechenbar.‹ Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner debattiert mit Literaturnobelpreisträger Günter Grass über die Medienmacht des Verlags, das Amerika-Bild der Deutschen sowie Verdienste und Fehler der 68er«, in: Der Spiegel vom 19. Juni 2006, S. 156-163. Dutschke, Rudi: »Zum Verhältnis von Organisation und Emanzipationsbewegung«, in: Oberbaum Blatt vom 12. Juli 1967, S. 5. Engelmann, Bernt: »Die Traumfabrik des Axel Sp… (Schluß)«, in: Metall vom 21. Februar 1967, S. 6. Ders.: »Die Traumfabrik des Axel Sp… (Teil I)«, in: Metall vom 24. Januar 1967, S. 6. Ders.: »Die Traumfabrik des Axel Sp… (Teil II)«, in: Metall vom 7. Februar 1967, S. 6.
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Faber, Ulrich: »Springeropfer«, in: Express International vom 25. September 1967, S. 2. Fried, Erich: »Rede von Erich Fried«, in: tageszeitung vom 7. Januar 1980 (auch in: R. G. Küpper [Hg.], Der Tod von Rudi Dutschke [1981], S. 252). FU-Spiegel 13, 58 (1967) (= Sonderdruck). Göpfert, Winfried: »Springers Kreuzzug gegen die Studenten«, in: ventil 15, 4 (1967), S. 4 f. Grass, Günter: »›Gewalttätigkeit ist wieder gesellschaftsfähig‹. Günter Grass zum 1. Mai über Staat, Springer und Studenten«, in: Der Spiegel vom 6. Mai 1968, S. 52-58. Gross, Rolf: »Freiheit der journalistischen Meinungsäußerung und Pressekonzentration«, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 18, 11 (1967), S. 648 f. Ders.: »Kann die zunehmende Konzentration des Pressewesens bekämpft werden?«, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 16, 11 (1965), S. 654. Grubbe, Peter: »Freiheit, die ich meine«, in: Der Monat 17, 199 (1965), S. 88-94. Hack, Lothar: »Kein Pardon für Pardon«, in: neue kritik 4, 15 (1963), S. 18 f. Haffner, Sebastian: »Meinungsmonopol«, in: Stern vom 20. Dezember 1964, S. 18 f. Ders.: »Nacht der langen Knüppel«, in: Stern vom 25. Juni 1967. Ders.: »Worum geht es im Fall Springer?«, in: Stern vom 1. Oktober 1967, S. 184 f. Heine, Klaus / Behrendt, Peter: »Studenten drohen: Wir schießen zurück: Sanfte Polizeiwelle / Überall Diskussionen«, in: Bild-Zeitung vom 5. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202110/527.jpg. pdf). Hermann, Kai: »Der Aufstand nach dem Attentat«, in: Die Zeit vom 19. April 1968, S. 3. Ders.: »Elf kleine Oswalds«, in: Die Zeit vom 14. April 1967, S. 11. Högemann, Jörg: »Die Rebellion der Studenten – Ursachen und Möglichkeiten«, in: Marxistische Blätter 5, 6 (1967), S. 39-46. Hummel, Volker: »›Lieber Gott, erhalte mir die deutsche Volksschule‹. Die Konzentration in der deutschen Presse«, in: LSZ – Liberale Studentenzeitung 15, 5 / 6 (1966), S. 6 f. Kegel, Franz: »Springers ›Welt‹-›Bild‹ II: Boulevardblatt für 12 Millionen«, in: Marxistische Blätter 4, 5 (1966), S. 12-18. Klönne, Arno: »Billiger geht es wohl nicht!«, in: Informationen zur Abrüstung 50 (1967), S. 1 (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne). Ders.: »Enteignet Springer!«, Informationen zur Abrüstung 50 (1967), S. 1 (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne). Ders.: »Warum Springer enteignen?«, in: Informationen zur Abrüstung 51 (1967) (= Springer-Sonder-Nummer), S. 1 ff. (auch in: APO-Archiv, SDSSpringer Kampagne).
