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German Pages XXIX+2599 [2642] Year 2018
Die Herausgeber
Ueberweg
Christoph Riedweg Geb. 1957. Studium der Klassischen Philologie und Musikwissenschaft in Zürich, Oxford, Leuven, München. Promotion (1987) und Habilitation (1992) an der Universität Zürich. 1993– 1996 Professor für Klassische Philo logie/Gräzistik in Mainz, seither in Zürich. 2005–2012 Direktor des Istituto Svizzero di Roma.
Antike 5/1
Arbeitsschwerpunkte: Frühgriechische Philosophie, Rhetorik, Platonismus, jüdisch-hellenistische und frühchrist liche Literatur. Christoph Horn Geb. 1964. Studium der Philosophie, der Klassischen Philologie und der Theologie in Freiburg i. Br., München und Paris. Promotion (1993) in München und Habilitation (1999) in Tübingen. Professor für Philosophie in Gießen (2000–2001), seither Professor für Philosophie an der Universität Bonn.
Kaiserzeit Spätantike
Arbeitsschwerpunkte: Philosophie der Antike und Praktische Philosophie der Gegenwart. Dietmar Wyrwa Geb. 1943. Studium der evangelischen Theologie, der Philosophie und der Klassischen Philologie in Heidelberg, Tübingen, Göttingen und Berlin. Pro motion (1982) und Habilitation (1988) an der Kirchlichen Hochschule Berlin (West). 1988–1991 ebenda Dozent für Kirchengeschichte, 1991–2008 Profes sor für Kirchengeschichte in Bochum. 2009–2013 Lehrstuhlvertretung an der HU Berlin, 2011–2018 Arbeitsstellen leiter an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Arbeitsschwerpunkte: Platonismus und griechisches Christentum, Augustin, Athanasius-Edition.
Schwabe Verlag Basel
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Grundriss der Geschichte der Philosophie
Die Philosophie der Antike 5/1–3
Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike
Herausgegeben von Christoph Riedweg, Christoph Horn und Dietmar Wyrwa
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Schwabe
Die Philosophie der Antike Band 5/1 Philosophie der Kaiserzeit und der Spätantike Mehr als fünfzig international auf ihrem Gebiet führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentieren in diesem fünften und letzten Band der Reihe «Die Phi losophie der Antike» das überaus facetten reiche pagane, jüdische und frühchristliche philosophische Erbe der ersten sieben Jahr hunderte nach Christus – einer Periode, in der die Grundlagen nicht nur der abendlän dischen und byzantinischen, sondern auch der islamischen Denktradition gelegt worden sind. Mit den detaillierten und umfassenden Darstellungen, die den neuesten Stand der philosophiegeschichtlichen Forschung reflek tieren, zielt das Werk darauf ab, für die Philo sophie der Kaiserzeit und der Spätantike zur ersten Anlaufstelle für Forschende der Alter tumswissenschaften, aber auch der Theo logie, der Philosophie, der Judaistik und der Islamwissenschaft sowie allgemein der Geisteswissenschaften zu werden. Der Disposition liegt die Überzeugung zugrunde, dass mit der paganen und der jüdisch-christlichen Philosophie nicht etwa zwei große weltanschauliche Blöcke gegen einander abzugrenzen und somit isoliert zu betrachten sind, sondern dass es ange messener ist, diese in ihrem lebendigen Austausch miteinander darzustellen. Ent sprechend wurde für den Bandaufbau ein Mischprinzip gewählt, bei dem die chrono logische Folge die zentrale Rolle spielt, zudem aber auch das Lehrer-Schüler-Verhältnis, die Schulzugehörigkeit eines Autors und schließlich ebenfalls seine religiöse Orien tierung und seine geographische Situierung berücksichtigt werden. So gelingt es, die zum Teil überraschenden Interdependenzen zwischen Autoren und Schulen, die durchaus religionsübergreifend festzustellen sind, deutlicher herauszuarbeiten. Die faszinie rende, bis heute in unserer Kultur stark nach wirkende Epoche wird auf diese Art äußerst plastisch beschrieben und für die Gegenwart erschlossen.
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GRUNDRISS DER GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE BEGRÜNDET VON FRIEDRICH UEBERWEG
VÖLLIG N EU BEA R BEI T ET E AUSGA BE H ER AUSGEGEBEN VON H EL M U T HOLZ H EY
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DIE PHILOSOPHIE DER ANTIKE BAND 5/1–3
PHILOSOPHIE DER KAISERZEIT UND DER SPÄTANTIKE
HERAUSGEGEBEN VON CHRISTOPH RIEDWEG, CHRISTOPH HORN UND DIETMAR WYRWA
SCHWABE VERLAG
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Die Durchführung des Projekts wurde ermöglicht durch die Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF), des Istituto Svizzero di Roma, der Universität Zürich, der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, der Dr. Charles Hummel Stiftung, der UBS Kulturstiftung, der GoetheStiftung für Kunst und Wissenschaft in Zürich und von Herrn Dr. Ulrich Albers (Zürich). Publiziert mit Unterstützung der Dr. Charles Hummel Stiftung und der Walter Haefner Stiftung. Die Druckvorstufe dieser Publikation wurde vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung unterstützt.
Erschienen 2018 im Schwabe Verlag Basel Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercialNoDerivatives 4.0 International (CC BY-NC-ND 4.0) Gesamtherstellung: Die Medienmacher AG, Muttenz, Schweiz ISBN Printausgabe 978-3-7965-2629-9 ISBN eBook (PDF) 978-3-7965-3718-9 DOI 10.24894/978-3-7965-3718-9 Das eBook ist seitenidentisch mit der gedruckten Ausgabe und erlaubt Volltextsuche. Zudem sind Inhaltsverzeichnis und Überschriften verlinkt. [email protected] www.schwabe.ch
Unbenannt-1 IV
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Verfasst von James Allen (Toronto), Marc-Aeilko Aris (München), Han Baltussen (Adelaide), Silke-Petra Bergjan (Zürich), Alberto Bernabé (Madrid), Richard Bett (Baltimore), Bettina Bohle (Berlin), Aldo Brancacci (Roma), Damian Caluori (San Antonio), Siegmar Döpp (Göttingen), Tiziano Dorandi (Paris), Mark Edwards (Oxford), Michael Erler (Würzburg), Franco Ferrari (Salerno), Therese Fuhrer (München), Stephen Gersh (Notre Dame, Indiana), Matthias Haake (Münster), Henriette Harich-Schwarzbauer (Basel), Udo Hartmann (Jena), Wolf-Dieter Hauschild (Münster, †), Christoph Helmig (Köln), Christoph Horn (Bonn), Wolfgang Hübner (Münster), Henri Hugonnard-Roche (Paris), Bart Janssens (Leuven), Martin Karrer (Wuppertal), Wolfram Kinzig (Bonn), Inna Kupreeva (Edinburgh), Hermut Löhr (Münster), Angela Longo (L’Aquila), Morwenna Ludlow (Exeter), Irmgard Männlein-Robert (Tübingen), Wendy Mayer (Banyo), Pascal Mueller-Jourdan (Angers), Stefan Müller (München), Johannes van Oort (Nijmegen), Jan Opsomer (Leuven), Matthias Perkams (Jena), Roberto Radice (Milano), Stefan Rebenich (Bern), Bill Rebiger (Hamburg), Gretchen Reydams-Schils (Notre Dame, Indiana), Christoph Riedweg (Zürich), Adolf Martin Ritter (Heidelberg), Paolo Scarpi (Padova), Michael Schramm (Göttingen), Carlos Steel (Leuven), Holger Strutwolf (Münster), Einar Thomassen (Bergen), Chiara Ombretta Tommasi (Pisa), Christian Tornau (Würzburg), Peter Toth (London), Peter Van Deun (Leuven), Samuel Vollenweider (Zürich), John Watt (Cardiff), David Winston (Berkeley), Dietmar Wyrwa (Bochum, Berlin), Marco Zambon (Padova)
Wissenschaftliche Mitarbeitende in Zürich und Bonn: Bettina Bohle, Damian Caluori, Benedetta Foletti, Regina Füchslin, Michèle Hegi, Severin Hof, Magdalena Hoffmann, Kaspar Howald, Laura Napoli, Tim Richter, Andreas Schatzmann, Camille Semenzato, Katja Vogel, Denis Walter
Redaktion im Verlag: Arlette Neumann
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IN HALT
ERSTER TEILBAND Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIX
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X XIII Erstes Kapitel Allgemeine Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1. Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche (Christoph Horn). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2. Philosophische Quellenlage für kaiserzeitliche und spätantike Autoren (Christoph Riedweg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3. Anknüpfung an die Schultradition (Christoph Horn) . . . . . . . . . . . . § 4. Institutionelle Rahmenbedingungen (Matthias Haake) . . . . . . . . . . § 5. Philosophische Leitideen (Christoph Horn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6. Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung und Methoden der Textinterpretation in historischer Perspektive (Irmgard Männlein-Robert und Christoph Riedweg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7. Verwendbarkeit philosophischer Konzepte für jüdische, christliche und gnostische Theologien (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . Bibliographie zum ersten Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 9 15 18 60
64 83 104
Zweites Kapitel Fortführung der hellenistischen Schulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Die Sextier und Potamon. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 § 8. Quintus Sextius und seine Schule; Potamon von Alexandrien (Gretchen Reydams-Schils) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Stoa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 9. Überblick (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 10. L. Annaeus Cornutus (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . . . . . . . . . . 141 § 11. L. Annaeus Seneca (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . . . . . . . . . . . . 143 § 12. C. Musonius Rufus und Lukios (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . 157 § 13. Epiktet (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 § 14. Marcus Aurelius (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 § 15. Hierokles (Gretchen Reydams-Schils). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 § 16. Stoische Einflüsse in der römischen Literatur neronischer Zeit (Manilius, Persius, Lukan) (Gretchen Reydams-Schils) . . . . . . . . . . 177 § 17. Nachwirkung der stoischen Ethik in Platonismus und Christentum (Gretchen Reydams-Schils) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
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VIII
Inhaltsverzeichnis
III. Kyniker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 18. Überblick (Aldo Brancacci). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 19. Demetrios, Dion Chrysostomos, Demonax und Peregrinos (Aldo Brancacci) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 20. Oinomaos von Gadara (Aldo Brancacci). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21. Der Kynismus bis Maximos von Alexandrien und Salustios aus Syrien (Aldo Brancacci). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 22. Kynische Epistolographen, Philosophische Literatur über den Kynismus (Aldo Brancacci). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182 182
IV. Epikureismus in der Kaiserzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 23. Überblick (Michael Erler).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 24. Diogenian (Michael Erler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 25. Diogenes von Oinoanda (Michael Erler). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197 197 206 207
V. Skepsis in der Kaiserzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 26. Überblick (Damian Caluori und Richard Bett) . . . . . . . . . . . . . . . . . § 27. Sextus Empiricus (Richard Bett). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum zweiten Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212 212 216 229
184 189 192 194
Drittes Kapitel Kaiserzeitlicher Aristotelismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 28. Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (inkl. Ps.-Aristoteles ‹De mundo›) (Inna Kupreeva).. . . . . . . . . . . . . § 29. Areios Didymos (Inna Kupreeva). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30. Nikolaos von Damaskus (Inna Kupreeva). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 31. Beginn der kaiserzeitlichen Kommentierungstradition (Inna Kupreeva). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 32. Alexander von Aigai (Inna Kupreeva). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 33. Aspasios (Inna Kupreeva) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 34. Adrastos von Aphrodisias (Inna Kupreeva) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 35. Sosigenes (Inna Kupreeva). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 36. Herminos (Inna Kupreeva).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 37. Aristokles von Messene (Inna Kupreeva) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 38. Aristoteles von Mytilene (Inna Kupreeva). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 39. Alexander von Aphrodisias (Inna Kupreeva) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 40. Themistios (Michael Schramm). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum dritten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
314 318 321 328 335 343 351 376 386 406 428
Viertes Kapitel Philosophiegeschichtsschreibung, Doxographie und Anthologie. . . § 41. Allgemeines (Tiziano Dorandi). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42. Diogenes Laertios (Tiziano Dorandi). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 43. Iohannes Stobaios (Tiziano Dorandi). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum vierten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Fünftes Kapitel Philosophienahe Fachwissenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 44. Überblick (Christoph Horn). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 45. Kleomedes (Wolfgang Hübner). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 46. Klaudios Ptolemaios (Wolfgang Hübner). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 47. Galen (James Allen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum fünften Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sechstes Kapitel Mittelplatonismus und Neupythagoreismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 48. Der Begriff ‘Mittelplatonismus’ und die Forschungsgeschichte (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 49. Eudoros von Alexandrien (Irmgard Männlein-Robert).. . . . . . . . . . § 50. Derkylides (Irmgard Männlein-Robert).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 51. T. Klaudios Thrasyllos (Irmgard Männlein-Robert) . . . . . . . . . . . . . § 52. Plutarch von Chaironeia (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 53. Theon von Smyrna (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 54. Manaichmos aus Alopekonnesos (Franco Ferrari) . . . . . . . . . . . . . . § 55. Severos (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 56. Lukios und Klaudios Nikostratos aus Athen (Franco Ferrari). . . . . § 57. Kalvenos Tauros aus Berytos (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . § 58. Attikos (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 59. Harpokration von Argos (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 60. Gaios und seine ‘Schule’ (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 61. Alkinoos (Franco Ferrari) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 62. Albinos aus Smyrna (Franco Ferrari) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 63. Apuleius von Madaura (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . . . . § 64. Anonymus, ‹In Platonis ‘Theaetetum’› (Franco Ferrari). . . . . . . . . . § 65. Der Neupythagoreismus (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . . . § 66. Moderatos von Gades (Franco Ferrari) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 67. Ailianos (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 68. Nikomachos von Gerasa (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 69. Numenios von Apameia (Franco Ferrari) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 70. Kronios (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 71. Maximos von Tyros (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . . . . . . . § 72. Kelsos (von Alexandrien?) (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . Bibliographie zum sechsten Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebtes Kapitel Philosophie im hellenistischen Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 73. Septuaginta (Martin Karrer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 74. ‹Weisheit Salomons› (David Winston).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 75. Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides (Roberto Radice). . . § 76. Philon von Alexandrien (David Winston unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum siebten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IX 487 489 491 493 512 527 545 547 555 562 563 565 580 584 584 587 590 594 601 604 607 614 617 630 633 639 642 643 649 658 659 665 673 707 709 715 719 724 754
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Inhaltsverzeichnis
Achtes Kapitel Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit . . . . . . . 767 § 77. Überblick (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769 I. Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 § 78. Die Schriften des Neuen Testaments (Hermut Löhr). . . . . . . . . . . . . 775 § 79. Die sogenannten Apostolischen Väter (Hermut Löhr) . . . . . . . . . . . 782 II. Die Apologeten des 2. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 80. Aristeides (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 81. Justin (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 82. Ps.-Justin (Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 83. Tatian (Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 84. Athenagoras (Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 85. Theophilos von Antiochien (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 86. Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse (Dietmar Wyrwa).. § 87. Sextos-Sentenzen (Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
787 787 790 807 817 825 834 843 851
III. Gnostizismus und Verwandtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 88. Überblick (Einar Thomassen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 89. Sethianismus (Einar Thomassen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 90. Basileides und seine Anhänger (Einar Thomassen). . . . . . . . . . . . . . § 91. Valentinus und der Valentinianismus (Einar Thomassen). . . . . . . . . § 92. Bardesanes (Bardaisan) von Edessa (Einar Thomassen) . . . . . . . . . § 93. Mani und der Manichäismus (Einar Thomassen). . . . . . . . . . . . . . . .
855 855 859 863 867 874 877
IV. Die sogenannten altkatholischen Theologen . . . . . . . . . . . . . . . . . § 94. Irenäus von Lyon (Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 95. Hippolyt von Rom (Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 96. Q. Septimius Florens Tertullianus (Marc-Aeilko Aris). . . . . . . . . . .
883 883 897 914
V. D as alexandrinische Christentum und sein weiteres Einflussgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 97. Überblick (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 98. Clemens von Alexandrien (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 99. Origenes (Marco Zambon unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa). . . § 100. Gregor Thaumaturgos (Marco Zambon). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 101. Dionysios von Alexandrien (Marco Zambon). . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 102. Pamphilos (Marco Zambon) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 103. Methodios (Marco Zambon unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die lateinischen Apologeten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 104. Minucius Felix (Marc-Aeilko Aris und Stefan Müller) . . . . . . . . . . . § 105. Arnobius von Sicca (Marc-Aeilko Aris). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 106. L. Caelius Firmianus Lactantius (Marc-Aeilko Aris) . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum achten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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924 924 927 957 997 1006 1013 1016 1035 1035 1040 1045 1053
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XI
ZWEITER TEILBAND Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Neuntes Kapitel Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 107. Überblick (Christoph Riedweg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 108. Hermetische Tradition (Paolo Scarpi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 109. Orphische Schriften (Alberto Bernabé) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 110. ‹Chaldäische Orakel› (Franco Ferrari). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 111. Theosophien (Chiara Ombretta Tommasi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum neunten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zehntes Kapitel Der Neuplatonismus vom 3. Jahrhundert bis zum zweiten Drittel des 4. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 112. Überblick (Christoph Horn). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 113. Ammonios Sakkas und seine Schule (Christoph Horn). . . . . . . . . . . § 114. Plotin (Christoph Horn) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 115. Longinos und Amelios (Irmgard Männlein-Robert). . . . . . . . . . . . . § 116. Alexander von Lykopolis (Johannes van Oort). . . . . . . . . . . . . . . . . . § 117. Porphyrios (Mark Edwards). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 118. Iamblichos und seine Schule (Jan Opsomer, Bettina Bohle und Christoph Horn). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 119. Kaiser Julian (Christoph Riedweg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum zehnten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1151 1153 1155 1176 1202 1217 1224
1247 1249 1252 1255 1310 1322 1327 1349 1396 1409
Elftes Kapitel Philosophie bei den christlichen Autoren in der Blütezeit der patristischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1457 § 120. Überblick (Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1459 I. Griechischsprachige Autoren.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortführung alexandrinischer Traditionen unter den institutionellen Bedingungen der Reichskirche. . . . . . . . . . . . § 121. Eusebios von Caesarea (Holger Strutwolf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 122. Areios und der Arianismus (Wolfram Kinzig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 123. Neuarianismus (Wolfram Kinzig). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 124. Athanasios von Alexandrien (Wolfram Kinzig). . . . . . . . . . . . . . . . . § 125. Didymos der Blinde (Marco Zambon). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 126. Makarios Magnes (Christoph Riedweg). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII
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2. Die großen Kappadokier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 127. Basileios von Kaisareia (Wolf-Dieter Hauschild †, bearbeitet von Dietmar Wyrwa).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 128. Gregor von Nazianz (Wolf-Dieter Hauschild †, bearbeitet von Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 129. Gregor von Nyssa (Wolf-Dieter Hauschild †, bearbeitet von Dietmar Wyrwa und Morwenna Ludlow) . . . . . . . . .
1522
3. Weitere griechischsprachige Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 130. Euagrios Pontikos (Wolf-Dieter Hauschild †, bearbeitet von Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 131. Epiphanios von Salamis (Wolf-Dieter Hauschild †, bearbeitet von Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 132. Apollinarios von Laodikeia (Wolf-Dieter Hauschild †, bearbeitet von Dietmar Wyrwa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 133. Nemesios von Emesa (Adolf Martin Ritter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 134. Kyrill von Alexandrien (Christoph Riedweg). . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1563
4. Die antiochenischen Theologen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 135. Diodor von Tarsos (Silke-Petra Bergjan). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 136. Theodor von Mopsuestia (Silke-Petra Bergjan unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 137. Johannes Chrysostomos (Wendy Mayer unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 138. Theodoret von Kyrrhos (Silke-Petra Bergjan unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1597 1597
1620
II. Lateinischsprachige Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 139. Firmicus Maternus (Stephen Gersh). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 140. Hilarius (Stefan Rebenich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 141. Marius Victorinus (Stephen Gersh). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 142. Ambrosius (Stefan Rebenich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 143. Hieronymus (Stefan Rebenich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 144. Augustinus von Hippo (Therese Fuhrer). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 145. Iulianus von Aeclanum (Therese Fuhrer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum elften Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1634 1634 1641 1646 1656 1665 1672 1751 1758
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1522 1534 1544
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Inhaltsverzeichnis
XIII
DRITTER TEILBAND Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX Zwölftes Kapitel Der Neuplatonismus vom letzten Drittel des 4. bis zum 7. Jahrhundert .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 146. Überblick: Die neuplatonischen Schulen von Athen und Alexandrien (Damian Caluori und Adolf Martin Ritter) . . . . . § 147. Plutarch von Athen (Matthias Perkams) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 148. Hierokles von Alexandrien (Christoph Helmig). . . . . . . . . . . . . . . . . § 149. Syrianos (Angela Longo) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 150. Hypatia (Henriette Harich-Schwarzbauer). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 151. Synesios von Kyrene (Samuel Vollenweider). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 152. Proklos (Matthias Perkams unter Mitwirkung von Christoph Helmig und Carlos Steel). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 153. Marinos (Udo Hartmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 154. Isidoros (Michael Schramm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 155. Damaskios (Damian Caluori) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 156. Hermeias von Alexandrien (Matthias Perkams). . . . . . . . . . . . . . . . . § 157. Asklepios (Michael Schramm). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 158. Ammonios Hermeiou (Michael Schramm). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 159. Heliodoros von Alexandrien (Matthias Perkams).. . . . . . . . . . . . . . . § 160. Johannes Philoponos (Matthias Perkams). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 161. Olympiodoros (Damian Caluori) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 162. Simplikios (Han Baltussen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 163. Elias und David (Christoph Helmig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 164. Stephanos (Christian Tornau) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 165. Eutokios aus Askalon (Christoph Helmig) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 166. Priskianos Lydos (Christoph Helmig und Carlos Steel) . . . . . . . . . . § 167. Anonymus, ‹Prolegomena in Platonis philosophiam› (Pascal Mueller-Jourdan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum zwölften Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1857 1859 1870 1874 1880 1892 1898 1909 1971 1982 1987 2002 2005 2007 2032 2033 2051 2060 2084 2097 2107 2112 2118 2124
Dreizehntes Kapitel Philosophie der späteren christlichen Autoren im Osten. . . . . . . . . . . 2195 § 168. Überblick (Adolf Martin Ritter). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2197 I. Die Schule von Gaza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 169. Aineias von Gaza (Adolf Martin Ritter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 170. Prokop von Gaza (Adolf Martin Ritter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 171. Zacharias Scholastikos (Adolf Martin Ritter). . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 172. Chorikios von Gaza (Adolf Martin Ritter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2200 2202 2206 2212 2217
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XIV
Inhaltsverzeichnis
II. Dionysios Areopagites und die Kontroverse um sein Werk. . . . . . . § 173. Dionysios Areopagites (Adolf Martin Ritter). . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 174. Severos von Antiochien (Henri Hugonnard-Roche) . . . . . . . . . . . . . § 175. Hypatios von Ephesos (Adolf Martin Ritter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 176. Johannes von Skythopolis (Adolf Martin Ritter). . . . . . . . . . . . . . . .
2220 2220 2236 2245 2246
III. Frühbyzantinische Denker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 177. Sechs ps.-justinische Traktate (Adolf Martin Ritter und Peter Toth). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 178. Leontios der Eremit bzw. von Byzanz (Adolf Martin Ritter). . . . . . § 179. Maximos der Bekenner (Bart Janssens, Peter Van Deun und Carlos Steel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 180. Johannes von Damaskus (Adolf Martin Ritter). . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum dreizehnten Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2250 2250 2263 2268 2288 2300
Vierzehntes Kapitel Philosophie der späteren lateinischen Autoren am Übergang zum Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 181. Überblick (Siegmar Döpp). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 182. Calcidius (Siegmar Döpp). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 183. Favonius Eulogius (Siegmar Döpp). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 184. Macrobius (Siegmar Döpp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 185. Claudianus Mamertus (Siegmar Döpp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 186. Martianus Capella (Siegmar Döpp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 187. Boethius (Siegmar Döpp). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 188. Cassiodor (Siegmar Döpp). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 189. Martin von Braga (Siegmar Döpp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 190. Isidor von Sevilla (Siegmar Döpp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum vierzehnten Kapitel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2323 2325 2327 2330 2331 2336 2340 2345 2382 2386 2388 2391
Fünfzehntes Kapitel Philosophie im rabbinischen Judentum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 191. Überblick (Bill Rebiger). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 192. ‹Sefer Jezira› (Bill Rebiger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum fünfzehnten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2431 2433 2436 2440
Sechzehntes Kapitel Philosophie im syrischen Sprachbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 193. Überblick (Henri Hugonnard-Roche) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 194. Sergios (Sargīs) von Reš‘aynā (John Watt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 195. Paul der Perser (Henri Hugonnard-Roche). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 196. Probus (Henri Hugonnard-Roche). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 197. Die Schule von Keneschre (Henri Hugonnard-Roche). . . . . . . . . . . § 198. Jakob von Edessa (John Watt). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bibliographie zum sechzehnten Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2445 2447 2452 2462 2465 2469 2474 2479
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Inhaltsverzeichnis
XV
Griechisches Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2489 Lateinisches Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2496 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2499 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2571
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ERSTER TEILBAND
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VORWORT
Nach den Bänden 1/1–2 ‹Frühgriechische Philosophie› (herausgegeben von Dieter Bremer, Hellmut Flashar, Georg Rechenauer, 2013), 2/1 ‹Sophistik, So krates, Sokratik, Mathematik, Medizin› (herausgegeben von Hellmut Flashar, Klaus Döring, George B. Kerferd, Caroline Oser-Grote, Hans-Joachim Wasch kies, 1998), 2/2 ‹Platon› (herausgegeben von Michael Erler, 2007), 3 ‹Ältere Akademie, Aristoteles, Peripatos› (herausgegeben von Hellmut Flashar, Leonid Zhmud, Hans Krämer, Fritz Wehrli, Georg Wöhrle, 22004) und 4 ‹Die hellenis tische Philosophie› (herausgegeben von Michael Erler, Hellmut Flashar, Günter Gawlick, Woldemar Görler, Peter Steinmetz, 1994) kommt mit Band 5/1–3 ‹Phi losophie der Kaiserzeit und der Spätantike› die Reihe ‹Die Philosophie der Antike› des beim Schwabe Verlag in Basel erscheinenden neuen ‹Grundrisses der Geschichte der Philosophie› zum lange erwarteten Abschluss. Wie alle übrigen Bände dieses monumentalen Projekts hat auch der hier vor liegende seine Geschichte. Nachdem ein erstes Vorhaben aus den letzten Dezen nien des vergangenen Jahrhunderts zu keinen greifbaren Ergebnissen geführt hatte, wurde im Jahr 2000 Christoph Riedweg (Zürich) vom Kuratorium des Grundrisses angefragt, den fünften Antike-Band, der die von tiefgreifenden Ver änderungen gekennzeichneten ersten sieben Jahrhunderte n. Chr. zum Gegenstand hat, herauszugeben. Angesichts der Komplexität der Aufgabe schien eine inter disziplinäre Zusammenarbeit mehr als angezeigt, und mit Christoph Horn (Bonn) und Dietmar Wyrwa (Bochum, Berlin) konnten zwei Mitherausgeber gewonnen werden, welche die philologische Perspektive um die philosophiehistorische und die patristische Kompetenz glücklich ergänzten. Auch für die im Zentrum dieses Bandes stehende Epoche wurde das mit dem Namen ‘Ueberweg’ traditionellerweise verbundene hohe Niveau eines philosophie geschichtlichen Standardwerks in deutscher Sprache angestrebt. Mehr als fünfzig international auf ihrem Gebiet führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft ler erschließen in den drei Teilbänden das außerordentlich facettenreiche pagane, jüdische und frühchristliche philosophische Erbe der Kaiserzeit und der Spätantike in detaillierten und präzise informierenden Darstellungen, die den neuesten Stand der philosophiegeschichtlichen Forschung reflektieren. Aufgrund der thematischen Breite sowie angesichts der Tatsache, dass in diesen Jahrhunderten die Grundlagen nicht nur der abendländischen und byzantinischen, sondern ebenso der islamischen Denktradition gelegt wurden, dürften ihre Beiträge gleichermaßen für die Alter tumswissenschaften wie für Theologie, Philosophie, Judaistik, Islamwissenschaft und allgemein für die Geisteswissenschaften von Interesse sein. Das von den Herausgebern gemeinsam entworfene Bandkonzept entspringt der Überlegung, dass mit der griechisch-römischen und der jüdisch-christlichen Philosophie nicht etwa zwei große weltanschauliche Blöcke gegeneinander abzu grenzen und somit in Teilbänden gesondert zu behandeln sind, sondern dass diese vielmehr von Beginn an in lebendigem Austausch miteinander stehen. Entspre
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Vorwort
chend liegt dem Bandaufbau ein Mischprinzip zugrunde, bei dem die chronologi sche Folge eine zentrale Rolle spielt, zudem aber auch das Lehrer-SchülerVerhältnis, die Schulzugehörigkeit eines Autors und schließlich ebenfalls seine religiöse Orientierung sowie seine geographische Situierung berücksichtigt wer den. Dabei sind im Einzelnen Kompromisse unvermeidlich (so verdeckt etwa die Einreihung des Themistios unter dem Aristotelismus die Bedeutung, die Platon für sein Denken hat, und rückt ihn auch zeitlich zu weit weg von Kaiser Julian, mit dem er in Kontakt stand). Doch aufs Ganze gesehen waren die Herausgeber von Anfang an der Ansicht, dass sich auf diese Weise die Interdependenzen zwi schen Autoren und Schulen, die durchaus religionsübergreifend festzustellen sind, besonders deutlich herausarbeiten lassen und die faszinierende Epoche damit an gemessener beschrieben und verstanden werden kann. Wie generell im neuen Grundriss üblich, orientiert sich die Stoffauswahl im Übrigen «weniger am aktuellen Philosophiebegriff als vielmehr daran, was in der darzustellenden Epoche zur Philosophie gezählt wurde oder thematisch mit ihr verknüpft war» (Helmut Holzhey im Vorwort zu Antike I, I). Dies erklärt u. a. die ausführliche Behandlung der Orphischen Schriften oder allgemein theologischer Fragen in diesem Band. Dass der Abschluss der im März 2005 mit einer Tagung in Zürich offiziell auf genommenen Arbeit mehr Zeit als ursprünglich erwartet in Anspruch genommen hat, ist bei der Größe des Unternehmens wohl kaum erstaunlich. Nicht allein die Übersetzungs- und Redaktionstätigkeit, die hauptsächlich von der in Zürich an gesiedelten und von 2007–2016 vom Schweizerischen Nationalfonds und weiteren Stiftungen finanzierten Arbeitsstelle (zwei 50%-Stellen) in enger Zusammenarbeit mit den Herausgebern zu bewältigen war, erwies sich als sehr zeitintensiv. Zum Teil musste auch kurzfristig Ersatz für Autoren gefunden werden, die aus verschie denen Gründen nicht weiter am Projekt mitwirken konnten. Um die fristgerecht eingereichten Artikel à jour zu halten, wurde 2012 allen Beteiligten die Möglich keit geboten, ihre Artikel nochmals durchzusehen und wo nötig zu überarbeiten. Im Rahmen der Korrektur der Druckfahnen 2016–2018 konnten außerdem letzte bibliographische Ergänzungen angebracht werden. Es bleibt zum Schluss die angenehme Pflicht des Dankes. An erster Stelle seien nicht nur die Autorinnen und Autoren aus aller Welt genannt, die erfreulicher weise bereit waren, einen Teil ihrer Zeit, Energie und Intelligenz unserem Projekt zu schenken, und damit dessen Gelingen überhaupt erst ermöglichten, sondern insbesondere auch die Zürcher Mitarbeitenden, die sich um das Werk außerordent lich verdient gemacht haben: Damian Caluori, Regina Füchslin, Magdalena Hoff mann, Kaspar Howald und Andreas Schatzmann. Ihre vielfältigen Aufgaben haben nach Ablauf der Drittmittelfinanzierung Bettina Bohle und Denis Walter an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sowie Severin Hof, Laura Napoli, Tim Richter, Camille Semenzato und Katja Vogel an der Universität Zürich übernommen. Bei der Erstellung der Register haben außer Tim Richter und Camille Semenzato auch Benedetta Foletti und Michèle Hegi (beide ebenfalls
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Universität Zürich) mit vorbildlichem Engagement mitgewirkt. Allen Mitarbeiten den sei auch an dieser Stelle für die hervorragende Unterstützung aufs herzlichste gedankt, außerdem Arlette Neumann vom Schwabe Verlag, bei der unser Projekt in besten Händen war, sowie dem Gesamtherausgeber des Grundrisses Helmut Holzhey (Zürich), der uns immer wieder mit Rat und Tat zur Seite stand. Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen For schung (SNF) hat während vieler Jahre die – überdies vom Istituto Svizzero di Roma, der Dr. Charles Hummel Stiftung, der UBS Kulturstiftung, der GoetheStiftung für Kunst und Wissenschaft in Zürich sowie von Herrn Dr. Ulrich Albers unterstützte – Mitarbeit tüchtiger akademischer Nachwuchskräfte am Projekt möglich gemacht. Außerdem hat er ebenso wie die Dr. Charles Hummel Stiftung und die Walter Haefner Stiftung einen substantiellen Beitrag an die Publikations kosten geleistet. Auch dafür sei allen Verantwortlichen von Herzen gedankt. Unser Dank geht schließlich ebenfalls an die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) für die großzügige Unterstützung der Tagung 2005 in Zürich sowie der halbjährlichen Arbeitstreffen der Herausgeber und der Mitarbeitenden, die während der Leitung des Istituto Svizzero di Roma durch Christoph Riedweg (April 2005 bis Januar 2013) regelmäßig in der einzig artigen Atmosphäre der Villa Maraini auf dem Pincio stattfinden konnten. Zürich, Bonn, Berlin, im Mai 2018
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Die Herausgeber
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS A&A AAWG AAWM AAWW AB ABAW AC ACA AChW ACO AEPHE AGPh AHAW AIV AJPh AKG AncPhil ANRW AugStud BAGB BEHE BGrL BICS BKP BKV BLE BNJ BT BZ BzA BZAW BZNW
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Antike und Abendland Abhandlungen der Akademie (bis 1942: [bis 1926: Königlichen] Gesellschaft) der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch- historische Klasse Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz. Geistes- und sozialwissenschaftliche Klasse Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-historische Klasse Analecta Bollandiana Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse L’Antiquité classique Ancient Commentators on Aristotle Ancient Christian Writers Acta conciliorum oecumenicorum Annuaire de l’École pratique des Hautes Études, Section des sciences religieuses Archiv für Geschichte der Philosophie Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse Atti / Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti, Classe di Scienze Morali, Lettere ed Arti American Journal of Philology Arbeiten zur Kirchengeschichte Ancient philosophy Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, herausgegeben von W. Haase, H. Temporini (Berlin, New York 1972ff.). Augustinian studies Bulletin de l’Association Guillaume Budé Bibliothèque de l’École des Hautes Études, Sciences religieuses Bibliothek der griechischen Literatur Bulletin of the Institute of Classical Studies Beiträge zur Klassischen Philologie Bibliothek der Kirchenväter Bulletin de littérature ecclésiastique Brill’s New Jacoby Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana Byzantinische Zeitschrift Beiträge zur Altertumskunde Beihefte zur Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft Beihefte zur Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche
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XXIV CACSS CAG CAGB CCSG CCSL CGLC CIL CJ CMG CPG CPh CQ CSCO CSEL CSS CTP CUF DHGE Diels DK DNP Dörrie-Baltes DPhA DSTradF EA EAA ECCA ECF Entretiens EPRO FC FGrHist
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Corpus apologetarum Christianorum saeculi secundi Commentaria in Aristotelem Graeca Commentaria in Aristotelem Graeca et Byzantia Corpus Christianorum Series Graeca Corpus Christianorum Series Latina Cambridge Greek and Latin Classics Corpus Inscriptionum Latinarum. Consilio et auctoritate Academiae Litterarum Regiae Borussicae editum (Berolini 1862ff.). The Classical Journal Corpus Medicorum Graecorum Clavis Patrum Graecorum. Cura et studio M. Geerard et al., I–V (Turnhout 1974–2003); Suppl. (Turnhout 1998); III A: Addenda volumini III a J. Noret parata (Turnhout 2003). Classical Philology The Classical Quarterly Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium Corpus Scriptorum ecclesiasticorum Latinorum (Variorum) Collected Studies Series Collana di testi patristici Collection des Universités de France Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels (Berolini 1879). Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch von H. Diels, herausgegeben von W. Kranz, I–III (Hildesheim 6 1951–1952). Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, herausgegeben von H. Cancik et al., I–XVI (Stuttgart 1996–2003). Der Platonismus in der Antike. Grundlagen – System – Entwicklung, begründet von H. Dörrie, fortgeführt von M. Baltes, Ch. Pietsch (Stuttgart/Bad Cannstatt 1987ff.). Dictionnaire des philosophes antiques, publié sous la direction de R. Goulet (Paris 1989ff.). Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale Epigraphica Anatolica Collection des Études Augustiniennes, Série Antiquité Early Christianity in the Context of Antiquity The Early Church Fathers Entretiens sur l’Antiquité classique de la Fondation Hardt Études préliminaires aux religions orientales dans l’Empire Romain Fontes Christiani Die Fragmente der griechischen Historiker, begründet von F. Jacoby. Teil 1: Genealogie und Mythographie (Berlin 1923); Teil 2: Zeitgeschichte (Berlin 1926–1930); Teil 3: Geschichte von
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Städten und Völkern (Leiden 1940–1994); Part 4: Biography and antiquarian literature (Leiden 1998ff.). FHG Fragmenta historicorum Graecorum, collegit, disposuit, notis et prolegomenis illustravit, indicibus instruxit C. Muellerus, I–V (Paris 1841–1884). FKDG Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte FZPhTh Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie GB Grazer Beiträge GCS Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte GNO Gregorii Nysseni Opera, herausgegeben von W. Jaeger et al., I–X mit Suppl. (Berlin 1921–1925, Leiden 1952ff.). GRBS Greek, Roman, and Byzantine Studies Grundriss, Antike Grundriss der Geschichte der Philosophie, begründet von F. Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe herausgegeben von H. Holzhey. Die Philosophie der Antike, I–V (Basel 1983–2018). HDAC Histoire des doctrines de l’antiquité classique HdbA Handbuch der Altertumswissenschaft HSPh Harvard Studies in Classical Philology HThR Harvard Theological Review (vor 1981: The Harvard Theological Review) HWdPh Historisches Wörterbuch der Philosophie, herausgegeben von J. Ritter, K. Gründer, G. Gabriel, I–XIII (Basel 1971–2007). HWdR Historisches Wörterbuch der Rhetorik, herausgegeben von G. Ueding, mitbegründet von W. Jens, I–XII (Tübingen 1992–2015). IG Inscriptiones Graecae (Berlin 1873ff.). JA Journal asiatique JbAC Jahrbuch für Antike und Christentum JECS Journal of Early Christian Studies JHI Journal of the History of Ideas JHPh Journal of the History of Philosophy JHS Journal of Hellenic Studies JNStud The Journal of Neoplatonic studies JPT International Journal of the Platonic Tradition JRS Journal of Roman Studies JSJ Journal for the Study of Judaism in the Persian, Hellenistic and Roman Period JThS The Journal of Theological Studies K Claudii Galeni opera omnia, editionem curavit C. G. Kühn, I– XX (Leipzig 1821–1833; ND Hildesheim 1964–1965). KA Poetae comici graeci, ediderunt R. Kassel, C. Austin (Berolini 1983ff.). KAV Kommentar zu den Apostolischen Vätern KfA Kommentar zu frühchristlichen Apologeten
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Lexikon der antiken christlichen Literatur, herausgegeben von S. Döpp, W. Geerlings unter Mitarbeit von P. Bruns et al. (Freiburg i. Br. 1998, 32002). A Patristic Greek Lexicon, edited by G. W. H. Lampe (Oxford 1961). Loeb Classical Library Liverpool classical monthly Les études classiques Lexikon des Mittelalters, herausgegeben von R.-H. Bautier, R. Auty et al., I–IX (München 1977–1999). A Greek-English Lexicon, compiled by H.-G. Liddell and R. Scott, revised and augmented throughout by H. S. Jones with the assistance of R. McKenzie (Oxford 91940); Suppl. by P. G. W. Glare (Oxford 1996). Museum Helveticum Nachrichten der Akademie (bis 1942: von der [bis 1933: Königlichen] Gesellschaft) der Wissenschaften zu Göttingen. Philo logisch-Historische Klasse Nag Hammadi Codices Nag Hammadi and Manichaean Studies Nag Hammadi Studies Novum Testamentum Oriens christianus Orientalia Christiana Analecta Orientalia Christiana Periodica Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis / Oxford Classical Texts Oxford Early Christian Studies Oxford Early Christian Texts Orientalia Lovaniensia Analecta Orientalia Lovaniensia Periodica Oxford Philosophical Monographs Oxford Studies in Ancient Philosophy Oxford Studies in Late Antiquity Proceedings of the Cambridge Philological Society Patrologia Graeca Philosophia Antiqua Philosophie der Antike Philosophisches Jahrbuch The Philosophical review Prosopographia Imperii Romani Saec. I. II. III. Pars I–VIII, edita consilio et auctoritate Academia Scientiarum Berolinensis et Brandenburgensis, iteratis curis ediderunt E. Groag et al. (Berolini 21933–2015). Patrologia Latina
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PLRE PO PP PTS RAC RAL RBPh RE REA REAug REB RecAug REG REL RFIC RHE RhM RHPhR RPhilos RQA RSF RSLR RSO RSPh RSR RThPh RVV SAPERE SAWW SBA SBAW SC SCO
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Prosopography of the Later Roman Empire, edited by A. H. M. Jones, J. R. Martindale, J. Morris, I–IV (Cambridge 1971–1992). Patrologia Orientalis La Parola del Passato Patristische Texte und Studien Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt, herausgegeben von Th. Klauser et al. (Stuttgart 1950ff.). Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Classe di Scienze Morali, Storiche e Filologiche. Rendiconti Revue belge de philologie et d’histoire / Belgisch tijdschrift voor filologie en geschiedenis Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung, herausgegeben von G. Wissowa et al. (Stuttgart 1893–1980). Revue des études anciennes Revue d’études augustiniennes et patristiques Revue des études byzantines Recherches augustiniennes et patristiques Revue des études grecques Revue des études latines Rivista di filologia e di istruzione classica Revue d’histoire ecclésiastique Rheinisches Museum für Philologie Revue d’histoire et de philosophie religieuses Revue philosophique de la France et de l’étranger Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte Rivista (critica) di storia della filosofia Rivista di storia e letteratura religiosa Rivista degli studi orientali Revue des sciences philosophiques et théologiques Revue des sciences religieuses Revue de théologie et de philosophie Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Religionemque pertinentia Sitzungsberichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften Sources Chrétiennes Studi classici e orientali
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XXVIII SEJG SHAW SIFC SM SMSR SO SPNPT SPrAW SSR STAC StPatr StudEphAug StudMed StudPhilon SVF TAPhA TGrF ThH ThQ TRE TU TuK UaLG VChr VetChr Wehrli WJA WS WUNT ZAC ZAW ZKG ZNW ZPE ZThK
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Sacris erudiri. Jaarboek voor Godsdienstwetenschappen Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Studi italiani di filologia classica Claudii Galeni Pergameni scripta minora, recensuerunt J. Marquardt, I. Müller, G. Helmreich, I–III (Leipzig 1884–1893). Studi e materiali di storia delle religioni Symbolae Osloenses Studies in Platonism, Neoplatonism, and the Platonic Tradition Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften Socratis et Socraticorum Reliquiae, collegit, disposuit, apparatibus notisque instruxit G. Giannantoni, I–IV (Napoli 1990–1991). Studien und Texte zu Antike und Christentum Studia Patristica Studia Ephemeridis Augustinianum Studi medievali, terza serie The Studia Philonica Annual Stoicorum veterum fragmenta, collegit I. ab Arnim, I–IV (Lipsiae 1903–1964; ND Stutgardiae 1968). Transactions of the American Philological Association Tragicorum Graecorum fragmenta, herausgegeben von B. Snell, R. Kannicht, S. L. Radt, I–V (Göttingen 1971–2004). Théologie historique Theologische Quartalschrift Theologische Realenzyklopädie, herausgegeben von G. Krause, G. Müller, I–XXXVI (Berlin 1976–2007). Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Texte und Kommentare Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Vigiliae Christianae Vetera Christianorum Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentar, herausgegeben von F. Wehrli, I–X (Basel 21967–1969); Suppl. I–II (Basel 1974–1978). Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft Wiener Studien Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Zeitschrift für Antikes Christentum / Journal of Ancient Christianity Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik Zeitschrift für Theologie und Kirche
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XXIX
Allgemeine Abkürzungen FS Festschrift ND Nachdruck NF Neue Folge N. S. New Series / Nouvelle série / Nuova serie Suppl. Supplement(s) Für die Abkürzungen der Primärliteratur sei auf LSJ, DNP und Lampe verwiesen.
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Erstes Kapitel
Allgemeine Einleitung
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§ 1. Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche Christoph Horn Die Begriffe ‘Römische Kaiserzeit’ und ‘Spätantike’, mit denen die Reihe ‹An tike› des ‹Grundrisses der Geschichte der Philosophie› nunmehr abgeschlossen wird, sind nicht wirklich dazu geeignet, philosophiehistorische Zusammenhänge präzise zu fassen. Philosophiegeschichte lässt sich allenfalls partiell nach äußeren Zeitumständen schreiben. In der Geistesgeschichte wirken die üblichen Epochen abgrenzungen noch künstlicher und bestreitbarer, als sie es ohnehin schon in der allgemeinen Geschichte sind; sie fungieren höchstens als ungefähre Hilfskon struktionen, um typische Merkmale oder grundlegende Wandlungen deutlicher hervorzuheben. Während man in der politischen Geschichte der späteren Antike immerhin auf einige signifikante Daten zurückgreifen kann – besonders auf das Ende der Römischen Republik und den Beginn der Kaiserzeit um die Zeitenwende sowie auf das Ende der Völkerwanderung und die Etablierung frühmittelalter licher Staaten –, lässt sich die Philosophiegeschichte der Epoche nicht besonders stark an Daten und Fakten festmachen; sie muss vielmehr primär aus den genuin philosophischen Themen, Motiven und Traditionen heraus interpretiert werden. Seit Edward Gibbons grundlegendem Werk ‹The History of the Decline and Fall of the Roman Empire› (1776–1788) hat man die politische Geschichte der Spät antike lange Zeit als Dekadenz- oder Verfallsgeschichte zu lesen versucht. Der ‘innere Niedergang’ des Römischen Reichs, der Aufstieg des Christentums und die äußeren Bedrohungen, besonders die seitens der Germanen, scheinen die her ausragenden Zeitmerkmale gewesen zu sein. Doch muss man hier differenzieren; ein linearer und durchgehender ‘Verfall’ liegt sicher nicht vor (zur Epoche im Ganzen etwa Fuhrmann 1994 [*12] und Demandt 22008 [*19]). Für die Philosophie geschichte lässt sich diese Sichtweise jedoch gar nicht bestätigen; selbst in der Reichskrise des 3. Jahrhunderts und im politisch besonders schwierigen 6. Jahr hundert gibt es eine gewisse Kontinuität erstrangiger Philosophie. Zur Zeit der Schließung der letzten nicht-christlichen Philosophenschule im Römischen Reich, der neuplatonischen Akademie in Athen, im Jahr 529 n. Chr. durch Kaiser Justinian, gab es noch so hochrangige Philosophen wie Damaskios und Simplikios. Und die Schließung selbst bedeutete keineswegs eine komplette Zäsur; vielmehr kehrten die zwischenzeitlich nach Persien emigrierten paganen Philosophen wahrschein lich ins Reich zurück, und paganer Platonismus spielte weiterhin eine gewisse Rolle (vgl. etwa Thiel 1999 [*13] sowie I. Hadot 2014 [*24]) – von der Weiterentwick lung einer christlichen Philosophie in Byzanz ganz zu schweigen. Philosophiegeschichte bildet jedenfalls nicht einfach einen Reflex der allgemei nen politischen Geschichte; sie beruht auf Schul- und Lehrtraditionen, auf Schrift rezeption und mündlichem Ideentransfer. Es lässt sich aber auch nicht gänzlich bestreiten, dass markante Ereignisse wie Kriege, Umstürze, Bevölkerungsdyna miken oder ökonomische Krisen und überhaupt Faktoren aus Politik, Wirtschaft, Administration, Militär, Religion oder Recht auf die Art und Weise Einfluss nehmen,
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I. Allgemeine Einleitung
wie Philosophie betrieben wird. Man muss solche Epochenmerkmale zumindest im Bewusstsein haben, ohne deshalb die Philosophiegeschichte auf ihrer Basis etwa in unangemessener Weise politisch oder sozioökonomisch zu ‘kontextualisieren’. Wenn man den Hintergrund der Philosophie im Mittelmeerraum zwischen der Zeitenwende (der Augusteischen Epoche) und dem Ende der Antike (also der Gründung germanischer Staaten auf dem westlichen Reichsgebiet im 6. Jahrhun dert bzw. der Verselbständigung des frühbyzantinischen Reichs) zumindest skiz zieren wollte, sollte man besonders vier außerphilosophische Gegebenheiten im Auge behalten: Erstens eröffnete der Niedergang der Römischen Republik und die Etablierung des Kaisertums unter Augustus eine neue kulturelle Situation, die der Pax Romana oder Pax Augusta. Zweitens bildete die Reichskrise im 3. Jahr hundert n. Chr., also die Zeit zwischen dem Tod des Severus Alexander und Dio kletian, zugleich auch einen gewissen kulturellen Einschnitt. Drittens stellte die Christianisierung des Reichs – besonders gut greifbar etwa im Toleranzedikt des Galerius in Serdica 311 n. Chr. und in den Mailänder Beschlüssen zwischen Kon stantin und Licinius 313 n. Chr. – einen tiefen Einschnitt dar, weil das Christen tum von einer verfolgten Minderheit allmählich zur politisch und kulturell prä genden Reichsreligion aufstieg. Und viertens änderten sich die kulturellen Bedingungen für die Philosophie markant mit dem Ende des weströmischen Reichs und dem Beginn der frühmittelalterlichen Periode. 1) Der erste Epocheneinschnitt, das Augusteische Zeitalter, führte eine Tendenz zur kulturellen ‘Globalisierung’ fort, die im Osten im Gefolge des Alexanderzugs bereits in der hellenistischen Periode eingesetzt hatte: Durch die Schaffung eines das gesamte Mittelmeergebiet umfassenden stabilen und einheitlichen zivilisatori schen Raumes unter Kaiser Augustus setzte sich eine Entwicklung verstärkt fort, in der sich die griechische Philosophie, beruhend auf der sprachlichen Verständi gungsbasis des Griechischen (und nunmehr auch des Lateinischen), extrem weit ausdehnen und Einfluss auf die verschiedenen Kulturen und Religionen der be treffenden Völker ausüben konnte. Noch stärker als zuvor herrschte nun ein freier Verkehr von Personen, Waren, Büchern, Gedanken und Weltanschauungen, wie man ihn in vergleichbarer Weise erst wieder in der Neuzeit und der Gegenwart be obachten kann. Zwar waren philosophische Schulen bereits in hellenistischer Zeit im östlichen Mittelmeerraum verbreitet; diese Tendenz wurde aber nun intensiviert und expandierte auch nach Westen hin. Der entscheidende Unterschied zwischen der hellenistischen Zeit und der Spätantike könnte darin liegen, dass sich jetzt nicht nur die griechisch-römische Zivilisation im ganzen Mittelmeerraum ausbreitete, sondern die Kulturen der okkupierten Völker auf ihre Okkupanten zurückwirkten und einen erheblichen Eigenbeitrag leisteten (so etwa De Palma Digeser 2010 [*21: 15]). Als Philosophen treten neben Griechen nunmehr auch Römer, Ägypter, Syrer, Spanier, Gallier und Afrikaner in Erscheinung, die jedoch alle durch und durch hellenisiert waren. Philosophische Begriffe, Argumente und Theorien ver wendeten nicht mehr nur die Stoiker, Epikureer, Platoniker, Peripatetiker, Skepti ker und Kyniker, sondern ebenso die Juden, Christen, Gnostiker und Manichäer (diese Entwicklung findet sich allerdings bereits präformiert im hellenistischen Alexandrien). Philosophische Termini, Ideen und Methoden bestimmten alle
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§ 1. Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche (Bibl. 104)
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ereiche der Kultur und der Bildung, von der Astronomie und Medizin über die B Rhetorik und Poetik bis hin zur Religion und der Theologie. 2) Der zweite Epocheneinschnitt ergibt sich aus den politischen Wirren und mi litärischen Herausforderungen an den Reichsgrenzen, die im 3. Jahrhundert eine Situation des bedrohlichen Ordnungsverlusts und des ökonomischen und kultu rellen Niedergangs erzeugten (allerdings ist hier zu konstatieren, dass diese Krisen phänomene je nach Reichsteil uneinheitlich sind: siehe etwa Duncan-Jones 1994 [*11]). Die Reichskrise wurde allgemein als gravierend und einschneidend emp funden; mit ihr ist wegen des vorübergehenden Niedergangs vieler Bildungsein richtungen auch eine kulturelle Zäsur verbunden. Es ist daher sinnvoll, die Zeit spanne zwischen Augustus und Severus Alexander als ‘Kaiserzeit’ zu bezeichnen und für die Epoche zwischen den Kaisern Gallienus oder Diokletian und dem 7. Jahrhundert die Bezeichnung ‘Spätantike’ vorzubehalten – eine Differenzie rung, die ursprünglich auf Jacob Burckhardt zurückgeht (1853 [*2: 313]; dazu De mandt 22008 [*19]). In der Philosophiegeschichte ist der Wandel ebenfalls spürbar. Während in der Zeit des Kaisers Mark Aurel noch alle hellenistischen Philo sophenschulen präsent waren (und einen wichtigen Gegenstand der Traditions pflege bildeten, wie die kaiserliche Finanzierung von vier Lehrstühlen in Athen zeigt), beobachten wir im 3. Jahrhundert das dominante Aufkommen einer einzi gen Schule, des Neuplatonismus, der mit Ammonios Sakkas und Plotin beginnt und sich mit Porphyrios und Iamblichos mitsamt seiner stark spiritualistischen und soteriologischen Ausrichtung durchsetzt. Der Neuplatonismus erhielt im 4. Jahrhundert nach und nach beinahe eine Monopolstellung gegenüber allen an deren Philosophenschulen. Allerdings finden sich auch dann noch vereinzelte Spuren der alten hellenistischen Schulen, also der Stoa, des Epikureismus, der Skepsis und des Peripatos. 3) Die pagane Religion der römischen Republik und der frühen Kaiserzeit war eine dezidiert staatstragende, politische Institution, während sich das Christen tum zunächst als spirituell-verinnerlichte und universelle Religion verstand. Schon die Christen des 1. Jahrhunderts warfen deshalb die Frage auf, ob sie dem Kaiser Steuern bezahlen und Kriegsdienst leisten sollten. Wie eng sollte die Nähe des Christentums zum Staat ausfallen? Die christlichen Kirchenväter setzten sich be reits seit dem 2. Jahrhundert mit der Frage auseinander, wie sich das Christentum grundsätzlich zum Staat verhalten soll. Vor Konstantin lag es nahe, nach dem Vor bild Tertullians jede staatliche Herrschaft, da sie auf Kriege und die mit ihnen ver bundene Gewalt gegründet ist, zu diskreditieren (z. B. Apol. 25,14). Ein Gegen beispiel bildet aber etwa Irenäus von Lyon, der staatliche Herrschaft unter Berufung auf Rm. 13,1 in gewissem Umfang rechtfertigte. Nach Konstantins Wende bot es sich umgekehrt an, die Herrschaft christlicher Kaiser im Stil von Eusebios’ christlicher Panegyrik zu verklären (z. B. Vit. Const. 4,48). Seitdem Kai ser Galerius das Christentum im Toleranzedikt von 311 n. Chr. dem Heidentum gleichgestellt hatte, seitdem die Kirche von Kaiser Konstantin vielfältig begüns tigt worden war und seitdem sich das bislang heidnische Imperium in ein christ liches Reich umwandelte – im Jahr 380 erhob Kaiser Theodosius das Christentum zur Staatsreligion –, schienen christliche Autoren den Staat nicht länger negativ
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I. Allgemeine Einleitung
bewerten zu können. Eine Ausnahmestellung zu dieser christlichen Reichstheo logie bildet jedoch etwa Augustinus in seinem nach der Eroberung Roms 410 n. Chr. verfassten Werk ‹De civitate dei›, der das Römische Reich als «terrena civi tas» in die geschichtliche Linie Babylons rückt und ihm pointiert das himmlische Jerusalem als «civitas caelestis» entgegenstellt. Jedenfalls nahm seit der Wende des Jahres 311 das Christentum eine wichtige Stellung ein. Umgekehrt entwickelte sich das Heidentum – etwa in der Verbindung von Neuplatonismus und Religion seit Iamblichos – immer mehr zu einer spirituellen «praxis pietatis». 4) Den vierten Epocheneinschnitt bildet das politisch-militärische Ende der Antike. Seit dem Beginn der Völkerwanderung (mit der Schlacht bei Hadrianopel im Jahr 378) bewegten sich ‘barbarische’ Völker weitgehend ungehindert auf dem Reichsgebiet. Für etwa 100 Jahre vollzogen sie zwar keine formelle Staatsgrün dung; erst mit der Auflösung des weströmischen Reichs durch die Absetzung von Kaiser Romulus Augustulus im Jahr 476 traten germanische Fürsten auch formell an die Stelle der römischen Kaiser. In der gesamten Zeit war jedoch die kulturelle Situation deutlich verändert, wie man an der Biographie des römischen Spitzen politikers und Philosophen Boethius erkennen kann. Diese Phase der Geistes geschichte könnte man im lateinischen Westen ebenso gut als ‘späteste Antike’ wie als ‘Proto-Mittelalter’ bezeichnen. Denn die später im westlichen Mittelalter zugänglichen antiken Texte wurden in dieser Zeit ausgewählt, ins Lateinische übersetzt und in maßgeblicher Form kommentiert. Mehr noch, in dieser Zeit nahm die für das Mittelalter wesentliche kulturelle Verbindung von Antike und Christentum, deren Anfänge bereits im 1. Jahrhundert liegen, eine feste Form an, nicht zuletzt durch die klösterliche Lebensform (allerdings ist die Herausbildung einer selbständigen christlichen Literatur, Theologie und Philosophie bereits ein älteres Phänomen: vgl. etwa Gnilka 1984–1993 [*8] und Markschies 2006 [*17]). Nachdem das dogmatische Grundgerüst des Christentums auf den Konzilien des 4. und 5. Jahrhunderts formuliert war, finden sich hier solche das Mittelalter be stimmenden Elemente wie die Dominanz des Platonismus, die bis ins 13. Jahr hundert reicht, die proklisch-christliche Mystik des ‹Corpus Dionysiacum›, die Konzeption eines «nach Erkenntnis suchenden Glaubens» («fides quaerens intel lectum») oder auch die hochdifferenzierte Kommentierungstechnik (einschließ lich der philosophisch-allegorischen Schriftauslegung). Es waren die führenden christlichen Platoniker Augustinus, Dionysios Areopagites und Boethius, die für das frühe, aber auch noch für das hohe Mittelalter eine prägende Wirkung entfal teten. Auch wenn etwa die Bildungskonzeption der ‘septem artes liberales’ deut lich älter ist, erhielt sie jetzt ihren kanonischen Rang. Vor allem Augustinus, der ein gewaltiges Textcorpus von mehr als einhundert Schriften hinterlassen hat, bil dete mit seinem Werk – so lässt sich ohne Übertreibung sagen – eine zentrale und maßgebliche Grundlage der westlichen mittelalterlichen Philosophie. Neben der Präformation des westlichen, lateinischen Mittelalters durch die Spätantike ist ebenso hinzuweisen auf die Kontinuität oder zumindest weitgehend Prägung der byzantinischen Periode, der syrisch-armenischen Geisteswelt, des frühmittelalterlichen Judentums und der arabisch-islamischen Philosophietradi tion durch die Spätantike. Am Beispiel aller dieser Kulturräume wird deutlich,
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§ 1. Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche (Bibl. 104)
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dass es trotz der teilweise starken politischen Wandlungen und Verwerfungen, denen der Mittelmeerraum in dieser Periode ausgesetzt war, eine bemerkenswerte Kontinuität in der Philosophie gibt. Die Philosophie von Byzanz bildet eine ziem lich direkte Fortführung antiker, besonders platonischer Traditionen; Ähnliches gilt für die christlichen Kulturen Syriens und Armeniens, für das Judentum und sogar für die frühe und die klassische arabische Philosophie. Mit Blick auf die Spätantike gibt es eine Reihe von Vorurteilen und Klischees, die auch eine gewisse Bedeutung für die Philosophiegeschichte besitzen, da sie einer angemessenen Rezeption im Weg stehen. Der vielleicht wichtigste Punkt be trifft die Vorstellung einer ‘spätrömischen Dekadenz’ in Verbindung mit dem Vor wurf eines ‘orientalisierenden Eklektizismus’, also Klischees, die beginnend mit dem 19. Jahrhundert eine unvoreingenommene Lektüre spätantiker Philosophie behindert haben. In der Linie der Philosophiegeschichten von Jakob Brucker, Dietrich Tiedemann und Wilhelm Gottlieb Tennemann gab es ganze Historiker generationen, für welche die Philosophie der Spätantike, besonders der Neupla tonismus, mit dem Odium des Nachklassischen, Epigonalen, Orientalischen, des religiösen Enthusiasmus und des unoriginellen Kommentierens behaftet war. Ty pische Vorwürfe, die im 19. Jahrhundert vorgebracht wurden, lauteten, es handle sich um eine ‘Schwärmerei’ (d. h. um eine dem religiösen Gefühl entstammende, pseudo-rationale und nicht-argumentative Philosophie), sodann der Vorwurf, spät antikes Denken sei ein kulturfremdes, nicht griechisches, sondern orientalisches Phänomen, und schließlich der spezielle Punkt, der Neuplatonismus stelle einen fragwürdigen Pantheismus dar. Sogar der wohl einflussreichste Philosophiehisto riker dieser Zeit, Eduard Zeller, ist in seiner ‹Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung› (1856–1868) von diesen Klischees nicht ganz frei – und dies trotz der positiveren Aufnahme der Spätantike im Kontext des Deut schen Idealismus besonders bei Schelling und Hegel, welche die spekulative Tief gründigkeit des Neuplatonismus hervorhoben und dessen Versuch rühmten, die ältere Philosophiegeschichte und das gesamte Wissen ihrer Epoche zu einem um fassenden systematischen Ganzen zu verbinden (zur Deutung des Platonismus in der Philosophie des Idealismus vgl. besonders Beierwaltes 1972 [*6] und Mojsisch, Summerell 2003 [*14]). Sowohl das Klischee eines ‘Sittenverfalls’ als auch das eines ‘altersschwachen Rom’ ist jedoch abwegig. Was das Thema der ‘Orientalisie rung’ anbelangt, ist es zwar richtig, das Phänomen der Kulturübernahme nach bei den Seiten hin zu lesen (und nicht eine einseitige Hellenisierung oder Romanisierung des Reichs zu unterstellen); für die Philosophie ist aber trotz möglicher östlicher Einflüsse entscheidend, dass ihre begrifflich-argumentative Form erhalten blieb, was gerade an den Hauptfiguren des Neuplatonismus wie Plotin, Porphyrios, Proklos und Simplikios gut sichtbar wird. Ebenfalls von großer Bedeutung für unser modernes Bild der Spätantike ist der Verdacht einer ‘Entpolitisierung’ der Öffentlichkeit durch die Schaffung einer großangelegten kaiserlichen Reichsadministration sowie die Vorstellung, daraus habe sich in der Spätantike eine Tendenz zur Individualisierung, Subjektivierung und Spiritualisierung des Weltverhältnisses ergeben. Die bestimmende Kraft der Epoche sei ein allgemein verbreitetes gnostisches Erlösungsbedürfnis. Man kann
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diesen Punkt besonders in der Formulierung untersuchen, die auf Hans Jonas und die Heidegger-Schule zurückgeht. Für Jonas ist die Spätantike jene Epoche, die durch Gnosis und Neuplatonismus geprägt ist; beide Phänomene gehören dem nach nicht nur historisch-kulturell in denselben Kontext, sondern beruhen zudem auch auf ähnlichen Voraussetzungen in der existenzialen Weltwahrnehmung. Die Spätantike sei die Epoche der orientalischen Religiosität gewesen, die sich an so zial Deklassierte, an «Sklaven, Arme und Unansehnliche» (Jonas 1934 [*3: 69]) gewandt habe, die durch das religiöse Angebot vom bloßen ‘Objekt’ zum ‘absoluten Subjekt’ geworden seien. Hinzu komme die politisch-gesellschaftliche Entwicklung des Imperiums, nämlich die «Ausschaltung der ehemals staatsbildenden Schich ten aus der politischen Macht» (ebd.). Damit entfalle die Vorstellung von der Welt als dem Ort der ‘eigentlichen Selbstverwirklichung’. Jonas 1934 [*3: 70] schreibt über die Aufnahmebereitschaft der spätantiken Gesellschaft für weltverneinende religiöse und philosophische Anschauungen: «Desinteressement der Ohnmacht, Todesgefühle einer Zivilisation, die sich mit Recht keine Zukunft mehr zugestand, nachdem sie ihren Trägern die Gelegenheit zu ihrer aktiven Mitgestaltung entzog, der Zusammenbruch des Humanitätsideals, das an die Verfügbarkeit dieser Ge legenheit geknüpft war – alle Hoffnungslosigkeit dieser niedergehenden Welt wirkte in die Richtung jener Aufnahmebereitschaft. Das Autarkie-Ideal, in seiner späteren Ausbildung bereits selber ein Verzichtgebilde, konnte dem nicht auf alle Dauer standhalten.» Zweifellos sind die zitierten Einschätzungen falsch: Ein grundlegender Einwand ergibt sich bereits daraus, dass die politisch-administrative Beteiligung der Bürger auch in der Spätantike nicht verschwunden ist; denn man darf sich das Reich nicht ausschließlich als zentralisierte Verwaltungseinheit vorstellen. Vielmehr ist die Polis oder «civitas» als organisatorisch-administrative Einheit nicht ganz verschwunden (vgl. etwa van Oort 1991 [*9]). Zwar gibt es in der Epoche eine weitverbreitete Tendenz zur Verinnerlichung, wie dies etwa die klassische Studie von Eric R. Dodds, ‹Pagan and Christian in an Age of Anxiety› (1965 [*5]), belegt. Doch exis tierte sogar im Neuplatonismus immer auch eine politische Philosophie: So beab sichtige Plotin, eine verlassene Stadt in Kampanien neu zu besiedeln und in ihr unter dem Namen ‘Platonopolis’ das Programm der καλλίπολις («schöne/gute Stadt») aus Platons ‹Politeia› zu realisieren (Porph. Vit. Plot. 12,3–12). O’Meara 2003 [*15: insb. 40–44] zeigt, dass diese Tendenz mit der im Höhlengleichnis formulier ten Aufforderung Platons an die Philosophen in Verbindung steht, sie müssten in die Höhle der politischen Realität zurückkehren. Gerade Plotin betont zudem – ebenso wie die Mehrzahl seiner christlichen Zeitgenossen –, dass die sinnlich wahrnehmbare Welt als schön und bejahenswert anzusehen sei und dass die Seele nicht strafweise in sie gesandt sei. Die untere Welt und das Leben in ihr werden nur relativ zur höheren Welt ungünstig beurteilt, nicht absolut. Die beiden Haupt strömungen der spätantiken Philosophie, der pagane und der christliche Neupla tonismus, unterstützten also keineswegs eine Sicht der Epoche, die einseitig auf Weltverneinung und Weltflucht ausgerichtet gewesen wäre. Von Bedeutung ist allerdings die Beobachtung, dass sich der Philosophiebegriff in Kaiserzeit und Spätantike verändert und erweitert hat. Weltanschauliche und
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§ 2. Philosophische Quellenlage für kaiserzeitliche und spätantike Autoren (Bibl. 105)
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religiöse Phänomene wie der Gnostizismus, der Manichäismus oder der Herme tismus sind nicht allein praktisch-spirituell ausgerichtet; und Texte wie die ‹Chal däischen Orakel›, die Theosophien oder das ‹Corpus Hermeticum› sind nicht allein narrativ und mythisch. Vielmehr liefern sie Gesamtdeutungen der Wirklichkeit, die man in vielen Aspekten als philosophisch bezeichnen muss, zumal sie vielfach Verbindungen mit genuin philosophischen Ansätzen eingehen. Dies greift eine äl tere Tradition auf – repräsentiert etwa durch Empedokles. Im Neuplatonismus sind umgekehrt seit Porphyrios und Iamblichos starke Elemente der Dämonologie, der Mantik, der Theurgie und des Gebets präsent (vgl. etwa Addey 2014 [*23] und Dillon, Timotin 2016 [*25]). Seit dem 19. Jahrhundert ist der Vergleich der Gegenwart mit der ausgehenden Antike zum Gemeinplatz geworden (vgl. das Diktum «Wir leben in der Spätantike» in: Herzog 2002 [*65]). Aber statt gewisse (unbestreitbare) Ähnlichkeiten wie Kul turtransfer, Migration, Globalisierung, Pluralisierung, Eklektizismus, Synkretismus usw. zu betonen, sollte es aus der Perspektive nüchterner Philosophiegeschichts schreibung eher um einen Blick auf die fremde und faszinierende Welt spätantiken Denkens gehen, in der freilich mit der allmählichen Fusion der griechisch-römi schen mit der jüdisch-christlichen Tradition die Grundlagen der europäischen Identität geschaffen wurden.
§ 2. Philosophische Quellenlage für kaiserzeitliche und spätantike Autoren Christoph Riedweg
Wer sich auf eine Auseinandersetzung mit der kaiserzeitlichen und spätantiken Philosophie einlässt, tut gut daran, sich zunächst die im Vergleich zu heute grund verschiedene Quellenlage in Erinnerung zu rufen. Dies beginnt, wenig über raschend, bereits beim zeitgenössischen Umfeld: Während die Mehrzahl der im vorliegenden Werk behandelten Autoren heute bestenfalls in längeren oder kür zeren Fragmenten erhalten ist, konnten die Philosophen der ersten nachchrist lichen Jahrhunderte die Werke ihrer Kollegen zu einem nicht geringen Teil bis ans Ende der Spätantike lesen. Dies gilt für die Gruppe der sogenannten Mittelplato niker und Neupythagoreer nicht anders als für Neuplatoniker wie Amelios und die Iamblichos-Schüler. Aber auch im Falle eines Porphyrios und Iamblichos sowie verschiedener späterer Platoniker ist heute – selbst unter Einschluss der nichtgriechischen Überlieferung (Syrisch, Arabisch, Armenisch usw.) – höchstens ein Bruchteil des ursprünglichen, umfangreichen Werks erhalten. Im Bereich der christlichen Literatur präsentiert sich das Bild noch disparater: Von Chrysostomos, Augustinus und Kyrill von Alexandrien ist mit 18 bzw. 16 und
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10 Migne-Bänden ein Œuvre auf uns gekommen, das überhaupt zu den größten der aus der Antike überlieferten Literatur gehört. Diesen und anderen Kirchen vätern stehen zahlreiche frühchristliche Autoren gegenüber, die im Laufe der Zeit als heterodox betrachtet wurden und einer mehr oder weniger weitgehenden ‘dam natio memoriae’ unterlagen. Genannt seien außer Origenes, der vor allem dank lateinischen Übersetzungen immer noch vergleichsweise gut zu fassen ist, beispiels weise Areios und seine Anhänger, Apollinarios von Laodikeia, Markell von Ankyra und Diodor von Tarsos – von den Gnostikern ganz zu schweigen, für die sich die Quellenlage freilich im 20. Jahrhundert durch Neufunde wie die Nag-HammadiBibliothek oder den Kölner Mani-Kodex markant verbessert hat. Der genaue Zeit punkt der Ächtung und des damit einhergehenden Verlusts heterodoxer Autoren in den ersten Jahrhunderten n. Chr. schwankt von Fall zu Fall, wobei damit zu rechnen ist, dass die entsprechenden Prozesse bereits früh einsetzten (vgl. Hippol. Ref. 6,9–18 zu Simon Magos). Noch wichtiger als die Erschließung des zeitgenössischen Umfelds ist aber ohne Zweifel die Klärung der Frage, in welchem Umfang die kaiserzeitlichen und spät antiken Denker Zugriff auf die ältere philosophische Literatur hatten – von den Vorsokratikern über die Sophisten, Platon und Aristoteles sowie deren Schüler und den Skeptizismus bis zur hellenistischen Philosophie. Auch in dieser Hinsicht können im Grunde nur Einzelstudien präzise Antworten liefern, doch scheinen immerhin einige allgemeine Tendenzen unzweifelhaft. Klar ist zum einen, dass sich die Quellenlage je nach geographischer Position unterschiedlich darstellt: In Großstädten wie Rom, Pergamon und Alexandrien oder – später – Konstantinopel waren die Bibliotheksverhältnisse generell viel besser als auf dem Land (wobei zuweilen Brände und andere Zerstörungen Kontinuitätsbrüche bewirkten; vgl. zu Alexandrien Casson 2001 [*40: 45–47, 138]; zu Konstantinopel Wendel 1942 [*32: 205]). Neben den teilweise auf Stiftungen zurückgehenden öffentlichen Bibliotheken konnten auch Häuser der Bildungselite, philosophische Schulen und mit der Zeit ebenfalls christliche Institutionen Orte sein, wo Bücher gesammelt wurden und zugänglich waren (vgl. allgemein Wendel 1954 [*33] und Blanck 1992 [*37: 133–178]; für Privatsammlungen besonders in struktiv das Beispiel Galens, der anlässlich einer auch die großen Bibliotheken auf dem Palatin betreffenden Feuersbrunst im Jahre 192 n. Chr. in Rom «seltene und sonst nirgendwo vorhandene» bzw. mit besonderer «Sorgfalt» verfasste fremde und eigene Editionen aus seiner privaten Sammlung verloren hat: De indol. 12–37; vgl. Boudon-Millot, Jouanna, Pietrobelli 2010 [*48: XXXI–XXXVIII], Hatzimichali 2013 [*50: 8–10]). Zum andern sind Verschiebungen in der intellektuellen ‘Großwetterlage’ fest zustellen, die längerfristig massive Konsequenzen für die Verfügbarkeit philoso phischer Texte hatten und auch dafür verantwortlich sind, welche Autoren bei dem für die spätere Überlieferung entscheidenden Medienwechsel von der Buchrolle zum Codex neu abgeschrieben wurden und welche nicht (vgl. dazu Pöhlmann 1994 [*39: 79–86], Casson 2001 [*40: 124–135], Irigoin 2001 [*41: 65–73]). Vom Christentum einmal abgesehen, das sich so oder so dem ‘Zeitgeist’ des globalisier ten Imperium Romanum nicht entziehen konnte, spielen Platon und der Platonis
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mus in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle. Die zunehmende Fixierung der philo sophischen Elite auf diesen Sokratesschüler löste Verdrängungsprozesse aus, die durch den Attizismus und seine Rückbesinnung auf die ‘klassische’ Literatur des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., die allgemein das hellenistische Schrifttum immer mehr aus dem Blickfeld geraten ließ, zusätzlich verstärkt wurden. Im Unterschied zu heute dürften zwar die aus der Zeit des Hellenismus stam menden Texte der skeptischen Akademie und allgemein des Skeptizismus, Theo phrasts und der übrigen Schüler des Aristoteles, der älteren Stoa, Epikurs und seiner Jünger sowie des hellenistischen Pythagoreismus in den ersten drei nach christlichen Jahrhunderten noch mehrheitlich vorhanden gewesen sein (im Falle der Stoa mag dies auf das Gesamtwerk des «singulär arbeitsamen» Chrysipp, der mehr als 705 Schriften verfasst haben soll – zum Vergleich: im Hinblick auf den «Vielschreiber ersten Ranges» Epikur hören wir von «an die 300 Buchrollen» (D. L. 10,26) – , nur bedingt zutreffen: D. L. 7,180 = Chrysipp test. 1, II,1 SVF; vgl. Gourinat 2005 [*45: 13f.]). Doch mit dem Erstarken des sogenannten dogmatischen Platonismus, der ab der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. den intellektuellen Diskurs zu dominieren und die anderen philosophischen Schulen an den Rand zu drängen beginnt, er lischt das Interesse an diesen Werken mit der Zeit, zumal sie, wie angedeutet, auch auf sprachlich-stilistischer Ebene als nachzuahmende Vorbilder ausschieden. Für die Stoa aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass noch Ori genes Zugriff auf Chrysipp hatte (vgl. Orig. Cels. 1,5 = Zenon fr. 265, I,62 SVF; 1,64 und 8,51 = Chrysipp fr. 474, III,124f. SVF; 5,57 = Chrysipp test. 23, II,10 SVF usw.). Dazu fügt sich, dass auf einer wohl als Bibliothekskatalog zu verstehenden Bücherliste der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. aus dem ägyptischen Memphis die Namen verschiedener Stoiker figurieren (Chrysipp, Diogenes [von Babylon?], Poseidonios: vgl. Houston 2014 [*52: 53–57]). Bei der wohl im Jahre 356 erfolgten Gründung der konstantinopolitanischen Bibliothek durch Constan tius II. galten die Werke der älteren Stoiker dagegen bereits als Rarität (vgl. Them. Or. 4, 60b–c; dazu Wendel 1942 [*32: 193–201]), und zu Simplikios’ Lebzeiten «fehlte der größte Teil der Schriften [sc. der Stoiker]» (Simpl. In Cat. 334,1–3; vgl. von Arnim 1903 [*31: XLV–XLVII]; allgemein Gourinat 2005 [*45: 16–19]). Für die pyrrhoneische Skepsis und den Epikureismus hält Kaiser Julian schon im 4. Jahrhundert n. Chr. ähnlich fest, dass «die meisten ihrer Bücher» verloren seien (Ep. 89b, 301c Bidez; sie dürften wohl bei der Bibliotheksgründung durch Julians Vorgänger Constantius II. aus inhaltlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt worden sein; vgl. auch Wendel 1942 [*32: 197]). Was die Sophistik des 5. Jahrhunderts v. Chr. betrifft (vgl. allgemein Grund riss, Antike II, I Kap. 1), so wird deren Verunglimpfung durch Platon bereits früh nicht ohne Folgen geblieben sein, auch wenn Sextus Empiricus beispielsweise Pro tagoras und Gorgias gut gekannt hat und noch Porphyrios «zufällig auf Protago ras’ Schrift ‹Über das Sein› stoßen» konnte (80 B 2 DK). Dass die Sophisten tat sächlich bis ins frühe 3. Jahrhundert n. Chr. verfügbar blieben, belegen u. a. der Einschluss von Hippias’ Name in die oben genannte Bücherliste aus Memphis (86 B 19 DK), Diogenes Laertios’ Liste der «erhaltenen Bücher» des Protagoras
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(D. L. 9,55 = 80 A 1 DK) sowie die in diese Zeit zu datierenden Oxyrhynchos- Papyri 1364 und 3647 mit Ausschnitten aus Antiphons ‹Wahrheit›; weitere längere Auszüge aus Antiphons Werk finden sich später auch bei Stobaios, und zwei epideiktische Reden des für die antike Rhetorik sehr wichtigen Gorgias sind bekanntlich sogar in direkter Überlieferung auf uns gekommen (‹Lobrede der Helena› und ‹Verteidigung des Palamedes›: 82 B 11 und 11a DK). Für die fortschreitende Verdrängung der Vorsokratiker (vgl. allgemein Grund riss, Antike I, I–II) dürften hauptsächlich zwei Faktoren ausschlaggebend gewe sen sein: 1) die Popularität doxographischer Handbücher und anderer Kurzdar stellungen der philosophischen Lehren, und 2) die beherrschende Stellung von Platons ‹Timaios›. In der Kaiserzeit erfreuten sich Handbücher, in denen vornehmlich die natur philosophischen «Lehrmeinungen» (δόξαι) in einer an Platons ‹Timaios› erinnern den Systematik knapp zusammengefasst sind, außerordentlicher Beliebtheit. Einen Eindruck von dieser Gattung bietet heute zum Beispiel Ps.-Plutarchs Schrift ‹Über die Lehrmeinungen der Philosophen zur Naturphilosophie› (Περὶ τῶν ἀρεσκόντων φιλοσόφοις φυσικῶν δογμάτων), aus der in Verbindung mit Ex zerpten bei Stobaios und weiteren Parallelen die im Kern möglicherweise auf eine entsprechende Sammlung Theophrasts zurückgehende einflussreiche Schrift des Aëtios, eines Doxographen des 1. Jahrhunderts n. Chr., rekonstruiert werden kann (vgl. Grundriss, Antike I, I 150–174 und III, 514f., Betegh 2010 [*49: 35–37], jetzt auch Bottler 2014 [*51]). Doxographien dieser Art waren die erste Anlaufstelle, wenn man sich in Kaiserzeit und Spätantike über die Grundpositionen der Vorso kratiker und aller anderen vorchristlichen Philosophen kundig machen und diese gegeneinander ausspielen wollte. Schriftsteller ohne genuin philosophische Inte ressen, und zwar pagane genauso wie jüdisch-christliche, begnügten sich nicht sel ten mit der Wiedergabe solchen – vermutlich auch im Schulunterricht vermittel ten – Handbuchwissens, ohne selbst auf die Originaltexte zurückzugreifen. Neben diesen systematischen Doxographien gab es auch Überblickswerke, in denen entweder die ‹Abfolgen der Philosophen› (Διαδοχαὶ τῶν φιλοσόφων) unter Konzentration auf Biographisches oder einzelne Schulen bzw. wichtige Philosophen nach Art des ‘Reader’s Digest’ vorgestellt wurden (vgl. auch Grundriss, Antike I, I 150–154 und 175–181, III, 620–626 und IV, I 17–20, Betegh 2010 [*49: 33–35]). Von diesen philosophiegeschichtlichen Werken, die vermutlich unter dem Einfluss des Peripatos im Hellenismus aufkamen, sind heute nur noch Diogenes Laertios’ ‹Phi losophenviten› (Βίοι φιλοσφόφων, vermutlich 3. Jh. n. Chr.) ganz erhalten. Allgemein als Quellen philosophischer Informationen nicht zu unterschätzen sind überdies Florilegien und Sammlungen von «Aussprüchen» (ἀποφθέγματα) bzw. «Auszügen, Exzerpte» (ἐκλογαί), wobei im Einzelnen freilich jeweils nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden ist, ob eine Stelle aus solchen sekundären Quellen oder aus dem Originaltext exzerpiert wurde (zu bedenken ist, dass Flo rilegien auf die Rezeption des Primärtextes auch wieder zurückwirken und inso fern eine dialektische Wechselwirkung zwischen beiden besteht). Eine Vorstellung von dieser literarischen Gattung vermögen u. a. Epikurs ‹Hauptlehrsätze› (Κύριαι δόξαι) auf der einen und Stobaios’ ‹Anthologie›, die u. a. die Hauptquelle für
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§ 2. Philosophische Quellenlage für kaiserzeitliche und spätantike Autoren (Bibl. 105)
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emokrits Ethik darstellt, auf der andern Seite zu vermitteln (vgl. Grundriss, An D tike IV, I 80f. und I, II 834f.; allgemein Chadwick 1969 [*34]). Für weitere mögliche Informationsquellen über Platon ist außerdem auf einführende Werke wie Alkinoos’ ‹Handbuch der Lehren Platons› (Διδασκαλικὸς τῶν Πλάτωνος δογμάτων) hinzu weisen, das eine der hellenistisch-peripatetischen Einteilung der Philosophie in Dialektik, theoretische und praktische Philosophie folgende Kurzdarstellung der Lehre Platons bietet. Der zweite, nicht minder wichtige Grund für die allmähliche Verdrängung der vorsokratischen Literatur ist in Platons ‹Timaios› zu sehen, der eine Art Summe des vorsokratischen Denkens darstellt und im kaiserzeitlichen Platonismus zum Referenztext für Kosmologie und Naturphilosophie schlechthin avancierte (cf. u. a. Dörrie 1987 [*35: 20–22], Sharples, Sheppard 2003 [*44], Leinkauf, Steel 2005 [*46]). Die Lektüre dieses entsprechend intensiv diskutierten und kommentierten Dialogs ließ ein gesondertes Studium von Platons Vorläufern wohl weithin als ent behrlich erscheinen. Daran ändert auch eine Ausnahme wie Simplikios wenig, der im Hinblick auf Parmenides übrigens explizit davon spricht, wie selten dessen Werk geworden sei (In Phys. 144,28), und dem wir neben größeren Abschnitten aus Parmenides, Anaxagoras und Diogenes von Apollonia – dieser soll mehrere Werke geschrieben haben, von denen aber einzig die Schrift ‹Über die Natur› bis zu ihm, Simplikios, gelangt sei (In Phys. 151,28f.) – u. a. eine Vielzahl von Empe dokles-Versen verdanken (diese lassen sich jetzt teilweise durch den spektakulä ren Straßburger Papyrus des 1. Jh.s n. Chr. in den größeren Kontext einordnen und ergänzen (vgl. Primavesi 2002 [*43: 187–189] und 2008 [*47]). Komplexer stellt sich die Situation in Bezug auf Aristoteles dar: Während seine esoterischen Schriften in dem vom vorliegenden Band abgedeckten Zeitraum wohl durchgängig verfügbar waren und zumindest die später unter der Bezeich nung ‹Organon› zusammengefassten logischen Schriften als Propädeutik ins Cur riculum des kaiserzeitlichen und spätantiken Platonismus integriert wurden, ver lieren sich die Spuren der von Beginn weg für die Veröffentlichung bestimmten exoterischen Werke, deren sprachliche Brillanz Cicero lobt (Ac. 2,38,119; vgl. auch Quint. Inst. 10,1,83; Amm. In Cat. 6,29ff.), mit der Zeit (vgl. Donini 1994 [*38: 5036f.]; zur Rolle, die Andronikos’ Werkkatalog dabei gespielt haben könnte, Hatzimichali 2013 [*50: 23–27]). Ob die späten Neuplatoniker noch einen direk ten Zugriff auf die aristotelischen Dialoge hatten, ist umstritten. Laut Gigon 1987 [*36: 209 und 223] müssen die Dialoge «im Verlauf der ersten zwei Jahrhunderte der Kaiserzeit untergegangen sein» und die späteren Zitate stammen «ausnahms los aus zweiter Hand». Doch nicht nur Iamblichos, sondern auch die Platoniker am Ausgang der Antike wussten unzweifelhaft um deren Existenz und hatten zum Teil klare Vorstellungen darüber (vgl. Syrian. In Metaph. 120,33–121,4 = Arist. De ideis fr. 115 Gigon), wobei sie mitunter auch längere Zitate wörtlich anführen (vgl. etwa Syrian. In Metaph. 160,1–4 = Arist. De phil. fr. 24 Gigon, unter präzi ser Quellenangabe «im zweiten Buch der Schrift ‹Über die Philosophie›», und Philop. In De an. 144,23–145,7 = Arist. Eudem. fr. 59 Gigon). Ein mit Aristoteles’ exoterischen Werken vergleichbares Schicksal hat schließ lich nicht nur die Schriften der Sokratiker, sondern genauso die publizierten
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Werke der Nachfolger an der Spitze des Peripatos, um die sich u. a. Galen beson ders bemüht hat (vgl. De indol. 15), sowie die Vertreter der alten Akademie ge troffen. Aber auch hier ist zu differenzieren: Im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. waren beispielsweise die Dialoge des Aischines noch immer verfügbar (vgl. P. Oxy. 2889 und 2890 = Aeschin. VI A 76 und 79f. SSR), und was die Schule Platons und Aristoteles’ betrifft, so hat Kaiser Constantius II. im Rahmen seiner Bibliotheks gründung in Konstantinopel offenkundig nochmals gegenzusteuern versucht (vgl. Them. loc. cit.). Noch der letzte Leiter der Akademie, Damaskios, konnte sich in seiner Auseinandersetzung mit den Prinzipien der ältesten Kosmogonien auf ein Buch des Aristotelesschülers Eudemos stützen (Eudem. fr. 150 Wehrli; vgl. Grundriss, Antike I, I 102, Betegh 2002 [*42]; allgemein Grundriss, Antike III). Fassen wir zusammen: Am besten dürfte die Quellenlage wohl in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. gewesen sein (vgl. auch Betegh 2010 [*49: 26]). Damals waren – zumindest in den kulturellen Zentren, die mit größeren Bibliotheken aus gestattet waren – nicht nur die Werke Platons und Aristoteles’ (letztere unter Ein schluss der exoterischen Schriften) im Prinzip greifbar, sondern wohl genauso die der Vorsokratiker, der Sophisten, der weiteren Sokratiker neben Platon und Xenophon, diejenigen der ersten Schüler Platons und des Aristoteles, der helle nistischen Philosophien sowie der aus dieser Zeit stammenden doxographischen und philosophiegeschichtlichen Handbücher. Gerade in dieser Phase der mehr oder weniger umfassenden Verfügbarkeit philosophischer Literatur begannen indes Dynamiken der Kanonisierung und Verdrängung zu greifen, die auf lange Sicht dazu geführt haben, dass wir heute etwa die Texte der alten und mittleren Stoa nicht mehr lesen können. Eigenen Gesetzen folgte die Selektion innerhalb der frühchristlichen Literatur, wo im Wesentlichen das – im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich gefasste und zunehmend an Machtstrukturen gekoppelte – Kriterium der Rechtgläubigkeit über die Weitertradierung von Werken entschied. Wie besonders anschaulich Simplikios’ Beispiel zeigt, schließen die großen Trends im Übrigen keineswegs aus, dass am Ausgang der Antike selbst von Den kern, die wie die Vorsokratiker nicht mehr im Zentrum des Interesses standen, bei gezieltem Suchen noch Kopien auffindbar waren. Schließlich ist daran zu erinnern, dass den späteren Platonikern im Unterschied zu heute religiös-mythische Textcorpora – darunter insbesondere die orphische Dichtung und die ‹Chaldäischen Orakel› –, die sie als Quellen alter Weisheit be trachteten und hoch verehrten, noch vollständig vorlagen. Wichtig ist außerdem, dass diese Denker auch zahlreiche pseudepigraphische Schriften, wie sie beson ders Pythagoras und seiner Schule, aber auch Platon, Aristoteles (u. a. ‹Über den Kosmos›) und anderen untergeschoben wurden, für echt hielten und diese daher ganz selbstverständlich in ihre Reflexionen mit einbezogen.
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§ 3. Anknüpfung an die Schultradition (Bibl. 105–106)
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§ 3. Anknüpfung an die Schultradition Christoph Horn In der klassischen Periode der griechischen Philosophie haben besonders die (im engeren oder weiteren Sinn) auf den historischen Sokrates zurückgehenden Schulen traditionsbildend gewirkt: nämlich Eukleides und die Megariker, Anti sthenes und die Kyniker, Aristipp und die Kyrenaiker, Platon und die ältere Aka demie, Aristoteles und das Lykeion (Peripatos) sowie Zenon von Kition und die Stoa. Alle diese Schulen besaßen zumindest ein gewisses Fortleben in hellenisti scher Zeit. Daneben existierten in dieser Epoche die auf Leukipp und Demokrit zurückgehende Schule des Epikur (κῆπος, der ‘Garten’) und die durch Pyrrhon von Elis und Timon von Phleius inaugurierte Schule der pyrrhoneischen Skepsis. Am Ende der hellenistischen Zeit sahen zwei dieser Schulen sehr anders aus als zu Beginn: Platons Akademie hatte sich unter Arkesilaos (ca. 315–241 v. Chr.) und Karneades (214–129 v. Chr.) in eine skeptische Schule verwandelt, und der Peri patos hatte (so jedenfalls die Standardsichtweise) einen starken Bedeutungsver lust erlitten (für eine Tabelle der Scholarchen von Akademie, Peripatos, Stoa und κῆπος siehe Dorandi 1999 [*60: 53f.]). Im 1. Jahrhundert v. Chr. trat jedoch ein Wandel ein, der besonders die Plato niker und die Aristoteliker betraf. Zweifellos der wichtigste Punkt, den man mit Blick auf den späthellenistischen und frühkaiserzeitlichen Platonismus erwähnen muss, besteht in der Rückkehr der platonisch-akademischen Schule zum Dogma tismus (Glucker 1978 [*209]). Die entscheidende Figur hierfür ist Antiochos von Askalon (ca. 130–168 v. Chr.). Nachdem er in seiner Frühphase selbst Skeptiker gewesen war, beantwortete er die Frage nach dem κριτήριον τῆς ἀληθείας («Kri terium der Wahrheit») später positiv und vertrat die Auffassung, dass philosophi sches Wissen möglich sei. Zudem war er der Auffassung, Platon sei ein metaphy sischer Dogmatiker gewesen. Damit revidierte Antiochos das zeitgenössische Platon-Bild und eröffnete ein neues Kapitel in der Geschichte der platonischen Akademie. Vor diesem Zeitpunkt waren die Akademiker Skeptiker gewesen; nun mehr verbanden sie eine Prinzipientheorie sowie die Ideenlehre mit Platons Auf fassungen von der Seele und machten daraus eine affirmative metaphysische Posi tion: den Mittelplatonismus. Zu dieser Autorengruppe gehören so bedeutende Namen wie Philon von Alex andrien (15 v. Chr. – 50 n. Chr.), Plutarch (vor 50 – nach 120 n. Chr.), Gaios (Anfang des 2. Jh.s n. Chr.), Apuleius von Madaura (geboren um 125 n. Chr.), Numenios (2. Jh. n. Chr.) und Alkinoos (2. Jh. n. Chr.). Der Mittelplatonismus bezeichnet somit eine (nicht sehr kohärente) metaphysische Schulrichtung, in der insbeson dere Platons ‹Timaios› eine intensive Lektüre und Interpretation erfuhr. Den Mit telplatonikern zufolge stellt der platonische Demiurg keine bloße literarische Illus tration dar, sondern repräsentiert eine selbständige geistige Entität, die oberhalb der wahrnehmbaren Welt zu situieren ist. Zum anderen spielt im Mittelplatonis mus die Überzeugung eine wichtige Rolle, Platon habe seine ‘Ideen’ (εἴδη, ἰδέαι)
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I. Allgemeine Einleitung
als die Inhalte dieses demiurgischen Intellekts verstehen wollen. Nimmt man beide Vorstellungen zusammen, so gelangt man dazu, die Ideen als νοῦς-immanente Denkobjekte zu interpretieren. Die Ideen bilden mithin die ewigen Paradigmen innerhalb des göttlichen Intellekts, an denen dieser sich orientiert, wenn er die wahrnehmbare Welt gestaltet. Damit zur aristotelischen Schule. Nach Aristoteles’ Tod (322 v. Chr.) nahm der Peripatos eine weniger kontinuierliche Fortentwicklung als die platonische Aka demie. Ein zentraler Grund dafür ist, dass Aristoteles’ Schüler, darunter Theo phrast und Eudemos, eher eigene Sichtweisen entwickelten, statt einen dogmati schen Schulstandpunkt fortzuführen. Hinzu kommt, dass der Zugang zu den schulinternen (‘esoterischen’) Schriften des Aristoteles in hellenistischer Zeit deutlich erschwert war. Ob sie regelrecht verschwunden waren, weil ein gewisser Neleus von Skepsis «die Papyrusrollen im Keller vermodern» ließ (Flashar 2013 [*69: 64], vgl auch Hatzimichali 2013 [*50]), mag zweifelhaft sein. Der historische Wert von Strabons Erzählung, wonach erst der Buchliebhaber Apellikon von Teos die Schriften aufgespürt und nach Athen gebracht habe, wo sie dann durch Sulla geraubt und nach Rom transportiert worden seien, ist umstritten (Strab. 13,1,54; Primavesi 2007 [*66]). Klar ist aber, dass das Corpus erst im 1. Jahrhundert v. Chr. eine weitreichende Wirkung entfaltete, und zwar durch die Edition des Andro nikos von Rhodos (Sharples 2010 [*67]). Erst diese Ausgabe eröffnete einen brei ten Zugang zu jenem Corpus, das wir heute als die Werke des Aristoteles ansehen, d. h. zu den esoterischen Pragmatien (während die exoterischen Schriften, Aris toteles’ Dialoge, die für Leser wie Cicero maßgeblich waren, heute fast komplett verloren sind). Bald nach der Wiederentdeckung setzte eine intensive Kommen tierung und Diskussion ein; die maßgebliche Figur hierfür war der Peripatetiker Alexander von Aphrodisias, von dem wir wissen, dass er um 200 n. Chr. den kai serlichen Lehrstuhl für peripatetische Philosophie in Athen innehatte. Ein wichtiger Kenner des Peripatos, auch wenn er wohl selbst kein Aristoteliker war, ist der um die Zeitenwende lebende Areios Didymos; man darf ihn nicht mit jenem Areios identifizieren, der als Hofphilosoph bei Kaiser Augustus wirkte. Areios Didymos schrieb eine umfangreiche Analyse der peripatetischen und stoi schen Ethik, die uns bei Stobaios erhalten ist (Ecl. 2,7); sie war wohl Bestandteil einer umfassenden Philosophiegeschichte. Bemerkenswert ist, dass er den Peri patetikern eine eigenständige Version der Oikeiosis-Theorie zuschreibt, also jener Aneignungskonzeption, die wir sonst allein für stoisch halten würden. In der pe ripatetischen Theorie-Variante spielt die Affinität, die ein moralisches Subjekt zu anderen Menschen unterhält, die Rolle einer abgestuften Ordnung, die von den Allernächsten (Kindern und Eltern) bis hin zur Menschheit insgesamt reicht. Kyniker sind in der römischen Kaiserzeit am besten noch im 1. Jahrhundert n. Chr. fassbar. Wir finden mit Demetrios, Dion Chrysostomos, Demonax, Pe regrinos oder Oinomaos Philosophen, die sich selbst ausdrücklich als Kyniker bezeichneten. Daneben existierten zahlreiche stark von kynischen Gedanken beeinflusste Autoren, besonders was die kynische Lebensführung betraf. Auch ein Einfluss des Kynismus auf das frühe Christentum ist möglich (Goulet-Cazé 2016 [*70]).
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§ 3. Anknüpfung an die Schultradition (Bibl. 105–106)
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Was den Epikureismus anbelangt, so könnte man zunächst glauben, dass ihm in Kaiserzeit und Spätantike keine besondere Fortwirkung mehr beschieden war. Denn zunächst drängte ihn die Stoa dieser Zeit in den Hintergrund, und dann ver hielten sich der pagane und der christliche Platonismus radikal anti-epikureisch, u. a. wegen des Hedonismus Epikurs, seines atomistischen Materialismus, seiner Zurückweisung der Idee fürsorglicher Götter und seiner Ablehnung der Lehren von der Vorsehung und der Unsterblichkeit der Seele. Träfe dies zu, so müssten sich die Auseinandersetzungen der Zeitgenossen mit dem Epikureismus auf Polemiken gegen dessen Lehrgehalte beschränken. Man hat jedoch darauf aufmerksam ge macht, wie stark epikureische Argumente in der Epoche bei nicht-epikureischen Autoren präsent bleiben: u. a. bei Plutarch, Seneca, Lukian, Diogenian, Kelsos oder Augustinus (vgl. Althoff 1999 [*59: 46f.]). Sogar ein scharfer Kritiker wie Lak tanz scheint von Epikurs Gedanken nicht unbeeinflusst geblieben zu sein (dazu Kany-Turpin 2000 [*63]); auch eine gewisse affirmative Präsenz Epikurs im Neu platonismus ist unbestreitbar (vgl. Erler 1999 [*62: 119–122], O’Meara 2000 [*64]). Aber Epikur fand auch dezidierte Anhänger: Wir wissen aus Diogenes Laertios, dass es Epikur-Anhänger noch im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. gab (D. L. 10,9– 10). Auch Epikurs Philosophie erhielt unter Kaiser Mark Aurel einen Stiftungs lehrstuhl in Athen. Ein ganz besonderes Dokument seiner Fortwirkung findet sich im lykischen Oinoanda, nämlich die ursprünglich größte, heute nur noch zum Teil erhaltene Inschrift der Antike: In diesem kaiserzeitlichen Text, der vollständig wohl 3 mal 80 Meter groß war und ca. 25 000 Wörter umfasste, mahnt Diogenes von Oinoanda seine Mitbürger zur epikureischen Philosophie. Die kaiserzeitliche Stoa hat ebenfalls ihre größte Blüte bis zur Regierungszeit von Kaiser Mark Aurel, der ja selbst ein bedeutender stoischer Philosoph gewe sen ist. Mark Aurel schließt auf diese Weise eine Reihe ab, zu der so wichtige Köpfe wie Cornutus, Seneca, Musonius Rufus und Epiktet gehören. Man hat die stoische Schule der römischen Zeit häufig dadurch charakterisiert, dass nunmehr die Ethik stark in den Vordergrund tritt und die Logik sowie die Physik an den Rand drängt. Das ist sicher überpointiert, aber auch nicht völlig falsch. Damit ver bunden ist, dass der Schreib- und Denkstil der genannten Autoren weniger streng und systematisch wirkt als der der älteren Stoiker. Als ein zweites Unterschei dungsmerkmal bietet sich die Beobachtung an, dass im römischen Kontext die konkrete Lebensberatung deutlich im Vordergrund steht und daher eher indivi duenrelative Problemlösungen und praktikable Übungen überwiegen (für Seneca vgl. Kreuzwieser 2016 [*71]). In gewisser Weise scheint das hohe Weisheitsideal jetzt erreichbarer und alltagstauglicher formuliert zu sein. Damit zur Tradition des ‘Pythagoreismus’. Da die philosophischen Positionen des historischen Pythagoras schwer zu bestimmen sind, eignet er sich besonders gut zur Rückdatierung späterer Einsichten, um diesen damit das Ansehen uralter Weisheit zu verschaffen. Im Platonismus bestand diese Tendenz bereits seit der äl teren Akademie; so wurde etwa der ‹Timaios› als pythagoreisch charakterisiert (Burkert 1972 [*58: 71]), und auch Aristoteles beschreibt Platons Prinzipientheorie als eine pythagoreische Lehre (Metaph. 1,6; dazu Steel 2012 [*68]). Man kann den ‘Neupythagoreismus’ daher in gewissem Sinn bereits mit Speusipp, Xenokrates
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und Herakleides Pontikos beginnen lassen. Die wichtigsten Neupythagoreer sind jedoch die Mittelplatoniker Eudoros von Alexandrien, Moderatos von Gades und Numenios. Diese Autoren kleiden ihren Platonismus in ein pythagoreisierendes Gewand und führen viele ihrer Einsichten auf Pythagoras zurück, gerade mit Blick auf die spekulative Theorie erster Prinzipien. Diese Tendenz setzt sich über die Traditionslinie von Nikomachos von Gerasa, Porphyrios und Iamblichos im Neuplatonismus fort und übt einen prägenden Einfluss auf diesen aus.
§ 4. Institutionelle Rahmenbedingungen Matthias Haake
1. Soziale Kontexte und kulturelle Bedingungen. – 2. Philosophen und Philosophie im Fokus kaiserlicher Rechtsprechung und Gesetzgebung. – 3. Folgen der ‘Dezentralisierung der Philosophie’. – 4. Das Museion in Alexandrien. – 5. Athen und die Philosophie. – 6. Mark Aurel und die Philosophie in Athen. – 7. Philo sophische Unterrichtspraxis. – 8. Der Neuplatonismus. – 9. Athen und Alexandrien als neuplatonische Zentren. – 10. Philosophie und Christentum. – 11. Klöster, Mönchtum und Philosophie. – 12. Endpunkte antiker Philosophie I: Athen. – 13. Endpunkte antiker Philosophie II: Aphrodisias. – 14. Endpunkte antiker Philosophie III: Alexandrien. – 15. Schluss.
1. Soziale Kontexte und kulturelle Bedingungen Wer das komplexe Phänomen der Philosophenschulen, der Formen des Unter richts und der Stellung der Philosophie im griechisch-römischen Bildungssystem in Kaiserzeit und Spätantike verstehen möchte, tut gut daran, die sozialen Kontexte und kulturellen Bedingungen der philosophischen Praxis zu berücksichtigen sowie die politische Rahmenordnung und religiöse Einflüsse nicht zu ignorieren. Denn während die Philosophie dieser Zeit auf inhaltlicher Ebene dem modernen Betrachter als etwas partiell durchaus Bekanntes, vielfach gar Vertrautes erschei nen mag, dürfte sie aus einer sozial- und kulturhistorischen Perspektive mitunter als etwas weitgehend Fremdartiges und schlechterdings Anderes wirken. Philosophen und Philosophie bildeten im Imperium Romanum ein überaus ver breitetes und zugleich ungemein vielschichtiges Vorkommnis (Barnes 2002 [*346: 293], Riedweg 2017 [*603]; mit statistischem Anschauungsmaterial Goulet 2017 [*600]). Es reichte von der Benennung von Sklavenkindern mit Philosophennamen (z. B. Maio, Solin 2014 [*549: 478–480 Nr. 5]) über die seltenen Eigennamen Philo sophos (Pruneti 1996 [*305: 399–401], Haake 2007 [*438: 314f.]; zum Großmärtyrer Philosophos, dessen Vita eine Verknüpfung des traditionellen Topos der Stand
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§ 4. Institutionelle Rahmenbedingungen (Bibl. 106–126)
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haftigkeit des Philosophen im Angesicht des Tyrannen mit bedingungsloser christ licher sexueller Enthaltsamkeit darstellt: Lampsides 1964–1966 [*100: insb. 18f.]; dazu Halkin 1967 [*185] mit Haake 2007 [*438: 315 Anm. 117]) und Philosophia (Reynolds, Roueché, Bodard 2007 [*144: Nr. 13.309 = IAph2007 13.309]) bis hin zu einem inschriftlich als «filosofi[ae] magister» bezeichneten Kaiser, nämlich Ju lian (Fränkel 1895 [*79: 387f. Nr. 633 (Z. 3) = IPerg II 633 (Z. 3)] = Conti 2004 [*139: 79 Nr. 28 (Z. 3)]; dazu Haake 2017 [*601: 410f.] und in diesem Zusammen hang Elm 2012 [*505: 71–87]; für eine Anrede von Mark Aurel und Commodus als Philosophen siehe Athenag. Leg. inscr.), von der Wirtshauskritzelei in Hercu laneum (CIL IV 10529; dazu Benefiel, DiBiasie, Sypniewski 2016 [*573: 10f.]) und von touristischen Graffiti im Tal der Könige in Ägypten (Baillet 1926 [*88: LVI– LX = I.Syringes, LVI–LX]) bis hin zur hochgelehrten Abhandlung oder auch zu philosophischen Träumen, wie sie sich im Traumbuch des Artemidoros von Dal dis (Flamand 1989 [*248]), den ‹Oneirikritika›, finden (Hahn 1989 [*254: 47f.] zu den ‘Philosophenträumen’, Kasprzyk 2014 [*548: 283f., 304–307] zu Philosophen in den ‹Oneirikritika›, Pérez-Jean 2012 [*515] zum zeitgenössischen philosophi schen Bezugsrahmen). Die insgesamt äußerst inhomogene, manchmal dichte, meist jedoch überaus dünne Quellenlage ermöglicht es nicht, ein über Raum und Zeit des Imperium Romanum in Kaiserzeit und Spätantike hinweg gleichmäßig ausgeleuchtetes und scharfes Bild zu entwerfen, sondern bedingt einen unregelmäßigen und vielfältigen Flickenteppich, dessen Bestandteile aus ganz unterschiedlichen Themenfeldern in Bezug auf Philosophen und Philosophie in Kaiserzeit und Spätantike bestehen: Neben der Geschichte der ‘großen Philosophen’ muss man den Blick auf die ‘klei nen Vertreter’ der Philosophie richten, neben den sozialen Kontexten stehen die kulturellen Bedingungen und rechtliche Bestimmungen, neben doxographischen Fragen finden sich religiöse Aspekte, neben den Produzenten philosophischer Texte geht es um die Rezipienten der Philosophie. Sowohl die Philosophen als auch die Philosophie hatten ihren sozialen Ort im öffentlichen Raum ebenso wie in der privaten Sphäre: So traten Philosophen in der Öffentlichkeit auf und hielten Vorträge (Hahn 1989 [*254: 86–99] und 2009 [*473: 247–252]), in Form von Statuen bevölkerten sie öffentliche Platzanlagen (Zanker 1995 [*301: 209–220], Borg 2009 [*466: 221–232]), und zahlreiche Ehren inschriften bezeugen die Präsenz von Philosophen und Philosophie im öffentlichen Diskurs vieler Städte (Haake 2017 [*601: 372–409], Haake im Druck [*605]); in den Häusern römischer Aristokraten lebten ‘Hausphilosophen’ (Hahn 1989 [*254: 150–153]), bildliche und plastische Darstellungen von Philosophen waren Bestand teil gehobener Wohnkultur (Lang 2012 [*513: 124–130]; vgl. exemplarisch das spätantike Philosophenmosaik aus der Villa von Soueidié in der Nähe von Baalbek, auf dem neben Sokrates auch die Sieben Weisen mit Beischriften abgebildet sind und das eine Inschrift enthält, in der ein Platoniker namens Eudoxios – zu diesem Puech 2000 [*331] – erwähnt ist: Chéhab 1957 [*96: 29–52]; zu den Inschriften Mouterde in Chéhab 1957 [*96: 37–40, 44–46] mit Chéhab 1959 [*97: Taf. XI– XXVI, insb. XV–XX,2 und XXI,3] = Rey-Coquais 1967 [*105: 168f. Nr. 2884, 170f. Nr. 2886 = IGLS VI 2884 und 2886] = Merkelbach, Stauber 1998–2004 [*132:
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IV Nr. 20/13/03]; siehe auch Dareggi 1999 [*317], Aliquot 2010 [*481: 307–311]) sowie sepulkraler Selbstdarstellung (Ewald 1999 [*318: 29–134], Borg 2009 [*466: 232–236], Haake im Druck [*605]), und die Lektüre von philosophischen Texten wurde im Kontext des «otium» (σχολή, «Muße») weithin betrieben (z. B. Plin. Ep. 8,9,1–2 mit Griffin 2007 [*437: 456]). Dieses in sehr groben Zügen umrissene Bild der – in der Antike stets als etwas spezifisch Griechisches wahrgenommenen (Gotter 2003 [*366: 166], Trapp 2014 [*557: 36f.]) – Philosophie zwischen der Zeitenwende und dem frühen 7. Jahrhun dert bedarf selbstverständlich der Differenzierung. Was sich nämlich wie ein re lativ homogenes Gebilde im Bereich des Imperium Romanum ausnimmt, war zu gleich ein überaus heterogener Komplex in einem Pluriversum zwischen den Säulen des Herakles im Westen und der Syrischen Wüste im Osten, zwischen Bri tannien im Norden und dem ersten Nilkatarakt im Süden. Denn auch wenn die nordwestlichen Provinzen keineswegs eine philosophiefreie Zone waren (dazu von Hesberg 2004 [*381: 23f., 32–38]), wie exemplarisch etwa Favorinos von Arelate sowie die seit einiger Zeit nicht mehr allein durch ein mit telalterliches Manuskript bekannte (Buecheler 1897 [*80: II 714f. Nr. 1516 = CLE II 1516]; zu einer weiteren Handschrift: Furbetta 2015 [*562]), sondern auch durch zwei inschriftliche Fragmente bezeugte Grabinschrift für den Philosophen und Bi schof Sidonius Apollinaris aus Clermont-Ferrand verdeutlichen (Prévot 1997 [*131: 116–126 Nr. 21 = RICG VIII 21]; siehe Prévot 1993 [*127], Montzamir 2004 [*385]; vgl. auch Cugusi 2007 [*143: 130]): Es waren insbesondere der griechische Osten sowie Teile Nordafrikas und Italien mit der Hauptstadt Rom, wo Philosophie vor allem in städtischen Kontexten eine wichtige Rolle spielte (Hahn 1989 [*254: 119– 171], Goulet 2013 [*528: 29–37 und Abb. 8–13]). Dabei existierten zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten strukturell bedingte Differenzen im Umgang mit der Philosophie, die ihren sinnfälligen Ausdruck beispielsweise in der unterschiedlichen Verwendung des Wortes «philosophus» bzw. φιλόσοφος in epigraphischen Zeugnissen gefunden haben (Haake 2017 [*601: 412f.]), so dass man in mancher Hinsicht geradezu von ‘zwei alten Geschichten’ (diese Formulie rung nach Martin 1997 [*309]) der Philosophie sprechen kann. Und auch in chronologischer Hinsicht ist zu konstatieren, dass die gesellschaft liche Bedeutung, die der Philosophie im Verlaufe des mehr als sechshundertjäh rigen Zeitrahmens zugemessen wurde, und die Rolle, die Philosophen im öffent lichen Leben spielten, keineswegs konstant, sondern – fokussiert man exemplarisch auf die Zeit der Zweiten Sophistik und das christlich werdende spätantike Impe rium Romanum – wiederholtem und verschieden stark ausgeprägtem Wandel un terworfen waren (vgl. die Ergebnisse von Bowersock 2002 [*348], Dillon 2002 [*350], Flaig 2002 [*351: 125–134], Hahn 2007 [*440], Trapp 2014 [*558] mit den Resultaten von Brown 1980 [*215], de Haas 2003 [*365], Dillon 2005 [*395], Lane Fox 2005 [*398], Wildberg 2005 [*410: 329–336], DePalma Digeser 2010 [*483], King 2013 [*531], Watts 2015 [*570]; zur chronologischen Verteilung von Philoso phen: Goulet 2013 [*528: 18–26 und Abb. 3–6]). Eine besonders einschneidende Veränderung im Verhältnis des Philosophen zur Öffentlichkeit wird in der Regel im 3. Jahrhundert verortet, wobei die Zäsur zuweilen wohl etwas überzeichnet
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wird (man denke etwa an die vielleicht nicht nur als Ausnahme von der Regel zu betrachtenden Beispiele von Marin. Vit. Procl. 14,1–27 Saffrey–Segonds oder den anonymen ‹Dialog über die politische Wissenschaft› (Περὶ πολιτικῆς ἐπιστήμης, ‹Dialogus de politica scientia›; zu diesem Text aus justinianischer Zeit: Mazzucchi 22002 [*121: XIII–XVIII], O’Meara 2002 [*357], MacCoull 2006 [*422], Bell 2009 [*146: 49–79]; zu einem der Dialogteilnehmer, Menas, mit weitreichenden Über legungen Rashed 2000 [*336]). Die Ursachen dieser Zäsur sind keineswegs vorrangig in der ‘Krise des 3. Jahr hunderts’ zu sehen (so noch Hahn 1989 [*254: 31]), sondern auch in bereits früher einsetzenden philosophie-immanenten Veränderungen (Hahn 2007 [*440: 406– 412]), die freilich nicht völlig von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ent koppelt werden sollten. Schließlich bietet sich in der Spätantike dem Betrachter der philosophischen Szenerie(n) ein überaus mannigfaltiges Panorama: Einer sich vielerorts vollziehenden Marginalisierung in der Öffentlichkeit (Haake 2006 [*417: 537]; zur Philosophie im spätantiken Imperium Romanum jenseits von Athen und Alexandrien: Sheppard 2000 [*338: 852–854]) steht eine erhebliche Wertschätzung paganer wie christlicher Angehöriger der lokalen und imperialen Eliten gegenüber (Wildberg 2005 [*410: 317f., 333–336]), und die fallweise auftre tende öffentliche Ehrenstellung von Philosophen (zu Athen: Watts 2006 [*430: 79– 110]; ein instruktives, wenn auch spezifisches Beispiel aus dem pisidischen Antio chien ist die Grabinschrift für Gaius Calpurnius Collega Macedo – zu diesem Puech 2005 [*401] –, Jones 1982 [*223: 264–269]; dazu Haake 2008 [*460: 153]) korrespondiert mit gelegentlich gar letaler Gewaltanwendung gegen sie (vgl. die Ermordung der Hypatia, als Frau weit mehr die Ausnahme denn die Regel unter antiken Philosophen – zu antiken Philosophinnen allgemein Gauger 1998 [*314], zu Frauen in spätantiken Philosophenviten Hartmann 2006 [*419] –, durch aufge brachte alexandrinische Bevölkerungsteile – dazu Al. Cameron 2013 [*525] –, oder Proklos’ temporäre Flucht vor gewaltbereiten Christen – diese dürften mit dem Hapax γυπογίγαντες, «Geier-Giganten», gemeint sein – aus Athen nach Lydien [Marin. Vit. Procl. 15,14–35 Saffrey-Segonds]; dazu Bowersock 2006 [*414: 176], Watts 2006 [*430: 205f.]). All dies illustriert das öffentliche Interesse an der Figur des Philosophen, der auch als ‘pagan holy man’ in Erscheinung treten konnte (Fowden 1982 [*221]), und zeigt dessen nach wie vor bestehende Involvierung in das soziale, politische und religiöse städtische Leben in seiner ganzen Bandbreite. Neben dieser kulturell und historisch bedingten Diversität ist die Philosophie auch in Bezug auf ihre Inhalte und hinsichtlich ihrer Vertreter ein vielgestaltiges Phänomen, so dass man geradezu von einem ‘Markt der Philosophien’ sprechen kann (für einen Überblick über die ersten zwei Jahrhunderte der Kaiserzeit: André 1987 [*240]). Dies trifft einerseits auf die verschiedenen inhaltlichen Aus richtungen der Philosophie etwa kynischer, platonischer, aristotelischer, stoischer oder auch eklektischer Natur (zu einem [φ]ιλόσοφον ἐγλεκ̣ [τικόν] [sic] namens Po tamon von Alexandrien, siehe Engelmann, Knibbe, Merkelbach 1980 [*116: 143 Nr. 789 (Z. 4) = IK Ephesos III 789 (Z. 4)]; vgl. Dorandi 2016 [*578]) und deren innerschulische Nuancen zu, und besitzt andererseits Gültigkeit vor dem Hinter
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grund der unterschiedlichen Typusausprägungen des Philosophen, deren Band breite vom schweigenden Philosophen Secundus (Follet 2016 [*581]) über Lucius Annaeus Cornutus, Musonius Rufus, den ‘römischen Sokrates’, den Kyniker De metrios, einen paradigmatischen Populärphilosophen, Eudemos von Pergamon (Boudon 2000 [*322]), Peregrinos Proteus, den jüdischen Philosophen Philon von Alexandrien, der jüdisches und philosophisches Denken miteinander in Einklang zu bringen versuchte, Plutarch von Chaironeia, Maximos von Ephesos (Delfim Santos 2005 [*393]), Proklos, den Philosophen und späteren Bischof Synesios von Kyrene sowie Seneca und Longinos, zwei Philosophen in Kaisernähe par excel lence, bis hin zu Mark Aurel einerseits und all jenen ‘vergessenen Philosophen’ (der Begriff nach Jones 2007 [*441]) wie etwa Hermokles von Alexandrien (Haake 2011 [*499]) andererseits reicht, die nur durch epigraphische oder auch papyrolo gische Quellen bekannt sind, jedoch weder selbst Spuren in der literarischen Überlieferung hinterlassen noch Aufnahme in diese gefunden haben. Über die Frage, was eigentlich genau unter Philosophie verstanden und wer als Philosoph angesehen werden konnte (zur Begriffsgeschichte: Trapp 2007 [*18: 5–10], Hine 2016 [*585]; zur substantivischen wie adjektivischen Verwendung von φιλόσοφος in epigraphischen Zeugnissen: Haake 2008 [*460: 150–155], Hahn 2010 [*484: 443]), bestand keineswegs Konsens im Imperium Romanum; sie war viel mehr Gegenstand polemischer Kontroversen. Ein zentraler Streitpunkt ent brannte immer wieder an den Motiven, sich mit Philosophie zu befassen und als Philosoph aufzutreten, und der damit einhergehenden Thematik des ‘wahren’ bzw. ‘falschen’ Philosophen (Trapp 2007 [*18: 23–27], Fornaro 2009 [*471]). Neben einem in das 2. Jahrhundert zu datierenden Brief, in dem ein gewisser Claudius Antoninus, der erfolgreich an Agonen teilgenommen hatte, aufgrund seiner cha rakterlichen Qualitäten in prägnanten Worten als ‘wahrer’ Philosoph beschrieben wird (ἀληθινὸς | φιλόσοφος: Meyer 1911–1924 [*82: II 154f. Nr. 37 (Z. 5f.) = P. Hamb. 37 (Z. 5f.)]), und einer in das späte 2. oder 3. Jahrhundert zu datierenden Sarkophaginschrift aus dem karischen Aphrodisias, in der ein Marcus Aurelius Diodoros Kallimedes (Puech 1994 [*287]) als ‘wirklicher’ Philosoph bezeichnet wird (τὸν ὄντως | φιλόσοφον: Reynolds, Roueché, Bodard 2007 [*144: Nr. 13.105 ii (Z. 15f.) = IAphr2007 13.105 ii (Z. 15f.)]; zum Sarkophag: Smith 2006 [*429: 307 Sarc. 10]), ist in dieser Hinsicht ein kurzer Passus in der monumentalen, wohl in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts zu datierenden ‘Epikureischen Inschrift’ aus dem in den Bergen des nördlichen Lykien gelegenen Oinoanda instruktiv: Dioge nes, der Autor und Stifter dieses in Stein verewigten Textes in einem ursprüng lichen Umfang von mehr als 25 000 Wörtern (Hammerstaedt 2014 [*544: 738– 740]), empört sich dort über diejenigen, die sich im Gegensatz zu ihm der Philosophie nicht aus hehren Gründen widmeten, sondern um aus dieser Beschäf tigung Ruhm und Reichtum zu ziehen (Diog. Oen. fr. 29 Smith). Der unterschiedlich motivierte Umgang mit Philosophie lässt sich ganz wesent lich auf zwei ihrer zentralen Charakteristika zurückführen. Erstens ist es wie be reits in klassischer und hellenistischer Zeit (Haake 2007 [*438: 279–282] und 2009 [*472: 116f., 127–135]) hauptsächlich ein bestimmtes soziales Stratum der Bevöl kerung, das sich mit Philosophie befasste: die Oberschicht (Hahn 2010 [*484],
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Haake 2017 [*601: 400–403]). Der Freigelassene Epiktet dürfte, wie schon der Kreis seiner gelegentlichen Besucher und regelmäßigen Hörer zeigt (Brunt 1977 [*203: 19–23], Hahn 2011 [*500: 125]), in dieser Hinsicht für eine Ausnahme von der Regel stehen; und eine Aussage in der fiktiven Grabinschrift für das geplante Grabmal des zu unermesslichem Reichtum gelangten Freigelassenen Trimalchio in Petronius’ ‹Satyrica› zeigt in ihrer Negation («nec umquam philosophum audivit», «und nie mals hat er einen Philosophen gehört»: Petron. 71,12), was die Norm für eine Per son darstellte, die zu den gesellschaftlich führenden Bürgern einer Stadt gehörte (Schmeling 2011 [*148: 302]). Mit Philosophie vertraut zu sein war, so lässt sich ab strakt formulieren, für die männlichen Angehörigen der lokalen Eliten wie auch der Reichsaristokratie in der Kaiserzeit integraler Bestandteil ihres Habitus (Jones 2005 [*396], Haake im Druck [*605]). Bei der Frage nach der Ausgestaltung des konkre ten Umgangs der Oberschichten mit der Philosophie kommt deren zweites zentra les Charakteristikum ins Spiel. Es ist eine wohl etablierte Ansicht, dass die antike Philosophie in zwei Felder zu unterteilen ist: in die Philosophie als Lebensform (P. Hadot 1984–1985 [*230]; als «ars vitae»: Hahn 1989 [*254: 37–43]) und in den philosophischen Diskurs, in dem neben zahlreichen anderen Aspekten auch und gerade das Leben gemäß philosophischen Maßgaben erörtert wurde (P. Hadot 1995 [*296: 265–352]; zum Verhältnis von philosophischem Diskurs und sozialer Praxis im Handeln von Philosophen siehe Haake 2008 [*460: 163]). Innerhalb der Oberschichten des Imperium Romanum lassen sich aufgrund un terschiedlicher Formen des Umgangs mit der Philosophie als Diskurs und als Pra xis verschiedene Typen beschreiben, die – unter Ausklammerung derjenigen, die ein gänzlich philosophiefreies und deswegen ebenso kultur- wie stilloses Leben führten (nach Plut. Lib. educ. 10) – in vier Gruppen gegliedert werden können. Die kleinste Gruppe setzt sich aus denjenigen Personen zusammen, die sich für eine ihr Leben dominierende, professionelle Beschäftigung mit der Philosophie entschieden und die Philosophie sowohl als Diskurs als auch als Lebensform prak tizierten, die Philosophie vermittelten und sich inhaltlich mit ihr im Sinne diszip linärer Regeln auseinandersetzten. Für diese Gruppe gilt in ganz besonderer Weise, was Simplikios nicht ohne Pathos sinngemäß folgendermaßen formuliert hat: dass es für den Philosophen das Ziel sein müsse, den Worten entsprechende Handlungen aus der Beschäftigung mit der Philosophie folgen zu lassen (Simpl. In Epict. 67,4 Hadot; dazu I. Hadot 2003 [*368: 68]). Eine zweite, größere Gruppe kann man als ‘Teilzeitphilosophen’ oder besser noch ‘Dilettanten’ im ursprünglichen Sinne des Wortes bezeichnen: Bei ihr handelt es sich um Personen, deren Leben vorrangig nicht von der Philosophie, sondern der Übernahme von oberschichtsspezifischen Ämtern und Obliegenheiten geprägt war, die aber zum philosophischen Diskurs aktiv beitrugen. Denken mag man in diesem Zusammenhang an den sowohl literarisch als auch epigraphisch als Phi losophen bezeichneten Arrian (literarisch: FGrHist 156 T 8 = FGrHist 1075 T 1 = Suda II,117,3 Adler s. v. Δίων ὁ Κάσσιος; inschriftlich: u. a. Kent 1966 [*102: 55f. Nr. 124 (Z. 1) = Corinth VIII,3, Nr. 124] mit Bowersock 1967 [*183], Jones 2002 [*355: 113f.]): Neben seinen Ämtern etwa als Konsul, eponymer Archon in Athen, Priester der Demeter und der Kore in seiner Heimatstadt Nikomedien verfasste
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er bekanntlich unter anderem auch die ‹Diatribai› seines philosophischen Lehrers Epiktet sowie deren Kurzfassung, das ‹Encheiridion› (zu Arrian: Follet 1989 [*249], Haake 2017 [*601: 383–390]). Eine dritte, zahlenmäßig noch größere Gruppe lässt sich als ‘Salonphilosophen’ charakterisieren: Unter diesem Begriff lassen sich Personen subsumieren, die weder primär die Philosophie als Lebensform praktizierten noch nachhaltig den philosophischen Diskurs bereicherten, die jedoch im Rahmen ihrer Selbstdarstel lung Wert darauf legten, sich als Teilhaber an der Philosophie zu inszenieren und dementsprechend wahrgenommen zu werden. Ein treffendes Beispiel aus dem 3. Jahrhundert für diesen Typus ist Appius Alexander (Puech 1989 [*257]), der nicht nur Statthalter der Gallia Lugdunensis war, sondern inschriftlich auch als «herausragender Philosoph» in Smyrna bezeugt ist (τὸν κράτιστον φιλόσοφον: Herrmann, Malay 2003 [*137: 4–6 Nr. 3 (Z. 3)]; siehe auch Christol, Drew-Bear, Taçlialan 2005 [*392]; zu einer Inschrift aus Berytos: Aliquot 2015 [*559]). Schließlich ist als vierte Gruppe der Kreis derjenigen Personen festzumachen, die zwar mit der Philosophie in standesgemäßer Weise vertraut waren, sich auf diesem Feld jedoch in keiner Weise profilierten – und damit sinngemäß in Über einstimmung mit den von Tacitus in Bezug auf die römische Führungsschicht ge tätigten Ausführungen im ‹Agricola› handelten: es mit der Philosophie nicht zu übertreiben (Tac. Agr. 4,3; dazu Hahn 1989 [*254: 63f.]; zu dieser Textstelle siehe auch Woodman, Kraus 2014 [*152: 99–102]). Was dem gesamten hier ausdifferenzierten Personenkreis vom sozialen Hinter grund abgesehen gemeinsam war, ist die sozial determinierte Intention, mit der Philosophie zunächst vermittelt wurde und die nicht unbedingt den Idealvorstel lungen der Philosophen entsprach (auch wenn sie diesen zweifelsohne mehr als bewusst war): Ziel war es, durch eine zumindest temporäre Beschäftigung mit dem exklusiven Gut Philosophie die Zugehörigkeit zur sozialen Elite zu inszenie ren und die Abgrenzung zu niederen Statusgruppen zu markieren. Als ober schichtsspezifische Zurschaustellung des Müßiggangs eignete sich die Philosophie in besonderem Maße, weil ihre Inhalte rein theoretischer Natur und strukturell vom sozialen Handeln im Sinne einer Realisierung weitestgehend entkoppelt waren (Gotter 2003 [*366: 174–176], Gehrke 2004 [*378: 478f.], Haake 2008 [*460: 163]). Was darüber hinaus die Attraktivität der Philosophie für männliche Mit glieder im jungen Erwachsenenalter ausmachte, war eine Entwicklungstendenz, die nicht erst in hellenistischer Zeit ihren Anfang genommen hatte und die sich in der Kaiserzeit zunächst weiter verstärkte: die zunehmende Thematisierung ethi scher Aspekte (Grundriss, Antike IV, I 7; Trapp 2007 [*18: 10–13]), die in beson derem Maße oberschichtskompatibel waren und somit für die normative Formie rung der zukünftigen Eliten eine wichtige Rolle spielten (Hahn 2011 [*500: 123f., 132f.]). Eindrücklich findet sich dieser Aspekt etwa in der in Plutarchs ‹Moralia› überlieferten Schrift Περὶ παίδων ἀγωγῆς (‹De liberis educandis›, ‹Über die Er ziehung der Kinder›) formuliert: Aufgrund der Philosophie sei es möglich, zu er kennen, was das ehrenwerte, angemessene und rechte Verhalten sei (Plut. Lib. educ. 10; zu der in ihrer Autorschaft nicht unumstrittenen Schrift vgl. Abbott 1980 [*214: IX–XXXI], Bloomer 2011 [*495: 58–80]).
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Vermittelt wurde die Philosophie ihrer sozial weitgehend homogenen, in ihren Interessen jedoch durchaus diversen Schülerschaft unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und in verschiedenen Formen. Grundsätzlich gilt, dass sie kein Be standteil der gewöhnlichen Schulbildung war, sondern sich an diese anschloss (Marrou 71976 [*168: 310], Hahn 1989 [*254: 61–63]); in der Regel wurde sie kon zeptionell auch nicht als der ‘Standardbildung’ (ἐγκύκλιος παιδεία) zugehörig an gesehen, sondern diese war Grundlage bzw. Voraussetzung eines Studiums der Philosophie (Marrou 71976 [*168: 266f. mit 568f.], Morgan 1998 [*316: 42f.], I. Hadot 22005 [*228: 263–293]). Diese herausgehobene Stellung der Philosophie ist nicht nur im antiken Bildungskanon zu beobachten, sondern sie gilt auch in Hinsicht auf ihre Position innerhalb der Fachwissenschaften: Die Philosophie war in gewisser Hinsicht als eine Art ‘Königsdisziplin’ akzeptiert (Hahn 1989 [*254: 62f.]). Besonders sinnfällig wird dies durch das Bestreben von Vertretern so un terschiedlicher Fächer wie der Geographie oder der Medizin, die ihre eigene Dis ziplin durch eine möglichst enge Verknüpfung mit der Philosophie zu nobilitieren suchten (Strab. 1,1,1–2; Gal. Med. phil. II,1–8 SM = I,53–63 K]; dazu Frede 1986 [*237: v. a. 231], van der Eijk 2005 [*408: 123]; grundsätzlich Dihle 1986 [*236: 196–198]; siehe auch Sharples 2005 [*404: 5–7]). Trotz dieser Wertschätzung sah sich die Philosophie insbesondere seit Beginn der Zweiten Sophistik durch die Rhetorik und seitens der Sophisten einer starken Konkurrenz ausgesetzt. Die komplexe Beziehung zwischen Philosophie und Rhe torik einerseits und das spannungsgeladene Verhältnis von Philosophen und So phisten andererseits hat nicht erst die moderne Forschung vor erhebliche Pro bleme gestellt (u. a. von Arnim 1898 [*157: 4–114], Stanton 1973 [*198], Gleason 1995 [*295: insb. 131f.], Schmitz 1997 [*310: 86], Puech 2002 [*358: 10–15], Lauwers 2015 [*565: 15–124]), sondern auch bereits antike Autoren. So ordnete beispiels weise Philostrat in seinen ‹Vitae sophistarum› (Βίοι σοφιστῶν) Dion von Prusa unter denjenigen Philosophen ein, die aufgrund ihrer kunstfertigen Vortragsweise zu den Sophisten gerechnet würden (Philostr. Vit. soph. 484; 487f.; dazu Jones 1978 [*211: 9–11], Brancacci 1985 [*231: 63–110], Hahn 1989 [*254: 46–53]), wofür ihn Synesios von Kyrene in seiner Schrift ‹Dion› kritisierte (Synes. Dio 1,1–7 Treu = 1,1–9 Lamoureux-Aujoulat; dazu Jones 1978 [*211: 11f.], Brancacci 1985 [*231: 137–197]). Er plädierte vielmehr in Anlehnung an Dion dafür, das Leben des Chrysostomos in eine sophistische und eine philosophische Phase einzuteilen (Synes. Dio 1,8–12 Treu = 1,10–15 Lamoureux-Aujoulat), die von einem für Phi losophenbiographien topischen Konversionserlebnis, seinem Exil, voneinander geschieden seien (vgl. Nock 1933 [*164: 173f.], Hahn 1989 [*254: 58]; siehe aber Jones 1978 [*211: 45–55], Moles 1978 [*212]; grundsätzlich Grau 2008 [*459]). Wie komplex und ungelöst das triadische Geflecht aus Philosophie, Rhetorik und Sophistik nach wie vor ist, zeigt sich beispielhaft an der fortwährenden Dis kussion um die Identifizierung eines aus zwei spätantiken athenischen Inschriften bekannten, als Sophisten (σο̣ φιστής̣: IG II² 13283 [Z. 2]) und «König der Worte» (βασιλῆ‹α› λόγων: IG II² 13281 [Z. 1]) bezeichneten Plutarch mit dem homony men Neuplatoniker, die sich vorrangig an der Frage entspinnt, ob es möglich war und vorstellbar ist, dass der Philosoph auch als Sophist bezeichnet werden konnte
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oder nicht (vgl. einerseits u. a. Bowersock 2006 [*414: 171–173], Di Branco 2006 [*416: 123–128]; siehe andererseits z. B. Sironen 1994 [*291: 46–48 Nr. 29 und 50f. Nr. 31], Puech 2002 [*358: 390–395 Nr. 207–208]; ferner Haake im Druck [*605]). Grundsätzlich ist in Bezug auf die Kontroverse um die Abgrenzung von Philo sophen einerseits und Rhetoren und Sophisten andererseits Folgendes festzuhal ten: Obschon letztere immer wieder philosophische Themen aufgriffen und sich in Texten von ersteren verschiedentlich Tendenzen einer Rhetorisierung ausma chen lassen (als Paradebeispiele für ‘Zwitter’ zwischen Philosophie und Sophistik können der «platonicus philosophus» – siehe Gsell 1922 [*86: 196 Nr. 2115 (Z. 1f.) = ILAlg I 2115 (Z. 1f.)] – Apuleius von Madaura sowie Maximos von Tyros die nen; Trapp 2007 [*450]), standen durchaus Felder zur Differenzierung und Dis tanzierung zur Verfügung, die für gewöhnlich seitens der Philosophen mehr ge pflegt wurden als von den Sophisten (Lauwers 2013 [*533: insb. 357–359]). Zentral sind dabei auf der Handlungs- und auch der Diskursebene Habitusfragen, welche die Performanz der Akteure, ihre öffentlichen Auftrittsweisen und Erscheinungs formen betrafen (zum Philosophen Hahn 1989 [*254: 33–45]; zum Sophisten Schmitz 1997 [*310: 198–209]; außerdem Sidebottom 2009 [*476]). Dennoch gilt es zu berücksichtigen, dass es sich bei der Scheidung zwischen So phisten und Rhetoren sowie Philosophen zumindest partiell um eine idealtypische (Re-)Konstruktion handelt. Diese spiegelt zwar eine, jedoch keineswegs die ein zige formale schulweltliche Realität (siehe I. Hadot 22005 [*228: 228f.] mit einer allerdings nicht unhinterfragbaren Interpretation von Porph. Vit. Plot. 20,48–57 und der in das 4. Jh. zu datierenden ‹Laudatio professoris Smyrnaei in universi tate Beryti docentis›, publiziert von Schubart, von Wilamowitz-Moellendorff 1907 [*81: 82–87] = P. Berol. 10559 A + B = Heitsch 21963 [*99: 94–97 Nr. XXX]; dazu Bajoni 2001 [*341]) sowie die administrative Perspektive wider; und sie hat auch ihren normativen Niederschlag in Gesetzen gefunden (Hahn 1989 [*254: 47]), doch trat sie im Alltag manches Mal weit weniger klar zutage, als man annehmen möchte. Dies indiziert beispielsweise das in das 3. Jahrhundert zu datierende athe nische Grabepigramm für einen anderweitig unbekannten Harpokration (Puech 2000 [*333]): «Denn er war ein Redner, wenn es zu sprechen, ein Philosoph aber, wenn es zu denken galt» (οὕνεκ’ ἦν ῥήτωρ μὲν εἰπεῖν, | φιλόσοφος δ’ ἃ χρὴ νοεῖν: IG II² 10826 [Z. 7f.]; siehe Puech 2002 [*358: 288f. Nr. 129]). Trotz aller Nivellie rungstendenzen zwischen den besagten Gruppen gab es eine spezifische soziale Rolle, die exklusiv dem Philosophen vorbehalten war und die ein Sophist struk turell nicht einnehmen bzw. ausfüllen konnte: die Rolle des Intellektuellen (zu einer Konzeptualisierung des Intellektuellen basierend auf der Antithese von Geist und Macht: Haake 2003 [*367: 97–100]). 2. Philosophen und Philosophie im Fokus kaiserlicher Rechtsprechung und Gesetzgebung Die Rolle des Intellektuellen führt zu einem weiten Feld, in dem Philosophen im 1. Jahrhundert zum Gegenstand kaiserlicher Rechtsprechung werden konnten: der
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Politik. In krisenhaften Momenten kaiserlicher Herrschaft konnten Philosophen kol lektiv in den Fokus der Kaiser geraten und aus Rom und Italien verbannt werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Philosophen en groupe aktiv entscheidend in das politische Geschehen eingegriffen hätten; vielmehr verhielt es sich so, dass Philosophen mit politisch nicht opportunen Ansichten dem Umfeld der gegen einen Kaiser opponierenden senatorischen Akteure, die sich verschiedentlich ein philo sophisches, insbesondere stoisches Image aneigneten, zugerechnet werden konnten (MacMullen 1966 [*181: insb. 61–68], Brunt 1975 [*200], Maier 1985 [*233: 164–220], Shaw 1985 [*234: 46–49], Hahn 1989 [*254: 100], Fuhrer 2012 [*507: 245–249]). Häufiger, wenn auch allem Anschein nach keineswegs oft, kamen die Philo sophen in den Fokus der imperialen Administration, wenn es um die Frage von Privilegien ging, die immer im Zusammenhang mit ihrer Lehrtätigkeit zu sehen sind (Hahn 1989 [*254: 100–108]). So beschieden beispielsweise Diokletian und Maximianus einem anderweitig unbekannten Polymnestos (Goulet 2012 [*509]), dass dessen Begehr, von Abgabenlasten befreit zu werden, weil er Philosoph sei, gerade deswegen nicht nachgekommen werden könne (Cod. Iust. 10,42,6; dazu Mil lar 21992 [*206: 501]). Dieser Entscheid folgt einem etablierten Argumentations muster (vgl. z. B. Dig. 50,13,1,4), das eine besondere Stellung der Philosophen im römischen Recht illustriert, bei der Rechtsnormen für Philosophen und ethische Normen, die man an das Verhalten von Philosophen anlegte, nicht miteinander konform gehen mussten, weshalb die kaiserliche Rechtssprechung bezüglich der (Nicht-)Privilegierung von Philosophen auch kein einheitliches Bild abgibt: Ein ‘Antimissbrauchsgesetz’ der Kaiser Valentinian I. und Valens vom 19. Januar 369 (Cod. Theod. 13,3,7) zeigt beispielhaft auf, dass Philosophen wie andere Vermitt ler von Bildung Privilegien in Form der Befreiung von ‘munera’, mithin also statusspezifischen und -relevanten, ehrenvollen Verpflichtungen, besitzen konnten. Die Geschichte der römischen ‘Philosophengesetzgebung’ im Einzelnen nach zuzeichnen ist aufgrund der Überlieferungslage nicht möglich (zur kaiserlichen ‘Philosophengesetzgebung’ Marotta 1988 [*245: 93–168]). Immerhin sicher ist, dass Philosophen später als etwa Rhetoren (bzw. Sophisten), Grammatiker und Ärzte mit Privilegien ausgestattet wurden (Suet. Caes. 42,1: Verleihung des römi schen Bürgerrechts in der ersten Hälfte der 40er Jahre v. Chr. durch Caesar an alle Ärzte und Lehrer der freien Künste in Rom [«omnisque medicinam Romae professos et liberalium artium doctores»], zu denen I. Hadot 22005 [*228: 221] ohne gute Gründe auch Philosophen rechnen möchte; Meriç, Merkelbach, Nollé, Şahin 1981 [*116: 407–409 Nr. 4101 = IK Ephesos VII,2 4101] mit Knibbe 1981 [*119], Knibbe, İplіkçіoğlu 1981–1982 [*120: 136–140 Nr. 147], Bringmann 1983 [*123], Laffi 2006 [*421]: Senatsbeschlüsse um das Jahr 40 v. Chr. [wohl eher als Edikt der Triumvirn] für Grammatiker, Rhetoren und Ärzte; siehe auch Puech 2002 [*358: 495–497 Nr. 281], Paz de Hoz 2015 [*568: 98–102]; zu beiden Formen der Gewährung von Privilegien Vössing 2002 [*363: 245f. mit Anm. 12]). Ein zweifelsfreier Terminus ante quem für die Gewährung von Privilegien für Philosophen liegt, trotz verschiedentlich gegenteiliger Ansicht, mit einem Brief von Plinius an Trajan aus der Zeit zwischen dem 28. Januar und dem 18. Septem ber 112 vor, in dem es unter anderem um die Frage geht, ob Flavius Archippos,
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eine schillernde Figur in Prusa (Ducos 1989 [*247]), von der Pflicht befreit wer den müsse, als Geschworener in einem Gerichtsverfahren zu fungieren, da er Phi losoph sei (Hahn 1989 [*254: 102f.]; contra Fein 1994 [*278: 294f.]). Dass der Phi losoph, von Domitian als Ehrenmann bezeichnet, dessen Lebensführung mit seiner Profession übereinstimme («[…] bonum virum et professioni suae etiam moribus respondentem […]»: Plin. Ep. 10,58,6), wegen Urkundenfälschung zu Zwangsarbeit verurteilt worden war und sich der Strafe durch Ausbruch aus dem Gefängnis entzogen hatte, weswegen die Forderung im Raum stand, ihn über haupt aus der Liste der Geschworenen zu streichen, ist für die Frage nach den Pri vilegien für Philosophen unerheblich (Plin. Ep. 10,58,1–3; dazu Sherwin-White 1966 [*104: 639–645], Millar 21992 [*206: 474f.], Kokkinia 2004 [*384: 490–495]). Ob man gewillt ist, Vespasian als denjenigen anzusehen, für den als ersten Kai ser bezeugt ist, dass er Philosophen Privilegien gewährte, hängt davon ab, wie man sich zu einer vieldiskutierten Diskrepanz zwischen einer Inschrift aus Pergamon, die ein Edikt Vespasians vom 27. Dezember 74 enthält (Herzog 1935 [*90: 971 (Z. 7f.)]), und einem Zitat in den ‹Digesten› aus dem ‹Liber singularis de muneribus civilibus› des Arcadius Charisius verhält (Dig. 50,4,18,30): Während in der Inschrift von der Privilegierung von Ärzten, Erziehern und Massageärzten die Rede ist, er wähnt der Jurist hingegen Grammatiker, Redner, Ärzte und Philosophen (Hahn 1989 [*254: 101–104], Fein 1994 [*278: 292–294], I. Hadot 22005 [*228: 223f.]). Wie eine Konstitution von Commodus zeigt, ist es Hadrian gewesen, der die Frage der Privilegierung von Philosophen sowie Rhetoren, Grammatikern und Ärzten umfassend regelte und ihnen die Immunität von einer Vielzahl höchst kostspieliger städtischer Ehrenämter wie etwa der Aufsicht über die Marktpolizei oder der Übernahme von Priestertümern ebenso gewährte wie die Freistellung vom Militärdienst und von nicht weiter spezifizierten provinzialen Pflichten (Dig. 27,1,6,8; dazu Fein 1994 [*278: 295]). Dass die Rechtspraxis durchaus anders aussehen konnte, zeigt instruktiv der Fall des Favorinos von Arelate: Wohl auf grund seines schlechten Verhältnisses zu Hadrian (Swain 1989 [*261]) scheiterte er mit seinem Ansinnen, sich durch den Kaiser von der Übernahme eines Pries teramtes in seiner Heimat befreien zu lassen, weil er Philosoph sei (Philostr. Vit. soph. 490; Cass. Dio 69,3,6; dazu Bowersock 1969 [*189: 35], Haake 2008 [*460: 148]). Die breite, von Hadrian gewährte Palette von Privilegien bestätigte Antoni nus Pius (Dig. 27,1,6,8); doch in einem Schreiben dieses Kaisers an das Koinon der Provinz Asia, das Gültigkeit für das gesamte Imperium besitzen sollte, zeigt sich eine andere Facette, die in Widerspruch zu einer Aussage in der ‹Historia Augusta› steht, der zufolge Antoninus Pius Rhetoren und Philosophen in allen Provinzen Privilegien («honores et salaria») zugebilligt hätte (Hist. Aug. Pius 11,3; dazu Hahn 1989 [*254: 127]): Geregelt wird, wie viele Ärzte, Rhetoren und Gram matiker die Städte gemäß ihrem Rang von Leistungspflichten sollten befreien dür fen (Dig. 27,1,6,2). Ausgenommen von diesen Höchstzahl-Bestimmungen sind in Antoninus Pius’ Schreiben ausdrücklich die Philosophen: Schließlich gäbe es derer nicht so viele, und wohlhabende Personen würden von ihrem Vermögen frei willig ihren Heimatstädten etwas abtreten. Wäre dies nicht der Fall, so würde sich dadurch zeigen, dass sie keine Philosophen seien (Dig. 27,1,6,7).
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Kaiserlicher Regelungsbedarf für eine philosophische Grundversorgung be stand aus der Perspektive des Antoninus Pius also nicht, was – im Vergleich mit den Bestimmungen für Rhetoren und Grammatiker – noch einmal eindrücklich verdeutlicht, dass die Philosophie im Bildungskanon ein Luxusgut darstellte, ein Luxusgut, das von wohlhabenden Bürgern vermittelt wurde, die strukturell kei ner Förderung bedurften und zugleich durch die freiwillige Aufwendung eigener finanzieller Ressourcen unter Beweis stellen konnten, dass sie Philosophen waren (Hahn 1989 [*254: 104f.], I. Hadot 22005 [*228: 226–230]). Dass die Philosophen dennoch für ihre Lehrtätigkeit pekuniäre Gegenleistungen seitens ihrer Schüler erwarteten, führt plastisch der Ausruf der Figur des Hermotimos in Lukians gleichnamigem Dialog vor Augen: Nach eigenem Bekunden hatte er eine nicht unbeträchtliche Summe für sein Studium aufgewendet (Luk. Herm. 83; zu Hono raren für Philosophen: Hahn 1989 [*254: 79, 82f., 97f.]). Trotz der von den Philo sophen zumindest diskursiv erwarteten Geringschätzung materieller Werte waren sie von Vormundschaftspflichten befreit (Dig. 27,1,6,5 mit Frag. Vat. 149 Momm sen = Baviera 1940 [*91: 496 Nr. 149 = FIRA² II, p. 496 Nr. 149]; 50,5,8,4). 3. Folgen der ‘Dezentralisierung der Philosophie’ Diese imperiale Rechtswirklichkeit bildet allerdings nur einen Teil dessen ab, was die Lehraktivitäten von Philosophen im Imperium Romanum betraf. Denn in Folge der ‘Dezentralisierung der Philosophie’ wurde diese seit dem 2. Jahrhun dert v. Chr. vielerorts unterrichtet (I. Hadot 2003 [*368: 50], Sedley 2003 [*373]), wie die Quellen zur Genüge nahelegen (Hahn 1989 [*254: 119–155]). Exempla risch sei auf einen in seiner historischen Glaubwürdigkeit zwar nicht über jeden Zweifel erhabenen, tendenziösen Bericht in Philostrats ‹Vita Apollonii› verwiesen, der aber gerade deswegen instruktiv ist, weil er dem intendierten Lesepublikum zumindest in der Vorstellung des Autors strukturell glaubwürdig erschienen sein muss (Philostr. Vit. Ap. 1,7): Dieser auf Maximos von Aigeai basierenden Darstel lung zufolge waren im kilikischen Ort Aigeai Philosophen aller großen Schulrich tungen anzutreffen, so dass der junge Apollonios sich entschloss, der Provinzhaupt stadt Tarsos, von Strabon als veritables philosophisches Zentrum beschrieben (Strab. 14,5,13; dazu Haake 2012 [*512: 50f. Anm. 29]), den Rücken zu kehren und in dem kleinen Küstenort seine Studien fortzusetzen (Graf 1984–1985 [*229: 70f.], Haymann 2014 [*545: 54f.]). Wie bezüglich Aigeai, so ist auch in Hinsicht auf zahl reiche größere und kleinere andere Orte bekannt, dass dort ein oder auch meh rere mehr oder weniger bekannte und bedeutende Philosophen wirkten – über lo kale rechtliche, administrative, organisatorische und andere Aspekte erfährt man dabei freilich in der Regel nichts. Wohl in den meisten Fällen ist davon auszuge hen, dass mit dem Tod ihres Gründers auch die von ihm ins Leben gerufene Schule nicht weiterlebte; dies trifft selbst für diejenigen Gründungen zu, die sich einer überlokalen Ausstrahlung und eines literarischen Nachlebens im Sinne einer Rezeption erfreuen konnten. Bezeichnende Beispiele in dieser Hinsicht sind die von Epiktet infolge der ‘domitianischen Philosophenverfolgung’ in Nikopolis etablierte
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Lehrstätte (Gell. 15,11,4–5) sowie die vom christlichen Philosophen und Märty rer Justin (Neymeyr 1989 [*255: 16–39], Minns, Parvis 2009 [*147: 57–60]; zu Jus tin und der Zweiten Sophistik siehe Nasrallah 2005 [*400: 306–312]) oder von Plo tin in Rom ins Leben gerufenen Zirkel (Porph. Vit. Plot. 7,1–51; 9,1–12; 12,1–2; siehe Goulet-Cazé 1982 [*222: 231–257], O’Meara 2010 [*489: 303–305], Urbano 2013 [*539: 128–131]), die trotz aller Differenzen doch auch vergleichbare struk turelle Merkmale aufweisen. 4. Das Museion in Alexandrien Durchgängig präsent hingegen waren Personen, die als Philosophen bezeich net wurden, an einer Institution, über die in der Kaiserzeit kaum etwas bekannt ist und die nicht als ein Zentrum der Philosophie in den Quellen erscheint: das Museion in Alexandrien (Hahn 1989 [*254: 137–140], Goulet 2017 [*600: 622–626], Holder 2017 [*602]; zu Museia jenseits von Alexandrien siehe Şahin 1999 [*134: 212–219], Paz de Hoz 2015 [*568: 106–109]). Unter ‘den Philosophen im Museion’ (zu dieser Formulierung und ihren Varianten: Lewis 1963 [*176: 261] und 1981 [*218: 157]) lassen sich zwei Typen ausmachen: Neben Mitgliedern, für die eine Beschäftigung mit der Philosophie anzunehmen ist – wie etwa dem im oberägyp tischen Antinoupolis geehrten Mittelplatoniker Flavius Maecius Se[verus] Diony sodoros (Hirschfeld, Marshall 1893–1916 [*77: 207 Nr. 1076 = GIBM IV 1076] = Bilabel 1926 [*89: 3 Nr. 6012 = SB III 6012] mit Cauderlier, Worp 1982 [*220], Puech 1994 [*288]) –, stehen Personen, deren inhaltliche Auseinandersetzung mit philosophischen Themen eher fraglich ist – beispielhaft sei auf Marcus Aurelius Asklepiades (Puech 1989 [*259], Strasser 2004–2005 [*390: 421f., 439–446) ver wiesen, der insbesondere als Pankratiast und Periodonike in der Mittelmeerwelt in Erscheinung getreten ist und zu den ‘Philosophen im Museion’ gehörte, die mit Steuerimmunität und Speisung bzw. Unterhalt(sleistungen) ausgezeichnet waren (ἐν τῷ Μουσείῳ | [σειτου]μένων ἀτελῶν φιλοσόφων: IG XIV 1103 [Z. 4f.] = Mo retti 1968 [*106: 211f. Nr. 241 (Z. 4f.) = IGUR I 241 (Z. 4f.)]). Dies führt deutlich den Umstand vor Augen, dass in der Kaiserzeit die Mitgliedschaft in dem unter kaiserlicher Aufsicht stehenden Museion (Strab. 17,1,8) ein Privileg war, das ver mutlich vom Kaiser selbst verdienten Personen ganz unterschiedlicher Profession gewährt wurde (Millar 21992 [*206: 505f.], Watts 2006 [*430: 147f.]) und das nicht mit einer (permanenten) Präsenz in Alexandrien verbunden war, wie etwa eine Ehreninschrift aus dem in der Landschaft Lydien gelegenen Hamidiye für einen anderweitig unbekannten Fronton (Puech 2000 [*332]) τῶν ἐν τῷ | Μουσείου (sic) σειτου|μένων φιλοσόφων | τῶν Ἀλεξανδρια|[νῶν anzeigt (Herrmann 1981 [*118: 159 Nr. 498 = TAM V 1, 498]). Dass zwischen den verschiedenen ‘Philosophen im Museion’ differenziert werden konnte, deutet eine Begebenheit an, die Cassius Dio überliefert: Weil Caracalla an Aristoteles’ Verwicklung in den Tod Alexan ders geglaubt habe, habe er die gemeinsamen Mahlzeiten für die aristotelischen Philosophen in Alexandrien ebenso abgeschafft, wie er ihnen auch die übrigen, nicht näher spezifizierten Privilegien aberkannt habe (Cass. Dio 77[78],7,3).
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5. Athen und die Philosophie Auch wenn Synesios im August des Jahres 399 in einem Brief an seinen Bruder die Situation der Philosophie in Athen in düsteren Farben zeichnet (Synes. Ep. 136), so war Athen sowohl in der Kaiserzeit als auch in der Spätantike stets eines der Zentren der Philosophie schlechthin; überhaupt kann die Stadt, trotz großer Lücken, wohl als der Ort mit der dichtesten Überlieferung bezüglich der Philo sophie gelten (zu Athen als Ort der Sophistik Bowie 2015 [*560]). Unweigerlich rückt damit eine Frage in den Fokus, die ein nur schwer lösbares Forschungsproblem betrifft, da die literarische Überlieferung von einem bered ten Schweigen geprägt ist (Glucker 1978 [*209: 344–356]): die Frage nach dem Er löschen der vier großen athenischen Philosophenschulen im Späthellenismus bzw. nach deren Fortbestand in der Kaiserzeit. Dabei geht es nicht um die Existenz der philosophischen Denkrichtungen, sondern um die Philosophenschulen als Insti tutionen mit einer ununterbrochenen Abfolge von Schuloberhäuptern. Die Band breite der immer wieder überaus kontrovers diskutierten Positionen reicht dabei von der Annahme eines institutionellen Fortbestehens aller vier großen Philo sophenschulen bis tief in die Kaiserzeit (Zumpt 1843 [*155], Mommsen 1891 [*157: 154]) über die Idee einer Wiederbegründung der ‘Diadoche’ in neuer Form (Oliver 1977 [*207: 162–166] und 1982 [*224: 125–129]) bis hin zu einer Präferenz für das Erloschensein aller dieser Institutionen in der Kaiserzeit. Mit guten Gründen ist davon auszugehen, dass der Peripatos im 1. Jahrhundert v. Chr. aufgehört hatte zu bestehen (grundlegend Lynch 1972 [*196: 198–207]), und Gleiches gilt wohl für die Akademie (grundlegend Glucker 1978 [*209: insb. 98–120]), obschon der Platonismus in der frühen Kaiserzeit in Athen mit wichti gen Vertretern präsent war (Kalligas 2004 [*383: 43–54]). Weniger eindeutig als beim Peripatos und der Akademie ist die Situation im Fall der Stoa: Die Diskus sion entspinnt sich an der Interpretation dreier in das 2. Jahrhundert zu datieren der athenischer Inschriften, in denen Personen bezeugt sind, die als διάδοχος («Diadoche», d. h. der Nachfolger, hier im Sinne von Nachfolger als Schulober haupt verwendet) bezeichnet werden: Titus Coponius Maximus (Puech 2018 [*609]; διάδοχος Στωϊκός: IG II² 3571 [Z. 4]), Flavius Aurelius Herakleides (Puech 2000 [*334]) und Iulius Zosimianos (Puech 2018 [*608]; ὁ διάδοχος τῶν ἀπὸ Ζήνωνος λόγων: IG II² 3801 [Z. 4–6]; IG II² 11551 [Z. 2–6]). Besser begründet als die Annahme, dass es sich bei ihnen um in der Nachfolge des Schulgründers ste hende Oberhäupter der Stoa handelt (so Lynch 1972 [*196: 190f.]), ist vor dem Hintergrund der kaiserzeitlichen Verbreitung des Terminus διάδοχος (man denke an Aurelius Belios Philippos – zu diesem Puech 2012 [*518] –, Priester des Bel und Schuloberhaupt der Epikureer in Apameia am Orontes in Syrien: διάδοχος ἐν Ἀπαμείᾳ τῶν Ἐπικουρείων, Rey-Coquais 1973 [*111: 66–68 Nr. 3 (Z. 5f.)]; dazu Smith 1996 [*306: 125–127]) die Ansicht, dass sie Philosophenschulen stoischer Prägung vorstanden (Glucker 1978 [*209: 366–368], Hahn 1989 [*254: 122–125]). Es darf also wohl davon ausgegangen werden, dass auch die Stoa in der frühen Kaiserzeit im Sinne einer fortwährenden Institution seit ihrer Gründung nicht mehr existierte.
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Noch komplizierter gestaltet sich die Situation in Bezug auf die Epikureer: Die Schwierigkeiten erschöpfen sich nämlich nicht in der Interpretation des Quellen materials, sondern beginnen bereits mit der zum Teil äußerst umstrittenen Text konstitution zentraler Zeugnisse. Ausgangspunkt sind zwei Inschriften (IG II² 1097 und Wilhelm 1925 [*87: 61–64 Nr. 18]; IG II² 1099), in denen Plotina, die Witwe Trajans, Hadrian und zwei epikureische διάδοχοι, Popillius Theotimus (Puech 2016 [*589]) und Heliodoros (Follet 2000 [*324], van Bremen 2005 [*407: 523f.]) die entscheidenden Personen sind. Hält man sich an die sicheren Informa tionen, die den beiden unterschiedlich stark fragmentarischen Texten zu entneh men sind, und lässt die zum Teil sehr weitreichenden Ergänzungen und Schluss folgerungen außer Acht (zum ersten Text Follet 1994 [*279: 161f.], van Bremen 2005 [*407: 505f.]; zum zweiten Text van Bremen 2005 [*407: 525f.]), so ergibt sich folgendes Bild: In frühhadrianischer Zeit wandte sich das epikureische Schulober haupt Popillius Theotimus erfolgreich an die den Epikureern wohlgesonnene Plo tina mit dem Wunsch, bei Hadrian hinsichtlich der Bestimmungen für die Nach folgeregelung vorstellig zu werden (IG II² 1099 [Z. 4–12]; «diadochus»: Z. 6). Der Kaiser gewährte die an ihn herangetragenen Bitten in einem in lateinischer Spra che verfassten Brief und gestand einerseits zu, dass der «diadochus» nicht mehr zwingend im Besitz des römischen Bürgerrechts sein müsse, sondern auch pere grinen Status’ sein dürfe; andererseits gestattete er, dass die die Nachfolge betref fenden Passagen im Testament in Griechisch verfasst sein dürften (IG II² 1099 [Z. 13–16]). So interessant diese Bestimmungen auch sein mögen, sie enthalten doch nichts, was zwingend die Schlussfolgerung nahelegt, dass die Schule Epikurs von ihrer Gründung an bis in die hadrianische Zeit hinein durchgehend bestanden hätte (Glucker 1978 [*209: 365f., 368–371]). Vielmehr erscheint es vor dem Hin tergrund des gegenwärtigen Kenntnisstandes eher angemessen (für einen kriti schen Forschungsüberblick: Dorandi 2016 [*579: 30–37]), von einer epikureischen Gemeinschaft in Athen auszugehen, die sich zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt vor dem Jahre 120 auf unbekannte Weise konstituiert hat, für die es kaiserliche Regelungen gab (Millar 21992 [*206: 504]) und die über ausgeprägtere und verfes tigtere Strukturen verfügt zu haben scheint als andere philosophische Einrichtun gen, was in gewisser Weise bereits Numenios konstatierte (Numen. fr. 24,22–36 des Places; siehe auch die auf die Epikureer fokussierten Beobachtungen von Sedley 1989 [*260]). Instruktiv sind in dieser Hinsicht zwei Inschriften aus dem lykischen Rhodia polis aus trajanischer Zeit, aus denen hervorgeht, dass ein anderweitig unbekann ter Herakleitos (Puech 2000 [*335]), Inhaber vieler Ämter, Priester des Asklepios und der Hygieia, Arzt sowie Verfasser von 60 medizinischen und philosophischen Werken, u. a. von den epikureischen Philosophen in Athen geehrt worden sei (ὃν ἐτείμησαν | […] | καὶ οἱ | Ἀθήνησιν Ἐπικούρειοι φιλόσοφοι […]: Kalinka 1944 [*93: 351f. Nr. 910 (Z. 8–11) = TAM II 910 (Z. 8–11)]; İplіkçіoğlu 2014 [*546: 233 (Z. 7)]), was ein gewisses Maß öffentlicher Organisation und interner Struktur vo raussetzt; andererseits ist auf einen Brief des Epikureers Diogenes von Oinoanda zu verweisen, in dem der ‘Mega-Euerget’ – ebenso wie Plotina in ihrem Brief an die Epikureer in Athen (IG II² 1099 [Z. 17]) – von «Freunden» (φίλοι) in Athen
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spricht und damit zweifelsohne die Gemeinschaft der Epikureer meint (Diog. Oen. fr. 62 II [Z. 2–5] Smith). Kurz, es erscheint auf der Grundlage des gegenwärtigen Kenntnisstandes plau sibel, dass im frühkaiserzeitlichen Athen keine der vier großen Philosophenschu len mehr in einer ununterbrochenen Abfolge von Schuloberhäuptern seit deren jeweiliger Gründung bestand. Auszugehen ist vielmehr bis in die 170er Jahre von einer quantitativ nicht abzuschätzenden Anzahl von vielfach sicher ephemeren philosophischen Einrichtungen (wie es sie auch im Hellenismus im Schatten der großen vier Philosophenschulen gegeben hat; siehe Haake 2015 [*563: 70 Anm. 61]), die zum Teil in der Tradition etwa der Stoa standen und von Personen gelei tet wurden, die den Titel ‘Diadochos’ trugen; man denke beispielsweise an Tibe rius Varius Caelianus (Puech 1994 [*286]), der in einer Grabinschrift als διάδοχος ohne weitere Spezifikation bezeichnet ist (nach Oliver 1967 [*187: 42–44 Nr. 1] mit Robert, Robert 1968 [*188: 453f. Nr. 226]; verbesserter Text bei Oliver 1977 [*207: 170]; zum Charakter der Inschrift Peppa-Delmousou 1970 [*109: 194]). Über die Art der institutionellen Ausgestaltung solcher von Diadochoi geleiteten philoso phischen Schulen und die Form ihrer administrativen Einbettung lässt sich aller dings keine gesicherte Aussage treffen. Auch ist es schwer möglich, das Verhältnis dieser Schulen zu philosophischen Zirkeln wie etwa demjenigen des einer der füh renden athenischen Familien entstammenden Marcus Annius Ammonios (Puech 1989 [*258]; siehe auch Jones 1967 [*186]), des Lehrers von Plutarch, näher zu be stimmen, deren Charakter stärker privater Natur gewesen zu sein scheint. Es ist ein archäologisch-inschriftlicher Fundkomplex, der jenseits dieser Fra gen einen instruktiven Einblick in das philosophische Leben im kaiserzeitlichen Athen ermöglicht: die um das Jahr 100 erfolgte Weihung einer Reihe von Gebäu deteilen, nämlich äußerer Stoen, eines Peristyls und einer Bibliothek mit Büchern sowie ihrer Ausschmückung, deren sich Titus Flavius Pantainos (Puech 2012 [*517]), Priester der philosophischen Musen und Sohn des Diadochos Flavius Me nander (Puech 2005 [*402]), in einer Widmung an Athena Polias, Trajan und die Athener rühmt (Meritt 1946 [*94: 233 Nr. 64 (Z. 2)]: ὁ ἱερεὺς Μουσῶν φιλοσόφων; dazu etwa Hahn 1989 [*254: 122–124]). Diese epigraphisch bezeugten Baumaß nahmen lassen sich in dem zur Inschrift gehörigen Gebäudekomplex nachvollzie hen, der sich in prominenter Lage an der Panathenäenstraße unmittelbar südlich der die Agora im Westen begrenzenden Stoa des Attalos befindet (zum archäolo gischen Befund Thompson, Wycherley 1972 [*193: 114–116], Shear 1973 [*113: 385–389], Camp 1986 [*235: 187–191] und 1989 [*246: 50f.]; zur Lage Thompson, Wycherley 1972 [*193: Taf. 8], Perrin-Saminadayar 2010 [*491: 232–234]). Zwar muss unklar bleiben, was sich hinter dem anderweitig nicht bezeugten, vielleicht von Platons Vorbild angeregten Kult der philosophischen Musen genau verbirgt, dessen Priester Pantainos sicher einer der athenischen Oberschicht an gehörigen Familie entstammte (er war eponymer Archon in Athen im frühen 2. Jh.: Shear 1935 [*165: 331f.] unter Verweis auf IG II² 2017 [Z. 5]; zum Stemma Perrin-Saminadayar 2010 [*491: 237]; Oliver 1979 [*213: 158] hat ein hypotheti sches Stemma vorgelegt; Parsons 1949 [*169: 271f.] möchte in dem homonymen Leiter der sogenannten Katechetenschule von Alexandrien, dem nach Eus. Hist.
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eccl. 5,10,1 in der stoischen Philosophie bewanderten Pantainos – zu diesem siehe Le Boulluec 2012 [*514] –, einen Enkel des Musenpriesters sehen, zu dessen Schü lern u. a. Clemens von Alexandrien zählt). Dennoch lässt sich insgesamt folgendes Szenario plausibel rekonstruieren: Der Diadochos Flavius Menander, für den eine Verbindung zur Stoa anzunehmen kein zwingender Grund besteht (so aber Par sons 1949 [*169: 270f.]), betrieb eine Philosophenschule, die sein Sohn in besag tem Gebäude an der Panathenäenstraße fortführte. Der Grund für die Stiftung des Pantainos, in die auch seine Kinder Flavius Menander und Flavia Secundilla involviert waren, war wohl dem Ziel geschuldet, genau das sicherzustellen, was hinsichtlich der meisten Philosophenschulen nicht funktionierte: den Fortbestand der Schule in der Zukunft. Wenn es zutreffend ist, dass mit dem Museion, das in einer in das 3. Jahrhundert zu datierenden Ehreninschrift für den Sophisten Kas sianos Antiochos, alias Synesios (Puech 2002 [*358: 74–87, 509–512] mit einem Stemma der Familie), den Vorsteher dieser Institution (τὸν ἐπὶ τοῦ Μουσίο[υ]: IG II² 3712 [Z. 4]), erwähnt ist, die auf Pantainos zurückgehende Einrichtung gemeint ist, dann hätte dessen Ansinnen tatsächlich längerfristigen Erfolg gehabt (Puech 2002 [*358: 83–85]). Keineswegs geschadet haben dürfte dabei, dass Pantainos seine private Stiftung an eine wirkmächtige Trias öffentlicher Autoritäten dediziert hatte, die auf administrativer Ebene imperiale, lokale und sakrale Protektion ga rantieren sollten (Perrin-Saminadayar 2010 [*491: 229]). 6. Mark Aurel und die Philosophie in Athen Vielleicht auch vor dem Hintergrund der stark fragmentierten philosophischen Welt im Imperium und in Athen unternahm Mark Aurel bei seinem Besuch die ser Stadt im Jahre 176 den ambitionierten (und konservativen) Versuch, durch die Einrichtung kaiserlicher Lehrstühle für Philosophie die philosophische Land schaft in Athen neu zu strukturieren und damit einhergehend sicher auch auf Reichsebene das philosophische Feld durch imperialen Eingriff in gewisser Weise zu ordnen und zu hierarchisieren und darüber hinaus vielleicht auch den entdif ferenzierenden Tendenzen in der Philosophie zwischen den großen vier philoso phischen Richtungen entgegenzuwirken, um so das klassische Tableau der Philo sophenschulen zu perpetuieren (zu Mark Aurel in Athen vgl. Oliver 1970 [*192: 80–82], Follet 1976 [*202: 136–138]). Denn viel anders lässt sich diese Maßnahme kaum verstehen, mit der eine Reihe von in der Forschung sehr unterschiedlich ein geschätzten Unwägbarkeiten verbunden sind, die insbesondere die Frage betref fen, ob der Kaiser für die Platoniker, Peripatetiker, Stoiker und Epikureer jeweils einen oder zwei ‘Lehrstühle’ (θρόνοι) auf Kosten des Fiskus einrichtete und mit einem jährlichen Salär in Höhe von 10 000 Drachmen dotierte (Luk. Eun. 2), wo durch er seine Wertschätzung der Philosophie auch auf materieller Ebene mani festierte. Eine Polemik des im 2. Jahrhundert wirkenden Tatian macht deutlich, dass Mark Aurels Praxis keineswegs ein Einzelfall war, führt der christliche Apo loget doch aus, dass Philosophen vom Kaiser 600 Aurei pro Jahr erhielten – damit sie ihren langen Bart nicht umsonst hätten (Tat. Orat. 19,1 Nesselrath; dazu Hahn
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1989 [*254: 127 Anm. 33], Nesselrath 2016 [*588: 149 Anm. 297]; zu Tatians Schrift siehe in vorliegendem Kontext zuletzt besonders Gemeinhardt 2016 [*583]). Aus Cassius Dio geht hervor, dass Mark Aurel zum Nutzen der ganzen Welt in Athen dafür Sorge trug, dass es Lehrer (διδάσκαλοι) in allen Wissensbereichen gab, die mit einem jährlichen Gehalt ausgestattet worden seien (Cass. Dio 72[71],31,3). Den ‹Vitae sophistarum› Philostrats ist zu entnehmen, dass es neben einem Lehr stuhl für Rhetorik, dessen Inhaber vom Kaiser mit einem Betrag von 10 000 Drach men jährlich besoldet wurde, Lehrstühle für die vier großen Philosophenschulen gab, mit deren Erstbesetzung er Herodes Atticus betraute und die mit einem Salär in gleicher Höhe dotiert waren (Philostr. Vit. soph. 566; zum Lehrstuhl für Rhe torik Avotins 1975 [*199]; allgemein zu den Philosophengehältern Goulet 2017 [*600: 628–632]). Es ist ein Halbsatz in Lukians ‹Eunuch›, der die Frage nach der Zahl der Lehr stühle je philosophische Schule aufwirft: Im Zusammenhang mit der klamauk haften Darstellung eines Nachfolgeverfahrens in der peripatetischen Schule, das in einer Schlammschlacht zwischen den beiden Bewerbern, den anderweitig un bekannten Diokles (Goulet 1994 [*281]) und Bagoas (Goulet 1994 [*280]), mün det und in das führende athenische Bürger verfahrenstechnisch involviert sind ([…] δικασταὶ ψηφοφοροῦντες ἦσαν οἱ ἄριστοι καὶ πρεσβύτατοι καὶ σοφώτατοι τῶν ἐν τῇ πόλει, «[…] dass die abstimmenden Richter die herausragendsten, ältes ten und weisesten Männer in der Stadt waren»; […] δοκιμασθέντα ψήφῳ τῶν ἀρίστων, «[…] nachdem sie durch das Votum der angesehendsten Bürger als ge eignet erklärt worden sind»), heißt es nämlich, dass einer der beiden Peripatetiker (τῶν Περιπατητικῶν […] τὸν ἕτερον) unlängst gestorben sei (Luk. Eun. 2–3; dazu Jones 1986 [*238: 29f.]). Nimmt man diese Aussage Lukians ernst, dann folgt aus ihr, dass Mark Aurel in Athen insgesamt acht philosophische Lehrstühle einrich tete, nämlich zwei für jede der vier Richtungen, statt – wie man erwarten würde – lediglich vier. Aus diesem Szenario resultiert eine Aporie in der modernen For schung, die dem Philosophenspötter aus Samosata vermutlich eine diebische Freude bereitet hätte und die sich in folgenden Positionen manifestiert: Der An nahme von vier philosophischen Lehrstühlen (so Ameling 1983 [*225: 158], Horst 2013 [*529: 193]) steht die Position gegenüber, die von einer doppelten Anzahl aus geht (z. B. Glucker 1978 [*209: 148–150]), und neben einer unentschiedenen Sicht weise (Oliver 1970 [*192: 80]) findet sich der Vorschlag, vier Lehrstühle in dop pelter Besetzung in Erwägung zu ziehen (Hahn 1989 [*254: 126f. Anm. 30]). Eine Entscheidung für oder gegen eine der dargelegten Positionen hängt wesentlich an der Einschätzung der Belastbarkeit von Lukians Aussage, ohne die man kaum der per se wenig naheliegenden Idee verfallen würde, die Einrichtung von acht statt vier philosophischen Lehrstühlen in Athen durch Mark Aurel in Erwägung zu zie hen; diese Feststellung gilt in gleicher Weise für die Idee von vier Lehrstühlen in doppelter Besetzung (für einen kritischen Überblick über die gesamte Diskussion siehe Toulouse 2008 [*464: 158–172], der nachdrücklich für acht kaiserliche Lehr stühle für Philosophie argumentiert). Wie die Frage nach der Anzahl der Lehrstühle, die zweifelsohne neben den weiterhin existierenden städtischen und privaten philosophischen Einrichtungen
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etabliert wurden, so muss die Frage nach dem Prozedere bei deren Besetzung offen bleiben: Dass die von Mark Aurel womöglich ebenfalls im Jahre 176, viel leicht aber auch bereits kurz zuvor in Athen eingerichtete ἱερὰ γερουσία («Heilige Gerousie», ein Gremium, das sich aus vierhundert Mitgliedern zusammensetzte, die über das Recht, an der athenischen Volksversammlung teilzunehmen und über ein unbekanntes Mindestalter und -vermögen verfügten, und das grundsätzlich mit kultischen Angelegenheiten befasst war – dazu Geagan 1967 [*184: 138f.], Oliver 1989 [*256: 410–412]) in dieses Prozedere involviert war und überhaupt im Zusammenhang mit den philosophischen Lehrstühlen eine Rolle spielte, muss eine Hypothese bleiben (Oliver 1970 [*192: 84] und 1981 [*219: 216f.]). Dass hin gegen der Kaiser in den Vorgang eingebunden war, lässt sich schwerlich bezwei feln: Alexander von Aphrodisias, einer der wenigen namentlich bekannten athe nischen Lehrstuhlinhaber (zu diesen Hahn 1989 [*254: 128]), dedizierte zum Dank für seine Berufung Septimius Severus und Caracalla seine Schrift ‹De fato› (Περὶ εἱμαρμένης – ‹Über das Schicksal›) in religiöser Terminologie als «Erstlings opfer» (ἀπαρχή: Alex. Aphr. Fat. 1,164,1–11; dazu Sharples 2005 [*403: 47f.]). Durch Alexanders Weihung einer Statue seines gleichnamigen Vaters, des Philo sophen Titus Aurelius Alexander, in seiner Heimatstadt in Karien ist auch gesi chert, dass der Titel der kaiserlichen Lehrstuhlinhaber Diadochos war, bezeich net sich der Peripatetiker in der Inschrift doch selbst als einen der Diadochoi in Athen (Chaniotis 2004 [*138: 388f. Nr. 4]: τῶν Ἀθή|νησιν διαδόχων [Z. 7f.]; siehe auch Chaniotis 2004 [*375], Smith 2006 [*429: 24]; dazu Sharples 2005 [*403]). Mehr ist es dann allerdings aber auch nicht, was über Mark Aurels ambitionier tes Projekt bekannt ist, dem möglicherweise kein allzu großer Erfolg beschieden war: Weder über die Auswirkungen der kaiserlichen Gründungen noch über deren Dauerhaftigkeit lässt sich Sicheres sagen. Ob sie etwa bereits während der Herr schaft des Maximinus Thrax (in diesem Sinne Oliver 1977 [*207: 165–167]) oder erst drei Jahrzehnte später infolge des verheerenden Heruler-Einfalls im Jahre 267 (so Toulouse 2008 [*464: 173f.]) zu existieren aufhörten, lässt sich aufgrund man gelnder Evidenzen nicht endgültig entscheiden (dies umso weniger, als es nicht zwingend anzunehmen ist, dass es ein konkretes Ereignis war, das zum Erlöschen der kaiserlichen Philosophenlehrstühle führte; zu entsprechenden Lehrstühlen in der Spätantike in Konstantinopel sowie in Rom vgl. Goulet 2017 [*600: 615–622]). 7. Philosophische Unterrichtspraxis Mark Aurels Initiative fällt in einen Zeitrahmen, der durch eine Veränderung in der philosophischen Unterrichtspraxis geprägt ist, die mit einem allmählichen Wan del in der wissenschaftlichen Vorgehensweise der Philosophen einhergeht: Gemeint ist die immer stärker werdende Fixierung auf die Kommentierung von als kanonisch angesehenen Texten. Am Ende dieses Prozesses der ‘Kommentarisierung’ der Phi losophie steht die lange, letzte Phase der antiken Philosophiegeschichte, in der neue Ideen nahezu ausschließlich in Kommentaren der ‘Klassiker’, insbesondere plato nischer und aristotelischer Werke, entwickelt und formuliert worden sind (zu die
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sem hier nur angerissenen Komplex sei allein verwiesen auf P. Hadot 1995 [*296: 232–237], I. Hadot 2002 [*353], Baltussen 2016 [*571: insb. 186–190]). Wie diese Entwicklung ihren Niederschlag in der Unterrichtspraxis der Philo sophen fand, die oftmals geprägt war von einem Nahverhältnis zwischen Lehrer und zumindest ausgewählten Schülern, lässt sich auf Grundlage einiger instruk tiver Zeugnisse idealtypisch rekonstruieren (ausführlich, jedoch nicht immer un problematisch I. Hadot 2003 [*368]). Um die frühere Phase, die grob gesprochen die ersten zwei bis zweieinhalb Jahrhunderte der Kaiserzeit umfasste, paradigma tisch nachzuvollziehen (dazu Hahn 1989 [*254: 67–85]), bieten sich Aulus Gellius’ ‹Noctes Atticae› (‹Attische Nächte›) an. Destillieren lässt sich aus ihnen die Schul praxis seines Lehrers, des im 2. Jahrhundert in Athen wirkenden und in Delphi geehrten (Flacelière 1954 [*95: 181 Nr. 91 = F. Delphes III 4, 91]; dazu Haake 2006 [*417: 534]) Mittelplatonikers Kalvenos Tauros aus Berytos (zum mittelplatoni schen Umfeld des Tauros: Tarrant 2007 [*449], Petrucci 2018 [*607: Kap. 1]). Dessen tägliche Unterrichtsstunden fanden in seinem Haus statt und lassen sich in offenere und exklusivere Unterweisungseinheiten einteilen. Begonnen wurde der Unterrichtsalltag mit der Lektüre und Kommentierung philosophischer Texte, in diesem Falle platonischer Dialoge; darauf folgte in der Regel eine allgemeine ‘philosophische Fragestunde’, in der Tauros beliebige Fragen aus seinem Schüler kreis beantwortete, womit der an alle Schüler gerichtete Unterricht beendet war. Anschließend fanden weitere Gespräche mit dem engeren Schülerkreis statt. Abends schließlich waren ihm verbundene Schüler gelegentlich noch zum gemein samen Gastmahl geladen, bei dem philosophische Konversation über ganz unter schiedliche Themenbereiche betrieben wurde (vgl. Lakmann 1995 [*297: 216–220] auf der Grundlage von Gell. 17,20,1–9; 1,26,1–11; 2,2,1–11; 7,13,1–12; 17,8,1–17). Ob der Alltag in Taurus’ Schule tatsächlich stets diesem strikten Schema folgte, mag dahingestellt bleiben – in seiner Grundstruktur dürfte das entworfene Bild zweifellos zutreffen. Dies zeigt auch ein vergleichender Blick auf Epiktet und seinen Unterricht in Nikopolis, der sich dank der Aufzeichnungen Arrians nachzeichnen lässt. Mögen die ‹Diatribai› auch vergessen lassen, dass sie mit ihren vielfach ethisch-moralischen und alltagspraktischen Erörterungen nur einen Teil des Schulgeschehens wider spiegeln: Zu diesem gehörten die Lektüre und Erklärung philosophischer Werke ebenso wie das Verfassen von Texten (siehe z. B. Epikt. Ench. 2,1,34–35. 14,1; 3,24,28; grundlegend Hijmans 1959 [*172: 41–48]). Fortsetzen lässt sich diese Reihe mit der Darstellung des Unterrichts von Plotin, den sein Schüler Porphyrios in der Vita seines Lehrers geschildert hat und der ebenfalls gekennzeichnet war durch Vorlesungen, in denen (auch?) die Kommentare anderer Philosophen zunächst vor gelesen und dann von Plotin diskutiert wurden, sowie thematisch offene (wenn allem Anschein nach auch weniger auf ethisch-moralische Aspekte abzielende) ‘Frage-Antwort-Runden’ und das Vortragen von Texten von Angehörigen und Gäs ten der Schule (Porph. Vit. Plot. 13,1–17; 14,9–15,22; siehe Goulet-Cazé 1982 [*222: 261–273], Lamberton 2001 [*343: 442–447], Tarrant 2014 [*556: 20f.]). Wie systematisierend der Zugriff auf die Philosophie in der Vermittlung sein konnte, führt ein für seine Zeit einzigartiges Werk des anderweitig unbekannten
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mittelplatonischen Autors Alkinoos, der ‹Didaskalikos› (‹Handbuch der platoni schen Lehren›), durch seinen klar strukturierten Aufbau deutlich vor Augen: Zwi schen drei einleitenden und zwei abschließenden Kapiteln ist in drei Hauptteilen die Philosophie Platons einführend dargestellt, wobei sich die Aufteilung an der klassischen Dreiteilung der Philosophie orientiert, nämlich der Dialektik, der theoretischen und der praktischen Philosophie (zum Aufbau des Werkes siehe etwa Dillon 1993 [*126: XIII–XXVI]). Als frühen Ausdruck dieses Bemühens um einen klaren curricularen Aufbau des Studiums der Philosophie darf man wohl auch Thrasyllos’ Unterfangen in tiberianischer Zeit ansehen, die platonischen Dialoge in eine (bis heute gültige) tetralogische Ordnung zu bringen und zu edie ren, um so einen Lesezyklus vorzugeben (so Ahbel-Rappe 2006 [*413: 536] auf der Grundlage von Tarrant 1993 [*275: insb. 89–107]). Die mit dem Verlauf des 2. Jahrhunderts stärker in den Hintergrund rückende dialogisch-diskursive Vermittlungskultur in den Philosophenschulen und die damit einhergehende zunehmende Dominanz der Kommentierung (dazu stark zugespitzt Hahn 2007 [*440: 408]) findet ihren beredten Ausdruck in einer Aus sage von Alexander von Aphrodisias in seinem Kommentar der aristotelischen ‹Topica› (Alex. Aphr. In Top. 27,13–14 Wallies; vgl. I. Hadot 2003 [*368: 62f.]). Da neben (und partiell auch damit verbunden) ist eine monologisierend-dozierende Tendenz in der philosophischen Schulpraxis auszumachen, die beispielhaft in Za charias Scholastikos’ Schilderung der Lehrpraxis seines Lehrers Ammonios Her meiou zutage tritt und die trotz des tendenziösen Charakters des Dialogs ‹Am monios› nicht grundsätzlich infrage zu stellen ist: Wie die Deuter von Orakeln (οἱ τοὺς χρησμοὺς ἐξηγούμενοι) habe Ammonios, erhöht sitzend, die Weisheit des Aristoteles und die Prinzipien dessen, was ist, erklärt (Zach. Sch. Ammon. 96–99 Minniti Colonna; dazu Gertz 2012 [*149: 149 Anm. 15]). Betrachtet man die Aus grabungen von Kom el-Dikka und führt sich die bauliche Struktur dieser Hörsäle aus dem spätantiken Alexandrien vor Augen, so ist es nicht von der Hand zu wei sen, den archäologischen Befund auch als Stein gewordenen Ausdruck der in der Spätantike voll entwickelten Form der ‘ex cathedra-Lehre’ zu deuten; zugleich lässt dieser Befund die von Elias (Elias In Porph. 21,29–30) und Johannes Philo ponos (Philop. In Phys. 7, 771,21–772,3; englische Übersetzung der arabischen Pa raphrase von Philoponos’ Kommentar ‹In Aristotelis Physica› von Yaḥyâ ibn ‘Adî: Lettinck 1994 [*128: 125]) angeführten Funktionen der architektonischen Gestal tung der Hörsäle auf plastische Weise deutlich werden: die Möglichkeit des Blick kontaktes zwischen den Schülern und deren freie Sicht auf den Lehrer einerseits und die Chance des Lehrers, die Gesichter seiner Schüler jederzeit zu kontrollie ren andererseits (zu den Hörsälen von Kom el-Dikka siehe Majcherek 2007 [*444] und 2010 [*488], Łukaszewicz 2013 [*534]; vgl. auch Bowersock 2006 [*414: 180– 182], Sorabji 2014 [*554: 30–33]). Wie man sich den Unterricht in diesen archäologischen Überresten strukturell vorzustellen hat, darüber gibt ein beredtes Zeugnis Aufschluss, das es erlaubt, den Aufbau des philosophischen Unterrichts am Ende der Antike nachzuvollziehen: die ‹Prolegomena in Platonis philosophiam› (Προλεγόμενα τῆς Πλάτωνος φιλοσοφίας, ‹Prolegomena zur Philosophie Platons›) eines anonymen Verfassers,
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die wahrscheinlich den Unterricht eines unbekannten Nachfolgers des Olympio doros im Alexandrien der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts zusammenfassend widerspiegeln (siehe etwa Westerink, Trouillard 1990 [*125: LIX–LXXXIX]). Dieser Text gehört zu einer Gruppe von alexandrinischen Werken neuplatonischer Provenienz, die recht genaue Rückschlüsse über den Aufbau des philosophischen Unterrichts gewähren, da es sich bei ihnen um ‘Vorlesungsmitschriften’ handelt (zur Bedeutung des kaiserzeitlichen Aristotelismus und insbesondere des Aspa sios und seines Kommentars ‹In Ethica Nicomachea› für die Ausbildung des spät antiken philosophischen Curriculums siehe Perkams 2015 [*569]); zu denken ist hier etwa an die Kommentare von Ammonios Hermeiou, Elias, David und Ps.Elias zu Porphyrios’ ‹Isagoge› (‹Einführung›; vgl. dazu I. Hadot 1987 [*242], Rou eché 2012 [*520: 125f.]), die ein diesbezüglich aufschlussreiches Zeugnis darstel len (Barnes 2003 [*136: XIII–XIX). Daneben ist ein Text zu nennen, der oft weniger Aufmerksamkeit erhält, als er verdient, und der im wörtlichen Sinne mi nutiöse Einsichten in eine astrologische Unterrichtseinheit im Zeitraum zwischen Mai und Juli des Jahres 564 in Alexandrien gewährt: der unter Heliodoros’ Namen überlieferte Kommentar zu den ‹Eisagogika› des Paulos von Alexandrien (Goulet 2012 [*508]), der sich Olympiodoros zuschreiben lässt (Ps.-Heliod. [Olymp.] In Paul. Alex. Boer; dazu Westerink 1971 [*194]). 8. Der Neuplatonismus Eines der wesentlichen Charakteristika der Philosophie seit etwa der Mitte des 3. Jahrhunderts ist das bis in das 7. Jahrhundert fortdauernde Phänomen, das unter dem modernen Begriff ‘Neuplatonismus’ gefasst wird und in dessen Gefolge die anderen klassischen Philosophenschulen als eigenständig wahrnehmbare und distinkte Denkrichtungen endgültig von der philosophischen Landkarte ver schwanden, ganz zu schweigen von diesbezüglichen spezifischen institutionellen Einrichtungen. Dabei hat man es allerdings weniger mit einem primär systema tisch motivierten Ansatz zu tun, sondern – und dies dürfte einer der Gründe für den nachhaltigen Erfolg des Neuplatonismus gewesen sein – vielmehr mit einer offenen, verschiedene Positionen integrierenden Denkstruktur, in der es nicht den einen Schulgründer, sondern unzählige Schulgründungen gab; insbesondere Pla ton sowie auch Aristoteles und ferner Pythagoras waren dabei zentrale Referenz punkte. Darüber hinaus vermochten die meisten anderen philosophischen Rich tungen bzw. zumindest Bestandteile von ihnen in den zu einer philosophischen ‘Koine’ (κοινή) gewordenen Neuplatonismus integriert und adaptiert zu werden. Da diese Permeabilität auch für verschiedene ‘orientalische’ Weisheitslehren oder die ‹Chaldäischen Orakel› gilt, hat man es mit einem überaus facettenreichen, teils höchst diversen Komplex zu tun, der nicht ausschließlich als philosophisches Ge bäude verstanden werden sollte, sondern auch – und damit in gewisser Weise ver gleichbar der Zweiten (und, so man ihre Existenz akzeptiert, Dritten) Sophistik – als ein (geographisch und sozial begrenztes) kulturelles Phänomen, das durch die fortwährenden vielfältigen und tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft
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des Imperium Romanum seit der Mitte des 3. Jahrhunderts mitbedingt war und das auf durchaus kreative Weise in einer Assemblage philosophischer Bausteine, intellektueller Traditionen und religiös-paganer Vorstellungen samt theurgischen Praktiken resultierte (siehe in diesem Zusammenhang besonders Wildberg 2016 [*598]; vgl. auch Edwards 2015 [*561: 42–44]; zu dem zuletzt genannten Aspekt Addey 2014 [*23]). Auch wenn man vielleicht keine Einigkeit in der Frage erzielen kann, ob Plo tin stricto sensu als der Begründer des Neuplatonismus anzusehen ist, so kommt ihm doch ganz zweifelsfrei eine wichtige Bedeutung als Motor für dessen Ent wicklung zu (dazu etwa Gatti 1996 [*303], Chiaradonna 2009 [*469: 9–32]). Dass er keine ihn überdauernde Schule etablierte (seine ambitionierten, jedoch im Ein zelnen nicht eindeutig rekonstruierbaren Pläne einer in Kampanien gelegenen Pla tonopolis konnten nicht realisiert werden, vgl. Porph. Vit. Plot. 12,1–12; dazu O’Meara 2003 [*15: 15f.]), sondern sich der philosophische Kern seines Schüler kreises zu Ende seines Lebens vor allem über die östliche Hemisphäre des Impe riums dislozierte und dort eigene Zirkel ins Leben rief, von denen ausgehend dann teilweise weitere neuplatonische Gemeinschaften etabliert wurden, ist zweifelsfrei als eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Neuplatonismus anzusehen. In diesem Prozess spielte aufgrund seiner Schriften der Enkel-Schüler Iamblichos von Chalkis eine zentrale Rolle (O’Meara 2003 [*15: 16–19]), der eine Schule in Apameia am Orontes leitete, die er entweder selbst gründete oder aber von sei nem Lehrer Amelios übernahm (dazu Saffrey, Westerink 1968 [*108: XLIV], Penella 1990 [*265: 44]; instruktiv in diesem Zusammenhang ist ein Rangstreit zwischen Laodikeia und Apameia vor Julian, in dem in den Reden für Apameia implizit auch auf Iamblichos Bezug genommen wird: Lib. Or. 18,187) und die man mit den Überresten eines Gebäudes unter der ‘cathédrale de l’Est’ in Verbindung bringen zu können glaubt (Balty 1972 [*110: 103–123], Balty, Balty 1984 [*227], Balty 2014 [*542]); bald nach dem Tod ihres Gründers löste sie sich auf und wurde später von Aidesios (Goulet 1989 [*250]) in Pergamon wieder ins Leben gerufen (Eun. Vit. soph. p. 19,21–27; 26,9–13 Goulet = p. 18,14–20; 25,1–4 Giangrande; dazu Becker 2013 [*150: 244, 277]). Neben derartigen kurzlebigen neuplatoni schen Gemeinschaften gab es vor allem an zwei Orten eine langfristig-kontinuier liche Präsenz neuplatonischer Philosophen: in Athen und Alexandrien. 9. Athen und Alexandrien als neuplatonische Zentren Über die Differenzen, Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zwischen den phi losophischen Gemeinschaften an diesen beiden Orten in der Spätantike wird in der Forschung seit mehr als einem Jahrhundert immer wieder kontrovers disku tiert: Auf die ältere Vorstellung, dass der beiderorts betriebene Philosophieunter richt zwar in seiner Form vergleichbar, inhaltlich jedoch durch eine stärker pagane Ausprägung in Athen und eine stärker christliche Ausrichtung in Alexandrien voneinander zu unterscheiden sei (so einflussreich Praechter 1910 [*160] und 1912 [*161]), folgend, wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Sichtweise
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vorherrschend, dass vielmehr der Philosophieunterricht in seinen Strukturen und in formaler Hinsicht nicht vergleichbar gewesen sei, wohingegen es auf inhaltlicher Ebene keine grundsätzlichen Differenzen gegeben habe (Marrou 1963 [*177: 132– 138], I. Hadot 1978 [*210: insb. 9–14]). Aus diesen einander widersprechenden Positionen hat sich seither eine in gewisser Weise nivellierende Position heraus gebildet, der zufolge es in Bezug auf die Inhalte nicht möglich sei, wesentliche Un terschiede zu diagnostizieren, während es hinsichtlich der Organisationsformen angebracht sei, die Vergleichbarkeit gegenüber der Verschiedenheit zu betonen (Vinzent 2000 [*340]). Diese Diskussion ist keineswegs als abgeschlossen zu betrachten, doch lassen sich einige Punkte formulieren, welche die Ausgangslage für weitere vergleichende Erörterungen über den Neuplatonismus in Athen und Alexandrien markieren (umfassend: Watts 2006 [*430: 41–142, 155–261]). Zweifelsfrei ist, dass es in Athen eine verschiedentlich umkämpfte Abfolge von Schuloberhäuptern gab (O’Meara 2003 [*15: 19–22]; zu der aus Proklos’ Nachfolge resultierenden schulinternen ‘Stasis’ mit in der Forschung umstrittenen Rollen des Zenodotos – zu diesem Goulet 2018 [*604] – und des aus der Familie Plutarchs stammenden Hegias – zu diesem Saffrey 2000 [*337] – siehe etwa Watts 2006 [*430: 112–125]; für eine quellennahe, jedoch unkritische und weitestgehend über holte Darstellung des intellektuellen Lebens in Athen im 4. und 5. Jahrhundert vgl. Schemmel 1908 [*159]). Diese Abfolge reichte sicher von Plutarch von Athen über Syrianos und Proklos, die in einer gemeinsamen Grablege bestattet wurden (Marin. Vit. Procl. 36,24–41 Saffrey-Segonds; dazu Marchiandi 2006 [*423: 105– 113]; zum inschriftlich erhaltenen Grabepigramm für Syrianos, IG II² 13451, zu letzt Staab 2014 [*555: 85–95]), über Marinos (nicht zu überzeugen vermag Miller 2002 [*356] mit seiner Interpretation einer äußerst fragmentarischen Inschrift – Peek 1942 [*92: 71f. Nr. 125] – als Zusammenfassung von Marinos’ ‹Vita Procli›), Isidoros bis hin zu Damaskios. Diese Schuloberhäupter standen einer Einrichtung privaten Charakters mit beträchtlichen ökonomischen Ressourcen vor (Dam. Vit. Isid. fr. 102 Athanassiadi = fr. 265, p. 213,8–14 [Epit. Phot. 158, p. 212,1–5] Zintzen; vgl. Brisson 2008 [*454: 36–40]), die sie in der Tradition der platonischen Akademie sahen (Olymp. In Alc. 141 Westerink). Allem Anschein nach besaß diese private Institution ein geregeltes Verfahren bezüglich der Nachfolge. Dies legt zumindest eine Formulierung aus Damaskios’ ‹Vita Isidori› nahe, der zufolge Marinos Isidoros davon zu überzeugen vermochte, seine Nachfolge – wie (wohl seitens der kleinen philosophischen Gemeinschaft) beschlossen – anzutreten ([…] δέξασθαι τὸ ψήφισμα τῆς διαδοχῆς, «[…] den Beschluss über die Nachfolge an zunehmen»: Dam. Vit. Isid. fr. 148C Athanassiadi = Epit. Phot. 226, p. 292,4–5 Zintzen; vgl. dazu Glucker 1978 [*209: 154f.]). Anders als in Bezug auf Athen gibt es für die neuplatonischen Philosophen in Alexandrien keine Zeugnisse, die es erlauben würden, eine Sukzession von Schuloberhäuptern zu rekonstruieren, die der athenischen zwischen Plutarch und Damaskios vergleichbar wäre (für einen Überblick siehe MacCoull 2007 [*443]). Überhaupt ist es unklar, ob es eine derartige Sukzession aufgrund der lokalen alexandrinischen Bedingungen überhaupt hätte geben können, zumal sich der neu
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platonische philosophische Unterricht – so viel lässt sich trotz der diesbezüglich überaus unzulänglichen Quellenlage vorsichtig formulieren – in anderen, wohl weniger dauerhaften Bahnen abspielte als in Athen. So ist zwar für Hypatia, die der Kirchenhistoriker Sokrates in eine platonischplotinische Tradition einordnet (Sokr. Hist. eccl. 7,15,1 Hansen; dazu Évrard 1977 [*205: 73f.]), ein großer Schülerkreis bezeugt (Dzielska 1995 [*294: 27–46]), doch kann weder ihre verschiedentlich formulierte Verbindung mit dem Museion (Vin zent 2000 [*340: 68f.]), dessen Bestehen und Funktionieren an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert keineswegs klar ist (siehe Schiano 2002 [*360: 129–131]; dazu Watts 2006 [*430: 194]), noch die häufige Annahme, dass sie einen der öffentlich besoldeten philosophischen Lehrstühle (deren Existenz u. a. von Marin. Vit. Procl. 9,12–19 Saffrey-Segonds abhängt) innegehabt hätte, als gesichert angesehen wer den (Vinzent 2000 [*340: 67f.] auf der Grundlage von Dam. Vit. Isid. fr. 43A,5–7; 56,17–19 Athanassiadi = fr. 102, p. 77,5–7; fr. *124, p. 107,4–6 Zintzen; dazu Watts 2006 [*430: 194f.]). Vielmehr ist dies als genauso problematisch zu erachten wie die zuweilen vermutete Übernahme einer postulierten Schule ihres Vaters Theon (so Watts 2006 [*430: 187f., 191f.]; zu Theon: Feke 2016 [*580]), der neben seiner allein in der ‹Suda› bezeugten Zugehörigkeit zum Museion (Suda II,702,10 Adler s. v. Θέων) und einer daraus verschiedentlich abgeleiteten gleichzeitigen Ausübung einer der öffentlichen Professuren alternativ oder supplementär auch eine private Schule geleitet hätte (zu der der Sudastelle inhärenten Problematik vgl. Schiano 2002 [*360: insb. 135]). Denkbar (und in keinem Widerspruch zu den verfügbaren Quellen stehend) ist am ehesten die – mit der gebotenen Vorsicht zu formulierende – Annahme einer nicht öffentlich institutionalisierten Schule der Hypatia in Alex andrien. Neben Hypatia gab es im späten 4. Jahrhundert noch weitere neuplatonische Akteure auf der alexandrinischen Bühne, die außerhalb der Kreise der Philoso phin agierten: Beispielhaft genannt seien Antoninos und Olymp(i)os. Ersterer, Sohn der Philosophen Eustathios von Kappadokien und Sosipatra von Ephesos (Goulet 1989 [*251], 2000 [*325] und 2016 [*584]), führte in einem Tempel des Sa rapis in Kanobos vor den Toren Alexandriens ein asketisches Leben und soll kurz vor seinem Tod die Zerstörung des Serapeions vorhergesagt haben (u. a. Eun. Vit. soph. p. 37,18–26; 39,22–42,3 Goulet = p. 36,6–13; 38,10–40,19 Giangrande; Aug. Div. daem. 1,1; 6,11); letzterer (Diebler 2005 [*394]) zählte zu den gewaltbereiten paganen Protagonisten, die zu Beginn des Jahres 392 das Heiligtum vergeblich vor seiner Zerstörung bewahren wollten (dazu Hahn 2006 [*418]). Infolge des gewaltsamen Todes der Hypatia im Jahre 415, der im Zusammen hang mit dem Ausbruch lokaler religiöser Konflikte stand (Haas 1997 [*307: 313– 316], Hahn 2004 [*380: 106–120]), geriet Alexandrien gegenüber Athen als Ort neuplatonischer Philosophie für ein gutes halbes Jahrhundert insofern ins Hinter treffen (Watts 2004 [*389]), als Athen als Studienort in gewisser Weise obligato risch war; beredte Beispiele sind in dieser Hinsicht Hierokles – für den sich frei lich durch keine Quellenzeugnisse stützen lässt, dass er in der Nachfolge Hypatias einen öffentlichen Lehrstuhl in Alexandrien innegehabt hätte (so Vinzent 2000 [*340: 74, 77]; doch vgl. Watts 2006 [*430: 207 Anm. 14] und siehe zu Hierokles in
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Athen und Alexandrien Schibli 2002 [*361: 4–13]) – und Hermeias. Letzterer kann exemplarisch zugleich auch für die grundsätzlich engen, vielfach familiären Ver bindungen zwischen den athenischen und alexandrinischen Neuplatonikern ste hen (O’Meara 2003 [*15: 23], Ruffini 2004 [*386]): Er war mit Aidesia, einer Ver wandten des Syrianos, verheiratet (Puech 2012 [*516: 306–308]). Nach dem frühen Tod des Hermeias, der in Alexandrien öffentlich dotiert Philosophie unterrich tete, trug sie dafür Sorge, dass ihre gemeinsamen Söhne, die das Kindesalter über lebten, nämlich Ammonios und Heliodoros, eine gute philosophische Bildung er hielten, und laut Damaskios gelang es ihr, ihnen den eigentlich für den Vater bestimmten Lohn für eine Weile zu sichern (Dam. Vit. Isid. fr. 56,15–22 Athanas siadi = fr. *124, p. 107,2–8 Zintzen). Ob sich aus diesem schwierig zu interpretie renden Passus in der ‹Vita Isidori› in Kombination mit einer Aussage in der ‹Vita Severi› des Zacharias Scholastikos (Zach. Sch. Vit. Sev. Ant. 16,10–12; 22,14–16 Kugener) allerdings schlussfolgern lässt, dass Ammonios viele Jahre nach dem Tod seines Vaters dessen (unmittelbarer) Nachfolger in der Funktion eines öffent lich bestallten Philosophen wurde, ist zwar nicht auszuschließen. Doch sollte diese sehr weitreichende Interpretation keineswegs als sicher veranschlagt und als vali der Beleg für eine zumindest kurze philosophische Sukzessionssequenz angese hen werden, aus der letztlich generalisierend die organisatorische Ähnlichkeit der alexandrinischen und der athenischen neuplatonischen Gemeinschaften hergelei tet werden kann (so Vinzent 2000 [*340: 65]). So offen also letztlich die Zuweisung von bestimmten öffentlichen philosophi schen Lehrfunktionen an einzelne Philosophen bleiben muss, so sicher ist, dass es im spätantiken Alexandrien weit mehr als nur einen Ort des Unterrichtens der Philosophie gab. Dies verdeutlicht eindrücklich ein zu wenig beachteter, jedoch in vielfältiger Hinsicht höchst aufschlussreicher, in die zweite Hälfte des 6. Jahr hunderts zu datierender Papyrus (Maspero 1916 [*84: 47–54 Nr. 67295, I–II = P. Cair. Masp. III 67295, I–II] = Caprara 2008 [*145 = CPF I,2 Kap. 19 (p. 234–241)]; dazu Maspero 1914 [*83], Caprara 1998 [*313]), der die Kopie einer Petition des Philosophen Flavius Horapollon aus Phenebythis (Goulet 2000 [*327]) aus den Jahren 491 bis 493 beinhaltet. Der Fall, um den es geht – ein Rechtsstreit um Be sitz zwischen Horapollon und seiner mit ihm zerstrittenen Ehefrau (verfahrens technisch handelt es sich um eine ‹Actio rerum amotarum›) –, ist hier weniger von Belang als die Erwähnung von Akademien (ἀκαδημ̣ [ί]α̣ ς̣) in Alexandrien, in denen Horapollon Philosophie unterrichtete (Z. 13f.), und von Museia (Μουσείοις), in denen sein Vater Asklepiades (Goulet 1989 [*252]) die jungen Männer unterwie sen hatte (Z. 15f.). Diesen philosophischen Pluralismus in der spätantiken Metropole Alexandrien darf man wohl als Gegensatz zur Situation im eher etwas beschaulicheren Athen auffassen, für das zumindest die Quellen das Bild einer philosophischen Monokul tur liefern, die von Plutarchs wieder begründeter Akademie geprägt war. Ob und inwiefern dieser Unterschied in Verbindung mit weiteren Faktoren den differenten Befund hinsichtlich der Existenz einer athenischen und einer alexandrischen Suk zession zu erklären vermag, ist eine letztlich kaum zu entscheidende Frage. Sicher ist hingegen eine ganz wesentliche Gemeinsamkeit, die zwischen den philosophi
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schen Gruppen in Athen und Alexandrien bestand: ihre Zusammensetzung aus Mitgliedern der lokalen und auch imperialen Eliten der allerdings nurmehr öst lichen Mittelmeerwelt (eine für Boethius auf der Grundlage von Cassiod. Var. 1,45,3 Giardina in Erwägung gezogene ‘Bildungsreise’ nach Athen oder – basie rend auf einer Analyse seines philosophischen Œuvre – alternativ nach Alexand rien – dazu Courcelle 21948 [*167: 259–300] – ist nach Moorhead 2009 [*475: 29] abzulehnen), die vielfach (große) Teile ihres Lebens nicht der Philosophie widme ten, sondern traditionelle Aufgaben der ‘herrschenden Klasse’ übernahmen (zu Athen O’Meara 2003 [*15: 20f.]: «a veritable Gotha of aristocrats and high govern ment officials of the period»; zu Alexandrien bezüglich Hypatia, die über gute Kon takte etwa zum Präfekten Orestes verfügte: Haas 1997 [*307: 312f.], O’Meara 2003 [*15: 24]; Elias hatte in Alexandrien im letzten Viertel des 6. Jahrhunderts die Stel lung eines Eparchen (ἔπαρχος), was wohl als ‘Ehrenpräfekt’ aufzufassen ist, inne: Elias In An. pr. 134,1–2 Westerink mit Al. Cameron 1966–1967 [*182: 656 Anm. 20]). Als soziale Praxis und kulturelles Phänomen eignet der Philosophie trotz sich ändernder Kontexte wie der Etablierung des Christentums mithin also eine erheb liche Persistenz, die eine Kontinuität zu früheren Epochen zutage treten lässt. Mit dem Christentum ist nun ein Aspekt angesprochen, der noch einmal eine Differenz zwischen den Neuplatonikern in Athen und Alexandrien bedingt. Wäh rend in Bezug auf die Protagonisten unter den athenischen Neuplatonikern nämlich nichts über später prominente christliche Schüler zu erfahren ist (ob Christodoros von Koptos – zu diesem Saffrey 1994 [*290] –, der ein einbändiges Werk in Hexa metern mit dem Titel Περὶ τῶν ἀκροατῶν τοῦ μεγάλου Πρόκλου, ‹Über die Hörer des großen Proklos›, verfasste – siehe Lyd. Mag. 3,26,3,2–3 Schamp mit Tissoni 2000 [*135: 18–20] – Christ war, wie O’Meara 2003 [*15: 22] annimmt, und somit als Zeuge dafür dienen kann, dass Proklos’ Verhältnis zu Christen nicht grundsätzlich schlecht war, ist in der Forschung zumindest nicht unumstritten; siehe den Kom mentar von A. Kadellis zu Christodoros von Koptos, BNJ 283 T 1), verhält sich dies in Alexandrien anders, was womöglich durch den Umstand mit bedingt ist, dass es dort auch ein starkes christlich-intellektuelles Milieu gab – es genügt, an Origenes, dessen außerordentliche philosophische Bildung außer Frage steht (zur kontrover sen und komplexen ‘Origenes-Frage’ siehe etwa Edwards 1993 [*274], Bruns 2008 [*455], Tanaseanu-Döbler 2010 [*494: 88–92], Urbano 2013 [*539: 70–77], Riedweg 2018 [*610]), und Origenes’ vom paganen zum christlichen Glauben konvertierten Schüler Heraklas, späterhin Bischof von Alexandrien (Goulet 2000 [*326]), oder an die viel diskutierte sogenannte Katechetenschule (zu dieser etwa Scholten 1995 [*300], van den Hoek 1997 [*311], Wyrwa 2005 [*412], Watts 2006 [*430: 164 Anm. 116]) und später an Johannes Philoponos zu denken. 10. Philosophie und Christentum In diesem Kontext kann die überaus komplexe Geschichte der wechselseitigen Beziehungen zwischen Philosophie und Christentum nicht eingehend thematisiert werden (instruktiv in Bezug auf Gemeinsamkeiten und Differenzen: Eshleman
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2012 [*506]; in Bezug auf christliche und pagane Philosophie: Kobusch 2008 [*461]), und auch die vielschichtige Frage, ob, inwiefern und auf welche Weise der Bischof in Teilen die Rolle des Philosophen in der spätantiken Stadt übernahm, muss an dieser Stelle gänzlich außer Betracht gelassen werden (dazu vielfach Brown 1992 [*271]). Betont sei allein, dass ein zentrales Merkmal dieses Verhält nisses die strukturelle Konkurrenz zwischen Philosophie und Christentum war (dazu Pietzner 2007 [*447]; vgl. auch Rohmann 2016 [*591: 149–197]), die sich nicht nur wegen der sich stets asymmetrischen, jedoch wandelnden ‘Machtverhält nisse’ auf verschiedene Weise und in unterschiedlicher Intensität zwischen den Polen Adaption und Ablehnung manifestierte, wobei auf Seite der Christen bei aller zu beobachtenden Ablehnung eine weit größere Offenheit gegenüber der Philosophie zu beobachten ist (zur Diskussion über und zum Umgang mit Philo sophie bei christlichen Autoren siehe Stead 1994 [*292: insb. 79–94], Boys-Stones 2001 [*342: 176–202], Stroumsa 2012 [*522], Karamanolis 2013 [*530]) als seitens paganer Philosophen gegenüber dem Christentum: Man denke hier auf christ licher Seite beispielsweise an Tertullian (Fredouille 2016 [*582: 761–769]), Cle mens von Alexandrien (Dainese 2012 [*504]), den zum Christentum konvertier ten Marius Victorinus (Karfíková 2018 [*606]; siehe außerdem Cooper 2016 [*577]) sowie auch Calcidius (Reydams-Schils 2010 [*492: 498–507]) und nicht zu letzt den mehrfachen Konvertiten Augustinus von Hippo bzw. an Aineias von Gaza (Jones 2014 [*547: 86f.]) oder den anonymen Verfasser der Schrift ‹Contra philosophos› (‹Gegen die Philosophen›; vgl. Colish 21990 [*232: 290–297]), wäh rend seitens paganer Philosophen exemplarisch Porphyrios’ Schrift ‹Adversus Christianos› (‹Gegen die Christen›) genannt sei (dazu Männlein-Robert 2014 [*550], Becker 2016 [*153: 15–85]; allgemein zu philosophischer Polemik gegen Christen siehe Riedweg 2016 [*590]). Dieser Text ist grundsätzlich mit anderen Schriften philosophischer Provenienz zu vergemeinschaften, denen eine pole mische Intention gegen monotheistisch geprägte Heilsbewegungen eignet, die aus der Warte der Philosophen auch als Bedrohung der eigenen gesellschaftlichen Re levanz erachtet wurden (auf die in der Forschung überaus kontrovers diskutierte Frage um die Existenz und Formen eines philosophischen ‘paganen Monotheis mus’, der im vorliegenden Kontext von Belang gewesen sein könnte, sei hier ledig lich hingewiesen; siehe etwa Frede 1999 [*319], Edwards 2004 [*376], Addey 2010 [*480], Siniossoglu 2010 [*493], Brenk 2011 [*496], Edwards 2015 [*561: 132–134]; zum religiösen Charakter der spätantiken Philosophie siehe Perkams 2007 [*446]). Beispielhaft verwiesen sei auf eine ‹Enneade› Plotins, die aufgrund einer Nachricht von Porphyrios (Porph. Vit. Plot. 16,9–11) unter dem Titel ‹Adversus Gnosticos› (‹Gegen die Gnostiker›) bekannt ist (Plot. Enn. II 9 [33]; dazu Kalligas 2014 [*151: 363–370]), und auf den Traktat Πρὸς τὰς Μανιχαίου δόξας (‹Contra Manichaei opiniones disputatio› – ‹Gegen die Meinungen Manis›) des Platonikers Alexander von Lykopolis (dazu etwa van der Horst, Mansfeld 1974 [*114: 2–47]).
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11. Klöster, Mönchtum und Philosophie Eine spezifische Form institutioneller Rahmenbedingungen für die Auseinan dersetzung mit philosophischen Themen, die Tradierung philosophischen Wissens sowie die Überlieferung philosophischer Texte liegt im Kontext des Mönchtums und der Klöster vor. Allerdings hat das Mönchtum von seiner Genese her keine unmittelbaren Beziehungen zur ‘klassischen’ philosophischen Tradition, auch wenn in der älteren Forschung diese Möglichkeit bisweilen in Betracht gezogen worden ist (vgl. Reitzenstein 1914 [*162: 44–68], Heussi 1936 [*166: 292–304]; siehe zuletzt Rubenson 2012 [*521: 503–505]). Es basiert vielmehr auf Lebensweisen frühchristlicher Askese, die radikal gesteigert wurden und ihre entscheidende Ausprägung in der Anachorese, im räumlichen Rückzug aus der Welt und in der Absonderung vom Gemeindeleben der Kirchgemeinde vor Ort, fanden. In der Abgeschiedenheit und Einsamkeit suchten die frühen Mönche spirituelle Voll kommenheit zu erlangen (vgl. prägnant Maraval 1996 [*304: 816]; siehe auch Frank 62010 [*201: 1–19]). Wenn in diesem Umfeld philosophisch-theologischer Bildung Wert beigemessen wurde, so ist dies auf einzelne monastische Führungs persönlichkeiten zurückzuführen, die aufgrund ihres sozialen Hintergrunds über entsprechende Interessen und Kenntnisse verfügten. Als fundierender Text des Mönchtums ist die in der zweiten Hälfte des 4. Jahr hunderts vom hochgebildeten Bischof Athanasios von Alexandrien verfasste, in der Forschung (teils auch hinsichtlich der Frage ihrer Autorschaft) kontrovers dis kutierte Lebensbeschreibung des Mönchsvaters Antonios (obwohl Antonios nicht der erste Eremit in Ägypten war) anzusehen, die zu einem wirkmächtigen Vorbild für alle christliche hagiographische Literatur werden sollte (zur ‹Vita Antonii› siehe Urbano 2008 [*465] sowie insbesondere Wyrwa 2009 [*479] und ferner Ru benson 2013 [*536]). Athanasios zeichnet in der ‹Vita› das Lebensbild des Anto nios als Muster und Norm für die asketische Lebenspraxis des Mönchtums, wobei er sich in seiner literarischen Ausgestaltung der Figur des Antonios durchaus Ele mente zunutze machte, die dem philosophischen Kontext entstammen (Reitzen stein 1914 [*162: 52–68]; zu ‘Pythagoreismen’ in der ‹Vita Antonii› Bremmer 2016 [*574]). Wenn Athanasios allerdings schildert, wie der koptisch sprechende Anto nios im hohen Alter trotz mangelnder Bildung griechische Philosophen, die ihn an seinem Rückzugsort in der Wüste aufsuchten, mit seiner Weisheit in Staunen versetzte (Athan. Vit. Anton. 72,1–74,10), so wird damit ein markanter Kontrast geschaffen zwischen den Repräsentanten der ‘Königsdisziplin’ des überkomme nen griechischen Bildungsideals und dem ungebildeten, aber überlegenen Eremi ten, der als von Gott belehrt und Werkzeug Christi dargestellt wird (Athan. Vit. Anton. 66,2; 80,6). Literarisch eingebettet ist die Szene der Überwindung der Phi losophen durch den «Mann Gottes» (ὁ τοῦ θεοῦ ἄνθρωπος: Athan. Vit. Anton. 70,2; 71,1) in einen übergreifenden Erzählbogen, der zeigen soll, wie die Ver heißung Christi, Antonios stets beizustehen und ihn überall berühmt zu machen (Athan. Vit. Anton. 10,3), in Erfüllung gegangen ist: Bis an die Grenzen der be wohnten Welt lässt Athanasios den Ruhm seines ‘Helden’ dringen (Athan. Vit. Anton. 93,1–6), und sogar Kaiser Konstantin und seine Söhne Constantius und
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Constans sollen brieflich mit ihm in Kontakt gestanden haben (Athan. Vit. Anton. 81,1–6). In der ‹Vita Antonii› allein einen apologetischen anti-neupythagoreischen bzw. anti-neopythagoreischen Traktat zu sehen (so Rubenson 2006 [*427: 208]), heißt deshalb, die dieser Schrift zugrunde liegende Intention allzu stark zu redu zieren und ihre zweifelsfrei verschiedenen Adressatenkreise in ihrer Vielfältigkeit und Verschiedenheit zu vernachlässigen (vgl. Wyrwa 2009 [*479: 18–25]). Bildungsferne und Bildungsverachtung sind unzweifelhaft zentrale Charakteris tika des östlichen Mönchtums. Zwar hat die neuere Forschung an dem verbreiteten Bild des ungebildeten Mönchs, dem die ‘paideia’ aufgrund seiner inferioren sozia len Herkunft geradezu wesensfremd war (siehe beispielsweise Brown 1998 [*312: 607]), deutliche Korrekturen angebracht und auf die außerordentliche Vielfalt von nahezu gleichzeitig anzutreffenden monastischen Lebensformen sowie auf die He rausbildung monastischer Großräume aufmerksam gemacht, wo sich in verschiede nen sozialen und kulturellen Kontexten differente Profile von Frömmigkeitspraxis und geistigem Leben herausbildeten, die auch das Verhältnis zur paganen Bildung tangierten (Rubenson 2012 [*521: 487f.]). So sind die Gegebenheiten in Unter- und Oberägypten, in Palästina, in Syrien, in Kleinasien oder in der Hauptstadt Konstan tinopel merklich voneinander unterschieden (Maraval 1996 [*304], Rubenson 2007 [*448]), und im Okzident liegen die Verhältnisse noch einmal anders (Biarne 1996 [*302], Dunn 2007 [*433]). Doch lassen sich in den verschiedenen ‘Mönchsland schaften’ (zu diesem Begriff Martin 31995 [*298: 212]) immer wieder monastische Führungspersönlichkeiten ausmachen, die der Beschäftigung mit der Philosophie in Verbindung mit theologischen Studien Bedeutung beimaßen. Das ägyptische Mönchtum – sei es in der anachoretischen Gestalt, sei es in Form der Eremitenkolonien oder des pachomianischen Koinobitentums – war nicht gänz lich ungebildet (auch Antonios war durch die origenistische Tradition geprägt und kein Analphabet), aber es hielt je länger desto eindeutiger Distanz zur höheren grie chischen Bildung, wenngleich es vereinzelt auch Gegenbeispiele gab. Instruktiv ist in dieser Hinsicht der aus Kleinasien stammende Euagrios Pontikos, der sein Leben nach Stationen in Konstantinopel und Jerusalem in den im westlichen Nildelta ge legenen Mönchssiedlungen Nitria und Kellia in den beiden letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts verbrachte. Nachdem er in jungen Jahren eine seiner sozialen Her kunft gemäße Bildung erhalten und dabei auch eingehendere Kenntnisse in der Phi losophie erworben hatte (Lackner 1966 [*180], Guillaumont 2004 [*379: 31f.]), wurde er als noch junger Mann durch die beiden hochgebildeten Kappadokier Ba sileios von Kaisareia und Gregor von Nazianz mit dem asketischen Ideal und mön chischen Lebensformen vertraut (Casiday 2006 [*415: 7]). Nach seiner Ankunft in Ägypten um das Jahr 383 versammelte er in der Wüste, wo er auch einen Gutteil seines umfänglichen Œuvre verfasste, einen gebildeten Zirkel um sich, der in der Tradition des Origenes spekulative Theologie und allegorische Bibelauslegung be trieb (Casiday 2006 [*415: 11]); in Alexandrien disputierte er in dieser Zeit wieder holt erfolgreich mit Philosophen (Hist. Monach. 20,15 Festugière; dazu Cain 2016 [*575: 183]). Doch ist Euagrios’ geistig-intellektuelles Zentrum bald nach seinem Tod in den von bildungsfeindlichen Mönchsgruppen getragenen antiorigenistischen Auseinandersetzungen ausgelöscht worden (Casiday 2006 [*415: 14–17]).
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In Kleinasien, wo radikale Formen der asketischen Haltung (nicht selten in Ver bindung mit offener Ablehnung der hierarchischen Institutionen der Amtskirche) breiten Widerhall fanden, spielte Basileios von Kaisareia, der Reorganisator des östlichen Mönchtums, eine zentrale Rolle in der Frage der Einbindung der Philo sophie in die monastische Lebenswelt. Entsprechend seiner sozialen Herkunft verfügte er über eine umfassende ‘klassische’ Bildung und über profunde Kennt nisse der Philosophie, die er zunächst in seiner Heimatstadt, dann in Konstanti nopel und schließlich in den 350er Jahren in Athen erworben hatte. Die philoso phische Bildung spielte für Basileios während seines ganzen Lebens eine wichtige Rolle, was sich unter anderem in dem von Gregor von Nazianz in den frühen 380er Jahren gehaltenen ‹Epitaphios auf den großen Basileios› leitmotivisch manifes tiert (Greg. Naz. Or. 43,12–60 Bernardi). Basileios’ lebenslange Wertschätzung seiner Kenntnisse in der Philosophie und seine Vertrautheit mit der ‘paideia’ fan den ihren Niederschlag auch in seinen unter dem Titel ‹Asketikon› zusammenge stellten, überaus einflussreichen Regeln, die er für seine Klostergemeinschaft ent wickelt hatte (zum ‹Kleinen› wie ‹Großen Asketikon› und dessen Versionen siehe Silvas 2005 [*140: 1–149]) und die auf weitere monastische Ordnungen in Ost und West maßgeblichen Einfluss ausübten (Silvas 2002 [*362]): Zwar organisieren diese Regeln das mönchische Leben vom Zentrum des Doppelgebotes der Got tes- und Nächstenliebe aus, sie sind aber auch durchzogen von philosophischen Grundfragen und Motiven und räumen dem wissenschaftlichen Studium einen festen Platz ein. Es ist durchaus vorstellbar, dass die ‹Philokalie›, eine Anthologie mit Exzerpten aus den Schriften des Origenes, die – keineswegs unumstritten – Basileios und Gregor von Nazianz zugeschrieben wird, in solch einem Kontext zu verorten ist (vgl. Junod 1972 [*195], Harl 1983 [*124: 19–41]). Auch in Antiochien – ebenfalls in einem christlichen Umfeld, das durch einen extremen Hang zur radikalen Steigerung asketischer Leistungen und massive Bil dungsverachtung gekennzeichnet ist – findet sich mit Diodor von Tarsos eine prä gende Figur, die – wie man möglicherweise aufgrund einer Notiz Julians anneh men darf (Iul. Ep. 90 Bidez = Ep. 55 Wright) – in jungen Jahren zu Studienzwecken in Athen weilte und dabei wie Basileios und Gregor von Nazianz wohl auch den späteren Kaiser kennenlernte, der bei seinem kurzzeitigen Aufenthalt in Athen im Jahr 355 sein Verhältnis zu dem aus Thesprotien stammenden Neuplatoniker Priskos (Goulet 2012 [*510]), einem Schüler des Aidesios, vertiefte (AthanassiadiFowden 1981 [*217: 49f.]). Diodor wurde 378 Bischof von Tarsos, aber bedeutsa mer ist, dass er zuvor in Antiochien an dem von ihm zusammen mit Karterios ge gründeten Asketerion wirkte. Das Asketerion war kein Kloster, sondern eine Asketenschule, die einer freien klosterähnlichen Gemeinschaft auf Zeit entspro chen haben dürfte; um eine kirchliche Institution mit einem festen Lehrprogramm handelte es sich wohl kaum. Sie war dem Bibelstudium in der antiochenischen Richtung der Schriftauslegung gewidmet (Socr. Hist. eccl. 6,3,6; Sozom. Hist. eccl. 8,2,6; Theodor. Hist. eccl. 2,24,7; Leconte 1957 [*171], Beer 2016 [*572]), doch dass auch die Auseinandersetzung mit der Philosophie eine Rolle spielte, legen die spärlichen Nachrichten zu Diodors Schriften nahe (Suda II,103,1–23 Adler s. v. Διόδωρος; zu einem Exzerpt siehe Phot. Bibl. cod. 223, 208b–222a); einen Einblick
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in die Art und Weise des Unterrichts und der Wissensvermittlung erlauben diese Zeugnisse allerdings nicht. Unter Diodors Schülern befanden sich so gelehrte und bedeutsame Theologen wie Theodor von Mopsuestia und Johannes Chrysostomos, die später wichtige Bischofs stühle einnehmen sollten, zunächst aber in jungen Jahren Schüler des Libanios ge wesen waren bzw. gewesen sein sollen (Sokr. Hist. eccl. 6,3,4; Sozom. Hist. eccl. 8,2,7; siehe Wintjes 2005 [*411: 177–190], Nesselrath, Van Hoof 2014 [*553: 168]). Wie wichtig einzelne Protagonisten der monastischen Bewegungen und Klöster denn auch für die Überlieferung philosophischer Texte und den Eingang paganer Philosopheme in die christlichen Kulturen des Orients und Okzidents gewesen sind, zeigen paradigmatisch Benedikt von Nursia (de Vogüé 1980 [*216]), der in seiner Historizität verschiedentlich angezweifelte ‘Vater des abendländischen Mönchtums’ (so Fried 2004 [*377: 344–356]; dagegen Wollasch 2007 [*452]) und der unter den Umayyaden wirkende, aus einer vornehmen Damaszener Familie stammende Jo hannes von Damaskus (Yaḥyā ibn Sarjun ibn Manṣūr) sowie das Kloster von Ke neschre, dem antiken Chalkis ad Belum, das von Johannes bar Aphthonia (Yōḥanān bar ʼAptōnyā; Bruns 32002 [*349]), dem gelehrten Archimandriten des nahe Antio chiens gelegenen Thomasklosters, am Ufer des Euphrats in den 520er Jahren ge gründet wurde (zu den Umständen siehe Menze 2008 [*462: 125–127]). Benedikt ist durch seine über die Regel des ägyptischen Mönchsvater Pacho mios (Pachom. Praec. 140 [Pachomiana latina p. 50 Boon]) hinausgreifende Be stimmung, dass Mönche nicht nur zum Studium der Bibel des Lesens kundig, son dern auch zur intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Gelesenen fähig sein sollten (Benedict. Reg. 48), nicht unwesentlich dafür verantwortlich, dass im ok zidentalen Mönchtum ab dem Frühmittelalter Bildung eine wichtige Rolle spielte und seit dem frühen Hochmittelalter Bibliotheken geradezu als ein Wesensmerk mal von Klöstern anzusehen sind, wodurch auch philosophische Texte die Zeiten überdauerten (siehe zu diesem weiten Feld Kintzinger 2003 [*370: 55–86] und 2006 [*420], Merkt 2008 [*463: 379–399], Hoffmann 2011 [*501]). Johannes von Damaskus, der die zweite Hälfte seines Lebens in der altehrwür digen, südlich von Jerusalem gelegenen Laura Mâr-Saba verbrachte, verfasste im Rahmen seines unter dem Titel Πηγὴ γνώσεως (‹Quelle der Erkenntnis›) bekann ten Werkes die ‹Philosophischen Kapitel›, die seit ihrem ersten lateinischen Druck aus dem Jahr 1548 unter der Bezeichnung ‹Dialectica, sive capita philosophica› geläufig sind. Diese Textkomposition führt vor Augen, welche philosophischen Wissensbestände in Johannes’ Kloster(bibliothek) während der ersten Jahrzehnte des 8. Jahrhunderts verfügbar waren und von Johannes als relevant für seine Un ternehmung angesehen wurden (Richter 1982 [*122: 62–83]). In der Tradition seines Gründers Johannes bar Aphthonia kam im Kloster von Keneschre Gelehrsamkeit und der Beschäftigung mit Philosophie eine große Be deutung zu (siehe King 2013 [*532: 80f.], Tannous 2013 [*538]), die ihr beredtes Zeugnis in einem klar strukturierten Curriculum finden, auf das Severos Sebokht (Hugonnard-Roche 2016 [*586]) wesentlich einwirkte und in dem die Beschäfti gung mit aristotelischen Werken in syrischer Übersetzung eine wichtige Rolle spielte (King 2013 [*532: 64]). So verwundert es nicht, dass sich unter den syrischen
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Aristoteles-Übersetzern zahlreiche Namen finden, die mit Keneschre in Verbin dung standen (Watt 2016 [*596: 12–15]), das auf diese Weise eine wichtige Rolle bei der Transmission der griechischen Philosophie in die islamische Philosophie im Abbasidenreich mit dem Zentrum Bagdad spielte (vgl. dazu Teixidor 2001 [*345], Watt 2004 [*387], Gutas 2012 [*511]). Indessen, so zutreffend es zweifelsohne ist, dass Mönche nicht grundsätzlich als ungebildet angesehen und mit barbarischen Westgoten auf eine Stufe gestellt (so Eun. Hist. fr. 48,2 Blockley; siehe Brown 1998 [*312: 601]) werden können (Ge meinhardt 2007 [*435: 254–275], Larsen 2016 [*587], Timbie 2016 [*594], Watts 2016 [*597], Larsen, Rubenson 2018 [*611]): Unter strukturellen Gesichtspunkten ist zu betonen, dass im traditionellen Sinne Mönche keine Philosophen und Klös ter keine Philosophenschulen waren. Interessant in diesem Kontext ist die Begriffsgeschichte des Wortes ‘Philo sophie’ unter christlichen Vorzeichen: In den Schriften gebildeter Protagonisten des Mönchtums insbesondere des kleinasiatischen und syrischen Raumes wie etwa bei den Kappadokiern Basileios, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa oder bei Antiochenern wie Diodor von Tarsos, Johannes Chrysostomos und Theo dor von Mopsuestia lässt sich beobachten, dass seit dem späten 4. Jahrhundert φιλοσοφία eine neue Bedeutungsfacette erhält, kann doch mit diesem Wort nun auch die asketische und mönchische Lebensweise umschrieben werden (siehe Malingrey 1961 [*173: 207–288]; vgl. auch Rousseau 1994 [*289: 61–92]). Damit setzt sich dieser Sprachgebrauch von demjenigen der christlichen Apologeten des 2. Jahrhunderts ab, deren Anspruch, die ‘wahre Philosophie’ zu vertreten, auf religiös-doktrinärem Gebiet mit ihrer für sich behaupteten vollen Wahrheits erkenntnis begründet wurde, während nun das Merkmal, Philosoph zu sein, rein in der asketischen Lebenspraxis fixiert wird. Ein vielfach bemühter Passus aus Sozomenos’ ‹Kirchengeschichte› macht die Differenz zwischen dem Konzept der Philosophie im Sinne einer asketisch-mön chischen Lebensweise und dem Philosophen im herkömmlichen Sinn deutlich: Zwar bezeichnet der Kirchenhistoriker die mönchische Lebensform als Philo sophie (Sozom. Hist. eccl. 1,12,1–11), doch hat diese von Sozomenos geschilderte Lebensform in vielerlei Hinsicht wenig mit derjenigen des traditionellen Philoso phen gemein, was nicht zum geringsten daran liegt, dass die Rolle des Philosophen klassischerweise insbesondere durch seine Präsenz in der städtischen Öffentlich keit gekennzeichnet war, der Mönch aber ein durch die Abgewandtheit von der diesseitigen Welt charakterisiertes und auf Gott hin ausgerichtetes Leben führte (siehe in diesem Zusammenhang Caner 2009 [*468]). Dies bedingte, dass sich die gesellschaftliche Autorität des Philosophen und des Mönchs in zentralen Punk ten auf verschiedene Aspekte gründete, obschon spezifische Formen der Lebens führung wie etwa Askeseleistungen für beide sozial konstitutiv waren (dazu Brown 1998 [*312]; zu Differenzen, Gemeinsamkeiten und Konkurrenz zwischen christlicher und paganer Askese vgl. Clark 2000 [*323: 41–48]). Der Kampf zwischen der überkommenen (paganen) Philosophie und der ‘neuen’ (d. h. christlichen) Philosophie, der in besonderer Weise zwischen dem Phi losophen und dem Mönch ausgefochten und der auch im Feld der durch Verzichts
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leistungen geprägten (diskursiven) Lebensführung der Protagonisten ausgehan delt wurde, manifestiert sich auf instruktive Weise in einer in das 4. oder 5. Jahrhundert zu datierenden Grabinschrift aus Nikaia, die vor Augen führt, dass die Konkurrenz um den ‘wahren’ Philosophen nicht auf das literarische Feld be schränkt war (aufschlussreich in diesem Zusammenhang Rydell Johnsén 2013 [*537]): In diesem Epigramm wird der christliche Lebenswandel einer Jungfrau namens Attia gepriesen, die in exzeptioneller Weise als φιλοσόφισσα (sic; im Sinne von ‘Nonne’) bezeichnet wird, womit zweifelsfrei auf eine in besonderem Maße christlichen Normen konforme Lebensführung angespielt wird (Şahin 1979 [*115: 271 Nr. 550 = IK Iznik I 550] = Merkelbach, Stauber 1998–2004 [*132: II Nr. 09/05/15]; siehe dazu Horsley 1987 [*243: 257–259 Nr. 126]). 12. Endpunkte antiker Philosophie I: Athen Über das Ende der meisten Philosophenschulen in der Spätantike ist wenig Si cheres bekannt, ihre Spuren verlieren sich in der Regel im Dunkel der Geschichte. Selbst der wohl berühmteste Fall, die sogenannte ‘Schließung der Akademie’ in Athen, wirft mehr Fragen auf, als man vielleicht vorderhand meinen möchte, und ein wirklicher Konsens zeichnet sich in der kaum mehr überschaubaren Anzahl an Publikationen gegenwärtig kaum ab, was zum einen an der vordergründigen Bedeutung der Thematik und zum anderen an der schwierigen Quellenlage liegen dürfte, die zu zahlreichen und zuweilen ingeniösen, jedoch kaum verifizierbaren bzw. falsifizierbaren Hypothesen geführt haben (vgl. nur Blumenthal 1978 [*208], Fernández 1983 [*226], Chuvin 21991 [*263: 139–144], af Hallström 1994 [*277], Thiel 1999 [*13], Beaucamp 2002 [*347], Hartmann 2002 [*354], Walker 2002 [*364: 56–67], Zamora 2003 [*374], Watts 2004 [*388], Lane Fox 2005 [*397], Di Branco 2006 [*416: 192–197], Watts 2006 [*430: 129–138], Börm 2007 [*431: 277– 283], Al. Cameron 2016 [*576]). Ausgangspunkt für alle Überlegungen stellt traditionellermaßen das narrative Handlungsgerüst in einem Exkurs in den ‹Historiae› des Agathias dar (Hist. 2,30,3–31,9; dazu die kommentierenden Bemerkungen von Av. Cameron 1 969–1970 [*191: 175f.]), der auf einer wohl informierten, jedoch nicht mehr identifizierbaren Quelle (aus der Feder eines Teilnehmers an der Reise nach Ktesiphon?) basiert (Hartmann 2002 [*354: 133–135]). Gemäß dem byzantinischen Historiker ver ließen sieben aus der östlichen Mittelmeerwelt stammende ‘glorreiche’ Philoso phen, nämlich neben Damaskios aus Syrien, dem Oberhaupt der neuplatonischen Akademie in Athen, auch Simplikios aus Kilikien, Eulamios aus Phrygien (Mara val 2000 [*328]), Priskianos aus Lydien, Hermeias (Maraval 2000 [*329]) und Di ogenes aus Phönikien (Maraval 1994 [*285]) sowie Isidor von Gaza (Maraval 2000 [*330]; zur Siebenzahl Al. Cameron 2016 [*576: 215f.]; es muss ebenso unklar blei ben, ob die neuplatonische Gemeinschaft in Athen zum Zeitpunkt des Exodus nurmehr aus den sieben genannten Philosophen bestand, wie es im Ungewissen verbleiben muss, auf welche Weise man sich den Vorgang des Auszugs aus der ‘Akademie’ aus dem einst gelobten Philosophenparadies Athen vorzustellen hat)
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das Römische Reich und zogen, wie man unzweifelhaft annehmen darf, von Athen aus (dazu Hartmann 2002 [*354: 137f.]) in das Sassanidenreich, von wo sie allerdings nach kurzer Zeit bereits wieder zurückkehrten. Obschon allein Agathias diese Begebenheit überliefert (Suda IV,192,18–29 Adler s. v. πρέσβεις ist von Aga thias abhängig und enthält keine über dessen Bericht hinausgehenden zutreffen den Informationen; siehe Thiel 1999 [*13: 9 Anm. 12]), besteht kein zwingender Grund, diese (ein-)gängige Geschichte des Exodus der Philosophen in ihrer His torizität grundsätzlich anzuzweifeln (so jedoch Tardieu 1990 [*268: 128–132], der die Ansicht vertreten hat, dass allein Damaskios ins Sassanidenreich reiste, die anderen Philosophen aber in Ḥarrān, dem antiken Carrhae, auf römischem Boden verharrten; für die communis opinio Hartmann 2002 [*354: 131f.]; siehe ferner Gatier 1992 [*272: 179f.], I. Hadot 1996 [*130: 37–42]). Vielmehr lässt sich durch eine Verbindung einiger von Agathias im Rahmen seines Exkurses angegebenen Handlungsmotivationen mit anderen Quellenzeug nissen ein in sich schlüssiges Gesamtbild der Geschehnisse rekonstruieren, das freilich eine ganze Reihe zentraler Leerstellen aufweist. Die vom byzantinischen Historiker formulierte Motivation der paganen Philosophen, sich in das Sassani denreich zu begeben (Agath. Hist. 2,30,3–4), nämlich ein generelles Missfallen an der religiösen Situation im Römischen Reich sowie die Gesetzeslage, die sie als Nicht-Christen von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausschloss, ist durchaus als plausibel anzusehen. Sie fügt sich stimmig in den Kontext der restriktiven jus tinianischen Religionspolitik der späten 520er und frühen 530er Jahre ein (Meier 2003 [*371: 206–209] mit Corcoran 2009 [*470: 187–189, 193–203]; zu einer ten denziösen Darstellung der Folgen der justinianischen Religionspolitik vgl. Prok. Hist. arc. 11,14–33). Das von Agathias angeführte Gesetz nimmt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Bezug auf einen Passus in einem Gesetz mit dem Titel ‹De paganis, sacrificiis et templis› (‹Über Heiden, Opfer und Tempel›) in Buch 1 des ‹Codex Iustinianus›, dem zufolge für diejenigen Paganen, die dem vom Kaiser verordneten Bekenntnis zum Christentum nicht Folge leisteten, im Reich kein Platz mehr wäre und auch kein Recht auf den Besitz von beweglicher Habe und unbeweglichem Gut mehr bestünde (Cod. Iust. 1,11,10,1 Frier). Obschon die ses Gesetz, wie aus P. Oxy. 1814, einem Folio mit einem Index oder Register kai serlicher Konstitutionen aus dem ersten Buch des justinianischen Gesetzeswerkes, hervorgeht, nicht Teil der ersten Edition des ‹Codex Iustinianus›, des ‹Codex novus›, aus dem Jahr 529 war, sondern eine Ergänzung in der zweiten Edition, dem ‹Codex repetitae praelectionis›, aus dem Jahr 534 ist, lässt es sich mit guten Gründen in den Sommer oder Herbst des Jahres 529 datieren (Corcoran 2008 [*456: 102f., 107f.]; siehe auch Lounghis, Vlysidou, Lampakis 2005 [*399: 171 Nr. 598]). Eine entscheidende Rolle bei dieser Datierung kommt einem Passus in der ‹Chronographia› des Johannes Malalas zu, der für das Jahr 529 berichtet, dass Justinian eine Verfügung (πρόσταξις) nach Athen gesandt habe, dass niemand mehr in der Stadt Philosophie und Recht oder, wahrscheinlicher, Astronomie un terrichten dürfe (Ioh. Mal. 18,47 Thurn μηδένα διδάσκειν φιλοσοφίαν μήτε νόμιμα bzw. nach der von Thurn aus dem Codex Vaticanus graecus 163 übernom menen Lesart ἀστρονομίαν ἐξηγεῖσθαι; dazu Al. Cameron 2016 [*576: 208 mit 333
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Anm. 21]; siehe Corcoran 2009 [*470: 199 Anm. 64]). Dass hier ein Zusammen hang mit einer weiteren Bestimmung im justinianischen Gesetz aus dem Jahre 529 besteht, der gemäß kein Paganer unterrichten dürfe (Cod. Iust. 1,11,10,2 Frier; vgl. auch ein nach Corcoran 2009 [*470: 199] vermutlich wenig früher erlassenes jus tinianisches Gesetz mit dem Titel ‹De Haereticis et Manichaeis et Samaritis›, ‹Über Häretiker und Manichäer und Samaritaner›, das Samaritanern und Paga nen neben anderen Tätigkeiten auch das Unterrichten untersagte: Cod. Iust. 1,5,18,4. 10 Frier), ist eine Annahme, die schwerlich zu negieren ist (Corcoran 2009 [*470: 200–203], dort auch zur Rekonstruktion der legislativen Verschärfung in den Jahren von 529 bis 531 durch Watts 2006 [*430: 128–142]). Vor diesem Hinter grund ist es nicht verwunderlich, dass die Philosophen um Damaskios, einem er klärten Anhänger der alten Kulte und Verfasser der ‹Vita Isidori›, diesem ein drücklichen Manifest der ‘paganen Philosophie’ (dazu O’Meara 2006 [*425], Watts 2013 [*540]; der Versuch von Mazzucchi 2006 [*424] und 2013 [*535], die Autorschaft des ‹Corpus Dionysiacum› Damaskios zuzuweisen und dessen Texte als eine ‘letzte pagane Gegenoffensive’ gegen den Siegeszug des Christentums zu deuten – siehe Mazzucchi 2006 [*424: 299] –, überzeugt nicht; siehe auch Fiori 2008 [*457]), sich über ihre Situation Gedanken machten, die im Entschluss resul tierten, sich an den Sassanidenhof in Ktesiphon zum vermeintlichen ‘platonischen Philosophenkönig’, dem jungen Chosrau I., zu begeben (zu Chosraus inszenier tem [?] Interesse an Gelehrsamkeit und seinen Kontakten mit Gelehrten – beides manifestiert sich exemplarisch in der Person Pauls des Persers und seiner Chos rau gewidmeten ‹Abhandlung über das logische Werk des Aristoteles›, ‹Tractatus de opere logico Aristotelis Philosophi, ad regem Chosroem› –, vgl. Wiesehöfer 1993 [*276: 289–291], Tardieu 1994 [*293: 310–318], Hartmann 2002 [*354: 145– 149], Wiesehöfer 2007 [*451: 206–211]; zum Bild Chosraus in der frühbyzantini schen Literatur Huyse 2015 [*564]). Grundlage dieses Entschlusses sollen nach Agathias von den Philosophen be reitwillig akzeptierte zirkulierende Gerüchte über den sassanidischen König, die im Lande herrschende Gerechtigkeit und die hohen moralischen Standards von dessen Bewohnern gewesen sein. Dass positive ‘Orientbilder’ im Römischen Reich in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts existierten, muss man nicht infrage stellen (Börm 2007 [*431: 280]), und in Verbindung mit den Bedingungen in Athen mag den Philosophen das Sassanidenreich durchaus als attraktive neue Heimat erschienen sein, dies umso mehr, als es an Alternativen mangelte (Hartmann 2002 [*354: 142f.]). Vor dem Hintergrund der spätantiken Rechtsrealität stellt es kein Problem dar (Corcoran 2009 [*470: 200f.]), dass die Pläne zum Exodus allerdings erst im Frühjahr 532 umgesetzt worden sein können, als nach dem Tod des Sassa nidenkönigs Kavadh I. im Sommer des Jahres 531 dessen Sohn und Nachfolger Chosrau Friedensverhandlungen mit Ostrom zur Beendigung der seit der zweiten Hälfte der 520er Jahre immer wieder aufflackernden kriegerischen Auseinander setzungen führte, wodurch überhaupt erst eine gefahrlose Reise in das Sassani denreich möglich wurde (zur Chronologie der Ereignisse: Hartmann 2002 [*354: 135–139]). Diese Friedensverhandlungen mündeten in den im Herbst 532 ge schlossenen ‘Ewigen Frieden’ (Greatrex, Lieu 2002 [*352: 96f.]) – doch da hatten
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sich die Philosophen bereits schon wieder desillusioniert zu einer Rückkehr nach Westen entschieden, weil sie ihre Erwartungen in Bezug auf die moralischen Qua litäten der Bevölkerung des Sassanidenreiches angeblich auf das Heftigste ent täuscht sahen und sich auch der philosophische Austausch mit Chosrau als wenig erbaulich erwiesen hatte. Deswegen sollen sie laut Agathias den Tod auf römi schem Boden einem äußerlich ehrenvollen Leben unter den Sassaniden vorgezogen haben (Agath. Hist. 2,31,2). Trotz dieser Entwicklung, über deren tatsächlichen Hintergründe allenfalls Mutmaßungen angestellt werden können (Hartmann 2002 [*354: 149–155]), hätten die Philosophen nach wie vor in hohem Ansehen beim Sassanidenkönig gestanden, auf dessen ausdrückliche Forderung hin laut Agathias eine Klausel Bestandteil des besagten Friedensvertrages wurde, der zu folge die Philosophen in das Römische Reich zurückkehren durften, ohne ihren angestammten Glauben ablegen oder diesem zuwiderlaufende Ansichten anneh men zu müssen (Agath. Hist. 2,31,3–4; Athanassiadi 1993 [*273: 25], die annimmt, dass die Philosophen zu ihren eigenen Gunsten in die Friedensverhandlungen ein griffen, möchte diese Klausel in ihrer Formulierung Damaskios selbst zuschrei ben; siehe auch Athanassiadi 1999 [*133: 50f.]). Dank dieser Bestimmung, die in der Forschung ganz überwiegend als historisch angesehen wird (skeptisch hinge gen Greatrex 1998 [*315: XIV]), obschon sie sich nicht in den von Prokop überlie ferten Regelungen des Friedensvertrages findet (Prok. De bell. pers. 1,22,1–19; die Ausführungen von Kaldellis 2004 [*382: 101f.] zu dem seines Erachtens inten tionalen Schweigen Prokops in dieser Hinsicht vermögen nicht zu überzeugen, und seine Prämisse, dass die Bestimmungen bezüglich der Rückkehr der Neuplatoni ker ein wichtiger Bestandteil des Friedensvertrages waren, hält einer kritischen Überprüfung nicht Stand; siehe auch Al. Cameron 2016 [*576: 221f.]), konnten sie friedlich bis an das Ende ihrer Tage auf dem Boden des Römischen Reiches leben. Wo und auf welche Weise dies allerdings der Fall war, darüber hat sich Agathias ausgeschwiegen und somit den Weg für zahlreiche voraussetzungsreiche Hypo thesen bereitet, da nämlich auch keine anderen Zeugnisse existieren, die über das weitere Leben der sieben Philosophen in umfänglicherer Form eindeutig Aus kunft gäben. Nachfolgend geht es nun allein darum, ausschnitthaft einige beson ders wichtige Punkte in der Diskussion um die Orte aufzuzeigen, an die sich die Rückkehrer aus dem Sassanidenreich hätten begeben haben können, nämlich Athen, Alexandrien, Kleinasien und Ḥarrān (Carrhae), wobei der Fokus auf Athen und Ḥarrān gerichtet sein wird, da die Diskussion um diese beiden Orte seit geraumer Zeit im Vordergrund steht (für einen knappen Überblick siehe Hartmann 2002 [*354: 138]). Nicht durchzusetzen vermochte sich in der Forschung mit guten Gründen die folgenreichste, kühnste und spektakulärste These zum Verbleib der Neuplatoni ker nach ihrer Rückkehr von Chosrau, da sie auf einer ganzen Reihe von anzwei felbaren und zweifelhaften Prämissen basiert (grundlegend Tardieu 1986 [*239]; zustimmend I. Hadot 1996 [*130: 24–50], Thiel 1999 [*13: 41–55], I. Hadot 2007 [*439]). Gemeint ist die Annahme der dauerhaften Niederlassung der Neuplato niker im syrischen Ḥarrān (Carrhae), deren Resultat die Etablierung einer neuen, überaus langlebigen Philosophenschule in neuplatonischer Tradition gewesen sein
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soll. Die dieser These zugrunde liegende sehr komplexe und umfangreiche Dis kussion kann hier nicht nachgezeichnet werden; es seien allein einige zentrale Punkte dargelegt: Abgeleitet wurde die Annahme einer neuplatonischen Gemein schaft in Ḥarrān aus einer Nachricht des arabischen Autors al-Mas‘ūdī, der um die Mitte des 10. Jahrhunderts den Ort besuchte. In seinem Werk ‹Murūğ aḏ-ḏahab wa-ma’ādin al-ğawhar› (‹Goldweiden und Edelsteinminen› in der Übersetzung von T. Bauer) berichtet al-Mas‘ūdī, dass er auf einem Türöffner zum Versamm lungsplatz der Ṣābier in Ḥarrān einen Ausspruch Platons in syrischer Schrift ge sehen habe, den ihm ein gewisser Malik ibn ‘Uqbūn sowie andere Mitglieder der Ṣābier übersetzt hätten; der Ausspruch, der Bezug auf einen Passus in Platons ‹Erstem Alkibiades› nimmt (Tardieu 1986 [*239: 14]: Plat. Alk. 1 133c), laute «Der jenige, der sein Wesen kennt, wird göttlich» (zum arabischen Text: Tardieu 1986 [*239: 13] nach der Edition von Pellat 1966 [*103: 393,5–8 § 1395]; für eine fran zösische Übersetzung: Tardieu 1986 [*239: 13] auf der Grundlage von Pellat 1965 [*101: 536f. § 1395]; für den arabischen Text und eine englische Übersetzung: van Bladel 2009 [*478: 72]). Ausgehend von diesem Ansatzpunkt ist in einer umfäng lichen, nicht immer überaus belastbaren Argumentation geschlussfolgert worden, dass es sich bei den ‘Ṣābiern von Ḥarrān’ des 10. Jahrhunderts um ‘Platoniker’ ge handelt habe, die auf die neuplatonische Gründung der 530er Jahre zurückzufüh ren seien (nach I. Hadot 1987 [*241: 13] im Anschluss an Tardieu 1986 [*239: 15f.]). Es ist unbestreitbar, dass diese Überlegungen ihren hohen intellektuellen Reiz haben und eingebettet in das hier nicht ausführbare Gesamtszenario mit Ḥarrān als einem Brückenpunkt der Transmission der Philosophie von ‘Alexandrien nach Bagdad’ ein prima facie schlüssiges Bild ergeben. Dennoch sollten die von Seiten unterschiedlicher Fächer plausibel vorgebrachten und teils massiven Einwände argumentativer und sachlicher Natur (etwa in Bezug auf die von Tardieu 1986 [*239: 16–19] ausführlich begründete, für seine Argumentation zentrale Überset zung des nomen loci ‘mağma‘’ im Sinne von «académie» anstelle der dem klassi schen Sprachgebrauch entsprechenden Begrifflichkeit, nämlich ‘Versammlungsort’) eigentlich dazu führen, die ‘Ḥarrān-These’ abzulehnen oder ihr aber, zurückhal tender, zumindest mit einem gehörigen Maß an Skepsis zu begegnen (u. a. Lameer 1997 [*308: 185–189], Gutas 1999 [*320: 155f. Anm. 2], Luna 2001 [*344], Lane Fox 2005 [*397], Watts 2005 [*409: 290–306], van Bladel 2009 [*478: 70–79], Al. Cameron 2016 [*576: insb. 231–234]). Es spricht vielmehr einiges für die Annahme, dass sich die philosophische Gruppe nach ihrer Rückkehr ins Römische Reich auflöste und sich in der Welt des östlichen Mittelmeeres verstreute (vgl. etwa Watts 2005 [*409: 306, 314f.]). Al lein über drei ihrer Mitglieder, nämlich Damaskios, Priskianos und Simplikios, ist aus der Zeit nach dem Jahr 532 noch etwas bekannt. Der hochbetagte Damaskios hat seinen Lebensabend anscheinend in seiner sy rischen Heimat verbracht – zumindest legt diesen Schluss eine in das Jahr 538 da tierende Grabinschrift aus Emesa nahe: Dieses neuplatonisch eingefärbte Epi gramm für eine Sklavin namens Zosime ist sowohl literarisch unter dem Autor ‘Damaskios der Philosoph’ (Anth. Gr. 7,553 – womöglich hatte dieses Gedicht Aufnahme in die Epigrammsammlung, den ‹Kyklos›, des Agathias gefunden: Av.
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Cameron, Al. Cameron 1966 [*179: 8 Anm. 18], McCail 1969 [*190: 94 Anm. 28], Hoffmann 1994 [*283: 590], Schulte 2006 [*141: 10f.]) als auch inschriftlich (Jala bert, Mouterde 1959 [*98: 155 Nr. 2336 = IGLS V 2336] = Merkelbach, Stauber 1998–2004 [*132: IV Nr. 20/07/02]; siehe dazu Aliquot 2013 [*523], Haake im Druck [*605]) überliefert. Ebenfalls nach dem Jahr 532 literarisch nachweisbar ist Priskianos, der ein Ge spräch mit Chosrau in einem seiner Werke verarbeitete: in den nur in einer latei nischen Übersetzung erhaltenen ‹Solutiones ad Chosroem›, für die vermutlich Jo hannes Scottus oder dessen Umfeld verantwortlich war (zu letzterem Punkt d’Alverny 1977 [*204]; zum Werk Marcotte 2015 [*566], Sorabji 2016 [*154], Dan 2017 [*599]). Wo Priskianos allerdings die besagte Schrift niederschrieb, ist ebenso unklar wie es im Falle des Simplikios letztlich offen bleiben muss, wo er einen Gutteil seines Œuvre, der erst nach dem Jahre 532 entstand, verfasste. Es spricht allein einiges dafür, dass dies an einem Ort (oder Orten) geschah, wo Simplikios auf eine gut bestückte Bibliothek zurückgreifen konnte, da er zahlreiche Autoren von Hesiod bis Damaskios zitiert (vgl. etwa Simpl. In Phys. 527,11 [Hesiod]; 774,30, 775,34 und 800,20 [Damaskios] Diels; siehe Baltussen 2008 [*453: 13, 51, 211–215]). Dass es sich bei diesem Ort um Athen gehandelt haben könnte, ist in der Forschung mit ebenso viel Verve vertreten (z. B. Al. Cameron 2016 [*576: 234–245]) wie mit Nachdruck negiert worden (so etwa Thiel 1999 [*13: 32–40]). Eine Entschei dung ist in dieser Sache schwerlich zu treffen. Festzuhalten ist allerdings – und dies geht über die Frage einer möglichen Rückkehr des Simplikios nach Athen hinaus –, dass aus einem viel diskutierten Passus aus dem zweifelsfrei in die Mitte des 6. Jahr hunderts zu datierenden ‹Alkibiades›-Kommentar des Olympiodoros (Opsomer 2010 [*490: 698], Al. Cameron 2016 [*576: 210]; anders, jedoch nicht überzeugend etwa Thiel 1999 [*13: 32–34]) hervorgeht, dass trotz wiederholter Konfiskationen die neuplatonische Gemeinschaft in Athen (in welcher Form auch immer man sich dies vorzustellen haben mag) noch über ein ‘Stiftungsvermögen’ (διαδοχικά; siehe LSJ9, s. v. διαδοχικός «belonging to a philosophic school, τὰ δ. endowments») ver fügte (Olymp. In Alc. 141 Westerink; dazu Westerink, Trouillard 1990 [*125: XVIIf.]). Somit hätte nach 532 zumindest noch ein Anlaufpunkt für Simplikios in Athen existiert – als sonderlich valides Argument für eine Rückkehr des Simplikios nach Athen sollte die keineswegs unproblematische Nachricht des Olympiodoros allerdings nicht geltend gemacht werden. Umstritten ist, inwieweit das an der Süd seite der Akropolis gelegene Gebäude X, das von Teilen der Forschung, jedoch kei neswegs unwidersprochen als ‘Haus des Proklos’ identifiziert worden ist (Miliades 1955 [*170: 46–50], Frantz 1988 [*244: 42–44] mit Fowden 1990 [*264: 495f.]), Kari vieri 1994 [*284], Anghel 2012 [*503: 112f.], Caruso 2013 [*526: 174–183], Afonasina, Afonasin 2014 [*541: 10–14]), dessen Lage Marinos beschrieben hat (Marin. Vit. Procl. 29,36–39 Saffrey-Segonds), als Argument in der Diskussion um Simplikios’ Rückkehr nach Athen verwendet werden kann (Al. Cameron 2016 [*576: 234–236]); Gleiches gilt auch für das am Nordhang des Areopags gelegene Haus C (oder auch Ω), für das eine Identifizierung als ‘Haus des Damaskios’ diskutiert wird (Shear 1973 [*112: 156–164], Frantz 1988 [*244: 48], Athanassiadi 1999 [*133: 342–347], Anghel 2012 [*503: 111f.], Afonasina, Afonasin 2014 [*541: 14–19]).
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Auch wenn Papst Zacharias, der letzte Grieche auf dem Stuhl Petri, noch um die Mitte des 8. Jahrhunderts die Vorstellung äußern konnte, dass der nachmalige Erzbischof von Canterbury, Theodoros von Tarsos, in der ersten Hälfte des 7. Jahr hunderts in seiner Jugend in Athen Philosophie studiert hätte (Zach. Pap. Ep. 11 [PL 89, 943C] = Tangl 1916 [*85: 173 (Z. 17f.) Bonifatius-Briefe Nr. 80]; siehe auch Rau 1968 [*107: 258,17f.]; vgl. Frantz 1965 [*178: 199f. Anm. 78]), und auch wenn es in der im 10. Jahrhundert ausgestalteten hagiographischen Tradition über einen gewissen, im 7. Jahrhundert angesiedelten Einsiedler namens Gislenus, Patron der im Hennegau/Hainaut gelegenen Abtei Saint-Ghislain, heißt, dass er griechischer Herkunft gewesen sei und, bevor er in das nördliche Merowingerreich gelangt sei, in Athen Philosophie studiert habe (Bueus 1780 [*76: 1030 = ‹Vita Gisleni Prima› (BHL 3552)]; zur Figur des Gislenus und seiner Viten siehe Helvétius 1994 [*282: 213–234, 325f.], Mériaux 2006 [*428: 356], Snijders 2009 [*477: 217f.]), so ist doch zu vermuten, dass allerspätestens infolge des slawischen Einfalls der Sclavenen um das Jahr 580 (dazu Metcalf 1962 [*175]; siehe außerdem Curta 2011 [*497: 16f.]) in Athen Philosophie nicht mehr in einer organisierten Form betrieben wurde. Möchte man der Annahme Folge leisten, dass Simplikios nach dem Jahr 532 nach Athen zurückkehrte, so ist zu mutmaßen, dass ein Schulbetrieb, wie er noch vor dem Auszug der Neuplatoniker in das Sassanidenreich stattgefunden hatte, nicht mehr praktiziert wurde und wohl nach der Mitte des 6. Jahrhunderts mit dem nicht sicher datierbaren Tod des Simplikios sein Ende fand (Al. Cameron 2016 [*576: 245]; insgesamt weniger skeptisch Ekonomou 2007 [*434: 52f., 122]). So viele offene Fragen mit der sogenannten ‘Schließung der Akademie’ auch verbunden sein mögen: Ein Ende der Philosophie in der Antike waren die Ge schehnisse in Athen infolge des justinianischen Gesetzes aus dem Sommer oder Herbst des Jahres 529 keineswegs, sondern sie läuteten das Ende einer bestimm ten organisierten Form des Philosophierens ein – nämlich das der neuplatonischen Gemeinschaft in Athen, wie sie seit den Tagen Plutarchs bestanden hatte. Auch wenn das justinianische Gesetz aus dem Sommer oder Herbst des Jahres 529 reichsweite Geltung hatte, so lassen sich dessen Konsequenzen nicht in einem ein heitlichen reichsweiten Narrativ über das Ende der antiken Philosophie zusam menfügen, sind doch seine Auswirkungen auf lokaler Ebene jenseits von Athen keineswegs klar und zweifelsohne verschieden. 13. Endpunkte antiker Philosophie II: Aphrodisias Dass womöglich auch in Aphrodisias das Gesetz Justinians nicht folgenlos war, legt der archäologische Befund im sogenannten Atriumhaus nahe, das durch seine philosophische Ausstattung Berühmtheit erlangt hat (Smith 1990 [*266], Lockey 2010 [*487: 179–271]): Vermutlich wurde die in diesem Gebäude ansässige Philo sophenschule, womöglich diejenige des Proklos-Schülers Asklepiodotos von Alex andrien (Goulet 1989 [*253]), im Zuge des justinianischen Gesetzes des Jahres 529 geschlossen, wie entfernte und beschädigte Exemplare unter den philosophischen Schildporträts wohl signalisieren (Smith 1990 [*266: 155]). Trifft diese Deutung
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des archäologischen Befundes zu, dann würde – wie im Falle Athens – auch das Beispiel von Aphrodisias einerseits die Stoßrichtung von Justinians Gesetzes initiative illustrieren, die nicht allgemein auf Philosophen, sondern – neben ande ren – auf pagane Philosophen zielte; andererseits machen das athenische wie auch das aphrodisiensische Beispiel deutlich, wie entscheidend die lokalen Bedingun gen für die Umsetzung kaiserlicher Gesetzesvorhaben vor Ort sein konnten. 14. Endpunkte antiker Philosophie III: Alexandrien Die Probe aufs Exempel liefert in gewisser Weise Alexandrien: Von Auswir kungen des justinianischen Gesetzes im Jahre 529 wissen die Quellen nichts zu berichten. Dies hat seine Ursache, so steht zu vermuten, in dem ‘historischen Kompromiss’, den Ende der 480er Jahre nach antipaganen Ausschreitungen, in deren Kontext auch Philosophen in das Visier gewaltbereiter Christen geraten waren, Ammonios Hermeiou mit dem alexandrinischen Patriarchen Petros Mon gos geschlossen hatte (Dam. Vit. Isid. fr. 118B Athanassiadi = fr. 316, p. 251,11–14 Zintzen). Allem Anschein nach war Ammonios bereit, auf religiöse Bestandteile im philosophischen Unterricht zu verzichten, um so die Hoffnung zu haben, un behelligt weiterhin lehren zu können (Watts 2006 [*430: 218–231]; siehe auch So rabji 2005 [*406]). Gut vierzig Jahre später hat diese Abmachung dem Anschein nach zumindest noch halbwegs funktioniert, so dass das Jahr 529 trotz eines struk turell antipaganen Umfelds keinen Einschnitt im philosophischen Leben Alexan driens dargestellt zu haben scheint (Watts 2006 [*430: 237–256]). Das Ende des institutionalisierten und organisierten Philosophierens gestaltet sich wie in Athen so auch in Alexandrien unklar, wo beispielsweise als einer, wenn nicht gar der letzte pagane Philosoph Olympiodoros noch in der Mitte der 560er Jahre wirkte (zur kontrovers diskutierten Frage der Christianisierung der neupla tonischen Philosophen in Alexandrien vgl. nur Sorabji 1990 [*267: 10–15], Wild berg 1990 [*269], Papazian 2015 [*567]), wie sich aus einer Bemerkung über einen Kometen in seinem Kommentar ‹In Aristotelis Meteora› ableiten lässt (Olymp. In Meteor. 52,30–32; siehe Viano 2006 [*142: 36], Opsomer 2010 [*490: 697]). Für mehr als einhundert Jahre herrschte in der Forschung die communis opi nio, dass der oströmische Kaiser Herakleios zu Beginn des zweiten Jahrzehnts des 7. Jahrhunderts den alexandrinischen Philosophen Stephanos, Verfasser einer be achtlichen Anzahl philosophischer Werke (dazu Roueché 2016 [*592: 547, 552– 560]), nach Konstantinopel berufen hätte, um dort als würdiger Vertreter seines Faches an dem vom Kaiser wieder eingerichteten Lehrstuhl für Philosophie zu unterrichten (Usener 1879 [*156: 1–5, insb. 5], angelehnt an Theophyl. 24B (prol. 5–7) de Boor-Wirth; zustimmend: Lumpe 1973 [*197], Kaldellis 2007 [*442: 177]), den Phokas im Jahre 602 an der durch das ‘Kapitol-Gesetz’ (Cod. Theod. 14,9,3 [= Cod. Iust. 11,19,1]; 15,1,53; zum philosophischen Lehrstuhl: 14,9,3,18) von Theo dosius II. im Jahre 425 eingerichteten hauptstädtischen Hochschule beseitigt hatte (vgl. in diesem Zusammenhang Schlange-Schöningen 1995 [*299: 114–121], De mandt 2013 [*527: 270f.]). Obschon über die Biographie des Stephanos kaum
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etwas Gesichertes bekannt ist, wurde sein Leben von diesem vermeintlichen Fix punkt ausgehend immer weiter ausgeschrieben. Am Ende dieser Bemühungen stand die Rekonstruktion einer eindrucksvollen Karriere, die Stephanos in Athen, Alexandrien und Konstantinopel wirken ließ und die ihn zum Verfasser von Schriften astrologischen, astronomischen, alchemistischen und medizinischen In halts machte (Wolska-Conus 1989 [*262: insb. 82–89], Papathanassiou 2006 [*426: v. a. 163–165, 201–203]). Erst jüngst ist nun mit guten Gründen dargelegt worden, dass das ganze Konstrukt auf zwei zwar überaus ingeniösen Hypothesen basiert, von denen sich aber die eine auf unzutreffende und die andere auf sehr zweifel hafte Voraussetzungen stützt (Roueché 2011 [*502: insb. 1f., 29f.] und 2012 [*520: 120–122, 136f.]; kritisches Resümee: Searby 2016 [*593: insb. 575–579]). Trifft diese durchaus als plausibel anzusehende Dekonstruktion zu, dann hat sie, da sie mit einer Verortung von Stephanos’ Leben und Wirken allein im Alexandrien des 6. Jahrhunderts einhergeht (Roueché 2016 [*592: 551f.]), weitreichende Konse quenzen: Das Ende der antiken Philosophie in Alexandrien und der Beginn einer neuen Epoche der Philosophie in Byzanz müssten dann anders als bislang erzählt werden. Die eingängige Geschichte vom Auszug des ‘letzten’ Neuplatonikers aus Ägypten, womöglich gar mit der ‹Collection philosophique› im Gepäck (Rashed 2002 [*359: 716f.]; siehe ferner Cavallo 2007 [*432], Goulet 2007 [*436: 54–57], Marcotte 2007 [*445], Ronconi 2012 [*519], Marcotte 2014 [*551] und 2014 [*552]), wäre nurmehr als Bestandteil der Forschungsgeschichte anzusehen (zur Philoso phie in Byzanz: Ierodiakonou, Zografidis 2010 [*486: 843–857]). Wie sich die Forschung hinsichtlich Stephanos künftighin auch entwickeln mag: Der Blick auf eine andere letzte Geschichte der Philosophie in Alexandrien ist je denfalls lohnend – sie spielt im Juni des Jahres 619 im Zusammenhang mit der Er oberung der Stadt durch die Sassaniden. Eine entscheidende Rolle, so wird es im syrischen ‹Chronicon anonymum de ultimis regibus Persarum› (auch bekannt unter dem Namen ‹Chusistan-Chronik›) überliefert, kam dabei einem gewissen Peter aus Qatar zu: Dieser sei einst in die ägyptische Metropole gekommen, um Philosophie zu studieren, und habe späterhin den Belagerern einen Weg in die eingeschlossene Stadt gewiesen (CSCO 1 [Script. Syr. 1] Chron. Min. I,25,25–26,8 Guidi; siehe auch CSCO 2 [Script. Syr. 2] Chron. Min. I,22,32–23,4 Guidi [lat.], Nöldeke 1893 [*78: 25; dt.]; zum Text: Howard-Johnston 2010 [*485: 128–135]; zur Eroberung Alexandriens: Altheim-Stiehl 1992 [*270: 88–92]). Interessanter als der sub specie aeternitatis zweifelsohne relevantere Umstand des Verrats mit sei nen Folgen ist hier die Motivation, die Peter aus Qatar an den Nil geführt haben soll: das Studium der Philosophie. 15. Schluss So steht am Ende der Geschichte der antiken Philosophie, als diese ihre pro minente Rolle in der Öffentlichkeit längst verloren hatte und sowohl im Bereich der Elitenkultur als auch in Form der Populärphilosophie grundsätzlich kaum mehr noch als ein Schattendasein fristete, als sie im Westen etwa durch Anicius
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Manlius Severinus Boethius ihren Weg in das lateinische Mittelalter nahm (dazu Ebbesen 2011 [*498], Vogel 2016 [*595]; genannt sei hier auch die kontroverse Ar beit von Gouguenheim 2008 [*458]) und im Osten beispielsweise durch Sergios (Sargīs) von Rešʻaynā (dem antiken Theodosiopolis in der Osrhoëne), der sich während seiner Studien in Alexandrien nicht nur der Medizin, sondern auch der Philosophie gewidmet hatte und womöglich in einem Schülerverhältnis zu Am monios Hermeiou stand, in das Syrische gelangte (Fiori 2014 [*543]; zu nennen ist hier die mit einem einleitenden Traktat unter dem Titel ‹Abhandlung über das geistige Leben› versehene Übersetzung des ‹Corpus Dionysiacum›, durch das pla tonisches Gedankengut in christlicher Brechung im syrischen Raum Verbreitung fand – dazu Bettiolo 2005 [*391: 97f.], Hugonnard-Roche 2009 [*474: 318–322]), als sie durch die Schriften Davids Eingang in das Armenische fand (Calzolari 2009 [*467], Andrews 2013 [*524: 35–37]) und später durch Übersetzungen auch in der arabisch-islamischen Welt rezipiert werden sollte (D’Ancona 2010 [*482: 870–872]), noch einmal ein Zeugnis, das eine mehr als tausendjährige soziale Pra xis in der mediterranen Welt widerspiegelt – nämlich die antike Form der ‘grand tour’, die vornehmlich junge Männer aus den Oberschichten in große oder kleine Zentren der Philosophie führte, um sich meist temporär, manches Mal aber auch dauerhaft mit der Philosophie zu befassen.
§ 5. Philosophische Leitideen Christoph Horn
Dass die philosophischen Schulen aus der klassischen und der hellenistischen Periode (trotz gewisser Umbrüche) inhaltlich und organisatorisch fortgeführt wur den – manchmal linientreu, oft aber auch mit beträchtlichen Neuerungen –, bildet ein wesentliches Merkmal der römischen Kaiserzeit und der Spätantike, auch wenn sich diese Fortführung am Ende der Epoche auf den paganen und christlichen Pla tonismus verengte (siehe oben § 3.). Die Nachzeichnung dieser Schultraditionen ist eine wesentliche Aufgabe des ‹Grundrisses›. Man kann jedoch noch eine andere Perspektive auf die Zeit richten, und zwar eine, die spezifisch mit der historischen Distanz zusammenhängt, welche die Spätantike ihrem eigenen Empfinden nach von der Zeit der Vorsokratik, der Klassik und der hellenistischen Periode trennt. Denn aus dem Bewusstsein der Zeitgenossen, auf eine glänzende Vergangenheit zu folgen und selbst unter minder herausragenden Umständen zu leben, ergeben sich in Kaiserzeit und Spätantike einige besondere philosophische Grundthemen, Tendenzen und Motive. Für die Epoche ist es kennzeichnend, dass sie die volle Wahrheit bei den ‘alten Philosophen’ vermutete und darum eine stark rezeptive Einstellung zur Tradition einnahm. Natürlich sind die jeweiligen Bezugsgrößen
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dieser Rezeptionsvorgänge verschieden, doch bildeten besonders Pythagoras, So krates, Platon, Aristoteles und Epikur zentrale Referenzpunkte dieser philosophi schen Suche nach der Wahrheit der ‘Alten’ (οἱ παλαιοί). Im Folgenden sollen acht solcher grundlegenden Motive angesprochen und kurz erläutert werden: 1) Klassikeredition und -systematisierung: Ein Merkmal der Epoche ist die Suche nach Originaltexten und deren Edition, und zwar verbunden mit stark ord nenden und systematisierenden Absichten. Charakteristisch dafür sind die PlatonEdition des Thrasyllos und die Aristoteles-Edition des Andronikos von Rhodos. So unterlegte Thrasyllos seiner Platon-Ausgabe die systematisierende Form einer Tetralogien-Einteilung (die möglicherweise bereits auf Vorläufer aus dem 1. Jh. v. Chr. zurückgeht). Und schon zuvor waren die esoterischen Schriften des Aris toteles ediert worden, wobei Andronikos von Rhodos eine thematische Zusam menfassung einiger aristotelischer Schriften zur Logik (‹Organon›), Physik und ‘Metaphysik’ unternahm (zur näheren Differenzierung vgl. Hatzimichali 2013 [*639]). Anderen Editionen sieht man die altakademische und stoische Einteilung nach dem Schema Logik – Physik – Ethik an. Wiederum anders systematisierte Porphyrios seine Plotin-Ausgabe: Er spaltete Plotins Schriften wohl aus zahlen theoretischen Überlegungen in Neunergruppen (‹Enneaden›) auf und ordnete sie dann so an, dass sie den Leser von der sinnlichen Welt über die Seele und die in telligible Welt bis hin zum absoluten Einen führen sollten. 2) Doxographie: Für philosophisch interessierte Leser aus Kaiserzeit und Spät antike waren große Teile der philosophischen Literatur von Vorsokratik, Klassik und hellenistischer Zeit unverfügbar. Diese waren über die Jahrhunderte verloren gegangen oder zumindest schwer zu erreichen (siehe oben § 2.). Daher kam das Bedürfnis nach doxographischen Schriften auf, die über die grundlegenden The men und Lehren der alten Philosophen, einschließlich ihres Lebens, aus zweiter Hand berichteten. Die wichtigste dieser Sammlungen stammt von Diogenes La ertios (3. Jh. n. Chr.). Seine Philosophiegeschichte (‹Leben und Meinungen be rühmter Philosophen›) enthält wertvolles Material von sonst verlorenen Autoren und entwickelt Perspektiven auf Philosophen, die diese markant kennzeichnen sollen. Gerade das Bedürfnis nach charakteristischen Anekdoten lässt hier aber auch Vorsicht geboten erscheinen; der Doxograph kann sein Material allzu leicht missverstehen oder verfälschen, glätten oder zuspitzen, erhaben oder lächerlich erscheinen lassen. Doxographie ist aber nicht nur eine eigene Literaturgattung; sie bildet häufig auch einen Teil der in dieser Zeit entstandenen philosophischen Werke selbst. Viele Autoren erinnern auf diese Weise an die Positionen ihrer Geg ner, deren Schriften unverfügbar oder rar gewesen sein mögen, um sie dann auf der Basis der eigenen Darstellung zu attackieren. Oder man integriert so eine fremde Meinung, die für den eigenen Standpunkt als hilfreich erscheint, in seine Argumentation. Im Prinzip verfuhren zwar schon Platon und Aristoteles auf diese Weise; jetzt aber bilden doxographische Referate einen weitaus wichtigeren Be standteil der philosophischen Texte. 3) Auswahl kanonischer Texte und Herausbildung von Lektüreordnungen: Aus dem Phänomen der Klassikereditionen ergibt sich als epochentypischer, schul übergreifend weitgehend geteilter Punkt die Orientierung an kanonischen Texten
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oder Textfolgen. Das klarste Beispiel hierfür liefert der platonische ‹Timaios›, des sen Bedeutung besonders in seiner Lehre vom Demiurgen und vom ‘umfassenden Lebewesen’ gesehen wurde. Was den ‹Timaios› für mittel- und neuplatonische, aber auch für stoische und christliche Autoren so attraktiv machte, ist die Tatsa che, dass er eine Gesamtdarstellung der Kosmologie und Naturphilosophie Pla tons mit einer theologischen und teleologischen Erklärungstendenz enthält (dazu etwa Lernould 2001 [*625], Opsomer 2001 [*626] und Gersh 2003 [*628]). Platon äußert sich hier – in seltener doktrinaler Klarheit – darüber, wie er sich die Ge staltung der sinnlichen Welt denkt, wie die Konzeption der Weltseele zu verstehen sei, wie man die Weltordnung als durch Vorsehung (πρόνοια) bestimmt konzipie ren kann und wie man sich die Konstitution der sinnlichen Welt aus solchen Ele mentarkörpern vorzustellen hat, die einfachen mathematisch-stereometrischen Prinzipien folgen; hinzu kommt etwa seine Lehre von der χώρα («Raum»), einem materie-analogen metaphysischen Prinzip. Die Wirkungsgeschichte dieser Theo rieelemente ist enorm (vgl. Baltes 1976–1979 [*612], Neschke-Hentschke 2000 [*622] und Reydams-Schils 2003 [*629]). Ein weiteres Beispiel, das allerdings spe zifisch für die neuplatonische Schultradition ist, liefert der zweite Teil, also die Übungspassage, innerhalb von Platons ‹Parmenides›. Dieser Text wurde weithin als Exposition einer Negativen Theologie des Einen mitsamt einer Entwicklung der drei (oder mehr) grundlegenden Prinzipien der Wirklichkeit aufgefasst und bekam daher in den schulischen Lektürekanons als krönender Abschluss den letz ten Platz zugewiesen. Die Inanspruchnahme des ‹Parmenides› für eine solche Stu fenmetaphysik erfordert eine genaue Lektüre mit einer besonderen Hermeneutik, die auch dann bemerkenswert bleibt, wenn man sie für sachlich verfehlt halten mag. Die Geschichte dieser ‹Parmenides›-Interpretation umfasst mit ihren Sta tionen Plotin, Amelios, Porphyrios, Iamblichos, Plutarch, Syrianos und Proklos einige der herausragenden Denker dieser Epoche. 4) Kommentarliteratur: Einen Spezialfall der reflektierten Klassiker-Hermeneu tik bildet der Kommentar (dazu allgemein Goulet-Cazé 2000 [*621], Adamson, Bal tussen, Stone 2004 [*630] und unten § 6.). Der Kommentar als Textgattung, die auf eine Erläuterung schwieriger einzelner Textpassagen sowie Gedankengänge und ihrer Zusammenhänge gerichtet ist, geht bereits auf die hellenistische Zeit zurück. In der Kaiserzeit und der Spätantike waren es besonders die dichten und schwieri gen Schriften des Aristoteles, die etwa ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. zum Gegen stand intensiver Kommentierung wurden (insgesamt ediert in der modernen Aus gabe der ‹Commentaria in Aristotelem Graeca›; siehe die Liste bei Sorabji 22016 [*615: 30–33]). Daneben gab es aber auch Kommentare zu den als uneindeutig emp fundenen Passagen in Platons Dialogen oder zu stoischen Autoren. Wichtige frühe Vertreter der Kommentierungsarbeit zu Aristoteles waren Adrastos von Aphrodi sias, Sosigenes und Aristokles von Messene; später kamen etwa noch Porphyrios, Themistios, Philoponos und Simplikios dazu. Als bedeutendster antiker Kommen tator des Aristoteles kann aber Alexander von Aphrodisias gelten (um 200 n. Chr.), der zudem ein eigenständiger systematisch interessierter Peripatetiker war. Er er hielt um das Jahr 200 den von Kaiser Mark Aurel gestifteten Lehrstuhl für peripa tetische Philosophie in Athen. Alexander kommentierte einige der wichtigsten aris
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§ 5. Philosophische Leitideen (Bibl. 127)
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totelischen Schriften, darunter die ‹Analytica priora› und ‹Analytica posteriora›, die ‹Metaphysik› (1–4), die ‹Physik›, die ‹Topik› sowie ‹De anima›. Zu den Leistun gen Alexanders gehört ferner, dass er Aristoteles’ Hylemorphismus aus ‹De anima› wiederaufgegriffen und verteidigt hat. Erstmals stellt er eine enge Verbindung zwi schen dem aktiven Intellekt aus ‹De anima› 3,5 und dem sich selbst denkenden Gott aus ‹Metaphysik› 12,7 und 9 her. Überhaupt lassen sich die Kommentatoren viel fach durchaus als eigenständige Philosophen interpretieren (dazu besonders das dreibändige Werk von Sorabji 2004 [*633]). Die wichtigsten Platon-Kommentato ren waren Porphyrios, Dexippos, Plutarch von Athen, Syrianos und Proklos. 5) Konvergenz von Platon und Aristoteles: Schon bei Antiochos von Askalon findet sich die Behauptung, Platon und Aristoteles (und übrigens auch die Stoi ker) gehörten im Wesentlichen einer einzigen Tradition an (Cic. Ac. 1,33–34). Be ginnend mit Ammonios Sakkas war es aber insbesondere die neuplatonische Tra dition, welche die These von der doktrinalen Harmonie von Platon und Aristoteles vertrat (dazu Karamanolis 2006 [*635]). Umstritten ist die Frage, wie weit Plotin dieser Tendenz folgt oder ob er eher anti-aristotelisch ist (z. B. de Haas 2001 [*624]). In jedem Fall ist diese Interpretationsrichtung seit Porphyrios vor herrschend. Umgekehrt mag man sich fragen, ob Themistios nicht vielleicht ein anti-platonischer Aristoteliker ist. Eine wichtige Voraussetzung für die Harmo niethese ist, dass man erklären kann, inwiefern Aristoteles’ Ideenkritik nicht auf einen kompletten Anti-Platonismus hinausläuft. Eine andere Herausforderung an die Harmonietheoretiker bestand darin, plausibel zu machen, inwiefern Platons ‘Kreationismus’ im ‹Timaios› mit Aristoteles’ These von der Ewigkeit der Welt vereinbar ist; seit Hierokles gibt es hierfür Lösungsvorschläge. 6) Direkte und indirekte Präsenz des Skeptizismus: In Kaiserzeit und Spätantike gibt es, wie gesehen, eine Tendenz zur Doxographie, der Schulpolemik und der hilfsweisen Übernahme fremder Positionen. Einen Sonderfall der Präsenz frem der Meinungen in den Texten spätantiker Schulen bildet das Phänomen, dass bis weilen der Skeptizismus als Hintergrundfolie benutzt wird. Das mag damit zu sammenhängen, dass man seine eigene Position zunächst verbirgt und sie nicht offen darlegt – oder nur schulintern ganz preisgibt. Vor allem aber gibt es das Phä nomen, dass skeptisches Denken als eine Herausforderung herangezogen wird, die von der eigenen Position erst einmal überwunden werden muss. Sowohl die akademische als auch die pyrrhoneische Skepsis erreichten ein exzellentes argu mentationstechnisches Niveau, das offenbar als maßstabsetzend empfunden wurde. Beispielsweise kann man bei Plotin an mehreren Stellen seines Werks sehen, dass er sich die Formulierung seiner Problemstellungen sowie zentraler Ar gumentationsfiguren von der pyrrhoneischen Skepsis vorgeben lässt (vgl. Wallis 1987 [*614]). Das wichtigste Beispiel hierfür liefert seine Theorie von Selbstbewusst sein und Selbstwissen, deren aporetische Ausgangslage er mit einem berühmten Dilemma des Sextus Empiricus formuliert (Adv. math. 7,284,1–287,1. 310–312). Möglicherweise bildet sogar Plotins Negative Theologie des Einen die skeptische Diskursform ab (O’Meara 2000 [*623]). 7) Schulinterne Systematisierung: In Kaiserzeit und Spätantike besteht die – zuerst von der hellenistischen Stoikern praktizierte – Tendenz, Philosophie syste
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matisch zu betreiben. Dazu bemühen sich alle Schulen um mehr oder minder feste Terminologien (mit einer häufig synkretistisch-eklektischen Tendenz), um die Er stellung argumentativer Topiken, um kohärente Problembeschreibungen und um konsistente Gesamtmodelle, etwa solche, welche die Themenbereiche Logik, Phy sik und Ethik in einen engen Zusammenhang zueinander stellen. Hinzu kommt häufig eine starke Kanonisierung der im Schulbetrieb verwendeten Lehrschriften sowie des Studiencurriculums. Typisch ist zudem das Bemühen (besonders für die Platoniker), ein integrativ-harmonisierendes Bild der Philosophiegeschichte und der als wertvoll erscheinenden literarischen und religiösen Traditionen zu zeich nen. Damit soll den partikularen Wahrheitsmomenten der Geistesgeschichte der ihnen gebührende Platz zugewiesen werden, Widersprüchliches miteinander ver söhnt und Irrtümer und Halbwahrheiten der Vorgänger ‘richtiggestellt’ werden. 8) Lebenskunst: Wie man in den letzten Jahrzehnten besonders für die helle nistische Periode herausgearbeitet hat, wurde Philosophie in der Antike primär nach dem Paradigma einer ‘Lebenskunst’ (τέχνη τοῦ βίου, «ars vivendi») betrie ben, nicht in erster Linie in Form eines akademischen Fachdiskurses. Denn Ant worten auf Lebensprobleme ließen sich am ehesten von der Philosophie erwarten; Fragen nach dem Lebenssinn, nach der Stellung des Menschen im Kosmos, nach der richtigen Lebensführung und nach Lebenserfolg sowie nach Methoden und Praktiken zur Transformation der Persönlichkeit wurden an professionelle Philo sophen gerichtet mit dem Ziel, die Lebensführung der Philosophierenden auf eine neue, vernünftige Grundlage zu stellen. Die dazu praktizierten Übungen sollten die Philosophenschüler anleiten, ihre Biographie bewusst und an den richtigen Zielen orientiert zu gestalten (dazu Foucault 1986 [*613], P. Hadot 1991 [*616], Nussbaum 1994 [*617], P. Hadot 1995 [*296], Horn 1998 [*619], Nehamas 1998 [*620]). In der Kaiserzeit ist die Tendenz besonders deutlich, Philosophie auf ihre lebenspraktisch-transformierende Rolle hin zu fokussieren, etwa bei den römi schen Stoikern. Für die Spätantike ist es kennzeichnend, Philosophie als spiritu elle Übung aufzufassen und gedanklichen Fortschritt als ‘Aufstieg’ zu den funda mentalen Prinzipien der Welt zu deuten.
§ 6. Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung und Methoden der Textinterpretation in historischer Perspektive Irmgard Männlein-Robert und Christoph Riedweg
Das philosophische Nachdenken über den Aufbau des Kosmos sowie die Rolle des Menschen im Weltganzen artikuliert sich je nach literarischer Gattung, die als Medium der Vermittlung gewählt wird, in zuweilen markant verschiedener Ge
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stalt. Die Bandbreite reicht in Kaiserzeit und Spätantike von in der Regel für den schulinternen Gebrauch bestimmten Notizen, philologischen und philosophischen Einzelstudien und Kommentaren über philosophiegeschichtliche Werke und mehr oder weniger stilisierte Briefe bis hin zu hochliterarischen Formen wie dem Dia log oder Gedichten, unter denen die Hymnen als poetisch besonders anspruchs volle und stark religiös geprägte Gebilde herausragen. Generell könnte man die literarischen Formen der Philosophie mit P. Hadot 1989 [*703] in dichotomischen Gegenüberstellungen wie ‘philosophisch’ und ‘nichtphilosophisch’, mündlich und schriftlich, Poesie und Prosa zu klassifizieren versu chen und systematisch die unterschiedliche Rolle des Philosophen im Werk reflek tieren – ist er Autor oder wird über ihn gesprochen? (zum ersten Fall gehören in der Antike auch Mitschriften von Schülern, zum zweiten u. a. die Doxographien) – bzw. Gesichtspunkte wie den «inneren Zweck» (wird eine These axiomatisch oder ‘zete tisch’ entfaltet?), die «Ausdrucks- und Argumentationsweise» (diskursive vs. apho ristische Gattung, ferner Mythen, Bilder usw.) sowie den «äußeren Zweck» (bloße Wissensvermittlung vs. psychagogische Schriften, die den Leser verändern wollen, darunter Protreptik und Paränese) der Einteilung zugrunde legen. Der folgende Versuch, Charakteristika und Spezifika kaiserzeitlicher und spät antiker philosophischer Texte unter literaturkritischen Aspekten herauszustellen, lehnt sich an solche Beschreibungsklassifikationen an, intendiert aber in erster Linie eine nach literarischen Gattungen und Textsorten (im weitesten Sinne) sowie nach texthermeneutischen Methoden differenzierte Synopse mit einer je weils kurzen historischen Einbettung. Es geht dabei nicht um eine vollständige Auflistung, sondern vielmehr um einen Überblick über bestimmte Phänomene und Besonderheiten hinsichtlich der literarischen Formen und Modi von Philosophie. Genrebedingte Konventionen bestimmen nämlich in Kaiserzeit und Spätantike gleichermaßen die Produktions- wie die Rezeptionsprozesse philosophischer Lite ratur. Im Sinne eines kommunikativ-semiotischen Gattungsverständnisses ist dabei nicht von einem starren Set von Regeln, sondern von einer dynamischen Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte auszugehen (dazu gehört auch die Adap tion genrespezifischer Methoden auf andere literarische Genres, wie sie in philo sophischem Kontext etwa im Fall von Dialog und Kommentar zu beobachten ist). Ein solches Gattungsverständnis schließt umgekehrt nicht aus, dass bestimmte, als paradigmatisch empfundene Texte das Bündel von Merkmalen, die je als gat tungsspezifisch empfunden werden, besonders nachhaltig geprägt haben. Dies gilt auch für die in den ersten Jahrhunderten n. Chr. gepflegten Gattungen, die mehr heitlich an bereits etablierte literarische Traditionen anschließen, die sich aber auch neu herausbilden bzw. als neues Amalgam aus bereits bekannten Textsorten und Schreibhaltungen resultieren können. Grundsätzlich ist für die kaiserzeitliche und spätantike Literatur von einer mitunter sehr weitreichenden rhetorischen Ge staltung und Überformung der Texte auszugehen, die bei der literaturkritischen Beurteilung derselben als Indikator für bestimmte literarische Strategien und Ten denzen dienen kann (Männlein-Robert, Rother, Schorn, Tornau 2016 [*797]). Mit Blick auf etablierte literarische Traditionen sind folgende Gattungen und, damit eng verbunden, entsprechende Methoden und Praktiken zu nennen:
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I. Allgemeine Einleitung
1) Dialog (διάλογος / dialogus), von Aristoteles mit gutem Grund als «sokra tisch» bezeichnet (Arist. De poetis fr. 15 Gigon = F 44a Janko; vgl. Arist. Poet. 1,1, 1447b11): Er verdankt seine Entstehung offenkundig dem Bedürfnis, die für So krates charakteristische Form des philosophischen Gesprächs ‘erinnernd’ festzu halten (vgl. den xenophontischen Werktitel Ἀπομνημονεύματα, ‹Erinnerungen›; Plat. Parm. 126c3; Tht. 142d4ff. usw.). War Platon anfänglich nur einer unter meh reren Verfassern solcher Dialoge (und nicht einmal der erste oder berühmteste: siehe Grundriss, Antike II, II 65–68), so wurde er im Laufe der Zeit zum unan gefochtenen Meister und Bezugspunkt, an dem jeder spätere Verfasser philosophi scher Dialoge in der einen oder anderen Form Maß nahm. Zwar hatten auch Aris toteles und Theophrast sowie weitere Platon- und Aristotelesschüler, darunter Herakleides Pontikos (vgl. Fox 2009 [*774]), die Gattung erfolgreich weitergepflegt und -entwickelt, und zumindest Aristoteles, dessen Dialoge vermutlich noch bis in die Spätantike hinein verfügbar blieben, erhielt für die stilistische Gestaltung u. a. von Cicero hohes Lob (vgl. oben § 2.) und dürfte neben Platon als Vorbild eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Doch zeigt sich etwa bei Ba sileios die Abstufung in der Wertschätzung deutlich (es fehle Aristoteles und Theophrast «am platonischen Liebreiz»: Ep. 135,1), und auch Diogenes Laertios teilt Platon in Bezug auf die Ästhetik fraglos «den ersten Platz» (τὰ πρωτεῖα: 3,48) zu. Der von Cicero erfolgreich in der lateinischen Literatur heimisch gemachte Dialog bleibt in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten eine sehr produktive Literaturgattung, die auch im Christentum zur privilegierten Form der Kommu nikation mit der gebildeten Öffentlichkeit – zunächst vor allem der heidnischen, dann ebenfalls der innerchristlichen – wird (ausführlicher zum Folgenden Bardy in Hermann, Bardy 1957 [*662: 945–955] und vor allem Voss 1970 [*675]). Im la teinischen Bereich ragen neben Minucius Felix’ ‹Octavius› die zahlreichen philo sophischen Dialoge des Augustinus hervor, während in der griechischen Patristik Justins ‹Dialog mit dem Juden Tryphon›, Methodios’ Neufassung des platonischen ‹Symposion›, Gregors von Nyssa dem platonischen ‹Phaidon› nachempfundener ‹Dialog (Διάλογος, var. lect. Ζήτησις, Untersuchung) mit Makrina über die Seele› sowie Aineias’ von Gaza ‹Theophrast› zu den Höhepunkten zu zählen sind. Be sondere Erwähnung verdient die in der Forschung freilich umstrittene Nachricht des Kirchenhistorikers Sokrates, der jüngere Apollinarios habe unter dem Ein druck des Schuledikts Kaiser Julians vom 17. Juni 362 «die Evangelien und die apo stolischen Lehren» nach der Art der platonischen Dialoge herausgebracht (Sokr. Hist. eccl. 3,16,5; vgl. allerdings Soz. Hist. eccl. 5,18,3ff.; McLynn 2014 [*786: 129], Agosti 2015 [*788: 235], Cecconi 2015 [*789: 208]). Von Ausnahmen wie Augusti nus’ Cassiciacum-Dialogen abgesehen tritt in den heidnischen wie in den christ lichen Dialogen dieser Zeit, soweit sie erhalten sind, das ‘dramatisch-mimetische’ Element gegenüber dem lehrhaften Vortrag stärker zurück, was angesichts der enormen Bedeutung, die Platons Spätdialog ‹Timaios› mit seiner langen Rede über die Entstehung der Welt für die gesamte Philosophie der ersten Jahrhunderte n. Chr. hatte, kaum überrascht. Nach dem Vorbild des Aristoteles kann dabei auch der Verfasser selbst als – den Gesprächsverlauf mitunter dominierende – Person auftreten und außerdem ein Prooimion vorangestellt sein (vgl. Cic. Att. 4,16,2;
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13,19,3–4; Grundriss, Antike III, 262f.; allgemein Hirzel 1895 [*646], Hösle 2006 [*760: 79–105], Goldhill 2008 [*769], Föllinger, Müller 2013 [*781]). 2) Diatribe (διατριβή / dissertatio): Auch hier scheint der sokratische Einfluss bestimmend, wird doch der – ähnlich wie σχολή («Muße, freie Zeit») – zunächst neutrale Begriff des ‘Verweilens’ und des (gehobenen) ‘Zeitvertreibs’ insbeson dere mit dem für Sokrates charakteristischen Lebensstil, seinem die anderen und sich selbst prüfenden Fragen und Philosophieren, verbunden (vgl. Plat. Apol. 29c; 37c; allgemein dann von einem der Philosophie gewidmeten Leben Plat. Phd. 63e; Tht. 172c; Rep. 7, 540b usw.). Es erstaunt daher kaum, wenn der entsprechende Werktitel erstmals beim Sokratesschüler Aristipp von Kyrene und mehr oder we niger gleichzeitig auch beim Platonfreund Archytas von Tarent erscheint (vgl. Aristipp SSR IV A 146 = Theopomp FGrHist 115 F 259 = Athen. Deipnosoph. 11, 508c–d und Sotion fr. 6 Wehrli = Panaitios fr. 123 van Straaten = D. L. 2,85 [cf. 2,84] – dazu Grundriss, Antike II, I 249 – bzw. Archytas 47 B 4 DK mit den Er läuterungen von Huffman 2005 [*755: 228–232]). Vor dem Hintergrund der wei teren Entwicklung in Kynismus und Alter Stoa möchte man vermuten, dass mit diesem Titel Schriften bezeichnet wurden, die bei allen Berührungen mit dem so kratischen Dialog doch vergleichsweise geringere literarische Ansprüche erhoben. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang, dass im Katalog der Werke des Zenonschülers Ariston von Chios neben Diatriben unterschiedlicher Thematik (‹7 Bücher Diatriben über die Weisheit›, ‹Erotische Diatriben›) ausdrücklich auch ‹Dialoge› genannt werden, außerdem gelehrte Abhandlungen (‹6 Bücher Dispu tationen [Σχολαί]› bzw. ‹Aufzeichnungen [Ὑπομνήματα]›), von denen sich die Dia triben gewiss deutlich unterschieden (Ariston fr. 333, I,75f. SVF = D. L. 7,163; vgl. Ioppolo 1980 [*685: 39–55]). Während über diese sowie die Bion von Borysthenes, Zenon, Persaios von Kition, Kleanthes, Sphairos von Borysthenes zugeschriebe nen ‹Diatriben› kaum etwas bekannt ist (vgl. auch Jocelyn 1982 [*689: 5f.], dessen allgemeiner Skeptizismus gegenüber der Gattung Diatribe freilich überzeichnet scheint: siehe Gottschalk 1982 [*688]; allgemein zur Forschungsgeschichte Stowers 1988 [*702: 71–74]), lassen die bei Stobaios erhaltenen Ausschnitte aus der Epitome eines Theodoros von den Schriften des Kynikers Teles (Mitte des 3. Jh.s v. Chr.) ei nige Züge erkennen, die auch für die späteren, sich zunehmend in Richtung popu lärphilosophische Unterweisung und Predigt entwickelnden Diatriben als charak teristisch gelten. Dazu gehören: vergleichsweise schlichter Stil, Konzentration auf ethisch-moralische Themen, dialogische Grundstruktur (These bzw. Frage und Widerlegung bzw. Antwort), häufige Anrede eines ‘Du’ (das mit drängenden Fra gen und Imperativen auf den richtigen Weg gebracht werden soll), Einflechten von Beispielen, Anekdoten und Dichterzitaten zur Illustration (vgl. allgemein Marrou in Capelle, Marrou 1957 [*661: 998], Schmeller 1987 [*699: 205–224], Stowers 1988 [*702: 75f.]). Zu bedenken ist freilich, dass für Teles im Unterschied zu seinem mut maßlichen Modell Bion (vgl. Bion T 8 A Kindstrand = D. L. 2,77; allgemein Grund riss, Antike II, I 308f.) der Titel ‹Diatribe› ebenso wenig gesichert ist wie für die – gleichfalls Stobaios zu verdankenden – Auszüge aus dem Werk des frühkaiserzeitlichen Stoikers Musonius, bei denen es sich vermutlich um die Mitschrift von Lehrvorträgen und Gesprächen durch einen Schüler namens Lukios handelt
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(vgl. Stob. Ecl. 2,15,46, II,193,3 Wachsmuth: Λυκίου ἐκ τῶν Μουσωνίου, «Von Lukios aus den [sc. Diatriben?] des Musonius»). Der Begriff διατριβή im Sinne der richtigen philosophischen Lebensform begegnet immerhin in Musonius’ 6. Frag ment Περὶ ἀσκήσεως (‹Über die sittliche Übung›: «wir alle, die wir an der philo sophischen Lebensführung [διατριβῆς] Anteil haben»), und bereits der Beginn desselben Fragments lässt den Bezug dieser Mitschriften zum philosophischen Lehrbetrieb deutlich erkennen («Er pflegte die mit ihm Zusammenseienden [τοὺς συνόντας] stets beharrlich zur sittlichen Übung anzutreiben, indem er in etwa folgende Worte verwendete»; vgl. auch fr. 11, wo das permanente «Zusammensein mit dem Lehrer» als besonderer Glücksfall genannt wird). Der Zusammenhang mit dem philosophischen Unterricht scheint generell für Diatriben charakteristisch – nicht ohne Grund bekommt das Wort vermutlich schon früh auch die Bedeutung «Schule» (vgl. Athen. Deipnosoph. 5, 211d; Gell. 1,26,1 usw.; Glucker 1978 [*681: 162–166]; allgemein zur mündlichen Lehrtätigkeit als konstitutiv für literarische Diatriben Stowers 1981 [*687: 75–78], Schmeller 1987 [*699: 9–14]). Das moderne Gattungsverständnis ist maßgeblich durch Arrians Aufzeichnungen von Epiktets ‹Diatriben› geprägt, in denen die genannten Merkmale gehäuft auf treten (der Titel Ἐπικτήτου ∆ιατριβαί, der von Gottschalk 1982 [*688: 92] ‹Epi ctetus’ discussions with his pupils› übersetzt wird, ist durch Simpl. In Ench. 1, Phot. Bibl. cod. 58, 17b sowie die Subscriptiones der Haupthandschrift Bodleianus misc. gr. 251 gesichert; die Angabe Διαλέξεις, ‹Vorträge›, bei Gell. 19,1,14 könnte sich sehr wohl auf ein anderes Werk beziehen; Photios kannte neben 8 Büchern ‹Diatriben› auch 12 Bücher Ὁμιλίαι, ‹Unterredungen, Unterweisungen›; vgl. D’Agostino 1928 [*653] und allgemein zu den hitzigen Forschungskontroversen um diese Titel Fuentes González 2000 [*731: 118–125]). Dass auch diese ‹Diatri ben› den spezifischen Schulalltag reflektieren und zentral um die richtige, der Pflege der Seele und der ethischen Vervollkommnung gewidmete Lebensform nach sokratischem Vorbild kreisen (was einen umfassenden Philosophiebegriff und das intensive Studium älterer stoischer und anderer Texte nicht ausschließt: vgl. Long 2002 [*743: 43ff.]), geht aus einem Beispiel wie ‹Diatribe› 2,14 deutlich hervor, wo ein vornehmer Römer zusammen mit seinem Sohn in Epiktets Schule kommt, um Aufklärung über die wesentlichen Elemente eines philosophischen Lebens bittet und vom Musonius-Schüler in einen typisch sokratisch-elenktischen Dialog verwickelt wird (2,14,14–22; vgl. allgemein zur Rolle des Dialogs bei Epi ktet Wehner 2000 [*733]). Zu den weiteren Verfassern von Diatriben könnte möglicherweise auch der von Seneca bewunderte Kyniker Demetrios gehört haben (vgl. Billerbeck 1979 [*683: 57–60]), und ein Werk Dions von Prusa trägt den Titel Διατριβὴ τῶν ἐν συμποσίῳ (‹Diatribe über das, was an einem Symposium geschieht›; vgl. Jocelyn 1982 [*689: 4]). Heikler ist der Versuch, diatribenhafte Elemente bei Autoren wie Seneca, Plutarch und Maximos von Tyros, aber auch in der frühchristlichen Literatur zu bestimmen (zu letzterem Marrou in Capelle, Marrou 1957 [*661: 998–1008]). Denn ethisch-moralische Paränesen, fingierte Dialoge, familiärer Ton sowie wei tere «Kunstmittel der klassischen Rhetorik» (Marrou in Capelle, Marrou 1957 [*661: 998]) sind keine exklusive Domäne der Gattung der überwiegend, aber
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nicht ausschließlich, kynisch-stoischen Diatribe (so einflussreich diese gewesen sein mag; als Beispiel sei an die zum Teil fast wörtlichen Zitate aus Musonius bei Clemens von Alexandrien erinnert), sondern kennzeichnen genauso Dialoge und weitere an ein größeres Publikum gerichtete philosophische Schriften unter Ti teln wie Προτρεπτικὸς (‹Protreptische [zur Philosophie hinwendende] Rede›) und Παραινετικὸς λόγος (‹Ermahnungsrede›, zu beiden siehe unten 7.) oder auch die florilegienartige ἀποφθέγματα-Literatur (‹Aussprüche›; vgl. § 2.). 3) ‘Homilie’ (ὁμιλία, λόγος / homilia, sermo, praedicatio): Das Wort bezeichnet im Griechischen anfänglich den «Umgang, Kontakt» mit anderen Menschen, ins besondere auch das Zusammensein mit Sophisten und Philosophen (vgl. Xen. Mem. 1,2,6. 15 usw.; bei Ael. Var. hist. 3,19 wird mit ὁμιλία das «Sich-Unterreden», διαλέγεσθαι, innerhalb der Akademie bezeichnet). Insofern spiegelt der seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. belegte Werktitel Ὁμιλίαι mit der Diatribe vergleichbar eine mündliche Gesprächssituation (zwei Bücher ‹Homilien› sind bereits für Kri tias von Athen bezeugt: 88 B 40f. DK; Phot. Bib. cod. 58, 17b = Epikt. test. VI Schenkel schreibt Epiktet 12 Bücher ‹Homilien› zu; Philostr. Ap. 3,15 spricht von mehreren ‹Homilien an die Ägypter› des Apollonios von Tyana; vgl. auch Eus. Hierocl. 32). Entsprechend können seit Xenophon Schüler auch ὁμιληταί (wörtlich «in vertrautem Umgang [mit jemandem] Seiende») genannt werden. In der Zwei ten Sophistik wird der Terminus dann – nicht anders als das zunächst ebenfalls einfach eine «Unterredung», ein «Gespräch» bezeichnende Wort διάλεξις (vgl. Philostr. Ap. 4,2. 3 usw.; zu διάλεξις als Werktitel siehe Max. Tyr. und Dion Chrys. Or. 42; Iren. Ep. ad Flor. = Eus. Hist. eccl. 5,20,6 bezeichnet Polykarps Predigten als διαλέξεις πρὸς τὸ πλῆθος, «Reden an die Menge», und Thdt. Gr. aff. cur. nennt die einzelnen Bücher seiner Apologie διαλέξεις) – ebenfalls für epideiktische Reden verwendet (vgl. Luk. Demon. 12; 26 usw.; interessant in diesem Zusam menhang auch Hesych δ 1131, wo διάλεξις und ὁμιλία gleichgesetzt werden). Alle diese Bedeutungsnuancen spielen eine Rolle, wenn spätestens seit Cle mens von Alexandrien ὁμιλία zu einem Terminus technicus für die christliche Pre digt wird (vgl. über Valentinus Clem. Alex. Strom. 4,89,2 ἔν τινι ὁμιλίᾳ, «in einer Predigt», und 6,52,3 ἐν τῇ Περὶ φίλων ὁμιλίᾳ, «in der Predigt ‹Über Freunde›»; als Werktitel sicher ab Origenes belegt, vgl. Orig. Comm. in Ioh. 32,5, Eus. Hist. eccl. 6,25,11 usw.; für Listen von Verfassern klassischer Sonntags- und Werktags‹Homilien› sowie von Fest- und katechetischen Predigten siehe Sachot 1994 [*719: 158–163]). Der Grundgedanke eines schlichten, volkstümlich belehrenden «Ge sprächs» bleibt dabei durch die Jahrhunderte hindurch gegenwärtig (vgl. noch Aug. En. Ps. 118 prooem. [CCL 40, 1665]: «sermones …, qui proferantur in popu lis, quas Graeci ὁμιλίας uocant», «gelehrte Gespräche …, die in der Öffentlich keit vorgetragen werden, welche die Griechen Homilien nennen»; ähnlich Aug. Ep. 224,2: «tractatus populares, quas Graeci ὁμιλίας uocant», «volksstümliche Abhandlungen, welche die Griechen Homilien nennen»). Dies schließt indes die Übernahme von Gestaltungselementen der paränetischen Diatribe und eine zumal in Festpredigten mitunter recht weitgehende literarische und rhetorische Stilisierung keineswegs aus (vgl. Sachot 1994 [*719: 167–170]). Angesichts der Ent stehung der Predigt aus der Schriftexegese im jüdischen und frühchristlichen
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ottesdienst (zu letzterem vgl. besonders Just. Apol. 1,67,3, wo auch der mora G lisch-paränetische Charakter der Predigt anklingt) versteht es sich von selbst, dass außerdem die für Kommentare typischen Techniken der Textauslegung, darunter die Allegorese, in diesem Genre ebenfalls nicht selten zur Anwendung kommen (vgl. Sachot 1994 [*719: 159], Young 1997 [*725: 217–264]). 4) Brief (ἐπιστολή, γράμματα / epistulae, litterae): Während die drei zuerst vor gestellten Gattungen die Herkunft aus dem philosophischen Unterricht bereits im Namen erkennen lassen und auch später zwischen den beiden Polen ‘rein fiktive, literarisch hochstilisierte Mündlichkeit’ und ‘(mehr oder weniger unbearbeitete) Aufzeichnung von Vorträgen bzw. Lehrgesprächen’ schwanken, stellt die Wahl des Briefes für die Vermittlung philosophischer Lehren im Grunde den Versuch dar, das Gespräch mit einem – fiktiven oder realen – Adressaten bzw. mit einer be stimmten Öffentlichkeit auf Distanz fortzusetzen (vgl. Artemon [von Kassandreia?] bei Demetr. De eloc. 223: «Man muss in derselben Art einen Dialog und auch Briefe schreiben, denn der Brief ist gleichsam der andere Teil des Dialogs [εἶναι γὰρ τὴν ἐπιστολὴν οἷον τὸ ἕτερον μέρος τοῦ διαλόγου]»; auch Ps.-Diog. Sinop. Ep. 3,1: «Der Brief vermag nämlich vieles nicht weniger als die Unterhaltung [διάλεξις] mit den Anwesenden»). Das dialogische Element bleibt daher in dieser Gattung, die sich aus dem kulturübergreifend belegten Genus des privaten und amtlichen Brie fes herausentwickelt hat (allgemein Schneider 1954 [*660]; zur heiklen Abgrenzung von Privat- und literarischem Brief vgl. auch Sykutris 1931 [*655: 186f.], Schwitter 2015 [*795: 45–64]), ebenso erhalten wie die Möglichkeit, ein bestimmtes Thema entweder aphoristisch oder in größerer Systematik zu behandeln. Bezüglich stilis tisch-rhetorischer Gestaltung reicht die Bandbreite in Kaiserzeit und Spätantike von alltagsnaher Schlichtheit bis zu höchstem literarischem Raffinement. Mit Sammlungen von Briefen ist in der Antike seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. zu rech nen (Platon, Isokrates, Demosthenes, vgl. Grundriss, Antike II, II 310; eine um fangreiche moderne Sammlung, freilich ohne die Kirchenväter und Libanios, bie tet nach wie vor Hercher 1873 [*645], eine Auswahl Trapp 2003 [*750]). Konstitutiv sind für den philosophischen Brief wie für Briefe allgemein – neben der faktischen oder auch nur fiktiven Materialität (zuerst auf Schreibtafeln, δελτοί, codicilli, dann auf Papyrus; zur Materialität des antiken Briefs Sarri 2018 [*801], allgemein Baasner 2008 [*767]), die zunächst ein kleinformatiges Genre impliziert – traditionell die Strukturelemente Grußformel, Prolog, Anliegen und abschließender Gruß, die in allen erdenklichen Varianten auftreten, aber zum Teil auch individuelles Profil erkennen lassen (laut D. L. 3,61 ist für Platon der Gruß εὖ πράττειν, «wohl ergehen [sc. wünschen]» [vgl. auch Plat. Ep. 3, 315b] charakte ristisch, für Epikur εὖ διάγειν, «[sc. das Leben] gut verbringen», und für einen Kleon das schlichte χαίρειν, «sich freuen»; allgemein Trapp 2003 [*750: 34–38], Gibson, Morrison 2007 [*762]). Konstitutiv ist außerdem die Existenz eines rea len, fiktiven oder apokryphen respektive pseudonymen Briefschreibers sowie die eines als Person oder als weitere Öffentlichkeit zu begreifenden, fingierten oder erhofften Adressaten(-kreises), den der Autor kennt bzw. zu kennen vorgibt. Kon stitutiv ist aber nicht zuletzt die grundständige generische Offenheit des Briefes, die ein breites Spektrum an Textsorten wie an Autorintentionen mit einschließen
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kann. Der Brief stellt ein besonders flexibles und daher auch besonders beliebtes Medium der Kommunikation philosophischer Inhalte dar: Die Trennlinie zwi schen den zahlreichen Formen des philosophischen Briefes respektive eine finale Ausdifferenzierung der zahlreichen Brieftypen kann kaum zuverlässig formuliert werden, da sich in diesem literarischen Genre besonders zahlreiche (Sub-)Gattun gen, Textsorten und Schreibweisen kreuzen, überlagern oder ergänzen (Sykutris 1931 [*655: 185], Schneider 1954 [*660: 571–574]), und zwar mit diversen inhaltlichen oder formalen Elementen aus durchaus divergenten Texttraditionen (z. B. Trost-, Empfehlungs-, Widmungs-, Belehrungs-, paränetischer, protreptischer, autobio graphischer Brief; Stowers 1986 [*695: 51–173]; für eine Gruppierung nach kom munikativen Kriterien – «1. Darstellungs- oder besser Informationsintention, 2. Wertungs-, 3. Aufforderungs- und 4. Kontaktintention»: Schmidt 1997 [*724: 771f.] – vgl. Ermert 1979 [*684: 67–75, 95–102]). Für die philosophische Tradition besonders relevant und leicht zu identifizieren sind Lehrbriefe, in denen philoso phische Anliegen systematisch und gleichsam didaktisch strukturiert sowie mit Blick auf bestimmte, durchaus auch plurale Adressatenkreise komponiert sind (z. B. Epikur-Briefe). Der vielfach stilistisch unterstrichene ‘mündliche’ Charak ter und Gestus des Briefes hat sicherlich die Nutzung eben dieses literarischen Genres gerade zur Werbung für die Philosophie überhaupt befördert. Dieser cha rakteristische mündliche Ton des Briefes dient freilich in ganz besonderem Maße auch der Vermittlung von eigentlich komplexen und schwierigen philosophischen Inhalten, die in der Fiktion eines Gesprächs auf Distanz didaktisch gut umzusetzen war (z. B. Epikurs Brief an Herodot). Aus diesem Grund verwenden auch christ liche Bischöfe häufig die Gattung des Briefes, da hier dogmatische oder theologi sche Probleme didaktisch verhandelt (z. B. beim Origenesschüler Dionysios von Alexandrien) oder in Form von (echten oder fingierten) Sendschreiben der Pro pagierung bestimmter theologischer Ansichten dienen sollten (Origenes, dazu Eus. Hist. eccl. 6,36,3; Cyprian, vgl. von Harnack 1926 [*652: 61]; Kyrill von Alex andrien; Schneider 1954 [*660: 578–580]). Die Verwendung rhetorisch zielführen der Stilistika reflektiert etwa Gregor von Nazianz selbst in einem seiner Briefe (Ep. 51). Kaiserzeitliche und spätantike Sammlungen von Briefen, seien sie von deren Verfassern oder von Späteren erstellt, orientieren sich vor allem an den seit Plinius’ literarischem Briefcorpus etablierten Kompositionskriterien wie der «va riatio» in Aufbau und Adressatenverlauf sowie hinsichtlich der Konstruktion des Selbstbildes (Zelzer 1997 [*726: 335–343], Morello, Morrison 2007 [*764]). Unter den älteren Briefcorpora kommt dem platonischen für die Kaiserzeit und Spätantike eine eminente Bedeutung zu. Während heute die Echtheit der Platon zugeschriebenen Briefe, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bestritten wird, be trachtete die Antike die 13 erhaltenen Briefe weitestgehend als authentische Zeug nisse (vgl. Grundriss, Antike II, II 308–322). Nicht zuletzt der in der modernen Forschung als unecht geltende 2. Brief wurde im Platonismus der Kaiserzeit als Schlüsselstelle für die platonische Prinzipienlehre rezipiert (vgl. Kelsos fr. 6,18 Bader, dazu Lona 2005 [*756: 43f., 332f.]; Porph. Hist. phil. 4, fr. 222F. Smith = fr. 21 Sodano = Kyr. CI I,47,18–48,5 Riedweg mit den Anm. ad loc.; Plot. I 8 [51] 2 usw.), ebenso der heute von vielen als echt betrachtete 7. Brief (z. B. Kelsos fr. 6,1–
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10 Bader, dazu Lona 2005 [*756: 43f., 315–326]), der aufgrund der wertvollen – echten oder fingierten – (auto-)biographischen Informationen zu Platon als Ein führung in dessen Leben und Werk dienen konnte (vgl. Dörrie, Baltes 1990 [*706: 356], Luchner 2011 [*779]). Während die in antiken Werklisten genannten Briefe des Aristoteles, die u. a. auch an Philipp und Alexander gerichtet sind, insgesamt wenig philosophisch ge wesen zu sein scheinen und allein in zitathaften kurzen Auszügen überliefert sind (fr. 651–670 3Rose; vgl. Grundriss, Antike III, 271), sind vielmehr die drei erhalte nen Briefe Epikurs in unserem Kontext relevant, da sie für uns wichtige autorisierte Kurzkompendien der großen philosophischen Anliegen Epikurs darstellen, die an befreundete Schüler des Philosophen gerichtet sind (wohl frühes 3. Jh. v. Chr.): Während der Brief an Menoikeus protreptisch ist (Jordan 1986 [*694]), den Adres saten mit den Grundsätzen der epikureischen Philosophie, vor allem mit dessen Ethik vertraut machen bzw. dafür werben will (Heßler 2014 [*785: 40–99]), thema tisiert der Brief an Herodot schwierigere naturphilosophische Inhalte. Der Brief an Pythokles über Astronomie und Meteorologie reagiert, wie die Eingangsbemer kung zeigt (Ep. Pyth. 84), auf eine Bitte des Adressaten, die schwierigen Philoso pheme in übersichtsartiger, leicht lernbarer Form zu präsentieren, und erweist sich, ähnlich wie der Herodotbrief, als in Briefform verfasstes philosophisches Kompen dium mit pädagogischer Absicht (vgl. Grundriss, Antike IV, I 75–80). Eine philosophiegeschichtlich interessante Rolle spielen ps.-epigraphische Briefe, mit denen bestimmte Texte autorisiert werden sollten, darunter der die Leistung der Übersetzung der Septuaginta preisende Aristeas-Brief sowie der wohl mit den ps.-pythagoreischen ‹Hypomnemata› zusammen publizierte und diese legitimierende Lysis-Brief (Thesleff 1965 [*667: 111–114], Städele 1980 [*686: 154–159]; vgl. Burkert 1961 [*664: 18f., 24f.], Riedweg 22007 [*765: 158f.]). Auch vielen anderen Philosophen, darunter weiteren Pythagoreern, Thales, Solon, He raklit, Anacharsis, Sokrates und kynischen Philosophen, wurden oft sehr kurze und in der Regel moralische bzw. moralisierende Briefe untergeschoben (diese dürften mindestens teilweise das Resultat rhetorischer Übungen gewesen sein; vgl. zu Sokrates Sykutris 1933 [*656]; allgemein Schneider 1954 [*660: 573f.]; zur schulischen Übung des Briefeschreibens Cribiore 2001 [*736: 215–219]). Im NT selbst gelten die heute als echt betrachteten Paulusbriefe als besonders philosophienah: Mit ihrer reflektierten, an jüdische ebenso wie an pagane Gedan ken anknüpfenden theologischen und moralischen Belehrung haben sie entschei dend zur Ausbildung einer christlichen Philosophie beigetragen. Als ebenfalls vor rangig didaktisches und überdies noch psychagogisches Medium erweist sich der philosophische Brief nicht zuletzt beim ungefähr zeitgleichen römischen Philo sophen Seneca, der mit seinen 124 lateinischen ‹Epistulae morales ad Lucilium› einen programmatischen Cursus durch die späthellenistische stoische Philosophie komponiert, in dem die Briefe im Verlauf an Komplexität gewinnen und dabei an agogische Komposition aufweisen, vor allem aber therapeutische, also psychago gische, Funktion für den Adressaten Lucilius sowie für andere Interessierte haben (Rabbow 1954 [*659], I. Hadot 1969 [*674], Dietsche 2014 [*784]). Nach dem Fokus der hellenistischen Philosophie vor allem auf die Ethik stellen diese Briefe ebenso
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reflexive wie praktische, freilich hochliterarische und stilistisch modische (Setai oli 1985 [*693], Williams 2015 [*796: 140–144]) Handreichungen für ein glücken des, gelingendes Leben dar (Zimmermann 2008 [*772]). Dem persönlich anmu tenden, freilich überzeitlich und überräumlich den Rezipienten mit einbeziehenden (Edwards 2015 [*790]) Briefgespräch kommt hier die Rolle eines auf ethische An liegen fokussierten, dezidiert pädagogischen Instruments zu (Teichert 1990 [*707]). Die intensive und anhaltende Rezeption der Seneca-Briefe lässt sich bis in die Briefsammlungen lateinischer Kirchenväter nachweisen, zum Beispiel in den Brie fen Cyprians im 3. Jahrhundert, aber auch in denen des Laktanz bis hin zu denen des Ambrosius und des Augustinus im 4. und 5. Jahrhundert (Peter 1901 [*648: 238–242]). Der überlieferte Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus gilt als fik tiv und stammt aus den ersten Jahrhunderten (Zelzer 1997 [*726: 336]). Beachtung verdienen auch die bei Stobaios überlieferten Briefe des neuplatoni schen Philosophen Iamblichos aus dem frühen 4. Jahrhundert n. Chr., die eine in tendierte Wiederaufnahme der vermeintlich pythagoreischen, zuletzt wohl von Apollonios von Tyana gepflegten Tradition darstellen, in Form von Briefen zu phi losophieren. Dabei wählt Iamblichos in seinen an einzelne Persönlichkeiten adres sierten Briefen einen essayartigen Stil, in dem er die komplexe (neu-)pythagoreische Philosophie, nicht selten ethische Themen, einer gebildeten Elite eher popularisie rend präsentiert. In den Briefen an Schüler (z. B. Dexippos, Eustathios, Sopatros) bietet er freilich auch kurze Einführungen in Aristoteles’ ‹Kategorienschrift› oder handelt über Dialektik, Seelenlehre, Providenz sowie Fragen der Tugend(-grade) (vgl. Dillon, Polleichtner 2009 [*773], Taormina, Piccione 2010 [*777]). Das besonders umfangreiche (knapp 1600 Briefe; vgl. Seeck 1906 [*649]) Cor pus der überlieferten, freilich nicht sämtlich echten, Briefe des Rhetors Libanios harrt noch der Erschließung und Interpretation philosophisch relevanter Themen. Besser erforscht sind die Briefe philosophisch-religiösen Inhalts, die im Corpus der ca. 87 Briefe des Kaisers Julian erhalten sind und in denen dieser sein religionsphi losophisches Repaganisierungsprogramm skizziert (besonders Ep. 84 und 89). Aber nicht nur im pagan-hellenischen Kontext der Neuplatoniker, sondern auch dem der frühchristlichen Kirchenväter werden die reichen Möglichkeiten des Brief genres ausgiebig im Sinne der philosophischen wie theologischen Unterweisung und Belehrung, der Propagierung eigener Ansichten, des Dissenses um orthodoxe Interpretationen sowie der philosophisch verhandelten persönlichen Polemik aus geschöpft (vgl. auch Fürst 1999 [*728]) – dabei sind alle erdenklichen Facetten des ‘self-fashioning’ eingeschlossen (Garzya 1983 [*690], Trout 1993 [*712: 123]). Die zum Teil sehr umfangreichen Briefe und Briefsammlungen christlicher Bischöfe und Intellektueller, etwa der alexandrinischen Bischöfe Alexander und Kyrill, des Athanasios, des Basileios, des Gregor von Nazianz, des Johannes Chrysostomos, des Paulinus von Nola oder des Hilarius von Poitiers – um nur einige von vielen zu nennen –, lassen nicht selten in aktuellen theologischen Debatten die Position ihres Verfassers markant hervortreten (Zelzer 1997 [*726: 340–344]). Die 156 erhalte nen Briefe des Synesios von Kyrene, eines Zeitgenossen des Augustinus und des Hieronymus, verhandeln in später vielfach nachgeahmtem attischem Stil (Fritz 1898 [*647]) immer wieder leitmotivische philosophische Themen, v. a. Lebens
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bewältigung durch Philosophie. Aber auch gelehrte intertextuelle Bezüge, wie zum Beispiel zu Plotin oder Alexander von Aphrodisias, finden sich bei Synesios, des sen Briefe an seine verehrte Lehrerin, die neuplatonische Philosophin Hypatia, seit langem besondere Beachtung gefunden haben. Die Ausdifferenzierung spezifisch philosophischer Briefe nimmt sich bei den umfangreichen erhaltenen Briefcorpora von Hieronymus (ca. 120 Briefe) und Augustinus (über 300 Briefe) ausgesprochen schwierig aus, da hier das Spektrum an erkennbaren gewählten Textsorten besonders groß und die Gattungsoffenheit von Briefen besonders weit ist (Schwitter 2018 [*803], Divjak et al. 1996–2002 [*722: 899–901]). Bei aller typologischen Varianz kann man aber doch etlichen Briefen letztlich Traktatcharakter zuschreiben (z. B. Hier. Ep. 22 an Eustochius mit dem Thema «De virginitate» – eher ein «libellus» als eine «epistula» laut Conring 2001 [*735: 100–105]; vgl. für Augustinus Divjak et al. 1996–2002 [*722: 900]), auch wenn der Adressat ein persönlicher Freund ist. So macht etwa Augustinus seine philo sophische Korrespondenz mit dem Freund Nebridius durch Sammlung und Publi kation später allen Interessierten zugänglich (vgl. Aug. Conf. 9,4,7; Lietzmann 1930 [*654], Divjak et al. 1996–2002 [*722: 922–927]). Augustinus nimmt nicht zuletzt auch in Briefform seine philosophische Positionierung vor (zum «summum bonum» siehe Aug. Ep. 118; Divjak et al. 1996–2002 [*722: 971]), handelt von der Unsterb lichkeit der menschlichen Seele (Ep. 166; Divjak et al. 1996–2002 [*722: 934]), wäh rend sich Hieronymus in Briefen über das mönchisch-asketische (Hier. Ep. 14; 58; 122) oder das klösterliche Leben (Ep. 52) programmatisch äußert. Gerade im Falle des Augustinus wird dessen philosophische Kompetenz von den Zeitgenossen nicht selten in Briefform im Zusammenhang mit Fragen des katholischen Glaubens oder aktuellen Debatten (etwa des pelagianischen Streites) erbeten und von diesem auch so geliefert (vgl. Ep. 40; 164; Krämer 2007 [*763: 160–173]). 5) Hymnus (ὕμνος, προοίμιον, ᾠδή, ᾆσμα, ψαλμός / hymnus, carmen, canti cum): Die alte, formal über die Jahrhunderte hinweg kaum strikt zu fixierende, kultisch wie literarisch weit verbreitete Gattung des Hymnus erfreut sich auch in Kaiserzeit und Spätantike großer Beliebtheit. War in archaischer Zeit im litera rischen Feld zunächst ein ὕμνος als ‘Lied’ (ähnlich wie ᾠδή) nur schwer zu defi nieren (vgl. Hes. Op. 657; so noch bei Philon, dazu Thraede 1994 [*720: 918, 922– 924]) oder gar vom προοίμιον abzugrenzen (Pind. Nem. 2,3; Thuk. 3,104,4f. zum homerischen Apollonhymnus; Empedokles als Verfasser eines προοίμιον: Arist. De poetis fr. 17 Gigon = F 73 Janko = D. L. 8,57), kristallisiert sich seit spätar chaisch-klassischer Zeit die spezifischere Bedeutung als gesungenes Gebet oder Loblied für Götter heraus (vgl. schon Xenophanes 21 B 1,13 DK; Xen. Inst. Cyr. 8,1,23; Thraede 1994 [*720: 916f., 922]; allgemein, auch zum kultischen Kontext, Burkert 1994 [*713]; eine kommentierte Auswahl religiöser Hymnen von der ar chaischen bis zur hellenistischen Zeit in Furley, Bremmer 2001 [*737]). Formale und inhaltliche Kriterien bei der generischen Bestimmung des Hymnus variieren die ganze Antike hindurch, die heuristisch nützlichen, hinsichtlich ihrer Verbind lichkeit freilich diskutierten Hymnus-Bausteine (vgl. Norden 1913 [*651: 157– 176]) sollten eher als variable strukturelle oder stilistische hymnische Elemente gelten. Nachdem der platonische Sokrates in der ‹Politeia› neben Enkomien (für
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gute Menschen) allein Hymnen (auf Götter) als literarische Formen im Idealstaat zulassen will (Rep. 10, 607a; vgl. Leg. 8, 822b; laut Phaed. 60d soll Sokrates selbst im Gefängnis einen Apollonhymnus verfasst haben), scheint das hymnische Genre eine für Philosophen besonders reizvolle poetische Form religiöser Betä tigung geworden zu sein: Nach dem sogenannten Arete-Hymnus des Aristoteles (PMG 842) dokumentieren der prooimiale Zeus-Hymnus des stoisch versierten Dichters Arat von Soloi (Phaen. 1–18) sowie der philosophisch gehaltvolle ZeusHymnus des stoischen Philosophen Kleanthes in frühhellenistischer Zeit nach drücklich die philosophische Eignung dieses alten religiösen Genres. Bei Klean thes erscheint Zeus mittels der allegorischen Exegese der tradierten Epitheta als universeller Weltenlenker nach stoischem Verständnis (vgl. Grundriss, Antike IV, II 576–578, Zuntz 2005 [*758: 27–42], Thom 2005 [*757]). In der frühen Kai serzeit (1. Jh. n. Chr.) finden sich Hymnen des Mesomedes in lyrischen Maßen sowie etliche weitere literarische Hymnen mit immer wieder philosophisch-theo logischen Akzenten in variablen Ausformungen (Heitsch 1961–1964 [*665: I 22– 47]; vgl. auch Lanna 2013 [*782]). In der lateinischen Hymnenliteratur ist «hym nus» terminologisch kaum von «canticum» und «carmen» abzugrenzen (das Wort ist noch bei Augustinus fast identisch mit «canticum», vgl. Thraede 1994 [*720: 921]), was in der Regel wohl weniger auf echtes Singen als vielmehr auf rhetori sche Feierlichkeit in der sprachlichen Gestaltung zu beziehen ist (siehe z. B. be reits Ciceros Hymnus auf die Philosophie: Tusc. 5,5f.; auch Apul. Flor. 18), wie sie sich auch in den Prosa-Hymnen des Ailios Aristeides (2. Jh. n. Chr.) findet (Ail. Ar. Or. 37–46 Kroll; dazu Hodkinson 2015 [*794]). In der christlichen Lite ratur gehören Hymnen respektive Hymnodik vorwiegend zur liturgischen Pra xis, bis vor allem im griechischen Osten durch Clemens von Alexandrien (Paed. 3,101,3) wie auch Methodios von Olympos der literarische (philosophische) Hym nus zu neuer Geltung gelangt: Methodios platziert gegen Ende seines ‹Sympo sion› einen 24 Strophen langen, abecedarischen Hochzeitshymnus (bezeichnet als ψαλμός) der Thekla, der programmatisch inhaltlich wie formal pagane Vor lagen (Parthenion; Epithalamion) durch christliche (‹Hohelied›; ‹Psalm› 44f.) theologisch überformt (Pellegrino 1958 [*663]). Im lateinischen Westen sind vor allem die kunstvollen Hymnen des Ambrosius stilbildend geworden. Durch Hierony mus (In Eph. 5,19) wird das ‘Lob des Schöpfers’ (laudes dei), in Abgrenzung von «psalmus» als ‘moralischer Weisung’, zum «Deutungskriterium für hymnus» (Thraede 1994 [*720: 926f.]). Seit dem mittleren Platonismus, vor allem aber im Neuplatonismus erhält der pagane Hymnus den Rang eines philosophischen re ligiösen Gebetes (ἡ τοῦ φιλοσόφου εὐχή: Max. Tyr. 5,8; vgl. Clem. Alex. Strom. 7,7,39f.), wie das etwa bei Gregor von Nazianz (im Hymnus ὦ πάντων ἐπέκεινα: Carm. 1,1,29; allgemein Lattke 1991 [*708: 288f.]), in den ‘theozentrischen’ (Thraede 1994 [*720: 934]) Hymnen des christlichen Platonikers und Bischofs Synesios von Kyrene oder nicht zuletzt in den Hymnen des Neuplatonikers Proklos zu sehen ist. Sie amalgamieren auf komplexe Weise ontologische Hypostasenkon zepte mit religiösem Götterbezug: Synesios, der stichische lyrische Maße (wohl in Anlehnung an Mesomedes) verwendet, verschmilzt pagane mit christlichen Ideen, etwa hinsichtlich des höchsten transzendenten Prinzips (Hymn. 1,145f.
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164. 168; 9,67; vgl. Tanaseanu-Döbler 2010 [*776: 124–127]) oder kosmologischer Vorstellungen (Schleicher 2014 [*787: 110–113]). Proklos dagegen komponiert mit seinen traditionell hexametrischen Hymnen Texte, die aufs Engste mit seiner ex egetischen Tätigkeit konvergieren und in besonderer Weise Exegese als religiö ses Handeln eines Philosophen kenntlich werden lassen (Marin. Procl. 17–18; 20; 24 u. ö.; Erler 1987 [*696], van den Berg 2001 [*740], Zuntz 2005 [*758: 105–155], Devlin 2015 [*793]). Vor diesem Hintergrund heben sich die in Prosa abgefass ten, an Helios und die Magna Mater gerichteten Hymnen des Kaisers Julian ab, da sie weniger als spirituelle denn vielmehr als philosophische Texte mit persua siv-argumentativen Strategien (z. B. gegen zeitgenössische christliche Kritik etwa am Kybele-Kult gerichtet) und mit klarer Ausrichtung auf bestimmte Adressa tenkreise verfasst sind (vgl. Smith 1995 [*721: 139–163], Hose 2008 [*770]). In of fenbar heftiger Auseinandersetzung mit der religiösen, nicht zuletzt der hymni schen philosophischen Tradition der Hellenen steht der unbekannte christliche Verfasser der spätantiken sogenannten ‹Tübinger Theosophie› (wohl spätes 5. Jh.): In dieses eigenwillige Konglomerat an Texten sind auch pagane Hymnen eingegangen, die aus christlicher Sicht theologisch akzeptabel und daher auf grund ihres philosophischen respektive theosophischen Gehaltes bewahrenswert sind (vgl. Zuntz 2005 [*758: 76–85], Männlein-Robert im Druck [*802]). Ähnlich kompatibel sowohl für pagane als auch für christliche Rezipienten erweist sich die im Prosimetrum verfasste ‹Consolatio philosophiae› des Christen Boethius, in die zahlreiche neuplatonische Hymnen, meist als poetische Zusammenfassun gen der vorhergehenden Ausführungen der tröstenden Philosophia, integriert sind (z. B. das Schöpfungslied III 6 oder III 9 über den Weltenlenker). 6) Philosophiehistorische und doxographische Werke: vgl. dazu oben § 2. 7) Traktat (συγγραφή, σύγγραμμα, σύνταξις, σύνταγμα, ὑπόμνημα, ζήτημα / liber, commentatio, commentarium/-us, quaestio, tractatus): Es handelt sich um einen Sammelbegriff, der in einem weiteren Sinne die bereits erläuterten Textsor ten 1) bis 4) mit einschließt (auch wenn spezifische Merkmalbündel dort jeweils eine präzisere Klassifizierung nahelegen), ja selbst die philosophiehistorischen und doxographischen Werke (siehe oben 6; interessant in diesem Zusammenhang auch Longinos’ Liste zeitgenössischer Platoniker, die lediglich «eine Zusammen stellung und Paraphrase der von den älteren [sc. Philosophen] verfassten Schrif ten angefertigt haben»: fr. 11B.II.1. Männlein-Robert = Porph. V. Plot. 20,57–60). Die Anfänge dieser Textgruppe reichen bis in die Vorsokratik zurück, in der es zur Ausbildung einer philosophischen Prosa kommt (von «Schriften», συγγραφάς, aus denen Pythagoras «eine Auswahl traf», spricht schon Heraklit 22 B 129 DK; dazu Riedweg 1997 [*723: 83f.] und 22007 [*765: 70–73], mit anderem Akzent Huffman 2008 [*771: 34–46]). An seine Vorgänger anknüpfend schafft Aristote les mit den zunächst nicht zur Veröffentlichung bestimmten Pragmatien (vgl. Grundriss, Antike III, 178–182) einen ersten Höhepunkt philosophischer Fach literatur, der dann auch das umfangreiche, heute weitestgehend verlorene techni sche Schrifttum des Epikureismus und der älteren Stoa inspirierte (zu den Frag menten philosophischer Abhandlungen Epikurs vgl. Grundriss, Antike IV, I 84ff., für die ersten Stoiker siehe IV, II 521f. 567–569. 579f. 586–592 usw.). Aristoteles’
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‘esoterische’ Schriften blieben bis ans Ende der Spätantike weit über den Peripa tos hinaus eine wichtige Bezugsgröße. Die Formen und Grade der Literarizität philosophischer Traktate schwanken von Skizzenheften – u. a. ὑπόμνημα (wörtlich «Erinnerung»), bei Diogenes Laer tios als Werktitel aufgeführt für Xenokrates (4,13), Aristoteles (5,23), Theophrast (5,48f.), Straton (laut 5,60 gab es allerdings Zweifel an der Authentizität), Ariston von Keos (7,163), Demokrit (9,46); auch σχόλια (wörtlich «[Schulisch-]Gelehrtes, kleine Vorträge, Notizen, knappe Einzelkommentare»; vgl. Epikt. 3,21,6, Porph. V. Plot. 3,46; Zuntz 1939 [*657: 548–551]), als Werktitel belegt u. a. für Aspasios, Alexander von Aphrodisias, Eunomios, Hermeias, Proklos, Johannes Philoponos, Asklepios, Olympiodor, David (Dion. Hal. Dem. 46,3 unterscheidet zwischen σχολικοὺς χαρακτῆρας im Sinne gelehrter Erläuterungen [vermutlich zu einzel nen Textstellen, vgl. ‘Scholien’] und schlichten Aufzeichnungen [ὑπομνηματισμοί, vgl. auch Comp. verb. 22,8], beide Begriffe verbunden dagegen bei Athen. Deip nosoph. 3, 83b: σχολικὰ ὑπομνήματα; im spätantiken Platonismus stehen ὑπομνήματα für die selbst verfassten Kommentare, während für Vorlesungsnach schriften σχόλια bevorzugt wird: Lamberz 1987 [*697: 5f.]; allgemein Fladerer in Fladerer, Börner-Klein 2006 [*759: 276–278]) – bis hin zu stilistisch ausgefeilten Abhandlungen. Letztere werden von Olymp. Prol. 6,24ff. Busse als συνταγματικά (wörtlich «Zusammengeordnetes») den ὑπομνηματικά gegenübergestellt. Dazu gehören auch an die Öffentlichkeit gerichtete, bewusst literarisch gestaltete Wer beschriften wie die ‹Protreptische Rede› und die ‹Paränetische Rede› (Προτρεπτικὸς λόγος und Παραινετικὸς λόγος; vgl. Van der Meeren 2002 [*744] und Heßler 2014 [*785: 40–61], zur Paränese auch Riedweg 1994 [*717: I 63–70]), die epideiktische Spielart der ‹Unterredungen› (Διαλέξεις), bei der es Berührungen mit der Zweiten Sophistik gibt (siehe oben 3), sowie philosophische Streitschrif ten, die den Christen als Modell für ihre elenktischen Werke ‹Gegen die Griechen (bzw. Heiden)› dienten (vgl. Kinzig 2000 [*732]). Den weiteren Unterklassen, die sich mit der Zeit ausgebildet haben, können ebenfalls die exegetischen Kommentare zugerechnet werden (siehe unten 8). Der Einfluss des Genus Kommentar, das in Kaiserzeit und Spätantike zum ὑπόμνημα par excellence wurde (vgl. Romano 1994 [*718: 595f.]), reicht wegen der zentralen Rolle, die das Auslegen von als maßgeblich empfundenen Texten im Denken die ser Zeit spielte, weit über diesen Texttypus hinaus (selbst Plotins ‹Enneaden›, von Longinos fr. 10c Männlein-Robert = Porph. V. Plot. 19,33 interessanterweise als ὑπομνήματα bezeichnet, sind ohne diesen Hintergrund nicht angemessen zu ver stehen). Besonderer Beliebtheit erfreuten sich außerdem so eng mit dem philoso phischen Unterricht verbundene – und nicht selten ebenfalls von exegetischen Schwierigkeiten ausgehende – Textarten wie ‹Fragen und Antworten› (Ἐρωτήματα καὶ ἀποκρίσεις, auch durch ‹Werktitel + κατὰ πεῦσιν καὶ ἀπόκρισιν›, ‹… in Frage und Antwort› ausgedrückt [die Wortverschmelzung Ἐρωταπόκρισις ist byzanti nisch]) sowie ‹Aporien (bzw. Streitfragen oder Probleme) und Lösungen› (Ἀπορίαι [bzw. Ζητήματα oder Προβλήματα] καὶ λύσεις). Die zuletzt genannte Unter gattung, die offenkundig an ein vor allem in Platons Frühdialogen erprobtes und von Aristoteles systematisiertes methodisches Vorgehen anschließt (vgl. Motte,
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Rutten 2001 [*739]), wurde sowohl für Text- und Sacherklärungen als auch für sys tematische Einführungen (Εἰσαγωγαί) verwendet (vgl. für die Texterläuterung die «Homerischen Streitfragen», Ὁμηρικὰ ζητήματα, seit Duris von Samos, ja – unter dem Titel Ἀπορήματα Ὁμηρικά, «Homerische Schwierigkeiten» – schon seit Aris toteles belegt, und im jüdisch-christlichen Kontext die biblischen «Streitfragen und Lösungen», Ζητήματα καὶ λύσεις, seit Philon von Alexandrien bezeugt; all gemein Dörrie, Dörries 1966 [*668], Volgers, Zamagni 2004 [*754]). Nicht selten wurden im Übrigen Lehrvorträge – seit Aristoteles’ Physik auch gerne ἀκρόασις (wörtlich «Zuhören») genannt – und exegetische Auslegungen ἀπὸ φωνῆς, d. h. «nach der Stimme» (im Sinne von «nach der mündlichen Darlegung») des Meis ters, von Schülern aufgezeichnet (vgl. dazu Richard 1950 [*658], Lamberz 1987 [*697: 5f., 15–20]) – eine Praxis, die in den Diatriben vorgeprägt war und mit der auch die Dialoge seit frühester Zeit ihr literarisches Vexierspiel treiben. 8) Kommentar (ὑπόμνημα, ἐξήγησις, ἐξηγητικά, σχόλια / commentarius, ex positio, enarratio, explanatio): Die Wurzeln philosophischer Textauslegung liegen in der Auseinandersetzung der Vorsokratiker um den erzieherischen Wert tradi tioneller Dichtung. In Reaktion auf die scharfe Kritik an Homers unmoralischer Götterdarstellung durch Xenophanes von Kolophon (vgl. Grundriss, Antike I, I 349–355) wird bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. eine Hermeneutik entwickelt, die sich von der Denkstruktur her mit der naturphilosophischen Welterklärung un übersehbar berührt: Beide unterscheiden zwischen der Oberflächenwahrneh mung und einem verborgenen tieferen Grund – in der Naturerklärung ist dies die ἀρχή/«principium» («Uranfang»), in der Exegese die ὑπόνοια («Untersinn», auch αἴνιγμα, «Rätsel», später ἀλληγορία, wörtlich «das eine sagen und etwas anderes meinen», genannt; vgl. zu den Termini Pépin 21976 [*678: 85–92] und Ford 1999 [*727: 38–42], zu ἀλληγορία auch Hahn 1967 [*672]; allgemein Riedweg 2012 [*780: 439–442]). Es gibt Gründe zur Annahme, dass diese für die Folgezeit außerordentlich einflussreiche Interpretationsmethode, die in Homers Darstel lung der Λιταί («flehentliche Bitten») und der Ἄτη («Sinnesschädigung, Verblen dung») vorgeprägt ist (vgl. Il. 9,502ff.; 19,91ff.), im unteritalischen Pythagoreismus entstanden ist (Theagenes, der Porphyrios als deren Erfinder gilt, stammt aus Rhegion: Porph. Quaest. Hom. ad Il. 240,14 Schrader = Theagenes 8 A 2 DK, vgl. Pépin 21976 [*678: 97f.]; zur Allegorese bei den Pythagoreern Riedweg 22007 [*765: 100–103, 107], auch Richardson 1975 [*677: 75–78] und Struck 2004 [*753: 96–104], zu Pythagoras’ Lehrer Pherekydes Struck 2004 [*753: 26f.] und Bouchard 2016 [*798: 31, 34]). Dabei mag schon früh auch die dem mythischen Sänger Or pheus zugeschriebene Theogonie (vgl. Grundriss, Antike I, I 105) eine Rolle ge spielt haben: Mit ihren zum Teil ausgesprochen kruden Mythologemen hat sie die philosophischen Interpreten von Empedokles (vgl. Grundriss, Antike I, II 716) über Platon (vgl. Bernabé 2011 [*778]) bis in die Spätantike gleichermaßen heraus gefordert wie angeregt. Jedenfalls legt dann der unbekannte spät-vorsokratische Kommentator des Derveni-Papyrus eine ausgeklügelte und zugleich – wie für diese exegetische Methode generell nicht untypisch – gewalttätige naturphiloso phische Allegorese orphischer Verse aus anaxagoreischer Perspektive vor (vgl. Be tegh 2004 [*751]), die wenigstens teilweise erhalten ist (insofern stellt der Derveni-
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Papyrus für uns das früheste Beispiel eines freilich kaum fortlaufenden, sondern eher systematisch angelegten [religions-]philosophischen Kommentars dar; vgl. Obbink 2003 [*748]). Dass der Derveni-Kommentator in seiner Zeit kein Einzel fall war, zeigen bemerkenswerte Parallelen mit der sehr weit gehenden Homer allegorese eines Metrodor von Lampsakos (61 A 3 DK; vgl. Pépin 21976 [*678: 99– 101], Califf 2003 [*747]). Außerdem ist auch die Bedeutung der Rhapsoden sowie der Sophisten des 5. Jahrhunderts für die Ausbildung eines zunehmend verfeiner ten sprachanalytischen und exegetischen Instrumentariums nicht zu unterschätzen (vgl. zur sophistischen Beschäftigung mit Dichtung u. a. Plat. Prot. 338e–339a = Protagoras 80 A 25 DK; besonderes Augenmerk scheinen die Sophisten auf Sprachverständnis und «korrekte Diktion», ὀρθοέπεια, gerichtet zu haben; vgl. all gemein Richardson 1975 [*677], Pfeiffer 21978 [*682: 50–80], Ford 2002 [*742: 201– 208], Grundriss, Antike II, I 19–21). Kurz, es gab wohl spätestens seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. eine bereits etab lierte Tradition philosophischer Kommentierung, und dafür spricht auch ein Titel wie Herakleides Pontikos’ Ἡρακλείτου ἐξηγήσεις δʹ (‹Heraklitexegesen in vier Büchern›: D. L. 5,88 = Herakl. Pont. fr. 22 Wehrli = fr. 17,41 Schütrumpf; vgl. D. L. 9,15 = Herakl. Pont. fr. 39 Wehrli = fr. 127 Schütrumpf; ähnlich Kleanthes’ Τῶν Ἡρακλείτου ἐξηγήσεις τέσσαρα, ‹Exegesen der [sc. Äußerungen?] Heraklits in vier Büchern›: D. L. 7,174 = Kleanthes fr. 481, I,106–108 SVF; während in Aristo teles’ und Theophrasts Philosophie das Kommentieren noch kaum eine Rolle spielte – so zu Recht Alex. Aphr. In Arist. Top. 1,2, 27 Busse –, ändert sich dies also offenkundig in der älteren Stoa, vgl. Schreckenberg 1966 [*671: 1183f.]). Ein eigentlicher Qualitätssprung erfolgte dann im hellenistischen Alexandrien, wo die am Museion tätigen Dichter und Gelehrten – vermutlich unter dem Einfluss des Peripatos (vgl. Richardson 1994 [*716], Bouchard 2016 [*798]) – vor allem an den homerischen Epen sowie poetischen Texten systematische philologische Texter schließungs- und Kommentierungsmethoden entwickelten (vgl. Pfeiffer 21978 [*682: 114–337]), die mit der Zeit zum Allgemeinbesitz der Gebildeten wurden und sowohl auf philosophische Prosatexte als auch auf Bibeltexte angewandt wer den konnten (zu Philon von Alexandrien als erstem Höhepunkt einer allegorisie renden Bibelexegese vgl. u. a. Fladerer in Fladerer, Börner-Klein 2006 [*759: 300– 302], zu seinem enormen Einfluss auf das Frühchristentum Runia 1993 [*711]; zur Entstehung des christlichen gelehrten Kommentars bis und mit Origenes Mark schies 1999 [*730]; allgemein Gerber 1966 [*669], Fladerer in Fladerer, BörnerKlein 2006 [*759: 309–329]). Was die pagan-philosophische Kommentierungstätigkeit betrifft, so steht in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten fraglos Platons ‹Timaios› im Zentrum. Angesichts der eminenten Rolle, die dieser Dialog für das Weltbild nicht nur der paganen, sondern auch der jüdisch-christlichen Kaiserzeit und Spätantike spielt, überrascht dies kaum. Während zunächst offenbar nur ausgewählte philosophi sche Passagen, vor allem natürlich die große Rede des Pythagoreers Timaios, kommentiert und erläutert wurden – ältestes Beispiel dafür ist Platons Schüler Krantor von Soloi (fr. 8 Mette; vgl. Grundriss, Antike III, 122–124, Dörrie, Baltes 1993 [*710: 166], Obbink 2003 [*748: 179]) –, scheint Longinos als erster der
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Mittelplatoniker auch das Prooimion (mitsamt dem – von Krantor freilich eben falls schon diskutierten – Atlantis-Mythos) in seine Erläuterungen mit einbezogen und somit erstmals auch literarische und adressatenbezogene Kriterien (wie den ‘Unterhaltungsaspekt’) gewürdigt zu haben (vgl. Männlein-Robert 2001 [*738: 478–495]; allgemein zu den Platon-Kommentaren, darunter wohl auch ein ‹Phaidon›-Kommentar des 3. Jh.s v. Chr. Carlini 1995 [*129 = CPF III Kap. 7, p. 203–220], Dörrie, Baltes 1993 [*710: 20–60, 162–235]). Bei Longinos, der ähnlich wie sein Schüler Porphyrios zugleich ein anerkann ter Homerphilologe war, wird auch deutlich, wie stark das Genus des Kommen tars mit der Zeit von der letztlich auf Platon und Aristoteles zurückzuführenden, in Alexandrien nachweisbaren und seit hellenistischer Zeit etablierten Proble mata- bzw. Zetemata-Literatur geprägt wurde (vgl. Männlein-Robert 2017 [*799]; außer bei Longinos lässt sich die für die Problemata charakteristische Strukturie rung in «Aporie und Lösung» auch in den philosophischen Kommentaren des Alexander von Aphrodisias – vgl. Fazzo 2002 [*741] –, in Proklos’ ‹Timaios›Kommentar sowie in Damaskios’ ‹De principiis› feststellen). Diese letztlich dia logisch angelegte Erklärungsstruktur von Kommentaren verfolgt häufig didakti sche Zwecke, wie etwa Plutarchs Ζητήματα Πλατωνικά (‹Platonische Streitfragen›) oder die isagogisch konzipierten Schriften des Porphyrios (z. B. Εἰς τὰς Ἀριστοτέλους Κατηγορίας κατὰ πεῦσιν καὶ ἀπόκρισιν, ‹Zu Aristoteles’ ‘Kategorien’ in Frage und Antwort›), der ‹Kategorien›-Kommentar des Dexippos (zum Titel vgl. 4, 1f. und 4, 21f. Busse: διαίτησον δὴ τοῖς εἰς τὰς Ἀριστοτέλους Κατηγορίας ἠπορημένοις καὶ τὰ ἀμφισβητούμενα διαλῦσαι πειράθητι, «Triff also eine Ent scheidung hinsichtlich der Aporien über Aristoteles’ ‹Kategorien› und versuche, die umstrittenen Probleme zu lösen»; vgl. Thiel 2013 [*783: 141–146]) oder auch die didaktischen wie rhetorischen Zielen folgenden christlichen Erotapokriseis beweisen (u. a. Eusebios, Περὶ τῶν ἐν Εὐαγγελίοις ζητήματα καὶ λύσεις – ‹Streit fragen und Lösungen zu den ‘Evangelien’›; Ambrosiaster; Augustinus’ ‹Ad Sim plicianum›, ‹De diversis quaestionibus octoginta tribus›, ‹Quaestiones in Hepta teuchum› usw.). Während kaiserzeitliche Kommentatoren philosophischer Texte vorwiegend philologisch basierte Methoden und Praktiken anwendeten und so nicht immer nur Lösungen, sondern vielfach Probleme im Verständnis des Textes festhielten (Alexander von Aphrodisias, Longinos, Origenes, vgl. auch Porphyrios), findet sich in den literarischen, von den neuplatonischen Autoren selbst redigierten und komponierten Lemma-Kommentaren (zur Abgrenzung von Vorlesungsnach schriften ἀπὸ φωνῆς siehe oben am Ende von 7) zunehmend die gegenläufige Ten denz, eine einzige Interpretation als die vom Autor intendierte herauszuarbeiten (εἷς σκοπός, «ein einziges Ziel»: Prokl. In Parm. 630,21–25 Cousin; dazu Festugi ère 1963 [*666], Radke 2006 [*761]; zur Bedeutung des σκοπός in der christlichen Hermeneutik vgl. Pépin in Pépin, Hoheisel 1988 [*701: 759]). In der christlichen Tradition wiederum verfolgte die Kommentierung der biblischen Schriften sehr oft auch das Ziel, Beweismaterial zur Stützung der eigenen Position in dogma tisch-christologischen Streitfragen zusammenzutragen (vgl. Young 1997 [*725: 29–45] zu Athanasios’ Auseinandersetzung mit den Arianern; allgemein zur früh
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christlichen Exegese Kannengiesser 2004 [*752]). Eine Sonderform des exegeti schen Kommentars stellen die als Katenen (σειρά, catena, ‘Kette’) bezeichneten, wohl in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. aufgekommenen (vgl. Petit 1991 [*709: XV] zur ‹Genesis›-Katene) Florilegien dar, in denen die Meinungen verschiedener Kirchenväter zu den einzelnen Bibelversen scholienartig zusam mengetragen wurden (vgl. Chadwick 1969 [*673: 1151f.]). Abschließend seien in aller Kürze die Grundzüge der in Kaiserzeit und Spät antike verfügbaren Methoden der Textinterpretation skizziert (grundlegend Do nini 1994 [*714]; auch Schreckenberg 1966 [*671], Young 1989 [*704] und 1997 [*725]). Zu betonen ist dabei, dass diese der γραμματικὴ τέχνη («grammatica/-e», im weiten, die Literaturkritik mit einschließenden Sinne; vgl. Dionys. Thrax Ars gramm. 1,1; Cribiore 2001 [*736: 185–219]) zugehörige Hermeneutik 1) nicht auf den Kommentar beschränkt blieb, auch wenn diese Gattung selbstverständlich das dafür prädestinierte literarische Gefäß war, und dass sie 2) genauso heidni schen wie jüdisch-christlichen Exegesen zugrunde liegt, wobei diese von den Au toren bald punktuell, bald stärker systematisch eingesetzt wird. Kennzeichnend ist zum einen das Bewusstsein, dass Texte nicht ohne Weiteres feststehen, sondern im Laufe der Überlieferung entstellt werden können und daher gemäß der im hellenistischen Alexandrien entwickelten διόρθωσις («Berichtigung», Revision bzw. Emendation) kritisch gesichtet werden müssen (vgl. Pfeiffer 21978 [*682: 97 u. ö.], Neuschäfer 1987 [*698: I 85–138], Fladerer in Fladerer, BörnerKlein 2006 [*759: 283f.]). Auf der Basis der Konstitution des bestmöglichen Tex tes erfolgt sodann das exegetische, kommentierende Verfahren im eigentlichen Sinn (ἐξηγητικόν), das sprachliche (lexikalische, etymologische, semantische) und sachliche Erläuterungen verfolgt (ἱστορικόν; außerdem auch grammatisch-rheto rische und rhythmisch-metrische Analyse: κριτικόν; vgl. Neuschäfer 1987 [*698: I 139–246]). Dazu gehören aber auch differenzierte literaturkritische und litera turästhetische Kriterien der Beurteilung, wenn etwa ἐκλογὴ τῶν ὀνομάτων (Wort auswahl) oder σύνθεσις τῶν ὀνομάτων (Wortfügung), Hiatvermeidung und über haupt akustische Phänomene nach dem Kriterium der εὐφωνία («Wohlklang») berücksichtigt werden oder wenn danach gefragt wird, wer genau eigentlich ge rade der Sprecher (etwa in einem kommentierten Dialog) ist – was sich vor der vielfach ungenauen Zitierpraxis der Antike bemerkenswert ausnimmt (λύσις ἐκ τοῦ προσώπου, «Lösung aus der Person heraus», z. B. Porph. Quaest. Hom. ad Il. 4,3f. Schrader; Dachs 1913 [*650], Neuschäfer 1987 [*698: I 263–276], Fladerer in Fladerer, Börner-Klein 2006 [*759: 284], Nünlist 2009 [*775: 116–134], Bouchard 2016 [*798: 251–316]). Auch die Beurteilung des ἴδιον («Eigentümlichen») eines Autors sowie die Frage nach der hauptsächlichen Aussageintention (σκοπός, vgl. Neuschäfer 1987 [*698: I 60]) und Funktion eines Textes sowie dessen Adressa tenbezug (z. B. Unterhaltung, ψυχαγωγία, wörtlich «Seelenführung», lustvolle emotionale Erregung / movere, oder «Vergnügen», τέρψις / dulce, delectare) ge hören in diesen Kontext der in Alexandrien wurzelnden Kommentierungs kriterien (vgl. Männlein-Robert 2001 [*738: 49–52]). Grundsätzlich gilt für die Kommentierung philosophischer Texte das methodische, dort im Kontext der
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Homerphilologie entwickelte Prinzip Ὅμηρον ἐξ Ὁμήρου σαφηνίζειν («Homer aus Homer deutlich machen»), das seit dem frühen Mittelplatonismus zu «Plato nem ex Platone» geworden war (dazu auch unten § 48.2.). Demnach muss ein Autor immer zunächst aus sich selbst heraus erklärt werden, d. h. dass zur (Er-) Klärung ‘dunkler’ Wörter, Gedanken oder Passagen auf vergleichbares Wortma terial oder analoge Vorstellungen an anderer Stelle oder in einem anderen Werk desselben Autors zurückgegriffen wird (die genannte ‘Formel’ ist zuerst belegt bei Porph. Quaest. Hom. ad Il. 297,16 Schrader, ist aber sicher älter, wie etwa auch Galens «Hippocratem ex Hippocrate» – z. B. De com. sec. Hipp. 1,5, V,9,2,182,23ff. CMG = VII,646,3ff. K – zeigt; sie wurzelt wohl in forensischer Praxis der Atti schen Redner, vgl. Schäublin 1977 [*680: 224–226]; allgemein auch Schreckenberg 1966 [*671: 1176f., 1182f.], Neuschäfer 1987 [*698: I 276–285], Fladerer in Flade rer, Börner-Klein 2006 [*759: 284f.], Wilson 2007 [*766: 62f.]). Dazu kommt, dass gerade die neuplatonischen Kommentatoren sich dafür der von den Vorsokratikern entwickelten und in der älteren Stoa intensiv gepflegten philosophischen Allegorese bedienten, zu deren Verbreitung in der Kommentarund Zetemata-Literatur maßgeblich der hellenistische, in Pergamon wirkende sto ische Grammatiker Krates von Mallos beigetragen hat (vgl. Broggiato 2001 [*734: LX–LXV]; zur älteren Stoa Pépin 21976 [*678: 125–131] und Struck 2004 [*753: 111–141]; Vertreter der kaiserzeitlichen Stoa sind Cornutus und der Homererklärer Heraklit, vgl. Boys-Stones 2003 [*746] und Russell 2003 [*749]; physikalische, ethische, metaphysisch-theologische Deutungen Homers finden sich auch in Ps.Plutarchs ‹De Homero›, vgl. Hillgruber 1994 [*715: 16–18] und 1999 [*729: 211– 213]; allgemein Struck 2004 [*753: 142–161]). Damit konnten problematische oder gar anstößige Mythen oder Passagen immer durch eine Deutung gerechtfertigt oder erklärt werden, die über das wörtliche Verständnis des Textes oft weit hin ausgeht, dessen Vieldeutigkeit (oder Polyphonie) überwindet und vielmehr einen zunächst verborgenen, aber wahren Sinn entschlüsselt und damit zugleich den mo ralischen «Nutzen» (χρήσιμον, ὠφέλεια / utile, prodesse) des Textes erweist (vgl. allgemein Whitman 1987 [*700], Bernard 1990 [*705], Boys-Stones 2003 [*745]; zum Nutzen als Teil der Literaturkritik vgl. auch Neuschäfer 1987 [*698: I 247– 263]). Bei Philosophen wie Iamblichos und vor allem Proklos ist die Allegorese stringent auf einen einzigen σκοπός («Aussageziel») hin angelegt, der alle Ebenen der Kommentierung (λέξις, «sprachliche Formulierung», und πράγματα, «Sa chen», bzw. θεωρία, «Betrachtung», inhaltliche Erklärung, vgl. Festugière 1963 [*666], Lamberz 1987 [*697: 16–19], Fladerer in Fladerer, Börner-Klein 2006 [*759: 295f.]) durchzieht und beweist, dass «alles in allem» enthalten ist (πάντα ἐν πᾶσιν: Prokl. In Parm. 929,6ff. Cousin; zu ähnlichen Tendenzen in der christlichen Exegese Young 1997 [*725: 21–28, 183f.]). Es versteht sich von selbst, dass diese Methode auch für die jüdischen (Aristo bulos und dann besonders Philon von Alexandrien) und die christlichen Bibelex egeten (mit einem ersten Höhepunkt bei Origenes) außerordentlich attraktiv war, bot sie doch die Möglichkeit, die zum Teil ein stark anthropomorphes Gottesbild zeichnenden Texte insbesondere des Alten Testaments mit den Anforderungen der zeitgenössischen, im wesentlichen platonisch gefärbten philosophischen Onto-
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Theologie in Einklang zu bringen und eventuelle Unstimmigkeiten (διαφωνίαι) zwischen verschiedenen Stellen ‘wegzuerklären’ (vgl. allgemein zur Unterschei dung des Literalsinns – meist als τὸ ῥητόν bezeichnet – und der allegorischen Be deutung bei Philon und in der frühchristlichen Literatur, in der auch die Termini ἀναγωγή, wörtlich «Hinaufführung», und θεωρία, «Betrachtung», für Allegorie verwendet werden, Pépin in Pépin, Hoheisel 1988 [*701: 750, 761–766], Bienert 1972 [*676: 32–68], Young 1997 [*725: 186–213]). In der weltanschaulichen Aus einandersetzung zwischen den platonischen und den christlichen Intellektuellen der ersten nachchristlichen Jahrhunderte kam der Allegorese daher eine Schlüs selrolle zu, wobei man dem Gegner in der Regel jede Berechtigung für eine alle gorische Auslegung seiner eigenen Schlüsseltexte absprach (vgl. Riedweg 2012 [*780]; allgemein auch Pollmann 2017 [*800]).
§ 7. Verwendbarkeit philosophischer Konzepte für jüdische, christliche und gnostische Theologien Dietmar Wyrwa
1. Anfänge im hellenistischen Judentum. – 2. Das Ur- und Frühchristentum. – 3. Die vornizänische Zeit. – 4. Die Blütezeit der patristischen Literatur. – 5. Die Spätzeit des antiken Christentums.
Es ist seit langem eine umstrittene Frage, ob es berechtigt ist, von einer ‘christ lichen Philosophie’ zu sprechen, scheint doch ein auf Offenbarung beruhender Glaube dem Anspruch der Philosophie auf autonomes, rationales Denken, das an keine außerhalb seiner selbst liegenden Voraussetzungen gebunden ist, zu wider streiten, und das moderne Methodenbewusstsein hat diesen Konflikt weiterhin virulent gehalten, was bis zu Heideggers geflügeltem Wort von der christlichen Philosophie als einem «hölzernen Eisen» führte (vgl. das Referat zur Begriffs geschichte von Schmidinger 1987 [*815: 35f., 39f.], 1989 [*819: 890, 892] hier mit Bezug auf die Aufklärungsphilosophie bei Christian Thomasius und Jakob Brucker sowie auf Martin Heidegger). Allenfalls im übertragenen Sinn könnte der Begriff ‘Philosophie’ in dieser Wortverbindung als historische Epochenbezeichnung, die sich hauptsächlich auf das christliche Denken der Antike und des Mittelalters be zieht, gebraucht werden. Obwohl diese Engführung nicht unwidersprochen blieb, wählte Geyer 1927 [*809: 3f.] demgemäß in der 11. völlig neu bearbeiteten Auf lage des zweiten Teils des Ueberweg den Epochenbegriff «patristische Philoso phie», die er abgelöst von der Philosophie des Altertums als Vorspann zur Philo sophie des Mittelalters darstellte (allerdings behandelte Praechter 1926 [*808: 566–578] in derselben Neubearbeitung die «jüdisch-hellenistische Philosophie»
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noch im Kontext mit der hellenistisch-römischen Philosophie). Zu charakterisie ren sei diese geistesgeschichtliche Konstellation Geyer zufolge dadurch, dass das Christentum sich in steter Auseinandersetzung mit der paganen Philosophie ex pliziert und sich dabei selbst als eine Form von Philosophie dargeboten habe, wobei die Trennung zwischen Philosophie und Theologie bzw. Religion noch fremd gewesen sei. Dieser in gewisser Hinsicht berechtigte Sprachgebrauch hat sich zwar nicht durchgesetzt und wird im vorliegenden Fall aus wohlerwogenen Gründen auch nicht aufgegriffen, aber es bleibt dennoch die philosophiegeschicht liche Aufgabe zu klären, wie die antiken Christen und vor ihnen schon hellenisti sche Juden zu den Grundfragen des Daseins, welche die philosophischen Prob leme ihrer Zeit waren, Stellung bezogen haben. Nicht zu Unrecht spricht Gerson 2010 [*831: I 3] im Zusammenhang mit dem Auftreten des Christentums von «einem der schwierigsten Aspekte» bei der Behandlung der Philosophiegeschichte dieser Epoche. Immerhin traten jüdische und christliche Autoren, sofern sie einen entsprechenden Bildungsgang durchlaufen hatten, auf, welche die Position ihres Glaubens auch als philosophische Frage wahrgenommen haben. Sie sind, nach innen und nach außen gewandt, in Diskurse eingetreten, die unter biblischer Rück bindung weitgehend den gleichen Fragehorizont mit dem gleichen Begriffsapparat beinhalteten und die in ähnlichen argumentativen Schuldebatten abliefen, wie es ihre philosophisch gebildeten Zeitgenossen auch taten, und sie haben darauf auch Bezug genommen. Es ist natürlich unbestreitbar, dass deutliche Unterschiede im intellektuellen Niveau und in der Bereitschaft, sich auf die pagane Philosophie ein zulassen, anzutreffen sind, ja dass es auch an Tendenzen von mehr oder weniger prinzipieller Ablehnung der Philosophie nicht gefehlt hat, und natürlich wandelten sich die jeweiligen Gegebenheiten im historischen Verlauf deutlich. Aber es sollte nach dem bewusst weitgefassten, antiken Philosophieverständnis keine Frage sein, dass die Christen, um die es hier geht, im Allgemeinen die ihnen bekannten und als brauchbar erachteten Denkformen der philosophischen Tradition und Diskus sion, in die sie im Rahmen ihres Bildungsganges wie von selbst hineingewachsen sind, anwendeten, um im christlichen Sinn zu philosophieren. In diesem Sinn spricht etwa Osborn 1981 [*812] von «Christian Philosophy» oder Karamanolis 2013 [*836] von «Philosophy of Early Christianity», im Unterschied zu Kobusch 2006 [*827], der einen prägnanten Philosophiebegriff zugrunde legt. Dass in Gestalt des hellenistischen Judentums und dann auch des frühen Chris tentums eine Religion in die Diskurse der griechischen Philosophie eintritt und am Ende der Antike zu ihrer dominierenden Gestalt wird, ist ein außergewöhn licher Vorgang, der auf dem Feld der Religionsgeschichte des Altertums keine di rekten Parallelen hat. Vertrauter ist eher die umgekehrte Bewegung. Seit ihrem Auftreten hat die griechische Philosophie das religiöse Leben Griechenlands im theoretischen Nachvollzug begleitet. Sie hat sich in radikaler Religionskritik, in Anspruch auf vertiefte Frömmigkeit oder in philosophischer Deutung des wah ren gedanklichen Gehaltes vielfältig hervorgetan, was zu Entwürfen einer philo sophischen Religion führen konnte, der letztlich keine praktische Fundierung im religiösen Leben des Kultes und Rituals mehr entsprach (vgl. Burkert 22011 [*832: 452–495]), und was die Tendenz beförderte, dass im Laufe der Spätantike die Phi
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losophie immer stärker religiöse Züge angenommen hat (Görgemanns 2009 [*828], Van Nuffelen 2011 [*833]). Aber die griechischen Religionen selbst, die Polisreligionen wie die Mysterienreligionen, haben nur in den seltensten Fällen eine explizite Theologie hervorgebracht, die eine Berührung mit der Philosophie ermöglicht hätte (Görgemanns 1989 [*818: 617], Cancik 42005 [*826: 253f.]). Zwar konnte es im Rahmen von Mysterienkulten vorkommen, dass professionelle Pries terinnen und Priester über das, was sie rituell vollzogen, auch Rechenschaft zu geben bereit waren (vgl. Plat. Men. 81a). Aber das war eher die Ausnahme. Durch weg fehlte hier ein festes tradierbares Priesterwissen, erst recht der exklusive Be kenntnisstand einer Dogmatik (Weiteres bei Bremmer 2012 [*834]). Solche sehr variablen Erklärungen waren «ein Epiphänomen einer an sich autonomen Ritu altradition», nicht das religiöse Fundament selbst (Burkert 1990 [*820: 71]). Wenn dagegen für die Religionspraxis rationale Deutungen, die einigermaßen ausgear beitet und umfassend waren, gegeben wurden, dann kamen diese weniger aus dem innersten, esoterischen Kreis der Kultträger, sondern weit eher von außerhalb, vonseiten philosophischer Spekulation. Es sind – zumindest aus unserer, durch die Lückenhaftigkeit und Brüche der Überlieferung extrem begrenzten Perspek tive – in erster Linie Philosophen, die sich auf religiöse Gegebenheiten, auf Ritual und Mythos, bezogen, um die eigene philosophische Weltsicht zu illustrieren und zu bestätigen und um nicht zuletzt ihrer Sicht die zusätzliche Legitimierung einer uralten, geheiligten, religiösen Tradition zu verschaffen (wichtig noch das späte Zeugnis Iambl. Resp. 2,11: Kultpraxis, hier Theurgie, wirkt aus sich selbst und ist unabhängig von intellektueller Erkenntnis). Sie haben damit aber fremde Deu tungsmuster an die religiösen Traditionen herangetragen, wofür platonisierende Schriftsteller wie Plutarch, Numenios, Porphyrios oder Iamblichos bekannte Bei spiele sind, und inwieweit sie damit Rückwirkungen bei den Gläubigen erzielten, ist nicht leicht zu sagen, weil es in den religiösen Begehungen primär darum ging, eine besondere Art von Erleben hervorzurufen, und nicht darum, eine Glaubens welt zu vermitteln (vgl. Burkert 22011 [*832: 455]: «Das Bild der tatsächlichen Re ligion verändert sich kaum, den Taten der Geistesheroen zum Trotz»; zum Gan zen Burkert 1990 [*820: 50f., 56–74]). Die biblische, jüdisch-christliche Tradition stellt in dieser Hinsicht einen Son derfall dar. Indem hier die Geschichte des alten Israels und des nachexilischen Ju dentums, gipfelnd im Christusgeschehen, als einheitlicher Überlieferungsprozess der Offenbarungen des einzigen, universalen Gottes verstanden und gedeutet wurde, umfasste eine rational ausgelegte Reflexionsstruktur mehr oder weniger ausdrücklich alle Gestaltungen des religiösen Lebens. Man kann diese rationale Seite in der modernen Bedeutung des Wortes als Theologie, d. h. als diskursive, lehrhafte Explikation der Grundgehalte des jüdisch-christlichen Glaubens be zeichnen (zur antiken Begriffsgeschichte von ‘Theologie’ grundlegend Ebeling 31962 [*811] und weiterführend Markschies 2010 [*830: 11–31], wichtig ferner der hellenistisch-jüdische Gebrauch bei Phil. Mos. 2,115; Opif. 12; Praem. 53: Mose als Theologe). Dieses intellektuelle Reflexionspotential, das der biblischen Über lieferung eignet, dürfte weniger, wie zumeist angenommen (vgl. stellvertretend für viele Pannenberg 1959 [*810]), aus missionarisch-apologetischen Zielsetzungen,
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als vielmehr aus dem Absolutheitsanspruch der Religion selbst resultieren. Dass der biblische Glaube Gott als den einzigen Gott schlechthin bekannte, als den Schöpfer und Allherrscher der Welt, als den Gott Israels und der Völker, als Herrn über Leben und Tod und alleinigen Retter und Erlöser der Menschen, das musste, zumal in der christlichen Zuspitzung des Inkarnationsgedankens, von sich aus das gläubige Denken herausfordern und auf ein Verstehen seiner selbst drängen. Der absolute und universale Geltungsanspruch dieses Glaubens konnte nicht bloß bei affirmativen Bekenntnisformeln und rituellen Handlungen stehen bleiben, so fun damental und grundlegend sie auch waren, sondern musste sich in einem geistigen Gesamthorizont zur Vergewisserung seiner Identität explizieren. Er musste sich seine eigene dogmatische Glaubenswelt schaffen, wenn er auf inneren Nachvoll zug angelegt sein wollte. Dazu bedurfte es einer angemessenen rational-begriff lichen Sprache, es bedurfte umfassender systematisch ausbaufähiger Kategorien und maßgeblicher Kriterien, welche die Vielgestaltigkeit der tradierten Glaubens zeugnisse in einem inneren, kohärenten Sachzusammenhang darzustellen und normativ Maßstäbe sittlicher Lebensführung zu entwickeln ermöglichten. All das jedoch – und für das Christentum gilt das im Grunde schon von Anfang an seit Paulus – brachte den biblischen Glauben von sich aus in eine natürliche Affinität zur griechischen Philosophie, die ihrerseits in analoger Weise nach der Erkennt nis der Wirklichkeit im Ganzen und ihrer letzten Ursache fragte. Beide geistigen Welten zeichnete gemeinsam die prinzipielle Universalität ihres Wirklichkeitsbe zuges in der Perspektive auf die Erschlossenheit der letzten Ursache aus, und bei den eignet von daher der religiöse Charakter ihres Denkens. Freilich ist dieser Brückenschlag über weite Strecken hin einseitig verlaufen, weil zunächst nur das hellenistische Judentum und das frühe Christentum sich der grie chischen Philosophie öffneten, während die griechische Öffentlichkeit das Juden tum zwar anfangs als Volk von Philosophen wahrnahm, dann aber dem antiken Antisemitismus Raum gab (vgl. Hengel 31988 [*816: 464–473]) und dem neu auf kommenden Christentum schon wegen seiner Neuheit und Fremdheit starken Wi derstand entgegensetzte (vgl. Gottlieb, Barceló 1982 [*813]). Gerade unter Philo sophen befanden sich die heftigsten Gegner (vgl. Morlet 2014 [*837: 47–78], Riedweg 2016 [*838]), und dass von ihnen positive Impulse, die vom Christentum ausgehen konnten, aufgenommen worden wären, ist nachweislich kaum vor dem Ende des 3. bzw. dem Anfang des 4. Jahrhunderts zu verzeichnen (doch hat immer hin Amelios den ‹Johannes›-Prolog positiv herangezogen, vgl. Vollenweider 2009 [*829]; zu heterodoxen Deutungen Riedweg 2016 [*838]; Numen. fr. 8 des Places ist wohl anders gelagert). Das Interesse an der Philosophie ist bei den Christen eben im Blick auf die Reflexionsstruktur des biblischen Glaubens sehr viel dringlicher gewesen. Indessen hat sich auch das Christentum nicht vorbehaltlos auf die grie chische Philosophie eingelassen. Zwar hat die Berührung mit ihr faktisch zu einer substantiellen Transformierung des Glaubenszeugnisses geführt, von der noch jede geschichtliche Gestalt der christlichen Theologie zeugt, doch an dem unverrück baren Primat des Offenbarungsanspruchs als Kriterium philosophischer Lehren wurden nie Abstriche gemacht. Das spannungsvolle Beieinander gegenläufiger Faktoren in Koordination und Kontrast, in Assimilation und Konflikt bestimmt
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denn auch durchgängig das Bewusstsein der Alten Kirche. Insofern ist es historisch wie auch systematisch unberechtigt, den Vorgang im Sinne von Abfallstheorien als Verfall oder gar Verrat des Christlichen zu werten (vgl. Markschies 2012 [*835]). Andererseits wird die kritische philologische Analyse auf Fälle stoßen, wo die christliche Adaption nicht vor bedenklich erscheinenden, vereinnahmenden Um deutungen eines philosophischen Referenztextes Halt macht. Doch auch aus die sem Blickwinkel wäre es verfehlt, pauschal von Niedergang oder gar Verfälschung zu sprechen. Es gibt Gradunterschiede, und wirkliche Grenzfälle sind eher selten, wie überhaupt derartige Freiheiten vor dem Hintergrund der Zeit und dessen, was historisch gängig und möglich war, gesehen werden müssen. Das Phänomen von Horizontverschmelzungen im Rahmen mehrdimensionaler, produktiver Interpre tationen war auch der philosophischen Tradition nicht fremd. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sowohl formal als auch inhaltlich mit einer stark ausdifferenzierten Diversität zu rechnen ist. Dass jüdische und christliche Theologen in einen Diskurs mit der griechisch-römischen Geisteswelt eingetreten sind und ihren Glauben auch in philosophischen Kategorien expliziert haben, schlägt sich am greifbarsten auf literarischen Kommunikationswegen nieder, auch wenn Zeugnisse für andere Kontexte, wo sich Diskursfolien boten, nicht fehlen. Hier, auf literarischem Gebiet, variieren die Wege und Formen der Adaption stark. Es gibt integrierte oder ausgewiesene Übernahmen. Sie können bestimmte Motive, Topoi, Themen und Argumentationsfiguren umfassen, die in mehr oder weniger bewussten Anspielungen, in benannten Zitaten oder Referaten auftreten und die oftmals nicht direkt den Originalquellen entstammen, sondern durch sekundäre Instanzen vermittelt sind. Ihr argumentatives Gewicht kann sehr un terschiedlich sein. Aussagekräftiger sind explizite Auseinandersetzungen, wo ein Autor sich zu einer bestimmten philosophischen Position äußert und ihr gegen über aus eigener Warte Stellung bezieht, sei es polemisch-kritisch, sei es inhaltlich modifizierend bzw. korrigierend, sei es sachlich zustimmend. Auch in solchen Fäl len muss es nicht heißen, dass der Autor seine Kenntnis unmittelbar aus direkten Quellen schöpft; auch da sind sekundäre Vermittlungen möglich. Schließlich gibt es auch Fälle, wo genuin philosophische Fragen gemäß eigenem Recht themati siert werden. Sie sind philosophiegeschichtlich besonders interessant, insofern sie zeigen, dass christliche Denker sich mittlerweile völlig souverän in philosophi schen Konfigurationen zu bewegen verstehen. Viel schwieriger ist die systematische Frage zu fassen, in welcher Weise die jü dischen und christlichen Schriftsteller der Antike grundsätzlich die pagane Phi losophie und ihre eigene theologische Arbeit einander zugeordnet haben. Denn evoziert ist damit das weite Problemfeld der Verhältnisbestimmung von bibli schem Glauben und rationalem Denken, von Offenbarung und Vernunft, von Theologie und Philosophie in der spannungsreichen Fokussierung auf die Legiti mierung jeweiliger Geltungsansprüche. Generell wird man, was allgemein aner kannt ist, im Hinblick auf das Altertum zwischen beiden Polen keinen antagonis tischen Gegensatz konstruieren dürfen. Anders als in Richtungen der aufgeklärten Moderne heißt philosophische Rationalität für antike Menschen nicht säkulari siertes, religionsfeindliches Denken, sondern äußert sich oft genug gerade auch in
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frommem Denken. Und andererseits wird Offenbarung nirgends in der kaiserzeit lich-spätantiken Welt als widervernünftig empfunden, sondern eher als Potential zusätzlicher Informations- und Erkenntnisvermittlung. Auch für Christen wäre eine strikt auf Antinomie zielende Einschätzung nur um den Preis möglich, dass der Glaube sich an etwas Absurdes, das nicht kommunizierbar ist, hielte. Deshalb ist es frühchristliche Grundüberzeugung, dass der Glaube auf rationale Durch dringung angelegt ist und die Vernunft der Bestätigung durch Offenbarung be darf. Das konnte nun freilich immer noch auf recht verschiedene Weise ausgelegt werden, weil der Zusammenhang mit der kulturellen Gesamtsituation stets im Hintergrund stand. Doch da man nach wie vor aufseiten der griechischen Philo sophie Erkenntnis primär aus der Vernunft ableitete und aufseiten der jüdischchristlichen Tradition am Primat der Offenbarung festhielt, konnte eine symme trisch austarierte Komplementarität nicht in Betracht kommen. Gangbar waren nur Modelle von Über- und Unterordnung, in denen die gegenläufigen Spannun gen von Koordination und Kontrast, von Assimilation und Konflikt irgendwie aus getragen wurden. Schnittflächen der Rezeption konnten beschrieben werden in Verhältnisbestimmungen, die sich in Formeln niederschlugen wie der Philosophie als Dienerin und der Theologie als Herrin, der Philosophie als Fragestellung und der Theologie als entsprechende explizite Antwort, der Philosophie als ‘praepa ratio’ oder Vorbereitung und der Theologie als ‘demonstratio’ oder Erfüllung, der Philosophie als abgeschattete, partielle Wahrheitserkenntnis und der Theologie als direkte, volle Wahrheitserkenntnis. Nicht ausgeschlossen waren bei diesen Zu ordnungen Tendenzen der Harmonisierung und Vereinnahmung. Doch letztlich lief es stets auf eine Figur der Überbietung hinaus, wonach das Christentum als die Vollendung der griechischen Philosophie dargestellt wurde, aber es ist nicht zu übersehen, dass durch den Rezeptionsprozess sowohl die christliche Glaubens botschaft als auch das philosophische Denken wechselseitig im Sinne einer geis tigen Synthese transformiert worden sind: Die Glaubensbotschaft ist zu christ licher Metaphysik geworden und die Philosophie hat zu einer Umkehr der Denkrichtung gefunden. Indessen kann die Frage nach der Verwendbarkeit philosophischer Konzepte für jüdische, christliche und gnostische Theologien angesichts nicht geringer Wandlungen und Umschichtungen im Laufe der kaiserzeitlichen und spätantiken Geschichte und angesichts der schließlichen Einbettung in eine christliche Ge samtkultur konkret nur im historischen Durchgang beantwortet werden. 1. Anfänge im hellenistischen Judentum Es darf nicht aus den Augen verloren werden, dass das Judentum bereits in der frühhellenistischen Zeit in seinem Mutterland Palästina mit dem Anwachsen und der Verbreitung der hellenistischen Zivilisation und Kultur konfrontiert war, aber das offene Eindringen philosophischen Gedankenguts in das jüdische Geistes leben im engeren Sinn geschah im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts v. Chr. im hellenistischen Diaspora-Judentum Alexandriens. Hier, im multikulturellen Bal
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lungszentrum Alexandrien, wo peripatetische Einflüsse das intellektuelle Klima seit jeher bestimmten, wurden von jüdischer Seite aus philosophische Ideen und Konzepte bewusst und intensiv adaptiert, wobei der ps.-aristotelische Traktat ‹De mundo› anfangs offenbar im Vordergrund stand. Die Übersetzung der Septua ginta verfolgte zunächst keine direkten philosophischen Tendenzen und hat sich erst im Laufe eines längeren Entstehungsprozesses für philosophienahe Verste hensmöglichkeiten geöffnet. Mit dem jüdischen Toraausleger Aristobulos jedoch, der in frühen Quellen auch «Peripatetiker» genannt wird, werden in mehrerer Hinsicht Weichenstellungen für die Zukunft gelegt. Er hat aus ‹De mundo› die Konzeption der göttlichen δύναμις (Kraft) zur Beschreibung der weltimmanenten Wirksamkeit des transzendenten Gottes der Bibel, seither eine Grundkategorie der religiösen Sprache bei Juden und Christen, aufgegriffen. In seiner Exegese machte er, noch tastend zwar, erste Schritte, um für eine rational einsichtige Er klärung des Bibeltextes die Methode der allegorischen Deutung anzuwenden, die unter Philosophen besonders bei Stoikern praktiziert wurde, aber auch in ‹De mundo› präsent ist. Auch dass die griechischen Geistesgrößen vom biblischen Gesetzgeber Mose abhängig seien und von ihm ihre Weisheit bezogen hätten, die ser Leitgedanke, der fortan bei jüdischen (vgl. Jos. Ap. 2,168. 257) wie bei christli chen Autoren zum Standardargument werden sollte, ist bei ihm bereits vorgeprägt. Insgesamt ist die Überlieferung der literarischen Zeugnisse der hellenistischen Synagoge nur sehr dürftig auf uns gekommen, doch was sich trotz aller Spärlich keit der Quellen aus den erhaltenen Fragmenten und aus späteren christlichen Überarbeitungen erkennen lässt, ist eine sehr große innere Reichhaltigkeit und Kraft des religiös geistigen Lebens. Neben Aristobulos stoßen wir vielfach auf die Einschmelzung von populärphilosophischem Gedankengut zumeist stoischer Pro venienz, was sich in mannigfachen Formen ethischer Moralunterweisungen wie Tugend- und Lasterkatalogen, dem Zwei-Wege-Schema, der Goldenen Regel, gno mischen Sentenzen und Ähnlichem niederschlägt. Philosophisches Interesse, auch dies zumeist mit stoischem Hintergrund, nimmt sich nicht weniger kosmologischschöpfungstheologischen Themen und anthropologischen Fragen an. Zu beach ten ist besonders die philosophische Einfärbung der jüdischen Weisheitstradition, wobei erneut stoisches Material überwiegt. Niemals jedoch wird die heilstiftende und heilsentscheidende Bindung an die Tora auch nur irgendwie infrage gestellt. Für das frühe Christentum sollten alle diese Adaptierungen von unabsehbarer Bedeutung werden, wurden doch damit die Voraussetzungen geschaffen, ohne die die theologische Explikation und paränetische Unterweisung der christlichen Glaubensbotschaft gar nicht denkbar gewesen wären. Die herausragende Gestalt des hellenistischen Judentums ist freilich Philon von Alexandrien. Er hat nahezu sein ganzes Werk der Auslegung des Pentateuchs ge widmet, den er mithilfe der allegorischen Methode in seiner philosophischen Tie fendimension erschließen möchte, aber er ist gleichzeitig ein exzeptioneller Re präsentant des beginnenden Mittelplatonismus. Tatsächlich stößt man bei ihm weitgehend auf die gleichen lehrbildenden Strukturmomente, die auch die Bestre bungen der Platoniker seiner Zeit kennzeichnen. Das größte Gewicht in religiösphilosophischen Belangen kommt, wenn man von Mose absieht, Platon zu, den er
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einmal «den höchst heiligen Platon» nennt (Prov. 13, wenn der Text so zu lesen ist), und unter seinen Werken wiederum, wie nicht anders zu erwarten, dem ‹Ti maios›, in dem Platon nach seiner Deutung in genauer Entsprechung zum bibli schen Schöpfungsbericht eine umfassende Sicht der Welt und der Stellung des Menschen in ihr in Beziehung auf Gott entworfen habe. Dass Platon ein dogma tisch kohärentes System gelehrt hat, setzt er als selbstverständlich voraus, wofür am ehesten die von ihm vertretene, am ‹Timaios› abgelesene Lehre von vier Prin zipien Anhalt bieten kann (Opif. 19–22; Cher. 125ff.; Prov. 1, 23, offenbar eine mo difizierte Form der später gängig gewordenen Drei-Prinzipien-Reihe), aber eine zusammenhängende Darstellung der Philosophie Platons hat er nicht geboten (vgl. aber Aet. 14f. zum Schulstreit um die ‹Timaios›-Auslegung). Zum platoni schen Bezugsrahmen tritt ferner, wie für den Mittelplatonismus charakterisch, die neu belebte pythagoreische Tradition hinzu, die es Philon in Verbindung mit den platonischen Vorgaben ermöglicht, die absolute Transzendenz Gottes, des ersten Prinzips, in klaren philosophischen Kategorien unter Einschluss der negativen Gottesprädikate zu artikulieren. So konvergieren die religiösen Züge dieser neu erstarkten geistigen Strömungen mit seiner jüdischen Frömmigkeit, und er wird diese Momente im Rahmen der Logos-Lehre etwa mit der speziellen, von ihm schon vorgefundenen Fassung der Ideen als Gedanken Gottes oder mit der auf Aristobulos zurückweisenden Lehre von den Kräften Gottes sowie dem Konzept der Zwischenwesen weiter ausbauen. Symptomatisch für den neupythagoreischen Bezug ist sein ausgiebiger Gebrauch von Arithmologie und Zahlensymbolik, zumal in Bezug auf die Zahl Eins und die 7-Zahl. Doch hat Philon auch alle an deren Arbeitsfelder, die zum philosophischen Standardrepertoire der Zeit gehör ten, behandelt, wie er überhaupt bestrebt ist, so viel philosophisches Gut wie nur möglich einzubringen. Vor dem Hintergrund der Unterscheidung von intelligibler und sinnlich wahrnehmbarer Welt und unter Wahrung der Transzendenz Gottes hat er in der Kosmologie den Aufbau der empirischen Welt in den Zügen der Stoa gezeichnet. In der Ethik bricht er den stoischen Rigorismus der Apathie, für den er sehr wohl eine gewisse Zuneigung empfindet, auf das Normalmaß der Metrio pathie herunter, aber die aristotelische Güterlehre lässt er nicht gelten und hält sich an die stoische Position der Autarkie der Tugend. Seine ethische Zielformel ist das platonische Motiv der Angleichung an Gott in Verbindung mit der pytha goreischen Maxime ‘Folge Gott!’. Damit kann er das ursprünglich weltimmanent verstandene stoische Konzept des «secundum naturam vivere» bruchlos verbin den, weil die ‘Natur’ für ihn eine Manifestation des transzendenten Logos ist. Da neben vertritt er gerade auf ethischem Gebiet eine Reihe von Sondermeinungen, die nur als Ausdruck seines jüdischen Glaubens verstanden werden können. In der Logik schließlich verbindet Philon aristotelische und stoische Elemente. Da gegen weist er die Lehre Epikurs generell zurück, während er skeptische Argu mente über die Unzuverlässigkeit der Sinneswahrnehmungen im weiteren Sinn als Vorbereitung für eine höhere Epistemologie inkorporieren kann (Fug. 132–36; Ebr. 167–205; aus Ainesidemos vgl. von Arnim 1888 [*807: 56–100]).