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Knabe, Hubertus: »›Hetzer, Fälscher, Meinungsmacher‹. Die Anti-SpringerKampagne: Wie SED und MfS die West-Berliner Studentenbewegung manipulierten«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. März 2001, S. 10. Köhler, Otto: »Der Fall. Berlin Hauptstadt ohne Presse«, in: pardon vom April 1966, S. 17-24. Köster, Heinz: »Molotow-Cocktails vor dem Zirkus«, in: Berliner Morgenpost vom 3. Februar 1968, S. 2. Koszyk, Kurt: Das Ende der Vielfalt. Die Monopolisierungs-Tendenzen auf dem Pressemarkt, in: Unsere Medien Unsere Republik 5 (1990), S. 17 ff. Krippendorff, Ekkehart: »Mein Weg nach ›68‹«, in: Neues Deutschland vom 26. / 27. April 2008, S. 2. Kuby, Erich: »Reizende Leute. Oder Die Geschichte vom deutschen Axel, der auszog, den Osten das Fürchten zu lehren«, in: pardon vom Oktober 1962, S. 20. Kurbjuweit, Dirk / Röbel, Sven / Sontheimer, Michael / Wensierski, Peter: »Verrat vor dem Schuss«, in: Der Spiegel vom 25. Mai 2009, S. 42-51. Lefèvre, Wolfgang: »Berliner Winter«, in: neue kritik 47 (1968), S. 46-59. Leitner, Kerstin: »Westberliner Demokratie«, in: Freiburger Studenten Zeitung 17, 4 (1967), S. 3 f. Lettau, Reinhard: »Journalismus als Menschenjagd«, in: Kursbuch 2, 7 (1966), S. 116-129. Linde, Erdmann: »Haut dem Springer auf die Finger!«, in: nobis 20, 142 / 1 43 (1967), S. 9. Marms, Jochen: »Springer will nicht kommen«, in: nobis 20, 142 / 1 43 (1967), S. 4. Mauz, Gerhard: »›Siebzig Prozent reiben sich die Hände‹. SPIEGEL-Reporter Gehard Mauz im Prozeß gegen Josef Bachmann«, in: Der Spiegel vom 10. März 1969, S. 76-78. Meinhof, Ulrike Marie: »Enteignet Springer!«, in: konkret vom September 1967, S. 2. Dies.: »Springer Fernsehen?«, in: konkret vom April 1965, S. 3. Mitscherlich, Alexander: »Die Gefahr am Schopfe fassen!«, in: pardon vom September 1967, S. 16. Ders.: »Brief an den Chefredakteur von Bild«, in: Vorgänge. Eine kulturpolitische Korrespondenz 7, 6 (1968), S. 217. Müller-Marein, Josef: »Axel Springers Fall«, in: Die Zeit vom 25. August 1967, S. 1. Noelle-Neumann, Elisabeth: »Pressekonzentration und Meinungsbildung«, in: Publizistik 13 (1968), S. 107-136. O. A.: »Alarmplan«, in: Der Spiegel vom 30. Oktober 1967, S. 24.