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2. Das Ur- und Frühchristentum Fand das Judentum seine alles beherrschende Mitte in der Bindung an die Tora, an der sich grundsätzlich die Verwertbarkeit philosophischer Lehren messen las sen musste, so trat im Glauben der frühen Christen an die Stelle des Gesetzes das Christusereignis, so dass Paulus am «Wort vom Kreuz» (I. Cor. 1,18) eine Umwer tung aller herkömmlichen religiös-kulturellen Werte, sei es jüdischer, sei es grie chischer, festmachen konnte. Am «Wort vom Kreuz», so konstatierte er, werde die Weisheit der Welt, höchster intellektueller Ausdruck der Ordnungen und Struk turen der gegenwärtigen Weltzeit, zuschanden, aber im Niedrigen, Schwachen und Verachteten werde den Gläubigen als Zugehörigen zum Gekreuzigten die Weisheit Gottes, bestimmt als Enthüllung des Verborgenen, als übersinnliche Erkenntnis, als Erforschung der Tiefen Gottes durch den gott-menschlichen Geist, offenbart, was letztlich mit dem bloßen «Wort vom Kreuz» identisch bleibt (Vollenweider 2002 [*823]). Derartige transformierende Brechungen weisen bei Paulus mehr oder weniger alle Nachklänge an philosophische Argumentationsformen auf, ohne dass damit die Legitimität rationalen Denkens generell infrage gestellt würde. Sie sind nicht ganz selten (vgl. die Aufstellungen in Strecker, Schnelle 1996 [*822], ferner auch Sampley 2003 [*824]), und sie sind auch nicht nur durch die Adressaten bedingt, sondern entsprechen zum guten Teil dem eigenen Erkennt nisinteresse des Apostels. Auch das im paränetischen Kontext der frühchristlichen Literatur in großer Fülle anzutreffende Material ethischer Unterweisungsformen hat seine Vorbilder in der hellenistischen Populärphilosophie, doch wird es aus der Perspektive der im Glauben gewonnenen Freiheit neu kodiert. Es dürfte zu meist schon durch das hellenistische Judentum vermittelt worden sein, was im be sonderen Maße für die Schriften der sogenannten Apostolischen Väter gilt. Indem diese den weiträumig durch die hellenistische Synagoge abgesteckten Bezugsrah men christologisch artikulieren, führen sie die theologische Begriffsbildung er heblich über das Neue Testament hinaus und markieren so etwas wie eine früh christliche ‘Proto-Orthodoxie’. 3. Die vornizänische Zeit Über diese ersten Ansätze hinaus kommt es zu einer breiten und nachhaltigen Öffnung gegenüber der paganen Philosophie etwa ab Mitte des 2. Jahrhunderts im apologetischen Kontext, wobei aber der Radius sehr schnell stark ausgeweitet wird und alle Bereiche der christlichen Theologie erfasst werden. Getragen wer den diese Bestrebungen von freien Lehrern, bald auch von Kirchenmännern oder einfach von intellektuell orientierten Männern und Frauen, die im Rahmen ihrer allgemeinen Bildung mit der Philosophie in Kontakt gekommen sind oder sogar eine philosophische Schulung durchlaufen haben, sei es dass sie über die Philo sophie den Weg zum christlichen Glauben gefunden haben, sei es dass sie als Christen philosophische Interessen entwickelt haben. Und wie sie es bei ihren phi losophischen Studien gelernt und sich innerlich angeeignet haben, denken sie aus
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dem philosophisch vorgeprägten Verstehenshorizont ihrer Zeit, wenn sie den christlichen Glauben für sich rational einsichtig zu durchdringen suchen und ihn nach den gängigen wissenschaftlichen Standards artikulieren (literarisch tätig ge worden sind Frauen, wie es scheint, in dieser Zeit nicht, aber sie begegnen im Um kreis eines Justin, eines Clemens oder Origenes, eines Methodios und anderer). Nicht selten geben sie sich in ihrer äußeren Erscheinung als Philosophen zu erken nen, sie praktizieren vergleichbare Modelle des Schulunterrichts, gebrauchen viel fach die gleichen literarischen Formen und suchen das öffentliche Streitgespräch mit Außenstehenden. In der Konkurrenz mit anderen intellektuellen Formatio nen bezeichnen sie die christliche Religion als «die wahre Philosophie» (Justin, Clemens, Origenes) oder «die bessere Philosophie» (Tertullian), als «die barbari sche Philosophie» (Tatian) oder einfach als «unsere Philosophie» (Miltiades, Me liton), ohne dass dies insgesamt zum normalen Sprachgebrauch geworden wäre (nicht bei Theophilos, Irenäus, Ps.-Iust. Orat. u. a.). Wenn die christlichen Schriftsteller ihren Glauben derart als höhere Form der Philosophie exponierten, dann schließt das eine deutliche Meinung über den Wert der geistigen Traditionen der griechischen Kultur ein. Tatsächlich gibt es kaum einen christlichen Autor in der vornizänischen Zeit, der nicht in der einen oder an deren Weise grundsätzlich die Frage nach dem Ursprung und der Leistungsfähig keit der paganen Philosophie aufgeworfen und aus diesen Überlegungen für sich selbst ein kritisches Regulativ abgeleitet hätte. Die Antworten gehen freilich weit auseinander, sie differieren auch im Blick auf die verschiedenen Schulhäupter bei den Griechen, aber generell reicht die Spanne von größtmöglicher Wertschätzung bis zu völliger Verachtung und Ablehnung. So gibt es die Annahme, dass die grie chische Philosophie eine Gabe Gottes gewesen sei, eine Uroffenbarung sozusagen, die im Laufe der Geschichte beeinträchtigt worden sei (Justin, Ps.-Iust. Mon., Cle mens). Verwandt damit ist die Vorstellung, dass die Philosophie als natürliche Er kenntnis sich der Partizipation der menschlichen Vernunft am göttlichen Logos ver danke und somit eine gewisse Wahrheitserkenntnis ermöglicht (Justin, Athenagoras, evtl. Irenäus, Clemens). Am weitesten verbreitet ist die schon aus dem hellenisti schen Judentum bekannte Meinung, die griechischen Philosophen seien abhängig von Mose (Origenes, doch Cant. prol. 3,4: von Salomon), sei es in der gemäßigten Variante, dass sie auf Reisen in den Orient Schüler der mosaischen Lehre gewor den seien (Ps.-Iust. [Markell von Ankyra?] Cohort. ad Gr., Clemens), sei es in der härteren Variante, dass sie geistigen Diebstahl an den mosaischen Schriften began gen hätten (Justin, Tatian, Clemens, Tertullian, Ps.-Iust. [Markell von Ankyra?] Co hort. ad Gr.). Impliziert ist dabei, dass das Verständnis der biblischen Tradition nicht mehr ungetrübt bewahrt worden ist. In diesen Kontext gehört der immer um fänglicher geführte Altersbeweis, der durch chronologischen Vergleich das höhere Alter der biblischen gegenüber der griechischen Tradition getreu dem Grundsatz aufzeigen will, dass das Ältere auch das Wahre sei (Justin, Tatian, Theophilos, Hippolyt, Clemens, Origenes). Wieder eine andere Annahme besagt, dass die Phi losophie eine rein menschliche Vernunftbetätigung, gewissermaßen ein neutrales Vermögen, sei (Origenes), oder in schrofferer Wendung, dass sie auf bloß mensch lichen Vermutungen beruhe, die bestenfalls zufällig etwas Wahres getroffen haben
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(Pseudo-Klementinen, Laktanz), aber meist ohne irgendwelchen Wahrheitsgehalt seien (Tatian, Ps.-Iust. Orat., Theophilos, Hermeias). Noch einen Schritt weiter geht die in diesem Zusammenhang eher selten genannte ursprünglich apokalyptische Theorie vom Engelsturz, die besagt, dass die griechische Philosophie ihren Anfang beim Abfall einiger Engeln nahm und von Dämonen überbracht sei (Hermeias, be zeugt auch bei Clemens), und es ist belegt, dass auch die Meinung vertreten wurde, die Philosophie stamme vom Teufel (bezeugt bei Clem. Alex. Strom. 1,80,5; 6,159,19), aber in der erhaltenen Literatur wird diese Position nirgends ausgeführt. Unbestritten jedoch herrscht bei allen die Überzeugung, dass die griechische Phi losophie nicht zur vollen und klaren Erkenntnis der Wahrheit gelangt ist; denn diese werde durch göttliche Offenbarung gewährt. In dieser Bandbreite kann deshalb gegenüber der paganen Philosophie je nach Beurteilung eine dezidiert philosophie-kritische Haltung an den Tag gelegt wer den, die sich in Einzelfällen geradezu zu philosophie-feindlichen Äußerungen steigern kann. Angriffe, die von mehr rhetorischer Seite her gespeist sind, werfen ihr Spitzfindigkeit, Formalismus, nutzlose Gelehrsamkeit oder fehlende Breiten wirksamkeit vor (Justin, Theophilos, Pseudo-Klementinen, Origenes). Andere Einwände entstammen dem skeptischen Arsenal und zielen auf die Schulstreitig keiten zwischen den Philosophenschulen untereinander und auf ihre Uneinigkeit ab (Justin, Tatian, Theophilos, Hippolyt, Tertullian, Origenes, Laktanz) oder spie len schulinterne Kontroversen unter Mittelplatoniker selbst gegeneinander aus (Ps.-Iust. [Markell von Ankyra?] Cohort. ad Gr., evtl. Hippolyt), womit erwiesen sei, dass die unverhüllte Wahrheit bei ihnen nicht zu finden ist. Von moralischer Warte aus kann einzelnen Philosophen Ambivalenz zwischen ihrer theoretischen Erkenntnis und ihrem praktischen Verhalten vorgeworfen werden, etwa wenn man Platon vorhält, dass er trotz richtiger monotheistischer Erkenntnis aus Furcht, das selbe Schicksal wie Sokrates erleiden zu müssen, nicht mit dem polytheistischen Kultwesen gebrochen habe (Athenagoras, Tertullian, Origenes, Ps.-Iust. [Markell von Ankyra?] Cohort. ad Gr.). Aus häresiologischer Sicht wird der Angriff vorge bracht, die Philosophie bilde den Wurzelboden für die Entstehung der Häresien, was einem glatten Verdikt gleichzukommen scheint, aber in relativierender Per spektive doch abgeschwächt wird (Irenäus, Hippolyt, Tertullian, Origenes). Schließlich scheuen einige wenige Autoren nicht davor zurück, in polemischem Ton selbst die renommiertesten Philosophen persönlich zu verunglimpfen (Tatian, Theophilos, Tertullian, Pseudo-Klementinen) und den gesamten in ihren Augen moralisch diskreditierten Bildungsgrundlagen der griechischen Kultur eine pau schale und grundsätzliche Absage zu erteilen (Tatian, Ps.-Iust. Orat., Hermeias). Dass damit genau die Voraussetzungen verworfen werden, auf denen man selbst aufbaut, ist hier scheinbar nicht als Problem empfunden worden. Innerhalb der genannten Bandbreite der Beurteilungen der paganen Philoso phie gibt es jedoch auch breiten Raum für Positionen, die den geistigen Bemühun gen der griechischen Denker durchaus offen gegenüber stehen und ihnen einen bleibenden positiven Wert für die rationale Darstellung der christlichen Religion zubilligen. Das betrifft übrigens nicht nur die Philosophie, sondern schließt enzy klopädisches und sogar medizinisches Wissen ein (Hippolyt, Clemens, Origenes,
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Athenagoras, Tertullian, Methodios). Doch was die Philosophie betrifft, so sehen die meisten christlichen Autoren eine besondere Leistung darin, dass die aufge klärte Religionskritik als Waffe gegen Mythologie und Polytheismus eingesetzt werden kann (so schon Jos. Ap. 2,236–254, die Reihe beginnt bereits mit Aristei des und reicht bis zu Laktanz). Nicht weniger gebrauchen fast alle bevorzugt phi losophische Argumente, um Angriffe auf das Christentum abzuwehren und für den neuen Glauben zu werben. Beträchtliche Bedeutung gewinnt die platonische Metaphysik in Verbindung mit biblischer Schöpfungstheologie in der kritischen Auseinandersetzung mit den ‘gnostischen Häresien’ (Irenäus, Tertullian, Clemens, Origenes), die ihrerseits ihr Welt- und Erlösungsverständnis in remythisierender Form, aber in struktureller Affinität zur Philosophie, vornehmlich zum Platonis mus, allerdings ohne den Apparat offener Rekurse entwickelten. Abgewiesen wurde der Gnostizismus auch vom Neuplatonismus (Plotin, Amelios), aber ein ge meinsamer Schulterschluss kam nicht zustande. Vor allem aber hat die philosophi sche Rezeption im inneren Bereich der christlichen Theologie einen ausgezeich neten Stellenwert, wenn es gilt, den Glaubensgehalt intellektuell zu erschließen. Origenes nennt die Philosophie Gehilfin für die christliche Lehre (Ep. ad Greg. 1). Auf dieser propädeutischen Ebene liefert sie das Instrumentarium zur Begriffs bestimmung zentraler Termini und schärft das Methodenbewusstsein für die Bi belauslegung und für die systematisch-spekulative Arbeit. In vieler Hinsicht ist sie Einübung und Teil der theologischen Forschung. Sie führt auf inhaltliche Fra gestellungen hin und stellt Lösungsmöglichkeiten bereit, die akzeptiert, verwor fen oder überboten werden können. So ist sie selbst Teil des Vollzugs der intellek tuellen Durchdringung und des geistigen Erfassens der Wahrheit und bietet eine Anleitung zum kontemplativen Aufschwung. Dass in kirchlichen Kreisen der schlichten Gläubigen auch Widerstand gegen solche theologische Arbeit erwach sen konnte (Irenäus, bezeugt von Hippolyt), braucht daher nicht zu verwundern, doch suchte man einen Ausgleich mit einem bezeichnenderweise an Platon orien tierten Stufungsmodell, das dem schlichten Glauben das volle Recht reserviert, aber ihn in höherer Erkenntnis übergipfeln lässt (Clemens, Origenes). Der Referenzhintergrund für die christliche Rezeption ist in dieser Periode durchgängig der Mittelplatonismus, obwohl die zeitgenössischen Gewährsmänner so gut wie nie namentlich genannt werden. Numenios ist in dieser Hinsicht eine verständliche Ausnahme. Man profiliert sich nicht im Gegenüber zu gegenwär tigen Fachvertretern, sondern im Blick auf die großen Gestalten der Vergangen heit, auf die Vorsokratiker, auf Pythagoras und vornehmlich auf Platon. Von daher erklärt sich die Vorliebe für bestimmte Zitate und ganze Zitatnester, bestehend aus Anhäufungen berühmter Wanderzitate. Nur im lateinischsprachigen Bereich prävalieren Cicero und Seneca, wobei gelegentlich noch Lukrez einbezogen wird. Doch der mittelplatonische Schulzuschnitt ist bei den Griechen allenthalben prä sent (Versuche einer Annäherung an den Aristotelismus, von denen Eus. Hist. eccl. 5,28,13f. und 7,32,6 berichtet, blieben vorerst einflusslos). Die christlichen Schriftsteller beziehen ihre philosophischen Kenntnisse in der Regel kaum aus den Originalschriften der großen Denker, sondern aus sekundären Hilfsmitteln, aus doxographischen Handbüchern, Florilegien, biographischen Kompendien
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oder Ähnlichem, und manches, was wie die gezielte Bezugnahme auf eine aus erlesene Lesefrucht aussieht, ist in Wirklichkeit längst gängiges Bildungsgut geworden. Zunehmend ist auch mit Vermittlung durch den innerchristlichen Schulbetrieb und die jüdisch-christliche Literatur (insbesondere Philon als ‘Kir chenvater’ honoris causa: Hier. Vir. ill. 11) zu rechnen, aber in einzelnen Fällen darf zweifellos auch Lektüre erster Hand angenommen werden. Bei einer Reihe von Autoren wird die aus der Schulphilosophie geläufige, traditionelle Dreiteilung der Philosophie, manchmal auch mit gewissen Modifikationen, explizit gemacht, wobei aber dieses Schema fast nie die Organisation ihrer Schriften prägt und der Wissensstoff von ihnen ebenso wenig lehrbuchmäßig verarbeitet wird. Freilich fin den sich Ansätze dazu, etwa bei Hippolyt oder bei Clemens, und Origenes hat eine Dogmatik nach dem Muster eines antiken Physik-Handbuches verfasst. Origenes, der wohl am besten den philosophischen Fachdiskurs beherrschte, war es auch, der eine Wissenschaftslehre entsprechend den theologisierenden Tendenzen des Mittleren Platonismus mit den Fächern Ethik, Physik, Epoptie (= Theologie) nicht nur entworfen, sondern auch curricular umgesetzt hat in der Abfolge von Dialek tik, Physik (= Kosmologie, Geometrie, Astronomie), Ethik, Theologie, letztere noch einmal gestuft nach paganer Theologie der alten Philosophen und Dichter und dem Studium der Bibel als krönendem Abschluss. Im Allgemeinen lässt sich für nahezu alle christlichen Autoren der Zeit feststellen, dass sie analog zum Mit telplatonismus bereit waren, Lehrgut der verschiedensten Schulrichtungen, sofern es mit ihrem Verständnis einer christlichen Glaubenslehre konform war, zu inte grieren, wobei nur der Garten Epikurs in der Regel ausgeschlossen blieb. Die Logik ist bei ihnen eher schwach ausgebildet. Grundlegend in der Ethik sind die christlichen Normen der Bergpredigt, das Doppelgebot der Liebe und der Deka log, aber daneben wird auch das reiche Erbe der stoischen Moralphilosophie be rücksichtigt (die stoische Handlungstheorie einschließlich der menschlichen Wil lensfreiheit, die Tugend- und Pflichtenlehre, die Güterlehre, dazu der oft in eine Zwei-Stufen-Ethik eingepasste Komplex der Affektenlehre), und den Höhepunkt bildet die platonische Zielformel der ‘Angleichung an Gott soweit als möglich’ in Verbindung mit dem biblischen Motiv der Gottebenbildlichkeit (Gen. 1,26f.), was mit der stoischen und der pythagoreischen Zielformel noch erweitert werden kann. Für die Kosmologie wird schon von Justin der platonische ‹Timaios› heran gezogen und mit dem biblischen Schöpfungsbericht zusammen gesehen, bald folgt dann auch die Unterscheidung des intelligiblen Kosmos und des sinnlich wahr nehmbaren Kosmos, während der Aufbau des Universums im Einzelnen mit sto ischen Theorien erklärt wird. In der Theologie macht man sich die traditionellen, ursprünglich stoischen Gottesbeweise zunutze, den Beweis ‘ex consensu omnium’, den ‘ex testimonio animae’, den kosmologischen und den teleologischen, mit dem die Lehre von der Providenz verknüpft ist (einen eigentümlichen rationalen Be weis für den Monotheismus entwickelt Athenagoras). Aber entscheidend ist für sie alle der philosophische Gottesbegriff im Sinne der mittelplatonischen Seins metaphysik, der von Irenäus an (wie zuvor bei Philon) in Verbindung mit Ex. 3,14 gebracht wird. Dieser wird im Rahmen einer apophatischen Theologie mit den negativen Gottesbegriffen zur Umschreibung der radikalen Transzendenz Gottes
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ausformuliert, wozu auch die Lehre von den drei ‘viae’ der Gotteserkenntnis veranschlagt wird. Insgesamt darf freilich nicht der Eindruck entstehen, als hätten die christlichen Schriftsteller einige gängige Versatzstücke der philosophischen Koine ihrer Zeit bloß additiv zusammengesammelt. Das Christentum hat vielmehr unter Auf nahme mannigfacher Anregungen aus dem hellenistischen Judentum recht schnell und sicher einen eigenen philosophisch-theologischen Standort gefunden, der das adaptierte Material in eine neue, geschlossene geistige Synthese transformierte. Um das Erbe der biblischen Überlieferung, die Transzendenz Gottes, seine Ein zigkeit, Souveränität und Allmacht, zu wahren, haben die christlichen Theologen von Anfang an auf die klare Unterscheidung zwischen dem Schöpfer und dem Ge schöpf geachtet. Diese ontologische Fundamentaldifferenz lässt kein ursprüng liches Sein neben dem Schöpfer bestehen und erlaubt keine gleitenden Übergänge oder Zwischenstufen zwischen Gott und der Schöpfung. Deshalb sind recht bald in der Prinzipienlehre und der Schöpfungslehre die maßgeblichen Korrekturen an der philosophischen Tradition vorgenommen worden. Mit dem christlichen Verständnis der ‘creatio ex nihilo’ wird die Annahme einer Gott vorgegebenen ewigen Materie, die Gott lediglich gestaltet habe, bestritten, womit auch die mit telplatonische Drei-Prinzipien-Lehre außer Kraft gesetzt wird. Gott schafft aus dem Nichts, er hat kein zweites Prinzip, die Materie, neben sich; er allein ist das einzige Prinzip, und die Welt ist seine Schöpfung, die deshalb nicht ewig sein kann, sondern im Sinne eines realen Anfangs geworden ist (Vorstufen bei Tatian, dann Theophilos, Irenäus, Clemens, Tertullian und fortan; das dritte Prinzip, die platonischen Ideen, geht meist in der Logos-Lehre auf). Ebenso ist sehr früh die platonische Seelenlehre mit ihrer Voraussetzung einer Wesensverwandtschaft der Seele mit Gott zurückgewiesen worden, weil die Seele, die ihr Leben aus Gott empfängt, Geschöpf Gottes ist und nicht göttlich sein kann. Mit der Modifikation der platonischen Seelenauffassung sind zugleich die Präexistenzlehre (mit Aus nahme von Origenes), die Anamnesislehre und die Reinkarnationslehre hinfällig geworden (seit Justin fortan). Hand in Hand ging damit eine Umwertung der pla tonischen Anthropologie, die durch die Vorstellung der leiblichen Auferstehung motiviert war (Ps.-Justin, Athenagoras, Theophilos, Irenäus, Tertullian, Metho dios). Mit der konsequent durchgehaltenen Grunddifferenz zwischen dem Schöp fer und der Schöpfung ist eine Reihe von weiteren Distanzierungen von philoso phischen Vorgaben gegeben, wie in der Kosmologie die Zurückweisung der aristotelischen ‘quinta essentia’ und in der Ethik die der stoischen These, dass die Tugend bei Gott und Mensch gleich sei. Anderes ließe sich nennen. Das Zentrum der Transformierung philosophischen Denkens liegt indessen in der Christologie, insbesondere im Inkarnationsgedanken. Die der Philosophie nahestehende Lo gos-Lehre wurde Zug um Zug tiefer durchdacht. Der präexistente Logos-Chris tus musste als Schöpfungsmittler ganz auf die Seite Gottes treten, ohne doch mit ihm identifiziert zu werden, was nicht gleich auf Anhieb befriedigend auszufor mulieren gelang, aber weitere Anstöße für die Entwicklung der Trinitätslehre gab. Doch schon in der frühesten Phase, als überhaupt erstmals der philosophische Gottesbegriff aufgenommen wurde, ist im Inkarnationsgedanken der revolutionäre
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Wendepunkt erkannt worden, der einer neuen Orientierung des Denkens Bahn bricht und eine schöpferische Synthese zwischen der philosophischen Tradition und dem biblisch-christlichen Glauben stiftet. Es ist der Grundgedanke, dass der jenseitige, ferne Gott sich den Menschen zugekehrt hat, dass er sich erniedrigt hat und in Christus Mensch geworden und nahe gekommen ist. Damit hängt die christliche Gewissheit zusammen, dass das Heil, die Rückkehr zu Gott, nicht Leis tung der eigenen intellektuellen Anstrengung des Menschen ist, sondern als gna denhaftes Geschenk Gottes verstanden werden muss. Es ist erstaunlich, wie mas siv diese Christozentrik schon im Bewusstsein der frühen christlichen Denker präsent ist (Justin, Meliton, Anon. [Ps.-Iust.] Diogn., Irenäus, Tertullian, Clemens, Origenes, Methodios), während sie nur bei wenigen zurücktritt (Tatian) oder ganz fehlt (Athenagoras, Theophilos, Pseudo-Klementinen). 4. Die Blütezeit der patristischen Literatur Auf den Fundamenten, die in der vornizänischen Zeit gelegt worden sind, wird von den Kirchenvätern fortan das Gebäude der christlichen Glaubenswelt nach allen Seiten im großen, systematischen Stil ausgebaut. Monumentale Schriftwerke mit teils ungeheueren Quellensammlungen auf den Gebieten der Apologetik, der Ketzerbekämpfung und der Streitliteratur werden geschaffen, wozu noch Werke auf den Gebieten der Bibelexegese und der Dogmatik sowie – als neuen Tätig keitsfeldern – der Geschichtsschreibung und der weniger umfänglichen Hagiogra phie treten. Diese literarischen Großunternehmen entstehen vor dem religions politischen Hintergrund, dass ungeachtet der sogenannten Konstantinischen Wende beträchtliche Teile der Reichsbevölkerung gerade unter den Gebildeten weiterhin in Opposition zum Christentum verharren, während andererseits die Grenzen zwischen Heidentum und Christentum nicht überall scharf gezogen sind und noch länger fließende Übergänge möglich bleiben. Insofern sind diese Werke selbst Ausdruck gesteigerter Anstrengungen der Kirchenväter in dem geistigen Ringen um die religiösen Grundlagen der antiken Gesamtkultur, die das 4. und 5. Jahrhundert erfasst hat. In den zum Teil von gewaltsamen Aktionen begleiteten Auseinandersetzungen, in denen es in Ost und West darum ging, ob die überlie ferten Werte der paganen Kultur noch eine tragende Bedeutung in der Gesell schaft eines christlich gewordenen Reiches haben können, fühlen sich die geisti gen Repräsentanten der Kirche herausgefordert und angespornt, ein wirklich großes christliches Schrifttum zu erarbeiten, das den Vergleich mit den besten Zeugnissen der griechischen Kultur nicht zu scheuen braucht und doch den christ lichen Glauben umfassend zur Darstellung bringt. Und wiederum kommt der griechischen Philosophie dabei ein entscheidender Stellenwert zu. So entstehen die Großwerke in der Apologetik (Eusebios mit unschätzbaren philosophiegeschichtlichen Fragmenten, Theodoret mit Zitathäufungen in Euse bios’ und Clemens’ Nachfolge bei philosophie-integrativer Absicht) und in der Streitliteratur (Kyrill mit wertvollen Auszügen aus Kaiser Julians Angriff auf das Christentum, und selbst philosophisch nicht ungebildet). Die philosophischen
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Zeugnisse werden darin bis in die neue Zeit präsentiert, doch die Leitthemen sind weitgehend diejenigen der älteren Apologetik (der Altersbeweis, die Theorie der Abhängigkeit der Griechen, die Widersprüche der philosophischen Schulen un tereinander u. a.), die ansonsten nach und nach eher an Zugkraft verlieren. Ebenso spiegelt die gigantisch ausgeweitete antihäretische Literatur, die weithin einen an tiquarischen Eindruck macht, auch wenn sie bis in die neueste Zeit führt, die großen weltanschaulichen Kämpfe um die Geltung des paganen Erbes wider (Epi phanios mit reichem häresiologischen Material, aber in philosophie-feindlicher Stoßrichtung, Theodoret dagegen in philosophie-freundlicher Haltung). Eine neu hinzukommende häretische Bedrohung stellt die Ausbreitung des Manichäismus dar. Gegen das in christlichem Gewand auftretende Religionssystems streng du alistischer Weltverneinung wurde der Abwehrkampf mit philosophisch-dialekti schen Argumenten aufgenommen, was zuerst auf kirchlicher Seite Titos von Bostra und auf platonischer Seite Alexander von Lykopolis taten, ohne dass es gelungen wäre, eine dauerhafte gemeinsame Widerstandsfront aufzubauen. Doch für viele kirchliche Autoren blieb das Thema vor allem exegetisch brennend (Didymos, Epiphanios, Diodor u. a., nicht zuletzt Augustin; die Bekämpfung wird in späte rer Zeit weitergeführt, z. B. von Zacharias Scholastikos und dem Neuplatoniker Simplikios). Dogmatische Streitigkeiten, die in den eigenen Reihen über die au thentische Fixierung des christlichen Glaubens literarisch im großen Stil ausge tragen werden, sind zwar nicht direkt Teil des ‘Kulturkampfes’ um das antike Bil dungsgut, doch bilden deren Klärungen die unabdingbare Voraussetzung, um gegen die pagane Restauration bestehen zu können. Nicht zuletzt sind in diesem Zusammenhang zwei der monumentalen Hauptwerke Augustins zu nennen (Trin., Civ., zumal letzteres durch den kulturellen Rückschlag im Gefolge des ‘Falls von Rom’ 410 n. Chr. veranlasst wurde), die beides zugleich sind, Dogmatik und Phi losophie bzw. Apologetik und Dogmatik, denn Augustin wusste, was die christli chen Schriftwerke für die Nachwelt bedeuten. Namentlich die ‘großen Kappadokier’ vermitteln den Eindruck, dass im grie chischen Sprachbereich der Umgang mit der Philosophie zunehmend sicherer wird und sie selbst sich auf höchstem Qualitätsniveau bewegen, ohne dass die grund sätzlichen Vorbehalte und bereits getroffenen Grenzziehungen preisgegeben wür den, was sicherlich damit zusammenhängt, dass sie selbst an den Zentren der höchsten Bildung studiert haben (Basileios und Gregor von Nazianz in Athen bei Himerios und Prohairesios, Diodor in Athen [?], Chrysostomos in Antiochien bei einem Andragathios u. a.). Der mittelplatonische Hintergrund bleibt präsent, aber mehr und mehr stellen sich Kontakte zum Neuplatonismus ein (Apollinarios, Ba sileios, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa, Kyrill), und die Bekanntschaft mit aristotelischem Gedankengut, einschließlich Alexander von Aphrodisias, nimmt zu (Gregor von Nyssa, Diodor, Theodor von Mopsuestia, Kyrill). Dabei verändert sich der Stil der eigenen Argumentation, indem man sich von engen Bindungen an literarische Vorgaben wie Zitatsammlungen und Doxographien löst und eine freiere, mit philosophischen Sprachanleihen durchsetzte Darlegung des Gedan kengangs befolgt. Philosophische Lehren werden nicht mehr als etwas Außenste hendes aufgefasst, sondern sind bereitstehende Elemente, mit denen selbständig
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gearbeitet werden kann. Als philosophisches Leben wird nun auch häufig die christliche Askese der Mönche und Nonnen bezeichnet (vor allem von den Antio chenern, evtl. in Anknüpfung an den Kynismus), bisweilen zweistufig weiterge führt auf höherer Ebene in der theoretischen Erkenntnis (Euagrios). Der latei nischsprachige Westen bietet indessen ein anders nuanciertes Bild. Hier ist nach wie vor die wichtigste Referenzquelle Cicero, in zweiter Linie auch Seneca, und insgesamt wirkt die philosophie-kritische Einstellung Tertullians weiter. Mit Ma rius Victorinus tritt zwar der Neuplatonismus in den Gesichtskreis des Westens, aber paradoxerweise hat noch ein Ambrosius Anleihen am Neuplatonismus ge macht, um die Philosophie gerade zu neutralisieren. Erst Augustin ist es gelungen, den Widerstreit von ‘auctoritas’ und ‘ratio’ auf höherer Ebene zu versöhnen, was ihm ermöglichte, philosophische Positionen neu zu durchdenken und in eine christliche Gedankensynthese zu integrieren. Es sind aber auch Gregor von Nyssa und Augustin vor allen anderen gewesen, die genuin philosophische Fragen als philosophische Fragen um ihrer selbst willen aufgeworfen und eigenständig be antwortet haben (Gregor von Nyssa in Neudeutungen im Bereich der Hermeneu tik, der Epistemologie, der Kosmologie z. B des Materie-Begriffs u. a., Augustin im Zeitbegriff, in der Analyse des menschlichen Denkens und des Willens und in der Deutung des Problems des Selbstbewusstseins u. a.). Die größte Bedeutung für den Ausbau einer umfassenden christlichen Glau benslehre kommt indessen zweifellos der Festlegung derjenigen Dogmen zu, die allein im strengen Sinn die Alte Kirche hervorgebracht hat, der Trinitätslehre und der Christologie. Beiden Lehrentscheidungen gingen langjährige Phasen inner kirchlicher Diskussionen und Streitigkeiten voraus, in denen um die begriffliche Fixierung wie um den sachlichen Gehalt schwer gerungen wurde, was ohne den Einsatz philosophischer Hilfsmittel, unter besonderer Hilfestellung von Porphy rios’ Triadenlehre, gar nicht möglich gewesen wäre. Das Ergebnis, in philoso phisch-ontologischen Termini fixiert, ist denn auch nach der einen Seite hin wie ein philosophisches Dogma zu lesen. Doch bemerkenswert ist, dass im Vorfeld immer wieder sprachphilosophische Argumente in beiden Richtungen bestim mend geworden sind (Asterios, Eunomios, denen von orthodoxer Seite aristoteli sche Technologie, d. h. logische Haarspalterei und Spitzfindigkeit, vorgeworfen wird; Basileios, Gregor von Nyssa) und dass gerade die strengsten Verfechter der orthodoxen Lehre unbeschadet ihres Beharrens am Formelwerk des Dogmas ein Bewusstsein dafür entwickelten, dass der menschlichen Erkenntnis eine nicht überschreitbare Grenze gesetzt ist (Didymos, Basileios, Gregor von Nazianz, Gre gor von Nyssa, Kyrill). Das kann auf eine letztliche Ambivalenz deuten, dass die christlichen Dogmen sowohl als Zeugnis christlicher Metaphysik als auch als De struktion der platonischen Philosophie interpretiert werden können. 5. Die Spätzeit des antiken Christentums Es ist frappierend zu beobachten, wie die beiden weltanschaulichen Lager, die sich soeben noch in einem regelrechten Kulturkampf feindlich gegenüberstanden
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und zwischen denen auch weiterhin im philosophischen Schulbetrieb zumindest in Athen mehr oder weniger starke Spannungen herrschen, sich dennoch in die ser Spätzeit durch strukturelle Analogien aneinander angleichen. Ein Grund dafür dürfte sein, dass Christen zunehmend die höheren Bildungsmöglichkeiten nutzten und persönlich den philosophischen Unterricht an paganen Schulstätten aufsuchten, wie es für Aineias und Prokop von Gaza, Zacharias Scholastikos (in Alexandrien) oder Maximos den Bekenner (in Konstantinopel) belegt ist. Allent halben greifbar wird auf jeden Fall die professioneller werdende Art des Argu mentierens, indem nach den neuen Standards der schulphilosophischen Logik auf erhöhte Strenge und Präzision des Denkens geachtet wird. Die Diskussion, strikt rational ausgerichtet, wird deutlich technischer, gewissermaßen schon scholastisch auf immanente Systemkohärenz bedacht, und oft ohne explizite Schriftbezüge. Gleichzeitig reduziert sich das Spektrum der Arbeitsfelder, weil viele ältere F ragen nicht mehr als relevant empfunden werden und sich erübrigen, aber neue Fragen sich in den Vordergrund drängen. Tatsächlich ist die Aufgeschlossenheit groß, die neuesten Tendenzen des Neuplatonismus zu übernehmen, d. h. einen Unterbau der Logik und einen Überbau der Theologie. Man kann das Kennzeichen des späten Neuplatonismus in der vollständigen Systematisierung und konsequenten Vereinheitlichung nahezu aller philosophi schen Tradition in einer paganen, explizit so bezeichneten Theologie, der Theolo gie Platons, unter Einschluss der Offenbarungstexte der Orphik, des Homer, Py thagoras und der ‹Chaldäischen Orakel› sehen, einer philosophischen Theologie, die ihren religiös praktischen Vollzug in theurgischen und hieratischen Begehun gen findet, um einen überrationalen Zugang zum Göttlichen zu erlangen (Höhe punkt bei Proklos). Generell ist diese Entwicklung zur rituellen Begegnung mit dem Göttlichen gewiss auch aus dem kritischen Gegenüber zum Christentum zu erklären, aber einen religiösen Absolutheitsanspruch kennt der Neuplatonismus nicht. Der Aufbau des philosophisch-theologischen Systems im engeren Sinne durchmisst grob gesprochen zwei Bereiche, indem die Neuplatoniker Kommen tare und Abhandlungen zu den Werken von Aristoteles und zu Platon verfasst haben. Entsprechend wurde das Schulcurriculum so konzipiert, dass die Kom mentierung der Werke des Aristoteles als Einführung in das philosophische Stu dium diente und Vorlesungen über die Dialoge Platons mit dem Dialog ‹Parme nides› in Schlüsselposition zur Entfaltung der philosophischen Theologie folgten, wobei teils eher Porphyrios, teils eher Iamblichos maßgeblich waren. In jedem Fall bedingte das aber, dass die Harmonisierung von Platon und Aristoteles zielgerich tet bis zur wechselseitigen Transformierung fortgeführt wurde, worin man wiede rum neben anderen Motiven auch eine Reaktion auf die intransigenten Anklagen der Christen bezüglich innerer Widersprüche und Schulgegensätze sehen mag (So rabji 2004 [*825: I 2, 14]; skeptisch hingegen Morlet 2014 [*837: 180–193]). Es sind nun genau diese beiden Bereiche, in dem sich die Christen der Spätzeit mit paganer Philosophie beschäftigen. In Hinblick auf Aristoteles richtet sich einerseits ein besonderes Interesse auf die Aneignung der bis vor kurzem noch kritisch beargwöhnten aristotelischen Logik. Als ein untrügliches und neutrales Arbeitsinstrument wird sie nun weithin geschätzt und intensiv genutzt (in mehre
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ren der ps.-justinischen Traktate), zumal in der Deutung durch Porphyrios. In der neuplatonischen Kommentierung der aristotelischen Schriften war dem ‹Orga non› die Einführungsschrift ‹Isagoge› von Porphyrios vorangestellt, in der dieser die von Plotin abgelehnten aristotelische Kategorien in einer auf fünf Prädikabi lien zur Beschreibung des Seienden reduzierten Version für die schulphilosophi sche Lehrentfaltung gesichert hatte. Diese Deutung ist bei den Christen die herr schende geworden. Sie ist erkennbar bei Leontios von Byzanz, sie bestimmt die ‹Dialectica›, ein Handbuch der philosophischen Grundbegriffe, des Johannes von Damaskus. Die ‹Isagoge› ist in Verbindung mit den Schriften des ‹Organon›, teils auch separat, von Marius Victorinus und Boethius übersetzt und kommentiert worden, so dass man im lateinischen Mittelalter von den ‘quinque voces’ bzw. der ‘arbor Porphyriana’ spricht. Desgleichen wirkt im syrischen Sprachbereich das Konzept der alexandrinischen Neuplatoniker in der Kommentierung der aristo telischen ‹Kategorienschrift› durch Sergios von Reš‘aynā, der in Alexandrien bei Ammonios Hermeiou und Johannes Philoponos studiert hatte, und in den logi schen Schriften der späteren Syrer (Paul, Proba, u. a.) nach. Andererseits werden mithilfe genau dieser schon technisch-scholastisch wir kenden Arbeitsinstrumente die Grundannahmen der aristotelischen Kosmologie und Metaphysik auf strikt rationalem Weg zurückgewiesen. Unter den ps.-justini schen Traktaten finden sich drei, die zum Teil unter wörtlicher Aristoteles-Zitie rung die These von der Ungeschaffenheit der Materie und der Ewigkeit der Welt (inklusive der Ewigkeit der Himmelsbewegungen, der Zeit usw.) ohne biblischdogmatische Rekurse philosophisch-rational widerlegen. Die christliche Perspek tive wird freilich in dem Zentralvorwurf gegen Aristoteles, dass er nicht klar genug zwischen Gott, der Erstursache, und den von ihm geschaffenen Dingen un terschieden habe, ersichtlich. Dieselbe Kritik lanciert Zacharias Scholastikos, selbst Schüler des Ammonios Hermeiou, in seinem ‹Ammonios› betitelten Dia log (ebenso berührt bei Aineias von Gaza). Doch den stärksten Stoß versetzte der aristotelischen Weltewigkeitslehre nicht ein Theologe oder ein Bischof, sondern ein exponierter Fachphilosoph in Alexandrien: Johannes Philoponos, ebenfalls Schüler des Ammonios Hermeiou. Philoponos, der im großen Umfang Aristoteles kommentierte, bricht mit dem Grundaxiom des späten Neuplatonismus von der Harmonie zwischen Platon und Aristoteles und stellt damit die absolute Autori tät der großen Schulgründer infrage. Er arbeitet mit aristotelischen Vorgaben, um zu zeigen, dass im Zentrum dessen Denkens innere Widersprüche auszumachen seien, weshalb die bis dahin gültigen Grundpositionen der neuplatonischen Na turphilosophie, gipfelnd in der Lehre von der Ewigkeit der Welt, hinfällig würden. Damit wendet er sich namentlich gegen den Hauptrepräsentanten des Neuplato nismus, gegen Proklos. Seine wichtigsten eigenen Beiträge sind die Einführung der Impetus-Theorie, mit deren Hilfe er die aristotelische Lehre des Äthers sowie dessen Konzeption der Ewigkeit von Zeit und Bewegung außer Kraft setzt, sowie das Postulat der dreidimensional-körperlichen Ausdehnung, das er gegen die An nahme einer ersten, formlosen Materie stellt, mit weiteren Implikationen für die Definition von Ort und Raum und die Gesetzmäßigkeit der Fallbewegung. Weiteres könnte genannt werden wie seine Opposition gegen die aristotelische Lichttheorie.
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Philoponos war Christ. Auch wenn seine rein philosophische Argumentations weise keinen christlichen Einschlag aufweist (abgesehen von den theologischen Schriften, möglicherweise hat er aber Anregungen von Gregor von Nyssa aufge nommen und weitergeführt), so konnten seine Werke die Gewissheit vermitteln, dass der biblisch-christliche Schöpfungsglaube nicht mit den neuesten Erkennt nissen der Naturphilosophie im Widerstreit stehen müsse. Dazu dient speziell seine Auslegung des Hexaëmeron in ‹De opificio mundi›. Der andere durch die philosophische Konzeption des Neuplatonismus vorgege bene Bereich, in dem sich die Christen der Spätzeit mit paganer Philosophie be schäftigen, ist auf der höheren philosophisch-theologischen Ebene die platonische Tradition. In derselben nüchternen, fast technisch-scholastisch wirkenden Arbeits weise wird bisweilen Kritik gegen die neuplatonische Seelenlehre vorgetragen (Aineias von Gaza im Dialog ‹Theophrast›); es wird Einspruch erhoben gegen die Theurgie Julians, die Proklos ausgelegt habe (Prokop von Gaza; ähnlich auch Philoponos; Reaktion auf Julian auch in einem der ps.-justinischen Traktate), oder es wird eine vorsichtige Distanzierung von einer ontologisch aufgeladenen Theo rie des Bildes vorgenommen (Johannes von Damaskus). Viel bedeutender indes sen als all dies ist die positive Inanspruchnahme von neuplatonischen Konzepten, die dem Aufbau einer geschlossenen christlichen Metaphysik dienlich wurde. Das ‹Corpus Areopagiticum› entwirft eine geschlossene philosophische Gesamt wissenschaft der christlichen Offenbarungsreligion. Theologisch den Kappadoki ern verpflichtet, stützt es sich wesentlich, aber nicht ausschließlich auf Proklos’ Metaphysik der Monade des Seins und deren Emanationen und Remanationen, um die ‘himmlischen’ und ‘kirchlichen Hierarchien’ des christlichen Universums als jeweils sowohl monadischer als auch triadischer Seinsstufungen einer zeitlosen Entfaltung des Göttlichen in die Vielfalt und der gleichfalls zeitlosen Rückkehr zur göttlichen Einfalt darzustellen. Das Werk, das eine komplette Verschmelzung von Christentum und Neuplatonismus beinhaltet und für einen konfliktfreien Umgang mit den paganen Religionen wirbt, hat, nachdem seine vermeintliche Authentizi tät gesichert war, weithin wie ein Manifest gewirkt. Philoponos, Leontios von By zanz, Maximos der Bekenner, Johannes von Damaskus und viele Spätere haben dem Verfasser in hohen Tönen Lob gespendet; gleichsam einen Siegeslauf trat das Corpus an, als es in den Westen gelangte und dort sogleich zweimal übersetzt wurde. Es ist in diesem Zusammenhang auch daran zu erinnern, dass im s yrischen Osten Sergios von Rešʻaynā das ‹Corpus Dionysiacum›, kaum dass es erschienen war, ins Syrische übersetzt und offenbar als Höhepunkt des dortigen Studiengangs angesetzt hat, entgegen der ihm aus Alexandrien geläufigen Abfolge, wonach auf das Studium der aristotelischen Logik die Theologie Platons folgen sollte. Etwa gleichzeitig entstand im lateinischen Westen Boethius’ ‹Philosophiae con solatio›, ein Werk, das sich durch seine kompositorische Geschlossenheit und logische Stringenz in einzigartiger Weise auszeichnet. Anlässlich der Erfahrung seines politischen Scheiterns versucht Boethius darin die existentiellen Grund fragen nach dem höchsten Gut, nach dem Bösen in der Welt, nach der göttlichen Vorsehung und der menschlichen Willensfreiheit im philosophischen Dialog mit der personifizierten ‘Philosophia’ zu beantworten. Trost spendet ihm letzten
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Endes die Vergewisserung des ‘ordo’-Konzeptes gemäß der philosophischen Tra dition. Entsprechend sind als gedankliche Hintergründe stoische Elemente aus der Konsolationsliteratur, aristotelisches Gut und vor allem der Neuplatonismus eines Proklos und Ammonios Hermeiou, natürlich auch die platonischen Dialoge selbst, erkennbar. Demgegenüber treten christliche Bezüge, wenigstens soweit es sich um biblische Zitate oder Anspielungen handelt, fast völlig zurück, während gewisse dogmatisch befremdliche Lehren durchaus anzuklingen scheinen, aber anderer seits viele Berührungen mit Augustin zu registrieren sind, die im Einzelnen auch über den gemeinsamen neuplatonischen Fundus hinausgehen. Insofern kann auch dieses Werk als ein Zeugnis gelesen werden, wie neuplatonisches Gedankengut mit dem Christentum als konvergierend und nahezu als deckungsgleich angesehen werden konnte. Boethius hat damit einen im Mittelalter breit rezipierten philosophischen Text geschaffen, der sogar ins Griechische übersetzt worden ist, wie denn auch seine theologischen Schriften durch die rationale, terminologisch an Aristoteles geschulte Behandlung des christlichen Dogmas Vorbildcharakter für die Scholastik erlangten. Auch Maximos der Bekenner, der bedeutendste christliche Theologe des 7. Jahr hunderts, hat eine universale Gesamtschau christlicher Metaphysik entfaltet, die einerseits entsprechend dem neuen Standard durch die an Aristoteles geschulte Strenge und Präzision des Denkens hervorsticht und die andererseits wesentliche Anregungen der Areopagitischen Schriften sowie Gedankenelemente von Gregor von Nyssa und Euagrios Pontikos aufnimmt. Indem Maximos das dionysische Sys tem der Emanationen und Remanationen auf die geschaffene Natur der sinnlich wahrnehmbaren Welt überträgt, bringt er den in der Weltbetrachtung stufenhaft geschehenden Aufstieg vom Sinnlichen zum Geistigen und Göttlichen zur Geltung, der auf das letzte Ziel der Vergöttlichung ausgerichtet ist. In diesem Dreischritt von Werden, Bewegung und Ruhe (γένεσις, κίνησις und στάσις) nimmt die chalke donensische Christologie mit ihrer antithetischen Formel des ‘ungetrennt und un vermischt’ die Zentralstelle ein, aus der sich weitreichende Konsequenzen für die ontologische Bestimmung der Individuation wie ‘Wesen und Dasein’, ‘Sein und Person’, ‘Natur und Hypostase’ oder der Willensthematik ergeben. Maximos hat (wie auch Johannes von Damaskus) tief in die byzantinische Theologie und Philo sophie hineingewirkt und dadurch, dass einige seiner Werke ins Lateinische über setzt wurden, hat er auch die mittelalterliche Scholastik beeinflusst. Beachtenswert ist schließlich, dass dieselbe Sammlung von sechs Definitionen der Philosophie, die auf die alexandrinische Kommentierung der ‹Isagoge› des Por phyrios bei Ammonios Hermeiou zurückgeht, sich parallel wiederfindet bei Joh. D. Dialect. 3 und bei Cassiod. Inst. 2,3,5 und auch im syrischen Bereich bekannt ist (Hein 1985 [*814: 86–130]) – ein Denkmal für die von den Neuplatonikern ini tiierte Vereinheitlichung und Geschlossenheit der philosophischen Tradition, die auch auf diese Weise noch einmal ins Mittelalter und nach Byzanz vorausweist und bis in die islamische Philosophie reicht. Deshalb steht am Ende der Spätantike nicht das Erlöschen der Philosophie, sondern ihr Übergang in neue Kulturkreise.
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104 BIBLIOGRAPHIE ZUM ERSTEN KAPITEL Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche [*1–*25]; Philosophische Quellenlage für kaiserzeitliche und spätantike Autoren [*31–*52]; Anknüpfung an die Schultradition [*58–*71]; Institutionelle Rahmen bedingungen [*76–*611]; Philosophische Leitideen [*612–*640]; Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung und Methoden der Textinterpretation in historischer Perspektive [*645–*803]; Verwendbarkeit philosophischer Konzepte für jüdische, christliche und gnostische Theo logien [*807–*838].
Zeitlicher Rahmen und Grundzüge der Epoche 1 E. Gibbon: The History of the Decline and Fall of the Roman Empire, I–VI (London 1776– 1788). 2 J. Burckhardt: Die Zeit Constantins des Großen (Basel 1853). 3 H. Jonas: Gnosis und spätantiker Geist. Teil 1: Die mythologische Gnosis. Mit einer Einfüh rung zur Geschichte und Methodologie der Forschung (Göttingen 1934) [Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 51]. 4 S. Sambursky: The Physical World of Late An tiquity (London 1962). 5 E. R. Dodds: Pagan and Christian in an Age of Anxiety (Cambridge 1965). 6 W. Beierwaltes: Platonismus und Idealismus (Frankfurt a. M. 1972, 22004) [Philosophische Abhandlungen 40]. 7 G. Lloyd, E. Richard: Greek Science after Aristotle (New York 1973) [Ancient Culture and Society]. 8 Ch. Gnilka: XΡHΣIΣ/Chrêsis. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kul tur, I–II (Basel 1984–1993). 9 J. van Oort: Jerusalem and Babylon. A Study of Augustine’s City of God and the Sources of His Doctrine of the Two Cities (Leiden, Boston 1991) [VChr Suppl. 14]. 10 C. Colpe: Spätantike und Christentum. Bei träge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit (Berlin 1992). 11 R. Duncan-Jones: Money and Government in the Roman Empire (Cambridge 1994). 12 M. Fuhrmann: Rom in der Spätantike. Porträt einer Epoche (München, Zürich 1994). 13 R. Thiel: Simplikios und das Ende der neupla tonischen Schule in Athen (Stuttgart 1999) [AAWM 1999, Nr. 8].
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14 B. Mojsisch, O. F. Summerell: Platonismus im Idealismus. Die platonische Tradition in der klassischen Deutschen Philosophie (München, Leipzig 2003). 15 D. J. O’Meara: Platonopolis. Platonic Political Philosophy in Late Antiquity (Oxford 2003). 16 The Philosophy of the Commentators: 200– 600 AD. A Sourcebook, edited by R. Sorabji, I–III (London 2004). 17 Ch. Markschies: Das antike Christentum: Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen (München 2006) [Beck’sche Reihe 1692]. 18 M. Trapp: Philosophy in the Roman Empire. Ethics, Politics and Society (Aldershot 2007) [Ashgate Ancient Philosophy Series]. 19 A. Demandt: Geschichte der Spätantike: Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian 284–565 n. Chr. (München 22008) [Beck’s his torische Bibliothek]. 20 M. Tuominen: The Ancient Commentators on Plato and Aristotle (Stocksfield 2009) [Ancient Philosophies 6]. 21 E. De Palma Digeser: The Rhetoric of Power in Late Antiquity: Religion and Politics in By zantium, Europe and the Early Islamic World (London 2010) [Library of Classical Studies 2]. 22 G. Clarke: Late Antiquity. A Very Short Intro duction (Oxford 2011) [Very Short Introduc tions 258]. 23 C. Addey: Divination and Theurgy in Neopla tonism: Oracles of the Gods (Farnham 2014) [Ashgate Studies in Philosophy & Theology in Late Antiquity]. 24 I. Hadot: Athenian and Alexandrian Neoplato nism and the Harmonization of Aristotle and Plato (Leiden, New York 2014) [SPNPT 18]. 25 Platonic Theories of Prayer, edited by J. Dillon, A. Timotin (Leiden, Boston 2016) [SPNPT 19].
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Anknüpfung an die Schultradition
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Philosophische Quellenlage für kaiserzeitliche und spätantike Autoren 31 J. von Arnim: Stoicorum veterum fragmenta. I: Zeno et Zenonis discipuli (Leipzig 1903) [Sammlung wissenschaftlicher Commentare]. 32 C. Wendel: Die erste kaiserliche Bibliothek in Konstantinopel, in: Zentralblatt für Biblio thekswesen 59 (1942) 193–209. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften zum antiken Buch- und Bibliothekswesen (Köln 1974) 46–63. 33 C. Wendel: Bibliothek, in: RAC 2 (1954) 231–274. 34 H. Chadwick: Florilegium, in: RAC 7 (1969) 1131–1160. 35 H. Dörrie: Die geschichtlichen Wurzeln des Platonismus. Bausteine 1–35: Text, Überset zung, Kommentar (Stuttgart/Bad Cannstatt 1987) [Der Platonismus in der Antike 1]. 36 Aristotelis Opera. III: Librorum deperditorum fragmenta, collegit et annotationibus instruxit O. Gigon (Berolini, Novi Eboraci 1987). 37 H. Blanck: Das Buch in der Antike (München 1992) [Beck’s Archäologische Bibliothek]. 38 P. Donini: Testi e commenti, manuali e inse gnamento: la forma sistematica e i metodi della filosofia in età postellenistica, in: ANRW II 36,7 (1994) 5027–5100. 39 E. Pöhlmann: Einführung in die Überliefe rungsgeschichte und in die Textkritik der anti ken Literatur. I: Altertum (Darmstadt 1994). 40 L. Casson: Libraries in the Ancient World (New Haven, London 2001). 41 J. Irigoin: Le livre grec des origines à la Re naissance (Paris 2001). 42 G. Betegh: On Eudemus fr. 150 (Wehrli), in: Eudemus of Rhodes, edited by I. Bodnár, W. M. Fortenbaugh (New Brunswick NJ, London 2002) [Rutgers University Studies in Classical Humanities 11] 337–357. 43 O. Primavesi: Lecteurs antiques et byzantins d’Empédocle. De Zénon à Tzétzès, in: Qu’estce que la Philosophie Présocratique? What is
Presocratic Philosophy?, édité par A. Laks, C. Louguet (Villeneuve d’Ascq 2002) [Cahiers de philologie 20] 183–204. 44 Ancient Approaches to Plato’s Timaeus, edited by R. W. Sharples, A. Sheppard (London 2003) [BICS Suppl. 78]. 45 J.-B. Gourinat: La disparition et la reconstruc tion du stoicisme: éléments pour une histoire, in: Les Stoïciens, sous la direction de G. Romeyer Dherbey, J.-B. Gourinat (Paris 2005) [Biblio thèque d’histoire de la philosophie] 13–28. 46 Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance / Plato’s Timaeus and the foundations of cosmo logy in Late Antiquity, the Middle Ages and Renaissance, edited by Th. Leinkauf, C. Steel (Leuven 2005) [Ancient and Medieval Philoso phy, Series 1, 34]. 47 O. Primavesi: Empedokles ‹Physika› I. Eine Rekonstruktion des zentralen Gedankengangs (Berlin 2008) [Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete, Beiheft 22]. 48 Galien: Ne pas se chagriner. Texte établi et tra duit par V. Boudon-Millot, J. Jouanna, A. Pie trobelli (Paris 2010) [CUF]. 49 G. Betegh: The Transmission of Ancient Wis dom: Texts, Doxographies, Libraries, in: Ger son 2010 [*638: I 25–38]. 50 M. Hatzimichali: The Texts of Plato and Aris totle in the First Century BC, in: Aristotle, Plato and Pythagoreanism in the First Century BC, edited by M. Schofield (Cambridge 2013) 1–27. 51 H. Bottler: Pseudo-Plutarch und Stobaios: Eine synoptische Untersuchung (Göttingen 2014) [Hypomnemata 198]. 52 G. W. Houston: Inside Roman Libraries: Book Collections and their Management in Anti quity (Chapel Hill 2014) [Studies in the History of Greece and Rome].
Anknüpfung an die Schultradition 58 W. Burkert: Lore and Science in Ancient Pytha goreism (Cambridge MA 1972). 59 J. Althoff: Zur Epikurrezeption bei Laktanz, in: Zur Rezeption der hellenistischen Philoso phie in der Antike. Akten der 1. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 22.– 25. September 1997 in Trier, herausgegeben von M. Erler, Th. Fuhrer (Stuttgart 1999) [PhdA 9] 33–54.
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60 T. Dorandi: Chronology, in: The Cambridge History of Hellenistic Philosophy, edited by J. Barnes, J. Mansfeld, M. Schofield (Cambridge 1999) 31–54. 61 T. Dorandi: Organization and Structure of the Philosophical Schools, in: The Cambridge His tory of Hellenistic Philosophy, edited by J. Bar nes, J. Mansfeld, M. Schofield (Cambridge 1999) 55–62.
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Bibliographie zum ersten Kapitel
62 M. Erler: Hellenistische Philosophie als ‘prae paratio Platonica’ in der Spätantike (am Bei spiel von Boethius’ Consolatio philosophiae), in: Zur Rezeption der hellenistischen Philoso phie in der Antike. Akten der 1. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 22.– 25. September 1997 in Trier, herausgegeben von M. Erler, Th. Fuhrer (Stuttgart 1999) [PhdA 9] 105–122. 63 J. Kany-Turpin: Lactance, un critique més estimé de l’épicurisme, in: Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stif tung vom 30. September – 3. Oktober in Würz burg, herausgegeben von M. Erler (Stuttgart 2000) [PhdA 11] 218–230. 64 D. J. O’Meara: Epikur bei Simplikios, in: Epiku reismus in der späten Republik und der Kaiser zeit. Akten der 2. Tagung der Karl-undGertrud-Abel-Stiftung vom 30. September – 3. Oktober in Würzburg, herausgegeben von M. Erler (Stuttgart 2000) [PhdA 11] 243–251.
65 R. Herzog: Spätantike. Studien zur römischen und lateinisch-christlichen Literatur (Göttin gen 2002) [Hypomnemata, Suppl.-Reihe 3]. 66 O. Primavesi: Ein Blick in den Stollen von Skepsis. Vier Kapitel zur frühen Überlieferung des Corpus Aristotelicum, in: Philologus 151 (2007) 51–77. 67 R. W. Sharples: Peripatetic Philosophy 200 BC to AD 200. An Introduction and Collection of Sources in Translation (Cambridge 2010). 68 C. Steel: Plato as seen by Aristotle (Metaphy sics A 6), in: Aristotle’s Metaphysics Alpha, Chapt. 6, edited by O. Primavesi, C. Steel (Ox ford 2012) [Symposium Aristotelicum] 167– 200. 69 H. Flashar: Aristoteles – Lehrer des Abendlan des (München 2013). 70 M.-O. Goulet-Cazé: Cynisme et christianisme dans l’Antiquité (Paris 2016). 71 Ch. Kreuzwieser: Der Begriff natura und seine ethische Relevanz in Senecas Prosaschriften (Mainz 2016).
Institutionelle Rahmenbedingungen
Primärquellen 76 J. Bueus: Vita S. Gisleni Confessoris, Autore anonymo, in: Acta Sanctorum Octobris, ex La tinis & Graecis, aliarumque gentium Monu mentis, servata primigenia veterum scriptorum phrasi, collecta, digesta, commentariisque & observationibus illustrata a C. Suyskeno P. M. et al., IV (Bruxellis 1780) 1030–1035. 77 The Collection of Ancient Greek Inscriptions in the British Museum. IV,1: Knidos, Hali karnassos and Branchidae, edited by G. Hirschfeld; IV,2: Supplementary and Miscella neous Inscriptions, edited by F. H. Marshall (Oxford 1893–1916). 78 Die von Guidi herausgegebene Syrische Chro nik, übersetzt und commentiert von T. Nöldeke (Wien 1893). 79 Die Inschriften von Pergamon. II: Römische Zeit – Inschriften auf Thon, herausgegeben von M. Fränkel unter Mitwirkung von E. Fa bricius, C. Schuchhardt (Berlin 1895) [Altertü mer von Pergamon VIII,2].
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80 Carmina Latina Epigraphica, conlegit F. Bue cheler, I–II (Lipsiae 1895–1897) [Anthologia latina sive poesis latinae suppl., pars posterior]. 81 Epische und elegische Fragmente, bearbeitet von W. Schubart, U. von Wilamowitz-Moellen dorff, mit einem Beitrage von F. Buecheler (Berlin 1907) [Berliner Klassikertexte, Heft V: Griechische Dichterfragmente, erste Häfte]. 82 P. M. Meyer: Griechische Papyrusurkunden der Hamburger Staats- und Universitätsbiblio thek, I,1–3 (Leipzig, Berlin 1911–1924). 83 J. Maspero: Horapollon et la fin du paganisme égyptien, in: Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale 11 (1914) 163–195. 84 J. Maspero: Papyrus grecs d’époque byzantine. III: Nos 67279–67359 (Le Caire 1916) [Cata logue général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire 73]. 85 Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus. Epistolae selectae in usum scholarum ex Mo numentis Germanicae historicis separatim edi tae, edidit M. Tangl (Berlin 1916).
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Institutionelle Rahmenbedingungen
86 Inscriptions latines de l’Algérie. I: Inscrip tions de la Proconsulaire, recueillies et pu bliées par S. Gsell (Paris 1922). 87 A. Wilhelm: Attische Urkunden, III (Wien, Leipzig 1925). – Wieder in: Ders.: Akade mieschriften zur griechischen Inschriften kunde (1895–1951). Teil 1: Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde: Attische Ur kunden (Leipzig 1974) 463–524. 88 J. Baillet: Inscriptions grecques et latines des tombeaux des rois ou syringes à Thèbes (Le Caire 1926) [Mémoires publiés par les membres de l’Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire 42]. 89 F. Bilabel: Sammelbuch Griechischer Urkun den aus Ägypten, III (Berlin, Leipzig 1926). 90 R. Herzog: Urkunden zur Hochschulpolitik der römischen Kaiser, in: SPrAW, phil.-hist. Klasse 32 (1935) 967–1019. 91 Fontes Iuris Romani Antejustiniani, pars al tera, edidit notisque illustravit J. Baviera. Libri syro-romani interpretationem a C. Ferrini con fectam castigavit iterum edidit novis adnota tionibus instruxit J. Furlani (Florentiae 1940). 92 W. Peek: Attische Inschriften, in: Mitteilun gen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung 67 (1942) 1–217. 93 Tituli Lyciae linguis Graeca et Latina con scripti. III: Regiones montanae a valle Xanthi fluminis ad oram Orientalem, enarravit E. Kalinka (Vindobona 1944) [Tituli Asiae Mi noris II,3]. 94 B. D. Meritt: Greek Inscriptions, in: Hesperia 15 (1946) 167–253. 95 R. Flacelière: Inscriptions de la terrasse du temple et de la région nord du sanctuaire, Nos 87 à 275 (Paris 1954) [Fouilles de Delphes III: Épigraphie, fascicule IV]. 96 M. H. Chéhab: Mosaïques du Liban. Texte (Paris 1957). 97 M. H. Chéhab: Mosaïques du Liban. Planches (Paris 1959). 98 L. Jalabert, R. Mouterde: Inscriptions g recques et latines de la Syrie. V: Émésène, Nos 1998–2710 (Paris 1959) [Bibliothèque a rchéologique et historique 56]. 99 E. Heitsch: Die griechischen Dichterfrag mente der römischen Kaiserzeit, I (Göttingen 1961, ²1963) [AAWG, 3. Folge, Band 49]. 100 O. Lampsides: Ἀνέκδοτα ὑμνογραφικὰ ἔργα Ἰωάννου τοῦ Εὐγενικοῦ, in: Νέον Ἀϑήναιον 5 (1964–1966) 5–26. 101 Mas‘ūdī: Les prairies d’or, II. Traduction française de B. de Meynard, P. de Courteille, revue et corrigée par C. Pellat (Paris 1965).
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102 J. H. Kent: Corinth, VIII,3: The Inscriptions 1926–1950 (Princeton 1966). 103 Mas‘ūdī: Les prairies d’or, II. Édition par B. de Meynard, P. de Courteille, revue et corri gée par C. Pellat (Beyrouth 1966). 104 A. N. Sherwin-White: The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary (Oxford 1966). 105 J.-P. Rey-Coquais: Inscriptions grecques et la tines de la Syrie. VI: Baalbek et Beqa‘, Nos 2711–3017 (Paris 1967) [Bibliothèque archéo logique et historique 78]. 106 L. Moretti: Inscriptiones Graecae Urbis Romae, fasc. I (1–263) (Roma 1968) [Studi pubblicati dall’Istituto Italiano per la Storia Antica 17]. 107 R. Rau: Briefe des Bonifatius – Willibalds Leben des Bonifatius, nebst einigen zeitge nössischen Dokumenten. Unter Benützung der Übersetzungen von M. Tangl und P. H. Külb (Darmstadt 1968). 108 H. D. Saffrey, L. G. Westerink: Introduction, in: Proclus: Théologie platonicienne. Texte établi et traduit par H. D. Saffrey, L. G. Wes terink, I (Paris 1968) [CUF] IX–CLXV. 109 D. Peppa-Delmousou: Ἐπιγραφαὶ ἐκ τοῦ Ἐπιγραφικοῦ Μουσείου, in: Ἀρχαιολογικὸν Δελτίον 25A (1970) 191–203. 110 J. C. Balty: Nouvelles mosaïques païennes et groupe épiscopal dit «cathédrale de l’Est» à Apamée de Syrie, in: Comptes rendus de l’Académie des inscriptions et belles-lettres (1972) 103–127. 111 J.-P. Rey-Coquais: Inscriptions grecques d’Apamée, in: Annales archéologiques arabes syriennes 23 (1973) 39–84. 112 T. L. Shear Jr.: The Athenian Agora: Excava tions of 1971, in: Hesperia 42 (1973) 121–179. 113 T. L. Shear Jr.: The Athenian Agora: Excava tions of 1972, in: Hesperia 42 (1973) 359–407. 114 An Alexandrian Platonist against Dualism: Alexander of Lycopolis’ Treatise ‹Critique of the Doctrines of Manichaeus›, translated, with an Introduction and Notes by P. W. van der Horst, J. Mansfeld (Leiden 1974). 115 S. Şahin: Katalog der antiken Inschriften des Museums Iznik (Nikaia) / İznık Müzesı antık yazitlar kataloğu (Deutsch – Türkisch). Teil (Kisim) I: Nr. 1–633 (Stadtgebiet und die nächste Umgebung der Stadt) / (Şehır va yakin çevresı) (Bonn 1979) [Inschriften grie chischer Städte aus Kleinasien 9]. 116 Die Inschriften von Ephesos. Teil III: Nr. 600–1000 (Repertorium), herausgegeben von H. Engelmann, D. Knibbe, R. Merkelbach;
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Bibliographie zum ersten Kapitel
Teil VII,2: Nr. 3501–5115 (Repertorium), her ausgegeben von R. Meriç, R. Merkelbach, J. Nollé, S. Şahin (Bonn 1980–1981) [Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 13, 17,2]. 117 L. G. Westerink: Elias on the Prior Analytics, in: Ders.: Texts and Studies in Neoplatonism and Byzantine Literature. Collected Papers (Amsterdam 1980) 59–72. – Zuerst erschie nen in: Mnemosyne 14 (1961) 126–139. 118 Tituli Lydiae linguis Graeca et Latina con scripti. I: Regio septentrionalis ad Orientem vergens, schedis ab I. Keil elaboratis usus enarravit P. Herrmann (Vindobona 1981) [Ti tuli Asiae Minoris V,1]. 119 D. Knibbe: Quandocumque quis trium viro rum rei publicae constituendae …: Ein neuer Text aus Ephesos, in: ZPE 44 (1981) 1–10. 120 D. Knibbe, B. İplіkçіoğlu: Neue Inschriften aus Ephesos VIII, in: Jahreshefte des Öster reichischen Archäologischen Instituts 53 (1981–1982) 87–150. 121 Menae patricii cum Thoma referendario De scientia politica dialogus. Iteratis curis quae exstant in codice Vaticano palimpsesto, edidit C. M. Mazzucchi (Milano 1982, ²2002). 122 Johannes von Damaskos. Philosophische Ka pitel, eingeleitet, übersetzt und mit Erläute rungen versehen von G. Richter (Stuttgart 1982) [BGrL 15]. 123 K. Bringmann: Edikt der Triumvirn oder Se natsbeschluß? Zu einem Neufund aus Ephe sos, in: EA 2 (1983) 47–76. 124 Origène: Philocalie 1–20. Sur les Écritures. Introduction, texte, traduction et notes par M. Harl; La Lettre à Africanus sur l’histoire de Suzanne. Introduction, texte, traduction et notes par N. de Lange (Paris 1983) [SC 302]. 125 L. G. Westerink, J. Trouillard: Introduction, in: Prolégomènes à la philosophie de Platon. Texte établi par L. G. Westerink, traduit par J. Trouillard avec la collaboration de A. P. Se gonds (Paris 1990) [CUF] VII–XCIII. 126 J. Dillon: Introduction, in: Alcinous: The Handbook of Platonism, translated with an Introduction and Commentary by J. Dillon (Oxford 1993) [Clarendon Later Ancient Phi losophers] IX–XLIII. 127 F. Prévot: Deux fragments de l’épitaphe de Si doine Apollinaire découverts à ClermontFerrand, in: Antiquité Tardive 1 (1993) 223–229. 128 P. Lettinck: Philoponus: On Aristotle Physics 5–8, in: Philoponus: On Aristotle Physics 5–8 with Simplicius: On Aristotle on the Void,
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translated by P. Lettinck, J. O. Urmson (Lon don 1994) [ACA] 1–156. 129 A. Carlini: Commentarium in Platonis «Phae donem» (?), in: Corpus dei Papiri Filosofici greci e latini (CPF). Testi e lessico nei papiri di cultura greca e latina, parte III: Commen tari (Firenze 1995) 203–220. 130 Simplicius: Commentaire sur le Manuel d’Épictète. Introduction et édition critique du texte grec par I. Hadot (Leiden, New York 1996) [PhA 66]. 131 F. Prévot: Recueil des inscriptions chrétiennes de la Gaule antérieures à la Renaissance caro lingienne. VIII: Aquitaine première (Paris 1997). 132 Steinepigramme aus dem griechischen Osten, herausgegeben von R. Merkelbach, J. Stau ber, I–V (München, Leipzig 1998–2004). 133 Damascius: The Philosophical History. Text with Translation and Notes by P. Athanassiadi (Athens 1999). 134 Die Inschriften von Perge. Teil I: Vorrömische Zeit, frühe und hohe Kaiserzeit, herausgege ben von S. Şahin (Bonn 1999) [Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 54]. 135 F. Tissoni: Cristodoro. Un’introduzione e un commento (Alessandria 2000) [Hellenica 6]. 136 J. Barnes: Introduction, in: Porphyry: Intro duction, translated, with a Commentary by J. Barnes (Oxford 2003) [Clarendon Later An cient Philosophers] IX–XXIV. 137 P. Herrmann, H. Malay: Statue Bases of the Third Century A.D. from Smyrna, in: EA 36 (2003) 1–11. – Wieder in: Ders.: Kleinasien im Spiegel epigraphischer Zeugnisse. Ausge wählte kleine Schriften, herausgegeben von W. Blümel (Berlin, New York 2016) 503–514. 138 A. Chaniotis: New Inscriptions from Aphro disias (1995–2001), in: American Journal of Archaeology 108 (2004) 377–416. 139 S. Conti: Die Inschriften Kaiser Julians (Stuttgart 2004). 140 A. M. Silvas: The Asketikon of St Basil the Great (Oxford 2005) [OECS]. 141 H. Schulte: Paralipomena Cycli. Epigramme aus der Sammlung des Agathias. Text, Über setzung, Kommentar (Trier 2006) [Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium 73]. 142 La matière des choses. Le livre IV des Météo rologiques d’Aristote et son interprétation par Olympiodore avec le texte grec révisé et une traduction inédite de son Commentaire au Livre IV par C. Viano (Paris 2006) [Tradi tion de la pensée classique].
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Institutionelle Rahmenbedingungen
143 P. Cugusi: Per un nuovo corpus dei Carmina Latina Epigraphica. Materiali e discussioni. Con un’appendice sul Lusus anfibologico sugli idionimi, a cura di M. T. Sblendorio C ugusi (Roma 2007) [Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Classe di Scienze Mo rali, Storiche e Filologiche. Memorie, serie 9, vol. 22, fasc. 1]. 144 J. Reynolds, C. Roueché, G. Bodard: Inscrip tions of Aphrodisias (2007). – Online unter: http://insaph.kcl.ac.uk/iaph2007 (Stand: Juli 2018). 145 M. Caprara: Horapollo, in: Corpus dei Papiri Filosofici greci e latini (CPF). Testi e lessico nei papiri di cultura greca e latina, parte I,2: Cultura e filosofia (Galenus – Isocrates) (Fi renze 2008) 234–241. 146 Three Political Voices from the Age of Justi nian: Agapetus, Advice to the Emperor; Dia logue on Political Science; Paul the Silentiary, Description of Hagia Sophia, translated with an Introduction and Notes by P. N. Bell (Liver pool 2009) [Translated Texts for Historians 52]. 147 Justin, Philosopher and Martyr: Apologies, edited with a Commentary on the Text by D. Minns, P. Parvis (Oxford 2009) [OECT]. 148 G. Schmeling: A Commentary on the Satyrica of Petronius, with the collaboration of A. Se taioli (Oxford 2011). 149 Aeneas of Gaza: Theophrastus, translated by J. Dillon, D. Russell with Zacharias of Myti lene: Ammonius, translated by S. Gertz (Lon don, New York 2012) [ACA]. 150 M. Becker: Eunapios aus Sardes. Biographien über Philosophen und Sophisten. Einleitung, Übersetzung, Kommentar (Stuttgart 2013) [Roma Aeterna 1]. 151 P. Kalligas: The Enneads of Plotinus: A Com mentary, I, translated by E. Key Fowden, N. Pilvachi (Princeton, Oxford 2014). 152 Tacitus: Agricola, edited by A. J. Woodman, with contributions from C. S. Kraus (Cam bridge 2014) [CGLC]. 153 M. Becker: Porphyrios, ‹Contra Christianos›. Neue Sammlung der Fragmente, Testimonien und Dubia mit Einleitung, Übersetzung und Anmerkungen (Berlin, Boston 2016) [TUK 52]. 154 R. Sorabji: Introduction, in: Priscian: Answers to King Khosroes of Persia, edited by P. Huby, S. Ebbesen, D. Langslow, D. Russell, C. Steel, M. Wilson (London 2016) [ACA] 1–10.
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Sekundärliteratur 155 C. G. Zumpt: Über den Bestand der Philoso phenschulen in Athen und die Succession der Scholarchen (Berlin 1843). 156 H. Usener: De Stephano Alexandrino, in: Index scholarum quae summis auspiciis Regis Augustissimi Guilelmi Imperatoris Germa niae in Universitate Friderica Guilelmia Rhenana per menses aestivos anni MDCCCLXXIX a die XXI mensis Aprilis publice privatimque habebuntur (Bonnae 1879) 1–16. – Wieder in: Ders.: De Stephano Alexandrino (Bonnae 1880) 1–16; wieder in: Ders.: Kleine Schriften. III: Arbeiten zur griechischen Literaturgeschichte, Geschichte der Wissenschaften, Epigraphik, Chronologie (Leipzig, Berlin 1914) 247–266. 157 T. Mommsen: Zu der Rechtsstellung der athe nischen Professoren in der römischen Kaiser zeit, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 12 (1891) 152–154. – Wieder in: Ders.: Ge sammelte Schriften. III: Juristische Schriften III (Berlin 1907) 50–52. 158 H. von Arnim: Leben und Werke des Dio von Prusa. Mit einer Einleitung: Sophistik, Rhe torik, Philosophie in ihrem Kampf um die Ju gendbildung (Berlin 1898). 159 F. Schemmel: Die Hochschule von Athen im IV. und V. Jahrhundert p. Chr. n., in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Ge schichte und Deutsche Literatur und für Pädagogik 22 (1908) 494–513. 160 K. Praechter: Richtungen und Schulen im Neuplatonismus, in: Genethliakon. FS Carl Robert (Berlin 1910) 103–156. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften, herausgegeben von H. Dörrie (Hildesheim, New York 1973) 165–216. 161 K. Praechter: Christlich-neuplatonische Bezie hungen, in: BZ 21 (1912) 1–27. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften, herausgegeben von H. Dörrie (Hildesheim, New York 1973) 138–164. 162 R. Reitzenstein: Des Athanasius Werk über das Leben des Antonius. Ein philologischer Beitrag zur Geschichte des Mönchtums (Hei delberg 1914) [SHAW, phil.-hist. Klasse, Jahr gang 1914, 8. Abhandlung]. 164 A. D. Nock: Conversion. The Old and New in Religion from Alexander the Great to Augus tine of Hippo (Oxford 1933) [Brown Classics in Judaica].
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Bibliographie zum ersten Kapitel
165 T. L. Shear: The Campaign of 1933, in: Hespe ria 4 (1935) 311–339. 166 K. Heussi: Der Ursprung des Mönchtums (Tübingen 1936). 167 P. Courcelle: Les lettres grecques en Occi dent. De Macrobe à Cassiodore (Paris 1943, ²1948) [Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 159]. 168 H. I. Marrou: Histoire de l’éducation dans l’Antiquité (Paris 1948, 71976). 169 A. W. Parsons: A Family of Philosophers at Athens and Alexandria, in: Commemorative Studies in Honor of Theodore Leslie Shear (Princeton 1949) [Hesperia Suppl. 8] 268–272. 170 I. Miliades: Ἀνασκαφαὶ νοτίως τῆς Ἀκροπόλεως (Πρώτη προσωρινὴ ἔκϑεσις), in: Πρακτικὰ τῆς ἐν Ἀθήναις Ἀρχαιολογικῆς Ἑταιρείας (1955) 36–52. 171 R. Leconte: L’asceterium de Diodore, in: Mé langes bibliques rédigés en l’honneur de André Robert (Paris 1957) [Travaux de l’Institut catholique de Paris 4] 531–536. 172 B. L. Hijmans Jr.: Ἄσκησις. Notes on Epicte tus’ Educational System (Assen 1959). 173 A.-M. Malingrey: “Philosophia”. Étude d’un groupe de mots dans la littérature grecque des Présocratiques au IVe siècle après J.-C. (Paris 1961). 175 D. M. Metcalf: The Slavonic Threat to Greece circa 580: Some Evidence from Athens, in: Hesperia 31 (1962) 134–157. 176 N. Lewis: The Non-Scholar Members of the Alexandrian Museum, in: Mnemosyne 16 (1963) 257–261. – Wieder in: Ders.: On Government and Law in Roman Egypt. Col lected Papers of Naphtali Lewis (Atlanta 1995) [American Studies in Papyrology 33] 94–98. 177 H. I. Marrou: Synesius of Cyrene and Alexan drian Neoplatonism, in: The Conflict be tween Paganism and Christianity in the Fourth Century, edited by A. Momigliano (Oxford 1963) [Oxford-Warburg Studies] 126–150. 178 A. Frantz: From Paganism to Christianity in the Temples of Athens, in: Dumbarton Oaks Papers 19 (1965) 185–205. 179 Av. Cameron, Al. Cameron: The Cycle of Agathias, in: JHS 86 (1966) 6–25. 180 W. Lackner: Zur profanen Bildung des Euag rios Pontikos, in: FS Hans Gertinger. Arbei ten aus dem Grazer Schülerkreis (Graz 1966) 17–29.
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181 R. MacMullen: Enemies of the Roman Order. Treason, Unrest, and Alienation in the Em pire (Cambridge MA 1966). 182 Al. Cameron: The End of the Ancient Univer sities, in: Cahiers d’histoire mondiale 10 (1966–1967) 653–673. 183 G. W. Bowersock: A New Inscription of Ar rian, in: GRBS 8 (1967) 279–280. 184 D. J. Geagan: The Athenian Constitution after Sulla (Princeton 1967) [Hesperia Suppl. 12]. 185 F. Halkin: Saint Philosophe martyr, in: AB 85 (1967) 338. 186 C. P. Jones: The Teacher of Plutarch, in: HSPh 71 (1967) 205–213. 187 J. H. Oliver: Philosophers and Procurators, Relatives of the Aemilius Juncus of Vita Commodi 4,11, in: Hesperia 36 (1967) 42–56. 188 J. Robert, L. Robert: Bulletin épigraphique, in: REG 81 (1968) 420–549. 189 G. W. Bowersock: Greek Sophists in the Roman Empire (Oxford 1969). 190 R. C. McCail: The Cycle of Agathias: New Identifications Scrutinised, in: JHS 89 (1969) 87–96. 191 Av. Cameron: Agathias on the Sassanians, in: Dumbarton Oaks Papers 23–24 (1969–1970) 67–183. 192 J. H. Oliver: Marcus Aurelius. Aspects of Civic and Cultural Policy in the East (Prince ton 1970) [Hesperia Suppl. 13]. 193 H. A. Thompson, R. E. Wycherley: The Agora of Athens: The History, Shape and Uses of an Ancient City Center (Princeton 1972) [The Athenian Agora 14]. 194 L. G. Westerink: Ein astrologisches Kolleg aus dem Jahre 564, in: BZ 64 (1971) 6–21. – Wie der in: Ders.: Texts and Studies in Neoplato nism and Byzantine Literature. Collected Papers (Amsterdam 1980) 279–294. 195 É. Junod: Remarques sur la composition de la «Philocalie» d’Origène par Basile de Césarée et Grégoire de Nazianze, in: RHPhR 52 (1972) 149–156. 196 J. P. Lynch: Aristotle’s School. A Study of a Greek Educational Institution (Berkeley, Los Angeles 1972). 197 A. Lumpe: Stephanos von Alexandrien und Kaiser Herakleios, in: Classica et Mediaeva lia. Francisco Blatt septuagenario dedicata, edenda curaverunt O. S. Due, H. F. Johansen, B. Dalsgaard Larsen (Copenhagen 1973) 150–159.
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Institutionelle Rahmenbedingungen
198 G. R. Stanton: Sophists and Philosophers: Problems of Classification, in: AJPh 94 (1973) 350–364. 199 I. Avotins: The Holders of the Chairs of Rhet oric at Athens, in: HSPh 79 (1975) 313–324. 200 P. A. Brunt: Stoicism and Principate, in: Papers of the British School at Rome 43 (1975) 7–35. – Wieder in: Ders.: Studies in Stoicism, edited by M. Griffin, A. Samuels, with the assistance of M. Crawford (Oxford 2013) 275–309. 201 K. S. Frank: Geschichte des christlichen Mönchtums (Darmstadt 1975, 62010). 202 S. Follet: Athènes au IIe et au IIIe siècle. Études chronologiques et prosopographiques (Paris 1976) [Collection d’études anciennes]. 203 P. A. Brunt: From Epictetus to Arrian, in: Athenaeum 55 (1977) 19–48. – Wieder in: Ders.: Studies in Stoicism, edited by M. Grif fin, A. Samuels, with the assistance of M. Crawford (Oxford 2013) 331–359. 204 M.-T. d’Alverny: Les «Solutiones ad Chos roem» de Priscianus Lydus et Jean Scot, in: Jean Scot Érigène et l’histoire de la philoso phie. Actes du colloque international, Laon, 7–12 juillet 1975 (Paris 1977) 145–160. 205 É. Évrard: À quel titre Hypatie enseigna-telle la philosophie?, in: REG 90 (1977) 69–74. 206 F. Millar: The Emperor in the Roman World (31 BC – AD 337) (Ithaca NY 1977, ²1992). 207 J. H. Oliver: The diadochê at Athens under the Humanistic Emperors, in: AJPh 98 (1977) 160–178. 208 H. J. Blumenthal: 529 and its Sequel: What Happened to the Academy?, in: Byzantion 48 (1978) 369–385. 209 J. Glucker: Antiochus and the Late Academy (Göttingen 1978) [Hypomnemata 56]. 210 I. Hadot: Le problème du néoplatonisme alexandrin: Hiéroclès et Simplicius (Paris 1978). 211 C. P. Jones: The Roman World of Dio Chry sostom (Cambridge MA, London 1978) [Loeb Classical Monographs]. 212 J. L. Moles: The Career and Conversion of Dio Chrysostom, in: JHS 98 (1978) 79–100. 213 J. H. Oliver: Flavius Pantaenus, Priest of the Philosophical Muses, in: HThR 72 (1979) 157–160. – Wieder in: Ders.: The Civic Tradi tion and Roman Athens (Baltimore, London 1983) 62–65. 214 N. J. S. Abbott: The Treatise ‹De Liberis Edu candis› Attributed to Plutarch (Diss. Oxford 1980). 215 P. Brown: The Philosopher and Society in Late Antiquity (Berkeley 1980) [Protocol of the Colloquy of the Center for Hermeneutical
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Institutionelle Rahmenbedingungen
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Institutionelle Rahmenbedingungen
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Institutionelle Rahmenbedingungen
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Bibliographie zum ersten Kapitel
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Philosoph und sein Bild, herausgegeben von H.-G. Nesselrath, eingeleitet, ediert, über setzt und mit interpretierenden Essays verse hen von E. Amato, S. Fornaro, B. E. Borg, R. Burri, J. Hahn, I. Ramelli, J. Schamp (Tübin gen 2009) [SAPERE 13] 211–240. 467 V. Calzolari: David et la tradition armé nienne, in: L’œuvre de David l’Invincible et la transmission de la pensée grecque dans la tra dition arménienne et syriaque, édité par V. Calzolari, J. Barnes (Leiden, Boston 2009) [Commentaria in Aristotelem Armeniaca, Davidis opera 1] 15–36. 468 D. F. Caner: “Not of this World”: The Inven tion of Monasticism, in: A Companion to Late Antiquity, edited by P. Rousseau (Mal den MA, Oxford 2009) [Blackwell Compan ions to the Ancient World] 588–600. 469 R. Chiaradonna: Plotino (Roma 2009) [Pen satori 3]. 470 S. Corcoran: Anastasius, Justinian and the Pagans: A Tale of Two Law Codes and a Papy rus, in: Journal of Late Antiquity 2 (2009) 183–208. 471 S. Fornaro: Wahre und falsche Philosophen in Dions Werk und Zeit, in: Dion von Prusa. Der Philosoph und sein Bild, herausgegeben von H.-G. Nesselrath, eingeleitet, ediert, über setzt und mit interpretierenden Essays verse hen von E. Amato, S. Fornaro, B. E. Borg, R. Burri, J. Hahn, I. Ramelli, J. Schamp (Tübin gen 2009) [SAPERE 13] 163–182. 472 M. Haake: ‘Doing philosophy’ – soziales Ka pital versus politischer Mißkredit? Zur Funk tionalität und Dysfunktionalität von Philosophie im sozialen und politischen Raum des klassischen Athen, in: Rollenbilder in der athenischen Demokratie: Medien, Gruppen, Räume im politischen und sozialen System. Beiträge zu einem interdisziplinären Kolloquium in Freiburg i. Br., 24.–25. Novem ber 2006, herausgegeben von C. Mann, M. Haake, R. von den Hoff (Wiesbaden 2009) 113–145. 473 J. Hahn: Das Auftreten und Wirken von Philo sophen im gesellschaftlichen und politischen Leben des Prinzipats, in: Dion von Prusa. Der Philosoph und sein Bild, herausgegeben von H.-G. Nesselrath, eingeleitet, ediert, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von E. Amato, S. Fornaro, B. E. Borg, R. Burri, J. Hahn, I. Ramelli, J. Schamp (Tübingen 2009) [SAPERE 13] 241–258. 474 H. Hugonnard-Roche: Platon syriaque, in: Pensée grecque et sagesse d’Orient. Hommage
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Institutionelle Rahmenbedingungen
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Institutionelle Rahmenbedingungen
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Gabrielsen, C. A. Thomsen (Copenhagen 2015) [Scientia Danica, Series H, Humanis tica 8, vol. 9] 92–121. 569 M. Perkams: Die Ursprünge des spätantiken philosophischen Curriculums im kaiserzeitli chen Aristotelismus, in: Elenchos 36 (2015) 149–163. 570 E. Watts: Ordering Intellectual Life, in: The Cambridge Companion to the Age of Attila (Cambridge 2015) [Cambridge Companions to the Ancient World] 376–393. 571 H. Baltussen: Philosophers, Exegetes, Schol ars: The Ancient Philosophical Commenta ries from Plato to Simplicius, in: Classical Commentaries. Explorations in a Scholarly Genre, edited by C. S. Kraus, C. Stray (Ox ford 2016) 173–194. 572 J. Beer: Diodore of Tarsus and his Exegesis, in: Handbuch der Bibelhermeneutiken. Von Origenes bis zur Gegenwart, herausgegeben von O. Wischmeyer (Berlin, Boston 2016) [de Gruyter Handbook] 35–46. 573 R. R. Benefiel, J. DiBiasie, H. Sypniewski: The Herculaneum Graffiti Project: Initial Field Season 2014, in: Fasti On Line Documents & Research. Italia 361 (2016) 1–23. – Online unter: http://www.fastionline.org/docs/ FOLDER-it-2016-361.pdf (Stand: Juli 2018). 574 J. N. Bremmer: Richard Reitzenstein, Pytha goras and the Life of Antony, in: Pythagorean Knowledge from the Ancient to the Modern World: Askesis, Religion, Science, edited by A.-B. Renger, A. Stavru (Wiesbaden 2016) [Episteme in Bewegung 4] 227–245. 575 A. Cain: The Greek Historia monachorum in Aegypto. Monastic Hagiography in the Late Fourth Century (Oxford 2016) [OECS]. 576 Al. Cameron: The Last Days of the Academy at Athens, in: Ders.: Wandering Poets and Other Essays on Late Greek Literature and Philosophy (Oxford 2016) 205–245 mit 331– 344. – Eine ältere Version in: PCPhS 15 (1969) 7–29. 577 S. A. Cooper: The Platonist Christianity of Marius Victorinus, in: Religions 7,10 (2016). – Online unter: http://www.mdpi.com/20771444/7/10/122/htm (Stand: Juli 2018). 578 T. Dorandi: Potamone di Alessandria, in: ZPE 199 (2016) 33–35. 579 T. Dorandi: The School and Texts of Epicurus in the Early Centuries of the Roman Empire, in: Plotinus and Epicurus. Matter, Perception, Pleasure, edited by A. Longo, D. P. Taormina (Cambridge 2016) 29–48.
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Bibliographie zum ersten Kapitel
by R. Sorabji (London, New York 2016) [ACA] 541–563. 593 D. Searby: Stéphanos d’Athènes, in: DPhA VI (2016) 563–579. 594 J. Timbie: The Education of Shenoute and Other Cenobitic Leaders: Inside and Outside of the Monastery, in: Education and Religion in Late Antique Christianity. Reflections, So cial Contexts and Genres, edited by P. Ge meinhardt, L. van Hoof, P. van Nuffelen (London, New York 2016) 34–46. 595 C. Vogel: Boethius’ Übersetzungsprojekt. Philosophische Grundlagen und didaktische Methoden eines spätantiken Wissenstransfers (Wiesbaden 2016) [Episteme in Bewegung 6]. 596 J. W. Watt: The Syriac Aristotelian Tradition and the Syro-Arabic Baghdad Philosophers, in: Ideas in Motion in Baghdad and Beyond. Philosophical and Theological Exchanges between Christians and Muslims in the Third/Ninth and Fourth/Tenth Centuries, edited by D. Janos (Leiden, Boston 2016) [Is lamic History and Civilization, Studies and Texts 124] 7–43. 597 E. Watts: Teaching the New Classics: Bible and Biography in a Pachomian Monastery, in: Education and Religion in Late Antique Christianity. Reflections, Social Contexts and Genres, edited by P. Gemeinhardt, L. van Hoof, P. van Nuffelen (London, New York 2016) 47–58. 598 Ch. Wildberg: Neoplatonism, in: The Stan ford Encyclopedia of Philosophy (Spring 2016 Edition). – Online unter: https://plato.stanford. edu/archives/spr2016/entries/neoplatonism/ (Stand: Juli 2018). 599 A. Dan: Les Solutiones ad Chosroem de Pris cien de Lydie et les transferts de savoirs pen dant l’Antiquité tardive et le Moyen Âge, in: Orbis disciplinae. Hommages en l’honneur de Patrick Gautier Dalché, édité par N. Bouloux, A. Dan, G. Tolias (Turnhout 2017) 557–607. 600 R. Goulet: Les philosophes et leurs écoles au Bas-Empire, in: Philosophari. Usages ro mains des savoirs grecs sous la République et sous l’Empire. Actes des colloques organisés par l’École française de Rome (8–9 octobre 2010 et 17–18 novembre 2011), édité par P. Vesperini (Paris 2017) 601–671.
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601 M. Haake: ‹Dogmata – Praxeis – Doxa›. Phi losophes et philosophie au miroir des inscrip tions impériales, in: Philosophari. Usages romains des savoirs grecs sous la République et sous l’Empire. Actes des colloques organi sés par l’École française de Rome (8–9 oc tobre 2010 et 17–18 novembre 2011), édité par P. Vesperini (Paris 2017) 371–414. 602 S. Holder: Einrichtungen für Bildung und Lernen im kaiserzeitlichen Alexandria. War das Museion eine antike “Hochschule”?, in: Sophisten in Hellenismus und Kaiserzeit. Orte, Methoden und Personen der Bildungs vermittlung, herausgegeben von B. Wyss, R. Hirsch-Luipold, S.-J. Hirschi (Tübingen 2017) [STAC] 27–37. 603 PHILOSOPHIA in der Konkurrenz von Schulen, Wissenschaften und Religionen: Zur Pluralisierung des Philosophiebegriffs in Kaiserzeit und Spätantike. Akten der 17. Ta gung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 16.–17. Oktober 2014 in Zürich, heraus gegeben von Ch. Riedweg in Zusammenar beit mit R. Füchslin und C. Semenzato sowie Ch. Horn und D. Wyrwa (Berlin, Boston 2017) [PhdA 34]. 604 R. Goulet: Zénodote, in: DPhA VII (2018) 341–342. 605 M. Haake: Greek Philosophy and Inscrip tions, in: The Oxford Handbook of Greek Epigraphy, edited by N. Papazarkadas (Ox ford, im Druck). 606 L. Karfíková: Victorinus (Marius –), in: DPhA VII (2018) 153–166. 607 F. M. Petrucci: Taurus of Beirut. The Other Side of Middle Platonism (London 2018) [Issues in Ancient Philosophy]. 608 B. Puech: Zosimianos (Iulius –) d’Athènes, in: DPhA VII (2018) 450. 609 B. Puech: Maximus (Titus Coponius –) d’Hagnonte, in: DPhA VII (2018) 607–608. 610 Ch. Riedweg: Das Origenes-Problem aus der Sicht eines Klassischen Philologen, in: Orige nes der Christ und Origenes der Platoniker, herausgegeben von B. Bäbler, H.-G. Nessel rath (Tübingen 2018) [SERAPHIM 2] 13–39. 611 Monastic Education in Late Antiquity, edited by L. I. Larsen, S. Rubenson (Cambridge 2018).
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Philosophische Leitideen
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Philosophische Leitideen 612 M. Baltes: Die Weltentstehung des platoni schen Timaios nach den antiken Interpreten, I–II (Leiden, Boston 1976–1979) [PhA 30, 35]. 613 M. Foucault: Die Sorge um sich (Frankfurt a. M. 1986) [Sexualität und Wahrheit, Michel Foucault, Band 3]. 614 R. T. Wallis: Scepticism and Neoplatonism, in: ANRW II 36,2 (1987) 911–954. 615 R. Sorabji: Aristotle Transformed. The An cient Commentators and their Influence (London 1990, 22016). 616 P. Hadot: Philosophie als Lebensform. Aus dem Französischen von I. Hadot, Ch. Marsch (Berlin 1991). 617 M. Nussbaum: The Therapy of Desire: Theory and Practice in Hellenistic Ethics (Princeton 1994) [Martin Classical Lectures N. S. 2]. 618 P. Hadot: Qu’est-ce que la philosophie an tique? (Paris 1995) [Folio, Essais 280]. 619 Ch. Horn: Antike Lebenskunst. Glück und Moral von Sokrates bis zu den Neuplatoni kern (München 1998) [Beck’sche Reihe 1271]. 620 A. Nehamas: The Art of Living. Socratic Re flections from Plato to Foucault (Berkeley 1998) [Sather Classical Lectures 61]. 621 Le commentaire entre tradition et innovation. Actes du colloque international de l’Institut des traditions textuelles (Paris et Villejuif, 22–25 septembre 1999), publiés sous la direc tion de M.-O. Goulet-Cazé (Paris 2000) [Bi bliothèque d’histoire de la philosophie N. S.]. 622 A. Neschke-Hentschke: Le Timée de Platon. Contributions à l’histoire de sa réception – Platos Timaios. Beiträge zu seiner Rezepti onsgeschichte (Leuven 2000) [Bibliothèque Philosophique de Louvain 53]. 623 D. J. O’Meara: Scepticism and Ineffability in Plotinus, in: Phronesis 45 (2000) 240–251. 624 F. A. J. de Haas: Did Plotinus and Porphyry disagree on Aristotle’s Categories?, in: Phro nesis 46 (2001) 492–526. 625 A. Lernould: Physique et théologie. Lecture du Timée de Platon par Proclus (Lille 2001) [Philosophie ancienne]. 626 J. Opsomer: Who in Heaven is the Demiurge? Proclus’ exegesis of Tim. 28C3–5, in: Ancient World 33 (2001) 52–70.
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627 R. Herzog: Spätantike: Studien zur römischen und lateinisch-christlichen Literatur, heraus gegeben von P. Habermehl (Göttingen 2002) [Hypomnemata, Suppl.-Reihe 3]. 628 S. Gersh: Reading Plato, Tracing Plato: From Ancient Commentary to Medieval Reception (Aldershot 2003) [CSS 816]. 629 Plato’s Timaeus as Cultural Icon, edited by G. Reydams-Schils (Notre Dame 2003). 630 Philosophy, science and exegesis in Greek, Arabic and Latin commentaries, edited by P. Adamson, H. Baltussen, M. W. F. Stone (London 2004) [BICS Suppl. 83]. 631 J. M. Dillon, L. P. Gerson: Neoplatonic Philo sophy: Introductory Readings (Indianapolis 2004). 632 A. Smith: Philosophy in Late Antiquity (Lon don, New York 2004). 633 The Philosophy of the Commentators: 200– 600 AD. A Sourcebook, edited by R. Sorabji, I–III (London 2004). 634 M. Edwards, S. Swine: Approaching Late An tiquity. The Transformation from Early to Late Empire (Oxford 2006). 635 G. Karamanolis: Plato and Aristotle in Agreement? (Oxford 2006) [OPhM]. 636 P. Dinzelbacher, W. H. Heinz: Europa in der Spätantike: 300–600. Eine Kultur- und Men talitätsgeschichte (Darmstadt 2007) [Kultur und Mentalität]. 637 I. König: Die Spätantike (Darmstadt 2007) [Geschichte kompakt, Antike]. 638 The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson, I–II (Cam bridge 2010). 639 M. Hatzimichali: The Texts of Plato and Aris totle in the First Century BC, in: Aristotle, Plato and Pythagoreanism in the First Cen tury BC, edited by M. Schofield (Cambridge 2013) 1–27. 640 The Routledge Handbook of Neoplatonism, edited by P. Remes, S. Slaveva-Griffin (Lon don, New York 2014) [Routledge Handbooks in Philosophy].
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Bibliographie zum ersten Kapitel
Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung und Methoden der Textinterpretation in historischer Perspektive 645 EΠΙΣTOΛOΓPAΦOI EΛΛHNIKOI – Epistolo graphi Graeci, recensuit recognovit adnota tione critica et indicibus instruxit R. Hercher (Paris 1873). 646 R. Hirzel: Der Dialog. Ein literarhistorischer Versuch, I–II (Leipzig 1895; ND 1963). 647 W. Fritz: Die Briefe des Bischofs Synesius von Kyrene. Ein Beitrag zur Geschichte des Atti zismus im 4. und 5. Jahrhundert (Leipzig 1898). 648 H. Peter: Der Brief in der römischen Litera tur (Leipzig 1901; ND 2013). 649 O. Seeck: Die Briefe des Libanius (Leipzig 1906; ND 1966) [TU 30]. 650 H. Dachs: Die λύσις ἐκ τοῦ προσώπου. Ein ex egetischer und kritischer Grundsatz Aris tarchs und seine Neuanwendung auf Ilias und Odyssee (Diss. Erlangen 1913). 651 E. Norden: Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede (Leip zig 1913; ND 1996). 652 A. von Harnack: Die Briefsammlung des Apostels Paulus und die anderen vorkonstan tinischen christlichen Briefsammlungen (Leipzig 1926). 653 V. D’Agostino: Sulla divisione dell’opera di Epitteto, in: Bollettino di filologia classica 34 (1928) 150–152. – Wieder in: Ders.: Studie sul neostoicismo: Seneca, Plinio il Giovane, Epit teto, Marco Aurelio (Torino 21962) 90–91. 654 H. Lietzmann: Zur Entstehungsgeschichte der Briefsammlung Augustins, in: SPrAW, philosophisch-historische Klasse 23 (1930) 356–388. – Wieder in: Ders.: Kleine Schrif ten. I: Studien zur spätantiken Religionsge schichte, herausgegeben von K. Aland (Berlin 1958) [TU 67] 260–304. 655 J. Sykutris: Epistolographie, in: RE Suppl. V (1931) 185–220. 656 J. Sykutris: Die Briefe des Sokrates und der Sokratiker (Paderborn 1933; ND 1968) [Stu dien zur Geschichte und Kultur des Alter tums 18,2]. 657 G. Zuntz: Die Aristophanes-Scholien der Pa pyri, Teil III: Schlussfolgerungen, in: Byzan tion 14 (1939) 545–605. – Wieder in: Ders.: Die Aristophanes-Scholien der Papyri (Ber lin 1975) 61–121. 658 M. Richard: ΑΠΟ ΦΩΝΗΣ, in: Byzantion 20 (1950) 191–222. 659 P. Rabbow: Seelenführung. Methodik der Ex erzitien in der Antike (München 1954).
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660 J. Schneider: Brief, in: RAC 2 (1954) 564–585. 661 W. Capelle, H. I. Marrou: Diatribe, in: RAC 3 (1957) 990–1009. 662 A. Hermann, G. Bardy: Dialog, in: RAC 3 (1957) 928–955. 663 L’Inno del Simposio di S. Metodio Martire. Introduzione, testo critico e commento a cura di M. Pellegrino (Torino 1958). 664 W. Burkert: Hellenistische Pseudopythago rica, in: Philologus 105 (1961) 16–43, 226– 246. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften. III: Mystica, Orphica, Pythagorica, herausgege ben von F. Graf (Göttingen 2006) [Hypomne mata, Suppl.-Reihe 2] 236–277. 665 E. Heitsch: Die griechischen Dichterfragmente der römischen Kaiserzeit, I–II (Göttingen 1961–1964) [AAWG, 3. Folge, Band 49, 58]. 666 A.-J. Festugière: Modes de composition des commentaires de Proclus, in: MH 20 (1963) 77–100. – Deutsche Übersetzung: Komposi tionsformen der Kommentare des Proklos, in: Die Philosophie des Neuplatonismus, heraus gegeben von C. Zintzen (Darmstadt 1977) [Wege der Forschung 436] 331–369. 667 The Pythagorean Texts of the Hellenistic Pe riod, collected and edited by H. Thesleff (Åbo 1965) [Acta Academiae Aboensis A 30,1]. 668 H. Dörrie, H. Dörries: Erotapokriseis, in: RAC 6 (1966) 342–370. 669 W. E. Gerber: Exegese III (NT und Alte Kir che), in: RAC 6 (1966) 1211–1229. 670 G. Mayer: Exegese II (Judentum), in: RAC 6 (1966) 1194–1211. 671 H. Schreckenberg: Exegese I (heidnisch, Grie chen u. Römer), in: RAC 6 (1966) 1174–1194. 672 R. Hahn: Die Allegorie in der antiken Rheto rik (Diss. Tübingen 1967). 673 H. Chadwick: Florilegium, in: RAC 7 (1969) 1131–1160. 674 I. Hadot: Seneca und die griechisch-römische Tradition der Seelenleitung (Berlin 1969) [Quellen und Studien zur Geschichte der Phi losophie 13]. 675 B. R. Voss: Der Dialog in der frühchristlichen Literatur (München 1970) [Studia et Testimo nia Antiqua 9]. 676 W. Bienert: ‘Allegoria’ und ‘Anagoge’ bei Di dymos dem Blinden von Alexandria (Berlin, New York 1972) [PTS 13]. 677 N. J. Richardson: Homeric Professors in the Age of the Sophists, in: The Cambridge Classical Journal 21 (1975) 65–81. – Wieder
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Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung
in: Ancient Literary Criticism, edited by A. Laird (Oxford 2006) 62–86. 678 J. Pépin: Mythe et allégorie. Les origines grecques et les contestations judéo-chré tiennes (Paris 21976). 679 A. Pignani: Parafrasi o metafrasi?, in: Atti della Accademia Pontaniana 24 (1976) 219–225. 680 Ch. Schäublin: Homerum ex Homero, in: MH 34 (1977) 221–227. – Wieder in: Ders.: Aus pa ganer und christlicher Antike. Ausgewählte Aufsätze zur Klassischen Philologie (1970– 1997), herausgegeben von U. Breitenstein, R. C. Schwinges unter Mitwirkung von Th. Schmid (Basel 2005) 59–65. 681 J. Glucker: Antiochus and the Late Academy (Göttingen 1978) [Hypomnemata 56]. 682 R. Pfeiffer: Geschichte der Klassischen Phi lologie. Von den Anfängen bis zum Ende des Hellenismus (München 21978) [Beck’sche Elementarbücher]. – Deutsche Übersetzung von: A History of Classical Scholarship. From the Beginnings to the End of the Hellenistic Age (Oxford 1968). 683 M. Billerbeck: Der Kyniker Demetrius. Ein Beitrag zur Geschichte der frühkaiserzeitlichen Popularphilosophie (Leiden 1979) [PhA 36]. 684 K. Ermert: Briefsorten. Untersuchungen zu Theorie und Empirie der Textklassifikation (Tübingen 1979) [Reihe Germanistische Lin guistik 20]. 685 A. M. Ioppolo: Aristone di Chio e lo stoicismo antico (Napoli 1980) [Elenchos 1]. 686 A. Städele: Die Briefe des Pythagoras und der Pythagoreer (Meisenheim am Glan 1980) [BKP 115]. 687 St. K. Stowers: The Diatribe and Paul’s Letter to the Romans (Chico CA 1981) [Society of Biblical literature, Dissertations Series 57]. 688 H. B. Gottschalk: Diatribe again, in: LCM 7,6 (1982) 91–92. 689 H. D. Jocelyn: Diatribes and Sermons, in: LCM 7,1 (1982) 3–7. 690 A. Garzya: L’epistolografia letteraria tardo antica, in: Ders.: Il mandarino e il quotidiano. Saggi sulla letteratura tardoantica e bizantina (Napoli 1983) 113–148. 691 H. B. Gottschalk: More on DIATRIBAI, in: LCM 8,6 (1983) 91–92. 692 H. D. Jocelyn: ‘Diatribes’ and the Greek booktitle Διατριβαί, in: LCM 8,6 (1983) 89–91. 693 A. Setaioli: Seneca e lo stile, in: ANRW II 32,2 (1985) 776–858. 694 M. Jordan: Ancient Philosophic Protreptic and the Problem of Persuasive Genres, in: Rhetorica 4 (1986) 309–333.
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695 St. K. Stowers: Letter Writing in Greco-Ro man Antiquity (Philadelphia 1986) [Library of Early Christianity 5]. 696 M. Erler: Interpretieren als Gottesdienst: Proklos’ Hymnen vor dem Hintergrund sei nes Kratylos-Kommentares, in: Proclus et son influence. Actes du Colloque de Neuchâtel, 20–23 juin 1985, édités par G. Boss, G. Seel (Zurich 1987) 179–217. 697 E. Lamberz: Proklos und die Form des philo sophischen Kommentars, in: Proclus: Lecteur et interprète des anciens. Actes du colloque international du CNRS Paris, 2–4 octobre 1985, publiés par J. Pépin, H. D. Saffrey (Paris 1987) 1–20. 698 B. Neuschäfer: Origines als Philologe, I–II (Basel 1987) [SBA 18,1–2]. 699 Th. Schmeller: Paulus und die ‘Diatribe’. Eine vergleichende Stilinterpretation (München 1987) [Neutestamentliche Abhandlungen NF 19]. 700 J. Whitman: Allegory. The Dynamics of an Ancient and Medieval Technique (Cambridge MA 1987). 701 J. Pépin, K. Hoheisel: Hermeneutik, in: RAC 14 (1988) 722–771. 702 St. K. Stowers: The Diatribe, in: Greco-Ro man Literature and the New Testament, edited by D. Aune (Atlanta 1988) [Sources for Biblical Study 21] 71–83. 703 P. Hadot: Literarische Formen der Philoso phie, in: HWdPh VII (1989) 848–858. 704 F. Young: The Rhetorical Schools and their Influence on Patristic Exegesis, in: The Mak ing of Orthodoxy. Essays in Honour of Herny Chadwick, edited by R. Williams (Cambridge 1989) 182–199. 705 W. Bernard: Spätantike Dichtungstheorien. Untersuchungen zu Proklos, Herakleitos und Plutarch (Stuttgart 1990) [BzA 3]. 706 H. Dörrie, M. Baltes: Der hellenistische Rah men des kaiserzeitlichen Platonismus. Bau steine 36–72: Text, Übersetzung, Kommentar (Stuttgart/Bad Canstatt 1990) [Der Platonis mus in der Antike 2]. 707 D. Teichert: Der Philosoph als Briefschreiber: Zur Bedeutung der literarischen Form von Senecas Briefen an Lucilius, in: Literarische Formen der Philosophie, herausgegeben von G. Gabriel, C. Schildknecht (Stuttgart 1990) 62–72. 708 M. Lattke: Hymnus. Materialien zu einer Ge schichte der antiken Hymnologie (Fribourg, Göttingen 1991) [Novum Testamentum et Orbis Antiquus 19].
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Bibliographie zum ersten Kapitel
709 F. Petit: La chaîne sur la Genèse. Édition intégrale. I: chapitres 1 à 3 (Louvain 1991) [Traditio Exegetica Graeca 1]. 710 H. Dörrie, M. Baltes: Der Platonismus im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus. Bausteine 73–100: Text, Übersetzung, Kommentar (Stuttgart/Bad Canstatt 1993) [Der Platonis mus in der Antike 3]. 711 D. T. Runia: Philo in Early Christian Litera ture. A Survey (Assen MN 1993) [Jewish Tra ditions in Early Christian Literature 3]. 712 D. E. Trout: Auctoritas, and Self-Fashioning Texts: Paulinus of Nola and Sulpicius Severus, in: StPatr 28 (1993) 123–129. 713 W. Burkert: Griechische Hymnoi, in: Hym nen der Alten Welt im Kulturvergleich, her ausgegeben von W. Burkert, F. Stolz (Freiburg, Göttingen 1994) [Orbis Biblicus et Orientalis 131] 9–17. 714 P. Donini: Testi e commenti, manuali e inse gnamento: la forma sistematica e i metodi della filosofia in età postellenistica, in: ANRW II 36,7 (1994) 5027–5100. 715 M. Hillgruber: Die pseudoplutarchische Schrift De Homero. Teil 1: Einleitung und Kommentar zu den Kapiteln 1–73 (Stuttgart, Leipzig 1994) [BzA 57]. 716 N. J. Richardson: Aristotle and Hellenistic Scholarship, in: La philologie grecque à l’époque hellénistique et romaine. Entretiens préparés et présidés par F. Montanari (Van dœuvres/Genève 1994) [Entretiens 40] 7–38. 717 Ch. Riedweg: Ps.-Justin (Markell von An kyra?), Ad Graecos de vera religione (bisher “Cohortatio ad Graecos”). Einleitung und Kommentar, I–II (Basel 1994) [SBA 25,1–2]. 718 F. Romano: La scuola filosofica e il com mento, in: Lo spazio letterario della Grecia antica. I,3: La produzione e la circolazione del testo: I Greci e Roma, a cura di G. Cambiano, L. Canfora, D. Lanza (Roma 1994) 587–611. 719 M. Sachot: Homilie, in: RAC 16 (1994) 148– 175. 720 K. Thraede: Hymnus I, in: RAC 16 (1994) 915–946. 721 R. Smith: Julian’s Gods. Religion and Philo sophy in the Thought and Action of Julian the Apostate (London, New York 1995). 722 J. Divjak et al.: Epistulae, in: Augustinus-Le xikon 2 (1996–2002) 893–1057. 723 Ch. Riedweg: «Pythagoras hinterließ keine einzige Schrift» – ein Irrtum? Anmerkungen zu einer alten Streitfrage, in: MH 54 (1997) 65–92.
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724 P. L. Schmidt: Brief, in: DNP II (1997) 771– 773. 725 F. M. Young: Biblical Exegesis and the Forma tion of Christian Culture (Cambridge 1997). 726 M. Zelzer: Die Briefliteratur. Kommunika tion durch Briefe: Ein Gespräch mit Abwe senden, in: Spätantike, mit einem Panorama der byzantinischen Literatur, herausgegeben von L. J. Engels, H. Hofmann (Wiesbaden 1997) [Neues Handbuch der Literaturwissen schaft 4] 321–353. 727 A. Ford: Performing Interpretation: Early Al legorical Exegesis of Homer, in: Epic Tradi tions in the Contemporary World. The Poetics of Community, edited by M. Beissinger et al. (Berkeley et al. 1999) [The Joan Palevsky Im print in Classical Literature] 33–53. 728 A. Fürst: Augustins Briefwechsel mit Hiero nymus (Münster 1999) [JbAC Ergänzungs band 29]. 729 M. Hillgruber: Die pseudoplutarchische Schrift De Homero. Teil 2: Kommentar zu den Kapiteln 74–218 (Stuttgart, Leipzig 1999) [BzA 58]. 730 Ch. Markschies: Origenes und die Kommentie rung des paulinischen Römerbriefs: Bemer kungen zur Rezeption von antiken mentartechniken im Christentum des Kom dritten Jahrhunderts und zu ihrer Vorge schichte, in: Commentaries – Kommentare, he rausgegeben von G. W. Most (Göttingen 1999) [Aporemata 4] 66–94. – Wieder in: Ders.: Ori genes und sein Erbe. Gesammelte Studien (Berlin, New York 2007) [TU 160] 63–90. 731 P. P. Fuentes González: Épictète, in: DPhA III (Paris 2000) 106–151. 732 W. Kinzig: Überlegungen zum Sitz im Leben der Gattung Πρὸς Ἕλληνας / Ad nationes, in: Rom und das himmlische Jerusalem. Die frü hen Christen zwischen Anpassung und Ab lehnung, herausgegeben von R. von Haehling (Darmstadt 2000) 152–183. 733 B. Wehner: Die Funktion der Dialogstruktur in Epiktets Diatriben (Stuttgart 2000) [PhdA 13]. 734 Cratete di Mallo: I frammenti. Edizione, in troduzione e note a cura di M. Broggiato (La Spezia 2001) [Pleiadi 2]. 735 B. Conring: Hieronymus als Briefschreiber. Ein Beitrag zur spätantiken Epistolographie (Tübingen 2001) [STAC 8]. 736 R. Cribiore: Gymnastics of the Mind. Greek Education in Hellenistic and Roman Egypt (Princeton 2001).
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Hauptsächliche literarische Gattungen philosophischer Wissensvermittlung
737 W. D. Furley, J. M. Bremmer: Greek Hymns. Selected Cult Songs from the Archaic to the Hellenistic Period, I–II (Tübingen 2001) [STAC 9–10]. 738 I. Männlein-Robert: Longin: Philologe und Philosoph. Eine Interpretation der erhalte nen Zeugnisse (München, Leipzig 2001) [BzA 143]. 739 Aporia dans la philosophie grecque des ori gines à Aristote. Travaux du Centre d’Études aristotéliciennes de l’Université de Liège, édité par A. Motte, Ch. Rutten (Louvain-laNeuve 2001) [Aristote: Traduction et études]. 740 R. van den Berg: Proclus’ Hymns. Essays, Translations, Commentary (Leiden 2001) [PhA 90]. 741 S. Fazzo: Aporia e sistema. La materia, la forma, il divino nelle Quaestiones di Alessan dro di Afrodisia (Pisa 2002) [Pubblicazioni della Facoltà di lettere e filosofia dell’Università di Pavia 97]. 742 A. Ford: The Origins of Criticism. Literary Culture and Poetic Theory in Classical Greece (Princeton, Oxford 2002). 743 A. Long: Epictetus. A Stoic and Socratic Guide to Life (Oxford 2002). 744 S. Van der Meeren: Le protreptique en philo sophie: Essai de définition d’un genre, in: REG 115 (2002) 591–621. 745 Metaphor, Allegory and the Classical Tradi tion. Ancient Thought and Modern Revisions, edited by G. R. Boys-Stones (Oxford 2003). 746 G. R. Boys-Stones: The Stoics’ Two Types of Allegory, in: Boys-Stones 2003 [*745: 189– 216]. 747 D. J. Califf: Metrodorus of Lampsacus and the Problem of Allegory: an Extreme Case?, in: Arethusa 36 (2003) 21–36. 748 D. Obbink: Allegory and Exegesis in the Der veni Papyrus: The Origin of Greek Scholar ship, in: Boys-Stones 2003 [*745: 177–188]. 749 D. Russell: The Rhetoric of the Homeric Pro blems, in: Boys-Stones 2003 [*745: 217–234]. 750 M. Trapp: Greek and Latin Letters. An An thology with Translation (Cambridge 2003) [CGLC]. 751 G. Betegh: The Derveni Papyrus: Theology, Cosmology and Interpretation (Cambridge 2004). 752 Handbook of Patristic Exegesis. The Bible in Ancient Christianity, edited by Ch. Kannen giesser, I–II (Leiden, Boston 2004). 753 P. T. Struck: Birth of the Symbol: Ancient Readers at the Limits of Their Texts (Prince ton 2004).
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754 Erotapokriseis. Early Christian Questionand-Answer Literature in Context. Proceed ings of the Utrecht Colloquium, 13–14 October 2003, edited by A. Volgers, C. Zama gni (Leuven 2004) [Contributions to Biblical Exegesis & Theology 37]. 755 C. A. Huffman: Archytas of Tarentum. Pytha gorean, Philosopher and Mathematician King (Cambridge 2005). 756 Die ‹Wahre Lehre› des Kelsos, übersetzt und erklärt von H. E. Lona (Freiburg et al. 2005) [KfA, Ergänzungsband 1]. 757 J. C. Thom: Cleanthes’ Hymn to Zeus. Text, Translation, and Commentary (Tübingen 2005) [STAC 33]. 758 G. Zuntz: Griechische philosophische Hymnen, aus dem Nachlaß herausgegeben von H. Can cik, L. Käppel (Tübingen 2005) [STAC 35]. 759 L. Fladerer, D. Börner-Klein: Kommentar, in: RAC 21 (2006) 274–329. 760 V. Hösle: Der philosophische Dialog. Eine Poetik und Hermeneutik (München 2006). 761 G. Radke: Das Lächeln des Parmenides: Pro klos’ Interpretationen zur Platonischen Dia logform (Berlin 2006) [UaLG 78]. 762 R. K. Gibson, A. D. Morrison: Introduction: What is a Letter?, in: Morello, Morrison 2007 [*764: 1–16]. 763 T. Krämer: Augustinus zwischen Wahrheit und Lüge. Literarische Tätigkeit als Selbstfin dung und Selbsterfindung (Göttingen 2007) [Hypomnemata 170]. 764 Ancient Letters. Classical and Late Antique Epistolography, edited by R. Morello, A. D. Morrison (Oxford 2007). 765 Ch. Riedweg: Pythagoras: Leben – Lehre – Nachwirkung. Eine Einführung (München 2 2007). 766 N. Wilson: Scholiasts and Commentators, in: GRBS 47 (2007) 39–70. 767 R. Baasner: Stimme oder Schrift? Materiali tät und Medialität des Briefs, in: Adressat: Nachwelt. Briefkultur und Ruhmbildung, herausgegeben von D. Schöttker (München 2008) 53–69. 768 A. Ford: The Beginnings of Dialogue. Socra tic Discourses and fourth-century Prose, in: Goldhill 2008 [*769: 29–44]. 769 The End of Dialogue in Antiquity, edited by S. Goldhill (Cambridge 2008). 770 M. Hose: Konstruktion von Autorität: Julians Hymnen, in: Kaiser Julian ‘Apostata’ und die philosophische Reaktion gegen das Christen tum, herausgegeben von Ch. Schäfer (Berlin, New York 2008) [Millennium-Studien 21] 157– 175.
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Bibliographie zum ersten Kapitel
771 C. A. Huffman: Heraclitus’ Critique of Pytha goras’ Enquiry in Fragment 129, in: OSAPh 35 (2008) 19–47. 772 B. Zimmermann: Philosophie als Psychothe rapie. Die griechisch-römische Consolations literatur, in: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne, herausgegeben von B. Neymeyr, J. Schmidt, B. Zimmermann (Berlin, New York 2008) I 193–213. 773 Iamblichus of Chalcis: The Letters, edited with a translation and commentary by J. M. Dillon, W. Polleichtner (Leiden 2009) [Writ ings from the Greco-Roman World 19]. 774 M. Fox: Heraclides of Pontus and the Philoso phical Dialogue, in: Heraclides of Pontus. Discussion, edited by W. W. Fortenbaugh, E. Pender (New Brunswick NJ, London 2009) [Rutgers University Studies in Classical Hu manities 15] 41–67. 775 R. Nünlist: The Ancient Critic at Work. Terms and Concepts of Literary Criticism in Greek Scholia (Cambridge 2009). 776 I. Tanaseanu-Döbler: Synesios von Kyrene zwischen Platonismus und Christentum, in: Synesios von Kyrene: Polis – Freundschaft – Jenseitsstrafen. Briefe an und über Johannes, eingeleitet, übersetzt und mit interpretieren den Essays versehen von K. Luchner et al. (Tü bingen 2010) [Schriften der späteren Antike zu ethischen und religiösen Fragen 17] 119–150. 777 Giamblico: I frammenti dalle Epistole. Intro duzione, testo, traduzione e commento a cura di D. P. Taormina, R. M. Piccione (Napoli 2010) [Elenchos 56]. 778 A. Bernabé: Platón y el orfismo. Diálogos entre religión y filosofía (Madrid 2011) [Lec turas, Serie Religión]. 779 K. Luchner: Apologien in Briefen. Die Pla ton-Briefe im Spiegel antiker Traditionen über Platons Leben und Lehre (unveröffent lichte Habilitationsschrift München 2011). 780 Ch. Riedweg: Exegese als Kampfmittel in der Auseinandersetzung zwischen Heiden und Christen: Zum ‘Sündenbock’ von Lev 16 bei Julian und Kyrill von Alexandrien, in: ZAC 16 (2012) 439–476. 781 Der Dialog in der Antike. Formen und Funk tionen einer literarischen Gattung zwischen Philosophie, Wissensvermittlung und drama tischer Inszenierung, herausgegeben von S. Föllinger, G. M. Müller (Berlin 2013) [BzA 315].
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782 Mesomede: Inno a Φύσις. Introduzione, testo critico, traduzione, commento a cura di S. Lanna (Roma 2013) [Seminari romani di cul tura greca Quaderni 15]. 783 R. Thiel: Zum philosophischen und philoso phisch-theologischen Dialog in der paganen und christlichen Spätantike, in: Föllinger, Müller 2013 [*781: 141–152]. 784 U. Dietsche: Strategie und Philosophie bei Seneca. Untersuchungen zur therapeutischen Technik in den ‹Epistulae morales› (Berlin, Boston 2014) [BzA 329]. 785 Epikur: Brief an Menoikeus. Edition, Über setzung, Einleitung und Kommentar von J. E. Heßler (Basel 2014) [Schwabe Epicurea 4]. 786 N. McLynn: Julian and the Christian Profes sors, in: Being Christian in Late Antiquity. FS Gillian Clark, edited by C. Harrison, C. Hum fress, I. Sandwell (Oxford 2014) 120–136. 787 F. Schleicher: Cosmographia Christiana. Kos mologie und Geographie im frühen Christen tum (Paderborn 2014). 788 G. Agosti: Paideia greca e religione in iscri zioni dell’età di Giuliano, in: L’imperatore Giuliano. Realtà storica e rappresentazione, a cura di A. Marcone (Firenze 2015) [Studi sul mondo antico 3] 223–239. 789 G. A. Cecconi: Giuliano, la scuola, i cristiani: note sul dibattito recente, in: L’imperatore Giuliano. Realtà storica e rappresentazione, a cura di A. Marcone (Firenze 2015) [Studi sul mondo antico 3] 204–222. 790 C. Edwards: Absent Presence in Seneca’s Epistles: Philosophy and Friendship, in: The Cambridge Companion to Seneca, edited by S. Bartsch, A. Schiesaro (Cambridge 2015) 41–53. 791 Hymnic Narrative and the Narratology of Greek Hymns, edited by A. Faulkner, O. k inson (Leiden 2015) [Mnemosyne Hod Suppl. 384]. 792 N. Brumbaugh: Making the Hymn: Mesome dean Narrative and the Interpretation of a Genre, in: Faulkner, Hodkinson 2015 [*791: 165–182]. 793 N. Devlin: A Philosopher and His Muse: The Narrative of Proclus’ Hymns, in: Faulkner, Hodkinson 2015 [*791: 183–205]. 794 O. Hodkinson: Narrative Technique and Ge neric Hybridity in Aelius Aristides’ Prose Hymns, in: Faulkner, Hodkinson 2015 [*791: 139–164]. 795 R. Schwitter: Umbrosa Lux. Obscuritas in der lateinischen Epistolographie der Spätantike (Stuttgart 2015) [Hermes – Einzelschriften 107].
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Verwendbarkeit philosophischer Konzepte
796 G. Williams: Style and Form in Seneca’s Writ ing, in: The Cambridge Companion to Seneca, edited by S. Bartsch, A. Schiesaro (Cambridge 2015) 135–149. 797 Philosophus orator: Rhetorische Strategien und Strukturen in philosophischer Literatur. Michael Erler zum 60. Geburtstag, herausge geben von I. Männlein-Robert, W. Rother, St. Schorn, Ch. Tornau (Basel 2016) [Schwabe in terdisziplinär 10]. 798 E. Bouchard: Du Lycée au Musée. Théorie poétique et critique littéraire à l’époque hel lénistique (Paris 2016) [Hellenica]. 799 I. Männlein-Robert: Philosophie als Philolo gie? Der Platoniker Longin und seine Kriti ker, in: Riedweg 2017 [*603: 161–178]. 800 K. F. Pollmann: Porphyry, Metaphor/Alle gory, and the Christians, in: Die Christen als Bedrohung? Text, Kontext und Wirkung von Porphyrios’ Contra Christianos. Akten der internationalen Tagung an der Universität
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Tübingen, 28.–30. Juli 2014, herausgegeben von I. Männlein-Robert (Stuttgart 2017) [Roma Aeterna 5] 85–110. 801 A. Sarri: Material Aspects of Letter Writing in the Graeco-Roman World. 500 BC–AD 300 (Berlin, Boston 2018) [Materiale Textkul turen 12]. 802 I. Männlein-Robert: Einleitung, in: Die ‹Tü binger Theosophie› (TüTh), eingeleitet, über setzt und kommentiert von L. Carrara, I. Männlein-Robert (Stuttgart, im Druck). 803 R. Schwitter: Gebrauchstext oder Literatur? Methodenkritische Überlegungen zur literari schen Stellung des Privatbriefs in der Antike, in: Zwischen Alltagskommunikation und lite rarischer Identitätsbildung. Kulturgeschichtli che Aspekte lateinischer Epistolographie in Spätantike und Frühmittelalter, herausgege ben von G. M. Müller (Stuttgart 2018) [Roma Aeterna 7] 85–108.
Verwendbarkeit philosophischer Konzepte für jüdische, christliche und gnostische Theologien 807 J. von Arnim: Quellenstudien zu Philo von Alexandria (Berlin 1888) [Philologische Un tersuchungen 11]. 808 Friedrich Ueberwegs Grundriss der Ge schichte der Philosophie. Erster Teil: Die Phi losophie des Altertums. 12. umgearbeitete und erweiterte Auflage von K. Praechter (Berlin 1926). 809 Friedrich Ueberwegs Grundriss der Ge schichte der Philosophie. Zweiter Teil: Die Patristische und Scholastische Philosophie. 11. völlig neubearbeitete Auflage von B. Geyer (Berlin 1927). 810 W. Pannenberg: Die Aufnahme des philoso phischen Gottesbegriffs als dogmatisches Pro blem der frühchristlichen Theologie, in: ZKG 70 (1959) 1–45. – Wieder in: Ders.: Grundfra gen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze (Göttingen 1967) 296–346. 811 G. Ebeling: Theologie I. Begriffsgeschicht lich, in: Die Religion in Geschichte und Ge genwart 6 (Tübingen 31962) 754–769. 812 E. Osborn: The Beginning of Christian Phi losophy (Cambridge et al. 1981). 813 Christen und Heiden in Staat und Gesell schaft des zweiten bis vierten Jahrhunderts. Gedanken und Thesen zu einem schwierigen Verhältnis, herausgegeben von G. Gottlieb, P. Barceló (München 1982) [Schriften der Phi
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losophischen Fakultäten der Universität Augsburg, historisch-sozialwissenschaftliche Reihe 44]. 814 Ch. Hein: Definition und Einteilung der Phi losophie. Von der spätantiken Einleitungslite ratur zur arabischen Enzyklopädie (Frankfurt a. M., Bern, New York 1985) [Europäische Hochschulschiften, Reihe 20, Philosophie 177]. 815 H. M. Schmidinger: Zur Geschichte des Be griffs «christliche Philosophie», in: Christli che Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. I: Neue Ansätze im 19. Jahrhundert, herausgegeben von E. Co reth, W. M. Neidl, G. Pfligersdorffer (Graz et al. 1987) 29–45. 816 M. Hengel: Judentum und Hellenismus. Stu dien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus (Tübingen 3 1988) [WUNT 10]. 817 L. Honnefelder: Die Wissenschaftlichkeit der Theologie als Problem der Philosophie, in: Philosophie und Wissenschaft, herausgegeben von W. Oelmüller (Paderborn 1988) 127–137. 818 H. Görgemanns: Philosophie II. Patristik und Mittelalter. – A. Griechische Patristik, in: HWdPh 7 (1989) 616–623.
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Bibliographie zum ersten Kapitel
819 H. M. Schmidinger: Philosophie, christliche, in: HWdPh 7 (1989) 886–898. 820 W. Burkert: Antike Mysterien. Funktionen und Gehalt (München 1990). 821 H. M. Schmidinger: Der Streit um die christ liche Philosophie in seinem Zusammenhang, in: Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20. Jahrhunderts. III: Moderne Strömungen im 20. Jahrhundert, he rausgegeben von E. Coreth, W. M. Neidl, G. Pfligersdorffer (Graz et al. 1990) 23–47. 822 Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus. II,1–2: Texte zur Briefliteratur und zur Johannes apokalypse, herausgegeben von G. Strecker, U. Schnelle (Berlin, New York 1996). 823 S. Vollenweider: Weisheit am Kreuzweg: Zum theologischen Programm von 1 Kor. 1 und 2, in: Kreuzestheologie im Neuen Testament, herausgegeben von A. Dettwiler, J. Zumstein (Tübingen 2002) [WUNT 151] 43–58. 824 Paul in the Greco-Roman World. A Hand book, edited by J. P. Sampley (Harrisburg 2003, London 22016). 825 The Philosophy of the Commentators: 200– 600 AD. A Sourcebook, edited by R. Sorabji, I–III (London 2004). 826 H. Cancik: Theologia, in: Religion in Ge schichte und Gegenwart 8 (Tübingen 42005) 251–254. 827 Th. Kobusch: Christliche Philosophie. Die Ent deckung der Subjektivität (Darmstadt 2006). 828 H. Görgemanns: Religiöse Philosophie und philosophische Religion in der griechischen Literatur der Kaiserzeit, in: Religiöse Philo sophie und philosophische Religion der frü hen Kaiserzeit, herausgegeben von R. Hirsch-Luipold, H. Görgemanns, M. von Al brecht (Tübingen 2009) [STAC 51] 47–66. 829 S. Vollenweider: Der Logos als Brücke vom Evangelium zur Philosophie: Der Johannes
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prolog in der Relektüre des Neuplatonikers Amelios, in: Studien zu Matthäus und Johan nes. FS Jean Zumstein, herausgegeben von A. Dettwiler, U. Poplutz (Zürich 2009) [Ab handlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments 97] 377–397. 830 Ch. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolego mena zu einer Geschichte der christlichen Theologie (Tübingen 2010). 831 The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson, I–II (Cam bridge 2010). 832 W. Burkert: Griechische Religion der archai schen und klassischen Epoche (Stuttgart et al. 2 2011) [Die Religionen der Menschheit 15]. 833 P. Van Nuffelen: Rethinking the Gods. Philo sophical Readings of Religion in the PostHellenistic Period (Cambridge 2011). 834 J. N. Bremmer: Athenian Civic Priests from Classical Times to Late Antiquity, in: Civic Priests: Cult Personnel in Athens from the Hellenistic Period to Late Antiquity, edited by M. Horster, A. Klöckner (Berlin, Boston 2012) [RVV 58] 219–235. 835 Ch. Markschies: Hellenisierung des Christen tums. Sinn und Unsinn einer historischen Deutungskategorie (Leipzig 2012) [Forum Theologische Literaturzeitung 25]. 836 G. Karamanolis: The Philosophy of Early Christianity (Durham NC, Bristol CT 2013). 837 S. Morlet: Christianisme et philosophie. Les premières confrontations (Ier–VIe siècle) (Paris 2014). 838 Ch. Riedweg: Aspects de la polémique philo sophique contre les chrétiens dans les quatre premiers siècles, in: AEPHE 123 (2016) 151– 158. – Online unter: http://asr.revues.org/1442 (Stand: Juli 2018).
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Zweites Kapitel
Fortführung der hellenistischen Schulen
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I. DIE SEXTIER UND POTAMON § 8. Quintus Sextius und seine Schule; Potamon von Alexandrien Gretchen Reydams-Schils
1. Quintus Sextius und seine Schule. – 2. Potamon von Alexandrien.
1. Quintus Sextius und seine Schule Die wichtigste Quelle für Quintus Sextius ist Seneca, der eindeutig von ihm be einflusst ist (Lana 1992 [*2: 110–115], Griffin 22003 [*150: 37–43], Inwood 2005 [*147: 9–12, 15f.]). Dass es sich um eine Schule gehandelt haben soll und nicht um einen einzelnen Denker, bezeugt Seneca mit der Andeutung «Sextiorum […] secta» (Nat. 7,32,2). Obwohl Seneca festhält, dass die Schule noch in den Anfängen erlo schen sei, argumentiert Lana (1992 [*2: 111]), sie habe wahrscheinlich ca. sechzig Jahre bestanden (40 v. Chr. – 19 n. Chr.), weil es mindestens zwei Generationen ge geben hat – Vater und Sohn (Claud. Mam. Anim. 2,8). Im Vergleich mit den ande ren Schulen, von denen bei Seneca die Rede ist – Akademiker, Skeptiker, Pytha goreer – ist das tatsächlich eine relativ kurze Zeit. Sextius’ Selbststilisierung als Philosoph nach griechischem Vorbild war viel um fassender als diejenige Ciceros. Erstens schrieb er auf Griechisch (Sen. Epist. 59,7) und ist in dieser Hinsicht auch wichtig für Stoiker der Kaiserzeit wie Musonius Rufus, Epiktet und Mark Aurel. Zweitens verweigerte er jedes politische Engage ment (Sen. Epist. 98,13): Caesars Angebot einer Senatsstelle schlug er aus. Dies könnte eine zeitgemäße Form politischer Opposition sein: Es ist z. B. bekannt, dass M. Marcellus die Gnade Caesars nicht angenommen hat (Cic. Fam. 4,7–12). Auf das ‘Römisch-Sein’ (romanitas) hat Sextius allerdings nicht verzichtet: Man betont seine «Energie» («vigor»: Sen. Epist. 64,3) oder «Stärke» («robur»: Sen. Nat. 7,32,2), die zu den ‘römischen Sitten’ (mores Romani) passen: «er philoso phiert in griechischer Sprache, aber römischer Geisteshaltung» («Graecis verbis, Romanis moribus philosophantem»: Sen. Epist. 59,7). Aus dieser Perspektive lässt sich auch sein Vergleich der Philosophie mit einem kriegerischen Unternehmen verstehen (Sen. Epist. 59,7f.). Diese Selbststilisierung des Sextius hat den doppel ten Vorteil, dass er sowohl den ‘römischen Sitten’ als auch Platons Ideal vom WächterPhilosophen in der ‹Politeia› entspricht. Das Denken des Sextius soll hauptsächlich vom Stoizismus beeinflusst gewesen sein, und doch wollte er sich laut Seneca nicht als Stoiker bezeichnen (Epist. 64,2).
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
Bemerkenswert ist die Aussage, Jupiter übertreffe durch nichts den «guten Mann» (vir bonus) und sei nicht seliger als der Weise, auch wenn das Glück der Götter von längerer Dauer sei (Sen. Epist. 73,12–15). Man weist öfter auf platonische und pythagoreische Einflüsse hin, und doch sind diese nicht eindeutig. Zwar hat Sextius z. B. angenommen, die Seele sei unkörperlich (Claud. Mam. Anim. 2,8), aber er hat hinzugefügt, dass ihr «keine bestimmte Stelle» (inlocalis) im Körper zugewiesen ist, was im Gegensatz zur ersten Aussage nicht mit der platonischen Auffassung der Psyche (vgl. Plat. Tim. 87aff.) übereinzustimmen scheint (vgl. aber kritisch dazu I. Hadot 2007 [*6], die diese Aussagen als mittelplatonisch klassifiziert). Auch mit Verweisen auf den Pythagoreismus sollte man zurückhaltend sein: In der Tat pro pagierte Sextius den Vegetarismus, aber nicht aufgrund einer Lehre von Seelen wanderung, sondern da er das Schlachten und Verspeisen von Tieren für grausam und unnatürlich hielt (Sen. Epist. 108,17ff.; zum Vegetarismus vgl. Musonius Diatr. 18a). Ein wichtiger Hinweis auf die Rezeption pythagoreischen Gedankenguts durch Sextius ist die Passage in Senecas ‹De ira› (Dial. 5,36,1f.), nach der Sextius die tägliche Gewissenserforschung am Abend empfahl, was eine Übung nach Art der Pythagoreer ist, obwohl sie diesen eventuell nur zur Gedächtnisstärkung diente (vgl. Cic. Cato 38; aber siehe auch Ps.-Pyth. Carm. aur. 40–44). Unter den Schülern des Sextius sollen sein Sohn, Papirius Fabianus, L. Crassi cius Pasicles (Pansa) und A. Cornelius Celsus gewesen sein (Lana 1992 [*2: 112]). Wenn der Sohn des Sextius der bei Plinius dem Älteren erwähnte Sextius Niger ist (Plin. Nat. 1,14), dann ist durch den Enzyklopäden für diesen ein überwiegend medizinisches Interesse bezeugt. Papirius Fabianus ist wichtig im Hinblick auf die folgenden Betrachtungen, weil er eine Brücke zwischen Rhetorik und Philosophie geschlagen haben soll, also zwischen Seneca dem Älteren und seinem Sohn, dem Philosophen (Sen. Contr. 2,7,4f.). Unter den Philosophen, die indirekt von Q. Sex tius beeinflusst sind, sei hier noch Sotion erwähnt, auch ein Lehrer Senecas des Jüngeren (Sen. Epist. 108,17f.). 2. Potamon von Alexandrien Potamon von Alexandrien ist schwer einzuordnen. Nach Diogenes Laertios (D. L. 1,21; vgl. auch Suda II,177,13–20 Adler s. v. αἵρεσις und eventuell epigra phisches Material bei Runia 1988 [*1]) soll er eine ‘eklektische’ Schule gegründet haben, d. h. eine Schule, die sich mit Absicht der Aspekte verschiedener philo sophischer Lehren bedient und diese neu zusammengesetzt haben soll. Der Be richt bei Diogenes Laertios ist knapp, und doch zitiert er aus Potamons Werk ‹Ele mentarlehre› (Στοιχείωσις) drei zentrale Themen seiner Lehre: 1) Epistemologie: Als Kriterien für die Wahrheit nennt er: a) «das leitende Prinzip» (ἡγεμονικόν) als Ursprung des Urteils, und b) die «genaueste Vorstellung» (τὴν ἀκριβεστάτην φαντασίαν) als Beispiel für die Art und Weise der Bestimmung (eine Vermischung stoischer und skeptischer Elemente); 2) (Meta-)Physik: Die Grundprinzipien der Wirklichkeit sind Materie (ὕλη), tätige Ursache (ποιοῦν), Qualität (ποιότης) und Ort (τόπος), mit einer Skizze einer sogenannten Metaphysik der Präpositionen
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§ 8. Quintus Sextius und seine Schule; Potamon von Alexandrien (Bibl. 229)
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(vgl. Sen. Epist. 65,8); 3) Ethik: Das Ziel (τέλος) ist ein Leben, das sich in der Ge samtheit von Tugend vervollkommnet, inklusive der naturgemäßen, körperlichen und der äußeren Güter (d. h. eine Mischposition, so wie sie z. B. durch Cicero und Antiochos von Askalon Platon und den Peripatetikern zugesprochen wird, Cic. Fin. 4–5). Nach der ‹Suda› (IV,181,21f. Adler s. v. Ποτάµων) soll Potamon vor und während der Zeit des Augustus gelebt und einen «Kommentar» (ὑπόμνημα) zu Platons ‹Politeia› verfasst haben; da Simplikios in einem Kommentar von einem Gelehrten desselben Namens berichtet, könnte es zumindest zwei verschiedene Philosophen mit dem gleichen Namen gegeben haben (Simpl. In Cael. p. 606,33– 607,6; 652,9–654,11 Heiberg; vgl. Rescigno 2001 [*5]). Für die Entwicklung der ‘eklektischen’ Philosophie ab dem 17. Jahrhundert wurde Potamon als ein wichti ger Vorläufer bezeichnet (Kelley 2001 [*4: 579f.]).
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
II. STOA § 9. Überblick Gretchen Reydams-Schils Die im Folgenden behandelten römischen Stoiker beschäftigen sich fast alle mit der Ethik und ihrer Anwendung, und ihre Schriften sind weniger technischphilosophisch als die Werke der frühen Stoiker. Aufgrund unserer nur fragmentarischen Einsicht in die erste Epoche des Stoizismus und der Tatsache, dass die Unterscheidungen zwischen altem, mittlerem und kaiserzeitlichem Stoizismus nicht rigide eingehalten werden können, sind die Neuerungen des römischen Stoizismus nicht eindeutig festzustellen. Offenkundig waren die Kenntnisse der übrigen Gebiete des stoischen Systems außerhalb der Ethik in dieser Epoche gut. Zeugen hierfür sind die sogenannten doxographischen Arbeiten, d. h. systematische Überblicke zur Lehre der verschiedenen Schulen, wie der des Diogenes Laertios, die durch Stobaios erhaltenen Texte des Areios Didymos, des Hofphilosophen des Kaisers Augustus, und die Arbeiten des Sextus Empiricus. Auch in der Polemik findet sich sehr viel Material, aber entsprechend subjektiv verfärbt. Diese Polemik ist eine Fortsetzung der Debatte zwischen den Stoikern und der skeptischen Akademie im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. Eine Polemik ist implizit bezeugt in mittelplatonischen Texten wie dem ∆ιδασκαλικός (‹Lehrbuch [über die Grundsätze Platons]›) des Alkinoos und explizit bei Philon von Alexandrien und späteren Autoren wie Plutarch, Galen und Alexander von Aphrodisias. Die christlichen Schriftsteller der ersten zwei Jahrhunderte, wenn sie sich für Physik, Psychologie und Logik interessierten, griffen auf frühere Generationen der Stoiker zurück. Die Werke der römischen Stoiker sind in ihrer ‘Tiefenstruktur’ über den Bereich der Ethik hinaus mit der stoischen Lehre verknüpft. So finden sich Andeutungen zu Logik und Physik: Seneca widmete letzterer ein ganzes Werk, seine ‹Naturales quaestiones›. Von Musonius Rufus und Epiktet, die im Gegensatz zu Seneca Philosophielehrer waren, wissen wir, dass sie technische Schulübungen veranstaltet haben, bei denen im Falle Epiktets die Lektüre von Arbeiten Chrysipps eine z entrale Rolle spielte, auch wenn die erhaltenen Vorlesungen nicht aus dieser Schulpraxis stammen. Die Betrachtungen des Hierokles zeigen, wie eine theoretische Abhandlung über ein Thema, das zum Grenzbereich zwischen Physik und Ethik gehört, mit praktischen ethischen Empfehlungen zum Leben in der Gemeinschaft und dem Verhältnis zu den Göttern verknüpft wird. Im Folgenden wird ein Überblick geboten über Cornutus, Seneca, Musonius Rufus, Epiktet, Mark Aurel und Hierokles. Zwei weitere Figuren sind ebenfalls von Bedeutung für die Geschichte des Stoizismus in dieser Epoche: Chairemon und Kleomedes. Chairemon (Van der Horst 1984 [*19], Frede 1989 [*34]) war ein ägyptischer Priester und Stoiker, der Nero in Rom unterrichtet hat; für ihn ist Interesse auf den Gebieten Geschichte, Sprachlehre, Religion, Astrologie, Hiero-
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glyphen und Allegorese bezeugt. Er wird u. a. durch Porphyrios zitiert. Von Kleomedes (Bowen, Todd 2004 [*27]) ist eine Arbeit über die Astronomie (‹Caelestia›) erhalten, die auch ein wertvolles Zeugnis über Poseidonios darstellt. Die zentrale Bedeutung der ethischen Praxis und der Soziallehre ist bei allen römischen Stoikern gleichermaßen festzustellen. Wie ihre platonischen Gegenspieler beabsichtigten sie eine ‘Umkehr’ mittels der Psychagogie, weg von falschen Werten zum Guten im stoischen Sinne; eine Art Konversion, die eine Konzentration auf das Selbst und die innere Rationalität voraussetzt. Zu dieser Konversion gehören die vielfach verbreiteten Übungen wie die Einschätzung der eigenen Fortschritte und Fehlschläge, die ständige Reflexion über das Gute und die Stärkung gegen Unglücksfälle im herkömmlichen Sinne wie Armut, Verlust, Krankheit und Tod. Diese Innerlichkeit erhält aber ihre wahre B edeutung nur im Rahmen eines rational und von göttlicher Vorsehung geordneten Kosmos und steht im Dienste des richtigen Verhaltens gegenüber den Mitmenschen und der sozialen Verantwortung. Für all diese späteren Stoiker war Sokrates von grundsätzlicher Bedeutung (Sellars 2003 [*37], Gill 2006 [*39]). Generell kann man sagen, dass diese Prägung von dreierlei Art ist: 1) thematisch: in Thesen wie z. B., dass die Tugend das glückliche Leben ausmacht; 2) stilistisch: in der Art zu philosophieren, meistens durch ein Gespräch; und 3) paradigmatisch: Sokrates als Vorbild für ein g elungenes Leben und einen mutigen Tod.
§ 10. L. Annaeus Cornutus Gretchen Reydams-Schils
Cornutus dürfte, wie sein Name andeutet, ein Freigelassener der ‘gens Annaea’ sein, d. h. der Familie Senecas. Er soll aus Leptis Magna in Nordafrika stammen. Nach Dio Cassius (62,29,1–4) und ‹Suda› (III,159 Adler) fiel Cornutus der Rache von Nero zum Opfer, wurde von ihm ins Exil geschickt (um 63–65, so Nock 1931 [*60: 995], wie Musonius Rufus) und vielleicht auch beseitigt (wie Seneca). Er war der Lehrer der Dichter Persius und Lukan, und möglicherweise widmete er eine seiner Schriften Silius Italicus (Charisius Gramm. 1,125,16 Keil). Er hatte breit gefächerte Interessen auf dem Grenzgebiet zwischen der Tätigkeit des «Lehrers» (grammaticus) und des Philosophen. Arbeiten zu Literatur, Grammatik und Sprachlehre sind für ihn bezeugt, wie auch eine starke Anlehnung an die stoische Verknüpfung zwischen Physik/Theologie und Ethik. Er verfasste Werke in lateinischer und griechischer Sprache: Nach Porphyrios (In Cat. p. 86,20– 24 Busse) und Simplikios (In Cat. p. 62,24–28 Kalbfleisch; Hays 1983 [*52: App. 2, a.1–8]) soll er über Aristoteles’ ‹Kategorien› geschrieben haben. Arbeiten über Vergil sind bezeugt, wie auch ‹De figuris sententiarum› (‹Über Stilfiguren›),
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Ῥητορικαὶ τέχναι (‹Lehrbuch der Rhetorik›) und ‹De enuntiatione vel orthographia› (‹Von der Aussprache oder der Rechtschreibung›). Nach Angabe eines Papyrus (P. Oxy. 3649) hat er auch eine philosophische Abhandlung Περὶ ἑκτῶν (‹Über Güter, die man besitzen kann›, oder vielleicht ‘Eigenschaften’; vgl. D. L. 3,105; Sedley 2005 [*63]) veröffentlicht. Er besorgte wahrscheinlich durch Caesius Bassus die Ausgabe des Persius. Zu den Schriften, die ihm zugeschrieben wurden, aber unecht sind, gehören Kommentare zu Persius und Juvenal, sowie Deutungen von Hesiods ‹Theogonie›. Der Titel der Schrift, die von ihm erhalten ist, ist nicht eindeutig bezeugt: Ἐπιδροµὴ τῶν κατὰ τὴν Ἑλληνικὴν θεολογίαν παραδεδοµένων (‹Kompendium der überlieferten Meinungen zur griechischen Theologie›) oder auf Lateinisch ‹Theologiae Graecae compendium› nach Langs Ausgabe (aber auch ‹De natura deorum› in der Überlieferung). Diese Schrift ist ein Lehrbuch für einen «Knaben» (παιδίον). Es enthält hauptsächlich etymologische Erklärungen von Götternamen. Die Methode ist wichtig, weil bekannt ist, dass es in der Stoa eine gut entwickelte Tradition solcher etymologischer Auslegungen gab, obwohl heute die Frage umstritten ist, inwiefern die Stoiker allegorische Interpretationen von Dichtungen anerkannten (siehe Überblick und Analyse von Ramelli 2003 [*53: 31–41]). Im stoischen Umfeld sind solche Etymologien mit der Annahme verbunden, dass erstens die Ursprache der Menschen der Natur und den Dingen gemäß war und dass zweitens die ersten Generationen von Dichtern und Weisen dieser Verknüpfung von Sprache und Wirklichkeit am nächsten standen und deswegen einen direkten Zugang zur Wahrheit hatten (und so verweist auch Cornutus durchaus auf die «Alten», παλαιοί, vgl. den Index bei Lang 1881 [*49], und Kap. 35 Lang; BoysStones 2001 [*62]). Im zeitgenössischen Rahmen kann Cornutus’ Arbeit verglichen werden mit dem, was über Chairemons Interpretation der Hieroglyphen in Ägypten bekannt ist, den ‹Homerischen Allegorien› Heraklits (1. Jh. n. Chr.) und der eher platonisch orientierten Allegorese in der Ps.-Plutarchischen Schrift Περὶ τοῦ βίου καὶ τῆς ποιήσεως Ὁµήρου (‹Über das Leben und die Dichtung Homers›). Cornutus’ Abhandlung trägt deutliche Züge stoischer Physik: Der Himmel ist äußere Grenze der Realität (1); eine feurige Substanz bildet die Grundlage aller Dinge, so auch der menschlichen Seele (1); Zeus wird mit der Seele der Welt identifiziert (2), und der Himmel mit dem dominanten Teil der Seele; die verschiedenen Götter sind Aspekte der einen physisch tätigen Gottheit Zeus (passim, siehe z. B. Athene 20; Atlas 26; Herakles 31); die Welt ist aus Feuer entstanden und wird auch wieder in diesem erlöschen (17); die All-Seele ist gleichzusetzen mit einer Fürsorge, die sich besonders auf den Menschen bezieht (18). Gegen die dominante Tendenz im Stoizismus scheint er anzunehmen, dass das «leitende Prinzip» der Seele (ἡγεµονικόν) sich im Kopf und nicht im Herzen befindet (20). Nach Iamblichos bei Stobaios (Ecl. 1,49,43, I,383,28–384,2 Wachsmuth) glaubte Cornutus, dass die Seele entweder vor dem Körper stirbt oder mit ihm. Cornutus betont auch den Zusammenhang zwischen Physik und Ethik, wenn er z. B. erwähnt, dass die Tugenden eine untrennbare Einheit bilden (14) oder dass die Menschen die «Absicht» (βούληµα) der Götter kennen durch «Gedanken, die sich aufgrund der
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Rationalität in uns befinden» (ἐκ τῶν ἐνδεδοµένων ἡµῖν κατὰ τὸν λόγον ἐννοιῶν: 16). So fordert das Ende des Textes auch zu wahrer Pietät gegenüber den Göttern auf, die vom Aberglauben zu unterscheiden sei. Cornutus’ ethische Interessen sind bezeugt bei Persius (5,21ff., wo Cornutus mit Sokrates verglichen wird) und Dio Cassius, bei dem es über Cornutus heißt: «er war damals wegen seiner Bildung berühmt» (εὐδοκιµοῦντα τότε ἐπὶ παιδείᾳ: 62,29,2f.). Er scheint ein besonderes Interesse an Kleanthes gehabt zu haben (Cornutus 31; Persius 5,62–64), und der ‹Vita Persii› (32,35–33,40 Clausen) zufolge soll er nach dem Tod des Satirikers dessen Bibliothek einschließlich ca. 700 Buchrollen mit Arbeiten Chrysipps erhalten haben. Das Kapitel 15 über die Grazien ist vergleichbar mit den Aussagen, die Seneca Chrysipp und Hekaton zuschreibt (Benef. 1,3f.; vgl. auch Epist. 88,5), wobei der römische Philosoph diese Art von Etymologien scharf kritisiert.
§ 11. L. Annaeus Seneca Gretchen Reydams-Schils
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Wir wissen nicht genau, wann Lucius Annaeus Seneca im spanischen CÓrdoba geboren ist (wahrscheinlich zwischen 4 v. und 1 n. Chr.). Er war der zweite Sohn des Rhetors Seneca des Älteren. Seine Mutter war Helvia. Ihr ältester Sohn war L. Annaeus Novatus, später nach der Adoption durch den gleichnamigen Rhetor Gallio genannt; L. Annaeus Mela war der jüngste. Seneca selbst berichtet uns, dass sein Vater nicht viel von der Philosophie hielt (Epist. 108,22). Seneca soll von Sotion, Attalus und Papirius Fabianus, die er als Lehrer nennt, beeinflusst worden sein, und damit gehört er indirekt zum Kreis des Quintus Sextius. Er scheint nicht in Griechenland studiert zu haben. Sein ganzes Leben lang litt er unter gesundheitlichen Problemen (Epist. 78,1). Eine Tante soll ihn nach Rom begleitet haben und später auch nach Ägypten, wo er sich von seiner Krankheit erholen wollte. Nach seiner Rückkehr nach Rom (im Jahre 31, so Maurach 42005 [*149: 28]) war er politisch tätig, u. a. als Quaestor (zwischen 33 und 36 n. Chr.). Bereits während Caligulas Herrschaft erregte er den Ärger des Kaisers (Suet. Cal. 53,2; Cass. Dio 59,19,7f.). Unter Claudius wird er 41 n. Chr. nach Korsika verbannt,
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wegen einer vermeintlichen Affäre mit Julia Livilla, Caligulas jüngerer Schwester (Cass. Dio. 60,8,5). Zu Beginn des Jahres 49 wird er aus dem Exil zurückberufen (Grimal 1978 [*113: 81]) und kurz danach als Erzieher Neros angestellt, der 54 Kaiser wird (Seneca soll seine Thronrede geschrieben haben, vgl. Tac. Ann. 13,3). Die Beziehung zu Nero dominiert sein weiteres Leben. Kurz nachdem Nero Brittanicus ermorden ließ (55 n. Chr.), schreibt Seneca seine Arbeit ‹De clementia›, die an Nero gerichtet ist. Wir wissen nicht, ob Seneca ein- oder zweimal verheiratet war, aber er erwähnt mit Namen seine Ehefrau Pompeia Paulina (Epist. 104,1f.). Auch verweist er auf den Tod eines Sohnes (Dial. 12,2,5). Im Jahre 58 entsteht das negative Urteil, dass Seneca ein Heuchler sei, aufgrund des Konflikts mit Suillius Rufus: Dieser wurde des Denunziantentums gegen Geld angeklagt und beschuldigte während des Prozesses Seneca, er habe sich als Günstling Neros in ungeheurem Maße bereichert, was kaum zum bedürfnislosen Weisen passe (Tac. Ann. 13,42f.; 14,52; Cass. Dio 61,10,1–6; 62,2,1; vgl. Maurach 42005 [*149: 10–14]). Des Weiteren sprechen seine Kritiker von einem schlechten Einfluss auf Nero (Cass. Dio 61,12,1), Schmeichelei und anderem Fehlverhalten aufgrund von Schwäche (Tac. Ann. 14,7. 11. 14). Das Verhältnis zu Nero wird nach dessen Mord an seiner Mutter Agrippina (59 n. Chr.) immer problematischer, und Seneca versucht nach Burrus’ Tod 62 – vergebens – sich seines Reichtums zu entledigen und sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen (Tac. Ann. 14,52–56; 15,45); wie die Reden in Tacitus’ Darstellung und seine eigene Schrift ‹De vita beata› zeigen, bemühte sich Seneca um eine Art philosophisch begründete Apologie. Im Jahr 65 n. Chr. wird sein Name im Zusammenhang mit der Verschwörung Pisos genannt (Tac. Ann. 15,56; Cass. Dio 62,24,1), und Seneca wird von Nero zur Selbsttötung aufgefordert (Tac. Ann. 15,60–64; Cass. Dio 62,25,1–3; Müller 2003 [*142: 239–251]). Nach Tacitus soll Senecas Tod als Vorbild des stoischen Muts gelten (Tac. Ann. 15,62).
2. WERKE Gute Zusammenfassungen der Werke Senecas bei Maurach 42005 [*149] und Cooper, Procopé 1995 [*87]. Die absolute Chronologie ist nicht gesichert (Grimal 1978 [*113: 262–323]), aber man kann Gruppen von Schriften unterscheiden (zur Chronologie der Dialoge vgl. Giancotti 1957 [*103]: Synopsis diverser Datierungsversuche zw. 447 und 449 eingefügt; Abel 1985 [*117: 703–711]). 1 ‹Consolatio ad Marciam› (Dial. 6) – ‹Trostschrift an Marcia›. 2 ‹Consolatio ad Helviam matrem› (Dial. 12) – ‹Trostschrift an die Mutter Helvia›. 3 ‹Consolatio ad Polybium› (Dial. 11) – ‹Trostschrift an Polybius›. Nicht vollständig. 4 ‹De ira› (Dial. 3–5) – ‹Über den Zorn›. Nicht vollständig.
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5 ‹De clementia› – ‹Über die Milde›. Nicht vollständig. 6 ‹De beneficiis› – ‹Über die Wohltaten›. 7 ‹De constantia sapientis› (Dial. 2) – ‹Über die Standhaftigkeit des Weisen›. 8 ‹De brevitate vitae› (Dial. 10) – ‹Über die Kürze des Lebens›. 9 ‹De vita beata› (Dial. 7) – ‹Über das glück liche Leben›. Nicht vollständig. 10 ‹De tranquillitate animi› (Dial. 9) – ‹Über die Seelenruhe›. 11 ‹De otio› (Dial. 8) – ‹Über die Muße›. Nicht vollständig. 12 ‹De providentia› (Dial. 1) – ‹Über die Vorsehung›. 13 ‹Naturales quaestiones› – ‹Naturwissenschaftliche Untersuchungen›. Nicht vollständig,
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bedeutende lacunae am Ende von IVa und am Anfang IVb; Senecas Anordnung könnte III, IVa, IVb, V, VI, VII, I und II gewesen sein (Codoñer 1989 [*121], Hine 1996 [*88: xxiv], vgl. Inwood 2005 [*147: 161–162]; anders Gercke 1896 [*100: 7–158], Gauly 2004 [*146: 3–85]). 14 ‹Epistulae morales› – ‹Moralische Briefe›. Nicht vollständig, 20 von mindestens 22 Büchern erhalten, nach Aussage von Aulus Gellius (12,2). 15 Fragmente/Testimonia (Vottero 1998 [*89]): ‹Orationes›, ‹Poemata›, ‹Epistulae›, ‹De situ et sacris Aegyptiorum›, ‹De situ Indiae›, ‹De matrimonio›, ‹De motu terrarum›, ‹De forma mundi›, ‹De officiis›, ‹Quomodo amicitia continenda sit›, ‹De immatura morte›, ‹De super-
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stitione›, ‹Exhortationes›, ‹Libri moralis philosophiae›, ‹De vita patris›, ‹De remediis fortuitorum› (spätere Sammlung, aber vgl. Tert. Apol. 50,14). ‹De lapidum natura› und ‹De piscium natura› sind keine Titel von Werken Senecas, vgl. Lausberg 1989 [*122: 1930– 1932]. 16 Satire: ‹Apocolocyntosis› (über Claudius). 17 Tragödien: ‹Agamemnon›, ‹Hercules furens›, ‹Hercules Oetaeus› (wohl nicht von Seneca), ‹Medea›, ‹Oedipus›, ‹Phaedra›, ‹Thyestes›, ‹Troades›, ‹Phoenissae› (nicht vollständig, vielleicht u nbeendet), ‹Octavia› (unecht). 18 ‹Epigrammata› (Authentizität schwer zu be urteilen). Auch unecht: ‹Epistulae Senecae ad Paulum et Pauli ad Senecam›.
3. LEHRE
1. Sein und Ursache: Epist. 58 und 65. – 2. ‘Decreta’ und ‘praecepta’: Epist. 94 und 95. – 3. Die Bedeutung der Ethik. – 4. Das Selbst, die Tugend und die Affekte. – 5. Die Gemeinschaft. – 6. Physik und Ethik. – 7. Verhältnis zur Tradition.
Möchte man Senecas Art des Philosophierens gerecht werden, beginnt man am besten bei seiner Betrachtung einer konkreten Lebenslage und Herausforderung, wie z. B. diejenige in Epist. 104. Das heißt auch, dass im Folgenden besonders die Briefe Senecas, ein Spätwerk, als Rahmen für die Behandlung seiner Lehre benutzt werden. Im gesamten Brief 104 wird das Selbst gleichermaßen auf philo sophische wie auf literarische Weise in seinen Beziehungen zu Mitmenschen und Welt dargestellt. Der Brief beginnt mit einer aus gesundheitlichen Gründen unternommenen Reise Senecas und seinem liebevollen Verhältnis zu seiner Ehefrau Paulina. Die Perspektive des Briefes erweitert sich zunächst durch Gedanken über die falsche Art des Reisens (Ortswechsel als Flucht, aus erhöhter Unruhe heraus, aufgrund der Illusion von Freiheit und vermeintlicher Horizonterweiterung), dann auch durch Überlegungen zu einer problematischen Abhängigkeit von Dingen und Mitmenschen, von letzteren besonders angesichts des Todes (Epist. 104,11). Das Vorbild des Sokrates, der ein schwieriges Verhältnis zu Frau und Kindern hatte (Epist. 104,27f.), führt zu ethischen Vorbildern im Allgemeinen, wobei deutlich wird, dass korrektes Philosophieren die einzige und zugleich wichtigste Horizonterweiterung bewirkt, die Welt und Mitmenschen immer in Gedanken präsent hält und zu persönlicher Freiheit führt (Epist. 104,34). Und hiermit sind bereits viele der wichtigsten Themen Senecas angedeutet. Auch wenn die Briefe an eine historische Person namens Lucilius adressiert sein sollen, ist dieser mit fiktiven Zügen eines Adressaten gezeichnet, der an der Schwelle einer Entscheidung für das philosophische Leben steht und dessen Fort-
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schritt der Leser, um sein eigenes Seelenheil besorgt, die Korrespondenz hindurch verfolgen kann. Seneca hat einerseits ein unabhängiges Verhältnis zur Autorität der Begründer des griechischen Stoizismus und deren Tradition: Er äußert Re spekt für einen Zenon oder Chrysipp (vgl. z. B. Epist. 22,11; 104,22; 108,38), aber enthält sich nicht einer eigenen Stellungnahme (Epist. 33,4ff.; 45; 64). Andererseits gibt er sich gegenüber Lucilius auch nicht als unfehlbar aus: Er erwähnt seine eigenen Fehlschläge (z. B. Epist. 8,3; 63,14) und redet über sich selbst nicht, als sei er ein Weiser, sondern als jemand, der Fortschritte macht (Epist. 116,5; vgl. 87,5; Dial. 7,17f.). Mehrmals deutet er an, er schreibe so an Lucilius, als ob dieser bei einem Selbstgespräch seines Freundes anwesend wäre (Epist. 27,1; vgl. 75,1). Und so stellen die Briefe auch die philosophische Entwicklung Senecas dar und die Selbsttherapie am Ende seines Lebens, aber nicht in systematisch-chronologischer Form (I. Hadot 1969 [*108]). Für die philosophische Identität Senecas könnte es wichtig sein, dass er in lateinischer Sprache philosophierte, im Gegensatz zu seinem Lehrer Sextius und anderen Stoikern, von denen die meisten das Griechische bevorzugten. Damit erlangte er eine gewisse Eigenständigkeit als Autor. Als ethische Vorbilder erwähnt er häufig Cato Uticensis und Scipio Africanus maior (aber auch Cato Censorius und Scipio den Jüngeren; vgl. Dial. 6,25,2: «Scipiones Catonesque»). Anders als Cicero sah Seneca sich in seiner philosophischen Arbeit nicht in erster Linie als Übersetzer und Vermittler griechischer Lehren (Grimal 1978 [*113: 34– 41], Inwood 2005 [*147: 20ff.]). Er zeigt ein Bewusstsein sprachlicher Unterschiede zwischen dem Lateinischen und dem Griechischen (z. B. Epist. 58,6f.; 87,40; Inwood 2005 [*147: 19f.]). 1. Sein und Ursache: Epist. 58 und 65 Die Briefe 58 und 65 sind sehr wichtig für die Geschichte der Philosophie (Setaioli 1988 [*120], Inwood 2007 [*93]). Brief 58 behandelt thematisch «das Wesen» (οὐσία, essentia) und «das Seiende» (τὸ ὄν, quod est). Platon soll laut Seneca sechs Formen des Seins bestimmt haben. Bevor sich Seneca mit diesen beschäftigt, erläutert er eine peripatetisch inspirierte Einteilung des Seienden in «Gattungen» (genera) und «Arten» (species), durch die er die «höchste G attung» (summum genus) ermitteln will. Für die Stoiker ist dieses das «etwas» (τι bzw. quod), welches das Seiende der Platoniker überragt, weil es in unseren Gedanken imaginäre Objekte wie z. B. Kentauren geben kann, die keinen Anspruch auf das Sein erheben können, aber auch nicht ‘nichts’ sind (Epist. 58,15). Platons sechs Modalitäten des Seins sind: 1) Das Sein «in Gedanken» (cogitabile), d. h. die Dinge, die man nicht sensorisch wahrnehmen kann, wie Begriffe, welche die Gattungen benennen, z. B. ‘Mensch’; 2) das Sein «per excellentiam», d. h. Gott; 3) das Sein «im eigentlichen Sinne» (quae proprie sunt) oder die Platonischen Ideen, ewig und unveränderbar, die «Modelle» (exemplar) der physischen Realität; 4) mit deutlichem Anknüpfen an die peripatetische Tradition: die Form und Struktur, die sich in den Dingen selbst befindet, in Nachahmung der Modell-Idee
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(εἶδος oder «idos» bei Seneca); 5) die «gemeinsame Bestimmung» (quae communiter sunt), die nach dem lateinischen Ausdruck wohl als Gegensatz zum eigentlichen Sein gemeint ist und auf die stoische «allgemeine Qualität» (κοινῶς ποιόν) anspielt – z. B. Menschen, Tiere und Dinge (der Unterschied zum ersten und dritten Seinsmodus ist nicht sofort deutlich); 6) als letztes, Dinge, die nur ein «Scheinsein» (quae quasi sunt) haben, wie die Zeit und die Leere. Brief 65 analysiert die ersten Ursachen, die Aristoteles und Platon bestimmt haben sollen. Aristoteles nennt vier solche Ursachen: 1) die Materie; 2) den «Urheber, Schöpfer» (opifex); 3) die «Form» in den Dingen (die in 58 schon erwähnte «idos»); 4) das «Ziel» (propositum). Platon soll diese vier Ursachen auch anerkannt haben, aber eine fünfte hinzugefügt haben: die Idee als Modell. Das Seiende ist dann das Resultat, das aus der Interaktion dieser Ursachen hervorgeht. Hierbei wird auch Platon eine Metaphysik der Präpositionen zugeschrieben: Die Ursachen werden beschrieben als ‘ex quo’ (das «Aus-Was»), ‘a quo’ (das «Durch-Was»), ‘in quo’ (das «In-Was»), ‘ad quod’ (das «Nach-Was»), ‘propter quod’ (das «Weswegen») und schließlich ‘quod ex his est’ (das «Was aus diesen entsteht»). In seiner Kritik an dieser ‘Masse’ von Ursachen (Epist. 65,11: «turba causarum») argumentiert Seneca, dass diese Liste entweder nicht ausreichend sei (falls Platon und Aristoteles alle Faktoren haben nennen wollen, die zu einer Tatsache beitragen), oder aber, dass sie viel zu lang sei (für den Fall, dass sie nur die Hauptursachen haben nennen wollen): Nach den Stoikern sind die zwei Grundprinzipien der Realität die Materie und Gott, wobei nur Gott als das tätige Prinzip, als Ursache bezeichnet werden kann. Es gibt also nur eine Grundursache. Die beiden Briefe sind thematisch verknüpft durch die platonische Idee, die aristotelische Form und Gott, die in Brief 58 als Seinsmodalitäten erwähnt werden und in 65 als Ursachen. 65 verknüpft deutlicher als 58 die Ideen mit Gott: Hier werden die Ideen, wie es auch für den sogenannten mittleren Platonismus bezeugt ist, zu Gedanken Gottes (Epist. 65,7). Beide Briefe zeigen auch, dass die Debatte über die stoische Auffassung einerseits und die platonisch-aristotelischen Posi tionen andererseits im Rahmen einer Deutung des platonischen ‹Timaios› gesehen werden muss (Reydams-Schils 1999 [*133]). So gehen beide Briefe mühelos von einem menschlichen ‘artifex’, einem Bildhauer oder Maler, über zum ‘opifex’ der Welt, eben dem Demiurgen Platons (besonders deutlich ist dieses Echo in Epist. 58,27–28; 65,10 ist ein ‹Timaios›-Zitat: Plat. Tim. 29d–e). 2. ‘Decreta’ und ‘praecepta’: Epist. 94 und 95 Ein wichtiger Schlüssel zum philosophischen Œuvre Senecas sind die Briefe 94 und 95 (I. Hadot 1969 [*108: 8f.], Ioppolo 2000 [*136]). Hier wird die Relevanz theoretischer bzw. technisch philosophischer Reflexionen für den Lebensalltag intensiv und kritisch diskutiert. Für Seneca sind die sogenannten ‘praecepta’, d. h. «Ratschläge zu konkreten Lebenssituationen» (z. B. wie man sich als Sohn gegenüber dem Vater zu verhalten hat), nicht gültig ohne die «Grundprinzipien» (decreta) der Philosophie, die sich auf das Leben als Ganzes beziehen (zur Definition
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beider vgl. Epist. 94,31). Umgekehrt können die Grundprinzipien ihre Kraft ohne die konkreten Ratschläge nicht ausüben, womit Seneca sich gegen Ariston von Chios wendet (inwiefern es sich dabei um moralische Regeln handelt, die dem Naturrecht entsprechen, ist eine umstrittene Frage, vgl. Inwood 2005 [*147: 95–131]). Aus dieser Wechselbezüglichkeit von «Grundprinzipien» (decreta) und «Ratschlägen» (praecepta) folgt, dass die mit den Ratschlägen übereinstimmenden Diskursformen wie «Trostrede» (consolatio), «Ermunterung» (exhortatio), «Ermahnung» (monitio), «Ratschlag» (suasio) und «Vorhaltung» (exprobratio: Dial. 9,5,2) aus philosophischer Sicht genauso ernst zu nehmen sind wie z. B. eine Darstellung des «höchsten Gutes» (summum bonum). Dies bedeutet, dass man nicht berechtigt ist, Werke wie die drei Trostschriften als eher populär-moralisch zur Seite zu schieben zugunsten eines sogenannten philosophischen Kerns. Berühmte und oft diskutierte Briefe über eher theoretische Fragen wie das Sein (Epist. 58) oder die ersten Ursachen (Epist. 65) – so wichtig sie für das Verständnis der Philosophiegeschichte aufgrund ihres Reichtums an Informationen über die platonische und peripatetische Tradition auch sind – sind für Seneca nicht ‘philosophischer’ als andere Passagen. Genau das Gegenteil könnte sogar der Fall sein. Vielleicht sind solche Passagen nicht mehr als technische Fingerübungen, wie Seneca selbst zu verstehen gibt, wenn er in beiden Briefen zur Frage übergeht, welchen Effekt solche spekulativen Auseinandersetzungen auf unser Handeln haben sollen (Epist. 58,24ff., 65,15ff.; der Unterschied zwischen Rhetorik und ‘richtiger’ Philosophie, so wie Cooper 2004 [*145] ihn anführt, trifft nicht zu). 3. Die Bedeutung der Ethik Wie die Briefe 94 und 95 schon andeuten, spitzen sich die philosophischen Werke Senecas insbesondere auf die Ethik zu. Sollte es für die Briefsammlung ein Gesamtkonzept geben, ist ein solches am ehesten in Senecas Absicht erkennbar, alle Hauptfragen der Ethik behandeln zu wollen. Diese Intention scheint z umindest den letzten Briefen inhaltlich eine Struktur und Reihenfolge zu verleihen (Epist. 106,2; 109,17) und führte vielleicht auch zu einem systematischeren Werk, den ‹Libri moralis philosophiae› (nicht erhalten). Obwohl er nicht so weit geht wie der frühere Stoiker Ariston, der Logik und Physik als völlig überflüssig betrachtet (D. L. 7,160; Cic. Ac. 2,123), übt Seneca doch Kritik an diesen beiden Wissensformen, sofern sie zum Selbstzweck werden. Wer sich in Syllogismen und technisch-logische Fragen verstrickt, kann leicht das Ziel solcher Übungen verfehlen, namentlich die Stärkung des Denkens für das korrekte Handeln (Epist. 45; 48; 49; 85; 117). Wie mehrere seiner stoischen Zeitgenossen äußert Seneca Bedenken bezüglich rein spekulativer Fragen. Daher lehnt er auch eine Physik ab, die sich nur für abstruse Sachlagen interessiert (Nat. 3 pr.; Benef. 7,1,5), und warnt, dass die «freien Künste und Wissenschaften» (liberalia studia) von der Philosophie ablenken, wenn sie nicht nur als Propädeutik studiert werden (Epist. 88,20). Wichtig für den Unterschied zwischen Stoikern einerseits und Platonikern und Peripatetikern andererseits in dieser Epoche ist das Verhältnis der sogenannten
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theoretischen zur praktischen Philosophie. Die Dreiteilung Ethik/Physik/Logik genügt nicht, um den Unterschied deutlich zu machen, da diese sogar dem Platoniker und Altakademiker Xenokrates zugesprochen wird (Xenokr. fr. 1 Heinze = Poseidonios fr. 88,1. 5 Edelstein-Kidd = S. Emp. Adv. math. 7,16). Für Platoniker und Peripatetiker sind Theorie und Praxis zwei verschiedene Bereiche der Philosophie. So bedient sich z. B. der Mittelplatoniker Alkinoos (2. Jh. n. Chr.) der Dreiteilung Logik (Dialektik), theoretische und praktische Philosophie (Alkin. 3), wobei die theoretische Philosophie Mathematik, Physik und Theologie umfasst und die Ethik zur praktischen Philosophie gehört. Für die Stoiker dagegen sind diese beiden untrennbar verknüpft. Wenn Seneca über die Teile der Philosophie schreibt (Sen. Epist. 89,14), erklärt er, dass die Ethik selbst aus theoretischem, hormetischem und praktischem Wissen besteht (auch bezeugt für Eudoros von Alexandrien bei Stob. Ecl. 2,7,2, II,42,7–45,6 Wachsmuth). Zudem hat, anders als bei Aristoteles, für Seneca die Theoria ihr Ziel im guten Handeln. Die «Tugend» (virtus) besteht sowohl aus «der Anschauung der Wahrheit» (contemplatio) als auch aus «dem Handeln» (actio; Sen. Epist. 94,45). Hier umfasst die Philosophie erneut Theorie und Praxis «zugleich» («simul»: Epist. 95,10). Dass dieser Standpunkt Senecas auch Auswirkungen auf seine Einstellung zur Physik hat, wird im Folgenden genauer untersucht werden. 4. Das Selbst, die Tugend und die Affekte In einer berühmten Passage aus ‹De ira› (Dial. 5,36) teilt Seneca seinem Leser mit, dass er, in Nachahmung von Sextius, jeden Abend für sich selbst überprüft – während seine Frau diese Zeit der Stille respektiert –, wie er sich den Tag über verhalten hat und wie es mit seinem moralischen Fortschritt steht. Das Selbst, dem hier eine zentrale Bedeutung zukommt, dominiert die Perspektive in Senecas philosophischen Schriften (Guillemin 1952–1954 [*102], Edwards 1997 [*130]). Es entspricht der Seele oder genauer ihrem «leitenden Prinzip» (ἡγεµονικόν) im Gegensatz zum Körper (Epist. 121,10ff.). Wie bei Lucilius ist auch Senecas ‘Ich’ nicht rein historisch präsentiert – Historiker wie M. Griffin 2 2003 [*150: 1–26] warnen zu Recht, wie schwer es ist, biographische Daten mit den philosophischen Werken zu verknüpfen. Das ‘Ich’ trägt Züge Senecas – des Seneca am Ende seines Lebens, der um Muße ringt gegen einen allmählich immer feindseligeren Kaiser; der weiß, dass der Tod jetzt unmittelbar bevorsteht; oder der unstoisch Reue zeigt über vergeudete Zeit. Dieses ‘Ich’ ist existentiell verankert, aber ohne einen systematischen Überblick über ein Leben zu gewähren (anders als Augustinus, der in seinen ‹Confessiones› einen chronologischen und systematischen Überblick bietet). Dass eine existentielle Verankerung vorliegt, ist im Hinblick auf seine Philosophie von Bedeutung; aber zugleich gibt er das Beispiel eines Menschen, dem manche Fortschritte schon gelungen sind, der aber nach Vollendung strebt – mit einem solchen Ich und seinen Herausforderungen kann sich der Leser genauso identifizieren wie mit Lucilius, dem Adressaten der Briefe und anderer Schriften.
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Die Stärkung des ‘Ich’ im stoischen Sinne ist es, worauf die Schriften Senecas abzielen. ‘Ziehe dich in dich selbst zurück’ rät er mehrmals (Epist. 5; 22,1ff. und 9f.). Das freie ‘Ich’ ordnet sich keiner Sache unter, sondern alles wird ihm untergeordnet (Epist. 124,12). Aus dieser Perspektive heraus deutet Seneca die weitverbreiteten Themen von Freiheit, Sicherheit und Seelengröße um und unterstreicht die voluntaristischen Aspekte unseres Handelns (voluntas), ohne einen selbständigen Willen zu postulieren (Inwood 2005 [*147: 132–156]). Auch im Platonismus und Aristotelismus ist die Rationalität wichtig, aber die Stoiker, und Seneca, verstehen die Rationalität anders als die beiden erstgenannten Schulen: Im Stoizismus ist das Prinzip der Seele eins und nicht geteilt, obwohl es unterschiedliche Funktionen hat. Wenn die ‘ratio’ ordnungsgemäß funktioniert, ist das Leben gut und geordnet; wirkt sie aber nicht so, wie sie soll, dann sind Störungen in der Form von «Affekten» (πάθη bzw. affectus) das Resultat. Seneca hinterlässt in seinen Schriften eine detaillierte Theorie, welche die «Anfänge und Vorspiele zu den Affekten» (principia proludentia affectibus) von richtigen Affekten unterscheidet (Dial. 4,2,5). Solche ‘Prä-Emotionen’ (Dial. 4,4,1: «quasi praeparatio affectus») sind eine erste, fast rein physische Reaktion – auch wenn sie in der Seele stattfindet – auf irgendeinen äußeren Reiz. Nur wenn ein Urteil diese erste Reaktion bestärkt, kommt es zu Affekten, die sich erheblich steigern können (zu dieser Abstufung Sorabji 2000 [*137: 55–65], Graver 2007 [*40]; vgl. auch Epist. 113,18). Die falschen Urteile des Verstandes beinhalten zwei Aspekte: Erstens wird ein Ereignis für ein Übel oder aber für das wahre Gut gehalten; zweitens wird eine emotionale Reaktion wie Trauer oder Wut veranlasst (vgl. auch Cic. Tusc. 4,12ff.). Das heißt genau genommen, dass Affekte ein Urteil vor aussetzen – und dass folglich prä-rationalen Kindern und a-rationalen Tieren keine Affekte zugesprochen werden können. Aber wie kommt es zu diesen falschen Urteilen? In Senecas Schriften finden sich Spuren einer ‘perversio’-Lehre. Zwei Faktoren sind die Hauptursachen für Fehlurteile: 1) der Einfluss, den andere Leute auf uns ausüben, wie Eltern, Lehrer, falsche Freunde und generell jeder, der soziale Autorität ausstrahlt (Epist. 7; 115,10f.); 2) die Anziehungskraft der äußeren Dinge. In der ersten, prärationalen Phase unseres Lebens sind äußere Dinge wie Nahrung, Kleidung, Wärme wichtig für unsere Selbsterhaltung. Aber wenn der Mensch beim Übergang zur Rationalität, ungefähr im vierzehnten Lebensjahr, nicht die nächste Stufe erreicht, auf der die Vernunft das einzige Gut ist (Epist. 76,10; 121), weil andere Werte im besten Fall nur nützlich sein können, dann verführen ihn Objekte zu übermäßigen Reaktionen – oder anders gesagt Affekten. Eines der wichtigsten Objekte, auf die sich die falsch verstandene Selbsterhaltung richtet, ist die körperliche Unversehrtheit bzw. das Leben. Was unter allen Umständen zu erhalten ist, sind Rationalität (Epist. 41,8) und Seelenruhe. Wer zu sehr am Leben hängt, fürchtet den Tod; und die Angst ist ein Affekt oder eine Seelenstörung. Das Problem des Todes ist ein zentrales Thema in Senecas Schriften (Epist. 4; 26; 30; 36; 54; 61; 77; 78; 99; 101; 102). Doch zeugt diese Gewichtung nicht unbedingt von einer Morbidität des stoischen Denkers oder einer obsessiven Beschäftigung mit dem Tod. Wie für Sokrates in Platons ‹Phaidon› ist der Tod für
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einen älter werdenden Seneca – der immer schon kränklich war – eine der be deutendsten existentiellen Herausforderungen und deswegen auch eine der entscheidenden philosophischen Fragen. Wer die Seelenruhe und Rationalität erreicht hat, hat das Gute erreicht, das durch keine zeitliche Verlängerung vermehrt werden kann. Deswegen ist Selbsttötung unter bestimmten Umständen – wie z. B. körperlicher Gebrechlichkeit – angebracht (Epist. 30,2; 58,35; 70; 77). Die Frage der Unsterblichkeit lässt Seneca dabei offen, obwohl er sich zu einem Traum der Unsterblichkeit verführen lassen kann (Epist. 102,1f. 24ff.; vgl. 86,1). 5. Die Gemeinschaft Das Verhältnis zu anderen Menschen ist wichtiger und zugleich komplizierter als das zu Objekten, den eigenen Leib eingeschlossen. Wie oben angedeutet, können Verwandte, falsche Freunde und die Gesellschaft im Allgemeinen einen schlechten Einfluss ausüben. Seneca geht vereinzelt ausführlich auf den Sittenverfall seiner Zeitgenossen ein: den übermäßigen Reichtum, die Fresssucht und die sexuellen Ausschweifungen, wie im Fall des Hostius Quadra, der Spiegel zu obszönen Zwecken anbringen ließ (vgl. Nat. 1,16,1ff.). Aufgrund solchen Fehlverhaltens soll sich ein angehender Weiser am besten von der Menge fernhalten. Die größte Bedrohung hingegen, die von zu Recht geliebten Mitmenschen wie Familie und guten Freunden ausgeht, ist die Trauer, welche die Trennung von ihnen und ihr Tod verursachen können (Epist. 99,3ff.). Aber ein Stoiker ist auch zu Zuneigung für seine Mitmenschen, zu Verantwortung und politischer Tätigkeit bestimmt (Epist. 9,17; Benef. 4,18,1; 7,27,1ff.). Mit welcher Begründung? Ein Diktum, das schon auf die Alte Stoa zurückgeht, schreibt vor, dass der Weise heiraten und an der Politik teilnehmen soll (Cic. Fin. 3,68; D. L. 7,121; Ar. Did. Ap. apud Stob. Ecl. 2,7,11m, II,109,16ff. Wachsmuth), und auch Aristoteles meinte, der Mensch sei von Natur aus ein soziales Wesen (Pol. 1253a1–4; vgl. Sen. Clem. 1,3,2; Epist. 9,17). Aber wenn man Seneca im Rahmen zeitgenössischer Stoiker liest, dann stellt sich heraus, dass der Sinn des Menschen für soziale Bindungen in der Rationalität begründet ist: Wie Mark Aurel öfter betont, heißt ‘rational sein’ für Stoiker ‘sozial sein’. Das ist nicht nur der Fall, weil alle Menschen durch ihre Verwandtschaft mit der göttlichen «Vernunft» (λόγος) – von der die einzelne menschliche buchstäblich ein «Stück» (ἀπόσπασµα: D. L. 7,143; vgl. Sen. Epist. 41,1f.; 92,30; Dial. 8,5,5f.; 12,6,7f.) sein soll – miteinander verbunden sind. Das höchste göttliche Prinzip selbst ‘kümmert’ sich um die Welt, ist mit dem Universum als Vorsehung und rationale Struktur des Alls verflochten und hält sich nicht abseits oder in sich selbst verschlossen (D. L. 7,138f.). Und wenn die «Vernunft» (λόγος) eines Weisen sich bis zur Ebene des Göttlichen erhebt und ausdehnt, so umfasst sein ‘Selbst’ zugleich auch die Welt und steht in direkter Beziehung zu den Mitmenschen. Aber eine allgemeine Zuneigung für die Menschheit und Verwandtschaft mit dem Kosmos, der im Ganzen die «Heimat» (patria) und der «Staat» (res publica) des Weisen ist (Epist. 28,4f.; 68,2), genügen nicht. Die soziale Verantwortung zeigt
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sich in konkreten Verhältnissen mit Menschen, wie in Familie oder Freundschaft, und in politischer Tätigkeit in der lokalen Gemeinschaft, in der man sich befindet. Anders gesagt: Man strebt nach einem Verhältnis zur gesamten Menschheit durch gute Verhältnisse zu den einzelnen Menschen, mit denen man zusammenlebt, und zum Kosmos durch Verantwortung für den lokalen Kreis. Und so kommt es, dass für Seneca und manche seiner stoischen Zeitgenossen das Verhältnis zum Familienkreis ebenso bedeutend erscheinen kann wie die Freundschaft (Benef. 6,33,3f.; Dial. 1,1,5), die traditionell schon von den Platonikern, Peripatetikern und Epikureern gerühmt wurde. Elternschaft und Ehe sind zentrale Beziehungen, in denen sich die Tugend zeigen kann (Epist. 94; 95; 104; Dial. 12,16,2–7; 12,19). Aber im Gegensatz zu einem Ehepartner erwählt man seine Kinder nicht (und auch bei Adoption weiß man nicht im Voraus, wie der Erwählte sich entwickeln wird). Die Ehe ist potentiell eine gewählte B eziehung zwischen zwei rationalen Menschen und daher von besonderer Bedeutung. Hier stellt sich die Frage nach Senecas Verhältnis zu Frauen (Mauch 1997 [*132]): Obwohl sein Urteil über diese nicht so positiv war, wie es für Musonius Rufus bezeugt ist, und er wohl glaubte, dass Männer und Frauen nicht von Natur aus gleich sind – die Haupttugend der Frauen sei die «Keuschheit» («pudicitia»: Dial. 12,16,3ff.; 12,19,6f.; Matr. fr. 50,1f. = 78f. Haase), die der Männer der «Ruhm» («gloria»: 78f. Haase) – und dass die Frauen im Allgemeinen schwächer sind als Männer (Dial. 2,1,1; 6,7,3; Clem. 1,5,5; 2,5,1), so sprach er doch den Frauen grundsätzlich die Fähigkeit zur Tugend zu, wie die Trostreden an seine Mutter Helvia und an Marcia zeigen (z. B. Dial. 6,16,1). Der Brief 104, mit dem dieser Überblick über Senecas Gedanken begann, zeigt, dass dieser das Verhältnis z wischen sich und seiner Gattin Paulina ganz anders einschätzte als das zwischen Sokrates und Xanthippe, nämlich geprägt von einer gegenseitigen Zuneigung, die sich mit Tugend und Rationalität vereinbaren lässt. Und so verwundert es nicht, dass Tacitus, wenn er die Todesstunde und die (von Nero befohlene) Selbsttötung Senecas schildert, trotz des Anklangs an den platonischen ‹Phaidon› die Beziehung zwischen Seneca und Paulina in den Mittelpunkt stellt und nicht die des Philosophen zu seinem Freundeskreis (Tac. Ann. 15,62ff.; vgl. Brinkmann 2002 [*140: 91–154, bes. 142–150]). Wichtig ist hier nicht die Frage, ob Tacitus’ Szene historisch korrekt ist, sondern eher die Tatsache, dass sie eine für sein Publikum plausible Version des Todes des Stoikers darstellte. Das Thema der Verantwortung für und des Verhältnisses zu Mitmenschen bestimmt erheblich die stoische Lehre des Suizids: Wie andere Stoiker (vgl. D. L. 7,130) gestattet Seneca Selbsttötung als einen Weg zur Erhaltung der Würde und Rationalität (Reydams-Schils 2005 [*38: 44–52]). Aber die Ansprüche, die unsere Mitmenschen uns gegenüber haben, sind ein Grund für die Ablehnung der Selbsttötung: Solange man anderen nützlich sein kann, politisch und im engeren Kreis, soll man sich nicht des Lebens berauben und sich weiter zur Verfügung stellen, auch wenn man unter einer Krankheit leidet (Epist. 78,2; 98,15f.; 104,2–5). Eine andere Ebene, auf der sich bei Seneca die Bedeutung menschlicher Beziehungen deutlich zeigt, ist seine Bewertung der Rolle des Gedächtnisses: Wäh-
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rend für Platoniker und Peripatetiker das Gedächtnis hauptsächlich eine ontologische oder epistemologische Rolle spielt – letztere wurde auch von den Stoi kern anerkannt (Zenon, SVF I, fr. 64; Chrysipp, SVF II, fr. 83) –, kann man sagen, dass für Stoiker wie Seneca das Gedächtnis eine existentielle Funktion im Rahmen der Ethik hat. Es gibt hier Annäherungen an die Epikureer, aber die Unterschiede sind wichtiger: Erstens konzentriert sich Seneca nicht auf die vergangenen Ereignisse, die «Lust» (ἡδονή) bereitet haben, sondern «Freude» (χαρά bzw. gaudium, eine rational bestimmte Form der Gemütsverfassung); zweitens geht es nicht nur um die Vergegenwärtigung der philosophischen Lehre, sondern um die Erinnerung an ein ganzes Leben und die Gesamtheit der Zeit im historischen Rahmen, weil ja die ganze Realität für die Stoiker von einer göttlichen Vorsehung gesteuert wird; drittens ist die Erinnerung an Menschen nicht hauptsächlich auf Freunde eingeschränkt, sondern umfasst alle menschlichen Beziehungen wie jene zu Ehepartnern und Kindern (Epist. 99; Dial. 6,3,2ff.). Der Weise ist derjenige, der ohne Angst seine e igene Vergangenheit erfassen kann, sich in der Gegenwart souverän verhält und mit Zuversicht in die Zukunft blickt (Epist. 49; 63,5ff.; 81,25; 124,17; Dial. 10,10,5); er ist Herr über die Zeit (Epist. 1,3; 99,4ff.; Benef. 3,4,1f.; Dial. 10,10,2). Für den angehenden Weisen formt also die Erinnerung die eigene Identität und liefert das Material, mit dem man arbeiten soll, um Fortschritte zu machen. Die Rolle der Erinnerung zeigt auch, dass es falsch wäre, zu behaupten, dass für einen Stoiker wie Seneca ein Freund oder Verwandter so gut sei wie der andere und dass man, wenn man von einer geliebten Person durch Distanz oder gar Tod getrennt wird, diese einfach durch jemand anderen ersetzen könne (Lesses 1993 [*126], Inwood 1997 [*131]). Der Verlust von Menschen ebenso wie derjenige externer Objekte bringt zwar manche Gefahren für die Seelenruhe mit sich, die Anwesenheit von Menschen hat deshalb jedoch nicht genau die gleiche, relativ geringe Wertigkeit wie Objekte oder körperliches Wohlbefinden. Zudem spielt die Erinnerung beim Erhalten von Beziehungen zu bestimmten Menschen eine ganz besondere Rolle, da diese Personen eben mit Hilfe der Erinnerung in ihrer Einzigartigkeit bewahrt bleiben (siehe auch ‹Quomodo amicitia continenda sit› fr. 59 Vottero = fr. 93–95 Haase). In seinen Überlegungen zu menschlichen Verhältnissen spielt für Seneca die bereits erwähnte politische Tätigkeit eine wichtige Rolle, oder genauer gesagt die Frage, wie intensiv und wie lange man sich mit Politik beschäftigen sollte und wann es angebracht ist, sich in einen Zustand der «Ruhe» (otium) zurückzuziehen (z. B. Dial. 9,17,3). Auch mit dieser Problematik setzt sich Seneca im Hinblick auf das eigene Leben und im Rahmen existentieller Betrachtungen besonders in seinen Spätschriften auseinander (aber nicht erst dann, vgl. z. B. die Trostrede an seine Mutter Helvia, die er während seines Exils verfasste). Diese Problematik ist aber nicht überwiegend auf eine autobiographische Art dargestellt, sondern als eine allgemeine Thematik, und gerade die Ratschläge zur «Ruhe» bzw. «Muße» (otium), die er an Lucilius, den Adressaten der Briefe, richtet (z. B. Epist. 19,8), helfen Seneca, aus einer zu egozentrischen Perspektive herauszutreten. Oft wurde die Frage erörtert, ob die Ratschläge Senecas nicht zu seiner politischen Tätigkeit in Widerspruch stehen (beste Zusammenfassung bei Griffin 22003 [*150: 317–339]). Im Falle der Briefe
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könnte man vermuten, dass d ieses Hin und Her dem Fortschritt des Lucilius entspreche. Aber es gibt auch tiefere, philosophische Gründe, die dieses Zögern nur als Paradox und nicht als völligen Widerspruch der eigenen Aussagen erscheinen lassen. Erstens kommt es für Stoiker nicht nur darauf an, was man tut, sondern wie und aus welchem Grund (Epist. 20; 45,5ff.; 48,7ff.; 70,4ff.; 82,9ff.; 85; 111; 117). Man kann Reichtum gut oder schlecht nutzen, Armut gut oder schlecht ertragen; und diese Zweideutigkeit trifft auch für den Bereich von politischem Handeln oder Muße zu – ein Aspekt, den man im Auge behalten sollte im Hinblick auf den gegenüber Seneca erhobenen Vorwurf, er sei nur ein Heuchler gewesen (Dial. 7,17f.; Fuhrer 2000 [*134]; zum ‘otium’ s. Momigliano 1969 [*109], Griffin 1988 [*119], Armisen-Marchetti 1996 [*129]). So kann Seneca sowohl Aktivität als auch Muße preisen oder tadeln. Relevant ist hier ebenfalls die oben erwähnte enge Verknüpfung von Theorie und Praxis. Seneca (wie andere seiner stoischen Zeitgenossen) etabliert ein sym metrisches Verhältnis zwischen Tätigkeit und Muße (vgl. Dial. 8,5,7f.; Epist. 8,1): Auch wenn man sehr beschäftigt ist, wahrt man immer eine innere Distanz (vgl. Benef. 4,39). Wenn die Umstände gegeben sind, das aktive Leben aufzugeben, soll man sich möglichst schrittweise zurückziehen (vgl. Dial. 9,4,6f.). Aber auch in einer extremen Lage wie dem Exil ist man nie alleine, bleibt man ein Mitglied der Gemeinschaft von Göttern und Menschen und behält seine ethische Verantwortlichkeit (Epist. 68,2). 6. Physik und Ethik Die «Vorbemerkungen» (Praefationes) der ‹Naturales quaestiones›, eben der Schrift, in der Seneca vornehmlich auf Detailfragen der Physik wie Meteoren, Erdbeben und andere Naturphänomene eingeht, zeigen am deutlichsten die stoische Verknüpfung von Physik und Ethik (z. B. Nat. 3 pr. 18). Analog zur Logik kann auch die Beschäftigung mit der Physik zu Zeitverschwendung und falscher Zielsetzung führen, wenn man sich in abstrusen technischen Fragen verliert und das Verhältnis zwischen menschlicher und göttlicher Vernunft außer Auge lässt: Das Selbst kann nur dann korrekt verstanden werden, wenn man es in Beziehung zur göttlichen «Vernunft» (λόγος) sieht, die den Kosmos strukturiert und lenkt, umgekehrt ist das ordnungsgemäße Studium der Physik, eben weil es unsere Perspektive erweitert, unentbehrlich für die Ethik, wenn wir einen Weg aus dem Labyrinth der Leidenschaften, Unruhe und Angst finden möchten. 7. Verhältnis zur Tradition Wie war Senecas Verhältnis zur Tradition der Philosophie (Setaioli 1988 [*120])? Man hat ihm vorgeworfen, ein nicht sehr origineller Denker und Eklektiker zu sein, der u. a. manche peripatetische und platonische Elemente in seine Gedanken eingearbeitet hat. Es ist auffällig, dass Seneca, im Gegensatz z. B. zu
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späteren Platonikern, keine starke Schulautorität vertritt: Einerseits bezeichnet er sich als unabhängig gegenüber den früheren griechischen Stoikern (Epist. 33,4ff., 10; 113,23; 45; 64) und will für die ganze philosophische Tradition offen sein (Dial. 10,14). Andererseits verweigert er sich selbst der Rolle des Weisen und des Lehrers: So wie seine Adressaten zielt er auf Fortschritt ab (Dial. 7,17f.), er redet zu ihnen eher als Gleicher und Freund – als Mitmensch, der vielleicht etwas mehr Erfahrung hat, nicht aber als ein Überlegener wie Sokrates in Platons ‹Phaidon›. Bemerkenswert ist, dass am Anfang der Briefsammlung Seneca fast jedes Schreiben mit einem Epikur-Zitat beendet und auch in anderen Texten die Präsenz Epikurs von Bedeutung ist. Mehrere Motive, die auch gleichzeitig denkbar sind, könnten diese Züge erklären: Vielleicht hat Lucilius ein besonderes Interesse an Epikur, so wie Senecas andere Adressaten Interesse an anderen philosophischen Schulen haben könnten. Wer außerdem seine eigene Stellung mit einer ‘communis opinio’ begründen kann, argumentiert aus einer starken Position heraus: Er integriert in das eigene Denken soviel Material wie möglich von Vertretern anderer Philosophenschulen. Dazu kommt die Möglichkeit einer ‘a fortiori-Strategie’: Wenn selbst die Epikureer Seelenruhe anstreben, wie sehr muß sich dann erst ein Stoiker diesem Ziel widmen? Betrachtet man das platonische Gedankengut in Senecas Schriften genauer, dann scheint er oft die Elemente ausgewählt zu haben, die sich mit seinem Stoizismus vereinbaren lassen (anders Donini 1979 [*115]). Bekanntlich konnte ein späterer Platoniker wie Simplikios einen Kommentar zu Epiktets ‹Encheiridion› schreiben, weil er glaubte, stoische Ethik könne nützlich sein für die Vorbereitung der Seele und deren Reinigung von Leidenschaften und sie somit empfänglicher für die Philosophie im platonischen Sinne machen. Umgekehrt könnte es bei Seneca der Fall sein, dass er Aspekte des Kontrasts zwischen Seele und Körper, wie ihn die Platoniker annahmen, als hilfreich für eine Förderung der Erkenntnis empfand, ohne ihnen bezüglich der Unkörperlichkeit der Seele, deren Unsterblichkeit oder radikalen transzendenten Ideen zuzustimmen (Reydams-Schils [*154]). 4. NACHWIRKUNG
Die große Wirkung, die seinen Schriften zuteil wurde (Literatur bei Colish 1990 [*123: I 15 Anm. 10], Maurach 42005 [*149: 225–228]), verdankt Seneca in nicht unerheblichem Maße der Tatsache, dass er sie auf Lateinisch verfasste und seine erhaltenen Werke im Westen immer zugänglich waren – auch wenn manche seiner Arbeiten zeitweise unbekannt waren (Ross 1974 [*112], Colish 21990 [*123: I 13–19]). Doch zunächst war sein Einfluss auf andere – abgesehen von einem Kreis von Verwandten und Zeitgenossen wie Martial und Lukan – nicht sehr groß; Persius sollte wohl nicht zu seinen Bewunderern gerechnet werden (‹Vita Persii› 32,23 Clausen). Quintilian (Inst. or. 10,1,125–131), Gellius (12,2,1–14) und Fronto (‹Epistula de orationibus› 153–160 van den Hout), der Rhetoriklehrer Mark Aurels, schätzen seinen Stil nicht sehr (vgl. auch Suet. Cal. 53,2), und nicht nur Epiktet, sondern auch Musonius Rufus und Mark Aurel erwähnen ihn nicht. 2
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Obwohl es umstritten ist, zu welchem Zeitpunkt die Vermutung aufkam, Seneca sei ein Christ gewesen (Momigliano 1950 [*101], Reynolds 1965 [*83: 8 2–89], Trillitzsch 1971 [*111: I 170–185]), wird er schon früh in den Schriften der lateinischen Kirchenväter erwähnt (Trillitzsch 1971 [*111: I 33–210, 251–265]). Tertullian zitiert ihn als «Seneca, der häufig unserer Meinung ist» («Seneca saepe noster»: Tert. Anim. 20,1; vgl. auch Hier. Adv. Iovin. 1,49) und nennt ihn als Quelle für seine Theorie des in der Seele angelegten Vernunftpotentials des Menschen (Anim. 20,1; 21,4–6; Colish 21990 [*123: II 9–29]). Laktanz benutzt ihn ausgiebig (Lausberg 1970 [*110], Trillitzsch 1971 [*111: I 130–143; II 363–369]) und nennt ihn den scharfsinnigsten römischen Stoiker (Inst. 1,5,26; 2,8,23). Senecas Gedanken über die Ehe sind durch Hieronymus erhalten (T 22 – fr. 54 Vottero), der ihn in sein Werk ‹Über berühmte Männer› (‹De viris illustribus› 12) aufnimmt (Trillitzsch 1971 [*111: I 143–161], Colish 21990 [*123: II 84]) und dabei auch zum ersten Mal den apokryphen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus erwähnt: Im 4. Jahrhundert n. Chr. kommt die Legende auf, Seneca und Paulus hätten eine Korrespondenz geführt, eine Fälschung, die erhalten ist (Momigliano 1950 [*101], Trillitzsch 1971 [*111: I 170–185; II 379–383], Colish 21990 [*123: II 5, 84, 90–91]; weitere Literatur Colish 21990 [*123: I 16 Anm. 11–12]) und Senecas Wirkung auf die spätere Tradition noch verstärkte. Für Augustinus ist Seneca aufgrund seiner Werke lobenswert, wenn auch nicht für die Art, in der er sein Leben führte (Civ. 6,10; Trillitzsch 1971 [*111: I 161–170], Colish 21990 [*123: II 142–238]). Macrobius zitiert in der Praefatio seiner ‹Saturnalia› (Sat. pr. 5) ein längeres Exzerpt Senecas (Epist. 84,3f.) über das Verhältnis zwischen Lektüre und Schriftstellerei, aber ohne dessen Namen zu nennen; in Boethius’ ‹Trost der Philosophie› (‹De consolatione philosophiae›) ist der Einfluss Senecas spürbar, auch der Tragödien, und der Stoiker wird namentlich erwähnt (Cons. 1,3,9; 3,5,10). Bei Sidonius Apollinaris (Carm. 9,230–238) gibt es bereits die Verschmelzung von Seneca dem Älteren mit seinem Sohn, dem Philosophen, einerseits und die Trennung von einem anderen Seneca, dem Tragödiendichter, wie sie noch bei Erasmus erscheint. Senecas Rezeption im Mittelalter ist vielfältig: Die Briefe 58 und 65, mit ihren theoretischen Auseinandersetzungen und Informationen über Platon und Aristoteles – so untypisch sie vielleicht für Senecas Gesamtwerk sein mögen – werden eigenständig rezipiert (Gersh 1986 [*118: I 195 Anm. 137]); die Briefe 1–88 (Reynolds 1965 [*83: 17–34]) und eine zweite Gruppe 89–124 (Reynolds 1965 [*83: 35–53]) werden getrennt überliefert und erst im 10. Jahrhundert in einer Handschrift vereint (Reynolds 1965 [*83: 15]); es existieren Sammlungen von Sentenzen (so wie ‹Monita›, ‹Liber de moribus› und vielleicht auch ‹De remediis fortuitorum›; vgl. Trillitzsch 1971 [*111: I 215–220; II 399–417]) über allerlei meist ethische Themen, und auch seine Naturphilosophie bleibt im 12. Jahrhundert einflussreich. Im 6. Jahrhundert schreibt Martin von Braga ethische Werke, die aus Exzerpten von Senecas Werken zusammengestellt sind und lange Seneca selbst zugeschrieben werden (so die ‹Formula vitae honestae›; vgl. Trillitzsch 1971 [*111: I 212–215; II 393–399]). Peter Abaelard (1079–1142) bewundert ihn und bezeichnet ihn im siebten Kapitel seiner ‹Historia calamitatum› als «den größten der antiken Philosophen» («insignes […] philosophi […] quorum unus et maximus Seneca»; ähnlich Johannes Lydos im
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6. Jahrhundert [Mens. 4,107, p. 144,15–16 Wünsch]). Es könnte sein, dass in der Prae fatio des ersten Buches der ‹Naturales quaestiones› die Gottesdefinition «über das hinaus nichts Größeres denkbar ist» («qua nihil maius cogitari potest») des ontologischen Gottesbeweises des Anselm von Canterbury vorweggenommen ist (vgl. ‹Proslogion› 2). Dante erwähnt ihn im Inferno der ‹Divina commedia› als «moralischer Seneca» («Seneca morale»: Div. comm. inf. 4,141). Wenn wir den Einfluss außer Acht lassen, den seine Tragödien ausgeübt haben, so führt uns die Rezeption Senecas über Petrarca (der Seneca aber Fam. 5 kritisiert) und Montaigne (besonders ‹Essais› 2,32ff.) zu den großen Humanisten Erasmus und Justus Lipsius, die beide eine Ausgabe der Werke Senecas besorgen (Erasmus: ‹Senecae lucubrationes› Basel 1515; ‹Senecae opera› ebd. 1529; ‹Senecae Opera per Erasmum emendata› ebd. 1537; Lipsius: Antwerpen 1605; Ross 1974 [*112: 143–145, 147]). Im 17. Jahrhundert, dem Höhepunkt des Einflusses des S toizismus, klingt auch Senecas Name überall an (Ross 1974 [*112: 148–151]). D iderot schreibt eine Apologie Senecas (‹Essai sur les règnes de Claude et de Néron› 1778). Maurach interpretiert ausführlich ein Gemälde Rubens’ (1577–1640), das den Tod Senecas darstellt (42005 [*149: 48–54]) als Echo von Sokrates’ Tod so, wie Tacitus die Szene beschreibt (Ann. 15,60–64; Grimal 1978 [*113: 239], Döring 1979 [*114: 37–42], Veyne 1993 [*127: 228], Griffin 22003 [*150: 367–388], Müller 2003 [*142: 248–249], Maurach 42005 [*149: 44–47]). Aber die Darstellung J.-L. Davids – vielleicht auch, weil sie in einer späteren Periode entstand (1748– 1825), als die Rolle der Frau neu bewertet wurde – ist viel näher an derjenigen des Tacitus, weil sie Paulina und Senecas Beziehung zu ihr in das Bild integriert. Auch für die Neuentdeckung des Stoizismus in der Gegenwart ist Seneca von zentraler Bedeutung (siehe z. B. Inwood 2005 [*147], Sellars 2006 [*151: 150–156]).
§ 12. C. Musonius Rufus und Lukios Gretchen Reydams-Schils
1. Leben. – 2. Werk und Lehre.
1. LEBEN
Gaius Musonius Rufus wurde circa 30 n. Chr. in Volsinii geboren – einer ehemals etruskischen Stadt – und gehörte einer Familie aus dem Ritterstand an. Er hatte mindestens eine Tochter, für die er unter vielen Mitbewerbern den Philoso-
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
phen Artemidoros als Gemahl wählte (Plin. Epist. 3,11). Er hatte Umgang mit Thrasea Paetus, Barea Soranus und Rubilius Plautus und wurde so auch in die Opposition gegen Nero mit hineingezogen. Ein erstes Exil erfolgte im Jahre 65 n. Chr. (Tac. Ann. 15,71; nach der Pisonischen Verschwörung) auf der Insel Gyaros – später sprichwörtlich für einen öden Ort (siehe z. B. Epikt. Diss. 1,25,20) –, wo er auch unterrichtete. Obwohl er zuerst von Vespasian verschont worden war, als dieser 71 n. Chr. die Stoiker aus Rom verbannte (Cass. Dio 66,13), muss es doch noch ein zweites Exil gegeben haben, das von Titus aufgehoben wurde (Eus. Chron. Hier. 271 F, p. 189 Helm). Es ist nicht bekannt, ob eine Biographie des Musonius existiert hat (evtl. Hinweis bei Philostrat: Ap. 5,19), aber es lässt sich anhand von Musonius sehr gut nachvollziehen, wie in der Antike Legenden und ‘biographische Geschichten’ oft dem Ruf einer Person entsprachen. Daher kann man in Musonius’ Fall fast von der H agiographie eines römischen Stoikers reden; und weil diese Anekdoten nach Musonius’ philosophischer Lehre entstanden sein sollen, sind sie auch für ein besseres Verständnis seiner Lehre von Bedeutung. Die Geschichten, z. B. die über Musonius’ Wahl seines Schwiegersohns, zeigen eindeutig – da er über die Ehe geschrieben hat –, dass für einen Stoiker wie Musonius Rufus das Handeln mit dem Denken übereinstimmen soll bzw. die Praxis mit der Theorie und dass letztere nicht zum Selbstzweck werden darf. Sie zeigen auch, wie für Musonius politische Tätigkeit, gesellschaftliche Verantwortung sowie philosophische Distanz und Reserviertheit immer wie bei einer Waage ausbalanciert werden sollen. So heißt es, dass er während des Exils auf Gyaros nicht nur seinen Mut be wiesen hat, sondern dass es ihm auch dort gelungen ist, seinen Mitmenschen nützlich zu sein, nämlich durch seinen Unterricht und die Entdeckung einer Quelle (Philostr. Ap. 7,16; Iul. Epist. 16 Wright; siehe auch Diatr. 9,49ff.: Musonius über sein eigenes Exil). Im Jahre 69 n. Chr. steht er einem Soldatenheer gegenüber, das er versucht zum Frieden zu bewegen – ein Versuch, der ihn fast das Leben kostete (Tac. Hist. 3,81). Und so könnte es durchaus sein, dass mit dem Philosophen, der nach Dion von Prusa (ὁ φιλόσοφος: Diatr. 31,122) vergebens versucht haben soll, die Athener davon abzubringen, im Theater des Dionysos – einem Ort für religiöse Riten – Gladiatorenspiele abzuhalten, Musonius Rufus gemeint ist. In diesen Kontext gehört auch die wahrscheinlich falsche Geschichte bei Themistios (Περὶ τῆς ἀρχῆς = Diatr. 34,15,460 Dindorf), dass er Nero sein Saitenspiel ausreden wollte. Er führte 66 n. Chr. mit Erfolg einen Prozess gegen den Ankläger seines Freundes Barea Soranus, dessen Selbsttötung auf die Anklage gefolgt war, und nach einer anderen Legende bei Philostrat soll Musonius selbst den Unterschied zwischen sich und Sokrates betont haben, weil er, als er im Gefängnis war, sich gegen die Anklage verteidigen wollte (Ap. 4,46–47). Musonius’ Ansehen in der Antike war sehr groß (vgl. Iul. Epist. ad Them. 265c– d;Tac. Ann. 15,71: «Musonius praeceptis sapientiae fovebat», «Musonius kümmerte sich um die Lehren der Weisheit»). Er ist mehrmals mit Sokrates verglichen worden (auch durch Origenes: Cels. 3,66) und wirkte auf die wichtigsten Männer seiner Epoche ein. Er hat auch Epiktet unterrichtet, durch den verschiedene der erhaltenen Fragmente überliefert sind. Es ist möglich, aber nicht sicher, dass er
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§ 12. C. Musonius Rufus und Lukios (Bibl. 234)
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auch Hierokles beeinflusst hat. Obwohl es Andeutungen über Schriften des Musonius gibt (Briefe: Philostr. Ap. 4,46; Suda III,416 Adler; Eun. Vit. soph. 2,1,5f.), wird heute allgemein angenommen, dass er keine solchen hinterlassen hat. In diesem Zusammenhang ist der Name des Lukios von Bedeutung, durch den wahrscheinlich die längeren Fragmente der Vorlesungen übermittelt wurden, wie es Arrian mit den Schriften Epiktets getan haben soll. Diese Texte sind bei Stobaios erhalten, wobei es mehrere Vorlesungen gegeben haben könnte, die Lukios kopiert und auch gekürzt zu haben scheint (eine Ausnahme bildet Vorlesung 14, die wir als einzige vollständig besitzen; maßgebliche Ausgabe von Musonius Rufus: Hense 1905 [*160]). Ob manche von den kürzeren Fragmenten, die sich im Ton von den Vorlesungen unterscheiden, von einer jetzt verlorenen Schrift Ἀποµνηµονεύµατα (‹Erinnerungen›) des Musonius stammen, ist ebenso umstritten wie die Frage, um welchen Pollio es sich handelt, der laut ‹Suda› (IV,185 Adler) diese niedergeschrieben haben soll. Lukios wird durch Stobaios in der Überschrift des Kapitels zur fünften Vorlesung erwähnt (Stob. Ecl. 2,15,46, II,193,3 Wachsmuth, hier als Lykios). Außer dieser Erwähnung gibt es keine Hinweise, um welchen Lukios es sich handelt. Die Geschichte Philostrats, ein Lukios, Schüler des Musonius, habe sich mit Mark Aurel unterhalten, ist aus chronologischen Gründen nicht mit diesem Lukios zu vereinbaren (Philostr. Soph. 2,556ff.). 2. WERK UND LEHRE
Obwohl Musonius’ Unterricht, so wie derjenige von Epiktet, wahrscheinlich auch theoretische Übungen umfasst hat sowie Erklärungen von Terminologie und Aufgaben zur Logik (Diatr. 1), beschäftigen sich die erhaltenen längeren Texte fast ausschließlich mit der Ethik, wobei Musonius bei der Diskussion von Fragen und Situationen des Lebens sehr konkret wird. Die Vorlesungen sind Zusammenfassungen, aber dennoch bleibt ein Eindruck sokratischen Dialogstils spürbar. Man erhält bereits mit der ersten Vorlesung einen Einblick in den Philosophieunterricht des Musonius. Hier geht es um Positionen wie z. B., dass die vermeintlichen Güter wie Vergnügen, Besitz und Ruhm in Wirklichkeit keine Güter sind und die vermeintlichen Übel wie Armut, Krankheit, Tod oder Mühen keine e chten Übel. Mit «Beweisführungen» (ἀποδείξεις) wird von dem, was leichter anzunehmen ist und auf der Hand liegt, zu schwierigeren und nicht selbstverständlichen Thesen vorangeschritten. Logik oder die Fähigkeit, korrekt zu differenzieren zwischen Wahrem und Falschem, wird somit zum Unterscheidungsvermögen zwischen Gutem und Bösem. Man soll nur die Beweise gebrauchen, die notwendig sind, um eben den Punkt, um den es geht, deutlich zu machen, und keine Beweise anhäufen; allerdings müsse man hierbei auch den Charakter des Schülers ein kalkulieren – manche brauchen eben mehr Unterricht als andere. Die Physik ist noch eingeschränkter behandelt als die Logik, zumindest in den erhaltenen Texten. So fällt auf, dass Musonius, wenn er das Thema «des Lebens gemäß der Natur» behandelt (τὸ ζῆν […] κατὰ φύσιν: Diatr. 17,89), sich auf die spezifisch menschliche ‘Natur’ oder Art verlegt – verschieden von den Tieren
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und verwandt mit den Göttern – und auf die Tugend, die mit dieser Natur zusammenhängt. Was fehlt, ist die sogenannte ‘Natur des Ganzen’ (oder κόσµος), wie sie in anderen Formeln, die das Ziel (τέλος) des Daseins zum Inhalt haben, und insbesondere bei Chrysipp, mit einbezogen wird. Für Stoiker wie Chrysipp bedeutet diese, dass der Mensch sich nach der Rationalität richtet, die sich in der Ordnung des Universums manifestiert, und besonders auch nach der Perfektion der himmlischen Körper (D. L. 7,88). Diese Perspektive ist z. B. für Seneca noch sehr wichtig. Bei Musonius dagegen, obwohl er Zeus als Gesetzgeber erscheinen lässt (Diatr. 16,87) und den Menschen als Mitglied des Staates des Zeus (d. h. des Kosmos) ansieht (Diatr. 9,42), wird sie nicht philosophisch ausgenutzt. In einem Fragment wird sogar auf die grundsätzliche «Änderbarkeit» der Natur hingewiesen (µεταβολή: fr. 42, vgl. aber auch fr. 47 über die göttliche Vorsehung). Doch auch die Lehre der Ethik allein genügt nicht: Der Philosoph unterrichtet nach Musonius am besten, wenn er den Worten Taten folgen lässt und somit zu einem Vorbild wird. So definiert Musonius Philosophie als die Suche und Erforschung der Frage «wie man ein gutes Leben führen kann» (ὅπως βιώσονται καλῶς: Diatr. 3,9,14f.); sie beinhaltet das «Glück» (εὐδαιµονία): die «Fähigkeit» (τέχνη), die einem erlaubt, «ein guter Mensch zu werden» (Diatr. 4,16,13f.); oder auch das Zielen auf «sittliche Vortrefflichkeit» (καλοκἀγαθία: Diatr. 4,19,13f.). Die Tugend, die mit der Erkenntnis zusammenhängt, ist bei Musonius die «praktische Vernunft» (φρόνησις, nicht «Weisheit», σοφία, wie bei Platon Rep. 428b– 429a) – was an sich schon eine Umstellung des Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis gegenüber der platonisch-aristotelischen Tradition bedeutet (vgl. D. L. 7,92; siehe auch die früheren Stoiker, SVF IV s. v. φρόνησις): Bei Musonius fällt die Philosophie mit praktischer Vernunft und ihrer Äußerung zusammen. Das «(theo retische) Wissen» (λόγος) andererseits, und dies im Gegensatz zu den früheren Stoikern, kann Musonius (Diatr. 5) beschränken auf technisches Wissen, das einem zwar erlaubt, «eine Auseinandersetzung zu führen» (λέγειν), aber das an sich nicht für den Erwerb der Tugend ausreicht. Zu letzterem gehört ein Prozess der «Gewöhnung» (ἐθίζειν) nach den Prinzipien der Lehre der Ethik, der zu einem ἔθος führt – hier verstanden als die Fähigkeit, die Grundsätze konsequent in die Praxis «umzusetzen» (πράττειν). Wenn es auf die Tugend ankommt, sei das richtige Ethos wichtiger als die «Vernunft» (λόγος) im Sinne von technischem Wissen. Dieser Gewöhnungsprozess fordert ein ständiges Trainieren und Üben (die sog. ἄσκησις), wobei ‘gemeinsame Übungen’ (d. h. Übungen für Körper und Seele) von «der Seele e igenen Übungen» unterschieden werden (ἰδία τῆς ψυχῆς: Diatr. 6,25,14. 26,10). Auch wenn man mit einbezieht, dass die Vorlesungen sehr viel traditionelles Material enthalten, einschließlich «klassischer Themen» (τόποι), die auch anderswo benutzt werden, sind Musonius’ Gedanken am originellsten in seinen Abhandlungen über Frauen und die Ehe; diese zwei Themen unterstützen einander: Diatr. 3, ob Frauen auch philosophieren sollen; Diatr. 4, ob Töchter die gleiche Erziehung wie Söhne erhalten sollen; Diatr. 13a und 13b über die Ehe; Diatr. 14, ob die Ehe ein Hindernis für das Philosophieren sei. Nach Musonius’ Annahme sind
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Männer und Frauen gleich (Diatr. 3,9,1–10) bezüglich Rationalität, Wahrnehmungsvermögen, Körperteilen (zumindest ihrer Anzahl nach) und der Neigung zur Tugend (vgl. Sen. Dial. 6,16,1–4); da alle Menschen von Natur aus eine Neigung zur Tugend besitzen (Diatr. 2), sollen sich auch Frauen mit der Philosophie beschäftigen. Wie Männer, so benötigen Frauen die Philosophie für die Tugend in ihren vier Erscheinungsformen: praktische Vernunft, Gerechtigkeit, Besonnenheit und Mut (die vier Tugenden sind ein Leitmotiv in den erhaltenen Vorlesungen; vgl. zu Musonius’ Argumentation: Nussbaum 2002 [*178]). Zwar könnte man den Eindruck gewinnen, dass Musonius die Bereiche der Männer und Frauen auf traditionelle Art trennt: Die Tugenden sollen die Frauen zu besseren Hausfrauen, Müttern und Helferinnen ihrer Ehemänner machen. So zumindest widerlegt Musonius den Einwurf, die Philosophie würde Frauen frech machen und sie zur Vernachlässigung ihrer Pflichten verführen. Doch sind seine Nuancen bei diesem Thema von sehr großer Bedeutung: Erstens kommt es nicht nur bei Frauen auf die Praxis und auf das Arbeiten mit ‘den eigenen Händen’ an (z. B. Diatr. 3,12,1), sondern auch bei den Männern, die sich ebenfalls nicht in theoretischen Subtilitäten verlieren sollen (Diatr. 3,12,11–15). Die beste Art, sich einen Lebensunterhalt zu sichern, sei die Landwirtschaft (Diatr. 11), und auch hier die «Arbeit mit den eigenen Händen» (αὐτουργία). Zweitens ist die Aufteilung der Arbeitsbereiche nicht absolut notwendig: Sie basiert nur auf dem Unterschied hinsichtlich physischer Kraft und nicht auf einer allgemeinen Schwäche der Frauen; so können manchmal Aufgaben getauscht und die Rollen umgekehrt werden, und Musonius ist bereit anzunehmen, dass vielleicht alle Arbeiten Männern und Frauen gemeinsam sind (Diatr. 4,16,19–17,17). Es ist diese positive Einschätzung der Frauen, die auch die Türe öffnet für eine sehr positive Bewertung der Ehe, wie man sie sonst in der Antike nur bei Plutarch antrifft (‹Amatorius› – ‹Dialog über die Liebe›; ‹Coniugalia praecepta› – ‹Ratschläge für die Ehe›, obwohl Plutarch in mancher Hinsicht traditioneller bleibt als Musonius). Diese Lehre soll als eine Antwort auf Platons ‹Staat› verstanden werden. Bekanntlich ist für die Stoiker die Frage, ob der Weise heiraten soll, mit der Frage verbunden, ob er politisch tätig sein soll (Diatr. 8 über den König als Philosophen, in Anklang an Plat. Rep. 473cff.). Musonius Rufus’ Aussagen über die Ehe passen zu Fragmenten des Antipatros von Tarsos (Chrysipp, SVF III, fr. 62f.) und Hierokles (Stob. Ecl. 4,22,21–25, I,502,1–512,7 Hense). Aber auch hier geht er weiter als andere Stoiker: Es fällt auf, dass er die Ehe nicht nur als Fundament der Gemeinschaft ansieht, sondern die Tiefe und Qualität der Beziehung betont. Hier geht es um ein symmetrisches, gegenseitiges und von Zuneigung geprägtes Verhältnis, in dem sogar die Seele geteilt wird (Diatr. 14,74,7–10; vgl. Nussbaum 2002 [*178]). Eine gute Ehe, genauso wie andere Handlungen, hat auch ihre philosophischen Voraussetzungen: Man wählt einen Partner nicht aufgrund von Schönheit, Reichtum oder Rang, sondern ausschließlich in Hinblick auf die Tugend (Diatr. 13b). Zwar ist das Ziel der Sexualität auch für Musonius die Zeugung von Kindern in einer Ehe (Diatr. 12,64,1f.; 15), aber er betont explizit, dass es nicht die Kinder seien, die eine Ehe ausmachen, sondern die Qualität der Beziehung selbst (Diatr. 13a). Und er verwirft eine sexuelle Doppelmoral, nach der es
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Männern, aber nicht Frauen gestattet sein soll, mehrere Beziehungen zu haben, beispielsweise mit Sklavinnen (Diatr. 12,66,7–67,2, vgl. auch Sen. Epist. 94,26). Da einerseits für die Stoiker die sozialen Verhältnisse wichtig sind und zur Praxis der Philosophie gehören und andererseits Eltern in der Erziehung ihren Kindern nicht immer die richtigen Ziele setzen (und manchmal sogar perverse, wie der Vater, der seinen Sohn prostituiert), ist es mitunter nicht leicht, diese beiden Positionen miteinander zu versöhnen. Wenn ein junger Mann fragt, ob man seinem Vater in allem gehorchen muss, besonders wenn dieser Vater das Studium der Philosophie verbietet, ist dies auch für Musonius eine delikate Angelegenheit (Diatr. 16). Er betont zwar, dass ein Vater meistens kein Experte in Philosophie und dementsprechend nicht im Stande sei, guten Rat zu geben, aber er geht sehr behutsam mit dieser Personenkonstellation um: Wo spätere Platoniker die Beziehung zwischen Eltern und Kindern entweder durch das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ersetzen oder erstere letzterem deutlich unterordnen (z. B. Porph. Marc. 33,515–517 Wicker; Simpl. In Ench. 37,94–125 Hadot; Marin. Procl. 17), zeigt Musonius sich hier eher zurückhaltend. Wenn ein Kind nach dem Guten handeln will, gehorcht es immer den Eltern, die sich dies ja für ihren Nachwuchs wünschen; es gehorcht folglich der «Intention» (βούλησις) der Eltern, auch wenn es sich weigert, das Falsche zu tun, das sie ihm auftragen (Diatr. 16,84f.): Ein Sohn kann versuchen, seinen Vater zu überzeugen, dass die Philosophie ihn zu einem besseren Menschen machen werde und somit auch zu einem besseren Sohn gegenüber seinem Vater (d. h. die Philosophie unterstützt das richtige Verhältnis zwischen Eltern und Kindern; sie löst die Beziehung nicht auf); noch besser kann er es durch die Praxis beweisen und so seinen Vater beeindrucken (Diatr. 16,85f.). Nur wenn das alles nicht hilft, soll das Gebot des Zeus, als Vater von Menschen und Göttern, das des eigenen Vaters übertreffen (Diatr. 16,86f.). Und kommt es so weit, dass der Vater seinen Sohn einsperrt, so übt er damit nur Macht über den Körper seines Sohnes aus und kann auch so das Philosophieren nicht verhindern (Diatr. 16,87f.). Die letzten längeren Vorlesungen, die von Musonius erhalten sind, behandeln materielle Angelegenheiten wie Ernährung, Kleidung, Hausrat oder die äußere Erscheinung. Obwohl Musonius selbst das Thema ‘maßvolle Ernährung’ für sehr wichtig hält (Diatr. 18a,94,4–6; 18b), enthalten diese Vorlesungen seine am wenigsten originellen Aussagen. Im Grundsatz vertritt er die Tugend der Mäßigung und die Vorstellung vom einfachen Leben, in materieller Hinsicht die Beschränkung auf das Allernötigste.
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§ 13. Epiktet (Bibl. 234–235)
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§ 13. Epiktet Gretchen Reydams-Schils
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Wir wissen viel weniger über Epiktet als über seinen Lehrmeister Musonius Rufus, den er öfter erwähnt (Biographische Zeugnisse bei Schenkl 1894 [*187: XIV–XXIII], die ‘editio minor’ von 1916 enthält diese Testimonien nicht; für einen guten Überblick über die wichtigsten Testimonia s. Long 2002 [*211: 34f.]). Es gibt bei ihm z. B. weniger Berührungen mit der Politik in Rom. Was von Epiktet erhalten ist, sind Zeugnisse aus seiner Zeit als Lehrer einer Schule in Nikopolis, einer Stadt in Epirus in Griechenland. Er ist um 50 n. Chr. in Hierapolis geboren (in der heutigen Türkei) und war einen Teil seines Lebens Sklave des Epaphroditos (Suda II,365 Adler; vgl. auch Diss. 1,9,29; 1,19,19ff.), des Sekretärs Neros und später auch Domitians (ab 81 n. Chr.; Suda II,334–335 Adler; Suet. Nero 49,3; Dom. 14,4). Nachdem Domitian alle Philosophen Roms und Italiens verbannt hatte (wahrscheinlich 89 n. Chr.), ging Epiktet spätestens 95 n. Chr. nach Nikopolis ins Exil (Gell. 15,11,3–5). Er bezeichnet sich selbst (Diss. 1,8,14; 1,16,20) als einen alten, gelähmten Mann. Die Autoren der Testimonien stimmen nicht überein, ob diese Lähmung die Folge einer schlechten Behandlung als Sklave (Orig. C. Cels. 7,53) oder einer Krankheit wie Rheumatismus war (Suda II,365 Adler). Vielleicht hat Kaiser Hadrian ihn in Nikopolis besucht (Hist. Aug. Hadr. 16,10; Alcuin Epist. 88), zumindest ist es erwiesen, dass Epiktet in seiner Schule in Nikopolis öfter von Prominenten besucht wurde (Diss. 1,9,27ff.; 1,10,1–6; 1,19,26–29; 2,14,1; 3,7; 4,1,6). Nach Aussage von Simplikios in seinem Kommentar zu Epiktets ‹Encheiridion› hat Arrian die Vorlesungen Epiktets aufgezeichnet und auch eine nicht erhaltene Biographie über ihn geschrieben (Simpl. In Ench. prooem. 1–4; I. Hadot 1996 [*276: 152–160]). Aus dieser Biographie könnte die Anekdote stammen, dass Epiktet im hohen Alter das Kind eines verstorbenen Freundes zu sich genommen hat, damit es in guten Händen ist, und sich auch eine Frau in den Haushalt holte (Simpl. In Ench. 44,77–80 Hadot). Bei dieser handelte es sich wahrscheinlich um eine Amme und Dienerin, nicht um eine Ehefrau (nach Luk. Demon. 55 war Epiktet nicht verheiratet). Diese Anekdote ist von Bedeutung, weil bekannt ist, wie wichtig die sozialen Verhältnisse für römische Stoiker waren. Doch ist hier Vorsicht geboten, weil Simplikios eine Praxis, die in neuplatonischen Kreisen üblich war, Epiktet zugeschrieben haben könnte (Simpl. In Ench. 37,211–219. 303 Hadot; Reydams-Schils 2007 [*294]).
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
2. WERKE Wie Musonius Rufus hat auch Epiktet keine e igenen Arbeiten hinterlassen. In den erhaltenen Vorlesungen ist manchmal die Rede von Schriften, aber diese sind eine Art Übungen, wie sie Epiktet auch Sokrates zuspricht (Diss. 1,1,25; 2,1,32f.; 2,6,26f.). Arrian, der auch ein eigenständiger Autor war (am bekanntesten ist seine historische Schrift über Alexander), hat uns Aufzeichnungen von Epiktets Vorlesungen übermittelt. Zunächst sind vier Bücher ∆ιατριβαί (‹Dissertationes›, ‹Unterredungen›) von vielleicht ursprünglich acht erhalten (Phot. Bibl. cod. 58,17b11ff.; vgl. auch Gell.
19,1,14). Die zweite überlieferte Schrift ist das ‹Encheiridion› (‹Handbüchlein›), eine Zusammenfassung von Hauptthesen Epiktets, manchmal fast in der Art von Sentenzen. Philosophisch begründet ist die Form des Werks durch Epiktets häufige Empfehlung, man solle die philosophischen Lehrsätze immer «bei der Hand» (πρόχειρον, z. B. Diss. 1,27,7; 1,30; 3,24,103) haben, um sie stets der jeweiligen Herausforderung anzu passen. Die meisten Fragmente, die von Epiktet erhalten sind, stammen aus der Sammlung des Stobaios.
3. LEHRE
Deutlicher als bei den erhaltenen Vorlesungen des Musonius Rufus rückt bei Epiktet in den Vordergrund, dass die Schulübungen auch Aspekte der Physik und Logik umfasst haben, sowie die Auslegung von Werken der früheren Stoiker, besonders des Chrysipp. Die Anweisungen auf dem Gebiet der Logik bezeugen fortgeschrittene Kenntnisse komplexer Probleme (Diss. 1,7; 2,17,34; 2,18,18; 2,19). Allerdings besteht mit den Vorlesungen des Musonius Rufus die Übereinstimmung, dass auch Epiktets ‹Dissertationes› nicht der technischen Seite des Unterrichts entsprechen. Manchmal sind sie sogar an Leute gerichtet, die auf der Durchreise sind und kurz Epiktets Schule besuchen – dann lassen sie sich fast wie eine Art Werbung lesen: Sie geben dem Gast eine Kostprobe dessen, was die Philo sophie bewirken könnte, wenn er sich ernsthaft mit ihr beschäftigen würde (Diss. 1,11; 2,14; 3,9). Die Aufzeichnungen Arrians sind lebendig, oft humorvoll, aber durchaus auch scharfzüngig formuliert. Auch Epiktet genügen wie den anderen römischen Stoikern theoretische Auseinandersetzungen und Lehren nicht, sie sollen von «Praxis» (µελέτη) und ständiger «Übung» (ἄσκησις) begleitet werden (Diss. 2,9,13f.). Als Vorbild des richtigen Lebens und Sterbens ist Sokrates wichtig für die ganze stoische Tradition, aber Epiktet scheint besonders vom sokratischen Erbe geprägt zu sein (Döring 1974 [*205], Long 2000 [*209] und 2002 [*211: 67–96], Gourinat 2003 [*212]). Dies reicht bis zu Themen wie z. B., dass niemand freiwillig irrt; dass derjenige, der Böses tut, gefährdet sei und nicht derjenige, der es erleidet (Diss. 4,1,122–127; vgl. Plat. Gorg. 474cff.); und bis zu Aspekten des Dialogs, in dem der Gesprächspartner durch eigene Einsicht widerlegt wird (ἔλεγχος; Diss. 3,14,9; Long 2002 [*211: 74–86, 95f.]). Das andere große Vorbild – neben Stoikern wie Zenon und Kleanthes – ist der Kyniker, wie er in Diogenes seine Ausformung fand (Diss. 3,22), wobei Epiktet seinen idealen Kyniker ohne die sonst bezeugte Unverschämtheit (vgl. z. B. D. L. 6,20–81) dargestellt hat (siehe auch Billerbeck 1978 [*190], für einen ersten Überblick 6–9). Der ideale Lehrer soll nicht nur die Weisheit besitzen, sondern auch einen geeigneten Charakter und einen
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hinreichend reinlich gehaltenen Körper. Er soll für diese Verantwortung von Gott vorbestimmt sein. Für sich selbst nimmt Epiktet den Status eines ‘Meisters’ nicht in Anspruch (Diss. 4,1,151; vgl. Reydams-Schils 2011 [*43]); er bezeichnet sich selbst als jemanden, der sich – wie seine Schüler – fortwährend üben muss und gelegentlich etwa auch Gefährdungen sinnlichen Vergnügens ausgesetzt ist (Diss. 2,18,15–18). Wenden wir uns den Hauptthemen in Epiktets Ausführungen zu: Den Körper und die äußeren Güter konnte Zeus als die Vorsehung, die den Kosmos geordnet hat, nur so gestalten, dass sie nicht gänzlich der Macht des Menschen unterworfen sind (Diss. 1,1,7–13; 4,1,99–110). Unser Körper und die Dinge sind nur ein Teil einer Gesamtstruktur, des Kosmos, und damit den Gesetzen und Prozessen dieses Weltgebäudes unterworfen; sie sind nicht «in unserer Macht» (οὐκ ἐφ’ ἡµῖν). Aber das Wichtigste in uns, unsere «Vernunft» (λόγος), ein Teil des Gottes selbst, ist «in unserer Macht» (ἐφ’ ἡµῖν). Somit ist der Unterschied zwischen dem, was in unserer Macht liegt, und dem, was nicht, der Maßstab für die richtige Beurteilung der Dinge (vgl. auch Ench. 1). Das Argument, das Epiktet Zeus in der eben erwähnten Passage in den Mund legt – dass er auch den Körper und den Besitz als frei verfügbar gewährt hätte, wenn es möglich gewesen wäre –, erinnert an Platons ‹Timaios› (75a–c). Auch dort muss der Demiurg bei der Gestaltung des menschlichen Hauptes eine Wahl treffen: Wird der Schädel zu dick, ist das Denken behindert; aber ein dünnerer Schädel führt zu größerer Verletzlichkeit. Der Demiurg wählt letzteres, aber dadurch ist Verletzlichkeit und somit Sterblichkeit unvermeidbar. Bereits Chrysipp hat diese Passage stoisch umgedeutet (Chrysipp, SVF II, fr. 1170 = Gell. 7,1,7). Aber in einem stoischen Kontext wirkt das Argument anders: Im ‹Timaios› ist die Wahl des Demiurgen eingeschränkt, weil er die Welt nur so gut wie möglich machen kann; für den Stoiker ist der Kosmos durch und durch gut und von göttlicher Vorsehung gestaltet – aber es gehört eben zu dieser Vorsehung, dass sich ein Teil des Kosmos dem Ganzen, dem Universum, unterzuordnen hat. Diese Unterordnung gilt nicht für die menschliche Rationalität, weil sie eben im Ursprung der gött lichen ähnlich ist. Aber ein Mensch muss in seine Rationalität hineinwachsen und kann sie auch verfehlen. Das Erziehungsprogramm Epiktets ist darauf ausgerichtet, dass man eben dieses Ziel erreicht. Die Rationalität ist das einzige Vermögen, das sowohl sich selbst als auch andere Gegenstände und Sachverhalte untersuchen kann – sie ist selbst-reflexiv. Aus diesem Grund wird sie zum Maßstab für alle Formen des Wissens und Könnens. ‘Rational sein’ bedeutet für Epiktet, dass wir unsere «Eindrücke» (φαντασίαι) in korrekter Weise nutzen. Auch den Tieren werden durch die Sinneswahrnehmung Eindrücke vermittelt, aber sie nutzen diese einfach ohne Überlegung (Diss. 1,6,12–15; 2,8,3–9); Menschen dagegen können über ihre Eindrücke nachdenken und Entscheidungen treffen.
Menschen sind von Natur aus so gestaltet, dass sie sich «allgemeine Begriffe» (προλήψεις) formen, wie das Gute, das Böse, das Vorteilhafte und Schädliche. Aber man benötigt die Philosophie, um zu lernen, diese Begriffe komplett auszugestalten sowie korrekt und systematisch auf konkrete Gegenstände anzuwenden (Diss. 1,2,5ff.; 2,11,4; 2,17), sonst entstehen falsche «Vorstellungen»
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(δόγµατα) wie z. B., dass der Tod ein Übel sei und Reichtum ein Gut. Diese Auffassungen werden durch Eindrücke vermittelt: Bei Menschen, die der Sprache und des Denkens mächtig sind, gehen Impressionen einher mit Urteilen, die in Worten ausgedrückt werden. So kann man z. B., wenn man das schöne neue Haus des Nachbarn sieht, diesen Eindruck umsetzen in ‘Es ist gut, so ein Haus zu besitzen, ich möchte auch so eins’. Aber solche Vorstellungen sind falsch: Nach ursprünglich orthodoxer Lehre beziehen sich die Begriffe ‘Gut’ und ‘Böse’ nur auf das Denken und die Tugend, also darauf, ob wir unsere Rationalität richtig oder falsch nutzen und dementsprechend unsere Entscheidungen treffen. Wie oben angedeutet, ist nur die Rationalität «in unserer Macht» (ἐφ’ ἡµῖν); andere Dinge und Sachverhalte können zwar einen Wert haben, aber auf sie trifft der Begriff des ‘Guten’ nicht zu, sie sind im Hinblick auf die Tugend «gleichgültig» (ἀδιάφορα). Wie lernen wir unsere Eindrücke in der richtigen Weise zu nutzen? Epiktets Erziehungsprogramm, das vermutlich ihm zuzuschreiben ist und Mark Aurel beeinflusst hat, umfasst Übungen von dreierlei Art (τόποι, ausführlich Diss. 3,2): Die erste beschäftigt sich mit unserem «Streben» (ὄρεξις und seinem Gegenteil, dem «Vermeiden»: ἔκκλισις); die zweite mit dem «Impuls oder Anstoß zum Handeln» (ὁρµή und dem Gegenteil: ἀφορµή); und die dritte mit der «Zustimmung (συγκατάθεσις und der «Urteilsenthaltung»: ἐποχή). P. Hadot hat diese Übungen mit den drei Teilen der Philosophie verknüpft: die erste mit der Physik und besonders der Theologie, die zweite mit der Ethik und die dritte mit der Logik (P. Hadot 1978 [*204]). Das «Streben» (ὄρεξις) und das «Vermeiden» (ἔκκλισις) bringen unsere allgemeine Einstellung zu Dingen und Sachverhalten zum Ausdruck, eben die Struktur unserer Motivationen. Ist unser Streben auf das Richtige ausgerichtet, d. h. auf das wahrhaft Gute und Vorteilhafte, dann ist diese Struktur wie sie sein soll und naturgemäß. In diesem Fall streben wir nach dem, was wir erreichen können, der bestmöglichen Ausrichtung unserer rationalen Fähigkeiten, weil sie, wie oben angedeutet, «in unserer Macht» (ἐφ’ ἡµῖν) ist, und meiden, was immer wir meiden können. Aber die meisten Leute streben nach falschen Gütern wie Besitz und Ruhm. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, beschränkt sich die erste Übung auf die Ethik. Aber das richtige Streben ist nicht nur naturgemäß, weil es unserer Natur als Menschen entspricht (Diss. 1,20,16f.), sondern auch, weil wir dann unser Verlangen dem Willen Gottes unterordnen, eben jenem Gott, der das Universum durch seine Vorsehung bis ins kleinste Detail geordnet hat (Diss. 1,12,17; 2,6,9f.). Daher kann man auch sagen, dass das Ziel unseres Strebens sein sollte, Gott zu folgen (z. B. Diss. 1,30). Unser Körper und die äußeren Dinge sind von ihm bestimmt; aber in unserer Rationalität ist auch die Freiheit vorhanden, die es ermöglicht, den Kosmos zu bewundern, Gott zu loben und mit dem göttlichen Ursprung wieder eins zu werden (Diss. 1,6,19f.; 1,12,7ff.; 1,16,16ff.; 1,17,27ff.; 2,14,11ff.; 2,16,42ff.). Und so verweist die Übung unser Streben betreffend auf die Physik, von der die Theologie eben die höchste Stufe ist. Die Grundstruktur unseres Strebens ist so wichtig und auch so schwierig, im richtigen Sinne zu deuten, dass Epiktet Anfängern empfiehlt, ihr Streben aufzugeben bzw. zurückzuhalten (Diss. 1,4,1; Ench. 2), bis sie mehr wissen über das Gute und Böse, ihren Platz als Menschen im Kosmos und auch ihr Verhältnis zu Gott.
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§ 13. Epiktet (Bibl. 234–235)
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Gegen die eben erwähnte Verknüpfung von Ethik und Physik scheint ein Fragment Epiktets zu argumentieren (fr. 1 Oldfather = fr. 175 Schweighäuser = Stob. Ecl. 2,1,31, II,13,3–14,8 Wachsmuth). Nach diesem kommt es darauf an, den Unterschied zwischen Gutem und Bösem zu kennen, sowie das richtige Streben und den Antrieb zum Handeln. Dies folgt aus der Erkenntnis, dass ein Mensch nicht alleine lebt, sondern von Natur aus zur Gemeinschaft bestimmt ist. Aber was die Natur jetzt genau sei, wie sie den Kosmos angeordnet habe oder ob alles Existierende aus Atomen – eine Anspielung auf die Epikureer – oder Feuer und Erde bestehe, darum müsse man sich nicht kümmern. Dass dieses Fragment – das eben in erster Linie ein Fragment ist, weshalb die Argumentation nicht vollständig ist – nicht einen Widerspruch zu sonstigen Aussagen Epiktets bedeuten muss, beweist auch ein Vergleich mit Seneca (Benef. 7,1, Nat. 3 praef.): Es gibt eine falsche Art, sich mit Physik zu beschäftigen, nämlich nur um ihrer selbst willen, als reine Theo rie, wobei man sich in abstrusen Detailfragen verliert. So gesehen ist das Fragment Epiktets nur der erste Teil einer dialektischen Argumentation, dem wohl eine Aussage wie bei Seneca folgte. Die zweite Übung umfasst den Antrieb zum Handeln (ὁρµή/ἀφορµή). Sie behandelt die «gebotenen Handlungen» (καθήκοντα, «officia» bei Cicero), oder was man der Natur und «seiner Position im Leben» (στάσιν […] ἐν τῷ βίῳ: Diss. 1,21,1) gemäß zu tun hat. Dabei fällt auf – und hier zeigt sich Epiktet im Einklang mit anderen römischen Stoikern wie Seneca, Musonius Rufus und Hierokles –, dass es sich meistens um die sozialen Pflichten handelt, also wie man sich z. B. als Freund, Sohn, Bruder oder Mitglied des Staates zu anderen zu verhalten hat. So wie Panaitios vor ihm (vgl. Cic. Off. 1,107–117), bedient sich Epiktet hier der Vorstellung von einer Rolle des Individuums, was wahrscheinlich ursprünglich aus dem Bereich des Theaters stammt (Diss. 2,10,4–12: πρόσωπον, von Cicero als «persona» übersetzt, was «Maske» bedeuten kann – wie auch bei Epiktet in Diss. 1,29,41ff.; für die weiteren Bedeutungen wie z. B. «Charakter», vgl. Diss. 1,2; 1,29,44–49; 4,2,10; 4,3,3). Zur Rationalität des Menschen gehört auch, dass er ein Sozialwesen ist, weil ja eben auch Zeus sich um die Welt kümmert. Von Natur aus verfügen wir über «Zuverlässigkeit» (τι πιστόν), «Zuneigung» (στερκτικόν), «Hilfsbereitschaft» (ὠφελητικόν) und «Toleranz» (ἀλλήλων […] ἀνεκτικόν: Diss. 2,10,23). Zwar soll man nicht von anderen abhängig sein (Diss. 1,12,21; 3,13,2–7) und sich nicht durch sie zu falschen Zielen verführen lassen, aber derjenige, der das richtige Verständnis von Gut und Böse hat, kann auch seine Verhältnisse zu Mitmenschen ordnungsgemäß gestalten. Zwar sollte das Gute die Oberhand haben, wenn zwischen ihm und den sozialen Verhältnissen ein Konflikt besteht (vgl. auch Musonius Diatr. 16); aber es gilt ebenso, dass die richtige Einstellung zu anderen zum Guten gehört (Diss. 3,3,5–10). Der Rang, den Menschen in der Gemeinschaft einnehmen, z. B. als Sklave, Senator oder Freigelassener, ist an sich unwichtig. Die Grundgedanken Epiktets sind hier, dass man einerseits seiner Rolle gemäß zu handeln hat, dass es andererseits aber nicht auf den Rang in der Gemeinschaft ankommt, sondern auf die Art, wie man diese Rolle spielt (Diss. 2,5). Ein berühmtes Bild, das zu dieser Auffassung
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
passt, ist das vom Leben als einem Ballspiel: Es kommt nicht auf das Spiel an, sondern auf die Fähigkeit, mit der man spielt (Diss. 2,5,15ff.). Hierin besteht die wahre menschliche Freiheit. Wie Musonius erkennt man auch in Epiktet einen Lehrer im Schulunterricht; die meist jungen Leute, die bei ihm studieren, sind zeitweise von ihren normalen gesellschaftlichen Verhältnissen gelöst. Aber auch in einem solchen Kontext bleibt die Wichtigkeit sozialer Beziehungen erhalten. Es gibt jedoch auch Personen, welche die Schule auf der Durchreise besuchen, und so liefert ein Gespräch mit einem römischen Beamten ein sehr gutes Beispiel von Epiktets Lehre über die «gebotenen Handlungen» (καθήκοντα: Diss. 1,11): Der Mann ist verheiratet. Auf die Frage, was er von der Ehe hält, beklagt er sich, dass er vor kurzem nicht am Krankenbett seiner Tochter ausharren konnte, da er sich zu sehr um sie sorgte. Der Philosoph beweist nun, dass es nicht naturgemäß, «rational» (εὐλόγιστον) oder gut sei, sein Kind in der Not anderen zu überlassen. Es reicht also nicht aus, dass der ‘pater familias’ dafür sorgt, dass irgendjemand sich um das Kind kümmert: Er muss selbst seine Verantwortung übernehmen. Hier zeigt Epiktet, dass für einen Stoiker wie ihn das Überwinden der Todesangst und der Furcht, aufgrund menschlicher Verletzlichkeit andere verlieren zu können, nicht primär auf eine Verbindung mit einer höheren und ideellen Realität abzielt wie im Platonismus, sondern auf eine Vertiefung unserer Verhältnisse zu Mitmenschen ausgerichtet ist, die eben nicht Nebensache sind. Die dritte Übung, diejenige bezüglich der «Zustimmung» (συγκατάθεσις), ist für die Art der Urteilsbildung ausschlaggebend und hängt dementsprechend mit der Logik zusammen oder der Fähigkeit, richtig zu differenzieren. Diese hat für Epiktet nur dann einen Zweck, wenn man bereits Fortschritte durch die zwei ersten Übungen gemacht hat (Diss. 3,2,5), sich also schon einen korrekten normativen Rahmen zu eigen gemacht hat. Sehr oft zeigt Epiktet die Parallele zwischen logischen Übungen (etwa Syllogismen), bei denen das Richtige vom Falschen zu unterscheiden ist, und dem Handeln, bei dem es auf Gut und Böse ankommt. Die Zustimmung ist am engsten verknüpft mit der Forderung, dass man seine Eindrücke korrekt nutzen sollten. Man muss diesen nicht sofort zustimmen, sondern sollten sie prüfen und sich dabei Zeit nehmen. Wenn man einmal einem Eindruck zugestimmt hat, formt sich ein «Urteil» (δόγµα), das – wenn es falsch ist – das ganze Leben auf die falsche Bahn lenken kann. Betrachten wir nochmals das oben erwähnte Beispiel genauer: Angenommen, jemand gewinnt den Eindruck, es sei gut, auch so ein schönes und reiches Haus zu besitzen wie sein Nachbar. Er kann seine Zustimmung geben und das Ziel des wirklich Guten dabei verfehlen, oder aber diesen Eindruck erst prüfen und schließlich entscheiden, dass Dinge wie ein Haus nicht zum Guten gehören und dementsprechend seine Z ustimmung verweigern (Diss. 2,18; Ench. 1, 18, 34). Ein sehr wichtiger Begriff für Epiktet ist die «Fähigkeit zum vernünftigen Wollen» (προαίρεσις; Bonhöffer 1890 [*199: 118f., 259ff.]). Die ‘prohairesis’ soll sogar mit dem ‘Ich’ identifiziert werden (Diss. 1,1,23f.; 1,17,26; 2,22,20). Die oben erwähnte Unterscheidung zwischen dem, was «in unserer Macht» (ἐφ’ ἡµῖν) steht oder nicht, kann man umformuliert auch vornehmen zwischen dem, was zu unse-
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§ 13. Epiktet (Bibl. 234–235)
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rer ‘prohairesis’ gehört, und dem, was nicht. Leider wird in den erhaltenen Vorlesungen keine Definition dieses Begriffs geboten, und so muss man versuchen, ihn aus dem Kontext heraus zu deuten (über die Vorgeschichte dieses Begriffs, besonders bei Aristoteles, s. Dobbin 1991 [*206]). ‘Prohairesis’ scheint ein Sammelbegriff zu sein, der sich auf den Entwicklungsstand unserer Rationalität bezieht, d. h. der Art, wie wir als Menschen unser «leitendes Prinzip» (ἡγεµονικόν) in einem naturgemäßen Zustand erhalten (Diss. 3,5,3; 3,6,4; 3,9,11), unsere Eindrücke nutzen, unser Streben ordnen und unser Handeln an «Antrieben» (ὁρµαί) und Zustimmung ausrichten (Diss. 1,17,21ff.; Bonhöffer 1890 [*199: 259ff.], Asmis 2001 [*210], Long 2002 [*211: 210–220]). Das Wort wird manchmal mit ‘Wille’ wiedergegeben, doch könnte diese Übersetzung zu der falschen Annahme führen, die ‘prohairesis’ sei eine eigenständige psychologische Funktion. ‘Prohairesis’ wird vielleicht am besten umschrieben als Epiktets Begriff für Intentionalität, die auch von der Lage im Leben bestimmt wird (Diss. 3,23,5). Nur ‘prohairesis’ kann ‘prohairesis’ verhindern (Diss. 1,17,26f.; 3,19,2). Zum Schluss ist der interessante Punkt zu erwähnen, dass durch früher erworbene Eindrücke mitbestimmt wird, wie man gegenwärtige nutzt: Die Rationalität ist selbst-reflexiv, weil sie als die «Struktur» (σύστηµα), die sich mit Eindrücken beschäftigt, selbst auch aus solchen besteht (Diss. 1,20,5–6). Schon deshalb sind falsche Urteile und daraus erfolgte Handlungen so gefährlich; jeder Fehler hinterlässt eine Spur in der Seele (Diss. 2,18,11), wodurch sie nachher leichter den gleichen Fehler macht. Allerdings ist es auch so, dass man stets in der Lage ist, seine Eindrücke zu testen, die schlechten Gewohnheiten zu durchbrechen und mit einem neuen Prozess der Gewöhnung an das Gute zu beginnen (Diss. 2,18,19ff.; 3,25). 4. NACHWIRKUNG
Für die Wirkung in Platonismus und Christentum siehe § 17. Sowohl das ‹Encheiridion› als auch die ‹Dissertationes› profitierten vom großen Interesse an den Stoikern im 16. und 17. Jahrhundert (Long 2002 [*211: 259–274]), bei Gelehrten wie J ustus Lipsius (‹De constantia› 1584) und Guillaume du Vair, der das ‹Encheiridion› ins Französische übersetzt hat (erschienen 1586 in ‹La philosophie morale des Stoiques›). Das ‹Encheiridion› erfreute sich weithin großer Beliebtheit, und zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde es sogar zum Teil ins Chinesische übersetzt vom Jesuitenmissionar Matteo Ricci (1552–1610), der eine Verwandtschaft mit dem Konfuzianismus zu erkennen glaubte. Von besonderer Bedeutung sind Blaise P ascals ‹Entretien avec monsieur de Sacy sur Epictète et Montaigne› (1655), in dem Epiktet einem als pyrrhoneischen Skeptiker gezeichneten Montaigne gegenübergestellt wird, und Descartes’ dritte moralische Maxime in seinem ‹Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences› (1637), in der sich ein Einfluss der Lehre des römischen Stoikers fest stellen lässt.
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
§ 14. Marcus Aurelius Gretchen Reydams-Schils
1. Leben. – 2. Werk. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Mark Aurels Leben als römischer Kaiser steht im Scheinwerferlicht der Geschichte: Er wird 121 n. Chr. in Rom geboren. Seine Mutter ist Domitia Lucilla. Sein Vater M. Annius Verus stirbt, als er noch ein Knabe ist. Er wird zunächst von seinem Großvater väterlicherseits aufgenommen. Mit fünfzehn wird er mit der Tochter von Hadrians Adoptivsohn verlobt, der als zukünftiger Kaiser gilt. Als dieser stirbt, adoptiert Hadrian Antoninus Pius, der 138 n. Chr. wiederum Mark Aurel adoptiert; die frühere Verlobung wird aufgelöst, und Mark Aurel jetzt mit Faustina verbunden, der Tochter des Antoninus Pius. Sie heiraten 145 n. Chr. Sie hatten dreizehn Kinder, von denen nur sechs das Erwachsenenalter erreichten; 161 wird Commodus geboren, der später seinem Vater nachfolgt. Ab 146 ist Mark Aurel an der Seite von Antoninus Pius unmittelbar in die Staatsgeschäfte eingebunden. Er übernimmt die Macht, als Antoninus Pius 161 n. Chr. stirbt, und ernennt seinen Adoptivbruder Lucius zum zweiten Imperator, der die Tochter des Princeps Lucilla heiratet. Lucius Aurelius Verus soll den Feldzug im Osten gegen die Parther und Meder leiten. 167 erreicht die Pest Italien, und die Germanen müssen aus der Po ebene zurückgedrängt werden – von diesem Zeitpunkt an bis zu seinem Tod wird Mark Aurels Leben von militärischen Kampagnen gegen die Germanen und Sarmaten beherrscht. 175 versucht Avidius Cassius im Osten die Macht zu ergreifen, und die Revolte muss überwunden werden. Faustina stirbt 176 auf dem Rückweg von einer Reise in den Osten. Im selben Jahr lässt Mark Aurel in Athen Lehrstühle für Philosophie einrichten, und Athenagoras richtet eine Apologie für die Christen mit dem Titel ‹Die Bittschrift› (Πρεσβεία) an ihn (CPG 1,1070; in seinen Aufzeichnungen übt Mark Aurel einmal explizit Kritik an den Christen: 11,3; ob er direkt mitverantwortlich ist für die Verfolgungen in Lyon und Vienne in Gallien, ist umstritten). Ab 177 lässt Mark Aurel seinen Sohn Commodus an der Macht teilhaben. Er selbst stirbt bei einem Feldzug gegen die Germanen 180 n. Chr. Von großer Bedeutung ist, dass im Fall von Mark Aurel nicht nur die Geschichtsschreibung und andere Quellen zur Verfügung stehen, sondern auch seine eigenen Aussagen über die Menschen, die in seinem Leben wichtig waren (im ersten Buch der Aufzeichnungen). Dort erwähnt er zum Beispiel die Fähigkeit, den Verlust eines Kindes gleichmütig ertragen zu können (1,8). Die Geschichtsschreibung war nicht milde seiner Gattin gegenüber, die des Ehebruchs und sogar der Teilnahme am
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§ 14. Marcus Aurelius (Bibl. 235–236)
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Cassius-Komplott beschuldigt wird (Hist. Aug. M. Aur. 19,1–3. 7; 24,5f.; 26,5) – Mark Aurel selbst erwähnt sie aber ohne eine Spur von Kritik (1,17). 2. WERK Von Mark Aurel ist eine Korrespondenz mit seinem Rhetoriklehrer M. Cornelius Fronto überliefert sowie eine Sammlung von Aufzeichnungen in zwölf Büchern, die in der Handschriften-Tradition den Titel Εἰς ἑαυτόν (‹Selbstbetrachtungen› oder auch ‹Wege zu sich selbst›) erhalten haben, aber auch häufig als ‹Meditationen› bezeichnet werden. Was seine Aufzeichnungen betrifft, so ist es nicht eindeutig, ob Mark Aurel sie veröffentlichen wollte, und wenn ja, in welcher Form, d. h. ob er noch weitere Überarbeitungen vornehmen wollte. Die Aufzeichnungen haben eine einzigartige Form: Sie bestehen aus Notizen, deren Umfang sich zwischen ein Paar Zeilen bis zu einigen Seiten bewegt, manche sind skizzenhaft, andere wiederum ausgearbeitet und deutlich strukturiert. Sie kommen den Schreibübungen am nächsten, die Epiktet im Dienste des philosophischen Fortschritts empfiehlt. Man schreibt, um sich Grund-
sätze der Lehre anzueignen, wie auch um seinen eigenen Fortschritt zu beurteilen. Bei Mark Aurel lässt sich sogar erkennen, wie diese Schreibübungen die philosophische Fortsetzung – freilich auf Griechisch – der Übungen sind, die er als Knabe im Rahmen des Rhetorikunterrichts bei Fronto absolviert hat (62f. van den Hout). Andererseits stehen diese Betrachtungen im Gegensatz zu den Notizen, die Mark Aurel anhand f rüherer Lektüre angefertigt hat (3,14): Seine Aufzeichnungen haben einen zwingenden Charakter, weil sie die richtige Lebensführung zum Ziel haben und nicht das bloße Sammeln von Wissen. Beeindruckend ist auch, dass diese Aufzeichnungen aus einer Zeit stammen, die Mark Aurel größtenteils im Feld lager verbracht hat (siehe die Titel des zweiten und dritten Buchs: «Geschrieben unter den Quaden am Fluss Granus» [Buch 2] und «Geschrieben in Carnutum» [Buch 3]).
3. LEHRE
P. Hadot 21997 [*236: 85f.] vertritt die These, dass die drei Hauptübungen Epiktets auch für die Interpretation von Mark Aurel der Schlüssel sein können. Diese drei Topoi beschäftigen sich 1) mit der Zustimmung oder der Fähigkeit, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, 2) dem Streben oder der Grundstruktur unseres Wollens und 3) dem Ansatz zum Handeln. Im ersten Buch der Aufzeichnungen des Kaisers (1,7) erfahren wir tatsächlich, dass er von Rusticus, seinem ersten Philosophielehrer, ein Exemplar der Vorlesungen Epiktets erhalten hat (hier ὑποµνήµατα, «Kommentare», genannt). Ein Fragment Epiktets, das bei Mark Aurel erhalten ist, bezieht sich auf diese drei Topoi (11,37), und in seinen eigenen Aufzeichnungen erwähnt er sie auch (am deutlichsten in 8,7). Mark Aurel zeigt kaum Interesse an der Logik (aber vgl. Giavatto 2008 [*241]); er erwähnt Syllogismen nur kurz als eine Beschäftigung, in die man sich ver stricken kann (1,17). Das gute Leben finde man nicht in Syllogismen (8,1), obwohl man sein Urteilsvermögen auch nicht vernachlässigen solle (8,13). Die Physik dagegen ist sehr stark betont, viel mehr als z. B. in den erhaltenen Vorlesungen des Musonius Rufus. Nach Auffassung von P. Hadot 21997 [*236: 57f.] bezeugt eine Notiz (10,9), dass die «Physik» (φυσιολογία) unentbehrlich sei für das richtige Handeln. Er benennt die zwei Prinzipien der stoischen Physik: das passive Prinzip, die «Materie» (ὕλη) als «Sein» (οὐσία), und das aktive Prinzip, die göttliche
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
gestaltende «Ursache» (αἰτία, z. B. 5,13; 8,3. 11; 9,25. 37). Zeus als Natur und Vor sehung hat das Universum geordnet: Die Ordnung des Ganzen ist durchgehend gut und von zyklischen Veränderungen bestimmt, die Phasen der Zerstörung einschließen; die menschliche Natur ist als ein Teil des Ganzen unmittelbar mit der Natur des Universums verknüpft (4,21; 8,18; 9,21). Eigentümlich für Mark Aurel ist, dass er in seine Betrachtungen auch alternative Überlegungen integriert: So ist für ihn die Welt entweder ohne bestimmte Ordnung aus Atomen zusammengesetzt (Atomisten, Epikur) oder es gibt eine Vorsehung, welche die Welt rational geordnet hat (4,27; 6,10; 7,32; 8,17; 9,39f.; 10,7; 11,18; 12,14f. 24). Man muss in diesem Weltbild keine Abweichung von der stoi schen Lehre sehen. Es scheint auf zwei Überlegungen zu beruhen: Die ‘entwederoder’-Struktur bekräftigt erstens, dass man – ob die Realität von Atomen oder der Vorsehung bestimmt wird – sich gleich verhalten soll, d. h. angesichts des Wandels in der Natur und im Hinblick auf die Sterblichkeit die Ruhe bewahren und sich auf die eigene Rationalität verlassen soll. Zweitens unterliegt diesem ‘entweder-oder’ eine a-fortiori-Argumentation: Wenn man sich auch als Atomist (oder Epikureer, vgl. 7,64; 12,14) so verhalten muss, dann hat ein Stoiker noch mehr A nlass zu dieser Einstellung, weil sie durch die göttliche «Vernunft» (λόγος) bestätigt wird. Sehr viele der Betrachtungen Mark Aurels verweisen auf die «Gemeinschaft» (κοινωνία); für ihn sind unsere Beziehungen zu Mitmenschen von zentraler Bedeutung (5,16). Schon das erste Buch seiner Aufzeichnungen bezeugt dies: Er erwähnt darin sein ganzes soziales Netzwerk, aber nicht um seine Einbindung in eine soziale Hierarchie zu beschreiben, sondern im Hinblick auf seine moralischen Fortschritte. Großeltern, Eltern, Lehrer, sein Adoptivvater Antoninus Pius, seine Frau, seine Kinder, sie alle werden aufgeführt. Dieses erste Buch ist das G egenteil eines Testaments: Anstatt zu bestimmen, was Mark Aurel wem schenken möchte, zählt er der Reihe nach auf, was er von wem geschenkt bekommen hat – nicht im materiellen Sinne, sondern als Erfahrungen und Einflüsse, die ihn geprägt haben (besonders 1,17). Auf die Frage, wie die Fähigkeit zur Gemeinschaft zu unserer Natur gehört, antwortet Mark Aurel ganz eindeutig, dass Menschen aufgrund ihrer Vernunftbegabung soziale Wesen sind: ‘rational sein’ bedeutet ‘sozial sein’ (10,2; 12,30). In dieser Hinsicht imitiert die menschliche Rationalität nur die göttliche, die sich als Vorsehung um das Universum kümmert. Die Gemeinschaft der Menschen findet ihren Ursprung im Anteil an der göttlichen Vernunft und ist gleichsam eingebunden in den Kosmos als übergeordneten Staat (4,4; 7,9; 8,2; 9,22; 11,8; 12,26. 30). Auch deshalb deutet Mark Aurel die stoische ‘scala naturae’ (Stufenleiter der Natur) von unbelebten Dingen, Pflanzen, Tieren, Menschen und Göttern so, dass nicht nur die niedrigeren Stufen den Menschen dienen, sondern diese auch einander (5,16. 30; 7,55; 8,59; 9,9). In einer Passage spielt er auf seine Verantwortung als Kaiser an, als derjenige, der die Gemeinschaft führen soll (11,18), indem er sich mit dem Widder und dem Stier in einer Herde vergleicht. Doch fällt auf, wie bescheiden und realistisch die Erwartungen Mark Aurels im politischen Bereich sind. Man sollte nicht auf Platons ‘Staat’ hoffen (9,29), weil es sehr schwierig sei, die Überzeugung von
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enschen zu ändern, und dies könne ohnehin nur unter Zwang erfolgen. Man soll M sich mit kleinen Schritten begnügen und tun, was die jeweilige Situation erfordert. So prägt sich Mark Aurel auch ein, dass er sich nicht völlig mit seiner Rolle als Kaiser und deren sozialem Status identifizieren soll (6,30). Aus dem Blickwinkel der bescheidenen Erwartungen lässt sich auch verstehen, dass Mark Aurel Geduld mit den Mitmenschen empfiehlt; auch wenn sie falsche Vorstellungen vom Guten haben, sind es eben doch ihre Vorstellungen. Und anstatt sich in nutzloser Wut und Ärger zu verlieren, kümmere man sich am besten um den Entwicklungsstand seiner eigenen Rationalität. Mit seinem Realismus hängt auch Mark Aurels Verwendung der Lehre der ὑπεξαίρεσις zusammen («Zurückhaltung» oder «Vorbehalt»: 4,1; 5,20; 6,50; 8,41; 11,37; dieser Begriff ist auch für Seneca und Epiktet bezeugt [Ench. 2; fr. 27 Oldfather, bei Mark Aurel erhalten]): Wann immer wir uns zu einer Handlung entschließen, sollen wir daran denken, dass etwas diese Aktion verhindern könnte und es anders kommen könnte, als wir uns vorgenommen haben. Wenn Gott (d. h. die vorbestimmte Ordnung des Universums) es will, können wir mithilfe der Zurückhaltung immer unser Streben mit Gottes Plan in Einklang bringen. Damit wir nicht in Passivität verfallen, empfiehlt Mark Aurel als Pendant zur ‘Zurückhaltung’ die «Umkehr» (περιτροπή): Wir müssen das, was passiert, nicht einfach akzeptieren, sondern können diese Geschehnisse immer als neues Material für die Anwendung der Tugend nutzen und sie zum Guten wenden (Brunschwig 2005 [*240]). Das ‘Selbst’ bei Mark Aurel ist hauptsächlich der «Intellekt» (νοῦς) oder der «Verstand» (διάνοια). Er stellt den Intellekt nicht nur in Gegensatz zum Körper wie die anderen römischen Stoiker, sondern auch zum «Hauch» (πνεῦµα), der die Seele ausmacht (z. B. 2,2; 3,16; 5,33; 7,16). Hiermit begibt er sich an die Grenze der stoischen Lehre, für die auch das «leitende Prinzip» (ἡγεµονικόν) aus Pneuma besteht (wie die ganze physische Realität). Doch sagt Mark Aurel nie explizit, dass der Intellekt unkörperlich sei. Der Gegensatz Intellekt-Seele/Pneuma unterstreicht für ihn die Wichtigkeit des Kerns unseres ‘Ich’, das aus der Rationalität besteht; nur der Intellekt gehört im eigentlichen Sinne zu uns (12,3). In dieser Vernunftbegabung liegt die wahre Freiheit. Nach Angabe Ciceros (Fat. 42f.) hat schon Chrysipp das Beispiel eines rollenden Zylinders benutzt, um zu unterscheiden zwischen Ursachen, die etwas von außen bestimmen, und solchen, die zum eigenen Wesen eines Gegenstandes gehören. Den Zylinder kann ein Stoß von außen zum Rollen bringen, aber dass er rollt, hängt mit seiner Struktur zusammen. Wenn Mark Aurel auf dieses Beispiel verweist, betont er, dass eine äußere Kraft einen Zylinder auch am Rollen hindern könne, aber dass nichts in der Lage sei, die menschliche Ratio nalität zu behindern (10,33). Die ständige Vergegenwärtigung des Todes führt bei Mark Aurel zu einer Besinnung auf den lebbaren Augenblick (z. B. 6,32; 9,21). 4. NACHWIRKUNG
Bei Mark Aurel muss man den Einfluss, den er als Inbegriff des bewunderten Philosophenkaisers auf die Kunst ausübte, von der Wirkung seiner Aufzeichnungen
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
trennen. Als ersterer wird er auch von einem Montesquieu oder J. S. Mill anerkannt. Die ‹Meditationen› werden in der Antike kaum erwähnt und zitiert; eine erste eindeutige Erwähnung findet sich bei Themistios 364 n. Chr. (Or. 6, 81c). Arethas, der Erzbischof in Kaisareia am Ende des 9. Jahrhunderts, besaß ein Manuskript (Farquharson 1944 [*220: xvi–xvii]), und die ‹Suda› hat Exzerpte bewahrt. In der Renaissance und später scheint Mark Aurels Einfluss mit dem des römischen Stoizismus im Allgemeinen verknüpft gewesen zu sein und kann sehr gut anhand der Geschichte der Ausgaben und Übersetzungen nachvollzogen werden (Farquharson 1944 [*220], Kraye 2000 [*238]). Das erfundene ‹Libro áureo de Marco Aurelio emperador› (‹Das goldene Buch des Kaisers Mark Aurel›) des Franziskaners Antonio de Guevara (Sevilla 1528) sowie ein zweites Werk zu diesem Thema und deren Übersetzungen waren im 16. Jahrhundert sehr beliebt und auch Montaignes Vater bekannt, aber sie boten ein verklärtes Bild Mark Aurels. Die Editio princeps erfolgte 1559. Die Aufzeichnungen des Stoikers lassen sich vielleicht am ehesten mit den ‹Pensées› (‹Gedanken›) von Pascal vergleichen.
§ 15. Hierokles Gretchen Reydams-Schils
Über den Stoiker Hierokles, der bei Aulus Gellius gerühmt wird (9,5,8) und von dem gleichnamigen Neuplatoniker des 5. Jahrhunderts unterschieden werden muss, kann man keine biographischen Angaben machen. Seine Bedeutung resultiert aus der Tatsache, dass man in seinen erhaltenen Texten die Verknüpfung zwischen der theoretischen Grundlage der Ethik und den praktischen Empfehlungen beobachten kann, die auf der Lehre von den «Pflichten» (καθήκοντa) in sozialen Be ziehungen basieren. Dies ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass man zu Unrecht behauptet, die römischen Stoiker seien nur Moralisten im engeren Sinne gewesen, die Populärphilosophie betrieben haben. Von Hierokles ist einerseits ein Text mit dem Titel ‹Ethische Elementarlehre› (Ἠθικὴ στοιχείωσις) erhalten, der in einer Privatabschrift (von Arnim 1906 [*249: XIV]) auf Papyrus überliefert ist und die theoretischen Grundlagen der stoischen Oikeiosis-Lehre («Zueignungs»-Lehre; gr.: οἰκείωσις) umfasst, und andererseits durch Stobaios eine Sammlung von Einzelaussagen über soziale Beziehungen und das Verhältnis zu den Göttern. Beide Auszüge könnten zum gleichen Werk gehört haben, das vielleicht auch eine Tugendlehre umfasst hat (evtl. Hinweis bei Stob. Ecl. 1,3,53, I,63,10 Wachsmuth; Exzerpte gesammelt bei von Arnim 1906 [*249: 48–63]; vgl. auch Ramelli, Konstan 2009 [*251]). Die Oikeiosis, oder der Selbstbezug, ist ein sehr wichtiger Begriff in der stoischen Lehre, der zum Grenzgebiet zwischen Physik und Ethik gehört und von
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§ 15. Hierokles (Bibl. 236)
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Diogenes Laertius als erstes Thema der Ethik genannt wird (7,85). Sie ist eine Fähigkeit, die sich Menschen und Tiere als beseelte Wesen teilen. Hierokles beginnt seine Auseinandersetzung mit der Embryologie (1,1–30), indem er erörtert, wie der Embryo, der im Mutterschoß noch der Spezies der Pflanzen oder der «Natur» (φύσις) angehört, bei der Geburt zum Seelenwesen wird. Menschen und Tiere unterscheiden sich von den niedrigeren Stufen der «Stufenleiter der Natur» (scala naturae), wie z. B. Pflanzen, durch die «Sinneswahrnehmung» (αἴσθησις) und den «Antrieb zum Handeln» (ὁρµή: 1,31ff.). Hierokles beschränkt sich auf die Wahrnehmung und setzt aus diesem Grund die Seele mit dem Vermögen der Wahrnehmung gleich. Er will erstens zeigen, dass Lebewesen eine Selbstwahrnehmung besitzen (1,34–6,24, als die «Erkenntnis des Ersten, was zu uns gehört» [1,35: γνῶσις τοῦ πρώτου οἰκείου]), und zweitens, dass diese Selbstwahrnehmung positive Reaktionen hervorruft und wir ein affektives Verhältnis zu uns selbst haben, das uns dazu bringt, uns erhalten zu wollen (6,27ff.). Nach Hierokles ist es erst das affektive Verhältnis, das die Selbstwahrnehmung zur Oikeiosis formt; die Wahrnehmung an sich genügt nicht. Die Abhandlung des Hierokles ist mit einem Brief Senecas über dasselbe Thema vergleichbar (Epist. 121). Was die Selbstwahrnehmung betrifft, bestätigt Hierokles, dass es sie gibt, dass sie ununterbrochen stattfindet und sogleich mit der Geburt anfängt. Das Vorhandensein der Selbstwahrnehmung und die Tatsache, dass sich die Wahrnehmung nicht nur auf externe Dinge bezieht, behandelt Hierokles ausführlich, mit vielen Beispielen vom Verhalten der Lebewesen (1,44–3,56), unter vier Prämissen: 1) Lebewesen sind sich der Teile ihres Körpers und des Gebrauchs dieser Teile bewusst (1,44–2,1); 2) sie wissen, welche Körperteile sie zu ihrer Verteidigung b enutzen können (2,1–18); 3) sie kennen die relative Schwäche und Stärke ihrer Körperteile (2,18–3,19; so weiß z. B. die Hirschkuh, dass der Schein trügt und die Natur ein besserer L ehrer ist: Sie verlässt sich mehr auf die Geschwindigkeit ihrer Läufe als auf die vermeintliche, aber trügerische Kraft ihres Geweihs); 4) sie kennen ihre Schwäche und Stärke im Verhältnis zu anderen Lebewesen, d. h. sie wissen, vor wem sie sich hüten sollten und wem sie überlegen sind (3,19–56). Das letzte Argument bezieht sich implizit auf eine Verknüpfung des inneren Wahrnehmens mit dem der äußeren Realität (vgl. auch 6,1–3), wie sie der Stoizismus aufgrund des Zusammenhangs der individuellen Natur mit der des Ganzen gestattet. Dass die Selbstwahrnehmung «ununterbrochen» (διανεκῶς: 4,43f.) stattfindet (3,54–5,43), erklärt Hierokles theoretisch durch die Tatsache, dass körperliche Seele (3,58f.) und Leib ein Ganzes bilden, eine «komplette Mischung» (δι’ ὅλων κέκραται: 4,41), und in ihrer Interaktion einen Einfluss aufeinander ausüben. Die τονικὴ κίνησις (4,32f.), die «Bewegung der Spannkraft», die nicht nur der Seele eigen ist, sondern allen Dingen, erlaubt der Seele, alle Prozesse im Körper und sein Verhältnis zur Außenwelt zu spüren. Eigentlich bietet Hierokles mit dieser Theorie die Erklärung für das Vorhandensein der Selbstwahrnehmung, d. h. seine erste These. Dies scheint die ganze Abhandlung hindurch seine Arbeitsweise zu sein: Spätere Argumente und Thesen erläutern die vorangegangenen. Diesen zweiten Komplex beendet er mit Beispielen zum Zustand während des Schlafs, die beweisen sollen, dass auch dann die Selbstwahrnehmung aktiv ist.
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Die dritte These bezüglich der Selbstwahrnehmung besagt, dass diese bereits unmittelbar nach der Geburt stattfindet (5,43–6,24), wie Lebewesen auch von Anfang an über die Sinneswahrnehmung verfügen (5,48–52). Auf der Ebene der ‘scala naturae’ hält die «Haltung» (ἕξις) grundsätzlich sich selbst zusammen, und die «Natur» (φύσις) unterstützt sich selbst durch Nahrung und Wachstum (6,11– 17). Analog zu diesen Fällen ist die Wahrnehmung, das Kennzeichen der Seele, auch in erster Linie Selbstwahrnehmung. Und hiermit ist auch geklärt, dass die Seele nicht nur den Körper, sondern auch sich selbst wahrnimmt. Nun kommt die Abhandlung erst zum eigentlichen Thema, der Oikeiosis, doch ist der Text hier sehr lückenhaft. Wie oben angedeutet, geht die Selbstwahrnehmung mit einer Affektivität einher, die zur Selbsterhaltung motiviert. Jetzt, im Nachhinein, wird auch deutlich, warum drei der vier Prämissen, die Hierokles zur Unterstützung der These nutzt, dass es die Selbstwahrnehmung überhaupt gibt, mit der Selbstverteidigung, also Selbsterhaltung zu tun haben. Diese Tatsache unterstreicht, wie eng Selbstwahrnehmung, -akzeptanz und -erhaltung in der stoischen Lehre miteinander verknüpft sind. Hier erwähnt Hierokles das b erühmte Beispiel, dass kleine Kinder, wenn man sie in einem dunklen Zimmer alleine lässt, wo sie nichts sehen und hören können, Angst bekommen, nicht befreit zu werden, und sich gegen die Lage wehren (7,5ff.). Die Selbstaffektivität soll auch erklären, warum wir ausharren können, auch wenn wir unter schlimmen körperlichen Krankheiten leiden. Wichtig für den Übergang zur Lehre vom Verhalten in der Gemeinschaft ist schließlich, dass es verschiedene Arten von Oikeiosis gibt: Das «Wohlwollen» (εὐνοητική) bezieht sich auf die Affektivität gegenüber sich selbst, die «liebevolle Zuwendung» (στερκτική) auf diejenige gegenüber Mitmenschen – mit der Liebe zu Kindern als Ausgangspunkt –, die «Wahl» (αἱρετική) und «Auswahl» (ἐκλεκτική) beziehen sich auf die Auswahl der äußeren Dinge (9,3–10; vgl. auch Anon. In Theaet. col. 7). Der letzte Abschnitt, den wir deuten können, handelt vom Menschen als Sozialwesen: «ein Lebewesen, das mit anderen Herden bildet und des anderen bedarf» (ζῷον […] συναγελατικὸν καὶ δεόµενον ἑτέρου: 11,14f.). Die Texte, die bei Stobaios erhalten sind, behandeln die Frage, wie man sich gegenüber den Göttern, dem Vaterland, in der Ehe, gegenüber den Eltern, Geschwistern und den Menschen im Allgemeinen und beim Führen eines Haushalts verhalten soll (fünf weitere kurze Fragmente sind durch die ‹Suda› erhalten, siehe von Arnim 1906 [*249: 64]). Diese Erörterungen sind sehr gut vergleichbar mit den erhaltenen Vorlesungen des Musonius Rufus (vgl. auch Sen. Epist. 94–95; Epikt. Diss. 3,22). Über die Götter sagt Hierokles, dass sich Menschen nicht über sie beschweren oder ihnen Böses zuschreiben sollten. Wenn Böses geschehe, dann sei dies als eine gerechte Strafe zu verstehen, die aus der Bosheit der Menschen selbst resultiere. Hier fällt auf, dass in dem erhaltenen Fragment nicht das Problem behandelt wird, dass manches Leiden die guten Menschen trifft. Auch rationalisiert Hierokles das Böse nicht dadurch, dass er es als Teil des in sich guten Weltganzen ansieht. Als eine zweite Ursache des Bösen werden die Materie sowie der Unterschied zwischen dem himmlischen und dem irdischen Bereich erwähnt. Dieses Argument lässt sich jedoch nicht leicht mit der stoischen Lehre in Einklang
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§ 16. Stoische Einflüsse in der römischen Literatur neronischer Zeit (Bibl. 237)
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bringen, die einen Dualismus von der Hand weist und die Materie als ganz und gar durchdringbar für das göttliche Prinzip sieht. Die Bedeutung der sozialen Verhältnisse wird durch die Behauptung unterstrichen, dass auch sie ‘göttlich’ sind: das Vaterland, die Gesetze, die Eltern, alle sind sie Götter zweiten Ranges. Der Mensch ist grundsätzlich ein Sozialwesen, das ohne Gemeinschaft nicht auskommen könnte. Hinsichtlich aller Beziehungen betont Hierokles, dass sie uns Hilfe und Unterstützung im Leben gewähren. Er erwidert demjenigen, der behauptet, die Ehe sei ein Übel, dass es keinen Sinn habe, Freunde und Bundesgenossen zu gewinnen und dabei zur gleichen Zeit die Bundesgenossenschaft, die von der Natur, den Gesetzen und den Göttern her vorgesehen ist, zu vernachlässigen. Das gleiche Argument gelte für das Verhältnis zu Geschwistern. Die meistzitierte Passage dieser Texte enthält das Bild der konzentrischen Kreise: Im Zentrum dieser Kreise ist das «Denken» (διάνοια) eines Individuums. Der erste Kreis wird vom Körper und den Bedürfnissen gebildet. Zum zweiten gehören die nahen Verwandten. Die Kreise dehnen sich aus über die weiteren Beziehungen, auch die politischen, bis zur Gemeinschaft aller Menschen. Hierokles empfiehlt, dass wir jeden weiter entfernten Kreis einen Schritt näher heranholen sollen. Der Endeffekt sei, dass die Unterschiede durch die Enge der Beziehungen verschwänden und wir alle Menschen gleich lieben würden, wenn auch nicht auf die gleiche Art. Hierokles bezieht sich hier auf Platons ‹Staat›, wo sich im «guten Staat» (καλλίπολις) alle Menschen derselben Generation als Geschwister betrachten und von den jüngeren als Eltern angesehen werden (Plat. Rep. 5,461d–e). Der Unterschied zwischen Platon und Hierokles ist jedoch, dass ersterer die Fami lienverhältnisse als ein Hindernis auf dem Wege zur idealen Gemeinschaft einschätzt, der Stoiker sie aber als unentbehrlich ansieht für die Gemeinschaft überhaupt: Man gelangt zur Gemeinschaft mit allen Menschen durch die Verhältnisse im engeren Kreise und nicht, indem man sich gegen sie stellt.
§ 16. Stoische Einflüsse in der römischen Literatur neronischer Zeit (Manilius, Persius, Lukan) Gretchen Reydams-Schils
Obwohl Persius engen Kontakt zu Cornutus hatte (siehe § 10.) und Lukan der Neffe Senecas war, ist es aus methodologischen Gründen – aus dem Blickwinkel der Hermeneutik – nicht leicht, Einflüsse der stoischen Lehre in der Literatur zu entdecken, weil diese von anderen Voraussetzungen bestimmt wird als philo sophische Abhandlungen. Sogar im Falle Senecas, wo wir vom gleichen Autor philosophische Werke und Tragödien besitzen, ist die Verknüpfung von Literatur und Philosophie nicht eindeutig.
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
Im Falle des Manilius (Volk 2009 [*269]) fällt eine Analyse etwas einfacher aus, weil seine ‹Astronomica› ein Lehrgedicht sind, das wie Kleomedes’ ‹Caelestia› (‹Himmelskörper›, siehe § 9.) auf der stoischen Physik basiert, formuliert als Pole mik gegen die Epikureer (vgl. z. B. 1,483–531). Das Gedicht behandelt die Astrologie im Rahmen eines stoischen Universums (das eine Verwandtschaft mit Platons ‹Timaios› aufweist; Reydams-Schils 1999 [*133]). Obwohl das Motiv des göttlichen Prinzips als Pneuma fehlt, das den vier Elementen vorangeht (1,147–170), fällt Manilius’ Gott mit dem Kosmos zusammen, als eine Rationalität, welche die ganze Natur durchdringt und bestimmt (1,247–254; 2,57–149; 3,47–55; 4,888ff.). Der Dichter hält an einer ausgeprägten Lehre des «Schicksals» (fatum) fest (4,1–118): Gott hat die ganze Realität durch eine Verknüpfung von Ursachen bestimmt; die himm lischen Körper sind nicht nur ein Zeichen solcher strikten Verknüpfung, sie üben auch einen direkten Einfluss auf das Leben auf der Erde und das der Menschen aus (2,82–104; 3,56–95). Die Zeichen des Himmels zu deuten, ist zwar eine schwierige Aufgabe, aber im Sinne der stoischen ‘scala naturae’ ist Menschen diese Fähigkeit gegeben, weil sie aufs Engste und in ihrer Rationalität mit dem Gott verwandt und als Mikrokosmos dem Universum ähnlich sind (2,101–129; 4,387–407. 866–935). A. Persius Flaccus (34–62 n. Chr.) hat seine Zuneigung zum Stoizismus in seine Dichtkunst und die sechs erhaltenen Satiren einfließen lassen. Die fünfte Satire ist eine Hommage an seinen Lehrer, den Stoiker Cornutus (5,2–24; Reckford 2009 [*270]), sowie eine Abhandlung über die wahre, innere Freiheit der Stoiker, d. h. die Freiheit von Leidenschaften und falschen Werturteilen. Persius verweist auf das sokratische Erbe, das hinter dieser Ethik steht: Er nennt Cornutus einen «Sokrates» («Socratico»: 5,37), und die vierte Satire zeigt Sokrates und Alkibiades in der Art von Platons ‹Alkibiades I›, um die Bedeutung der Selbstprüfung zu betonen, die unentbehrlich sei für die Tugend. Die Kritik an den verfallenen Sitten seiner Epoche und den falschen sozialen Einflüssen lehnt sich an Senecas und Epiktets Analysen an, wie auch der Gedanke, dass die Philosophie ebenso die volle Aufmerksamkeit verdient wie die Heilung einer Krankheit (3. Satire). Das richtige Verhältnis zu Gott besteht nicht aus Gebeten für die falschen Güter oder das Anhäufen von Reichtum im Tempel, sondern aus der tugendhaften inneren Disposition (2. Satire). M. Annaeus Lucanus (39–65 n. Chr.) ist der Sohn des M. Annaeus Mela und somit Senecas Neffe. Auch er nimmt sich das Leben 65 n. Chr. infolge der Pisonischen Verschwörung (Tac. Ann. 15,70). Der Einfluss des Stoizismus auf die einzige von ihm erhaltene Arbeit, das Epos ‹Pharsalia› über den Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar, ist sehr umstritten (Bibliographie bei Colish 21990 [*123: Bd. 1], Wildberger 2005 [*266]) und ambivalent. Nach einer Scholiastenlegende soll Seneca den Beginn des Werks verfasst haben (Trillitzsch 1971 [*111: 55–56]). Zwar bezieht sich Lukan auf die stoische Physik (z. B. 2,7–11; 5,93–96; 9,1–14), aber das Epos ist als stoisch, anti-stoisch oder sogar beides interpretiert worden (Wildberger 2005 [*266]). Angesichts der Erschütterung durch die grausamen Übel des Bürgerkriegs scheint es in eine unvermeidliche Ambivalenz getaucht zu sein. Cato der Jüngere trägt im zweiten und neunten Buch Züge des stoischen Weisen: Er schränkt seine materiellen Bedürfnisse auf das Allernötigste ein, führt sexuelle Beziehungen nur zur Erzeugung von Kindern und richtet sein Leben auf
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§ 16. Stoische Einflüsse in der römischen Literatur neronischer Zeit (Bibl. 237)
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die Tugend und die Gemeinschaft aus (2,380–391); wenn er sich Pompeius anschließen will, dann nur, um dessen Machtausübung in die richtigen Bahnen zu lenken, falls dieser siegen sollte (2,319–323). Während des grausamen Marsches durch Libyen in Nordafrika ist er seinen Männern ein Vorbild an Mut und Ausdauer (9,368ff.). Als sie an einem Schrein des Ammon-Jupiter vorbeikommen, weigert sich Cato, das Orakel um Rat zu bitten: Als Menschen tragen wir den Gott in uns, und dieser ist auch in der ganzen Realität anwesend, nicht nur in einem Tempel. Am Fatum kann keiner etwas ändern, und man benötigt kein Orakel, um zu wissen, dass man dem Tod nicht entkommen kann, was die Tugend ist und dass sie einen unverletzlich macht gegenüber dem Schicksal (9,544–586). Und doch findet in dieser Schilderung bereits eine Verschiebung statt: Ein Vergleich mit einer ähnlichen Passage bei Epiktet zeigt – im Sinne des Stoizismus –, dass besondere Zeichen der Götter nicht überflüssig sind, wenn man für die richtigen Fragen eine Antwort sucht (Diss. 2,7). Im zweiten Buch reagiert Cato auf seine Lage mit einer Heftigkeit, die mit dem Stoizismus nicht zu vereinbaren ist: Er ist durch den Bürgerkrieg in großer Sorge (2,239f.), nennt ihn das schlimmste Übel (2,286) und rechnet es den Göttern zum Vorwurf an, jetzt auch ihn zu einem Schuldigen gemacht zu haben (2,288), indem er sich für Pompeius entschied. Die Götter und das Fatum sind ein zweiter Hauptbereich, in dem Lukans Ambivalenz deutlich wird. Unmittelbar vor der entscheidenden Schlacht bei Pharsalia äußert Lukan sogar, dieses Ereignis beweise, dass die Götter sich nicht um Menschen und Welt kümmerten, dass die Realität vom Zufall beherrscht werde (7,445–459). Aber sonst hält Lukan an der Lehre eines gottbestimmten Fatums fest. Dass dieses grausame Ereignisse wie Bürgerkriege zulässt, gar die Guten zu strafen scheint und die Schlechten belohnt (3,448f.), diese Tatsachen an sich lassen sich noch mit der stoischen Lehre vereinbaren. Nach den Stoikern ist die Welt, in der wir leben, kein gemütlicher Ort: Ewiger Wechsel (vgl. z. B. Musonius fr. 42; Mark Aurel 4,21; 8,17; 9,21), Naturkatastrophen und Krankheiten, sogar die Zerstörung des Universums, sowie Verfehlungen der Menschen, Korruption und Krieg gehören zur Ordnung des Kosmos. Auch ein Dichter wie Manilius, der stärker als Lukan an der stoischen Physik und Götterlehre festhält, beschreibt Streit und Bürgerkrieg als Teile des göttlichen Plans (Manil. 4,1–120). Aber bei Lukan, anders als bei Seneca und Manilius, tritt die göttliche Rationalität und die Vor sehung, die alles zum Besten ordnet, in den Hintergrund, und er überlässt seine Leser einem rauhen Fatum. Und so kommt es sogar dazu, dass thessalische Hexen die Gesetze der Natur für ihre üblen Zwecke außer Kaft setzen können und sich als stärker als manche Götter erweisen (6,434ff.).
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
§ 17. Nachwirkung der stoischen Ethik in Platonismus und Christentum Gretchen Reydams-Schils
Die Nachwirkung Senecas ist bereits im zugehörigen Abschnitt behandelt worden (siehe § 11.). Hier sei daher nur erwähnt, dass er von allen römischen Stoikern den größten Einfluss auf die lateinisch-christliche Tradition ausgeübt hat, eben weil er selbst auf Latein geschrieben hat. So ist auch zu erklären, dass sich Senecas Ansichten über die Ehe, wiedergegeben durch Hieronymus (Adv. Iovin.), eher durchgesetzt haben als die des Musonius Rufus. Der deutlichste Einfluss auf das Christentum seitens Musonius Rufus ist bei Clemens von Alexandrien zu spüren. Es gibt Passagen bei Clemens, die eindeutig Zitate von und Verweise auf Musonius sind. Die meisten dieser Zitate befinden sich im zweiten Buch des ‹Paedagogus› (‹Der Erzieher›; Spanneut 1957 [*287: 107– 112], Geytenbeek 1963 [*172]). Sie beschäftigen sich mit der «Selbstbeherrschung» (ἐγκράτεια) in der Sexualität (vgl. z. B. auch Strom. 3,7,58; 3,11,71–72) und in materiellen Angelegenheiten, wie z. B. Essen, Hausrat und Kleidung. Doch das sind Passagen, in denen Musonius Rufus sich wenig originell zeigt und eine allgemeinere philosophische Grundeinstellung vertritt, die nicht nur den Stoikern eigen ist. Ferner gibt es Übereinstimmungen zwischen Musonius Rufus und C lemens’ Aussagen, z. B. über die Erziehung der Frauen und die Ehe, aber in diesem Kontext sind besonders die Unterschiede beträchtlich, da Clemens zu einer traditionelleren Einstellung zurückkehrt, in der die Frau dem Mann untergeordnet ist (Paed. 1,4; Strom. 2,23,137–147; 4,8,59–65). In solchen Passagen könnte Clemens ohne eine starke Abhängigkeit von Musonius auf die gleichen Topoi zurückgreifen, die auch dieser benutzt hat. Noch schwieriger zuzuordnen sind Themen, die zwar Anklänge stoischer Lehre enthalten, aber nicht eindeutig zugewiesen werden können (siehe z. B. Stelzenberger 1933 [*286]). Epiktets ‹Encheiridion› gewährt uns einen besonderen Blick auf die Nachwirkung der stoischen Ethik. Im 6. Jahrhundert schreibt der Neuplatoniker Simplikios einen ausführlichen Kommentar über diesen Text. Wie kam ein Neuplatoniker dazu, einen stoischen Text zu kommentieren? Seit Plotin entwickelten die Neuplatoniker eine Hierarchie der Tugenden, von denen die ‘politische’ Tugend die unterste Stufe bildet. Spätestens seit Iamblichos steht die ‘ethische’ Tugend der ‘politischen’ voran, und es wird auch ein Curriculum für die philosophische Lehre entwickelt, das mit dieser Hierarchie der Tugenden Schritt hält. So finden wir bei Simplikios einen Hinweis darauf, dass zusammen mit einer Grundeinführung in die Logik ein Text wie Epiktets ‹Encheiridion› oder die ‹Goldenen Verse› (die Pythagoras zugeschrieben werden) von Platonikern benutzt wurden, um die erste Umwendung der Seele zu Rationalität und ethischer Tugend sowie die Ablehnung der Bedeutung des Körpers und externer Güter zu bewirken (I. Hadot 1996 [*276: 51–60]). Erst später folgen das Studium der Werke des Aristoteles, eine erste Stufe der Werke Platons und die
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§ 17. Nachwirkung der stoischen Ethik in Platonismus und Christentum (Bibl. 237)
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zweite, höchste Stufe, die Lektüre von ‹Timaios› und ‹Parmenides›. In Simplikios’ Kommentar wird Epiktets Empfehlung, unsere Vorstellungen korrekt zu nutzen, mit dem ‹Alkibiades I› verknüpft und mit dem Gedanken, dass die Seele den Körper ausschließlich als ein Instrument benutzt. Simplikios deutet das stoische Material um, nicht nur durch die Lehre der Metriopathie anstatt der Apathie, sondern auch durch seine Deutung der «Pflichtenlehre» (καθήκοντα), die mit den sozialen Beziehungen zusammenhängt. Er gründet seine Stellungnahme auf einen starken, unstoischen Unterschied zwischen irrationalen, natürlichen Beziehungen und ra tionalen, aus guten Gründen gewählten Verhältnissen wie in der philosophisch motivierten Freundschaft (Reydams-Schils 2007 [*294]). Vom gleichen Werk Epiktets sind drei christliche Umdeutungen erhalten (Boter 1999 [*277]). Zu einer von diesen, der sogenannten ‹Paraphrasis Christiana› (‹Christliche Umschreibung›), ist in Auszügen ein Kommentar überliefert, der auch auf den des Simplikios rekurriert (Spanneut 2007 [*278]). Stoizismus, Neuplatonismus und Christentum sind hier aufs Engste miteinander verbunden. Scheinbar konnten diese drei Traditionen einen gemeinsamen Anhaltspunkt in der bereits oben erwähnten ‘Umkehr’ der Seele finden. Die christlichen Um deutungen bringen Epiktets Arbeit in die Nähe der monastischen Tradition; sie ersetzen seine Autorität mit einer christlichen wie der des Apostels Paulus und wenden Beispiele aus der Heiligen Schrift an. Dennoch bleiben die Grundgedanken des Stoizismus bewahrt. Augustinus hingegen, der mit einem breiten Spektrum der stoischen Lehre vertraut war, so nahezu der gesamten Logik und Physik (Colish 21990 [*123: II 142– 238]), entwickelte eine kritische Haltung gegenüber der stoischen Ethik (Colish 21990 [*123: II 212–234]) – eine Kritik, die sich im Folgenden fest im Christentum etabliert hat. So wie den Epikureern immer wieder ein Hedonismus vorgeworfen wird, so werden Stoiker als unrealistisch und sogar übermütig in ihrer Annahme dargestellt, ein Mensch könne sich auf seine Rationalität verlassen, um eigenständig zur Tugend zu gelangen. Anstelle der Rationalität versteht Augustinus Gott als höchstes Gut. Obwohl auch er anerkennt, dass die Leidenschaften und Fehler der Menschen durch falsche Urteile verursacht werden, gibt es für ihn eine höhere Tugend als die in korrekter Weise ausgerichtete Rationalität: die Liebe zu Gott im Rahmen einer «Ordnung der Liebe» (ordo amoris: Mor. 1,15,25; Civ. 19,13; Colish 21990 [*123: II 217–220]). Während die Stoiker einräumen, dass es vielleicht keine oder nur einzelne Weise gibt und dass die Weisheit auf einer engen Verknüpfung mit dem Göttlichen beruht, betont Augustinus die eschatologische Dimension des menschlichen Daseins und die Abhängigkeit von Gottes Gaben anstelle von Autarkie – um so mehr, als er eine Lehre von Gottes Gnade und Prädestination ausarbeitete. Auch das Ideal der Apathie mit der Lehre von den ‘guten’ Emotionen wird verworfen und im christlichen Sinne umgedeutet: Nicht Selbstbeherrschung sei erstrebenswert, sondern die Öffnung gegenüber Gott in Freud und Leid. Gottes Zorn hat seinen Zweck, ebenso wie seine Barmherzigkeit und das Leiden Christi (Civ. 9,5; 14,7,2ff.; Io. ev. tr. 60,3).
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III. KYNIKER § 18. Überblick Aldo Brancacci Die Geschichte des kaiserzeitlichen Kynismus verläuft auf drei Ebenen, die von Beginn an klar auseinanderzuhalten sind. Man unterscheidet: 1) eigentliche Kyniker (κυνικοί), welche sich selbst so bezeichnen oder von ihren Zeitgenossen so genannt werden. 2) Philosophen, die aus unterschiedlichen Gründen Reflexionen über die kynische Philosophie (κυνικὴ φιλοσοφία) anstellen, deren Geschichte und Genealogie zu rekonstruieren und eine für die eigene Zeit gültige Neuinterpretation vorzuschlagen suchen, wobei sie den Kynismus zuweilen auch für ihre eigene philosophische Überzeugung fruchtbar machen. Diese Gruppe kann sehr enge Berührungen mit der ersten aufweisen (z. B. Dion Chrysostomos) oder auch Philosophen, Moralisten und Gebildete einschließen, die von verschiedenen philosophischen Erfahrungen herkommen und den Kynismus als eine mehr oder weniger wichtige Komponente ihres eigenen Lebens- und Philosophie-Entwurfs betrachten. Letzteres ist der Fall bei Epiktet, bei Maximos von Tyros, beim Autor des Lukian zugeschriebenen ‹Kynikos›, bei Themistios und Julian. 3) Anonyme Kyniker bzw. vom Kynismus beeinflusste anonyme Schriftsteller, welche sich in erster Linie als Verfasser von ps.-epigraphischen Briefen hinter der Maske von Kynikern verstecken (cf. Brancacci 2004 [*322: 221f.]). Der Kynismus zeichnet sich seit seiner Entstehung durch ein eigentümliches theoretisches Gepräge aus: Stolz auf die Ethik beschränkt, umfasst er eine Moraltheorie, eine Diätetik, eine b estimmte Art der Lebensführung (κυνικὸς βίος), außerdem auch eine literarische Aktivität, die durch einen spezifischen Stil und den Gebrauch bestimmter literarischer Genera gekennzeichnet ist (insbesondere Diatribe und Chreia [χρεία]). Diese Art des Kynismus wird als die «von Diogenes ausgehende» bezeichnet (ἀπὸ Διογένους). Ein weiteres Feld bildet dagegen der «von Antisthenes herkommende» Kynismus (ἀπ’ Ἀντισθένους): Er umfasst auch politische Lehren und eine bestimmte Auslegung der Dichter sowie eine Moraltheorie, in der die berühmte kynische Schamlosigkeit (ἀναίδεια) deutlich weniger Gewicht hat. Es war diese Art von Kynismus, welche von der Geschichtsschreibung mit dem Ziel rekonstruiert wurde, dem Kynismus eine würdigere Genealogie und theoretische Fundierung zu verleihen. Auf den Kynismus antisthenischer Prägung bezogen sich in der Kaiserzeit auch die Denker, welche beim Kynismus Anleihen machten. Nach einer Periode relativen Stillstands im mittleren und späten Hellenismus erlebte der Kynismus in der Kaiserzeit einen entscheidenden Aufschwung, wobei er sich auch theoretischen Anregungen aus anderen philosophischen Traditionen gegenüber offen zeigte. Drei Faktoren sind wesentlich für die Renaissance des Kynismus im 1. Jahrhundert n. Chr. verantwortlich: 1) die entschiedene Rückwendung zu Sokrates, der – neben Menippos, Krates, Diogenes und auch Antisthenes – zum wich-
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tigsten Modell für die kynische Lebensführung wird. Eine solche Orientierung an Sokrates teilt der Kynismus mit den Hauptströmungen der kaiserzeitlichen Philosophie (z. B. der Stoa, welche mit dem Kynismus immer enge Verbindungen unterhielt, aber offenkundig auch mit der platonischen Tradition: vgl. Grundriss, Antike II, I 139–364). 2) Hinzu kommt die Geistesverwandtschaft des Kynismus mit zumindest einigen Merkmalen, welche für die römische Gesellschaft und Mentalität kennzeichnend sind (Griffin 1989 [*315] und 1993 [*319]); Rom ist eines der Zentren, in denen die Kyniker besonders aktiv waren und wo sie nicht nur Philosophie und Literatur beeinflussten, sondern sich auch politisch engagierten. 3) Die große Ausbreitung der kynischen Predigtform durch Wanderphilosophen, welche sich in der Regel jeder schriftlichen Tätigkeit enthielten und ihre Lehrtätigkeit ausschließlich oder vorwiegend mündlich ausübten (Brancacci 1994 [*320]). Eine wichtige Rolle spielte außerdem die erneute Lektüre der Werke des Antisthenes und der alten kynischen Literatur, wie sie bei vielen kaiserzeitlichen Autoren, nicht nur bei Kynikern, belegt ist. Die Kyniker waren in der Kaiserzeit außer in Rom vor allem in Griechenland und in den östlichen Provinzen tätig, wobei sich die wichtigsten Wirkungsstätten in Kleinasien, in Syrien, in Gadara und im ägyptischen Alexandrien befanden. Die Art des Auftretens des Kynismus, eine regelrechte «Philosophie in Aktion», ist an ebendiese Allgegenwart ihrer Vertreter gebunden sowie an ihre Fähigkeit, in ganz verschiedenen sozialen M ilieus, in oberen und niedrigeren Schichten, zu wirken und diese zu durchdringen. In der Antike wurde der Kynismus – mit Ausnahme des hellenistischen Philosophiehistorikers Hippobotos (vgl. D. L. 1,19) – als vollwertige Denkschule (αἵρεσις) betrachtet und als solche in die Liste der zehn großen ethischen Schulen aufgenommen, welche möglicherweise auf Panaitios zurückgeht (Brancacci 1992 [*317: 4051–4058]). Mit der dem griechischen Wort αἵρεσις entsprechenden lateinischen Bezeichnung ‘secta’ wird der ‘esoterische’, d. h. der die Lehre betreffende Aspekt einer Denkrichtung betont. Tacitus z. B. beschränkt diesen Begriff auf die Stoa und den Kynismus, um die Strenge ihrer ‘Vorschriften’ (praecepta) hervorzuheben, verwendet ihn aber nicht für den Epikureismus (André 1987 [*314]; die Unterscheidung zwischen ‘esoterisch’ und ‘exoterisch’ findet sich in Cic. De fin. 5,12 und ist für beinahe alle Schulen bezeugt). Allerdings war der Kynismus nie – und das gilt insbesondere für die Kaiserzeit – eine philosophische Schule mit einer bestimmten institutionellen Struktur, mit einem Sitz, Schuleigentum, Schulleitern und einer Nachfolgeregelung für die Schulleitung, in welcher die Schriften der Vorgänger überliefert und gedeutet worden wären (Brancacci 1992 [*317]). Dies tat seiner Vitalität jedoch keinen Abbruch. Mit seinem unverwechselbaren, primär ethischen Gepräge verfügte er über die Kraft, sich im Laufe der Zeit zu erneuern und zu verändern, indem er Einflüsse verschiedener Herkunft in sich aufnahm. Auf diese Weise überlebte die Schule des Antisthenes, des zweiten großen Schülers des S okrates neben Platon, lange in ganz unterschiedlichen philosophischen und kulturellen Kontexten. Aus dem Italienischen übersetzt von Damian Caluori, Regina Füchslin und Christoph Riedweg.
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§ 19. Demetrios, Dion Chrysostomos, Demonax und Peregrinos Aldo Brancacci
1. Demetrios. – 2. Dion Chrysostomos. – 3. Demonax. – 4. Peregrinos.
1. Demetrios Demetrios, der in den Quellen ausdrücklich als «Kyniker» bezeichnet wird, ist Vertreter eines strengen, vornehmen, auf die Ethik gegründeten Kynismus, der auch von politischen Interessen nicht frei ist. Wohl zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. geboren, ließ er sich wahrscheinlich während der Regentschaft des Tiberius in Rom nieder. Bezeugt sind seine Begegnungen mit den Kaisern Caligula (Sen. De ben. 7,11,1–2), Nero (Epikt. 1,25,22) und Vespasian (Suet. Vesp. 13), der ihn um 71 n. Chr. (Dio Cass. 66,13,2) aus Rom und Italien mittels einer ‘relegatio in insulam’ verbannte. Er war ein Freund des Stoikers Thrasea Paetus (Tac. Ann. 16,34– 35), dessen Kreis er frequentierte, und spielte eine zwiespältige Rolle beim Prozess gegen den stoischen Philosophen P. Egnatius Celer (Tac. Hist. 4,40,3; vgl. Kindstrand 1980 [*370]). Gegen Ende seines Lebens unterrichtete er eine gewisse Zeit in Korinth (Philostr. Vit. Apoll. 4,25). Die Nachrichten über seine Philosophie stammen hauptsächlich aus den Werken ‹De providentia› und ‹De beneficiis› von Seneca, der sein Freund war und ihn sehr bewunderte (Sen. Epist. 62,3). Demetrios scheint keine schriftlichen Werke verfasst zu haben. Das Fragment einer Diatribe, die einen Dialog zwischen Tapferkeit und Feigheit enthält, ist allerdings bei Stobaios (Ecl. 3,8,20) unter dem Lemma ‘Demetrios’ erhalten. Obwohl die Echtheit des Fragments umstritten ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Diatribe aus der literarischen Hinterlassenschaft des Demetrios stammt, welche von einem seiner Schüler gesammelt worden sein könnte (Billerbeck 1979 [*334: 57–60]). Eine Konzeption aus der sokratisch-antisthenischen Tradition aufnehmend, teilt Demetrios das Wissen in ein solches, das den Geist schärft, ohne ihn moralisch zu stärken und ihm die für ein besseres Leben nötigen Maximen zu vermitteln, und in ein solches, das auf das ethisch Nützliche und Notwendige zielt. Ersterem kann man sich erst dann zuwenden, wenn man den Geist gefestigt hat, indem man gelernt hat, alles Zufällige zu missachten, die Furcht vor den Göttern abzulegen, in sich selbst den wahren Reichtum zu suchen, sich jeder falschen Scheu zu entledigen, den Tod nicht zu fürchten und sein eigenes Leben der Suche nach der Tugend zu widmen. Demetrios hält außerdem daran fest, dass der Mensch zu einem gemeinschaftlichen Leben bestimmt sei und die Welt als gemeinsames Haus aller Menschen betrachten soll; er habe sein Bewusstsein den Göttern gegenüber zu öff-
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nen und sich in allen Umständen so zu verhalten, als ob er dem Urteil aller ausgesetzt sei, insbesondere aber seinem eigenen (Sen. Benef. 7,1,7). In diesem Kontext offenbart sich in Demetrios’ Kynismus eine authentische Religiosität, wie auch eine andere Stelle bei Seneca bezeugt (Sen. Prov. 5,5–6): In einer von moralischem Pathos gekennzeichneten Anrufung der Götter bekräftigt Demetrios die eigene Unterwerfung unter deren Willen, und zwar auf eine typisch kynische Weise, welche sich zugleich von der stoischen eines Kleanthes, die vom Begriff des Schicksals (εἱμαρμένη) bestimmt ist, wie auch von der spezifisch mittelplatonischen, welche vom Begriff der Angleichung an Gott (ὁμοίωσις θεῷ) geleitet wird, unterscheidet (man beachte im Übrigen, dass Demetrios immer von Göttern im Plural spricht). In diesem Zusammenhang erhält der alte kynische und antisthenische Begriff des Sich-Abmühens (πόνος) seine ganze Bedeutung. Aus ihm ergibt sich der moralische Wert der Fähigkeit, sich den Widrigkeiten des L ebens zu stellen: Ein Mensch, der sich nie an den Widrigkeiten gemessen und keine Schicksalsschläge erlitten hat, ist «ein totes Meer» (Sen. Epist. 67,14) und muss sich – weit davon entfernt, ein glückliches Leben erlangt zu haben – als elend betrachten (Sen. Prov. 3,3). 2. Dion Chrysostomos Dio Cocceianus, genannt Dion Chrysostomos, wohl um 40 n. Chr. im bithynischen Prusa geboren, lebte zwischen der Regierungszeit der Flavier und derjenigen Trajans. Er ließ sich wahrscheinlich vor dem Tod Neros in Rom nieder und erhielt durch die Protektion der Flavier, vielleicht auf Betreiben Nervas, die römische Staatsbürgerschaft (wie die Form ‘Dio Cocceianus’ zeigt, mit der er von Plinius benannt wird: Ep. 10,81,1. 82,2). Unter Kaiser Domitian verlor er wohl zwischen 85 und 88 die kaiserliche Gunst und wurde aus Prusa, wahrscheinlich auch aus Bithynien (nicht aber aus Rom und Italien) verbannt. Das Exil dauerte bis 96 n. Chr. (vgl. Desideri 1978 [*366]). Er hatte eine erstrangige literarische E rziehung genossen, und Fronto zufolge war er Schüler des Stoikers Musonius Rufus. Von ihm sind 80 Reden erhalten, die zeigen, wie bei Dion Philosophie, Literatur und Politik eine originelle und einmalige Synthese eingehen, welche eine neue Art von Literatur und ein neues kulturelles Ideal begründete, das sich sowohl in der Kaiserzeit als auch später in Byzanz größter Beliebtheit erfreuen sollte (Brancacci 1985 [*373]). Synesios hat auf der Grundlage von Or. 13 eine intellektuelle Biographie des Dion entworfen, in der er klar zwischen den Werken vor und nach dem Exil unterscheidet (vgl. Moles 1978 [*368]). Schon Philostrat war der Auffassung, Dion habe sich während des Exils die Volkspredigt, nach der Art der Kyniker, angeeignet. Die moderne Kritik hat diese Ansicht stark relativiert, auch wenn man immer noch annimmt, dass das Exil eine Verstärkung von Dions Kynismus zur Folge hatte (vgl. Harris 1991 [*377]). In seinen Werken stellt sich Dion nicht als Kyniker vor, doch gehört er insofern zum Kynismus, als seine Bildung viele kynische Züge umfasst (angereichert durch stoische und – seltener – platonische Einflüsse, was im kaiserzeitlichen Kynismus nicht außergewöhnlich war), und auch weil er dem Kynismus in vielen seiner Schriften eine literarische Neudefinition und Vertiefung verleiht.
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Eine besonders wichtige Quelle für Dion ist Antisthenes. Ihm verdankt Dion die Strukturelemente seiner Theorie der Königsherrschaft, die Prinzipien seiner Homer-Kritik und die grundsätzlichen Züge einer Ethik, welche mit den Prinzipien des «von Antisthenes ausgehenden» Kynismus übereinzustimmen scheint (Brancacci 2000 [*389: 246] und 1992 [*378]). Er kennt aber auch die Schriften des Diogenes (Brancacci 1977 [*364]), die er indes nur sparsam benutzt, vermutlich wegen der für sie eigentümlichen «Schamlosigkeit» (ἀναίδεια). Deren Gewicht sucht Dion im Gesamtbild seines (zuweilen mit eigenen Auffassungen und Lebenserfahrungen verbundenen) Kynismus zu reduzieren (Brancacci 1980 [*369]). Auf Antisthenes, insbesondere auf seinen ‹Protreptikos›, und das darin entworfene Porträt von Sokrates greift Dion in Or. 13 (‹Über das Exil›) zurück, um die Charakteristika seiner eigenen Lehre zu skizzieren. Diese handelt von der Natur des Guten und Schlechten, von den Pflichten des Menschen und davon, was ihm wirklich nützt; von der Notwendigkeit, sich von den Übeln zu befreien, von der Unwissenheit und der Liebe zum Reichtum, von Ansehen und Vergnügen, wobei das Ziel stets in der Befreiung der Seele besteht (Or. 13,11–13). Sehr stark ist der Einfluss des Antisthenes in den vier Reden ‹Über die Königsherrschaft› (Περὶ βασιλείας), vor allem in Or. 3 und Or. 4. In Or. 3 entwickelt Dion ausgehend vom ‹Archelaos› des Antisthenes seine eigene Theorie der Königs herrschaft. Einige Auszüge aus der Schrift des Antisthenes (Or. 3,1–3. 25–29. 30–41) erlauben es Dion, Sokrates als Gewährsmann für seine Theorie literarisch in Szene zu setzen (vgl. Brancacci 1992 [*378] und 2000 [*389]). Diese basiert auf dem klaren Gegensatz zwischen König und Tyrann, auf der Charakterisierung des Königs als eines mit genau bestimmten Tugenden ausgestatteten Herrschers, sei es, dass diese den privaten Bereich, sei es, dass sie die Gemeinschaft betreffen, und auf der Definition der Königsherrschaft in ethisch-politischem Sinn. Auch im zweiten Teil der Rede (Or. 3,42) bemüht sich Dion darum, die dort diskutierten Lehrinhalte auf die Sokratiker (οἱ μετ’ αὐτὸν [sc. Σωκράτην]) zurückzuführen: einerseits die Definition der grundlegenden politischen Begriffe, einschließlich der Auflistung der drei klassischen Herrschaftsformen und ihrer jeweiligen Form der Entartung (Or. 3,43–49); andererseits die Darstellung des idealen Königs, bei der die Auswahl und die Definition der königlichen Tugenden einen großen Raum einnehmen (Or. 3,50–138). Die Vorstellungen des Antisthenes und der Kyniker werden im Übrigen in die weitere stoische Perspektive einer universellen Monarchie aufgenommen, deren Lenker Zeus ist. Die beste Staatsform ist für Dion die Monarchie, und der ideale König ist der beste Mensch, da er am tugendhaftesten ist: Es ist die Tugend, die der Herrschaft Macht verleiht, ja sie eigentlich erst begründet. Andernfalls würde die bloße Macht, ohne Verstand und Tugend ausgeübt, ihre wesenhafte Kraftlosigkeit enthüllen und sich auf politischer Ebene in eine Tyrannis auflösen. In Or. 4 ist nicht mehr Sokrates der Protagonist, sondern Diogenes, dem aber weiterhin für Antisthenes charakteristische Ansichten in den Mund gelegt werden (übrigens hält er den Kyniker für einen direkten Schüler des Sokrates: vgl. Or. 8,1), wie z. B. die Theorie der zweifachen Bildung (διττὴ παιδεία). Nach dieser Lehre gibt es eine göttliche Bildung (δαιμόνιος oder θεία παιδεία), die für den Menschen von höchstem Wert ist – nämlich die Philosophie und genauer die Ethik – sowie eine menschliche Bildung (ἀνθρωπίνη
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παιδεία), welche die Lehren der freien Künste (ἐγκύκλιος παιδεία) umfasst, welche mit vielen Gefährdungen und Täuschungen verbunden und der ersten untergeordnet ist (Brancacci 1990 [*376]). Die Beschäftigung mit der menschlichen Bildung kann auf richtige Weise erst erfolgen, wenn die grundlegenden ethischen Prinzipien begriffen sind, die als einzige dem Menschen wirklich eine Hilfe sein können. In den vier Diogenes-Reden (Or. 6 ‹Diogenes oder über die Tyrannenherrschaft›; Or. 8 ‹Diogenes oder über die Tugend; Or. 9 ‹Diogenes oder der Isthmische Dialog›; Or. 10 ‹Diogenes oder über die Sklaven›) wird eine umfassende Vision des Kynismus erarbeitet, für die sich Dion Materialien verschiedener Natur bedient: einiger Schriften von Antisthenes, seltener solcher von Diogenes, sowie mehrerer Diatriben unterschiedlicher Herkunft. Er fügt aber auch eigene Beobachtungen hinzu, indem er Erinnerungen und Einschätzungen, besonders aus der Zeit des Exils, auf Diogenes projiziert. In Or. 6 wendet sich Dion dem Thema der Tyrannenherrschaft zu und stellt den Tyrannen als unglücklichen und ungebildeten Menschen dar, unsicher, von tausend Ängsten gepeinigt. Dessen Leben kontrastiert er mit dem glücklichen des Diogenes, das in Übereinstimmung mit der Natur steht, eudaimonistisch und nicht ohne gemäßigt hedonistische Züge ist. In Or. 8 stehen ein Lobpreis der Anstrengung (πόνος) im Hinblick auf das Erlangen der Tugend, eine heftige Verdammung des Vergnügens (in diesem Zusammenhang nimmt Dion Themen aus Antisthenes’ ‹Über die Kirke› auf) und die Verherr lichung der Arbeiten des Herakles im Zentrum, des großen Helden für die kynische Schule. Or. 9 vervollständigt die vorangehende, indem sie die Arten der kynischen Volkspredigt zeigt: Auf Diogenes’ Anwesenheit bei den Isthmischen Spielen und bei den öffentlichen Versammlungen in Korinth Bezug nehmend, unternimmt Dion eine Verurteilung des Athletentums, dem er Hauptpunkte der kynischen Lehre entgegenhält. In Or. 10 schließlich wird die kynische Position verteidigt, Besitz sei unwichtig, wenn man davon keinen rechten Gebrauch machen könne, und folglich sei es für den Menschen besser, gar nichts zu besitzen. Im zweiten Teil wird eine interessante Behandlung des richtigen Gebrauchs der Orakel geboten. Diese werden abschließend als unnütz bezeichnet, sofern der Mensch die Vernunft besitze, welche allein angemessene Lebensregeln und für alle Umstände geeignete Vorschriften zu geben vermöge. In diesem Zusammenhang sind auch Or. 14 und Or. 15 ‹Über Sklaverei und Freiheit› nicht zu vergessen, welche die sokratisch-antisthenische These wiederaufnehmen, wonach die Freiheit als Wissen davon bezeichnet wird, welche Dinge erlaubt sind und welche verboten (und die Sklaverei als Unkenntnis derselben). Deshalb ist der souverän freie Mensch der gute König. Außerdem zu erwähnen ist Or. 30 ‹Charidemos›, in deren erstem Logos (30,11–24) eine sehr wahrscheinlich von Antisthenes stammende Beschreibung des menschlichen Lebens und der Welt gegeben wird. 3. Demonax Demonax wurde wahrscheinlich um 70 n. Chr. auf Zypern geboren und verbrachte sein Leben, welches vielleicht bis 170 n. Chr. dauerte, überwiegend in
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Athen. Von vornehmer Herkunft, hatte er als Lehrer den Kyniker Demetrios, Epiktet und Agathoboulos sowie den Rhetor und philosophischen Eklektiker Timokrates von Herakleia. Er wurde seinerseits Lehrer von Lukian, der ein ‹Leben des Demonax› verfasste, das als eine Art indirekter Autobiographie Lukians gesehen wird. Diese bildet unsere Hauptquelle für Informationen über Demonax. Demonax scheint nichts geschrieben zu haben. Die Erfüllung seiner Philosophie bestand für ihn in einem Leben in Übereinstimmung mit seiner Lehre. Darin und auch in anderen Aspekten seines Denkens ist er Vertreter eines Kynismus, der dessen sokratische Prägung unterstreicht und wieder ans Licht bringt. Interessant ist in diesem Zusammenhang seine gleichsam programma tische Erklärung, dass er Sokrates verehre, Diogenes bewundere und Aristipp liebe, wobei er alle Philosophen für lobenswert halte (Luk. Demon. 62). Er weist außerdem gewisse Auswüchse des zeitgenössischen kynischen Lebenswandels zurück (ebd. 21, 48). Aufgrund seiner versöhnlichen Haltung gegenüber dem Leben und der städtischen Gemeinschaft wurde Demonax (viel mehr als Sokrates) von den Athenern geliebt, was soweit ging, dass er öffentliche Ämter in seiner Wahlheimat übernahm und als «guter Daimon» in jedem Haus willkommen war (ebd. 63). Er zeigte sich daran interessiert, erzieherisch auf die Menschen zu wirken, um ihre innere Umkehr zu fördern. Sokratische Elemente scheinen hier mit für den Kynismus charakteristischen Themen verbunden: absolute Bedürfnislosigkeit, die zur Rechtfertigung des Selbstmords führt (ebd. 5), Ironie an gesichts der Spekulationen der Physiker (ebd. 22), Polemik gegenüber den Mysterien und den Weissagern (ebd. 37 und 11), hohe Wertschätzung für die Leichtigkeit des Lebens (ἡ τοῦ βίου ῥαστώνη), das Tragikomische (σπουδαιογέλοιον), die großen kynischen Tugenden, wie die – stärker stoische als kynische – Selbstbeherrschung (κρατερία), die Selbstgenügsamkeit (αὐτάρκεια), die Anstrengung (πόνος), die Verachtung von Dünkel (τῦφος), sowie die Zurückweisung von Furcht und Hoffnung (ebd. 4, 5, 8, 20). 4. Peregrinos Peregrinos, der sich selbst den Übernamen ‘Proteus’ und gegen Ende seines Lebens ‘Phönix’ gab, wurde in Parion an der Propontis geboren und starb betagt um 165 oder 167 n. Chr., woraus geschlossen wird, dass er in den letzten Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. geboren sein dürfte. Unsere genaueste und wichtigste Quelle ist Lukian, der in seiner Schrift ‹Über den Tod des Peregrinos› den Kyniker h eftig angreift. Ein weiterer wichtiger Zeuge, der einen ganz anderen Ton anschlägt, ist Aulus Gellius. Peregrinos stellt für uns den ersten und ältesten Beleg für Kontakte zwischen Christentum und Kynismus dar. Er war außerdem von der Askese der Brahmanen beeinflusst und belebte so eine Tradition neu, die auf den hellenistischen Geschichtsschreiber Onesikritos von Astypalaia zurückgeht, der mit den orientalischen Gymnosophisten in Kontakt stand. Aus seiner Heimat offenbar wegen Vatermordes exiliert, kam Peregrinos mit der christlichen Gemeinschaft in Palästina in Berührung, deren Lehren er teilte und in der er alsbald eine außer-
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§ 20. Oinomaos von Gadara (Bibl. 240)
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ordentlich wichtige Stellung einnahm. Zu dieser Zeit schrieb er Bücher über die christliche Lehre und verfasste auch Kommentare zu Schriften der Christen (Luk. Peregr. 11). Als er wegen seiner Tätigkeit ins Gefängnis geworfen wurde, unterstützten und beschützten ihn die Christen; wenig später wurde er vom Gouverneur Syriens wieder freigelassen. Nachdem es zum Bruch mit der christlichen Gemeinschaft gekommen war, kehrte er in seine Heimat zurück, wo er nach dem Vorbild des Krates sein Erbe den armen Bürgern gab, einen kynischen Lebensstil mit der charakteristischen «Schamlosigkeit» (ἀναίδεια) annahm und ein unstetes Wanderleben führte. Er zeigte eine Vorliebe für die rauhesten Züge des Kynismus: Ablehnung jeder politischen Macht (nach Rom gekommen, schmähte er sogar den Kaiser), Rigorismus und Ertragen extremer Prüfungen, die in seiner spektakulären Selbsttötung an den Olympischen Spielen gipfelten, an der Lukian nach eigener Aussage teilgenommen hat: Peregrinos sprang auf den Scheiterhaufen, nachdem er in typisch brahmanischer Manier feierlich die Sonne gegrüßt und sein Programm an alle berühmten griechischen Städte verkündet hatte, indem er ihnen in brieflicher Form «Testamente, Empfehlungen und Gesetze» schickte (ebd. 41; zu eventuellen Berührungen von Erscheinung und Lebensstil des Peregrinos mit der montanistischen Bewegung vgl. Ramelli 2005 [*392]). Aulus Gellius hingegen stellt uns einen noblen und seriösen Peregrinos vor, einen «virum gravem et constantem», der vom ruhmverliebten Scharlatan bei Lukian sehr verschieden ist. Er hat ihn nach eigenem Bekunden persönlich in Athen kennengelernt, wo er «in einer Hütte außerhalb der Stadt» gelebt und «nützlich und edel» gesprochen habe (Gell. 12,11,1). Bei Aulus Gellius ist uns als ein Punkt der kynischen Lehre des Peregrinos überliefert, dass der Weise niemals Fehler begehen solle, auch nicht wenn diese allen – Göttern wie Menschen – verborgen bleiben könnten, weil man sich nicht aus Angst vor Strafe oder Ehrverlust vor Fehlern hüten soll, sondern aus Liebe zum Guten (Gell. 12,11,2–7). Aus dem Italienischen übersetzt von Damian Caluori, Regina Füchslin und Christoph Riedweg.
§ 20. Oinomaos von Gadara Aldo Brancacci Oinomaos war ein Zeitgenosse von Hadrian und Antoninus Pius. Er ist der philosophisch bedeutendste Kyniker der Kaiserzeit und der einzige, von dem wir heute noch einen beinahe vollständigen Traktat lesen können. Die erste Eigenheit des Oinomaos mit Blick auf seine kynischen Vorgänger und Nachfolger besteht darin, dass er sich nicht auf die Ethik beschränkt, sondern auch intensiv über das
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
Problem des Schicksals nachgedacht hat. Seine Ansicht hat er in einer anti- fatalistischen, gegen Stoiker und das Orakelwesen gerichteten Polemik entfaltet (ausführliche Auszüge aus dieser Schrift über die ‹Entlarvung der Schwindler›, Γοήτων φώρα, sind im 5. und im 6. Buch von Eusebios’ ‹Praeparatio evangelica› erhalten). Als zweites unterscheidendes Merkmal ist zu nennen, dass Oinomaos eine große Anzahl Schriften zu unterschiedlichen Themen verfasst hat, während die zeitgenössischen Kyniker überwiegend die mündliche Unterweisung in Ethik pflegten. Die ‹Suda› hat uns eine (wenn auch unvollständige) Liste seiner Werke erhalten: ‹Über den Kynismus› (Περὶ κυνισμοῦ; bei Julian Or. 7, 209b heißt die Schrift: ‹Die eigene Stimme des Hundes›, Αὐτοφωνία τοῦ κυνός, was ein alternativer Titel sein kann oder ein freier Ausdruck, mit dem sich Julian auf die Schrift bezieht), ‹Politeia› (Πολιτεία), ‹Über die Philosophie gemäß Homer› (Περὶ τῆς καθ’ Ὅμηρον φιλοσοφίας), ‹Über Krates und Diogenes› (Περὶ Κράτητος καὶ Διογένους). Julian berichtet außerdem, Oinomaos habe Tragödien im Geiste des Diogenes geschrieben (Iul. Or. 7, 210d). Ein starker Traditionsbezug ist augenfällig. Die ‹Politeia› und die Tragödien setzen Kenntnisse der gleichnamigen Werke des Diogenes voraus (wobei zu beachten ist, dass auch Zenon, als er noch Schüler des Krates war, ein entsprechendes Werk verfasste, in dem er extreme kynische Lehren wie die Rechtfertigung des Inzests, die Abschaffung des Geldes usw. vertrat). Auf eine umfassende Reflexion über den Kynismus lässt der Titel ‹Über Krates und Diogenes› mit seinem Rückbezug auf die Anfänge des Kynismus schließen, was Oinomaos wiederum von seinen Zeitgenossen unterscheidet. Die in der ‹Suda› aufgeführte Schrift ‹Über die Philosophie gemäß Homer› bezog sich wahrscheinlich auf Antisthenes, der Homer für die Ethik ausgewertet hatte. Diese Tradition haben vor Oinomaos auch Dion Chrysostomos und Maximos von Tyros aufgegriffen. Ein interessantes Fragment, vielleicht aus der Schrift ‹Über den Kynismus›, ist bei Julian erhalten und lautet: «Der Kynismus ist weder Antisthenismus noch Diogenismus» (ὁ Κυνισμὸς οὔτε Ἀντισθενισμός ἐστιν οὔτε ∆ιογενισμός: Or. 6, 187c). Diese Behauptung scheint in erster Linie gegen den Kynismus als theo retische Lehre gerichtet zu sein. Die beiden gegensätzlichen Termini «Ἀντισθενισμός» und «∆ιογενισμός» bedeuten aber nicht «Philosophie des Antisthenes» und «Philosophie des Diogenes», sondern zwei paradigmatische Resultate, die aus diesen Philosophien hervorgegangen sind und die beide in der kynischen Tradition gemeinsam gegenwärtig sind. Oinomaos signalisierte mit dieser Aussage nicht nur, dass der Kynismus einer Neubegründung bedürfe, sondern stellte sich auch in W iderspruch zum zeitgenössischen Kynismus, der eine solche Unterscheidung akzeptierte (vgl. auch unten zum 19. Brief des Krates). Die Aussage enthält außerdem eine anti-stoische Stoßrichtung, geht doch die Unterscheidung zweier Arten von Kynismus auf die Stoa zurück, welche bekanntlich aus dem Kynismus hervorgegangen ist (zum ‘Diogenismus’ der Stoa vgl. den Abschnitt ‘Kynika’ in den SVF, wo vom Weisen auch das κυνιεῖν, «den Hund geben», verlangt wird: D. L. 7,121 = Apollodor, SVF III, fr. 17; über den ‘Anti sthenismus’ hingegen konnte die Stoa ihre Schule bis auf Sokrates zurückführen: vgl. D. L. 6,14).
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§ 20. Oinomaos von Gadara (Bibl. 240)
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Oinomaos gründete seine Neubestimmung des Kynismus auf eine neue Deutung des Konzepts der Freiheit (welche von Eusebios im 6. Buch der Praep. ev. referiert wird). Diesen Wert dürfte er nicht nur durch die Mantik und die stoische Schicksalslehre gefährdet, sondern – aus dem Satz in Περὶ κυνισμοῦ zu schließen – nicht einmal mehr innerhalb des Kynismus garantiert gesehen haben. Der Begriff, mit dem Oinomaos die als «souverän über die notwendigsten Dinge» (αὐτοκράτωρ τῶν ἀναγκαιοτάτων: Eus. Praep. ev. 6,7,2 = fr. 16,10 Hammerstaedt) qualifizierte Freiheit bezeichnet, ist im Übrigen ‘exousia’ (ἐξουσία) und nicht, wie bei seinen kynischen Vorgängern üblich, ‘eleutheria’ (ἐλευθερία; vgl. bereits Antisthenes’ Schrift ‹Über Freiheit und Sklaverei›, Περὶ ἐλευθερίας καὶ δουλείας). Er will damit auf eine wirkliche und umfassende Wahlmöglichkeit hindeuten, d. h. eine wirkliche Macht, die in der Praxis vollumfänglich verwirklicht werden kann. Diese Deutung zeigt Oinomaos’ Originalität gegenüber dem klassischen Kynismus, der die Freiheit des Menschen als innere begriffen hat, die sich sogleich in Gleichmut (ἀδιαφορία) und Selbstgenügsamkeit (αὐτάρκεια) auflösen kann. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass der klassische Kynismus Freiheit relativ zur Grenze definierte, an der die Einflussnahme des Individuums auf äußere Dinge endet und an der folglich Verzicht und Selbstgenügsamkeit beginnen. Bei Oinomaos ist die Freiheit dagegen nicht auf das Innere beschränkt, und es ist nicht so, dass an der Grenze zur äußeren Welt das Handeln des Menschen seine Ungezwungenheit verliert. Die Aufhebung dieser Grenze kommt nicht durch Verinnerlichung eines größeren Teils der Realität zustande, sondern dadurch, dass Oinomaos den Menschen als Prinzip (ἀρχή) seiner Handlungen sieht und glaubt, dass dem Menschen die Fähigkeit (δύναμις) eigen ist, die Außenwelt zu verändern und in ihr seine ‘exousia’ zu entfalten (Brancacci 2000 [*407]). Auf der Grundlage dieses Begriffs wendet er sich gegen den Determinismus des Demokrit und den stoischen Begriff des Schicksals (εἱμαρμένη). Oinomaos ist sich der im Hellenismus gegen das stoische Wahrheitskriterium erhobenen Kritik bewusst und sehr wahrscheinlich auch der skeptischen Kritik gegen das Wahrheitskriterium überhaupt (neben Chrysipp zitiert er explizit Arkesilaos und weiß sowohl um die Polemik zwischen Arkesilaos und Chrysipp, wie auch um die Kritik von Karneades an Chrysipp), so dass er in unangreifbarer Art und Weise sein eigenes Kriterium formuliert. In seiner Gegenkonzeption sieht er als erste Voraussetzung für das willentliche Handeln die Annahme, zu existieren und sich dessen bewusst zu sein. Die Quelle von letzterem ist das Bewusstsein (συν αίσθησις) und das Erfassen (ἀντίληψις) seiner selbst, welche unmittelbar gegeben sind. Dieses Prinzip ist das Fundament für die Gewissheit, welches O inomaos als glaubwürdigstes Maß (πιστότατον μέτρον) für das Handeln sieht (Eus. Praep. ev. 6,7,16 = fr. 16,85 Hammerstaedt). Das Kriterium des Oinomaos findet sich auch beim Stoiker Hierokles im Rahmen von dessen Oikeiosis-Lehre, nach welcher bereits das neugeborene Lebewesen ein Bewusstsein seiner selbst besitzt. Schon beim hellenistischen Stoiker Chrysipp war die Wahrnehmung seiner selbst Voraus setzung der Selbstaneignung. Im Gegensatz zu den Stoikern nimmt Oinomaos jedoch dieses Kriterium nicht als Ausgangspunkt für einen Naturalismus, sondern legt es dem Prinzip der Freiheit des menschlichen Handelns und Wollens zugrunde.
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Seine Beweisführung besteht aus fünf Bewegungen: 1) Vom Prinzip des Bewusstseins und des Erfassens seiner selbst gelangt man 2) zu seiner Bestimmung als unmittelbarste aller Erfahrungen, sodann 3) zur Parallelführung des ‘Erfassens seiner selbst’ mit dem Akt, durch den man in sich die Unterscheidung dessen, was frei und was erzwungen ist, erlangt, sodann 4) zur Stellung des Menschen als Herrn seines Wollens (κύριος τῆς βουλήσεως) und schließlich 5) zur Fähigkeit eines jeden Individuums, die schicksalshafte Verkettung aufzubrechen, indem man in sie eine nicht vorhersehbare Reihe neuer Handlungsprinzipien einfügt, die in jedem Augenblick dazu beitragen, das Geflecht des Dramas zu verändern (Brancacci 2002 [*409]). Die Polemik gegen die Orakel wird von Eusebios im 5. Buch der Praep. ev. referiert (19–36). Tatsächlich sind diese und die anti-fatalistische Polemik miteinander verflochten und stützen einander auch im langen Exzerpt aus der ‹Entlarvung der Schwindler› gegenseitig, was letztlich in der engen Verbindung von Schicksalslehre und Mantik in der Stoa begründet ist. Hier zeigt sich auch ein typischer Zug von Oinomaos’ Argumentationsweise: Er behandelt die Orakel wie Dokumente, die gemäß streng logischen Kriterien zu untersuchen sind und auf deren Basis die eigenen theoretischen Aussagen zu bekräftigen sind. Indem er so die stoische Verbindung zwischen dem Bereich der Wahrsagung und der Schicksalslehre aufgreift, deckt er alle ihre Widersprüche auf und entleert sie ironisch jeder Bedeutung. Besonderen Scharfsinn zeigt er neben anderen berühmten Orakeln in der Wider legung des Mythos von Ödipus, an dem sich die rationalistische Auslegung der Kyniker traditionellerweise geübt hat (Hammerstaedt 1988 [*399]). Aus dem Italienischen übersetzt von Damian Caluori, Regina Füchslin und Christoph Riedweg.
§ 21. Der Kynismus bis Maximos von Alexandrien und Salustios aus Syrien Aldo Brancacci In der Kaiserzeit gab es zahlreiche Kyniker, deren Existenz bezeugt ist, aber von denen man beinahe nichts weiß, weil sie nicht literarisch tätig waren und uns daher nur durch episodische Bemerkungen in den Quellen bekannt sind – Bemerkungen, die nicht selten polemisch, wenn nicht geradezu feindselig, sind. Einen eigenen Fall bildet Secundus, der im 2. Jahrhundert n. Chr. gelebt hat und Zeitgenosse von Kaiser Hadrian war. Über ihn ist eine Biographie erhalten, die in der Antike stark verbreitet war, in diverse orientalische Sprachen übersetzt wurde und dank einer lateinischen Übersetzung ins westliche Mittelalter gelangt ist. Die Biographie stellt
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§ 21. Der Kynismus bis Maximos von Alexandrien und Salustios aus Syrien (Bibl. 241)
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ihn als einen Pythagoreer dar – im Wesentlichen wegen seines Schweigegelübdes, welches er sich selbst dafür auferlegt hatte, dass er den Tod seiner Mutter verursacht hatte –, doch geht aus ihr auch hervor, dass er zuvor die kynische Lebensform angenommen hatte, und viele der ihm zugeschriebenen Sentenzen behandeln tatsächlich typisch kynische Themen (Perry 1964 [*419]; zu Berührungen zwischen dem Pythagoreismus akusmatischer Prägung und dem Kynismus im Hinblick auf die Lebensführung vgl. allgemein Burkert 1962 [*418: 196]). Die Beziehungen zwischen Kynismus und Christentum sind ebenfalls komplex und nicht vollkommen klar. Einerseits gibt es Fälle, wie den des Kynikers C rescens, in denen die Kyniker dem Christentum gegenüber feindselig eingestellt waren; andererseits fehlt es nicht an Episoden der Begegnung und Vermittlung, wie bei Peregrinos und Maximos von Alexandrien. Außerdem scheinen viele Indizien den Einfluss der kynischen Literatur, insbesondere des Mythos von Herakles (der sog. «Theologie von Herakles»), auf die literarische Betätigung der ersten Christen zu bezeugen. Gegen Ende der Antike zeigt sich insofern eine Aussöhnung zwischen Kynikern und Christen, als letztere viele kynische Tugenden gutheißen und nur die Schamlosigkeit zurückweisen. Dasselbe Bild ergibt sich auch aus den Hinweisen auf Antisthenes und vor allem auf Diogenes bei den Kirchenvätern. Im 4. Jahrhundert ragt die Figur des Maximos von Alexandrien, eines kynischen Philosophen christlichen Glaubens, heraus. Bekanntlich war er 379–380 in Konstantinopel, wo er sich mit Gregor von Nazianz, damals Bischof jener Stadt, befreundete. Er verriet jedoch die Freundschaft, indem er sich selbst zum Bischof ordinieren ließ, und versuchte ohne Erfolg, den Posten Gregors zu übernehmen; er verfasste eine Schmähschrift gegen ihn, die eine scharfe Antwort von diesem provozierte. Aufgrund von verschiedenen Quellen, v. a. Hier. Vir. ill. 117, scheint Maximos mit Heron von Alexandrien, dem Gregor einen enkomiastischen Dialog gewidmet hat, identisch zu sein. Einzig die Unkenntnis des Bruches zwischen den beiden, welcher zwischen der Zeit des Enkomiums und jenem der Invektive erfolgt ist, ließ gewisse Zweifel an dieser Identifikation von Maximos und Heron (vielleicht der ägyptische Name des Maximos) aufkommen, die heute aber allgemein akzeptiert ist (Goulet-Cazé 2005 [*428]). Maximos bezeugt anschaulich die engen Beziehungen zwischen Kynismus und Christentum. Als Christ schrieb er Briefe an herausragende Persönlichkeiten sowie ein Buch ‹De fide› gegen die Arianer, das von Hieronymus zitiert wird (Vir. ill. 127). Als Kyniker vertritt er den Kosmopolitismus, den strikten Gegensatz zwischen dem ‘Eigenen’ und dem ‘Fremden’ (der auf Antisthenes zurückgeht), das Konzept der Wachsamkeit der Menschen, die Verherrlichung des moralisch Guten und die Invektive gegen das Schlechte; selbstverständlich lehnt er den kynischen Atheismus ab und verhöhnt die nur äußerliche Aneignung der kynischen Lebensform durch zeitgenössische Kyniker. Vom Kynismus übernahm er weiter die «freimütige Rede» (παρρησία), die Genügsamkeit sowie die Polemik gegen die dogmatischen philosophischen Schulen. Salustios ist hauptsächlich aus Damaskios’ ‹Vita Isidori› bekannt, die sich aufgrund anderer Quellen rekonstruieren lässt (Asmus 1910 [*416]). Er wurde wohl um 430 in Syrien geboren. Damaskios spricht von ihm als einem Zeitgenossen. Er studierte Rechtswissenschaften und erhielt in Emesa oder auch später in Athen eine
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ausgezeichnete Rhetorikausbildung. Danach muss er sich nach Dalmatien zu Marcellinus begeben haben, später in Begleitung des Isidoros nach Alexandrien. Wahrscheinlich hat ihn seine Freundschaft zu Isidoros in Kontakt mit den alexandrinischen Neuplatonikern gebracht, welche auch Interesse am Kynismus zeigten. Jedenfalls schloss sich Salustios dem Kynismus an, und in den Augen der alexandrinischen Neuplatoniker wird er vermutlich als typischer «Weiser» (σοφός) gemäß der großen griechischen Tradition erschienen sein: Sein Ideal eines Wanderlebens, sein Asketismus, seine Verachtung des Dünkels (τῦφος), seine Haltung der Unabhängigkeit gegenüber Mächtigen werden besondere Bewunderung ausgelöst haben. Salustios glaubte, dass die Philosophie für Menschen nicht nur schwierig, sondern unmöglich sei (Damask. Vit. Isid. 147 = Suda IV,316,4f. Adler s. v. Σαλούστιος). Auch in dieser paradoxen Erklärung zeigt sich die Radikalität und das gleichsam asketische Ideal des Philosophierens, welches einen rigorosen Anhänger des D iogenes auszeichnet. Aus dem Italienischen übersetzt von Damian Caluori, Regina Füchslin und Christoph Riedweg.
§ 22. Kynische Epistolographen, Philosophische Literatur über den Kynismus Aldo Brancacci
Unter dem Namen ‘Diogenes’ ist ein Corpus von 51 Briefen erhalten, deren Unechtheit zuerst von Boissonnade bewiesen wurde (Boissonade 1818 [*441]). Es handelt sich dabei um Werke einer Vielzahl verschiedener Autoren, welche vielleicht literarisch ausgerichtet und vom Kynismus beeinflusst, jedoch keine Rhetoren waren (wie früher angenommen wurde). Die Briefe dürften den Zielen der kynischen Propaganda gedient haben. Ihre Entstehung erstreckt sich vom Hellenismus bis zum 2. Jahrhundert n. Chr., und einige Briefe stammen möglicherweise aus noch späterer Zeit. Auf die Kaiserzeit, bis höchstens zum Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr., gehen nach Capelle die Briefe 13–18, 20–25, 27, 32, 41–42, 46, 48–51 zurück (Capelle 1896 [*442]). Die Briefe 19, 28–29, 39–40, 43, 45 entstanden in einer langen Zeitspanne, die im Fall von Brief 39 bis ins 4. Jahrhundert n. Chr. reicht, während alle anderen Briefe aus der hellenistischen Zeit stammen. Nach Emeljanow 1968 [*444: 4–6] hingegen gehören nur die Briefe 30–40 in die Kaiserzeit. Diese Briefe stellen einen wichtigen Beleg für die Diogenes-Legende dar und geben traditionelle k ynische Vorstellungen wieder: die Verherrlichung der Bedürfnislosigkeit, den Wert des armen Wanderlebens, die Polemik gegen die Lebensform von Monarchen und Herrschern, den Rückgriff auf Mythen und die
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§ 22. Kynische Epistolographen, Philosophische Literatur über den Kynismus (Bibl. 241–242) 195
Worte der Dichter, die Wichtigkeit der kynischen Kleidung und das Lob der Anstrengung (πόνος) in einer rigorosen ethischen Perspektive, welche jedoch stets eudaimonistisch ist. Bemerkenswert ist vor allem Brief 39 mit seiner Diskussion des Einübens des Todes (μελέτη θανάτου), die eine einmalige Mischung von kynischen und platonischen Themen aufweist und die These entwickelt, dass es langer Arbeit bedürfe, um sich vom Körper zu lösen und sich nicht nur auf den Tod, sondern auch auf das Leben danach vorzubereiten. Unter dem Namen ‘Krates’ sind 36 Briefe erhalten, die ins 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. gehören. Formal sind alle Briefe (mit Ausnahme von 20, 34 und 7, 24, 25) der Gattung der Mahnbriefe (παραινετικαί) zuzuordnen, und auch sie gehen auf verschiedene Autoren zurück (Epist. 35 ist wohl eher stoisch als kynisch). Ein beträchtlicher Teil sucht die Prinzipien der kynischen Philosophie zu illustrieren (Epist. 1, 3, 5, 9, 12, 28, 30–32, 34–35), andere entwickeln das Thema des Kynismus als «kurzen Weg zum Glück» (Epist. 6, 13, 21); die Mehrheit der Briefe befasst sich mit der kynischen Lebensform und kynischen Pflichten. Ein wenig beachtetes Dokument ist Brief 19 des Krates, in dem die Frage, ob eher Odysseus oder Diogenes «der Vater der kynischen Philosophie» sei, gestellt wird und in letzterem Sinn beantwortet wird, wobei mit «Odysseus» offenkundig auf Antisthenes angespielt wird. Brief 19 ist damit ein Echo anderer Briefe, die den Kynismus ἀπὸ Διογένους verteidigen, und trägt zum Kontext der oben erwähnten Aussage von Oinomaos bei, gemäß welcher der Kynismus weder Anti sthenismus noch Diogenismus sei (gewissermaßen ein Gegenbild findet sich in einem kleinen Werk, das in den Handschriften Lukian zugeschrieben wird, dem ‹Kynikos›, der unter Rückgriff auf sokratisch-antisthenische Themen ein nüchternes und würdiges Bild des wahren Kynikers zeichnet). Auch die neun Briefe von Heraklit gehören zur kynischen Epistolographie. Alle (mit der möglichen Ausnahme von Brief 3) sind ins 1. Jahrhundert n. Chr. zu datieren, stammen jedoch nicht von ein und demselben Autor. Auch die sieben Briefe, die Sokrates zugeschrieben werden (1. Jh. n. Chr., wenn nicht früher), und die 26 Sokratikern zugewiesenen Briefe (nach der ersten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr.) sind Werke kynisch beeinflusster Schriftsteller. Ein wichtiger Teil der allgemein philosophischen Literatur zum Kynismus sieht in diesem ein besonders edles philosophisches Ideal wegen seiner strengen Ethik. Nur in einigen Fällen wie in Lukians ‹Fugitivi› finden sich Beispiele für eine K ritik am Kynismus, welche aber vor allem den kynischen Lebenswandel betrifft, dessen radikale Züge die Sensibilität gebildeter Menschen wie Demonax und Dion Chrysostomos verletzen bzw. sich im Gegensatz zu ihrer Ideologie befinden, welche nicht auf einen Bruch mit der Gesellschaft ausgerichtet ist, sondern auf die anforderungsreiche Vermittlung mit dieser. Die Diogenes-Reden Dions, von denen bereits die Rede war, sind die ältesten Zeugnisse für diesen Typus Literatur. Dem Stoiker Epiktet, der viele mit Antisthenes und der kynischen Tradition verbundene philosophische Themen wiederaufgreift, verdanken wir zahlreiche Anspielungen auf die paradigmatische Figur des Diogenes und insbesondere eine Diatribe ‹Über den Kynismus› (Περὶ κυνισμοῦ: Diss. 3,22). Diese thematisiert
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jene theoretische Komponente des Kynismus, welche Epiktet als Krönung des stoischen Systems betrachtet: Die Figur des Kynikers wird als Modell dargestellt, auf das jeder blicken muss, welcher, zur Philosophie hinstrebend, Theorie und Praxis zu einer vollkommenen Einheit zusammenführen will. Die starke Beachtung, die der Kynismus bei Epiktet erfährt, spiegelt die Tendenz zur Rückkehr zum Alten wider, welche auch für Epiktets Stoizismus typisch ist. Gleichzeitig fungiert die kynische Radikalität bei ihm auch als Garantin für die strengsten Elemente der stoischen Theorie. Epiktet scheut sich dabei nicht, dem exemplarischen Kyniker selbst einige stoische Züge zuzuschreiben. Im mittelplatonischen Umfeld zeugt Maximos von Tyros von einer eleganten Rezeption des Kynismus, welcher als philosophische Realisierung der Welt im Naturzustand verstanden wird. In Diss. 36 ‹Ob das kynische Leben vorzuziehen sei› greift Maximos auf eine mythische Erzählung zurück, um das goldene Zeitalter zu umschreiben und dann Diogenes als Vertreter des einfachen und tugend gemäßen Lebens darzustellen, der durch seine Unabhängigkeit sogar Sokrates überlegen sei. Einige Züge dieser Vision erinnern an jene des Dion Chrysostomos. Im 4. Jahrhundert wird diese Literaturgattung durch die Werke des Themistios und des Julian gekrönt. Themistios ist Verfasser einer Rede ‹Über die Tugend› (Περὶ ἀρετῆς), in der drei Wege zur Glückseligkeit unterschieden werden: die Philosophie Epikurs, diejenige des Aristoteles und der kynische Weg, der von Sokrates herkommt, unter seinen Hauptexponenten Antisthenes und Diogenes hat und zu den Stoikern hinführt. Bei der Darstellung der kynischen Prinzipien bezieht sich Themistios v. a. auf Schriften des Antisthenes, von dem er uns zwei wichtige Fragmente überliefert. Zu Recht berühmt sind schließlich zwei Reden des Kaisers Julian: Die siebte ‹Gegen den Kyniker Herakleios› ist ein wichtiges Zeugnis für die Hoffnungen, die Julian in den Kynismus gesetzt hat im Hinblick auf sein Programm, das Reich auf die Werte des Hellenismus zu gründen; in der neunten, ‹Gegen die unwissenden Kyniker› gerichteten Rede rekonstruiert er, aus gehend von seinem Widerstand gegen die zeitgenössische kynische Lebensform, einen philosophischen Wesenskern des Kynismus, abgeleitet von Antisthenes, Diogenes und Krates, deren Werke er zitieren kann. Julian verbindet diese Rekonstruktion mit dem Thema der Philosophie im Allgemeinen, deren Einzig artigkeit er ins Licht rückt anhand der Analyse des Prinzips des «Erkenne dich selbst» (γνῶθι σαυτόν), welches als Notwendigkeit verstanden wird, dass sich der Mensch in seinen beiden Komponenten, der menschlichen und der göttlichen, erkenne. Beispielhaftes Zeugnis dieser Notwendigkeit ist der Kynismus. Insgesamt zeigen die beiden Reden, wie bis ans Ende der Antike der Kynismus wegen seiner Ernsthaftigkeit, der Radikalität seiner Lehre und seiner grundlegenden Forderung nach Übereinstimmung von Taten und Worten als beispielhafte ethische Richtung angesehen wurde – eine Richtung, die deswegen von Persönlichkeiten sehr unterschiedlicher philosophischer Herkunft geteilt werden konnte. Aus dem Italienischen übersetzt von Damian Caluori, Regina Füchslin und Christoph Riedweg.
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§ 23. Überblick (Bibl. 242–246)
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IV. EPIKUREISMUS IN DER KAISERZEIT § 23. Überblick Michael Erler
1. Stand der Forschung. – 2. Tradition. – 3. Pagane Kritik. – 4. Jüdische Auseinandersetzung mit dem Epikureismus. – 5. Positive Rezeption. – 6. Epikur-Rezeption in der paganen Spätantike. – 7. Divergenzen und Konvergenzen bei den Christen.
1. Stand der Forschung Nicht selten enden moderne Darstellungen des Epikureismus im Rom des 1. vorchristlichen Jahrhunderts bei Lukrez oder behandeln die Kaiserzeit auf nur wenigen Seiten (Ferguson, Hershbell 1990 [*486: 2260]). Der Grund dafür liegt darin, dass man aus der Kaiserzeit keine Erweiterung unserer Erkenntnisse von Epikurs Lehre erwartet, weil diese in den ersten beiden Jahrhunderten bis Mark Aurel hinter der Stoa zurückstand und in der Spätantike mit der Dominanz von Platonismus und Christentum gänzlich an Bedeutung für den philosophischen Diskurs verlor. Sieht man von dem wichtigen Neufund der Inschrift des D iogenes in Oinoanda ab, wird unsere Kenntnis epikureischer Dogmatik in der Kaiserzeit in der Tat durch kaiserzeitliche Quellen inhaltlich wenig erweitert. Wird Epikurs Lehre thematisiert, so bedienen sich die Autoren der uns schon aus früheren Quellen bekannten Lehrstücke und schöpfen anti-epikureische Polemik von paganer und christlicher Seite aus dem Arsenal altbekannter Argumente, die sich gegen Grundlagen seiner Lehre richten, wie Materialismus, Ablehnung der Providenz, Leugnung der Unsterblichkeit der Seele oder den angeblich allein auf Lustmaximierung ausgerichteten Hedonismus. Grundlegend ist hier immer noch die Testimoniensammlung von Usener 1887 [*473]. Hilfreich für eine erste Orientierung sind die Stellensammlungen bei kaiserzeitlichen Autoren von Ferguson, Hershbell 1990 [*486] oder erste Versuche von Überblicksdarstellungen (vgl. Jones 1989 [*484]). Von Interesse sind auch neuere rezeptionsorientierte Betrachtungen der epikureischen Tradition der Kaiserzeit im paganen oder christlichen Kontext (vgl. Schmid 1962 [*482], Baltes 2000 [*493], Erler 2009 [*495]) z. B. mit Blick auf rigorose Ablehnung, enthusiastische Zustimmung (Diogenes von Oinoanda), Adaptation (Seneca), Integration durch Umetikettierung (Marin. Procl. 15), Funktionalisierung bei Dissens (Markschies 2000 [*602]) oder Rechtfertigung (Proklos; vgl. Erler 2001 [*558]). Die Vielfalt der Rezeptionsformen eröffnet zudem Perspektiven für die weitere epikureische Tradition in Mittelalter, Renaissance und Neuzeit (Schmid 1962 [*482], vgl. Erler 2000 [*491]).
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
2. Tradition Vor dem Hintergrund sinkender Akzeptanz und Wirksamkeit des Epikureismus in der Kaiserzeit ist es umso bemerkenswerter, dass Epikurs Lehre lange Zeit durchaus Spuren hinterließ, bis sie in der Spätantike offenbar völlig in den Hintergrund trat. Jedenfalls glaubt Kaiser Julian in einem Brief aus dem Jahr 367 n. Chr. (Ep. 89b, 301c) konstatieren zu können, die Mehrzahl der Schriften Epikurs und Pyrrhons sei von den Göttern vernichtet worden, und Augustinus behauptet in einem Brief des Jahres 410 n. Chr., Stoiker und Epikureer würden in den Rhetorenschulen keine Rolle mehr spielen (Epist. 118,12). In den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit hingegen hinterließ Epikurs Lehre in der Philosophie wie in der Literatur vielfältige Spuren, die sie als wichtiges E lement des kulturellen Diskurses ausweisen. Wir begegnen Epikureischem im griechischen oder römischen Kontext bei Autoren mit kritischer Sichtweise, wie Seneca und Plutarch, finden in Diogenes von Oinoanda und Diogenes Laertios uneingeschränkte Befürworter, registrieren eine sympathisierende Rezeption bei Lukian, Diogenian, Kelsos und stellen fest, dass Epikurs Lehre auch von den alexandrinischen Kirchenvätern, von Augustinus und von spätantiken Aristoteles-Kommentatoren trotz aller Kritik ernst genommen oder zumindest als Folie für die Entwicklung eigener Positionen gewählt wurde (Beiträge in Fuhrer, Erler 1999 [*490]). Zudem wird der epikureischen Tradition eine starke Kontinuität zugeschrieben, die zwar polemisch und zu Unrecht als Zeichen mangelnder Originalität gedeutet wird, die sich aber durch eine geradezu religiöse Verehrung des Meisters (vgl. Grundriss, Antike IV, I 206–207), durch konsequentes Festhalten an Epikurs Grundlehre und dadurch in der Tat durch große Konstanz auszeichnete (Numenios fr. 24 des Places). Anders als die Akademie und der Peripatos bescheinigt Diogenes Laertios der epikureischen Gemeinde Kontinuität bis zu seiner Lebenszeit, also bis ins späte 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. (D. L. 10,9–10). Zwar spricht Diogenes Laertios in seiner Aufzählung berühmter Epikureer (10,25) nur bis Basilides (3./2. Jh. v. Chr.) explizit von Schulleitern des Kepos (Dorandi 2000 [*540: 147–148]). Doch belegen epigraphische Zeugnisse aus der Zeit Hadrians, dass es in dessen Zeit ‘Diadochen’ gab (Popillius Theotimus; dazu Dorandi 2000 [*540]). Auch wenn es sich dabei nicht um Nachfolger in der Leitung des ‘Kepos’, sondern einer privaten ‘epikureischen Schule’ handeln sollte (Glucker 1978 [*481: 365–371]), sprechen die Zeugnisse doch für die Fortdauer und Lebendigkeit der epikureischen Tradition, die sich zeitweise höchsten Wohlwollens erfreute. Trajans Witwe Plotina setzte bei Hadrian durch, dass die epikureische Gemeinde in Athen ihren eigenen Anführer aussuchen und dabei sogar solche berücksichtigen durfte, die keine Bürger waren (Dorandi 2000 [*540]). Kaiser Mark Aurel veranlasste die Einrichtung einer Professur auch für epikureische Philosophie in Athen (Philostr. Soph. 2,2; Luk. Eun. 3). Wir begegnen Epikureern nicht nur in Athen (Apg. 17), sondern hören von Epikureergemeinden im Westen (Herculaneum, Sorrent), im Osten auf Rhodos und Kos, in Pergamon, im lykischen Oinoanda, im syrischen Apameia (Smith 1996 [*693: 125–127]), im fernen südlykischen Rhodiapolis oder in Amastris in Bithynien (Clay 1989 [*538: 316]). Lukians Schrift ‹Alexander oder der fal-
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sche Prophet› lässt erkennen, dass im Pontus neben zahlreichen Christen auch Epikureer anzutreffen waren (Luk. Alex. 25). Das Personal in den Dialogen des Epikur-Kritikers Plutarch zeigt zudem, dass die aufklärerischen Tendenzen der epikureischen Lehre auch für städtische Honoratioren attraktiv waren. Ursache war wohl auch, dass Epikurs Lehre zu jenem in der Schule tradierten philosophischen Bildungsgut gehörte, aus dem man für die eigene Lebensplanung schöpfen konnte, ohne sich einem philosophischen System verschreiben zu müssen (Timpe 2000 [*492]). Diese Haltung führte zu einer Verbreitung epikureischen Gedankengutes, ohne dass dies immer kenntlich gemacht wurde, z. B. basiert Tacitus’ ‘sine ira et studio’ o ffenbar auf epikureischen Vorstellungen (Dihle 1971 [*511]). Zudem verlieh die oftmals geschätzte Lebensweise Epikurs seiner Ethik Authentizität und beeindruckte auch Gegner (z. B. De frat. am. 16 = Plut. Mor. 487d). Diogenes Laertios, selbst kein Epikureer, widmete das letzte Buch seiner umfangreichen Philosophiegeschichte vollständig Epikur und schließt sein Werk mit einem Lobpreis der ‹Hauptlehrsätze› Epikurs (κύριαι δόξαι), «um das Ende [sc. seines Werks] zum Anfang des Glücks» zu machen (D. L. 10,138). Offenbar kamen das epikureische Verständnis von Philosophie als Lebenshilfe (‘philosophia medicans’), Epikurs Handreichungen für praktische Lebensbewältigung in den Bedrängnissen des Lebens für alle Altersstufen (Epik. Epist. Pyth. 85) und die Voraussetzungslosigkeit seiner Belehrung dem praktischen Philosophieverständnis der Römer und dem eher diesseitsorientierten Lebensgefühl zu Beginn der Kaiserzeit entgegen. Jedenfalls zeichnet sich schon im 1. Jahrhundert v. Chr. ab, was für die gesamte Kaiserzeit gilt: Epikurs praktische Ethik, sein Angebot von Techniken für eine vernunftgeleitete Lebensführung, wird auch dort geschätzt, wo seine materialistische Physik und Theologie auf scharfe Ablehnung stoßen. Techniken praktischer epikureischer Ethik blieben z. B. sogar im jenseitsorientierten Curriculum neuplatonischer Philosophie der Spätantike als Stufe mentaler und c harakterlicher Vorbereitung für die eigentliche philosophische Belehrung (‘praeparatio philosophica’) wirksam. 3. Pagane Kritik Paradigmatisch für die unterschiedliche Rezeption von Epikurs Lehre in kritischem Kontext in der frühen Kaiserzeit sind Seneca und Plutarch. Seneca macht sich trotz grundsätzlicher Distanz epikureische Vorstellungen zunutze, vor allem im Bereich der praktischen Ethik. Als bekennender Stoiker (Sen. Dial. 8,3,1–3) versteht er sich als ‘Kundschafter’ auch in fremdem philosophischen Lager, beansprucht für sich einen eigenen Weg (Epist. 33,4ff.) und erweist sich mit Epikurs Schriften (Mutschmann 1915 [*501]), und vielleicht auch mit denen Philodems (Gigante 2000 [*521]), bestens vertraut. Senecas situations- und adressatenbezogene Essays und Briefe als Medium für die Vermittlung seiner Philosophie erinnern im Aufbau und mit ihrer Intention, das E inüben von Wissen zu unterstützen, an die epikureische Methode des Wissenserwerbs (Epik. Epist. Hdt. 35ff.). Nicht zufällig enden die ersten 30 Briefe an Lucilius mit Epikur-Sentenzen, deren Inhalt
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Seneca mit Blick auf den Adressaten an die stoische Grundkonzeption angleichen will. Populistische Epikur-Polemik – etwa gegen die Lustlehre (Sen. Dial. 7,12,4) – lehnt Seneca ab und stimmt Epikur zu, wo er Konvergenzen mit seiner Auffassung von Philosophie erkennt (Epist. 12,11), deren Ziel es ist, ein glückliches Leben, das auf Sicherheit und Seelengröße beruht (Epist. 92,3), zu erreichen (I. Hadot 1969 [*108]). Epikurs Normen für ethisches Verhalten hält Seneca für durchaus erwägenswert (Dial. 8,13,1ff.). Gleichwohl sind Divergenzen in wichtigen dogmatischen Fragen nicht zu übersehen und werden auch nicht verschwiegen (Epist. 90,35). Bisweilen liegen die Unterschiede freilich eher im graduellen Bereich, wie bei der Forderung nach poli tischem Engagement (Epist. 68,2): Der stoische Weise engagiert sich demnach, wenn ihn nichts daran hindert, der Epikureer hingegen nur, wenn es unbedingt notwendig ist (Dial. 8,3,2–8,5,8). Weniger aufgeschlossen und souverän im Umgang mit Epikurs Lehre ist der Platoniker Plutarch, der im 1./2. Jahrhundert in zahlreichen Schriften auch epikureische Positionen zu Wort kommen lässt (Boulogne 2003 [*542]). Als guter Kenner epikureischer Lehren vertritt Plutarch mit Epikur unvereinbare Stand osition ein, um punkte. Bisweilen nimmt er aus strategischen Gründen Epikurs P ihm einen Selbstwiderspruch nachzuweisen (Roskam 2005 [*545]). Plutarchs Argumente stammen zumeist aus dem Arsenal traditioneller Polemik. Plutarch nimmt kritisch zu verschiedenen Lehren Epikurs Stellung, wie z. B. zu der Maxime ‘Lebe im Verborgenen’ (‹De latenter vivendo›; vgl. Roskam 2007 [*494]), oder zu Schriften von einflussreichen Epikureern wie Epikurs Schüler Kolotes, dessen Schrift ‹Nicht einmal leben könne man gemäß den Thesen anderer Philo sophen› (‹Ne vivi quidem posse secundum aliorum philosophorum decreta›) er in einem e igenen Werk (‹Adversus Colotem›) zu widerlegen suchte (vgl. auch Plutarchs ‹Dass Epikur folgend nicht angenehm gelebt werden kann›, ‹Non posse suaviter vivi secundum Epicurum›). Plutarchs Schriften illustrieren zudem, dass und wie gemeinsame Lektüre von Werken der Epikureer und ihre kritische Diskussion Bestandteil des Unterrichts im Kreise Plutarchs waren. Im ethischen Bereich sind sogar Konvergenzen mit epikureischen Vorstellungen, z. B. im Hinblick auf die Behandlung von Affekten wie Zorn in ‹De cohibenda ira› oder der Geschwätzigkeit in ‹De garrulitate›, und methodische Übereinstimmungen (Ingenkamp 1971 [*510], Erler 2003 [*543]) zu beobachten. Plutarch weiß Epikur als Person durchaus positive Züge abzugewinnen: «Wenn sie [sc. Epikureer] völlig falsch lagen mit ihrer Meinung […] und ihrer Behauptung, es gebe niemanden, der weiser sei als Epikur, so darf man doch den bewundern, der eine solche Zuneigung auf sich zog» (De frat. am. 16 = Mor. 487d; Berner 2000 [*520: 119]). Plutarchs intensive Auseinandersetzung mit Epikurs Lehre belegt, dass er ihr offenbar Einfluss zubilligte und in ihrer aufklärerischen Intention eine Bedrohung für traditio nelle religiöse Praktiken sah (De Pyth. or. 8 = Mor. 398; De def. or. 45 = Mor. 434; Ferguson, Hershbell 1990 [*486: 2286]).
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4. Jüdische Auseinandersetzung mit dem Epikureismus Besonders heftig war die Ablehnung epikureischer Lehre von jüdischer Seite. Für die Juden war Epikurs Lehre Anathema (Ferguson, Hershbell 1990 [*486: 2273]), wie z. B. aus dem 10. Kapitel des Traktates ‹Sanhedrin› der ‹Mischnah› hervorgeht. Dort werden drei Arten von Menschen angesprochen, die an der kommenden Welt keinen Anteil haben: diejenigen, welche die Auferstehung der Toten bestreiten, diejenigen, welche den göttlichen Ursprung der Tora leugnen, und der Ungläubige (‘eppiquros’ oder ‘appiqoros’). Das Wort ‘eppiquros’ ist von Epikur abgeleitet und steht in der rabbinischen Literatur für zügellose Menschen (vgl. Setzer 2005 [*608]). Unsicher ist, ob die Kenntnis des Epikureismus, die durch das Wort ‘eppiquros’ oder ‘appiqoros’ im Sinne von Häretiker in der rabbinischen Tradition angedeutet wird, aus Kontakten mit dieser Lehre in Antiochien und aus der Zeit der ‘syrischen Epikureer’ stammt (Schmid 1962 [*482: 802–803]). Zu erwägen ist auch die Zeit, als unter Antiochos IV. Epiphanes mit dem Versuch begonnen wurde, die Juden zu hellenisieren (Steckel 1968 [*479: 643]). Eine Polemik des Josephus gegen den epikureischen Deismus (Ant. Iud. 10,11,7 § 277–281) unter Hinweis auf Prophetien Daniels belegt, dass er mit Epikurs Lehre in gewisser Weise vertraut war (van Unnik 1973 [*581]). Besonders deutlich wird jüdische Aversion gegen Epikurs Lehre bei Philon von Alexandrien (vgl. Lévy 2000 [*601], Ranocchia 2008 [*610]). Epikurs Weltsicht – sein mechanistisches Weltbild, seine Ethik, seine Lustlehre – war Philons Denkweise diametral entgegengesetzt. Epikureisches diente Philon vielmehr nicht selten der Beschreibung negativer Aspekte der Welt. Wenn er z. B. die Schlange des Paradieses schildert, dann tut er dies in bewusstem Rekurs auf epikureische Vorstellungen (Booth 1994 [*591]). Philon war vertraut mit Epikurs Lehre, sei es durch direkte Lektüre oder durch doxographisches Material (Ferguson, Hershbell 1990 [*486: 2274], Lévy 2000 [*601: 130]); trotz mancher Konvergenzpunkte z. B. in der Epistemologie oder Psychologie (Lévy 2000 [*601: 133–134]) bleibt Philon in großer Distanz zu Epikurs Lehre (Ranocchia 2008 [*610: 101]). Umgekehrt wurden auch von epikureischer Seite die Juden nicht freundlich angesehen wie ein neues Fragment der Inschrift des Diogenes von Oinoanda belegt (NF 126, vgl. Smith 1998 [*642: 132ff.]; vgl. auch Smith 2000 [*704: 68–70], Smith 2003 [*643: 74–84]). Der Rekurs auf den Aberglauben von Juden und Ägyptern dient Diogenes als Beleg, dass Götter Unrecht von Menschen nicht verhindern können (NF 126 III,7–IV,2 Smith). 5. Positive Rezeption Neben einem kritisch distanzierten Umgang mit Epikurs Lehre begegnet man im 2. Jahrhundert aber auch offener Sympathie. Sein Bemühen um Aufklärung fand Interesse, bisweilen sogar Verbündete. Zunehmender Missbrauch religiöser Vorstellungen (z. B. Orakel) führte zu leidenschaftlich geführten Auseinandersetzungen, in denen Epikureer mit ihrer Ablehnung jeder Form religiösen Aber-
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glaubens zu willkommenen Verbündeten wurden. Derartiger Streit bildete den lebensweltlichen Hintergrund mancher Schriften Lukians, in denen Kritik an Epikurs Lehre nicht fehlt (Ikar. 16), während dessen Person und Lehre aber oft auch mit Sympathie dargestellt und Epikureer sogar zu Adressaten der Schrift werden (z. B. Kelsos in Luk. Alex.; dazu Clay 1992 [*379: 3440ff.]). Besonders in der Schrift ‹Alexander oder der falsche Prophet› wird Epikur als Philosoph vorgestellt, der durch Aufklärung zu einem Leben führen will, das ruhig, frei von Furcht und dadurch glücklich ist. Dabei wird er als Retter (σωτήρ) apostrophiert, was traditioneller epikureischer Vorstellung entspricht, aber auch mit der christlichen Ausdrucksweise des Neuen Testaments konvergiert (II. Tim. 1,10; Clay 1989 [*538: 325f.]). Diesem ‘Retter’ Epikur will Lukians Traktat ‹Alexander› ein Denkmal setzen (Alex. 61), indem er den epikureischen Impetus im Kampf gegen ein von Alexander etabliertes Schlangenorakel hervorhebt. Lukian hielt Epikurs Lehre für eine Quelle richtiger Überlegung, Wahrheit und Offenheit (Alex. 47). Trotz aller Fiktion darf der lebensweltliche Hintergrund dieser Schrift nicht unterschätzt werden (Robert 1980 [*532], Jones 1986 [*374: 133–148]). Trauriger Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war die öffentliche Verbrennung von Epikurs Hauptlehrsätzen auf einem Scheiterhaufen in Abonuteichos. 6. Epikur-Rezeption in der paganen Spätantike Mit dem Aufkommen des Neuplatonismus trat die Lehre Epikurs in der Spät antike endgültig in den Hintergrund. Gleichwohl finden sich weiterhin Spuren, die von Interesse sind. Denn die Neuplatoniker erwiesen sich als sehr integrations fähig, auch was Epikur anging (O’Meara 1999 [*555: 83]), wobei sie freilich oft in platonisches Gewand hüllen, was sie von Epikur übernahmen. Trotz aller Ablehnung konzediert selbst Plotin, dass sich die Epikureer auf der Suche nach dem guten Leben auf dem richtigen Weg befanden, freilich auf halber Strecke Halt gemacht hätten. Doch hindert dies weder Plotin noch andere Neuplatoniker, sich bestimmter Vorstellungen zu bedienen, wenn es um praktische Philosophie im Diesseits als Vorbereitung für das Jenseits geht (O’Meara 2000 [*556]). Epikureisches wird von den Platonikern im Bereich der Ethik nicht völlig abgelehnt, weil sie Epikur keineswegs jenen groben Hedonismus unterstellen, den traditionelle Polemik bei ihm finden will. Porpyhrios scheut sich nicht, in einem Brief, in dem er seine Gattin Markella zur Philosophie auffordert, neben Platonischem auch epikureische Aussagen einfließen zu lassen (Ad Marc. 27–31), ohne freilich Epikur namentlich zu erwähnen. Vielleicht stammen sie aus einer populären Sammlung (Ferguson, Hershbell 1990 [*486: 2309f.]). Auch sonst (De abst. 1,47–53) verrät Porphyrios, dass er mit epikureischer Lehre vertraut ist. Dies gilt auch für den bedeutendsten spätantiken Platoniker Proklos. Proklos löst eine Aporie platonischer Gebetstheorie, auf die schon der Epikureer Hermokrates hingewiesen hatte, indem er sich epikureischer Vorstellungen vom Gebet als Meditation bedient, bei dem das Gute kein von außen kommendes Ergebnis ist, sondern im Vollzug des Gebetes selbst, also in der Pflege des Selbst, besteht (Prokl. In Tim. 2 I,216,18ff.
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Diehl = Hermarchos fr. 37 Krohn = Hermachos fr. 48 Longo Auricchio; dazu Erler 2001 [*558]). Auch scheint er sich in der ‹Elementatio theologica› gelegentlich gegen Epikureisches zu wenden (Prop. 122 gegen Epikurs Κύριαι δόξαι). Offenbar waren noch späte Neuplatoniker wie Damaskios oder Simplikios über Epikur gut unterrichtet, wobei auch hier epikureische Reminiszenzen oft neuplatonisch gefärbt werden (O’Meara 2000 [*556]). Zwar kommt es in der neuplatonischen Spätantike zu keiner lebendigen Auseinandersetzung mit Epikur mehr. Doch lässt sich noch hier beobachten, dass Ablehnung epikureischer Grunddogmen einhergeht mit positiver Würdigung epikureischer praktischer Ethik gleichsam als ‘praeparatio Platonica’ (Erler 1999 [*596]). 7. Divergenzen und Konvergenzen bei den Christen Im aufblühenden Christentum spielt der Epikureismus eine untergeordnete, gleichwohl aber wahrnehmbare Rolle. Moderne Untersuchungen nehmen den Epikureismus meist nur als Zielscheibe christlicher Polemik wahr. In der Tat galt Epikur den Kirchenvätern zumeist als Verkünder des ‘homo carnalis’, als Leugner der Unsterblichkeit der Seele und als Atheist, der die Weltordnung in Frage stellte (Schmidt 1989 [*485: 208]). Doch sind auch Konvergenzen von Vorstellungen zu beobachten, die sich durch die jeweils angebotene alternative Lebensform in Form von Gemeinden ergaben, die auf Prinzipien wie Freundschaft (φιλία) bzw. christlicher Liebe (ἀγάπη) basierten und für Glück im Diesseits bzw. für Seligkeit im Jenseits sorgen wollten. Beide Richtungen setzten sich damit dem Vorwurf aus, sich öffentlichem Leben und Engagement für die Gemeinschaft zu verweigern (Jones 1989 [*484: 116]). Es finden sich Epikureer und Christen – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – verbunden im Widerstand gegen falsche Propheten (Luk. Alex. 25). Ließen sich Epikureer von einem aufklärerischen Impetus gegen jede Form religiöser Begeisterung treiben, so sind die Christen von ihrer Überzeugung geleitet, allein über den richtigen Glauben zu verfügen. Aspekte epikureischer Psychagogie wie die freimütige Rede (παρρησία), die vom Epikureer Philodem in eigenen Traktaten behandelt werden, erinnern an Ausführungen z. B. bei Paulus (Glad 1995 [*592], Fitzgerald, Obbink, Holland 2004 [*607]). Vergleiche der Funktion epikureischer Memoiren- und Briefliteratur mit der Rolle, welche Apostelakten, Heiligenviten oder Briefe im frühen Christentum spielten, ergeben interessante Parallelen (Eckstein 2004 [*605: 351]), wobei allerdings bei derartigen Vergleichen Vorsicht geboten ist. Nicht selten beruhen Übereinstimmungen nur auf parallel verlaufenden Traditionen; Unterschiede, z. B. zwischen epikureischer und paulinischer Auffassung von Gemeinde sowie in der Funktion der Briefe, sollten nicht übersehen werden. Bei Epikur dient Gemeinschaft dem individuellen diesseitigen Glück, bei Paulus zielt sie auf die jenseitige Seligkeit. Grundsätzlich ist die Haltung der griechischen und lateinischen Väter kritisch bis ablehnend, was sie nicht hindert, bisweilen epikureische Vorstellungen zu nutzen, um z. B. negative Aspekte des eigenen Weltbilds noch düsterer zu malen, wie man es auch schon bei dem Juden Philon von Alexandrien beobachten kann, der
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Epikurs Lehre nicht zuletzt wegen ihres Polytheismus und Hedonismus ablehnt (Lévy 2000 [*601]). Wenn er die Schlange des Paradieses schildert, dann tut er dies in bewusstem Rekurs auf epikureische Vorstellungen (Booth 1994 [*591]). Zu epikureischen Argumenten in der Auseinandersetzung zwischen Platonikern und Christen zur Frage der Erschaffung der Welt vgl. Baltes 2000 [*493: 107f.]. Tertullian, der zwischen 197 und 212 n. Chr. schrieb, bezieht sich in seiner Auseinandersetzung mit paganer Philosophie wiederholt auf Epikur, wobei er den Eindruck vermittelt, dass er in dessen Lehre noch eine ernstzunehmende philo sophische Richtung und Bedrohung sieht (Apol. 3). Tertullian hat seine Kenntnisse vornehmlich aus zweiter Hand, kennt aber auch Werke Epikurs selbst, edient sich bisweilen epikureischer ebenso wie das Gedicht des Lukrez. Er b Lehre – z. B. Epikurs Kritik des Determinismus – als Munition für die eigene Argumentation. So macht er sich etwa auch Epikurs Klassifizierung der Begierden in natürliche und notwendige, natürliche und nicht notwendige und weder natürliche noch notwendige (vgl. D. L. 10,127) zunutze, um den natürlichen Nahrungstrieb als gottgewollt zu erweisen (Anim. 38,3) und ihn vom sexuellen Instinkt zu trennen. Oder er projiziert epikureisches Gedankengut auf Gegner, um diese angreifbarer zu machen, wie Tertullian dies z. B. mit Markion tut (Anim. 3,2; Ferguson, Hershbell 1990 [*486: 2302], Althoff 1999 [*595: 37]). Clemens Alexandrinus’ Sympathie für griechische pagane Kultur erstreckt sich nur mit Abstrichen auch auf Epikurs Lehre. Wie andere Epikur-Gegner schätzt auch er die Person Epikurs infolge seiner als maßvoll und kontrolliert empfundenen Lebensführung. Doch lehnt er Epikurs Lehre als gottlos ab. Allerdings findet Clemens bestimmte Doktrinen wie die Lehre von der Vorstellung (πρόληψις) akzeptabel und schätzt den Beginn von Epikurs Menoikeusbrief mit seiner Aufforderung, in jedem Lebensalter zu philosophieren (Clem. Alex. Strom. 4,69,2–4). Auch Epikurs Schüler Metrodor findet Clemens’ Lob (Clem. Alex. Strom. 5,138,2, vgl. noch Strom. 2,131,1; 6,57,3). Im Vergleich hierzu radikaler ist Origenes, der wesentliche Inhalte von Epikurs Lehre verdammt, sie bisweilen aber zu einer Waffe im innerkirchlichen Kampf macht (Markschies 2000 [*602: 192] und 2007 [*609]). Auch wenn er in seiner Schrift ‹Gegen Kelsos› den Autor des ‹Wahren Logos› mit dem von Lukian genannten Epikureer Kelsos verwechselt, zeigt die Schrift Origenes’ Vertrautheit mit Epikurs Lehre. Seine Beschäftigung dient dem Zweck, Epikurs Lehre widerlegen zu können, und bestätigt die Aktualität der Lehre Epikurs zu seiner Zeit. In der Nachfolge des Origenes mischt sich bei den alexandrinischen Theologen Polemik verschiedener Herftigkeit gegen Epikurs Lehre mit Achtung vor seiner Person. Bemerkenswert ist, wie kundig und differenziert die Kritik ist (Markschies 2000 [*602]). Die Auseinandersetzung mit epikureischer Atomistik bei Dio nysios von Alexandrien, Bischof und Schüler des Origenes, in einer als Brief an seinen Sohn Timotheus gestalteten Schrift ‹De natura›, von der uns Reste aus Eusebios bekannt sind, ist hierfür ein gutes Beispiel (Bienert 1978 [*583: 109–115]; zum Adressaten vgl. Eus. Hist. eccl. 7,26,2; die Fragmente in Praep. ev. 14,23–27). Dionysios bietet u. a. eine intensive Auseinandersetzung mit epikureischer Atomistik. Er kritisiert Epikurs Lehre von der Zufälligkeit der Weltstruktur, argu-
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mentiert für die Existenz eines Schöpfergottes und polemisiert gegen Epikurs Deismus. Dionysios’ Argumente sind traditionell und seine Epikur-Kenntnisse oft oberflächlich. Sie sollten wohl auch als Handreichung für Diskussionen mit Epikureern dienen. Arnobius, dessen sieben Bücher ‹Adversus nationes› wohl zwischen 303 und 310 verfasst wurden und der wegen seiner offenbar guten Epikur-Kenntnisse bisweilen sogar als abgefallener Epikureer apostrophiert wurde, bediente sich Dogmen epikureischer Lehre für eigene Zwecke. Lukrez’ Kulturentstehungslehre wird verwendet, um dem Christentum den Makel zu nehmen, der ihm als ‘neuer Religion’ gegenüber alten Glaubensformen anhaftete (Föllinger 1999 [*597: 18ff.]), Unterweltsdarstellungen mit Gerichtsszene in der Dichtung z. B. sollen als Fiktionen entlarvt werden (Nat. 2,30; Lucr. 3,978ff.). Den Lobpreis Epikurs bei Lukrez (Lucr. 5,1–54) überträgt er auf Christus als Lehrer der Physik und Metaphysik (Nat. 1,38). Mit Epikurs Theologie setzte er sich äußerst kritisch auseinander. Sein Schüler Laktanz ist ebenfalls bestens mit Epikurs Lehre vertraut, wie sein Hauptwerk ‹Divinae institutiones› belegt (verfasst wohl 304–311 n. Chr.; vgl. Althoff 1999 [*595]). Laktanz registriert die große Verbreitung von Epikurs Lehre und führt dies auf deren Populismus und ihren angeblichen Appell an die niedrigen Instinkte des Menschen zurück. Besonderen Anstoß nimmt er an Epikurs Leugnung der Providenz (Inst. 3,17,16) und dessen Verhalten gegenüber dem Tod. Auch Augustinus ist mit Epikurs Lehre vertraut. Hauptquelle von Augustinus’ Epikur-Kenntnis war Cicero, vor allem dessen Werke ‹De natura deorum›, ‹Tusculanae disputationes› und ‹De finibus›. Aber auch Lukrez war ihm bekannt, wie Anspielungen, Anklänge oder Beispiele zeigen. Epikurs Lehre gehörte zum Bildungsgut, wenn auch als typisches Beispiel für eine der Offenbarung verschlossene Sichtweise (Schmidt 1989 [*485: 208]). Freilich war Augustinus’ Verhältnis zu Epikur nach eigenen Worten lange Zeit ambivalent. Er war beeindruckt von Epikurs Lebenshaltung. Im Rückblick freilich sah er diese Ambivalenz als «miseria» an (Conf. 6,26). Offenbar hat für Augustinus Epikurs Lehre nach seiner Loslösung von den Manichäern und vor seiner Hinwendung zum Platonismus bei der Suche nach theologischer Gewissheit im Kontext von Lebensbewältigung eine gewisse Rolle gespielt. Allein seine nicht näher begründete Überzeugung, dass die Seele unsterblich sei, hat ihn abgehalten, so bekennt Augustinus, Epikur die Siegespalme zu geben (Conf. 6,26; Erler 1996–2002 [*603]). Epikurs Lehre wird bei Augustinus Hauptziel seiner Kritik an antiker Philosophie (Erler 1996–2002 [*603]). Leitthema seiner Polemik ist sein Vorwurf, dass Epikur die Tugenden zu Sklavinnen der Fleischeslust macht (Conf. 6,26). Andere Kritikpunkte sind der Materialismus oder die Theologie Epikurs. Die ambivalente Bewertung von Person und Lehre Epikurs, die bei Augustinus, aber auch sonst in der paganen und christlichen Spätantike begegnet, setzt sich im Mittelalter fort.
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§ 24. Diogenian Michael Erler Im 2. Jahrhundert begegnet man Autoren, die sich vom epikureischen Standpunkt aus mit Positionen anderer Schulen auseinandersetzen. Als Beispiel mag Diogenian dienen (Dorandi 1994 [*623]), der sich aus epikureischer Perspektive mit stoischer Lehre befasste. Die Lebenszeit des Diogenian ist unbekannt. Hinweise christlicher Autoren und die Art seiner Argumentation legen nahe, dass er im 2. Jahrhundert n. Chr. schrieb (Isnardi Parente 1990 [*621: 2426], Dorandi 1994 [*623: 833]). E usebios bezeichnet Diogenian als Peripatetiker, und man hat Diogenian lange in der akademisch-peripatetischen Tradition angesiedelt (Gottschalk 1987 [*619: 1142–1143]). Andere (Gercke 1885 [*616: 701–702], Isnardi Parente 1990 [*621: 2425–2426], Dorandi 1994 [*623: 833]) unterstreichen die Nähe von Diogenians Argumenten zur epikureischen Schule. Die einzigen Zeugnisse für seine philosophische Position finden sich bei Eusebios, der Exzerpte aus einer Polemik Diogenians gegen die Schicksalslehre des Chrysipp überliefert (Eus. Praep. ev. 4,3; 6,8; von Eus. abhängig Theodoret Gr. aff. cur. 10,19–20 [Chrysipp, SVF II, fr. 914, 925, 939, 998–999; III, fr. 324, 668]). Die Fragmente sind gesammelt von Gercke (1885 [*616: 748–755], vgl. Long, Sedley 1987 [*483: 55P und 62F 1, p. 338–389; 2, p. 339 und 385]; ital. Übersetzung bei Isnardi Parente 1989 [*620: 381–384, 577, 587f.]). Aus den bei Eusebios erhaltenen Texten ergibt sich, dass sich Diogenian mit der Schicksalslehre Chrysipps auseinandersetzt und gegen die stoische Vorstellung von der Mantik polemisiert. Vor allem setzt er Epikurs Theorie von der menschlichen, nicht göttlichen Herkunft der Sprache als Argument ein, um die stoische Behauptung zu widerlegen, die Menschen hätten immer schon an das Schicksal geglaubt. Gerade ein Rekurs auf die Sprache zeige, dass Menschen eben nicht nur an Schicksal, sondern auch an menschliche Verantwortung oder Zufall glaubten. Da sich Chrysipp für seine deterministische Weltsicht auf Homer bezieht, wonach menschliches Handeln von den Göttern gelenkt und damit vorbestimmt sei, führt Diogenian andere Stellen bei Homer ins Feld, die diesen als Fürsprecher einer Freiheit menschlichen Handelns erweisen sollen. Diogenian weigert sich, einen Autor wie Homer, der sich nach seiner Ansicht derart evident selbst widerspricht, als Grundlage einer philosophischen Diskussion anzuerkennen. Er macht sich somit das traditionelle Diaphonia-Argument gegen Homer als philosophischen Autor zu eigen, das zur epikureischen Skepsis gegenüber Literatur im philosophischen Diskurs passt, aber nicht epikureisch sein muss (Erler 2006 [*624]). Weiterhin weist er auf die zentrale Rolle hin, die dem Zufall im menschlichen Leben zukommt, was ebenfalls zu epikureischen Vorstellungen passt, wie z. B. Diogenes von Oinoanda zeigt (z. B. fr. 72 III,14 Smith = NF 7, vgl. Isnardi Parente 1990 [*621: 2441]; fr. 71 I,1 Smith = NF 8). Demnach gibt es nach Epikurs Auffassung zwar das Schicksal (τύχη), doch hat es ebenso wie die Mantik keine reale Existenz (D. L. 10,135 = fr. 27 Usener; vgl. Isnardi Parente 1990 [*621: 2439ff.]). Die Exis-
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tenz des Zufalls entzieht der Mantik die Grundlage für wissenschaftliche Seriosität. Wenn nämlich Ereignisse wie vorausgesagt eintreten, kann dies auf Zufall beruhen. Diese Argumentationsweise ähnelt traditioneller Polemik, die der Medizin den Charakter einer seriösen Wissenschaft absprechen will (Isnardi Parente 1990 [*621: 2427f.]). Weiterhin bestreitet Diogenian den Nutzen von Mantik. Denn gäbe es sicheres Vorauswissen, wäre dieses nutzlos, da die vorhergesehenen Ereignisse nicht vermeidbar sind. Handelt es sich bei dem Vorhergesehenen zudem um Übel, wird das Leid durch Vorwissen noch vergrößert (Argument gegen die stoische ‘praemeditatio malorum’). Derartige Argumentationen findet man in akademischer (vgl. Cic. Div. 2,20–29), aber auch in epikureischer Tradition (Schol. In Aischyl. Prom. 624 = fr. 395 Usener). All dies erlaubt zwar nicht, in Diogenian mit Sicherheit einen Epikureer zu sehen und eine Zugehörigkeit zur peripatetischen Tradition auszuschließen. Doch darf man festhalten, dass Diogenian in der zeitgenössischen Diskussion über religiöse Elemente im täglichen Leben, welche das 2. und 3. Jahrhundert zunehmend prägte, eine Position bezieht, die epikureisch genannt werden kann.