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O. A.: »Attentat auf Humphrey von Kripo vereitelt: FU-Studenten fertigten Bomben mit Sprengstoff aus Peking«, in: Berliner Morgenpost vom 6. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192573/241. jpg.pdf vom 16. September 2015) O. A.: »Aufruhr Studenten. Verlorenes Wochenende«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 25 ff. O. A.: »Affären. Springer-Fernsehen. Aus dem süßen Leben«, in: Der Spiegel vom 7. August 1967, S. 36-45. O. A.: »Aus der Humanistischen Studentenunion«, in: Vorgänge 7, 2 (1968), S. 69 f. O. A.: »Berlin. Polizei. Knüppel frei«, in: Der Spiegel vom 12. Juni 1967, S. 4146. O. A.: »Berliner Polizei: Studenten planten Attentat auf Humphrey. 11 Festnahmen«, in: B.Z. vom 6. April 1967, S. 1 (auch in: AS-OMA68: http://www. medienarchiv68.de/dl/192575/242.jpg.pdf vom 16. September 2015). O. A.: »Berliner Studenten und die Presse«, in: Verlagshaus Axel Springer. Nachrichten vom August 1967, S. 1 ff., in: ASV-UA. O. A.: »›Berliner Studenten und die Presse‹. Bericht über eine Untersuchung«, in: Springer-Post / Ullstein-Post vom Oktober 1967, S. 3 f., in: ebd. O. A.: »Bildzeitung: Wir schiessen zurück«, in: Berliner Extra-Dienst vom 10. Juni 1967, S. 4. O. A.: »Bombenattentat gegen Humphrey in Berlin vereitelt«, in: Telegraf vom 6. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/ dl/192581/245.jpg.pdf vom 16. September 2015). O. A.: »Buchmesse: Heiß gekocht«, in: Der Spiegel vom 23. Oktober 1967, S. 197. O. A.: »B.Z. meint: Hass den Radikalen überlassen!«, B.Z. vom 22. Februar 1968, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/ 204854/1897.jpg.pdf). O. A.: »Das ist Terror«, in: B.Z. vom 3. Juni 1967, S. 3 (auch online unter http:// www.medienarchiv68.de/dl/193086/496.jpg.pdf). O. A.: »Das nächtliche Ultimatum«, in: Kölner Stadt-Anzeiger vom 16. April 1968, S. 3 f. (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne) O. A.: »Das verstehe ich nicht«, in: linkeck 3a, o. D. [1968], S. 5 (auch in: R. Halbach [Hg.], Linkeck [1987]). O. A.: »Demonstrieren JA! Randalieren NEIN!«, in: Bild-Zeitung vom 3. Juni 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/193052/479. jpg.pdf vom 16. September 2015). O. A.: »Der 2. Juni – ein neuer Anfang?«, in: Positionen 1, August (1967), S. 3 ff. (in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Der Esslinger Beschluß zu den Osterdemonstrationen«, in: Vorgänge 7, 12 (1968), S. 449-450. O. A.: »Der Fall Ohnesorg«, in: notizen 12, 77 (1967), S. 3-10.
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O. A.: »Der Schah und Rarah in Berlin. Blutige Krawalle: 1 Toter!«, in: Bild-Zeitung vom 3. Juni 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68. de/dl/193050/478.jpg.pdf). O. A.: »Der Springer-Konzern«, in: Capital 3, 7 (1964), S. 20-27. O. A.: »Die Polizei hat sich ein Lob verdient«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 8. April 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/ dl/192619/264.jpg.pdf). O. A.: »›Eine Bild-Schlagzeile ist mehr Gewalt als ein Stein am PolizistenKopf‹ – Eine Dokumentation über die Oster-Unruhen und ihre Ursachen: die Rolle des Verlagshauses Axel Springer«, in: Der Spiegel vom 6. Mai 1968, S. 38-41. O. A.: »Eine unheilige Allianz«, in: Positionen 1, August (1967), S. 14 f. (in: ASVUA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Elefant mit fünf Beinen«, in: Der Spiegel vom 18. März 1968, S. 28. O. A.: »Enteignet Axel Caesar Springer!«, in: Berliner Extrablatt vom 13. Mai 1967, S. 1. O. A.: »Enteignet Deutschland«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 5. Februar 1968, S. 1. O. A.: »Enteignet Springer!«, in: ergo 6 (1967), S. 1 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Enteignung Springers gefordert«, in: Informationen zur Abrüstung 51 (1967), S. 7 (auch in: APO-Archiv, SDS-Springer Kampagne). O. A.: »Fernsehen. Springer. ›Bild‹ im Bildschirm?«, in: Der Spiegel vom 3. Februar 1965, S. 40-53. O. A.: »Foto-Reporter Frings ist tot: ›Liefert den Täter aus!‹ – Kripo fand heiße Spur«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 18. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/205173/2041.jpg.pdf). O. A.: »›Gefahr für uns alle‹ – Studenten gegen Springer«, in: Der Spiegel vom 6. Mai 1968, S. 42. O. A.: »Geplant. Berlin: Bombenanschlag auf US-Vizepräsidenten«, in: BildZeitung vom 6. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192569/239.jpg.pdf). O. A.: »Hier konkret«, in: konkret vom Juli 2009, S. 3. O. A.: »Humphrey an die Berliner: Amerika bleibt Euer Freund«, in: Berliner Morgenpost vom 7. April 1967, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192593/251.jpg.pdf). O. A.: »Im Berliner Westend-Krankenhaus ringen die Ärzte um Dutschkes Leben«, in: Bild-Zeitung (Berlin), 13. April 1968, S. 1. O. A.: »Inspektor sagt: AStA auf SED-Kurs«, in: B.Z. vom 18. August 1965, S. 2 (auch in: ASV-UA). O. A.: »Inspektor sagt: Die Diktatur der Minderheit muss endlich weg!«, in: B.Z. vom 26. Oktober 1965, S. 2 (auch in: ASV-UA).
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O. A.: »Inspektor sagt: Sie halten sich für den Nabel der Welt«, in: B.Z. vom 28. Oktober 1965, S. 2 (auch in: ASV-UA). O. A.: »Ist das Demonstration, ist das Diskussion? – Möbelhaus im Brand gesteckt!«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 16. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/205009/1972.jpg.pdf). O. A.: »Kastrieren, lynchen, totschlagen: Drohbriefe an Dutschke«, in: FUSpiegel 14, 64 (1968), S. 14. O. A.: »Kaum zu glauben?«, in: Freiburger Studenten Zeitung 17, 7 (1967), S. 18. O. A.: »Krieg wegen Axel Springer?«, in: pardon vom Oktober 1962, S. 15-22. O. A.: »Linksradikale geben den Ton an«, in: Berliner Morgenpost vom 20. Dezember 1964, S. 2 (auch in: ASV-UA). O. A.: »›Ohne uns wäre es viel schlimmer gekommen‹: SPIEGEL-Gespräch mit den SDS-Vorsitzenden Karl Dietrich Wolff und Frank Wolff«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 36-43 O. A.: »Pfiffe, Sprechchöre und Tumulte«, in: B.Z. vom 7. April 1967, S. 3 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/192599/254.jpg.pdf). O. A.: »Polizeieinsatz gegen Demonstranten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin über den Polizeiknüppelgebrauch bei der Anti-Schah-Demonstration am 2. Juni 1967«, in: Vorgänge 7, 12 (1968), S. 452-456. O. A.: »Presse. ›Die Welt‹. Links von der Wand«, in: Der Spiegel vom 28. März 1966, S. 64-68. O. A.: »Presse. Tageszeitungen. Stimmen verstummt«, in: Der Spiegel vom 25. September 1967, S. 36-57. O. A.: »Quellenforschung«, in: Der Spiegel vom 4. September 1967, S. 18. O. A.: »Rechenschaftsbericht des Bundesvorstands zur 23. ordentlichen Delegiertenkonferenz des SDS«, in: neue kritik 9, 50 (1968), S. 68-87. O. A.: »›Resolution zur Lage der Demokratie in der Bundesrepublik‹ der HU«, in: Vorgänge 6, 12 (1967), S. 445. O. A.: »Rückspiegel: Zitat«, in: Der Spiegel vom 8. Juni 2009, S. 154. O. A.: »Schauspieler Kieling gab Springer-Preis zurück«, in: Freiburger Studenten Zeitung 18, 2 (1968), S. 9. O. A.: »So kam es zum Tod des Studenten beim Schah-Besuch. Erst Fußtritte – dann zogen sie Messer …«, in: Welt am Sonntag vom 4. Juni 1967, S. 8 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202104/524.jpg.pdf). O. A.: »Solidarität im Ausland«, in: LSZ – Liberale Studentenzeitung 17, 2 (1968), S. 10. O. A.: »Springer«, in: ergo 6 (1967), S. 9 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Springer-Demonstrationen«, in: Der Tagesspiegel vom 9. Juni 1967. O. A.: »Springer-Verkauf: Um Gottes willen«, in: Der Spiegel vom 1. Juli 1968, S. 52-59. O. A.: »Springer ist nicht Springer«, in: DISKUS 17, 1 (1968), S. 15.