§ 25. Diogenes von Oinoanda Michael Erler
1. Text. – 2. Inhalt.
Bedeutendstes Zeugnis für die Lebendigkeit epikureischer Lehre und eine ositive Einschätzung Epikurs als Retter der Menschen in der Kaiserzeit ist die p monumentale Inschrift, die Diogenes in Oinoanda, einem Ort Lykiens nahe dem Fluss Xanthos, an einem öffentlichen Platz auf einer Stoa anbringen ließ (vgl. fr. 3 V,12–VI,2 Smith, dazu Smith 2003 [*643: 53–54]; zu Lokalität, Fundgeschichte Smith 1993 [*640: 49–120]). Die Inschrift ist bedeutend wegen ihrer Gestaltung und ihres Inhalts. Neben den herkulanensischen Papyri gehört sie zu den wichtigsten Quellen epikureischer Philosophie und bereichert das Corpus epikure ischer Schriften um neue Zeugnisse (Briefe, Sentenzen Epikurs) und um ausführliche Diskussionen epikureischer Lehre. Alles, was wir über den Verfasser Diogenes wissen, stammt aus der Inschrift. Demnach war Diogenes bereits alt (fr. 3 II,7–8 Smith) und krank, als er die Inschrift aufstellen ließ. Wir erfahren von vielen Kontakten mit anderen Epikureern und von Reisen nach Athen, Chalkis und Theben, die er plante, um Freunde zu treffen. Offenbar handelt es sich bei Diogenes um einen wohlhabenden Bürger von Oinoanda.
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Im Jahre 1888 wurde von Cousin ein Fragment mit dem Namen Diogenes gefunden. Seither wird die Identität des Verfassers der Inschrift diskutiert (Smith 1993 [*640: 35–48], vgl. Puech, Goulet 1994 [*688]). Wenig spricht für die zuerst angenommene und einflussreiche (Grilli 1960 [*630: 20], Jones 1989 [*484: 86, 272]) Identifizierung mit Flavianus Diogenes (Smith 2003 [*643: 49]). Von dieser Inschrift sind nach Abschluss des bisher letzten Surveys von 2012 299 Fragmente bekannt. Unter den 77 seit 2004 publizierten Neufunden (Hammerstaedt, Smith 2008 [*646], 2009 [*647], 2010 [*648], 2011 [*649] und 2012 [*650]; Hammerstaedt brieflich) finden sich z. B. Ergänzungen (NF 167 und NF 182) für die bisher schon längste Textsequenz auf nun 16 Kolumnen. In ihnen wendet sich Diogenes gegen die stoische These, epikureische Theologie beseitige die Furcht vor den Folgen von Unrecht. Zudem wird die stoische Ansicht über die Providenz als unhaltbar erwiesen. Ein anderer Fund (NF 207) erweitert die Einleitung zur Ethik mit der interessanten und bekannten Empfehlung, dass Menschen jeden Alters Philosophie treiben sollen (Epik. Epist. Men. 122), während ein weiterer Bedürfnislosigkeit empfiehlt (NF 146). NF 155 behandelt platonische Weltschöpfungslehre. In anderen Fragmenten erfahren wir mehr über Diogenes’ soziales Netzwerk (NF 174 und NF 186) und 22 neue Fragmente erweitern den Traktat ‹Über das Alter› (z. B. NF 277). Man darf vermuten, dass es sich um eine Inschrift von über 80 m Länge und einer Höhe der Textabschnitte von insgesamt wohl 3,50 m handelte und dass von ihr bisher nur etwa 30% gefunden wurden (Smith 2003 [*709: 270]). Datierungsvorschläge reichen von der Zeit des Lukrez im 1. Jahrhundert v. Chr. bis zu der Hadrians (117–138 n. Chr.) und Mark Aurels (161–180 n. Chr.). Für das 1. Jahrhundert v. Chr. wurde auf den Namen Karos hingewiesen, der in der Inschrift zu finden ist (fr. 122 II,8f. Smith; Canfora 1992 [*683], 1993 [*684], 1994 [*687] und 1996 [*689], zumeist jedoch abgelehnt, vgl. Smith 2003 [*643: 48] mit Literaturhinweisen). Für die Zeit Hadrians wurde die Ähnlichkeit der Schriftform mit einer Inschrift von Iulius Demosthenes in Oinoanda über ein Fest geltend gemacht, die wohl um 125 n. Chr. verfasst wurde (zum Problem Smith 1993 [*640: 35–48] und 2003 [*643: 48–50]); für die Zeit Mark Aurels verweist man auf einen Namen, der mit ABEI beginnt (fr. 70 I,6 Smith) und in dem man Avitus, den Konsul von 209 n. Chr., oder Avitus, den römischen Legaten für Bithynien und Pontus im Jahr 165 n. Chr., sehen möchte (Clay 1989 [*538: 318], vgl. aber Smith 1993 [*640: 517] und 2003 [*643: 48–50]). Bei aller Unsicherheit spricht wohl am meisten für die von Smith vorgeschlagene zeitliche Einordnung in das frühe 2. Jahrhundert n. Chr.
1. TEXT Mit seiner Inschrift wendet sich Diogenes an aufgeschlossene Anfänger in epikureischer Philosophie (fr. 3 III,4f. Smith). Man mag diese Hinwendung des Epikureers Diogenes an die Öffentlichkeit in einem Gegensatz zu Epikurs Maxime sehen, dass Epikureer zurückgezogen zu leben hätten (Λάθε βιώσας). Doch sieht Diogenes in der
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Verkündung von Epikurs Philosophie – in der Tradition des Sokrates (Plat. Gorg. 521d) – eine besondere Art von Politik (fr. 3 I,5ff. Smith; Roskam 2007 [*494: 132–144], Erler 2008 [*711]). Die didaktische Intention der Inschrift wird dadurch unterstrichen, dass sie wie ein aufgerollter Papyrus gestaltet ist. Jede Sektion ist in Kolumnen
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mit Silbentrennung und Interpunktion geschrieben. Dem Leser wird damit auf einem öffentlichen Platz ein gleichsam offenes Buch mit einem Curriculum epikureischer Lehre angeboten, dessen Hilfsangebote sich der Leser in gewissermaßen meditativer Weise zu eigen machen soll, wie es in einem Brieffragment der Inschrift nahegelegt wird (fr. 74 Smith). Zwar ist die ursprüngliche Gestaltung des Textes umstritten. Man darf jedoch davon ausgehen, dass der Text sieben (vgl. fig. 6 in Smith 1993 [*640: 76–108], vgl. Clay 1990 [*681: 2465ff.]) übereinander geordnete, horizontale Schriftreihen mit zahlreichen Abschnitten bot. Davon befindet sich unten (I) eine Epitome über epikureische Ethik (fr. 28–61 Smith), in der Diogenes über Glücksgüter, Tugend und Lust, die sogenannte Tetrapharmakos, die Klassifikation der Begierden und das Verhältnis Seele – Körper spricht. Noch unterhalb des EthikAbschnitts war eine Zeile in größeren Buchstaben mit Maximen aus den Hauptlehrsätzen Epikurs und anderen Sentenzen zu lesen. Diese bilden damit für den Leser optisch, aber auch inhaltlich Fundament und gleichsam Legitimation für Diogenes’ epikureische Abhandlungen. Über der Ethik-Abhandlung finden sich Ausführungen des Diogenes über epikureische Physik (fr. 1–27 Smith) (II), darüber Texte des Diogenes und Epikurs (fr. 97–116 Smith); weiter oberhalb
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des Physik-Abschnittes konnte man auf unterschiedlichen Reihen u. a. Briefe des Diogenes (fr. 62–67 Smith, fr. 68–74 oder 75 Smith) (III) oder Sentenzen (Smith 1993 [*640: 86ff.]) lesen, zu denen ein Brief Epikurs an seine Mutter gehört (fr. 125–126 Smith); den Abschluss nach oben bildet eine Abhandlung über die Probleme des Alters (‹De senectute›, fr. 137–179 Smith), die sich mit Klagen über angebliche Nachteile des Alters wie Untätigkeit, Krankheit, Verlust der Freuden und Todesnähe kritisch auseinandersetzt. Wie Epikur versteht Diogenes Philosophie als Vademecum für seine Mitbürger und für Passanten aus aller Welt (fr. 30 II,3–11 Smith). Diogenes meint, die meisten Menschen seien von der Pest des Unwissens über die wahre Natur der Dinge (fr. 3 IV,4ff. Smith), von Furcht vor den Göttern, vor dem Tod und generell vor allem Fremden befallen. Mit seiner Inschrift möchte Diogenes den Lesern Orientierungshilfe für das Leben und Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Zu diesem Zweck sollen die Texte in einer bestimmten Reihenfolge gelesen und gelernt werden: Die Abhandlung über Physik (II) ist als Einleitung für die gesamte Inschrift gedacht (fr. 2–3 Smith); dann sollen die Texte über Ethik (I), die Briefe (III), die Leitsätze Epikurs (Basis), dann die weiteren Texte bis hin zur Abhandlung über das Alter gelesen werden.
2. INHALT
In der Abhandlung über Physik sucht Diogenes eine Position, wie sie z. B. Sokrates in Platons Dialog ‹Phaidon› vertritt, zu widerlegen: dass Physiologie nutzlos sei (fr. 1–27 Smith). Er setzt sich kritisch mit Heraklit und Demokrit auseinander, behandelt die sinnliche Wahrnehmung und diskutiert den Ursprung menschlichen Lebens und das Entstehen von Zivilisation und Kultur. Dabei streift er Probleme der Astronomie, Meteorologie, Religion und Theologie und vertritt die These, dass nicht die Epikureer, sondern Philosophen wie Protagoras als Atheisten anzusehen seien. Im ethischen Traktat (fr. 28–61 Smith) erinnert Diogenes eindrücklich daran, dass Glück (εὐδαιμονία) das Ziel menschlichen Strebens ist. Diese Eudaimonie wird freilich nicht durch Tugend, sondern mit Hilfe der Lust gewonnen. Deshalb wird untersucht, wie Lust zu erreichen ist. Als besonderes Hindernis wird die Furcht vor Göttern, vor dem Tod oder vor Schmerz ausgemacht und zugleich vor unbegrenzten Begierden gewarnt. Dabei werden Vorstellungen wie die der Seelenwanderung (μετεμψύχωσις) kritisch diskutiert und in Zusammenhang mit der Frage von Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen das Problem der Divination thematisiert. Bemerkenswert ist ein Fragment, in dem Diogenes ein epikureisches ‘Goldenes Zeitalter’ ankündigt, in dem Freundschaft und Gerechtigkeit herrschen und Ge-
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setze und Schutzburgen überflüssig sind (fr. 56 Smith). Diese Art epikureischer Utopie ist neu; sprachliche Anklänge erinnern an zeitgenössische Vorstellungen. Doch folgt Diogenes’ These konsequent der Grundlage von Epikurs Lehre. Im Traktat über das Alter (fr. 137–179 Smith) wendet sich Diogenes schließlich gegen Vorurteile junger Leser über das Alter. Homer belegt, dass der Verstand der Menschen auch im Alter aktiv bleibt. Alte Menschen seien zwar langsam wie Elefanten, gleichen diesen aber an Intelligenz. Interessant sind die Reste einiger Briefe des Diogenes an Freunde. Der Brief an Antipatros (fr. 62–67 Smith) erinnert formal und inhaltlich an Epikurs Brief an Pythokles und diskutiert die unbegrenzte Anzahl von Welten im Universum. Weitere Briefe haben epistemologischen, ethischen und biographischen Inhalt. In einem wird Epikur als Herold bezeichnet, der völlige Rettung brachte (fr. 72 III,13 Smith). Wir erfahren sogar von einer Rettung Epikurs bei einem Schiffsunglück (fr. 72 Smith). Besonders eindrucksvoll sind die Reste eines bislang unbekannten Briefes des noch relativ jungen Epikur an seine Mutter (fr. 125–126 Smith). Anlass für die Korrespondenz ist ein Traum, der seine Mutter geängstigt hat. Offenbar reagiert Epikur auf ein Schreiben seiner Mutter, in dem diese ihrer Sorge um den geistigen Werdegang ihres Sohnes Ausdruck verliehen hat (fr. 125 II,9ff. Smith). Der Philosophiestudent Epikur versucht seiner Mutter die Sorge zu nehmen, er treibe etwas Nutzloses und folge falschen Propheten. Wichtig sind zwei von M. Smith kürzlich gefundene und veröffentlichte Fragmente mit theologischem Inhalt (fr. NF 126 und 127; Smith 1998 [*642]; jetzt auch Smith 2003 [*643: 74–84 mit Kommentar]: dazu Hammerstaedt, Smith 2014 [*651: 263–270]). In ihnen wird die These vertreten, dass der Glaube an die Götter keineswegs die Gerechtigkeit der Menschen garantiere, wie dies oft behauptet werde. Denn, so wird argumentiert, Menschen, die Gerechtigkeit nicht achten, werden auch durch Furcht vor den Göttern von Unrecht nicht abgehalten. Weise Menschen hingegen sind gerecht, nicht weil sie die Götter fürchten, sondern weil ihr Handeln von Vernunft geleitet wird. Gewöhnliche Menschen schließlich werden sich gern an Gesetze halten. Als Beleg für die Behauptung, dass die Götter nicht im Stande seien, Ungerechtigkeit zu verhindern, verweist Diogenes auf Juden und Ägypter, die sich trotz ihres verbreiteten Götterglaubens ganz und gar schändlich verhielten (dazu Smith 2000 [*704: 69–70]). Die Position, dass der Weise kein Gesetz braucht und Moralität vom Gesetz unabhängig ist, erinnert an Platon. Inhaltlich erweist sich Diogenes als profunder Kenner epikureischer Lehre. Doch kennt er sich auch im philosophischen Umfeld Epikurs aus, bei den Vorsokratikern, bei Pythagoras und Empedokles, bei Diagoras, Theodoros, Protagoras, bei Sokrates, Platon und Aristoteles und vor allem bei Demokrit. In seiner Inschrift tritt uns Diogenes nicht als ein origineller Denker entgegen. Auch wenn man bisweilen Konvergenzen mit zeitgenössischen Sichtweisen der Zweiten Sophistik vermuten kann, sind Diogenes’ Ausführungen doch alle als ‘orthodox’ epikureisch zu bezeichnen. Seine Inschrift ahmt in Form und Inhalt in jeder Hinsicht seinen Meister nach. Dennoch sollte dieser Mangel an Originalität Diogenes keineswegs zum Vorwurf gemacht werden. Allen Epikureern geht es
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vornehmlich darum, getreue Exegeten ihres Meisters zu sein. Eben dies aber ist Diogenes auf bemerkenswerte Weise gelungen, wobei wir ihm neue Informationen und die Erkenntnis verdanken, dass der Epikureismus auch im 2. Jahrhundert n. Chr. eine lebendige Macht war und auch deshalb entsprechende Berichte, wie wir sie zum Beispiel bei Lukian finden, ernst zu nehmen sind.
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V. SKEPSIS IN DER KAISERZEIT § 26. Überblick Damian Caluori (1.) und Richard Bett (2.)
1. Akademische Skepsis. – 2. Pyrrhoneische Skepsis.
1. Akademische Skepsis Die akademische Skepsis nahm ihren Anfang mit der skeptischen Wende in nerhalb von Platons Akademie im 3. Jahrhundert v. Chr. und blühte während des Hellenismus. Die Akademie als Institution hörte wohl im 1. Jahrhundert v. Chr. zu existieren auf (zur akademischen Skepsis im Hellenismus siehe Grundriss, An tike IV, II Kap. 5), was jedoch nicht das Ende des akademischen Skeptizismus be deutete. Es gab noch im 2. Jahrhundert n. Chr. Philosophen, die sich als Akade miker bezeichneten oder als solche bezeichnet wurden. Bei Epiktet findet sich ein Traktat mit dem Titel ‹Gegen die Akademiker› (Πρὸς τοὺς Ἀκαδημαϊκούς: Epict. 1,5; cf. 1,27; 2,20), der sich nach Glucker 1978 [*481: 293–295] gegen zeit genössische Akademiker richtet (siehe auch Cuvigny 1969 [*726: 563–564]). Galen erwähnt eine Gruppe von neueren Akademikern (οἱ νεώτεροι), die er von den äl teren Akademikern der hellenistischen Zeit abgrenzt (Gal. Opt. doctr. 1,1; dazu Ioppolo 1993 [*729: 188–190]). Ob es sich dabei um eine Wiederbelebung oder um die Weiterführung der hellenistischen akademischen Skepsis handelt, ist aufgrund der Quellenlage zwar nicht mit letzter Sicherheit zu entscheiden. Eine kontinuier liche Tradition vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. ist jedoch weder nachweisbar noch aufgrund dessen, was über das Ende der Akademie als Institution im 1. Jahrhundert v. Chr. bekannt ist, wahrscheinlich (Glucker 1978 [*481], Sedley 1981 [*727], Barnes 1989 [*728], Brittain 2001 [*735]). Das Wieder aufleben der akademischen Skepsis scheint nicht von Bestand gewesen zu sein: Nach Galen findet in der Antike keine Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Akademikern mehr statt. Uns sind zwei kaiserzeitliche Philosophen namentlich bekannt, die sich Aka demiker nannten: der Platoniker Plutarch von Chaironeia und sein Schüler Favo rinos von Arelate (zu Plutarch siehe § 52.; zum Verhältnis des Mittelplatonismus zur akademischen Skepsis Opsomer 1998 [*734]). Favorinos wurde im letzten Viertel des 1. Jahrhunderts in Arelate (dem heutigen Arles) geboren. Zu seinen Lehrern zählte neben Plutarch der Philosoph und Rhetor Dion von Prusa, seiner seits Schüler des Stoikers Musonius (Philostr. Vit. soph. 484, 492). Außerdem
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hörte Favorinos Epiktet (Gell. 17,19,1. 5). Ob er auch sein Schüler war, bleibt frag lich (Colardeau 1903 [*725: 10], Barigazzi 1966 [*718: 4–5]). Später hat Favorinos eine Streitschrift ‹Gegen Epiktet› verfasst (Πρὸς Ἐπίκτητον: Gal. Opt. doctr. 1,2), in welcher er Plutarchs Sklaven Onesimos Epiktet angreifen lässt. Galen hat auf diese Schrift mit der (nicht erhaltenen) ‹Verteidigung von Epiktet gegen Favori nos› (῾Υπὲρ Ἐπικτήτου πρὸς Φαβωρῖνον) reagiert (Gal. Libr. propr. II,120,6–7 SM). Zu dieser Auseinandersetzung siehe Opsomer 1997 [*733]. Favorinos’ großes Interesse an Erkenntnistheorie zeigt sich daran, dass er drei Bücher ‹Über die kataleptische Vorstellung› (Περὶ τῆς καταληπτικῆς φαντασίας) verfasst und dafür argumentiert hat, dass es solche, für die stoische Erkenntnis theorie zentrale, Entitäten nicht gibt (Gal. Opt. doctr. 1,3). Eine weitere Schrift trug den Titel ‹Plutarch oder über die akademische Haltung› (Πλούταρχος ἢ περὶ τῆς Ἀκαδημαϊκῆς διαθέσεως), was darauf hindeutet, dass er seinen akademischen Skeptizismus von Plutarch gelernt hat. Mit Plutarch scheint Favorinos freund schaftlich verbunden gewesen zu sein. Im Lamprias-Katalog, dem Werkverzeich nis Plutarchs, findet sich als Nr. 132 ein Brief Plutarchs an Favorinos über die Freundschaft. Plutarch lässt Favorinos außerdem in seinen ‹Quaestiones conviva les› (Συμποσιακά) als Redner auftreten und widmet ihm die (erhaltene) Schrift ‹Über das ursprüngliche Kalte› (‹De primo frigido›, Περὶ τοῦ πρώτως ψυχροῦ). Favorinos starb zwischen 143 (Gell. 2,26,1) und 176 (Luk. Eun. 7; zu Favorinos’ Leben und Werk siehe Colardeau 1903 [*725], Barigazzi 1966 [*718: 3–85], Bowie 1997 [*731], Holford-Strevens 1997 [*730]). Von Favorinos ist kein philosophisches Werk e rhalten, weshalb sich seine dies bezüglichen Ansichten nur aus Fragmenten und Testimonien rekonstruieren las sen (gesammelt von Barigazzi 1966 [*718] und Amato 2005, 2010 [*719]). Die Hauptquelle für seine erkenntnistheoretische Position ist Galens ‹Über die beste Unterweisung› (‹De optima doctrina›, Περὶ τῆς ἀρίστης διδασκαλίας). Obschon Favorinos in den Quellen als Akademiker bezeichnet wird (Luk. Eun. 7; Gell. 20,1,21; Gal. Opt. doctr. 1,2), wurde er in der älteren Forschung zumeist als Pyrrhoneer betrachtet (Ausnahme: Colardeau 1903 [*725: 57–72]), und zwar vor allem aufgrund der Tatsache, dass er ein zehn Bücher umfassendes Werk über die zehn pyrrhoneischen Tropen verfasst hat (Gell. 9,5,5; D. L. 9,87; zu den Tro pen siehe unten). Seit Glucker 1978 [*481: 280–285] wird Favorinos jedoch in der Forschung den Quellen entsprechend den Akademikern zugerechnet (Ioppolo 1993 [*729: 184–185], Holford-Strevens 1997 [*730: 212–217], Opsomer 1998 [*734: 221–222]). Trotzdem ist sein Verhältnis zum Pyrrhonismus nicht restlos geklärt. Gemäß Philostrat (Vit. soph. 491) spricht Favorinos nämlich den Pyrrhoneern die Fähigkeit zu urteilen (δύνασθαι δικάζειν) nicht ab und verzichtet damit ausdrück lich auf das sogenannte ‘Apraxie’-Argument, das nicht nur ein Standardargument gegen die pyrrhoneische Skepsis ist, sondern auch als wichtiges Unterscheidungs merkmal zwischen akademischer und pyrrhoneischer Skepsis gilt (Ioppolo 1993 [*729: 184–185], Holford-Strevens 1997 [*730: 212–217]). Gemäß diesem Argu ment sind pyrrhoneische Skeptiker nicht fähig zu handeln, weil sie kein Kriterium besitzen, aufgrund dessen sie entscheiden können, wie zu handeln ist (siehe dazu unten § 27.). Akademische Skeptiker hingegen sind von diesem Argument nicht
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betroffen, weil sie ein Handlungskriterium besitzen: Sie folgen dem, was ihnen plausibel (πιθανόν) erscheint (siehe dazu Grundriss, Antike IV, II Kap. 5). Diese Haltung findet sich auch bei Favorinos (Gal. Opt. doctr. 1,2–3). Möglicherweise sieht Favorinos also den Unterschied zwischen Akademikern und Pyrrhoneern nicht in der Praxis, sondern vielmehr in der Theorie. Denn in der Theorie ent halten sich die Pyrrhoneer jeglichen Urteils, während die Akademiker mindes tens von Metrodor und Philon an auch hier dem folgen, was ihnen plausibel er scheint. Offenkundig hat Favorinos theoretische Ansichten gehegt. Zumindest in der Physik war er, wie wir von Plutarch erfahren, ein Anhänger von Aristoteles: «Zu meist ist er [sc. Favorinos] ein begeisterter Liebhaber von Aristoteles und schreibt dem Peripatos die größte Plausibilität zu» (τὰ μὲν ἄλλα δαιμονιώτατος Ἀριστοτέλους ἐραστής ἐστι καὶ τῷ Περιπάτῳ νέμει μερίδα τοῦ πιθανοῦ πλεῖστην: Plut. Quaest. conv. 734F). Daraus zu schließen, Favorinos sei dogmatischer Peripate tiker gewesen, wäre allerdings falsch. Vielmehr ist es durchaus mit seiner akade mischen Haltung konsistent, die peripatetische Physik für die plausibelste Natur erklärung zu halten und also auch in der Physik dem zu folgen, was ihm plausibel (πιθανόν) erscheint, ohne dogmatisch zu behaupten, dass sich die Dinge in Wirk lichkeit so verhalten, wie sie sich in der aristotelischen Physik darstellen. In traditionell akademischer Manier lehrt Favorinos, bei jeder Frage pro und contra zu argumentieren (εἰς ἑκάτερον ἐπιχείρησις). Diese Methode dient dazu, undogmatisch zu erforschen, welche Meinungen plausibel und welche nicht plau sibel sind (Gal. Opt. doctr. 1,1). Auf diese Weise wird es für den Skeptiker mög lich, theoretische Positionen (wie z. B. eine aristotelische Naturerklärung) gleich sam provisorisch anzunehmen, ohne sie jedoch dogmatisch zu vertreten. Die Tatsache, dass er ein Schüler von Plutarch war, lässt es als möglich erscheinen, dass sein Skeptizismus im ontologischen Status der sinnlich wahrnehmbaren Welt begründet ist. Platons ‹Timaios› folgend könnte er die dogmatische Position, dass über diese Welt höchstens plausible Aussagen gemacht werden können, dass es aber im strengen Sinne kein Wissen von ihr geben kann, vertreten haben (diese Position wird von Boys-Stones 1997 [*732] Plutarch zugeschrieben). Es gibt aller dings in keiner Quelle Hinweise auf eine platonische Position bei Favorinos. Von seinem Werk ‹Über Platon› (Περὶ Πλάτωνος), welches darüber möglicherweise Aufschluss gegeben hätte, ist nur der Titel bekannt (Suda IV,690,25 Adler s. v. Φαβωρῖνος). Daher lässt sich diese Annahme aufgrund dessen, was von Favori nos überliefert ist, weder beweisen noch widerlegen. 2. Pyrrhoneische Skepsis Sextus Empiricus ist der einzige griechische Skeptiker, sei es pyrrhoneischer, sei es akademischer Prägung, von dem wir vollständige Werke besitzen. Über die Geschichte des Pyrrhonismus zwischen Ainesidemos, der die Tradition des Phi losophierens «in der Weise Pyrrhons» (Phot. Bibl. cod. 2,12, 169b27) allem An schein nach begründet hat, und Sextus Empiricus ist kaum etwas bekannt (die
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Liste der ‘Pyrrhoneer’ bei Diogenes Laertios 9,115–116 unterliegt Zweifeln; siehe Glucker 1978 [*481: 351–354], Decleva Caizzi 1992 [*837: 177–179]). Diogenes Laertios (D. L. 9,88) berichtet, dass die Fünf Tropen des Pyrrhonismus auf einen Skeptiker namens Agrippa zurückgehen; Sextus Empiricus (P. H. 1,164) schreibt diese Fünf Tropen «den späteren Skeptikern» zu, im Gegensatz zu «den frühen Skeptikern», denen er die Zehn Tropen zuschreibt (P. H. 1,36). An einer anderen Stelle schreibt Sextus die Zehn Tropen Ainesidemos zu (Adv. math. 7,345). Agrippa muss daher irgendwann zwischen Ainesidemos und Sextus gelebt haben. Diogenes erwähnt außerdem einen Skeptiker namens Theodosios (D. L. 9,70), der ein Werk Σκεπτικὰ κεφάλαια (‹Summe des Skeptizismus›) geschrieben habe, in dem er (im Gegensatz zu anderen Vertretern des Pyrrhonismus) argumentierte, dass die Skepsis nicht pyrrhoneisch genannt werden sollte (zur Bedeutung dieser Aussage siehe Barnes 1992 [*836: 4283–4289]). Galen erachtet den Pyrrhonismus zu seiner Zeit zwar noch als aktuell (siehe z. B. Gal. Libr. propr. XIX,40 K; Diff. puls. VIII,711 K; Praen. XIV,628 K), aber seine abschätzigen Bemerkungen über den Pyrrhonismus bieten uns keine feste Basis für die Rekonstruktion seiner Ge schichte. Gemäß Diogenes (D. L. 9,116) hatte Sextus einen Schüler namens Sator ninos. In unseren Quellen wird kein späterer Pyrrhoneer aus der Antike erwähnt. Neben den Schriften von Sextus Empiricus ist unsere einzige Quelle von Ge wicht der kurze Abriss über die pyrrhoneische Philosophie in Diogenes’ ‹Leben des Pyrrhon› (D. L. 9,74–108), der eindeutig aus einer an Ainesidemos an schließenden Phase der pyrrhoneischen Tradition stammt. Die Werke von Sextus wurden in den letzten Jahren in eine Reihe moderner Sprachen übersetzt und in tensiv erforscht und kommentiert. Seit den grundlegenden Arbeiten von Janáček (siehe insb. 1948 [*807] und 1972 [*809]) herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass sich Sextus in hohem Maße auf frühere Quellen stützt. Das besagt jedoch nicht, dass seine Werke ohne philosophischen Wert sind oder dass er zu originellen Beiträgen zur Philosophie unfähig war. Im Gegensatz zur älteren For schung tendiert die neuere Sekundärliteratur vielmehr dazu, sowohl den histori schen als auch den philosophischen Wert seiner Werke zu betonen. Abschnitt 2. aus dem Englischen übersetzt von Damian Caluori.
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II. Fortführung der hellenistischen Schulen
§ 27. Sextus Empiricus Richard Bett
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Sextus Empiricus als Person bleibt für uns weitgehend im Dunkeln. Es ist keine Biographie über ihn erhalten, und soweit bekannt, wurde auch nie eine geschrie ben. Was wir aus seinen Werken über sein Leben erfahren, ist ausgesprochen dürf tig. Immerhin geht aus ihnen hervor, dass er Arzt war (P. H. 2,238; Adv. math. 1,260). Sein Beiname ‘Empiricus’ sowie einige antike Zeugnisse (D. L. 9,116; [Galen] Int. XIV,683K; Anecd. Par. 1,395 Kramer) legen es nahe, in ihm ein Mit glied der empirischen Ärzteschule zu sehen. Dies wäre keineswegs überraschend, denn mehrere andere Empiriker scheinen entweder Pyrrhoneer gewesen zu sein oder zumindest dem Pyrrhonismus nahe gestanden zu haben (siehe die Texte in Deichgräber 21965 [*747: 40–41]). In einem vieldiskutierten Abschnitt (P. H. 1,236–241) scheint sich Sextus zwar vom Empirismus zu distanzieren, indem er behauptet, der Pyrrhonismus habe mehr mit der konkurrierenden Methodischen Schule gemein. Möglicherweise will er aber den Skeptizismus nur von einer spe zifischen Form des Empirismus abgrenzen (Frede 1987 [*821]). Darüber hinaus gibt es kaum gesicherte Informationen über Sextus’ Leben. Die meisten Forscher datieren ihn ins 2. Jahrhundert n. Chr. Sextus erwähnt jedoch keine sicher datierbare Person nach Kaiser Tiberius (P. H. 1,84). Wie bereits bemerkt, wird er von Diogenes Laertios erwähnt, aber die Lebensdaten von Dio genes sind selbst schwer zu bestimmen. Außerdem wird Sextus auch in der ps.- galenischen ‹Einführung oder Arzt› erwähnt. Falls dieser Text tatsächlich, wie argumentiert wurde, zwar nicht aus Galens Feder stammt, jedoch zu seinen Leb zeiten entstanden ist (Decleva Caizzi 1993 [*841: 329–330]), würde dies zumindest mit der üblichen Datierung von Sextus übereinstimmen. Was den Ort oder die Orte seines Lebens und Wirkens betrifft, gibt es viele einander widersprechende Angaben. Einige Hinweise in seinem Werk scheinen darauf hinzudeuten, dass sich Sextus während der Abfassung in der einen oder anderen namentlich erwähnten Stadt befindet bzw. nicht befindet. Aber da Sex tus in seinen Werken ausgiebig Gebrauch von früheren pyrrhoneischen Quellen macht, die für uns verloren sind, ist es unmöglich, Gewissheit darüber zu erlan gen, ob Sextus diese Ortsangaben nicht unverändert aus den Schriften seiner Vor gänger kopiert hat.
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§ 27. Sextus Empiricus (Bibl. 250–253)
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Obschon er nicht früher als Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. gelebt haben kann, bezieht er sich nirgends unzweifelhaft auf einen Philosophen, der später als im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat. Die meisten Philosophen, die er dis kutiert, gehören in die hellenistische oder eine frühere Zeit. Dies lädt zur Vermu tung ein, dass Sextus von den philosophischen Hauptströmungen seiner Zeit iso liert war, wo und wann genau er auch immer gelebt haben mag. 2. WERKE Von Sextus’ Schriften sind insgesamt vierzehn Bücher, die zu drei verschiedenen Werken gehö ren, überliefert. Der ‹Grundriss des Pyrrhonis mus› (Πυρρώνειοι ὑποτυπώσεις: P. H.) besteht aus drei Büchern. Im ersten Buch stellt Sextus den Pyrrhonismus ganz allgemein dar. Im zweiten und dritten Buch diskutiert er die Ansichten, die ver schiedene nichtskeptische Philosophen in den drei als kanonisch anerkannten Gebieten der Philo sophie (Logik, Physik und Ethik) vertreten haben. Von einem weiteren Werk sind fünf Bücher er halten, nämlich zwei ‹Gegen die Logiker› (Πρὸς λογικούς), zwei ‹Gegen die Physiker› (Πρὸς φυσικούς) und eines ‹Gegen die Ethiker› (Πρὸς ἠθικούς). Dieses Werk behandelt im Großen und Ganzen dieselben Themen wie P. H. 2–3, jedoch viel ausführlicher. Es ist klar, dass es ursprünglich auch eine allgemeine Diskussion des Pyrrhonis mus enthielt, welche aber nicht erhalten ist. Denn der erste Satz von ‹Gegen die Logiker› bezieht sich auf eine eben abgeschlossene allgemeine Dis kussion der pyrrhoneischen Skepsis, die P. H. 1 entspricht (Janáček 1963 [*808]). Blomqvist 1974 [*810] hat überzeugend dargelegt, dass das gesamte Werk ursprünglich aus zehn Büchern bestand. Wenn dies zutrifft, dann wird der verlorene allge meine Teil fünf Bücher umfasst haben. Sextus selbst bezieht sich gelegentlich auf das gesamte Werk mit dem Titel ‹Skeptische Abhandlungen› (Σκεπτικὰ ὑπομνήματα: Adv. math. 7,29, cf. 1,26; 2,106; 6,52; siehe auch D. L. 9,116 und Blomqvist 1974 [*810]). Auch ein drittes Werk, bestehend aus sechs Büchern, ist vollständig erhalten. Inhaltlich unter scheidet es sich wesentlich von den zwei anderen Werken. Nach einer kurzen Einführung (Adv. math. 1,1–8) wird es mit einem Angriff auf die Möglichkeit des Lehrens und Lernens im Allge meinen eröffnet (Adv. math. 1,9–40). Danach wird in jedem Buch ein spezifisches Wissensgebiet an gegriffen. Der Reihe nach werden Grammatik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astrologie und Musik behandelt. Zusätzlich zu den erhaltenen er
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wähnt Sextus als eigene Werke: ‹Medizinische Ab handlungen› (Ἰατρικὰ ὑπομνήματα: Adv. math. 7,202, cf. Adv. math. 1,61) und ‹Über die Seele› (Περὶ ψυχῆς: Adv. math. 6,55; 10,284). In den Handschriften herrscht eine gewisse Verwirrung über die Beziehungen zwischen den erhaltenen Werken. So wird das Werk über die speziellen Wissensgebiete und die unvollständig erhaltene Abhandlung zusammen als ein Werk be handelt und mit dem Titel ‹Adversus mathemati cos› (Πρὸς μαθηματικούς, ‹Gegen die Gelehrten›), versehen. Es ist jedoch aufgrund der ersten und der letzten Zeilen des sechs Bücher umfassenden Werks über die speziellen Wissensgebiete (Adv. math. 1,1; 6,68) klar, dass dieser Titel nur für die ses Werk vorgesehen war (und dass es tatsächlich am Ende des sechsten Buches seinen Abschluss findet). ‹Gegen die Logiker›, ‹Gegen die Physiker› und ‹Gegen die Ethiker› sind keine Fortsetzung davon, sondern Teil eines anderen, gänzlich ver schiedenen Werks. Aufgrund der Verwirrung in den Handschriften hat sich jedoch die Praxis ein gebürgert, auf ‹Gegen die Logiker› mit der Ab kürzung ‘Adv. math. 7–8’, auf ‹Gegen die Physi ker› mit ‘Adv. math. 9–10’, und auf ‹Gegen die Ethiker› mit ‘Adv. math. 11’ zu verweisen. Wie oben bemerkt, behandelt P. H. 2–3 im We sentlichen dasselbe wie Adv. math. 7–11. An vielen Stellen ist die Argumentation und sogar die Spra che in beiden Werken so ähnlich, dass daraus ge folgert werden kann, dass eines der beiden Werke eine überarbeitete Fassung des anderen ist. Üblicherweise wird angenommen, dass P. H. das früheste der drei Werke sei, gefolgt von Adv. math. 7–11 und schließlich von Adv. math. 1–6. Gemäß dieser Ansicht ist Adv. math. 7–11 die überarbei tete und erweiterte Fassung von P. H. 2–3. Rück bezüge zeigen deutlich, dass Adv. math. 7–11 frü her als Adv. math. 1–6 einzuordnen ist (Adv. math. 1,35; 3,116). Das traditionelle Argument dafür, dass P. H. wiederum Adv. math. 7–11 vorausgehe, basierte auf einem vermeintlichen Rückbezug auf P. H. in Adv. math. 7,1. Janáček 1963 [*808] hat nun
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aber nachgewiesen, dass sich diese Stelle auf die verlorene allgemeine Abhandlung über den Skep tizismus bezieht, die Adv. math. 7–11 vorausgegan gen war. Janáček 1972 [*809] hat trotzdem weiter hin behauptet, dass P. H. das früheste Werk sei, nun aber aufgrund von rein stilistischen Kriterien (siehe auch Janáček 1963 [*808: 277]). Die Resul tate seiner stilistischen Studien wurden im Allge meinen anerkannt (siehe z. B. Annas 1993 [*840: 360 Anm. 24], Spinelli 1995 [*755: 19]). Es wurde allerdings kürzlich teilweise aufgrund eines Ver gleichs von Parallelstellen in den zwei Werken dafür argumentiert, dass Adv. math. 11 dem ethi schen Teil von P. H. 3 vorausgeht (Bett 1997 [*757], vor allem xxiv–xxxi, 257–271 sowie 274–276 für eine Kritik von Janáčeks stilistischen Argumen ten). Wenn man annimmt, dass die zwei Werke je als Ganze zu verschiedenen Zeiten entstanden sind – und dies ist zumindest sehr wahrscheinlich,
wenn man die stilistische Einheit eines jeden der beiden Werke in Betracht zieht –, dann folgt dar aus, dass Adv. math. 7–11 früher ist als P. H. und dass das letztere eine überarbeitete und gekürzte Fassung des ersteren ist. Aufgrund der Tatsache, dass sich die Werke von Sextus stark auf frühere Schriften beziehen, sind zwar Schlüsse über Ent wicklungen in Sextus’ Philosophie riskant, wenn es aber philosophische Unterschiede zwischen P. H. und Adv. math. 7–11 gibt, dann ist die Frage der re lativen Chronologie von mehr als akademischem Interesse. Wenn schließlich P. H. nach Adv. math. 7–11 entstanden ist, dann ist die Beziehung zwi schen P. H. und Adv. math. 1–6 nicht mehr klar. Bett 1997 [*757: insb. 266–270] versucht auf der Basis von Parallelstellen zu zeigen, dass P. H. auch später als Adv. math. 1–6 ist. In diesem Fall reichen die Belege jedoch nicht aus, die Frage endgültig zu entscheiden.
3. LEHRE
1. Überblick über die pyrrhoneische Skepsis. – 2. Anwendungen der pyrrhoneischen Methode. – 3. Sextus’ Angriff auf die speziellen Wissensgebiete. – 4. Eine ältere Variante des Pyrrhonismus?.
1. Überblick über die pyrrhoneische Skepsis Die klarsten allgemeinen Bemerkungen über die Natur des pyrrhoneischen Skeptizismus finden sich in P. H. 1. Der wahrscheinlich wichtigste Satz im Buch ist der folgende (1,8): «Skeptizismus ist eine Fähigkeit, Dinge einander gegenüber zustellen, auf welche Weise sie auch erscheinen und gedacht werden mögen, eine Fähigkeit, von der her wir, weil den je gegensätzlichen Gegenständen und Argu menten gleiche Kraft (ἰσοσθένεια) zukommt, zunächst zur Urteilsenthaltung (ἐποχή) gelangen und anschließend zur Gemütsruhe (ἀταραξία).» Eine Analyse der pyrrhoneischen Skepsis, wie sie in den meisten von Sextus’ Werken dargestellt ist, beginnt am besten mit diesem Satz. Sextus bezeichnet den Skeptizismus als eine Fähigkeit (δύναμις). Er ist weder eine Theorie noch eine Lehre. Wäre er dies, würde er seinen eigenen Kernpunkt, die Urteilsenthaltung, verletzen. Vielmehr bedeutet ein Skeptiker zu sein, sich auf ein bestimmtes Verfahren zu verstehen, das regelmäßig ein bestimmtes Ergebnis erzielt. Sextus behauptet nicht, dass man sich des Urteils enthalten solle oder dass es das Beste sei, dies zu tun. Er sagt einem nur, wie man das macht und was das Ergebnis davon sein wird. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich Sextus der Wichtigkeit bewusst ist, Selbstwiderlegung zu vermeiden (wenigstens Fälle von Selbstwiderlegung, die zu eigener Inkonsistenz führen. Dafür, dass Sextus in
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estimmten Zusammenhängen Selbstwiderlegung begrüsst, siehe McPherran b 1987 [*822]). Das Vorgehen ist dreistufig. Erstens sammelt man gegensätzliche Argumente oder Vorstellungen über ein beliebiges Thema. Zweitens, nachdem man diese ge gensätzlichen Argumente oder Vorstellungen miteinander kontrastiert hat, ent deckt man, dass sie «gleiche Kraft» (ἰσοσθένεια) besitzen. Kein Argument und keine Vorstellung veranlassten einen, dieses Argument oder diese Vorstellung eher zu akzeptieren als irgendein anderes bzw. irgendeine andere. Angesichts der «gleichen Kraft» bleibt als einzige mögliche Reaktion die Urteilsenthaltung: Man nimmt davon Abstand, sich irgendeine der alternativen Positionen zum Thema zu eigen zu machen. Wenn man dieses Verfahren ganz allgemein bei jedem belie bigen Thema, auf das man stösst, anwendet, dann resultiert daraus eine allge meine Urteilsenthaltung. Drittens wirkt sich diese Urteilsenthaltung praktisch aus: Sie führt zu ἀταραξία, Gemütsruhe. Dies, sagt Sextus (P. H. 1,12; cf. 27), ist das eigentliche Ziel, das Philosophen im Allgemeinen, darunter auch diejenigen, die schließlich Skeptiker werden, an allererster Stelle wohl angestrebt haben. Es stellen sich sehr viele Fragen in Bezug auf diese Darstellung, von denen Sex tus einige in der Diskussion beantwortet, die dieser einführenden Beschreibung des skeptischen Vorgehens folgt. Einige der wichtigsten Fragen sind folgende: 1) Warum ist Sextus so zuversichtlich, dass sich Urteilsenthaltung unweigerlich als Resultat aus der Gegenüberstellung von gegensätzlichen Argumenten ein stellt? Hält man nicht oft eine bestimmte Theorie oder Vorstellung weiterhin für überzeugender als andere, auch wenn man eine Reihe von Alternativen zur Kennt nis genommen hat? Vielleicht würde Sextus als Antwort wiederholen, dass es bei der Skepsis um den Besitz einer bestimmten Fähigkeit geht, nämlich um die Fähigkeit, «gleiche Kraft» zwischen konkurrierenden Alternativen zu erzeugen. Dies könnte wiederum den Vorwurf der Unredlichkeit hervorrufen: Ist der Skeptiker willens, die Evidenz zu manipulieren oder rhetorische Täuschungen zu benutzen, um die geforderte «gleiche Kraft» zu erzeugen? Sextus kann nicht voll ständig von diesem Vorwurf befreit werden. Seine eigenen Argumente sind oft entweder irreführend oder verlieren zumindest ihre Überzeugungskraft voll ständig, wenn man sie genau studiert. In der Praxis führen Sextus’ Argumente jedoch häufig rasch auf eine Meta stufe. Er stellt sich vor, dass sich irgendein nichtskeptischer Philosoph von der ein fachen Gegenüberstellung von gegensätzlichen Alternativen nicht beeindrucken lässt und weiter darauf beharrt, dass eine dieser Alternativen korrekt ist. Sextus fragt diesen Gegner dann, welchen Beweis er für die Richtigkeit dieser Alternative habe oder auf welchem Kriterium seine Behauptung beruhe, dass diese Alterna tive die korrekte sei. Auf diese Weise verlagert sich die Diskussion auf die Natur von Beweisen oder von Kriterien im Allgemeinen. Wenn der Begriff des Bewei ses oder eines Wahrheitskriteriums selbst Schwierigkeiten bereitet, dann kann diese Tatsache dazu verwendet werden, das Vertrauen von jemandem zu unter graben, der sich implizit oder explizit auf einen Beweis oder auf ein Kriterium als Fundament für eine Theorie oder Lehre stützt. Diese Methode hat zumindest das Potenzial, die obige Schwierigkeit anzugehen, auch wenn Sextus sie nicht immer
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zufriedenstellend anwendet. Jedenfalls zeigt die Tatsache, dass Sextus häufig zu dieser Methode Zuflucht nimmt, dass er sich dieser Schwierigkeit wohl be wusst ist. Sextus ist sich auch darüber im Klaren, dass die Art und Weise einer skepti schen Argumentation je nach Gesprächspartner verschieden sein muss (siehe insbesondere P. H. 3,280–281). Von den vorgängigen Überzeugungen und intel lektuellen Bindungen der Zuhörer hängt es nämlich ab, wie man einen mentalen Zustand herbeiführt, bei welchem dem Zuhörer keine alternative Theorie attrak tiver erscheint als irgendeine andere. Vor allem Philosophen (welche die primären Adressaten von Sextus’ Schriften zu sein scheinen) brauchen eine andere Behand lung als Nichtphilosophen. Skeptische Argumente werden auch hier als Werk zeuge betrachtet, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. 2) Im Hintergrund der vorangehenden Diskussion steht eine andere wichtige Frage: Wieweit genau erstreckt sich die skeptische Urteilsenthaltung? Mit ande ren Worten: Welche Arten von Meinung kann einem Skeptiker zugestanden wer den, wenn er überhaupt Meinungen haben kann? Sextus’ Antwort auf diese Frage ist nicht so hilfreich, wie es anfänglich scheint. Er unterscheidet zwei Weisen, in welchen man «Meinungen haben» (δογματίζειν) kann, und behauptet, dass es nur bei einer Weise wahr sei, dass der Skeptiker keine «Meinungen hat» (P. H. 1,13). Es ist nicht wahr, wenn «Meinung» (δόγμα) bloß «etwas zu billigen» (εὐδοκεῖν τινι πράγματι) bedeutet. Man wird sich nicht weigern, seine eigene Erfahrung anzuerkennen, zum Beispiel die Erfahrung, dass einem heiß ist. Andererseits ist es wahr, dass der Skeptiker keine Meinungen hat, wenn «Meinung» bedeutet, «einem der unklaren Gegenstände, die in den Wissenschaften untersucht wer den, seine Zustimmung zu geben» (τήν τινι πράγματι τῶν κατὰ τὰς ἐπιστήμας ζητουμένων ἀδήλων συγκατάθεσιν). Eine Untersuchung des Wortes ‘δόγμα’ (Barnes 1982 [*816], gegen Burnyeat 1980 [*813]) zeigt, dass die zweite Be deutung eher dem ü blichen umgangssprachlichen Gebrauch entspricht und dass der Gebrauch von ‘δόγμα’ im ersten Sinn ein ungewöhnlich loser Gebrauch des Wortes ist. Dieser Schluss allein trägt freilich wenig dazu bei, Sextus’ Unterschei dung zu erhellen. Aufgrund des obigen Abschnitts gibt es keinen Zweifel: Der Skeptiker kann keine theoretischen Lehrsätze irgendwelcher Art vertreten. Es ist außerdem deut lich, dass er in irgendeiner Weise anerkennt, was von den Sinnen kommt. Es ist je doch unklar, ob dieses ‘Anerkennen’ darauf beschränkt ist, die Tatsache festzu stellen, dass man einen bestimmten Sinneseindruck hat (z. B. den Eindruck, dass ich jetzt am Tisch sitze und schreibe) oder ob es die Zustimmung zu der Tatsache involviert, dass ein bestimmter Sachverhalt wirklich der Fall ist (z. B. dass ich jetzt tatsächlich am Tisch sitze und schreibe). Gemäß letzterer, weiter gefassten Deu tung wäre es dem Skeptiker erlaubt, viele Meinungen zu haben, nämlich solche, die wir üblicherweise dem gemeinen Menschenverstand (‘common sense’) zu schreiben. Der Skeptiker würde sich also nur theoretischer Meinungen enthalten (Frede 1979 [*812], Brennan 1994 [*842]). Gemäß der anderen, engeren Deutung wäre der Skeptiker auf Aussagen über den Inhalt seiner eigenen Erfahrung be schränkt, ohne jedoch zu einer Meinung über die Beschaffenheit irgendeines
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egenstandes oder irgendeines Sachverhalts in der Welt verpflichtet zu sein (Bur G nyeat 1980 [*813] und 1984 [*818], Barnes 1982 [*816]). Zugunsten der weiter gefassten Deutung spricht die Tatsache, dass Sextus selten, falls überhaupt je, die Existenz von Gegenständen in Frage stellt. Wenn er konkrete Beispiele erörtert, dann geht es normalerweise um die wirkliche Natur der Gegenstände, die besprochen werden. Dies legt es nahe, dass er keine Pro bleme damit hat, die Existenz sowie die unmittelbar beobachtbaren Eigenschaf ten dieser Gegenstände anzuerkennen. Andererseits könnte man argumentieren (und man nimmt vielleicht an, dass Sextus selbst so argumentieren würde), dass die Meinung, dass ich jetzt an einem rechteckigen Tisch sitze, von gewissen ande ren, grundlegenderen Überzeugungen abhängt, zum Beispiel dass Raum und Zeit existieren und dass man angemessen darüber Auskunft geben kann (Burnyeat 1984 [*818]) oder dass man über ein angemessenes Wahrheitskriterium verfügt (Barnes 1982 [*816]). Möglicherweise sind Sextus’ Ausführungen nicht hinrei chend, um endgültig festzustellen, welche Interpretation die richtige ist, oder viel leicht ist seine Position in sich selbst nicht stimmig. Zur Zeit herrscht diesbezüg lich in der Forschung kein Konsens. Eine verwandte Frage ist die, inwieweit Sextus glaubt, selbst für den gemeinen Menschenverstand und gegen die abstrakten theoretischen Erörterungen der Philosophen zu argumentieren. An einigen Stellen scheint er diese Haltung ein zunehmen (z. B. P. H. 2,102. 246. 354; 3,2. 151; Adv. math. 8,158; 9,49). In P. H. 1,30 wirft er jedoch den «gewöhnlichen Leuten» (ἰδιῶται), wahrscheinlich zusätzlich zu den Philosophen, vor, sie glaubten, gewisse Dinge seien von Natur aus gut und andere von Natur aus schlecht. Da aber, wie oben bemerkt, seine erklärten Geg ner meist die Philosophen sind, gibt es erneut kaum Belege, aufgrund derer man diese Frage entscheiden könnte. 3) Wie kann irgendjemand unter Verzicht auf δόγματα («Meinungen») handeln? Diese Frage wurde schon mehrere Jahrhunderte vor Sextus von den Stoikern an die skeptischen Akademiker der hellenistischen Zeit gerichtet. Sextus ist sich offensichtlich bewusst, dass er diese Frage beantworten muss. Die Schwierigkeit, sie zu beantworten, hängt offenkundig von den Antworten auf die vorhin betrach teten Fragen ab. Es ist viel schwieriger zu sehen, wie jemand in der Lage sein kann zu handeln, der gar keine Meinungen hat, als jemand, der nur keine theoretischen Meinungen hat. Sextus sagt, dass der Skeptiker sich bei seinen Entscheidungen und Handlun gen auf Erscheinungen stützt (P. H. 1,22). Er bezieht sich umstandslos auf diese als ‘Handlungskriterium’ des Skeptikers, macht jedoch klar, dass es sich um ein Kriterium ganz anderer Art handelt als diejenigen, welche die nichtskeptischen Philosophen benutzen, um festzustellen, wie sich die Dinge in Wirklichkeit ver halten. Er zählt vier hauptsächliche Arten von Erscheinungen auf (1,23–24): die Führung durch die Natur, die Notwendigkeit von Gefühlen, die Überlieferung von Gesetzen und Traditionen und der Unterricht in Fertigkeiten. Die ersten zwei kann man annähernd als natürlich bezeichnen. Je nachdem, welche Art Lebe wesen man ist, wird man bestimmte Bedürfnisse oder Antriebe erfahren, auf die dann eine Handlung folgen wird. Wenn man beispielsweise hungrig ist, dann wird
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man etwas essen. Dazu ist keine Meinung nötig. Die anderen zwei kann man annähernd als kulturell bezeichnen: Da man in einer bestimmten Weise erzogen und unterrichtet worden ist, ist man so disponiert, dass man sich in bestimmten Situationen auf eine bestimmte Art und Weise verhält. Wenn man beispielsweise in einer bestimmten religiösen Tradition erzogen worden ist, dann wird man an den religiösen Praktiken des überlieferten eigenen Glaubens teilnehmen. Oder wenn man eine bestimmte medizinische Ausbildung genossen hat, dann wird man vorgeschriebene Prozeduren befolgen, um Knochen ruhig zu stellen, Fieber zu be kämpfen und so weiter. Es ist wohl eher überraschend, dass angenommen wird, diese Tätigkeiten würden ohne unerwünschte δόγματα (Meinungen, was immer man genau darunter versteht) ausgeführt. Aber Gesetzen und Traditionen zu fol gen und die Fertigkeiten auszuüben, die man erlernt hat, erachtet Sextus als nichts anderes, als bestimmten überlieferten Verhaltensmustern zu folgen. Es gelingt Sextus also, den antiken Kritikern, die behauptet haben, es sei unmöglich, als Skeptiker zu leben, eine klare und informative Antwort zu geben. Ob es sich dabei um eine wünschenswerte oder gar bewundernswerte Lebensform handelt, ist eine andere Frage. Zum Beispiel: Wenn man den Gesetzen und Tradi tionen seiner Gesellschaft folgt (dafür siehe auch Adv. math. 11,166), bedeutet das nicht, dass man gedankenlos dem status quo anhängt? Oder allgemeiner: Be schneidet so ein absichtlich unreflektiertes Leben nicht die menschlichen Fähig keiten? Die antiken Kritiker scheinen sich mit solchen Einwänden nicht beschäf tigt zu haben. 4) Warum behauptet Sextus, Urteilsenthaltung resultiere in Gemütsruhe? Die Antwort lautet: Überzeugungen zu haben, und insbesondere Überzeugungen zu haben, die implizieren, dass gewisse Dinge von Natur aus gut und andere von Natur aus schlecht sind, führt zu ernsthafter seelischer Unruhe. Weil der Skepti ker diese Meinungen nicht hat, ist er auch von dieser Unruhe frei. Darauf weist Sextus sowohl in der Einleitungspassage von P. H. (1,25–30) als auch im Abschnitt über Ethik (3,235–238) hin. Er diskutiert dieses Thema auch in viel größerer Aus führlichkeit in ‹Gegen die Ethiker› (Adv. math. 11,110–167). Aus Gründen, die unten im Abschnitt 4 diskutiert werden, sollte man jedoch möglicherweise ‹Gegen die Ethiker› getrennt vom Rest von Sextus’ Werk behandeln. Der zentrale Gedanke ist derjenige, dass man sich außerordentlich um die Be schaffung und den Besitz von Gütern und um die Vermeidung und Befreiung von schlechten Dingen kümmern wird, wenn man davon überzeugt ist, dass gewisse Dinge von Natur aus gut und andere von Natur aus schlecht sind. Wenn es einem misslingt, die schlechten Dinge zu vermeiden oder sich von ihnen zu befreien, oder wenn es einem misslingt, die guten Dinge zu beschaffen oder zu behalten, hat das verheerende emotionale Auswirkungen. Wenn man gerade im Besitz von Gütern ist, dann ist man einerseits überschwänglich, weil man diese Dinge besitzt (was gemäß Sextus ein unerwünschter Gemütszustand ist), und andererseits von der Aussicht gepeinigt, dass man sie verlieren könnte. Wenn man jedoch über haupt keine Überzeugungen des Inhalts hat, dass gewisse Dinge von Natur aus gut bzw. schlecht sind, dann wird man gar keine so «intensiven» (σύντονοι) Gemütszustände haben und sich somit der Gemütsruhe erfreuen. Dies ist genau
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der Z ustand, in dem sich der Skeptiker befindet. Welchen Umfang die skeptische Urteilsenthaltung auch immer haben mag, es ist zumindest klar, dass sich der Skeptiker des Urteils über alle Behauptungen, welche die Natur der Dinge betref fen, enthält. Es ist nicht so, dass der Skeptiker glaubt, Behauptungen der Form ‘x ist von Natur aus gut’ seien falsch. Denn auch dies wäre eine dogmatische Mei nung. Vielmehr hat der Skeptiker schlichtweg keine Meinungen zu diesem Thema. Wie verhält es sich mit Überzeugungen, die andere Dinge als das Gute und das Schlechte betreffen? Bei seiner Beschreibung der skeptischen «Fähigkeit» zu Be ginn von P. H. (1,8) behauptet Sextus ganz allgemein, dass die Urteilsenthaltung Gemütsruhe hervorbringe. Einige weitere Abschnitte (P. H. 1,12. 26. 29. 31–34) weisen ebenfalls darauf hin, dass sich die Gemütsruhe einer allgemeinen Urteils enthaltung verdankt. Sextus erklärt aber nirgends, warum dem so sei. Überall, wo er die Frage diskutiert, warum der Skeptiker im Zustand der Gemütsruhe sei, kon zentriert er sich ausschließlich auf die Urteilsenthaltung bezüglich des Guten und Schlechten. Zwei Gründe dafür können jedoch ohne allzu große Schwierigkeiten erschlossen werden. Erstens sind Meinungen in anderen Bereichen der Philo sophie häufig mit Meinungen über Gutes und Schlechtes verknüpft. Es kann also sehr wohl sein, dass man sich auch von vielen Meinungen anderer Art befreien muss, um sicherzustellen, dass man keine Meinungen über Gutes und Schlechtes hat. Zweitens sagt Sextus, dass diejenigen Philosophen, die schließlich Skeptiker geworden sind, ursprünglich hofften, Gemütsruhe dadurch zu erlangen, dass sie die Wahrheit über die Dinge erführen (P. H. 1,12. 26). Wahrscheinlich waren sie dann beunruhigt, weil sie unsicher darüber waren, w elche ihrer Meinungen wahr und welche falsch waren. Ihre Pein würde jedoch beseitigt, wenn sie alle Meinun gen aufgäben, die ihnen diese störende Unsicherheit bescherten, das heisst, wenn sie sich ganz allgemein des Urteils enthielten. Sextus’ Allegorie des Malers Apel les (P. H. 1,28–29), der sein Ziel erreichte, indem er die Methode aufgab, die ur sprünglich dazu bestimmt war, das Ziel zu erreichen, deutet darauf hin, dass er sich die Sache in etwa so dachte. Gewiss, nicht nur die Pyrrhoneer hatten die Gemütsruhe zum Ziel. Aber Sextus erklärt, dass der Skeptiker viel besser in der Lage ist, dieses Ziel zu errei chen als die Anhänger irgendeiner nichtskeptischen philosophischen Richtung, wie z. B. die Epikureer. Es stellt sich daher die Frage, ob Sextus danach strebt, seine Gegner zum Skeptizismus zu bekehren. Das letzte Kapitel von P. H. (3,280– 281) scheint dies anzudeuten. Sextus beschreibt die Skeptiker als Philanthropen, die sich wünschen, die Dogmatiker (d. h. die nicht-skeptischen Philosophen) von ihrer Unbesonnenheit zu heilen. Dieser Beweggrund tritt in Sextus’ Werk jedoch kaum in Erscheinung. Er will zwar gewiss seinem Publikum erklären, wie man zum Skeptiker wird und wie man den Skeptizismus beibehält, wenn man ihn ein mal erworben hat, aber es gibt kaum Anzeichen dafür, dass es ihm wichtig ist, ob die Dogmatiker seiner Botschaft Aufmerksamkeit zollen. Damit stellt sich die allgemeinere Frage, wen Sextus als Publikum überhaupt im Auge hat. Dies bleibt, wie so vieles, was Sextus als Person, sowie was das Umfeld betrifft, in welchem er schrieb, weitgehend im Dunkeln (zur Art und Weise des pyrrhoneischen Inte resses für andere Leute siehe Annas 1993 [*840: 244–248]).
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2. Anwendungen der pyrrhoneischen Methode Was Sextus den «spezifischen» (εἰδικός: P. H. 1,5–6) Teil seiner skeptischen Schriften nennt – nämlich seine Prüfung der Lehren, welche die nichtskeptischen Philosophen in den als kanonisch anerkannten Gebieten der Philosophie vertre ten – kann weithin als einfache Anwendung der oben beschriebenen Methode betrachtet werden. Oft stellt Sextus die Ansichten, welche die Dogmatiker in die sen Gebieten vertreten, so zusammen, dass die Widersprüche zwischen ihnen klar hervortreten. An anderen Stellen liefert er eigene Argumente gegen irgend eine bestimmte dogmatische Lehrmeinung. Das erstrebte Ergebnis ist in beiden Fällen die «gleiche Kraft» der Argumente und daher Urteilsenthaltung über den in Frage stehenden Gegenstand. Diese Strategie kommt zur Anwendung in P. H. 2–3, Adv. math. 7–10 und vielleicht auch in Adv. math. 11 (siehe dazu jedoch unten Abschnitt 4). Auf ähnliche Weise stellt Sextus die verschiedenen Klassen von Tropen (d. h. die standardisierten Formen von skeptischen Argumenten) als Mittel dar, durch welche der Skeptiker Urteilsenthaltung herbeiführt (P. H. 1,31; 35). Die wichtigste Klasse von Tropen sind die Zehn Tropen (P. H. 1,36–163) und die Fünf Tropen (P. H. 1,164–177; zum Ursprung und zur relativen Chronologie dieser Tropen siehe oben § 26.2.). Die Zehn Tropen bestehen aus einer Vielzahl von Beispielen von gegensätzlichen Vorstellungen von Dingen, die in zehn Kategorien eingeteilt sind. Diese Gegensätze sind teilweise auf Unterschiede in den wahrnehmenden Sub jekten zurückzuführen (Wahrnehmungssubjekte können verschiedenen Arten angehören, unterschiedliche körperliche Beschaffenheit aufweisen, verschiede nen Alters, in einem unterschiedlichen Gesundheitszustand sein usw.). Teilweise basieren sie auf unterschiedlichen Wahrnehmungsbedingungen oder auf verschie denen anderen Ursachen (siehe P. H. 1,38 zu Sextus’ eigener Einteilung der Zehn Tropen). Die Einzelheiten, die häufig vorkommenden Unklarheiten sowie die Mängel von Sextus’ Vorgehen wurden von Annas und Barnes 1985 [*819] gut erläutert. Die allgemeine Linie ist jedoch klar: Da man zugeben muss, dass keine der gegensätzlichen Vorstellungen irgendeiner anderen vorzuziehen ist, ist die Urteilsenthaltung unausweichliche Folge. Williams 1988 [*825] hat zu zeigen versucht, dass dies nicht die beabsichtigte Funktion der Zehn Tropen sein könne, weil die Behandlung konkreter Beispiele von gegensätzlichen Vorstellungen dem gerade beschriebenen Muster oft nicht entspreche. Williams kommt stattdessen zu dem Schluss, dass die Zehn Tropen nicht dazu dienen, Urteilsenthaltung direkt herbeizuführen, sondern dass sie vielmehr ein Argument für die Nichterkennbarkeit der Dinge darstellen. Dieses Argument muss man den verschiedenen positiven dogmatischen Erkenntnis theorien gegenüberstellen, worauf erst die Urteilsenthaltung erreicht wird. Diese Interpretation steht jedoch im Widerspruch zu Sextus’ wiederholtem Beharren darauf, dass Urteilsenthaltung das unmittelbare Ergebnis der Tropen selbst sei (P. H. 1,78. 89. 99. 117. 121. 128. 134. 140. 144. 163). Andererseits spricht Williams ein tatsächlich bestehendes Problem an (für eine mögliche Erklärung siehe unten Abschnitt 4).
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Die Fünf Tropen benutzen weniger individuelle Beispiele als vielmehr abs trakte und allgemeine Argumente. Es sind der Reihe nach die Tropen aufgrund von Dissens (διαφωνία), unendlichem Regress (εἰς ἄπειρον), Relativität (πρός τι), ‘Hypothese’ (d. h. nicht fundierte Annahme, ὑποθετικός) und Zirkel (διάλληλος). Im Gegensatz zu den Zehn Tropen können sie zu einem einheitlichen, ausgedehn ten Beweisgang verknüpft werden. Gemäß Sextus verfängt sich jede dogmatische Theorie im Fallstrick des einen oder anderen der Fünf Tropen (P. H. 1,169–175). Die Fünf Tropen funktionieren daher als Reihe von dialektischen Zügen, die dazu bestimmt sind, jeden Versuch zu verhindern, dogmatische Schlüsse zu begründen. In diesem Fall vermag Williams’ Vorschlag eher zu überzeugen: Die Fünf Tropen führen nicht von sich aus zur Urteilsenthaltung, sondern nur, wenn man sie mit den Theorien der Dogmatiker zusammennimmt. Es ist kein Zufall, dass die Argumente, bei denen die Fünf Tropen am Werk sind, häufig in den «spezifi schen» Teilen von Sextus’ Werk zu finden sind – insbesondere dort, wo erkenntnis theoretische Fragen behandelt werden (P. H. 2; Adv. math. 7–8) –, während die Zehn Tropen kaum mehr vorkommen, nachdem sie in P. H. 1 beschrieben worden sind (Die Fünf Tropen werden im Detail analysiert in Barnes 1990 [*830]). Sextus ist der Ansicht, dass Urteilsenthaltung (wie auch Gemütsruhe) fortwäh rende geistige Betätigung voraussetzt. Ist man in einem Fall zur Urteilsenthaltung gelangt, wird das nicht notwendigerweise Bestand haben. Wenn man nicht damit fortfährt, die skeptische «Fähigkeit» zu üben, die am Anfang von P. H. beschrie ben wird, dann läuft man Gefahr, in den Dogmatismus zurückzufallen. Sextus bietet die Tropen und die ausführlichen Diskussionen nichtskeptischer philoso phischer Richtungen als Beispiele dafür an, wie man diese «Fähigkeit» übt, um seinen Skeptizismus aufrecht zu erhalten. So führt er zum Beispiel die Tropen als Werkzeuge des Skeptikers für den eigenen Gebrauch ein (P. H. 1,31). Dies schließt natürlich keinesfalls aus, dass sie auch dazu benutzt werden können, andere zum Skeptizismus zu bekehren. 3. Sextus’ Angriff auf die speziellen Wissensgebiete Es ist nicht ganz klar, ob die bisher beschriebene Methode derjenigen in Adv. math. 1–6, d. h. im Werk über die speziellen Wissensgebiete, entspricht. In der Ein leitung zu diesem Werk sagt Sextus zwar, dass sich das pyrrhoneische Vorgehen in diesem Fall nicht vom Vorgehen unterscheide, das er in der Philosophie ganz all gemein anwende (Adv. math. 1,6). Auch wie er dieses Vorgehen im folgenden Satz schildert, erinnert stark an die Beschreibung der «Fähigkeit» des Skeptikers in P. H. 1,8. Allerdings wird hier über die pyrrhoneische Behandlung der speziellen Wissensgebiete bloß gesagt, dass die Skeptiker ihre Schwierigkeiten «nicht ver bargen» (1,7), nachdem sie erkannt hatten, dass diese in den Wissenschaften ebenso gravierend sind wie jene, die sie in der allgemeinen Philosophie entdeckt hatten. Tatsächlich kommen die Ausdrücke «sich des Urteils enthalten» (ἐπέχω) und «Urteilsenthaltung» (ἐποχή) in Adv. math. 1–6 sehr selten vor. An keiner anderen Stelle werden sie für das eigene Vorgehen der Pyrrhoneer verwendet.
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Stattdessen besteht das ausdrückliche Ziel stets darin, das jeweilige Wissensgebiet anzugreifen oder dessen Glaubwürdigkeit zu unterminieren. Vielleicht dienen diese Angriffe auf Grammatik, Rhetorik usw. dazu, zusammen mit den jeweili gen positiven Argumenten der Vertreter dieser Wissensgebiete, Urteilsenthaltung herbeizuführen (Blank 1998 [*759: l–lv], Barnes 1988 [*823: 60]). Wenn dem so ist, dann ist es freilich überraschend, dass diese Strategie nie ausdrücklich erwähnt wird. Im Gegensatz zu Adv. math. 1–6 weist Sextus nämlich in P. H. und in Adv. math. 7–11 häufig darauf hin, dass seine Argumente für die Nichtexistenz einer bestimmten Art von Entität (z. B. Zeichen, Kriterien, Beweise, Bewegung) dazu dienen, den Argumenten der Dogmatiker etwas entgegenzusetzen mit dem Ziel der Urteilsenthaltung (siehe z. B. P. H. 2,130–132; Adv. math. 7,443; 8,298. 476– 477; 9,137; 10,168). Eine weitere Merkwürdigkeit von Adv. math. 1–6 besteht darin, dass der Text Argumente für zwei ganz verschiedene Schlüsse zu enthalten scheint. Einerseits wird umfassend von (hauptsächlich) epikureischen Argumenten Gebrauch gemacht, welche die spezialisierten Wissenschaften wegen ihrer Nutzlosigkeit angreifen. Andererseits enthält es radikalere Argumente, die typisch pyrrhoneisch sind und die zeigen sollen, dass diese Wissenschaften überhaupt nicht existieren. Es ist zwar legitim für einen Skeptiker, dogmatische Argumente für skeptische Zwecke zu be nutzen. Tatsächlich weist Sextus auf den ersten Seiten von Adv. math. 1–6 darauf hin, dass auch die Epikureer die Spezialwissenschaften angegriffen hätten. Das Problem ist aber wiederum, dass Sextus nie dezidiert darüber Auskunft gibt, wie man sich die Beziehung zwischen diesen zwei Arten von Argumenten vorstellen soll (für Versuche, Sextus’ Vorgehen zu erklären, siehe Barnes 1988 [*823: 72–77], Fortuna 1986 [*820: 133ff.], Bett 2006 [*850]). 4. Eine ältere Variante des Pyrrhonismus? Wie auch immer es sich mit Adv. math. 1–6 tatsächlich verhalten mag, es gibt Belege dafür, dass der Pyrrhonismus nicht immer in der Form existierte, die wir in den Abschnitten 1 und 2 beschrieben haben. Es scheint vielmehr, dass es eine andere Fassung des Pyrrhonismus gab, für welche das Sammeln von gegensätz lichen Vorstellungen ebenso wichtig war wie in derjenigen, die wir eben be sprochen haben, bei der aber, eher als die «gleiche Kraft», die Relativität dieser Vorstellungen zentral war. Bei dieser anderen Version des Pyrrhonismus liegt die Betonung auf der Wechselhaftigkeit der Erscheinungen in Abhängigkeit von den Umständen. Ein bestimmtes Medikament mag sich bei einigen Leuten zum Bei spiel günstig auswirken, anderen dagegen schaden. Eine bestimmte Handlung ist unter manchen Umständen tugendhaft, unter anderen aber verwerflich. Ein be stimmter Gegenstand mag in manchen Kontexten als groß erscheinen, in anderen aber als klein. Die allgemeine Form dieser Gegensätze ist also: X weist unter be stimmten Umständen eine bestimmte Qualität F auf, aber unter anderen Umstän den eine andere und nicht kompatible Qualität Nicht-F. Aufgrund dieser Gegen sätze wird nun geschlossen, dass in Wirklichkeit (oder in seiner wahren Natur) X
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weder F noch Nicht-F sein kann. Der Grund dafür besteht darin, dass X die Qua lität F gleich bleibend und unabhängig von den Umständen aufweisen müsste, um als wirklich (oder als seiner wahren Natur nach) F zu gelten. Wenn man dieses Schema so verallgemeinert, dass keine der beobachtbaren Eigenschaften von X als unveränderlich zu X gehörig gilt, dann folgt daraus, dass wir nicht in der Lage sind, X in seiner wahren Natur auch nur irgendeine Eigenschaft zuzuschreiben: Die wahre Natur von X ist für uns nicht fassbar. Die einzige mögliche Reaktion besteht also darin, sich des Urteils über die wahre Natur von X zu enthalten. Diese Fassung des Pyrrhonismus unterscheidet sich in wichtigen Punkten von derjenigen, die bei Sextus vorherrscht. Es wurde bereits erwähnt, dass hier eher die Relativität oder die Veränderlichkeit als die «gleiche Kraft» der Gegensätze betont wird. Außerdem erlaubt es diese Fassung, bestimmt zu behaupten, dass X nicht von Natur aus F ist, und den bestimmten Schluss, dass die Natur von X nicht erkannt werden kann. Behauptungen beider Art würden gemäß der Formulierung des Pyr rhonismus, die wir oben beschrieben haben, als Dogmatismus, wenn auch als ‘ne gativer’ Dogmatismus, zurückgewiesen. Urteilsenthaltung besteht also darin, jeg lichen Versuch einer positiven Bestimmung der Natur der Dinge zurückzuweisen. Die Existenz dieser Variante des Pyrrhonismus ist nicht unumstritten. In der For schung der letzten Jahre wurde sie jedoch mehrfach vertreten (Woodruff 1988 [*826], Hankinson 1995 [*800: 116–136], Bett 1997 [*757: ix–xxxiv und 45–256], Bett 2000 [*846: 189–240]). Der Pyrrhonismus, den Photios in jenem Kapitel der ‹Bibliotheca› beschreibt, das Ainesidemos’ ‹Pyrrhoneische Abhandlungen› zusam menfasst (169b18–171a4), scheint mit diesem Modell übereinzustimmen. Außerdem können zahlreiche Elemente in der Zusammenfassung des (nach-ainesidemischen) Pyrrhonismus, die sich in Diogenes Laertios’ ‹Leben des Pyrrhon› (D. L. 9,74–108) finden, erklärt werden, unter der Voraussetzung, dass sie sich auf diese Fassung des Pyrrhonismus beziehen. Schließlich lässt sich dafür a rgumentieren, dass diese Va riante des Pyrrhonismus selbst in Sextus’ Werk nicht vollständig fehlt. Ein Beispiel dafür ist Sextus’ Darstellung der Zehn Tropen, die ihren Ursprung bei Ainesidemos haben. Die Kommentatoren haben festgestellt, dass bei der Dis kussion der Zehn Tropen oft auf das Phänomen der Relativität Bezug genommen wird (Striker 1983 [*817], sowie Annas und Barnes 1985 [*819]). Dies ist völlig in konsistent mit dem Pyrrhonismus, der in P. H. offiziell vertreten wird – einschließ lich der Abschnitte über die Tropen selbst. Diese Inkonsistenz wäre jedoch sehr wohl verständlich, wenn sich die Zehn Tropen, wie sie ursprünglich von Aineside mos konzipiert wurden, genau um das Phänomen der Relativität gruppieren wür den und wenn Sextus oder irgendein zwischenzeitiger Pyrrhoneer sie (unvollstän dig) an die Fassung des Pyrrhonismus angepasst hätte, die «gleiche Kraft» betont. Dass eine Anpassung stattgefunden hat, wird durch die Tatsache gestützt, dass Material aus den späteren Fünf Tropen häufig in Sextus’ Zusammenfassung der Zehn Tropen einfließt (P. H. 1,60–61. 88–90. 114–117. 121–123). Ein weiteres Beispiel ist Adv. math. 11, ‹Gegen die Ethiker›. In diesem Buch argumentiert Sextus, nichts sei von Natur aus gut oder schlecht (68–95). Er stellt den Skeptiker außerdem als Vertreter der Relativität dar (114; 118) und erklärt ausdrücklich (69–71), dass etwas ohne Einschränkung gut sein müsse, damit es
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von Natur aus gut sei. Nun mag man zwar der Meinung sein, dass diese Argu mente dazu dienen, gegen die positiven Argumente der Dogmatiker abgewogen zu werden, um Urteilsenthaltung zu erreichen (McPherran 1990 [*832], Hankin son 1995 [*800: 262–272]). Diese Interpretation vernachlässigt aber f olgende Tat sache: Das Ziel des Skeptikers, nämlich die Gemütsruhe, stellt sich gemäß einigen Stellen als unmittelbares Ergebnis davon ein, dass man die bestimmte Schlussfol gerung, nichts sei von Natur aus gut oder schlecht, gutheisst (118; 130; 140). Dies ist wiederum nicht konsistent mit dem Pyrrhonismus, wie er zu Beginn von P. H. skizziert wird, aber es ist konsistent mit der anderen Art von Pyrrhonismus, die in diesem Abschnitt dargestellt wurde. Diese andere Fassung des Pyrrhonismus wird, wie es scheint, dem Ainesidemos zugeschrieben, dem Vater des späteren Pyrrhonismus. Daher ist es wahrschein lich, dass sie früher existierte als die bei Sextus vorherrschende Version. Wenn dem so ist, dann haben wir mit ‹Gegen die Ethiker› ein erhaltenes Zeugnis für eine Version des Pyrrhonismus, die älter ist als Sextus selbst. 4. NACHWIRKUNG
Wie schon früher bemerkt, gibt es keine klaren Belege dafür, dass der Pyrrho nismus als philosophische Tradition Sextus’ Schüler Satorninos überlebt hat. Ex plizite Bezüge auf Sextus oder auf die Pyrrhoneer sind in der späteren Antike sehr selten. Unter den Neuplatonikern scheint jedoch eine gewisse Kenntnis der Me thoden und Ansätze der Pyrrhoneer vorhanden gewesen zu sein und mindestens ein Mitglied der Schule, nämlich Damaskios, scheint eine gewisse Sympathie für sie gehabt zu haben (Wallis 1987 [*860], Rappe 1998 [*865]). Hinzu kommt, dass das spezifisch mit dem Pyrrhonismus assoziierte Motiv des Dissenses (διαφωνία) im Denken der späteren Antike weite Verbreitung gefunden hat. Im Mittelalter existierte eine lateinische Übersetzung von Teilen von Sextus’ Werk. Sextus scheint allerdings zu dieser Zeit wenig bekannt gewesen zu sein (Porro 1994 [*862]). Erst in der Renaissance und in der Frühen Neuzeit kam Sextus’ Schriften große Bedeutung für die Entwicklung der Philosophie zu (Schmitt 1983 [*857], Popkin 2003 [*856]). Montaigne war eindeutig von Sextus inspiriert, wie auch De scartes und viele andere Denker, die sich den intellektuellen Herausforderungen des Skeptizismus stellten. Obschon ‘Skeptizismus’ in der modernen Philosophie eine andere Bedeutung bekam als bei Sextus, stellte er im 16., 17. und 18. Jahrhun dert für viele Philosophen einen entscheidenden Bezugspunkt dar. Sextus bleibt auch heute noch eine Inspirationsquelle für Philosophen (Fogelin 1994 [*861]). Außerdem wurde seine Wichtigkeit für die Geschichte der griechischen Philoso phie in den letzten Jahrzehnten neu erkannt und gewürdigt. Aus dem Englischen übersetzt von Damian Caluori.
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229 BIBLIOGRAPHIE ZUM ZWEITEN KAPITEL I. Die Sextier und Potamon: Quintus Sextus und seine Schule; Potamon von Alexandrien [*1–*7]. – II. Stoa: Überblick [*13–*43]; L. Annaeus Cornutus [*49–*63]; L. Annaeus Seneca [*69–*157]; C. Muso nius Rufus und Lukios [*160–*181]; Epiktet [*187–*213]; Marcus Aurelius [*219–*244]; Hierokles [*249– *260]; Stoische Einflüsse in der römischen Literatur neronischer Zeit [*266–*270]; Nachwirkung der stoischen Ethik in Platonismus und Christentum [*276–*296]. – III. Kyniker: Überblick [*302–*323]; Demetrios, Dion Chrysostomos, Demonax, Peregrinos [*329–*393]; Oinomaos von Gadara [*398–*411]; Der Kynismus bis Maximos von Alexandrien und Salustios aus Syrien [*415–*430]; Kynische Epistolo graphen, Philosophische Literatur über den Kynismus [*434–*467]. – IV. Epikureismus in der Kaiserzeit: Überblick [*473–*610]; Diogenian [*616–*624]; Diogenes von Oinoanda [*630–*712]. – V. Skepsis in der Kaiserzeit: Akademische Skepsis [*718–*737]; Pyrrhoneische Skepsis und Sextus Empiricus [*743–*866].
I. DIE SEXTIER UND POTAMON Quintus Sextus und seine Schule; Potamon von Alexandrien 1 D. T. Runia: Philosophical Heresiography: Evi dence in Two Ephesian Inscriptions, in: ZPE 72 (1988) 241–243. 2 I. Lana: La scuola dei Sestii, in: La langue latine. Langue de la philosophie. Actes du col loque organisé par l’École française de Rome (17–19 mai 1990) (Roma 1992) 109–124. 3 V. Tietze Larson: Seneca and the Schools of Philosophy in Early Imperial Rome, in: Illinois Classical Studies 17 (1992) 49–56.
4 D. R. Kelley: Eclecticism and the History of Ideas, in: JHI 62 (2001) 577–592. 5 A. Rescigno: Potamone, interprete del ‹De caelo› di Aristotele, in: Lexis 19 (2001) 267–282. 6 I. Hadot: Versuch einer doktrinalen Neuein ordnung der Schule der Sextier, in: RhM 150 (2007) 179–210. 7 M. Hatzimichali: Potamo of Alexandria and the Emergence of Eclecticism in Late Hellenis tic Philosophy (Cambridge 2011).
II. STOA Überblick Ausgaben und Übersetzungen 13 Stoicorum veterum fragmenta, collegit H. ab Arnim, I–IV (Lipsiae 1903–1924; ND Stutgar diae 1968). – Ital. Neubearbeitung und Über setzung: Stoici antichi. Tutti i frammenti, raccolti da H. von Arnim. Introduzione, tradu zione, note e apparati a cura di R. Radice. Pre sentazione di G. Reale (Milano 1998, 22006).
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Zu Chairemon 19 Chaeremon. Egyptian Priest and Stoic Philoso pher: The Fragments Collected and Translated with Explanatory Notes by P. W. van der Horst (Leiden 1984, 21987). – 2. Auflage mit einem Vorwort des Herausgebers sowie Addenda und Corrigenda. 20 M. Frede: Chairemon der Stoiker, in: ANRW II 36,3 (1989) 2067–2103. 21 P. T. Keyser: Chairemon, in: BNJ (2007) Nr. 618.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
Zu Kleomedes 25 Kleomedes: Die Kreisbewegung der Gestirne, übersetzt und erläutert von A. Czwalina (Leip zig 1927). 26 Cléomède: Théorie élémentaire. Texte pré senté, traduit et commenté par R. Goulet (Paris 1980). 27 Cleomedes’ Lectures on Astronomy. A Trans lation of ‹The Heavens› with an Introduction and Commentary by A. C. Bowen, R. B. Todd (Berkeley CA 2004).
Sekundärliteratur 33 ANRW II 36,3, herausgegeben von W. Haase (Berlin, New York 1989). – Teilband zur Philo sophie des Stoizismus. 34 M. Frede: Chaeremon der Stoiker, in: ANRW II 36,3 (1989) 2067–2103. 35 J. Barnes: Logic and the Imperial Stoa (Lei den, Boston 1997) [PhA 75].
36 Ch. Gill: The School in the Roman Imperial Period, in: The Cambridge Companion to the Stoics, edited by B. Inwood (Cambridge 2003) 33–58. 37 J. Sellars: The Art of Living. The Stoics on the Nature and Function of Philosophy (Aldershot 2003). 38 G. Reydams-Schils: The Roman Stoics. Self, Responsibility, and Affection (Chicago 2005). 39 Ch. Gill: The Structured Self in Hellenistic and Roman Thought (Oxford 2006). 40 M. Graver: Stoicism and Emotion (Chicago 2007). 41 I. Ramelli: Stoici Romani Minori. Marco Ma nilio, Musonio Rufo, Anneo Cornuto, Chere mone di Alessandria, Aulo Persio, Trasea Peto, Anneo Lucano, Decimo Giunio Giovenale, Mara Bar Serapion. Introduzione di R. Radice, saggi introduttivi, traduzione, note e apparati di I. Ramelli (Milano 2008). 42 Th. Bénatouïl: Les stoïciens III: Musonius, Epictète, Marc Aurèle (Paris 2009). 43 G. Reydams-Schils: Authority and Agency in Stoicism, in: GRBS 51 (2011) 296–322.
L. Annaeus Cornutus Ausgaben und Übersetzungen 49 Cornuti Theologiae Graecae Compendium, re censuit et emendabat C. Lang (Lipsiae 1881) [BT]. 50 Cornuti Artis Rhetoricae Epitome, edidit et commentatus est I. Graeven (Berolini 1891; ND Dublin, Zürich 1973). 51 Grammaticae Romanae Fragmenta Aetatis Caesareae, collegit recensuit A. Mazzarino (Augustae Taurinorum 1955). – Fragmente zu Cornutus: 167–209. 52 Lucius Annaeus Cornutus’ Epidrome (Intro duction to the Traditions of Greek Theology). Introduction, Translation, and Notes by R. S. Hays (Austin 1983). 53 Anneo Cornuto: Compendio di teologia greca. Testo greco a fronte. Saggio introduttivo e in tegrativo, traduzione e apparati di I. Ramelli (Milano 2003). 54 Cornutus: Die Griechischen Götter. Ein Über blick über Namen, Bilder und Deutungen,
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erausgegeben von H.-G. Nesselrath, eingelei h tet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von F. Berdozzo, G. Boys-Stones, H.-J. Klauck, I. Ramelli, A. V. Zadorojnyi (Tü bingen 2009) [SAPERE 14].
Sekundärliteratur 60 A. D. Nock: Kornutos, in: RE Suppl. V (1931) 995–1005. 61 G. W. Most: Cornutus and Stoic Allegoresis: A Preliminary Report, in: ANRW II 36,3 (1989) 2014–2065. 62 G. R. Boys-Stones: Post-Hellenistic Philosophy: A Study of its Development from the Stoics to Origen (Oxford 2001). 63 D. N. Sedley: Stoic Metaphysics at Rome, in: Metaphysics, Soul, and Ethics in Ancient Thought. Themes from the Work of Richard So rabji, edited by R. Salles (Oxford 2005) 117–142.
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L. Annaeus Seneca
L. Annaeus Seneca
Ausgaben und Übersetzungen
Gesamtausgaben (seiner philosophischen Schriften) 69 L. Annaei Senecae Opera quae supersunt, edi dit E. Hermes (vol. 1, fasc.1), C. Hosius (vol. 1, fasc. 2), A. Gercke (vol. 2), O. Hense (vol. 3), I– III (Lipsiae 1898–1907) [BT]. – In weiteren Ausgaben neu aufgelegt. 70 Seneca: Philosophische Schriften, übersetzt, mit Einleitung und Anmerkungen versehen von O. Apelt, I–IV (Leipzig 1923–1924; ND Wiesbaden 2004). 71 L. Annaeus Seneca: Philosophische Schriften. Lateinisch und Deutsch, herausgegeben von M. Rosenbach, I–V (Darmstadt 1971). – Diverse Nachdrucke der einzelnen Bände. Der lateinische Text ist den unten einzeln aufge führten CUF-Ausgaben entnommen. 72 Lucio Anneo Seneca. Tutte le opere: dialoghi, trattati, lettere e opere in poesia, a cura di G. Reale. Con la collaborazione di A. Maras toni, M. Natali, I. Ranelli (Milano 2000). Einzelausgaben und Übersetzungen 78 Seneca: Epistles, with an English Translation by R. M. Gummere, I–II (London, Cambridge MA 1917–1920) [LCL 75]. – Diverse Nachdrucke. 79 Sénèque: Dialogues. Texte établi et traduit par A. Bourgery, R. Waltz, I–IV (Paris 1921–1927) [CUF]. – Diverse Nachdrucke. 80 Sénèque: Des bienfaits. Texte établi par F. Pré chac, I–II (Paris 1926, 1929) [CUF]. – Diverse Nachdrucke. 81 Seneca: Moral Essays, with an English Transla tion by J. W. Basore, I–III (London, Cambridge MA 1928–1935) [LCL 214, 254, 310]. – Diverse Nachdrucke. 82 Sénèque: Lettres à Lucilius. Texte établi par F. Préchac et traduit par H. Noblot, I–V (Paris 1945–1964) [CUF]. – Diverse Nachdrucke. 83 L. Annaei Senecae ad Lucilium epistulae mora les, recognovit et adnotatione critica instruxit L. D. Reynolds, I–II (Oxonii 1965) [OCT]. – Di verse Nachdrucke. 84 Seneca: Naturales Quaestiones, with an Eng lish Translation by T. H. Corcoran, I–II (Lon don, Cambridge MA 1971–1972) [LCL 450, 457]. – Diverse Nachdrucke.
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85 L. Annaei Senecae dialogorum libri duodecim, recognovit brevique adnotatione critica in struxit L. D. Reynolds (Oxonii 1977) [OCT]. 86 L. Annaeus Seneca: Naturwissenschaftliche Untersuchungen. Lateinisch und Deutsch, herausgegeben und übersetzt von M. F. A. Brok (Darmstadt 1995). 87 Seneca: Moral and Political Essays, edited and translated by J. M. Cooper, F. Procopé (Cam bridge 1995) [Cambridge Texts in the History of Political Thought]. 88 L. Annaei Senecae naturalium quaestionum libros, recognovit H. M. Hine (Stutgardiae, Lipsiae 1996) [BT]. 89 Lucio Anneo Seneca: I frammenti, a cura di D. Vottero (Bologna 1998). 90 Sénèque: De la clémence. Texte établi et tra duit par F.-R. Chaumartin (Paris 2005) [CUF]. 91 Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus. Zusammen mit dem Brief des Mordechai an Alexander und dem Brief des Annaeus Seneca über Hochmut und Götter bilder, eingeleitet, übersetzt und mit inter pretierenden Essays versehen von A. Fürst, Th. Fuhrer, F. Siegert, P. Walter (Tübingen 2006) [SAPERE 11]. 92 L. Annaeus Seneca: Epistulae morales ad Lucilium. Lateinisch und deutsch, I–II. I, her ausgegeben und übersetzt von G. Fink. II, her ausgegeben und übersetzt von R. Nickel (Düsseldorf 2007–2009) [Sammlung Tusculum]. 93 Seneca: Selected Philosophical Letters, trans lated with an Introduction and Commentary by B. Inwood (Oxford 2007) [Clarendon Later Ancient Philosophers]. 94 Seneca: Schriften zur Ethik. Die kleinen Dia loge, herausgegeben und übersetzt von G. Fink (Düsseldorf, Zürich 2008) [Sammlung Tuscu lum]. 95 Lucius Annaeus Seneca: Letters on Ethics. To Lucilius, translated with an Introduction and Commentary by M. Graver, A. A. Long (Chi cago 2015).
Sekundärliteratur Zu Seneca’s Leben sind besonders zu empfeh len Grimal 1978 [*113: 46–243], Brinkmann 2002 [*140], Maurach 42005 [*149: 7–47] und Griffin 2 2003 [*150: 29–171].
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
Gute Hilfsmittel zur Annäherung an Senecas rbeiten sind die Beiträge in Beyer, Erdmenger, A Kleinert 1992 [*124] für die ‹Naturales quaestio nes› und die Bibliographie von Lana, Malaspina 2005 [*148]. 100 A. Gercke: Seneca-Studien (Leipzig 1896; ND Hildesheim, New York 1971). 101 A. Momigliano: Note sulla leggenda del Christianesimo di Seneca, in: Rivista Storica Italiana 62 (1950) 325–344. – Wieder in: Ders.: Contributo alla storia degli studi clas sici (Roma 1955) 13–32. 102 A. Guillemin: Sénèque, directeur d’âmes, in: REL 30 (1952) 202–219; 31 (1953) 215–234; 32 (1954) 250–274. 103 F. Giancotti: Cronologia dei Dialoghi di Seneca (Torino 1957). 104 L. D. Reynolds: The Medieval Tradition of Seneca’s Letters (Oxford 1965). 105 K. Abel: Bauformen in Senecas Dialogen. Fünf Strukturanalysen: dial. 6, 11, 12, 1 und 2 (Heidelberg 1967) [Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften NF, 2. Reihe, 18]. 106 A. Bodson: La morale sociale des derniers Stoïciens, Sénèque, Epictète et Marc Aurèle (Paris 1967). 107 H. Cancik: Untersuchungen zu Senecas epis tulae morales (Hildesheim 1967) [Spudas mata 18]. 108 I. Hadot: Seneca und die griechisch-römische Tradition der Seelenleitung (Berlin 1969) [Quellen und S tudien zur Geschichte der Phi losophie 13]. 109 A. Momigliano: Seneca Between Political and Contemplative Life, in: Ders.: Quarto contri buto alla storia degli studi classici e del mondo antico (Roma 1969; ND 1988) 239–256. 110 M. Lausberg: Untersuchungen zu Senecas Fragmenten (Berlin 1970) [UaLG 7]. 111 W. Trillitzsch: Seneca im literarischen Urteil der Antike. Darstellung und Sammlung der Zeugnisse, I–II. I: Darstellung. II: Quellen sammlung (Testimonien) (Amsterdam 1971). 112 G. M. Ross: Seneca’s Philosophical Influence, in: Seneca, edited by C. D. N. Costa (London, Boston 1974) 116–165. 113 P. Grimal: Sénèque ou la conscience de l’empire (Paris 1978). 114 K. Döring: Exemplum Socratis. Studien zur Sokrateswirkung in der kynisch-stoischen Popularphilosophie der frühen Kaiserzeit und im frühen Christentum (Wiesbaden 1979) [Hermes – Einzelschriften 42].
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115 P. Donini: L’eclettismo impossibile. Seneca e il platonismo medio, in: Ders., G. F. Gianotti: Modelli filosofici e letterari. Lucrezio, Ora zio, Seneca (Bologna 1979) 149–300. 116 J. Fillion-Lahille: Le ‹De ira› de Sénèque et la philosophie stoïcienne des passions (Paris 1984). 117 K. Abel: Seneca. Leben und Leistung, in: ANRW II 32,2 (1985) 653–775. 118 S. Gersh: Middle Platonism and Neoplatonism. The Latin Tradition, I–II (Notre Dame IN 1986) [Publications in Medieval Studies 23]. 119 M. Griffin: Philosophy for Statesmen: Ci cero and Seneca, in: Antikes Denken, mo derne Schule. Beiträge zu den antiken Grundlagen unseres Denkens, herausgege ben von H. W. Schmidt, P. Wülfing (Heidel berg 1988) 133–150. 120 A. Setaioli: Seneca e i Greci. Citazione e tra duzione nelle opere filosofiche (Bologna 1988). 121 C. Codoñer: La physique de Sénèque: Ordon nance et structure des ‹Naturales Quaestio nes›, in: ANRW II 36,3 (1989) 1779–1822. 122 M. Lausberg: Senecae operum fragmenta: Überblick und Forschungsbericht, in: ANRW II 36,3 (1989) 1879–1961. 123 M. Colish: The Stoic Tradition from Antiquity to the Early Middle Ages. I: Stoicism in Clas sical Latin Literature. II: Stoicism in Chris tian Latin Thought through the Sixth Century (Leiden, New York 21990) [Studies in the His tory of Christian Thought 34–35]. 124 C. Beyer, J. Erdmenger, A. Kleinert: Die ‹Naturales Quaestiones› von Lucius Annaeus Seneca: eine kommentierte Bibliographie, in: Nachrichten aus dem Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik, Universität Hamburg 22 (1992) 22–35. 125 P. Grimal: Le vocabulaire de l’intériorité dans l’œuvre philosophique de Sénèque, in: La langue latine. Langue de la philosophie, Actes du colloque organisé par l’École fran çaise de Rome (17–19 mai 1990) (Roma 1992) 141–159. 126 G. Lesses: Austere Friends: The Stoics and Friendship, in: Apeiron 26 (1993) 57–75. 127 P. Veyne: Weisheit und Altruismus. Eine Ein führung in die Philosophie Senecas. Aus dem Französischen von H. Fliessbach (Frankfurt a. M. 1993). 128 M. C. Nussbaum: The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics (Princeton NJ 1994).
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L. Annaeus Seneca
129 M. Armisen-Marchetti: L’intériorisation de l’‹otium› chez Sénèque, in: Les loisirs et l’hé ritage de la culture classique. Actes du XIIIe congrès de l’Association G. Budé (Dijon, 27–31 août 1993), édités par J.-M. André, J. Dangel, P. Demont (Bruxelles 1996) 411–424. 130 C. Edwards: Self-Scrutiny and Self-Transfor mation in Seneca’s Letters, in: Greece & Rome 44 (1997) 23–38. 131 B. Inwood: ‘Why Do Fools Fall In Love?’, in: Aristotle and After, edited by R. Sorabji (London 1997) [BICS Suppl. 68] 55–69. 132 M. Mauch: Senecas Frauenbild in den philoso phischen Schriften (Frankfurt a. M., Bern 1997) [Studien zur klassischen Philologie 106]. 133 G. Reydams-Schils: Demiurge and Provi dence. Stoic and Platonist Readings of Plato’s ‹Timaeus› (Turnhout 1999) [Monothéismes et Philosophie 2]. 134 Th. Fuhrer: The Philosopher as Multi-Millio naire: Seneca on Double Standards, in: Dou ble Standards in the Ancient and Medieval World, edited by K. Pollmann (Göttingen 2000) [Beihefte zum Göttinger Forum für Al tertumswissenschaft 1] 201–219. 135 Ch. Gill: Stoic Writers of the Imperial Era, in: The Cambridge History of Greek and Roman Political Thought, edited by C. J. Rowe, M. Schofield (Cambridge 2000) 597–615. 136 A. M. Ioppolo: Decreta e praecepta in Seneca, in: La filosofia in età imperiale. Le scuole e le tradizione filosofiche, a cura di A. Brancacci (Napoli 2000) [Elenchos 21] 13–36. 137 R. Sorabji: Emotion and Peace of Mind: From Stoic Agitation to Christian Temptation (Oxford 2000). 138 C. Torre: Il matrimonio del ‘sapiens’. Ricer che sul ‹De Matrimonio› di Seneca (Genova 2000). 139 M. Foucault: L’herméneutique du sujet. Cours au Collège de France (1981–1982). Édition par F. Gros (Paris 2001). 140 M. Brinkmann: Seneca in den Annalen des Tacitus (Bonn 2002). 141 M. Morford: The Roman Philosophers: From the Time of Cato the Censor to the Death of Marcus Aurelius (London, New York 2002).
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142 A. M. Müller: Die Selbsttötung in der Latei nischen Literatur der Kaiserzeit bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. (Zürich 2003). 143 R. Zöller: Die Vorstellung vom Willen in der Morallehre Senecas (München, Leipzig 2003). 144 M. von Albrecht: Wort und Wandlung: Senecas Lebenskunst (Leiden, Boston 2004) [Mnemosyne Suppl. 252]. 145 J. Cooper: Moral Theory and Moral Improve ment: Seneca, in: Proceedings of the Boston Area Colloquium of Ancient Philosophy 19 (2004) 57–84. – Wieder in: Ders.: Knowledge, Nature, and the Good. Essays on Ancient Phi losophy (Princeton NJ, Oxford 2004) 309–334. 146 B. M. Gauly: Senecas ‹Naturales Quaestio nes›. Naturphilosophie für die römische Kai serzeit (München 2004) [Zetemata 122]. 147 B. Inwood: Reading Seneca: Stoic Philosophy at Rome (Oxford 2005). 148 Bibliografia Senecana del XX Secolo, ideata e diretta da I. Lana, a cura di E. Malaspina (Bologna 2005). 149 G. Maurach: Seneca. Leben und Werk (Darmstadt 1991, 42005). 150 M. T. Griffin: Seneca. A Philosopher in Poli tics (Oxford 1976, 22003). 151 J. Sellars: Stoicism (Berkeley CA 2006). 152 J. Wildberger: Seneca und die Stoa: Der Platz des Menschen in der Welt, I–II (Berlin, New York 2006) [UaLG 84]. 153 Seneca and the Self, edited by S. Bartsch, D. Wray (Cambridge 2009). 154 G. Reydams-Schils: Seneca’s Platonism: The Soul and its Divine Origin, in: Ancient Mo dels of Mind. Studies in Human and Divine Rationality, edited by A. Nightingale, D. Sed ley (Cambridge 2010) 196–215. 155 G. Williams: The Cosmic Viewpoint: A Study of Seneca’s ‹Natural Questions› (New York 2012). 156 Brill’s Companion to Seneca. Philosopher and Dramatist, edited by G. Damschen, A. Heil (Leiden 2014). 157 Seneca philosophus, edited by J. Wildberger, M. Colish (Berlin 2014) [Trends in Classics Suppl. 27].
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
C. Musonius Rufus und Lukios
Ausgaben und Übersetzungen 160 C. Musonii Rufi Reliquiae, edidit O. Hense (Lipsiae 1905; ND 1990) [BT]. – Maßgebliche Ausgabe. 161 C. Lutz: Musonius Rufus, ‘The Roman Socra tes’, in: Yale Classical Studies 10 (1947) 3–147.
162 A. Jagu: Musonius Rufus. Entretiens et frag ments. Introduction, traduction et commen taire (Hildesheim 1979) [Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie 5]. 163 Epiktet, Teles und Musonius: Wege zum Glück. Auf der Grundlage der Übertragung von W. Capelle neu übersetzt, mit Anmerkun gen versehen und eingeleitet von R. Nickel (Zürich, München 1987). 164 Musonio Rufo: Diatribe, frammenti e testi monianze, a cura di I. Ramelli, con introdu zione, traduzione, note e apparati (Milano 2001). 165 Musonius Rufus, a cura di I. Andorlini, R. Laurenti, in: Corpus dei papiri filosofici Greci e Latini. Testi e lessico nei papiri di cultura greca e latina. Parte I: Autori noti, vol. 1** (Firenze 1992) 480–492.
Sekundärliteratur 171 D. Babut: Les Stoïciens et l’amour, in: REG 76 (1963) 55–63. 172 A. C. van Geytenbeek: Musonius Rufus and Greek Diatribe (Assen 1963).
173 E. Eyben: De latere Stoa over het huwelijk, in: Hermeneus 50 (1978) 15–32, 71–94, 337–359. 174 R. Laurenti: Musonio, maestro di Epitteto, in: ANRW II 36,3 (1989) 2105–2146. 175 E. Asmis: The Stoics on Women, in: Feminism and Ancient Philosophy, edited by J. K. Ward (New York, London 1996) 68–92. 176 R. Valantasis: Musonius Rufus and GrecoRoman Ascetical Theory, in: GRBS 40 (1999) 207–231. 177 V. Laurand: Stoïcisme et lien social à l’époque impériale. Enquête autour de l’enseignement de Musonius Rufus (Diss. Paris 2002). 178 M. Nussbaum: The Incomplete Feminism of Musonius Rufus, Platonist, Stoic, and Roman, in: The Sleep of Reason. Erotic Expe rience and Sexual Ethics in Ancient Greece and Rome, edited by M. Nussbaum, J. Sihvola (Chicago, London 2002) 283–326. 179 G. Wöhrle: Wenn Frauen Platons Staat lesen. Oder: Epiktet und Musonius konstruieren Geschlechterrollen, in: WJA NF 26 (2002) 135–143. 180 V. Laurand: Souci de soi et mariage chez Mu sonius Rufus: Perspectives politiques de la κράσις stoïcienne, in: Foucault et la philo sophie antique, sous la direction de F. Gros, C. Lévy (Paris 2003) 85–116. 181 V. Laurand: Stoïcisme et lien social. Enquête autour de Musonius Rufus. Préface de C. Lévy (Paris 2014).
Epiktet Ausgaben und Übersetzungen 187 Epicteti dissertationes ab Arriano digestae ad fidem codicis bodleiani recensuit H. Schenkl (Lipsiae 1894; ed. minor 1916) [BT]. 188 Epictetus: The Discourses as Reported by Arrian, Fragments, Encheiridion, with an English Translation by W. A. Oldfather, I–II (London, Cambridge MA 1925–1928; ND 1998–2000) [LCL 131, 218].
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189 Épictète: Entretiens. Texte établi et traduit par J. Souilhé, I–II (Paris 1948–1965; ND 2003) [CUF]. 190 Epiktet: Vom Kynismus, herausgegeben und übersetzt mit einem Kommentar von M. Biller beck (Leiden 1978) [PhA 34]. 191 Epictetus: Discourses. Book 1, translated with an Introduction and Commentary by R. F. Dobbin (Oxford 1998). 192 K. Seddon: Epictetus’ Handbook and Cebes’ Tablet. Guides to Stoic Living (London 2005).
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Marcus Aurelius
193 Epiktet: Anleitung zum glücklichen Leben (Encheiridion), herausgegeben und übersetzt von R. Nickel (Düsseldorf 2006). 194 L. Willms: Epiktets Diatribe ‹Über die Frei heit› (4.1), I–II (Heidelberg 2011–2012) [Wis senschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern]. 195 Epiktet: Was ist wahre Freiheit? Diatribe IV 1, eingeleitet, übersetzt und mit interpre tierenden Essays versehen von S. Vollenwei der, M. Baumbach, E. Ebel, M. Forschner, T. Schmeller (Tübingen 2013) [SAPERE 22]. 196 U. Brandt: Kommentar zu Epiktets ‹Enchei ridion› (Heidelberg 2015) [Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateini schen Schriftstellern].
Sekundärliteratur 199 A. Bonhöffer: Epictet und die Stoa. Unter suchungen zur Stoischen Philosophie (Stutt gart 1890). 200 A. Bonhöffer: Die Ethik des Stoikers Epictet (Stuttgart 1894; ND 1968). 201 B. L. Hijmans: ἌΣΚΗΣΙΣ. Notes on Epictetus’ Educational System (Assen 1959). 202 R. Laurenti: Musonio et Epitteto, in: Sophia 34 (1966) 317–335. 203 W. Klassen: ‘Humanitas’ As Seen by Epicte tus and Musonius Rufus, in: Studi storico- religiosi 1 (1977) 63–82. 204 P. Hadot: Une clé des Pensées de Marc Aurèle: les trois topoi philosophiques selon
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Épictète, in: Études philosophiques 1 (1978) 65–83. – Wieder in: Ders.: Exercices spirituels et philosophie antique (Paris 1993) 165–192. 205 K. Döring: Sokrates bei Epiktet, in: Studia Platonica. FS Hermann Gundert, herausgege ben von K. Döring, W. Kullmann (Amster dam 1974) 195–226. 206 R. Dobbin: Προαίρεσις in Epictetus, in: AncPhil 11 (1991) 111–135. 207 B. Inwood: L’Oikeiôsis sociale chez Épictète, in: Polyhistor. Studies in the History and His toriography of Ancient Philosophy presented to Jaap Mansfeld on his sixtieth birthday, edited by K. A. Algra, P. W. van der Horst, D. T. Runia (Leiden, New York 1996) [PhA 72] 243–264. 208 R. Kamtekar: ΑΙΔΩΣ in Epictetus, in: CPh 93 (1998) 136–160. 209 A. A. Long: Epictetus as Socratic Mentor, in: PCPhS 46 (2000) 79–98. 210 E. Asmis: Choice in Epictetus’ Philosophy, in: Antiquity and Humanity. Essays on Ancient Religion and Philosophy. FS Hans Dieter Betz, edited by A. Yarbro Collins, M. M. Mit chell (Tübingen 2001) 387–412. 211 A. A. Long: Epictetus. A Stoic and Socratic Guide to Life (Oxford 2002). 212 J.-B. Gourinat: Le Socrate d’Épictète, in: Philosophie antique 1 (2003) 137–165. 213 The Philosophy of Epictetus, edited by Th. Scaltsas, A. Mason (Oxford 2007). – Auf sätze namhafter Philosophen zu verschiede nen Aspekten von Epiktets Philosophie.
Marcus Aurelius Ausgaben und Übersetzungen 219 Marc Aurèle: Pensées. Texte établi par A. I. Trannoy (Paris 1925, 61983). – Neue Be arbeitung: Marc Aurèle: Écrits pour lui-même, I. Texte établi et traduit par P. Hadot (Paris 1998, 22002) [CUF]. – Tome 2 in Vorberei tung. 220 The Meditations of the Emperor Marcus An toninus, edited with translation and commen tary by A. S. L. Farquharson (Oxford 1944). 221 M. Cornelius Fronto: Epistulae, edidit M. P. J. van den Hout (Lipsiae 1954, 21988) [BT]. 222 ΜΑΡΚΟΥ ΑΝΤΩΝΙΝΟΥ ΑΥΤΟ ΚΡΑΤΟΡΟΣ ΤΑ ΕΙΣ ΕΑΥΤΟΝ / Kaiser Mark Aurel: Wege zu
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sich selbst. Textum graecum recognovit G. Theiler / Herausgegeben und übertragen von W. Theiler (Zürich, München 21974) [Die Bi bliothek der Alten Welt, Griechische Reihe]. 223 Marci Aurelii Antonini Ad se ipsum libri XII, edidit J. Dalfen (Lipsiae 1979, 21987) [BT]. 224 Marc Aurel: Wege zu sich selbst, herausgege ben und übersetzt von R. Nickel (Düsseldorf, Zürich 1990, 32004) [Sammlung Tusculum]. 225 Fronton: Correspondance. Textes traduits et commentés par P. Fleury (Paris 2003) [CUF]. 226 Marc Aurel: Selbstbetrachtungen, übersetzt und erläutert von W. Capelle, überarbeitet und neu eingeleitet von J. Fündling (Stuttgart 13 2008). – Erstauflage 1933.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
227 Marco Aurelio: Pensieri. Testo greco a fronte. Introduzione, traduzione, note e apparati di C. Cassanmagnago (Milano 2008). 228 Marcus Aurelius: Meditations Books 1–6, translated with an Introduction and Com mentary by C. Gill (Oxford 2013).
Sekundärliteratur 232 F. Martinazzoli: La «successio» di Marco Au relio. Struttura e spirito del primo libro dei «Pensieri» (Bari 1951) [MOUSIKAI DIA LEKTIKOI Suppl. 5, 1]. 233 P. A. Brunt: Marcus Aurelius in His ‹Medita tions›, in: JRS 64 (1974) 1–20. 234 E. Asmis: The Stoicism of Marcus Aurelius, in: ANRW II 36,3 (1989) 2228–2252. 235 R. B. Rutherford: The ‹Meditations› of Mar cus Aurelius. A Study (Oxford 1989). 236 P. Hadot: La citadelle intérieure. Introduction aux ‹Pensées› de Marc Aurèle (Paris 1992, 21997). 237 T. Engberg-Pedersen: Marcus Aurelius on Emotions, in: The Emotions in Hellenistic Philosophy, edited by J. Sihvola, T. EngbergPedersen (Dordrecht 1998) 305–337.
238 J. Kraye: ‘Ethnicorum omnium sanctissimus’: Marcus Aurelius and His ‹Meditations› from Xylander to Diderot, in: Humanism and Early Modern Philosophy, edited by J. Kraye, M. W. F. Stone (London 2000) 107–134. 239 J. Annas: Marcus Aurelius: Ethics and its Background, in: Rhizai. A Journal for Ancient Philosophy and Science 1 (2004) 103–119. 240 J. Brunschwig: Sur deux notions de l’éthique stoïcienne. De la ‘réserve’ au ‘renversement’, in: Les Stoïciens. Études sous la direction de G. R. Dherbey, réunies et éditées par J.-B. Gourinat (Paris 2005) 357–380. 241 A. Giavatto: Interlocutore di se stesso. La dia lettica di Marco Aurelio (Hildesheim 2008). 242 M. van Ackeren: Die Philosophie Marc Aurels, I–II (Berlin 2011) [Quellen und Stu dien zur Philosophie 103]. 243 A Companion to Marcus Aurelius, edited by M. van Ackeren (Malden MA 2012). 244 Selbstbetrachtungen und Selbstdarstellungen. Der Philosoph und Kaiser Marc Aurel in in terdisziplinärem Licht. Akten des interdiszi plinären Kolloquiums Köln, 23.–25. Juli 2009, herausgegeben von M. van Ackeren, J. Opso mer (Wiesbaden 2012).
Hierokles Ausgaben und Übersetzungen
Sekundärliteratur
249 Hierokles: Ethische Elementarlehre (Papyrus 9780), nebst den bei Stobäus erhaltenen ethi schen Exzerpten aus Hierokles unter Mitwir kung von W. Schubart bearbeitet von H. von Arnim (Berlin 1906). 250 G. Bastianini, A. A. Long: Hierocles, in: Cor pus dei papiri filosofici Greci e Latini. Testi e lessico nei papiri di cultura greca e latina. Parte I: Autori noti, vol. 1** (Firenze 1992) 268–451. 251 Hierocles the Stoic: ‹Elements of Ethics›, Fragments and Excerpts, by I. Ramelli, trans lated by D. Konstan (Leiden 2009). [Writings from the Greco-Roman World 28].
257 K. Praechter: Hierokles der Stoiker (Leipzig 1901). 258 B. Inwood: Hierocles: Theory and Argument in the Second Century AD, in: OSAPh 2 (1984) 151–183. 259 M. Isnardi Parente: Ierocle stoico. Oikeiosis e doveri sociali, in: ANRW II 36,3 (1989) 2201– 2226. 260 M. Whitlock Blundell: Parental Nature and Stoic Οἰκείωσις, in: AncPhil 10 (1990) 221– 242.
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Nachwirkung der stoischen Ethik in Platonismus und Christentum
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Stoische Einflüsse in der römischen Literatur neronischer Zeit 266 J. Wildberger: Quanta sub nocte iaceret nos tra dies (Lucan. 9,13f.) – Stoizismen als Mittel der Verfremdung bei Lucan, in: Lucan im 21. Jahrhundert, herausgegeben von Ch. Walde (München, Leipzig 2005) 56–88. 267 P. Grimal: Quelques aspects du stoïcisme de Lucain dans la ‹Pharsale›, in: Bulletin de la Classe des lettres de l’Académie Royale de Belgique 69 (1983) 401–416.
268 D. B. George: The Stoic Poet Lucan. Lucan’s ‹Bellum civile› and Stoic Ethical Theory (Ann Arbor MI 1986). – Xeroskopie. 269 K. Volk: Manilius and His Intellectual Back ground (Oxford 2009). 270 K. J. Reckford: Recognizing Persius (Prince ton 2009).
Nachwirkung der stoischen Ethik in Platonismus und Christentum Ausgaben und Übersetzungen 276 Simplicius: Commentaire sur le ‹Manuel› d’Épictète. Introduction et édition critique du texte grec par I. Hadot (Leiden, New York 1996) [PhA 66]. 277 G. Boter: The ‹Encheiridion› of Epictetus and its Three Christian Adaptations. Transmis sion and Critical editions (Leiden, Boston 1999) [PhA 82]. 278 Commentaire sur la ‹Paraphrase chrétienne› du ‹Manuel› d’Épictète. Introduction, texte (partiellement) inédit, apparat critique, tra duction, notes et index par M. Spanneut (Paris 2007) [SC 503].
Sekundärliteratur 284 P. Wendland: Quaestiones Musonianae, De Musonio stoico Clementis Alexandrini alio rumque auctore (Diss. Berlin 1886). 285 C. P. Parker: Musonius in Clement, in: HSPh 12 (1901) 191–200. 286 J. Stelzenberger: Die Beziehungen der früh christlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa. Eine moralgeschichtliche Studie (München 1933; ND Hildesheim 1989). 287 M. Spanneut: Le stoïcisme des pères de l’Église de Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (Paris 1957). 288 M. Spanneut: Le stoїcisme et Saint Augustin, in: Forma futuri. Studi in onore del Cardinale M. Pellegrino (Torino 1975) 896–914.
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289 M. Djuth: Stoicism and Augustine’s Doctrine of Human Freedom after 396, in: Collectanea Augustiniana. Augustine: ‘Second Founder of the Faith’, edited by J. C. Schnaubelt, F. van Fleteren (New York 1990) 387–401. 290 M. Spanneut: L’impact de l’apatheia stoїcienne sur la pensée chrétienne jusqu’à saint Augus tin, in: Cristianismo y aculturación en tiem pos del imperio romano, editado por A. González Blanco, J. M. Blázquez Martines (Murcia 1990) 35–52. 291 I. Gobry: La critique augustinienne du stoїcisme, in: Diotima 20 (1992) 115–121. 292 J. N. Torchia: St. Augustine’s Critique of the Adiaphora. A Key Component of His Rebut tal of Stoic Ethics, in: Studia moralia 38 (2000) 165–195. 293 Ch. Brittain: Non-Rational Perception in the Stoics and Augustine, in: OSAPh 22 (2002) 253–308. 294 G. Reydams-Schils: Virtue, Marriage, and Parenthood in Simplicius’ ‹Commentary on Epictetus’ ‹Encheiridion››, in: Platonisms: Ancient, Modern, and Postmodern, edited by J. Kraye, M. W. F. Stone (Leiden, Boston 2007) [SPNPT 4] 109–125. 295 S. Byers: Perception, Sensibility, and Moral Motivation in Augustine: A Stoic-Platonic Synthesis (Cambridge 2013). 296 G. Reydams-Schils: Musonius Rufus, in: RAC 25 (2013) 345–357. – Übersetzt von M. Siede.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
III. KYNIKER
Überblick 302 H. Weber: De Senecae philosophi dicendi ge nere Bioneo (Marpurgi Cattorum 1895). 303 P. Wendland: Philo und die kynisch-stoische Diatribe, in: Beiträge zur Geschichte der griechischen Philosophie und Religion, her ausgegeben von P. Wendland, O. Kern (Berlin 1895) 3–75. 304 P. Vallette: Les Cyniques, in: RThPh 11 (1923) 5–33. 305 A. Oltramare: Les origines de la diatribe ro maine (Lausanne 1926). 306 L. Robert: Pantomimen im griechischen Orient, in: Hermes 65 (1930) 106–122. 307 L. Robert: Villes d’Asie mineure. Études de géographie ancienne (Paris 1935, 21962). 308 D. R. Dudley: A History of Cynicism from Diogenes to the 6th Century A.D. (London 1937). – Zu Demonax: 158–162. 309 F. Schweingruber: Sokrates und Epiktet, in: Hermes 78 (1943) 52–79. 310 A. Jagu: Epictète et Platon. Essai sur les rela tions du Stoïcisme et du Platonisme à propos de la Morale des Entretiens (Paris 1946). 311 H. A. Musurillo: The Acts of the Pagan Mar tyrs (Oxford 1954). – Vor allem Appendix V, The Acta and the Cynics: 267–277. 312 J.-M. André: L’Otium dans la vie morale et in tellectuelle romaine des origines à l’époque augustéenne (Paris 1966) 209–277. 313 J. Roca Ferrer: Kynikos tropos. Cinismo y subversion literaria en la antiguedad (Barce lona 1974).
314 J.-M. André: Les écoles philosophiques aux deux premiers siècles de l’Empire, in: ANRW II 36,1 (1987) 5–77. 315 M. Griffin: Philosophy, Politics, and Politi cians at Rome, in: Philosophia togata. Essays on Philosophy and Roman Society, edited by M. Griffin, J. Barnes (Oxford 1989) 1–37. 316 M.-O. Goulet-Cazé: Le cynisme à l’époque impériale, in: ANRW II 36,4 (1990) 2720– 2833. 317 A. Brancacci: I κοινῇ ἀρέσκοντα dei Cinici e la κοινωνία tra cinismo e stoicismo nel libro VI (103–105) delle ‘Vite’ di Diogene Laerzio, in: ANRW II 36,6 (1992) 4049–4075. 318 Le cynisme ancien et ses prolongements. Actes du Colloque Internationale du CNRS (Paris, 22–25 juillet 1991), sous la direction de M.-O. Goulet-Cazé, R. Goulet (Paris 1993). 319 M. T. Griffin: Le mouvement cynique et les Romains: attraction et répulsion, in: GouletCazé, Goulet 1993 [*318: 241–258]. 320 A. Brancacci: Cinismo e predicazione popo lare, in: Lo spazio letterario della Grecia a ntica. I,3: La produzione e la circolazione del testo: I Greci e Roma, a cura di G. Cam biano, L. Canfora, D. Lanza (Roma 1994) 433–455. 322 A. Brancacci: Il contributo dei papiri alla gnomica di tradizione cinica, in: Aspetti di letteratura gnomica nel mondo antico II, a cura di M. S. Funghi (Firenze 2004) 221–248. 323 K. Döring: Die Kyniker (Bamberg 2006).
Demetrios, Dion Chrysostomos, Demonax, Peregrinos Primärliteratur 329 Dionis Prusaensis quem vocant Chrysosto mum quae exstant omnia, edidit apparatu cri tico instruxit J. de Arnim, I–II (Berolini 1893–1896). 330 Lucian, with an English Translation by A. M. Harmon, K. Kilburn, M. D. MacLeod, I–VIII (Cambridge MA, London 1913–1967) [LCL 14, 54, 130, 162, 302, 430–432]. – Zu Demo nax: I 141–173; zu Peregrinos: V 1–51.
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331 Dionis Chrysostomi orationes, post Ludo vicum Dindorfium edidit G. de Budé, I–II (Lipsiae 1916–1919) [BT]. 332 Dio Chrysostom: Discourses, with an English Translation by J. W. Cohoon, H. Lamar Crosby, I–V (Cambridge MA, London 1932– 1951) [LCL 257, 339, 358, 376, 385]. 333 Luciani opera, recognovit, brevique adnota tione critica instruxit M. D. Macleod, I–IV (Oxonii 1972–1987) [OCT].
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Demetrios, Dion Chrysostomos, Demonax, Peregrinos
334 M. Billerbeck: Der Kyniker Demetrius. Ein Beitrag zur Geschichte der frühkaiserzeit lichen Popularphilosophie (Leiden 1979) [PhA 36]. 335 Lukian: Werke in drei Bänden, aus dem Griechischen übersetzt von C. M. Wieland, herausgegeben von J. Werner, H. Greiner-Mai (Berlin, Weimar 1981). – Zu Demonax: II 110–124. 336 Lukian: Der Tod des Peregrinos. Ein Schar latan auf dem Scheiterhaufen, herausgegeben, übersetzt und mit Beiträgen versehen von P. Pilhofer, M. Baumbach, J. Gerlach, D. U. Hansen (Darmstadt 2005) [SAPERE 9].
Sekundärliteratur 342 J. Bernays: Lucian und die Kyniker (Berlin 1879). 343 F. Dümmler: Antisthenica (Halle 1882). – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften I: Zur grie chischen Philosophie (Leipzig 1901) 10–78. 344 P. Hagen: Quaestiones Dioneae (Kiel 1887). 345 E. Weber: De Dione Chrysostomo Cynico rum sectatore, in: Leipziger Studien für classische Philologie 10 (1887) 77–268. 346 F. Dümmler: Akademika. Beiträge zur Lite raturgeschichte der sokratischen Schulen (Giessen 1889). 347 K. Joël: Der echte und der xenophontische Sokrates, I–II (Berlin 1893–1901).
348 R. Hirzel: Der Dialog. Ein literarhistorischer Versuch, I–II (Leipzig 1895). – Zu Dion: II 84–119. 349 C. Hahn: De Dionis Chrysostomi orationi bus, quae inscribuntur Diogenes (VI, VIII, IX, X) (Homburg 1896). 350 J. Wegehaupt: De Dione Chrysostomo Xeno phontis sectatore (Gotha 1896). 351 A. Sonny: Ad Dionem Chrysostomum ana lecta (Kiev 1896). 352 H. von Arnim: Demetrios (91), in: RE IV 2 (1901) 2843–2844. 353 K. Praechter: Zur Frage nach der Composi tion der sechsten Rede des Dion Chrysosto mus, in: Hermes 37 (1902) 283–291. 354 H. von Arnim: Demonax (1), in: RE V 1 (1903) 143–144. 355 W. Schmid: Dion (18), in: RE V 1 (1903) 848– 877. 356 R. Helm: Lucian und Menipp (Leipzig 1906; ND Hildesheim 1967). 357 K. Funk: Untersuchungen über die luciani sche ‹Vita Demonactis› (Leipzig 1907) [Phi lologus Suppl. 10] 559–674.
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358 H. Maier: Sokrates. Sein Werk und seine ge schichtliche Stellung (Tübingen 1913). 359 L. François: Essai sur Dion Chrysostome (Paris 1921). 360 K. von Fritz: Quellenuntersuchungen zu Leben und Philosophie des Diogenes von Sinope (Leipzig 1926) [Philologus Suppl. 18,2]. 361 H. M. Hornsby: The Cynicism of Peregrinus Proteus, in: Hermathena 48 (1933) 65–84. – Wieder in: Die Kyniker in der modernen For schung, herausgegeben von M. Billerbeck (Amsterdam 1991) 167–181. 362 K. von Fritz: Peregrinus (16), in: RE XIX 1 (1937) 656–663. 363 R. Höistad: Cynic Hero and Cynic King. Studies in the Cynic Conception of Man (Uppsala 1948). 364 A. Brancacci: Le orazioni diogeniane di Dione Crisostomo, in: Scuole socratiche m inori e filosofia ellenistica, a cura di G. Giannantoni (Bologna 1977) 141–171. 365 M. Szarmach: Les discours diogéniens de Dion de Pruse, in: Eos 65 (1977) 77–90. 366 P. Desideri: Dione di Prusa. Un intellettuale greco nell’impero romano (Firenze, Messina 1978). 367 C. P. Jones: The Roman World of Dio Chry sostom (Cambridge MA, London 1978). 368 J. Moles: The Career and Conversion of Dio Chrysostom, in: JHS 98 (1978) 79–100. 369 A. Brancacci: Tradizione cinica e problemi di datazione nelle orazioni diogeniane di Dione di Prusa, in: Elenchos 1 (1980) 92–122. 370 K. J. F. Kindstrand: Demetrius the Cynic, in: Philologus 124 (1980) 83–98. 371 M. Billerbeck: La réception du Cynisme à Rome, in: AC 51 (1982) 151–173. 372 J. Moles: «Honestius quam ambitiosius»? An Exploration of the Cynic’s Attitude to Moral Corruption in his Fellow Men, in: JHS 103 (1983) 103–123. 373 A. Brancacci: Rhetorike philosophousa. Dione Crisostomo nella cultura antica e bizantina (Napoli 1985) [Elenchos 11]. 374 C. P. Jones: Culture and Society in Lucian (Cambridge MA, London 1986). 375 M. J. Edwards: Satire and Verisimilitude. Christianity in Lucian’s Peregrinus, in: Histo ria 38 (1989) 89–98. 376 A. Brancacci: Oikeios logos. La filosofia del linguaggio di Antistene (Napoli 1990) [Elen chos 20]. – Französische Übersetzung: Anti sthène. Le discours propre (Paris 2005). 377 B. F. Harris: Dio of Prusa: a Survey of Recent Work, in: ANRW II 33,5 (1991) 3853–3881.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
378 A. Brancacci: Struttura compositiva e fonti della terza orazione ‘Sulla regalità’ di Dione Crisostomo. Dione e l’‘Archelao’ di Anti stene, in: ANRW II 36,5 (1992) 3308–3334. 379 D. Clay: Lucian of Samosata. Four Philoso phical Lives (Nigrinus, Demonax, Peregrinus, Alexander Pseudomantis), in: ANRW II 36,5 (1992) 3406–3450. – Zu Demonax: 3425– 3429; zu Peregrinus: 3430–3438. 380 S. Follet: Les cyniques dans la poésie épi grammatique à l’époque impériale, in: Goulet- Cazé, Goulet 1993 [*318: 359–380]. 381 P. Jones: Cynisme et sagesse barbare: Le cas de Pérégrinus Proteus, in: Goulet-Cazé, Goulet 1993 [*318: 305–317]. 382 F. Jouan: Le Diogène de Dion Chrysostome, in: Goulet-Cazé, Goulet 1993 [*318: 381–397]. 383 M. Billerbeck: Démetrios, in: DPhA II (1994) 622–623. 384 P. Desideri: Dion Cocceianus de Pruse dit Chrysostome, in: DPhA II (1994) 841–856. 385 S. Swain: Hellenism and Empire. Language, Classicism, and Power in the Greek World AD 50–250 (Oxford 1996). – Zu Dion: 187–241.
386 H.-G. Nesselrath: Lucien et le Cynisme, in: AC 67 (1998) 121–135. 387 R. Soto Rivera: De Parménides a Demonacte: hilos de una urdimbre textual: para una nueva historia de la filosofia (Puerto Rico 1999). 388 Dio Chrysostom. Politics, Letters, and Philo sophy, edited by S. Swain (Oxford 2000). 389 A. Brancacci: Dio, Socrates, and Cynicism, in: Swain 2000 [*388: 240–260]. 390 J. Moles: The Dionian Charidemus, in: Swain 2000 [*388: 187–210]. 391 A. Brancacci: Le Socrate de Dion Chrysos tome, in: Philosophie antique 1 (2001) 167– 182. 392 I. Ramelli: Tracce di montanismo nel ‹Pere grino› di Luciano?, in: Aevum 79 (2005) 79–94. 393 J. Moles: The Thirteenth Oration of Dio Chrysostom: Complexity and Simplicity, Rhetoric and Moralism, Literature and Life, in: JHS 125 (2005) 112–138.
Oinomaos von Gadara Primärliteratur 398 De Oenomao Cynico disseruit, Oenomai libri qui inscribitur γοήτων φώρα reliquias Graece Latine edidit, commentario instruxit P. Val lette (Lutetiae Parisorum 1908). 399 Die Orakelkritik des Kynikers Oenomaus, herausgegeben von J. Hammerstaedt (Frank furt a. M. 1988).
Sekundärliteratur 405 H. J. Mette: Oinomaos (5), in: RE XVII 2 (1937) 2249–2251. 406 J. Hammerstaedt: Le cynisme littéraire à l’époque impériale, in: Goulet-Cazé, Goulet 1993 [*318: 399–418].
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407 A. Brancacci: Libertà e fato in Enomao di Gadara, in: La filosofia in età imperiale. Le scuole e le tradizioni filosofiche, a cura di A. Brancacci (Napoli 2000) [Elenchos 31] 37– 67. 408 A. Brancacci: La polemica antifatalistica di Enomao di Gadara, in: Antichi e moderni nella filosofia di età imperiale, a cura di A. Brancacci (Napoli 2001) [Elenchos 34] 71– 110. 409 A. Brancacci: L’attore e il cambiamento di ruolo nel cinismo, in: Philologus 146 (2002) 65–86. 410 S. Husson: Œnomaus de Gadara: le dialogue contre le destin, in: Chôra. Revue d’études anciennes et médiévales 12 (2014) 121–143. 411 A. Brancacci: La polémique contre les oracles d’Œnomaos de Gadara, in: Revue de philoso phie ancienne 35 (2017) 197–220.
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Kynische Epistolographen, Philosophische Literatur über den Kynismus
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Der Kynismus bis Maximos von Alexandrien und Salustios aus Syrien 415 R. Asmus: Gregorius von Nazianz und sein Verhältnis zum Kynismus. Eine patristischphilosophische Studie, in: Theologische Stu dien und Kritiken 67 (1894) 314–339. – Wieder in: Die Kyniker in der modernen Forschung, herausgegeben von M. Billerbeck (Amster dam 1991) 185–205. 416 R. Asmus: Der Kyniker Sallustius bei Damas cius, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 25 (1910) 504–522. – Wie der in: Die Kyniker in der modernen For schung, herausgegeben von M. Billerbeck (Amsterdam 1991) 207–229. 417 K. Praechter: Sallustius (39), in: RE I A 2 (1920) 1967–1970. 418 W. Burkert: Weisheit und Wissenschaft. Stu dien zu Pythagoras, Philolaos und Platon (Nürnberg 1962). 419 B. E. Perry: Secundus the Silent Philosopher (Ithaca NY 1964). 420 H. Funke: Antisthenes bei Paulus, in: Hermes 98 (1970) 459–471. 421 G. Dorival: L’image des cyniques chez les Pères grecs, in: Goulet-Cazé, Goulet 1993 [*318: 419–443]. 422 G. Dorival: Cyniques et Chrétiens au temps des Pères grecs, in: Valeurs dans le stoïcisme. Du Portique à nos jours. Textes rassemblés en hommage à Michel Spanneut, édité par M. Soetard (Lille 1993) 57–88.
423 F. G. Downing: Cynics and Early Christian ity, in: Goulet-Cazé, Goulet 1993 [*318: 281– 304]. 424 D. Krueger: Diogenes the Cynic Among the Fourth Century Fathers, in: VChr 47 (1993) 29–49. 425 M. Ebner: Kynische Jesusinterpretation – «disciplined exaggeration», in: Biblische Zeit schrift 40 (1996) 93–100. 426 F. G. Downing: The Jewish Cynic Jesus, in: Jesus, Mark and Q. The Teaching of Jesus and its Earliest records, edited by M. Labahn, A. Schmidt (Sheffield 2001) 184–214. 427 C. Moreschini: Dottrine ciniche ed etica cris tiana nella poesia di Gregorio Nazianzeno, in: La poesia tardoantica e medievale. Atti del 1. Convegno internazionale di studi (Mace rata, 4–5 maggio 1998), a cura di M. Salva dore (Alessandria 2001) 231–248. 428 M.-O. Goulet-Cazé: Maxime Héron d’Alexan drie, in: DPhA IV (2005) 348–363. 429 J. Moles: Cynic influence upon first-century Judaism and early Christianity?, in: The L imits of Ancient Biography, edited by J. McGing, J. Mossman (Swansea 2006) 89–116. 430 M.-O. Goulet-Cazé: Cynisme et Christia nisme dans l’Antiquité (Paris 2015) [Textes et traditions].
Kynische Epistolographen, Philosophische Literatur über den Kynismus Primärliteratur Kynikerbriefe 434 The Cynic Epistles. A Study Edition by A. J. Malherbe (Missoula, Montana 1977). 435 E. Müseler: Die Kynikerbriefe. I: Die Über lieferung; II: Kritische Ausgabe mit deutscher Übersetzung (Paderborn, München 1994) [Studien zur Geschichte und Kultur des Al tertums NF, 1. Reihe, 6–7].
Sekundärliteratur Kynikerbriefe 441 M. Boissonade: Des lettres inédites de Dio gène le Cynique, contenues dans les ma nuscrits 1353 et 398 du Vatican, in: Notices et
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extraits des manuscrits de la bibliothèque du roi et autres bibliothèques 10,2 (1818) 122–298. 442 W. Capelle: De Cynicorum epistulis (Gottin gae 1896). 443 A. Olivieri: Ricerche letterarie sui Cinici (Bo logna 1899). 444 V. E. Emeljanow: The Letters of Diogenes (Stanford University 1968). 445 F. Junqua: Lettres de cyniques. Étude des correspondances apocryphes de Diogène de Sinope et de Cratès de Thèbes (Diss. Paris/ Sorbonne 2000). 446 K. M. Schmidt: Die pseudepigraphen Kyni kerbriefe, in: Mahnung und Erinnerung im Maskenspiel. Epistolographie, Rhetorik und Narrativik der pseudepigraphen Petrusbriefe,
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
herausgegeben von K. M. Schmidt (Freiburg, Basel 2003) 119–154.
Primärliteratur zur philosophischen Literatur über den Kynismus
457 Giuliano imperatore: Al cinico Eraclio. Edi zione critica, traduzione e commento a cura di R. Guido (Galtaina, Lecce 2000).
Sekundärliteratur zur philosophischen Literatur über den Kynismus
452 E. Sachau: Inedita Syriaca. Eine Sammlung syrischer Übersetzungen von Schriften grie chischer Profanliteratur (Halle 1870; ND Hil desheim 1968). 453 Maximi Tyrii Philosophoumena, edidit H. Hobein (Lipsiae 1910) [BT]. 454 Themistii orationes quae supersunt, recensuit H. Schenkl, opus consummaverunt G. Dow ney, A. F. Norman, I–III (Lipsiae 1974) [BT]. – Zu Περὶ ἀρετῆς: III 7–71. 455 Giuliano imperatore: Contro i cinici igno ranti. Edizione critica, traduzione e com mento a cura di C. Prato, D. Micalella (Lecce 1988). 456 Maximus of Tyre: The Philosophical Ora tions, translated, with an introduction and notes by M. B. Trapp (Oxford 1997).
463 J. Gildemeister, F. Bücheler: Themistios Περὶ ἀρετῆς, in: RhM 27 (1872) 438–462. 464 R. Guido: ΑΛΗΘΕΙΑ e ΔΟΧΑ nell’etica ‘cinica’ di Giuliano Imperatore, in: Rudiae 5 (1993) 91–108. 465 K. Döring: Kaiser Julians Plädoyer für den Kynismus, in: RhM 140 (1997) 386–400. 466 A. Brancacci: Temistio e il cinismo, in: Elen chos 21 (2000) 381–396. – Erweiterte Fassung in: A. Brancacci: Studi di storiografia filoso fica antica (Florenz 2008) 131–145. 467 M. Schofield: Epictetus: Socratic, Cynic, Stoic, in: Philosophical Quarterly 54 (2004) 448–456.
IV. EPIKUREISMUS IN DER KAISERZEIT Überblick
Primärliteratur 473 Epicurea, edidit H. Usener (Lipsiae 1887; ND Stuttgart 1966).
Sekundärliteratur
Allgemein 479 H. Steckel: Epikuros, in: RE Suppl. XI (1968) 579–652. 480 E. Paratore: La problematica sull’epicureismo a Roma, in: ANRW I 4 (1973) 116–204. 481 J. Glucker: Antiochus and the Late Academy (Göttingen 1978) [Hypomnemata 56].
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482 W. Schmid: Epikur, in: RAC 5 (1962) 681– 819. – Zur Kaiserzeit: 767ff. Italienische Übersetzung von I. Ronca (Brescia 1984). 483 A. A. Long, D. N. Sedley: The Hellenistic Phi losophers (Cambridge 1987). 484 H. Jones: The Epicurean Tradition (London 1989). 485 J. Schmidt: Für und wider die Lust. Epikur und Antiepikureismus von der Antike bis zur Moderne. Mit einem Versuch über Hiero nymus Boschs ‹Garten der Lüste›, in: Auf klärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur, Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart, heraus gegeben von J. Schmidt (Darmstadt 1989) 206–219.
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Überblick
486 J. Ferguson: Epicureanism under the Roman Empire, revised and supplemented by J. P. Hershbell, in: ANRW II 36,4 (1990) 2257–2327. 487 A. Stückelberger: Die Atomistik in römischer Zeit: Rezeption und Verdrängung, in: ANRW II 36,4 (1990) 2561–2580. 489 M. Erler: Epikuros, in: DNP III (1997) 1130– 1140. 490 Zur Rezeption der hellenistischen Philoso phie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 22.–25. September 1997 in Trier, herausgege ben von Th. Fuhrer, M. Erler (Stuttgart 1999) [PhdA 9]. 491 Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karlund-Gertrud-Abel-Stiftung vom 30. Septem ber–3. Oktober 1998 in Würzburg, herausgegeben von M. Erler (Stuttgart 2000) [PhdA 11]. 492 D. Timpe: Der Epikureismus in der römi schen Gesellschaft der Kaiserzeit, in: Erler 2000 [*491: 42–63]. 493 M. Baltes: Zur Nachwirkung des Satzes «Τὸ μακάριον καὶ ἄφθαρτον οὔτε αὐτὸ πράγματα ἔχει», in: Erler 2000 [*491: 93–108]. – Wieder in: Ders.: EΠINOHMATA. Kleine Schriften zur antiken Philosophie und homerischen Dichtung, herausgegeben von M.-L. Lak mann (München, Leipzig 2005) [BzA 221] 27–47. 494 G. Roskam: ‘Live unnoticed’. Λάθε βιώσας. On the Vicissitudes of an Epicurean Doctrine (Leiden 2007) [PhA 111]. 495 M. Erler: Epicureanism in the Roman Em pire, in: The Cambridge Companion to Epi cureanism, edited by J. Warren (Cambridge 2009) 46–64. Das 1. Jahrhundert 501 H. Mutschmann: Seneca und Epikur, in: Her mes 50 (1915) 321–356. 502 A. Sachelli: Lineamenti epicurei nello stoicismo di Seneca (Genova 1925). 503 H. Schildhauer: Seneca und Epikur. Eine Stu die zu ihrer Ethik und Weltanschauung (Greifswald 1932). 504 T. Hermes: Epikur in den ‹Epistulae morales› Senecas (Marburg 1951). 505 R. Schottländer: Epikureisches bei Seneca, in: Philologus 99 (1955) 133–148. 506 L. Campese: Seneca e l’epicureismo (Bene vento 1960).
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
528 P. Grenade: Le pseudo-épicurisme de Tacite, in: REA 55 (1953) 36–57. 529 R. Westman: Plutarch gegen Kolotes. Seine Schrift ‹Adversus Colotem› als philosophie geschichtliche Quelle (Helsinki 1955) [Acta Philosophica Fennica 7]. 530 P. Innocenti: Luciano di Samosata e l’epi cureismo, in: RSF 33 (1978) 30–53. 531 H. Temporini: Die Frauen am Hofe Trajans. Ein Beitrag zur Stellung der Augustae im Principat (Berlin, New York 1978). 532 L. Robert: À travers l’Asie mineure. Poètes et prosateurs, monnaies grecques, voyageurs et géographie (Athènes, Paris 1980) [Biblio thèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 239] 393–421. 533 K. D. Zacher: Plutarchs Kritik an der Lust lehre Epikurs. Ein Kommentar zu ‹Non posse suaviter vivi secundum Epicurum›, Kap. 1–8 (Königstein 1982) [BKP 124]. 534 T. Dorandi: Gli scritti antiepicurei di Plutarco, in: Syzetesis. Studi sull’epicureismo greco e romano offerti a M. Gigante (Napoli 1983) 679–695. 535 B. Branham: The Comic as Critic: Revenging Epicurus – a Study of Lucian’s Art of Comic Narrative, in: Classical Antiquity 3 (1984) 143–163. 536 H. G. Nesselrath: Lukians Parasitendialog (Berlin, New York 1985) [UaLG 22]. 537 T. Gargiulo: Una parodia epicurea nel ‹De Parasito› di Luciano, in: SIFC 6 (1988) 232– 235. 538 D. Clay: A lost Epicurean community, in: GRBS 30 (1989) 313–335. – Wieder in: Clay 1998 [*697: 232–255]. 539 J. P. Hershbell: Plutarch and Epicureanism, in: ANRW II 36,5 (1992) 3353–3383. 540 T. Dorandi: Plotina, Adriano e gli Epicurei di Atene, in: Erler 2000 [*491: 137–148]. 541 F. Ferrari: La falsità delle asserzioni relative al futuro. Un argomento epicureo contro la mantica in Plut. ‹Pyth. orac. 10›, in: Erler 2000 [*491: 149–163]. 542 J. Boulogne: Plutarque dans le miroir d’Épi cure. Analyse d’une critique systématique de l’épicurisme (Villeneuve d’Ascq 2003). 543 M. Erler: Exempla amoris. Der epikureische Epilogismos als philosophischer Hintergrund der Diatribe gegen die Liebe in Lukrez’ ‹De rerum natura›, in: Le jardin romain. Épicu risme et poésie à Rome. Mélanges offerts à M. Bollack, édités par A. Monet (Lille 2003) 147–162.
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544 I. Müller: Remarks on Physics and Mathe matical Astronomy and Optics in Epicurus, Sextus Empiricus and some Stoics, in: Apei ron 37 (2004) 57–87. 545 G. Roskam: The displeasing secrets of the Epicurean life. Plutarch’s polemic against Epi curus’ political philosophy, in: Plutarco e l’età ellenistica. Atti del Convegno Internazionale di Studi. Firenze, 22–24 settembre 2004, a cura di A. Casanova (Firenze 2005) 351–368. 546 E. Kechagia: Plutarch against Colotes. A Lesson in History of Philosophy (New York 2011). Das 3. Jahrhundert und die Spätantike 552 S. Gennaro: Lucrezio e l’apologetica latina in Claudiano, in: Miscellanea di Studi di Lette ratura cristiana antica 7 (1957) 5–60. 553 J. P. Dumont: Plotin et la doxographie épicu rienne, in: Néoplatonisme. Mélanges offerts à J. Trouillard (Fontenay-aux-Roses 1981) 191– 204. 554 E. Brown: Epicurus and voluptas in late An tiquity: The curious testimony of Martianus Capella, in: Traditio 38 (1982) 75–106. 555 D. J. O’Meara: Epicurus neoplatonicus, in: Fuhrer, Erler 1999 [*490: 83–91]. 556 D. J. O’Meara: Epikur bei Simplikios, in: Erler 2000 [*491: 243–251]. 557 K. A. Algra: The treatise of Cleomedes and its critique of Epicurean cosmology, in: Erler 2000 [*491: 164–189]. 558 M. Erler: Selbstfindung im Gebet. Integration eines Elementes epikureischer Theologie in den Platonismus der Spätantike, in: Plato nisches Philosophieren. Zehn Vorträge zu Ehren von Hans Joachim Krämer, herausge geben von Th. A. Szlezák (Hildesheim 2001) [Spudasmata 82] 155–171. 559 I. Männlein-Robert: Longin und Plotin über die Seele. Beobachtungen zu methodischen Differenzen in der Auseinandersetzung pla tonischer Philosophen des 3. Jahrhunderts n. Chr. mit Epikur und Stoa, in: Studi sull’ anima in Plotino, a cura di R. Chiaradonna (Napoli 2005) [Elenchos 42] 223–250. Bezugnahmen bei Christen und Juden 565 E. Klussmann: Arnobius und Lucrez oder ein durchgang durch den epikuräismus zum chris tenthum, in: Philologus 26 (1867) 362–366. 566 C. L. Feltoe: The Letters and Other Remains of Dionysius of Alexandria (Cambridge 1904).
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Überblick
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Epikureische Diesseitigkeit und christliche Auferstehung bei Augustinus und Lorenzo Valla, in: Abwägende Vernunft. Praktische Rationalität in historischer, systematischer und religionsphilosophischer Perspektive, herausgegeben von F.-J. Bormann, C. Schröer (Berlin 2004) 78–90. 607 Philodemus and the New Testament World, edited by J. T. Fitzgerald, D. Obbink, G. S. Holland (Leiden 2004) [NT Suppl. 111]. 608 C. Setzer: ‘Talking their Way into Empire’: Jews, Christians and Pagans debate Resurrec tion of the Body, in: Ancient Judaism in its Hellenistic Contexts, edited by C. Bakhos (Leiden, Boston 2005) [JSJ Suppl. 95] 155–175. 609 Ch. Markschies: Origenes und sein Erbe. Ge sammelte Studien (Berlin 2007) [TU 160]. 610 G. Ranocchia: Moses Against the Egyptian: The Anti-Epicurean Polemic in Philo, in: Philo of Alexandria and Post-Aristotelian Philosophy, edited by F. Alesse (Leiden, Bos ton 2008) [Studies in Philo of Alexandria 5] 75–102.
Diogenian 616 A. Gercke: Chrysippea, in: Jahrbücher für classische Philologie Suppl. 14 (1885) 691– 704; 705–755 (Testimonien). 617 A. von Arnim: Diogenianos (3), in: RE V 1 (1905) 777–778. 618 H. O. Schröder: fatum (Heimarmene), in: RAC 7 (1969) 524–636. 619 H. B. Gottschalk: Aristotelian philosophy in the Roman world from the time of Cicero to the end of the second century A. D., in: ANRW II 36,2 (1987) 1079–1174. – Zum Epi kureismus: 1139. 620 M. Isnardi Parente: Stoici antichi (Torino 1989).
621 M. Isnardi Parente: Diogeniano, gli epicurei e la τύχη, in: ANRW II 36,4 (1990) 2424– 2445. 622 J. Hammerstaedt: Das Kriterium der Prolep sis beim Epikureer Diogenian, in: JbAC 36 (1993) 24–32. 623 T. Dorandi: Diogénianos, in: DPhA II (1994) 833–834. 624 M. Erler: Interpretatio medicans. Zur epiku reischen Rückgewinnung der Literatur im philosophischen Kontext, in: Antike Philoso phie verstehen. Understanding Ancient Phi losophy, herausgegeben von M. van Ackeren, J. Müller (Darmstadt 2006) 243–256.
Diogenes von Oinoanda Editionen 630 Diogenis Oenoandensis fragmenta, recensuit A. Grilli (Milano 1960) [Testi e documenti per lo studio dell’antichità 2]. 631 Diogenis Oenoandensis fragmenta, edidit C. W. Chilton (Lipsiae 1967) [BT].
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632 Diogenes of Oenoanda: The fragments. A Translation and Commentary by C. W. Chil ton (Oxford 1971) [University of Hull Publi cations]. 633 M. F. Smith: New Fragments of Diogenes of Oenoanda, in: American Journal of Archaeo logy 75 (1971) 357–389.
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Diogenes von Oinoanda
634 M. F. Smith: New Readings in the Text of Dio genes of Oenoanda, in: CQ 22 (1972) 159– 162. 635 M. F. Smith: Two New Fragments of Diogenes of Oenoanda, in: JHS 92 (1972) 147–155. 636 M. F. Smith: Seven New Fragments of Dioge nes of Oenoanda, in: Hermathena 118 (1974) 110–129. 637 M. F. Smith: Thirteen New Fragments of Dio genes of Oenoanda (Wien 1974) [Tituli Asiae minoris, Ergänzungsband 3]. 638 M. F. Smith: More New Fragments of Dioge nes of Oenoanda, in: Études sur l’Épicurisme antique, publié par J. Bollack, A. Laks (Lille 1976) 279–318. 639 A. Casanova: I frammenti di Diogene d’Enoanda (Firenze 1984) [Studi e testi 6]. 640 Diogenes of Oenoanda: The Epicurean In scription, edited with Introduction, Transla tion, and Notes by M. F. Smith (Napoli 1993) [La scuola di Epicuro Suppl. 1]. 641 M. F. Smith: The Philosophical Inscription of Diogenes of Oinoanda (Wien 1996) [Tituli Asiae minoris, Ergänzungsband 20]. 642 M. F. Smith: Excavations at Oinoanda 1997. The New Epicurean Texts, in: Anatolian Stu dies 48 (1998) 125–170. 643 Supplement to Diogenes of Oinoanda: The Epicurean Inscription by M. F. Smith (Napoli 2003) [La scuola di Epicuro Suppl. 3]. 644 M. F. Smith: In Praise of the Simple Life. A New Fragment of Diogenes of Oenoanda [NF 136], in: Anatolian Studies 54 (2004) 35–46. 645 M. F. Smith, J. Hammerstaedt: The Inscrip tion of Diogenes of Oenoanda. New Investi gations and Discoveries (NF 137–141), in: EA 40 (2007) 1–11. 646 J. Hammerstaedt, M. F. Smith: Diogenes of Oinoanda. The Discoveries of 2008 (NF 142– 167), in: EA 41 (2008) 1–37. 647 J. Hammerstaedt, M. F. Smith: Diogenes of Oinoanda. The Discoveries of 2009 (NF 167– 181), in: EA 42 (2009) 1–38. 648 J. Hammerstaedt, M. F. Smith: Diogenes of Oinoanda. The Discoveries of 2010 (NF 182– 190), in: EA 43 (2010) 1–29. 649 J. Hammerstaedt, M. F. Smith: Diogenes of Oinoanda. The Discoveries of 2011 (NF 191– 205, and additions to NF 127 and 130), in: EA 44 (2011) 79–114. 650 J. Hammerstaedt, M. F. Smith: Diogenes of Oinoanda. The Discoveries of 2012 (NF 206– 212), and New Light on ‘Old’ Fragments, in: EA 45 (2012) 1–37.
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651 J. Hammerstaedt, M. F. Smith: The Epicurean inscription of Diogenes of Oinoanda. Ten years of New Discoveries and Research (Bonn 2014). – Enthält schon anderswo er schienene Aufsätze mit Texten, aber auch neue Ergänzungen, vgl. dazu 4–6.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
669 A. Casanova: Contributi per un’ edizione di Diogene d’Enoanda. Parte II, in: Prometheus 9 (1983) 257–266. 670 A. Casanova: Diogene d’Enoanda oggi, in: Prometheus 9 (1983) 111–138. 671 A. Grilli: Diathesis in Epicuro, in: Syzetesis. Studi sull’epicureismo greco e romano offerti a M. Gigante, I (Napoli 1983) 93–109. 672 M. F. Smith: A bibliography of works on Dio genes of Oenoanda (1892–1981), in: Syzetesis. Studi sull’ epicureismo greco e romano offerti a M. Gigante, I (Napoli 1983) 683–695. 673 R. Westman: Zu einigen ‘New Fragments’ des Diogenes von Oinoanda, in: Syzetesis. Studi sull’epicureismo greco e romano offerti a M. Gigante, I (Napoli 1983) 373–384. 674 A. Casanova: La critica di Diogene d’Enoanda alla metempsicosi empedoclea (NF 2 + fr. 34 Ch.), in: Studi in onore di A. Barigazzi, I (Catania 1984) 119–130. 675 D. Clay: The Means to Epicurus’ Salvation. The ‘Crux’ at Diogenes of Oenoanda, NF 7 II,12, in: Studi in onore di A. Barigazzi, I (Ca tania 1984) 169–175. – Wieder in: Clay 1998 [*697: 200–206]. 676 P. Frassinetti: Note a Diogene di Enoanda, in: Atti della Accademia Ligure di Scienze e Let tere 41 (1984) 379–386. 677 A. A. Long: Pleasure and social utility. The virtues of being epicurean, in: Aspects de la philosophie hellénistique. Entretiens prépa rés et présidés par H. Flashar, O. Gigon (Van dœuvres/Genève 1985) [Entretiens 32] 283–324. 678 R. Westman: Neues Licht auf ‘New fragment 8’ des Diogenes von Oinoanda, in: Studia in honorem I. Kajanto (Helsinki 1985) [Arctos Suppl. 2] 323–328. 679 D. Clay: The Cults of Epicurus, in: Cronache Ercolanesi 16 (1986) 11–28. – Wieder in: Clay 1998 [*697: 75–102]. 680 E. Flores: Due problemi riguardo agli atomi in Democrito e Epicuro e il fr. 40 Casan. di Diogene di Enoanda, in: AION 9–10 (1987– 88) 3–17. 681 D. Clay: The Philosophical Inscription of Diogenes of Oenoanda. New Discoveries 1969–1983, in: ANRW II 36,4 (1990) 2446– 2559, 3231–3232. 682 T. Kappeler: Das ‘Tote Meer’ bei Diogenes von Oinoanda (NF 40), in: EA 15 (1990) 7–18. 683 L. Canfora: Diogene di Enoanda e Lucrezio, in: RFIC 120 (1992) 39–66.
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684 L. Canfora: Non giova l’impressionismo epi grafico. Ancora su Diogene di Enoanda e Lu crezio, in: RFIC 121 (1993) 493–499. 685 D. Clay: Individual and Community in the First Generation of the Epicurean School, in: Syzetesis. Studi sull’Epicureismo greco e romano offerti a M. Gigante, I (Napoli 1993) 255–279. – Wieder in: Clay 1998 [*697: 55–74]. 686 M. F. Smith: Did Diogenes of Oinoanda know Lucretius? A Reply to Professor Canfora, in: RFIC 121 (1993) 478–492. 687 L. Canfora: Epikurs Verbreiter in Kleinasien und der römische Epikureismus, in: Rationa lität im Diskurs. R. W. Müller zum 60. Ge burtstag, herausgegeben von D. Thofern, S. Gabbani, W. Vosse (Marburg 1994) 69–77. 688 B. Puech, R. Goulet: Diogène d’Oinoanda, in: DPhA II (1994) 803–806. 689 L. Canfora: Thaumasios Karos, in: Epicu reismo greco e romano, II, a cura di G. Gian nantoni, M. Gigante (Napoli 1996) [Elenchos 25] 969–975. 690 P. Gordon: Epicurus in Lycia. The SecondCentury world of Diogenes of Oenoanda (Ann Arbor 1996). 691 D. Konstan: Diogenes of Oenoanda, in: The Oxford Classical Dictionnary, edited by S. Hornblower, A. Spawforth (Oxford ³1996) 474. 692 M. F. Smith: A ‘Herculaneum’ in the moun tains of Turkey. Oinoanda as a source of Epicurean texts, in: Epicureismo greco e romano, II, a cura di G. Giannantoni, M. Gi gante (Napoli 1996) [Elenchos 25] 951–968. 693 M. F. Smith: An Epicurean priest from Apa mea in Syria, in: ZPE 112 (1996) 120–130. 694 D. Clay: Diogenes of Oenoanda, in: Encyclo pedia of Classical Philosophy, edited by D. J. Zeyl (London, Chicago 1997) 191–192. 695 M. F. Smith: The Chisel and the Muse. Dioge nes of Oenoanda and Lucretius, in: Lucretius and his Intellectual Background, edited by K. A. Algra, H. Koenen, P. H. Schrijvers (Amsterdam 1997) 67–78. 696 A. Casanova: Qualche riflessione sui frammenti dell’iscrizione di Diogene d’Enoanda, in: Fragmentsammlungen philosophischer Texte der Antike – Le raccolte dei frammenti di fi losofi antichi. Atti del Seminario Internazio nale. Ancona, Centro Stefano Franscini, 22–27 Settembre 1996, herausgegeben von W. Bur kert, L. Gemelli Marciano, E. Matelli, L. Orelli (Göttingen 1998) [Aporemata 3] 2 63–272.
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Akademische Skepsis
697 D. Clay: Paradosis and Survival. Three Chap ters in the History of Epicurean Philosophy (Ann Arbor 1998). 698 J.-P. Schneider: «La philosophie épicurienne sur pierre», in: RThPh 130 (1998) 75–82. 699 M. F. Smith: Epicurus’ ‹Kyria Doxa› 26 and a New Fragment of Diogenes of Oinoanda, in: Hyperboreus 4 (1998) 193–195. 700 É. Évrard: Diogène d’Oenoanda et Lucrèce, in: Présence de Lucrèce. Actes du colloque tenu à Tours (3–5 décembre 1998), édité par R. Poignault (Tours 1999) 51–63. 701 D. Clay: Diogenes and his Gods, in: Erler 2000 [*491: 76–92]. 702 M. F. Smith: Elementary, my Dear Lycians: a pronouncement on physics from Diogenes of Oinoanda, in: Anatolian Studies 50 (2000) 133–137. 703 M. F. Smith: Fresh Thoughts on Diogenes of Oinoanda fr. 68, in: ZPE 133 (2000) 51–55. 704 M. F. Smith: Digging up Diogenes. New Epi curean Texts from Oinoanda in Lycia, in: Erler 2000 [*491: 64–75]. 705 M. F. Smith: Quotations of Epicurus common to Diogenes of Oinoanda and Diogenes Laer tios, in: Hyperboreus 6 (2000) 188–197.
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706 M. F. Smith: The Introduction to Diogenes of Oinoanda’s ‹Physics›, in: CQ 50 (2000) 238– 246. 707 J. Warren: Diogenes ‘Epikourios’: Keep Ta king the Tablets, in: JHS 120 (2000) 144–148. 708 D. Sedley: Diogenes of Oenoanda on Cyre naic Hedonism, in: PCPhS 48 (2002) 159–174. 709 M. F. Smith: Herculaneum and Oinoanda, Philodemus and Diogenes. Comparison of two Epicurean Discoveries and two Epicu rean Teachers, in: Cronache Ercolanesi 33 (2003) 267–278. 710 J. Hammerstaedt: Zum Text der epikure ischen Inschrift des Diogenes von Oinoanda, in: EA 39 (2006) 1–48. 711 M. Erler: Utopie und Realität. Epikureische Legitimation von Herrschaftsformen, in: Die Legitimation der Einzelherrschaft im Kon text der Generationenthematik, herausgege ben von Th. Baier (Berlin 2008) 39–54. 712 J. Hammerstaedt: Leib, Seele und Umwelt: Überlegungen zum Hedonismus des Dioge nes von Oinoanda, in: Philosophie der Lust. Studien zum Hedonismus, herausgegeben von M. Erler, W. Rother (Basel 2012) [Epicurea 3] 125–137.
V. SKEPSIS IN DER KAISERZEIT Akademische Skepsis
Ausgaben 718 Favorino di Arelate: Opere. Introduzione, testo critico e commento, a cura di A. Bari gazzi (Firenze 1966). 719 Favorinos d’Arles: Œuvres. I: Introduction gé nérale, Témoignages, Discours aux Corin thiens, Sur la fortune. Texte établi et commenté par E. Amato, traduction par Y. Julien; III: Fragments. Texte établi, traduit et commenté par E. Amato (Paris 2005, 2010) [CUF].
Sekundärliteratur 725 T. Colardeau: De Favorini Arelatensis studiis et scriptis (Gratianopoli 1903).
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726 M. Cuvigny: Plutarque et Epictète, in: Actes du VIIIe congrès de l’Association G. Budé (Paris, 5–10 avril 1968) (Paris 1969) 560–566. 727 D. Sedley: The End of the Academy, in: Phro nesis 26 (1981) 67–75. 728 J. Barnes: Antiochous of Ascalon, in: Philo sophia Togata. I: Essays on Philosophy and Roman Society, edited by M. Griffin, J. Bar nes (Oxford 1989) 51–96. 729 A. M. Ioppolo: The Academic Position of Favorinus of Arelate, in: Phronesis 38 (1993) 183–213. 730 L. Holford-Strevens: Favorinus: The Man of Paradoxes, in: Philosophia Togata II, edited by J. Barnes, M. Griffin (Oxford 1997) 188– 217. 731 E. Bowie: Hadrian, Favorinus, and Plutarch, in: Plutarch and His Intellectual World. Essays on Plutarch, edited by J. Mossmann (London, Swansea 1997) 1–15.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
732 G. Boys-Stones: Plutarch on the Probable Principle of Cold: Epistemology and the ‹de primo frigido›, in: CQ 47 (1997) 227–238. 733 J. Opsomer: Favorinus versus Epictetus on the philosophical heritage of Plutarch. A de bate on epistemology, in: Plutarch and His I ntellectual World. Essays on Plutarch, edited by J. Mossman (London 1997) 17–39.
734 J. Opsomer: In Search of the Truth. Academic Tendencies in Middle Platonism (Brussels 1998). 735 C. Brittain: Philo of Larissa. The Last of the Academic Sceptics (Oxford 2001). 736 A.-M. Ioppolo: Gli accademici «νεώτεροι» nel secondo secolo d.C., in: Méthexis 15 (2002) 45–70. 737 C. Lévy: Favorinus et les «Academica», in: REA 111 (2009) 45–54.
Pyrrhoneische Skepsis und Sextus Empiricus Primärliteratur 743 Sextus Empiricus, ex recensione I. Bekkeri (Berolini 1842). 744 Des Sextus Empiricus Pyrrhoneïsche Grund züge, aus dem Griechischen übersetzt und mit einer Einleitung und Erläuterungen versehen von E. Pappenheim (Leipzig 1877). – Enthält keinen Kommentar (trotz des Titels). Der Kommentar wurde später separat publiziert [*784]. 745 Sexti Empirici Opera, recensuit H. Mutsch mann, I–IV [BT]. – Die Standardausgabe von Sextus’ Werken: I: Πυρρωνείων ὑποτυπώσεων libros tres conti nens (Lipsiae 1912); editionem stereotypam emendatam curavit, addenda et corrigenda adiecit J. Mau (Lipsiae 1958). II: Adversus dogmaticos libros quinque con tinens [Μ 7–11] (Lipsiae 1914). III: Adversus mathematicos I–VI continens edidit J. Mau (Lipsiae 1954, 21961). IV: Indices ad vol. I–III collegit K. Janáček, editio altera auctior (Lipsiae 1954, 21962). 746 Sesto Empirico: Schizzi Pirroniani in tre libri (con l’aggiunta dei passi paralleli di Sesto stesso, di Diogene Laerzio, di Filone e di altri), tradotti da O. Tescari (Bari 1926). 747 K. Deichgräber: Die griechische Empiriker schule (Berlin, Zürich 1930, 21965). – Texte, die Informationen über die empiristische Ärzteschule enthalten, nach Themen geglie dert. 748 Sextus Empiricus, with an English Transla tion by the Rev. R. G. Bury, I–IV [LCL 273, 291, 311, 382]. – Enthält den griechischen Text von Bekker 1842 [*743], mit leichten Ände rungen. Die Übersetzung ist nicht immer zu verlässig.
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I: Outlines of Pyrrhonism (Cambridge MA 1933). II: Against the Logicians (Cambridge MA 1935). III: Against the Physicists, Against the Ethi cists (Cambridge MA 1936). IV: Against the Professors (Cambridge MA 1949). 749 Sextus Empiricus: Grundriß der pyrrhone ischen Skepsis, eingeleitet und übersetzt von M. Hossenfelder (Frankfurt a. M. 1968, 21985). 750 Sesto Empirico: Contro i Matematici Libri I– VI. Introduzione, traduzione e note di A. Russo (Bari 1972). 751 Sesto Empirico: Contro i Logici. Introdu zione, traduzione e note di A. Russo (Roma, Bari 1975). 752 Sextus Empiricus: Against the Musicians. A new critical text and translation on facing pages, with an introduction, annotations, and indices verborum and nominum et rerum by D. Davidson Greaves (Lincoln NE 1986). 753 Sesto Empirico: Contro i Fisici, Contro i Moralisti. Introduzione di G. Indelli, Tradu zione e note di A. Russo, riviste e integrate da G. Indelli (Roma, Bari 1990). – Übersetzung unzuverlässig; folgt oft unkritisch Bury 1936 [*748]. Für ‹Gegen die Ethiker› ist Spinelli 1995 [*755] bei weitem vorzuziehen. 754 Sextus Empiricus: Outlines of Scepticism, translated by J. Annas, J. Barnes (Cambridge 1994, 22000). – Enthält auch eine Einleitung und kurze Anmerkungen. Die beste englische Übersetzung von P. H. 755 Sesto Empirico: Contro gli etici. Introdu zione, edizione, traduzione e commento a cura di E. Spinelli (Napoli 1995) [Elenchos 24]. – Enthält den Text von *745. Die Über-
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Pyrrhoneische Skepsis und Sextus Empiricus
setzung berücksichtigt manchmal neuere Vor schläge zum Text. Sehr ausführlicher Kom mentar, vor allem zu philologischen Fragen. 756 The Skeptic Way: Sextus Empiricus’ Outlines of Pyrrhonism, translated, with Introduction and Commentary, by B. Mates (New York 1996). – Kommentar kurz und von ungleicher Qualität. 757 Sextus Empiricus: Against the Ethicists, translated with an Introduction and Com mentary by R. Bett (Oxford 1997) [Clarendon Later Ancient Philosophers]. 758 Sextus Empiricus: Esquisses pyrrhoniennes. Introduction, traduction et commentaires par P. Pellegrin (Paris 1997). – Enthält den Text von *745 mit leichten Änderungen. Der Kom mentar besteht aus kurzen Anmerkungen und einem Glossar. 759 Sextus Empiricus: Against the Grammarians, translated with an Introduction and Com mentary by D. L. Blank (Oxford 1998) [Cla rendon Later Ancient Philosophers]. 760 Sextus Empiricus: Gegen die Dogmatiker; Adversus mathematicos libri 7–11, übersetzt von H. Flückiger (Sankt Augustin 1998). 761 Sesto Empirico: Contro gli astrologi, a cura di E. Spinelli (Napoli 2000) [Elenchos 32]. – Enthält den Text von *745, mit leichten Ände rungen, Einführung, Übersetzung, Kommentar. 762 Sextus Empiricus: Contre les professeurs. In troduction, glossaire et index par P. Pellegrin, traduction par C. Dalimier, D. et J. Delattre, B. Pérez sous la direction de P. Pellegrin (Paris 2002). – Enthält den Text von *745, mit leichten Änderungen; außerdem erklärende Anmerkungen. 763 Sextus Empiricus: Against the Logicians, translated with an Introduction and Notes by R. Bett (Cambridge 2005) [Cambridge Texts in the History of Philosophy]. 764 Sextus Empiricus: Against the Physicists, translated with an introduction and notes by R. Bett (Cambridge 2012). 765 Sextus Empiricus: Against Those in the Dis ciplines (Adversus Mathematics I–VI), trans lated with an introduction and notes by R. Bett (Oxford 2018).
Sekundärliteratur
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Bibliographie 769 L. Ferraria, G. Santese: Bibliografia sullo scetticismo antico (1880–1978), in: Giannan toni 1981 [*814: II 753–850]. 770 P. Misuri: Bibliografia sullo scetticismo antico 1979–1988, in: Elenchos 11 (1990) 257–334. 771 L. Floridi: Sextus Empiricus. The Transmission and Recovery of Pyrrhonism (New York, Oxford 2002). Anmerkung: Siehe auch die Bibliographie in Barnes 1992 [*836], welche alle Arbeiten von Karel Janáček über Sextus Empiricus und den späteren Pyrrhonismus enthält. Text 777 W. Heintz: Studien zu Sextus Empiricus, vor gelegt von R. Harder (Halle 1932). 778 J. Blomqvist: Textkritisches zu Sextus Empi ricus, in: Eranos 66 (1968) 73–100. Moderne Kommentare 784 E. Pappenheim: Erläuterungen zu des Sex tus Empiricus Pyrrhoneïschen Grundzügen (Leipzig 1881). 785 H. Flückiger: Sextus Empiricus: Grundriss der pyrrhoneischen Skepsis, Buch I – Selekti ver Kommentar (Bern, Stuttgart 1990) [Ber ner Reihe philosophischer Studien 11]. Anmerkung: Siehe auch unter Primärliteratur oben. Viele der oben zitierten Ausgaben und Übersetzungen enthalten auch Kommentare. Biographie 791 D. K. House: The Life of Sextus Empiricus, in: CQ 30 (1980) 227–238. Allgemein 797 V. Brochard: Les sceptiques grecs (Paris 1887, 21932, neueste Auflage: 2002). 798 A. Goedeckemeyer: Geschichte des griechi schen Skeptizismus (Leipzig 1905). 799 M. Dal Pra: Lo scetticismo greco (Milano 1950, Roma, Bari 21975, 31989). – In drei Tei len. Teil drei behandelt den späteren Pyrrho nismus.
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Bibliographie zum zweiten Kapitel
800 R. J. Hankinson: The Sceptics (London 1995). – In zwei Teilen; Teil 2 über Sextus. Rezensionen: J. Annas, in: Classical Review N. S. 46 (1996) 75–76; G. Fine, in: OSAPh 14 (1996) 273–290. 801 A. Bailey: Sextus Empiricus and Pyrrhonean Scepticism (Oxford 2002). – Rezension: R. Bett, in: PhR 112 (2003) 102–104. 802 The Cambridge Companion to Ancient Scep ticism, edited by R. Bett (Cambridge 2010). 803 C. Perin: The Demands of Reason. An Essay on Pyrrhonian Scepticism (Oxford, New York 2010). 804 New Essays on Ancient Pyrrhonism, edited by D. E. Machuca (Leiden, Boston 2011) [PhA 126]. 805 Questions sur le scepticisme pyrrhonien, édité par J.-B. Gourinat, M. Narcy, Th. Bena touïl (Villeneuve d’Ascq 2015) [PhA 15]. Spezielle Fragen 807 K. Janáček: Prolegomena to Sextus Empiri cus (Olomouc 1948). 808 K. Janáček: Die Hauptschrift des Sextus Empiricus als Torso erhalten?, in: Philologus 107 (1963) 271–277. 809 K. Janáček: Sextus Empiricus’ Sceptical Methods (Praha 1972). 810 J. Blomqvist: Die Skeptika des Sextus Empi ricus, in: GB 2 (1974) 7–14. 811 A. A. Long: Sextus Empiricus on the Crite rion of Truth, in: BICS 25 (1978) 35–49. 812 M. Frede: Des Skeptikers Meinungen, in: Neue Hefte für Philosophie 15/16 (1979) 102–129. 813 M. Burnyeat: Can the Sceptic Live his Scepti cism?, in: Doubt and Dogmatism. Studies in Hellenistic Epistemology, edited by M. Scho field, M. Burnyeat, J. Barnes (Oxford 1980) 20–53. 814 G. Giannantoni: Lo scetticismo antico, I–II (Napoli 1981). – Enthält viele Aufsätze über Sextus Empiricus. Rezension: M. R. Stopper, in: Phronesis 28 (1983) 265–297. 815 G. Striker: Über den Unterschied zwischen den Pyrrhoneern und den Akademikern, in: Phronesis 26 (1981) 153–171. 816 J. Barnes: The Beliefs of a Pyrrhonist, in: PCPhS 208 (1982) 1–29. 817 G. Striker: The Ten Tropes of Ainesidemos, in: Burnyeat 1983 [*858: 95–115]. 818 M. Burnyeat: The Skeptic in his Place and Time, in: Philosophy in History, edited by R . Rorty, J. Schneewind, Q. Skinner (Cambridge 1984) 225–254.
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819 J. Annas, J. Barnes: The Modes of Scepticism (Cambridge 1985). – Behandelt die Zehn Tro pen. Enthält eine Diskussion der Fassungen in Sextus Empiricus, Diogenes L aertios und Philon von Alexandrien. 820 S. Fortuna: Sesto Empirico: ΕΓΚΥΚΛΙΑ ΜΑΘΗΜΑΤΑ e arti utili alla vita, in: SCO 36 (1986) 123–137. 821 M. Frede: The Ancient Empiricists, in: Ders.: Essays in Ancient Philosophy (Minneapolis 1987) 243–260. 822 M. McPherran: Skeptical Homeopathy and Self-Refutation, in: Phronesis 32 (1987) 290– 328. 823 J. Barnes: Scepticism and the Arts, in: Apei ron 21,2 (1988) 53–77. 824 J. Brunschwig: Sextus Empiricus on the Kritêrion, the Skeptic as Conceptual Legatee, in: The Question of Eclecticism – Studies in Later Greek Philosophy, edited by J. M. Dil lon, A. A. Long (Berkeley, Los Angeles 1988) 145–175. 825 M. Williams: Scepticism without Theory, in: Review of Metaphysics 41 (1988) 547–588. 826 P. Woodruff: Aporetic Pyrrhonism, in: OSAPh 6 (1988) 139–168. 827 J. Allen: The Skepticism of Sextus Empiricus, in: ANRW II 36,4 (1990) 2582–2607. 828 A. Bächli: Untersuchungen zur pyrrhone ischen Skepsis (Bern, Stuttgart 1990) [Berner Reihe philosophischer Studien 10]. 829 J. Barnes: Pyrrhonism, Belief and Causation. Observations on the Scepticism of Sextus Empiricus, in: ANRW II 36,4 (1990) 2608– 2695. 830 J. Barnes: The Toils of Scepticism (Cambridge 1990). – Über die Fünf Tropen. 831 J. Brunschwig: La formule ὅσον ἐπὶ τῷ λόγῳ chez Sextus Empiricus, in: Voelke 1990 [*834: 107–121]. 832 M. McPherran: Pyrrhonism’s Arguments Against Value, in: Philosophical Studies 60 (1990) 127–142. 833 G. Striker: Ataraxia: Happiness as Tranquil lity, in: The Monist 73 (1990) 97–110. 834 Le scepticisme antique: Perspectives histo riques et systématiques. Actes du Colloque International sur le Scepticisme Antique, Université de Lausanne, 1–3 juin 1988, édités par A.-J. Voelke (Genève, Lausanne 1990). 835 T. Ebert: Dialektiker und frühe Stoiker bei Sextus Empiricus. Untersuchungen zur Ent stehung der Aussagenlogik (Göttingen 1991) [Hypomnemata 95].
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Pyrrhoneische Skepsis und Sextus Empiricus
836 J. Barnes: Diogenes Laertios IX 61–116. The Philosophy of Pyrrhonism, in: ANRW II 36,6 (1992) 4241–4301. 837 F. Decleva Caizzi: Ainesidemos and the Acad emy, in: CQ 42 (1992) 176–189. 838 Sesto Empirico e il pensiero antico, a cura di G. Giannantoni (Napoli 1992) [Elenchos 13]. – Über Sextus’ Reaktion auf die frühere grie chische Philosophie und seine Verwendung von ihr. 839 J. Allen: Pyrrhonism and Medical Empiricism, in: ANRW II 37,1 (1993) 646–690. 840 J. Annas: The Morality of Happiness (New York, Oxford 1993). – Eine bedeutende Stu die zur griechischen Ethik; die Kap. 8, 11.3 und 17 sind den Skeptikern (insb. Sextus) ge widmet. 841 F. Decleva Caizzi: L’elogio del cane. Sesto Empirico, ‹Schizzi Pirroniani› I.62–78, in: Elenchos 14 (1993) 305–330. 842 T. Brennan: Criterion and Appearance in Sextus Empiricus. The Scope of Sceptical Doubt, the Status of Sceptical Belief, in: BICS 39 (1994) 151–169. 843 H. Flückiger: Der Weg zum Glück in der pyr rhoneischen Skepsis und im griechischen Roman. Die Beobachtung des βίος gegen die Erkenntnis der Philosophen, in: MH 51 (1994) 198–205. 844 F. Decleva Caizzi: Enesidemo e Pirrone: Il fuoco scalda “per natura” (Sext. Adv. Math. VIII 215 e XI 69), in: Elenchos 17 (1996) 37–54. 845 J. Brunschwig: L’aphasie pyrrhonienne, in: Dire l’évidence (philosophie et rhétorique an tiques), édité par C. Lévy, L. Pernot (Paris 1997) 297–320. 846 R. Bett: Pyrrho, his Antecedents and his Le gacy (Oxford 2000). – Kapitel 4 behandelt den späteren Pyrrhonismus. 847 L. Castagnoli: Self-Bracketing Pyrrhonism, in: OSAPh 18 (2000) 263–328. 848 G. Fine: Sextus and External World Scepti cism, in: OSAPh 24 (2003) 341–385. 849 H. Thorsrud: Is the Examined Life Worth Li ving? A Pyrrhonian Alternative, in: Apeiron 36 (2003) 229–249. 850 R. Bett: La double “schizophrénie” de M. I– VI et ses origines historiques, in: Sur le ‹Contre les Professeurs› de Sextus Empiricus, édité par J. Delattre (Lille 2006) 17–34.
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851 K. Vogt: Skeptische Suche und das Verstehen von Begriffen, in: Wissen und Bildung in der antiken Philosophie, herausgegeben von Ch. Rapp, T. Wagner (Stuttgart 2006) 325–339. 852 K. Vogt: Appearances and Assent: Sceptical Belief Reconsidered, in: CQ 62 (2012) 648– 663. 853 Sextus Empiricus and Ancient Physics, edited by K. Algra, K. Ierodiakonou (Cambridge 2015). Wirkungsgeschichte 856 R. H. Popkin: The History of Scepticism from Savanarola to Bayle. Revised and Expanded Edition (New York, Oxford 2003). 857 Ch. B. Schmitt: The Rediscovery of Ancient Skepticism in Modern Times, in: Burnyeat 1983 [*858] 225–251. 858 The Skeptical Tradition, edited by M. Burn yeat (Berkeley, Los Angeles 1983). 859 J. Annas: Doing without Objective Values. Ancient and Modern Strategies, in: The Norms of Nature, edited by M. Schofield, G. Striker (Cambridge 1986) 3–29. 860 R. Wallis: Scepticism and Neoplatonism, in: ANRW II 36,2 (1987) 911–954. 861 R. Fogelin: Pyrrhonian Reflections on Know ledge and Justification (New York, Oxford 1994). 862 P. Porro: Il Sextus Latinus e l’immagine dello scetticismo nel medioevo, in: Elenchos 15 (1994) 229–253. 863 J. Annas: Scepticism, Old and New, in: Ratio nality in Greek Thought, edited by M. Frede, G. Striker (Oxford 1996) 239–254. 864 Scepticism in the History of Philosophy. A Pan-American Dialogue, edited by R. Popkin (Dordrecht, Boston 1996) [Archives Interna tionales d’Histoire des Idées 145]. 865 S. Rappe: Scepticism in the Sixth Century? Damascius’ Doubts and Solutions Concern ing First Principles, in: JHPh 36 (1998) 337– 360. 866 Pyrrhonism in Ancient, Modern, and Con temporary Philosophy, edited by D. E. Ma chuca (Dordrecht, Heidelberg et al. 2011) [The New Synthese Historical Library 70].
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Drittes Kapitel
Kaiserzeitlicher Aristotelismus
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§ 28. Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (inkl. Ps.-Aristoteles ‹De mundo›) Inna Kupreeva
1. Überlieferung und Edition des ‹Corpus Aristotelicum› in der Kaiserzeit. – 2. Kommentierungstradition. – 3. Fragen der Schul- bzw. Lehrkontinuität.
1. ÜBERLIEFERUNG UND EDITION DES ‹CORPUS ARISTOTELICUM› IN DER KAISERZEIT
Die peripatetische Schule der Kaiserzeit zeichnet sich im Vergleich zur hellenistischen Zeit hauptsächlich durch ihr Interesse am Studium von Schultexten, insbesondere von Texten des Aristoteles, aus. Die Annahme, dass ein solches Interesse während des Hellenismus überhaupt nicht bestanden hätte, wäre zwar falsch, aber erste sichere Hinweise auf bedeutsame philosophische Beschäftigung mit den Texten des aristotelischen Corpus seit Theophrast und Eudemos finden sich erst gegen Ende der hellenistischen Zeit, bei Andronikos, Ariston von Alexandrien, Boethos von Sidon und Xenarchos von Seleukeia. Offen ist die Frage, ob sich Andronikos für seine systematische und kritische Zusammenstellung des Corpus auf Textquellen stützen konnte, die weiter zurückgehen als die hellenistischen Sammlungen. Primavesi 2007 [*144: 69] vertrat die Ansicht, dass dies aufgrund des Zählsystems, das in alten Katalogen zur Nummerierung von Büchern in Werken mit mehr als fünf Büchern verwendet wurde, der Fall sei. Das hellenistische System, das von den alexandrinischen Grammatikern verwendet wurde, basierte auf dem 27 Buchstaben umfassenden griechischen Alphabet (mit dem archaischen Digamma für die Ziffer sechs, qoppa für 90 und sampi für 900), während das archaische vor-alexandrinische System das 24 Buchstaben umfassende Alphabet benutzte. Bei den Peripatetikern ist der Gebrauch von Letzterem belegt (Simpl. In Phys. 923,3–7 Diels; Primavesi 2007 [*144: 67 Anm. 91]). In der Handschriften-Tradition der aristotelischen Schriften gibt es keine Abweichungen im Zählsystem – mit einer Ausnahme: In einem Teil der Überlieferung der ‹Eudemischen Ethik› gibt es Handschriften, die Buch sechs mit Digamma nummerieren. Das muss ein Hinweis darauf sein, dass die Hinzufügung der heutigen ‘mittleren Bücher’ (EE 4–6 = NE 5–7) unabhängig von der ursprünglichen Zusammensetzung der EE (nach dem Verlust der ursprünglichen Bücher 4–6) geschah. Drei antike Verzeichnisse der aristotelischen Schriften sind erhalten: zwei aus der Zeit vor Andronikos und ein drittes, in dem Andronikos ausdrücklich als Quelle genannt wird. Bei den prä-andronikischen Katalogen handelt es sich um
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
den bei Diogenes Laertios (D. L. 5,22–27) überlieferten und um einen Teil der sogenannten ‹Vita Hesychii›. Letztere umfasst die Titel, die bei Diogenes Laertios als Nr. 1–139 aufgeführt sind, zusätzlich aber einige weitere, die Nr. 140–197 (‘Appendix Hesychiana’, abgedruckt bei Düring 1957 [*18: 83–89]). Die Herkunft dieser beiden Verzeichnisse ist in der Forschung umstritten (zusammenfassend Bollansée 1999 [*33: 233–243], vgl. Moraux 1951 [*15: 221–233], Düring 1957 [*451] und 1968 [*20], Moraux 1973 [*23: 4 Anm. 2], Blum 1977 [*25: 128–132]). Der dritte Katalog, der sich von diesen beiden substantiell unterscheidet, ist Teil einer späten griechischen ‹Vita Aristotelis›, die durch die syrisch-arabische Tradition überliefert wurde und einzig in einer arabischen Übersetzung erhalten ist. Ihr griechischer Autor wird in den arabischen Quellen (im ‹Ta’rīḫ al-ḥukamā’› von Ibn al-Qifṭī [1230–1235] und im ‹ʿUyūn ul-Anbāʾ fī Ṭabaqāt ul-Aṭibbāʾ› von Ibn Abī Uṣaibi‘a [1245–1246], vgl. die Edition von Müller 1882 [*5: I 54, 67, 69]) als Ptolemaios al-Gharīb («Ptolemaios der Fremde») und als Anhänger des Aristoteles bezeichnet; der Titel des Werks wird als ‹Kitāb aḫbār Arisṭūṭālīs wa-wafātihā wa-marātib kutubihi› (‹Vita Aristotelis et pinax›) angegeben; das Schriftenverzeichnis ist bei Hein 1985 [*26: 416–439] ediert. Es gab mehrere Versuche, diesen Ptolemaios mit den Gelehrten, die aus der griechischen Tradition bekannt sind, zu identifizieren. Der Vorschlag, in ihm den Autor Ptolemaios Chennos (aus einer Verwechslung von Ξένος und Χέννος) aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. zu sehen (vorgeschlagen von Christ und unterstützt von Littig 1890 [*51], Lippert 1894 [*10], Baumstark 1900 [*11], de Boer 1901 [*12], Chatzis 1914 [*13] und Plezia 1985 [*103]), ist inzwischen vollständig widerlegt (vgl. Hein 1985 [*26: 391f.], Gutas 1986 [*27]). Düring 1950 [*14] und Dihle 1957 [*17: 316] vertraten die Ansicht, dass es sich um einen Platoniker des 4. Jahrhunderts handelt, der von Proklos und Iamblichos erwähnt wird (Iambl. De an. fr. 26, p. 54,5f. Finamore-Dillon = Stob. Ecl. 1,49,39, I,378,7 Wachsmuth; Prokl. In Tim. I,20,7 Diehl). Moraux 1973 [*23: 60 Anm. 6] stellte diese Datierung aber infrage. Gesichert sind als Terminus post quem Andronikos und als Terminus ante quem das 6. Jahrhundert n. Chr., aufgrund eines Verweises in Elias’ Kommentar zu den aristotelischen ‹Kategorien› (107,13f. Busse). Elias nennt den Autor allerdings ‘Ptolemaios Philadelphos’, ein Versehen, das in Alexandrien naheliegt, war doch Ptolemaios II. Philadelphos (285–246 v. Chr.) ein großer Förderer der Bibliothek in Alexandrien. Andronikos’ Werk, auf das sich Ptolemaios stützt, wird in Eintrag 100 unter dem Titel ‹Über die Liste der Bücher des Aristoteles› (Περὶ πίνακος τῶν Ἀριστοτέλους βιβλίων) erwähnt. Bei einigen Einträgen in Ptolemaios’ Katalog bestehen Verbindungen zu den hellenistischen Katalogen (z. B. muss Ptolemaios’ Nr. 33: ‹Zwei Bücher über Beweise› – Ἀποδεικτικῶν βʹ identisch sein mit Diogenes Laertios’ Nr. 50: ‹Zwei Bücher der Analytica posteriora› – Ἀναλυτικῶν ὑστέρων μεγάλων βʹ), während es für andere Einträge schwieriger ist, eine Übereinstimmung zu finden (Birt 1882 [*6: 452–454], vgl. Moraux 1951 [*15]). Der auffälligste Unterschied zur Tradition des Hermippos und Kallimachos ist Ptolemaios’ systematische Gliederung, die von Nr. 29–54 alle erhaltenen esote rischen Werke des aristotelischen Corpus umfasst, wobei Titel und Anzahl der
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Bücher weitgehend mit den heute bekannten aristotelischen Schriften übereinstimmen. Dieses Element des Katalogs geht sehr wahrscheinlich auf Andronikos, Ptolemaios’ Quelle, zurück (Moraux 1973 [*23: 60–63], Hatzimichali 2013 [*37], Griffin 2015 [*39], Hatzimichali 2016 [*40]). Spuren von Andronikos’ Arbeit finden sich möglicherweise auch in den Proömien mehrerer später neuplatonischer Kommentare zu verschiedenen Abhandlungen des Aristoteles (Philop. In Cat.; Simpl. In Cat.; Olymp. In Cat.; Elias In Cat.; Simpl. In Cael.; Philop. In Meteor.), die (beinahe) identische Listen von zehn Fragen enthalten, die man sich vor dem Studium der Werke des Aristoteles stellen sollte, darunter die Frage nach der Einteilung der aristotelischen Werke (2), nach der Disziplin, mit der man das Studium der aristotelischen Werke beginnen sollte (3), und die Frage, wieviele Kapitel es in den Schriften des Aristoteles gibt, worin sie bestehen und nach welchen Kriterien sie eingeteilt werden (10; vgl. Simpl. In Cat. 3,18–29 Kalbfleisch; Elias In Cat. 107,3–23 Busse und dazu Mansfeld 1994 [*31]). Ob die neuplatonische Einteilung der Werke auf Andronikos zurückgeht, ist umstritten: Während Littig 1890 [*51: 43–58] und Moraux 1973 [*23: 80–85] es für möglich halten, glaubt Düring 1957 [*451: 444f.], dass die Einteilung aufgrund ihres «scholastischen Ansatzes» eine spätere Quelle hat. Die Neuplatoniker unterscheiden folgende Gruppen von aristotelischen Schriften: partikuläre (μερικά), z. B. Briefe mittlere (μεταξύ), z. B. die Staatsverfassungen allgemeine (καθόλου) Notizen (hypomnematische Schriften, ὑπομνηματικά) einfache (über ein Thema, μονοειδῆ) komplexe (über mehrere Themen, ποικίλα) Traktate (syntagmatische Schriften, συνταγματικά) Dialoge (exoterische Schriften, διαλογικά, ἐξωτερικά) Monologe (akroamatische Schriften, αὐτοπρόσωπα, ἀκροαματικά) Theoretische (θεωρητικά) Theologische (θεολογικά) Mathematische (μαθηματικά) Physikalische (φυσιολογικά) Praktische (πρακτικά) Ethische (ἠθικά) Ökonomische (οἰκονομικά) Politische (πολιτικά) Instrumentale (Logische Schriften, ὀργανικά, λογικά) Wie Moraux 1973 [*23] bemerkt, handelt es sich hierbei nicht um einen Katalog aller bekannten Schriften des Aristoteles. Den neuplatonischen Philosophen geht es vielmehr um eine Klassifizierung der Schriften nach inhaltlichen Kriterien wie beispielsweise die Einteilung der Philosophie in Teilgebiete (während eine Ordnung, die bibliographischen Prinzipien folgt, die Werke eher alphabetisch ordnet oder nach angenommener Bedeutung eines Werks innerhalb des ganzen Corpus).
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
Vergleicht man die neuplatonische Systematisierung mit dem Werkkatalog des Ptolemaios, so lassen sich gewisse Berührungspunkte feststellen. Insbesondere stimmt Ptolemaios’ Einteilung der Lehrschriften zum Teil mit jener der Neuplatoniker überein. Es bestehen aber auch große und gewichtige Unterschiede, so dass sich der Katalog und die Klassifizierung kaum direkt auf eine gemeinsame Quelle zurückführen lassen und sich darin nur Spuren von Andronikos’ Arbeit finden lassen. Insgesamt kommt Moraux 1973 [*23: 89–94] zum Schluss, dass die Ähnlichkeiten zwischen Ptolemaios’ Katalog, der neuplatonischen Gliederung «und dem, was wir sonst über Andronikos’ Verzeichnis wissen», von «so allgemeiner Natur» sind, dass man von einer Rekonstruktion des andronikischen Verzeichnisses weit entfernt ist.
2. KOMMENTIERUNGSTRADITION
1. Andronikos von Rhodos: 1.1. ‹Kategorien›; 1.2. ‹De interpretatione›; 1.3. ‹De divisione›; 1.4. ‹Physik›; 1.5. ‹De anima›; 1.6. Ethisches Corpus: Emotionen. – 2. Boethos von Sidon: 2.1. ‹Kategorien›-Kommentar; 2.2. ‹Analytica priora›; 2.3. Physik; 2.4. Seelenlehre; 2.5. Ethik. – 3. Xenarchos von Seleukeia: 3.1. ‹De caelo›; 3.2. Seelenlehre; 3.3. Ethik; 3.4. Platons ‹Timaios›. – 4. Ariston von Alexandrien: 4.1. Kategorien; 4.2. Aristoteles’ Syllogistik; 4.3. Dubia. – 5. Kratippos von Pergamon: 5.1. Verstand und Weissagung. – 6. ‹De mundo›: 6.1. Autorschaft und Datierung; 6.2. Struktur und Hintergrund; 6.3. Kosmologie; 6.4. Geographie; 6.5. Meteorologie; 6.6. Unzerstörbarkeit des Kosmos; 6.7. Theologie; 6.8. Nachwirkung.
Kommentare zu Aristoteles werden im 1. Jahrhundert v. Chr. zur Hauptgattung für philosophische Schriften. Im erhaltenen Katalog der Werke aus dem hellenistischen Peripatos hingegen findet sich kein Titel, der auf einen Kommentar hinweist, und es gibt kaum Fragmente, die von Kommentaren stammen. Die wichtigsten literarischen Gattungen des hellenistischen Peripatos, die in der Kaiserzeit neben dem Kommentar weiterbestehen, scheinen der traditionellere Dialog oder die Monographie über den Gegenstand gewesen zu sein. Zu den bedeutendsten peripatetischen Kommentatoren der Kaiserzeit gehören Andronikos von Rhodos, Boethos von Sidon und Xenarchos von Seleukeia. Abgesehen von den nicht vollständig erhaltenen Kommentarwerken gibt es mehrere Schultraktate aus derselben Zeit: die ps.-aristotelischen Abhandlungen ‹De mundo› (Περὶ κόσμου, wobei die Datierung umstritten ist) und ‹De virtutibus et vitiis› (Περὶ ἀρετῶν καὶ κακιῶν) sowie der Traktat ‹Über Affekte› (Περὶ παθῶν), der Andronikos von Rhodos zugeschrieben wird. Charakteristisch für das 1. Jahrhundert v. Chr. ist die starke Zunahme des Interesses von Philosophen aus verschiedenen Schulen an Aristoteles’ ‹Kategorien›, zu denen die Stoiker Athenodoros und Cornutus, die Platoniker Eudoros, Lukios und Nikostratos und natürlich Peripatetiker – als wichtigste sind Andronikos und Boethos zu nennen – Kommentare verfassten (Gottschalk 1987 [*28], Sharples 2008 [*242]). Auch an anderen Texten des logischen Corpus bestand Interesse
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(‹Topik›, ‹De interpretatione›, ‹Analytica priora›, ‹Analytica posteriora›) ebenso wie an den naturkundlichen Werken (vor allem ‹Physik›, ‹De caelo›, ‹De generatione et corruptione›, ‹Meteorologica›, ‹De anima› und ‹Parva naturalia›). Zu den biologischen Schriften sind keine Kommentare bekannt, obwohl sie s owohl in der hellenistischen Zeit als auch in der Kaiserzeit in Umlauf waren, wie die frühe Zusammenfassung der ‹Historia animalium› von Aristophanes von B yzanz, die Paraphrase von Nikolaos von Damaskus, und vielfache Verweise auf die zoolo gischen Werke in Pollux’ ‹Onomastikon› (2. Jh. n. Chr.) zeigen. Auch die Werke von Galen und Alexander von Aphrodisias zeugen von einer guten Kenntnis der biologischen Schriften. 1. Andronikos von Rhodos Neben der biobibliographischen Monographie über die Schriften des Aristoteles schrieb Andronikos wohl auch Zusammenfassungen mehrerer einzelner Abhandlungen. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass er die ‹Kategorien› kommentierte, und einige Indizien für die Kommentierung von ‹De interpretatione›, ‹Physik›, ‹De anima› und ‹Nikomachische Ethik›. Außerdem schrieb er ein Werk ‹Über das Teilen›, das von Plotin und Porphyrios benutzt wurde. In der byzantinischen Tradition wurden ihm fälschlich eine Zusammenfassung der ‹Nikomachischen Ethik› (vgl. Heylbut 1889 [*78]) und eine Abhandlung mit dem Titel ‹Über Affekte› (Περὶ παθῶν) zugeschrieben. 1.1. ‹Kategorien› In seinem Überblick über frühere Kommentare erwähnt Simplikios Andronikos’ Kommentar nicht, möglicherweise weil er ihm nicht direkt vorlag und er nur durch die Kommentare von Porphyrios (‹Ad Gedalium›) und Iamblichos Zugang dazu hatte (vgl. Sedley, Rashed, Chiaradonna, Tschernetska 2013 [*38]). Aufgrund ihrer Zeugnisse kann man vermuten, dass Andronikos’ Werk zu den ‹Kategorien› eine Zusammenfassung mit Diskussion von philologischen und philosophischen Fragen war. Mehreren Berichten zufolge stellte Andronikos den Aufbau der Abhandlung infrage, weil er meinte, dass die sogenannten ‘Postpraedicamenta’ (Cat. 10–15) eine Hinzufügung früherer Gelehrter seien, welche die ‹Kategorien› als Einführung zur ‹Topik› betrachteten und glaubten, ihr Titel sei ‹Was der Topik vorausgeht› (τὰ πρὸ τῶν τόπων; im Katalog der aristotelischen Schriften bei Diogenes Laertios findet sich tatsächlich ein solcher Titel unter Nr. 59, vgl. Moraux 1973 [*23: 101 Anm. 14], eine Ansicht, die auch für Herminos und Adrastos bezeugt ist). Andronikos hingegen war der Mei-
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nung, dass die ‹Topik› keiner Prolegomena bedürfe, und hielt die Hinzufügung der ‘Postprae dicamenta’ für falsch (Simpl. In Cat. 379,8–12 Kalbfleisch; Ammon. In Cat. 14,18–20 Busse [ohne Andronikos zu nennen]; Boeth. In Cat. 4, 263b3 Migne; für einen verbesserten Text vgl. Shiel 1957 [*89: 183]). Die Mehrheit der Peripatetiker teilte die Einschätzung des Andronikos allerdings nicht und hielt die ‘Postpraedicamenta’ für einen Bestandteil des originalen Traktats. Simplikios berichtet, dass Andronikos im Anschluss an Xenokrates die zehn Kategorien in zwei Gruppen teilte – die Gruppe des «An-sich» (καθ’ αὑτὸ), zu der die Kategorie der Substanz gehört, und die Gruppe der «Relation» (πρός τι), die alle anderen Kategorien umfasst (Simpl. In Cat. 63,21– 24 Kalbfleisch) –, und kritisiert, dass diese Vor gehensweise die Anzahl der Kategorien unnötig erhöhe. Damit gibt Simplikios aber eher die Meinung des Xenokrates wieder als jene des Andronikos, da andere Berichte über Andronikos’ ‹Kategorien›-Kommentar keine Bestätigung dafür geben, wie Moraux 1973 [*23: 103f.] betont.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
Simplikios selbst berichtet in seinem Kommentar zu ‹Kategorien› 7, Andronikos habe «alle Fälle von Relativ-Sein (τὰ πρός τι) hinter alle anderen Kategorien gestellt, weil es sich [sc. bei dieser Kategorie] um ein Verhältnis handle und sie einem Nebenzweig gleiche» (ἀλλ’ οὐδὲ Ἀνδρόνικον ἀποδεκτέον τὰ πρός τι μετὰ πάσας θέντα τὰς κατηγορίας, διότι σχέσις ἐστὶν καὶ παραφυάδι ἔοικεν: Simpl. In Cat. 157,18–20 Kalbfleisch), und bezeugt damit, dass Andronikos in diesem Fall πρός τι im üblichen aristotelischen Sinn gebraucht. Reinhardt 2007 [*145: 521] schlägt deshalb vor, davon auszugehen, dass Andronikos πρός τι auf zwei Arten verwendet hat: in einem weiteren Sinn, entsprechend der von Simplikios berichteten Zweiteilung, und im engeren Sinn der von Aristoteles in Kap. 7 diskutierten Kategorie. Der Vorteil der Zweiteilung mag darin bestehen, den speziellen Status der Substanz und die logische Abhängigkeit aller anderen Kategorien von der Substanz aufzuzeigen. Ebenfalls möglicherweise von Bedeutung ist Andronikos’ Abweichung von der Standardinterpretation der in ‹Kategorien› 2 aufgeworfenen Frage, welche Prädikate «von einem Subjekt ausgesagt» (καθ’ ὑποκειμένου λεγόμενα) werden können. Aristoteles’ Erklärung, wonach ‘Mensch’ von Sokrates und ‘Lebewesen’ von einem Menschen als «von einem Subjekt» ausgesagt werden kann, lässt vermuten, dass nur essentielle Prädikate, die Formeln von zweiten Substanzen sind, von ersten Substanzen als «von einem Subjekt» prädiziert werden können. Andronikos schlägt hingegen vor, die Klasse derjenigen Prädikate, die von einer Substanz als «von einem Subjekt» ausgesagt werden können, weiter zu fassen und auch nicht-essentielle Prädikate einzuschließen (vgl. Chiaradonna, Rashed, Sedley, Tschernetska 2013 [*160: 150–153]), beispielsweise wenn ‘Athener’ oder ‘Philosoph’ von Sokrates ausgesagt wird oder ‘Musiker’ von Aristoxenos usw. (Simpl. In Cat. 54,8–16 Kalbfleisch). Ebenfalls Simplikios’ Bericht entnehmen wir, dass Andronikos Zeit und Ort zu eigenen Kategorien machte – im Unterschied zu Aristoteles, der Zeit und Ort als kontinuierliche Quantitäten in der Kategorie der Quantität behandelt hatte (Cat. 6, 4b24) – und diesen beiden Kategorien die aristotelischen Kategorien ‘wann’ bzw. ‘wo’ unterordnete, um die Zahl von insgesamt zehn Kategorien nicht zu überschreiten. Dieser Vorschlag scheint bei den Platonikern auf Zustimmung gestoßen zu sein, stützt sich doch Simplikios für seinen Bericht an einer Stelle auf Lukios und Nikostratos (Simpl. In Cat. 134,5–7 Kalbfleisch); außerdem erwähnt er Andronikos
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zusammen mit Ps.-Archytas (357,28f. Kalbfleisch) bzw. zusammen mit Ps.-Archytas und Plotin (342,22–26; 358,8–10 Kalbfleisch). Jedenfalls zeigt sich, dass Andronikos’ Kommentar außerhalb der peripatetischen Schule, vor allem bei den Platonikern, gelesen und geschätzt wurde. Andronikos wird auch die Unterscheidung von zwei Klassen innerhalb der Kategorie der Quantität zugeschrieben, nämlich die Klasse der bestimmten und der unbestimmten Quantität. Zu letzterer gehören ‘groß’, ‘klein’, ‘viel’ und ‘wenig’ (Iambl. apud Simpl. In Cat. 144,7–14 Kalbfleisch). Diese technische Klärung löst ein potentielles Problem, auf das Aristoteles selbst hingewiesen hatte, als er sagte, dass solche Ausdrücke nicht herangezogen werden können, um die These zu widerlegen, dass es in der Quantität keinen Gegensatz gibt (Cat. 6, 5b11–6a11). Möglicherweise geht die Unterscheidung zwischen der «absolut» bzw. «relativ» ausgesagten «unbestimmten Quantität» (ἀόριστον ποσόν διχῶς λέγεται, τὸ μὲν ἁπλῶς, τὸ δὲ πρός τι: Simpl. In Cat. 144,32 Kalbfleisch) auf Andronikos zurück. Da dieser nicht namentlich erwähnt wird, könnte sie allerdings auch von Iamblichos stammen (Moraux 1973 [*23: 106]). Weiter korrigierte Andronikos die aristotelische Definition des Relativen (πρός τι), indem er die Formel «diejenigen Dinge sind relativ, für die zu sein dasselbe ist, wie sich gegenüber etwas auf eine Weise zu verhalten» (ἔστι τὰ πρός τι οἷς τὸ εἶναι ταὐτόν ἐστι τῷ πρός τί πως ἔχειν: Arist. Cat. 7, 8a31f.) ersetzte durch «diejenigen Dinge sind relativ, für die zu sein dasselbe ist, wie sich gegenüber etwas anderem auf eine Weise zu verhalten» (τὰ πρός τι ταῦτά ἐστιν οἷς τὸ εἶναι ταὐτόν ἐστι τῷ πως ἔχειν πρὸς ἕτερον: Simpl. In Cat. 201,34–202,5 Kalbfleisch; vgl. Porph. In Cat. 125,19–23ff. Busse). Dieses Eliminieren einer logischen Unsauberkeit durch das Ersetzen von πρός τι durch πρὸς ἕτερον (das Definiendum ist dann nicht mehr Bestandteil der Definition) kann ein Beleg dafür sein, dass Andronikos die ‹Kategorien› nicht als ein kostbares Museumsstück und etwas zu Konservierendes behandelte, sondern als maßgebliches Dokument, das als Gebrauchstext für den Philosophieunterricht in seiner eigenen Zeit diente. Daraus erklären sich vielfältige weitere Korrekturen, Erläuterungen, Argumente zur Entkräftung kleinerer technischer Einwände, neben substantielleren die Lehre betreffenden Punkten, für die er bei seiner Auslegung argumentierte. Ein anderes Beispiel für diese aktive Auslegungsarbeit sind seine Bemerkungen zur Kategorie der Qualität. Andronikos verbessert zwei der vier von Aristoteles in ‹Kategorien› 8 unterschiedenen
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§ 28. Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (Bibl. 428–436)
Arten von Qualität und überlegt, ob nicht den vier ‘aristotelischen’ Klassen eine fünfte hinzugefügt werden müsste. Die erste Verbesserung betrifft diejenigen Eigenschaften, die nach einer natürlichen Fähigkeit oder Unfähigkeit benannt sind (κατὰ δύναμιν φυσικὴν ἢ ἀδυναμίαν: 9a16): Männer, die von Natur aus geeignet sind für den Faustkampf, werden ‘faustkämpferisch’ (πυκτικοί) genannt, begabte Läufer heißen ‘läuferisch begabt’ (δρομικοί), diejenigen mit bzw. ohne gesunder Konstitution ὑγιεινοί bzw. νοσώδεις (Cat. 8, 9a14–24). Aristoteles erklärt, dass diese Benennungen nicht mit einer bestimmten Veranlagung zu tun haben, sondern damit, dass jemand fähig bzw. unfähig ist, in bestimmter Weise zu handeln oder auf bestimmte Weise von etwas betroffen zu werden. Andronikos korrigiert diese Erklärung, indem er sagt, dass jemand nicht wegen einer Fähigkeit, die er hat, so genannt wird, sondern wegen einer Fähigkeit, die er haben wird, da sich alle diese Adjektive auf Menschen beziehen, die gut veranlagt sind im Hinblick auf gewisse zukünftige Zustände (Simpl. In Cat. 214,22–4 Kalbfleisch). Moraux 1973 [*23: 108f.] hält das für eine Zurückweisung von Aristoteles’ Erklärung, die als unbefriedigend beurteilt werde, aber es könnte sein, dass Andronikos auch hier versucht, Aristoteles’ ursprüngl ichen Gedanken in einem technischen Sinn zu präzisieren: Dessen Erklärung könnte nämlich so verstanden werden, dass sie im Infinitiv ‘ποιῆσαι’ einen Bezug zur Zukunft hat (πυκτικοὶ ἢ δρομικοὶ λέγονται οὐ τῷ διακεῖσθαί πως ἀλλὰ τῷ δύναμιν ἔχειν φυσικὴν τοῦ ποιῆσαί τι ῥᾳδίως: Cat. 8, 9a19–21). Eindeutiger kritisiert Andronikos Aristoteles im Zusammenhang mit der dritten Klasse der Qualitäten:
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Aristoteles unterschied zwei Arten von «passiven» (παθητικαί) Qualitäten: 1) Qualitäten, die in anderen Dingen gewisse Zustände verursachen können (z. B. wirken ‘süß’ und ‘warm’ auf die Sinneswahrnehmung), 2) Qualitäten, die passiv genannt werden, weil sie eher Effekte als Ursachen sind (z. B. ‘blass’, ‘gelb’ oder ‘rot’ zu sein im Gesicht als Folge einer Krankheit oder Emotion, Cat. 8, 9b9– 26). Andronikos verwirft beide Erklärungen. Ihm zufolge sind die Qualitäten beider Klassen durch Affiziertwerden entstanden: Was warm ist, behält diese Qualität unabhängig davon, ob es als Ur sache für Erwärmung wirkt oder nicht (Simpl. In Cat. 258,15–22 Kalbfleisch). Andronikos’ Erklärung stimmt zweifellos mit Aristoteles’ ‹Physik› überein: Er korrigiert somit ‘Aristotelem ex Aristotele’, eine exegetische Methode, die in der peripatetischen Schule – und weit darüber hinaus – eine lange Tradition haben wird. Andronikos überlegte auch, ob grundlegende Qualitäten wie ‘schwer’, ‘leicht’, ‘dünn’ und ‘dicht’ eine eigene fünfte Klasse oder alternativ eine Unterklasse der passiven Qualitäten bilden sollten. Im zweiten Fall würden sie sich von den anderen Qualitäten dadurch unterscheiden, dass sie nicht auf etwas anderes wirken könnten, um einen ähnlichen Effekt zu verursachen (Simpl. In Cat. 263,27–264,4 Kalbfleisch). Die Idee einer fünften Klasse von Qualitäten wurde von Eudoros und Achaikos unterstützt, und der Gedanke, dass ‘Schwere’ und ‘Leichtigkeit’ als grundlegende Qualitäten weder selber auf etwas wirken noch durch eine Einwirkung entstanden sind, begegnet bei Alexander von Aphrodisias wieder (De an. 5,11f. Bruns, vgl. auch Arist. Gen. corr. 329b18–32).
1.2. ‹De interpretatione› Es ist unwahrscheinlich, dass Andronikos diese Schrift ‘in einem selbständigen Werk’ zusammenfasste, da die bei Boethius (In herm. comm. ed. II, praef., p. 11,19–30 Meiser) erhaltene Nachricht im Zusammenhang mit ‹De interpretatione› die Ablehnung ihrer Echtheit betrifft, und ein solches Urteil wird wohl in der ‹Werkliste› gestanden haben. Andronikos’ Skepsis gegenüber der Echtheit von ‹De interpretatione› hängt mit der Ankündigung des Aristoteles zu Beginn der Abhandlung (16a3f. und 6f.) zusammen, wonach er die Thematik der παθήματα τῆς ψυχῆς («Eindrücke der Seele») in ‹De anima› behandeln werde, da sie «zu einer anderen Untersuchung» gehöre (16a8f.). Allen Berichten zufolge wies Andronikos darauf hin, dass in der Schrift ‹De anima›, soweit sie er-
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halten ist, die entsprechende Diskussion fehle, und da die Echtheit von ‹De anima› nicht angezweifelt werden könne, folge, dass ‹De interpretatione› unecht sei. Im Detail unterscheiden sich die Erklärungen aber: Nach Ammonios und Philoponos war Andronikos der Meinung, dass in ‹De interpretatione› die «Gedankengehalte» (νοήματα) als παθήματα τῆς ψυχῆς bezeichnet werden und dass eine solche Identifikation in ‹De anima› fehle; entsprechend versuchen diese beiden, Andronikos’ Einwand zu entkräften, indem sie Beweise dafür anführen, dass Aristoteles auch in ‹De anima› νοήματα als πάθη verstanden hat (Ammon. In Int. 5,28–7,14 Busse, Philop. In De an. 27,21–29; 45,8–14 Hayduck). Boethius, dessen Quelle Porphyrios ist, der sich seinerseits auf Alexander von
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Aphrodisias stützt, berichtet eine leicht abweichende Version: Andronikos habe darauf hingewiesen, dass Aristoteles in ‹De anima› Affekte der Seele wie Trauer, Freude oder Wut nicht diskutiere, und Alexander habe entgegnet, dass der Ausdruck παθήματα τῆς ψυχῆς so verstanden werden müsse, dass er sich auf Gedankengehalte beziehe (Boeth.
In Int. 1, II,11,26–30 Meiser). Moraux 1973 [*23: 118f.] hält richtigerweise Boethius’ Darstellung für näher an der Quelle und die Berichte bei Ammonios und Philoponos für verkürzte Versionen des ursprünglichen Texts. Andronikos’ Echtheits-Kritik scheint in der antiken Kommentartradition keine Anhänger gehabt zu haben.
1.3. ‹De divisione› Auf diese verlorene Abhandlung von Andro nikos verweist Boethius im Proömium zu seinem eigenen Traktat mit demselben Titel, wenn er auf den Nutzen und das Alter seines Themas hinweist: «Das von Andronikos, einem sehr sorgsamen Gelehrten der früheren Zeit, verfasste Buch ‹De divisione› handelt von dem beträchtlichen Nutzen, den die Wissenschaft vom Teilen den Gelehrten bringt und davon, dass dieser Wissenszweig bei den Peripatetikern immer hoch geschätzt war. Auch ein so bedeutender Denker wie Plotin schätzte Andronikos’ Buch, und Porphyrios benutzte es für seinen Kommentar zu Platons ‹Sophistes›» (Boeth. Divis. 4,3–7 Magee). Diese Abhandlung war kein Kommentar, sondern wahrscheinlich eine Zusammenstellung dessen, was Andronikos als aristotelische Theorie des Teilens betrachtete. Der Grad der Abhängigkeit der späteren Quellen (Porphyrios und Boethius) von Andronikos ist schwierig zu ermitteln (vgl.
Magee 1997 [*124] und 1998 [*125]). Boethius bespricht sechs Arten von Teilung: drei in der Klasse ‘per se’ (Gattung/Arten, Ganzes/Teile, Wort/Bedeutungen) und drei in der Klasse ‘secundum accidens’ (Subjekt/Akzidentien, Akzidens/Subjekt, Akzidens/Akzidentien). Am Ende der Abhandlung sagt Boethius: «Die spätere peripatetische Schule unterschied sehr sorgfältig zwischen den Teilungen: Sie trennte Teilung ‘per se’ und Teilung ‘secundum accidens’ und gliederte diese beiden weiter. Ihre Vorgänger hingegen brauchten ohne Unterschied ein Akzidens anstelle einer Gattung und Akzidentien anstelle von Arten oder Differenzen» (Boeth. Divis. 48,27–50,2 Magee). Die Unterscheidung zwischen früheren und späteren Peripatetikern geht möglicherweise auf Porphyrios zurück; denn es ist nicht auszuschließen, dass er Kenntnisse von älteren peripatetischen Quellen zu diesem Thema hatte (vgl. Magee 1998 [*125], Griffin 2015 [*39: 42–48]).
1.4. ‹Physik› Es ist unklar, ob Andronikos zu einem Werk des physikalischen Corpus einen eigentlichen Kommentar verfasste. Simplikios erwähnt ihn in seinem ‹Physik›-Kommentar dreimal. Eine Er wähnung ist philologischer Natur und hat mit der Reihenfolge der acht Bücher der ‹Physik› zu tun. Andronikos bezeugt, dass der alte Titel für die ersten fünf Bücher ‹Physik› (Φυσικά) gewesen ist, während die letzten drei mit ‹Über die Bewegung› (Περὶ κινήσεως) überschrieben gewesen sind. Er verweist dafür auf den Briefwechsel zwischen Theophrast und Eudemos, der diese Reihenfolge und Benennung unterstützt (Simpl. In Phys. 923,8– 16 Diels). Diese Bemerkung könnte aus Andro nikos’ ‹Werkliste› stammen. Zwei weitere Verweise auf Andronikos stehen im Zusammenhang mit ‹Physik› 3. Simplikios erwähnt eine Textvariante in 202a14 (ἐντελέχεια γάρ ἐστι τοῦ κινητοῦ ὑπὸ τοῦ κινητικοῦ). Andronikos liest an dieser Stelle: ἐντελέχεια γάρ ἐστι τοῦ κινητοῦ καὶ ὑπὸ τούτου (Simpl. In Phys. 440,14f. Diels), was möglicher-
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weise auf einen Abschreibfehler zurückgeht, wie Moraux 1973 [*23: 114 mit Anm. 3] vermutet. Andronikos’ Erklärung dieser Lesart, die von Simplikios ebenfalls überliefert wird, mag von philo sophischem Interesse sein: Er sagt, dass «das, was bewegt wird» (τὸ κινητόν), durch sich selbst bewegt zu sein scheint, auch wenn es von außen bewegt wird, wenn es von der inhärenten «Potenz» (δύναμις) zur «Aktivität» (ἐνέργεια) gebracht wird (Simpl. In Phys. 440,15–17 Diels). Moraux 1973 [*23: 114 Anm. 5] vermutet, dass Andronikos damit Aristoteles’ Argument für die Existenz eines ersten unbewegten Bewegers kritisiert und so Galens Kritik vorwegnimmt. Doch könnte Andro nikos auch der Auffassung gewesen sein, seine Lesart lasse sich mit Aristoteles’ These, dass alles, was in Bewegung ist, von etwas bewegt wird, verein baren, eine Auffassung, die Aristoteles ausgehend von der Annahme, dass das Ganze in Ruhe wäre, wenn man annehmen würde, dass seine Teile in Ruhe sind, formuliert hatte (Phys. 7,1, 242a5–15).
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Simplikios berichtet weiter von einem Kommentar des Andronikos zu Aristoteles’ Diskussion über Veränderung. Dieser hatte Veränderung beschrieben als Aktualität dessen, was potentiell etwas bewirkt oder worauf potentiell eine Wirkung ausgeübt wird (Phys. 3,3, 202b23–29). Andronikos erklärte offenbar die Vorstellung von der Aktualität dessen, worauf potentiell eine Wirkung ausgeübt wird, als eine Art innere Natur einer Sache, auf die zuerst eine Wirkung ausgeübt wird und die in der Folge selber auf die ganze Sache wirkt. Wenn beispielsweise Wasser durch Feuer erhitzt wird, ist es eine bestimmte Natur im Wasser,
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die zuerst erwärmt wird, um anschließend selber aktiv das Substrat zu erwärmen (Simpl. In Phys. 450,16–20 Diels). Gottschalk 1987 [*28: 1112f.] hält es für möglich, dass sowohl diese als auch die vorhergehende Bemerkung (dass es auch beim von außen Bewegten einen Beweger im Objekt gibt) Tendenzen wiedergeben, die in der stoischen Physik und im frühen Peripatos (Straton) präsent waren, und die Andronikos mit dem aristotelischen Schema in Übereinstimmung zu bringen versucht. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Andronikos damit wörtliche Übereinstimmung mit den Texten des Aristoteles meint.
1.5. ‹De anima› Mehrere Berichte in späteren antiken Quellen bezeugen, dass Andronikos zur aristotelischen Lehre von der Seele einen eigenen Interpreta tionsansatz entwickelte. Bei den Quellen handelt es sich um zwei Kommentare (von Themistios und Galen) und zwei zusammenfassende Äußerungen über Andronikos’ Position, die wahrscheinlich aus einer doxographischen Tradition stammen und beide in der ps.-galenischen Schrift ‹De spermate› überliefert sind, die in einer lateinischen Übersetzung aus dem Mittelalter erhalten ist (vgl. Nutton 2008 [*152]). Themistios zufolge (dessen Quelle möglicherweise Porphyrios war) wollte Andronikos Xenokrates’ Definition der Seele als «sich selbst bewegende Zahl», die von Aristoteles in ‹De anima› 1,4, 408b32 kritisiert worden war, begründen. Er habe erklärt, die Seele werde «Zahl» genannt, weil sie aus einem Körper bestehe, der sich aus vier einfachen Körpern (Elementen), die in numerischem Verhältnis gemischt seien, zusammensetze. Der «selbst bewegende» Charakter dieser Zahl werde dadurch erklärt, dass die Seele selber Ursache für das Mischungsverhältnis der Elemente in der körperlichen Struktur sei (Them. In De an. 32,22–31 Heinze = Sharples 2010 [*43: 24R]). Ein weiterer Bericht findet sich in Galens Abhandlung ‹Dass die Kräfte der Seele den Mischungen des Körpers folgen› 4 (‹Quod animi mores corporis temperamenta sequantur› = QAM), wo Galen für seine eigene Definition der Seele als Mischung des Körpers argumentiert, sich dafür auf Autoritäten wie Platon und Aristoteles beruft und Andronikos’ Definition der Seele als seiner eigenen besonders nahe erwähnt. Andronikos’ Name erscheint zwar nur in der arabischen Übersetzung der Schrift, in welcher der griechische Text korrupt ist, es gibt aber keinen Grund in die-
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sem speziellen Fall, die Exaktheit der arabischen Quelle zu bezweifeln (Biesterfeldt 1973 [*96: 18]). Aufgrund von Galens Bericht scheint es, dass Andronikos die Seele 1) als Mischung des Körpers und/oder 2) als Kraft, die zur körperlichen Mischung hinzukommt, betrachtete. Galen lobt ihn als mutigen Denker, was Punkt 1) betrifft, kritisiert ihn für 2) und vergleicht Andronikos in diesem Punkt mit Aristoteles, für den Seele nur Substanz sein konnte und nicht Kraft einer Substanz (Gal. QAM 44,12–45,3 Müller = Sharples 2010 [*43: 24P]). Galens Bericht kann als Beweis für Andronikos’ Physikalismus in der Frage der Natur der Seele betrachtet werden (vgl. die Diskussionen bei Moraux 1984 [*220: 782–785], Caston 1997 [*120: 339–342], Sorabji 2003 [*137], Sharples 2007 [*147: 610f.] und 2010 [*43: 247]). Die beiden Hinweise auf Andronikos’ Theorie der Seele, die aus dem ps.-galenischen ‹De spermate› stammen, weisen hingegen eher auf eine dualistische Interpretation von Andronikos’ Posi tion (Sharples 2007 [*147: 612f.]). Im ersten Zeugnis (Gal. Sem. VIII, 142C Cornarius = Sharples 2010 [*43: 24S]) wird Andronikos zu einer sehr gemischten Gruppe von Philosophen gezählt, welche die Seele für unkörperlich hielten («Sokrates, Platon, Aristoteles, Theodoros der Platoniker, Andronikos der Peripatetiker und Porphyrios und viele andere»). Aufgrund von Galens Bericht, wonach Andron ikos die Seele nicht mit dem Körper identifiziert habe, sondern geneigt gewesen sei, sie als eine Kraft des Körpers aufzufassen, lässt sich erklären, wie seine Position von Doxographen als ‘unkörperlich’ verstanden werden konnte, ohne dass ein Dualismus daraus folgen musste. Das zweite Zeugnis (Gal. Sem. VIII, 152D–153A Cornarius = Sharples 2010 [*43: 24T]) enthält ein komplexeres Argument für die
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Unsterblichkeit der Seele. Andronikos beruft sich auf einen mentalen Konflikt, um dafür zu argumentieren, dass die Seele «nicht aus körperlicher Natur zusammengesetzt» sei, weil es sonst «nichts gäbe, das die Seele daran hindern könnte, den Körper durch spirituelle Prinzipien unter Kontrolle zu bringen, d. h. die Laster des Körpers durch Fasten oder andere Tugenden zu unterdrü-
cken». Dieses Argument setzt eine stärkere Trennung zwischen Körper und Seele voraus, ist aber immer noch mit dem physikalistischen Ansatz, der bei Galen bezeugt ist, vereinbar. Für eine Interpretation der andronikischen Definition der Seele als Vorwegnahme der Tradition des Emergentismus in der modernen Philosophie des Geistes vgl. Caston 1997 [*120].
1.6. Ethisches Corpus: Emotionen Aspasios erörtert in seinem Kommentar zur ‹Nikomachischen Ethik› 2,3 Andronikos’ Definition des Affekts (πάθος, verstanden in einem engen moralischen Sinn). Es gibt keinen Hinweis, aus welchem Werk des Andronikos Aspasios seinen Bericht herleitet. Moraux 1973 [*23: 135] vermutet, dass es sich um eine Zusammenfassung von Aristoteles’ ‹De anima› handeln könnte. Aspasios erklärt, die «älteren» Peripatetiker (παλαιοί) hätten keine Definition der Emotion entwickelt, und zählt Andronikos und Boethos zu den «späteren» Peripatetikern (οἱ ὕστερον). Der Kontext ist eine Kontroverse um Aristoteles’ Behauptung, dass jede Handlung und jeder Affekt von Schmerz und Freude begleitet sei (EN 2,3, 1104b14f.), und um die Frage, ob der Affekt in die zwei obersten Genera ‘Schmerz’ und ‘Freude’ geteilt werden soll oder ob Schmerz und Freude Begleiterscheinungen des Affekts seien, wie ein gutes Aussehen zusammen mit einem gesunden Körper auftrete (Asp. In EN 44,5–7 Heylbut). Aspasios zitiert zuerst die stoische Definition des Affekts (πάθος): «Ein heftiger oder irrationaler Impuls, wobei mit irrational das der richtigen Vernunft Entgegengesetzte gemeint ist» (πάθος εἶναι ὁρμὴν σφοδρὰν ἢ ὁρμὴν ἄλογον, λαμβάνοντες τὸ ὑπεναντίον τῷ ὀρθῷ λόγῳ: Asp. In EN 44,13f.
Heylbut = Sharples 2010 [*43: 16R]). Andronikos’ Definition, die im Anschluss daran genannt wird, ist der stoischen recht ähnlich: Affekt als «eine irrationale Bewegung der Seele aufgrund der Annahme von etwas Schlechtem oder etwas Gutem» (πάθος εἶναι τῆς ψυχῆς κίνησιν ἄλογον δι’ ὑπό ληψιν κακοῦ ἢ ἀγαθοῦ: Αsp. In EN 44,21f. Heylbut = Sharples 2010 [*43: 16V(4)]). Wie Aspasios erklärt, «meint Andronikos mit ‘irrational’ nicht ‘der richtigen Vernunft entgegengesetzt’ wie die Stoiker, sondern eine Erschütterung des irrationalen Seelenteils (τὸ τοῦ ἀλόγου τῆς ψυχῆς μορίου κίνημα)» (Αsp. In EN 44,22–24 Heylbut). Diese Erklärung, die sehr wahrscheinlich auf Andronikos zurückgeht, lässt vermuten, dass dieser bewusst versucht hat, die stoische Definition des Affekts zu verbessern und sie mit peripatetischer Ethik vereinbar zu machen (vgl. Sorabji 2000 [*133: 134f.]). Sorabji 2007 [*150: 624], der Arist. De an. 3,9, 432a22–31 zitiert, bemerkt, dass Andronikos wie auch Boethos (vgl. unten 2.5.) von einem ‘Teil’ der Seele sprechen, während Aristoteles eher den Ausdruck ‘Vermögen der Seele’ gebrauchte. Moraux 1973 [*23: 140] wies darauf hin, dass die hier gegebene Definition des Affekts identisch ist mit derjenigen, die sich in der ps.-andronikischen Schrift ‹Über Affekte› (Περὶ παθῶν) findet.
2. Boethos von Sidon Die antiken Quellen erwähnen zwei Philosophen namens Boethos von Sidon: einen stoischen Schüler des Diogenes von Babylon (gest. ca. 150–140 v. Chr.) und einen peripatetischen Schüler des Andronikos. Das Auseinanderhalten der Berichte ist ein komplexes Problem, und es besteht in der Forschung nicht im Hinblick auf alle Texte Einigkeit (vgl. Moraux 1973 [*23], Gottschalk 1986 [*105] und 1987 [*28], Griffin 2009 [*422] und 2015 [*39], Falcon 2016 [*164]). Boethos’ Lebenszeit kann aufgrund von Strabon festgelegt werden, der berichtet, er habe «mit» oder «bei Boethos Philosophie studiert» (συνεφιλοσοφήσαµεν: Strab. 16,2,24): Wenn man annimmt, Strabon (ca. 64 v. Chr. – 25 n. Chr.) sei Boe-
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thos’ Mitstudent gewesen, dürfte Boethos zwischen 70 und 60 v. Chr. geboren sein; wenn Boethos Strabons Lehrer war, wäre er spätestens um 80 v. Chr. geboren. Er wird von Ammonios als elfter Scholarch des Peripatos bezeichnet (In An. pr. 31,12 Wallies) und von Philoponos als Schüler des Andronikos (In Cat. 5,18 Busse). Er verfasste einen ausführlichen Kommentar zu den ‹Kategorien›, der sich als überaus einflussreich für die gesamte antike Kommentartradition zu diesem Text erwies. In irgendeiner Form kommentierte er auch die ‹Analytica priora› und die ‹Physik›. Daneben gibt es antike Berichte über Beiträge des Boethos zur peripatetischen Ethiktheorie und eine Anzahl umstrittener Fragmente zur Seelenlehre. 2.1. ‹Kategorien›-Kommentar Boethos’ Kommentar zu den ‹Kategorien› des Aristoteles wird von Simplikios hoch gelobt und oft benutzt. Wahrscheinlich kannte Simplikios den Text nicht direkt, sondern durch Porphyrios’ verlorenen Kommentar ‹Ad Gedalium›. Laut Simplikios handelte es sich bei Boethos’ Kommentar um einen «Wort-für-Wort-Kommentar» (καθ’ ἑκάστην λέξιν: Simpl. In Cat. 30,2 Kalbfleisch). Die erhaltenen Fragmente beziehen sich auf den Einleitungsteil, der den Begriffen des Homonymen, Synonymen und Paronymen gewidmet ist, weiter gibt es ein wichtiges Fragment zu Boethos’ Behandlung der Kategorie ‘Substanz’. Simplikios zufolge hat Boethos «ein ganzes Buch» zur Kategorie ‘Relation’ verfasst, aber Griffin 2009 [*422: 214f.] weist zu Recht darauf hin, dass es sich dabei um einen Teil des Kommentars handeln dürfte. Schließlich gibt es Berichte über Boethos’ Behandlung der Kategorien ‘tun’, ‘erleiden’, ‘liegen’, ‘wann’ und ‘haben’. Zu Boethos’ Zeit gab es zwei verschiedene Ansichten zur Frage, was das eigentliche Thema der ‹Kategorien› sei: einerseits die Auffassung, dass es Aristoteles in den ‹Kategorien› um sprachliche Phänomene gehe, andererseits, dass die Schrift von den obersten Gattungen des Seienden handle. Die jeweiligen Vertreter stützten sich hauptsächlich auf die Einleitungskapitel bzw. auf die Verweise auf «Seiendes» (ὄντα in Cat. 2, 1a20). Boethos scheint der Initiator einer dritten Ansicht gewesen zu sein, nämlich dass es in den ‹Kategorien› «um die ersten und einfachen Aussagen gehe, insofern als diese Seiendes bedeuten» (καθὸ σημαντικαὶ τῶν ὄντων εἰσίν: Simpl. In Cat. 13,13f. Kalbfleisch), womit Dinge und Gedanken, die mit den sprachlichen Ausdrücken bezeichnet werden, ebenfalls Teil der Untersuchung sind. Diesen Ansatz nutzte Boethos zur Lösung des von einigen Lesern aufgeworfenen Problems im Zusammenhang mit dem Bereich, auf den sich die
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Relationen ‘Synonymie’, ‘Homonymie’ und ‘Par onymie’ beziehen; Aristoteles spricht von Dingen, die einen gemeinsamen «Namen» (ὄνομα) haben (Cat. 1, 1a1–15). Die Stoiker Athenodoros und Cornutus wendeten dagegen ein, dass die beschriebenen Relationen nicht nur für Namen gelten, sondern auch für andere, nicht-nominale Redeteile wie Verben, Partizipien usw. (Simpl. In Cat. 18,26–19,1; 24,6f. Kalbfleisch). Boethos schlug vor, zwischen einer engeren und einer weiteren Bedeutung von ‘Name’ zu unterscheiden: Erstere meint nur den Redeteil, gebraucht mit dem Artikel, während bei der weiteren Bedeutung ‘Name’ jede bedeutungsvolle Aussage, die einen Bezug zur Realität hat, einschließt (Simpl. In Cat. 25,18–20 Kalbfleisch). Dass Boethos bei seiner Definition der Homonyme die Worte ‘τῆς οὐσίας’ weglässt, könnte auf ähnliche Bedenken zurückgehen (Simpl. In Cat. 29,24–30,5 Kalbfleisch; vgl. Arist. Cat. 1, 1a1–2). Von Boethos stammt weiter ein wichtiges Zeugnis für Speusippos’ Klassifikation der Redearten in Tautonyme (weiter unterteilt in Synonyme und Homonyme) und Heteronyme (unterteilt in die eigentlichen Heteronyme, Polyonyme und Par onyme, Simpl. In Cat. 38,19–39,17 Kalbfleisch). Bei der Erklärung von τὰ λεγόμενα (Arist. Cat. 4, 1b25) unterscheidet Boethos zwischen den einfachen und den zusammengesetzten Ausdrücken, basierend auf den unterschiedlichen Bedeutungen, die für λεγόμενον infrage kommen. Von den grundsätzlich vier möglichen Bedeutungen – 1) eine Sache, 2) der Gedankeninhalt, der sich auf eine Sache bezieht, 3) ein bedeutungsvoller Ausdruck, 4) eine (bedeutungslose) Äußerung – können einfache λεγόμενα alle vier Bedeutungen haben, zusammengesetzte nur 2), 3) oder 4), weil es zu einer Verknüpfung keine entsprechende Sache gebe (Simpl. In Cat. 41,8–20 Kalbfleisch). Moraux 1973 [*23: 152] bringt diese Ansicht mit
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Boethos’ Anti-Realismus in der Universalienfrage in Verbindung und schreibt ihm die Meinung zu, dass nur Gedanken oder Begriffe die Objekte einer Aussage sein können. Der Text scheint diese Interpretation aber nicht zu bestätigen: Vielmehr sagt Boethos, dass Kategorien – verstanden als Objekte von Aussagen – ebenso Dinge (πράγματα) wie Gedanken, die sich auf Dinge beziehen, sein können. Dieser Standpunkt unterscheidet sich von der von Boethos beschriebenen Position der ‘Alten’, der zufolge nur Gedanken Objekte von Aussagen sein können (Simpl. In Cat. 41,28–42,8 Kalbfleisch). In Simplikios’ Kommentar ist ein wertvolles Stück Information zu Boethos’ Interpretation der aristotelischen Definition der Substanz erhalten. Charakteristisch für diese Interpretation ist, dass Boethos die Definition der Substanz in den ‹Kategorien› mit der Erörterung desselben Begriffs in der ‹Metaphysik› vergleicht. In der ‹Metaphysik› braucht Aristoteles den Begriff der Substanz für alle drei Bestandteile der hylemorphistischen Triade: Form, Materie und das Zusammengesetzte. Laut Boethos genügen nur zwei davon, Materie und das Zusammengesetzte, der von Aristoteles in den ‹Kategorien› formulierten Definition der ersten Substanz: nicht in einem Zugrundeliegenden zu sein und nicht von einem Zugrundeliegenden ausgesagt zu werden (Cat. 5, 2a11–14). Form könne gemäß diesem Kriterium «nicht Substanz sein, sondern falle in eine andere Kategorie: Qualität, Quantität oder irgendeine andere» (τὸ δὲ εἶδος τῆς μὲν οὐσίας ἐκτὸς ἔσται, ὑπ’ ἄλλην δὲ πεσεῖται κατηγορίαν, ἤτοι τὴν ποιότητα ἢ ποσότητα ἢ ἄλλην τινά: Simpl. In Cat. 78,18–20 Kalbfleisch). Diese vage Beschreibung des kategorialen Status der Form gab Anlass zu verschiedenen Interpretationen. Auf den ersten Blick scheint der Text zu bedeuten, dass Boethos der Form jegliche Substantialität abspricht und sie auf ein reines Akzidens reduziert (vgl. die Analyse von Movia 1968 [*92: 195f.]). Nach Gottschalk 1987 [*28: 1109] spricht Boethos sogar den zweiten Substanzen Substantialität ab. Doch entstehen laut Boethos überhaupt nur dank der Form erste Substanzen, die individuell und einheitlich sind (κατὰ δὲ αὖ τὸ εἶδος, καθόσον ὥρισται καὶ ἕν ἐστιν ἀριθμῷ: Simpl. In Cat. 104,26f. Kalbfleisch), so dass die Rolle der Form nicht auf die eines reinen Akzidens reduziert werden kann (vgl. Moraux 1973 [*23: 156], anders Gottschalk 1987 [*28: 1109]). Das Problem des kategorialen Status der Form ist damit nicht gelöst. Reinhardt 2007 [*145: 525] zufolge hält Boethos Form für «ein Aggregat von Eigenschaften, die in einer oder mehreren der nicht-substantiellen Kategorien klassifiziert wer-
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den können, so dass im Normalfall eine Vielfalt von Elementen aus allen Kategorien außer der Substanz die Form bilden». Rashed 2013 [*162: 72] hat darauf hingewiesen, dass Boethos den Ausdruck ‘Qualität’ hier möglicherweise im Sinn von ‘substantieller Qualifikation’ gebraucht, wie es in der ‹Kategorienschrift› (Cat. 5, 3b18–20) angedeutet wird, wo es heißt, Art und Gattung bedeuteten Qualitatives in Bezug auf die Substanz. Diese Erklärung scheint besonders attraktiv, da sie es erlaubt, den Ausdruck ‘Quantität oder irgendeine andere Kategorie’ auf ähnliche Weise auf die im vorhergehenden Abschnitt erwähnte vereinheit lichende Funktion der Form zu beziehen. Simplikios überliefert auch Boethos’ Antwort an einige Kritiker des Aristoteles, welche die Liste der Kategorien für zu kurz hielten. Unter anderem beanstandeten sie, dass Aristoteles in seinen Kategorien das «Eine», die «Einheit» (μόνας) und den «Punkt» (στιγμή) nicht unterbringen könne: Zur Kategorie der Quantität könnten sie nicht gehören, da sie keine Teile haben, somit weder kontinuierlich sind noch diskret (Simpl. In Cat. 65,13–17 Kalbfleisch). Die von Boethos vorgeschlagene Lösung besteht darin, im Fall von zwei Arten von Zahlen, unkörperlichen und körperlichen, zwei Arten von Einheit anzunehmen: die zur intelligiblen Zahl gehörende Einheit ist Substanz, die zur ‘körperlichen’ Zahl gehörende entweder Quantität oder Relation (Simpl. In Cat. 65,19–21 Kalbfleisch). Die körperliche Einheit ist von besonderem Interesse für das Problem des kategorialen Status der Form, weil Boethos Form als den Grund der Einheit der individuellen Substanz definiert. Diese Funktion der Form würde es ihm erlauben, ihren kategorialen Status entweder als Quantität oder «etwas anderes», nämlich Relation zu definieren. Boethos scheint die Kategorie der Quantität vorzuziehen, unter Hinweis darauf, dass «zwei Objekte» (τὰ δύο) und die «Dyade» (δύας) in die Kategorie der Quantität fallen, wie ‘weiß’ und ‘Weiße’ in die Kategorie der Qualität (Simpl. In Cat. 65,21–24 Kalbfleisch). Der kategoriale Status der Form ist von Boethos auf diese Weise im Hinblick auf ihre Rolle bei der Realisation der substantiellen Qualifikation definiert, weil sie sowohl für Einheit als auch den individuellen Charakter des Zusammengesetzten sorgt. In keiner Weise aber kann Form in Übereinstimmung mit dem Kriterium für die erste Substanz als Substanz klassifiziert werden. Boethos’ Standpunkt wurde später von Alexander von Aphrodisias korrigiert, der eine essentialistische Interpretation von Aristoteles’ Form entwickelte und dabei einige von Boethos’ Thesen verwarf, andere akzeptierte.
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Boethos’ Position in der Debatte um das Universalienproblem wird in den Quellen als peripatetische Standardposition dargestellt, was darauf hinweist, dass er für die definitive Formulierung dieser Position verantwortlich war. Dexippos schreibt ihm (und Alexander von Aphrodisias) die Ansicht zu, dass das Individuelle von Natur aus früher ist als das Allgemeine (Dexipp. In Cat. 45,27–31 Busse). Simplikios nennt Alexander alleine als Urheber derselben Auffassung, bezeichnet sie aber als «möglicherweise eigentlich peripatetisch» (Simpl. In Cat. 82,6–10 Kalbfleisch; vgl. Syrian. In Metaph. 106,5–8 Kroll). In seinem ausführlichen Kommentar zur Kategorie der Relation (πρός τι) legt Boethos nicht nur Details und Probleme des aristotelischen Texts dar, sondern will Aristoteles’ Lehre in die laufende philosophische Diskussion einbetten, wobei er sich auf frühere Quellen bezieht. Er sagt, Aristoteles’ Definition der Relation als «all das, von dem man sagt, dass es das, was es ist, im Zusammenhang mit anderem ist» (Cat. 7, 6a36f.) sei mit derjenigen Platons identisch (Simplikios verweist auf Rep. 438a; Soph. 255a; Simpl. In Cat. 159,9–22 Kalbfleisch = Sharples 2010 [*43: 9E]), während Aristoteles’ eigener Beitrag in der Hinzufügung des Satzes «oder dass es in einem anderen Sinn relativ zu etwas anderem ist» bestehe (Cat. 7, 6a37; Simpl. In Cat. 163,6–9 Kalbfleisch = Sharples 2010 [*43: 9F]). Boethos kritisiert beide Teile der Definition wegen ihrer Zirkularität, da der zu definierende Ausdruck Teil der Definitionsformel ist (Simpl. In Cat. 163,15–19 Kalbfleisch = Sharples 2010 [*43: 9F]), und wendet sich auch gegen die stoische Ansicht des logischen Verhältnisses zwischen den Kategorien des ‘Sich zu etwas Verhalten’ (πρός τί πως ἔχον) und des Relativen (πρός τι), der gemäß aus Ersterem das Relativsein folge, aber nicht umgekehrt. Laut Boethos muss das Verhältnis genau umgekehrt sein: Das Relativsein setze ein Verhältnis zu etwas anderem voraus, und zwar «in Übereinstimmung mit einer bestimmten Eigenschaft, die einer Sache inhärent ist», während in einem Verhältnis zu etwas zu stehen, nicht voraussetzt, dass etwas relativ zu einem äußeren Ding ist (Simpl. In Cat. 167,20–26 Kalbfleisch). Boethos behandelte auch das von Aristoteles aufgeworfene Problem, ob es ausgeschlossen ist, dass eine Substanz zum Relativen gehört, oder ob das für einige zweite Substanzen möglich ist (Cat. 7, 8a13–15) – ein Problem, das viele spätere Kommentatoren beschäftigte. Aristoteles’ selbst vertrat die Ansicht, dass keine primäre Substanz relativ ist (und er verneint ausdrücklich die Möglichkeit, dass Teile und Ganzes als relativ behan-
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delt werden), dass aber sekundäre Substanzen einer gewissen Klasse, die definiert werden können als ‘zu etwas gehörig’, als relativ verstanden werden können, beispielsweise ‘Hand’ und ‘Kopf’ (Cat. 7, 8a25–28). Boethos ist mit dieser Er klärung offenbar einverstanden, kritisiert aber die Formulierung, da für ihn ‘Hand’ und ‘Kopf’ nicht qua primäre oder sekundäre Substanz relativ sind, sondern qua Teile, wobei er – im Gegensatz zu Aristoteles – annimmt, dass Teile und Ganzes relativ sind (Simpl. In Cat. 188,2–5 Kalbfleisch = Sharples 2010 [*43: 9H]). Lösungsvorschläge von Boethos zu weiteren Problemen, die von Kritikern der aristotelischen Kategorienlehre aufgeworfen wurden, weisen ebenfalls auf sein tiefes systematisches Interesse an diesem Traktat hin, nicht nur als einer Einführung in das logische Corpus, sondern als ein Entwurf der Ontologie, der durch die gesamte aristotelische Metaphysik bestätigt wird. So wendet er im Fall der Kategorien ‘tun’ und ‘erleiden’ (ποιεῖν und πάσχειν) gegen den Vorschlag, dass diese beiden Kategorien in einer einzigen allgemeinen Kategorie ‘Aktivität’ (ἐνέργεια) zusammengefasst werden sollten, ein, dass eine solche Einteilung der aristotelischen Theorie des ersten unbewegten Bewegers nicht gerecht würde, der handelt, ohne etwas zu erleiden, und deshalb nicht zusammen mit Dingen, die etwas erleiden, Teil einer gemeinsamen Gattung sein könne (Simpl. In Cat. 302,12– 17 Kalbfleisch; vgl. Plot. Enn. VI 1 [42] 15). In seiner Diskussion der Kategorie der Lage (κεῖσθαι), zu der Aristoteles selbst nicht viel erklärt, antwortet Boethos auf frühere Kritiker. Diese argumentierten offenbar aufgrund ihrer Analyse der von Aristoteles gegebenen Beispiele in der Liste der Kategorien – «aufgestellt sein» (ἀνάκειται) und «sitzen» (κάθηται, Cat. 4, 2a2f.) –, dass ‘Lage’ überhaupt nicht eine eigene Kategorie sein sollte, sondern entweder 1) auf eine der Kategorien ‘tun’ oder ‘erleiden’ zurückzuführen sei, da beide Verben ἀνάκειται und κάθηται dies nahelegten, oder 2) als Kombination von Form und Ort zu betrachten seien. Auch das wird aus den beiden Beispielen abgeleitet, da die beiden Präfixe ἀνα und κατα, auf ‘hinauf’ bzw. ‘hinunter’ – also auf Orte – verwiesen. In seiner Antwort drängt Boethos auf eine präzise Definition von ‘Lage’, die keine Reduktion erlaubt. Er argumentiert gegen 1) mit einem Gegenbeispiel: Die Kategorie der ‘Lage’ kann bedeutungsvoll von einer Sache ausgesagt werden, die weder handelt noch etwas erleidet (eine sitzende Statue, ein gewidmetes Bild). Was 2) betrifft, so scheint Boethos mit der Grammatik, die den gebrauchten Beispielen zugrunde
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liegt, argumentiert zu haben: In beiden Fällen ist die Grundbedeutung, die für eine Einordnung in die Kategorie κεῖσθαι verantwortlich ist, unabhängig vom Verweis auf einen Ort, auch wenn ein solcher als Konnotation hinzugefügt werden kann (Simpl. In Cat. 339,18–30 Kalbfleisch). Diese Diskussion ist ein bezeichnendes Beispiel für Boethos’ Auslegungsmethode, die von den meisten späteren Aristoteles-Kommentatoren (sowohl peripatetischen als auch neuplatonischen) übernommen wird und die sich durch ein Streben nach terminologischer und konzeptueller Präzision beim Erläutern der Hauptpunkte der aristotelischen Thesen und Argumente charakterisiert. Mit derselben exegetischen Methode, die sorgfältig zwischen Bedeutungen und Umfang von kategorialen Ausdrücken unterscheidet, gibt Boethos der Kategorie ‘wann’ ihren Status als vollwertige Kategorie zurück, der von Andronikos, dem später Plotin folgte, in Zweifel gezogen worden war (Simpl. In Cat. 348,2–7 Kalbfleisch). Huby hat dafür argumentiert, dass der mit dem Titel ‹Über die Kategorie ‘wann’› (Περὶ τῆς τοῦ ποτὲ κατηγορίας) überschriebene Text, den Waitz in seiner Organon-Ausgabe abgedruckt hat (aus Codex Laurentianus 71,32 foll. 84–86, Waitz 1844 [*58: 19–23]), aus Boethos’ ‹Kategorien›-Kom mentar stammt (Huby 1981 [*99], Sharples 2010 [*43: 10F, G und 19D]). Boethos wird in diesem Text zwar nicht erwähnt (pace Sorabji 2007 [*148: 563]), es gibt darin aber eine Reihe bedeutsamer Parallelen mit Simplikios’ ‹Kategorien›-Kom
mentar 340–357, wo Boethos genannt ist (vgl. Huby 1981 [*99: 402f.]). Der Autor führt die Kategorie ‘wann’ mit einer detaillierten Diskussion der Zeit ein, die auf einer genauen Analyse des vierten Buchs der ‹Physik› beruht. Er hebt hervor, dass die Kategorie ‘wann’ weder äquivalent ist mit der Zeit (die zur Kategorie der Quantität gehört), noch zu dem, was in der Zeit ist (was zur Kategorie der Substanz gehört), noch zu einer Kombination der beiden Kategorien: «denn die Kategorie ist einfach und das bloße Verhältnis einer Sache zur Zeit gibt der Kategorie des ‘wann’ ihre Form, z. B. das ‘Inder-Zeit-Sein’, nämlich das Dauern (χρονίζειν, 22,4–8 Waitz = Sharples 2010 [*43: 10F(4)]). Boethos interessiert sich auch für die letzten sechs Kapitel der Abhandlung, die sogenannten ‘Postpraedicamenta’, und argumentiert auch hier gegen Andronikos’ Kritik am Konzept der Ruhe, womit er Plotins Analyse dieses Konzepts vorwegnimmt (Enn. VI 3 [44] 27; vgl. Hoffmann 2000 [*131]). Fasst man zusammen, bietet Boethos eine der ersten Interpretationen der ‹Kategorien› ausgehend von der hylemorphistischen Theorie, die Aristoteles im physikalischen Corpus und in der ‹Metaphysik› entwickelt hat, wobei seine eigenen philosophischen Ansichten deutlich im Hintergrund stehen. Er verhält sich gegenüber Andro nikos, gegen dessen Interpretationsvorschläge er an einigen Stellen eine bewusst kritische Haltung einnimmt, ebenso frei wie Andronikos gegenüber der Autorität des Aristoteles und der Tradition.
2.2. ‹Analytica priora› Die genaue Form von Boethos’ Kommentar zur ersten Analytik ist nicht so klar, wie es bei seinem ‹Kategorien›-Kommentar der Fall ist. In den erhaltenen griechischen Quellen gibt es zwei Hinweise auf seine Auslegung der aristotelischen Theor ie der Syllogismen: Bei Ammonios (In An. pr. 31,12–25 Wallies) und bei Galen (Inst. Logica 7,2 und 17,4–9 Kalbfleisch). Zusätzlich beinhaltet die arabische Version von Themistios’ Abhandlung ‹Antwort an Maximos über die Reduktion der Syllogismen in der zweiten und dritten Figur auf die erste› weitere Informationen (arabischer Text bei Badawi 1972 [*94], Rashed 2016 [*45], französische Übersetzung bei Badawi 1968 [*91: 166–180] und Rashed 2016 [*45]). So verweist Themistios in dieser Abhandlung auf Boethos’ zweites Buch der ‹Demonstration› (Rashed 2016 [*45: 109,13–14 (burhân)], Badawi 1968 [*91: 171]), und das ‘explicit’ der arabischen Übersetzung nennt
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als Titel für Themistios’ Werk: ‹Eine Abhandlung des Themistios in Erwiderung auf Maximos und Boethos betreffend die Reduktion der zweiten und dritten Figuren des Syllogismus auf die erste› (Rashed 2016 [*45: 148f.], Badawi 1968 [*91: 180]). Galen berichtet, dass Boethos und einige andere Denker die Schlussfolgerungen aufgrund der hypothetischen Syllogismen für «keines Beweises bedürftig» (ἀναπόδεικτοι) und «primär» (πρῶτοι) hielten, dass sie aber nicht bereit gewesen seien, «Schlussfolgerungen, die keines Beweises bedürfen (ἀναπόδεικτοι συλλογισμοί), aus kategorischen Prämissen primär zu nennen» (Gal. Inst. Log. 7,2, 17,4–9 Kalbfleisch). Barnes 2007 [*141: 536f.] hat vermutet, dass Boethos sich in Aristoteles’ System eine Ableitung der kategorischen Syllogismen von den hypothetischen vorstellte. Obwohl es in den erhaltenen Quellen keine direkten Hinweise darauf gibt, ist es plausibel, dass Boe-
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thos die deduktive Priorität des hypothetischen Syllogismus darin gesehen haben könnte, dass dieser als gemeinsame Basis für alle Ableitungen dienen kann, in denen ein gültiger syllogistischer Modus von einem anderen abgeleitet wird, wie in den Fällen Cesare/Celarent und Barbara/Baroco. Aristoteles zufolge sind die nicht-modalen Syllogismen der ersten Figur «vollkommen» (τέλειοι), jene der zweiten und dritten Figur «unvollkommen» (ἀτελεῖς), können aber durch Ableitung von der ersten Figur zur Vollkommenheit oder Vollständigkeit gebracht werden, und zwar direkt, durch Konversion, oder indirekt, durch eine ‘reductio ad absurdum’ (vgl. Arist. An. pr. 1,4, 26b26–33; 1,5, 27a1–25. 27a36–b3. 28a1–9; 1,6, 28b17–21. 29a11–18; 1,7, 29a30–29b25; Barnes 2014 [*163]). Nach Ammonios widersprach Boethos Aristoteles und vertrat «richtigerweise» die Ansicht, dass auch die Syllogismen der zweiten und dritten Figur vollkommen sind (Ammon. In An. pr. 31,14f. Wallies). Boethos schlossen sich Porphyrios, Iamblichos, Iamblichos’ Schüler Hierios und Hierios’ Schüler Maximos, ebenso Hermeias von Alexandrien und Proklos an (Ammon. In An. pr. 31,15–17. 23–25 Wallies). Von Ammonios ist auch bekannt, dass Themistios in einer Debatte gegen Maximos die aristotelische Ansicht verteidigte und dass Kaiser Julian als Schiedsrichter seine Stimme Boethos gab. Dieselbe Quelle berichtet weiter, dass sich Boethos möglicherweise auf Theophrast stützte, der «wie es scheint» diese Ansicht vertreten habe (Ammon. In An. pr. 31,22f.; pace Barnes 2007 [*141: 538]). Themistios liefert weitere Details zu Boethos’ Argumenten: Letzterer stellte offenbar Aristoteles’ These infrage, dass alle zehn Modi der Syllogismen der zweiten und der dritten Figur (nämlich vier plus sechs) wie auch die Modi der ersten Figur, die als Konklusion eine partikuläre Aussage haben (z. B. die Modi Darii und Ferio), durch die zwei ‘universellen’ Modi der ersten Figur (nämlich die assertorische Barbara und Celarent) vervollständigt werden können: Wenn gewisse Paare von Prämissen nicht durch Konversion aus Barbara und Celarent abgeleitet werden können, sollten diese nicht als durch die erste Figur vervollständigt angesehen werden (Rashed 2016 [*45: 109,15–111,4], Badawi 1968 [*91: 171]). Zum Beispiel für den ersten Modus der dritten Figur (Darapti), dessen Prämissen beide universell sind, sollte nicht gelten, dass er mittels der aristotelischen Methode der Konversion durch die erste Figur vervollständigbar ist, da die Konversion der universellen Prämisse eine partikuläre Aussage ergeben würde. Themistios antwortete auf diesen
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Einwand des Boethos, indem er Aristoteles’ Beweis für Darapti noch einmal erklärte, dem zufolge Darapti durch den Modus Darii der ersten Figur vervollständigt wird. Genau dieser Punkt aber scheint von Boethos und seinen Anhängern infrage gestellt worden zu sein: Weshalb sollte Darii vollständiger sein als Darapti? (für die weitere Diskussion siehe Rashed 2016 [*45: 65ff.]). Für Boethos waren die Ableitungen der zehn Modi der zweiten und dritten Figur von der ersten Figur «potentielle Reduktionen» (Badawi 1968 [*91: 176]), ohne Folgen im Hinblick auf den Status der zweiten und dritten Figur als «unvollständig». Für eine weitere, detaillierte Diskussion dieser Auseinandersetzung siehe jetzt Barnes 2014 [*163], Rashed 2016 [*45]. Themistios berichtet, dass Boethos eigene Beweismethoden entwickelte, die auf alle Modi in allen drei Figuren anwendbar waren und zu denen offenbar eine semantische Analyse des Umfangs der in den Prämissen gebrauchten Terme gehörte, die als Beweis dafür genügt, dass eine gegebene Schlussfolgerung entsprechend dem Modus folgt (Barnes 2014 [*163: 193–197] und Rashed 2016 [*45] nennen diese Methode ‘mereologisch’, da Boethos in seine eigenen, von den aristotelischen verschiedenen Vollständigkeitsbeweisen die Beziehungen zwischen den Termen als mereologische ‘Einbeziehung’ und ‘Absonderung’ behandelt). So erklärte Boethos, dass die dritte Figur unabhängig von der ersten Figur beweiskräftig ist, weil «in ihrem ersten Modus (Darapti), in dem Ober- und Unterbegriff universell vom Mittelterm ausgesagt werden, gilt: Wenn über eine Sache zwei Aussagen gemacht werden, ist klar, dass jede dieser Aussagen jeweils ‘in’ der anderen als Teil enthalten ist (Rashed 2016 [*45: 141,1–4], Badawi 1968 [*91: 178]). So wurde wahrscheinlich eine partikuläre Konklusion selbstevident aus den beiden universellen Prämissen abgeleitet, ohne dass ein Bezug zur ersten Figur erforderlich war (siehe weiter Barnes 2014 [*163: 192ff.]). Auch wenn Themistios dem Ansatz des Boethos gegenüber sehr kritisch ist, wird aus seinem Bericht klar, dass Boethos nach einer einheitlichen Methode suchte, um den Umfang der in einem Syllogismus gebrauchten Prädikatsterme zu vergleichen. Themistios nennt Herminos und Alexander von Aphrodisias unter denjenigen, die Boethos’ Kritik an Aristoteles kritisch diskutierten (Rashed 2016 [*45: 143,11–13], Badawi 1986 [*91: 179]).
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2.3. ‹Physik› In der Frage, welches Werk des Aristoteles als Erstes studiert werden sollte, wich Boethos offenbar von Andronikos ab: «Boethos von Sidon sagt, dass man mit der ‹Physik› beginnen solle, was für uns vertrauter und verständlicher ist, da man mit Dingen beginnen soll, die klarer und verständ licher sind» (Philop. In Cat. 5,16–18 Busse = Sharples 2010 [*43: 5A]; vgl. Elias In Cat. 117,17– 25 Busse). Für diese Empfehlung könnte sich Boethos auf Aristoteles’ Unterscheidung zwischen Dingen, die für uns einsichtiger und deutlicher sind, und Dingen, die von Natur aus einsichtiger und deutlicher sind, in ‹Physik› 1,1 gestützt haben. Verschiedene seiner Erläuterungen einzelner Abschnitte und Probleme aus der ‹Physik› sind durch spätere Kommentatoren überliefert. Die genaue Form seines Kommentars zur ‹Physik› ist aber nicht klar. Simplikios erwähnt Boethos in seinem ‹Physik›-Kommentar dreimal explizit, und alle diese Stellen sind auch in Themistios’ Zusammenfassung belegt. Letztlich war die Quelle beider Autoren wahrscheinlich der verlorene Kommentar Alexanders von Aphrodisias. Die Kommentatoren zu ‹Physik› 1,7 berichten, dass Boethos zwischen «Zugrundeliegendem» (τὸ ὑποκείμενον) und «Materie» (ὕλη) unterschieden habe: «‘Materie’ heißt, was ohne Gestalt und Form ist (ἄμορφος καὶ ἀνείδεος), denn Materie scheint im Hinblick auf etwas, was sein wird, benannt zu sein. Wenn eine Sache aber Form a ngenommen hat, heißt sie nicht mehr ‘Materie’, sondern ‘Zugrundeliegendes’, denn ‘Zugrunde liegendes’ wird im Hinblick auf etwas schon Existierendes gebraucht» (Simpl. In Phys. 211,15–18 Diels; vgl. Them. In Phys. 26,20–24 Schenkl).
oethos scheint ὕλη als vorausgehende Materie zu B verstehen, als Zugrundeliegendes vor der Veränderung, während τὸ ὑποκείμενον, das eigentliche Zugrundeliegende, sich ihm zufolge auf die einer Sache zugrundeliegende Materie bezieht. Alexander kritisiert, dass Boethos nicht zwischen vorausgehender und erster Materie unterschieden habe, die eigentlich als eigenschafts- und formlos charakterisiert ist (vgl. Rashed 2007 [*858: 199–205], Kupreeva 2009 [*153: 157f.]). Boethos wendet sich weiter gegen Aristoteles’ These, dass die Zeit, von der gezeigt worden war, dass sie zählbar ist, nicht außerhalb der rationalen Seele existieren könne, die das Zählen durchführt (Phys. 4,14, 223a21–29). Boethos hält diese These für zu nominalistisch und weist darauf hin, dass es falsch wäre, der Zeit wegen ihrer Zählbarkeit eine eigene Natur abzusprechen: «Nichts hindert eine Zahl daran, auch unabhängig vom Zählenden zu existieren» (Themist. In Phys. 160,26f. Schenkl = Sharples 2010 [*43: 19E], vgl. Simpl. In Phys. 759,29–760,3 Diels). Im weiteren Kommentar zu Aristoteles’ Argument zieht Boethos denselben Schluss explizit in Bezug zur Zeit (Them. In Phys. 163,6f. Schenkl = Sharples 2010 [*43: 19F], Simpl. In Phys. 766,16–19 Diels). In den von Sharples (2010 [*43: 10E und F], vgl. Huby 1981 [*99]) Boethos zugeschriebenen Texten trennt der Autor die Kategorien ‘wo’ und ‘wann’ von ihren physikalischen Gegenstücken ‘Ort’ und ‘Zeit’, wobei er die Reduktion von logischen Kategorien auf die physikalischen Aspekte der Kategorie der Quantität kritisiert. Die Diskussion zeugt von einer sehr guten Kenntnis des Textes der aristotelischen ‹Physik›.
2.4. Seelenlehre Es ist unklar, ob Boethos einen eigenen Kommentar zu ‹De anima› verfasste, aber in den erhaltenen antiken Quellen sind einige seiner Ansichten zur Seelenlehre überliefert. Der Hauptteil der Zeugnisse sind Exzerpte des Eusebios aus Porphyrios’ Abhandlung ‹Gegen Boethos über die Seele› (Πρὸς Βόηθον περὶ ψυχῆς), die fünf Bücher umfasste. Zusätzlich gibt es einen Hinweis auf Boe t hos im Simplikios zugeschriebenen ‹De anima›-Kommentar, der möglicherweise von Priskianos stammt, und einen Hinweis in Macrobius. Vier Fragmente aus dem ersten Buch von Porphyrios’ Abhandlung enthalten dessen Reaktion auf Boethos’ Diskussion der Argumente im ‹Phai-
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don›. Fr. 242F Smith (= Praep. ev. 11,27,20–28,5) enthält Porphyrios’ Kurzfassung des platonischen Arguments für die Unsterblichkeit der Seele ‘aufgrund der Ähnlichkeit’ (Phaed. 78a–81c), wobei er betont, dass die Tatsache, dass die Seele an gottähnlichen Handlungen Anteil haben kann, den Schluss erlaubt, dass sie auch an der göttlichen Substanz Anteil hat, also an Attributen wie Unsterblichkeit und Unzerstörbarkeit. In fr. 243F Smith (= Praep. ev. 11,28,6–10) berichtet Porphyrios, Boethos habe die Annahme, dass die Seele an göttlichen Handlungen Anteil haben könne, akzeptiert. Er zitiert Boethos mit der Aussage «dass aber nichts von den Dingen, die uns betref-
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fen, Gott ähnlicher ist als die Seele, das dürfte einer wohl ohne viel Diskussion glauben, nicht nur wegen der kontinuierlichen und unaufhörlichen Bewegung, welche die Seele in uns bewirkt, sondern auch (wegen der Bewegung) des Geistes in ihr selbst (οὐ μόνον διὰ τὸ συνεχὲς καὶ ἄπαυστον τῆς κινήσεως, ἣν ἐν ἡμῖν ἐνδίδωσιν, ἀλλὰ τοῦ καθ’ ἑαυτὴν νοῦ)» (Boethos apud Eus. Praep. ev. 11,28,8f.). Aufgrund dieser Ansicht, so folgert Porphyrios, müsste Boethos auch die Unsterblichkeit der Seele akzeptieren (fr. 244F Smith = Praep. ev. 11,28,11f.; vgl. Trabattoni 2011 [*155]), stattdessen gebrauchten Philosophen (wahrscheinlich solche wie Boethos) ihren göttlichen Verstand auf subversive Weise, um «die Mehrheit davon zu überzeugen», dass diese gottähnlichen Eigenschaften sterblichen Ursprung hätten (fr. 245F Smith = Praep. ev. 11,28,13–16; vgl. auch fr. 246F Smith). Weitere Hinweise auf Boethos’ Beschäftigung mit Platons Argumenten für die Unsterblichkeit der Seele im ‹Phaidon› sind im Simplikios zugeschriebenen ‹De anima›-Kommentar bewahrt. Simplikios kommentiert Aristoteles’ Äußerung in De an. 3,5, 430a23 «nur dieser [sc. der produktive Intellekt] ist unsterblich und ewig» (καὶ τοῦτο μόνον ἀθάνατον καὶ ἀΐδιον) folgendermaßen: «Er [sc. Aristoteles] setzt zu Recht ‘ewig’ (ἀΐδιον) hinzu, wie Platon im ‹Phaidon› [106a–e] ‘unzerstörbar’ (ἀνώλεθρον) hinzufügte, so dass wir Boethos nicht folgen sollten, der glaubte, dass die Seele wie das Beseelte in dem Sinne unsterblich ist, dass sie selber beim Eintritt des Todes nicht bleibt, sondern sich bei dessen Herannahen zurückzieht und zugrunde geht» (Simpl. In De an. 247,23–26 Hayduck = Sharples 2010 [*43: 24U]). Auf der Grundlage dieses Berichts stellte Moraux 1973 [*23: 172–176] die Zuschreibung dieses und der anderen Zeugnisse an Boethos den Peripatetiker infrage und argumentierte dafür, dass sich alle Berichte auf Boethos den Stoiker beziehen, obwohl er zugeben musste, dass auch diese Zuschreibung wegen der bei den Stoikern fehlenden Lehre von der Unsterblichkeit der Seele problematisch ist. Gottschalk 1986 [*105] hat überzeugend dafür argumentiert, dass der bei Simplikios genannte Einwand nicht voraussetzt, dass Boethos an die Unsterblichkeit der Seele geglaubt hat, sondern dass es sich dabei um eine Kritik am letzten Argument des ‹Phaidon› (102a10–107a1) handeln muss, die bis zu einem gewissen Grad bereits von Platon selbst vorweggenommen worden (Phaed.
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106b–d) und in der Folge von Straton von Lampsakos in den von Damaskios überlieferten dreizehn Einwänden weiterentwickelt worden war (Dam. In Phaed. 1, §§ 431–443, II,231,2–233,13 Westerink = Straton fr. 76–81 Sharples). Drei in ‹Praeparatio evangelica› 15 zitierte Fragmente geben Auskunft über Porphyrios’ Kritik an der aristotelischen Definition der Seele als Entelechie des Körpers. Porphyrios kritisiert die These des Aristoteles, wonach die Seele per se unbewegt sei (fr. 247F Smith = Praep. ev. 15,10,9– 11,1; vgl. Them. In De an. 16,19–25 Heinze), und stellt die Analogie zwischen Seele und Schwere oder den uniformen Qualitäten der Körper infrage (fr. 248F Smith = Praep. ev. 15,11,2f.). Im Fragment 248F Smith (= Praep. ev. 15,11,4) greift Porphyrios die Definition der Seele als Entelechie des organischen natürlichen Körpers wegen ihrer Körperlichkeit an und stellt sie in eine Reihe mit materialistischen Konzeptionen der Seele bei den Stoikern und Atomisten. Boethos ist in keinem der Fragmente namentlich genannt. Die in den Fragmenten 246 und 247 kritisierten Positionen zeigen klare Parallelen zu Alexanders von Aphrodisias Abhandlung ‹De anima› (vgl. Alex. Aphr. De an. 5,4– 18 Bruns). Dass in der Doxographie die Aristoteliker mit den Materialisten in eine Reihe gestellt wurden, könnte seinen Grund darin haben, dass auf diese Weise gegen Alexanders eigene Verteidigung von nicht-materialistischen Lesarten der a ristotelischen Definition polemisiert wird (vgl. Kupreeva 2003 [*850]). Möglicherweise gehörte Boethos zu den Schulquellen von Alexanders Abhandlung, obwohl die genaue Form seiner Schriften über die Seelenlehre nicht klar ist. Aber auch wenn Porphyrios’ Gegner nicht ausdrücklich Boethos sein sollte, sondern die ihm sehr gut bekannte spätere aristotelische Tradition des 2. Jahrhunderts n. Chr., zeigt doch die Tatsache, dass er dieses Material in eine Abhandlung mit dem Titel ‹Gegen Boethos› einfügte, dass er die Ansichten von Boethos für vereinbar mit dieser späteren peripatetischen Position hielt. Die kleine Sammlung von Fragmenten aus dem verlorenen Werk des Porphyrios ist deshalb wertvoll, weil sie zeigt, dass Denker verschiedener Zeitabschnitte – Straton, Boethos, Alexander von Aphrodisias – als zur selben peripatetischen Tradition gehörig angesehen wurden, was durch die erhaltenen literarischen Zeugnisse eine Begründung erhält (wenn z. B. Boethos Stratons Kritik an Platon wieder aufnimmt).
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2.5. Ethik In den antiken Quellen gibt es zwei Berichte über Boethos’ Ansichten zur Ethik. Aspasios erwähnt in seinem Kommentar zur ‹Nikomachischen Ethik› Boethos’ Definition des «Affekts» (πάθος) zusammen mit derjenigen des Andro nikos: «Boethos [sc. definierte] Affekt als irrationale Bewegung der Seele, die eine gewisse Größe hat, wobei er ‘irrational’ als Bewegung des irra tionalen Seelenteils verstand und die gewisse ‘Größe’ hinzusetzte, weil es auch andere Bewegungen des irrationalen Seelenteils gibt, die von einer kurzen ‘Zuneigung’ bzw. ‘Abneigung’ (οἰκείωσις bzw. ἀλλοτρίωσις) anderen Menschen gegenüber begleitet sind. Die [sc. Bewegungen], die von einer kurzen [sc. Zu- bzw. Abneigung] begleitet sind, hielt er nicht für wert, Affekte genannt zu werden» (Asp. In EN 44,24–28 Heylbut). Diese Definition hat eine Parallele in der stoischen Definition des Affekts als eines sehr starken Impulses (Moraux 1973 [*23: 177 Anm. 5]). Sorabji 2007 [*150: 626] vergleicht Boethos’ Definition mit stoischen Theorien der unwillkürlichen ersten Bewegungen (προπάθειαι), die keine Affekte sind, weil ihnen die Zustimmung fehlt, er weist aber auf den Unterschied hin: In Boethos’ Erklärung des Affekts kommt das Konzept der Zustimmung gar nicht vor. Alexanders von Aphrodisias Schultext ‹Über das erste eigene Ding auf der Basis aristotelischer [sc. Äußerungen]› (Τῶν παρὰ Ἀριστοτέλους περὶ τοῦ πρώτου οἰκείου: ‹Mantissa› 17) berichtet von den Ansichten des Xenarchos und des Boethos (in dieser Reihenfolge): «Einige sagen, dass Aristoteles zufolge wir selbst das uns erste Eigene sind. Wenn nämlich das Objekt der Liebe begehrenswert ist (wir aber niemanden vor uns selbst lieben und uns nichts anderes in dieser Weise gewohnt sind, denn wir erheben Anspruch auf andere und lieben jemanden in Bezug auf uns selbst), so dürfte wohl jeder sich selbst das erste ihm Eigene sein» (Alex. Aphr. Mant. 17,151,3–8 Bruns = Sharples 2010 [*43: 17C]). Der Autor der ‹Mantissa› nimmt Bezug auf zwei aristotelische Texte, die im Hintergrund dieser Ansicht stehen, indem er den ersten und letzten Satz jeder Passage zitiert. Der erste Text ist EN 8,2, 1155b17–27, wo Aristoteles zu Beginn seiner Diskussion der Freund-
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schaft die Frage nach der Natur des «Objekts der Liebe» (φιλητόν) aufwirft und einige Punkte auflistet, die vorausgehend untersucht werden sollen: Jeder Mensch liebt, was gut für ihn selbst ist, und während das universelle Gute das Objekt der Liebe in einem nicht bestimmten Sinn ist, ist das, was gut ist für einen bestimmten Zweck, Objekt der Liebe für diesen Zweck. Kein Mensch liebt, was gut ist, sondern was ihm gut für ihn selbst scheint. Der zweite Text, auf den verwiesen wird, ist EN 9,8, 1168a35–b10, Aristoteles’ Zusammenfassung seines Arguments, dass der Mensch sich selbst der beste Freund ist. Das Konzept des «ersten Eigenen» (πρῶτον οἰκεῖον) ist post-aristotelisch, stammt aus hellenistischen Debatten und gipfelt in der stoischen Theorie der οἰκείωσις (vgl. Brunschwig 1986 [*104], Inwood, Donini 1999 [*129: 677–682] für einen Überblick und weitere Verweise). Es gab Versuche, Theophrasts’ Theorie der οἰκειότης als Vorläufer der stoischen Theorie der οἰκείωσις zu erweisen (von Arnim 1926 [*80], Dirlmeier 1937 [*82]), die Argumente sind aber inzwischen als haltlos widerlegt (Philippson 1932 [*81], Pohlenz 1940 [*84], Brink 1956 [*88], Long 1998 [*126], Klein 2016 [*165: 143 Anm. 3]). Das πρῶτον οἰκεῖον von Boethos und Xenarchos hat den hellenistischen, stoisierenden Prototyp zum Vorbild, wird aber mit strikt aristotelischen Formulierungen begründet. Es ist nicht klar, ob der Autor der ‹Mantissa› die Textstellen selbst eingefügt hat oder ob er die Zitate aus dem aristotelischen Text bereits in seinen Quellen vorfand und diese also auf das 1. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen, doch gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der aristotelische Kontext der Theorie von Boethos und Xenarchos nicht original wäre. Alexander kritisiert die Definition, weil sie das erste Eigene in uns im Sinne des ersten Objekts der Begierde nicht näher bestimmt: Ohne eine solche Bestimmung ist es unmöglich, eine Verbindung zwischen dem ersten Objekt der Begierde und dem letztlichen Objekt der Begierde, nämlich der Glückseligkeit, herzustellen. Wir könnten für uns nämlich unser ‘erstes Eigenes’ sein, wenn wir uns in einem unglücklichen Zustand befinden und hätten dann einen unglücklichen Zustand als eigenes Objekt der Begierde.
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3. Xenarchos von Seleukeia Strabon erwähnt Xenarchos als einen von zwei peripatetischen Philosophen, die aus der Stadt Seleukeia stammen. Xenarchos, den Strabon als seinen Lehrer bezeichnet, verbrachte laut Strabon nicht viel Zeit in seiner Heimat, sondern lebte, da er sich für eine Laufbahn als Lehrer entschieden hatte, in Alexandrien, Athen und schließlich in Rom. Er war mit Areios und Augustus befreundet und wurde bis ins hohe Alter geehrt (Strab. 14,5,4 = T1 Falcon). Der Bericht lässt vermuten, dass Xenarchos während der Regierungszeit des Augustus, d. h. nach 27 v. Chr. und vor 14 n. Chr, starb. Eine frühere Datierung ergibt sich, wenn man Puglia 1998 [*127] folgt, der dafür argumentiert, dass Xenarchos’ Name in Philodems ‹Index Academicorum› im Text der Linie 12 wiederhergestellt werden könne (col. XXXV,5–16). Dadurch würde Xenarchos zum Lehrer von Ariston von Alexandrien und Kratippos. In diesem Fall müsste Kratippos vor 51 v. Chr. bei Xenarchos studiert haben, was eine frühere Datierung von Xenarchos zur Folge hätte. Puglia 1998 [*127: 150] korrigiert deshalb die von Moraux 1973 [*23: 197] vorgeschlagene Chronologie (80/75 v. Chr. bis zur Zeitenwende) und schlägt ca. 100 v. Chr. bis ca. 25 v. Chr. als Lebenszeit vor (vgl. Falcon 2012 [*65: 12]). Unklar ist, welche Stellung Xenarchos innerhalb der peripatetischen Schule einnahm. 3.1. ‹De caelo› Am ausführlichsten ist Xenarchos’ Kritik an Aristoteles’ Argumenten für die Existenz des Himmelskörpers als erstes Element im ersten Buch von ‹De caelo› überliefert. Unsere Hauptquelle ist Simplikios, von dem wir erfahren, dass Xenarchos seine Einwände gegen Aristoteles in einer Abhandlung mit dem Titel ‹Gegen das fünfte Element› formuliert hatte. Es gibt zwei Argument reihen zu ‹De caelo› 1,2, die sich zum Teil überschneiden und von denen Simplikios unter zwei Lemmata (268b11–269a18; 269a18–32) berichtet, sowie zwei sonstige Verweise. Xenarchos kritisierte Aristoteles’ Einteilung aller einfachen Linien in gerade und kreisförmige, da die zylindrische Helix auch einfach sei (Simpl. In Cael. 13,22– 28; 14,14–21 Heiberg = T2 Falcon). Dieses Argument stützt sich auf die Arbeit von Apollonios von Perge, der für die Einfachheit der zylin drischen Helix argumentierte (vgl. Hankinson 2002–2003 [*136: 24], Rescigno 2004 [*574: 172– 176], Falcon 2012 [*65] 63–70 ad loc.). Xenarchos widerspricht auch dem aristotelischen Prinzip, dass jeder einfache Körper nur eine entsprechende einfache Bewegung hat. Er argumentiert, dass Aristoteles’ gerade einfache Bewegungen als zugehörig zu einfachen Körpern gesehen werden könnten, solange diese erst daran seien, vollstän-
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dige Elemente zu werden; sobald sie ihren natürlichen Platz erreicht hätten und vollständige Elemente geworden seien, könnten sich einige von ihnen (nämlich Luft und Feuer) im Kreis bewegen (Simpl. In Cael. 21,33–22,17 Heiberg = T3 Falcon, vgl. ibid. 42,10–14 Heiberg = T8 Falcon). Kritik übt Xenarchos weiter an der Behauptung des Aristoteles, dass die Bewegung eines einfachen Körpers einfach sei und eine einfache Bewegung die Bewegung eines einfachen Körpers sei (Arist. Cael. 1,2, 269a3f.). Xenarchos scheint anzunehmen, dass diese These von einem allgemeineren Prinzip abgeleitet ist, wonach die Natur jeder Art von Körper eine entsprechende Art von Bewegung zuteilt und umgekehrt. Auch wenn man zugebe, argumentiert er, dass von Natur aus einem einfachen Körper eine einfache Bewegung zugeschrieben wird, folge daraus nicht, dass zu jeder einfachen Bewegung ein entsprechender einfacher Körper gehört (Simpl. In Cael. 23,11–15 Heiberg = T4 Falcon). Simplikios zufolge begründete Xenarchos seine Haltung mit dem Argument, dass in diesem Fall folgen würde, dass zu jeder zusammengesetzten Bewegung ein entsprechender Körper gehört. Die Zahl der zusammengesetzten Bewegungen ist aber unendlich, während die Zahl der Körper nicht unendlich sein kann (Simpl. In Cael. 23,11–15 Hei-
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berg). Alexander von Aphrodisias widerlegt später dieselbe These auf andere Weise: Das allgemeine Prinzip verdunkle die Unterscheidung zwischen zusammengesetzten und einfachen Bewegungen (Simpl. In Cael. 23,22–31 Heiberg). Weiter argumentiert Xenarchos, dass es aufgrund von Aristoteles’ eigener Lehre, dass jedes der mittleren Elemente (Wasser und Luft) zwei natürliche Bewegungen hat, auch für das Feuer zwei mögliche natürliche Bewegungen geben sollte: eine gerade aufwärts, eine andere kreisförmige, abhängig von seiner Lokalisation (Simpl. In Cael. 23,31–24,7 Heiberg = T5 Falcon). Xenarchos kritisiert auch die Annahme eines ersten Körpers, des himmlischen Elements, das sich von den vier sublunaren Elementen unterscheidet. Ein sich im Kreis bewegender Körper könne nicht einfach sein, da sich seine verschiedenen Teile mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegten (am Äquator und an den Polen, Simpl. In Cael. 24,20–27 Heiberg = T6 Falcon; vgl. Simpl. In Cael. 42,8–10 Heiberg = T8 Falcon). Es gibt von Xenarchos auch einen methodologischen Einwand ‘ad hominem’, indem er argumentiert, dass Aristoteles einen Fehler mache, wenn er versucht, seine physikalischen Thesen mit mathematischen Beweisen zu belegen (Simpl. In Cael. 25,11–28 Heiberg = T7 Falcon; vgl. Simpl. In Cael. 42,7f. Heiberg = T8 Falcon). Xenarchos fragt, ob die Kreisbewegung für den «Körper der entflammbaren Sphäre» (τοῦ ὑπεκκαύματος), der sich unmittelbar unterhalb der Himmelssphäre befindet, natürlich oder unnatürlich ist. Angenommen, sie ist nicht natürlich: Dann ist die Aufwärtsbewegung seine natürliche Bewegung. Das Gegenteil der Aufwärtsbewegung ist die Abwärtsbewegung, aber auch die nicht-natürliche Kreisbewegung ist ein Gegenteil zur Aufwärtsbewegung als natürlicher Bewegung: Diese hat damit zwei Gegenteile, was unmöglich ist. Die Annahme muss deshalb fallen gelassen werden: Die Kreisbewegung der entflammbaren Sphäre (Luft und Feuer in den oberen Regionen) ist natürlich (Simpl. In Cael. 50,18–24 Heiberg = T9 Falcon). Dieser Einwand zeigt Xenarchos’ gute Kenntnis des ersten Buches von Aristoteles’ ‹Meteorologie›, in dem die Theorie der Kreisbewegung der entflammbaren Sphäre vorgestellt wird, und einmal mehr wird die Annahme deutlich, es gebe eine Konsistenz innerhalb des ganzen Corpus. Ein ‘ad hominem’-Argument findet sich auch in der nächsten erhaltenen Nachricht über Xenarchos, die dessen Kritik am Prinzip, dass eine Sache nur ein Gegenteil haben könne, enthält. Er zieht dafür Aristoteles’ Diskussion der Tugend als Mitte heran:
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Tugend gleichzeitig als Gegenteil der beiden Ex treme Exzess und Mangel (Simpl. In Cael. 55,25– 31 Heiberg = T10 Falcon; Arist. EN 2,7–8, 1108b1– 1109a19; vgl. EE 2,2, 1221b31f.). Ziel dieses Arguments ist es, das Bewegungssystem des Feuers erklären zu können, das Xenarchos zufolge die rotierenden Himmel zu begründen vermag: Die Kreisbewegung des Feuers hat als Gegensätze sowohl ihre Aufwärts- als auch ihre Abwärtsbewegung, die ihrerseits füreinander Gegensätze sind wie Exzess und Mangel (Simpl. In Cael. 56,12–17 Heiberg = T10 Falcon). Dieses Argument zeigt Xenarchos’ exegetisches Können: Nicht nur, dass er das aristotelische Corpus sehr gut kennt, er ist auch im Stande, aristotelische Prinzipien gegeneinander zu verwenden, um die von ihm selbst favorisierte physikalische Lehre zu unterstützen. Es wird auch klar, dass es Xenarchos nicht darum geht, den aristotelischen konzeptuellen Rahmen aufzugeben. Im Gegenteil: Seine Methode besteht darin, Aristoteles’ Thesen auf der Basis von dessen Prinzipien zu kritisieren, eine Vorgehensweise, die von vielen folgenden Kommentatoren (Peripatetikern und Neuplatonikern) übernommen wird. Aristoteles’ Definition des ‘Leichten’ – «das, was über allen Körpern schwebt» (Cael. 1,3, 269b25f.; vgl. 4,4, 311a18; Meteor. 1,2, 339a17; 1,4, 341b11) – wurde von Xenarchos als nicht schlüssig beurteilt, weil sie der anderen Definition – «das, was sich aufwärts bewegt» –, die in derselben Textpassage gegeben wird, widerspreche (Cael. 1,3, 269b23f.; Simpl. In Cael. 70,20–22 Heiberg = T11 Falcon). Außerdem zeigt Xenarchos’ Einwand, wonach diese Definition leichte Körper, die sich unterhalb ihres natürlichen Platzes befinden, nicht umfasse, seine Aufmerksamkeit gegenüber text licher und gedanklicher Unklarheit. Möglicherweise richtet sich diese Kritik auch gegen Straton, der in seiner Erklärung der Auf- und Abwärtsbewegungen der Elemente Aristoteles’ natürliche Tendenz durch den Mechanismus des «Auspressens» ersetzte (ἔκθλιψις: Simpl. In Cael. 267,29 Heiberg = Straton fr. 50B Sharples). Bei seinem Kommentar zu Aristoteles’ These, dass es außerhalb der Welt kein Leeres gebe (Cael. 1,9, 279a11– 18), berichtet Simplikios über Xenarchos’ Kritik an der stoischen Theorie eines leeren Raums außerhalb der Welt: Das Leere muss begrenzt oder unbegrenzt sein. Wenn es begrenzt ist, dann durch einen Körper (was zu einer bereits früher besprochenen Aporie führt), wenn es unbegrenzt ist, müsste es, weil das Leere Chrysipp zufolge «das ist, was einen Körper aufnehmen kann, aber keinen aufnimmt», einen unbegrenzten Körper geben, der das Leere auffüllen könnte, was die
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§ 28. Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (Bibl. 428–436)
Stoiker selber ablehnen. Zur Lösung schlägt Xenarchos vor, «was einen Körper aufnehmen kann» (οἷόν τε δέξασθαι) durch «von aufnehmender Art» (δεκτικός) zu ersetzen, um, wie Alexander erklärt, den Einwand «aufgrund der Relativität» zu entkräften (Simpl. In Cael. 285,27–286,6 Heiberg = T12 Falcon). Xenarchos erhoffte sich davon wahrscheinlich eine Verbesserung, weil der Ausdruck δεκτικός nicht zur Kategorie des Relativen, sondern zur Qualität gehört, so dass damit lediglich eine rein hypothetische Eigenschaft des Leeren angegeben wird. Auch wenn Alexander die Änderung verwirft, weil sie für ihn keine wirkliche Verbesserung darstellt, ist sie doch lehrreich, weil sie zeigt, wie wichtig der Begriffsrahmen der ‹Kategorien› für die frühen Kommentatoren war. Aus Julians Rede ‹Auf die Mutter der Götter› erfahren wir von Xenarchos’ Kritik an Aristoteles und Theophrast für deren Untersuchungen der transzendenten, intelligiblen Prinzipien des Kosmos. Xenarchos zufolge lieferten die Himmels bewegungen ausreichend Begründungen, um die hylemorphe Zusammensetzung der natürlichen Dinge zu erklären (Iul. In matr. deor. 3, 162a–c = T13 Falcon). Xenarchos gab offenbar an, dass er mit seiner Kritik dem Beispiel des Theophrast
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folge, der sich ebenfalls dafür entschied, nicht nach der Ursache der unkörperlichen, intelligiblen Substanz zu suchen, sondern annahm, dass sie «von Natur aus so ist» (Theophr. fr. 158 FHSG; vgl. Theophr. Metaph. 9b16–10a21). Julian ist nach eigenem Bekunden ein Amateurphilosoph, und sein Bericht enthält möglicherweise eine Reihe von terminologischen Ausrutschern. Auf jeden Fall zeigt er aber, dass sich Xenarchos als Peripatetiker verstand, auch wenn er an einigen Über legungen der Schulgründer Kritik übte. Insgesamt scheint Xenarchos für seine Reform der aristotelischen Lehre der Elemente sowohl Methode als auch Material aus den Werken des Aristoteles abzuleiten: Die methodologischen Verbesserungen, die er anstrebt, klingen ‘ad hominem’, und die von ihm bevorzugte alternative Theorie für die Elemente scheint sich auf Aristoteles’ Lehre des oberen sublunaren Kosmos aus ‹Meteorologica› 1,1–3 zu stützen. Es bestehen einige Parallelen zu Stratons Überarbeitung der aristotelischen Lehre der Elemente, aber Xenarchos unterscheidet sich von Straton grundlegend durch sein Interesse an theoretischer Konsistenz seines Ansatzes mit den anderen Teilen des aristotelischen Systems.
3.2. Seelenlehre Zu Xenarchos’ Seelenlehre sind zwei Zeugnisse erhalten: Eines enthält eine Definition der Seele, das andere hat mit der Theorie des Intellekts zu tun. Stobaios berichtet, «Xenarchos der Peripatetiker und gewisse andere derselben Schule [sc. hielten die Seele für] Vollendung und Aktualität der Form nach, für an sich selbst seiend und zugleich verbunden mit dem Körper» (Stob. Ecl. 1,49,1b, I,320,5–7 Wachsmuth = T14 Falcon). Diese Definition ist nahe an der aristotelischen Standardposition, unterscheidet sich davon aber durch die zweiteilige Beschreibung der Seele: Sie ist Vollendung und Aktualität ‘per se’ und zugleich organisch verbunden mit dem Körper. Die aristotelische Definition enthält keine ähnlich betonte Antithese zwischen ‘per se’ und dem verbundenen Status des zu Erklärenden. Bei Stobaios ist Xenarchos’ Definition zusammen mit ‘materiellen’ Theorien der Seele aufgelistet (zwischen Hippon und Epikur), während Aristoteles’ Definition die Liste der nicht-materiellen Erklärungen beschließt. Diese Anomalie wird entweder als ein Versehen erklärt (Accattino, Donini 1996 [*726: 140–142]) oder dadurch, dass Xenarchos’ Position als ein Kompromiss zwischen Materialismus und
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Nicht-Materialismus aufgefasst wird (Mansfeld 1990 [*114: 3083], Falcon 2012 [*65: 133]). In der mittelalterlichen lateinischen Übersetzung von Philoponos’ Kommentar zu ‹De anima› 3,4 heißt es: «Alexander sagt, dass Aristoteles die Meinung vertreten habe, der Intellekt existiere nur potentiell, aber keineswegs aktuell» (429a22–27). Weiter stimmt Aristoteles nach Alexander der Ansicht zu, dass die Seele der Ort der Formen sei (429a27–29). Xenarchos habe sich von diesen Worten irreführen lassen und fälschlich vermutet, dass Aristoteles gemeint habe, die erste Materie sei Intellekt» (Philop. In De an. 3, 15,65–69 Verbeke = T15 Falcon). Eine Anspielung auf dieselbe Ansicht, ohne namentliche Nennung des Xenarchos, findet sich auch in Alexanders Schultraktat ‹De intellectu› (= ‹Mantissa› 2, 106,19–24 Bruns). Auch wenn die Details von Xenarchos’ Theorie nicht klar sind, ist doch sein Gebrauch des Konzepts der ersten Materie bemerkenswert, da dieser Begriff bei Aristoteles keinen prominenten Platz hat, sondern erst von Boethos ausgearbeitet worden ist. Alexander kritisiert die Theorie, dass der poten tielle Intellekt im Denkprozess dieselbe Rolle spiele wie die erste Materie im Prozess der Erschaffung.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
3.3. Ethik Die Lehre des «ersten Eigenen» (πρῶτον οἰκεῖον) wird Xenarchos zusammen mit Boethos von Alexander von Aphrodisias zugeschrieben (Alex. Aphr. Mant. 17, 151,3–13 Bruns = T16 Falcon). Im Fall von Xenarchos ist aus Simplikios (In Cael. 55,25–31 Heiberg; 56,12–17 Heiberg = T10 Falcon) bekannt,
dass er die ‹Nikomachische Ethik› gut und detailliert kannte. Philippson vertrat die Auffassung, dass Xenarchos’ Lehre die Quelle für die peripatetische Oikeiosis-Lehre sein könnte, die sich bei Areios Didymos findet (vgl. Philippson 1932 [*81], Pohlenz 1940 [*84: 42], Sharples 2010 [*43: 153f.]).
3.4. Platons ‹Timaios› Proklos erwähnt Xenarchos’ Interpretation von Tim. 30c, wo es um die Frage geht, was es für ein Lebewesen gewesen sei, nach dessen Ähnlichkeit der Demiurg die Welt geschaffen habe. Platons Antwort lautet, dass es sich nicht um ein Lebewesen handeln kann, das nur den Rang einer Species hat, sondern dass anzunehmen ist, «dass sie [sc. die Welt] dem von allem am ähnlichsten ist, wovon alle Lebewesen als Einzelne und nach ihren Gattungen Teile sind» (καθ’ ἓν καὶ κατὰ γένη μόρια: Tim. 30c6). Xenarchos habe den Ausdruck «nach ihren Gattungen» (κατὰ γένη) so verstanden, dass er sich auf die intelligiblen Ursachen der Lebewesen, geordnet nach den Elementen, bezieht (nämlich himmlische, zur Luft, zum Wasser und zur Erde gehörige), und den Ausdruck «als Einzelne» (καθ’ ἓν) so, dass mit diesem die jeweiligen Prinzipien für die Vielfachheit innerhalb jeder Gattung gemeint sind. Diese Prinzipien sind verschieden bei verschiedenen Himmelskörpern und wiederum verschieden im Fall von verschiedenen biolo-
gischen Arten: Bei den himmlischen Lebewesen gibt es ein Modell für die Sonne, eines für den Mond, bei den irdischen eines für die Menschen, eines für die Löwen, usw. (Prokl. In Tim. I,425,22– 426,2 Diehl = T17 Falcon). In welcher Form Xenarchos den ‹Timaios› behandelt hat, ist nicht klar (vgl. Falcon 2012 [*65: 159–161]), aber seine Erklärung ist möglicherweise so zu verstehen, dass sie die verschiedenen Teile des Kosmos nach Aristoteles zeigen soll. Die drei Klassen von Lebewesen (Lebewesen mit Flügeln, im Wasser und mit Füßen) sind bekannt, ihre Einteilung nach Elementen könnte entweder von Xenarchos selbst stammen oder von Exzerptoren. In ‹De Caelo› 2,12 stellt Aristoteles die Vermutung auf, dass die Aktivitäten der Sterne mit denen der sublunaren Lebewesen vergleichbar sein müssen (292b1f.). Die Interpretation der Species als einer Einheit, die der Vielfalt der Individuen zugrunde liegt, und zwar auf eine jedem Genus eigene Weise, zeigt Xenarchos’ Interesse an Fragen der ersten Philosophie.
4. Ariston von Alexandrien Die Zuschreibung einer kleinen Zahl von Zitaten, die in den Quellen mit dem Aristoteles-Kommentator Ariston von Alexandrien in Verbindung gebracht werden, ist schwierig. Dies umso mehr, als dieser immer noch regelmäßig mit anderen Personen gleichen Namens verwechselt wird, beispielsweise mit dem Stoiker Ariston von Chios (LSJ, s. v. κοσμωτός) oder mit dem Peripatetiker des 2. Jahrhunderts Ariston von Keos (Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 688 s. v. Aristo of Ceos]). Für die Zuschreibung der Fragmente an einen Aristoteles-Kommentator gibt es mehrere Kandidaten (vgl. auch Caujolle-Zaslawsky, Goulet 1994 [*113]). Der vielversprechendste ist ein Schüler des Antiochos, der dem Peripatos beitrat (Nr. 393A bei Caujolle-Zaslawsky, Goulet 1994 [*113]). Cicero erwähnt, dass Antiochos diesem Ariston, einem weiteren Schüler – Dion – und seinem Bruder Aristos höchste Autorität zuerkannt habe und dass Ariston bei Antiochos’ Diskussion der Lehren Philons dabei gewesen sei, als Lucullus sich 87/86 v. Chr. in Alexandrien befand (Cic. Lucull. 12 = test. 2 Mariotti). Auch Philodem erwähnt in seinem
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§ 28. Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (Bibl. 428–436)
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‹Index Academicorum› Ariston und Dion – und zusätzlich Kratippos – als Schüler des Antiochos und berichtet, dass Ariston und Kratippos später Peripatetiker geworden seien, während Dion in der Alten Akademie geblieben sei. So zumindest lautet der stark beschädigte Papyrus-Text unter Berücksichtigung der neuen Lesarten und Ergänzungen von Puglia und Blank: «Obwohl er [sc. Antiochos] viel beschäftigt war, hatte er mehrere Schüler, zu denen meine Freunde Ariston und Dion von Alexandrien und Kratippos von Pergamon gehörten. Ariston und Kratippos wurden, nachdem sie Xenarchos gehört hatten und dazu angeregt worden waren, ihn nachzuahmen, Peripatetiker, während Dion in der Alten Akademie [sc. blieb]» (ἀκουστὰς δὲ καίπερ | ἀσχολούμενος̣ ἔσχε πλεί|ους καὶ δὴ καὶ συ̣ νήθεις ̣ ἡ|μῶν Ἀρίστωνά τε καὶ Δίω|να Ἀλεξανδρεῖς καὶ Κρά|τιππον Περγαμηνόν, ὧ ̣[ν | ̣ ̣ ἔ[σχον], Ἀρίστων [μὲν] καὶ Κράτ[ιπ|πος, ἐπ[̣ εὶ Ξε]νά[ρχου δια]|κούσαντε̣ ̣[ς] ζ ῆλον ἐγένοντο̣ ̣ | Περιπατ̣ η̣ [̣ τι|κοί, Δ[ί]ων̣ ̣ δὲ τῆς ἀρ[χ]αία[ς ̣ Ἀ|καδη ̣μείας: PHerc 1021 col. XXXV ll. 5–16, vgl. Puglia 1998 [*127] und 2000 [*132], Blank 2007 [*142], Sharples 2010 [*43: 1E], Sedley 2012 [*156: 335f., Appendix T3]. Im Vergleich zur Ausgabe von Dorandi 1991 [*115] sind zwei Textänderungen für die Rekonstruktion der Geschichte der peripatetischen Schule im 1. Jahrhundert v. Chr. von besonderer Bedeutung: Die Ergänzung des Namens des Peripatetikers Xenarchos durch Puglia in Zeile 12 und Blanks Ersatz der zuvor allgemein akzeptierten Lesart Büchelers ἀ[ποστα]τήσα[ντες in Zeile 15 durch Δ[ί]ων δὲ τῆς ἀρ[χ]αία[ς. Nach Büchelers Lesart wären Kratippos und Ariston klassische Beispiele für einen Wechsel der ‘philosophischen Gefolgschaft’, was natürlich Spekulationen über die Gründe für den Abfall von der Akademie hervorrief (vgl. Moraux 1973 [*23: 225f.]). Die neu vorgeschlagenen Lesarten normalisieren jedoch den Fall: Nachdem sie bei hervorragenden Philosophen verschiedener Schulen studiert hatten, entschieden sie sich bewusst für eine Schulrichtung und wurden Peripatetiker. Bemerkenswerterweise erwähnt Cicero im ‹Lucullus› diese Entwicklung des Ariston nicht (wobei dies auch durch die Zwänge der literarischen Darstellung oder den Zustand des erhaltenen Texts bedingt sein könnte). Die Studienzeit bei Antiochos müsste vor 68 v. Chr., dessen Todesjahr, angesetzt werden. Kratippos’ floruit sind die 40er-Jahre v. Chr. Ein Peripatetiker mit Namen Ariston wird von Strabon als Autor des Buches über die Gründe für die jährliche Nilüberschwemmung erwähnt. Strabon berichtet, dass es zwei Bücher zu diesem Thema gegeben habe, die «in unserer Zeit» von Eudoros und dem Peripatetiker Ariston verfasst worden waren, in Stil und Argumentation sehr ähnlich (wobei sie sich in der Anordnung der Themen unterschieden), und dass Eudoros Ariston des Plagiats beschuldigt habe; Strabon vertrat aber die Ansicht, dass der sprachliche Ausdruck eher jener des Ariston sei (Strab. 17,1,5 = test. 7 Mariotti; vgl. Sharples 2010 [*43: 1H]). Strabons Hinweis gibt uns als sicheren Terminus ante quem 23/24 n. Chr., hilft aber nicht weiter, um eine präzisere Chronologie zu etablieren (da der Ausdruck «in unserer Zeit», καθ’ ἡμᾶς, einen weiten Zeitraum umfasst, vgl. test. 3 Mariotti und Clarke 1997 [*121: 108]). Das Zeugnis erlaubt uns anzunehmen, dass Eudoros und Ariston Zeitgenossen waren, ermöglicht aber keine absolute Datierung. Ein weiterer Hinweis bei Strabon auf einen «Ariston (von Kos), den Schüler und Erben des Peripatetikers», könnte sich auf
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den Aristoteles-Kommentator beziehen, muss aber nicht (Geogr. 14,2,19 = Shar ples 2010 [*43: 1G]; vgl. D. L. 7,164). Das Verhältnis dieses Ariston zu dem bei Strabon erwähnten Autor des Buches über den Nil sowie zu dem von Simplikios und Apuleius zitierten AristotelesKommentator wird in der Forschung unterschiedlich beurteilt (vgl. Nr. 393B bei Caujolle-Zaslawksy, Goulet 1994 [*113: 397]; laut Chiaradonna 2012 [*158] handelt es sich bei allen drei Namensträger um dieselbe Person). 4.1. ‹Kategorien› Die genaue Form von Aristons Kommentar zu den ‹Kategorien› ist nicht bekannt, er erscheint aber in Simplikios’ Aufzählung unter den ‘älteren Kommentatoren’, neben Boethos, Andronikos, Eudoros und Athenodoros (In Cat. 159,32 Kalbfleisch). Wie Boethos widmet Ariston der Kategorie der Relation spezielle Aufmerksamkeit. Simplikios berichtet von einer Aporie zu dem von Aristoteles diskutierten Problem, ob die Regel von der Reziprozität aller Korrelative – der Sklave heißt Sklave eines Herrn, und der Herr ist Herr eines Sklaven – in allen Fällen gilt. Es scheint, dass es Fälle gibt, in denen die Regel nicht stimmt, zum Beispiel kann ‘Flügel’ als Korrelativ zu ‘Vogel’ aufgefasst werden (im Satz ‘Flügel eines Vogels’), ohne dass man natürlicherweise sagen könnte, dass der Vogel ‘eines Flügels’ sei. Aristoteles’ eigene Lösung zu diesem Problem besteht darin, ‘Flügel’ nicht als reziprok zu ‘Vogel’, sondern zu ‘das Geflügelte’ aufzufassen, da nicht nur Vögel Flügel haben können (Cat. 6b28–7a5). Das von Ariston formulierte Problem ist folgendes: Wenn alles Relative relativ heißt, weil es relativ zu einer von ihm getrennten Sache ist, wie zum Beispiel Vater relativ zu Sohn ist, dann wird der Kosmos kein Relatives sein, weil er nichts hat, was von ihm getrennt ist (denn es gibt nichts außerhalb des Kosmos). Und doch muss Kosmos zu den Relativbegriffen gehören: Denn gerade wie der Flügel der Flügel des geflügelten (Geschöpfs) ist, ist es auf gleiche Weise (möglich) «von dem, was im Kosmos ist, als von dem Kosmosartigen [sc. zu sprechen]» (οὕτως καὶ τὸ ἐν κόσμῳ
κοσμωτοῦ) und von dem auf der Erde als von dem «Erdartigen» (γεωτόν) und von dem, was in der Luft ist, als vom «Luftartigen», ἀερωτόν (Simpl. In Cat. 188,31–36 Kalbfleisch = fr. 2 Mariotti). Die Form κοσμωτός ist ein ‘hapax’ im literarischen Corpus (das Auftreten in Anon. In Cat. 35,3 Hayduck ist klar von Ariston abhängig). Die genaue Rolle dieser Aporie in Aristons Darstellung ist nicht klar, aber aus der Diskussion bei Simplikios und dem Anonymus ergibt sich, dass Ariston eine eigene Erklärung für die Reziprozität dieser Korrelative, die nicht voneinander getrennt sind, gegeben hat und dass diese Erklärung die Korrelative nicht im von Aristoteles vorgeschlagenen Ganzes-Teile-Schema sah (‘Flügel’ als Teil des mit eben diesem Teil versehenen ‘Geflügelten’), sondern einen anderen Gebrauch des Musters ‘Flügel’ – ‘geflügelt’ machte (Simpl. In Cat. 188,36–189,11 Kalbfleisch). Simplikios berichtet auch von einer Verbesserung des Ariston für Aristoteles’ zweite Definition des Relativen. Aristoteles hatte formuliert: «Diejenigen Dinge sind relativ, für die es dasselbe ist, zu sein, wie auf gewisse Weise relativ zu etwas zu sein» (ἔστι τὰ πρός τι οἷς τό εἶναι ταὐτόν ἐστι τῷ πρός τι πως ἔχειν: Cat. 7, 8a31f.). Ariston ersetzte im Definiens den Ausdruck «relativ zu etwas zu sein» durch «relativ zu einer anderen Sache zu sein» (τῷ πρὸς ἕτερον πως ἔχειν) und machte die Definition dadurch klarer (Simpl. In Cat. 201,34– 202,5 Kalbfleisch). Boethos und Andronikos hatten dieselbe Änderung vorgeschlagen, aber Simplikios zitiert sie in der Version des Ariston.
4.2. Aristoteles’ Syllogistik Es gibt keinen Beweis für die Existenz eines Kommentars Aristons zu den ‹Analytica priora›, aber ihm wird die Einführung von subalternen Modi in Aristoteles’ Theorie der Syllogismen zugeschrieben. Apuleius von Madaura berichtet in seinem lateinischen Traktat ‹De interpretatione› (für die Zu-
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schreibung vgl. Londey, Johanson 1987 [*111: 11– 19]), dass «Ariston von Alexandrien und einige jüngere Peripatetiker zu den Modi mit einer universellen Konklusion [Lesart: praeter eos universalis illationis] fünf weitere Modi hinzugefügt (drei in der ersten Figur und zwei in der zweiten) und anstelle
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[sc. der universellen Schlussfolgerungen] partikuläre abgeleitet haben» (Apul. De int. 13, 213,5–9 Moreschini = fr. 4 Mariotti; vgl. Sharples 2010 [*43: 13A]). In der zweiten Figur sind die beiden universell schließenden Modi Cesare und Camestres, aus denen sich als subalterne Modi Cesaro bzw. Camestrop ergeben. Die zwei direkt universell schließenden Modi der ersten Figur, sind Barbara und Celarent. Sie ergeben Barbari bzw. Cerlaront. Der indirekte Modus Celantes (abgeleitet von Celarent durch Konversion der E-Konklusion) ergibt als subalternen Modus Celantos. Die Tatsache, dass Ariston in der ersten Figur nicht zwei, sondern drei subalterne Modi anfügt, zeigt, dass ihm die fünf von Theophrast hinzugefügten Modi bekannt sind (fr. 91 FHSG; Theophr. Log. fr. 16–21 Graeser). Moraux 1973 [*23: 189] weist darauf hin, dass Ariston der erste Peripatetiker gewesen sein muss, der für seine Ableitungen die Modi des Theophrast benutzte. Der Kommentar, den Apuleius seinem Bericht über Ariston anfügt: «Wie absurd, weniger zu schließen, wenn es erlaubt ist, mehr zu schließen» (De int. 13, 213,9f. Moreschini = fr. 4 Mariotti), gibt – was auch immer seine Quelle ist – möglicherweise den Grund dafür an, wieso die subalternen Modi in dieser Abhandlung nicht zu den gültigen Modi gezählt wurden: Sie sind vollständig abgeleitet und erhöhen deshalb die Zahl der gültigen Ableitungen nicht wirklich.
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Dem Bericht über die subalternen Modi folgt eine Diskussion der neunzehn gültigen Ableitungsmodi aus den sechzehn möglichen Kombinationen der vier Arten von Prämissen, die Aristoteles anerkannt hatte (universell und partikulär, affirmativ und negativ). Da er bei Aristoteles keinen Hinweis auf sechzehn Kombinationen fand, verbesserte Prantl 1855 [*76: 590 Anm. 23] das Apuleius-Manuskript, indem er statt Aristoteles Ariston las (De int. 14, 213,14 Moreschini) und das ganze Kapitel 14 Ariston zuschrieb. Mariotti 1966 [*71: 17] folgte Prantl und druckte den Text von ‹De interpreta tione› 14, 213,11–215,7 Moreschini als Ariston fr. 4. Moraux 1973 [*23: 190f.] widersprach mit der Begründung, dass die Quelle von Kapitel 14 die von Ariston hinzugefügten subalternen Modi nicht kennt, wobei er annimmt, dass Ariston die subalternen Modi als separate, gültige Ableitungen in das System einbeziehen wollte. Mithilfe des überlieferten Textes lässt sich dies indes nicht belegen. Auch wenn Aristons Beitrag auf die Hinzufügung der subalternen Modi beschränkt ist, zeigt sich darin doch, dass die frühen Aristoteles-Kommentatoren die Werke des Aristoteles und des Theophrast studierten, ihre Ergebnisse systematisierten und in eine Form brachten, die sich zum Unterricht eignete (zum Logikunterricht in dieser Zeit vgl. Huby 2004 [*138]).
4.3. Dubia Marius Victorinus zitiert in seiner ‹Ars grammatica› zwei Definitionen eines Ariston, und zwar für ‘Kunst’ (ars) und die Wissenschaft ‘Grammatik’ (scientia grammatice). Ars wird definiert als «System von Wahrnehmungen und Übungen, die sich auf ein Ziel des Lebens beziehen, d. h. im Allgemeinen alles, das unsere Seelen durch bestimmte Vorschriften zu unserem Nutzen formt» (Mar. Victorin. Gramm. 1, VI,3,7–10 Keil). Diese Definition hat viele Parallelen zu stoischen Definitionen der τέχνη (vgl. Chrysipp, SVF II,23,21f.; 30,25. 30,29f. 208,41). Grammatik wird definiert als «Wissenschaft, um Dichter und Historiker zu verstehen, sie richtet vor allem die Sprechweise auf Vernunft und Gewohnheit aus» («grammatice est scientia poetas et historicos intellegere, formam praecipue loquendi ad rationem et consuetudinem dirigens»: Mar. Victorin. Gramm. 1, VI,4,7–9 Keil). Dass sich
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der Autor dieser Definition auf Vernunft und Gewohnheit bezieht, zeigt, dass er sowohl die Prinzipien der Analogisten als auch der Anomalisten akzeptiert, und Mariotti 1966 [*71] vertritt die Ansicht, dass eine Zuschreibung an Ariston von Alexandrien aus diesem Grund wahrscheinlicher ist, da die Versöhnung dieser beiden Ansätze kaum vor dem 1. Jahrhundert v. Chr. hätte stattfinden können. «In diesem Jahrhundert ist die peripatetische, aber stoisierende Schule des Andronikos das bestgeeignete Milieu, um den alexandrinischen Analogismus und den Anomalismus aus Pergamon zu verbinden» (Mariotti 1966 [*71: 75–91]). Moraux 1973 [*23: 192f.] hat Bedenken gegenüber der Zuschreibung und den beiden Hauptgründen, die Mariotti für diese anführt, gibt aber zu, dass die Möglichkeit nicht vollständig ausgeschlossen werden kann.
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5. Kratippos von Pergamon Verglichen mit anderen Philosophen seiner Zeit ist das Leben des Kratippos von Pergamon sehr gut dokumentiert. Offenbar liegen durch das Grabmonument in Pergamon sogar inschriftliche Belege für sein Leben und das Schicksal seiner Kinder und Enkel vor (vgl. O’Brien-Moore 1942 [*85], Habicht 1969 [*93: 164f.]). Kratippos wird von Philodem im ‹Index Academicorum› (PHerc. 1021, col. XXXV,5–16 = Sharples 2010 [*43: 1E]) zusammen mit Ariston von Alexandrien als Schüler des Antiochos erwähnt, der in der Folge Peripatetiker wurde, weil er von einem anderen Lehrer, möglicherweise Xenarchos, inspiriert worden war (aber vgl. Falcon 2016 [*164] für Xenarchos). Der Unterricht muss vor Antiochos’ Tod (ca. 68 v. Chr.) stattgefunden haben. Im Gegensatz zu Philodem erwähnt Cicero Kratippos’ Unterricht bei Antiochos nicht. Cicero traf Kratippos 51 v. Chr. (Cic. Tim. 1f. = Sharples 2010 [*43: 1J, wobei «from Mytilene» zu lesen ist]). Als Pompeius nach der Niederlage bei Pharsalos (am 9. August 48 v. Chr.) auf seiner Flucht mit einem Schiff im Hafen von Mytilene einen kurzen Halt machte, kam laut Plutarch unter anderen Kratippos zum Hafen, um ihn zu sehen: Die beiden Männer sprachen über die Vorsehung, wobei Kratippos sich zuvorkommend benahm, starke Vorwürfe vermied und versuchte, seinem Gesprächspartner Hoffnung zu machen. Trotzdem konnte Kratippos, wie Plutarch bemerkt, einige gültige Argumente gegen Pompeius vorbringen, um die Vorsehung unter den gegebenen Umständen zu verteidigen (Plut. Pomp. 75). 46 v. Chr. besuchte Brutus Marcellus in dessen Exil in Mytilene und erwähnt in seinem Buch ‹De virtute›, dass Marcellus von der gebildeten Gesellschaft des Kratippos profitiere (Cic. Brut. 250), der bald darauf nach Athen ging. Plutarch liefert den Beweis dafür, dass er sich in Athen niedergelassen hatte, wenn er Ciceros großzügige Unterstützung für ausgewählte Intellektuelle seiner Zeit lobt (Plut. Cic. 24,5). Aus dem epigraphischen Material lässt sich ersehen, dass Kratippos den Namen Ciceros, Marcus Tullius, als römischen Namen annahm, der in seiner Familie über mehrere Generationen weitergegeben wurde (zu diesem Brauch vgl. O’Brien-Moore 1942 [*85]). Kratippos lehrte mindestens seit dem Ende des Jahres 45 v. Chr. in Athen, da Cicero Ende 44 v. Chr in der Widmung von ‹De officiis› an seinen Sohn Marcus erwähnt, dass dieser ein Jahr bei Kratippos in Athen studiert hatte (Cic. Off. 1,1f. = Sharples 2010 [*43: 1K]). Aus einem Brief des Trebonius, der vom Plan einer Asienreise mit Marcus Cicero Junior und Kratippos handelt (Cic. Fam. 12,16,2), schließt Moraux 1973 [*23: 226–227] mit Recht, dass Kratippos in Athen nicht den Rang eines Schuloberhaupts gehabt haben konnte, auch wenn es eine solche Position gegeben hätte. Im August 44 v. Chr. preist Cicero Junior Kratippos, in dessen Gesellschaft er die meiste Zeit verbringe, in einem Brief an Tiro aus Athen und gibt so einen Eindruck von Kratippos’ Rolle als Tutor für den Sohn einer prominenten öffentlichen Figur: «Wisse, dass ich dem Kratippos nicht wie ein Schüler, sondern wie ein Sohn äußerst verbunden bin» («Cratippo me scito non ut discipulum sed ut filium esse coniunctissimum»: Cic. Fam. 16,21,3–5). Im Herbst desselben Jahres kam Brutus nach Athen, um für die republikanische Sache um politische Unterstützung zu werben. Er hörte Vorlesungen des Akademikers
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Theomnestos und des Peripatetikers Kratippos (Plut. Brut. 24,1). Möglicherweise saß auch der junge Horaz, der von Brutus rekrutiert wurde, in derselben Klasse (vgl. Stenuit 1979 [*98]). In diesen Zeugnissen erscheint Kratippos als populärer Lehrer, der Verbindungen zu ausgesuchten öffentlichen Personen unterhielt (Cicero, Pompeius, Marcellus, Trebonius, Brutus). Seine Stellung innerhalb der peripatetischen Schule seiner Zeit ist unklar. Cicero spricht von ihm als «in meinem Urteil der Hauptvertreter aller Peripatetiker, die ich gehört habe» (Tim. 2), vom «Führer der Philosophen der Gegenwart» (Off. 3,5) – Lobesworte, die in unseren Quellen von Brutus, Trebonius und Marcus Cicero Junior, die zum Zielpublikum gehörten, bestätigt werden. Aber die Vergleichsbasis ist wohl absichtlich vage gehalten («alle Peripatetiker, die ich gehört habe» ist nicht dasselbe wie «die Philosophen der Gegenwart»). 5.1. Verstand und Weissagung Die meisten Belege für Kratippos’ philosophische Ansichten haben mit Theorien des menschlichen Geistes und der Weissagung zu tun. Tertullian nimmt Kratippos in die Liste jener Schriftsteller auf, die prophetische Träume sammelten und interpretierten (‹De anima› 46,10). Unsere informativste Quelle ist Ciceros ‹De divinatione›, wo Kratippos zehnmal namentlich erwähnt wird. Cicero zufolge akzeptierte Kratippos – wie Dikaiarch vor ihm – natürliche Weissagung durch Träume und prophetischen Wahnsinn, verwarf aber alle anderen Arten (Cic. Div. 1,5 = Sharples 2010 [*43: 27F], vgl. Dikaiarchos fr. 31A Mirhady). In Ciceros Dialog liegt die peripatetische Position zwischen derjenigen der Stoiker, die sowohl natürliche Weissagung als auch Weissagung als Kunst akzeptierten, und der akademischen Ablehnung jeglicher Weissagung. Cicero berichtet, dass Kratippos beide Arten der natürlichen Weissagung unter Hinweis auf dieselbe natürliche Charakteristik des menschlichen Geistes erklärte: «Der menschliche Geist kommt zu einem gewissen Teil von außerhalb unser selbst und ist von dorther abgeleitet (damit ist gemeint, dass es einen göttlichen Geist außerhalb gibt, von dem der menschliche abgeleitet wird). Derjenige Teil des menschlichen Geistes, zu dem Sinneswahrnehmung, Bewegung und Antrieb gehören, ist von den Handlungen des Körpers nicht getrennt, derjenige Teil des Geistes, der Anteil am Verstand und der Intelligenz hat, ist hingegen am stärksten, wenn er möglichst weit vom Körper entfernt ist (cum plurimum absit a corpore)» (Cic. Div. 1,70f. = Sharples 2010 [*43: 27C(1f.)]). Die genaue Bedeutung von «entfernt sein vom Körper» («a corpore abesse») ist umstritten. Fasst man den Ausdruck als örtliche Trennung auf, führt
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das zu einer Bestimmung von Kratippos’ Position als dualistisch (vgl. van der Eijk 1994 [*119: 60 Anm. 43]). Für eine solche Interpretation spricht, dass sie mit der Lesart im Text von Philodems’ ‹Index Academicorum› (PHerc. 1021, col. XXXV,15f.) übereinstimmen würde, der zufolge Antiochos’ Schüler Kratippos und Ariston die Akademie verließen (Buecheler 1869 [*77], Dorandi 1991 [*115]). Die dualistische Position in Bezug auf den Geist könnte dann als Rest der akademischen Ausbildung des Kratippos erklärt werden. Bei einer solchen Interpretation scheint aber die Konsistenz von Ciceros’ doxographischem Bericht problematisch, weil dieselbe Position auch Dikaiarch von Messene zugeschrieben wird (an drei von zehn Stellen, an denen Kratippos namentlich zitiert wird, ist auch Dikaiarch genannt, vgl. Div. 1,5; 1,113; 2,100). Über Dikaiarch berichten Cicero und andere Quellen unmissverständlich, dass er die Seele für nichts hielt und alle Funktionen der menschlichen Seele einer gewissen Kraft zuteilte, die «über den ganzen lebendigen Körper gleichmäßig verteilt» und «untrennbar vom Körper» ist, «weil sie für sich selbst genommen nichts ist und weil es außer dem Körper nichts gibt, nur ihn allein und einfach, der so geformt ist, dass er durch eine natürliche Mischung Stärke und Gefühle erhält» («nec sit quicquam nisi corpus unum et simplex, ita figuratum ut temperatione naturae vigeat et sentiat»: Cic. Tusc. 1,21 = Dikaiarchos fr. 19 Mirhady; vgl. ibid. fr. 13–32). Die Ausführungen, die zu Kratippos’ Position bei Cicero erhalten sind, legen deshalb eine andere Interpretation nahe, nach der «entfernt sein vom Körper» für den Geist bedeutet, dass er sich nicht mit den Bedürfnissen des Körpers beschäf-
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tigt: «Der menschliche Geist weissagt niemals natürlich, außer wenn er losgelöst ist und leer, so dass er mit dem Körper absolut nichts zu tun hat; dies geschieht aber nur den Sehern oder den Schlafenden. Deshalb stimmt Dikaiarch diesen beiden Arten [sc. der natürlichen Weissagung] zu, und ebenso, wie gesagt, unser Kratippos» (Div. 1,113 = Sharples 2010 [*43: 27D]; für diese Interpretation Glucker 1999 [*128], Sharples 2001 [*134], vgl. Sharples 2010 [*43]). Offen bleibt die Frage nach der Quelle für die Kraft des Vorhersehens. Moraux 1973 [*23: 237– 241] untersuchte die aristotelischen Texte, auf die sich Kratippos beziehen könnte: ‹Parva naturalia› (‹De somno›, ‹De divinatione per somnum› und ‹De insomniis›) und die ‹Eudemische Ethik›. Er kam zum Schluss, dass keiner dieser Texte als Grundlage für Kratippos’ Darstellung herangezogen werden kann, da für Aristoteles in allen drei Texten die Seele weissagt, wenn ihre rationale Kraft vermindert ist, während für Kratippos das Voraussehen bei der natürlichen Weissagung eine Manifestation von rationaler Stärke ist. Sharples 2010 [*43] macht darauf aufmerksam, dass Aristoteles in ‹De philosophia› fr. 10 Ross davon spricht, dass bei der Weissagung die rationale Kraft der Seele aktiv ist (auf ‹De philosophia› als möglicher Hintergrund für Kratippos ist schon früh hingewiesen worden).
Cicero bespricht Kratippos’ Argumentation für die Weissagung anhand einer Analogie mit körperlichen kognitiven Funktionen. Nach Kratippos verhält es sich mit der Weissagung wie mit den Augen, die manchmal schlechter sehen, was nichts daran ändert, dass Sehen ihre natürliche Funktion ist: Obwohl die Fähigkeit zur Weissagung bei den Menschen meistens versagt, genügt es, wenn sie mindestens einmal gelingt, um sie als existent zu erweisen (Cic. Div. 1,113 = Sharples 2010 [*43: 27D]). Cicero kritisiert dieses Argument und betont, dass es unaristotelisch sei. Insgesamt scheint sich Kratippos auf die exoterischen Werke des Aristoteles zu stützen und möglicherweise auch auf einige Tendenzen der hellenistischen Schulen (es lohnt sich, seine Theorie des Intellekts mit der ‘dualistischen’ Definition der Seele bei Xenarchos und der Analyse einer Zweiteilung bei Andronikos zu vergleichen). Keine dieser Theorien kommt einem Dualismus gleich, aber sie enthalten die Tendenz, verschiedenen Teilen der Seele einen unterschiedlichen Status im Hinblick auf den Körper zuzuschreiben. Kratippos’ Lehre vom Geist von außerhalb wurde zu Recht nicht nur mit dem aristotelischen νοῦς θύραθεν (Gen. an. 2,3, 736b28), sondern auch mit der Theorie des Intellekts, die Aristoteles von Mytilene zugeschrieben wird, verglichen (vgl. § 38. unten, Sharples 2010 [*43: 275]).
6. ‹De mundo› Die Abhandlung ‹De mundo› schließt sich in der Anlage an eine exoterische Schrift des Aristoteles an: Sie ist in adhortativem Ton geschrieben und stellt in populärer Form Thesen einer angeblich aristotelischen Lehre vor; dabei richtet sich die Schrift eher an eine weitere Hörerschaft als an die Experten der Schule und stützt sich mehr auf die rhetorische Technik der Überzeugung als auf strenge Argumentation. Die Frage nach Autorschaft und Datierung der Schrift ist äußerst umstritten. 6.1. Autorschaft und Datierung Es besteht Konsens darüber, dass der Terminus ante quem für die Schrift die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. darstellt, da dieser Zeitraum übereinstimmend als ungefähre Abfassungszeit der lateinischen Übersetzung des Traktats angesehen wird, die Apuleius von Madaura zugeschrieben wird (zum Forschungsstand betreffend Chronologie und Stil dieses lateinischen Texts vgl. Bajoni 1994 [*234: 1789–1792]). Diese Datierung wird gestützt durch Parallelen bei Maximos von Tyros (vgl. Zeller 51923 [*202: 664f.], Lorimer 1933 [*169], Strohm 1952 [*207: 168f.]).
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Einziger klarer Terminus post quem ist Aristoteles. Es gab frühe Versuche, aufgrund von Analysen der im Traktat dargelegten Lehren einen späteren Terminus post quem festzulegen. Die Zeit um 50 v. Chr. wurde vorgeschlagen mit dem Argument, dass Poseidonios die Quelle des stoischen Einflusses sei, der im Text ausgemacht werden kann, wie beispielsweise die Definition des Kosmos aus ‹De mundo› 2, die mit derjenigen des Poseidonios identisch ist (vgl. Zeller 51923 [*202: 664–670], der solchen Einfluss im ganzen Text sah; Capelle 1905 [*198], der die Abhandlung als Ganze für eine Zusammenstellung aus verschiedenen Werken des Poseidonios hielt; Festugière 1949 [*186] und Furley 1955 [*170] beschränkten den stoischen Einfluss auf Kap. 4). Auch ca. 40 v. Chr. wurde erwogen, da man annahm, dass zu dieser Zeit die Ausgabe des Andronikos entstand; die Überlegung war dabei, dass ‹De mundo› ohne Zugang zu den esoterischen Schriften des Aristoteles, der vor Andronikos’ Ausgabe nicht gewährleistet gewesen war, nicht hätte geschrieben werden können (Gottschalk 1987 [*28: 1138]). Beide Argumentationen wurden in der späteren Forschung allerdings als Umkehrschlüsse kritisiert. Reale 1974 [*171], der ‹De mundo› für echt hält, schlug als Terminus ante quem ca. 250 v. Chr. vor, wobei er argumentierte, dass die Parallelen zwischen Chrysipp und ‹De mundo› 2 und 3 zustande kamen, weil Chrysipp aus ‹De mundo› kopierte – und nicht umgekehrt. Bos unterstützte diese Ansicht und führte sie weiter aus (Reale, Bos 1995 [*172]). Außerdem wiesen einige Forscher darauf hin, dass sich die festgestellten stoischen Einflüsse natürlicher durch das Material aus Theophrasts meteorologischen Schriften erklären lässt, das zum ersten Mal 1918 von Bergsträsser publiziert wurde. Barnes 1977 [*216: 41f.] akzeptierte Reales Argument für das frühe ‘ante quem’-Datum, teilte aber aus linguistischen und stilistischen Gründen dessen Ansicht nicht, dass die Schrift von Aristoteles selbst verfasst sei, und wies darauf hin, dass eine dementsprechende Analyse in Reales Werk fehle. Er erstellte eine vorläufige Liste mit Ausdrücken und Konstruktionen, die ihm für Aristoteles untypisch erschienen, und forderte ein weiteres Studium der Liste, bevor man im Hinblick auf die Autorschaft zu plausiblen Schlüssen kommen könne. Schenkeveld 1991 [*228: 252f.] studierte Sprache und Stil der Abhandlung, verglich sie mit dem überlieferten ‹Corpus Aristotelicum›, mit der ‹Verfassung der Athener›, anderen Autoren des 4. Jahrhunderts v. Chr. (Platon, Xenophon), mit hellenis tischen und späteren Autoren und kam zum Schluss, dass es kein Argument für eine Autorschaft des Aristoteles gebe (einige Eigenheiten von Sprache und Stil könnten sogar dagegen sprechen), für die Datierung hingegen unterstützte er den Vorschlag von Reale und Barnes: Der Traktat sei wahrscheinlich eher in der ersten Hälfte der hellenistischen Zeit (zwischen 322 und 250 v. Chr.) als in der zweiten verfasst worden. Schenkeveld betonte, dass seine Analyse rein linguistisch und stilistisch ist, ohne auf die inhaltlichen Aspekte der Frage Bezug zu nehmen (für eine Datierung ins 2. Jh. v. Chr. aus linguistischen Gründen vgl. auch Boot 1981 [*219]). Aufgrund von Übereinstimmungen zwischen ‹De mundo› und der Philosophie des Aristobulos (Unsichtbarkeit Gottes, Erkennbarkeit Gottes durch den Geist und aus seinen Werken in der Natur usw.) schließen Riedweg 1993 [*232: 105f.] und Radice 1994 [*235], dass Aristobulos die Schrift ‹De mundo›
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bereits vorgelegen hat, woraus sich die Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. als Terminus ante quem ergibt. Maguire 1939 [*205] brachte platonische und neu-pythagoreische Quellen ins Spiel, Strohm 1952 [*207], 1970 [*189] und 1987 [*221] den post-aristotelischen Peripatos. Moraux 1984 [*220: 47f.] kommt in seiner detaillierten Untersuchung der Frage zum Schluss, dass der Autor ein Peripatetiker sei mit Anleihen beim Platonismus, die für das Konzept von Gott als Schöpfer und Wohltäter des Kosmos wichtig sind, eine Rolle, die sich in Aristoteles’ Theologie in ‹Metaphysik› 12 nicht findet. Es könnte sein, dass dadurch dem eleganten Stil der Abhandlung («flumen orationis aureum») zu viel Gewicht beigemessen wird: Die genaue Natur des göttlichen Handelns wird eher in üppigen Gleichnissen als in technischen Ausdrücken erklärt. Die Meinungen zur Autorschaft der Abhandlung waren schon in der Antike geteilt. Apuleius, der Autor der lateinischen Übersetzung, sagt, der Text könne sowohl von Aristoteles als auch von Theophrast stammen («quare nos Aristotelen prudentissimum et doctissimum philosophorum et Theophrastum auctorem secuti»: 147,25f. Moreschini). Proklos signalisiert im 5. Jahrhundert vorsichtige Zweifel an der aristotelischen Autorschaft, wenn er auf die Lehren des Traktats verweist (εἴπερ ἐκείνου τὸ Περὶ κόσμου βιβλίον: In Tim. III,272,21 Diehl). Im 6. Jahrhundert zitiert Johannes Philoponos das Werk hingegen ohne Zögern als aristotelisch (Aet. mund. 174,26 und 179,24 Rabe) und auch in allen drei arabischen Übersetzungen des Mittelalters gilt das Werk als aristotelisch (vgl. Raven 2003 [*241]). Maimonides verwirft am Ende des 12. Jahrhunderts in einem Brief an Samuel b. Tibbon vom 30. September 1199 die Echtheit entschieden (vgl. Stern 1965 [*212: 392f.]). Im 16. Jahrhundert wurde das Werk sowohl von Erasmus als auch von Melanchthon athetiert. Im 17. Jahrhundert gab es die ganze Spannbreite von Meinungen: Von detailliert argumentierter Verwerfung der Echtheit (Scaliger, Heinsius) zu ebenso starker Verteidigung, wie auch die Mittelposition, der zufolge die Abhandlung, wenn sie nicht von Aristoteles selbst stamme, doch aus seinem Umfeld kommen müsse (für Einzelheiten vgl. Kraye 1990 [*226], Kraye in Thom 2014 [*190: 181–197]). Heute sind Reale und Bos 1995 [*172] die bekanntesten Verfechter der Echtheits-These. Die meisten modernen Forscher hingegen halten das Werk für eine literarische Fälschung aus dem Hellenismus oder der Kaiserzeit. Aus dem 19. Jahrhundert stammen einige Vorschläge für mögliche Autoren: Chrysipp, Poseidonios, Nikolaos von Damaskus (für eine Zusammenfassung vgl. Zeller 51923 [*202], Reale, Bos 1995 [*172]). Im 20. Jahrhundert verschob sich nach den Werken von Reinhardt, der dem Pan-Poseidonianismus ein Ende setzte (vgl. Reinhardt 1921 [*201] und 1953 [*208]), und – nicht weniger wichtig – nach der Entdeckung der Fragmente und anschließend des vollständigen Texts von Theophrasts’ ‹Meteorologie› (Bergsträsser 1918 [*200], Daiber 1992 [*229]) der Schwerpunkt von der Suche nach einem individuellen Autor zu einer genaueren Erforschung des dok trinalen Hintergrunds der in der Abhandlung vertretenen Ansichten.
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6.2. Struktur und Hintergrund Die Abhandlung besteht aus sieben Kapiteln, die drei thematische Abschnitte bilden: einen protreptischen (1), einen kosmologischen (2–4) und einen theologischen (5–7). Das erste Kapitel hat die Form einer Widmung an Alexander, «den besten aller Fürsten» (ἡγεμόνων ἀρίστῳ: 1, 391b6), der aufgefordert wird, mit Hilfe der Philosophie über alle Dinge zu «theologisieren» (θεολογῶμεν: 1, 391b4), was allein einen Menschen befähigen könne, die gesamte Welt zu betrachten und die Wahrheiten, die sich in ihr befinden, zu entdecken. Der Autor meint vermutlich Alexander von Makedonien (dagegen Bernays 1885 [*195], der die Ansicht vertrat, der Widmungsträger des Werks, das er Nikolaos von Damaskus zuschrieb, sei Tiberius Iulius Alexander, der Prokurator von Judäa und Präfekt von Ägypten). Dem Autor zufolge ermöglicht es die Philosophie der Seele, sich von der niederen Welt zu lösen und zu den Höhen des Wissens aufzusteigen: Dies wurde als ein Bekenntnis zum Seele-Körper-Dualismus in der Art von Platon aufgefasst, ist aber wohl nicht mehr als ein rhetorischer Kunstgriff. 6.3. Kosmologie Der kosmologische Abschnitt hat klare thematische Einschnitte. Kapitel 2 und der Beginn von Kapitel 3 beschreiben die elementare Struktur des himmlischen und sublunaren Kosmos. Der Abschnitt beginnt mit zwei Definitionen des Kosmos, von denen die erste, nämlich dass der Kosmos «ein System aus Himmel und Erde sowie den in diesen enthaltenen Elemente sei» (κόσμος μὲν οὖν ἐστι σύστημα ἐξ οὐρανοῦ καὶ γῆς καὶ τῶν ἐν τούτοις περιεχομένων φύσεων), wie bereits erwähnt, mit den Chrysipp (apud Stob. Ecl. 1,21,5, I,184,8–11 Wachsmuth = Areios Didymos fr. 31 Diels) und Poseidonios (D. L. 7,138 = Poseidonios fr. 14 Edelstein-Kidd) zugeschriebenen Definitionen identisch ist. Der Kosmos hat eine Kugelgestalt, mit einer fixen und unbewegten Erde im Zentrum, umrundet vom Himmel, der die obere Grenze darstellt und der sich mit allen daran befestigten Sternen ewig um die zwei fixen Pole dreht: den nördlichen über uns – Arktis genannt – und den südlichen, den wir nicht sehen, die Antarktis. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Termini ‘arktisch’ und ‘antarktisch’ in dieser Bedeutung erst bei Hipparchos (ca. 190–120 v. Chr.) vorkommen (vgl. Furley 1955 [*170] ad loc.). Weiter sagt der Autor: «Wir nennen die Substanz des Himmels und der Sterne Aither» (οὐρανοῦ δὲ καὶ ἄστρων οὐσίαν μὲν αἰθέρα καλοῦμεν: 2, 392a5). Und er leitet das Wort ‘αἰθήρ’ etymologisch von ἀεὶ θεῖν («immer in Bewegung sein») ab, wobei er diese, von ihm gebilligte Ableitung mit der Ableitung aus «brennen» (αἴθεσθαι) vergleicht, die sich an der vermeintlich feurigen Natur des Himmelskörpers orientiert. Bei diesen etymologischen Ausführungen folgt der Autor Aristoteles (vgl. Cael. 270b22), und der Gebrauch der ersten Person Plural ist wahrscheinlich als Hinweis auf die peripatetische Schule gemeint. Der Autor führt aus, dass es sich dabei um «ein von den vier Elementen verschiedenes, reines und göttliches Element» handle (2, 392a8f.).
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Die Fixsterne werden unterschieden von den sieben Planeten, von denen es heißt, dass sie sich in ebenso vielen, d. h. sieben, Kreisen bewegen (2, 392a19f.). Die Idee, dass der Bewegung eines jeden Planeten ein eigener Kreis entspricht, scheint zu ‹Metaphysik› 12,8 in Widerspruch zu stehen; es ist allerdings nicht unmöglich, dass sich der Autor auf die sichtbare Bewegung bezieht und nicht auf die theoretische Erklärung. Bemerkenswert ist, dass jeder Planet ein Namenspaar hat, einen (in einigen Fällen auch zwei) Namen, der mit der griechischen Mythologie im Zusammenhang steht (Saturn – Κρόνος; Jupiter – Ζεύς; Mars – Ἄρης/Ἡρακλῆς; Merkur – Ἑρμῆς/Ἀπόλλων; Venus – Ἀφροδίτη), und einen auf der Basis der physischen Erscheinung des jeweiligen ‘Sterns’ (z. B. Φαίνων, «der Helle»; Φαέθων, «der Glänzende»; Πυρόεις, «der Feurige»; Στίλβων, «der Glitzernde»; Φώσφορος, «der Lichtbringende»). Beide Arten von Namen kommen im überlieferten ‹Corpus Aristotelicum› nicht vor (vgl. die Diskussion bei Cumont 1935 [*204] für eine mögliche Chronologie dieser Namensgebung). Die elementare Schichtstruktur des sublunaren Kosmos wird vom Verfasser im Großen und Ganzen Aristoteles’ Darstellung in ‹Meteorologica› 1–3 folgend beschrieben. Die obere elementare Schicht ist feurig, und der Autor zählt eine Reihe von Feuer-Phänomenen auf, die in dieser oberen Schicht ihren Anfang nehmen: «Meteore» (obwohl das Wort σέλας von Aristoteles für Meteore nicht gebraucht wird), «Flammen» (φλόγες), «Balken/Strahlen» (δοκίδες, auch eine spätere Ableitung), «Gruben» (βόθυνοι, ein Polarlicht-Phänomen) und «Kometen» (κομῆται). Unser Autor lässt die Milchstraße aus, die von Aristoteles in ‹Meteorologica› 1,8 ausführlich behandelt wird (es gibt auch Hinweise – allerdings nicht sehr klare – auf Abweichungen von Aristoteles’ Theorie der Milchstraße bei Theophrast, vgl. fr. 166f. FHSG). Indem er sich der nächsten Schicht unterhalb der feurigen zuwendet, beschreibt der Autor die Luft als «von Natur aus dunkel und eisig» (ζοφώδης ὢν καὶ παγετώδης τὴν φύσιν: 392b6), was oft als Hinweis auf einen stoischen Ursprung der Abhandlung gesehen wurde (Maguire 1939 [*205: 166], vgl. noch Moraux 1984 [*220: 15]). Aber die Idee, dass Luft von Natur aus kalt ist, könnte auch von Theophrast ausgegangen sein (‹De igne› 26), der sich seinerseits wahrscheinlich auf Aristoteles’ Diskussionen der Eigenschaften von mittlerer Luft stützte (Meteor. 1,4, 341b35–36; vgl. Strohm 1970 [189], Daiber 1992 [229]). 6.4. Geographie Kapitel 3 beginnt mit einer Beschreibung von Erde und Wasser an deren ‘natürlichen Plätzen’, im Zentrum des Kosmos, wo sie den zentralen Körper einhüllen. Diese Beschreibung geht über in einen geographischen Überblick über den bewohnten Teil der Erde, die als eine rundum vom Atlantischen Ozean umflutete Insel dargestellt wird. Die Geographie in ‹De mundo› enthält einige post-aristotelische Elemente (siehe auch Burri in Thom 2014 [*190: 89–106]). Der Hinweis des Autors auf die Insel Taprobane (Sri Lanka; 3, 393b14f.), welche die Griechen während Alexanders Feldzug entdeckten, und die Schätzung, dass ihre Größe etwa derjenigen der britischen Inseln entspricht, zeigen, dass er mit den vorhandenen griechischen Schriften zu diesem Thema vertraut war, in denen sich ähnlich
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übertriebene Schätzungen und ähnlich falsche Informationen zur Ausrichtung der Insel finden (vgl. Belege bei Moraux 1984 [*220: 17]). Eine andere Abweichung von Aristoteles betrifft die Angaben zum Kaspischen Meer: Für Aristoteles ist es ein Binnenmeer (Meteor. 2,1, 354a2–5), während es der Autor von ‹De mundo› als Ozeansgolf bezeichnet (3, 393b5–7). Weiter ist keine Darstellung des Aristoteles zu den Grenzen zwischen Europa und Asien überliefert, während in ‹De mundo› zwei aktuelle Theorien diskutiert werden, nämlich dass die Grenze entweder durch einen sehr schmalen Isthmos zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer oder durch den Fluss Tanaïs (Don) gebildet wird (3, 395b21–24). Cataudella 2003 [*240] vertrat die Ansicht, dass die erste der beiden Theorien eine den späteren Autoren sehr vertraute propagandistische Erfindung des makedonischen Königshofs sei (beide Theorien werden von Eratosthenes erwogen bei Strab. 1,4,7 [65c]), die hauptsächlich darauf abzielt, die Grenzen Europas weiter ostwärts zu ‘verschieben’ und den Maiotis-See (das Asowsche Meer) mit dem Kaspischen Meer zu verbinden, um diese beiden zu den Nordostgrenzen der Welt zu machen und so Alexanders Eroberung der Welt zu ‘vervollständigen’. Damit ergäbe sich als präziserer Terminus post quem für die Abhandlung das Zeitalter Alexanders. 6.5. Meteorologie Kapitel 4 enthält eine Zusammenfassung von Aristoteles’ ‹Meteorologie›. Der Autor stellt die Theorie von zwei Ausdünstungen dar – einer trockenen und einer feuchten – und beschreibt die von beiden verursachten Phänomene, wobei er verschiedene Definitionen auflistet, ohne detaillierte Erklärungen zu geben. Lange nahm man an, dass auch dieses Kapitel auf verlorenen meteorologischen Werken aus dem Kreis von Poseidonios beruht. Theiler druckte den gesamten Text dieses Kapitels als Fragment I,255–264 seiner Poseidonios-Ausgabe und vertrat die Ansicht, die Quelle des Kapitels sei Poseidonios’ ‹Grundriss der Meteorologie› (Μετεωρολογικὴ στοιχείωσις: II,255). Dieses Argument wurde ausführlich von Strohm 1987 [*221] widerlegt, der zeigte, dass die Quelle aller Elemente des Texts, die Theiler als poseidonisch bezeichnet hatte, vielmehr die peripatetische Meteorologie war, wie sie zum Beispiel in den Werken von Theophrast entwickelt war, die durch die arabische Tradition wiederentdeckt wurden (für detailliertere Belege vgl. Strohm 1970 [*189], für Werke des Theophrast, die syrisch und arabisch wiederentdeckt wurden, Bergsträsser 1918 [*200], Drossaart Lulofs 1955 [*209], Steinmetz 1964 [*290] und Daiber 1992 [*229]). 6.6. Unzerstörbarkeit des Kosmos Kapitel 5 ist der Lehre von der Unzerstörbarkeit des Kosmos gewidmet. Die Schwierigkeit, die mit dieser Theorie gelöst werden soll, hat damit zu tun, dass der Kosmos sich scheinbar aus Gegensätzen zusammensetzt, die sich gegenseitig zerstören könnten. Der Autor erklärt die Beständigkeit des Kosmos durch die natür liche Harmonie zwischen den Gegensätzen. Kosmische Harmonie und Ordnung werden durch «eine einzige Kraft hervorgebracht, die alles durchdringt und aus
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nvermischten und verschiedenen Elementen – Luft, Erde, Feuer und Wasser – den u ganzen Kosmos bildet und in einer Oberflächenkugel umfasst, dabei zwingt sie die gegensätzlichsten Naturen im Kosmos, sich miteinander zu arrangieren, und bewerkstelligt so die Bewahrung des Ganzen» (5, 396b28–34). Der Grund für die Erhaltung des Kosmos liegt in der «Übereinstimmung der Elemente» (ἡ τῶν στοιχείων ὁμολογία), die durch den «gleichen Anteil» (ἡ ἰσομοιρία) der Elemente erklärt wird, d. h. durch das Prinzip, dem gemäß keines der gegensätzlichen Elemente im Kosmos über ein anderes die Oberhand gewinnen kann (5, 396b34–397a1). Das Lob des Kosmos des Autors von ‹De mundo› (der Kosmos ist allen seinen Teilen und Aspekten überlegen, er ist gleichbedeutend mit Ordnung, seine Größe ist unübertroffen, seine Bewegung ist die schnellste, sein Licht das hellste, seine Kraft die größte, seine Bewegungen legen die Lebensspannen aller Lebewesen fest, alle Lebewesen haben ihren Atem und ihr Leben vom Kosmos) wurde auf verschiedene antike Quellen zurückgeführt (von Poseidonios zur platonischen und pythagoreischen Tradition), aber, wie Moraux 1984 [*220: 28] zu Recht bemerkt, gibt es keine Hinweise auf den Kosmos als Gott oder höchstes rationales Lebewesen. Der Autor sagt, dass auch die unerwarteten Wechselfälle, die im Kosmos vorkommen (zusammenprallende Winde, Blitzschläge, heftige Stürme) zur Harmonie und Erhaltung des Ganzen beitragen (5, 397a19–24). Er hebt hervor, dass die Naturkatastrophen «zum Wohl der Erde sind und ihr durch alle Zeiten Bestand garantieren» (ταῦτα δὲ πάντα ἔοικεν αὐτῇ πρὸς ἀγαθοῦ γινόμενα τὴν δι’ αἰῶνος σωτηρίαν παρέχειν; die Erdbeben setzen Winde frei, die in ihr zusammengekommen waren, Regenfälle und Winde haben reinigende Wirkung, Feuer macht gefrorene Dinge weich und Frost mildert Flammen [5, 397a30–397b2]). Moraux 1984 [*220: 30–32] vermutet, dass dieses kurze Argument, das auf Aristoteles zurückgeht (Meteor. 1,14, 351a19–b8), eine Anspielung auf anti-teleologische Einwände sein könnte, die in hellenistischer Zeit hauptsächlich durch Werke der epikure ischen Schule aufkamen, und dass der Autor sich möglicherweise auf Argumente von Theophrast stützt (vgl. jetzt fr. 184 FHSG). 6.7. Theologie Das Thema von Kapitel 6, das den Höhepunkt des zu Beginn vorgestellten theologischen Projekts der Abhandlung darstellt, wird als «zusammenhaltende Ursache» (συνεκτικὴ αἰτία) des Kosmos beschrieben (6, 397b9). Dabei handelt es sich um den möglicherweise auf Chrysipp zurückgehenden stoischen Terminus technicus, der dazu dient, eine Trennung zwischen vorausgehenden und eigentlichen Gründen einzuführen: In den Quellen wird der Terminus συνεκτικόν als synonym zu αὐτοτελές (αἴτιον) bezeichnet (Clem. Alex. Strom. 8,9,31–39 = SVF II, fr. 351). Dieser Terminus muss vom Autor benutzt worden sein, um zu betonen, dass der peripatetische Gott dem Kosmos in keiner Weise vorausgeht (wie es beim stoischen Gott der Fall ist), sondern dass er zu denjenigen Ursachen gehört, die gleichzeitig mit dem von ihnen Verursachten präsent sind (ibid.). Der Gebrauch des stoischen Vokabulars sollte deshalb nicht zur Annahme verleiten, der Autor ‘stoisiere’ in seiner Lehre.
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Der Unterschied zur stoischen Theologie wird besonders dort deutlich, wo der Verfasser eine Unterscheidung zwischen dem «Wesen» (οὐσία) Gottes und seiner «unerschöpflichen Kraft» (ἄτρυτος δύναμις) einführt, die ihm Kontrolle über entfernte Dinge, zu denen auch die Dinge in der sublunaren Welt gehören, ermöglicht (6, 397b19f.; vgl. 23; vgl. Vollenweider 2016 [*245: 223ff.]). Gottes Kraft gestaltet alle untergeordneten Prozesse im Kosmos, während sich Gott selbst, «der Bewahrer und Schöpfer aller Dinge im Kosmos» (6, 397b20–22), in einem Gebiet darüber befindet, ohne irgendeiner materiellen Veränderung unterworfen zu sein, auf dem «obersten Gipfel» (ἀκροτάτῃ κορυφῇ) des ganzen Himmels (6, 397b24–27). Seine Kraft wirkt am stärksten auf die Himmelsregion, dann auf die Region darunter und so weiter, bis die von uns bewohnte Welt erreicht ist (6, 397b27–30). Der Autor weist darauf hin, dass diese Theorie eines Gottes, der durch unerschöpfliche Kraft in der ganzen Welt wirkt, selber aber im Himmel wohnt, auf einem der Göttlichkeit viel mehr entsprechenden Konzept von Gott beruht als die Ansicht, nach der Gott alle Arbeit – auch die niedrigste – selbst macht und den Mühen harter Arbeit unterworfen ist wie ein Geschöpf, das für sich selbst arbeitet (6, 397b22f. 398a1–6). Damit spielt der Autor sehr wahrscheinlich auf eine verbreitete Kritik an der stoischen Gottesvorstellung an, der gemäß Gott als aktives Prinzip alle Materie durchdringt (vgl. Thom in Thom 2014 [*190: 107–120]). Das göttliche Handeln im Kosmos wird vom Autor mit dem Persischen Großkönig verglichen, der «selber in Sousa oder Ekbatana lebte, für alle unsichtbar, in einem großartigen Palast», dabei aber dank seiner Macht doch sein ganzes großes Herrschaftsgebiet vom Hellespont bis nach Indien durch zahlreiche Generäle, Satrapen, verschiedene Beamte, Aufseher, Kuriere und Boten kontrollierte (6, 398a6–35). Gott ist jedem irdischen Herrscher allerdings sogar noch überlegen: Während diese wegen ihrer relativen Schwäche «viele helfende Hände» (τῆς πολυχειρίας) benötigen, ist es die göttlichste aller Eigenschaften, alles «mit Leichtigkeit und durch einfache Bewegung» (μετὰ ῥᾳστώνης καὶ ἁπλῆς κινήσεως) zu erledigen (6, 398b13–16). Der Autor erwähnt zum Vergleich die «Maschinisten» (μεγαλότεχνοι) und die «Puppenspieler» (νευροσπάσται), die durch einen einzigen Auslöse-Mechanismus oder durch Ziehen eines einzelnen Fadens viele verschiedene Aktivitäten auslösen (6, 398b16–20). Im Fall des höchsten Gottes muss es sich bei der einfachen Bewegung, mit der er eine Vielfalt von Effekten bewirkt, um das Bewegen der äußersten Himmelssphäre handeln, die ihrerseits Bewegung in der Schicht in ihrer unmittelbaren Nähe produziert usw. Wie Gott diese erste Bewegung hervorbringt, welche die ganze Reihe von Bewegungen auslöst, wird nicht erklärt. Möglicherweise denkt der Verfasser an die Art und Weise, wie der erste unbewegte Beweger in ‹Metaphysik› 12 auf Dinge im Kosmos wirkt, in diesem Fall wird mit dem Ausdruck ‘göttliche Kraft’ auf bekannte Weise auf die Wirkungen dieser ersten Handlung Bezug genommen, deren Basis die ständige und ewige Aktualität des göttlichen Wesens ist. Der Autor erklärt, dass die Verschiedenheit der Wirkungen, die von dieser ‘göttlichen Kraft’ hervorgebracht werden, durch die Eigenschaften der dieser Kraft unterworfenen Dinge bestimmt werden. Als Beispiel nennt er die vier Körper Kugel, Würfel, Zylinder und Kegel, die, wenn sie gleichzeitig von einem erhöhten
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Punkt geworfen werden, alle ihre je eigene Flugbahn haben. Dieses Beispiel wurde als Beweis für eine stoisierende Haltung aufgefasst, aufgrund einer auffälligen Parallele mit Chrysipps Illustration seiner ‘Vereinbarkeits-These’ (apud Cic. Fat. 42f.), der zufolge Schicksal und Freiheit nicht miteinander konkurrieren: Zylinder und Kegel bewegen sich verschieden und der Unterschied hat mit ihrer immanenten Natur zu tun, was für Freiheit spricht. Wie aber Duhot 1990 [*225: 207– 209] gezeigt hat, hat das Beispiel in ‹De mundo› nichts mit Schicksal zu tun. Vielmehr soll es zeigen, wie die göttliche mit der immanenten Kausalität zusammenwirkt, ohne dass die erstere auf die letztere reduziert wird (vgl. Moraux 1984 [*220: 73 Anm. 255]). Der Autor beschreibt kurz und allgemein die Bewegungen der Himmelskörper: Dabei werden keine Details analog zu ‹Metaphysik› 12,8 angeführt, aber die Ordnung der Planeten entspricht wieder derjenigen des Aristoteles, und die Zeitspannen für die Planetenbewegungen (im Hinblick auf den ekliptischen Kreis) stimmen mit den in der aristotelischen Tradition seit Eudoxos bezeugten überein (6, 398b35– 399a11; vgl. Simpl. In Cael. 495,26–29 Heiberg; Lorimer 1925 [*203: 129]). Die These von einem Gott, der alle Dinge in der Welt bewegt, während er selbst unbewegt ist – vergleichbar dem Gesetz einer Stadt –, hat klar aristotelischen Tenor, und die zahlreichen vom Autor angeführten illustrativen Beispiele, die alle viele stoische und platonische Anklänge haben, stärken diese Grundhaltung (über die Analogien in diesem Kapitel siehe Betegh, Gregorić 2014 [*244]). Dass Gott niemals in aristotelischer Terminologie als ‘aktuell’ beschrieben, ja die Unterscheidung zwischen Potentialität und Aktualität nicht einmal gemacht wird, erklärt sich möglicherweise dadurch, dass es sich dabei um eine technische Unterscheidung handelt und wir es mit einer populären Einführung mit protreptischem Ziel zu tun haben. Bemerkenswerter ist hingegen, dass der Autor den höchsten Gott nie als Intellekt beschreibt, was sowohl mit ‹Metaphysik› 12 als auch mit der post-aristotelischen Tradition in Einklang wäre (vgl. Kritolaos fr. 16 Wehrli). Es könnte sein, dass er sich damit bewusst von der immanenten Theologie der Stoiker distanzieren will, in der das aktive rationale Prinzip (λόγος) alle Dinge durchdringt (vgl. Moraux 1984 [*220: 50]). Dieselbe anti-stoische Tendenz zeigt Moraux in der Liste der göttlichen Namen in Kapitel 7 auf, in der alle psychologischen Charakteristika, die in ähnlichen stoischen Listen vorhanden sind, sorgfältig vermieden zu sein scheinen. 6.8. Nachwirkung Die Schrift von der Welt hatte in der Antike eine sehr große Wirkung. Wichtig war vor allem die Unterscheidung zwischen dem Wesen Gottes (seiner οὐσία) und seiner demiurgischen Kraft (seiner δύναμις: 397b19f.): Gott befindet sich zwar außerhalb der Welt, bewirkt aber dank seiner δύναμις Veränderungen in der Welt, indem er die äußerste Himmelssphäre in eine sich von Sphäre zu Sphäre fortsetzende Bewegung bringt. Dieser ‘moderate’ Transzendentismus stand im Gegensatz zum weltimmanenten Gott des stoischen Materialismus, der sich im Hellenismus mehr und mehr durchsetzte (Andolfo 1997 [*238: 119–225]). Der Gedanke,
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dass Gott mit Hilfe seiner δύναμις in der Welt wirkt, verbindet ‹De mundo› mit den jüdisch-alexandrinischen Schriftstellern Aristobulos (vgl. Riedweg 1993 [*232: 89–95], Radice 1994 [*235]) und Philon. Letzterer differenziert dabei noch weiter, indem er zwei Hauptkräfte und mehrere Nebenkräfte unterscheidet (Quaest. Ex. 2,68; Fug. 95), während in ‹De mundo› nur von einer Kraft die Rede ist (zur weiteren Geschichte des Dynamis-Konzepts bis Plotin vgl. Andolfo 1996 [*236]). Ob Parallelen bei den Mittelplatonikern (z. B. Maximos von Tyros, vgl. Pohlenz 1965 [*211: 376 Anm. 1], van Nuffelen 2011 [*243: 122–146], Smith in Thom 2014 [*190: 121–131]) oder Neupythagoreern auf ‹De mundo› zurückgehen oder ob man eher annehmen soll, dass eine gemeinsame Quelle vorlag, ist schwer zu entscheiden und hängt auch davon ab, was für eine Entstehungszeit man für ‹De mundo› annimmt (Moraux 1984 [*220: 77–82]). Der Text kann eine Idee von Inhalt und Ziel der peripatetischen Lehre geben, die einer weiteren Leserschaft in Form eines Protreptikos zugänglich gemacht wurde. In seiner Untersuchung der literarischen Form der Abhandlung beobachtet Moraux 1984 [*220: 57–62] richtig, dass der Autor gekonnt konventionelle Elemente des Protreptikos verwendet, um seine Darstellung des Systems für das Publikum verständlich und unterhaltsam zu gestalten. Auf die besondere literarische Aufgabe könnte das Fehlen von detaillierten Argumenten zurückgeführt werden, doch das in sehr kompakter Form dargelegte System der Welt deckt noch immer weite Teile der peripatetischen Kosmologie ab und zeigt Ähnlichkeiten mit ‹Metaphysik› 12, ‹De caelo›, den ‹Meteorologica› und den Werken Theophrasts. Der Autor ist sich der Unterschiede zwischen seinen eigenen und den stoischen Ansichten bewusst, was ebenfalls einer Tendenz der peripatetischen Schule entspricht. Für Peripatetiker wie Boethos von Sidon, welche die Meinung vertraten, das Studium von Aristoteles’ Werken sei mit der ‹Physik› zu beginnen, könnte dies ein sehr tauglicher Einführungstext gewesen sein. Im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde das Werk durch Apuleius ins Lateinische übertragen. Auch er hebt in seiner Übersetzung den Aspekt des Gottes, der die Welt lenkt, und die Frage nach dessen Transzendenz besonders hervor. Übersetzungen in orientalische Sprachen entstanden im 6. bis 8. Jahrhundert, ins Syrische durch Sergios von Reš‘aynā (vgl. McCollum 2011 [*173]) und ins Armenische durch einen Anonymus (für diese Übersetzungen und die orientalische Überlieferung von ‹De mundo› siehe auch Takahashi in Thom 2014 [*190: 153–167], Daiber in Thom 2014 [*190: 169–180]). Besonders bemerkenswert ist die Hochschätzung der Schrift im Westen seit dem Hochmittelalter. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde sie zweimal, unabhängig von Apuleius’ Version, ins Lateinische übersetzt, einmal von Bartholomäus von Messina und ein zweites Mal in Paris von Nicolaus von Sizilien, einem Mitarbeiter des Robert Grosseteste. Diese Version hat, wie die handschriftliche Überlieferung erweist, sehr große Verbreitung gefunden. Unabhängig von diesen beiden Übersetzungen entstanden jedoch in den Jahren zwischen 1449 und 1538 nicht weniger als sieben neue, drei in handschriftlicher Form und vier bereits in gedruckter Fassung (Rinucius Aretinus [1449], Johannes Argyropulos [ca. 1471], Jakob Sadolet [zwischen 1498 und 1511] sowie Petrus Alcyonius [Venedig 1521], Johannes Genesius Sepulveda [Rom 1523/Paris 1532], Guillaume Budé
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[Paris 1526] und Andreas von Lacuna [Alcalá 1538]; vgl. zum Ganzen Lorimer, Minio-Paluello 1965 [*182]). Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass etwa zur gleichen Zeit der griechische Text in der Editio princeps der Werke des Aristoteles von Aldus Manutius (Venedig 1497) und die lateinische Übertragung des Apuleius in der Editio princeps Romana der Werke des Apuleius (Rom 1469) publiziert wurden und somit allgemein zugänglich waren. Die sieben neuen Übersetzungen signalisieren das einzigartige Interesse, das an ‹De mundo› erwuchs. 3. FRAGEN DER SCHUL- BZW. LEHRKONTINUITÄT
1. Die Kontinuität der peripatetischen Schule in der Kaiserzeit. – 2. Kontinuität der Lehren.
Die Kontinuität der peripatetischen Schule und Lehren bleibt eine der schwierigsten Fragen im Hinblick auf die nachhellenistische und kaiserzeitliche Philosophie. 1. Die Kontinuität der peripatetischen Schule in der Kaiserzeit Die Organisation der Schule im 1. Jahrhundert v. Chr. ist nicht sehr gut dokumentiert. In späten neuplatonischen Kommentaren werden sowohl Andronikos als auch Boethos als ‘elfter Nachfolger’ des Aristoteles bezeichnet (Andronikos bei Ammon. In Int. 5,28 Busse; Elias In Cat. 113,18f.; 117,22f. Busse; Boethos bei Ammon. In An. pr. 31,12 Wallies). Viele Forscher haben vorgeschlagen, die sich überschneidende Nummerierung dadurch zu erklären, dass Ammonios in ‹In Analytica priora› Aristoteles selbst nicht mit in die Zählung einschließt. In diesem Fall wäre Boethos der zwölfte Scholarch. Auch die großzügigste Liste der uns bekannten Abfolge (d. h. einschließlich des zweifelhaften Ariston von Keos und Erymneus) enthält aber nur zehn Scholarchen: Aristoteles – Theophrast – Straton – Lykon – (Ariston von Keos) – Kritolaos – Diodoros von Tyros – (Erymneus) – Andronikos – Boethos, so dass mindestens zwei Namen der von den Neuplatonikern vorausgesetzten Nachfolger fehlen. Weitere Nachfolger sind nicht belegt, und es gibt Gründe anzunehmen, dass es das Lykeion als Schule, wie sie von Aristoteles gegründet und von seinen Nachfolgern weitergeführt worden war, ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. nicht mehr gab. Die Tatsache, dass Cicero, der starke Beziehungen zu einzelnen Philosophen hatte, unter anderem auch zum Peripatetiker Kratippos, den Nachfolger des Aristoteles zu seiner Zeit in Athen niemals erwähnt, könnte darauf hindeuten, dass die Schule nicht mehr existierte. Das heißt indes nicht, dass es keine peripatetischen Schulen und Lehrer mehr gab, könnte aber bedeuten, dass die Schule in Athen ihren früheren Status als ‘die peripatetische Schule par exellence’ verloren
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hatte. Das würde die von Sedley 2003 [*263] als ‘Dezentralisation der Philosophie’ beschriebene Tendenz widerspiegeln. Der Begriff διάδοχος begegnet wieder im Zusammenhang mit Alexander von Aphrodisias, der sich in einer auf einer Statuenbasis in Aphrodisias gefundenen Inschrift als «einen der Diadochen in Athen» (τῶν Ἀθήνησιν διαδόχων) bezeichnet (zur Inschrift vgl. Chaniotis 2004 [*249: 388f.] und 2004 [*250], Sharples 2005 [*252]). In diesem Fall bezieht sich die in der Inschrift erwähnte «Nachfolge» aber nicht auf die Leitung der alten peripatetischen Schule mit ihren auf Aristoteles selbst zurückgehenden Diadochie-Regeln, sondern auf das Innehaben des kaiserlichen Lehrstuhls, der durch Mark Aurel 176 n. Chr. für die vier philosophischen Hauptrichtungen – für die platonische, aristotelische, stoische und epikureische – eingerichtet worden war (Sharples 2005 [*252: 52f.]). Wie Chaniotis 2004 [*249] bemerkt, geht aus dem Text der Inschrift Alexanders Schulzugehörigkeit nicht hervor. Diese ist aber durch seine überlieferten Werke bekannt, da er sich auf die Lehren des Aristoteles als diejenigen bezieht, die er vertritt (De an. 2,4–9; Mixt. 228,5–10), und auf die Schule des Aristoteles als seine eigene (Fat. 164,14–15). Weiter kennen wir aus dem Proömium zu ‹De fato› mit der Widmung an die zwei Kaiser Septimius Severus und Caracalla auch den Zeitpunkt seiner Berufung innerhalb der Zeitspanne der gemeinsamen Herrschaft dieser Kaiser (198–209). 2. Kontinuität der Lehren Den Berichten bei Strabon und Plutarch zufolge besaßen und studierten die älteren Peripatetiker, die auf Theophrast folgten, nicht viele Bücher von Aristoteles und Theophrast und waren deshalb nicht in der Lage, auf «substantielle» oder «systematische» (πραγματικῶς) Weise zu philosophieren, sondern konnten nur «allgemeine Positionen vortragen» (θέσεις ληκυθίζειν: Strab. 13,1,54). Diese vieldiskutierte Unterscheidung (Moraux 1973 [*23: 3–31], jüngst Hahm 2007 [*266], Sharples 2010 [*43], Chiaradonna 2012 [*158]) hat mit dem Stil des Philosophierens zu tun: Im Fall des substantiellen Philosophierens hat der philosophische Diskurs als Grundlage die gelehrte Disziplin (πραγματεία) innerhalb eines systematischen Curriculums, während beim Vortragen allgemeiner Positionen das Fehlen eines solchen systematischen Kontextes die Übung weniger substantiell erscheinen lässt. So gesehen wurde der für seriöse philosophische Studien notwendige systematische Kontext für die Peripatetiker verfügbar, als sie Zugang zu Teilen des ‹Corpus Aristotelicum›, das die sogenannten ‘esoterischen’ oder ‘akroamatischen’ Werke enthielt, bekamen (oder größeres Interesse daran hatten). Diese Entwicklung ist der Grund für den philosophischen Fortschritt der Peripatetiker (und sein Kennzeichen), der mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, in dem der ursprüngliche Peripatos, die von Aristoteles in Athen gegründete Schule, seine Bedeutung als einziges Zentrum des Aristotelismus verlor und durch ein Netzwerk von Schulen und Lehrern mit größerer geographischer Ausdehnung ersetzt wurde. Das Interesse an Aristoteles’ esoterischen Schriften ist nicht nur für die peripatetische Schule charakteristisch: Kommentare zu Aristoteles, besonders zu den
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‹Kategorien›, wurden im 1. Jahrhundert auch von Platonikern und Stoikern verfasst. Unsere Quellen deuten an, dass dieser Prozess der Wiedereinführung der aristotelischen Schriften in der peripatetischen Schule als Rückkehr zum originalen aristotelischen Curriculum gesehen wurde (φιλοσοφεῖν καὶ ἀριστοτελίζειν: Strab. 13,1,54), im Gegensatz zur etwas eklektischeren Ausrichtung des späthellenistischen Peripatos. Die Ansicht, dass der späthellenistische Peripatos in der Geschichte der Schule eine Verfallszeit darstellt, findet sich schon bei Cicero (Fin. 5,13f.) und wird in der modernen Forschung kaum infrage gestellt, wobei diese Ansicht üblicherweise mit der Idee vom 1. Jahrhundert v. Chr. als Periode eines Neustarts der Schule verbunden wird (einige neuere Versuche untersuchen die Frage vom ‘Niedergang der Schule’ allerdings kritischer, vgl. Mejer 2004 [*251]). Mit diesem Neustart beginnt die Kommentartradition, die ihre Vollendung in den Werken der Kommentatoren des späten 2. und frühen 3. Jahrhunderts n. Chr. findet. Es gibt jedoch Gründe dafür, dass die chronologische und inhaltliche Teilung nicht so klar ist, wie es diese Standardansicht glauben macht. Chiaradonna 2012 [*158] warnt zu Recht vor einem allzu vorgreifenden Verständnis der frühen Kaiserzeit in der Schulgeschichte. Die Dezentralisierung und die Entstehung von neuen Zentren philosophischer Aktivität außerhalb von Athen machen es schwierig, von einem einzigen, einheitlichen Muster inhaltlicher Kontinuität zu sprechen, das allen Entwicklungen innerhalb der Schule zugrunde liegt. Stattdessen gibt es sehr unterschiedliche neue Formen der Beschäftigung mit den aristotelischen Texten, der philosophische Kommentar existiert dabei Seite an Seite mit traditionelleren Gattungen von Schultexten, wie beispielsweise Traktaten, in denen oft in einem polemischen oder epideiktischen Kontext ein ausgewähltes Problem behandelt wird. Beim Kommentar handelt es sich um einen Schultext, der Elemente der Schuldiskussionen enthält. Bereits die frühesten erhaltenen Kommentare von Aspasios und Alexander zeigen, dass die Linie für Linie voranschreitende Auslegung des aristotelischen Texts gelegentlich durch einen Exkurs unterbrochen wird, der einer kurzen Diskussion von themenverwandten Schulansichten gewidmet sein kann (oft zurückgehend auf hellenistisches Material) oder der sogar eine MiniAbhandlung eines Problems darstellen kann (ein Beispiel für ersteres ist Aspasios’ kritische Diskussion der von Andronikos und Boethos aufgestellten Definitionen von πάθος: In EN 44,20–45,16 Heylbut; ein Beispiel für letzteres ist die kritische Diskussion von Chrysipps Ansicht, der zufolge «das Unmögliche nicht aus dem Möglichen folgen kann», bei Alexander von Aphrodisias in dessen Kommentar zu An. pr. 177,19–182,19 Wallies). Das intellektuelle Erbe des hellenistischen Peripatos zeigt sich in der ganzen Kaiserzeit in den gemeinsamen Themen der Peripatetiker, die in der post-aristotelischen Zeit aufkamen und sich oft polemisch gegen andere hellenistische Schulen, vor allem die stoische, gelegentlich aber auch gegen die epikureische und akademische, wandten. Im Gebiet der Logik lag das Hauptinteresse im 1. Jahrhundert v. Chr. auf den ‹Kategorien›, und die meisten Autoren der Kaiserzeit verfassten Kommentare zu diesem aristotelischen Werk. Zu Recht wurde dieser Umstand als eine charakteristische Entwicklung innerhalb der Schule bezeichnet (vgl. Reinhardt 2007 [*145],
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Sharples 2007 [*267], 2008 [*242], Griffin 2009 [*422] und 2015 [*39]). Eine solche Aufmerksamkeit scheint der Abhandlung in der hellenistischen Zeit nicht zuteil geworden zu sein, auch wenn antike Quellen Theophrast, Eudemos und Phainias Werke mit dem Titel ‹Kategorien› zuschreiben (Eudemos fr. 7 Wehrli). ‹De interpretatione›, das von Andronikos athetiert worden war, wurde von Herminos, Aspasios und Alexander von Aphrodisias kommentiert. Letzterer formulierte einige seiner Ansichten über Notwendigkeit und Möglichkeit unter anderem ausgehend von Aristoteles’ Diskussion der ‘contingentia futura’ in ‹De interpretatione› 9 (Fat. 10). Es gibt Hinweise darauf, dass die ‹Topik› vor Alexander von Aphrodisias kommentiert worden war, nämlich von Sotion und dem anonymen Kommentator im späten 1. Jahrhundert v. Chr./1. Jahrhundert n. Chr. und von Herminos im 2. Jahrhundert n. Chr. Neben dem erhaltenen Kommentar zu den ‹Analytica priora› von Alexander von Aphrodisias sind auch Kommentare von Boethos, Ariston von Alexandrien, Sosigenes und Herminos zu diesem Werk bezeugt. Das Interesse an diesem Fach des aristotelischen Curriculums besteht sowohl im hellenistischen als auch im nachhellenistischen Peripatos, und es wurden stetige Anstrengungen gemacht, um das aristotelische System zu verbessern, zu vereinfachen und auszuarbeiten. Schon Theophrast und Eudemos unterbreiteten in ihren eigenen Werken viele Vorschläge zur Verbesserung von Aristoteles’ ursprünglicher Theorie der Syllogistik. Im 1. Jahrhundert v. Chr. arbeitet Ariston das aristotelische System der Modi der Syllogismen aus, Boethos kritisiert Aristoteles’ Darstellung der perfekten Figuren und bietet eine Verbesserung, die Peripatetiker des 2. Jahrhunderts (Herminos, Sosigenes und Alexander von Aphrodisias) arbeiten am Problem der Modalität einer Konklusion in einem Syllogismus mit gemischten modalen Prämissen, das zuerst von Theophrast und Eudemos aufgeworfen und besprochen worden war. Auch das Interesse am Studium der Natur ist eine charakteristische Konstante der peripatetischen Schule vom Hellenismus bis in die Kaiserzeit. Es ist in der Forschung darauf hingewiesen worden, dass der Peripatos die einzige hellenistische Schule war, die das Studium der Natur um ihrer selbst willen betrieb und nicht nur als illustratives oder pädagogisches Hilfsmittel, um übergeordnete ethische Einsichten zu vermitteln, wie es in der epikureischen oder stoischen Schule der Fall war. Die prominentesten Vertreter dieses Interesses waren Aristoteles’ Schüler Theophrast und Eudemos sowie der dritte Scholarch Straton von Lampsakos, der den Beinamen «Naturforscher» (φυσικός) bekam. Interesse an naturphilosophischen Fragen ist auch in der späthellenistischen Zeit für Autoren wie Hieronymos von Rhodos, Phainias, Klearchos und Kritolaos belegt (vgl. Sharples 2006 [*265]). In der Liste der wichtigsten Texte und Themen, die das peripatetische Schulprogramm im Gebiet der Naturphilosophie bestimmten, gab es von der hellenistischen Zeit bis in die Kaiserzeit einige bemerkenswerte Änderungen. Zu den am sorgfältigsten gelesenen, kommentierten, kritisierten und manchmal nachgeahmten Texten des Aristoteles gehören die ‹Physik›, ‹De caelo›, ‹De generatione et corruptione›, die ‹Meteorologie› und ‹De anima›. In den Werklisten der ersten peripatetischen Scholarchen, Theophrast und Straton, findet sich eine Anzahl Titel, die mit Titeln von Werken des Aristoteles
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übereinstimmen oder mit Titeln von Kapiteln aus Werken des überlieferten ‹Corpus Aristotelicum›. Weiter gibt es Abhandlungen, die einem spezifischeren Thema gewidmet sind, wie die überlieferten Werke von Theophrast ‹Über Feuer›, ‹Über Winde›, ‹Über Steine›, ‹Über das Schwitzen›, ‹Über Schwindel›. Es scheint hier keine großen Unterschiede zu geben zu den Einträgen in den Werklisten des Aristoteles, die neben den überlieferten akroamatischen Schriften auch Titel aufführen, die auf ein begrenzteres, spezifischeres Thema hindeuten, wie z. B. ‹Über den Magnet›. Aus den Informationen, die wir über nachhellenistische Autoren haben, ist oft schwierig abzuleiten, was für eine Form ihre Darstellung einer bestimmten Frage hatte. Da solche Informationen üblicherweise durch spätere Kommentare zu aristotelischen Schriften überliefert werden, nehmen wir an, das ursprüngliche Werk, aus dem zitiert wird, sei ebenfalls ein Kommentar gewesen, wenn nicht ein vollständiger, so zumindest eine Monographie, die einen detaillierten Kommentar zu ausgewählten Abschnitten enthalten habe (Beispiele sind Xenarchos Abhandlung ‹Über die fünfte Substanz› und Sosigenes’ ‹Über entgegenwirkende Sphären›). Alexander von Aphrodisias, ‘der Kommentator’, hat Monographien verfasst, die keine Kommentare waren, wie ‹Über die Mischung und das Wachstum› und ‹Über das Schicksal›. Weiter geht die Tradition, kurze Lehrschriften als Sammlungen von ‹Problemata› oder ‹Quaestiones› zu veröffentlichen, auf die Zeit des Aristoteles zurück und besteht während der ganzen hellenistischen und nachhellenistischen Kaiserzeit. Aristoteles’ Nachfolger zögern nicht, seine physikalischen Theorien infrage zu stellen und, wenn nötig, zu verbessern, während sie die gedankliche Grundstruktur, wie sie vom Gründer des Lykeions festgelegt worden war, im Großen und Ganzen beibehielten. Am meisten hinterfragt wurden die teleologische Lehre (Theophrast, Straton) und die Theorie der kosmischen Elemente (Theophrast scheint in ‹De igne› die Ableitung der Eigenschaften der Elemente aus Gen. et corr. aufzugeben, da er Luft für kalt hält; bedeutender ist Stratons Kritik an der Lehre vom Aither und der Theorie von der natürlichen Bewegung und dem natürlichen Ort). In der frühen nachhellenistischen Zeit findet sich Xenarchos’ Kritik an der Theorie des Aithers und an einigen Aspekten der Theorie der natürlichen Bewegung. Viele Darstellungen von naturphilosophischen Begriffen in dieser Zeit bewegen sich im Kontext der ‹Kategorien› des Aristoteles – so bringt die Diskussion von Ort und Zeit in der ‹Physik› eine Diskussion der Kategorien ‘wo’ und ‘wann’ mit sich und umgekehrt, bei der Diskussion der Kategorie ‘Substanz’ beruft sich Boethos auf die Darstellung der Substanz in der ‹Metaphysik›. Rückblickend kann diese Tendenz als erster Schritt in einem Prozess gesehen werden, der zur Entwicklung der Methode der umfassenden systematischen Auslegung führen wird. In dieser ersten Etappe allerdings führt diese Herangehensweise vor allem dazu, dass die diskutierte aristotelische Position revidiert wird: Andronikos schlägt vor, dass die Kategorien ‘wann’ und ‘wo’ durch ‘Zeit’ und ‘Ort’ ersetzt werden, Boethos vertritt die Ansicht, dass die Kategorie ‘Substanz’ nicht auf die Form von hylemorphischen Komposita zutreffen kann, sondern nur auf die Materie und auf das hylemorphische Kompositum als Ganzes. Gegen Ende der Kaiserzeit, in der Schule von Alexander von Aphrodisias, zielt die Auslegungspraxis primär darauf,
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eine systematische Darstellung der gesamten naturphilosophischen Lehre des Aristoteles zu geben, die im Einklang mit anderen wichtigen Aspekten seiner Philosophie steht, wie der Metaphysik und der Logik. Es werden dadurch viele wichtige Lehren in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt, nach einer detaillierten Diskussion der Einwände, auf die differenziert geantwortet wird. Auf diese Weise wird die Theorie von den Elementen nach einer sorgfältigen Darlegung der Abhandlung ‹De generatione et corruptione› erneuert (vgl. Gannagé 2005 [*718]). Bei der Theorie des Aither kehrt man wieder zum Schulstandard zurück (vgl. Rescigno 2004 [*574]). Das Schicksal der peripatetischen Definition der Seele kann als Beispiel für die Kontinuität und die Veränderungen im System der Schullehren innerhalb der Kaiserzeit dienen. Aristoteles definierte die Seele als Form des Körpers, die potentiell Leben besitzt (‹De anima› 2,1). Über seine Schüler und Kollegen Dikaiarch und Aristoxenos wird berichtet, sie hätten die Meinung vertreten, die Seele sei nichts anderes als die Harmonie aller körperlichen Elemente (Mirhady 2001 [*262]). Die Bedeutung dieses Berichts steht zur Debatte, doch wenn er korrekt ist, stimmt diese peripatetische Definition der Seele nicht ganz mit derjenigen des Aristoteles überein. Straton seinerseits entwickelte eine eigene Theorie der Seele innerhalb des weiteren peripatetischen Rahmens: Er stellt eine Fülle von Einwänden gegen Platons Argumente für die Unsterblichkeit der Seele im ‹Phaidon› auf (fr. 76–81 Sharples), vergleicht die Seele mit einer Harmonie, weil sie je nach In dividuum angespannter oder träger sein kann (fr. 79 Sharples), spricht über die Tätigkeiten der Seele als Bewegungen und verortet alle mentalen Prozesse, einschließlich «Affekte der Seele» (πάθη τῆς ψυχῆς: fr. 63A,B Sharples) und Sinneswahrnehmungen, im leitenden Seelenteil und «nicht in den affizierten Körper teilen» (οὐκ ἐν τοῖς πεπονθόσι τόποις: fr. 63A,B Sharples). Diese Änderungen rühren hauptsächlich daher, dass sich Straton dafür interessierte, was die einge körperte Seele als Lebens- und Denkprinzip macht. In den (zugegebenermaßen spärlichen) Quellen gibt es keine Hinweise darauf, dass die Frage des kategorialen Status der Seele (im Gegensatz zu den Fragen nach ihrer Lokalisation oder ihrer Einkörperung) bei diesen Entwicklungen in der Seelenlehre des hellenistischen Peripatos irgendeine Rolle gespielt hätte. Die Erörterungen der ‹Kategorien› im 1. Jahrhundert v. Chr. rückten die Frage nach dem kategorialen Status der hauptsächlichen hylemorphischen Prinzipien in den Vordergrund: Form, Materie und hylemorphisches Kompositum. Die oben erwähnte Position von Boethos, der zufolge nur Materie und Kompositum Substanzen sein können, während Form einer anderen Kategorie angehören muss, ebnete den Weg, um die Seele als eine Art Akzidens eines Körpers, der eine Seele hat, zu sehen. Diese Position wird im späteren Werk von Alexander von Aphrodisias angegriffen, der sich um eine Interpretation der Form als Substanz bemüht. Auf dieser metaphysischen Grundlage setzt er die aristotelische Definition der Seele als Substanz im Sinne einer Form durch. Alexanders Arbeit beruht auf umfassender und systematischer Lektüre des aristotelischen Corpus, was am Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. zum Standard wurde. Ein bedeutendes Gebiet verlor im philosophischen Bereich nach und nach den prominenten Stellenwert, der ihm im Lykeion zur Zeit von Aristoteles und Theo-
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phrast zugekommen war, nämlich die Biologie. In hellenistischer Zeit wurde vom alexandrinischen Gelehrten Aristophanes von Byzanz noch ein Auszug aus Aristoteles’ ‹Historia animalium› publiziert, und einige Buchtitel von peripatetischen Autoren, die zu dieser Zeit aktiv waren, weisen auf ein Interesse an Biologie hin (Klearchos, Phainias, vgl. Hellmann 2006 [*264]). In der Kaiserzeit lässt dieses Interesse nach: Es gibt keine Kommentare zu Aristoteles’ biologischen Schriften und nur wenige Hinweise darauf, dass sich die peripatetischen Autoren für dieses Gebiet interessiert haben könnten (man kann Teil 8 und 9 von Nikolaos von Damaskus’ ‹Kompendium der aristotelischen Philosophie› erwähnen, die Zusammenfassungen von Hist. an. bzw. Part. an. enthalten, vgl. § 30.2. unten). Der Grund für diesen Rückgang könnte darin liegen, dass man Aristoteles’ Methode und die entsprechenden Forschungen nicht mehr verstand (so Lennox 1994 [*260]), möglicherweise hat die Abnahme des Interesses im philosophischen Bereich aber auch mit einer immer stärkeren fachlichen Ausdifferenzierung zu tun. Bemerkenswerte Ausnahme zu dieser allgemeinen Regel ist für die Kaiserzeit Galen (kein offizielles Mitglied der peripatetischen Schule), der die biologischen Schriften des Aristoteles sehr gut kennt, begeistert ist von ihrer teleologischen Ausrichtung und viele Details von Aristoteles’ anatomischen und physiologischen Erklärungen kritisiert. Galens Fall zeigt, dass Aristoteles’ Werk sicher zugänglich war und von Spezialisten gelesen wurde, so dass der Rückgang des Interesses in der Schule nicht durch das Fehlen der Texte bedingt ist. Die hellenistische Zeit bringt auch einige neue Themen in die peripatetische Physik ein. Die wichtigsten haben mit Fragen des Schicksals und der Vorsehung zu tun. Aristoteles hatte keine Theorien für die Vorsehung und das Schicksal, aber seine Nachfolger entwickelten auf der Grundlage einiger Besonderheiten des aristotelischen kosmologischen Systems und einiger Texte aus dem Corpus eine peripatetische Lehre in diesem Bereich wohl als Reaktion auf die stoische Philosophie. Am relevantesten für die Lehre der Vorsehung ist Aristoteles’ Teilung des Kosmos in den oberen Bereich, der aus Aither besteht, und den sublunaren Bereich, dessen Bestandteile die vier Elemente der griechischen Physik sind. Das göttliche Prinzip des Kosmos, der erste unbewegte Beweger, wird in ‹Metaphysik› 12,9 beschrieben als Denken, das sich selbst zum Objekt hat (νόησις νοήσεως νόησις). Die Ansicht, dass das göttliche Prinzip für die grundlegenden Teile des kosmischen Prozesses verantwortlich ist, selbst aber nichts mit der Organisation von Details zu tun hat, wird in den antiken Quellen bei Kritolaos verortet (fr. 37a,b Wehrli = Sharples 2010 [*43: 22K, L], vgl. Sharples 2007 [*268], Hahm 2007 [*266]). Im 2. Jahrhundert n. Chr. schreibt der Platoniker Attikos Aristoteles die Ansicht zu, nach der die göttliche Vorsehung sich nur auf den himmlischen Bereich bezieht, nicht auf den sublunaren. Die Ansicht, dass sie sich nicht auch auf den sublunaren Bereich beziehen könne, die er Epikur zuschreibt, greift er an (fr. 3,7–10 des Places = Sharples 2010 [*43: 22N], vgl. Sharples 2007 [*268]). Alexander von Aphrodisias antwortet auf diese Kritik, indem er eine aristotelische Theo rie der Vorsehung entwickelt, der zufolge sich die göttliche Vorsehung auch auf die sublunare Welt erstreckt, dort aber nicht Individuen, sondern Species betrifft. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, wie das im Hellenismus aufgeworfene und
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diskutierte Problem auch für die Peripatetiker der Kaiserzeit seine Wichtigkeit bewahrte und wie sie das Problem lösten, indem sie sich als Hauptmethode auf die systematische Auslegung stützten, nicht nur um erhaltene aristotelische Texte zu interpretieren, sondern auch um mit neuen Problemen, mit denen das aristotelische System konfrontiert wurde, umzugehen. Es zeigt sich so, dass hinter dem philosophischen Kommentar ein starkes theoretisches Potential steckt, das über die reine Textinterpretation hinausgeht. Bei der Frage des Schicksals ist die Lage komplizierter, da antike Quellen Aristoteles diesbezüglich eine sehr viel breitere Palette von Positionen zuschreiben: Determinismus (Cic. De fato 39 = Sharples 2010 [*43: 23R]), Schicksal als Notwendigkeit, welche die regelmäßigen Himmelsbewegungen charakterisiert (Attikos fr. 8,2 des Places = Sharples 2010 [*43: 23O]), Schicksal als kausaler Faktor, der die sublunare Welt dominiert, die ohne direkte Leitung der Vorsehung ist (Thdt. Gr. aff. cur. 5,47 = Sharples 2010 [*43: 23P], ibid. 6,7 = Sharples 2010 [*43: 23Q]). Die von den Kommentatoren des 2. Jahrhunderts Aspasios und Alexander verteidigte Ansicht ist jener der stoischen Version des Determinismus entgegengesetzt und behält die Begriffe von Wahlfreiheit und Verantwortung («was von uns abhängt», τὸ ἐφ’ ἡμῖν) bei, was das Konzept der Möglichkeit voraussetzt, bei dem ‘p ist möglich’ nur bedeutet, dass nicht-p nicht notwendig ist (‘die Proposition p kann wahr sein’). Im Gegensatz dazu fügt das stoische (chrysippische) Konzept der Möglichkeit der Standard-Definition eine Qualifikation hinzu, so dass ‘p ist möglich’ bedeutet, dass ‘nicht-p nicht notwendig ist’ (‘p kann wahr sein’) und p nicht durch äußere Umstände daran gehindert wird, wahr zu sein (vgl. Bobzien 1998 [*261: 112–116]). Alexander kritisiert das stoische Konzept und entwickelt ein Verständnis des Schicksals als ‘eigentlicher Natur’ eines Individuums, die aber Ausnahmen zulässt. Was dieses Verständnis bedeutet, wird illustriert durch SchulbuchBeispiele von Menschen, die ihre natürlichen Tendenzen überwanden, d. h. die von der Natur zugelassenen Ausnahmen nutzten, um eine tugendhafte moralische Gesinnung zu entwickeln. Alexanders Diskussion der hellenistischen Kontroverse des Schicksals in seiner Abhandlung ‹De fato› und in den Schultraktaten basiert auf einer systematischen Auslegung der für diese Frage relevanten Werke des aristotelischen Corpus: ‹Physik›, Ethiken, ‹De interpretatione› und die ‹Analytica priora›. Im Fall des Schicksals kann also eine ähnliche Kontinuität aufgezeigt werden wie im Fall der Vorsehung: Ein von Aristoteles nicht behandeltes Problem, mit dem die peripatetische Schule aber in der hellenistischen Zeit konfrontiert wurde, erhielt in der Kaiserzeit eine systematische Diskussion und Lösung. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
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§ 29. Areios Didymos Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Der Name Areios Didymos wird seit Meineke und Diels mit Areios, dem Hofphilosophen des Augustus, gleichgesetzt. Dieser Areios stammte aus Alexandrien (Cass. Dio 51,16,3–4; Plut. Anton. 80; Plut. Praec. ger. reip. 18, 814d; Plut. Reg. et imp. apophth. 207a–b; Them. Or. 8,163,21–164,3 Downey). In der Zeit zwischen 45 v. Chr. und 30 v. Chr. kam er zusammen mit seinen zwei Söhnen nach Rom, wo er Octavians Philosophielehrer wurde (Suet. Aug. 89). Nach Strabon (Geogr. 14,5,4) war Xenarchos sein Freund. Als Octavian nach der Schlacht von Actium Alexandrien besuchte, begleitete ihn Areios. Dass Areios um das Jahr 9 v. Chr. noch lebte, geht aus Senecas Bemerkung hervor, Areios habe Livia beim Tod des Drusus Trost zugesprochen (Consol. ad Marciam 4,2). Der ‹Suda› zufolge wurde er am Hof des Augustus von einem Stoiker namens Theon von Alexandrien ersetzt, wobei seine Funktion allerdings unklar bleibt (vgl. Moraux 1973 [*23: 261 Anm. 20]). Die Identifikation dieses Areios mit Areios dem Ägypter, der in Lukians ‹Wahrer Geschichte› 2,22 erwähnt wird (Renehan 1965 [*291]), wurde von Göransson 1995 [*300: 109] zu Recht kritisiert. Diels 1879 [*274: 79–88] schlug vor, dass der Hofphilosoph Areios identisch sei mit dem stoischen Philosophen dieses Namens, der in der Liste von Stoikern, die sich in zwei Manuskripten von Diogenes Laertios (= Poseidonios T 66 Edelstein-Kidd) findet, zwischen Antipatros von Tarsos und Cornutus erwähnt wird. Auch Göransson 1995 [*300: 210] hält den Freund des Augustus für einen Stoiker. Da er aber glaubt, dass dieser und der Doxograph Areios Didymos zwei verschiedene Personen sind, beurteilt er letzteren aufgrund der doxographischen Texte eher als außerhalb der philosophischen Schulen stehend oder dann als einen, der Sympathien für die Skeptiker oder Akademiker hat (vgl. auch Bremmer 1998 [*301]; für die neueste Diskussion siehe Tsouni 2016 [*309]). 2. WERKE Der Herausgeber von Stobaios’ Werk, August Meineke, schrieb als Erster das Material zur stoischen und peripatetischen Ethik in Stob. Ecl. 2,7,5–26, II,57,13–152,25 Wachsmuth, das zuvor als eigene Kompilation des Stobaios gegolten
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hatte, Areios Didymos zu. Meineke 1859 [*289] hatte bemerkt, dass der anonyme Auszug in Stob. Ecl. 2,7,17, II,129,19–130,12 Wachsmuth identisch ist mit dem Abschnitt Stob. Ecl. 4,39,28, III,918,16–919,6 Hense, der überschrieben ist mit
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§ 29. Areios Didymos (Bibl. 436–437)
«aus der Epitome des Didymos». Meineke identifizierte diesen Didymos mit Areios Didymos, den Eusebios in ‹Praeparatio evangelica› 15,15 und 15,20 zitiert. Hinweise auf Didymos finden sich auch bei Clem. Alex. Strom. 1,61,1–2 und 1,80,4 (Referate seiner Aussagen über Thales, Solon und die Pythagoreer). Stob. Ecl. 2,1,17, II,6,13–20 Wachsmuth enthält außerdem ein Zitat über Xenophanes aus Didymos’ Werk ‹Über die Philosophieschulen› (Περὶ αἱρέσεων), und bei Eusebios ist ein Fragment aus Didymos’ ‹Über die Lehrmeinungen Platons› (Περὶ τῶν ἀρεσκόντων Πλάτωνι) erhalten (Praep. ev. 11,23,3–6), das anonym und ohne Titel in Stob. Ecl. 1,12,2a, I,135,20–136,13 Wachsmuth zitiert wird. Aufgrund dieses Materials schloss Meineke, dass Areios eine Geschichte der gesamten griechischen Philosophie – von Thales bis zu seinen Zeitgenossen – verfasst habe. Weiter vermutete er Areios Didymos als gemeinsame Quelle aller anonymen Auszüge aus griechischen Philosophen im Werk des Stobaios und möglicherweise auch der doxographischen Zusammenstellungen bei Hippolyt, Ps.-Plutarch und Ps.-Galen. Diels 1879 [*274: 69–88] korrigierte diese Folgerungen und argumentierte dafür, dass es sich bei der gemeinsamen Quelle der doxographischen Schriften um ein von Areios Didymos verschiedenes, doxographisches Werk eines Aëtios handle, das seinerseits auf die verlorene große doxographische Sammlung des Theophrast zurückgehe. Diels akzeptierte aber Areios’ Autorschaft für die ethischen Doxographien und die anonymen doxographischen Fragmente zur aristotelischen und stoischen Kosmologie (diese letzteren sind in den ‹Doxographi graeci› als eine eigene doxographische Quelle abgedruckt). Diels befürwortete auch die Identifikation des Doxographen Areios Didymos mit dem Hofphilosophen
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des Augustus, die Meineke am Ende seiner doxographischen Studien vorgeschlagen hatte. Seit Diels glaubt man, dass die substantiellsten Reste von Areios’ Schriften aus den erwähnten beiden Textgruppen in Stobaios’ ‹Eclogae› bestehen: 1) die von Diels veröffentlichten physikalischen und kosmologischen Fragmente, sowohl peripatetisch als auch stoisch (447–472 Diels), und 2) die ausführlichen Auszüge aus der Schrift zur Ethik, die ebenfalls stoisches und peripatetisches Material enthalten (Stob. Ecl. 2,7, II,37,14–152,25 Wachsmuth). Diels dachte, dass beide Textgruppen aus einem einzigen, umfangreichen Werk stammen, das den Titel ‹Auszug› (Ἐπιτομή) oder ‹Über die Philosophieschulen› (Περὶ αἱρέσεων) trug und die Lehren von drei philosophischen Schulen präsentierte: Platonismus, Stoa und Peripatos. Gemäß Diels’ Rekonstruktion war das Werk nach Schulen geordnet, begann aber mit Prolegomena, die eine Zusammenfassung der Ansichten aller drei philosophischen Schulen enthielten. Eine der viel diskutierten Fragen ist jene nach Areios’ Methode: Wie groß war sein eigener Beitrag zur Zusammenfassung? Nach welchen Prinzipien ordnete er das Material? Eine der Schwierigkeiten bei der Beantwortung dieser Fragen besteht darin, dass der Autor unserer Hauptquelle, Stobaios, selbst ein Epitomator war und das Material, mit dem er arbeitete, möglicherweise verändert hat. In Stob. Ecl. 2,7,2, II,39,20–41,25. 42,7–45,6 Wachsmuth) weist der Autor – vermutlich Areios – darauf hin, dass er einige akademische, philosophiegeschichtliche Werke benutzt habe, auch wenn er ihnen nicht durchwegs gefolgt sei, sondern über die Anordnung des Materials selbst entschieden habe. Beide Behauptungen scheinen sich bei genauerer Prüfung des Texts zu erhärten (vgl. Moraux 1973 [*23: 333–341], Long 1983 [*295: 43]).