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O. A.: »Springer muss man kaufen«, in: Hamburger Extrablatt vom 22. Juni 1967, S. 2. O. A.: »Springer pfeift – Regierung tanzt«, in: Zur Sache 1, April (1968), S. 2 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 7. Februar 1968, S. 1. O. A.: »Studenten holten Ost-FDJler zum Tschombé-Protest«, in: Berliner Morgenpost vom 20. Dezember 1964, S. 1 (auch in: ASV-UA). O. A.: »Studenten in eigener Sache«, in: auditorium 9, 53 (1968), S. 3 f. (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Stücklen erklärt: Übles Rowdytum. Politiker äußern sich zu Vorgängen in Berlin«, in: Welt am Sonntag vom 4. Februar 1968, S. 5. O. A.: »Terror-Aktion gegen Zeitungs-Filialen«, in: Bild-Zeitung (Berlin), 3. Februar 1968, S. 3. O. A.: »Terror in Berlin!«, in: Bild-Zeitung (Berlin) vom 13. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/204928/1934.jpg.pdf). O. A.: »Unruhige Ostern: Minister Benda warnt vor neuen Gewalttätigkeiten«, in: Welt am Sonntag, 14. April 1968, S. 1 (auch online unter http://www. medienarchiv68.de/dl/206163/2533.jpg.pdf). O. A.: »Vietnam und der Imperialismus«, in: Positionen 1, August (1967), S. 10 (in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). O. A.: »Was denken die Berliner über die Studenten? – Blitzumfrage des SPIEGEL über die Reaktion auf die Oster-Demonstration in Berlin«, in: Der Spiegel vom 22. April 1968, S. 28. O. A.: »Was und wer steckt hinter der Forderung nach der ›Enteignung des Axel-Springer-Verlages‹?«, in: Springer-Post / Ullstein-Post vom September 1967, S. 3, in: ASV-UA. O. A.: »›Wer hier als Christ gleichgültig bleibt und schweigt, verrät seinen Herrn‹. Die Oster-Unruhen in Berlin und in der Bundesrepublik: Augenzeugenberichte, Flugblätter, Dokumente, Interviews«, in: Der Spiegel vom 29. April 1968, S. 32-34. O. A.: »›Wie stelle ich einen Molotow-Cocktail her?‹ ›Springer-Tribunal‹: Aufforderung zum Terror«, in: Berliner Morgenpost vom 3. Februar 1968, S. 7. O. A.: »›Wir fordern die Enteignung Axel Springers‹. Spiegel-Gespräch mit dem Berliner FU-Studenten Rudi Dutschke (SDS)«, in: Der Spiegel vom 10. Juli 1967, S. 29-33. O. A.: »Zeitgeschichte. ›Wir wollen Sachlichkeit‹«, in: Der Spiegel vom 18. Januar 2010, S. 114. Osborg, Eckart: »Verfassungsnotstand durch Pressekonzentration«, in: Vorgänge 8, 1 (1969), S. 15 ff. Paczensky, Gert von: »Liebe Sternleser!«, in: Stern vom 27. August 1963.