3. LEHRE
1. Physik. – 2. Ehtik. – 3. Bedeutung für die Erschließung der stoischen Ethik.
Diels folgend betrachtete Moraux 1973 [*23: 259] Areios Didymos als einen toiker, dessen Werk aber gleichwohl wichtig ist für das Verständnis der nach-arisS totelischen, peripatetischen Philosophie. Kahn 1983 [*294: 9–11] vertrat die Auffassung, dass Areios ein Akademiker war, ungefähr zeitgleich mit Eudoros und möglicherweise beeinflusst von Antiochos. Für die Geschichte des kaiserzeitlichen Aristotelismus ist es wichtig, dass Areios Didymos (ab jetzt ist der Autor des
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oxographischen Materials gemeint) offenbar kein Aristoteliker war, dass er aber d die aristotelischen und peripatetischen Lehren gut kannte und für deren Präsentation diejenigen Quellen benutzte, von denen er glaubte, dass sie für diese Schule der anerkannte Wissensstand seien. Der für das vorliegende Kapitel relevante Lehrgehalt besteht also aus dem, was in Areios Didymos’ Darstellung als aristotelisch oder peripatetisch belegt ist. 1. Physik Diels 1879 [*274: 448–457] entdeckte siebzehn anonyme Fragmente über Aristoteles’ Physik bei Eusebios und Stobaios, die von Areios Didymos kommen. In den ersten beiden werden die Prinzipien für das Studium der Natur, nämlich Form und Materie, dargestellt. Diese Darstellung steht im Einklang mit der normalen Schuldoktrin, allerdings – wie Moraux 1973 [*23: 278] richtig bemerkt – mit einer Betonung der Unkörperlichkeit von Form und Materie, die für Aristoteles nicht charakteristisch ist. Möglicherweise soll damit der Kontrast zu den stoischen Prinzipien, die alle körperlich sind, hervorgehoben werden. Um denselben Kontrast geht es in fr. 4 Diels, wo es von «unkörperlichen Formen» (ἀσώματοι λόγοι) heißt, sie würden sich vermischen. Die Lehre zur Vorsehung im kosmologischen Fragment 9 hat Ähnlichkeiten mit der Ansicht, die an anderer Stelle Kritolaos zugeschrieben wird: Der höchste Gott ist die Quelle der Vorsehung (anders als Arist. Metaph. 12,9, 1074b15–1075a10), die aber nur in der Himmelsregion wirkt und nicht in den sublunaren Kosmos übergreift (fr. 9 Diels). Im folgenden Fragment (fr. 10 Diels) wird erklärt, dass Sonnenfinsternisse nicht von jedem Ort aus auf gleiche Weise beobachtet werden können, sondern wegen der Parallaxe an verschiedenen Orten der Welt verschieden erscheinen. Dieser Effekt wurde von Hipparchos zwischen 161 und 127 v. Chr. entdeckt, womit ein für diese Quelle des Areios sicherer Terminus post quem vorliegt (vgl. Moraux 1973 [*23: 289]). Die meteorologischen Fragmente (fr. 11–14a Diels) geben eine sehr genaue Darstellung der aristotelischen Meteorologie. Steinmetz 1964 [*290] vertrat die Ansicht, dass Areios als Vorlage für dieses Material eher die verlorene Abhandlung ‹Meteorologie› von Theophrast als diejenige des Aristoteles benutzt habe. Moraux 1973 [*23: 289–299] kritisiert diese Meinung. Im psychologischen fr. 15 Diels stimmt die Darstellung der Sinneswahrnehmung im Großen und Ganzen mit Aristoteles’ ‹De anima› überein, abgesehen von der Einführung der Idee der «zusammengesetzten Wahrnehmung (σύνθετος αἴσθησις), in der das Vorstellungsvermögen, das Gedächtnis und das Meinungsvermögen ihren Platz haben und die nicht ohne Anteil am Intellekt ist» (vgl. Aët. Plac. 4,8,6 und 4,10,2 Diels). In fr. 16 Diels kommt der hellenistische Begriff des Kriteriums für die Wahrheit einer Vorstellung vor, wobei Areios’ peripatetische Quelle zwei Kriterien nennt: Für Vorstellungen von wahrnehmbaren Dingen ist es die Sinneswahrnehmung, für Vorstellungen von intelligiblen Dingen ist es der Intellekt.
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2. Ethik Die Darstellung der peripatetischen Ethik hat zwei Teile: Einerseits besteht sie aus einem Teil der vermuteten Einleitung des Werks (in der modernen Forschung als Doxographie A bezeichnet = Stob. Ecl. 2,7,1–4, II,37,18–57,12 Wachsmuth, Ausschnitte davon übersetzt in Sharples 2010 [*43: 16U, 18I, 18V]), der den Peripatetikern gewidmet ist; andererseits gibt es einen zusammenhängenden Abschnitt in Stobaios, der sich vollständig den Peripatetikern zuwendet (bezeichnet als Doxographie C = Stob. Ecl. 2,7,13–26, II,116,19–152,25 Wachsmuth = Sharples 2010 [*43: 15A]). Letzterer zeigt gewisse strukturelle und stilistische Ähnlichkeiten mit dem Text zur stoischen Ethik (Doxographie B = Stob. Ecl. 2,7,5–12, II,57,13–116,18 Wachsmuth). In den Prolegomena wird kurz dargestellt, wie das moralische Ziel in allen philosophischen Schulen, inklusive Peripatos, behandelt wird. Doxographie C beinhaltet drei größere Themen: Die Oikeiosis-Lehre (Stob. Ecl. 2,7,13f., II,116,21–128,9 Wachsmuth), die Ethik-Konzeption (Stob. Ecl. 2,7,15–25, II,128,10–147,25 Wachsmuth) sowie Ökonomie und Politik (Stob. Ecl. 2,7,26, II,147,26–152,25 Wachsmuth). Areios’ peripatetische Doxographie wirft die schwierige Frage nach den Ursprüngen der Oikeiosis-Lehre auf. Die Tatsache, dass Areios die Oikeiosis-Lehre als Teil der aristotelischen Moralphilosophie darstellt, führte von Arnim 1926 [*80: 132ff.] zu der Annahme, dass Areios’ Quelle für dieses Thema – und in der Tat für die ganze Doxographie C – die frühe peripatetische Lehre sei, die letztlich auf Theophrast zurückgehe. Einige Forscher vertreten hingegen die Ansicht, die Oikeiosis-Lehre sei ursprünglich stoisch und der Grund dafür, dass sie in einer Darstellung der peripatetischen Ethik erscheine, liege darin, dass Areios eine späthellenistische peripatetische Quelle benutzte, in der diese stoische Theorie in peripatetischer Adaption aufgenommen war. Diese Quelle gebraucht stoisches Vokabular und stoische Argumente, um peripatetische Ideen auszudrücken, oft sind die Formulierungen so, dass sie den Unterschied zur stoischen Lehre möglichst stark zum Ausdruck bringen. Das «erste Zugehörige» (πρῶτον οἰκεῖον) in dieser peripatetischen OikeiosisLehre wird als ‘der Mensch’ definiert, allgemein gedeutet als individueller Mensch für sich selbst und andere Vertreter der Menschheit, angefangen bei den nahen Verwandten, endend bei der ganzen Menschheit – dies ist auch der stoischen Lehre nicht fremd. Ein substantieller Unterschied zu den Stoikern scheint darin zu bestehen, dass die naturalistische Ableitung des Konzepts der Zueignung aus der allen Lebewesen gemeinsamen Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge fehlt. In der stoischen Theorie der Oikeiosis steht ein individuelles Selbst im Mittelpunkt, sei es ein Tier oder ein Mensch, bei der peripatetischen Version der Theorie ist es eine bestimmte Natur – die menschliche und rationale –, die sowohl das individuelle Selbst als auch die anderen umfasst. Diese oder eine ähnliche Variante der peripatetischen Oikeiosis-Lehre ist bei Alexander von Aphrodisias (Mant. 17, 151,4–13 Bruns) für Xenarchos und Boethos belegt, welche die Auffassung vertraten, dass laut Aristoteles wir selbst das erste Zugehörige seien. Areios beschreibt den Aufstieg vom ersten Zugehörigen zur Tugend, indem er die stoische Terminologie des «Gebotenen» (καθῆκον) und der «tugendhaften
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Handlung» (κατόρθωσις) benutzt, und fügt hinzu, dass wir, wenn wir uns den Menschen zueignen, uns sowohl Seele als auch Körper zueignen müssen und dass deshalb seelische und körperliche Güter ebenso wie ‘äußere’ Güter erstrebenswert sind. Er kritisiert aber die Ansicht, dass die Glückseligkeit, das menschliche Ziel, sich aus diesen drei Klassen von Gütern aufsummiert: «Glückseligkeit ist tugendhafte Tätigkeit in Handlungen, die nach Wunsch ausgestattet sind. Von körperlichen und äußeren Gütern sagt man, dass sie Glückseligkeit hervorbringen, weil ihr Vorhandensein zur Glückseligkeit beiträgt, diejenigen aber, die glauben, sie vervollständigten die Glückseligkeit, wissen nicht, dass Glückseligkeit Leben ist und Leben aus Handlung besteht. Von den körperlichen und äußeren Gütern aber ist keines Handlung an sich noch überhaupt Tätigkeit» (Stob. Ecl. 2,7,14, II,126,18–127,2 Wachsmuth). Die kritisierte Position ist jener ähnlich, die Kritolaos zugeschrieben wird (vgl. Kritolaos fr. 19–20 Wehrli; Moraux 1973 [*23: 328f.]), was ein sinnvoller Terminus post quem für Areios’ Quelle ist. Areios’ Variante der peripatetischen Oikeiosis-Lehre hat viele Ähnlichkeiten mit der peripatetischen Lehre, die Cicero in ‹De finibus› 5 darlegt (vgl. Inwood 2014 [*308]). Areios’ Theo rie der Glückseligkeit scheint aber von derjenigen des Antiochos verschieden zu sein, der einen Unterschied macht zwischen dem «glücklichen Leben» (vita beata), für das Tugend allein hinreichend ist (Cic. Fin. 71, in Übereinstimmung mit der stoischen Theorie), und dem «glücklichsten Leben» (vita beatissima), für das Tugend allein nicht ausreicht, sondern das sich sowohl aus Tugend als auch aus körperlichen und äußeren Gütern zusammensetzt (Cic. Fin. 81, vgl. Irwin 2012 [*305], Schofield 2012 [*306], Tsouni 2012 [*307]). Wie Moraux 1973 [*23: 336–338] hervorhebt, sind für Antiochos äußere und körperliche Güter konstitutive Elemente des höchsten Glücks, während sie für Areios, der nicht zwischen zwei Arten von Glückseligkeit unterscheidet, zwar notwendige Bedingungen bleiben, aber nicht Bestandteile der Glückseligkeit sind. Areios’ Darstellung der ethischen Hauptthemen (Glückseligkeit, Telos, Güter, Tugenden, Affekte, Lebensformen) hat keinen großen inneren Zusammenhang mit der Oikeiosis-Lehre und stammt aus verschiedenen Quellen. Der Lehrgehalt ist aber in sich konsistent und entspricht sehr wahrscheinlich den Theorien des späthellenistischen Peripatos. Areios unterscheidet die peripatetische Lehre der Glückseligkeit von der stoischen, indem er die Ansicht vertritt, dass der Gebrauch von materiellen Hilfsmitteln die Tugend als Hauptbestandteil der Glückseligkeit nicht relativiert, da Glückseligkeit aus «Handlungen» (πράξεις) entsteht, d. h. Tätigkeiten der Seele (Stob. Ecl. 2,7,17, II,129,20–130,4 Wachsmuth). Ebenfalls anti-stoisch ist die These, dass es sowohl für Weise wie auch für Nicht-Weise ein mittleres Leben gibt, das weder glücklich noch elend ist, obwohl Areios der stoischen Ansicht zustimmt, wonach Lasterhaftigkeit zur «Unglückseligkeit» (κακοδαιμονία) ausreicht (Stob. Ecl. 2,7,18, II,132,22–133,11 Wachsmuth). Voraussetzung für die Tätigkeit der Seele, d. h. für die Glückseligkeit, sind: Wachzustand, der natürliche Geisteszustand (Wahnsinn oder Ekstase sind ausgeschlossen) und ein «in günstigen Umständen gelebtes Leben» (προηγούμενον ἔχειν τὸ ζῆν), d. h. die Erreichbarkeit von äußeren und körperlichen Gütern (Stob. Ecl. 2,7,18, II,133,11–22 Wachsmuth). Areios zieht die ‘inklusive’ Auffassung des glücklichen Lebens, die Kontemplation mit praktischer
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und politischer Betätigung verbindet (die in Aristoteles’ ‹Eudemischer Ethik› vertretene Ansicht), der im zehnten Buch der ‹Nikomachischen Ethik› vorgetragenen Auffassung vor, der gemäß das kontemplative Leben das glücklichste ist. Der Text spielt auf den stoischen Unterschied zwischen Telos und Skopos an, d. h. zwischen dem Zustand, den das Subjekt anstrebt («glücklich sein», εὐδαιμονεῖν), und dem angestrebten Objekt («Glückseligkeit», εὐδαιμονία), empfiehlt aber auch «die Gewohnheit der Alten» (ἡ τῶν ἀρχαίων συνήθεια), die eine solche Unterscheidung nicht gebrauchten, und zitiert Aristoteles (EN 1,1, 1094a3. 18). Bei der Klassifikation der Güter zeigt sich ein besonders zusammengewürfeltes Muster von Herangehensweisen mit mindestens zehn verschiedenen Unterteilungen; dennoch scheinen alle Unterteilungen auf aristotelische oder peripatetische Herkunft zurückführbar zu sein (Moraux 1973 [*23: 365–377]). Es wurde auch die Meinung vertreten, dass die Abfolge der Unterteilungen nicht zufällig sei, sondern eine innere Logik habe und wahrscheinlich von einem späthellenistischen, peripatetischen Autor stamme (Sharples 1983 [*296], pace Moraux 1973 [*23]). Die Darstellung der Tugendlehre beinhaltet ein Zitat von Theophrast und hat einige Ähnlichkeiten mit der ‹Eudemischen Ethik› und den ‹Magna Moralia›. Fortenbaugh 1983 [*293] hat dafür argumentiert, dass die für die ‹Eudemische Ethik› und die ‹Magna Moralia› besonders charakteristische Auffassung der Tugend – nämlich dass sich diese auf den «Affekt» (πάθος) bezieht – ein kognitivistisches Verständnis des Affekts als eines komplexen emotionalen Zustands voraussetzt, im Gegensatz zu der Ansicht, dass es sich beim Affekt um eine Bandbreite von eher einfachen mentalen Zuständen zwischen Lust und Schmerz handelt. Weiter meint Fortenbaugh, dass dieses kognitivistische Verständnis von Affekt in Theophrasts Werken vorgeschlagen und in der späteren peripatetischen Tradition aufrechterhalten worden sei. 3. Bedeutung für die Erschließung der stoischen Ethik Innerhalb des Textstücks bei Stobaios, welches als das Ethik-Referat des Areios Didymos anzusehen ist, ist die Passage Ecl. 2,7,5–12, II,57,13–116,18 Wachsmuth der stoischen Ethik gewidmet. Dass es sich hier um eine Darstellung der stoischen Moralphilosophie handeln muss, wird daraus ersichtlich, dass man enge Parallelen zu den Referaten der stoischen Ethik bei Cicero (‹De finibus› 3) und Diogenes Laertios (7) ausmachen kann. Aber Areios bietet mehr Details als diese. Long 1983 [*295: 56] rühmt daher Areios’ Darstellung der stoischen Ethik als «probably more accurate and certainly fuller than anything else we possess». Während Diels 1879 [*274] den Abriss des Areios als unsystematisch und repetitiv charakterisierte, hat Long 1983 [*295: bes. 57–62] den Versuch unternommen, die systematische Abfolge der von Areios behandelten Themen der stoischen Ethik im Detail zu rekonstruieren. Demnach beginnt Areios mit einer Darstellung der stoischen Gütertheorie, einschließlich der Lehre vom «Indifferenten» (ἀδιάφορον) und von den «bevorzugten Indifferenten» (προηγμένα; Stob. Ecl. 2,7,5–7, II,57,13–85,11 Wachsmuth). Innerhalb dieser Partie findet sich eine Erläuterung der Tugenden als «Wissenschaften und Fertigkeiten» (58–59), hieran schließt sich eine Fassung der Oikeiosis-Theorie an, die Long
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als deutlich abweichend von der stoischen Standardversion bezeichnet: Demnach sind es die vier hauptsächlichen Tugenden (Weisheit, Besonnenheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit), auf die sich der erste natürliche Impuls des Menschen richtet und deren Besitz zu einem naturgemäßen Leben des Menschen führt. Bei Diogenes Laertios und Cicero ist der «natürliche Impuls» (ὁρμή) hingegen allen Lebewesen gemeinsam, erst danach tritt die Rationalität als menschliches Spezifikum auf den Plan. Auffällig bei Areios ist ferner, dass die Taxonomie der Güter und Tugenden sowie der Übel und Laster entwickelt wird, bevor er die Lehre vom Telos behandelt. 4. NACHWIRKUNG
Bei Clemens von Alexandrien finden sich Berichte, wonach ein gewisser Areios eine Quelle für die Sprüche der Sieben Weisen sei (Strom. 1,14,61) und zudem ein Werk ‹Über die pythagoreische Philosophie› verfasst habe (Strom. 1,80,4). Dass es sich dabei tatsächlich um Areios Didymos handelt, wie Meineke 1859 [*289] glaubte, ist wiederholt bezweifelt worden. Wesentlich glaubwürdiger ist dagegen, dass Eusebios den Areios in der ‹Praeparatio evangelica› benutzte. Er berichtet, Areios habe ein Handbuch über die stoische Physik verfasst, zudem liefert Eusebios Auszüge aus einem Werk des Areios über den Platonismus (Praep. ev. 15,15,9; 11,23,2). Der wichtigste Rezipient des Areios Didymos ist aber zweifellos Johannes Stobaios, der in seiner ‹Anthologie› ausgedehnte Passagen aus den Referaten zur stoischen und zur peripatetischen Ethik überliefert hat. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 30. Nikolaos von Damaskus Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Nikolaos von Damaskus wurde um 64 v. Chr. geboren und diente in den dreißiger Jahren am Hof von Antonius und Kleopatra als Lehrer ihrer um 40 v. Chr. geborenen Zwillinge. Wann er in den Dienst des Herodes, des Königs von Judäa, eintrat,
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ist unbekannt, aber 14 v. Chr. begleitete er Herodes auf einer Reise nach Kleinasien, und von diesem Zeitpunkt an (wenn nicht schon früher) stand er permanent in dessen Diensten. Nach Herodes’ Tod 4 v. Chr. blieb er für einige Zeit im Dienst seines Sohnes Herodes Archelaos. Sein genaues Todesdatum ist unbekannt. In seiner Autobiographie (FGrH 90 F 135 Jacoby) erwähnt Nikolaos, dass er sich am Hof des Herodes mit Philosophie, Rhetorik und Geschichte beschäftigt habe. Es wurde die Meinung vertreten, dass dieser Nikolaos mit dem von Simplikios als «Nikolaos der Peripatetiker» bezeichneten Autor eines syrisch erhaltenen ‹Kompendiums der aristotelischen Philosophie› identisch ist; allerdings bestehen an dieser Identifikation einige Zweifel, da eine alte Quelle verschiedene Autoren dieses Namens nennt: «Aus Damaskus war unter den hervorragenden Politikern auch Dionysios, der aus einer Familie stammte, die sich schon immer ausgezeichnet hatte. Deren Anfang und Wurzel war Nikolaos der Philosoph, Lehrer des Herodes und der Kinder von Antonius und Kleopatra. Nach ihm wurden der Reihe nach zwölf Nikolaoi bekannt, die stolz waren auf die Philosophie und die das Geschlecht glänzend machten und zu großem Ruhm und Herrlichkeit führten» (Sophr. H. Mir. Cyr. et Jo. PG 87,3, 3622D; vgl. Fazzo 2005 [*329] und 2008 [*331]). Fazzo meint, dass man zwischen mindestens zwei, eventuell sogar drei Personen unterscheiden muss. Es gibt einerseits den Verfasser der ‹Universalgeschichte›, der in den Quellen als ‘Nikolaos von Damaskus’ bezeichnet wird und im 1. Jahrhundert v. Chr. aktiv war; andererseits den von Simplikios und auch Porphyrios genannten, ebenfalls als ‘Nikolaos von Damaskus’ bezeichneten Autor von ‹Über die Götter› und einer ethischen Abhandlung ‹Über das, was beim Handeln angemessen ist›. Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese beiden Autoren identisch sind, Fazzo ist aber skeptisch. Ganz sicher um einen anderen Nikolaos handelt es sich, Fazzo zufolge, hingegen beim Verfasser des ‹Kompendiums der aristotelischen Philosophie›, den Simplikios als ‘Nikolaos den Peripatetiker’ bezeichnet, der aus Laodikeia stammt und dessen Lebenszeit zwischen das 3. und 6. Jahrhundert n. Chr., sehr wahrscheinlich ins 4. Jahrhundert n. Chr., fällt (für detaillierte Belege und Argumente vgl. Fazzo 2008 [*331], Fazzo, Zonta 2008 [*332]). Diesem Nikolaos dem Peripatetiker schreibt Simplikios auch ein Werk ‹Über den Kosmos› zu, dessen Verhältnis zum ‹Kompendium› unklar ist.
2. WERKE Περὶ τῆς Ἀριστοτέλους φιλοσοφίας ‹Über die Philosophie des Aristoteles› Erwähnt bei Simplikios (In Cael. 399,1 Heiberg). Von diesem Werk ist ein substantielles Fragment in syrischer Übersetzung erhalten, im Ms. Gg. 2.14 der Universitätsbibliothek Cambridge (vgl. Zonta 2001 [*326] für neue Testimonien in Handschriften des Vatikans, Bibl. Apostolica, syr. 613 und 614).
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Der syrische Text ist seinerseits ein Auszug, und es ist schwierig zu sagen, wie viel Material beim Kürzungsprozess im Vergleich zum ursprünglichen ‹Kompendium› verloren gegangen ist. Der Auszug zeigt aber, dass das ‹Kompendium› eine klare Struktur hatte: 1) ‹Physik›; 2–3) ‹Metaphysik›; 4) ‹De caelo› 1–2; 5) ‹De caelo› 3–4, ‹De generatione et corruptione›; 6) ‹Meteorologica› 1–3; 7) ‹Meteorologica› 4; 8) ‹Historia animalium›; 9) ‹De partibus
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animalium›; 10) ‹De anima›; 11) ‹De sensu›, ‹De insomniis›; 12) ‹De generatione animalium› 1–4; 13) ‹De generatione animalium› 5, ‹De plantis›. Das ‹Kompendium› enthält überhaupt kein Material aus dem ‹Organon›, und es gibt keine Hinweise darauf, dass Nikolaos die logischen Werke des Aristoteles kommentiert hat. Es wäre interessant zu wissen, ob die Reihenfolge der Werke in diesem ‹Kompendium› einer bestimmten Ausgabe von Aristoteles’ Werken folgt. Jedenfalls gibt es einige Eigenheiten: Die ‹Metaphysik› kommt nach der ‹Physik›, wie es der Titel verlangt. ‹De anima› steht nicht am Anfang der biologischen Schriften, sondern zwischen ‹De partibus animalium› und ‹De generatione animalium›. Die Abfolge ‹De caelo›, ‹De generatione et corruptione›, ‹Meteorologica› zeigt keine offensichtlichen Unregelmäßigkeiten (abgesehen von einer kleinen Verwechslung im Titel von Abschnitt 5 im syrischen Text). Es gibt weiteres syrisches Material aus Nikolaos’ ‹Kompendium› zur ‹Meteorologie› in Barhebraeus’ Werk ‹Buch des Leuchters des Allerheiligsten›, Buch 1 und (ohne Namen) Buch 2. Das ursprüngliche ‹Kompendium› muss weitere Teile umfasst haben, wie ‹De motu animalium›, das von Averroes erwähnt wird. Diese wurden entweder nicht in den Auszug oder die gekürzte Fassung aus Cambridge aufgenommen oder gingen in letzterer wegen der Beschädigung des Manuskripts verloren.
‹De plantis› ‹Über die Pflanzen› Die Abhandlung ‹De plantis›, die als ganzes Werk erhalten ist, hat ursprünglich sehr wahrscheinlich zum ‹Kompendium› gehört, war da neben aber auch separat im Umlauf. Drossaart Lulofs, Poortman 1957 [*316] erarbeitete die maßgebliche, fünfsprachige Ausgabe des Texts und einen ausführlichen Kommentar. Er bewies die Autorschaft des Nikolaos und erwies als Quellen die verlorene aristotelische Abhandlung ‹De plantis› und, vornehmlich, die noch vorhandenen Werke des Theophrast sowie einige hellenistische Quellen, die heute verloren sind. Herzhoff 2006 [*330] hat dagegen die Meinung vertreten, dass in Nikolaos’ Auszug aus ‹De plantis› aristotelisches Material überwiege. Das Werk umfasst zwei Bücher. Das erste behandelt Pflanzen als eine Art von Lebewesen (Kap. 1), das Problem des Geschlechtsunterschieds im Bereich der Pflanzen (Kap. 2), die Morphologie der Pflanzen (Kap. 3–5), Samen, Pflanze, Frucht
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(Kap. 6), natürliche und künstlich herbeigeführte Veränderungen der Pflanzen und Klassifikation der Pflanzen (Kap. 7). Das zweite Buch behandelt besondere Charakteristiken der Pflanzen im Vergleich zu Tieren (Kap. 1), Umweltfaktoren wie Erdbeben, Steine, Sand und Wasser (Kap. 2), Wildpflanzen in Wasser, Schnee und Bergen (Kap. 3–5), natürliche Bedingungen des Pflanzenlebens (Kap. 6), Bäume, Blätter, Früchte, Laub und dessen Farben (Kap. 7–9) und Reifeprozess der Frucht (Kap. 10).
‹Universalgeschichte› Die ‹Universalgeschichte› umfasste 144 Bücher. Sie ist verloren, die Fragmente sind gesammelt in FGrH II A, 90 F 1–102 (zur Charakterisierung des Werks vgl. FGrH II C 230–235, Moraux 1973 [*23: 447]).
Περὶ θεῶν ‹Über die Götter› Verloren, erwähnt bei Simplikios (In Phys. 23,14ff. 149,18 Diels).
Περὶ τοῦ παντός ‹Über den Kosmos› Verloren, erwähnt bei Simplikios (In Cael. 3,28f. Heiberg = T1 Drossaart Lulofs) als ein Werk, in dem «alle Dinge im Kosmos nach Arten geordnet erörtert werden». Auf der Grundlage dieser Beschreibung wurde es von Bergk 1882 [*322] mit dem ps.-aristotelischen ‹De mundo› identifiziert (zur früheren Geschichte dieser Identifikation vgl. Moraux 1973 [*23: 463f.], aber diese Hypothese hat heute keine Anhänger mehr).
Περὶ τῶν ἐν τοῖς πρακτικοῖς καλῶν ‹Über das, was beim Handeln angemessen ist› Bei Simplikios erwähnt (In Ench. 346,15f. Hadot = T2 Drossaart Lulofs), der keine genauen Informationen dazu gibt (außer, dass das Werk massig und unklar sei). Eine aus dem Griechischen übersetzte Abhandlung über Ethik wird im Ms. Fez dem Nikolaos zugeschrieben (wobei der Kompilator bemerkt, dass der griechische Text keinen Autorennamen trage), vgl. Lyons 1960/61 [*323].
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§ 30. Nikolaos von Damaskus (Bibl. 437)
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‹Widerlegung derjenigen, die behaupten, der Intellekt sei identisch mit dem Intelligiblen› Dem Nikolaos in der arabischen Tradition zu geschrieben (Ibn an-Nadīm ‹Kitāb al-Fihrist› 254,1–4 Flügel).
3. LEHRE
1. Metaphysik als Theologie. – 2. Seelenlehre.
Die Textgrundlage ist bei Nikolaos von Damaskus notwendigerweise begrenzt. Die Fragmente, die bei Simplikios stehen, sind bei weitem zu knapp, um einen größeren Lehrgehalt übermitteln zu können. Und was das syrische Kompendium anbelangt, ist es selbst das Werk eines Epitomators und übergeht deshalb eine gewisse Menge an Material. Trotzdem vermag das, was zur Verfügung steht, einige unschätzbare Einblicke in Nikolaos’ Darstellungsweisen und zum Teil auch in seine inhaltlichen Vorlieben zu gewähren. 1. Metaphysik als Theologie Im Allgemeinen wirkt Nikolaos als ein sehr geradliniger und orthodoxer Ausleger der aristotelischen Lehren. Es gibt in seinem Kompendium keine Spuren von Einflüssen anderer philosophischer Schulen und auch keine Anspielungen auf solche, und er akzeptiert ohne Diskussion Aristoteles’ Ansichten, die von anderen Kommentatoren als umstritten betrachtet werden. Trotzdem hat er gewisse eigene Ansichten, wie das Material geordnet werden sollte, und wahrscheinlich war er zu diesen Ansichten nicht nur durch editorische Anliegen gekommen. So berichtet Averroes, dass Nikolaos die Darstellungsweise, die Aristoteles in der ‹Physik› braucht, nämlich auf die Darstellung eines Problems unmittelbar dessen Besprechung folgen zu lassen, der in der ‹Metaphysik› gebrauchten Methode vorzieht, wo es Listen von Problemen gibt, die im Text von den Listen der Lösungen getrennt sind, wie im Fall von ‹Metaphysik› 3 und 4 (vgl. Drossaart Lulofs 1965 [*315: 33f.]). Nikolaos macht es nichts aus, den aristotelischen Text bei Bedarf auseinanderzutrennen und zusammenhängende Teile nebeneinanderzustellen, wenn dieses Vorgehen dazu beiträgt, die Beweisführung klarer zu machen. Zum Beispiel ‘zerteilt’ er Aristoteles’ ‘philosophisches Lexikon’ (Metaph. 5) und ‘verbaut’ einzelne Kapitel in der Diskussion der entsprechenden Probleme in der Metaphysik. Es ist einleuchtend, dass eine solche Freiheit in der Darstellung auf einer bestimmten Vorstellung des Lehrgebäudes als Ganzem beruht, sei es auf Nikolaos’ eigener oder einer irgendwoher übernommenen.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
Nikolaos’ Darstellung der Prinzipien zu Beginn von ‹Physik› 1,1 fängt mit einer Reihe von Definitionen der Prinzipien an, die aus dem ganzen Corpus stammen. Ein interessanter Punkt dabei ist, dass die Liste seiner Definitionen der Materie nicht nur Zitate aus Aristoteles enthält, sondern auch die Definition der Materie als erste Materie, was darauf hinweist, dass er sich bei der Vorbereitung seines ‹Kompendiums› nicht nur auf das aristotelische Corpus, sondern auch auf Schultexte stützte, in denen diese Definition bereits geprägt war (Kupreeva 2009 [*153]). In der darauf folgenden Passage betont Nikolaos, dass die Substanz des Alls das höchste Prinzip sei. Diese Behauptung geht nicht aus dem unmittelbaren Kontext von ‹Physik› 1,1 hervor, sondern ist wahrscheinlich bestimmt von Nikolaos’ Philosophieverständnis im Ganzen, zu dem auch eine Vorstellung von der Beziehung zwischen Physik und Metaphysik gehört. In einem anderen Text fasst Nikolaos die Hierarchie der Wissenschaften in ‹Metaphysik› 6 zusammen und weist jeder der drei theoretischen Disziplinen – Physik, Theologie und Mathematik – einen je eigenen Bereich des Kosmos zu (fr. 5 Drossaart Lulofs). Diese Zuweisung wird von einem Bericht des Averroes bestätigt, wonach Nikolaos die Ansicht vertreten habe, das Wissen, das Gott am meisten zukommt, sei das angemessenste Erkenntnisobjekt der ersten Philosophie (fr. 26 Drossaart Lulofs). 2. Seelenlehre Bei Porphyrios ist ein langer Bericht von Nikolaos’ Diskussion der Frage, ob die Seele Teile oder Kräfte habe, überliefert (Stob. Ecl. 1,49,25a, I,353,12ff. Wachsmuth). Nikolaos zufolge sind die Teile der Seele nicht «quantitativ» (κατὰ τὸ ποσόν), sondern «qualitativ» (κατὰ τὸ ποιόν) zu verstehen. Quantitativ aufgefasste Teile nämlich «füllen» das Ganze «auf», während Teile im qualitativen Sinn vergleichbar den Teilen der Kunst zum Gesamten beitragen. Nikolaos macht aber auch auf einen Unterschied aufmerksam: Während eine Kunst auf keinen ihrer Teile verzichten kann, ist jede Seele vollständig. Was unvollständig ist, ist das ganze Lebewesen, wenn es sein naturgemäßes Ziel nicht erreicht hat. So ist das, was eine Seele besitzt, ein Lebewesen, wobei die Seele Ursache und Prinzip verschiedener Kräfte ist: Lebensfunktionen, Wahrnehmung, Denken, Lust. Nikolaos behandelt diese Kräfte als Teile der Seele: Obwohl die Seele als solche nicht in Teile geteilt ist, hindert uns nichts daran, ihr Hervorbringen von Aktivitäten als in Teile geteilt aufzufassen. Wie Moraux 1973 [*23: 481ff.] betont, steht diese Darstellung wahrscheinlich in einem polemischen Kontext gegen eine platonische Ansicht. Letzterer zufolge wird die eigentlich unteilbare Seele bei der Verkörperung teilbar als Folge der Teilbarkeit des Körpers (Stob. Ecl. 1,49,25a, I,353,1–11 Wachsmuth). Der Titel ‹Widerlegung derjenigen, die behaupten, der Intellekt sei identisch mit dem Intelligiblen› deutet darauf hin, dass Nikolaos an der Problematik von Aristoteles’ ‹De anima› 3,5 und an Diskussionen rund um die Theorie des Intellekts interessiert war. Averroes zählt Nikolaos zusammen mit Theophrast und Themistios zu jenen, die eine richtige Ansicht der Natur des materiellen Intellekts haben, im Gegensatz zur Ansicht des Alexander von Aphrodisias.
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§ 30. Nikolaos von Damaskus (Bibl. 437)
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4. NACHWIRKUNG
Nikolaos’ Werke waren späteren griechischen Philosophen, die Kommentare zu Aristoteles verfassten, bekannt. Er wird von Porphyrios und Simplikios zitiert. Seine Ansicht von der Seele als Ganzem, das aus Kräften besteht, nimmt Boethius in ‹De divisione› 888A auf. Nikolaos’ Kompendium wurde ins Syrische übersetzt (der Text von Cambridge stammt aus einer Epitome dieser Übersetzung). Diese Übersetzung hatte eine dauerhafte Wirkung auf die syrische Tradition bis weit ins 14. Jahrhundert. Barhebraeus’ ‹Buch des Leuchters des Allerheiligsten› beinhaltet eine Anzahl von Zitaten aus Nikolaos und einige Textparallelen zum Fragment der ‹Meteorologie› im Manuskript in Cambridge (vgl. Drossaart Lulofs 1957 [*314] und Takahashi 2002 [*327: 219–228]). Ebenso gibt es in seinem Werk ‹Sahne der Weisheit› einige Passagen, die mit verschiedenen Teilen des Cambridge Corpus übereinstimmen (im Zusammenhang mit Meteorologie, Physik, Metaphysik, vgl. Zonta 2001 [*326]). Die arabische Tradition scheint früh Zugang zum ‹Kompendium› gehabt zu haben (Ḥunains Übersetzung von ‹De plantis› ist ins 10. Jahrhundert zu datieren). Der ‹Fihrist› erwähnt 19 Bücher ‹Über Lebewesen›, die Nikolaos zugeschrieben werden. Takahashi 2004 [*328: 38f.] vertritt die Ansicht, dass die arabische Version von Olympiodoros’ Kommentar zur ‹Meteorologie› des Aristoteles eigentlich in weiten Teilen eine Übersetzung der syrischen Übertragung des ‹Kompendiums› ist, in die neben dem Haupttext des Nikolaos auch Material aus Olympiodoros’ ‹Meteorologie›-Kommentar eingeflossen war. Averroes hatte Zugang zu Nikolaos’ Zusammenfassung von ‹Metaphysik› 7, die er benutzte, um Lücken in seinem eigenen, fehlerhaften Exemplar von Aristoteles’ Buch zu füllen. Averroes zitiert Nikolaos auch in seinem großen Kommentar zu ‹De anima›. An einer Stelle verweist er auf Nikolaos’ Zusammenfassung von Aristoteles’ ‹De motu animalium› und betont, dass er keinen Zugang zum Text des aristotelischen Werks habe (Taylor 2009 [*333: 423 und Anm. 341]). An anderer Stelle zählt er Nikolaos zusammen mit Theophrast und Themistios unter die Denker, die eine von Alexander von Aphrodisias ab weichende, aber seiner eigenen näherkommende Interpretation der aristotelischen Theorie des materiellen Intellekts geben (Taylor 2009 [*333: 345 und Anm. 160]). Das Schicksal von ‹Über die Pflanzen›, das ursprünglich ein Teil des ‹Kompendiums› war, ist das bestdokumentierte Beispiel für den Einfluss von Nikolaos’ Werk in der Spätantike und im Mittelalter. ‹Über die Pflanzen› wurde von Ḥunain ibn Isḥāq ins Arabische übersetzt. Diese Übersetzung wurde in das arabische ‹Compendium Alexandrinorum› aufgenommen. Weiter gibt es zwei verschiedene hebräische Übersetzungen: eine von Šem Ṭov lbn Falaquera (ca. 1295) auf der Grundlage des arabischen Texts im ‹Compendium Alexandrinorum›, eine andere von Kalonymos ben Kalonymos (ca. 1312), ausgehend von Ḥunains Version. Um 1200 erstellte Alfred von Sareshel eine lateinische Übersetzung von Ḥunains arabischer Version. Diese Übersetzung war im Mittelalter weit verbreitet (wir kennen zurzeit ca. 160 Kopien) und um 1300 wurde ausgehend von dieser Übersetzung eine Rückübersetzung ins Griechische gemacht. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
§ 31. Beginn der kaiserzeitlichen Kommentierungstradition Inna Kupreeva
1. Sotion. – 2. Anonymus, zur ‹Topik›. – 3. Apollonios von Alexandrien. – 4. Achaikos.
1. Sotion Es besteht keine volle Klarheit über die Identität des Sotion, der von Alexander von Aphrodisias und Simplikios unter den Kommentatoren des aristotelischen ‹Organon› erwähnt wird. Er ist indes nicht identisch mit dem Sotion des 2. Jahrhunderts v. Chr., der eine ‹Abfolge der Philosophen› (Διαδοχαὶ τῶν φιλοσόφων) verfasst hat, die von Diogenes Laertios zitiert wird. Wenn er mit demjenigen Sotion identisch ist, den Plutarch als jüngeren Bruder des peripatetischen Philosophen Apollonios erwähnt (Plut. De frat. am. 16, 487d; vgl. auch unten 3.), hat er im späten 1. Jahrhundert v. Chr. gelebt. Er war nicht vor, sondern sehr wahrscheinlich nach Andronikos und Boethos tätig. Sotions Arbeitsweise ist ein interessantes Beispiel für die Auslegungspraxis der Aristoteles-Kommentatoren nach dem 1. Jahrhundert v. Chr. Simplikios berichtet, Sotion habe zusammen mit Achaikos die «älteren» Kommentatoren der ‹Kategorien› – Boethos, Ariston, Andronikos (die Peripatetiker), Eudoros und Athenodoros – kritisiert, weil diese den Ausdruck ‘πρός τι’ manchmal im Plural und manchmal im Singular verwendet hätten (In Cat. 159,23ff. Kalbfleisch). Diese Nachricht gibt einen Terminus post quem und möglicherweise einen Hinweis auf die Lebenszeit von Sotion und Achaikos, da sie einerseits sicher später lebten als die Kommentatoren, die von ihnen kritisiert werden, und da andererseits der zeitliche Abstand beträchtlich gewesen sein dürfte, wenn Simplikios (oder wahrscheinlicher seine Quelle: Porphyrios) Sotion und Achaikos nicht zur Gruppe der «älteren» Kommentatoren zählt. Der Inhalt von Sotions und Achaikos’ Kritik ist folgender: Eine Relation bedingt immer mehrere Relativbegriffe, wie beispielsweise in den Fällen ‘Vater/Sohn’, ‘halb/doppelt’. Im Gegensatz zu den Kategorien der Substanz oder der Quantität, wo man von den Beispielen im Singular und im Plural sprechen kann, sind die Objekte, die zur Kategorie Relation gehören, deshalb immer im Plural. Von einem Relativbegriff als ‘τὸ πρός τι’ zu sprechen, ist genauso unmöglich wie von «einer gegenseitigen Sache» (τὸ πρὸς ἄλληλα). Sotion und Achaikos behaupten, dass Aristoteles von Relativbegriffen immer im Plural spreche, und zitieren ‹Kategorien› 7 (6b2. 12. 15. 16. 17). Wie Moraux 1984 [*220: 213 Anm. 11] betont, muss ihnen ein anderer Text vorgelegen haben als uns. Bei der scheinbaren Ausnahme οὐ μὴν τοῦτό γε ἐστιν αὐτοῖς τὸ πρός τι εἶναι («für diese ist das Relativ-Sein nicht gerade dieses»: Cat. 7, 8a34) erklären sie, dass τό
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§ 31. Beginn der kaiserzeitlichen Kommentierungstradition (Bibl. 437)
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eher mit εἶναι zusammengehöre als mit πρός τι und somit keine Inkonsistenz vorliege, da sich τό nicht auf einen Relativbegriff beziehe, sondern auf das Relativsein (Porphyrios übrigens stimmt Sotion und Achaikos zu). Diese philologische Pedanterie – so Moraux – erklärt sich aus der Überzeugung, dass Aristoteles, wenn er über Relativbegriffe spricht, sich eher auf die Objekte bezieht als auf die relationalen Charakteristiken dieser Objekte. Bei seiner Diskussion des seman tischen Feldes der Kategorie ‘Relation’ geht es ihm deshalb um Paare von wirk lichen Relata (und in diesem Sinne gibt es kein einzelnes Relatum). Die gleiche Verpflichtung zur logischen Genauigkeit bezeugt die nächste überlieferte Nachricht des Sotion. Diese stammt aus seinem Kommentar zur ‹Topik›. Alexander von Aphrodisias berichtet, dass Sotion Aristoteles kritisiert habe, weil dieser seinem eigenen Prinzip nicht gefolgt sei, wonach in einer Definition interne Wiederholungen vermieden werden sollten, da diese die Stärke einer Definition beeinträchtigen. So kritisiert Aristoteles die Definition von Kühlung als «Privation der naturgemäßen (κατὰ φύσιν) Wärme». ‘Naturgemäß’ ist überflüssig, da jede Privation (wahrscheinlich als eines der drei Prinzipien der Veränderung) etwas Natür liches betrifft (Arist. Top. 6,3, 141a9–14). Aristoteles hält sich laut Sotion aber selbst nicht immer an seine Vorschrift. So definiert er in ‹De somno› Schlaf als «eine gewisse Privation der Wachheit gemäß der Natur» (De somn. 1, 453b26). In den vorhandenen Handschriften von ‹De somno› und in den meisten Handschriften mit Alexanders Kommentar zur ‹Topik› fehlen die Worte «gemäß der Natur», die nur in der Handschrift N und der Aldina-Ausgabe überliefert sind (Moraux 1984 [*220: 214 Anm. 20]); es ist aber offensichtlich, dass sowohl Sotion als auch Alexander von Aphrodisias sich auf einen Text stützen, in dem diese Worte vorkamen. Um Aristoteles gegen Sotions Vorwurf zu verteidigen, fasst Alexander von Aphrodisias den Ausdruck «gemäß der Natur» (κατὰ φύσιν) in den beiden Beispielen unterschiedlich auf: Jede Privation geschieht von etwas, das naturgemäß ist, aber nicht jede Privation selbst geschieht auf naturgemäße Weise. So verletzt Aristoteles in ‹De somno› sein in der ‹Topik› aufgestelltes Prinzip nicht: Schlaf ist eine Privation, die auf naturgemäße Weise geschieht (Alex. Aphr. In Top. 434,3–6 Wallies). Moraux 1984 [*220: 214] bemerkt wiederum die philologische Ausrichtung von Sotions Unter suchung und beobachtet, dass dieser bei seiner Textauslegung volle Konsistenz innerhalb des ganzen aristotelischen Corpus erwartet und nicht zögert, Aristoteles zu kritisieren, wenn sich diese Erwartung beim Textstudium nicht bewahrheitet. So findet Sotion in unserem Fall beim Kommentieren der ‹Topik› – so ist es anzunehmen – ein Gegenbeispiel zu einem Prinzip, das in einem anderen Text, der aus einem völlig verschiedenen Teil des aristotelischen Corpus stammt, besprochen ist. Schließlich dürfte es von einiger Bedeutung sein, dass Alexander Sotions Einwand ernst nimmt und mit einer technischen Lösung auf das Problem eingeht. 2. Anonymus, zur ‹Topik› Ein kurzes Fragment eines anonymen Kommentars zur ‹Topik› ist in einem Fayūm-Papyrus aus Harīt überliefert (British Museum, Inv. No. 815), der auf das
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
Ende des 1. oder auf die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. datiert werden kann (Moraux 1984 [*220: 215]). Das Fragment beinhaltet einen fortlaufenden Kommentar zu ‹Topik› 2, 109a34f. (1. Kolumne), 109b4–9 (2. Kolumne) und 109b9–15 (3. Kolumne; vgl. Moraux 1984 [*220: 215 Anm. 22]). Der Kommentator zitiert in einem kurzen Lemma den Text des Aristoteles und gibt einen etwa gleich langen Kommentar mit einer ganz knappen Erklärung des Texts. Moraux 1984 [*220: 216] stellt diesem Kommentar fortgeschrittenere Kommentare gegenüber, die in derselben Zeit entstanden wie der Kommentar des Sotion und der sogar noch frühere Kommentar zu den ‹Kategorien› von Boethos.
3. Apollonios von Alexandrien Apollonios von Alexandrien könnte Apollonios der Peripatetiker sein, von dem Plutarch in seinem nach 96 n. Chr. geschriebenen Werk als von einem der «jüngeren Philosophen» spricht (De frat. am. 16, 487d). Sein Kommentar zu den ‹Kategorien› wird nur einmal von Simplikios zitiert, und zwar bei der Diskussion von Aristoteles’ Argument in ‹Kategorien› 7 (6b28–7a30), wonach alle Relationen umkehrbar sind: Der Sklave ist Sklave eines Herrn, und der Herr ist Herr eines Sklaven. Problematische Fälle wie ‘der Flügel ist Flügel eines Vogels’, wo es sonderbar wäre zu sagen, dass der Vogel in umkehrbarer Weise ein Korrelat wäre, können gerettet werden, indem man einen passenden Ausdruck einsetzt, der die Natur der Relation widerspiegelt: Man sollte nicht vom Flügel eines Vogels, sondern eines «mit Flügeln Versehenen» (πτερωτόν) sprechen, da es Flügel gibt, die nicht zu Vögeln gehören, und entsprechend statt vom Kopf eines Tieres von «einem mit Kopf Versehenen» (κεφαλωτόν), da es viele Tiere gibt, die keinen Kopf haben (Cat. 7, 7a15–18). Apollonios macht dazu eine kritische Bemerkung, indem er darauf hinweist, dass die zwei Beispiele nicht strikt parallel sind: Wenn sie parallel sein sollten, hätte Aristoteles nicht von vielen Tieren, die keinen Kopf haben, sprechen sollen, sondern von vielen Köpfen, die nicht zu Tieren gehören (Simpl. In Cat. 188,16–21 Kalbfleisch). Diese Bemerkung lässt erkennen, dass Apollonios’ Kommentar wohl recht detailliert war und viel Analyse von logischen Einzelheiten enthielt. 4. Achaikos Wenig ist bekannt über die Persönlichkeit von Achaikos, der ein Zeitgenosse des Sotion gewesen sein dürfte, d. h. tätig im 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr., nach Andronikos, Boethos und Eudoros. Er schrieb einen von Simplikios erwähnten Kommentar zu den ‹Kategorien› (Simpl. In Cat. 159,24; 202,5; 203,3; 208,6; 263,28; 269,19 Kalbfleisch). Diogenes Laertios und Clemens von Alexandrien beziehen sich auf sein Werk ‹Ethik› (Ἠθικά: D. L. 6,99; Clem. Alex. Strom. 4,56,2). Wie Sotion argumentierte auch Achaikos dafür, dass der Ausdruck ‘πρός τι’ nur im Plural gebraucht werden sollte (Simpl. In Cat. 159,23–160,11 Kalbfleisch). Achaikos verteidigte auch Aristoteles’ zweite Definition für πρός τι (Cat. 7, 8a31)
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§ 31. Beginn der kaiserzeitlichen Kommentierungstradition (Bibl. 437)
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gegen die Kritik von Andronikos und Ariston, die behaupteten, sie sei zirkulär, weil die Definition einen Verweis auf das zu Definierende einschließe. Achaikos schlug vor, dass das zweite πρός τι, das in der Definition vorkommt, als äquivalent mit πρὸς ὁτιοῦν verstanden werden sollte, so dass die Definition «relativ sind Dinge, deren Sein in einem bestimmten Verhältnis zu etwas anderem besteht» lauten würde, ohne Zirkularität (Simpl. In Cat. 202,5–8; 203,2–4 Kalbfleisch). Moraux 1984 [*220: 218 Anm. 32] weist darauf hin, dass dieselbe Formulierung auch bei Porphyrios (In Cat. 125,19–22 Busse) vorkommt, ohne dass Achaikos genannt wird. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Tradition der frühen Kommentatoren überall in den späteren Kommentaren vorhanden ist. Bei Simplikios findet sich auch eine Nachricht von Achaikos’ Ansicht zur Klassifikation von Qualitäten, die bei den Kommentatoren oft behandelt wird. In ‹Kategorien› 8 unterscheidet Aristoteles vier Arten von Qualität: 1) Zustände und Dispositionen (8b27–9a13); 2) natürliche Fähigkeit oder Unfähigkeit (9a14–28); 3) passivische Qualitäten oder Affekte (9a29–10a10); und 4) Gestalt und äußere Form einer Sache (10a11–26). Der Bereich dieser letzten Klasse ist etwas problematisch, da Aristoteles in seiner Darstellung die Eigenschaften ‘locker’, ‘dicht’, ‘rauh’ und ‘glatt’ ausschließt, die, wie er sagt, «der Klassifikation der Qualitäten fremd zu sein scheinen», da es bei ihnen auf die Art und Weise ankommt, wie ihre jeweiligen Bestandteile zueinander positioniert sind (10a17–20). Unmittelbar folgend spricht er von der Möglichkeit einer fünften Art von Qualität (10a25–26). Einige Kommentatoren (Eudoros, Andronikos) versuchten, die Eigenschaften «Feinheit» (λεπτότης) und «Dichte» (παχύτης) als jene fünfte Klasse zu konstruieren oder sie auf die dritte Klasse der passiven Qualitäten zurückzuführen. Achaikos steht diesen Versuchen kritisch gegenüber und versteht diese Eigenschaften als genuin zugehörig zur vierten Klasse, wobei seine Argumentation nicht überliefert ist (Simpl. In Cat. 263,28f.; 269,19–23 Kalbfleisch). Laut Simplikios will er in die fünfte von Aristoteles erwähnte Klasse einige Eigenschaften einordnen, die in Gen. et corr. als elementare Qualitäten diskutiert werden, insbesondere ‘leicht’ und ‘schwer’ (vgl. Arist. Gen. et corr. 2,2; Achaikos apud Simpl. In Cat. 263,29–32 Kalbfleisch). Obwohl nur wenig Material zur Verfügung steht, lässt sich doch sagen, dass die frühen Kommentatoren der nach-andronikischen Generation die Kunst des Kommentierens zu sehr großer Feinheit entwickelten und bei ihren Auslegungen der umfassenden Konsistenz der aristotelischen Lehren, die in verschiedenen Teilen seines Corpus oder an verschiedenen Stellen desselben Werks dargelegt wurden, große Priorität einräumten, ebenso, dass im Falle einer Zeile-für-Zeile-Kommentierung auf die logische Konsistenz zwischen einzelnen Ausdrücken Wert gelegt wurde. Viele dieser Charakteristiken werden später in entwickelter Form in den Kommentaren des 2. Jahrhunderts vorhanden sein. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
§ 32. Alexander von Aigai Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Traditionell wurde die Lebenszeit für Alexander von Aigai – Hauptschaffenszeit nach 49 n. Chr. – aus dem entsprechenden Eintrag in der ‹Suda› (I,104,17–26 Adler) abgeleitet: «Ein peripatetischer Philosoph, zusammen mit dem Philosophen Chairemon Lehrer von Kaiser Nero. Er hatte einen Sohn namens Caelius. Nero nannte er ‘mit Blut vermischten Kot’ (πηλὸν αἵματι πεφυρμένον). Die Lehrer von schlechten Schülern sind, wie ich glaube, selber noch schlechter, denn Tugend ist lehrbar und Schlechtigkeit kann man sich antrainieren» (vgl. Moraux 1984 [*220: 222], Sharples 2010 [*43: 1S]). Sueton allerdings schreibt das Urteil über Nero dessen Rhetoriklehrer Theodoros von Gadara zu (Suet. Tib. 57; für diese Zuschreibung auch Rashed 2003 [*354]). Rescigno 2004 [*574: 58f.] schlägt vor, die auf der ‹Suda› basierende Chronologie zu überdenken, und stellt die Hypothese auf, dass Aspasios der Schüler von Alexander von Aigai gewesen sein könnte, da auf diese Weise natürlicher erklärt werden kann, wie die Informationen über Alexander von Aigai die Quellen des 2. Jahrhunderts erreichten.
2. WERKE Kommentar zu Aristoteles’ ‹Kategorien› Der Kommentar wird von Simplikios zweimal erwähnt, beide Male zusammen mit Alexander von Aphrodisias, der möglicherweise seine Quelle für diese Hinweise ist (Simpl. In Cat. 10,19f.; 13,11–18 Kalbfleisch). Dass Simplikios an der zweiten Stelle, an der er sich auf Alexander von Aigai bezieht, diesen in eine Reihe stellt mit den Autoren der detaillierteren und einflussreicheren Kommentare, könnte darauf hindeuten, dass der Kommentar dieses Alexanders ebenso detailliert und ausführlich war: «Dies ist die Meinung der beiden Alexander, des Herminos, Boethos und des Porphyrios, und auch der göttliche Iamblichos
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stimmt dafür und Syrianos bringt Klarheit und meine Lehrer [sc. Ammonios und Damaskios] übernehmen es.» Allerdings gibt es keinen Hinweis auf den Kommentar des Alexander von Aigai in Simplikios’ Übersicht über frühere Kommentare im Proömium, so dass er davon nur aus zweiter Hand zu wissen scheint.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹De caelo› Der einzige Hinweis auf einen ‹De caelo›Kommentar des Alexander von Aigai kommt von Simplikios, der selbst aus einem verlorenen Kommentar des Alexander von Aphrodisias schöpft
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§ 32. Alexander von Aigai (Bibl. 438)
(Simpl. In Cael. 430,29–32 Heiberg). Da der Hinweis aber mit einem sehr spezifischen Auslegungsproblem zu ‹De caelo› 2,6, 288b22–27 in Zu sammenhang steht, darf man annehmen, dass Alexander von Aigai ‹De caelo› in irgendeiner Form kommentiert hat. Rescigno 2004 [*574: 58] hat vorgeschlagen, dass Herminos die Quelle des Alexander von Aphrodisias für Alexander von Aigai gewesen sein könnte. Herminos könnte diese Informationen wiederum von Aspasios erhalten haben, der zusammen mit Alexander von Aigai studiert haben könnte.
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Kommentar zu Aristoteles’ ‹Meteorologie› (?) Ideler 1834 [*345: I XVI–XVIII und passim] bemerkte als Erster, dass die Zitate aus Alexander im ‹Meteorologie›-Kommentar des Olympiodoros nicht mit den entsprechenden Passagen in dem Alexander von Aphrodisias zugeschriebenen Kommentar, der erhalten ist, übereinstimmen. Er vertrat deshalb die Meinung, dass der Autor des erhaltenen Kommentars nicht Alexander von Aphrodisias, sondern Alexander von Aigai sei. Diese Ansicht fand aber kaum Zustimmung (vgl. Stüve 1900 [*346: VIII–IX], Capelle 1911 [*353], Shar ples 1987 [*812: 1184] sowie unten § 35. und § 39.).
3. LEHRE
1. Logik. – 2. Kosmologie.
1. Logik Simplikios erwähnt Alexander zweimal und teilt mit, dass dessen Ansicht mit derjenigen von Alexander von Aphrodisias übereinstimme, sowohl was das Ziel der ‹Kategorien› betrifft (Simpl. In Cat. 10,19f. Kalbfleisch), als auch beim Thema der Logik im Allgemeinen (Simpl. In. Cat. 13,11–18 Kalbfleisch). Im Hinblick auf das Ziel der Abhandlung ist Alexander der Ansicht, dass Aristoteles, um anzugeben, was für Arten von «Gedankeninhalten» (νοήματα) mit den ersten und grundlegendsten Elementen des Sprechens gemeint sind, das Seiende in zehn höchste Gattungen unterteilt hat, die er ‘Kategorien’ nennt. Diese höchsten Gattungen werden von anderen Dingen ausgesagt, ohne selbst Substrat von etwas zu sein. Die Abhandlung hat also mit einfachen, allgemeinen Bestandteilen der Rede zu tun, die einfache Dinge und entsprechende Gedankeninhalte bezeichnen (Simpl. In Cat. 10,8–19 Kalbfleisch). Moraux 1984 [*220: 223] bemerkt richtig, dass Alexander eine fortgeschrittenere Ansicht vom Ziel der Schrift hat, im Vergleich zu einfacheren Theorien, die als Objekt der Kategorien entweder die einfachen Wörter oder die einfachen Arten des Seienden oder einfache Begriffe angaben. In seiner eigenen Lösung des Problems suchte Alexander nach einer Formulierung, die eine angemessene Darstellung aller dieser drei Aspekte ermöglichte. Dem ist hinzuzufügen, dass diese Art von Lösung die Kenntnis von zumindest einigen dieser früheren Theorien voraussetzt.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
2. Kosmologie Bei Simplikios ist eine Nachricht über Alexanders Diskussion des aristotelischen Arguments für die Regelmäßigkeit und konstante Geschwindigkeit der Himmelsbewegung überliefert (Arist. Cael. 2,6, 288b22–27). Alexander von Aigai verstand Aristoteles’ Argument so, dass dieser behauptet, es sei unmöglich, eine unregelmäßige Bewegung einzuführen, da eine Verlangsamung der Himmelsbewegung infolge eines gewissen Kraftverlusts des ersten Bewegers unendlich wäre. Aristoteles hatte keine Erklärung dafür gegeben, weshalb die Verlangsamung unendlich sein müsste, aber Alexander bot eine solche. Simplikios berichtet: «Die vorher genannte Erklärung aber, wonach die Verlangsamung notwendigerweise unendlich sein müsse, weil es nichts gebe, das die Kraft des ersten Bewegers wiederherstellen und den Kraftverlust ausgleichen könnte, schreibt er [sc. Alexander von Aphrodisias] Alexander von Aigai zu» (Simpl. In Cael. 430,27–32 Heiberg = fr. 154 Rescigno [teilweise]). Aristoteles sagt nichts über Beschleunigung, aber das könnte sich dadurch erklären, dass die Beschleunigung, als eine Art von «Kraft» (δύναμις) und weniger von «Kraftverlust» (ἀδυναμία), der Verlangsamung überlegen sein muss; wenn nun letztere aufgrund des obigen Arguments unendlich sein muss, müsste die Beschleunigung wegen des Prinzips des Überlegenseins ‘a fortiori’ ebenfalls unendlich sein (Simpl. In Cael. 430,12–21 Heiberg). Wie Rescigno 2004 [*574: 58– 61] zeigt, wurde diese Erklärung von späteren Kommentatoren des Texts, Aspasios und Herminos, in ihren an diese Interpretation des aristotelischen Arguments anschließenden Ausführungen übernommen. Es zeigt sich, dass sich Alexander von Aigai tiefgehend mit dem aristotelischen Text beschäftigt hat, und auch, dass bereits Alexander von Aphrodisias sein Werk durch vermittelnde Quellen gekannt hat. Rescigno vermutet, dass der Kommentar in mündlicher Form in Seminaren vorgetragen worden war, an denen Aspasios anwesend gewesen sein könnte. 4. NACHWIRKUNG
Der Kommentar des Alexander von Aigai zu den ‹Kategorien› des Aristoteles lag Alexander von Aphrodisias sicher vor. Es ist aufgrund des Verweises auf «beide Alexander» (οἱ Ἀλέξανδροι) bei Simplikios nicht unmöglich, dass er auch Simplikios noch zur Verfügung stand (Simpl. In Cael. 13,16 Heiberg). Alexanders Erklärung des Abschnitts aus ‹De caelo› 2,6 (288b22–27) scheint von den zwei nachfolgenden Kommentatoren Aspasios und Herminos übernommen worden zu sein (Simpl. In Cael. 430,33–36 Heiberg; vgl. Alexander apud Simpl. In Cael. 430,15–18. 29f. Heiberg). Da Alexander von Aigai von Simplikios nur einmal, und zwar aus dem Kommentar von Alexander von Aphrodisias, zitiert wird, ist es schwierig, dafür zu argumentieren, dass ihm der ‹De caelo›Kommentar noch vorlag. Rescigno 2004 [*574: 59–61] vertritt die Meinung, dass sowohl Alexander von Aphrodisias als auch Herminos ihr Wissen über den ‹De caelo›-Kommentar des Aigaiers Aspasios verdanken. Im Fall der ‹Kategorien› ist diese Argumentation schwieriger zu verteidigen, da es bei Simplikios keine Nach-
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§ 33. Aspasios (Bibl. 438)
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richten über Aspasios’ Kommentar gibt und Alexander von Aigai beide Male in engem Zusammenhang mit Alexander von Aphrodisias genannt wird. Es ist deshalb besser, in beiden Fällen – für ‹De caelo› und die ‹Kategorien› – Alexander von Aphrodisias als Quelle für Simplikios’ Information über Alexander von Aigai anzunehmen, auch wenn eine Vermittlerrolle des Herminos nicht ausgeschlossen ist. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 33. Aspasios Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Aspasios’ Hauptschaffensperiode kann aufgrund einer Nachricht von Galen auf die Zeit kurz vor oder um 143/44 n. Chr. festgelegt werden: «Um diese Zeit (ca. 143/44) kehrte ein anderer unserer Mitbürger von einem langen Aufenthalt in der Fremde zurück, ein Schüler des Peripatetikers Aspasios, und nach ihm ein anderer aus Athen, ein Epikureer. Meinetwegen prüfte mein Vater die Lebensweise und Lehren all dieser, indem er mit mir zu ihnen ging» (Aff. dig. V,41,17–42,4 K = 5,4, I,1,19–28 CMG). Aspasios ist nach dem Platoniker Eudoros von Alexandrien (1. Hälfte des 1. Jh.s), da er eine Änderung erwähnt, die Eudoros am Text der ‹Metaphysik› vorgenommen hat (apud Alex. Aphr. In Metaph. 59,6–8 Hayduck), und ebenfalls nach Alexander von Aigai anzusetzen, da er offensichtlich dessen Interpretation von ‹De caelo› 2,6 übernommen hat. Alexander von Aphrodisias wiederum berichtet, dass er eine von Herminos in einem Seminar vorgetragene Erklärung auch im ‹De caelo›-Kommentar des Aspasios gefunden habe (Alex. Aphr. apud Simpl. In Cael. 430,32–431,11 Heiberg; für eine Diskussion der Chronologie vgl. Barnes 1999 [*373]).
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
2. WERKE
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Kategorien› Der einzige Hinweis für die Existenz eines solchen Kommentars findet sich bei Galen, der den Kommentar, zusammen mit demjenigen des Ad rastos, in ‹Über meine eigenen Werke› beiläufig erwähnt. Galen stellt die Kommentare der beiden als Einführungswerke dar und kontrastiert sie mit seinem eigenen Kommentar für Fortgeschrittene (den er in seiner Jugend geschrieben hat und der verloren ist; Scr. Min. 118,17–119,2 Mueller). Bemerkenswerterweise erwähnt Simplikios in seinem ausführlichen Bericht über frühere Kommentare im Proömium seines eigenen ‹Kategorien›-Kommentars weder Aspasios noch Adrastos. Weiter gibt es keinen einzigen Hinweis auf Aspasios in den späteren griechischen Kommentaren zu den ‹Kategorien›. Moraux 1984 [*220: 228–230] erwägt zwei mögliche Erklärungen für diese Tatsache: 1) Aspasios’ Kommentar war mehr ein führender Art, was Galen ja tatsächlich betont, und wenn Simplikios über «einige Kommentare» spricht, «die das Thema behandeln, ohne groß in die Tiefe zu gehen», seien mit den «anderen dieser Art» Aspasios und Adrastos gemeint (ἄλλοι δὲ πρὸς τούτοις καὶ ζητημάτων ἐφήψαντο μετρίως, ὡς ὁ Ἀφροδισιεὺς Ἀλέξανδρος καὶ Ἑρμῖνος καὶ ὅσοι τοιούτοι: Simpl. In Cat. 1,13f. Kalbfleisch); 2) Galen irrt sich oder seine Aussage bezieht sich nicht speziell auf den ‹Kategorien›-Kommentar, sondern auf das allgemeine Niveau der Kommentare von Aspasios, ohne dass es einen ‹Katego rien›-Kommentar gegeben hätte. Moraux bevorzugt erstere Erklärung.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹De inter pretatione› Alle Zeugnisse zu Aspasios’ ‹De interpreta tione›-Kommentar finden sich in den zwei Fassungen von Boethius’ Kommentar zu diesem Werk. Boethius’ Hauptquelle ist Porphyrios, von dem man nicht weiß, ob ihm Aspasios’ Kommentar noch vorlag oder nicht. So gut wie alle Nachrichten über Aspasios stehen in Verbindung mit solchen über Alexander von Aphrodisias (obwohl Porphyrios in der ‹Vita Plotini› 14 erwähnt, dass Aspasios’ Werke in Plotins Kreis studiert wurden). Aspasios glaubte, das Thema der Abhandlung sei eher die «Aussage» (oratio, λόγος) als deren Be-
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standteile Nomen und Verb (Boeth. In Int. 1, II,10,4–14 Meiser). Aspasios benutzte in seinem Kommentar neben der grundlegenden Auslegung von Aristoteles’ Text auch die Methode von ‘Problem und Lösung’ (ἀπορία καὶ λύσις; vgl. Boeth. In Int. 1, II,74,31–33 Meiser).
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Physik› Die meisten Informationen über Aspasios’ verlorenen Kommentar zur ‹Physik› stammen von Simplikios, der allerdings keinen direkten Zugang dazu gehabt zu haben scheint, sondern aus dem Kommentar des Alexander von Aphrodisias zitiert, der ebenfalls verloren ist. Obwohl das meiste auf diesem Weg überlieferte Material mit Fragen der Textkritik zu tun hat, bemerkt Moraux 1984 [*220: 238] zu Recht, dass Alexander wahrscheinlich in sehr viel größerem Umfang von Aspasios abhängig ist, als er zugibt. Moraux betont auch, dass der von Aspasios benutzte Text der ‹Physik› wesentlich schlechter ist als der uns durch die byzantinische Tradition überlieferte. Das vermittelt einen wertvollen Eindruck von der Art der Editionstätigkeit in der frühen Kaiserzeit: Man kann von einem gewissen Maß an Willkür bei editorischen Entscheidungen in der Zeit des Andronikos ausgehen. Eine kleine Auswahl von Beispielen, die bei Moraux abgedruckt ist, zeigt einige aussagekräftige Fälle, in denen sich der Text, den Aspasios kommentiert, stark von unserem Standardtext unterscheidet (4,11, 217b7–9 Standardtext: ὁ δὲ χρόνος ἐστὶ τὸ ἀριθμούμενον καὶ οὐχ ᾧ ἀριθμοῦμεν· ἔστι δ’ ἕτερον ᾧ ἀριθμοῦμεν καὶ τὸ ἀριθμούμενον. Αspasios: ὁ δὲ χρόνος ἐστίν οὐχ ὁ ἀριθμούμενος, ἀλλ’ ᾧ ἀριθμοῦμεν· ἔστι δὲ ἕτερον οὐχ ᾧ ἀριθμοῦμεν, ἀλλὰ τὸ ἀριθμούμενον; vgl. Moraux 1984 [*220: 239]).
Kommentar zu Aristoteles’ ‹De caelo› Es gibt nur zwei Verweise auf Aspasios’ Diskussion von ‹De caelo› bei Simplikios, vermittelt durch Alexander von Aphrodisias. Ob Aspasios einen vollständigen Kommentar zu ‹De caelo› verfasst hat oder ob es sich um eine kürzere Schrift handelte, die einigen besonderen Problemen gewidmet war, ist unmöglich zu bestimmen. Einer der Verweise hat mit dem Verständnis von Aristoteles’ Argument in ‹De caelo› 2,6, 288b22–27 zu
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tun, der andere zitiert als ein Beispiel für «begrenzte Prinzipien» (πεπερασμέναι ἀρχαί: Cael. 3,4, 302b29f. kommentierend) die «fünf Postulate» (τὰ πέντε αἰτήματα; gemeint sind die fünf Postulate des Euklid) als Prinzipien, die durch die Quantität oder Zahl definiert seien (apud Simpl. In Cael. 607,5–7 Heiberg). Die Art dieser Verweise deutet darauf hin, dass es sich um einen fortlaufenden Kommentar zum ganzen aristotelischen Werk gehandelt hat (gegen Moraux 1984 [*220: 240], der argumentiert, dass Alexander, wenn er einen solchen Kommentar gekannt hätte, diesen häufiger zitiert hätte).
Kommentar zu Aristoteles’ ‹De sensu› Der einzige Hinweis darauf, dass Aspasios ‹De sensu› kommentiert hat, stammt aus dem Kommentar von Alexander von Aphrodisias, der von einer Variante in der von Aspasios benutzten Textversion berichtet: In 436b17, wo Alexander die Lesart ὁ χυμός ἐστι τοῦ γευστικοῦ μορίου πάθος («der Geschmack ist die Affektion des kostenden Teils») hat, steht in Aspasios’ Text θρεπτικοῦ («nährend») an Stelle von γευστικοῦ («kostend»). Alexander behauptet, er kenne eine dritte, zusammengesetzte Lesart, die beide Wörter im Text habe (Alex. Aphr. In Sens. 9,24–10,6 Wendland).
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Metaphysik› Alexander von Aphrodisias weist in seinem ‹Metaphysik›-Kommentar dreimal auf Aspasios hin, wobei es sich sehr wahrscheinlich um Verweise auf Aspasios’ ‹Metaphysik›-Kommentar handelt. Der erste Hinweis betrifft Aspasios’ Diskussion von Aristoteles’ Bericht über die Pythagoreer in ‹Metaphysik› 1,5, wo Aristoteles sagt, dass die Pythagoreer die Zahl als ein Prinzip im Sinne von «Materie» (ὕλη), von «Affektionen» (πάθη) und von «Zuständen» (ἕξεις) des Seienden auffassen. Aspasios ergänzt, dass unbestimmte Zahlen der Materie, gerade Zahlen den Bestimmtheiten und ungerade Zahlen den Zuständen entsprechen (Alex. Aphr. In Metaph. 41,21–28 Hayduck). Der zweite Verweis auf Aspasios findet sich bei der Definition des Verschiedenen in ‹Metaphysik› 5: «Verschieden werden die Dinge genannt, die andere sind, aber doch in irgendeiner Weise gleich sind,
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nicht nur der Zahl nach, sondern in der Art, der Gattung oder einer Analogie» (διάφορα λέγεται ὅσ’ ἕτερα ἐστι τὸ αὐτό τι ὄντα, μὴ μόνον ἀριθμῷ, ἀλλ’ ἢ εἴδει ἢ γένει ἢ ἀναλογίᾳ: 1018a12f.). Alexander versteht die Definition so, dass sie den Aspekt des Gleichseins betonen soll, und schlägt deshalb vor, μὴ μόνον als μόνον μὴ aufzufassen: «[…] aber doch in irgendeiner Weise gleich sind, nur nicht in der Zahl, wohl aber in der Art […]». Er berichtet, Aspasios habe den Satz so verstanden, dass sich die numerische Unterscheidung auf das Anderssein und der Rest des Satzes auf das Gleichsein beziehe, als ob er ergänzt hätte: διάφορα λέγεται ὅσ’ ἕτερα ἐστι τὸ αὐτό τι ὄντα, μὴ μόνον ἀριθμῷ [ἕτερα], ἀλλ’ ἢ εἴδει ἢ γένει ἢ ἀναλογίᾳ [τὸ αὐτό]. Moraux 1984 [*220: 248–249] lobt Alexanders Interpretation als einen Fortschritt im Vergleich zu Aspasios, man sollte diesbezüglich indes vorsichtiger sein. Das richtige Verständnis des Satzes scheint dasjenige zu sein, beide Teile der Definition auf ἕτερα zu beziehen, das durch die angefügte Partizipialkonstruktion eingeschränkt wird. Möglicherweise hat Aspasios den Satz so verstanden, während Alexander einen tendenziösen Bericht gibt, um die Betonung auf das Gleichsein legen zu können. Der dritte Hinweis belegt Aspasios’ Interesse an der Geschichte des ‹Metaphysik›-Textes: Alexander berichtet von zwei Lesarten des Satzes in ‹Metaphysik› 1,6, 988a10–11 (Alex. Aphr. In Metaph. 58,31– 59,6 Hayduck), die auch Aspasios schon kannte und deren Quelle dieser zu bestimmen versuchte, wobei er herausfand, dass die zweite Lesart die Korrektur eines Platonikers namens Eudoros war (Alex. Aphr. In Metaph. 59,6–8 Hayduck; über Aspasios’ Metaphysiktext siehe Kotwick 2016 [*884]).
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Nikomachischer Ethik› Aspasios gilt als der erste bekannte Kommentator der ‹Nikomachischen Ethik› des Aristoteles (zu Spekulationen über einen älteren Kommentar des Adrastos von Aphodisias Barnes 1999 [*373: 14–18]). Dies ist auch der einzige Kommentar des Aspasios, von dem substanzielle Teile erhalten sind. Aspasios’ Schrift behandelt die Bücher 1–4, die zweite Hälfte des 7. Buches sowie das 8. Buch der ‹Nikomachischen Ethik› (über mögliche Kommentare zu den anderen Büchern siehe Barnes 1999 [*373: 14–18]).
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
3. LEHRE
1. Sprachphilosophie. – 2. Physik und Kosmologie. – 3. Ethik.
1. Sprachphilosophie Im Zusammenhang mit der Erklärung des konventionellen Charakters der sprachlichen Bezeichnungen stellte Aspasios Aristoteles’ Behauptung aus ‹De interpretatione› 1 (16a3–8) infrage, dass «zwar nicht alle Menschen dieselben Laute haben, aber dieselben seelischen Erfahrungen (παθήματα τῆς ψυχῆς), für welche die Laute Ausdrücke sind, ebenso wie die Dinge, deren Abbilder unsere Erfahrungen sind, gleich sind». Aspasios weist darauf hin, dass diese Behauptung offensichtlich im Widerspruch steht zur Erfahrung, dass die Menschen sehr verschiedene Ansichten des Guten, Gerechten, usw. haben. Als Lösung für diese Schwierigkeit schlägt er vor, «dass Aristoteles nicht bei unkörperlichen [d.h. begrifflichen] Dingen von παθήματα τῆς ψυχῆς gesprochen habe, sondern nur bei sinnlich Wahrnehmbarem» (arbitratur Aristotelem passiones animae non de rebus incorporalibus, sed de his tantum quae sensibus capi possunt passiones animae dixisse: Aspas. apud Boeth. In Int. 1, II,41,13–19 Meiser = Sharples 2010 [*43: 11F]). Moraux 1984 [*220: 232] zufolge meint Aspasios, dass Aristoteles mit den παθήματα τῆς ψυχῆς «nicht völlig unkörperliche, begriffliche Wesenheiten, sondern eher die Eindrücke der Sinneswahrnehmung habe bezeichnen wollen». Ob er damit Aspasios’ Lösung trifft, ist allerdings nicht klar, insbesondere weil eine solche Ansicht überhaupt keine Lösung zu bieten scheint und nur erklärt, weshalb jemand überhaupt Aristoteles’ Behauptung infrage stellen könnte. Es scheint sich eher um einen Teil von Boethius’ Analyse (und daran anschließend seine Widerlegung) der Position des Aspasios zu handeln (vgl. Sharples 2010 [*43: 74]). Aspasios prüft auch Aristoteles’ Behauptung, dass «Verben für sich gesagt Worte sind und etwas bedeuten, da derjenige, der sie ausspricht, den Verstand des Hörers festmacht und der Hörer sich bei ihnen in Ruhe befindet» (Int. 3, 16b19– 21). Er sieht folgende Schwierigkeit: Weder ein Verb noch ein Nomen allein scheint die Wissbegierde der Hörer befriedigen zu können, da beide vervollständigt werden müssen, um eine sinnvolle Information zu geben. Aspasios löst die Schwierigkeit so, dass Aristoteles das Wort ‘Bedeutung’ lediglich brauche, um zwischen bedeutungsvollen Ausdrücken wie ‘Mensch’ und solchen, die an sich überhaupt keine fest umschriebene Bedeutung haben, zu unterscheiden. Boethius gibt kein Beispiel für diese zweite Klasse von Ausdrücken, vielleicht weil er sie in seiner Quelle nicht fand. Bei diesem Fall handelt es sich um ein Beispiel für das Vorgehen nach «Problem und Lösung» (ἀπορία καὶ λύσις: apud Boeth. In Int. 1, II,74,9–31 Meiser). Aspasios’ Verständnis von Logos am Anfang von ‹De interpretatione› 4, wonach Logos sich hier nur auf einfache Aussagen, bestehend aus Subjekt und Prä-
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dikat, beziehe, wird von Boethius als unnötig restriktiv kritisiert (Boeth. In Int. 2, II,87,17–30 Meiser). Weiter unterbreitet Aspasios einen Lösungsvorschlag für das Verhältnis zwischen unbestimmter «Aussage» (ἀπόφανσις) und «bejahendem» oder «verneinendem Urteil» (κατάφασις und ἀπόφασις) in ‹De interpretatione› 6, der später von Alexander von Aphrodisias übernommen wurde. Dieser Lösung entsprechend kann die unbestimmte Aussage nicht die Gattung sein, von der Bejahung oder Negation die Arten wären, sondern ein äquivoker Ausdruck, dessen Bestimmung (manchmal Zustimmung, manchmal Verneinung) durch den Kontext festgelegt wird. Wenn Aristoteles also sagt: «Eine Bejahung ist eine positive Aussage von etwas über etwas, eine Negation eine negative Aussage», meint er damit, dass jede Aussage entweder eine Zustimmung oder eine Verneinung ist, während eine unqualifizierte Aussage ein unbestimmter Ausdruck ist. Möglicherweise gehen einige Argumente, mit denen Alexander diese bei Boethius (In Int. 2, II,119,11– 122,3 Meiser) zitierte Erklärung untermauert, auf Aspasios zurück. Aspasios erwähnt auch als erster der Kommentatoren die beiden Interpreta tionen von Aristoteles’ Behauptung in ‹De interpretatione› 7, dass universelle Urteile, deren Subjekte keine Allgemeinbegriffe sind, nicht konträr zueinander sein können (Int. 7, 17b7f.). Entsprechend der ersten Interpretation können unbestimmte Urteile als universell (in diesem Fall würde ‘Der Mensch ist ein Lebewesen’ bedeuten ‘Alle Menschen sind Lebewesen’) oder partikulär (in diesem Fall würde sich ‘Der Mensch geht’ auf einen bestimmten Menschen beziehen) aufgefasst werden. Gegensätzliche Urteile der ersten Art (‘Alle Menschen sind Lebewesen’ und ‘Kein Mensch ist ein Lebewesen’) sind konträr (d. h. können nicht beide zugleich wahr sein, aber beide zugleich falsch). Gegensätzliche Urteile der zweiten Art (‘Ein Mensch geht’ und ‘Ein Mensch geht nicht’) sind subkonträr (d. h. können beide zugleich wahr sein, aber nicht beide zugleich falsch). Gemäß der zweiten Interpretation meint Aristoteles, dass einige unquantifizierte, verneinende Urteile in ein bejahendes Urteil mit einem konträren Prädikat überführt werden können, zum Beispiel ‘Mensch ist nicht weiß’ kann bedeuten ‘Mensch ist schwarz’, während man andere Urteile nicht in dieser Weise umwandeln kann, wie z. B. ‘Mensch geht nicht’, da es keinen konträren Ausdruck zu ‘gehen’ gibt (Boeth. In Int. 2, II,158,17–159,24 Meiser). Boethius teilt mit, dass Alexander von Aphrodisias die erste Erklärung übernommen habe, während er selbst und Porphyrios die zweite vorzogen. Schließlich hat Aspasios auch eine Stelle aus ‹De interpretatione› 8 kommentiert: «Wenn ein einziges Wort zwei Bedeutungen hat, die sich nicht zu einer kombinieren lassen, so handelt es sich nicht um eine einfache Bejahung. Wenn zum Beispiel jemand sowohl ein Pferd als auch einen Menschen ‘Mantel’ nennen würde, wäre die Aussage ‘Der Mantel ist weiß’ nicht eine einfache Bejahung, noch wäre ihr Gegenteil eine einfache Verneinung. Denn das wäre dasselbe, wie wenn man sagen würde ‘Ein Pferd und ein Mensch sind weiß’, was wiederum dasselbe ist wie ‘Ein Pferd ist weiß’ und ‘Ein Mensch ist weiß’» (Int. 8, 18a18–23). Nach Aspasios’ Interpretation hat eine Aussage mit einem zusammengesetzten Subjekt entweder mehrere Bedeutungen (d. h. sie bedeutet sowohl ‘Ein Mensch ist weiß’
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als auch ‘Ein Pferd ist weiß’) oder überhaupt keine Bedeutung. Diese Ansicht, der gemäß das Einheitskriterium die Einheit der Definition ist, wird von Alexander von Aphrodisias und Porphyrios übernommen (Boeth. In Int. 2, II,183,21f. Meiser), ebenso von Ammonios (In Int. 127,21–33 Busse), während Herminos eine andere Lösung hat (In Int. 2, II,183,7–20 et infra Meiser). 2. Physik und Kosmologie Über Aspasios’ Diskussion des aristotelischen Arguments für die Regelmäßigkeit der Himmelsbewegung (Cael. 2,6) berichtet Alexander von Aphrodisias, sein Lehrer Herminos habe Aspasios’ Interpretation dieser Passage übernommen (apud Simpl. In Cael. 430,12–431,37 Heiberg = fr. 145a Rescigno). Aristoteles’ Argument besteht in der Widerlegung aller möglichen Fälle, in denen die erste (äußerste) Himmelssphäre sich nicht regelmäßig bewegen würde, sondern 1) sich unendlich lange verlangsamen und danach unendlich lange beschleunigen würde, 2) sich entweder unendlich lange verlangsamen oder unendlich lange beschleunigen würde, 3) zwischen Beschleunigung und Verlangsamung schwanken würde (Cael. 288b22–289a8). Herminos, Aspasios und Alexander von Aigai werden von Alexander von Aphrodisias im Zusammenhang mit der Widerlegung der ersten Möglichkeit genannt. Nach Alexander waren sich diese frühen Kommentatoren der dreiteiligen Struktur des Arguments nicht bewusst und fassten den ersten Beweis, wonach bei einer unregelmäßigen Bewegung des Himmels entweder seine Beschleunigung oder seine Verlangsamung unendlich lange dauern würde, als ein separates Argument auf. Aspasios, dem Herminos folgt, resümiert das Argument folgendermaßen: 1) Eine Verlangsamung der Himmelsbewegung bedeutet, dass eine langsamere Bewegung der schnelleren folgt, und zwar 2), weil die langsamere Bewegung unendlich lange andauern muss, da es keine Kraft gibt, welche die Schwäche des ersten Bewegers, der in die Verlangsamung geraten ist, beheben könnte, 3) setzt sich auch die schnellere Bewegung, die der langsameren immer vorausgeht, unendlich lange fort und die unendliche Verlangsamung ist die Verlangsamung der schnelleren Bewegung, die auf ewig schneller ist. 4) Dabei ergibt sich allerdings ein Widerspruch: Die schnellere Bewegung, die naturgemäß ist, hätte die gleiche (nämlich unendliche) Dauer wie die langsamere Bewegung, die der Natur entgegengesetzt ist. 5) Folglich kann es keine Verlangsamung geben (Simpl. In Cael. 430,32–431,11 Heiberg). Diese Interpretation ist zwar viel detaillierter im Vergleich zu Alexander von Aigai, aber einige Kernpunkte – es gibt keine Quelle, welche die Kraft des geschwächten ersten Bewegers wiederherstellen könnte, die Beschleunigung als eine Manifestation der Kraft ist natürlich und der Verlangsamung überlegen, die eine Schwäche und deshalb der Natur des ersten Bewegers entgegengesetzt ist – sind seiner Interpretation entnommen.
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3. Ethik Aspasios sieht bei Aristoteles zwei Grundarten der Glückseligkeit, die sich in ihrer Intensität unterscheiden. Während die erste, schwächere durch die «Praxis» (πρακτὸν ἀγαθόν) zustande komme, sei die andere, stärkere aufgrund von «Kontemplation» (θεωρία) erreichbar (Sharples 1999 [*377: 86]). Die Verbindung beider würde schließlich in der vollkommenen Glückseligkeit münden (Moraux 1984 [*220: 273]). Dabei versteht er die aristotelische Güterlehre nicht so, dass äußere Güter einen Teil der Glückseligkeit ausmachen, sondern als Instrumente für gute Taten dienen (Sharples 1999 [*377: 86]; zur anti-stoischen Argumentationslinie Becchi 1994 [*370: 5385]). Ferner sieht Aspasios bei Aristoteles eine Differenz zwischen perfekten und nicht-perfekten Tugenden darin, dass die perfekten Tugenden mit Beweisen der Vernunft einhergehen, während die nicht-perfekten Tugenden auf der Basis von Meinungen wirken (Ierodiakonou 1999 [*375: 147–148]). Die nicht-perfekten Tugenden wiederum ließen, so Aspasios, verschiedene Grade an Steigerungen zu (Ierodiakonou 1999 [*375: 161]). Gleichzeitig bestreitet er aber, dass alle Menschen dieselben Tugenden hätten. Da die Herrschaftsrelationen zwischen Mann und Frau oder Vater und Sohn verschiedene Funktionen beinhalten, sei auch die Tugend nicht bei allen Agenten dieselbe (Moraux 1984 [*220: 263]) Aspasios versteht die aristotelische Emotionslehre anhand des 7. Buches der ‹Nikomachischen Ethik›, ohne auf das 2. Buch der ‹Rhetorik› einzugehen (Sorabji 1999 [*378: 97], vgl. zur ἀκρασία auch Sedley 1999 [*376]). Deshalb gelten ihm Lust und Unlust in einer breiten Verständnisweise als die beiden Gattungen aller anderen Emotionen (zur anti-stoischen Argumentation seiner Emotionstheorie Sorabji 1999 [*378: 100–102]), wobei sich Lust bei natürlicher Aktivität einstelle, Unlust hingegen, wenn die natürliche Aktivität verhindert werde. Er versteht ferner die drei von Aristoteles unterschiedenen Hauptfreundschaftsarten so, dass die Tugendfreundschaft Freundschaft im eigentlichen Sinne ist, während die Vorteilsfreundschaft und diejenige der Lust als durch eine ‘strenge’ Homonymie, πρὸς ἔν, abgeleitete Freundschaft bezeichnet werden (Berti 1999 [*374: 186–187]). Seine Interpretation der aristotelischen Handlungstheorie beinhaltet eine Differenzierung zweier Begriffe von «Freiwilligem» (ἑκούσιον), wobei sich der erste auf irrationale Agenten bezieht und der zweite auf rationale (Alberti 1999 [*372: 113]). Ferner versteht er βούλησις im Unterschied zur aristotelischen Aussage als die Folge einer Wahl (προαίρεσις; Alberti 1999 [*372: 125–126]). Zwar zählt man Aspasios selbst zu den Peripatetikern, er scheint jedoch kein Gegner des Platonismus gewesen zu sein. Platonische Elemente erhalten offenbar wegen der zeitgenössischen Diskussion Einzug in seinen Kommentar, wie beispielsweise die Nennung der «Angleichung an Gott» (ὁμοίωσις θεῷ; Moraux 1984 [*220: 264–265]).
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4. NACHWIRKUNG
Aspasios’ Kommentare waren im 3. Jahrhundert in den Philosophenschulen noch immer in Gebrauch. Wie Porphyrios mitteilt, stützte sich Plotin in seinen Philosophieseminaren auf die Kommentare von Alexander, Aspasios und Adrastos (Vit. Plot. 14,10–14). Aus Boethius’ Kommentar zu ‹De interpretatione› wird klar, dass der verlorene Kommentar von Aspasios zu diesem Werk sehr einflussreich war, wobei manche seiner Positionen von Herminos übernommen und von Alexander von Aphrodisias und späteren Denkern, zu denen Porphyrios und Boe thius selbst gehören, kritisch diskutiert wurden (vgl. Moraux 1984 [*220: 235]). Ob spätere Kommentatoren wie Simplikios und Boethius direkten Zugang zu Aspasios’ Werken hatten, ist nicht klar, da die meisten Zitate aus den Kommentaren des Alexander von Aphrodisias zu stammen scheinen. Der Kommentar zur ‹Ethik› behielt seine Bedeutung bis in byzantinische Zeit und wurde von Johannes Bernardus Felicianus ins Lateinische übersetzt (vgl. Lines 2006 [*363]). Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 34. Adrastos von Aphrodisias Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Adrastos’ Lebenszeit lässt sich nur ungefähr ermitteln, nämlich aufgrund von Verweisen und Zitaten in späteren Quellen. Galen bezeichnet in der Mitte des 2. Jahrhunderts Adrastos’ Kommentare zu den logischen Werken des Aristoteles als Standardeinführungen, was bedeutet, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits einige Zeit in Umlauf gewesen sein müssen (Libr. propr. 118,17–119,2 Mueller). Auszüge aus Adrastos’ Kommentar zum platonischen ‹Timaios› werden in einem Werk des Platonikers Theon von Smyrna zitiert, der in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. aktiv gewesen sein dürfte (zu Theons Datierung siehe Petrucci 2012 [*394: 9–11]). Mehrere spätere Quellen bestätigen seine Herkunft aus Aphrodisias (Achill. Isag. Exc. 43,9, 46,29–31 Maass; Simpl. In Cat. 16,1 Kalb-
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§ 34. Adrastos von Aphrodisias (Bibl. 439)
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fleisch; Elias In Cat. 132,27 Busse). Wahrscheinlich handelt es sich um Aphrodisias in Karien, Moraux 1984 [*220: 295 Anm. 9] vermutete, dass er mit Adrastos, dem Sohn des Peritas, identisch sein könnte, der in einer Inschrift aus Aphrodisias erwähnt wird, die auf das frühe 2. Jahrhundert datiert wird (103–116). Das würde es erlauben, als spätest mögliches Todesdatum 115/16 n. Chr. anzunehmen, was aber ohne weitere Beweise nicht mehr als eine Möglichkeit ist, wie auch Moraux eingesteht. 2. WERKE
Εἰς τὸν Τίμαιον Kommentar zu Platons ‹Timaios› Der Titel dieses Werks wird in Porphyrios’ Kommentar zu Ptolemaios’ ‹Harmonika› erwähnt (96,1–6 Düring; vgl. ibid. 7,24–8,5), und viele Auszüge daraus sind in Theon von Smyrnas Werk ‹Expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium› überliefert. Auch Calcidius macht in seinem Kommentar zum ‹Timaios› ausgiebig Gebrauch von adrasteischem Material, wenn auch der Name Adrastos nie erwähnt wird. Calcidius benutzt eine von Theon unabhängige Quelle (vgl. Switalski 1902 [*390: 59–91], Petrucci 2012 [*393: 1–33] und 2012 [*394: 514–530]), und Moraux 1984 [*220: 298 mit Anm. 17] schließt nicht aus, dass es sich um den tatsächlichen Kommentar von Adrastos handelt, den Calcidius kürzte und übersetzte. Außer diesen Zitaten bei Porphyrios und Theon und den anonymen Auszügen bei Calcidius gibt es zwei Verweise auf Adrastos’ astronomische Werke beim Astronomen Achilleus Tatios (Isag. Exc. 43,9; 46,29–31 Maass) und fünf Zitate in Proklos’ ‹Timaios›-Kommentar (In Tim. II,169,21–31. 170,5–21. 170,26–171,4. 187,17–26. 192,24–26 Diehl). Dieses Material beinhaltet hauptsächlich Adrastos’ Darstellungen von mathematischen und astronomischen Problemen, so dass nicht klar ist, ob er einen vollständigen Zeile-für-Zeile-Kommentar zum ‹Timaios› verfasst hat oder ob er sich auf diese Art von technischen Problemen konzentrierte. Adrastos benutzte eine Anzahl zeitgenössischer und hellenistischer Quellen für seine Auslegung. Bei seiner Diskussion der Harmonielehre machte er von einigen hellenistischen pythagoreischen Schriften Gebrauch (vgl. Theon Exp. rer. math. 50,4–5 Hiller; Porph. In Ptol. 7,22–23 Düring). Sehr wahrscheinlich kannte und benutzte er die Werke von Eratosthenes und Hipparchos (vgl. Moraux 1984 [*220: 302–304]).
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Περὶ τῆς τάξεως τῶν Ἀριστοτέλους συνγραμμάτων / Περὶ τῆς τάξεως τῆς Ἀριστοτέλους φιλοσοφίας ‹Über die Ordnung der aristotelischen Werke› / ‹Über die Ordnung der aristote lischen Philosophie› Diese Abhandlung wird mehrere Male von Simplikios zitiert (In Phys. 4,12 Diels; In Cat. 16,2; 18,16 Kalbfleisch). Ihr genaues Thema ist aufgrund der spärlichen Anhaltspunkte nicht leicht fest zustellen. Möglicherweise ging es Adrastos um historische und philologische Probleme bei der Zusammensetzung des aristotelischen Corpus, wie Moraux 1984 [*220: 314] vermutet, aber auch in diesem Fall könnten seine redaktionellen Präferenzen Licht auf seine philosophischen Interessen werfen. Simplikios teilt mit, dass Adrastos mit denjenigen Peripatetikern wie Andronikos einer Meinung sei, welche die ersten fünf Bücher der ‹Physik› als Abhandlung ‹Über die Prinzipien› (Περὶ ἀρχῶν) und die letzten drei als Abhandlung ‹Über die Bewegung› (Περὶ κινήσεως) betrachten. Adrastos dachte auch, dass der eigentliche Titel der ‹Kategorien› ‹Vor der Topik› (Πρὸ τῶν τοπικῶν) sei und sie im Corpus vor der ‹Topik› eingeordnet werden müssten: Möglicherweise handelt es sich hier um ein bewusstes Wiederbeleben des vor-andronikischen Titels ‹Πρὸ τῶν τόπων›. Simplikios scheint sich über die Gründe für Adrastos’ Wahl nicht ganz sicher zu sein. Seiner Meinung nach dachte sich Adrastos die Werke des logischen Corpus nach zunehmendem Gewissheitsgrad geordnet: von den deskriptiven ‹Kategorien› und der ‹Topik›, die mit dialektischer Überlegung arbeitet, zu den rigorosen Beweistheorien und Syllogismen der ‹Analytiken› (In Cat. 15,30–16,13 Kalbfleisch). Ob diese Erklärung auf Adrastos zurückgeht, ist unklar (vgl. Moraux 1984 [*220: 315 Anm. 85]). Adrastos kannte offenbar auch eine Version des
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‹Kategorien›-Texts, die von der in unserer Tradition überlieferten abweicht, doch gingen die Unterschiede wahrscheinlich nicht über Stilistisches hinaus. Diese Nachricht des Simplikios (In Cat. 18,16–21 Kalbfleisch) zeigt jedoch wiederum Adrastos’ Interesse an philologischen und technischen Fragen im Zusammenhang mit dem aristotelischen Text, was übereinstimmt mit dem, was aus anderen Zeugnissen über ihn bekannt ist.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Kategorien› Aus Galens kurzem Bericht in ‹De libris pro priis› (118,17–119,2 Mueller) erfahren wir, dass Adrastos (wie auch Aspasios) einen Kommentar zu den ‹Kategorien› verfasst hat, den Galen als elementar bertrachtete oder dessen Lektüre er zumindest voraussetzte für jemanden, der seinen eigenen Kommentar zu Aristoteles’ Werk studieren wollte. Es liegt daher die Vermutung nicht fern, dass das Werk dem erhaltenen Kommentar des Aspasios zur ‹Ethik› in Ziel und Methode vergleichbar war, vielleicht sogar, dass Adrastos den philologischen Details und der sorgfältigen Erklärung der technischen Schwierigkeiten noch mehr Aufmerksamkeit widmete. In Simplikios’ Bericht über Adrastos’ ‹Physik›-Kommentar findet sich eine Diskussion, die eine sehr detaillierte Auslegung von ‹Kategorien› 2 voraussetzt.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Physik› Es gibt in den erhaltenen Quellen keinen direkten Verweis auf einen solchen Kommentar, doch
überliefert Simplikios einen ausführlichen Exkurs des Adrastos über Prädikation als Erklärung für Aristoteles’ Analyse des parmenideischen Konzepts des Seienden in ‹Physik› 1,3 (186b1–3: Simpl. In Phys. 122,33–125,9 Diels). Dieser Bericht war in Porphyrios’ verlorenem ‹Physik›-Kommentar enthalten, der wahrscheinlich Simplikios’ Quelle war. Auf dieser Grundlage ist es unmöglich, das Ziel von Adrastos’ Kommentar festzumachen; der Bericht gibt aber eine gute Vorstellung vom Stil und Detailreichtum, ebenso von der Bedeutung der ‹Kategorien› in Adrastos’ gesamter Auslegung des Aristoteles.
Eine Monographie zur Ethik Wie Athenaios berichtet, «gab Adrastos fünf Bücher ‹Über historische und sprachliche Fragen in der ‹Ethik› des Theophrast› heraus und ein sechstes ‹Über das, was Aristoteles in der ‹Nikomachischen Ethik› sagt› und fügte ausführliche Gedanken hinzu über Plexippos beim Tragödiendichter Antiphon und sagte vieles über Antiphon selber» (Athen. 15, 673e–f; der überlieferte Text hat Ἀδραντον, was von Casaubon in Ἀδραστον korrigiert wurde). Moraux 1984 [*220: 323–330] hat dafür argumentiert, dass einiges Material aus dieser Monographie im anonymen Kommentar zu den Büchern 2–5 der ‹Nikomachischen Ethik› verwendet wurde (der Kommentar, der nicht vor dem späten 2. Jahrhundert verfasst wurde, ist publiziert in CAG 20 von G. Heylbut). Moraux’ Vermutung beruht auf der Menge von historischen und philologischen Erklärungen zu aristotelischen Beispielen, seiner Sprache und seinem Stil.
3. LEHRE
1. Logik. – 2. Kosmologie. – 3. Vorsehung.
1. Logik Simplikios berichtet, dass Adrastos bei seiner Diskussion von Aristoteles’ ‹Physik› 1,3 einen Exkurs eingeschoben habe bezüglich des für ihn schwierigen Satzes, dass es «für ihn [sc. Parmenides] nicht nur notwendig sei anzunehmen, dass das
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Prädikat ‘seiend’ immer die gleiche Bedeutung habe, von was auch immer es ausgesagt werde, sondern dass es ‘gerade was ist’ (ὅπερ ὄν) und ‘gerade was eines ist’ (ὅπερ ἕν) bedeute». Adrastos wollte allgemein seine Interpretation von Aristoteles’ Theorie der Prädikation auf der Grundlage von ‹Kategorien› 2 darlegen. Er unterteilt alle Dinge in zwei Klassen: 1) die Subjekte und 2) die Dinge, die zu den Subjekten gehören und von ihnen ausgesagt werden. Subjekte im engeren Sinne sind Aristoteles’ «erste Substanzen» (πρῶται οὐσίαι, ‘dieser Mann’, ‘dieser Stein’), aber im weiteren Sinne ist das Subjekt etwas, von dem etwas anderes ausgesagt werden kann, so dass auch ‘diese weiße Farbe’ oder ‘dieses (Wissen in) Grammatik’, weil sie Prädikate haben können, als Subjekte behandelt werden können, auch wenn sie nicht für sich selbst subsistieren (wie es Aristoteles’ Bedingung für Subjekte erfordert). Man kann nämlich sagen ‘Dieses Weiß ist ein Weiß’ oder ‘Dieses Weiß ist eine Farbe’ oder ‘dieses (Wissen in) Grammatik ist ein Wissen’, usw. (Simpl. In Phys. 123,2–9 Diels). Die Ausweitung des Konzepts «Subjekt» (ὑποκείμενον) über die ersten und zweiten Substanzen hinaus auf jeden Terminus, der in einem Satz die Subjektfunktion innehaben kann, geht ganz klar weiter als die aristotelische Ansicht in den ‹Kategorien› und ermöglicht einen interessanten Einblick in den Kontext der intensiven Kommentierungsarbeit an den ‹Kategorien› zur Zeit des Adrastos. Um Aristoteles’ Gebrauch von ὅπερ ὄν und ὅπερ ἕν zu erklären, unterscheidet Adrastos weiter zwischen zwei Arten von Prädikation: ‘synonymisch’, wenn sowohl der Name als auch die Definition des Prädikats an Stelle des Subjekts stehen könnten und mit dem Prädikat das Wesen des Subjekts ausgedrückt wird (Aristoteles’ Gebrauch des Konzepts der Synonymie entsprechend), und ‘akzidentell’, wenn das Prädikat eher akzidentell als essentiell ist. Bei der ersten Art von Prädikation kann man vom Subjekt sagen, es sei ὅπερ das Prädikat: Wenn man beispielsweise sagt ‘Sokrates ist ein ra tionales, sterbliches Lebewesen’, handelt es sich um eine synonyme Prädikation, weil Sokrates genau das ist, nämlich ein rationales, sterbliches Lebewesen. Wenn man hingegen sagt, Sokrates sei stumpfnasig, handelt es sich um eine akzidentelle Prädikation, da ‘stumpfnasig’ nicht Sokrates’ Wesen ausmacht und er nicht ‘gerade das ist, nämlich der Stumpfnasige’ (Simpl. In Phys. 123,10–124,1 Diels). Adrastos unterscheidet bei den Akzidentien zwischen denen, die einem Subjekt konstant angehören, wie Sokrates’ Stumpfnasigkeit, und denjenigen, die austauschbar sind, wie ‘schlafend’, ‘gehend’, usw. Die akzidentellen Prädikate, ob austauschbar oder konstant, können nicht Teil einer synonymen Prädikation werden. Auch wenn Sokrates’ Stumpfnasigkeit ihn ständig begleitet, macht sie nicht eine Definition aus. Im Hinblick auf Aristoteles’ Analyse des Parmenides erklärt Adrastos, dass es unter der Voraussetzung des Parmenides, dass das Seiende eines bedeute, nichts gebe, wovon ‘seiend’ akzidentell ausgesagt werden könnte, folglich wird man vom Seienden immer sagen, es bezeichne das «wesentlich Seiende» (ὅπερ ὄν) und «wesentlich Eine» (ὅπερ ἕν). Der Grund dafür, dass jede Prädikation mit dem Prädikat ‘seiend’ essentiell sein muss, ist folgender: Wenn ‘seiend’ akzidentell ausgesagt würde, könnte das Subjekt nicht ‘seiend’ sein, da es vom Prädikat verschieden sein muss. Dass es ebenfalls ‘seiend’ und trotzdem vom Prädikat verschieden ist, wäre nur möglich, wenn ‘seiend’ Mehreres bedeuten würde. Aus demselben Grund
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kann ‘seiend’ aber auch nicht essentiell Prädikat sein, weil auch in diesem Fall von einem nicht Seienden ausgesagt würde, es sei wesentlich seiend. Das heißt, dass ‘seiend’ überhaupt nicht Prädikat sein kann (weder akzidentell noch essentiell). Bleibt noch die Möglichkeit, dass es Subjekt ist, was aber ebenfalls zu einem Widerspruch führt: Denn entweder hat es zum Prädikat etwas, was nicht Seiendes bezeichnet (z. B. weiß), was dann aber zur Folge hätte, dass man vom wesentlich Seienden sagt, es sei weiß, also nicht seiend. Oder es hat als Prädikat etwas, was Seiendes bezeichnet, was bedeutet, dass ‘seiend’ Mehreres bezeichnet, was im Widerspruch zur Annahme steht, das Seiende bezeichne eines (Simpl. In Phys. 124,33–125,9 Diels). Moraux 1984 [*220: 322] vertritt die Auffassung, dass die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Akzidentien – konstanten und austauschbaren – eine Rolle spielt bei der Auslegung einer vorangehenden Passage von ‹Physik› 1,3 (186b18–23); ebenso seien Adrastos’ Bemerkungen darüber, dass Teile einer Aussage in der ganzen Aussage enthalten sind, während die ganze Aussage nicht in einem ihrer Teile (und ihrer Definition) enthalten sein kann (124,19–23 Diels, ein Kommentar zu ‹Physik› 186b23–26). 2. Kosmologie Adrastos ist sich der Probleme der aristotelischen, auf konzentrischen Modellen des Eudoxos und Kallippos basierenden Theorie der Planetenbewegung, wie sie in ‹Metaphysik› 12,8 vorgestellt wird, bewusst. Das System galt schon bei hellenistischen Astronomen als veraltet, da es eine Reihe von Phänomenen nicht erklären konnte, wie beispielsweise die variierende Größe der Planeten und Retrogradationen. Aufgrund von Material aus dem ‹Timaios›-Kommentar, das bei Theon von Smyrna erhalten ist, ist zu erkennen, dass Adrastos in einigen Punkten bedeutsam von der aristotelischen Theorie der Planetenbewegungen abwich. Adrastos ersetzte das konzentrische System, das jedem Planeten mehrere Sphären zuwies, um die Retrogradationen der Planetenbewegungen erklären zu können, durch das von hellenistischen Astronomen eingeführte Modell, das auf der Idee von Epizyklen beruhte (üblicherweise wird als Erfinder dieses Modells Apollonios von Perge genannt). Adrastos zufolge ist jeder Planet an einer festen Sphäre befestigt, deren Durchmesser zwischen demjenigen der nächstgrößeren bzw. kleineren konzentrischen Sphäre liegt (mit dem Mittelpunkt im Zentrum des Universums). Die Planetenbewegungen können dann folgendermaßen beschrieben werden: 1) die westwärts gerichtete Bewegung der Fixsternsphäre um die senkrecht auf dem Himmelsäquator stehende Achse; 2) die ostwärts oder ebenfalls westwärts, aber langsamer, gerichtete Bewegung (Adrastos sagt, dass beide Hypothesen die Erscheinungen erklären können) der konzentrischen Hohlsphäre um die Achse senkrecht zur Ebene der Planetenwege entlang des ekliptischen Kreises; und 3) die reguläre Westwärtsbewegung um ihr eigenes Zentrum der kleinen, festen Sphäre innerhalb der Hohlsphäre, d. h. die eigentliche epizyklische Bewegung. Adrastos sagt, ein Planet schließe einen vollständigen Epizykel ab entweder 1) in derselben Zeit, in der die Hohlsphäre des Planeten (die Sphäre) der Fixsterne
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in entgegengesetzter Richtung umkreist oder (eine ganze Runde) im Rückstand bleibt, oder 2) schneller oder 3) langsamer (Theon Exp. rer. math. 181,12–182,25 Hiller = Sharples 2010 [*43: 21M]). Fall 1) entspricht einer Bewegung ohne Retrogradationen, wie diejenige von Sonne und Mond. In den beiden anderen Fällen 2) und 3) kann man die ‘Unregelmäßigkeiten’ der Planetenbewegungen beobachten. Die epizyklische Bewegung des Planeten bedeutet, dass seine Distanz zur Erde sich verändert und dass sein Weg in Bezug auf die Sphären nicht konzentrisch, sondern exzentrisch verläuft. Adrastos anerkennt das, sagt aber, dass diese Exzentrizität eher zufällig sei als eine inhärente Eigenschaft der Planetenbewegung (Theon Exp. rer. math. 185,4 Hiller; Diskussion in Sorabji 2007 [*149: 581–583], Petrucci 2015 [*395]). Es ist nicht bekannt, ob Adrastos’ Änderungen am aristotelischen System irgendwelche Vorbilder in der peripatetischen Tradition haben. Wichtig ist aber die Feststellung, dass sein Interesse und seine Kenntnisse in diesen Themen einen wichtigen Teil der aristotelischen Tradition ausmachen, wie sich aus Sosigenes’ Darstellung von astronomischen Fragen ersehen lässt. 3. Vorsehung Adrastos’ Ansichten zur Vorsehung scheinen, soweit ersichtlich, mit der Position übereinzustimmen, die Kritolaos in hellenistischer Zeit skizziert hat: Gött liche Vorsehung reicht nicht weiter als bis zum Bereich der Himmelskörper. In seinem ‹Timaios›-Kommentar sagt Adrastos, dass die Verursachung der Prozesse in der sublunaren Welt durch die Himmelskörper nicht so zu verstehen sei, dass die Himmelskörper der sublunaren Welt wegen existierten, sondern «dass jene [die Himmelskörper] immer so sind, wie sie sind, um des Schönsten, Besten und Glücklichsten willen, während die Dinge in unserer Welt ihnen zufällig folgen» (Theon Exp. rer. math. 149,4–150,4 Hiller; vgl. Sharples 2010 [*43: 22I(2)]). Diese Formulierung ist jener ähnlich, die Aëtios für die aristotelische Position verwendet (vgl. Sharples 2010 [*43: 22H]), aber Adrastos bietet einige weitere Details zur Beschaffenheit der akzidentellen Verbindung zwischen oberem und sublunarem Kosmos. Sie wird in erster Linie mit der Lage des sublunaren Kosmos rund um das Zentrum des Alls erklärt, welche die ganze sublunare Welt zu einem Teil der notwendigen Bedingung für die Himmelsbewegung werden lässt. Ferner erklärt Adrastos einige weitere Charakteristika des sublunaren Kosmos als notwendig: Die Erde muss unten bleiben und das Feuer den ihr entgegengesetzten Ort (den oberen Teil des Kosmos) einnehmen. Wasser und Luft müssen sich dann vernünftigerweise dazwischen befinden. Die Veränderung in der sublunaren Welt ist laut Adrastos zwingend, da die Materie der sublunaren Dinge wandelbar ist und entgegengesetzte Kräfte in sich hat: Diese Veränderung, so heißt es, wird von der komplexen Bewegung der Planeten bewirkt. Vermutlich sind die Notwendigkeiten, welche die sublunare Welt charakterisieren, eine Folge der Bewegung auf dem Ekliptikkreis, was den Wechsel der Jahreszeiten erklärt, die umfassendste Form von elementarer Veränderung. Alexander von Aphrodisias entwickelt und vertritt in einer detaillierteren Fassung eine ähnliche Position.
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4. NACHWIRKUNG
Aufgrund von Galens Zeugnis ist klar, dass Adrastos’ Werke bei seinen Zeitgenossen weit verbreitet waren und dass seine Interessen für einen peripatetischen Gelehrten seiner Zeit nicht außergewöhnlich waren. Dazu gehört, dass er der Auslegung der ‹Kategorien› einen zentralen Platz einräumte, dass er großes Interesse an Astronomie hatte, besonders im Hinblick auf eine Überarbeitung der veralteten Passagen von Aristoteles’ kosmologischem System, und dass er dem Problem von Schicksal und Vorsehung einige Aufmerksamkeit widmete, da es sich dabei um das Gebiet handelte, für das Aristoteles keine abschließende Darstellung hinterlassen hatte. Zu all diesen Themen scheint Adrastos wichtige Beiträge gemacht zu haben, auch wenn seine Werke nur fragmentarisch erhalten sind. Es gibt dennoch viele Hinweise darauf, dass seine Werke viel gebraucht wurden, sei es direkt oder sei es indirekt, sowohl von seinen Zeitgenossen als auch von späteren Autoren. Seine Bedeutung mag auch daher kommen, dass er ein bemerkenswert systematischer und belesener Gelehrter war, wahrscheinlich in der Art von Varro, der sich in Mathematik, Astronomie, Philologie und Geschichte gut auskannte. Zu gewissen Zeiten müssen seine Werke unentbehrliche Bezugspunkte für die antiken Autoren gewesen sein. Die bedeutendsten Spuren von Adrastos in der späteren Literatur finden sich in der Tradition der ‹Timaios›-Kommentare (vgl. oben das Material, das bei Theon und Calcidius überliefert ist). Wenn wir der Argumentation von Moraux 1973 [*23: 324–327] folgen, dürfte adrasteisches Material im anonymen Kommentar zur ‹Ethik› II–V vorhanden sein. Die Tatsache, dass Adrastos’ ‹Physik›-Kommentar von Porphyrios gebraucht wurde, lässt vermuten, dass einiges aus Adrastos’ Werken in die neuplatonische Tradition eingegangen ist. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
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§ 35. Sosigenes (Bibl. 439)
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§ 35. Sosigenes Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Sosigenes war der Lehrer des Alexander von Aphrodisias (Alex. Aphr. In Meteor. 143,13 Hayduck: ὁ διδάσκαλος ἡμῶν Σωσιγένης; vgl. Them. In De an. 61,23 Heinze: Σωσιγένης ὁ Ἀλεξάνδρου διδάσκαλος). Eine Verwechslung mit dem Astronomen Sosigenes, der Caesars Kalenderreform durchführte, trug dazu bei, dass der ‹Meteorologie›-Kommentar des Alexander von Aphrodisias irrtümlicherweise Alexander von Aigai zugeschrieben wurde.
2. WERKE Kommentar zu Aristoteles’ ‹Kategorien› Die Nachricht von Sosigenes’ Erläuterung der ‹Kategorien› kommt von Dexippos (vgl. Dillon 1990 [*401], Sharples 2010 [*43: 8G]). Ob Sosigenes das ganze Werk kommentierte oder ob das, was er hinterließ, eine Art Monographie zu ausgewählten Problemen war, ist unklar. Auch ist unbekannt, was für einen Zugang zu Sosigenes’ Werken Dexippos hatte. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er in diesem Fall, wie auch in einigen anderen Fällen, sein Wissen über Sosigenes einer der zwei gelehrten Quellen verdankte, die er benutzte und die für uns verloren sind, nämlich den ‹Kategorien›Kommentaren von Porphyrios und Iamblichos (vgl. Dillon 1990 [*401: 9–15]). Der Hinweis darauf, dass Sosigenes das Problem der λεγόμενα behandelt habe, hat jedenfalls keine Parallelen in anderen erhaltenen Quellen, und es wird insbesondere auch von Simplikios nicht erwähnt.
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Kommentar zu Aristoteles’ ‹Analytica priora› Dass Sosigenes Aristoteles’ ‹Analytica priora› kommentierte, wissen wir aus Philoponos’ Kommentar und Ps.-Ammonios’ Scholien zu den ‹Analytica priora›. Philoponos erwähnt, dass sich Alexander von Aphrodisias «in einer gewissen Monographie» (ἔν τινι μονοβίβλῳ) auf Sosigenes’ Ansicht bezogen habe (Philop. In An. pr. 126,20– 22 Wallies). Alexander von Aphrodisias bezieht sich in seinem erhaltenen Kommentar zu An. pr. 1 mehrmals auf diese Monographie (‹Über die Unterschiede [Var.: Meinungsverschiedenheiten] zwischen Aristoteles und seinen Schülern betreffend gemischte Modalitäten› – Περὶ τῆς κατὰ τὰς μίξεις διαφορᾶς [var. lect.: διαφωνίας] ’Αριστο τέλους τε καὶ τῶν ἑταίρων αὐτοῦ) und bespricht das Problem der gemischten Modalitäten, aber ohne je Sosigenes’ Namen zu erwähnen (Alex. Aphr. In An. pr. 1, 125,30–31 Wallies; 1, 249,38– 250,1 Wallies). Der Bericht des Ps.-Ammonios (eine Quelle, die von Philoponos abhängt, vgl. Flannery 1995 [*826: 68–74]) über die Probleme, die Alexander diskutiert, enthält einen direkten
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Hinweis auf Sosigenes. So wissen wir, dass die von Philoponos erwähnte Monographie identisch mit ‘Über die gemischten Prämissen’ ist und dass Alexander Sosigenes dort diskutiert hat.
Περὶ τῶν ἀνελιττουσῶν [sc. σφαιρῶν] ‹Über entgegenwirkende [sc. Sphären]› Sosigenes’ Abhandlung ‹Über entgegenwirkende Sphären› wird von Proklos erwähnt, wobei seine Formulierung vermuten lässt, dass das Werk möglicherweise aus mehr als einem Buch bestand (ὃ ἱστόρησε Σωσιγένης ὁ Περιπατητικὸς ἐν τοῖς περὶ τῶν ἀνελιττουσῶν: Hypotyp. astron. posit. IV,98, 130,17ff. Manitius). Eines der Probleme, das Sosigenes Proklos zufolge diskutierte, ist das der ringförmigen Sonnenfinsternis. Dasselbe Problem nennt Simplikios in einem ausführlichen Bericht über Sosigenes ohne genauere Angabe eines Werktitels (Simpl. In Cael. 2,12, 505,1–11 Heiberg). Moraux 1984 [*220: 344] glaubt, daraus mit Sicherheit schließen zu können, dass Simplikios’ Quelle im ‹De caelo›-Kommentar Sosigenes’ Abhandlung ‹Über entgegenwirkende Sphären› ist. Der Titel des Werks dürfte einige Fragen aufwerfen. Der Ausdruck «entgegenwirkend» (ἀνελιττοῦσαι) wird von Aristoteles in ‹Metaphysik› 12,8 (1079a2–11) in seinem konzentrischen Modell der Planetenbewegungen zur Bezeichnung von postulierten ‘neutralisierenden’ Sphären gebraucht, die sich zwischen den Gruppen von Sphären befinden, welche die Bewegung jedes einzelnen Planeten hervorbringen. Sosigenes ist sich dieses aristotelischen Gebrauchs bewusst (Moraux weist auf die Stelle Simpl. In Cael. 498,4 Heiberg hin, wo Sosigenes sich ausdrücklich darauf bezieht) und nimmt diesen bei seiner Interpretation von Aristoteles’ Lehre zu Hilfe, indem er die aristotelischen «entgegenwirkenden» (ἀνελιττοῦσαι) Sphären den «tragenden» (φέρουσαι) Sphären, d. h. denjenigen, die nach Aristoteles direkt für die Planetenbewegungen verantwortlich sind, gegenüberstellt. In einem anderen Sinn braucht Sosigenes den Ausdruck bei seiner Diskussion des konzentrischen
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Modells von Eudoxos und Kallippos, die beide keine «entgegenwirkenden» Sphären im aristotelischen Sinn postulierten, da sie keine kausale Interaktion zwischen den Sphärengruppen, die zu individuellen Planeten gehören, annahmen. In diesem zweiten Sinn, mit Bezug auf die Lehre von Eudoxos und Kallippos (im Gegensatz zu späteren Theorien der Epizyklen und Exzentren), beschreibt Sosigenes jede Sphäre, die von der Sphäre der Fixsterne verschieden ist, als «entgegenwirkend». Wie Moraux 1984 [*220: 347] plausibel vermutet, war Sosigenes’ Abhandlung nicht der engen Fragestellung des aristotelischen konzentrischen Modells gewidmet, sondern einer kritischen Diskussion aller konzentrischen Systeme (eudoxeischer, kallippeischer und aristotelischer Art) im Licht späterer Entwicklungen in der Astronomie. Moraux 2001 [*846: 224] vermutete, dass Simplikios durch den Kommentar von Alexander von Aphrodisias indirekt Zugang zum Text der Abhandlung von Sosigenes hatte (aber vgl. Moraux 1984 [*220: 347], wo er vorauszusetzen scheint, dass Simplikios aus Sosigenes’ Abhandlung zitiert; auch neuerdings wurde wieder dafür argumentiert, dass Simplikios Sosigenes aus erster Hand zitiert, vgl. Bodnár 1997 [*830: 197], Rescigno 2008 [*575: 310f.]).
Περὶ ὄψεως ‹Über das Sehen› Es gibt zwei Zeugnisse für diese Abhandlung, die mindestens acht Bücher umfasst haben muss. Themistios verweist in seiner Zusammenfassung von ‹De anima› auf Sosigenes’ Erläuterungen im 3. Buch von ‹Über das Sehen› (Them. In De an. 61,23 Heinze), und Alexander von Aphrodisias erwähnt die Diskussion der Halo (Sonnen- und Mondhöfe) «unseres Lehrers Sosigenes» im 8. Buch von ‹Über das Sehen› (Alex. Aphr. In Meteor. 143,12–14 Hayduck; vgl. Sharples 2010 [*43: 26D]). Plausibel ist die Vermutung von Moraux 1984 [*220: 359], dass Themistios aus Alexander schöpfte, der Sosigenes’ Theorien sehr wahrscheinlich in seinem verlorenen Kommentar zu ‹De anima› diskutierte.
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3. LEHRE
1. Das Ziel der aristotelischen ‹Kategorien›. – 2. Syllogismen mit gemischten modalen Prämissen. – 3. Himmelsbewegungen. – 4. Theorie des Sehens.
1. Das Ziel der aristotelischen ‹Kategorien› Eines der Hauptprobleme, das die Peripatetiker seit Andronikos und Boethos beschäftigte, war das Ziel von Aristoteles’ ‹Kategorien›. Bei der Beschreibung der Objekte seiner Untersuchungen braucht Aristoteles den Ausdruck «das, was gesagt wird» (τὰ λεγόμενα, vgl. Cat. 2, 1a16; 4, 1b25). Das könnte sich auf «eine Äußerung, ein Ding oder auf einen Gedanken» beziehen (Dexipp. In Cat. 6,32 Busse). Dexippos berichtet in seinem Kommentar ausführlich von Sosigenes’ Diskussion der Argumente für zwei Positionen, d. h. dafür, dass sich die Kategorien einerseits auf Dinge und andererseits auf Äußerungen beziehen (Dexipp. In Cat. 7,4–9,22 Busse). Laut Dexippos hat Sosigenes in der Debatte nicht Stellung bezogen: «Der Peripatetiker Sosigenes stellte parallele Untersuchungen an über die λεγόμενα, sprach sich jedoch nicht abschließend für eine Lösung aus, sondern ließ die Argumente als gleich stark im Kampf bleiben» (In Cat. 7,5–7 Busse). Er überliefert drei Argumente des Sosigenes für die ‘objektive’ Interpretation der Kategorien. Auf jedes Argument folgt eine Diskussion, wobei nicht klar ist, in welchem Maß die Diskussion auf Sosigenes selbst zurückgeht. In mindestens einem Fall (als Erwiderung auf das zweite Argument weist Dexippos darauf hin, dass ein bestimmtes Gegenargument von Sosigenes nicht erwähnt wird). 1) Das Objekt, worauf sich die λεγόμενα beziehen, sind die «Dinge» (πράγματα), weil uns die Existenz von Dingen ermöglicht, eine Aussage zu machen, während wir nichts sagen würden, wenn sie nicht existierten (In Cat. 7,10–12 Busse). Die Antwort auf dieses von Dexippos zitierte Argument lautet, dass nichts die Dinge hindert, «Ursache» (αἴτια) von dem zu sein, was gesagt wird, ohne «unmittelbar» (προσεχῶς) das zu sein, was gesagt wird. Er nennt Fälle, in denen die zu den Äußerungen gehörenden Objekte Dinge sind, die nicht unmittelbar präsent sind, wie vergangene oder zukünftige Dinge oder sogar Dinge, die nicht existieren, wie der Kentaur oder der Bockhirsch. 2) Weiter sind die «Dinge» (πράγματα) die Bezugsobjekte, die eine Aussage wahr machen. «Wenn die Wahrheit oder Falschheit einer Aussage von den Dingen abhängt, kann es nicht sein, dass das, was gesagt wird, und das, was die Wahr- oder Falschheit ausmacht, voneinander verschieden sind, so dass mit den λεγόμενα die Ursachen für eine selbständige Aussage gemeint sind» (In Cat. 7,25–27 Busse). Die Entgegnung eröffnet Dexippos mit einer Bemerkung, die nicht aus Sosigenes stammt, wenn er sagt, er wundere sich, dass Sosigenes nicht Fälle anführe, die weder wahr noch falsch seien. Es könnte sich um einen Zusatz von ihm selbst handeln (wie
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
Dillon 1990 [*401: 12] anzunehmen scheint), oder er könnte ihn aus seinen Quellen übernommen haben. In jedem Fall müssen wir es als ein indirektes Zeugnis dafür sehen, dass zumindest einige der Gegenargumente, die Dexippos zitiert, auf Sosigenes zurückgehen. Der Rest des Gegenarguments zu 2) verläuft anders und basiert auf einer Unterscheidung zwischen dem Sprechen über eine Sache und dem Treffen einer wahren oder falschen Aussage darüber. Ersteres hat mit dem direkten Bezugsobjekt zu tun, letzteres mit «Dingen» (πράγματα). Dieses letztere aber, so wird behauptet, ist im Gegensatz zum ersten eine zufällige Eigenschaft einer Aussage, das Objekt der Aussage muss deshalb nicht ein Ding sein. 3) Mit den λεγόμενα sind Dinge gemeint, weil diese unabhängig von der Äußerung bestehen: «Wenn die Dinge wie Pferd zum Beispiel oder Ochse oder Stein auch nach ihrer Erwähnung weiterbestehen, ist es offensichtlich, dass sie es sind, die bezeichnet werden; denn sonst würden sie nicht mehr länger existieren, wenn die Äußerung abgeschlossen ist» (In Cat. 8,12–14 Busse). Das Gegenargument besagt, dass gerade dieses Argument vielmehr zeige, dass es nicht die Dinge sind, die mit dem «Was gesagt wird» bezeichnet werden. Wenn dies der Fall wäre, würden die Dinge zusammen mit den Äußerungen enden. Und wiederum wird das Gegenbeispiel, wonach auch von Dingen, die nicht existieren, gesprochen werden kann, gebraucht, um zu zeigen, dass mit dem «Was gesagt wird» nicht die Dinge bezeichnet werden. Die Argumente dafür, dass in Aristoteles’ Abhandlung die Äußerung das Objekt der Kategorisierung ist, sind nach Sosigenes folgende: 1) Mit dem «Was gesagt wird» ist die Äußerung gemeint; denn «Viele Leute können sie hören, und sie kann existieren und gesagt werden, ob die Dinge existieren oder nicht» (In Cat. 8,24–26 Busse). Daran wird kritisiert, dass es einen Unterschied gibt zwischen «eine Äußerung treffen» (τὸ τῇ φωνῇ προφέρειν) und «sprechen» (τὸ λέγειν), insofern als es bei Letzterem darum geht, mit Hilfe von einer Äußerung etwas auszusagen. Deswegen genügt es nicht zu zeigen, dass in den ‹Kategorien› mit dem «Was gesagt wird» die Elemente der Äußerung (d. h. die formalen Elemente eines grammatikalischen Ausdrucks) gemeint sind. 2) Die eigentliche Tätigkeit des Sprechenden ist das Reden, so dass das Kategorisieren die Redeteile als Objekte haben muss: «Wie das Gehen die Tätigkeit des Gehenden ist und das Schreiben diejenige des Schreibenden, so ist auch das Sprechen die Tätigkeit des Sprechenden, der Sprechende behandelt Worte und Redeteile, so dass diese die Objekte des Redens sind» (In Cat. 9,2–4 Busse). 3) Das Argument ‘aufgrund von Paronymie’: «Wiederum sagt Sosigenes, dass ‘reden’ (λέγειν) vom gleichen Wortstamm gebildet ist wie ‘Äußerung’ (λέξις) oder ‘Rede’ (λόγος), so dass auch deshalb folgen würde, dass mit dem ‘was gesagt wird’ die Äußerungen (λέξεις) gemeint sind» (In Cat. 9,9f. Busse). Wie gesagt ist unklar, was für einen Zugang Dexippos zum Text von Sosigenes hatte und ob irgendwelche der Einwände gegen die jeweiligen Argumente von Sosigenes selbst stammen. Dexippos’ Antwort zu 3) könnte darauf hindeuten, dass er nur Sosigenes’ Aufstellung der parallelen Argumente hatte, ohne zugehörige Diskussion. Doch wird aus seinem Bericht klar, dass das Ziel von Sosigenes’ Aufstellung der parallelen Argumente sehr wahrscheinlich eine Diskussion ihrer Vorund Nachteile war. Dass Dexippos keine genauen Informationen zu Sosigenes’
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Diskussion hat, könnte deshalb bedeuten, dass sein Wissen über Sosigenes aus einer sekundären Quelle stammt. Sosigenes’ Anordnung der Argumente in Form einer dialektischen Diskussion ‘in utramque partem’ zeigt nach Moraux 1984 [*220: 338], dass diese Methode in der peripatetischen Schule weitergelebt hat (für die Benutzung dieser Methode des Boethos siehe Griffin 2015 [*39]). Sosigenes’ Auswahl der Kandidaten für die Diskussion ‘in utramque partem’ (auf der einen Seite die Dinge, auf der anderen die Äußerungen als λεγόμενα) wird von Dexippos die Ansicht der «Alten» (οἱ ἀρχαῖοι) gegenübergestellt, der zufolge die «Gedanken» (νοήματα) das von den λεγόμενα primär und die Dinge (πράγματα) das von diesen sekundär (per accidens) Bezeichnete sind. Diese Ansicht wird in Simplikios’ Kommentar dem Boethos zugeschrieben (Simpl. In Cat. 41,28–42,2 Kalbfleisch; siehe Moraux 1984 [*220: 337 Anm. 8], Griffin 2012 [*60] und 2015 [*39: 187–189]). 2. Syllogismen mit gemischten modalen Prämissen Bei seiner Diskussion der modalen Syllogismen, in denen die Prämissen verschiedene Modalitäten haben (die sogenannten ‘gemischten’ oder ‘kombinierten’ Modalitäten), in ‹Analytica priora› 1,9 argumentierte Aristoteles dafür, dass bei den Syllogismen der ersten Figur, falls eine Prämisse notwendig und die andere assertorisch ist, die Modalität der Konklusion immer der Modalität des Obersatzes folgt (maiorem-Regel), d. h. im Modus Barbara der ersten Figur: Wenn der Obersatz assertorisch und der Untersatz notwendig ist, wird die Konklusion assertorisch sein, während sie im Fall eines notwendigen Obersatzes und eines assertorischen Untersatzes notwendig ist. Diese kontraintuitive Analyse wurde bereits von Aristoteles’ Gefährten im Lykeion angefochten: Theophrast und Eudemos vertraten die Ansicht, dass die Konklusion die Modalität der schwächeren der beiden Prämissen übernimmt (peiorem oder deteriorem-Regel), so dass im Fall eines notwendigen Obersatzes und eines assertorischen Untersatzes die Konklusion assertorisch sein muss, da sie der schwächeren der beiden Modalitäten in den Prämissen folgt (vgl. Theophrast fr. 105–106 FHSG). Sosigenes war einer der Peripatetiker im 2. Jahrhundert, der versuchte, Aristoteles’ Ansicht zu verteidigen (vgl. Herminos, Alexander von Aphrodisias). Er argumentierte dafür, dass im Fall eines notwendigen Obersatzes und eines assertorischen Untersatzes die Konklusion tatsächlich notwendig ist (in Übereinstimmung mit Aristoteles), dass aber die Notwendigkeit der Konklusion nicht einfach, sondern eingeschränkt sein wird. In Philoponos’ Bericht über Sosigenes wird Aristoteles, ‹De interpretatione› 9 zitiert, wo Aristoteles verschiedene Bedeutungen von ‘notwendig’ unterscheidet. Sosigenes benutzt die Unterscheidung zwischen «absoluter» (κυρίως) und «bedingter» (ἐξ ὑποθέσεως) Notwendigkeit folgendermaßen: Die Bewegung der Sonne ist durch absolute Notwendigkeit charakterisiert. Um bedingte Notwendigkeit hingegen handelt es sich in den Fällen, in denen das Prädikat einem Subjekt so lange zukommt, wie dieses Geltung hat. So ist die Aussage ‘Sokrates ist ein Lebewesen’ aufgrund bedingter Notwendigkeit notwendig, d. h. sie ist notwendig, solange
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okrates existiert. Vergleichbar ist Folgendes: Wenn wir einen Syllogismus mit notS wendigem Obersatz und assertorischem Untersatz haben, dann ist die Konklusion bedingt notwendig, und zwar unter der Bedingung, dass der Untersatz wahr ist: S ist M, Notwendig (M ist P), ergo Notwendig hypothetisch (S ist P). Alexander von Aphrodisias stimmte mit Sosigenes darin überein (gegen Theophrast und Eudemos), dass die Modalität der Konklusion der Modalität des Obersatzes folgen sollte, argumentierte aber dafür, dass die Notwendigkeit der Konklusion nicht bedingt ist (für eine detaillierte Diskussion und Kritik von Sosigenes’ Lösung vgl. Flannery 1995 [*827], Barnes 2007 [*141: 542–546], Sharples 2010 [*43: 96–100], Gili 2014 [*412: 55–59]). 3. Himmelsbewegungen In seiner Monographie ‹Über entgegenwirkende [sc. Sphären]› (Περὶ τῶν ἀνελιττουσῶν [sc. σφαιρῶν]; vgl. Bowen 2013 [*411: 278–283]) erläuterte Sosigenes sowohl die homozentrische Theorie als auch die Theorie, die Epizyklen und exzentrische Sphären einführt, indem er auf die Gründe für jede Theorie und die Schwierigkeiten, die sie mit sich bringt, hinwies. Am Ende seiner Darstellung schlug er möglicherweise eine zusammengesetzte Theorie vor, welche die Stärken der beiden Ansätze kombinierte. Moraux 1984 [*220: 351] vertrat die Ansicht, dass es aufgrund der Berichte bei Simplikios möglich sei, Inhalte und Struktur von Sosigenes’ Werk folgendermaßen zu rekonstruieren: Die Abhandlung begann mit einem Einleitungskapitel, das u. a. ein wichtiges Beweisstück enthielt, das aus Eudemos’ ‹Geschichte der Astronomie› (Ἀστρολογικὴ ἱστορία) stammte und das Platons Programm der theoretischen Grundlagen der Astronomie und die Aufgabe, die er dem Astronomen zuteilte, betraf (Eudoxos war unter den ersten, die das in Angriff nahmen; Simpl. In Cael. 488,18–24 Heiberg; Sharples 2010 [*43: 1L]; zu Sosigenes’ Gebrauch von Eudemos vgl. Zhmud 2006 [*410: 230–237], Bowen 2013 [*411: 81–83]). Der erste Teil des Werks widmete sich der Darstellung und Kritik des konzentrischen Systems der Planetenbewegung (Eudoxos, Kallippos, Aristoteles), der zweite Teil behandelte die neueren Theorien der Epizyklen und Exzentren. Simplikios überliefert einige Details von Sosigenes’ Kritik an konzentrischen astronomischen Systemen, aus denen klar hervorgeht, dass es Sosigenes vor allem darum ging, dass diese Systeme keine zufriedenstellende Erklärung für die Phänomene geben (διασῶσαι τὰ φαινόμενα) können (Simpl. In Cael. 504,17 Heiberg). Er erwähnt insbesondere den ungleichmäßigen Abstand von Planeten zum Mittelpunkt der Erde, der durch alltägliche Beobachtung vielfach belegt ist (erwähnt werden die wechselnden Größen von Venus und Mars, die «im mittleren Teil ihres Umlaufs um ein vielfaches größer erscheinen» sowohl mit der Hilfe von Messgeräten als auch aufgrund von Beobachtung, wobei an dieser Stelle das Auftreten von ringförmigen Sonnenfinsternissen erwähnt wird; Simpl. In Cael. 504,17–506,3 Heiberg; vgl. Sharples 2010 [*43: 21K]).
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Es ist bemerkenswert, dass Sosigenes offenbar Aristoteles aus dieser Kritik an der konzentrischen Theorie ausnehmen will, wenn er sagt, dass Aristoteles selbst das Problem der ungleichen Größe in den ‹Physikalischen Problemen› angesprochen habe (es gibt in der erhaltenen Sammlung der ‹Probleme› keinen Hinweis darauf, vgl. Sharples 2010 [*43: 186 Anm. 15]). Zur Unterstützung dieser Verteidigung zitiert er ‹Metaphysik› 12,8: «Wieviele [sc. Himmelsbewegungen] es sind, dazu nennen wir jetzt der Übersicht wegen die Angaben gewisser Astronomen, damit man in Gedanken eine bestimmte Zahl annehmen kann, im Übrigen müssen wir einiges selber erforschen und anderes erfragen von denen, die die Sache erforschen; wenn sich aber denen, die sich damit beschäftigen, etwas zeigt, was dem jetzt Gesagten entgegensteht, müssen wir zwar beide Seiten schätzen, den genaueren aber uns anvertrauen» (1073b11–17 = Simpl. In Cael. 505,30–506,3 Heiberg). Wie Sharples 2010 [*43: 186 Anm. 17] bemerkt, ist das Zitat «tendenziös, da es den Eindruck erweckt, als hätte Aristoteles gerade an der Theorie der konzentrischen Sphären Zweifel geäußert», während die aristotelische Passage sich speziell auf die Zahl der Himmelsbewegungen bezieht. Dies lässt gut erkennen, auf welchem Weg Sosigenes hofft, die aristotelische Astronomie mit späteren Entwicklungen in Übereinstimmung bringen zu können, und es charakterisiert auch seine Aristoteles-Auslegung im Allgemeinen. Insbesondere ist es wichtig, dass er die aristotelische Position für Überarbeitungen offenhält, die aus Fortschritten in der philosophischen und wissenschaftlichen Diskussion über die betreffenden Themen resultieren könnten, und dass er es im Fall von Meinungsverschiedenheiten für einen notwendigen Teil der Methode hält, beide Seiten genau zu prüfen. Simplikios überliefert auch Sosigenes’ Einwände gegen die Theorien der Epizyklen und Exzentren. Es ist unklar, ob Simplikios’ Darstellung dieser Theorien (Simpl. In Cael. 507,9–509,12 Heiberg) Material aus Sosigenes enthält; aber unmittelbar nachdem er beide Hypothesen zusammengefasst und bemerkt hat, dass sie einfacher sind und mit den Phänomenen besser übereinstimmen als die konzentrischen Modelle (509,16–19 Heiberg), zitiert er die Kritik an den beiden Theo rien, die er Sosigenes zuschreibt. Dieser beanstandet, dass die «späteren» (μεταγενέστεροι: 507,9 Heiberg) Astronomen Aristoteles’ Prinzip, wonach jeder Körper, der sich in einem Kreis bewegt, sich um das Zentrum des Universums bewegen müsse, nicht beachtet hätten (Simpl. In Cael. 509,19–21 Heiberg). Weiter verletzen die neuen Theorien offensichtlich das aristotelische Prinzip der Ausgleichung (ἀνισασμός), dem gemäß die einzelne äußerste Sphäre des Kosmos unendlich viele Fixsterne transportiert, während in den Regionen näher am Zentrum jeder Planet von mehreren Sphären getragen wird (509,22–26 Heiberg). Simplikios zitiert dann Erwiderungen auf diese beiden Einwände, wobei unklar ist, wer antwortet. Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass einiges Material in den Erwiderungen aus Sosigenes’ Diskussion der Schwierigkeiten stammt.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
4. Theorie des Sehens Aus dem ersten Beleg für die Abhandlung ‹Über das Sehen› geht hervor, dass Sosigenes die Natur des Leuchtens in einigen natürlichen Körpern, die Aristoteles in ‹De anima› 2,7 (419a1–7) berührt, im Zusammenhang mit der Frage behandelte, ob Farbe das einzige spezielle Objekt des Sehens sei. Laut Themistios (In De an. 61,20ff. Heinze) vertrat Sosigenes die Ansicht, dass die leuchtenden Körper an derselben Natur Anteil haben, die auch im leuchtenden Stoff der Himmelskörper und in geringerem Maße auch im Feuer vorhanden ist. Die phosphoreszierenden sublunaren Körper besitzen diese Natur in minimalem Grad, weshalb sie außer im Dunkeln nicht gesehen werden können. Das zweite Zeugnis (Alex. Aphr. In Meteor. 142,34–143,14 Hayduck = Sharples 2010 [*43: 26D]) hat mit der Erklärung der Halos zu tun. Alexander weist darauf hin, dass die meisten späteren Autoren diese als eine «Brechung der Sehstrahlen» (κατακλάσεις ὄψεων) verstanden, wie es bei Dingen geschieht, die durchs Wasser gesehen werden, während Aristoteles und Poseidonios solare und lunare Halos als Effekt einer «Reflexion» (ἀνάκλασις) des Lichts am atmosphärischen Nebel erklärt hatten. Die späteren nahmen nämlich an, dass die Wolke kugelförmig und hohl sei, und sagten dann, dass der Himmelskörper (Sonne oder Mond), der sich oberhalb davon befindet, darin in einen Kreis aufgebrochen erscheine. Dass solche Ansichten über die Halos falsch seien, habe sein Lehrer Sosigenes aber im achten Buch von ‹Über das Sehen› hinlänglich gezeigt (143,9– 14 Hayduck). Sosigenes verteidigt hier also wiederum die aristotelische Position der ‘alten Schule’ gegen die von Alexander erwähnte innovative Lehre. Moraux 1984 [*220: 360] stellt die Frage nach der Quelle dieser neuen Lehren und erwähnt in diesem Zusammenhang die zeitliche Nähe zwischen dem Werk des Sosigenes und Ptolemaios’ ‹Optik›. Mit der Tatsache der zeitlichen Nähe argumentiert auch Knorr 1985 [*409: 102–105] für seine Vermutung, dass die dem Ptolemaios zugeschriebene erhaltene Abhandlung ‹Optik› ein Werk von Sosigenes sein könnte. Der Verfasser dieser ‹Optik› vertritt aber ganz klar die Ansicht, dass vom Auge ausgesandte Sehströme die Träger des Sehens seien; diese Annahme wurde wahrscheinlich eher von Ptolemaios vertreten, da sie derjenigen ähnlich ist, auf die Sosigenes’ Kritik abzielt (vgl. Sharples 2010 [*43: 263–265]). 4. NACHWIRKUNG
Sosigenes war der Lehrer des Alexander von Aphrodisias, so dass sich mit einiger Sicherheit annehmen lässt, dass Alexander mit allen Problemen, an denen dieser arbeitete, vertraut war. Informationen über Sosigenes’ Interessen, insbesondere über dasjenige an einer technisch präzisen Auslegung des Aristoteles, die gleichzeitig die freundlichste und plausibelste Lesart der aristotelischen Lehren ergibt, sind äußerst relevant für unser Verständnis von Alexanders Aristotelismus. Moraux 1984 [*220: 335 Anm. 6] hebt zu Recht hervor, dass Sosigenes’ Gebrauch des Arguments ‘in utramque partem’ (das durch unabhängige Quellen für so verschiedene
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§ 36. Herminos (Bibl. 439)
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Gebiete wie die Logik und die Astronomie bezeugt ist) möglicherweise Alexanders Gebrauch der Darstellungsform ‘Probleme und Lösungen’ beeinflusst hat. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 36. Herminos Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Aufgrund einiger Hinweise in den alten Quellen lässt sich Herminos’ Schaffenszeit ins 2. Jahrhundert n. Chr. datieren. Lukian überliefert einen bissigen Scherz des Kynikers Demonax, der von ca. 80 bis 175/180 n. Chr. lebte: «Herminos, sagte er, du verdienst wirklich zehn Anklagen» (ἄξιος εἶ δέκα κατηγοριῶν: Vit. Demon. 56 – ein Wortspiel mit dem Doppelsinn von κατηγορία: Kategorie bzw. Anklage). Alexander von Aphrodisias spricht von Herminos offensichtlich als von seinem Lehrer (bei Simpl. In Cael. 430,32f. Heiberg: Ἑρμίνου δέ […] ἤκουσα) und sagt, dass dieser in seinen Vorlesungen Ideen des Aspasios benutzt habe. In Alexanders Abhandlung ‹Über die Bewegung gegen Galen›, die nur arabisch überliefert ist, wird als Adressat von Galens Brief, in dem Aristoteles’ Bewegungstheorie kritisiert wird, ein gewisser ’rmyws erwähnt. Pines 1961 [*771: 23] emendierte ’rmyws zu ’rmnws und vermutete, dass es sich bei Galens Adressaten um Herminos handelt. Die Emendation wird heute allgemein als richtig angesehen. Ob Herminos mit Galens peripatetischem Lehrer, einem Schüler des Aspasios, identisch ist, der in der Abhandlung ‹Über Leiden und Fehler der Seele› (Scripta minora I,32,5–7 Marquardt) erwähnt wird, ist unsicher. Für eine Identifikation sprechen sich Marmura, Rescher 1965 [*636: 1] aus, während Moraux 1984 [*220: 362f.] die Meinung vertritt, dass eine solche zwar nicht ausgeschlossen werden kann, dass die uns zur Verfügung stehenden Belege für einen sicheren Nachweis aber nicht ausreichen.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
2. WERKE
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Kategorien› Herminos wird von Simplikios als einer der früheren Kommentatoren der aristotelischen ‹Kategorien› erwähnt. Sein Kommentar gehört im Unterschied zu demjenigen des Boethos nicht zur Gruppe der detailliertesten Kommentare. Moraux 1984 [*220: 364f.] vergleicht das Ziel des Kommentars mit demjenigen des (verlorenen) Kommentars von Alexander von Aphrodisias und ist sich nicht sicher, ob Simplikios direkten Zugang zu Herminos’ Werk hatte. Griffin 2009 [*422: 340f.] vertritt die Auffassung, dass sich aus dem überlieferten Material nicht zwingend auf die Existenz eines publizierten Kommentars schließen lässt; es könnte auch auf einen Kommentar von Alexander von Aphrodisias zurückgehen, den dieser auf der Grundlage seiner Notizen aus Herminos’ Seminar verfasst hat.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹De inter pretatione› Wir wissen von Herminos’ Kommentar zu ‹De interpretatione› aus den Kommentaren des Ammonios und besonders von Boethius (Boeth. In Int. 4, II,293,27–294,4 Meiser). Sehr wahrscheinlich verdanken aber beide späteren Kommentatoren ihre Informationen über Herminos Alexanders verlorenem Kommentar zu ‹De interpretatione›.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Analytica priora› Es gibt drei Hinweise auf Herminos’ Erörterungen zu den ‹Analytica priora›, und zwar im Kommentar des Alexander von Aphrodisias (72,26–74,6; 89,30–90,6 Wallies) und im Kommentar des Ps.-Ammonios (39,31–40,1 Wallies), der letztlich auch auf Alexander zurückgeht. An
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allen drei Stellen wirft Herminos Fragen auf, diskutiert Aristoteles’ Argumente und macht eher eigene ergänzende Beiträge, als dass er Textauslegung betreibt (Moraux 1984 [*220: 382]). Die genaue literarische Gattung des Kommentars ist deshalb unklar.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹Topik› Herminos wird in Alexanders ‹Topik›-Kom mentar zweimal erwähnt, beide Male im Zusammenhang mit Buch 8 (569,3–5; 574,22–26 Wallies). Da beide überlieferten Stellen die Auslegung des aristotelischen Texts betreffen, kann man vermuten, dass Herminos in diesem Fall den Text eher kommentierte, als dass er Eigenes zum Lehrgehalt beitrug, doch könnte dies auch mit dem Thema des Texts zu tun haben.
Kommentar zu Aristoteles’ ‹De caelo› In den antiken Quellen gibt es zwei Nachrichten über Herminos’ Beschäftigung mit dieser Abhandlung. Beide stammen aus Simplikios’ Kommentar und gehen auf Alexander von Aphrodisias zurück (Simpl. In Cael. 380,3–5; 430,32–431,11 Heiberg). Es ist aber nicht sicher, ob Herminos wirklich einen Kommentar zum ganzen aristotelischen Text geschrieben hat. Moraux 1984 [*220: 396f.] vermutet, dass sich in Alexanders Darstellung Herminos’ Vorlesungen über die Bewegung der Himmelssphären widerspiegeln (vgl. Gottschalk 1987 [*28: 1158f.]). Rescigno 2004 [*574: 63] schlägt vor, als Quelle für Alexander eine Reihe von mono-thematischen Vorlesungen des Herminos zum Text von ‹De caelo› anzunehmen. Das würde die Konzentration auf Details und den Gebrauch früherer Quellen (z. B. Aspasios und Alexander von Aigai) erklären.
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§ 36. Herminos (Bibl. 439)
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3. LEHRE
1. ‹Kategorien›. – 2. ‹De interpretatione›. – 3. ‹Analytica priora›. – 4. ‹Topik›. – 5. ‹De caelo›.
1. ‹Kategorien› Herminos widmet einen Abschnitt den begrifflichen und technischen Belangen bei der Auslegung dieses Traktats. Tatsächlich scheinen einige der Hauptfortschritte in der Interpretation von kontroversen Problemen, die von der späteren – sowohl aristotelischen als auch neuplatonischen – Tradition aufgenommen und weiterentwickelt wurden, auf von Herminos vertretene Positionen zurückzugehen. Dabei geht es insbesondere um seine Darstellung des Ziels der Abhandlung und ihres Platzes im aristotelischen Corpus. Herminos wollte nachweisen, dass es in diesem Traktat um angemessene Aussageweise für jede der zehn höchsten Gattungen von Seiendem gehe (vgl. Porph. In Cat. 59,20–25 Busse; Moraux 1984 [*220: 364–367], Griffin 2009 [*422: 30–38]). Seiner Meinung nach sollte das Werk als erstes der aristotelischen Werke studiert werden und die Fragen nach dem Status der zehn höchsten Gattungen nur berühren. Die zehn Kategorien betreffen eher die «Dinge» (πράγματα) als die «Gedanken» (νοήματα), Herminos scheint sich demnach gegen die konzeptualistische Interpretation von Aristoteles zu wenden, die unter späteren Autoren vorherrscht (vgl. Boeth. In Int. 1, II,37,30–40,20 Meiser; für eine detaillierte Quellenanalyse vgl. Griffin 2009 [*422: 38–69]). Herminos behandelt auch die Frage, zu welcher Kategorie die ‘differentia specifica’ gehöre. Simplikios zufolge betrachtet Herminos die sogenannten ‘konstitutiven Differenzen’ nicht als Differenzen im eigentlichen Sinne, sondern will diese Bezeichnung den ‘trennenden Differenzen’ vorbehalten (Simpl. In Cat. 55,22f. Kalbfleisch). So sind die konstitutiven Differenzen ‘beseelt’ und ‘wahrnehmend’ nicht eigentliche Differenzen im Hinblick auf die Gattung ‘Lebewesen’, wohl aber die Differenzen ‘rational’ und ‘irrational’, insofern sie die Gattung in Arten unterteilen. Moraux 1984 [*220: 368] vermutet, dass Herminos darin Boethos folgt, der die Meinung vertrat, dass die Differenzen nicht zur Gattung gehören, sondern zur Art, da sie bei allen Vertretern der jeweiligen Art vorkommen, nicht aber bei allen Vertretern der Gattung (Simpl. In Cat. 97,28–34 Kalbfleisch). Eine Folge dieser Ansicht könnte Herminos’ Interpretation von ‹Kategorien› 3, 1b15f. sein. An dieser Stelle sagt Aristoteles, die Differenzen zweier Gattungen, die nicht gegenseitig untergeordnet seien, seien «der Art nach verschieden» (ἕτεραι τῷ εἴδει). Er meint damit, dass die Differenzen zweier verschiedener Gattungen (z. B. der Gattungen ‘Lebewesen’ und ‘Wissenschaft’) der Art nach verschieden sind (d. h. die Differenzen der einen Gattung – ‘mit Füßen versehen’, ‘beflügelt’ usw. – kommen bei der anderen Gattung nie vor). Herminos versteht die Stelle so, dass zwei Gattungen, die nicht einander, sondern einer gemeinsamen Obergattung unter
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geordnet sind (z. B. die Gattungen ‘beflügelt’ und ‘mit Füßen versehen’ unter der Obergattung ‘Lebewesen’), gemeinsame Differenzen wie ‘zweifüßig’ oder ‘vierfüßig’ haben können und dass diese jeweiligen Differenzen in den zwei untergeordneten Gattungen «der Art nach» (εἴδει) verschieden, aber in Bezug auf die übergeordnete Gattung (γένει) identisch sind (Simpl. In Cat. 57,22–58,7 Kalbfleisch). Alexander von Aphrodisias kritisiert diese Auslegung in seiner Abhandlung ‹De differentiis specificis›, die auf Arabisch erhalten ist (vgl. Rashed 2007 [*858: 104–126], Kupreeva 2010 [*873: 224]). Weiter argumentiert Herminos gegen die Ansicht, die Liste der zehn Kategorien sei das Resultat einer Teilung der Gattungen oder eines Ganzen; er vertritt hingegen die Meinung, dass es sich um eine «Aufzählung» (ἀπαρίθμησις) handle (Simpl. In Cat. 62,7–9 Kalbfleisch). Simplikios erwähnt auch Herminos’ Auslegungen von technischen Fragen. In einem Fall geht es um das Kapitel zur Quantität, wo Herminos offenbar eine Lösung für ein von einem Kritiker des Aristoteles, dem Platoniker Lukios, aufgeworfenes Problem bietet. Die Kritik betrifft Aris toteles’ Nennung eines Körpers, d. h. einer Substanz, als Beispiel für die Kategorie der Quantität in der Diskussion von kontinuierlichen Quantitäten in ‹Kategorien› 6, 5a1–6. Herminos schlägt vor, dass Aristoteles von einem geometrischen Körper spreche, d. h. vom Dreidimensionalen, der zur Quantität gehöre, und nicht von einem physikalischen Körper, der Substanz ist (Simpl. In Cat. 124,31–35 Kalbfleisch; für diese Simplikios korrigierende Interpretation vgl. Moraux 1984 [*220: 370f.]). Herminos gibt ferner einen Lösungsvorschlag für das Problem von ‘oben’ und ‘unten’, das von Aristoteles als angebliches Beispiel für Gegensätze innerhalb der Kategorie der Quantität genannt wird (6a11–18), indem er erklärt, dass diese Gegensätze eher in die Kategorie ‘Wo’ als in die Kategorie ‘Ort’ fallen und so nicht zur Quantität gehören (Porph. In Cat. 107,25–30 Busse), eine Lösung, die Simplikios dem Andronikos zuschreibt (Simpl. In Cat. 142,34–143,1 Kalbfleisch). Herminos diskutierte offensichtlich auch die Stellung und das Ziel der Postprädikamente, wobei er die vor-andronikische Auffassung wieder aufnahm, dass es sich dabei um eine Einführung in die ‹Topik› handle (Elias In Cat. 241,30–34 Busse; Moraux 1984 [*220: 373]). 2. ‹De interpretatione› Auf die Frage, welche Rolle die kurze Diskussion der Gedanken und der Wörter als deren Symbole im ersten Kapitel von ‹De interpretatione› spielt, antwortete Herminos, dass sie den Nutzen der folgenden Erläuterungen betonen solle, da die Gedanken nur durch die sprachlichen Ausdrücke erfasst werden könnten (Boeth. In Int. 1, II,25,15–26,14 Meiser). Die Herangehensweise von Herminos an die Interpretation dieser Stelle scheint mit der Bedeutungstheorie, die seiner Interpretation der ‹Kategorien› zugrunde liegt, übereinzustimmen, wo er ebenfalls nachweist, dass die Kategorien sich direkt auf die Gattungen von Seiendem beziehen, unbeeinflusst von Gedanken. Mit Blick auf ‹De interpretatione› 1 teilt er die Zweifel des Aspasios und stellt die traditio-
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§ 36. Herminos (Bibl. 439)
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nelle Lesart und das entsprechende Verständnis der Stelle infrage, die lautet: «Und wie die Buchstaben nicht für alle gleich sind, sind es auch die gesprochenen Laute nicht. Wofür diese aber an erster Stelle Zeichen sind – die Affektionen der Seele – diese sind für alle dieselben; und womit die Affektionen Ähnlichkeit haben – mit den Dingen – die sind auch dieselben» (Int. 1, 16a5–8). Herminos schlägt vor, in 16a6 «diese» (ταῦτα) statt «dieselben» (ταὐτά) zu lesen; denn Boethius zufolge «sagt [sc. Herminos], dass es nicht wahr sei, dass die Gedanken, die die Wörter zum Ausdruck bringen, für alle Menschen gleich sind. Denn wie sollte dann etwas zweideutig gesagt werden, argumentiert er, da ja in diesem Fall ein und dasselbe Wort Mehreres bedeutet? Vielmehr hält er eher die folgende Lesart für richtig: ‘Wofür diese aber an erster Stelle Zeichen sind – das sind die Affektionen der Seele –, und womit diese Affektionen Ähnlichkeit haben, das sind die Dinge’, so dass die Stelle eher zu zeigen scheine, was die gesprochenen Wörter zum Ausdruck bringen oder womit die Affektionen der Seele Ähnlichkeit haben» (Boeth. In Int. 1, II,39,25– 40,2 Meiser = Sharples 2010 [*43: 11E (Auszug)]). Herminos versucht hier, die konzeptualistische Lesart der Passage abzuwehren, diese Position scheint aber keine Anhänger gefunden zu haben (vgl. Ebbesen 1981 [*421: 159], Moraux 1984 [*220: 375]). Boethius überliefert weiter mehrere technische Erklärungen des Herminos im Zusammenhang mit den Problemen der Quantifizierung (Moraux 1984 [*220: 376–382]). Bemerkenswert ist, dass Herminos bei seinen Erklärungen zum Problem der Kontrarietät von unquantifizierten Urteilen (Int. 7, 17b7–12) nur den Fall erklärt, in dem das Prädikat dem Subjekt von Natur aus zukommt, wie im Fall von ‘Der Mensch ist rational’ die Rationalität dem Menschen von Natur aus zukommt (Boeth. In Int. 1, II,157,30–158,9 Meiser). Es ist die Tatsache des natürlichen Zukommens, welche die Kontrarietät der Relation zwischen zwei unquantifizierten Aussagen (z. B. ‘Der Mensch ist rational’ und ‘Der Mensch ist nicht rational’) auszumachen scheint. Diese Tatsache wird in Boethius’ Kritik offensichtlich nicht berücksichtigt (Boeth. In Int. 1, II,158,9–17 Meiser). 3. ‹Analytica priora› Es gibt drei Erklärungen des Herminos zu Aristoteles’ ‹Erster Analytik›, die in späteren Kommentaren überliefert sind. Alexander von Aphrodisias berichtet von seinen Bemühungen, eine Methode zu entwickeln, um in einem Syllogismus in der zweiten Figur (wo der Mittelbegriff in beiden Prämissen Prädikat ist) den Ober- und Unterbegriff zu bestimmen (Alex. Aphr. In An. pr. 72,26–74,6 Wallies). Die Methode wird von Alexander und den modernen Kommentatoren der ‹Analytica priora› allerdings als nutzlos und unangemessen kritisiert (vgl. Alex. Aphr. In An. pr. 72,5f. Wallies; Patzig 1959 [*420: 128]) und ist auch nicht wegen ihres technischen Werts für die Darstellung der Syllogistik interessant, sondern nur als Hinweis auf Herminos’ philosophische Ontologie, in der die natürlichen Hierarchien von Gattungen und Arten eine besondere Rolle spielen. Sein Hauptkriterium für die Entscheidung, welches der zwei Subjekte der Prämissen der Oberbzw. der Unterbegriff ist, hat nämlich mit der relativen Position dieser Begriffe in
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solchen natürlichen Hierarchien zu tun: Derjenige Begriff, der näher an der übergeordneten Gattung der Hierarchie ist, ist Oberbegriff, derjenige, der in der Rangleiter weiter unten steht, Unterbegriff. Herminos betrachtet mehrere Fälle: 1) beide Begriffe gehören zur selben Gattung und haben einen verschieden großen Abstand zur Gattung; 2) beide Begriffe gehören zur selben Gattung und sind gleich weit von der Gattung entfernt; beide Begriffe gehören zu verschiedenen Gattungen, wobei auch in diesem Fall zwischen 3) Äquidistanz und 4) Nicht-Äquidistanz zur Gattung unterschieden wird. Für jeden dieser Fälle entwickelt er eine Methode. Diese ist manchmal etwas gewunden, aber immer konsistent mit seiner grundsätzlichen Stoßrichtung, alle Begriffe als Bestandteile der natürlichen Hier archien von Gattungen und Arten aufzufassen, in denen Distanz in Bezug auf die relative Position auf der Gattung-Art-Leiter definiert ist, d. h. entsprechend der Anzahl von Gabelungsschritten, welche die ‘differentia specifica’, die den frag lichen Begriff charakterisiert, von der Gattung trennt. Die zweite Erklärung, die ebenfalls von Alexander überliefert wird, hat mit der Methode zu tun, mit der die nicht schlüssigen Modi von Syllogismen bewiesen werden. Aristoteles’ Verfahren, das Alexander «materielles Schließen für alles und nichts (τὸ εὐπορῆσαι ὕλης καὶ τῷ παντὶ καὶ τῷ μηδενί)» nennt (Alex. Aphr. In An. pr. 89,30 Wallies), setzt die Konstruktion von zwei Syllogismen derselben Form voraus, mit zwei Beispielen von konkreten Begriffen, die im einen Fall ein allgemein bejahendes (A), im anderen Fall ein allgemein verneinendes (E) Urteil ergeben. Herminos – offenbar einigen ungenannten früheren Denkern folgend – glaubt, dass die Nichtschlüssigkeit eines Syllogismus mithilfe eines Paares von Syllogismen bewiesen werden kann, bei dem der eine eine allgemein verneinende (E), der andere eine partikulär bejahende (I) Konklusion hat, wobei E und I sich widersprechen (Alex. Aphr. In An. pr. 89,31–91,33 Wallies). Alexander wendet ein, dass diese Kombination nicht beweise, dass der Syllogismus nicht-schlüssig sei, da sie die Möglichkeit einer partikulär verneinenden Schlussfolgerung (O) offenlässt (ibid. 90,6–27 Wallies). Die dritte Erklärung hat mit dem berühmt-berüchtigten Problem der Modalität der Konklusion in Syllogismen mit gemischten modalen Prämissen zu tun (Arist. An. pr. 1,9). Aristoteles hatte die Meinung vertreten, dass die Konklusion die Modalität des Obersatzes übernimmt (maiorem sequitur), eine Ansicht, die schon von Theophrast und Eudemos kritisiert wurde, welche die ‘peiorem’ oder ‘deteriorem’-Regel vertraten: Die Konklusion übernimmt die schwächere Modalität (Theophr. fr. 105f. FHSG), d. h. im Modus Barbara der ersten Figur: Wenn der Obersatz notwendig und der Untersatz assertorisch ist, dann wird die Konklusion assertorisch sein. Herminos versucht, wie Sosigenes, Aristoteles’ Ansicht zu verteidigen. Herminos unterscheidet nämlich zwischen Form und Materie eines Syllogismus und schlägt vor, dass die Notwendigkeit der Konklusion für gewisse konkrete Begriffe (wobei konkrete Begriffe die ‘Materie’ eines Syllogismus sind) Gültigkeit habe, für andere aber nicht (Ps.-Ammon. In An. pr. 39,31–40,1 Wallies). Alexander kritisiert diese Theorie in seinem Kommentar, ohne Herminos zu nennen (Alex. Aphr. In An. pr. 125,17–24 Wallies). Ps.-Ammonios’ Quelle für die Diskussion muss, direkt oder indirekt, die verlorene Abhandlung Alexanders
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‹Über die Meinungsverschiedenheiten zwischen Aristoteles und seinen Kollegen mit Blick auf gemischte Prämissen› (Περὶ τῆς κατὰ τὰς μίξεις διαφορᾶς [var. lect. διαφωνίας] Ἀριστοτέλους τε καὶ τῶν ἑταίρων αὐτοῦ) gewesen sein (Alex. Aphr. In An. pr. 125,30f. Wallies; Philopon. In An. pr. 126,20 Wallies; Flannery 1995 [*827], Gili 2014 [*412: 49–55] für detaillierte Diskussion). 4. ‹Topik› Eine erste durch Alexander von Aphrodisias überlieferte Bemerkung des Herminos zur ‹Topik› hat mit der Frage zu tun, wie in der aristotelischen Aufzählung der fünf möglichen Kritikpunkte an einem Argument, das durch Frage und Antwort zustande kommt, der Text unterteilt werden soll (161b19). Aristoteles zählt mittels Zahlen (‘erstens’, ‘zweitens’, ‘drittens’) drei Fehler auf: 1) unkorrigierbar nicht-schlüssige oder falsche Prämissen; 2) eine für die Fragestellung irrelevante Ableitung; 3) eine nicht-schlüssige Ableitung, die durch zusätzliche Annahmen korrigiert werden kann. Und er schließt mittels Verbindungspartikeln – «wiederum» (πάλιν: 161b28) und «ferner» (ἔτι: 161b31; Top. 8,11, 161b19–33) – die zwei folgenden Kritikpunkte an: 4) Herleitung, die durch das Weglassen von Prämissen ermöglicht wird; 5) unplausible Prämissen oder Prämissen, die schwieriger zu beweisen sind als die behauptete Schlussfolgerung. Herminos verteilte die Aufzählung anders, indem er den traditionellerweise vierten Kritikpunkt zum dritten zählt (d. h. er behandelt das Hinzufügen bzw. Weglassen von Prämissen als Teilpunkte derselben Kritik) und den fünften Kritikpunkt in 1) unplausible Prämissen und 2) Prämissen, die schwierig zu beweisen sind, unterteilt. Eine zweite Bemerkung zur ‹Topik› betrifft die knappe Beschreibung, die Aristoteles von der zweiten Art von «falschem Argument» (ψευδὴς λόγος) in ‹Topik› 8,12, 162b3–15 gibt. Aristoteles erklärt, das Argument sei falsch, wenn sich eine Konklusion ergebe, die sich nicht auf das zu Beweisende bezieht – «was meistens im Fall der reductio ad absurdum geschieht» (ὅπερ συμβαίνει μάλιστα τοῖς εἰς ἀδύνατον ἄγουσιν: 162b5f.). Herminos versteht Aristoteles so, dass dieser alle Fälle von indirektem Beweis (durch reductio) «falsche Argumente» nennt, da in allen diesen Fällen etwas nicht durch eine direkte Ableitung, sondern durch eine reductio ad absurdum (d. h. im Widerspruch zur Prämisse) bewiesen wird (Alex. Aphr. In Top. 574,22–26 Wallies). Alexander zieht eine andere Erklärung vor. Für ihn ist der Hinweis auf die reductio nicht eine grundsätzliche Kritik an dieser Art von Beweis, sondern lediglich eine Angabe derjenigen Beweisart, in welcher der von Aristoteles genannte Fehler am häufigsten vorkommt, nämlich wenn man im indirekten Beweis Prämissen wählt, die ohne Bezug zum demonstrandum sind (ibid. 574,26–575,7 Wallies). Diese beiden Bemerkungen tragen nichts Wichtiges zur Schuldoktrin bei (vgl. Moraux 1984 [*220: 394]), liefern aber Hinweise zu Herminos’ Auslegungsmethode: Offensichtlich haben wir es in diesem Fall nicht mit einer Spezialmonographie zu tun, sondern mit einem ausführlichen Kommentar zum Text, der entweder publiziert war oder in den Seminaren, die Alexander besuchte, mündlich vorgetragen wurde.
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5. ‹De caelo› Nach Alexander von Aphrodisias folgt Herminos bei seiner Erläuterung von Aristoteles’ Argument für die Regelmäßigkeit der Himmelsbewegung in ‹De caelo› 2,6 der Interpretation von Aspasios (apud Simpl. In Cael. 430,12–431,37 Heiberg = fr. 145a Rescigno). Ein anderer Hinweis auf Herminos steht im Zusammenhang mit Aristoteles’ Argument, dass die Himmelsbewegung ewig und mühelos sei und nicht durch irgendeinen äußeren Zwang zustande komme (Cael. 2,1, 284a15–b5). Herminos’ Ansicht wird von Alexander von Aphrodisias als eine Antwort auf eine Art Schulproblem vorgestellt: «Wir untersuchten, sagt [sc. Alexander], als wir zu diesem Teil des zweiten [sc. Buches von ‹De caelo›] kamen, mit welcher Bewegung die Seele den Körper bewegt, der eine Kreisbewegung ausführt, wenn er sich von Natur aus im Kreis bewegt. Die Untersuchung ist notwendig, und es lohnt sich, sich diese Frage als Problem vorzulegen. Wir müssen die Lösungen betrachten […]. Iulianos von Tralleis meinte, dass die Seele verantwortlich dafür sei, dass sich der Körper nach rechts, ausgeglichen und geordnet bewege. Herminos hingegen sagte, die Seele sei der Grund für seine unendliche Bewegung, denn kein begrenzter Körper besitze in seiner eigenen Natur die Kraft zur unendlichen Bewegung» (apud Simpl. In Cael. 379,32–380,5 Heiberg = fr. 129d12–22 Rescigno; vgl. Sharples 2010 [*43: 21J]). Das Schulproblem hat mit einer Spannung in Aristoteles’ Erklärung der Himmelsbewegungen zu tun, die sich einerseits auf die Eigenschaften des himmlischen Körpers (αἰθήρ), andererseits aber auch auf die These, dass die Himmel beseelt sind, bezieht (vgl. Sharples 2002 [*391: 4]). Die in der Schule unternommenen Lösungsversuche gehen in die Richtung, dass man verschiedene Funktionen der Himmelskörper durch verschiedene Faktoren erklärte (Sharples 2010 [*43: 191]). Herminos deutet den unendlichen Charakter der Himmelsbewegung mithilfe der Seele, indem er auf Aristoteles’ Beweis in ‹Physik› 8,10 verweist, wonach eine unendliche Kraft ihren Sitz nicht in einem endlichen Körper haben könne (266a24–b27). Alexander wendet gegen Herminos’ Erklärung ein, dass der erste Beweger dafür verantwortlich sei, dass die Himmelsbewegung unendlich sei. Das lässt vermuten, wie Rescigno 2008 [*575: 144] betont, dass Herminos den Himmel als vollständige, sich selbst bewegende Einheit betrachtet, die aus einem Bewegenden – der Seele – und aus einem Bewegten – dem Körper – besteht (vgl. Moraux 1984 [*220: 398], Bodnár 1997 [*830: 190]). Diese Lösung, die ihrerseits Probleme im Hinblick auf die Rolle der Finalursache aufwirft, dürfte aus dem Wunsch entstanden sein, die Differenzen zwischen den Erklärungen der Himmelsbewegung in der ‹Physik› und denjenigen in ‹De caelo› aufzuheben. 4. NACHWIRKUNG
Herminos war der Lehrer von Alexander von Aphrodisias, und beinahe alle wichtigen Informationen über seine Lehre sind durch Alexander überliefert. Die Vermutung, dass er Galen unterrichtet haben könnte, ist spekulativ, sollte aber
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doch nicht gänzlich abgetan werden. Sie gründet auf der Tatsache, dass Galen einen Schüler von Aspasios unter seinen peripatetischen Lehrern erwähnt, und auf einem glaubhaften Verweis auf Herminos als Adressat eines Briefes von Galen in der auf Arabisch erhaltenen Abhandlung des Alexander von Aphrodisias ‹Über die Bewegung gegen Galen›. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 37. Aristokles von Messene Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Laut der ‹Suda› (I,356,8 Adler s. v. Ἀριστοκλῆς) kam der peripatetische Philosoph Aristokles aus dem sizilianischen Messene. Der Hinweis auf Sizilien soll wohl dazu dienen, Aristokles’ Geburtsort vom berühmteren Messene auf der Peloponnes zu unterscheiden, und geht möglicherweise auf eine ältere Quelle zurück (Follet 1989 [*475: 382f.] argumentiert für Messene auf der Peloponnes, dagegen vgl. Chiesara 2001 [*429: XIX, 51]). Aristokles’ Lebenszeit wurde bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts von einer Mehrheit der Forscher auf die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts datiert, weil angenommen wurde, dass er der Lehrer des Alexander von Aphrodisias gewesen sei. Dieser wurde in mehreren antiken Texten ‘Aristoteles’ genannt, was man für einen Schreibfehler für ‘Aristokles’ hielt (Alex. Aphr. De intell. 110,4 Bruns; Simpl. In Cael. 153,16f. Heiberg; Cyr. Alex. CI 2,38; 5,9). Die frühesten modernen Emendationen von ‘Aristoteles’ zu ‘Aristokles’ gehen auf das 16. Jahrhundert zurück und erhielten im 19. Jahrhundert Unterstützung durch Eduard Zellers Autorität. Verwechslungen zwischen den beiden mit Ἀριστ- beginnenden Namen sind in den griechischen Quellen nicht selten (vgl. die Liste der vielen richtigen Korrekturen von Ἀριστοτέλης zu Ἀριστοκλῆς bei Rose 1863 [*436: 615–622]). In seiner Ausgabe der Aristokles-Fragmente druckt Heiland 1925 [*428: 16–23 = Testimonia III–V] diese emendierten Texte als Testimonien für Aristokles. Als aber im 20. Jahrhundert neue Hinweise darauf bekannt wurden, dass es im 2. Jahrhundert wirklich einen peripatetischen Philosophen und Lehrer des Alexander von Aphrodisias mit
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
dem Namen Aristoteles gegeben hat, wurden diese Emendationen überprüft und verworfen. Die früheste antike literarische Quelle, in der Aristokles erwähnt wird und die damit den Terminus ante quem für Aristokles darstellt, ist Eusebios’ ‹Praeparatio evangelica›, die im frühen 4. Jahrhundert n. Chr. verfasst wurde. Die am spätesten datierte Person, die in Aristokles’ Fragmenten erwähnt wird, ist Apellikon, von dem man weiß, dass sein Lebenshöhepunkt zwischen 88 und 84 v. Chr. lag. Ebenfalls erwähnt wird Ainesidemos von Knossos, dessen floruit heute übereinstimmend ins 1. Jahrhundert v. Chr. datiert wird (vgl. Polito 2014 [*491: 41f.]) und der als Terminus post quem für Aristokles angenommen werden kann. Moraux 1984 [*220: 89] vertrat die Ansicht, dass Aristokles nicht später als 50 Jahre nach der Wiederbelebung der pyrrhoneischen Skepsis durch Ainesidemos geschrieben habe, d. h. nicht später als Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Chiesara 2001 [*429: XIX] schlug vor, die Datierung auf das späte 1. Jahrhundert v. Chr. vorzuziehen. Über Aristokles’ Leben ist nichts bekannt, doch erörtert Chiesara, inwieweit Aristokles eine enge Verbindung zu Alexandrien hatte: Sein Werk weist Vertrautheit mit alexandrinischen Realien auf (vgl. den Titel seines Werks ‹Über Sarapis›), und Ainesidemos, für den Aristokles möglicherweise unsere früheste Quelle ist, war laut Aristokles’ eigenem Bericht in Alexandrien aktiv. Spätere alexandrinische Philosophen (Asklepios und Philoponos) sind mit Aristokles’ Werk vertraut. Einen weiteren Hinweis könnte man aus der Lesart σοφός (weise) anstelle des überlieferten κλυτός (berühmt) im Homer-Zitat (σοφὸς ἤραρε τέκτων: Il. 23,712) gewinnen, das bei der Diskussion der Bedeutungen von σοφόν in den Testimonien 3,4 und 5,4 vorkommt (hier und im Folgenden werden alle Testimonien und Fragmente des Aristokles nach der Ausgabe von Chiesara 2001 [*429] zitiert). Diese Lesart bei Philoponos und Asklepios geht sehr wahrscheinlich auf Aristokles zurück und findet sich auch bei Clemens von Alexandrien (Strom. 1,25) und Ammonios (In Isag. 9,13 Busse), möglicherweise repräsentieren alle diese Texte die alexandrinische Überlieferungstradition des homerischen Texts (Chiesara 2001 [*429: 57]). In antiken Quellen sind mehrere Namensvetter von Aristokles erwähnt, deren Identität mit dem Messenier zum Teil diskutiert wird. Es handelt sich vor allem um den Grammatiker Aristokles von Rhodos, der im 1. Jahrhundert v. Chr. aktiv war (vgl. Wentzel 1896 [*444]), und um Aristokles von Pergamon, einen peripatetischen Philosophen aus dem 2. Jahrhundert, der, nachdem er bei Herodes Atticus studiert hatte, Rhetor wurde (Schmid 1896 [*443], Follet 1989 [*476]). Proklos erwähnt in seinem Kommentar zum ‹Timaios› einen Aristokles, der argumentiert habe, dass die fehlende Person im ‹Timaios› Theaitetos sei (1,20,2 Diehl). Gercke 1896 [*442] meinte, dass sich Proklos hier möglicherweise auf Aristokles von Messene beziehe. Festugière 1949 [*450] vertrat hingegen die Ansicht, dass es wahrscheinlicher sei, dass der Grammatiker Aristokles von Rhodos gemeint sei, den Proklos auch bei einer anderen Gelegenheit zitiert (1,85,28 Diehl), wo er seinen vollen Namen mit dem geographischen Beinamen gebraucht. Follet 1989 [*476] bezieht die Stellen aus Proklos in die Testimonien zu Aristokles von Messene ein und Chiesara 2002 [*487] diskutiert die Möglichkeit, dass sich In Tim. I,20,2 auf den Messenier bezie-
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hen könnte. Goulet 1989 [*477] dagegen vertritt die Meinung, dass Proklos an dieser Stelle eher auf den Grammatiker aus Rhodos Bezug nimmt. Weiter erwähnt Simplikios bei der Frage nach der Himmelsmaterie in seinem Kommentar zur aristotelischen ‹Physik› Proklos’ Brief «an» oder «gegen» Aristokles. Chiesara 2001 [*429] behandelt diese Stelle (Simpl. In Phys. 615,15 Diels) wie auch In Tim. I,20,2 so, als meine sie den Messenier; sie nimmt jedoch keinen der beiden Texte in ihre Testimonien auf. Hinzuzufügen ist, dass der Name Aristokles einer der häufigsten in der alten Welt war, so dass jede prosopographische Zuschreibung guter Belege bedarf. 2. WERKE Die ‹Suda› (I,356,9–12 Adler s. v. Ἀριστοκλῆς) listet in folgender Reihenfolge fünf Werke des Aristokles auf: ‹Über Philosophie› (Περὶ φιλοσοφίας) in zehn Büchern, ‹Ob Homer oder Platon besser ist› (Πότερον σπουδαιότερος Ὅμηρος ἢ Πλάτων), ‹Handbücher der Rhetorik› (Τέχναι ῥητορικαί), ‹Über Sarapis› (Περὶ Σαραπίδος) und ‹Ethik› (Ἠθικά) in acht oder neun Büchern (T1 Chiesara). Das einzige Werk, das in anderen antiken Quellen sicher belegt ist und von dem wir als einzigem Fragmente besitzen, ist ‹Über Philosophie›.
Πότερον σπουδαιότερος Ὅμηρος ἢ Πλάτων ‹Ob Homer oder Platon besser ist› Über dieses Werk gibt es keine weiteren Informationen aus anderen antiken Quellen. Die Vermutung von Gercke 1896 [*442], dass sich Proklos in In Tim. I,20,2 Diehl möglicherweise auf Aristokles von Messene bezieht, schließt die Vermutung mit ein, dass das Werk, in dem Aristokles seine Bemerkung über die fehlende Person im ‹Timaios› macht, der Vergleich zwischen Homer und Platon sein könnte. Es gibt aber für diese Vermutung keinen Beleg. Der Titel ist typisch für rhetorische Übungen zu Themen der Literaturkritik, und es ist offen, ob darin philosophische Themen aus Platons Kritik an Homer in der ‹Politeia› vorkamen. Karamanolis 2006 [*488: 37] vermutet, dass Aristokles in diesem Werk Platon lobte.
Τέχναι ῥητορικαί ‹Handbücher der Rhetorik› Auch dieses Werk ist mit Ausnahme der ‹Suda› nicht belegt. Moraux 1984 [*220: 90] vertrat die Ansicht, dass der Autor Aristokles von Pergamon sein könnte. Doch spricht nichts gegen die Autor-
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schaft des Messeniers (besonders wenn man an die Diskussionen zur Rhetorik unter den Peripatetikern des späten Hellenismus denkt).
Περὶ Σαραπίδος ‹Über Sarapis› Es gibt keine weiteren Zeugnisse, aber Chiesara 2001 [*429: XIX–XX] vermutet, dass der Titel Aristokles’ Verbindung zu Alexandrien widerspiegelt. Die Titel der Werke zu Homer und Platon und über Sarapis deuten auf ein literarisches und historisches Interesse hin, und Moraux 1984 [*220: 89f.] spekuliert, ob vielleicht beide Werke, wie auch die Abhandlung über die Rhetorik, Aristokles von Messene fälschlich aufgrund einer Verwechslung mit Aristokles von Pergamon zugeschrieben worden sind. Doch sind solche Interessen nicht unvereinbar mit dem üblichen Hintergrund der peripatetischen Philosophen, so dass die Autorschaft des Messeniers nicht ausgeschlossen werden kann.
Ἠθικά ‹Ethik› Der Titel heißt in der ‹Suda› Ἠθικά βιβλία θʹ. Moraux 1984 [*220: 90] übersetzt «Ethik in neun Büchern», Chiesara 2001 [*429: 3] «in acht Büchern» und Heiland 1925 [*428: 4, 104] unerklär licherweise «in sieben Büchern». Die Angabe hängt vom Zählsystem ab: Das hellenistische System basierte auf dem 27 Buchstaben umfassenden Alphabet und enthielt das alte Stigma als Nummer 6, was für θʹ den Wert neun ergibt. Im vor-alex andrinischen System, basierend auf dem 24 Buchstaben umfassenden Alphabet, hatte θʹ den Wert acht. Angesichts von Aristokles’ Lebenszeit und der Tatsache, dass in der ‹Suda› das archaische
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Stigma für Buch sechs von ‹Über Philosophie› gebraucht zu sein scheint (T2 Chiesara = Suda IV,409,20f. Adler s. v. Σωτάδας), ist es plausibel, anzunehmen, dass auch für die Bücher der ‹Ethik› das alexandrinische Zählsystem gebraucht wurde, d. h. die Zahl der Bücher wäre neun, für eine definitive Klärung bräuchte es aber mehr Belegmaterial. Moraux 1984 [*220: 90] bemerkt, dass ein solcher Titel in der Werkliste des Aristokles sehr gut mit seinen Interessen als peripatetischer Philosoph zusammenpassen würde. Es gibt keine weiteren Zeugnisse in antiken Quellen, die dieses Werk belegen könnten. Es lässt sich daher nur spekulieren, ob es eher eine Abhandlung war, die auf Aristokles’ eigenen Überlegungen zu ethischen Themen basierte, oder ein Kommentar zu einer von Aristoteles’ Ethiken. Wenn Letzteres der Fall ist, findet sich kein Hinweis auf Aristokles im erhaltenen ‹Ethik›Kommentar des Aspasios, der sich sonst auf Schulmaterial aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. stützt. Auf jeden Fall ist es bedeutsam, möglicherweise einen Titel aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. zu haben, der auf ein Interesse an ethischen Themen hinweist.
Περὶ φιλοσοφίας ‹Über Philosophie› Dieses Werk ist als einziges des Aristokles in mehreren Quellen belegt, und einige Fragmente daraus sind erhalten. Es bestand aus zehn Büchern, wie die ‹Suda›, Philoponos und Asklepios bezeugen (T1, T3,3, T4, T5,3, T6 Chiesara). Die bei Eusebios erhaltenen Fragmente umfassen drei Exzerpte aus Buch 7 (Platons Einteilung der Philosophie, Eus. Praep. ev. 11,3,1–9 = F1 Chiesara), etwas zur biographischen Tradition zu Aristoteles (Eus. Praep. ev. 15,2,1–15 = F2 Chiesara), eine kurze Darstellung von Zenons Prinzipienlehre (Eus. Praep. ev. 15,4,1–2 = F3 Chiesara), einen Ausschnitt aus Buch 8 (Widerlegung der eleatischen und megarischen Schule, Eus. Praep. ev. 14,17,1–9 = F7 Chiesara), drei Fragmente ohne Angabe einer Buchnummer (die aber inhaltlich mit der Widerlegung der Eleaten und Megariker verknüpft sind, so dass sie möglicherweise auch aus Buch 8 stammen), die Darstellung der Skeptiker (Eus. Praep. ev. 14,18,1–31 = F4 Chiesara), die Lehren der Kyrenaiker (Eus. Praep. ev. 14,19,1–8 = F5 Chiesara)
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und die Lehren von Metrodor und Protagoras (Praep. ev. 14,20,1–12 = F6 Chiesara). Abgesehen von diesen Fragmenten gibt es ein substantielles Testimonium für ‹Über Philo sophie› (ohne Angabe eines Buches) in den zwei Kommentaren zu Nikomachos’ ‹Einführung in die Arithmetik› von Philoponos und Asklepios, die über Aristokles’ Darstellung der Bedeutung des Wortes σοφία («Weisheit») berichten (T3–T6 Chiesara). Außerdem haben wir einen kurzen Bericht in der ‹Suda›, dass Aristokles im 6. Buch von ‹Über Philosophie› den Philosophen Sotadas aus Byzanz erwähnt habe (T2 Chiesara, vgl. Clem. Alex. Strom. 1,61,3; Gercke 1896 [*442]). Das Textmaterial ist nicht unbeträchtlich, und doch ist jede Rekonstruktion der Struktur, Methoden oder Inhalte des Buches über diese Fragmente und Berichte hinaus schwierig und notgedrungen spekulativ. Gercke 1896 [*442] vergleicht Aristo kles’ Methode mit derjenigen des Theophrast, da beide untersuchen, wie verschiedene Ansichten zu einem philosophischen Problem zustande kamen, ohne den Fokus auf das Problem selbst aufzugeben. Heiland 1925 [*428: 90–94] schlägt in seiner Fragmentsammlung vor, dass das Werk auf der Einteilung der Philosophie in Logik (Bücher 1–4), Ethik (Bücher 5 und 6), Physik (Bücher 7 und 8) und Theologie (Bücher 9 und 10) beruht habe, mit einem Vorwort, in dem das Konzept ‘Philosophie’ diskutiert worden sei (vgl. Gercke 1896 [*442]). Buch 7 und 8 wären dann der Naturphilosophie gewidmet gewesen, wobei zu Buch 7 die Fragmente über Platon (= F1 Chiesara), Aristoteles (= F2 Chiesara) und die Stoiker (= F3 Chiesara) gehört hätten, zu Buch 8 die Fragmente zu Metrodor und Protagoras (= F6 Chiesara), Xenophanes und Parmenides (= F7 Chiesara) und die Lehren von Aristipp (= F5 Chiesara) und Epikur (= F8 Chiesara). Trabucco 1958 [*454] argumentiert gegen diese Rekonstruktion und schlägt seinerseits vor, dass Aristokles in den Büchern 1 bis 6 seine eigenen Ansichten vorgestellt habe, während er in Buch 7 die Lehren der Akademie, des Lykeions und der Stoa diskutiert habe. Die neuere Forschung hat sich solch spekulativer Rekonstruktionen meist enthalten und ihre Aufmerksamkeit stattdessen Aristokles als Quelle für verschiedene antike Schulen (besonders die skeptische) und seinem Platz in der peripatetischen Tradition zugewandt (Moraux 1984 [*220: 91f.]).
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§ 37. Aristokles von Messene (Bibl. 440–441)
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3. LEHRE
1. Die Bedeutung von Sophia und Kulturgeschichte. – 2. Über Platon, Aristoteles und die Stoiker (F1–3 Chiesara): 2.1. Platons Philosophie (F1 Chiesara); 2.2. Die Verteidigung des Aristoteles (F2 Chiesara); 2.3. Stoische Physik (F3 Chiesara). – 3. Das Problem der Erkenntnis: 3.1. Kritik am Pyrrhonismus (F4 Chiesara); 3.2. Aristokles’ Bericht der pyrrhoneischen Hauptprinzipien (F4,2–10 Chiesara); 3.3. Aristokles’ Widerlegung der pyrrhoneischen Position (F4,5–9 Chiesara); 3.4. Aristokles’ Darstellung der Tropen (F4,11 Chiesara); 3.5. Aristokles’ Kritik an den Tropen (F4,12–29 Chiesara); 3.6. Schlussfolgerung zu Aristokles’ skeptischen Quellen und seinem Gebrauch von Aristoteles; 3.7. Kritik an den Kyrenaikern (F5 Chiesara); 3.8. Kritik an den ‘Sensualisten’ (F6 Chiesara); 3.9. Kritik an den Anti-Sensualisten (F7 Chiesara); 3.10. Kritik an der epikureischen Ansicht, dass Lust ein Kriterium für das Handeln sei (F8 Chiesara).