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Ders.: »Springer – die anonyme Macht«, in: Neue Politik vom 14. Oktober 1967, S. 5. Pentzlin, Heinz: »Monopol für Meinungen?«, in: Die Welt vom 4. August 1966, S. 2. Reiche, Reimut: »Befreiung der Presse«, in: nobis 20, 142 / 1 43 (1967), S. 5. Ders.: »Berlin ist ein Exempel«, in: Die Welt (Berlin) vom 26. Juli 1967, S. 7. Reuter, Gerhard: »Springers reaktionäre Meinungsfabrik«, in: Deutsche Außenpolitik 12, 10 (1967), S. 1247-1259. Sachs, Ingrid: »Die Lehren einer ›Bild‹–Provokation«, in: Sozialistische Politik 13, 4 (1966), S. 4. Sänger, Fritz: »Konzentration in der deutschen Presse« in: Gewerkschaftliche Monatshefte 16, 11 (1965), S. 651 ff. Schauer, Helmut: »Entwurf für Leitsätze zur Kritik autoritärer Meinungsbildung und der Rolle des Springer-Konzerns«, in: neue kritik 8, 44 (1967), S. 67-74 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne: Zentralausschuss der KfA, o. D., vermutlich im September 1967, S. 1-11). Schneider, Peter: »Ein armer, aggressiver Tropf. Der 2. Juni 1967 in neuen Licht«, in: Der Spiegel vom 25. Mai 2009, S. 52 f. Schneider, Ute: »Die Buchmesse im Gegenwind: Die Jahre 1967-1969«, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel vom 2. Oktober 1999, S. 2 (auch in: ASV-UA, Bestand Anti-Springer-Kampagne). Schroeder, Thomas: »Auflösung des Springer-Konzerns«, in: nobis 20, 140 (1967), S. 9. Schwenger, Hannes: »Eiche und Blitz. Axel Springers Machtstellung und die Berliner Studenten«, in: FU-Spiegel 13, 60 (1967), S. 21. SDS-Bundesvorstand: »Grundsatzerklärung zur Kampagne für die Enteignung des Springer-Konzerns, 14. April 1968«, in: neue kritik 9, 47 (1968), S. 7-9 (auch in: Pressestelle der FU Berlin [Hg.], FU, HiU, Teil 5, S. 295 f. [Dokument 857]). Semler, Christian, »Die lange Nacht vom 11.4.1968: Ein Rückblick ohne Zorn auf die Kampagne zur Enteignung Axel Cäsar Springers«, in: taz vom 10. April 1993. Springer, Axel: »Axel Springers Antwort an Josef Müller-Marein«, in: Die Zeit vom 18. August 1967. Ders.: »›Dieser Staat ist wert, verteidigt zu werden‹ – Eine Antwort des Verlegers Axel Springer«, in: Die Welt vom 14. Mai 1968, S. 8 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/208684/3792.jpg.pdf). Ders.: »SPD-Stellungnahme hat mich erleichtert«, in: LSZ – Liberale Studentenzeitung 15, 5 / 6 (1966), S. 7. Stahl, Rainer: »Wem gehörte die deutsche Presse?«, in: marburger blätter 16, 102 (1966), S. 15.
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
Stenzel: »Darf ich zum Fußballspiel gehen – Oder randalieren Sie dort auch?«, in: Berliner Morgenpost vom 4. Juni 1967, S. 3 (auch online unter http:// www.medienarchiv68.de/dl/202090/517.jpg.pdf). Stiege, Rudolf: »Es geht um den Ruf Berlins«, in: Berliner Morgenpost vom Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/ 3. dl/193066/486.jpg.pdf). Ders.: »Heinrich Albertz bleibt hart«, in: Berliner Morgenpost vom 4. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202082/513.jpg. pdf). Strecker, R. M.: »Politischer Mord«, in: DISKUS 16, 5 (1967), S. 3. Uth, Illa: »Krieg um Knöpfe. Axel Springer auf die Mattscheibe?«, in: frontal 5, 28 (1965), S. 4-8. Wilhelmer, Bernhard: »Bericht«, in: FU-Spiegel 13, 59 (1967), S. 3. Winkler, Willi: »Anti-Springer-Kampagne 1968. Der innere Zugang«, in: Süddeutsche Zeitung vom 7. März 2008 (auch online unter http://www.sueddeutsche.de/kultur/anti-springer-kampagne-der-innere-zugang-1.263989). Witter, Ben: »Mit Axel Springer am Wannsee«, in: Die Zeit vom 8. Dezember 1967. Wolff, Karl Dietrich / Wolff, Frank: »Zu den Oster-Aktionen«, in: neue kritik 9, 47 (1968), S. 3-6. Zehm, Günter: »Lust am politischen Rabatz«, in: Die Welt vom 7. Juni 1967, S. 2 (auch online unter http://www.medienarchiv68.de/dl/202220/582.jpg. pdf).
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Anhang
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Der Kampf gegen das Presse-Imperium
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D ank Bei diesem Buch handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Promotionsschrift, die ich im Juli 2014 an der Fakultät für Geschichte, Philosophie und Theologie der Universität Bielefeld verteidigt habe. Mein herzlichster und tiefster Dank gilt meiner Doktormutter, Professorin Ingrid Gilcher-Holtey. Sie hat die vorliegende Arbeit von Beginn an mit besonderem Interesse und Engagement gefördert. Bei meinen Forschungen hat sie mich mit ihren Anregungen und Kommentaren immer mit Rat und Tat unterstützt und mir auch auf menschlicher Ebene den Rücken gestärkt. Ihre Leidenschaft nicht nur für eine bessere Wissenschaft, sondern auch für eine bessere Gesellschaft hat mich stets beeinflusst und immer wieder motiviert. Ohne sie hätte es diese Arbeit nicht gegeben. Sehr dankbar bin ich zudem Herrn Professor Klaus Weinhauer, der dem Thema der Arbeit als Zweitgutachter viel Interesse entgegengebracht und mich gefördert hat. Mein besonderer Dank gilt meiner Drittgutachterin, Frau Professorin Hyunback Chung, die sich für meine Arbeit interessiert und mich durch ihr Vertrauen unterstützt. Für Anregungen und Korrekturen, ihren Rat und ihre Freundschaft danke ich Angelika Ibrügger und Guido Müllerke, Cornelia und Benjamin Ciesla, Henning Damberg, Björn Lück, Dr. Günal Incesu, Claus Kröger, Dr. Silja Behre, Dr. Bettina Brandt, Dr. Henning Marmulla, Dr. Freia Anders, Dr. Katrin Stoll, Jürgen Piecha und Mareike Buba. In der späten Phase der Arbeit an der Dissertation habe ich vor allem von der Hilfe durch Dr. Martin Münzel, Rebecca Moltmann und Anke Poppen profitiert – dabei wird mir auch Martins großzügige Unterstützung als enger Freund meiner Familie in Erinnerung bleiben. Zu Dank vepflichtet bin ich schließlich Dr. Stephan Isernhagen. Er hat mir seine Freundschaft und Solidarität sowohl als zuverlässiger Korrekturleser und strenger Kritiker als auch als besonderer Freund meiner Familie erwiesen. Ohne ihn wären wir nicht die, die wir heute sind, und hätte die Arbeit nicht die Form, in der sie nun vorliegt. Ein ganz besonderer Dank geht an die KHK Stiftung – Kim Hee-Kyung Scholarship Foundation for European Humanities – in Seoul und ihre Vorsitzende Dr. Jeongok Kim. Ohne die Gewährung eines fünfjährigen Promotionsstipendiums und eines großzügigen Druckkostenzuschusses wäre diese Arbeit nicht entstanden bzw. hätte nicht gedruckt werden können.
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Den Mitarbeitern des APO-Archivs der FU, Frau Ulrike Groß, und des Axel Springer Unternehmensarchivs in Berlin, Herrn Rainer Laabs, sei für ihre Beratung und Unterstützung ebenfalls herzlich gedankt. Großen Dank schulde ich meiner Familie: Meinen Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Geschwistern, meinen beiden Kindern und meiner Frau. Mit meinem Großvater fühle ich mich in besonderer Weise verbunden. Seine Leseliebe und Lesestimme, die ich vor fast 40 Jahren erfahren und gehört habe, haben von ihrer Stärke und Eindringlichkeit bis heute nichts verloren und meinen Lebensweg als Leser und Forscher schicksalhaft bestimmt. Meiner Großmutter, die mich bedingungslos liebt, und Schwiegermutter, die mich endlos geliebt hat, gedenke ich in ewiger Dankbarkeit. Meinem Bruder, Daekwon Jung, und meiner Schwester, Namsoon Jung, bin ich zu großem Dank für ihre lange Unterstützung verpflichtet. Unseren lieben Kindern Minah und Sanghyo danke ich, dass sie mich davon überzeugt haben, dass Kinder für eine Dissertation Kraft geben können und keine Last sind. Ohne die Liebe meiner Frau Yongsook Ha hätte diese Arbeit nicht geschrieben werden können. Der Wert dessen, was sie für mich getan hat, ist unschätzbar. Schließlich gibt es zwei Menschen, die alles andere erst möglich gemacht haben. Mein Vater Dr. Wonbok Jung und meine Mutter Dosun Lee haben mir das Leben geschenkt und mir selbst den richtigen Weg des Lebens gezeigt. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet! Dae Sung Jung Bielefeld, Mai 2015
Histoire Stefan Poser Glücksmaschinen und Maschinenglück Grundlagen einer Technik- und Kulturgeschichte des technisierten Spiels Dezember 2016, ca. 340 Seiten, kart., ca. 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3610-9
Dietmar Hüser (Hg.) Populärkultur transnational Lesen, Hören, Sehen, Erleben im Europa der langen 1960er Jahre November 2016, ca. 320 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3133-3
Debora Gerstenberger, Joël Glasman (Hg.) Techniken der Globalisierung Globalgeschichte meets Akteur-Netzwerk-Theorie August 2016, 296 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3021-3
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Histoire Alban Frei, Hannes Mangold (Hg.) Das Personal der Postmoderne Inventur einer Epoche 2015, 272 Seiten, kart., 19,99 €, ISBN 978-3-8376-3303-0
Pascal Eitler, Jens Elberfeld (Hg.) Zeitgeschichte des Selbst Therapeutisierung – Politisierung – Emotionalisierung 2015, 394 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3084-8
Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hg.) Lexikon der »Vergangenheitsbewältigung« in Deutschland Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 2015, 494 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2366-6
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Histoire Christina Templin Medialer Schmutz Eine Skandalgeschichte des Nackten und Sexuellen im Deutschen Kaiserreich 1890-1914
Stefanie Pilzweger Männlichkeit zwischen Gefühl und Revolution Eine Emotionsgeschichte der bundesdeutschen 68er-Bewegung
September 2016, 380 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3543-0
2015, 414 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3378-8
Edoardo Costadura, Klaus Ries (Hg.) Heimat gestern und heute Interdisziplinäre Perspektiven
Sebastian Klinge 1989 und wir Geschichtspolitik und Erinnerungskultur nach dem Mauerfall
August 2016, 254 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3524-9
Alexander Simmeth Krautrock transnational Die Neuerfindung der Popmusik in der BRD, 1968-1978 Juni 2016, 368 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3424-2
Maria Höhn, Martin Klimke Ein Hauch von Freiheit? Afroamerikanische Soldaten, die US-Bürgerrechtsbewegung und Deutschland April 2016, 322 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3492-1
Juliane Scholz Der Drehbuchautor USA – Deutschland. Ein historischer Vergleich März 2016, 414 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3374-0
Simon Hofmann Umstrittene Körperteile Eine Geschichte der Organspende in der Schweiz
2015, 438 Seiten, kart., z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2741-1
Cornelia Geißler Individuum und Masse – Zur Vermittlung des Holocaust in deutschen Gedenkstättenausstellungen 2015, 396 Seiten, kart., zahlr. Abb., 36,99 €, ISBN 978-3-8376-2864-7
Stefan Brakensiek, Claudia Claridge (Hg.) Fiasko – Scheitern in der Frühen Neuzeit Beiträge zur Kulturgeschichte des Misserfolgs 2015, 224 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2782-4
Felix Krämer Moral Leaders Medien, Gender und Glaube in den USA der 1970er und 1980er Jahre 2015, 418 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2645-2
Februar 2016, 334 Seiten, kart., 37,99 €, ISBN 978-3-8376-3232-3
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de