Die wenigen erhaltenen Zeugnisse und Fragmente geben uns einen kleinen Einblick in Aristokles’ Auffassungen und Argumente. Sie genügen nicht für eine vollständige Rekonstruktion seiner Lehre, sind aber doch informativ und werfen zusätzliches Licht auf die Geschichte des Aristotelismus zu Beginn des 1. Jahrtausends n. Chr. Die erhaltenen Texte können in drei Gruppen eingeteilt werden: Die Diskussion der Bedeutungen von ‘Sophia’, wie sie in den Testimonien bei Asklepios und Philoponos erhalten ist, die Fragmente einer – wie es scheint – historischen Einführung in die Lehren von Platon, Aristoteles und den Stoikern und schließlich eine Diskussion von ‘Wissen’, die fünf verschiedene Argumente umfasst: gegen die Skeptiker, gegen die Kyrenaiker, gegen Protagoras und Epikur über Sinneswahrnehmung, gegen die Behauptung der Eleaten und Megariker, dass man der Sinneswahrnehmung nicht trauen kann, und gegen die Epikureer über Lust als Kriterium. Der genaue Ort all dieser Darstellungen in der Gesamtstruktur von ‹Über Philosophie› ist schwer feststellbar. Sie sind aber miteinander verbunden und vermitteln eine Idee von den für die Peripatetiker zur Zeit des Aristokles zentralen Problemen, ihren Argumenten und der Art und Weise, wie sie Aristoteles’ Texte und Lehren benutzten. Einer der interessantesten Punkte in diesem Zusammenhang ist, dass diese Texte die frühesten Belege für die Rezeption von Aristoteles’ ‹Metaphysik› in der peripatetischen Tradition liefern. 1. Die Bedeutungen von Sophia und Kulturgeschichte Sowohl Johannes Philoponos als auch Asklepios von Tralleis erwähnen Aristokles in ihren Kommentaren zur ‹Einführung in die Arithmetik› des Nikomachos von Gerasa im Zusammenhang mit der Erklärung der Bedeutung des griechischen Wortes σοφία (Weisheit) in der von Nikomachos zitierten Definition von Philosophie als «Liebe zur Weisheit» (φιλία σοφίας: I,1,1 Hoche). Die Kommentare von Philoponos und Asklepios basieren beide auf Vorlesungen von Ammonios, und es wurde von einigen Forschern die Meinung vertreten, dass Philoponos den Kommentar des Asklepios bei der Abfassung seines Werks benutzt habe (Westerink 1964 [*458], Moraux 1984 [*220: 95], vgl. Chiesara 2001 [*429: 57f.]). Beide Kommentare enthalten lange Zitate von älterem Material, das aus der-
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selben Quelle kommt und drei Punkte enthält: In beiden Kommentaren geht dem Verweis auf Aristokles’ zehn Bücher ‹Über Philosophie› 1) eine etymologische Ableitung von σοφία aus dem Kunstwort σάφεια (in Anlehnung an σαφήνεια, «Klarheit») voraus, wobei letztere mit den Wörtern φάος und φῶς («Licht») verbunden wird. 2) Diese Etymologie wird durch einen Bericht unterstützt (der in den beiden Kommentaren etwas verschieden lautet), wonach Aristoteles alles, was evident (φανότατα) ist, als «erleuchtet» und «rein» bezeichnet habe (Askl. In Nikom. 1,1,9f. Tarán = T3,2 Chiesara [Auszüge]; vgl. Philop. In Nikom. = T5,2 Chiesara [Auszüge]). Auf diese etymologische Ableitung von σοφία und den Verweis auf Aristoteles folgt in beiden Kommentatoren 3) die Bemerkung, dass das Wort τὸ σοφόν (und σοφία bei Philoponos) homonym und bei den Alten laut Aristokles in fünf verschiedenen Bedeutungen verwendet werde, worauf die weitere Darstellung des Aristokles in ‹Über Philosophie› zitiert wird. Philoponos’ Text (der bis im Jahr 1969, als Taráns Edition von Asklepios’ Kommentar erschien, als einziger der beiden Texte in einer modernen Ausgabe zugänglich war) weckte im Zusammenhang mit Aristoteles’ verlorenem Dialog ‹Über Philosophie› früh das Interesse der Forscher. Bald nach der Publikation von Philo ponos’ Kommentar durch Hoche 1864 [*437] schlug Bywater 1877 [*438] vor, dass alle drei oben aufgelisteten Elemente der Diskussion aus derselben Quelle stammten, nämlich aus Aristokles, der seinerseits Aristoteles’ verlorenen Dialog ‹Über Philosophie› (Περὶ φιλοσοφίας) zitiere, und dass der Titel von Aristokles’ eigenem ‘opus magnum’ nicht zufällig gleich laute wie der Titel des Werks von Aristoteles. Bywaters Hypothese erwies sich als einflussreich: Einige Gelehrte vertraten zwar die Meinung, dass der infrage kommende Vorlage-Text nicht Aristoteles’ Dialog ‹Über Philosophie›, sondern der ‹Protreptikos› sei (Bignone 1936 [*448: II 511– 525], Gaiser 21968 [*462: 236–242, 457f.]), einige argumentierten auch dafür, dass die fünf Bedeutungen nicht von Aristoteles, sondern von Poseidonios stammten (Jaeger 1923 [*446: 139 Anm. 1]); im Großen und Ganzen fand die Vermutung, dass Aristoteles’ verlorene Schrift durch Aristokles überliefert wurde, aber erheblichen Anklang (Festugière 1949 [*450: 222–227], Untersteiner 1963 [*457: 14–16], wobei bei ihm die Texte von Philoponos und Asklepios als fr. 8 von ‹Über Philosophie› abgedruckt werden, ferner Trabucco 1958 [*454]). Ein schlüssiges Argument gegen diese Ansicht brachte Haase 1965 [*459] vor, der zeigte, dass nicht zwingend eine Verbindung zwischen den Punkten 1) und 2) angenommen werden muss, d. h. zwischen der Etymologie σοφία – σάφεια und dem Verweis auf Aristoteles’ Aussage. Haase zeigte, dass die Aristoteles zugeschriebene Aussage, wonach diejenigen Dinge am meisten evident seien, die erleuchtet sind, aus überlieferten Werken des Aristoteles abgeleitet und von neuplatonischen Kommentatoren ausgearbeitet worden war. Er argumentierte weiter, dass weder die Etymologie (die, auch wenn sie bei Aristoteles nicht zu finden ist, nicht als eine neue oder originelle Erfindung angesehen und einer speziellen Schule zugeschrieben werden sollte, vgl. Eur. Orest. 397) noch der Verweis auf Aristoteles aus Aristokles’ Text stammen müssen. Da auf der anderen Seite sowohl Asklepios als auch Philoponos den Bericht über die fünf Bedeutungen von σοφία Aristokles zuschreiben (= Punkt 3 oben), ist es nicht zwingend, ein verlorenes
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aristotelisches Werk als Quelle für diesen Bericht zu postulieren. Als Autor von 3) kann Aristokles selbst angenommen werden. Die zwei wichtigen Schlussfolgerungen von Haase sind daher, dass es keinen Grund gibt, die Punkte 1) und 2) der Diskussion von σοφία auf Aristokles zurückzuführen, und dass die Annahme, Aristokles’ Diskussion von Punkt 3) stamme aus Aristoteles’ verlorenem Werk, nicht nötig ist. Moraux 1984 [*220: 94] und Chiesara 2001 [*429: 57–59] stimmten Haases Schlussfolgerungen zu. Den Bericht über die fünf Stufen in der Entwicklung des Begriffs «Weisheit» in der menschlichen Kultur ist daher als aristokleisch aufzufassen. Aristokles unterscheidet fünf Bedeutungen der Wörter τὸ σοφόν/σοφία, die mit fünf verschiedenen Stadien in der kulturellen Entwicklung der Menschheit korrespondieren sollen. Die erste Bedeutung wird der frühen Kultur der Schafhirten und Bergbewohner zugeordnet, die Überlebende von großen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Plagen und Erdbeben waren. Sie gebrauchten die Wörter σοφόν und σοφία, wenn sie sich auf die Entdeckung von Hilfsmitteln und Kunstfertigkeiten bezogen, die ihren Bedürfnissen dienten, z. B. «das Mahlen von Korn in Mühlen oder das Sähen oder etwas in dieser Art» (T3,4, T5,4 Chiesara). Im Text von Asklepios und Philoponos wird im Zusammenhang mit dieser Art von Erfindungen der Menschen nicht das Wort τέχνη («Kunstfertigkeit») verwendet, sondern ἐπίνοια («Erfindung»). Von den eigentlichen Kunstfertigkeiten, τέχναι, ist erst auf der zweiten Stufe der kulturellen Entwicklung die Rede. Diese zweite Stufe und die zweite Bedeutung von ‘Weisheit’ haben mit Entdeckungen zu tun, die nicht nur lebenswichtig sind, «sondern auch mit Schönem und Elegantem zu tun haben» (T5,4 Chiesara). Diese Entdeckungen verdanken sich den eigentlichen τέχναι, Beispiele sind Zimmerei und Architektur. Die dritte Bedeutung bezieht sich auf das Können in der politischen Kunst, die Entdeckung von Gesetzen und allem, was zur Organisation einer Polis gehört. Philoponos sagt, das Verdienst der Sieben Weisen habe darin bestanden, gewisse poli tische Tugenden entdeckt zu haben (T5,4 Chiesara). Moraux 1984 [*220: 118] weist darauf hin, dass die Nennung der Sieben Weisen als Illustration für politisches Wissen nicht mit Platons Darstellung im ‹Hippias maior› 281c übereinstimmt, hingegen im Einklang steht mit ihrer Charakterisierung, die sich zum ersten Mal bei Dikaiarch findet, der sagt, dass sie «weder weise gewesen seien noch Philosophen, sondern fähige Männer und Gesetzgeber» (fr. 37 Mirhady). Zu bemerken ist, dass Dikaiarch mit politischer Kompetenz keine spezielle Bedeutung von σοφία verbindet. Die vierte Bedeutung von ‘Weisheit’ hat mit der «Erforschung der Natur» zu tun (φυσικὴ θεωρία: T3,4, T5,4 Chiesara), deren Aufgabe das Studium der «Körper selber und ihrer Natur» (T3,4 Chiesara) bzw. «der sie erschaffenden Natur» (T5,4 Chiesara) ist. Die fünfte Bedeutung von ‘Weisheit’ verweist auf das Wissen von «göttlichen und ewigen Entitäten und […] von immer und unveränderlich seienden Dingen» (T3,4 Chiesara) bzw. «von göttlichen, überirdischen und absolut unveränderlichen Dingen» (T5,4 Chiesara). Es gibt verschiedene Parallelen zwischen Aristokles’ Darstellung der mensch lichen kulturellen Evolution und ähnlichen Passagen bei Platon und Aristoteles. Die
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beiden aussagekräftigsten Parallelen im platonischen Corpus sind die Diskussion der Entstehung des Gemeinwesens aus einem unpolitischen Zustand der Menschheit in Buch 3 der ‹Gesetze› und die Darstellung der Entwicklung des Begriffs ‘Weisheit’ in der nach-platonischen ‹Epinomis›. In ‹Gesetze› 3 liegt der Fokus nicht auf dem Begriff ‘Weisheit’, sondern auf dem moralischen Fortschritt der mensch lichen Gesellschaft; die Stelle dürfte aber als Kontext für Aristokles dennoch eine Bedeutung haben, weil die drei an dieser Stelle von Platon unterschiedenen Stufen des sozialen Fortschritts (das Leben von Schafhirten und Bergbewohnern, die Erfindung von Kunstfertigkeiten und die Gründung von Gemeinwesen) den ersten drei Stufen in Aristokles’ Schema entsprechen. Die letzte Stufe in ‹Gesetze› 3 könnte ein klarer Referenzpunkt für Aristokles’ Darstellung von politischem Wissen sein, ein Punkt, der in allen anderen parallelen Klassifikationen fehlt. Die Diskussion der Weisheit in der ‹Epinomis› scheint näher an Aristokles’ Text, was ihre Zielsetzung betrifft, die Typologie der Weisheiten hat aber mehrere bedeutsame Unterschiede: Es gibt interessanterweise keine genaue Entsprechung zu Aristokles’ politischer Weisheit (Philippos von Opus führt stattdessen ein Wissen in stochastischer Kunstfertigkeit an) und theoretisches Wissen wird nicht vom Studium der Natur unterschieden. Die klarste Parallele bei Aristoteles ist ‹Metaphysik› 1,1, wo Aristoteles verschiedene Bedeutungen von Weisheit unterscheidet, indem er sie mit drei generellen Arten von sich entwickelnder Kompetenz verbindet: erstens mit den Kunstfertigkeiten, die zum Ziel haben, das Notwendige bereitzustellen, zweitens mit den Kunstfertigkeiten, die Vergnügen und Ablenkung (διαγωγή) bereiten, und drittens mit der höchsten Kunst, nämlich interesseloses theoretisches Wissen von Ursachen und Prinzipien. Weiter spiegelt Aristokles’ Unterscheidung zwischen der vierten und der fünften Bedeutung von Weisheit möglicherweise Aristoteles’ Unterscheidung zwischen der ersten und der zweiten Philosophie wider (Metaph. 6,1). 2. Über Platon, Aristoteles und die Stoiker (F1–3 Chiesara) Die drei bei Eusebios erhaltenen Auszüge aus Buch 7 sind in ihrem Charakter recht verschieden: Der Platon betreffende konzentriert sich auf dessen Verständnis von Gegenstand und Struktur der Philosophie, derjenige über Aristoteles ist eine Verteidigung des Aristoteles gegen literarische Verleumder, beim dritten handelt es sich um einen kurzen Abschnitt über Zenon. 2.1. Platons Philosophie (F1 Chiesara) In diesem bei Eusebios erhaltenen Auszug aus ‹Über Philosophie› gibt Aristokles einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Philosophie vor Platon, wobei er betont, dass Platon der erste gewesen sei, der «im eigentlichen Sinne» (γνησίως) Philosophie betrieben habe – im Gegensatz zum spezialisierten Wissen von Ärzten, Musikern, Mathematikern –, und der erste, der die Philosophie «vollständig» (τελείως) entwickelt habe, d. h. die ganze Philosophie und nicht nur einen
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Aspekt (z. B. nur Physik wie die Ionier, nur Dialektik wie die Eleaten oder nur Ethik wie Sokrates). Aristokles zufolge erkannte Platon, «dass die Wissenschaft der menschlichen und göttlichen Dinge eine einzige ist», und «unterschied als erster zwischen dem Studium der Natur des Alls, dem Studium der menschlichen Angelegenheiten und dem Studium von Reden» (F1,6 Chiesara). Für die Beschreibung der Philosophie als «Wissenschaft der menschlichen und göttlichen Dinge» gebraucht Aristokles eine stoische Wendung, die Einteilung der Philosophie in «das Studium der Natur des Alls», «das Studium der menschlichen Angelegenheiten» oder «politische Philosophie» und «das Studium von Argumenten» oder «Logik» (F1,6. 9 Chiesara) ist hellenistisch. Die Ansicht, dass Platon diese Einteilung als Erster eingeführt habe, geht auf Antiochos zurück (Cic. Ac. 1,19). Im Gegensatz dazu schreibt Sextus Empiricus die Einteilung der Philosophie in drei Teilgebiete Xenokrates, den Peripatetikern und den Stoikern zu (Adv. Math. 7,17–20). Wenn man annimmt, dass die Reihenfolge, in der die Teile der Philosophie in Aristokles’ Fragment aufgelistet werden, der Reihenfolge entspricht, in der diese Teilgebiete der Philosophie studiert werden sollten (darauf könnte die Bemerkung in F1,7 Chiesara hinweisen, dass das Studium der menschlichen Angelegenheiten unmöglich sei, ohne die göttlichen Dinge studiert zu haben), weicht diese Abfolge von jener ab, die Platon von Antiochos zugeschrieben wird (dieser gibt Ethik als Startpunkt an). Näher ist die bei Aristokles gegebene Abfolge derjenigen des Peripatetikers Boethos (1. Jh. n. Chr., vgl. Chiesara 2001 [*429: 66]) und sie stimmt mit mittelplatonischen Darstellungen überein (vom Studium des Ganzen zu den Teilen). Ein Unterschied besteht hingegen zur neuplatonischen Abfolge, in der das Studium der göttlichen Dinge den Abschluss des philosophischen Unterrichts bildet, nach Ethik, Dialektik und Physik (Moraux 1984 [*220: 132 Anm. 175]). Aristokles schreibt in F3 Chiesara jedoch in Übereinstimmung mit der peripatetischen Tradition Platon zwei Prinzipien zu und nicht drei, wie im Mittelplatonismus üblich. Parallelen zum Mittelplatonismus in F1 Chiesara dürften deshalb wohl eher auf Aristokles’ Quelle zurückgehen, als dass sie seine eigene Ansicht widerspiegeln. Aristokles bewertet Platon positiv. In seiner Kritik an Protagoras bezieht er sich häufig auf die Argumente in Platons ‹Theaitetos›. Es gibt eine auf Zeller 51923 [*202: 815] zurückgehende Tradition, die Aristokles eine besonders positive Einstellung zum Platonismus zuschreibt oder sogar die Meinung einschließt, er habe seinen Aristotelismus auf die Annahme einer Harmonie zwischen Platon und Aristoteles gegründet (Karamanolis 2006 [*488: 38–41]). Auch wenn eine positive Einstellung gegenüber Platon bei Philosophen anderer Schulen in der Antike im Allgemeinen nicht unüblich ist, bedeutet das nicht, dass keine Differenzen in Bezug auf die Lehre bestanden hätten (vgl. Alex. Aphr. fr. 2 Vitelli). Im Fall von Aristokles verfügen wir nicht über genügend Anhaltspunkte, um daraus zu erschließen, welchen Stellenwert der Platonismus bei ihm hatte. 2.2. Die Verteidigung des Aristoteles (F2 Chiesara) Das zweite bei Eusebios erhaltene Kapitel aus Buch 7 von ‹Über Philosophie› enthält Aristokles’ Verteidigung des Aristoteles gegen Anschuldigungen verschiedener
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antiker Kritiker und Gegner. Aristokles unterteilt die Kritiker in zwei Gruppen: Zeitgenossen oder beinahe Zeitgenossen des Aristoteles und Spätere (F2,9 Chiesara). In der ersten Gruppe nennt er acht Namen: Epikur in seinem Brief ‹Über Beschäftigungen› (Περὶ ἐπιτηδευμάτων: F2,1 Chiesara), Timaios von Tauromenion in seinen ‹Geschichten› (Ἱστορίαι: F2,2 Chiesara), Aristoxenos in ‹Leben des Platon›, zumal nach der Auslegung einiger Interpreten (F2,3 Chiesara), den Eristiker Alexinos (F2,4 Chiesara), Eubulides (den Megariker; F2,5 Chiesara), Demochares (F2,6 Chiesara), Kephisodoros, einen Schüler des Isokrates (F2,7 Chiesara), schließlich den Pythagoreer Lykon (F2,8 Chiesara). Die zweite Gruppe bleibt anonym. Die meisten Anschuldigungen gegen Aristoteles hält Aristokles für reine Erfindungen und widerlegt sie mehr rhetorisch, als dass er Beweise für ihr Gegenteil anführt. Es sei reiner Unsinn anzunehmen, dass Aristoteles sein Erbe verschleudert habe, als Söldner gedient oder Drogenhändler gewesen sei, bevor er sich Platon angeschlossen habe (so Epikur, vgl. Sedley 1976 [*464: 125], der argumentiert, dass es sich dabei nicht um Epikurs eigene Meinung handle, sondern um die Interpretation des Timokrates). Ebenso irrig wären die Annahmen, Aristoteles sei ein gescheiterter Arzt gewesen (Timaios), habe eine Schule (den Περίπατος) aus Rebellion gegen Platon gegründet, als dieser nicht in Athen gewesen sei (so würden einige fälschlich Aristoxenos auslegen, der laut Aristokles immer mit Ehrfurcht von Aristoteles spricht), oder sei von Alexander vor den Augen von Philipp herablassend behandelt worden (Alexinos in seinen ‹Erinnerungen›). Eubulides erzähle in seiner Schrift gegen Aristoteles Lügen über dessen Heirat und seine Verbindungen zu Hermias, sowie dass er Philipp verletzt habe und sich gegenüber Platon respektlos verhalten habe (F2,5 Chiesara). Demochares bringe gegen Aristoteles vor, dass er seine Geburtsstadt Stageira wie auch die Bewohner von Olynthos an die Makedonier verraten habe (F2,6 Chiesara). Kephisodoros behaupte, Aristoteles habe den Luxus geliebt (F2,7 Chiesara), und Lykon der Pythagoreer lege eine Liste mit höchst absurden Erfindungen vor, wonach Aristoteles seiner Frau geopfert habe wie Demeter oder ein Bad in warmem Öl genommen und es danach verkauft habe. Weiter seien in seinem Boot von Zollbeamten 75 bronzene Teller gefunden worden, als er nach Chalkis segelte (F2,8 Chiesara). Die späteren Ankläger wiederholten nur die alten Vorwürfe aus zweiter Hand, ohne die Bücher zu konsultieren. Es gibt allerdings zwei Anschuldigungen, die nach Meinung des Aristokles ernst genommen werden sollten, da sie – obschon sie falsch sind – zumindest vorgeben, sich auf Fakten zu beziehen. Beide Vorwürfe könnten mit denjenigen, die in Eubulides’ Buch angeführt sind, in Zusammenhang stehen. Der erste habe mit Aristoteles’ Motiven bei seiner Heirat mit Pythias zu tun, die als Schmeichelei gegenüber Hermias dargestellt wird. Aristokles sagt, dass es für jeden, der Apellikons Bücher über die Beziehung zwischen Aristoteles und Hermias liest, klar sei, dass diese Anschuldigung falsch ist (F2,13 Chiesara). Ebenso zeige Aristoteles’ eigener Brief an Antipatros, dass er Pythias erst nach dem Tod des Hermias geheiratet habe, und erkläre seine Heirat mit Herpyllis nach Pythias’ Tod (F2,14f. Chiesara). Der zweite Vorwurf, den Aristokles ernst nimmt, betrifft Aristoteles’
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Undankbarkeit gegenüber Platon (F2,12 Chiesara): Diese Widerlegung fehlt in Eusebios’ Text (zur Diskussion über einen möglichen Inhalt der Widerlegung vgl. Moraux 1984 [*220: 144–147], Chiesara 2001 [*429: 75f.]). Die Frage nach Aristokles’ Quellen für diese Apologie des Aristoteles war in der Forschung heftig umstritten (Details in Moraux 1984 [*220: 140–144]). Momentan besteht der Konsens darin, dass Aristokles eine sekundäre Quelle benutzte, wahrscheinlich wirklich Apellikons Buch, auf das er in einer Weise Bezug nimmt, die vermuten lässt, dass es zu seiner Zeit zugänglich war und von ihm benutzt wurde (F2,13 Chiesara). Diese Tatsache gibt einer frühen Datierung des Aristokles zusätzlich Gewicht und ist generell ein Zeugnis für die Kontinuität des intellektuellen Rahmens und der Interessen vom hellenistischen Peripatos zu den Peripatetikern des frühen 1. Jahrhunderts. 2.3. Stoische Physik (F3 Chiesara) Die kurze Darstellung der stoischen Physik (= Zenon, SVF I, fr. 98) enthält 1) einen Bericht über Zenons These vom Feuer als Element, die mit Heraklits Ansicht verglichen wird, 2) eine Darstellung der stoischen (immer noch Zenon zugeschriebenen) Theorie der zwei «Prinzipien» (ἀρχαί) Gott und Materie, von denen behauptet wird, dass sie mit Platons Prinzipien übereinstimmen, abgesehen davon, dass beide stoischen Prinzipien körperlich sind, während Platons erste aktive Ursache unkörperlich ist, und 3) eine Kurzfassung der Theorie der ewigen Wiederkehr und des kosmischen Kreislaufs. 1) Dass Zenon Feuer als einziges Ur-Element versteht, wird klar durch den Gebrauch des Ausdrucks κατ’ ἐξοχήν in Chrysipp, SVF II, fr. 413 (Feuer als das Element ‘par excellence’, aus dem alle anderen Elemente entstehen). Der Vergleich mit Heraklit geht wohl auf eine stoische Quelle zurück (Chiesara 2001 [*429: 80]). 2) Die Darstellung der stoischen Prinzipien hat eine enge Parallele in D. L. 7,134, wo sie Zenon, Kleanthes, Chrysipp, Archedemos und Poseidonios zugeschrieben wird. Der Vergleich mit den zwei platonischen Prinzipien, wie sie in der früheren Tradition bestimmt werden (Xenokr. fr. 98 Isnardi Parente; Theophr. fr. 230 FHSG), im Gegensatz zu den drei Prinzipien der mittelplatonischen Tradition und späteren doxographischen Quellen (Alkin. Did. 162,25–166,13 H.; Aët. Plac. 1,3,21, 287,17–288,6 Diels; vgl. Moraux 1984 [*220: 149 Anm. 231]) zeigt, dass Aristokles sich wohl wiederum auf eine ältere Tradition stützt und in seiner Be wertung des platonischen Systems vom Mittelplatonismus unabhängig ist. 3) Die Beschreibung des kosmischen Zyklus kann auf Zenon zurückgeführt werden (möglicherweise auf sein Werk ‹Über Substanz›, Περὶ οὐσίας), aber die chrysippeische Definition des Schicksals, ein Teil des Vokabulars und einige Parallelen in der späteren doxographischen Tradition (Arius fr. 29 Diels) weisen auf einen späteren stoischen Vermittler, möglicherweise Poseidonios, als gemeinsame Quelle für diese und Aristokles hin (Chiesara 2001 [*429: 84f.]).
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3. Das Problem der Erkenntnis Fünf der acht Fragmente aus ‹Über Philosophie›, die bei Eusebios erhalten sind, enthalten Aristokles’ Kritik an verschiedenen epistemologischen Lehren vom aristotelischen Standpunkt aus, auch wenn in vielen Fällen die gegnerischen Ansichten post-aristotelisch sind. Aristokles kritisiert den totalen Skeptizismus der Pyrrhoneer (F4 Chiesara), die kyrenaische These, dass nur «Affekte» (πάθη) glaubwürdig seien (F5 Chiesara), die Behauptung, nur Sinneswahrnehmungen sei zu trauen, in ihren zwei Versionen bei Protagoras und den Epikureern (F6 Chiesara), die Behauptung, dass man der Sinneswahrnehmung nicht trauen könne, die den eleatischen und megarischen Philosophen zugeschrieben wird (F7 Chiesara), und die epikureische Behauptung, Lust und Schmerz seien die Kriterien, nach denen etwas gewählt bzw. vermieden wird (F8 Chiesara). Die fünf Abschnitte sind möglicherweise Teile einer zusammenhängenden Darstellung, wie man den Anfangssätzen von F5, F6 und F7 Chiesara entnehmen kann. Das längste Fragment gegen die Pyrrhoneer (F4 Chiesara) beginnt mit einem Satz, der als Ankündigung für die ganze Diskussion gestanden haben könnte: «Vor allem anderen müssen wir unser eigenes Wissen untersuchen». Die Buchnummer (acht) gibt Eusebios nur für F7 Chiesara an, aber wenn alle Fragmente zum gleichen Hauptargument gehören, sind wohl alle Teil des achten Buches (Moraux 1984 [*220: 124 Anm. 146]). Moraux 1984 [*220: 126] rekonstruiert versuchsweise die Abfolge der Darstellungen in Buch 8 folgendermaßen (mit Chiesaras Zählung): F4, F5, F8, F6, F7. 3.1. Kritik am Pyrrhonismus (F4 Chiesara) Der längste Auszug aus Aristokles’ Buch bei Eusebios (F4 Chiesara) ist der Kritik der pyrrhoneischen Lehren gewidmet. Für die Geschichte des Skeptizismus ist dieses Fragment der beste oder sogar «der einzige» Text, der Pyrrhons Denken zusammenfasst (Bett 2000 [*484: 14]). In der Geschichte des Aristotelismus belegt das Fragment als einer der frühesten Texte, dass Aristoteles’ ‹Metaphysik› in den peripatetischen Bibliotheken der frühen Kaiserzeit nicht nur vorhanden war, sondern auch Einfluss auf die peripatetischen Argumente jener Zeit nahm. Das Fragment umfasst: Aristokles’ Präsentation der pyrrhoneischen Hauptthesen (F4,2–4 Chiesara), Kritik an den pyrrhoneischen Prinzipien wegen wechselseitiger und interner Inkonsistenz (F4,5–10 Chiesara), Ainesidemos’ Tropen (F4,11 Chiesara), Kritik an den Tropen (F4,12f. Chiesara), Kritik an den pyrrhoneischen Prinzipien, da sie mit ihren eigenen praktischen Leitlinien nicht kompatibel seien (F4,14–22 Chiesara), ein Argument dafür, dass es unmöglich sei, zu philosophieren oder zu leben, ohne Meinungen zu haben (F4,23–26 Chiesara). 3.2. Aristokles’ Bericht der pyrrhoneischen Hauptprinzipien (F4,2–10 Chiesara) Aristokles sagt zu Beginn, die skeptische Ansicht, wonach wir von Natur aus nicht dafür gemacht seien zu wissen und deshalb die Erforschung (anderer Dinge)
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nicht weitertreiben dürften, habe schon bei den Alten, d. h. vor Pyrrhon, kursiert und Aristoteles habe ihr widersprochen (F4,1 Chiesara). Aus diesem Argument wird klar, dass er die pyrrhoneische Position in die Nähe jener rückt, die das Prinzip der Widerspruchsfreiheit ablehnen. Es stellt sich die Frage, wie verlässlich die Informationen sind, die er über die pyrrhoneische Position gibt, da sie durch diese Konstruktion auch verzerrt sein könnten. Aristokles nennt in seinem Bericht drei verschiedene Quellen für die pyrrhoneische Sicht: Pyrrhon von Elis, der selbst nichts geschrieben hat, über dessen Lehren aber Timon berichtet; Timon, der seine eigene Meinung zu den pyrrho neischen Prinzipien vertrat, und als dritte Quelle Ainesidemos. Der im Fragment erwähnte Dialog ‹Python› des Timon wird als Quelle für die Zusammenfassung von Timons Ansichten angesehen, aber der Verweis auf Ainesidemos, dessen Ansicht sich von derjenigen des Timon unterscheidet, zeigt, dass Aristokles möglicherweise eine vermittelnde Quelle benutzte. Chiesara 2001 [*429: 88f.] vertritt die Meinung, dass es sich dabei um einen Pyrrhoneer handelt, der nach Ainesidemos und vor Agrippa, Menodotos und Theodosios zu datieren ist. Nach Timon muss ein Mensch, der glücklich sein will, drei Fragen erwägen: 1) Wie sind die Dinge von Natur aus beschaffen? 2) Was für eine Haltung sollten wir gegenüber den Dingen einnehmen? 3) Was für einen Gewinn haben diejenigen, die eine solche Haltung einnehmen? Pyrrhon habe Timon zufolge gelehrt, dass 1’) (i) die Dinge gleichermaßen «indifferent», «instabil» und «unbestimmt» (ἀδιάφορα, ἀστάθμητα, ἀνεπίκριτα) sind und «deswegen» (διὰ τοῦτο) (ii) weder unsere Sinneswahrnehmungen noch unsere Meinungen wahr oder falsch seien. 2’) Aus diesem Grund sollten wir (i) unseren Wahrnehmungen und Meinungen nicht glauben, sondern ohne Meinung, standhaft und unerschüttert sein und (ii) von jeder einzelnen Sache sagen, dass sie nicht eher ist als nicht ist oder dass sie sowohl ist als auch nicht ist oder dass sie weder ist noch nicht ist. 3’) Denjenigen, die in einer solchen Verfassung sind, wird, so Timon, als erstes «Sprachlosigkeit» (ἀφασία) und dann «Seelenruhe» (ἀταραξία) zuteil. Ainesidemos spricht anstelle von ἀταραξία von Freude. Sowohl die Frage 1) als auch die Pyrrhon zugeschriebene Antwort 1’) wurden verschieden interpretiert. Einerseits gibt es die ‘epistemologische’ oder ‘subjektiv unbestimmte’ Lesart, nach der die Frage und die Antwort sich nicht auf die Natur der Dinge bezieht, die selber undifferenziert, instabil und unbestimmt wären, sondern auf die Tätigkeit unserer kognitiven Fähigkeiten, die sie ununterscheidbar und unbestimmbar machen. Diese Interpretation geht auf Zeller 51923 [*202: 501 Anm. 4] zurück, der den Schluss von der Natur der Dinge 1’i) auf das Zurückweisen von Wahrheit und Falschheit als Merkmale, die auf unsere Wahrnehmungen und Meinungen anwendbar sind 1’ii), infrage stellte und vorschlug, διὰ τοῦτο durch διὰ τό zu ersetzen, womit er wirksam die Lesart ‘objektive Unbestimmtheit’ auf ‘subjektive Unbestimmtheit’ reduzierte. Zellers Lesart ist energisch verteidigt worden von Stopper (zur Emendation vgl. Stopper 1983 [*469: 293 Anm. 53]) und auch von Castagnoli 2002 [*486]. Vor kurzem hat Thorsrud 2009 [*490: 23] dafür argumentiert, dass die epistemologische Lesart durch Aristokles’ Darstellung unterstützt wird, da diese insgesamt einen erkenntnistheoretischen Fokus habe.
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Einer anderen, ‘metaphysischen’ oder ‘objektiv unbestimmten’ Lesart zufolge beziehen sich Pyrrhons drei Prädikate auf die Natur der Dinge. Diese Ansicht wurde von Reale 1981 [*468], Berti 1981 [*465] und Ferrari 1981 [*467] vertreten sowie von Decleva Caizzi 1981 [*466: 225–227], Brunschwig 1994 [*479] und Bett 2000 [*484: 18–29] verteidigt. Der Haupteinwand gegen diese Lesart ist, dass sie Pyrrhons Position ohne gute Gründe ‘dogmatisch’ macht. Die Vertreter dieser Interpretation argumentieren, dass der radikale Skeptizismus, der dazu aufruft, sich jeglicher positiven Aussage zu enthalten, und den wir bei Sextus Empiricus finden, möglicherweise eine spätere Entwicklung ist, die weder die pyrrhoneische Erneuerung durch Ainesidemos noch die ursprünglichen Positionen von Pyrrhon und Timon widerspiegelt (für einen kritischen Überblick über diese Verteidigung vgl. Castagnoli 2002 [*486]). Aristokles’ Widerlegung der pyrrhoneischen Position in F4,5–10 Chiesara lässt vermuten, dass er den Ausdruck «alle Dinge sind ununterschieden» metaphysisch auffasste, da er die metaphysische Version widerlegt, wie Warren 2000 [*485] zeigt. Es gibt eine weitere Lesart, bei der die ‘moralische Unbestimmtheit’ eine Rolle spielt. Gemäß dieser ist Pyrrhons Charakterisierung der Dinge eher in einem ethischen als in einem rein epistemologischen Sinn aufzufassen: Dinge sind unbestimmt, instabil und indifferent in Bezug auf moralische Prädikate wie ‘gut’ und ‘schlecht’. Um diese Interpretation zu unterstützen, zitieren ihre Verfechter D. L. 61 (= Pyrrhon fr. 1A Decleva Caizzi), wo die Ansicht, dass «nichts in Wahrheit existiert» (μηδὲν εἶναι τῇ ἀληθείᾳ) und «dass eine jede Sache nicht eher dies als das ist», klar in einen moralischen Kontext gesetzt ist und abgeleitet wird von der Behauptung, dass Dinge moralisch indifferent sind, zusammen mit einer ganzen Reihe von Berichten bei Cicero, die auf dasselbe abzielen (vgl. Pyrrhon fr. 69A–H Decleva Caizzi). Diese Interpretation geht auf Brochard 1887 [*439: 58–76] zurück und wird verteidigt von Ausland 1989 [*474], Brunschwig 1994 [*479] und Thorsrud 2009 [*490]. Was die Haltung, die wir gegenüber den Dingen einnehmen sollen betrifft 2’), werden Stärke und Gültigkeitsbereich des dem Pyrrhon zugeschriebenen οὐ μᾶλλον-Prinzips (= 2’b) diskutiert. Das traditionelle Verständnis fasste die Formel in 2’b) so auf, dass sie aus drei äquivalenten Thesen besteht, von denen die erste unter Benutzung des οὐ μᾶλλον-Operators formuliert ist: Wir sollten über jedes einzelne Ding x sagen: (1/3) dass es ‘nicht eher’ (οὐ μᾶλλον) ist als nicht ist, (2/3) dass es sowohl ist als auch nicht ist, (3/3) dass es weder ist noch nicht ist. Die dreiteilige Struktur des Arguments wurde so aufgefasst, dass die Pyrrhoneer in den sauren Apfel bissen und eine Position vertraten, die von Aristoteles abgelehnt worden war (in Metaph. 4,4, 1008a30–34, in einem sehr knapp formulierten Argument: «Er [sc. der den Satz vom Widerspruch verneint] sagt nichts. Denn er sagt weder x noch nicht-x, sondern sowohl x als auch nicht-x und verneint wiederum beide [sc. indem er sagt], dass es weder x noch nichtx sei»). Nach dieser Lesart kommt der οὐ μᾶλλον-Operator nur einmal vor, nämlich in (1/3), während (2/3) und (3/3) zur Aussage (1/3) äquivalente Behauptungen sind, in denen ein solcher Operator nicht auftaucht. Sie können als zwei mögliche Formulierungen aufgefasst werden, den Satz vom Widerspruch zu verwerfen.
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In seiner Diskussion des οὐ μᾶλλον-Prinzips wies De Lacy 1958 [*453: 69] darauf hin, dass die dreiteilige Lesart problematisch ist, weil sie den Pyrrhoneern eine positive, dogmatische Anweisung zuschreibt («wir sollten über jedes einzelne Ding sagen …»). Er schlug deshalb vor, diese Lesart durch eine klarere Aussage zu ersetzen, die dogmatische Eingeständnisse vermeidet. Wir sollten über jedes einzelne Ding x sagen, dass es nicht eher (οὐ μᾶλλον) (1/4) ist als (2/4) nicht ist, oder (3/4) ist und nicht ist, oder (4/4) weder ist noch nicht ist. Bei dieser Interpretation charakterisiert kein Satz (1/4) bis (4/4) ein Ding x mehr als die anderen Sätze. Der Unterschied zwischen den beiden Lesarten wurde von Stopper 1983 [*469: 272–274] detailliert analysiert. Er kommt zum Schluss, dass Aristokles’ Text sowohl in der dreiteiligen als auch in der vierteiligen Version gelesen werden kann. Stopper zieht letztere vor, weil sie stärker mit der Darstellung desselben Prinzips in späteren skeptischen Quellen übereinstimmt, die möglicherweise frühere pyrrhoneische Quellen widerspiegeln. Auch Bett 2000 [*484: 29–37] spricht sich für diese Rekonstruktion aus, weil sie besser mit Pyrrhons Unbestimmtheits-These (1’) im Einklang ist. Als wichtige Schlussfolgerung für die Bewertung von Aristokles als Quelle ergibt sich aus diesem Überblick über die Lesarten, dass der Bericht des Aristokles, obwohl er die pyrrhoneische Position klar mit derjenigen zusammennimmt, die den Satz vom Widerspruch ablehnt, immer noch präzise ist, insofern er eine pyrrhoneische Quelle abbildet und eine Rekonstruktion des ursprünglichen pyrrhoneischen Arguments ermöglicht. 3.3. Aristokles’ Widerlegung der pyrrhoneischen Position (F4,5–9 Chiesara) Aristokles zeigt die innere Inkonsistenz und fehlende Plausibilität der pyrrhoneischen These, dass alle Dinge ohne Unterschied (F4,5–7 Chiesara) und «unklar» (ἄδηλα: F4,8f. Chiesara) seien. Seine Widerlegung zeigt Parallelen zu Platons Argumenten im ‹Theaitetos› gegen die These des Protagoras, dass alle Meinungen wahr seien, und zu Aristoteles’ Argumenten in ‹Metaphysik› 4,4–8 gegen diejenigen, die den Satz vom Widerspruch ablehnen. In F4,5 Chiesara stellt Aristokles den Pyrrhoneern die Frage, ob diejenigen, die mit ihrer Ansicht nicht einverstanden sind und meinen, dass die Dinge verschieden sind, sich irren. Ob die Pyrrhoneer nun mit ‘ja’ oder ‘nein’ antworten – die pyrrhoneische Position wird sich so oder so als inkonsistent erweisen. Dabei handelt es sich um ein Argument zur Selbstwiderlegung, das aus ‹Theaitetos› 170a–171d bekannt ist und das auch als θρυλούμενον (offenkundig) in Aristoteles’ ‹Metaphysik› 4,8, 1012b13–18 erwähnt wird. Das Argument in F4,6 Chiesara soll zeigen, dass die Pyrrhoneer weise Menschen, und sich selbst als Weise, überflüssig machen. Auch dazu gibt es Parallelen in ‹Theaitetos› 171, 178f. und ‹Metaphysik› 4,5, 1010b11f. Das Argument in F4,7 Chiesara besagt, dass es in dem Fall, dass alles ohne Unterschied ist, streng genommen auch keinen Unterschied zwischen ‘verschieden sein’ und ‘ohne Unterschied sein’ gibt und also auch nicht zwischen ‘eine Meinung haben’ und ‘keine Meinung haben’, so dass der pyrrhoneische Ratschlag, keine Meinung zu haben, ebenfalls selbstwidersprüchlich ist (vgl. Tht. 182a–183c; Metaph. 4,4, 1008b12–17). Das Argument in F4,8f. Chiesara zielt auf die These, wonach «alles unklar» sei.
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Ihre Vertreter müssen entweder stumm bleiben oder etwas sagen (Tht. 182a–b; Metaph. 4, 1006a15–25). Im zweiten Fall (F4,9 Chiesara) werden sie etwas klar sagen oder nicht. Falls nicht, ist mit ihnen kein weiteres «rationales Argument» (λόγος) mehr möglich, und man ist wieder bei der Stummheit angelangt. Falls der Vertreter seiner Aussage eine Bedeutung beilegen will (σημαίνοι), wird er entweder etwas Unbegrenztes oder etwas Begrenztes sagen. Im ersten Fall ist das rationale Argument zerstört, da es kein Wissen des Unbegrenzten gibt (vgl. Metaph. 4,4, 1007a8–20). Falls etwas Begrenztes gesagt wird oder etwas eine Bedeutung beigelegt wird, ist es falsch, dass alle Dinge unerkennbar und unbestimmt sind. Diese Widerlegungen zielen gegen die Ableitung der These, dass es aufgrund des Fehlens von Unterschieden «zwingend ist, keine Meinung zu haben» (χρὴ μηδὲν δοξάζειν). Wie Warren 2000 [*485: 156–159] hervorhebt, spricht das für die ‘metaphysische’ Lesart desselben Prinzips (1’ oben). Am Ende von F4,9 Chiesara steht eine Zusammenfassung der Gründe, weshalb die pyrrhoneische Position zu verwerfen ist: Wenn die Pyrrhoneer behaupten, dass Sein und Nichtsein dasselbe sei, heben sie den Unterschied zwischen Wahrheit und Falschheit auf, schaffen Bedeutung und rationales Argumentieren ab, und sie werden uns auffordern, ihnen zu glauben, und gleichzeitig zugeben, dass sie lügen. In F4,10 Chiesara weist Aristokles darauf hin, dass die Darlegung ihrer Behauptung voraussetzt, dass die Pyrrhoneer diese irgendwo als positive Lehre gelernt haben, da das «positive Wissen» (κατάφασις) dem «Wissen der Verneinung» (ἀπόφασις) immer vorausgeht, wobei er wieder auf Aristoteles’ Postulat verweist (vgl. Int. 5, 17a9). 3.4. Aristokles’ Darstellung der Tropen (F4,11 Chiesara) Aristokles nennt neun Tropen, die Ainesidemos in seinem Überblick aufliste. Diese Liste unterscheidet sich von den bekannteren Listen der zehn Tropen bei Sextus Empiricus und Diogenes. Moraux 1984 [*220: 168f. Anm. 289] meint, dass ‘neun’ der Fehler eines Schreibers sein könnte, der sich aufgrund der zwei existierenden Zählsysteme geirrt habe, und dass man in der überlieferten Gliederung in Aristokles’ Liste zehn Tropen unterscheiden könne (Annas, Barnes 1985 [*471: 27]). Chiesara 2001 [*429: 115–125] vergleicht die vier überlieferten Listen von Tropen (Aristokles F4,11 Chiesara; Phil. Ebr. 171–202; S. Emp. P. H. 1,36–163; D. L. 9,78–88) in Form einer Tabelle (siehe unten) und vertritt die Meinung, dass Aristokles’ Liste möglicherweise näher an Ainesidemos’ Original ist als die anderen. Aristokles
Philon
Sextus
Diogenes
1
Tiere
Tiere
Tiere
Tiere
2
Menschen
Menschen
Menschen
Menschen
3
Bräuche
Sinne?
Sinne
Sinne
4
Sinne
Innere Zustände Innere Zustände Innere Zustände
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Äußere Zustände
Äußere Zustände
Äußere Zustände
Bräuche
6
Innere Zustände Quantität
Mischung
Mischung
7
Mischung
Relativität
Quantität
Äußere Zustände
8
Verwirrung
Mischung
Relativität
Quantität
9
Relativität
Bräuche
Seltenheit
Seltenheit
10
---
---
Bräuche
Relativität
3.5. Aristokles’ Kritik an den Tropen (F4,12–29 Chiesara) Aristokles beruft sich bei seiner Kritik darauf, dass sich die Pyrrhoneer selbst widerlegen, indem er den epistemischen Status ihrer Darlegung der Tropen- Argumente infrage stellt (F4,12 Chiesara). Das könnte darauf hinweisen, dass er mit der Lehre der ‘skeptischen Wörter’, die bei Sextus einen prominenten Platz einnimmt, nicht vertraut war (P. H. 1,192–209). Weiter bezeichnet Aristokles die Methode der Pyrrhoneer in den Tropen als Induktion, wobei er den aristotelischen Ausdruck ἐπαγωγή gebraucht. Induktion bringt Meinungen über das Wesen von einzelnen Dingen hervor: Dem müssen die Pyrrhoneer entweder zustimmen und so ihrer eigenen Behauptung widersprechen, oder aber nicht, worauf kein rationales Argumentieren mehr möglich sei (F4,13 Chiesara). Es gebe eine ganze Reihe von Argumenten, die zeigten, dass die pyrrhoneische Position mit jeglichem menschlichen Handeln unvereinbar ist. Aristokles prüft eingehend die von Timon im ‹Python› beschriebene Szene, in der dieser Pyrrhon trifft und mit ihm zum Tempel des Amphiaraos in Delphi geht. Dabei fragt Aristokles: «Fand dieses Treffen laut Timon dem Pyrrhoneer statt oder nicht?» oder «Weshalb ging Pyrrhon dorthin, wohin er ging?» (F4,14f. Chiesara; vgl. Arist. Metaph. 4,4, 1008b10–15). Weiter kommen die üblichen praktischen Vorschriften zur Sprache (F4,18 Chiesara) und die pyrrhoneische Empfehlung, «in Übereinstimmung mit der Natur und den Gebräuchen» zu leben, die wahrscheinlich von Ainesidemos eingeführt worden war (F4,20 Chiesara). Aristokles’ Argumentationsstrategie ist immer darauf ausgerichtet zu zeigen, dass jemand, der diese Prinzipien befolgt, sich im Widerspruch befindet zu den pyrrhoneischen Tropen. Die Serie von Einwänden endet mit einigen Argumenten, die zeigen sollen, dass es unmöglich ist, ohne Meinungen zu leben oder Philosophie zu betreiben (F4,23–26 Chiesara), und schließt mit zwei Argumenten ad personam (F4,27f. Chiesara), in denen Pyrrhon und Timon als wertlose Menschen dargestellt werden.
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3.6. Schlussfolgerung zu Aristokles’ skeptischen Quellen und seinem Gebrauch von Aristoteles Aus Aristokles’ Diskussion des Pyrrhonismus wird klar, dass er Zugang zur frühen pyrrhoneischen Tradition hatte, möglicherweise vermittelt durch die frühen nach-ainesidemischen Quellen. In Aristokles’ Darstellung fehlen die Wörter ‘skeptisch’ oder ‘Skeptiker’, die bei Sextus Empiricus gebräuchlich sind. Seine Kritik am Pyrrhonismus basiert auf der Selbstwiderlegung, was den Eindruck hinterlässt, dass er sich der skeptischen Antworten auf diese Einwände nicht bewusst ist, in denen die Theorie eines speziellen Status skeptischer Sätze entwickelt wird. Das könnte bedeuten, dass solche Sätze und Konzepte, die im 2. Jahrhundert n. Chr. prominent waren, zur Zeit des Aristokles noch nicht verfügbar waren. Gleichzeitig ist Aristokles eindeutig vertraut mit Ainesidemos’ Wiederbelebung des Pyrrhonismus, und seine Diskussion der medizinischen Metapher einer ‘reinigenden Medizin’ für das skeptische Argument (was bei Sextus mit der Lehre der ‘skeptischen Wörter’ verknüpft ist) könnte auf Ainesidemos’ Ausarbeitung des nach-pyrrhoneischen, nicht-akademischen Skeptizismus hindeuten, der auf der medizinischen Schule des Empirismus basierte. 3.7. Kritik an den Kyrenaikern (F5 Chiesara) Die These, die Aristokles in diesem Fragment kritisch untersucht, lautet, dass «nur die Empfindungen erfasst werden können» (μόνα τὰ πάθη καταληπτά: F5,1 Chiesara). Sie entspricht der ursprünglichen kyrenaischen Lehre, auch wenn der Gebrauch des stoischen Terminus technicus καταληπτά auf eine spätere, mög licherweise akademische, Quelle hindeuten könnte. Aristokles interessiert sich nicht vordringlich für die Gewissheit unserer Erkenntnis im Fall der Empfindungen, sondern für den privilegierten Zugang, den wir zu den Empfindungen als Erkenntnisobjekten haben. Er stellt die kyrenaische Ansicht folgendermaßen dar: «Sie bestehen darauf, als ob sie von einem tiefen Schlaf niedergedrückt würden, dass sie überhaupt nichts wüssten, wenn nicht jemand neben ihnen stünde und sie schlage und steche. Dass sie [sc. von einem Arzt] gebrannt oder geschnitten werden, sagten sie, würden sie erkennen, ob aber das Brennende ein Feuer sei oder das Schneidende ein Messer, könnten sie nicht sagen» (F5,1 Chiesara). Aristokles’ Kritik beginnt mit der Frage, ob die Kyrenaiker wüssten, dass sie etwas erleiden oder wahrnehmen. Sie müssten bejahend antworten, da sie andernfalls ihre These nicht aufrechterhalten könnten. In diesem Fall sei aber nicht nur die Empfindung zugänglich, sondern auch eine Aussage wie ‘Ich werde gebrannt’, was eine diskursive Behauptung sei und nicht auf eine reine Empfindung reduziert werden könne (F5,2 Chiesara). Er meint also, dass die kyrenaische These über den engen Gültigkeitsbereich unserer Erkenntnis nicht ohne diese Inkonsistenz möglich sei. Dieser Einwand kann so verstanden werden, dass ein einzelner kyrenaischer Wahrnehmender zugeben müsse, dass das Erkennen auch den Zustand des Bewusstseins, affiziert zu werden, einschließt. Also können nicht nur Empfindungen, sondern auch gewisse mentale Zustände erkannt werden. Die Kyrenaiker
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könnten antworten, dass das Eingeständnis einer Bewusstheit des Empfindens den Bereich unserer Erkenntnis nicht ändert, wenn man annimmt, dass jeder Akt des Sich-bewusst-Werdens zusammen mit der entsprechenden Empfindung auftritt (vgl. Tsouna 1998 [*482: 63]). Eine zweite Möglichkeit wäre es, Aristokles’ Einwand stärker zu formulieren, so dass damit gemeint wäre, dass das Prinzip an sich, dem gemäß wir nur von Empfindungen Erkenntnisse haben können, nicht von einer Empfindung abgeleitet werden kann. Aufgrund eines Berichts in Sextus Empiricus’ ‹Adversus mathematicos› 7,193f. skizziert Tsouna zwei mögliche Antworten der Kyrenaiker. Die eine arbeitet mit dem anomalen Charakter der Relation zwischen Empfindungen und dem, was man unter normalen Umständen für ihre Ursache hält: Die Empfindung von Süße muss nicht notwendigerweise durch etwas verursacht werden, das selbst süß ist, sondern kann eine Funktion des Empfindungsprozesses sein, so dass es vernünftig ist, anzunehmen, dass wir nur unsere Empfindungen erkennen können. Die andere Antwort bezieht sich auf die Natur der Affektion als ein Ereignis, das in unserem Innern passiert, also immanent ist, und deshalb nichts über sich Hinausgehendes aussagen kann (Tsouna 1998 [*482: 64f.]). Welche Version des Einwands meinte Aristokles? Möglicherweise beide. Er hat wohl die zentrale These angegriffen (und dürfte in diesem Fall von den zwei Antworten der Kyrenaiker nicht überzeugt gewesen sein), lässt aber zugleich die Gelegenheit nicht ungenutzt, mit Hilfe von ad hominem-Argumenten eine Polemik gegen die Kyrenaiker vorzubringen. Im folgenden Argument (F5,3 Chiesara) scheint Aristokles von Aristoteles’ Theorie der Sinneswahrnehmung Gebrauch zu machen. Er betont, dass die drei Elemente des Prozesses der Affektion – die Affektion, das, was affiziert wird, und das, was die Affektion verursacht – zusammen präsent sein müssen, so dass jemand, der die Affektion wahrnimmt, eo ipso auch wahrnehmen muss, was affiziert wird und was die Affektion verursacht. Dies könnte ein Hinweis auf Aristoteles’ Argument in ‹Metaphysik› 4,4 (1010b30–39) sein, nach dem es die Wahrnehmung und das Subjekt der Wahrnehmung nicht geben könnte ohne das Objekt der Wahrnehmung, das auf den Wahrnehmenden als Bewegungsursache wirkt. Doch während Aristoteles in ‹Metaphysik› 4,4 mit αἰσθητόν das spezielle Objekt der Wahrnehmung zu meinen scheint (vgl. 1010b2f.), handelt es sich bei Aristokles’ Beispielen für αἰσθητά um eine bunte Mischung: Andere Menschen, Straßen, Städte und Nahrungsmittel sind Objekte der Wahrnehmung für uns alle, für den Handwerker sind es die Werkzeuge, für Ärzte und Steuermänner die Symptome, aufgrund derer sie ihre Voraussagen machen, und für Hunde wahrscheinlich die Duftspuren, durch die sie die Fährte der wilden Tiere finden (F5,4 Chiesara). Nach der Klassifikation von ‹De anima› 2,6 wären all das Beispiele für ‘zufällige Wahrnehmungsobjekte’. Die Kraft von Aristokles’ Argument scheint hier zweifach zu sein: Einerseits besteht er darauf, dass etwas «Wahrgenommenes» (αἴσθημα) nicht wahrgenommen werden kann, ohne dass der Wahrnehmende sich der Ursache für die Wahrnehmung bewusst wird (so sollte jemand, der die akute Wahrnehmung hat, gebrannt zu werden, gleichzeitig kognitiven Zugang zum Objekt ‘heiß’ haben). Andererseits scheint er darauf hinzuweisen, dass die
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Theorie der Kyrenaiker, die diese Verbindung abstreiten, nicht mit unserer gewöhnlichen kognitiven Erfahrung übereinstimmt, nach der wir mit den verschiedenen Arten von Dingen, die verschiedene Wahrnehmungen verursachen, mehr oder minder vertraut sind. Auf einen ähnlichen Punkt zielt das nächste Argument, in dem Aristokles vorbringt, dass wir weder Wünsche haben noch Dinge wählen oder vermeiden könnten, falls die Theorie der Kyrenaiker wahr wäre (F5,5 Chiesara). Weiter folgert Aristokles, dass die Vertreter dieser Theorie nicht über ihre eigenen Erfahrungen berichten können und dass es unmöglich ist, mit ihnen rational zu diskutieren (F5,6 Chiesara) – was wiederum der aristotelischen Strategie in ‹Metaphysik› 4,4 entspricht, mit der dieser gegen jene argumentiert, die den Satz vom Widerspruch abstreiten. 3.8. Kritik an den ‘Sensualisten’ (F6 Chiesara) Aristokles stellt zwei verschiedene Versionen der These vor, laut der wir «nur den Sinneswahrnehmungen glauben sollten» (μόναις δεῖν πιστεύειν ταῖς αἰσθήσεσι), und kritisiert sie. Die erste Version wird auf Homer und dessen Behauptung, dass der Ozean das erste Prinzip sei, zurückgeführt, ebenso auf Metrodor von Chios, wird aber Protagoras als direktem Vertreter zugeschrieben, als Teil seiner These, dass ‘der Mensch das Maß aller Dinge’ sei (im Folgenden M). Die zweite Version wird keinem Philosophen namentlich zugeschrieben, muss aber epikureisch sein. 3.8.1. Protagoras’ Relativismus (F6,1– 8 Chiesara) Die Zuschreibung von Protagoras’ Phänomenalismus an Homer geht auf Platons ‹Theaitetos› zurück, wie viele der Argumente gegen Protagoras. Dass auch Metrodor in diese Tradition eingereiht wird, ist nirgendwo sonst belegt, und sein angeblicher Glaube an die Sinneswahrnehmungen steht prima facie im Widerspruch zu einigen doxographischen Quellen (Aët. Plac. 4,9,1, 396,12–16 Diels = 70 A 22 DK; vgl. 70 A 23). Möglicherweise bezieht sich Aristokles auf den generell skeptischen Tenor in Metrodors Epistemologie (Moraux 1984 [*220: 192]), oder er folgt einer akademischen Quelle, in der Metrodor mit Demokrit verbunden wird, ohne dass darauf geachtet wird, dass Metrodor zwar der Physik des Demokrit zustimmt, dessen Epistemologie aber ablehnt (vgl. Theophrast bei Simpl. In Phys. 28,27 Diels = 70 A 3 DK; Chiesara 2001 [*429: 143], s. auch Brunschwig 1996 [*480: 24 Anm. 15]). Es könnte auch sein, dass Aristokles bei seiner Klassifikation von Metrodor als ‘Sensualist’ Platons Beschreibung der protagoreischen These im ‹Theaitetos› folgt, wo die Ausdrücke ‘Sinneswahrnehmung’, ‘Erscheinung’ und ‘scheinbar’ oft austauschbar benutzt werden. Die These δοκήσει […] ἐστι τὰ πάντα wird Metrodor von Epiphanios zugeschrieben (= DK 70 A 23; zur Verteidigung dieses Berichts vgl. Brunschwig 1996 [*480: 23f.]). Aristokles’ Formulierung von Protagoras’ These M ist jener in Platons ‹Theaitetos› sehr ähnlich: «‘von allen Dingen das Maß’ sei der Mensch, ‘von den Seienden, wie sie sind, von den nicht Seienden aber, wie sie nicht sind.’ […] Und er meint
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doch, dass, wie jedes Ding mir erscheint, ein Derartiges es für mich ist, wie aber dir, ein Derartiges es wiederum für dich ist. Ein Mensch bist du und ich auch.» (Tht. 152a2–8, vgl. 177c, wo φαίνεσθαι durch δοκεῖν ersetzt ist). Aristokles übernimmt von Platon auch mehrere Argumente gegen die Position des Protagoras: Wenn ein solcher Phänomenalismus wahr ist, weshalb sollte dann der Mensch eher als ein Schwein oder ein Pavian das Maß aller Dinge sein? (F6,3 Chiesara = Tht. 161c). Wenn M wahr ist, stellt sich die Frage, wieso die Protagoreer, die diese These vertreten, weiser sein sollen als andere (d. h. die diese These nicht vertreten)? (F6,3 Chiesara = Tht. 161d–e). Wie werden die Anhänger des Protagoras, wenn M wahr ist, die Meinungen anderer widerlegen (mutmaßlich, weil diese ebenso wahr sind)? (F6,3 Chiesara = Tht. 161e). Wie ist es möglich, dass wir manchmal Dinge nicht wissen, auch wenn wir sie wahrnehmen, beispielsweise wenn wir eine fremde Sprache hören? (F6,3 Chiesara = Tht. 163b). Ein Mensch kann eine vergangene Wahrnehmung von x behalten, auch wenn er sie nicht länger wahrnimmt, und so ein Wissen von x haben (F6,4 Chiesara = Tht. 163d–164a). Ein Mensch kann ein Ding x sehen, während ein Auge geschlossen ist, und so zugleich x wissen und nicht wissen (F6,4 Chiesara = Tht. 165b–c). Wenn M wahr ist, uns aber nicht wahr erscheint, dann ist M aufgrund von M selbst nicht wahr, M ist also selbstwidersprüchlich (F6,5 Chiesara = Tht. 170d–171c). M kann auch den Unterschied zwischen dem Ausgebildeten und dem Ungelernten, zwischen Fachmann und Laie nicht erklären und auch nicht, weshalb ein Steuermann, ein Arzt und der General zukünftige Ereignisse im Allgemeinen besser voraussagen können (als ein Laie im jeweiligen Fachgebiet; F6,6 Chiesara = Tht. 178c–179a; vgl. Arist. Metaph. 4,5, 1010b10–14). Bei dieser Art Gebrauch der platonischen Argumente kann man klar sehen, dass Aristokles keinen Unterschied zwischen ‘einfacheren’ und ausgefeilteren Einwänden macht, wie sie in Platons Dialog unterschieden werden. Die Argumente sind nach rhetorischem Gesichtspunkt aneinandergereiht, mit Nachdruck am Schluss, und nicht nach dialektischer Hinsicht. In seiner Diskussion der protagoreischen Lehre macht Aristokles auch mehrere Male erkennbar Gebrauch von Aristoteles’ Kritik an Protagoras im vierten Buch der ‹Metaphysik›: Die Ansicht von Protagoras macht «mehr und weniger» unmöglich (F6,7 Chiesara = Metaph. 4,4, 1008b30–1009a5), ebenso eliminiert sie «notwendig und möglich» (F6,7 Chiesara = 1010b26–30), «natürlich und unnatürlich» (F6,7 Chiesara = Metaph. 4,4, 1008b2–7). Für die Anhänger des Protagoras ist es akzeptabel zu sagen, dass «ein und dasselbe Ding sowohl ist als auch nicht ist, da es nicht unmöglich ist, dass eine Sache jemandem als seiend erscheint und jemand anderem als nicht seiend» (F6,7 Chiesara = Metaph. 4,5, 1009a11f.). «Dieselbe Sache könnte gleichzeitig ein Mensch und ein Stück Holz sein, denn manchmal erscheint jemandem etwas als Mensch und einem anderen als Holzstück» (F6,7 Chiesara = Metaph. 4,4, 1007b19–23). Zum Abschluss seiner Diskussion des Protagoreismus sagt Aristokles, dass es keine Arbeit mehr gäbe für Richter und Anwälte, da dieselben Aussagen gleichzeitig wahr und falsch wären, dass es keinen Unterschied mehr gäbe zwischen gut und schlecht und dass Laster und Tugend dasselbe wäre (F6,8 Chiesara). Platons Darstellung im ‹Theaitetos› zufolge waren Protagoras die moralischen Implikationen seiner Position nicht klar: Es gibt eine klare Unterscheidung
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z wischen gut und schlecht, und der Weise und Tugendhafte sind die Experten, gerade insofern es um das Gute geht, auch wenn es, was die Wahrheit betrifft, keine Experten gibt, bzw. jeder ein Experte ist (Tht. 166d–167b). Aristokles spricht diese Verteidigung des Protagoras nicht an, auch wenn er wahrscheinlich durch Platons Dialog Zugang dazu hatte. Diese Taktik könnte eine Parallele im Kapitel über den Pyrrhonismus haben, wo Aristokles ebenfalls die ausgefeilteren Verteidigungsstrategien der Pyrrhoneer, wie sie in den skeptischen Quellen überliefert sind, auslässt. Es lässt sich darüber nicht abschließend urteilen, da unbekannt ist, auf welche pyrrhoneischen Quellen sich Aristokles genau stützte, aber man kann zumindest im Fall des ‹Theaitetos›, der uns als Kontrollbeispiel vorliegt, eine solche Auslassung feststellen. 3.8.2. Die Wahrheit aller Sinneswahrnehmungen als Basis für das Wahrheits kriterium (F6,9–12 Chiesara) Im zweiten Teil von Fragment sechs diskutiert Aristokles die These (T), dass «jede Sinneswahrnehmung und jede Vorstellung wahr ist» (πᾶσαν αἴσθησιν καὶ πᾶσαν φαντασίαν ἀληθῆ […] εἶναι: F6,9 Chiesara). Epikur wird zwar nicht als Autor von T genannt, aber aufgrund der Darstellung und Kritik ist klar, dass es Aristokles um die epikureische Behauptung geht, der zufolge «alle Wahrnehmungen wahr» sind (S. Emp. Adv. math. 8,63f.; vgl. D. L. 10,31f.). Aristokles betont, dass die Verfechter von T diese These «aus Angst» vertreten, dass es sonst unmöglich wäre, ein verlässliches Wahrheitskriterium zu haben, wenn T nicht aufrechterhalten würde (F6,9 Chiesara). Diese Rechtfertigung von T ist in vielen Quellen gut bezeugt, von Epikurs ‹Brief an Herodotos› 52, ‹Kyriai doxai› 24A bis zu den Berichten in der sekundären Tradition wie Cic. Ac. 2,25,79; 2,32,101 (vgl. fr. 251 Usener). Aristokles’ Einwand gegen T zielt auf ein anderes Element der Theorie Epikurs: Gerade durch das Festhalten an der Wahrheit der Sinneseindrücke verpflichten sich die Epikureer auf die Ansicht, dass «alle Meinungen wahr» sind (F6,9 Chiesara). Die Wahrheit von Meinungen wird aber von Epikur in einer Reihe von Texten explizit verworfen, ja, Epikur argumentiert dafür, dass Meinungen die Wahrheiten, die uns durch die Sinne geliefert werden, verdrehen und Falschheit zur Folge haben (Hdt. 50). Aristokles argumentiert also ad hominem, was zeigt, dass er mehr über die Theorie weiß, die er kritisiert, als in der Aussage T dargestellt wird. Aristokles kritisiert auch das Konzept des Kriteriums, indem er anhand zahlreicher Beispiele zeigt, dass das, was jeweils als Kriterium benutzt wird (z. B. Messinstrumente wie Waage oder Kompass), nicht unqualifiziert als solches taugt (ἀεὶ καὶ διὰ φύσεως), sondern nur, wenn das Instrument in gutem Zustand ist und korrekt gebraucht wird. Dasselbe gilt für die Sinneswahrnehmungen: Nicht alle sind wahr, sondern nur diejenigen, die auf einen guten Zustand der Sinnesorgane zurückgehen (F6,10 Chiesara). Zu einem guten Zustand gehört, dass die Sinnesorgane gesund sind und die Wahrnehmung innerhalb der natürlichen Bandbreite der sinnlichen Objekte stattfindet; Aristokles grenzt diesen Zustand gegenüber Fällen ab, in denen auf die Sinne kein Verlass ist (F6,10 Chiesara). Das führt zu
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einem nächsten Einwand, der ein anderes Argument für die These T widerlegt. Die Vertreter von T behaupten, dass die Verlässlichkeit der Sinne darauf beruht, dass mit ihnen keinerlei rationale Aktivität verbunden ist, die dem wahrgenommenen Inhalt irgendetwas hinzufügen könnte (F6,11 Chiesara). Ein weiterer Einwand hat die Form einer Peritrope, einer Argumentationsform, die Aristokles bei der Kritik an seinen Gegnern häufig benutzt: Die These T ist falsch, weil sie Aristokles’ entgegengesetzte These falsch macht, während durch die Ableitung in einem früheren Einwand (F6,9 Chiesara) aus T folgt, dass alle Meinungen wahr sind, also auch Aristokles’ Meinung wahr sein müsste. Damit impliziert T einen Widerspruch, so dass T nicht gültig ist und nicht wahr sein kann. Die Kombination von zwei so verschiedenen Versionen der These von der Wahrheit aller Sinneswahrnehmungen in einem Kapitel ist (wenn sie nicht auf Eusebios zurückgeht) bemerkenswert, da sie an eine von Aristoteles selbst häufig benutzte doxographische Technik erinnert. Auch er identifizierte Vertreter von gegensätzlichen Arten von Philosophie mit derselben philosophischen Position, auf die seine Kritik zielte. 3.9. Kritik an den Anti-Sensualisten (F7 Chiesara) Die Besprechung dieser These muss in Aristokles’ Darstellung unmittelbar auf die Diskussion der Verfechter der Sinneswahrnehmung gefolgt sein: «Andere aber vertreten die zu diesen gegenteilige Meinung. Sie glauben nämlich, man müsse die Wahrnehmungen und Vorstellungen verwerfen und nur der Vernunft vertrauen» (F7,1 Chiesara). Aus dieser epistemologischen Position zum Wert der Sinne leitet Aristokles die ontologische Position ab, die deren Verfechter vertraten: 1) dass «das Seiende» (τὸ ὄν) eines ist, 2) dass «das Andere» (τὸ ἕτερον) nicht ist, und 3) dass nichts entsteht, vergeht oder bewegt wird (F7,1 Chiesara). Als Vertreter dieses Standpunkts nennt Aristokles Xenophanes, Parmenides, Zenon, Melissos, «und dann […] Stilpon und die Megariker» (F7,1 Chiesara). Die Tradition, die Megariker mit der eleatischen Schule zu verknüpfen, findet man in akademischen Quellen, sie geht möglicherweise auf Aristoteles selbst zurück (vgl. Chiesara 2001 [*429: 155–158] für eine Zusammenfassung des Forschungsstandes). Aristokles beginnt seine Darstellung mit der Feststellung, dass «Verstand das göttlichste unserer [sc. Vermögen]» sei, dass wir aber auch Wahrnehmung und den Körper brauchen. Weiter argumentiert er, dass «auch die Sinneswahrnehmung von Natur aus dazu geeignet ist, wahr zu sein» (F7,2 Chiesara). Er stützt sich dabei auf Aristoteles’ generelles Prinzip, nach dem Wahrnehmung geschieht, wenn der Wahrnehmende vom Objekt der Wahrnehmung affiziert wird (vgl. De an. 2,5, 417a16–20). Aber das Argument lautet ein wenig anders. Aristokles sagt, dass Wahrnehmung eine Art von Affektion sei und das, was affiziert wird, nicht umhinkann, von der Affektion zu wissen (πάσχων δὲ τὸ πάθος ἂν εἰδείη), weshalb die Sinneswahrnehmung auch «eine Art von Wissen» (γνῶσίς τις: F7,2 Chiesara) sei. Der springende Punkt dabei ist, dass zur Sinneswahrnehmung gehört, dass man sich der Affektion bewusst ist, was nicht dasselbe ist wie die Affektion selbst und eine rationale kognitive Dimension hat.
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Aristokles gebraucht in der weiteren Argumentation die Definition der Sinneswahrnehmung als zugehörig zur Gattung der Affektion: Da alles, was affiziert wird (τὸ πάσχον), durch einen produktiven Faktor, der etwas tut, affiziert wird, sind das Tun (τὸ ποιοῦν) und das Affizierte völlig verschieden voneinander. Dieser Gedanke beruht wahrscheinlich auf Aristoteles’ Unterscheidung zwischen der bewegenden (produktiven) Ursache und dem Bewegten. Daraus leitet Aristokles die Existenz des «Anderen» ab (was von den Anti-Sensualisten in 2) abgestritten wird) und fährt dann fort, ihre Behauptung, dass Seiendes eines 1) und dass es unbewegt sei 3), zurückzuweisen (F7,3 Chiesara). Aristokles betont weiter, dass wir unsere Sinne im natürlichen Zustand haben möchten, da wir gesunden Sinnen mehr trauen als kranken, und dass wir eine starke Liebe zu unseren Sinnen empfinden (F7,4 Chiesara). Beide Punkte sind bei Aristoteles gut belegt (De an. 2,12, 424a28–32; 3,4, 429a31–b3; Metaph. 1,1, 980a20–27). Aristokles fügt ein praktisches Argument ad hominem an, indem er darauf hinweist, dass die Kritik an den Sinnen überzeugender wäre, wenn ihre Vertreter es ablehnen würden, ihre eigenen Sinne zu gebrauchen, dies sei aber nicht der Fall (F7,5f. Chiesara). Eine feinere Version von ad hominem-Kritik richtet sich gegen Melissos’ Kritik an den Sinnen (= 30 B 8 DK). Melissos argumentiert, dass die Sinne, wenn sie denn verlässlich wären, uns die Dinge zeigen müssten, wie sie in Wirklichkeit sind und nicht wie sie zu anderen Dingen werden, wie das der Fall ist, wenn uns die Sinne das Heiße zeigen, wie es kalt wird, und das Harte weich und umgekehrt (F7,7 Chiesara). Aristokles macht darauf aufmerksam, dass Melissos das für dieses Argument erforderliche Wissen, nämlich das Wissen, dass etwas heiß war und dann kalt wurde, durch Sinneswahrnehmung gewonnen hat (αἰσθόμενος ἔγνως). Aristokles kritisiert mit diesem ad hominem-Argument also, dass die Anti-Sensualisten nicht in der Lage sind, ihre Kritik an den Sinnen zu formulieren, ohne diese zu benutzen. 3.10. Kritik an der epikureischen Ansicht, dass Lust ein Kriterium für das Han deln sei (F8 Chiesara) Aristokles unterscheidet zwischen dem Wissen über äußere Dinge und dem Wissen darüber, was wir wählen bzw. vermeiden sollen, und berichtet dann, dass einige Lust und Schmerz als Kriterien für das Wählen und Vermeiden annähmen (F8,1 Chiesara). Diese Ansicht wird den Epikureern zugeschrieben. Sie ist durch zahlreiche epikureische, doxographische Quellen belegt (Epik. Ep. Men. 128–130 = D. L. 10,128–130). Aristokles lehnt die Rolle ab, welche die Epikureer der «Affektion» (πάθος) zuschreiben. Die Affektion beweist nur die Existenz einer Sache (διότι μὲν γὰρ ἔστιν), während es zur Beurteilung von Qualität und Art (ὁποῖον δ’ ἐστίν) weiterer urteilender Vermögen bedarf, von denen er zwei nennt: die Sinneswahrnehmung, um zu beurteilen, ob die Affektion von eigener oder fremder Art ist (οἰκεῖον ἢ ἀλλότριον), und die «Vernunft» (λόγος), um zu entscheiden, ob die Sache gewählt oder gemieden werden soll (αἱρετὸν ἢ φευκτόν: F8,2 Chiesara). Aristokles argumentiert auch ad hominem, indem er sich auf die epikureische Maxime beruft, der zufolge nicht jede Lust zu wählen und nicht jedem Schmerz
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auszuweichen ist. Manche Lust sollte ausgelassen werden, um größeren Schmerz zu vermeiden, und mancher Schmerz ausgehalten werden, um in der Zukunft größere Lust zu erreichen (Epik. Ep. Men. 129 = D. L. 10,129). Diese Behauptung zeigt, dass Lust (oder Schmerz) als Kriterium ungenügend sind, da ein richtiges Kriterium sowohl sich selbst als auch das, worüber es urteilt, zu erkennen gibt, während Schmerz und Lust nur sich selbst zu erkennen geben, wie die Epikureer tatsächlich auch selbst zugeben. Ihre eigene ‘praktische’ Maxime zeige, dass das, was sie selbst als Kriterium, d. h. als Maß, bezeichnen, seinerseits gemessen werden müsse, zumindest was die Quantität betrifft, wenn nicht sogar die Qualität (F8,3 Chiesara). Und es sei vollkommen klar, dass dieses quantitative Abwägen vom Verstand ausgeführt werde (F8,4 Chiesara). Zum Schluss seiner Kritik entwirft Aristokles eine alternative Sicht unserer kog nitiven Vermögen. Unsere Sinne und Eindrücke seien wie Spiegel und Bilder, die äußere Objekte reflektieren, während Schmerz und Lust Änderungen in uns selbst sein sollen. Wir schauen deswegen, wenn wir etwas wahrnehmen, auf Dinge außerhalb unserer selbst. Wenn wir hingegen Schmerz oder Lust empfinden, wenden wir uns uns selbst zu. Unsere Wahrnehmungen seien deshalb von den äußeren Objekten verursacht und haben dieselben Qualitäten wie diese Objekte. Schmerzen und Lust hingegen seien durch unsere eigene Verfassung verursacht (F8,5 Chiesara). Aus diesem Grund (wahrscheinlich weil unsere Verfassung Änderungen unterworfen ist) fühlten wir manchmal Lust, manchmal Schmerz, manchmal stärker und manchmal weniger. «Wir können daraus schließen, dass diejenigen Denker die besten Prinzipien für das Wissen vorschlagen, die sich sowohl auf den Verstand als auch auf die Sinneswahrnehmung beziehen» (F8,6 Chiesara). Der letzte Punkt wird nicht detaillierter ausgearbeitet, aber mit einer Jagd-Metapher illustriert: Während die Sinneswahrnehmungen den Fallen und Netzen des Jägers glichen, seien Geist und Verstand Hunden ähnlich, die ihrer Beute auf der Spur sind. Zum Schluss kritisiert Aristokles diejenigen Philosophen, die ihre Sinne zufällig gebrauchen oder sich auf irrationale Lust und Schmerzen abstützten, statt den Verstand, den göttlichsten Richter, zu gebrauchen (F8,7 Chiesara). Mit diesen Philosophen scheinen die Epikureer gemeint zu sein, die sowohl für ihren Sensualismus kritisiert werden als auch für ihren Gebrauch der Gefühle als Kriterium. Welche Art von Epistemologie vertritt Aristokles selbst? Es wurde vermutet, dass die Schlussdiskussion mit der Jagd-Metapher und ihrem Lob des Verstandes beabsichtigt, eine Theorie zu verteidigen, in der Sinneswahrnehmung und Verstand als Wahrheitskriterien zusammenarbeiten (Barnes 2007 [*489: 555–557]). Es wird jedoch aus den Fragmenten nicht vollständig klar, dass das Konzept eines Kriteriums in Aristokles’ Denken überhaupt verwurzelt war: Öfter kritisiert er die Einseitigkeit beim Gebrauch der Kriterien in den nicht-skeptischen Theorien. Wenn er auf die Rolle hinweist, die Sinne und Verstand bei der Erkenntnis spielen, ist nicht klar, ob er eine positive Theorie von Kriterien im Auge hat, wie sie in den hellenistischen Schulen entwickelt worden war. Möglicherweise folgt er einfach Aristoteles’ Ansicht, wonach die speziellen Sinne über die ihnen eigenen Objekte immer – oder meist – die Wahrheit vermitteln, und auch der Verstand nur die Wahrheit kennt und nie Falsches. In späteren Quellen wird Aristoteles die
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Theorie des doppelten Kriteriums zugeschrieben (am klarsten in Ptolemaios’ ‹Über das Kriterium› und in vielen doxographischen Quellen). Diese Interpretation des Aristoteles könnte durch Aristokles’ Kritik an denen, die jedes Kriterium verneinen bzw. ein begrenztes Kriterium annehmen (nur Affektion, nur Sinneswahrnehmung, nur Verstand), angeregt worden sein. Ob er selbst aber bereits dachte, dass diese Haltung einer Theorie von zwei Kriterien gleichkommt, wird aus den Quellen nicht klar. 4. NACHWIRKUNG
Man darf als gesichert annehmen, dass Alexander von Aphrodisias nicht Aristokles’ Schüler war und jeglicher Einfluss, falls vorhanden, nur durch die Schriften ausgeübt wurde. In dieser Hinsicht wäre eine Untersuchung, ob Alexander oder Aspasios zu Aristokles’ Werk über die aristotelische ‹Metaphysik› Zugang hatten, angezeigt. Was die sicheren Einflüsse angeht, kann auf die alexandrinische Tradition verwiesen werden, namentlich auf den Kreis des Ammonios, wo aufgrund der Berichte bei Philoponos und Asklepios Aristokles’ Werk ‹Über Philosophie› bekannt gewesen sein dürfte. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 38. Aristoteles von Mytilene Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Es gibt mehrere antike Texte, die als Lehrer des Alexander von Aphrodisias einen Aristoteles nennen. Dazu gehören Simplikios’ ‹De caelo›-Kommentar (συνῃρημένως δὲ ὁ Ἀλέξανδρος, ὥς φησι, κατὰ τὸν αὑτοῦ διδάσκαλον Ἀριστοτέλην οὕτως ἐξέθετο τὴν λέξιν, «generell aber hat Alexander, wie er sagt, diese Lesart seinem Lehrer Aristoteles folgend so dargelegt»: 153,16–18 Heiberg), zwei Passagen aus ‹Contra Iulianum› von Kyrill von Alexandrien (γράφει τοίνυν
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Ἀλέξανδρος ὁ Ἀριστοτέλους μαθητὴς ἐν τῷ Περὶ προνοίας οὑτως, «es schreibt nun Alexander, der Schüler des Aristoteles, in seiner Schrift ‹Über die Vorsehung› Folgendes»: 2,38; καὶ γοῦν ὁ Ἀριστοτέλους ἐραστὴς [var. lect. μαθητὴς] Ἀλέξανδρος ἐν τῷ Περὶ καθ’ ἑκαστα προνοίας λόγῳ φησίν, «und zumindest Alexander, der Geliebte [oder: Schüler] des Aristoteles sagt in seiner Schrift über die einzelnen Vorsehungen»: 5,9) und der Traktat ‹De intellectu› (= ‹Mantissa› 2) aus der Schulsammlung, die Alexander von Aphrodisias zugeschrieben wird (ἤκουσα δὲ περὶ νοῦ τοῦ θύραθεν παρὰ Ἀριστοτέλους, «Ich habe von Aristoteles über den Intellekt von außen gehört»: 110,4 Bruns; vgl. § 39.). Traditionellerweise wurde seit der Zeit humanistischer Textkritik in diesen Texten die Lesart Ἀριστοτέλης durch Ἀριστοκλῆς ersetzt (vgl. Nuñez 1621 [*435: 73f. Anm. 26]). Es wurde argumentiert, dass in der Abhandlung ‹De intellectu› die Lesart Ἀριστοτέλους als Referenz auf Aristoteles von Stageira chronologisch unmöglich sei und deshalb zu Ἀριστοκλέους geändert werden müsse, da der Autor der Abhandlung, wer auch immer er gewesen sei, unmöglich Aristoteles «gehört» haben könne (vgl. Nuñez 1621 [*435: 73], Zeller 51923 [*202: 814 Anm. 1]). Der Name von Aristokles als Lehrer des Alexander erscheint in der Ausgabe des Aldus Manutius von Simplikios’ Kommentar zu ‹De caelo›, der eine Retroversion der lateinischen Übersetzung von Moerbeke darstellt. Wie Moraux 1984 [*220: 400] bemerkt, haben alle lateinischen Handschriften die Abkürzung ‘Arlem’, was entweder für ‘Aristoklem’ oder ‘Aristotelem’ stehen kann, während die Lesart in allen griechischen Manuskripten Ἀριστοτέλην ist. In seiner Ausgabe von Aristokles’ Fragmenten druckt Heiland 1925 [*428: 16–23 = Testimonia III–V] unter Berücksichtigung von Zellers Emendation, d. h. indem er durchgehend Ἀριστοτέλης durch Ἀριστοκλῆς ersetzt, beide Texte und die Passagen aus Kyrill von Alexandrien als Testimonien für Aristokles. In seiner Dissertation argumentierte Moraux 1942 [*587: 143–149] dafür, dass die Stelle in ‹De intellectu› (110,5 Bruns) sich doch auf Aristoteles von Stageira beziehen könnte, wenn man ἤκουσα […] παρὰ Ἀριστοτέλους versteht als «ich hörte diese Theorie [weitergegeben] von Aristoteles». Später argumentierte Moraux 1967 [*460] dafür, dass es sich beim ‘Aristoteles’ genannten Lehrer des Alexander von Aphrodisias um den peripatetischen Philosophen Aristoteles von Mytilene aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. handeln könnte. Letzterer wird von Galen als «einer der ersten in den peripatetischen Studien» (ἀνὴρ πρωτεύσας ἐν τῇ Περιπατητικῇ θεωρίᾳ: De consuet. 11,4–12 Müller = Sharples 2010 [*43: 1Z]) bezeichnet. In dieser während der Regierungszeit von Mark Aurel verfassten Schrift (Schmutte 1941 [*499: XXXVf.]) beschreibt Galen Krankheit und Tod dieses Philosophen als ein gerade vergangenes Ereignis, so dass sich als Terminus ante quem 180 n. Chr. ergibt. Um diese Vermutung zu stärken, führte Moraux zwei weitere antike Quellen an, in denen ein Aristoteles erwähnt wird, der ein Zeitgenosse Alexanders und möglicherweise sogar sein Lehrer gewesen sein könnte. Beim ersten Text handelt es sich um Syrianos’ Kommentar zur ‹Metaphysik›, wo der «jüngere Aristoteles» vom «Philosophen» unterschieden wird: «Der jüngere Aristoteles, der Kommentator des Philosophen Aristoteles, der bei diesem Punkt vorsichtig war, sagte,
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dass der Philosoph es umgekehrt gemeint habe» (ὃ δὴ καὶ εὐλαβηθεὶς ὁ νεώτερος Ἀριστοτέλης ὁ ἐξηγητὴς τοῦ φιλοσόφου Ἀριστοτέλους, ἀνάπαλιν ἔφη λέγειν τὸν φιλόσοφον: In Metaph. 100,6f. Kroll). Beim zweiten Text, der wegen Überlieferungsproblemen problematischer ist, handelt es sich um eine Passage aus Elias’ Kommentar zu den ‹Kategorien›, in der Namensvettern von Aristoteles aus Stageira erwähnt werden: «Nicht allein Aristoteles von Stageira hieß so, sondern es gab auch andere [Menschen mit dem Namen] Aristoteles, zu seiner Zeit, wie den Gymnasten, der den Beinamen Mythos hatte, und zu späterer Zeit Alexander den Lehrer. Dieser dürfte als zweiter Aristoteles gelten» (ὅτι οὐ μόνος Ἀριστοτέλης ὁ Σταγειρίτης οὕτως ἐκαλεῖτο ἀλλὰ καὶ ἄλλοι Ἀριστοτέλεις ἐγένοντο ἐπὶ αὐτοῦ, ὡς ὁ παιδοτρίβης καὶ ἐπίκλην Μῦθος, καὶ μετὰ ταῦτα, ὡς ὁ διδάσκαλος Ἀλέξανδρος· ἔδει γὰρ αὐτὸν οἷον δεύτερον ὄντα Ἀριστοτέλην: 128,10–13 Busse; hier sollte der Text nach Moraux lauten: ὁ διδάσκαλος Ἀλεξάνδρου, «der Lehrer Alexanders»). Der nächste Meilenstein in der Forschungsgeschichte zu Aristoteles von Mytilene besteht in zwei Artikeln von Moraux 1985 [*472] und Accattino 1985 [*503], die in demselben Jahr publiziert wurden und in denen beide unabhängig voneinander auf eine Textstelle in Alexanders ‹Kommentar zur ‘Metaphysik’› 2,3 hinwiesen, in der Alexander zwischen «unserem eigenen» Aristoteles und «Aristoteles von Stageira», dem Autor der ‹Metaphysik›, unterscheidet: «[Aristoteles] selbst bewies, indem er so vorging, dass es nicht möglich ist, dass die Ursachen unendlich sind, unser Aristoteles aber bewies es auch selbst, indem er dialektisch argumentierte» (αὐτὸς μὲν οὕτως ἐφοδεύσας ἔδειξεν ὅτι μὴ οἷόν τε ἄπειρα εἶναι τὰ αἴτια· ὁ δὲ ἡμέτερος Ἀριστοτέλης καὶ αὐτὸς ἐπιχειρῶν ἐδείκνυεν: Alex. Aphr. In Metaph. 166,18–21 Hayduck). Sowohl Accattino wie auch Moraux argumentieren, wiederum unabhängig voneinander, dass «unser Aristoteles» sich auf Alexanders Lehrer beziehen muss, und beide erhärten mit Hilfe dieses Texts die Vermutung, dass dieser Lehrer Aristoteles von Mytilene gewesen ist. Es kann deshalb als sicher gelten, dass Alexander einen Lehrer hatte, der Aristoteles hieß. Dass dieser Aristoteles den Beinamen ‘von Mytilene’ hatte, ist eine Vermutung, die sich auf die Identifikation von Alexanders Lehrer Aristoteles mit dem von Galen in ‹De consuetudine› erwähnten Aristoteles von Mytilene stützt (dabei handelt es sich um den bis jetzt einzigen Hinweis auf diesen vollen Namen im griechischen Corpus). 2. WERKE Über die Schriften des Aristoteles von Mytilene ist nichts bekannt. Alle Hinweise auf seine Aristoteles-Auslegungen kommen von späteren Quellen, letztlich von Alexander von Aphrodisias. Moraux 1984 [*220: 401] glaubt, dass Alexanders Berichte eher auf mündlicher Unterweisung beruhen als auf schriftlichen Werken. Gleichzeitig weist er auf den systematisierenden Zugang hin, den Aristoteles von Mytilene zum aristotelischen Text hatte,
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und auch der Titel ‘Kommentator’ (ἐξηγητής), den ihm Syrianos beilegt, spricht zumindest für einen sehr formalen und systemischen Charakter seiner Auseinandersetzung mit dem aristotelischen Text. Rescigno 2004 [*574: 296] schlägt in der Tat vor, dass Aristoteles von Mytilene eine Monographie geschrieben habe, die sich mit bestimmten dilemmatischen Argumentationsmustern im aristotelischen Corpus befasst haben könnte.
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3. LEHRE
1. Die Kreisbewegung hat kein Gegenteil (Arist. Cael. 1,4). – 2. ‘Dialektischer Beweis’: Ursachen können nicht unendlich sein (Alex. Aphr. In Metaph. 2,2, 166,18–167,3 Hayduck) – 3. Potentialität und Aktualität von mathematischen Objekten (Metaph. 13,3, 1078a21–31). – 4. Der göttliche Intellekt (ὁ θύραθεν νοῦς, wörtlich «der Intellekt von außerhalb»; bei Alex. Aphr. De intell. 110,4–113,11 Bruns): 4.1. ‹De intellectu›: Struktur der Schrift; 4.2. ‹De intellectu›: Das Argument; 4.3. Das Problem der Zuschreibung: Aktueller Forschungsstand.
1. Die Kreisbewegung hat kein Gegenteil (Arist. Cael. 1,4) Im Kommentar zu ‹De caelo› 1,4 zitiert Simplikios ausgiebig aus Alexanders Kommentar, in dem dieser angibt, dass er eine Erklärung des Arguments gegen ein Gegenteil der Kreisbewegung (Cael. 1,4, 271a22–33) seines Lehrers Aristoteles zusammenfasse (Simpl. In Cael. 153,16–154,5 Heiberg = Alex. Aphr. In Cael. fr. 40 Rescigno). Das Argument ist als Dilemma konstruiert: Die der Kreisbewegung entgegengesetzte Bewegung wäre entweder 1) geradlinig oder 2) kreis förmig. Es kann aber gezeigt werden, dass beides nicht möglich ist. 1) Keine Bewegung in einer geraden Linie kann der Kreisbewegung entgegengesetzt sein, weil es keinen Grund dafür gibt, dass eine von diesen eher der Kreisbewegung entgegengesetzt wäre als eine andere, weiter sind alle Bewegungen in einer geraden Linie einander entgegengesetzt (d. h. jede von ihnen hat bereits ein Gegenteil) und für jeden Gegensatz gibt es nur genau einen anderen. Da also keine einzelne Bewegung in einer geraden Linie der Kreisbewegung entgegengesetzt sein kann, kann die Bewegung in einer geraden Linie allgemein genommen nicht deren Gegenteil sein. 2) Eine Kreisbewegung kann auch nicht einer Kreisbewegung entgegengesetzt sein, da gegensätzliche Bewegungen von und zu gegensätzlichen Orten führen. Zwei Kreisbewegungen aber führen, auch wenn sie in entgegengesetzter Richtung verlaufen, vom selben Ort zum selben Ort, so dass die Bewegung zweier Körper, die sich in entgegengesetzter Richtung in einem Kreis bewegen, nicht konträr ist, sondern subkonträr. Nach Hankinson 2002 [*516: 136 Anm. 469] sind die entgegengesetzten Bewegungen subkonträr in dem Sinne, dass sie beide für dasselbe Ding (oder Gruppe von Dingen) gelten, nämlich die Punkte, von denen sie ausgehen bzw. zu denen sie sich hinbewegen. Die Kreisbewegung hat deshalb keine Gegensätze. Aristoteles von Mytilene fügt weiter an, dass die Bewegung entlang eines Halbkreises nicht dasselbe sei wie die Kreis bewegung – wahrscheinlich um darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerung des Dilemmas nicht für die Bewegung entlang eines Halbkreises gilt. Bei der Kreisbewegung beschreibt der sich bewegende Körper einen vollständigen Kreis, während die Bewegung entlang des Halbkreises nicht kontinuierlich ist, so dass der Körper (um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren) umkehren und dafür zuerst anhalten muss.
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In der Forschung wird darauf hingewiesen, dass dieses Argument ein Beispiel für eine analytische Auslegung sei, in der Aristoteles’ komplexe und gewundene Argumentation, die verschiedene, nicht einfach nachvollziehbare Argumente miteinander verknüpft, im Rahmen ‘eines’ Arguments mit der Form eines destruktiven Dilemmas vorgestellt wird: «Wenn p, dann (q v r). Aber weder q noch r, deshalb nicht p» (vgl. Moraux 1984 [*220: 402], Rescigno 2004 [*574: 296]). 2. ‘Dialektischer Beweis’: Ursachen können nicht unendlich sein (Alex. Aphr. In Metaph. 2,2, 166,18–167,3 Hayduck) An der Stelle in Alexanders Kommentar, an der Aristoteles von Stageira klar von Alexanders Lehrer Aristoteles unterschieden wird (In Metaph. 166,19–21 Hayduck), findet sich ein weiteres Argument, das Alexander aus den Vorlesungen seines Lehrers übernommen haben muss. Das Argument ist ein ‘dialektischer Beweis’ (ἐπιχείρησις: vgl. 166,20) der aristotelischen Hauptthese dieses ganzen Kapitels, nämlich dass Ursachen keine unendlichen Folgen bilden können (994a1f.). Alexander überliefert das Argument seines Lehrers in der Form eines Dilemmas, von dem das eine Horn ein weiteres Trilemma einschließt. Der Beweis lautet: «Da es Ursachen der seienden Dinge gibt, gibt es entweder mehrere 1) oder eine 2). Es ist aber nicht möglich, dass es nur eine Ursache gibt für die seienden und entstehenden Dinge, wie an anderer Stelle gezeigt worden ist. Denn was entsteht, braucht ein Zugrundeliegendes und eine produktive Ursache. Weiter ist gezeigt worden, dass das, was entsteht, dies aufgrund seiner Form tut, so dass es nicht nur eine Ursache sein kann» (damit ist 2) widerlegt). Es bleibt also 1) «dass es mehr als eine Ursache ist. Wenn es aber mehrere gibt, sind entweder alle 3) oder einige 4) oder (mindestens) eine 5) der Ursachen unendlich». Sowohl 3) als auch 4) ist aber unmöglich, da es nicht mehrere Unendliche geben kann. Es ist aber ebenso unmöglich, zu behaupten 5), eine Ursache sei unendlich, die anderen endlich. Da (5’) das Unendliche überall ist, gestattet es keiner anderen Sache Zugang, sei sie unbegrenzt oder begrenzt; (5’’) wenn es weiter (per impossibile, vgl. 2) oben) nur eine Ursache gäbe, könnte diese nicht unendlich sein, sie wäre dann nämlich Ursache von nichts, denn das, wovon sie Ursache wäre, hätte keinen Platz, da die Ursache überall wäre. Denn insofern die Ursache unendlich wäre, wäre sie auch in der Ausdehnung unendlich, sei es in der Quantität (so dass eine Ursache überall ist), sei es in der Zeit. Alexander kommentiert: «Das Argument scheint etwas Dialektisches zu haben und logisch zu sein, dem vorher Diskutierten aber nicht gleichermaßen angemessen» (167,1f. Hayduck), wozu Dooley 1992 [*509: 57 Anm. 152] bemerkt: «Alexander means that the dialectical argument proposed by his teacher is adequate to refute the proponent of the infinite causes, but that this subject requires a more positive type of reasoning, presumably, apodeixis, demonstration, the sort of argument that, by implication, Aristotle himself has employed in the treatment of the question.»
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3. Potentialität und Aktualität von mathematischen Objekten (Metaph. 13,3, 1078a21–31) In seinem Kommentar zu ‹Metaphysik› 13,3 stellt Syrianos die Frage, wie Aristoteles’ Behauptung zu interpretieren sei, dass «das Seiende zweifach sei, einerseits in Aktualität, andererseits materiell» (διττὸν γὰρ τὸ ὄν, τὸ μὲν ἐντελεχείᾳ, τὸ δὲ ὑλικῶς: 1078a30f.). Diese bildet den Abschluss von Aristoteles’ Erklärung zur Art und Weise, wie Arithmetiker bzw. der Geometer ihre jeweiligen Themen behandeln. In der ‹Metaphysik› verwendet Aristoteles das Beispiel des Menschen, der einer ist und unteilbar qua Mensch. Dieser wird von den Arithmetikern als ein Beispiel für eine Monade, von den Geometern als ein Körper von einer bestimmten Gestalt aufgefasst. Die Frage, die Syrianos stellt, lautet: Wann haben die Monade bzw. die Gestalt ihr Sein in Aktualität (bzw. wann potentiell)? Wenn sie nicht von der Substanz des Menschen getrennt sind oder wenn sie von den Mathematikern erkannt und getrennt werden? (Syrian. In Metaph. 99,31–100,13 Kroll). Wenn sie 1) potentiell sind, wenn sie nicht vom Menschen getrennt sind, und wirklich werden, wenn Mathematiker sie denken qua mathematische Objekte (als Einheit im Fall der Arithmetik, als Figur oder Körper von einer bestimmten Form im Fall der Geometrie), stellt sich eine weitere Frage: Was ist es, was sie aktuell macht? Nach Aristoteles’ eigener Ansicht erfordert nämlich der Übergang eines X von der Potentialität zur Aktualität, dass es etwas gibt, das bereits ein X in Aktualität ist, das auf das potentielle X wirkt und seinen Übergang zur Aktualität verursacht (Phys. 3,3). Wenn 2) aktuell und potentiell gerade umgekehrt verteilt werden, so dass mathematische Objekte (Einheit und Figur/Körper) in den Dingen aktuell sind und von den Mathematikern in ihrer potentiellen Form studiert werden, dann ist nicht klar, wie es möglich ist, dass das Potentielle präziser ist in seiner Bestimmung als das Aktuelle. Syrianos berichtet, dass Möglichkeit 1) vom «jüngeren Aristoteles» vorgezogen worden sei, während Alexander selbst der Variante 2) den Vorzug gegeben habe. Das Problem muss bereits vor Syrianos in dieser dilemmatischen Form formuliert worden sein, und es ist sehr wahrscheinlich, dass er es in Alexanders Kommentar gefunden hat, zu dem er noch Zugang hatte (vgl. Moraux 1984 [*220: 404 Anm. 22]; zum Gebrauch von Alexanders Kommentar durch Syrianos vgl. Luna 2001 [*514: 72–98]). In diesem Fall könnte das Dilemma bereits von Alexanders Lehrer, «dem jüngeren Aristoteles», also Aristoteles von Mytilene, formuliert worden sein. Es würde sich dann um eine ähnliche Argumentationsweise handeln, wie wir sie im Kommentar zu ‹De caelo› 1,4 und in Alexanders Kommentar zu ‹Metaphysik› 2,2 gesehen haben. 4. Der göttliche Intellekt (ὁ θύραθεν νοῦς, wörtlich «der Intellekt von außerhalb»; bei Alex. Aphr. De intell. 110,4–113,11 Bruns) Die bei weitem umstrittenste Zuschreibung an Aristoteles von Mytilene betrifft die Darstellung des göttlichen Intellekts in der Abhandlung ‹De intellectu›, die Teil der sogenannten ‹Mantissa› oder des ‹Supplements zu ‘Über die Seele’› ist,
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einer Sammlung von Schultraktaten, die zusammen mit der Abhandlung ‹Über die Seele› von Alexander von Aphrodisias überliefert wurden. Der Ausdruck ὁ θύραθεν νοῦς bezieht sich auf die Darstellung der Zeugung in Aristoteles’ Schrift ‹De generatione animalium› (Gen. an. 2,3). 4.1. ‹De intellectu›: Struktur der Schrift Als Erster hat Moraux 1942 [*449] die Struktur der Abhandlung analysiert. Er verstand sie als zusammengesetzt und unterschied drei Hauptteile mit jeweiligen Unterabschnitten. Diese wurden später von Sharples 1987 [*812: 1212] mit Titeln versehen, die in der aktuellen Forschung Standard sind. Teil A (106,19–110,3 Bruns) ist eine Darstellung des Intellekts, die vollständig auf Aristoteles’ ‹De anima› basiert, die vom Autor, von dem heute angenommen wird, dass es Alexander oder mindestens jemand aus seinem Kreis sei (vgl. Sharples 2007 [*147: 616]), zusammengefasst wird. Dieser Teil kann in drei Unterkapitel unterteilt werden: A1 (106,19–107,20) ist dem «materiellen Intellekt» (νοῦς ὑλικός) gewidmet, A2 (107,21–28) dem Intellekt als Disposition (νοῦς ἐν ἕξει), A3 (107,29– 110,3) dem produktiven Intellekt (νοῦς ποιητικός). Die Abschnitte B (110,4– 112,4) und C (112,5–113,24) enthalten dasjenige Material, das von einigen Forschern Aristoteles von Mytilene zugeschrieben wird, der genaue Umfang dieser Zuschreibung ist indes umstritten, und es gibt keinen generellen Konsens. Abschnitt B gliedert sich in zwei Teile: Der erste, B1 (110,4–110,25), beginnt mit dem Satz «Ich habe von Aristoteles über den Intellekt von außen gehört» (ἤκουσα δὲ περὶ νοῦ τοῦ θύραθεν παρὰ Ἀριστοτέλους), was als, wenn auch nicht unumstrittener Bezug auf Aristoteles, den Lehrer des Alexander, aufgefasst wurde (110,4). Weiter wird in diesem Abschnitt berichtet, welche Gründe Aristoteles von Stageira (genannt in 110,5, eine Zeile unter einem anderen Aristoteles) veranlasst haben könnten, die Theorie des göttlichen Intellekts aufzustellen. Abschnitt B2 (110,25–112,5) stellt die Rolle des göttlichen Intellekts für das Funktionieren des menschlichen Intellekts dar. Abschnitt C (112,5–113,24) enthält in Unterkapitel C1 (112,5–113,12) einen Bericht über die peripatetische Antwort auf Vorwürfe, die gegen Aristoteles’ Theorie des Intellekts erhoben worden sind (wahrscheinlich vom Platoniker Attikos). C2 (113,12–24) enthält Alexanders Kritik an dieser peripatetischen Darstellung. 4.2. ‹De intellectu›: Das Argument Der Autor von ‹De intellectu› beginnt seinen Bericht über die Lehre des Aristoteles von Mytilene in B, indem er die Gründe aufzählt, die den Stagiriten veranlassten, die Lehre vom äußeren Intellekt (νοῦς θύραθεν) zu entwickeln: die Analogie mit der Sinneswahrnehmung, bei der die Objekte, welche die Sinneswahrnehmung verursachen, in Aktualität existieren, und das generelle Prinzip, dass etwas nur dann von der Potentialität zur Aktualität kommen kann, wenn es eine Ursache gibt, die in Aktualität existiert und die das potentielle X in einen Zustand von aktuellem X bringen kann (110,4–24 = B1).
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§ 38. Aristoteles von Mytilene (Bibl. 441–442)
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Die Denkobjekte unseres Intellekts sind sinnlich wahrnehmbare Dinge, von denen keines in Aktualität intelligibel ist, sondern nur potentiell. Bei der Aktivität des menschlichen Intellekts werden zwei Tätigkeiten unterschieden: die Produktion des Intelligiblen durch Abstraktion und das Begreifen dieser Intelligibilia, nachdem sie bereits produziert worden sind (111,15–18 = ein Teil von B2). Unser Intellekt wird bei dieser Tätigkeit unterstützt vom Intellekt, der «von Natur aus» und «von außen» ist. Dieser ist als einziger aufgrund seiner Natur intelligibel. Er «entsteht durch das Gedachtwerden in demjenigen, der ihn denkt, und er wird gedacht als ‘von außen’ und er ist unsterblich und versetzt den materiellen Intellekt in einen Zustand, in dem dieser das potentiell Intelligible denkt» (111,29–32). Die Rolle des göttlichen Intellekts besteht also darin, den materiellen Intellekt in einen Zustand zu versetzen, der ihm das Denken ermöglicht. Abschnitt C1 enthält die ursprüngliche Antwort des Aristoteles von Mytilene auf die Kritik an der peripatetischen Lehre des «Intellekts von außen». Die Kritiker heben hervor, dass der νοῦς θύραθεν, um diesen Effekt haben zu können, seinen Ort wechseln muss, dass er aber wegen seiner Unkörperlichkeit nicht an einem Ort sein oder den Ort wechseln noch zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten sein kann (112,6–8). Aristoteles von Mytilene antwortet auf diesen Einwand, indem er erklärt, dass der νοῦς θύραθεν präsent sei «in der Materie als eine Substanz in einer Substanz, in Aktualität, und dass er seine Aktivitäten immer ausführt» (112,10f.). Wann immer der göttliche Intellekt der richtigen Mischung von Elementen begegnet, die es einem Körper ermöglicht, eine Veranlagung zum Denken zu haben, bringt er die menschliche Disposition zum Denken hervor. In diesen Fällen handelt der göttliche Intellekt wie ein Handwerker mit einem Werkzeug, während er in anderen Fällen, wenn Körper keine passende Materie aufweisen, wie ein Handwerker in Übereinstimmung mit seinem Handwerk, aber ohne Instrumente handelt. Die Aporie, auf die diese Theorie eine Antwort bieten soll, stammt wahrscheinlich aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. vom Platoniker Attikos (vgl. fr. 7,75–81 des Places; Donini 1974 [*369: 51], Rashed 1997 [*511: 189–191], Accattino 2001 [*661: 55]). Die Aristoteles von Mytilene zugeschriebene peripatetische Antwort enthält einige stoisierende Elemente: nämlich die Idee, dass der Intellekt die Materie durchdringt, dass das menschliche Denken vom göttlichen Intellekt abhängt, der mit der richtigen «Mischung» der Körper zusammentrifft, und auch der Vergleich der passenden körperlichen Disposition mit «Feuer oder etwas dieser Art» (112,12). Der Autor von ‹De intellectu›, vielleicht Alexander selbst, kritisiert die Theorie seines Lehrers in Abschnitt C2. Seine Einwände sind: 1) Nach dieser Theorie findet sich der göttliche Intellekt in den niedersten Dingen (was auch die stoische Ansicht sei, 113,12–14); 2) nach dieser Theorie sind der göttliche Intellekt und die Vorsehung in der sublunaren Welt präsent, während die richtige (vermutlich peripatetische Schul-)Meinung sei, dass Vorsehung in der sublunaren Welt aufgrund der Verbindung der sublunaren Dinge mit den Himmelsbewegungen zustande komme (113,14–16; vgl. Kritolaos fr. 15 Wehrli); 3) gemäß dieser Theorie liegt unser Denken nicht in unserer Verfügung (μὴ ἐφ’ ἡμῖν) und ist nicht in unserer eigenen Funktion (ἔργον) gegründet, sondern ist eine Beschaffenheit und eine
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ktivität des potentiellen und instrumentellen Intellekts, die direkt bei unserer A Geburt vom göttlichen Intellekt hervorgebracht wird (113,16–18). Es handelt sich hier um typische anti-stoische Einwände, wobei die Stoiker in 1) explizit erwähnt werden. Alexander schließt seine Abhandlung mit einer eigenen Antwort auf Attikos’ Einwände, die sich von jener seines Lehrers unterscheidet. 4.3. Das Problem der Zuschreibung: Aktueller Forschungsstand Zeller schrieb die Abschnitte B1 bis C1 Aristokles von Messene zu, den er für den Lehrer von Alexander von Aphrodisias hielt. Nach Zeller 51923 [*202: 815f.] sollte in 110,4 der Name des Aristoteles durch denjenigen von Aristokles ersetzt werden. Diesem Vorschlag folgte Trabucco 1958 [*454: 117–126]. Moraux 1942 [*449: 143–149] widmete der Kritik an Zellers Emendation ein eigenes Kapitel in seiner Studie zu Alexanders Noetik. Er vertrat die Ansicht, dass in 110,4 auf Aristoteles von Stageira verwiesen werden könnte, ungeachtet der Nähe zum Verweis auf den Stagiriten in 110,5. Nach dieser These wäre der ganze Abschnitt B eine Darstellung der Theorie von Aristoteles aus Stageira durch den Autor der ‹Mantissa› (von dem Moraux 1942 [*449: 132–142] denkt, dass es sich nicht um Alexander handelt). Abschnitt C1 würde dann einem anonymen peripatetischen Philosophen zugeschrieben, dessen Ansichten eine Mischung aus stoischen und peripatetischen Lehren wären und der in C2 von einem anderen Peripatetiker, möglicherweise dem Autor der Abhandlung, für seine Nähe zum Stoizismus kritisiert würde. Nachdem die Person des Aristoteles von Mytilene ans Licht kam, änderte Moraux 1967 [*460] und 1984 [*220: 412f.] seine Meinung und argumentierte dafür, dass die ganze Passage B1 bis C1 Alexanders Lehrer zugeschrieben werden könne, wobei die beiden Abschnitte B1 und B2 keinen originellen, von Aristoteles von Mytilene selbst verfassten Inhalt aufweisen, sondern Schuldoktrin enthalten – communis opinio Peripateticorum –, die von Aristoteles von Mytilene vorgestellt und von seinem Schüler Alexander referiert wird. Dieser Bericht ist noch immer nützlich, insofern er uns einen Eindruck der peripatetischen Noetik aus der Zeit vor Alexander gibt. Im Gegensatz dazu findet sich in C1 eine originelle Interpretation von Aristoteles’ Theorie des göttlichen Intellekts durch Aristoteles von Mytilene mit dem Anspruch, die von Kritikern angeprangerten Schwierigkeiten zu lösen. C2 enthielte nach dieser Ansicht Alexanders Kritik an der Theorie seines Lehrers. Diese Version wurde von Accattino, Donini 1996 [*726: xxvii Anm. 77 und 78] übernommen. Accattino 2001 [*661: 12–15] distanzierte sich später wieder davon und argumentierte, das Material, das Aristoteles von Mytilene zugeschrieben werden könne, müsse auf B1 und C1 beschränkt werden, während B2 den Großteil der communis opinio enthalte. Die Zuschreibung des Abschnitts B an den Autor der ‹Mantissa› – Moraux 1942 [*449] folgend – wurde von Thillet 1984 [*501: XI–XXI], Schroeder, Todd 1990 [*507: 23f., 28–31], Opsomer, Sharples 2000 [*512] und Sharples 2004 [*749: 38 Anm. 92] verteidigt. Sharples 2010 [*43: 275] und 2010 [*523: 152 Anm. 149 und 150] schreibt den Abschnitt C1 einem unbekannten peripatetischen Philosophen,
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den Abschnitt B einem anderen nicht bekannten Peripatetiker zu, möglicherweise einem von Alexanders Lehrern. Die Frage nach der Zuschreibung des Inhalts dieser Abhandlung an Aristoteles von Mytilene bleibt also kontrovers. 4. NACHWIRKUNG
Der Name des Aristoteles von Mytilene, der Alexanders Lehrer ist, basiert auf einer Konjektur in Galens ‹De consuetudine› und erscheint sonst nirgendwo im erhaltenen griechischen Corpus. Es ist nicht klar, ob die späteren griechischen Kommentatoren von Aristoteles’ ‹De anima› 3 (Themistios, Ps.-Philoponos, Ps.-Simplikios) irgendwelche der diesem Aristoteles zugeschriebenen Positionen als von der Position des Alexander verschieden ansahen, die sie aus dessen (jetzt verlorenem) Kommentar und aus seiner Abhandlung ‹De anima› kannten sowie möglicherweise aus den Schultraktaten. Moraux 1942 [*449: 137–142] hat versucht, Spuren des Gebrauchs von ‹De intellectu› in Philoponos’ Kommentar zu Aristoteles’ ‹De anima› zu finden (Philop. In De an. 3,5; 44,19 Verbeke, vgl. Charlton 1991 [*508: 63]), aber die Formulierungen sind zu allgemein, als dass sie eine Entscheidung zulassen könnten. In der mittelalterlichen arabischen Tradition wurde ‹De intellectu› früh übersetzt und getrennt vom Rest der ‹Mantissa› überliefert (für einen Überblick über das Geschick von ‹De intellectu› vgl. Geoffroy 2002 [*515]). Bemerkenswerterweise zitiert Averroes in seinem ‹Langen Kommentar› zu Aristoteles’ ‹De anima› die obige Position C1, die allgemein Aristoteles von Mytilene (oder jedenfalls einem nicht identifizierten Peripatetiker vor Alexander) zugeschrieben wird, als von Alex ander selbst stammend. Averroes zitiert wörtlich aus De intell. 112,11–16 (in ara bischer Übersetzung) und fährt fort, diese Ansicht als einen Bestandteil von Alexanders Lehre zu kritisieren (vgl. Taylor 2009 [*333: 310]). Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
§ 39. Alexander von Aphrodisias Inna Kupreeva
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Alexander von Aphrodisias, mit vollem römischen Namen Titus Aurelius Alexander, der wichtigste Aristoteles-Kommentator und der letzte bekannte peripatetische Philosoph der Antike, stammte aus der Stadt Aphrodisias in Karien, wo sein Vater, der ebenfalls Titus Aurelius Alexander hieß, Philosoph war. Den römischen Namen nach zu urteilen, erhielt sowohl Alexander als auch sein Vater das römische Bürgerrecht von Antoninus Pius, wahrscheinlich als dieser noch Statthalter in Kleinasien war (135–136). Der Sohn Alexander, eben Alexander von Aphrodisias, erhielt einen Ruf auf den Lehrstuhl für peripatetische Philosophie in Athen während der Regierungszeit von Septimius Severus und Caracalla (198–211). Diese Datierung folgt aus der Widmung an Septimius Severus und Caracalla zu Beginn von Alexanders Werk ‹De fato›. Todd 1976 [*607: 1 Anm. 3] hat das Jahr 209 als Terminus ante quem vorgeschlagen, da danach als dritter Mitkaiser Geta hinzukam, aber Montanari 1980 [*789] hat darauf hingewiesen, dass Getas Name wegen einer späteren ‘damnatio memoriae’ gelöscht worden sein könnte (vgl. Sharples 2001 [*847: 513 Anm. 3]). Weitere biographische Informationen liefert eine kürzlich in Aphrodisias entdeckte Inschrift, die aufgrund von archäologischen Evidenzen ins 2. Jahrhundert datiert wird. Sie stammt vom Sockel einer Statue und lautet folgendermaßen: «In Übereinstimmung mit dem Beschluss des Rates und des Volks [hat] Titus Aurelius Alexander der Philosoph, einer der Leiter der philosophischen Schulen in Athen, für seinen Vater Titus Aurelius Alexander, den Philosophen, [diese Statue aufgestellt]» (ψηφισαμένης τῆς βουλῆς καὶ τοῦ δῆμου, Τίτος Αὐρήλιος Ἀλέξανδρος φιλόσοφος, τῶν Ἀθήνησιν διαδόχων, Τ. Αὐρήλιον Ἀλέξανδρον φιλόσοφον τὸν πατέρα: Chaniotis 2004 [*249]; Sharples 2005 [*252]). Sehr wahrscheinlich wurde Alexander von seinem Vater in die Philosophie eingeführt. Zu seinen weiteren Lehrern gehörten Herminos, Sosigenes und Aristoteles von Mytilene. Dass auch Aristokles von Messene in die Reihe der Lehrer gehöre, ist unzutreffend, auch wenn es in der modernen Forschung wiederholt behauptet wurde; für eine Verbindung zwischen Alexander und Aristokles gibt es keine Belege. In der mittelalterlichen arabischen Tradition gibt es einige Berichte über einen persönlichen Kontakt zwischen Alexander und Galen, in der griechischen Tradition ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür überliefert. Der einzige Verweis auf Galen im griechischen Corpus von Alexander ist die Stelle ‹In Topica›
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549,25, wo Galen als Beispiel für einen berühmten Mann zitiert wird, vergleichbar mit Platon und Aristoteles (für eine aktuelle Diskussion dieser umstrittenen Frage vgl. Fazzo 2002 [*848], Harari 2016 [*885]).
2. WERKE
1. Kommentare zu Aristoteles’ Werken. – 2. Opuscula. – 3. Schulsammlungen und kürzere Abhandlungen.
1. Kommentare zu Aristoteles’ Werken
Ἀναλυτικὰ πρότερα αʹ ‹Analytica priora› I Der griechische Text wurde von Wallies 1883 [*529] herausgegeben (CAG 2,1). Die englische Übersetzung von Kapitel 1–7 findet sich in Barnes et al. 1991 [*679], von Kap. 8–22 in Mueller, Gould 1999 [*680] und 1999 [*681], von Kap. 23–46 in Mueller 2006 [*682] und 2006 [*683]. Der Kommentar zum zweiten Buch ist nicht erhalten, mit Ausnahe einiger Hinweise bei späteren Auslegern.
Τοπικά ‹Topica› Der griechische Text wurde von Wallies 1891 [*535] herausgegeben (CAG 2,2). Die englische Übersetzung des ersten Buches findet sich in van Ophuijsen 2001 [*689]. Über das Echtheitsproblem, siehe Brandis 1833 [*769], Wallies 1891 [*770].
Τὰ μετὰ τὰ φυσικά αʹ–δʹ ‹Metaphysik› 1–5 Der griechische Text wurde von Hayduck 1891 [*541] herausgegeben (CAG 1). Die englische Übersetzung des 1. Buches stammt von Dooley 1989 [*696], des 2. und 3. Buches von Dooley, Madigan 1992 [*697], des 4. Buches von Madigan 1993 [*698], des 5. Buches von Dooley 1993 [*699]; die italienische Übersetzung der fünf Bücher in Movia 2007 [*700]. Über die Textüberlieferung, siehe Kotwick 2016 [*884]. Der Kommentar zu den Büchern 6 bis 14 ist verloren. Einiges in den
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Kommentaren des Michael von Ephesos (die in den Handschriften und in der Ausgabe von Hayduck 1891 [*541] Alexander von Aphrodisias zugeschrieben werden) und des Asklepios geht auf Alexa nders Kommentar zurück (vgl. Luna 2001 [*845]). Fragmente von Alexanders Kommentar zu Buch 12, bei Averroes zitiert, sind von Freudenthal 1885 [*542] publiziert (vgl. di Giovanni, Primavesi 2016 [*883]).
Περὶ αἰσθήσεως ‹De sensu› Der griechische Text wurde von Wendland 1901 [*549] herausgegeben (CAG 3,1), die englische Übersetzung stammt von Towey 2000 [*706].
Μετεωρολογικά ‹Meteorologie› Der griechische Text wurde von Hayduck 1899 [*555] herausgegeben (CAG 3,2), die englische Übersetzung des 4. Buches stammt von Lewis 1996 [*712].
Περὶ τῶν κατηγορίων ‹Kategorien› Verloren, aber bezeugt durch vielfache Hinweise in den ‹Kategorien›-Kommentaren des Simplikios, Dexippos, Philoponos und Porphyrios.
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
Περὶ ἑρμηνείας
Περὶ οὐρανοῦ ‹De caelo›
Verloren, aber Berichte davon in den späteren griechischen bzw. lateinischen Kommentaren von Ammonios und Boethius.
Der Kommentar ist verloren, aber viele Fragmente sind bei Simplikios und Themistios erhalten. Ausgabe der Fragmente von Buch 1 und Buch 2–4 bei Rescigno 2004 [*574] und 2008 [*575].
‹De interpretatione›
Ἀναλυτικὰ ὕστερα ‹Analytica posteriora›
Περὶ γενέσεως καὶ φθορᾶς ‹De generatione et corruptione›
Verloren, Fragmente gesammelt bei Moraux 1979 [*561].
Περὶ σοφιστικῶν ἐλέγχων ‹Sophistici elenchi›
Der griechische Text ist verloren, aber in späteren griechischen und arabischen Quellen bezeugt. Ausgabe der Fragmente in arabischer Übersetzung bei Gannagé 1998 [*581], englische Übersetzung von Gannagé 2005 [*718].
Verloren. Der in CAG 2,3 von Wallies 1898 [*690] unter dem Namen von Alexander gedruckte Kommentar stammt wahrscheinlich von Michael von Ephesos.
Περὶ ψυχῆς ‹De anima› Der griechische Text ist verloren, der Kommentar ist aber in einigen späteren griechischen Quellen bezeugt (Themistios, Philoponos, Ps.-Simplikios). Fragmente zum Intellekt sind bei Moraux 1942 [*587] gesammelt.
Φυσικὴ ἀκρόασις ‹Physik› Der Kommentar ist verloren, aber bei Simplikios und Philoponos sowie bei arabischen Bio bibliographen bezeugt (Peters 1968 [*774). Einige Fragmente in arabischer Übersetzung sind bei Giannakis 1995–1996 [*567] abgedruckt und diskutiert, Fragmente aus byzantinischen Scholien in Rashed 2010 [*875].
Ethik (?) Es ist unklar, ob Alexander je einen vollständigen Kommentar zu einer ethischen Schrift des Aristoteles geschrieben hat, obwohl es in den Schulsammlungen eine beträchtliche Menge exegetischen Materials zum ethischen Corpus gibt.
2. Opuscula Περὶ ψυχῆς ‹Über die Seele›
Περὶ εἱμαρμένης ‹Über das Schicksal›
Ediert durch Bruns 1887 [*593]. Moderne Übersetzungen: Fotinis 1979 [*725] (Englisch, unvollständig), Accattino, Donini 1996 [*726] und Accattino 2001 [*756] (Italienisch), Bergeron, Dufour 2008 [727] (Französisch), Caston 2012 [*728] (Englisch, Teilübersetzung).
Ediert durch Bruns 1892 [*599]. Englische Übersetzung von Sharples 1983 [*733], deutsche Übersetzung von Zierl 1995 [734].
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§ 39. Alexander von Aphrodisias (Bibl. 442–450)
Περὶ κράσεως καὶ αὐξήσεως ‹Über Mischung und Wachstum› Ediert durch Bruns 1892 [*606].
‹De principiis omnium› ‹Über die Prinzipien von allem› Nur auf Arabisch erhalten. Arabischer Titel: ‹Fī mabādi’ al-kull›.
‹De providentia› ‹Über die Vorsehung› Nur auf Arabisch erhalten. Arabischer Titel: ‹Fī l-‘ināyati›. Arabischer Text bei Ruland 1976 [*619], Fazzo, Zonta 1998 [*620] und Thillet 2003 [*621]; griechische Fragmente bei Riedweg 2011 [*622].
‹De differentiis specificis› ‹Über die spezifischen Unterschiede› Der arabische Text, ‹Fī al-fuṣūl›, der in zwei verschiedenen Redaktionen erhalten ist, geht auf Alexanders Diskussion des Problems der ‘differentia specifica’ zurück. Die genaue griechische Vorlage des arabischen Texts ist unsicher. Teile des arabischen Texts sind publiziert von Badawi 1947 [*628] und Dietrich 1964 [*629]. Französische
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Übersetzungen und Diskussion der Quellen bei Rashed 2007 [*858].
‹Widerlegung von Galens Angriff auf die Lehre des Aristoteles, dass alles, was sich bewegt, von einem Beweger in Bewegung gesetzt ist› Auf Arabisch erhalten: ‹Al-Radd ‘ala Jalīnus›, ediert von Marmura, Rescher 1965 [*636], vgl. Pines 1961 [*771], Rashed 1995 [*828], Fazzo 2002 [*848], Harari 2016 [*885].
‹De tempore› ‹Über Zeit› Erhalten ist die arabische Version und eine lateinische Übersetzung aus dem Arabischen. Der arabische Text (‹Fī al-waqt›) ist abgedruckt bei Badawi 1971 [*642], der lateinische in Thillet 1984 [*644].
‹Über die Meinungsverschiedenheiten zwi schen Aristoteles und seinen Kollegen mit Blick auf gemischte Prämissen› Verloren; für die Diskussion von noch vorhandenen Anhaltspunkten in griechischen und arabischen Quellen vgl. Moraux 2001 [*846: 94–125], Flannery 1995 [*827].
3. Schulsammlungen und kürzere Abhandlungen Περὶ ψυχῆς βʹ ‹Über die Seele, 2. Buch›
‹De intellectu› (‹Mantissa› 2) ‹Über den Intellekt›
Supplement zu ‹De anima›. Eine Sammlung von kürzeren Abhandlungen aus Alexanders Kreis. Sharples 2010 [*523: 1010] beschreibt die Sammlung folgendermaßen: «Probably from Alexander’s papers, but incorporating material by earlier authors some of which is explicitly criticized; it would be unwise to assume that whatever is not criticized is therefore endorsed by him».
Diese berühmte zweite Abhandlung hatte eine unabhängige Verbreitung auf Arabisch und Lateinisch und wurde getrennt von der ganzen griechischen Sammlung herausgegeben. Zu zwei verschiedenen arabischen Versionen vgl. Finnegan 1955 [*659] und Badawi 1971 [*660]. Eine lateinische Übersetzung (aus dem Arabischen) bei Théry 1926 [*658].
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
‹Quaestiones et solutiones› Ἀπορίαι καὶ λύσεις – ‹Probleme und Lösungen› (3 Bücher)
Zu kürzeren Abhandlungen, die in der arabischen Tradition bewahrt sind, vgl. die Listen bei Dietrich 1964 [*629], van Ess 1966 [*673], Sharples 1987 [*812].
‹Problemata ethica› Ἠθικὰ προβλήµατα – ‹Ethische Probleme› (1 Buch) Bei diesen beiden Werken handelt es sich um Schulabhandlungen aus Alexanders Kreis.
3. LEHRE
1. Allgemeines (Quellen, Schule, Aristoteles-Auslegung, Neuerungen). – 2. Logik. – 3. Die metaphysischen Themen: 3.1. Die aristotelische Metaphysik als strenge Wissenschaft; 3.2. Universalien; 3.3. Form und Substanz. – 4. Physik: 4.1. Prinzipien und Ursachen; 4.2. Teleologie und Vorsehung; 4.3. Ort; 4.4. Zeit; 4.5. Bewegung. – 5. Kosmologie. – 6. Seelenlehre: 6.1. Die Seele; 6.2. Erkenntnistheorie; 6.3. Intellekt. – 7. Ethik.
1. Allgemeines (Quellen, Schule, Aristoteles-Auslegung, Neuerungen) Alexander ist der berühmteste griechische Kommentator: Die spätere Antike nannte ihn ‘den Exegeten’, ein Titel, den er erst im Mittelalter an Averroes abgeben musste. Seine Kommentare sind eindeutige Beispiele für die hypomnematische Form des Kommentierens: Der zu kommentierende Aristoteles-Text ist in kürzere, mit Lemmata (der Anfangssatz des jeweiligen Abschnitts) überschriebene Abschnitte unterteilt, der Kommentator diskutiert Textprobleme, insbesondere, wenn sie für das Verständnis wichtig sind. Alexander kennt sich in der jüngeren peripatetischen Literatur (seines eigenen Jahrhunderts wie auch der andronikischen Zeit) sowie in der früheren Tradition des Lykeions (die Werke von Theophrast und Eudemos waren wahrscheinlich in den philosophischen Schulen noch weit verbreitet) und im hellenistischen Peripatos gut aus. Dieses Wissen zeigt sich insbesondere, wenn Alexander textliche oder inhaltliche Schwierigkeiten der aristotelischen Werke diskutiert, wobei hervorsticht, dass er in jedem Fall dem Inhalt seine volle Aufmerksamkeit widmet. Üblicherweise legt er das Problem dar, das der Text aufwirft, unterbreitet einen oder mehrere mögliche Lösungsvorschläge, die wahrscheinlich aus seinen Seminarnotizen oder aus Aufzeichnungen aus seiner Schule stammen, bevor er seine eigene Lösung präsentiert und erklärt. Häufig können diese Diskussionen innerhalb des Kommentars wie kurze Abhandlungen gelesen werden, in Struktur und Stil denjenigen ähnlich, die sich in den Schulsammlungen finden.
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Bei der Interpretation von Aristoteles’ philosophischen Lehren beschäftigt sich Alexander mit der Stichhaltigkeit und inneren Konsistenz der aristotelischen Position wie auch mit ihrer Haltbarkeit in zeitgenössischen philosophischen Auseinandersetzungen. Alexander entwickelt in seinen Kommentaren und kleineren Werken ein philosophisches System, das im Großen und Ganzen auf Aristoteles’ Metaphysik des Hylemorphismus basiert. Diese Art Metaphysik betrachtet die immanente Form als das erste Prinzip jeder individuellen Substanz im Kosmos – ein unkörperliches, von der körperlichen Substanz untrennbares und per se unbewegliches Prinzip mit entscheidender Erklärungsfunktion. Das Prinzip ist gleichermaßen gültig in den Himmeln und im sublunaren Kosmos, in letzterem sowohl in der biologischen Sphäre der beseelten Lebewesen als auch auf der Ebene der unbelebten materiellen Körper. Aristoteles’ Prinzip des kontinuier lichen Vorhandenseins von Individuen innerhalb einer Species deutet Alexander als ein sich Zeigen der Vorsehung, die das kosmische Prinzip in der sublunaren Welt ausübt. Diese Art von Vorsehung schließt jedoch weder eine Verantwortung von rational Handelnden in der sublunaren Welt aus noch die Wahlfreiheit, die so ihren natürlichen Hintergrund in der physikalischen Struktur des Kosmos erhält. Die aus neuplatonischer Sicht wahrscheinlich wichtigste Neuerung von Alexander ist seine Gleichsetzung des ‘aktiven Intellekts’ in Aristoteles’ ‹De anima› 3,5 mit dem sich selbst denkenden Gott in ‹Metaphysik› 12,9, dem ersten unbewegten Beweger des Kosmos (Alex. Aphr. In De an. 89,16ff.). Alexander stellt diesem System die Lehren von zeitgenössischen Philosophenschulen gegenüber: den Platonismus (da Alexanders Aristotelismus keinen Platz für transzendente Ideen im platonischen Sinn lässt – der unkörperliche Status des ersten unbewegten Bewegers wird von Alexander nicht den platonischen Ideen vergleichbar gedeutet), den Epikureismus mit seiner atomistischen Physik und Verneinung von Teleologie und Vorsehung und die materielle Metaphysik und den Determinismus der Stoa, dem Alexander eine wohlwollende Interpretation verweigert. Alexanders Kenntnis des aristotelischen Corpus ist sehr gründlich und genau: Er ist imstande, zur Begründung selbst der innovativsten Schritte seiner Auslegung relevante Belegstellen zu finden. Sein Ziel ist es deshalb nicht nur, ein möglichst brauchbares und konkurrenzfähiges philosophisches System vorzulegen, sondern auch zu zeigen, dass es sich dabei um das ursprüngliche aristotelische System in seiner strengsten Version handelt. Widerspruch gegen Aristoteles in einzelnen technischen Punkten ist gewiss erlaubt, ebenso Optimierungen des Systems – beides wird aber normalerweise mit einer besseren Meinung an einer anderen Stelle des Systems begründet, niemals wirklich mit einer dem System nicht eigenen adhoc-Überlegung. 2. Logik Alexander bespricht die Stellung der Logik als philosophische Disziplin (was die Theorien zu den Syllogismen und zur Beweisführung, Dialektik und zu den sophistischen Widerlegungen einschließt) im Kontext der Debatte, ob die Logik
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ein Teil der Philosophie sei (die stoische Ansicht) oder ein Instrument der Philosophie (wahrscheinlich die frühere peripatetische Position). Alexander zufolge ist die Logik ein Instrument, aber auch ein Produkt der Philosophie. Er verwirft die stoische Position, dass es einen Teil der Logik gebe, der mehr als rein instrumentellen Wert habe und ein Teil der Philosophie sein könnte. Dabei betont er, dass bei Aristoteles’ Interesse an Ableitung und Folgerung die Nützlichkeit zentral ist. Alexanders Diskussion dieses Problems im Proömium zu seinem Kommentar zu den ‹Analytica Priora› ist bis jetzt der früheste überlieferte Beleg dieser Debatte. Weiter behandelt Alexander die Bedeutung des Wortes «Analyse» (ἀνάλυσις) im Titel ‹Analytica› der beiden wichtigsten logischen Abhandlungen des Aristoteles: Im Fall der ‹Analytica priora› erklärt er, die «Analyse» habe mit dem Vorgehen zu tun, das diejenigen Eigenschaften ermittelt, durch die ein Syllogismus schlüssig ist (auf dem Weg der Reduktion auf vollkommene Syllogismen und der Konversion), im Fall der ‹Analytica posteriora› beinhaltet die «Analyse» eine Untersuchung der Beweiskraft von verschiedenen Arten von Beweisen. Bei der Darstellung von Aristoteles’ Definition des Syllogismus in ‹Analytica priora› 1,1, 24b18–20 achtet Alexander besonders darauf, welche Arten von Schlüssen in der post-aristotelischen Logik gebraucht wurden, insbesondere auf die nach stoischer Auffassung gültigen Schlüsse. Im Großen und Ganzen geht Alexander die Frage nach dem Wesen der Ableitung konservativ an: Er scheint der Meinung zuzustimmen, dass Aristoteles’ Definition hauptsächlich als Definition des kategorischen Syllogismus gedacht ist, wobei er als Syllogismen auch hypothetische und (mit einigen Einschränkungen) disjunktive Syllogismen berücksichtigt, die stoischen «Schlüsse mit nur einer Prämisse» (μονολήμματοι) aber ausschließt. Ferner bespricht Alexander die Methoden, mit denen Aristoteles die Gültigkeit von Syllogismen prüft: reductio ad absurdum, Umkehrung und das «Herausgreifen» (ἔκθεσις) von Termini des Syllogismus. Letztere versteht er als eine besondere nicht-syllogistische Beweismethode, die Aristoteles beispielsweise beim indirekten Beweis der Umkehrung einer allgemein verneinenden Aussage braucht (An. pr. 1,2, 25a15–17). Alexander erklärt, dass das herausgegriffene, konkrete Gegenbeispiel direkt «durch Wahrnehmung» (δι’ αἰσθήσεως) und nicht aufgrund von syllogistischen Regeln (d. h. nicht als eintretender Fall einer partikulär bejahenden Aussage) erfasst wird (für eine ausführliche Diskussion vgl. Flannery 1995 [*827], Barnes’ Einleitung in Barnes, Bobzien, Flannery, Ierodiakonou 1991 [*679]). Sowohl in seinem Kommentar zu den ‹Analytica priora› als auch in ‹Über die Meinungsverschiedenheiten zwischen Aristoteles und seinen Kollegen mit Blick auf gemischte Prämissen› widmet Alexander der aristotelischen Lehre der Modalsyllogismen eine eigene Diskussion. Er entwickelt eine eigenständige Interpretation der aristotelischen Regel für die Modalität der Konklusion in der ersten Figur (Barbara) mit gemischten Prämissen. Aristoteles hatte in ‹Analytica Priora› 1,9 festgestellt, dass die Konklusion in solchen Syllogismen die Modalität des Obersatzes übernimmt. Diese Interpretation funktioniert gut bei assertorischen Obersätzen, führt aber zu nicht stichhaltigen Resultaten, wenn der Obersatz notwendig, der Untersatz dagegen assertorisch ist. Theophrast und Eudemos kritisierten Aristoteles’ Regel und schlugen vor, sie durch eine andere zu ersetzen, der
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gemäß die Konklusion die schwächere Modalität übernimmt (im Mittelalter: ‹peiorem vel deteriorem semper conclusio sequitur partem› – die Konklusion folgt immer dem schlechteren oder schwächeren Teil). Beide Lehrer von Alexander, Herminos und Sosigenes, versuchten – auf je verschiedene Art und Weise – bei der Besprechung dieses Problems Aristoteles zu verteidigen. Auch Alexander verhält sich loyal zu Aristoteles und entwickelt seine eigene Interpretation der aristotelischen Regel, indem er Sosigenes’ Vorschlag verfeinert, die Notwendigkeit der Konklusion nicht als absolut, sondern als bedingt (oder hypothetisch) anzunehmen. Dabei zog Sosigenes die Definition der hypothetischen Notwendigkeit bei, die Aristoteles in ‹De interpretatione› 9 als Teil seiner Lösung für das Problem der ‘futura contingentia’ gab: «Es ist notwendig, dass das, was ist, dann ist, wenn es ist, und dass das, was nicht ist, dann, wenn es nicht ist, nicht ist. Aber weder für alles, was ist, ist es notwendig, dass es ist, noch für das, was nicht ist, dass es nicht ist» (19a23–25). Sosigenes’ Vorschlag war es, die Notwendigkeit der Konklusion in diesem Sinne entsprechend der Notwendigkeit des Obersatzes aufzufassen. Alexander schlägt hingegen vor, den Untersatz nicht als assertorisch, sondern als notwendig aufzufassen (weil sein Mittelbegriff passend zum Bereich des Mittelbegriffs im modalen Obersatz sein sollte), und es ist die Notwendigkeit dieses Satzes, die nach Alexander hypothetisch ist: Notwendig hypothetisch (SaM), Notwendig (MaP), ergo Notwendig (SaP). In diesem Fall, in dem beide Prämissen notwendig sind, folgt die Konklusion tatsächlich der Modalität des Obersatzes.
3. Die metaphysischen Themen 3.1. Die aristotelische Metaphysik als strenge Wissenschaft Obwohl bereits die früheren Peripatetiker – Andronikos, Boethos, Aristokles, Aspasios – Zugang zu Aristoteles’ ‹Metaphysik›-Text hatten und diesen offenbar in irgendeiner Form kommentiert hatten, ist Alexanders Kommentar zu den ersten fünf Büchern die erste antike Auslegung der ‹Metaphysik›, die als vollständiger Text erhalten ist. Alexander entwickelt und erläutert den Begriff Metaphysik als erste Philosophie, die eine Wissenschaft vom Seienden als Seiendem und auch die Weisheit ist (siehe dazu Genequand 1979 [*786], Bonelli 2010 [*872], Guyomarc’h 2015 [*881]). Aristoteles folgend unterscheidet Alexander zwischen der dialektischen und der apodeiktischen Methode und vertritt die Ansicht, dass die Methode der ersten Philosophie die einer apodeiktischen Wissenschaft ist (Bonelli 2001 [*844], Guyomarc’h 2015 [*881]). Auch wenn Alexanders Kommentar zu den wichtigen zentralen Büchern der ‹Metaphysik› nicht erhalten ist, geben die erhaltenen Teile eine gute Vorstellung von seiner Interpretation der aristotelischen Metaphysiklehre. Aus Alexanders weiteren Werken und Schulabhandlungen lässt
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sich seine Anwendung dieser Methode auf die verschiedenen Probleme der Substanztheorie rekonstruieren, deren wichtigste das Universalienproblem und die Frage nach der Interpretation des Hylemorphismus sind. 3.2. Universalien Alexanders Lesart der aristotelischen Ansicht der Universalien wurde oft als Nominalismus identifiziert, da er an mehreren Stellen behauptet, Einzeldinge hätten Priorität vor den Universalien (vgl. Moraux 1942 [*587], Lloyd 1981 [*791: 53– 55], Moraux 2001 [*846]). Es wurde aber darauf hingewiesen, dass Alexander zwischen Universalien qua Universalien, d. h. Allgemeinbegriffen, die durch Abstraktion aus einer Menge von Einzeldingen mit derselben bestimmten Eigenschaft abgeleitet werden können, und Arten (Genera und Species) unterscheidet, die mit dem Wesen der Einzeldinge übereinstimmen (Tweedale 1984 [*803]). Dieses Wesen ist das eigentliche Objekt der Definitionen (Quaest. 1,3), und es ist als solches zu unterscheiden von den Begriffen, mit denen auf Klassen verwiesen wird, die aus verschiedenen Objekten bestehen. Einzeldinge haben Priorität vor den Universalien qua Universalien (Klassenbegriffen), sind aber ihrer eigenen Art nachgeordnet. So hat ein einzelner Hund Priorität vor dem Allgemeinbegriff ‘Hund’, insofern als letzterer auf eine Klasse vieler verschiedener Hunde verweist, er ist aber der Art ‘Hund’ nachgeordnet. Das Universale als Klassenbegriff wird es nicht mehr geben, wenn die Klasse eliminiert ist, die Art aber wird bleiben (vgl. Quaest. 1,11 [II]; Sharples 1992 [*762: 52–55] und 2005 [*854]). Auf dieselbe Weise hat das Genus Priorität vor der Species, nicht wegen der größeren Extension, sondern weil die Existenz des Genus nicht von der Existenz einer Vielzahl von Arten abhängt. Das Genus wird auch existieren, wenn es nur eine Art gibt, die zu ihm gehört. Alexander entwickelt ein Argument für die Priorität des Genus gegen Xenokrates (Rashed 2004 [*140]). Rashed 2007 [*858] urteilt, dass Alexanders Position nicht nominalistisch, sondern konzeptualistisch zu nennen sei, im Sinne eines Konzeptualismus, der dem Realismus nähersteht als dem Nominalismus (Sharples 2005 [*854], Kupreeva 2010 [*873]). 3.3. Form und Substanz Alexander zufolge handeln die ‹Kategorien› von den «allgemeinsten und einfachsten Elementen der Rede, die die einfachen Dinge und die sich auf diese einfachen Dinge beziehenden einfachen Begriffe bezeichnen». Eine solche Unter suchung bringt eine Einteilung des Seienden in die obersten Gattungen, die von allen Dingen universell ausgesagt werden, mit sich (Alex. apud Simpl. In Cat. 10,8–19 Kalbfleisch). Alexander hält die Metaontologie der ‹Kategorien›, mit ihrer Unterscheidung zwischen Inhärenz («in einem Subjekt sein», ἐν ὑποκειμένῳ εἶναι) und wesentlicher Prädikation («von einem Subjekt ausgesagt werden», καθ’ ὑποκειμένου λέγεσθαι: Cat. 2) für grundlegend bei der Interpretation von Aristoteles’ Hylemorphismus-Theorie der Substanz. Schon frühere peripatetische Kommentatoren wie Boethos und Andronikos verwendeten die Theorie der Sub-
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stanz aus den ‹Kategorien› für die Analyse der hylemorphen Substanz. Von Boethos ist die Behauptung überliefert, von den drei Hauptbestandteilen der hylemorphen Substanz (Form, Materie und das aus beidem Zusammengesetzte) erfüllten nur Materie und Zusammensetzung die Kriterien, die in den ‹Kategorien› für Sub stantialität aufgestellt werden (apud Simpl. In Cat. 78,4–20 Kalbfleisch). Alexander widerspricht dieser Behauptung, auch wenn er weder Boethos noch einen anderen Vertreter dieser Ansicht erwähnt. In ‹Quaestiones› 1,8 findet sich eine Reihe von Argumenten und Antworten auf Einwände, die zeigen sollen, dass Form nicht in der Materie ist wie in einem Subjekt. Die Unterscheidung zwischen der Inhärenz einer Eigenschaft in einem Subjekt und der Art und Weise, wie die Form der Materie zukommt, hat damit zu tun, dass die Form Substanz ist und deshalb dem Prinzip der ‹Kategorien› unterliegt, wonach Substanzen (sowohl primäre als auch sekundäre) nie in einem Subjekt sein können (vgl. Sharples 1992 [*762], Ellis 1994 [*822], Sharples 2004 [*749]). Dieselbe Herangehensweise kann man in Alexanders Analyse der Veränderung sehen, beispielsweise in seiner Interpretation von Aristoteles’ Darstellung des Wachstums in ‹De generatione et corruptione› 1,5, wo sich die Form als der beständige Faktor erweist, während die Materie im Prozess der Veränderung Schritt für Schritt ersetzt wird (Kupreeva 2004 [*852]). Und dasselbe Prinzip gilt für Alexanders Psychologie. In seinem Traktat ‹De anima› argumentiert er, dass die Seele Substanz sei im Sinne von Form, und das Ziel des Schultraktats ‹Mantissa› 5 ist es zu zeigen, dass die Seele qua Form dem Körper (der Materie) nicht inhärent ist wie einem Subjekt. 4. Physik In seinem ‹Physik›-Kommentar stützt sich Alexander auf das Werk früherer Kommentatoren von Eudemos und Theophrast bis zu Boethos und Aspasios. Sein Kommentar wurde von vielen späteren Schriftstellern wie Porphyrios, Themistios, Philoponos und Simplikios benutzt, sie alle, aber besonders Simplikios, sind unsere Hauptquelle für Alexanders Interpretation der ‹Physik›. 4.1. Prinzipien und Ursachen Im Kommentar zum ersten Buch der ‹Physik› skizziert Alexander sein Verständnis der methodologischen These des Aristoteles, dass die Wissenschaft universelle Prinzipien als Ausgangspunkte hat, von denen aus sie durch Beweis voranschreitet. Diese universellen Prinzipien muss man sich als allen Wissenschaften gemeinsam vorstellen, nicht als Axiome und Definitionen, die spezifisch für eine bestimmte Wissenschaft gelten (apud Simpl. In Phys. 12,5–8 Diels). In der Diskussion dieser ersten Prinzipien betont Alexander die natürliche Priorität des Allgemeinen, die nicht die Priorität «im eigentlichen Sinne» (κυρίως) ist, da das Allgemeine keine Substanz ist. Diese Behauptung lässt sich wahrscheinlich am besten mithilfe seiner Darstellung der Prinzipien der Veränderung verstehen, wo er hervorhebt,
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dass die Prinzipien der Veränderung, Form und Materie, zwar ewig sind, wenn man sie als Universalien auffasst, als Prinzipien von einzelnen Prozessen des Entstehens und Vergehens aber vergänglich (apud Simpl. In Phys. 197,22ff. Diels). Bei der Besprechung von Materie und Privation führt Alexander Aristoteles’ Analyse der doppelten Bedeutung von ‘Subjekt’ in der Theorie der Veränderung näher aus (Phys. 1,8): Das Subjekt kann einerseits, ohne Qualitäten genommen, als Materie betrachtet werden, andererseits, aufgefasst als Subjekt, in dem akzidentell die Privation präsent ist, als ein zusammengesetztes Subjekt (apud Simpl. In Phys. 234,23ff.). 4.2. Teleologie und Vorsehung Alexander betrachtet üblicherweise die Wirkung der vier aristotelischen Ursachen in der gesamten Natur in Bezug auf die hauptsächlichen kosmischen Faktoren: den ersten unbewegten Beweger, die Himmelskörper und die sublunare Welt. Die Wirksamkeit der Zweckursache (des ersten unbewegten Bewegers) wird vermittelt durch die Bewegungen der Himmelssphären, insbesondere der Bewegung der Sonne entlang des ekliptischen Kreises, die als Mitursachen der Natur zu den Prozessen des Entstehens und Vergehens beitragen. Im kosmischen Geschehen scheint die Natur als Ganze die Rolle einer globalen Formursache zu spielen (apud Simpl. In Phys. 310,25–311,37 Diels; vgl. Rashed 2007 [*858: 278–285]). Alexander nennt die Natur «göttliche Kunst»: Man sollte hier an die Analogie zwischen Natur und Kunst denken, die Aristoteles in ‹Metaphysik› 7,7 aufstellt (vgl. Ruland 1976 [*619]). In der von wenigen griechischen Fragmenten abgesehen nur arabisch erhaltenen Abhandlung ‹Über die Vorsehung› und in einigen Schultraktaten (Quaest. 2,21) entwickelt Alexander die peripatetische Theorie der Vorsehung. Diese Theo rie muss post-aristotelisch sein, da sie keine klaren Vorläufer in den erhaltenen aristotelischen Werken hat. Alexander folgt zum Teil früheren Entwicklungen in der peripatetischen Schule (Kritolaos), zum Teil nimmt er Stellung zu Einwänden von zeitgenössischen Kritikern (wie des Platonikers Attikos), die auf die akzidentelle Natur der Beziehung zwischen Himmelsbewegungen und sublunaren Prozessen im peripatetischen System hinwiesen (vgl. Sharples 2002 [*391]). Charakteristisch für Alexanders Antwort auf diese Einwände ist die Tendenz, die Wirkung der göttlichen Vorsehung, die seiner Ansicht nach eher auf Species als auf einzelne Individuen ausgeübt wird, naturalistisch zu interpretieren. So ist der immerwährende Kreislauf von Entstehen und Vergehen innerhalb der überdauernden Species das Objekt der göttlichen Vorsehung und gleichzeitig auch deren Ergebnis (vgl. Fazzo 2002 [*848], Sharples 2002 [*391] und 2002 [*849], Thillet 2003 [*621]). Im Schultraktat ‹Quaestiones› 2,3 untersucht Alexander die Frage nach der Art von Kraft, die dem sublunaren Kosmos durch die Bewegung des ihm benachbarten Himmelskörpers vermittelt wird. Von verschiedenen Antworten (u. a. dass die ankommende göttliche Kraft den Kräften der physikalischen Körper nur äußerlich hinzugefügt sei) scheint er diejenige vorzuziehen, die keine zusätzlichen Entitäten postuliert, sondern die göttliche Kraft direkt für die Unterschiede bei den Elementen verantwortlich macht (d. h. die göttliche Kraft lässt
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die Elemente überhaupt erst entstehen), diese Unterschiede bei den Elementen wiederum bestimmen ihre Eigenschaften und Interaktionen. Die Himmelsbewegungen werden so als immerwährende Quelle für die elementaren Formen aufgezeigt (Quaest. 2,3, 49,28–50,27 Bruns; vgl. Moraux 1967 [*772], Fazzo 2002 [*848]). Auch im Traktat ‹Quaestiones› 3,5 bespricht Alexander die Hierarchie der Abhängigkeiten im Kosmos, wo die Himmelsbewegungen die elementaren Veränderungen hervorbringen, indem sie den geordneten Wechsel der Jahreszeiten verursachen (vgl. Sharples 1994 [*763], Kupreeva 2010 [*874]). 4.3. Ort Alexanders Behandlung des Ortes unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der aristotelischen. Es gibt aber einige Aspekte der aristotelischen Lehre, die Alexander im Licht seiner eigenen Lehre und im Rahmen seiner Polemik besonders betont oder ausarbeitet. So entwickelt er ausführliche Argumente zur Stärkung der aristotelischen Behauptung, dass ein Körper einen anderen Körper nicht durchdringen könne – die zentrale These gegen die stoische Theorie der Mischung (apud Simpl. In Phys. 530,14–30 Diels). Aristoteles’ Diskussion des Ortes gab Anlass zur umstrittenen Frage nach dem Ort des Kosmos als Ganzem. Aristoteles definiert Ort als «die Grenze des umfassenden Körpers, an der er in Kontakt ist mit dem umfassten Körper» (Phys. 4,4, 212a6–8): Da der Kosmos als Ganzer keinen weiteren umfassenden Körper hat, muss er ein Körper sein, der nicht an einem Ort ist (vgl. Arist. Phys. 4,5, 212b8–10; 212b14–18; Cael. 1,9, 279a12). Das macht es schwierig, den Status der immerwährenden Bewegung der äußersten Sphäre des Kosmos zu verstehen: Es handelt sich dabei nämlich um eine Kreisbewegung, d. h. um eine Bewegung, die auf einen Ort bezogen ist. Alexander kritisiert die Lösung jener Kommentatoren, welche die Bewegung der Fixsternsphäre als relativ zu einem ‘inneren’ Ort auffassen (wahrscheinlich frühere peripatetische Kommentatoren von Aristoteles’ ‹Physik›, vgl. Rashed 1995 [*828]). Alexanders eigene Lösung besteht darin, Kreisbewegung und Ortsbewegung zu trennen: Einige rotierende Körper haben tatsächlich beides (so die Planetensphären), aber andere, nämlich die äußerste Sphäre, rotieren ohne Bezug auf einen Ort. Dieser Standpunkt wird aus verschiedenen Gründen von den späteren neuplatonischen Kommentatoren der ‹Physik›, Philoponos und Simplikios, kritisiert. 4.4. Zeit Auch bei der Behandlung der Zeit folgt Alexander, abgesehen von einigen charakteristischen Unterschieden bei der Gewichtung, Aristoteles. Alexander betont die Einheit der Zeit, was er offenbar mit der Tatsache verbindet, dass Zeit nicht nur die Zahl aller Bewegung, sondern insbesondere der Bewegung der Himmelssphären ist. Dem Denken weist er eine wichtigere Rolle bei der Hervorbringung der Zeit zu, als es der aristotelische Text rechtfertigt (vgl. Arist. Phys. 4,11, 219b12– 33), indem er beiläufig vorschlägt, dass das Denken das ‘Jetzt’ nicht nur wahrnimmt, sondern es hervorbringt und damit die Zeit als zahlenmäßigen Prozess
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generiert (Sharples 1982 [*798: 70]). Die bei Simplikios bewahrte Erörterung hat teilweise Parallelen zu Alexanders Traktat ‹Über die Zeit›, der arabisch erhalten ist; es wurde vorgeschlagen, dass diese Diskussion teilweise gegen Galens Konzeption der Zeit als einer Substanz, die für sich existiert (und nicht nur eine Folge der Bewegung ist), gerichtet ist und letztlich aus dem bei Ibn an-Nadīm erwähnten Traktat ‹Gegen Galen über Ort und Zeit› stammt (Ibn an-Nadīm ‹Fihrist› II,609 Dodge, Zimmermann in Sharples 1982 [*799: 73], vgl. Rashed 1995 [*828]). 4.5. Bewegung Alexander verteidigt Aristoteles’ These aus ‹Physik› 7,1 und 8, dass alles, was sich bewegt, von etwas bewegt wird, gegen die Einwände Galens. Galen hatte den Beweis der aristotelischen These in ‹Physik› 7,1, 241b34–242a49 kritisiert, der die Form einer reductio, basierend auf einer kontrafaktischen Annahme, hat. Dagegen argumentiert Alexander, dass es in indirekten Beweisen vollkommen legitim sei, eine unwirkliche Annahme zu machen. Die Uneinigkeit zwischen Alexander und seinem Gegner (belegt in Simplikios’ Kommentar und in Alexanders Traktat, der arabisch erhalten ist, vgl. Pines 1961 [*771], Marmura, Rescher 1965 [*636]) ist aber grundsätzlicher und hat mit verschiedenen Auffassungen von Selbstbewegung zu tun. Alexander erklärt, dass Aristoteles’ These (alles, was sich bewegt, wird von etwas bewegt) für alle Arten von Bewegung gilt, die Aristoteles in ‹Physik› 8,4 unterscheidet. Nach Galens Ansicht hingegen sollte klar differenziert werden zwischen dem, was durch einen Beweger bewegt wird (verstanden als eine verschiedene Sache), und etwas, das sich selbst bewegt. Uniforme Körper (wie z. B. homogene Mischungen und organische Homoiomere) besitzen natürliche Bewegungen, die ihnen nicht von irgendeinem äußeren Beweger verliehen werden (vgl. Kupreeva 2004 [*852], Harari 2016 [*885]). Die aristotelische Beschreibung der Bewegung wirft die Frage nach dem Beweger in den naturgemäßen Bewegungen der Elemente auf (aufwärts die Bewegung von Feuer und Luft, abwärts die Bewegung von Erde und Wasser). Alexanders Lösung für dieses Problem stützt sich auf eine Analogie zwischen der hylemorphen Struktur der Elemente und der Lebewesen. Wie bei den Bewegungen der Lebewesen das entsprechende Lebensprinzip als Beweger fungiert, d. h. die Seele als Form dieser Art von Körper, so werden die Elemente durch die der Natur der fraglichen Elemente inhärente Neigung (mā’il, ῥοπή) bewegt, die auch ein Teil des formalen Bestandteils der ElementSubstanz ist. Diese Theorie der Neigung wurde sowohl unter späteren griechischen als auch arabischen Aristoteles-Kommentatoren einflussreich und wirkte auf Johannes Philoponos, der sie in seiner neuen Impuls-Theorie umarbeitete (Pines 1961 [*771], Sorabji 1972 [*778]). 5. Kosmologie Im verlorenen Kommentar zu ‹De caelo› verteidigt Alexander Aristoteles’ Argumente für die Existenz des ersten Elements, d. h. des Aithers, mit all seinen Attributen.
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Dabei stützte er sich auf die Werke einer ganzen Generation von Kommentatoren nach Xenarchos, die sich das Verdienst der Rückkehr zur Orthodoxie teilen – Adrastos, Aspasios, Herminos, Sosigenes. Alexander folgt seinem Lehrer Herminos und übernimmt die Ansicht, dieses erste Element, Aither, sei beseelt und die Himmelskörper seien von ihren Seelen-Bewegern bewegt. Die Seele ist die Form der Himmelskörper und fällt als solche mit ihrer Natur in eins. Die Bewegung der Himmelssphären ist geleitet vom Verlangen, dem ersten unbewegten Beweger in ewiger Kreisbewegung so nahe wie möglich zu kommen, d. h. ihn nachzuahmen (apud Simpl. In Cael. 379,18–381,2 Heiberg = fr. 129d Rescigno; Genequand 2001 [*613]). Alexander nimmt einige Änderungen an Aristoteles’ Theorie der Planetenbewegungen vor, wobei er wahrscheinlich früheren Entwicklungen in der peripatetischen Schule folgt. In seiner Darstellung finden sich nur sieben Planetensphären anstelle des verschachtelten Systems der konzentrischen Sphären (Genequand 2001 [*613]). Es ist wohl nicht so, dass Alexander die aristotelische Darstellung in ‹Metaphysik› 12,8 einfach verwirft: Seine Vereinfachung muss ihren Ursprung in der praktischen Astronomie haben, vielleicht in Einklang mit der Beschreibung des Astrolabiums gemäß Ptolemaios’ ‹Hypothesen über die Planeten›. Es ist nicht klar, ob Alexander dieses Werk oder andere vor-ptolemaische Quellen für astronomisches Wissen kannte (von einigen der aktuellen Theorien wusste er sicher von Sosigenes). Einen Hinweis auf eine seiner astronomischen Quellen scheint er in seinem Kommentar zu den ‹Meteorologica› zu geben, wenn er von einem gewissen Diodotos als einem Experten für Kometen spricht (In Meteor. 28,15). Alexander unterscheidet in seiner Darstellung der sublunaren Elemente zwischen der Form (Eigenschaften der Elemente) und der Materie, er ist also ein Vertreter der Ansicht, dass es ein aristotelisches Konzept der ‘ersten Materie’ gegeben habe. In seiner Theorie der hylemorphen Zusammensetzung der Elemente bringt Alexander zwei verschiedene Herleitungen der Elemente, die sich im aristotelischen Corpus finden, zu einer einheitlichen Darstellung zusammen: Einerseits spielen die fühlbaren Eigenschaften (heiß, kalt, feucht, trocken) in ‹De generatione et corruptione› 2,2–4 eine Rolle, andererseits die natürlichen Bewegungen in ‹De caelo› 3–4. Jedes Element besteht aus erster Materie und zwei der vier aktiven und passiven elementaren Qualitäten (eine aktive: heiß oder kalt, und eine passive: feucht oder trocken). Letztere machen zusammen mit einer hinzukommenden dynamisch-kinetischen Neigung (leicht oder schwer) eine elementare Form aus. Es gibt deshalb auch vier einfache Körper als die minimalen hylemorphen Zusammensetzungen (De an. 3,25–5,19 Bruns; vgl. Gannagé 2005 [*718]). Die hylemorphistische Theorie der Elemente bildet zusammen mit der Analyse von materiellen Zusammensetzungen (im Hinblick auf körperliche und unkörperliche, qualitative, Aspekte) den Hintergrund für Alexanders Kritik der stoischen Theorie der Mischung in seiner Abhandlung ‹Über die Mischung›. In der Stoa ist – übereinstimmend mit der grundlegenden Definition des Körpers als etwas, das wirkt und erleidet – Körperlichkeit das Kriterium für die kausale Wirksamkeit, so dass Qualitäten körperliche Entitäten sind; die Theorie der «Mischung» (κρᾶσις) setzt voraus, dass die körperlichen Komponenten der Qualitäten sich mischen, ohne die Individualität der betroffenen Bestandteile zu beeinträchtigen, so dass sie intakt
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wieder aus einer Mischung herausgelöst werden können. Diese Theorie brauchten die Stoiker, um die Einheit des Kosmos zu begründen, insofern das aktive Prinzip des Pneuma den ganzen Körper des Kosmos vollständig durchdringt, ohne seine Identität zu verlieren (vgl. Todd 1973 [*780] und 1976 [*607]). Alexander kritisiert diese Theorie, indem er Aristoteles’ These anführt, dass ein Körper einen anderen nicht durchdringen könne, und verteidigt ausführlich die aristotelische Theorie der Mischung, der gemäß die Bestandteile der Mischung potentiell in der neuen Qualität der Mischung vorhanden sind. Zur Frage nach der Einheit des Kosmos sagt Alexander, dass eine solche Einheit nicht mit der ‘totalen Mischung’ der kosmischen Prinzipien begründet werden sollte, sondern durch die Gesamtstruktur des Kosmos, die Bewegung der Himmelskörper, besonders der Sonne, die für die Regelmäßigkeit der sublunaren Prozesse verantwortlich ist. Alexanders Diskussion der Transformationen der Elemente ineinander im erhaltenen Teil seine Kommentars zu Aristoteles’ ‹De generatione et corruptione› und in einigen damit zusammenhängenden Schultraktaten bildet eine wichtige Grundlage für seine gegen die Stoiker gerichtete Polemik bezüglich Determinismus. Insbesondere erklärt er Aristoteles’ Argument im letzten Kapitel der Schrift (Gen. et corr. 2,11) dahingehend, dass es in der Natur keine einfache Notwendigkeit gibt, und liefert zahlreiche Argumente zur Verteidigung dieser Behauptung, wobei er sich auf anderes Material aus Aristoteles’ Diskussion der elementaren Transformationen in ‹De generatione et corruptione› stützt (apud Philop. In Phys. 234,19ff.; Quaest. 2,22; 3,5; vgl. Sharples 1979 [*787], Kupreeva 2010 [*874]). Ein ähnliches Problem wie in seiner Abhandlung ‹De mixtione› behandelt Alexander auch im ‹Meteorologie›-Kommentar. In ‹Meteorologica› 1,3 wirft Aristoteles die Frage auf, wie erklärt werden kann, dass die Wärme der Sterne die Erde erreicht (340a21–23). Alexander führt Aristoteles’ Lösungsansatz weiter (In Meteor. 18,8– 19,13 Hayduck), wobei deutlich wird, dass seine Erklärung auf dem Mechanismus von Wirken und Erleiden basiert, den er der peripatetischen Physik entnimmt.
6. Seelenlehre 6.1. Die Seele Zu Alexanders erhaltenen psychologischen Schriften gehören seine Abhandlung ‹De anima›, der Kommentar zu Aristoteles’ ‹De sensu›, einige Traktate der ‹Mantissa›, eine Anzahl der ‹Quaestiones› und einiges Material aus seinem verlorenen Kommentar zu ‹De anima›, das in späteren Kommentaren erhalten ist. Eines der charakteristischen Merkmale von Alexanders Interpretation der aristotelischen Naturphilosophie besteht darin, dass er bei der Untersuchung der Natur die hylemorphistische Analyse auf jeder Stufe anwendet. Von den Lebe wesen wissen wir, dass sie für Aristoteles paradigmatische Substanzen sind, d. h. also auch paradigmatische, hylemorphe Zusammensetzungen. Er zögert aber, auch die vier Elemente – Erde, Luft, Feuer und Wasser – als Substanzen zu be-
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zeichnen, und ebenso, die vollständige hylemorphistische Analyse auf die Himmelskörper anzuwenden. Im Gegensatz dazu verwendet Alexander diese Methode bei seiner Darlegung der Lehre von den Prinzipien und der Theorie der Veränderung, sowohl im Bereich der Himmel, der sublunaren Elemente, als auch der Lebewesen. Natürlich bedingt dieses Vorgehen keinerlei ontologische Einheitlichkeit, im Gegenteil: Seine Analyse ermöglicht es, viele neue Probleme und Kontraste zwischen den verschiedenen ontologischen Bereichen aufzudecken, und tut das auch. Diese Einheitlichkeit der Herangehensweise an den ganzen Kosmos kann als charakteristisches Merkmal von Alexanders Auslegung des Aristoteles wie auch seiner eigenen Betrachtungsweise beim Studium der Natur, wie es sich in den kleineren Werken und den Schultraktaten zeigt, bezeichnet werden. Kennzeichen dafür ist eine charakteristische terminologische Schöpfung, die von Alex ander selbst stammen muss und die er recht oft benutzt, nämlich der Ausdruck der ‘materie-immanenten Form’ (ἔνυλον εἶδος). Dieser existiert im ganzen überlieferten aristotelischen Corpus nicht. Die einzige Stelle für ἔνυλον ist eine Textvariante in ‹De anima› 1,1, 403a25: «Es ist klar, dass die Leidenschaften Logoi in der Materie sind» (δῆλον ὅτι τὰ πάθη λόγοι ἐν ὕλῃ εἰσίν), wo einige Handschriften ἔνυλοι an Stelle von ἐν ὕλῃ überliefern. Möglicherweise geht diese Lesart auf Alexander zurück. Auch in seiner Seelenlehre verwendet Alexander durchwegs seine Interpretation der aristotelischen Theorie des Hylemorphismus. Am Anfang seiner Abhandlung ‹De anima› beruft er sich auf die Analogie zwischen der hylemorphen Struktur eines einfachen Körpers und einer zusammengesetzten lebendigen Substanz, um kontrovers zu argumentieren, dass die Seele als Form zur körperlichen Mischung hinzukommt. Dabei ist es so, dass bei den zusammengesetzten Dingen bereits die als Substrat fungierende Materie selbst aus Form und Materie besteht. Jede im Substrat vorhandene Form trägt zur Form des ganzen Dinges bei, die somit eine «Form der Formen» (εἶδος εἰδῶν) ist (vgl. Moraux 2001 [*846: 355ff.]). Dieses Argument wurde von vielen Forschern als materialistisch und unaristotelisch beurteilt (Moraux 1942 [*587], Gottschalk 1971 [*776], Thillet 1981 [*792], Robinson 1991 [*818]), während andere betonten, dass Alexander das Argument nicht als eine materialistische Reduktion gemeint habe, sondern es im Gegenteil vielleicht seine Absicht war, damit die reduktionistischen Tendenzen im früheren nach-aristotelischen Peripatos zu überwinden (Donini 1971 [*775], Caston 1997 [*120], de Haas 2016 [*882]). Tatsächlich betrachtet Alexander diese Darstellung als eine Einführung in die aristotelische Definition der Seele als erste Aktualität (ἐντελέχεια) des lebendigen Körpers oder als die erste Aktualität des Körpers, der mit Organen ausgestattet ist. Weiter diskutiert Alexander metaphysische Eigenschaften der Seele: ihre Untrennbarkeit vom Körper, Unkörperlichkeit und Unbeweglichkeit an sich, wobei er die aristotelische Interpretation aller dieser Eigenschaften verteidigt und für einzelne Punkte Argumente gegen andere Schulen entwickelt, vor allem gegen Stoiker und Platoniker. Er verficht die Substantialität der Seele und betont, dass ihre Präsenz im Körper nicht mit Inhärenz (dem ἔν τινι εἶναι aus Cat. 2) gleich zusetzen ist und dass die Seele qua Form kein Akzidens des Körpers ist. Er distan-
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ziert sich zudem mit aller Deutlichkeit von der Harmonie-Theorie der Seele, die auch von Aristoteles in ‹De anima› 1,4 kritisiert wird. Alexander schließt jede Möglichkeit aus, die Seele, wie sie Aristoteles beschrieb, als unsterblich aufzufassen. 6.2. Erkenntnistheorie Nach Alexanders Auffassung folgt aus der aristotelischen Theorie des Wirkens und Erleidens, dass Körper durch ihre unkörperlichen Aspekte auf andere Körper wirken, wobei er diese Position gegen die Ansichten der Stoiker und Platoniker abgrenzt (In Sens. 73,18–30 Wendland; De an. 7,9–14 Bruns). Er benutzt dieses Prinzip, um den Mechanismus der Sinneswahrnehmung zu erklären, so dass beim Empfangen der Form ohne Materie sowohl physikalische als auch mentale Prozesse involviert sind. Alexander gibt eine einheitliche Darstellung des Wahrnehmungsvermögens, das als ein kognitives System präsentiert wird, zu welchem die Tätigkeit der fünf Spezialsinne sowie die Gesamtfunktionen des ‘Gemeinsinns’ gehören, der durch das zentrale Organ, d. h. das Herz, ausgeübt wird (Quaest. 3,9). 6.3. Intellekt Aristoteles’ Ansicht zum ontologischen Rang des Intellekts ist der umstrittenste Punkt seiner Seelenlehre. In Bezug auf «den sogenannten Intellekt der Seele» macht Aristoteles mehrere hypothetische Zugeständnisse für ein mögliches Getrenntsein der Seele vom Körper. In ‹De anima› 3,5 unterscheidet er zwischen dem Intellekt, «der alles wird», und dem Intellekt, «der alles macht». In ‹De generatione animalium› 2,3 spricht er vom «Intellekt von außerhalb» (νοῦς θύραθεν) als dem einzigen Vermögen der Seele, dessen Entstehung nicht mit derjenigen der Körperteile verbunden ist (736b30–737a8). Probleme mit dieser Theorie hatte bereits Theophrast gesehen (apud Prisk. Lyd. Metaphr. 26,26ff.). Die zwei Haupttexte, in denen Alexander den Intellekt diskutiert, sind seine Abhandlung ‹De anima› und der Schultraktat ‹Mantissa› 2 mit dem Titel ‹De intellectu›. Es gibt zwischen diesen beiden Betrachtungen einige, bereits früher (Moraux 1942 [*587]) bemerkte Unterschiede, die durch unterschiedliche Autorschaft oder eine verschiedene Entstehungsgeschichte der beiden Texte bedingt sein könnten. Die Argumentation in ‹De intellectu› ist lückenhaft, aber es können drei Abschnitte unterschieden werden (A, B, C in Sharples 2004 [*749], mit einer Lücke zwischen B und C), was drei verschiedene Quellen widerspiegeln könnte (oder zwei, wenn man annimmt, dass B und C zu derselben Darstellung gehören). Der Autor von ‹De intellectu› erwähnt zu Beginn von B1 (Mant. 2, 110,4 Bruns), dass er die Position bewahre, die er bei Aristoteles «gehört» (ἤκουσα) habe: Damit könnte Alexanders Lehrer Aristoteles von Mytilene oder Aristoteles von Stageira gemeint sein. In beiden Texten wird zwischen einem «materiellen Intellekt» (ὑλικὸς νοῦς) und einem Intellekt, der «schon denkt und eine Veranlagung zum Denken hat» (ὁ ἤδη νοῶν καὶ ἕξιν ἔχων τοῦ νοεῖν) unterschieden (Mant. 2, 107,21–28 Bruns; De an. 82,19–83,3 Bruns). In beiden Texten gibt es weiter eine dritte Art von Intellekt, die
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als «Intellekt von außerhalb» (νοῦς θύραθεν) bezeichnet wird. Er ist eine eigene intelligible Form, vom menschlichen Intellekt getrennt, mit welcher der menschliche Intellekt aber im Moment seiner Aktivität identisch werden kann. Beide Texte sagen, dass dieser Intellekt «von außerhalb» im Denkenden eine Bereitschaft zum Denken schaffe, ähnlich wie das Licht die potentiell sichtbaren Farben tatsächlich sichtbar macht und das vorhandene Sehvermögen aktiviert (Mant. 2, 107,29–34; 2, 111,29–36; De an. 88,24 Bruns; vgl. Arist. De an. 3,5, 430a15). Die Rolle des göttlichen Intellekts besteht immer noch darin, das herausragende intelligible Objekt zu sein, das getrennt existiert und Unsterblichkeit genießt, die dem menschlichen Intellekt nur im Akt des Denkens gegeben werden kann und an welcher der menschliche Intellekt einzig indirekt während solcher Aktivität Anteil haben kann. 7. Ethik Zu den Werken, in denen Alexander ethische Themen behandelt, gehören seine Schrift ‹De fato›, eine Schulsammlung ‹Ethische Probleme› und einige Abhandlungen in den ‹Mantissa› (Mant. 17–25). ‹De fato› behandelt Probleme im Zusammenhang mit Schicksal, Determinismus und Verantwortung. Alexander verteidigt aus aristotelischer Perspektive die freiheitliche Position und argumentiert gegen die ‘Deterministen’, deren Schulzugehörigkeit nicht genau angegeben wird, deren Lehren aber oft eine große Nähe zu stoischen Theorien über Schicksal, Notwendigkeit und Freiheit haben. Bei Aristoteles findet sich keine Theorie des Schicksals. Was Alexander dazu zu sagen hat, ergibt sich aus seiner Auslegungsarbeit und aus der Einordung dieser Ergebnisse in den Rahmen der hellenistischen Schuldebatten, wo die Frage des Schicksals eines der Hauptthemen der Moralphilosophie bildete. Alexander bestimmt das Schicksal als «die jeweilige Natur» (οἰκεία φύσις) jeder Sache, die ihr Anfang ist und «Ursache für das geordnete Muster von dem, was ihr gemäß der Natur geschieht» (τῆς τῶν γινομένων ἐν αὐτῷ κατὰ φύσιν τάξεως: Fat. 6, 170,9–11 Bruns). Diese «jeweilige Natur» lässt, wie die Natur im Allgemeinen, laut Aristoteles Ausnahmen zu, sowohl bei körperlichen Reaktionen – individuelle körperliche Verfassungen haben einen natürlichen Hang zu bestimmten Krankheiten oder körperlichen Bedingungen, die aber durch medizinische Behandlung und Training überwunden werden können – als auch in Bezug auf Seele und Charakter. Im zweiten Fall sind Ausnahmen besonders bedeutsam, wenn sie durch eine bewusste Bemühung des Handelnden zustande kommen. Diese Möglichkeit für Ausnahmen lässt Raum für bedeutungsvolle freie Wahl und Abwägen. Alexanders Schicksalskonzept ist weniger stark als dasjenige, das üblicherweise von hellenistischen Verteidigern und Gegnern des Determinismus gebraucht wird, was aber kaum zufällig ist, da er selbst zugibt, dass sein Schicksalsbegriff vom konventionellen abweicht (Mant. 25, 186,9–14 Bruns; Sharples 2001 [*847: 530]). Alexander entwickelt verschiedene Argumente gegen strengen Determinismus, zuerst indem er die unplausiblen Konsequenzen, die sich aus einer solchen Ansicht ergeben, entwickelt: Determinismus verhindert Möglichkeit und Zufall (Fat.
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7–10, was vielleicht der umstrittenste Teil von Alexanders Darstellung ist, da er den kausalen Mechanismus, der das Auftreten von Möglichkeit zur Folge hat, nicht erklärt), Determinismus macht menschliches Handeln lächerlich und bedeutsames Abwägen unmöglich (Fat. 11–15), ebenso verunmöglicht er Verantwortung, zerstört die Grundlagen für moralische Bewertung und für die göttliche Vorsehung, womit sich eine solche Position selbst widerlegt (Fat. 16–21). Alexander stützt sich auf Aristoteles’ Darstellung des freien Willens und des Abwägens, benutzt bei der Formulierung seiner Lehre aber auch oft stoische Konzepte. So braucht er das stoische Konzept der «Zustimmung» (συγκατάθεσις), um eine Handlung als rational kontrollierten Impuls darzustellen, bei dem der Handelnde, der mit einem Eindruck (φαντασία) konfrontiert wird, nach gewisser Überlegung einem Handlungsablauf zustimmen oder seine Zustimmung verweigern kann. Dieses Element des Wählens eines Ziels und des Abwägens der besten Mittel, die zu einem Ziel führen, sind notwendige Bestandteile einer freien Handlung, und so ist die Möglichkeit, auf bestimmte Weise zu handeln oder nicht zu handeln, eine notwendige Bedingung einer solchen Handlung – allgemeiner: einer Handlung, die einer moralischen Bewertung unterworfen werden kann. Alexander kritisiert die deterministische (sehr wahrscheinlich stoische) Darstellung dessen, wofür wir verantwortlich sind (τὸ ἐφ’ ἡμῖν), als das, was wir durch unser Handeln in Übereinstimmung mit unserer Natur (δι’ ἡμῶν: Fat. 13, 181,14 Bruns) zustande bringen. Dabei hebt er hervor, dass eine solche Analyse zu einer Verwischung des Unterschieds zwischen rationaler und irrationaler Tätigkeit zwingt, eine Unterlassung, von der er weiß, dass er sie seinen Gegnern nicht wirklich vorwerfen kann (Fat. 14, 183,21–184,5 Bruns; vgl. Fat. 34, 205,27–29 Bruns; vgl. Frede 1982 [*794], Sharples 2001 [*847: 552–554]). Alexander nimmt einige Argumente auf, die von Vertretern des Determinismus zur Verteidigung ihrer Lehre von Freiheit und Notwendigkeit vorgebracht worden waren, um die Überlegenheit der peripatetischen Theorie bei der Darstellung der Probleme, die angegangen werden sollen, zu zeigen. Dazu gehört die Sorge um die Einheit des Universums. Alexander formuliert die KausalitätsLehre seiner Gegner folgendermaßen: «Wenn alle Begleitumstände einer Ursache und dessen, wofür sie Ursache ist, gleich sind, ist es unmöglich, dass etwas bald so, bald nicht so geschieht; denn wenn es so wäre, gäbe es eine Bewegung ohne Ursache» (Fat. 22, 192,22–24 Bruns). Alexander argumentiert, dass diese Theorie nicht den Tatsachen entspricht: Es gibt viele Fälle in Natur und Kunst, wo etwas, was eigentlich die Ursache für etwas sein sollte, dies nicht ist, ohne dass der Prozess deswegen ohne Ursache ist. Er argumentiert, dass von den Ergebnissen her gesehen jeder Prozess zu seiner Ursache zurückgeführt werden kann (eine Feststellung von Aristoteles in Gen. et corr. 2,11; An. post. 2,12; Part. an. 1,1). Es ist deshalb nicht nötig, eine unendliche Serie von vorgegebenen Ereignissen anzunehmen, um das Kausalitätsprinzip und die Einheit des Universums zu wahren. Alexander hat auch eine aristotelische Antwort auf die stoische Theorie, dass es für einen Weisen unmöglich sei, seine Tugend zu verlieren – eine Behauptung, der er ebenso zustimmt wie derjenigen, dass es für einen üblen Menschen unmöglich sei, seinen üblen Charakter abzulegen (Fat. 27, 197,3–5 Bruns). Er argumen-
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tiert, dass in beiden Fällen die Verantwortung für den Charakter besteht, bevor der tugendhafte oder üble Charakter vollständig geformt ist: Zu diesem frühen Zeitpunkt wäre es für eine Person möglich gewesen, so oder gegenteilig zu handeln, und die Ausbildung ihres Charakters war deshalb eine Sache ihrer freien Wahl (Fat. 27–29). Diese Erklärung liegt auf der gleichen Linie wie Aristoteles’ Darstellung der Verantwortung für den Charakter (EN 3,5). Es ist aber charakteristisch für Alexanders Argument, das in einem polemischen Kontext steht, dass es ihm darum geht, jene Art von rationalem Handeln hervorzuheben, bei der Abwägen in einem freiheitlichen, nicht nur hypothetischen Sinn möglich ist. Auf das stoische Argument für den Determinismus aufgrund des göttlichen Vorherwissens antwortet Alexander mit der Überlegung, dass die Götter kein Vorherwissen von kontingenten Dingen haben, da es in der Natur dieser Dinge liegt, dass sie von niemandem vorausgewusst werden können und deshalb auch nicht von Göttern (Fat. 30, 200,17–28 Bruns). Alexanders Ansicht zum Status der ‘futura contingentia’ gründet wahrscheinlich auf seiner Interpretation der aristotelischen Lösung für das Seeschlacht-Problem in ‹De interpretatione› 9. Sein Standpunkt mit Blick auf göttliches Vorherwissen, den er in ‹De fato› 30 darlegt, wurde von einigen späteren Denkern übernommen (unter ihnen Plotin, Porphyrios und Calcidius), aber von Proklos verworfen; wie Sharples 2001 [*847: 574– 575] betont, ist es allerdings unklar, wieweit das Argument in ‹De fato› als Alexanders eigene Meinung zu diesem theologischen Problem erachtet werden kann. Es könnte auch sein, dass er diese Ansicht unter dem Druck seines polemischen Ziels so formuliert. Seine Behauptung lässt sich jedoch besser auf der Grundlage seiner Theorie der Vorsehung verstehen. Gemäß dieser wirkt die göttliche Vorsehung nur auf Species, nicht auf Individuen. Auf diese Weise steht eine Ablehnung des göttlichen Vorherwissens des Kontingenten qua Kontingentem nicht im Gegensatz zu theologischen Ansichten, die Alexander an anderen Stellen äußert. 4. NACHWIRKUNG
Die Bedeutung von Alexanders Kommentaren für seine eigene Zeit und die folgende Tradition ist enorm. Alle neuplatonischen Philosophen der Spätantike haben Alexanders bedeutende Interpretation des aristotelischen Systems berücksichtigt: Einige setzten sie voraus (z. B. Plotin), andere setzten sich kritisch mit Alexander auseinander, boten eigene Lesarten oder kritisierten und verwarfen seine. Die Tatsache, dass so viele verlorene Werke Alexanders fragmentarisch in späteren griechischen, syrischen, arabischen und hebräischen Quellen erhalten sind, ist ein Beweis für seinen langdauernden Einfluss. Es wäre falsch zu behaupten, dass die aristotelische Schule nach Alexander vollständig verschwand – verschiedene Quellen erwähnen aristotelische Lehrer bis ins 5. Jahrhundert –, aber Alexanders Schule war für den Aristotelismus das letzte antike Lehr- und Forschungszentrum von solchem Format. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
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§ 40. Themistios Michael Schramm
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Um 317 auf dem Landgut seines Vaters Eugenios in Paphlagonien geboren, entstammte Themistios einer adligen Beamtenfamilie aus Byzanz. Nach der Ausbildung in griechischer Literatur unterrichtete ihn sein Vater Eugenios, der selbst in Byzanz Philosophielehrer war, in Philosophie (Ballériaux 1996 [*985]). Nachdem er in Nikomedien und anderen Städten in Asia Minor gelehrt hatte, betrieb er ab 345 eine eigene Philosophenschule in Konstantinopel, durch die der philo sophische Unterricht in der noch jungen Hauptstadt einen bedeutenden Aufschwung nahm (Schemmel 1908 [*996: 152]). Nach seiner eigenen Darstellung habe er «viele» dazu gebracht, «das alte Griechenland und das benachbarte Ionien zu verlassen, die beide die größten Schulen der Philosophie haben» – gemeint sind die Schulen in Athen und Pergamon, dort vermutlich die Iamblichos-Schule des Aidesios (vgl. Schramm 2013 [*1063: 199 Anm. 59]) –, und zu ihm nach Konstantinopel zu kommen (Or. 23, 294b3–6). Sein Erfolg als Philosophielehrer gründete sich besonders auf seine Aristoteles-Paraphrasen (Or. 23, 294d4–7; 295a7–9) und führte sogar dazu, dass er am 1. September 355 durch Kaiser Constantius in den Senat berufen wurde (Or. Const. 20a2–b2; 23a1–b3). Danach war er bis 384 bei zehn Gesandtschaften der Hauptvertreter des Senats (Or. 17, 214b) und hielt als Senatsvertreter mehrfach panegyrische Glückwunsch- oder Dankreden an die verschiedenen Kaiser. Um 358/59 wurde er zum Prokonsul von Konstantinopel berufen und sogar mit der Auswahl neuer Senatoren für die von Constantius beabsichtigte Vergrößerung dieses Gremiums von 300 auf 2000 Angehörige betraut (Or. 34,13). Außerdem war er für die Ausgabe der staatlichen Getreidespenden verantwortlich (Or. 34,13). Im Herbst 383 wurde er von Theodosius I. für einige Monate zum Stadtpräfekten von Konstantinopel ernannt (Or. 17) und gleichzeitig der Erzieher von dessen Sohn Arkadios (Or. 18, 224a–225c). Trotz veränderter Religionspolitik behielt er als zeitlebens paganer Philosoph und Redner unter den vier christlichen Kaisern Constantius, Jovian, Valens und Theodosius über drei Jahrzehnte hohes Ansehen und Einfluss und wurde von Bischof Gregor von Nazianz nicht nur als «König der Reden», sondern auch als sein Freund bezeichnet (Ep. 24; 38). Oftmals nutzte Themistios seinen Einfluss, um bei kirchenpolitischen Streitigkeiten zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln und zu Toleranz, auch zwischen Heiden und Christen, zu mahnen (paradigmatisch für seine religions-
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§ 40. Themistios (Bibl. 451–455)
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politische Toleranz Or. 5, 67b–70a). Wie lange er seine Schule leitete und wer sein Nachfolger war, ist unklar, aber zumindest für einige Zeit scheint er auch neben seiner politischen Tätigkeit weiter als Philosophielehrer gearbeitet zu haben (Kupreeva 2010 [*995: 398]). Vermutlich um 388/89 ist er gestorben. 2. WERKE
1. Paraphrasen: 1.1. Erhaltene; 1.2. Verlorene; 1.3. Unechte; 1.4. Unsichere. – 2. Andere philosophische Werke. – 3. Reden: 3.1. Politische Reden (Or. 1–19); 3.2. Privatreden (Or. 20–34); 3.3. Unecht.
Von Themistios sind 33 politische Reden erhalten (Phot. Bibl. cod. 74 erwähnt sogar 36 πολιτικοὶ λόγοι), dabei werden die ‘Staatsreden’ (Or. 1–11; 13–19), also vor Kaisern oder staatlich eingesetzten Körperschaften zu öffentlichen Anlässen gehaltene Reden, von den ebenfalls politischen, aber weniger offiziellen ‘Privatreden’ (Or. 20–34) unterschieden. Außerdem gehören zu seinem Werk Paraphrasen zu einigen Werken des Aristoteles, die er in den Jahren vor seiner eigentlichen politischen Tätigkeit, ungefähr zwischen 337 und 357 (Blumenthal 1990 [*994: 113]), schrieb und von denen fünf erhalten sind. Mit dieser neuartigen literarischen Form wollte er nicht in Konkurrenz zu den bereits existierenden großen Kommentarwerken (vor allem denen des Alexander von Aphrodisias)
treten, sondern nur den Wortlaut des AristotelesTextes erläutern und eine Erinnerungshilfe für den Unterricht schaffen (In An. post. 1,2–12; Or. 23, 294d–295a). Dass er selbst Kommentare zu Aristoteles’ Werken geschrieben hat, wie Photios sagt (Bibl. cod. 74, 52a15f.), wird zumeist bestritten (Blumenthal 1979 [*968], Vanderspoel 1989 [*971] und 1995 [*984: 226]; Steel 1973 [*966] hat die Existenz von Kommentaren zunächst behauptet, später aber widerrufen). Photios (Bibl. cod. 74, 52a19f.) spricht auch von Themistios’ «exegetischen Bemühungen» zu den Platon-Dialogen, die Formulierung ist im Gegensatz zu den Ausdrücken für die Aristoteles-Paraphrasen aber wohl zu vage, um hieraus auf heute verlorene Platon-Paraphrasen zu schließen (Kupreeva 2010 [*995: 399]).
1. Paraphrasen 1.1. Erhaltene
‹Themistii ‘Analyticorum Posteriorum’ Para phrasis› (CAG 5,1) Θεμιστίου παράφρασις Ἀναλυτικῶν ὑστέρων – ‹Themistios’ Paraphrase zu den ‘Analytica poste riora’› Auch in lateinischer Übersetzung erhalten, vgl. O’Donnell 1958 [*901]. ‹Themistii in Aristotelis ‘Physica’ Paraphrasis› (CAG 5,2) Θεμιστίου παράφρασις εἰς τὸ αʹ–ηʹ Φυσικῆς ἀκροάσεως – ‹Themistios’ Paraphrase zu den Bü chern 1– 8 der ‘Physik’›.
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‹Themistii in libros Aristotelis ‘De anima’ Para phrasis› (CAG 5,3) Θεμιστίου παράφρασις τῶν Περὶ ψυχῆς Ἀριστοτέλους – ‹Themistios’ Paraphrase zu ‘De anima’ des Aristoteles Auch in arabischer und lateinischer Übersetzung erhalten, vgl. Lyons 1973 [*951] und Verbeke 1957 [*900]. ‹Themistii in libros Aristotelis ‘De caelo’ Para phrasis hebraice et latine› (CAG 5,4) ‹Themistios’ Paraphrase zu den Büchern des Aris toteles ‘De Caelo’ auf Hebräisch und Lateinisch› Ins Hebräische aus dem Arabischen übersetzt, ins Lateinische wiederum aus dem Hebräischen, vgl. Kupreeva 2010 [*995: 1065].
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‹Themistii in Aristotelis ‘Metaphysicorum’ librum Λ Paraphrasis hebraice et latine› (CAG 5,5) ‹Themistios’ Paraphrase zu Buch Λ der ‘Metaphy sik’ des Aristoteles auf Hebräisch und Lateinisch› Erhalten ist auch die arabische Kurzfassung der hebräischen Übersetzung, abgedruckt in Badawi 1947 [*950: 329–333].
Paraphrase zu ‹De generatione et corruptione› Vgl. Rose 1867 [*957: 193f.] und Peters 1968 [*774: 37]. Paraphrase (?) zur aristotelischen ‹Poetik› Vgl. Peters 1968 [*774: 29].
1.2. Verlorene
1.3. Unechte
Paraphrase zu den ‹Kategorien›
Paraphrase zu den ‹Analytica priora›
Vgl. Them. Or. 21, 256a2f.; In Phys. 4,26 Schenkl; Simpl. In Cat. 1,9f. Kalbfleisch, außerdem Peters 1968 [*774: 7], zu einem arabischen Fragment und lateinischem Material vgl. Todd 2003 [*975: 60 Anm. 11] und Kupreeva 2010 [*995: 1065].
CAG 23,3, zur Unechtheit Rose 1867 [*957], vermutlich von Sophonias. Paraphrase zu den ‹Parva naturalia› CAG 5,6, zur Unechtheit Rose 1867 [*957], vermutlich von Sophonias.
Paraphrase zu den ‹Analytica priora› Vgl. Suda II,690 Adler; Them. Or. 21, 256a4, zu weiteren Referenzen bei Boethius und Photios vgl. Rose 1867 [*957: 191f.].
1.4. Unsichere Paraphrase zu einer der aristotelischen Ethiken
Paraphrase zur ‹Topik› Vgl. Them. In De an. post. 42,15 Wallies; Eu strat. In An. post. 11,5–7 Hayduck, bezeugt durch Boeth. Diff. top. und durch Averroes’ mittleren Kommentar zur Topik. Paraphrase zu ‹De sensu› Them. In De an. 70,8 und 77,27 Heinze.
Vgl. Brague 1999 [*930: 11]. Paraphrase zur ‹Historia animalium› Die Autorschaft des arabischen Textes einer solchen Paraphrase, die Themistios zugeschrieben wird, ist umstritten, vgl. Kupreeva 2010 [*995: 1067].
2. Andere philosophische Werke ‹Traktat des Themistios in Antwort auf Ma ximos über die Reduktion der zweiten und dritten Figur auf die erste› Arabischer Text in Badawi 1947 [*950: 309– 325], französische Übersetzung von Badawi 1968 [*929].
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Περὶ ἀρετῆς ‹Über Tugend› Syrischer Text aus dem 6. Jahrhundert, erste Edition durch Sachau 1870 [*888], davon deutsche Übersetzung bei Gildemeister, Bücheler 1872 [*908], außerdem herausgegeben von Mach, mit lateinischer Übersetzung in Schenkl, Downey, Norman 1974 [*897: 9–71].
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§ 40. Themistios (Bibl. 451–455)
‹Brief über den Staat› Arabischer Text, herausgegeben von Shahid, mit lateinischer Übersetzung in Schenkl, Downey, Norman 1974 [*897: 73–119].
Περὶ φρονήσεως ‹Über Klugheit› Fragment einer epideiktischen Rede, griechischer Text in Schenkl, Downey, Norman 1974 [*897: 4f.].
Περὶ ψυχῆς ‹Über die Seele› Vier Fragmente unter diesem Titel aus Stobaios, griechischer Text in Schenkl, Downey, Norman 1974 [*897: 2–4].
3. Reden 3.1. Politische Reden (Or. 1–19) Ausgabe Schenkl, Downey, Norman 1965 [*897]. Or. 1 Περὶ φιλανθρωπίας ἢ Κωνστάντιος – ‹Über Philanthropie oder Constantius›. Or. 2 Εἰς Κωνστάντιον τὸν αὐτοκράτορα, ὅτι μάλιστα φιλόσοφος ὁ βασιλεύς, ἢ χαριστήριος – ‹An Kaiser Constantius, dass der König am meisten ein Philosoph sei, oder Dankrede› (für die Ernennung des Themistios zum Senator). Or. 3 Πρεσβευτικὸς ὑπὲρ Κωνσταντινουπόλεως ῥηθεὶς ἐν Ῥώμῃ – ‹Gesandtschaftsrede zugunsten Konstantinopels, gehalten in Rom›. Or. 4 Εἰς τὸν αὐτοκράτορα Κωνστάντιον – ‹An Kaiser Constantius›. Or. 5 Ὑπατικὸς εἰς τὸν αὐτοκράτορα Ἰοβιανόν – ‹Rede zum Konsulatsantritt, an Kaiser Jovian›. Or. 6 Φιλάδελφοι ἢ Περὶ φιλανθρωπίας – ‹Die Geschwisterliebenden oder Über Philanthropie› (über die Doppelherrschaft der Brüder Valentinian I. und Valens, in Anwesenheit des Valens). Or. 7 Περὶ τῶν ἠτυχηκότων ἐπὶ Οὐάλεντος – ‹Über die ins Unglück Geratenen (in Anwesenheit des Valens)›. Or. 8 Πενταετηρικός – ‹Rede zum fünfjährigen Regierungsjubiläum› (an Valens). Or. 9 Προτρεπτικὸς Οὐαλεντινιανῷ νέῳ – ‹Ermunterungsrede an Valentinian den Jüngeren› (d. i. Valentinian Galates, Sohn des Valens). Or. 10 Ἐπὶ τῆς εἰρήνης Οὐάλεντι – ‹Zum Friedensschluss, an Valens›.
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Or. 11 Δεκετηρικὸς ἢ Περὶ τῶν πρεπόντων λόγων τῷ βασιλεῖ – ‹Rede zum zehnjährigen Regierungsjubiläum oder Über die Reden, die dem Kaiser gegenüber angemessen sind› (an Valens). Or. 13 Ἐρωτικὸς ἢ Περὶ κάλλους βασιλικοῦ – ‹Über die Liebe oder Über die königliche Schönheit› (an Gratian). Or. 14 Πρεσβευτικὸς εἰς Θεοδόσιον αὐτοκράτορα – ‹Gesandtschaftsrede an Kaiser Theodosius›. Or. 15 Εἰς Θεοδόσιον· τίς ἡ βασιλικωτάτη τῶν ἀρετῶν – ‹An Theodosius: Welche die königslichste der Tugenden ist›. Or. 16 Χαριστήριος τῷ αὐτοκράτορι ὑπὲρ τῆς εἰρήνης καὶ τῆς ὑπατείας τοῦ στρατηγοῦ Σατορνίνου – ‹Dankrede an den Kaiser für den Frieden und das Konsulat des Feldherrn Saturninus›. Or. 17 Ἐπὶ τῇ χειροτονίᾳ τῆς πολιαρχίας – ‹Über die Ernennung zum Stadtpräfekten› (von Konstantinopel). Or. 18 Περὶ τῆς τοῦ βασιλέως φιληκοΐας – ‹Über die Liebe des Königs zum Zuhören›. Or. 19 Ἐπὶ τῇ φιλανθρωπίᾳ τοῦ αὐτοκράτορος Θεοδοσίου – ‹Über die Philanthropie des Kaisers Theodosius›. ‹Φιλόπολις› – ‹Philopolis› (Panegyrikos auf Kaiser Julian, verloren. Erhalten ist eine Zusammenfassung, vgl. Seeck, Schenkl 1906 [*959]).
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III. Kaiserzeitlicher Aristotelismus
3.2. Privatreden (Or. 20–34) Ausgabe Schenkl, Downey, Norman 1971 [*897]. Or. 20 Ἐπιτάφιος ἐπὶ τῷ πατρί – ‹Grabrede zu Ehren des Vaters›. Or. 21 Βασανιστὴς ἢ φιλόσοφος – ‹Prüfer oder Philosoph›. Or. 22 Περὶ φιλίας – ‹Über Freundschaft›. Or. 23 Σοφιστής – ‹Sophist›. Or. 24 Προτρεπτικὸς Νικομηδεῦσιν εἰς φιλοσοφίαν – ‹Ermunterungsrede an die Nikomeder zur Philosophie›. Or. 25 Πρὸς τὸν ἀξιώσαντα λέγειν ἐκ τοῦ παραχρῆμα – ‹Gegen jemanden, der verlangt, aus dem Stegreif zu reden›. Or. 26 Ὑπὲρ τοῦ λέγειν ἢ Πῶς τῷ φιλοσόφῳ λεκτέον – ‹Über das Reden oder Wie der Philosoph reden muss› (vgl. hierzu Kesters 1959 [*895]). Or. 27 Περὶ τοῦ μὴ δεῖν τοῖς τόποις ἀλλὰ τοῖς ἀνδράσι προσέχειν – ‹Darüber, dass man nicht auf die Orte (wo man studieren kann), sondern auf die Männer (bei denen man studieren kann) achten muss›. Or. 28 Ἡ ἐπὶ τῷ λόγῳ διάλεξις – ‹Unterredung über die Rede›. Or. 29 Πρὸς τοὺς οὐκ ὀρθῶς ἐξηγουμένους τὸν σοφιστήν – ‹Gegen die, die den ‘Sophist’ [sc. Or. 21] nicht richtig interpretiert haben›.
Or. 30 Θέσις εἰ γεωργητέον – ‹Frage, ob man Landbau betreiben soll›. Or. 31 Περὶ προεδρίας εἰς τὴν σύγκλητον – ‹Über den Vorsitz (im Senat) an den Senat›. Or. 32 Μετριοπαθὴς ἢ Φιλότεκνος – ‹Über die Mäßigung von Emotionen oder Über die Liebe zu den Kindern› (vgl. hierzu Ballériaux 1988 [*970]). Or. 33 ‹Περὶ τῶν ὀνομάτων τοῦ βασιλέως καὶ τοῦ ὑπάτου› – ‹Über die Namen des Königs und des Konsuls›. Or. 34 Πρὸς τοὺς αἰτιασαμένους ἐπὶ τῷ δέξασθαι τὴν ἀρχήν – ‹Gegen die, die ihn wegen der Annahme eines Amtes getadelt haben› (vgl. Schneider 1966 [*909]).
3.3. Unecht Or. 12 Ad Valentem de religionibus – ‹An Valens über die Religionen› (lateinische Themistios-Imitation des Humanisten Andreas Dudith 1583–1589). In der ersten Ausgabe der Reden von G. Remus von 1605 als Or. 12 gezählt, ebenso bei Dindorf 1832 [*886], Text bei Schenkl, Downey, Norman 1974 [*897: 137–144]; zur Unechtheit der Rede vgl. R. Foerster 1900 [*958].
3. LEHRE
Vorbemerkung: Themistios’ philosophische Position. – 1. Logik. – 2. Naturphilosophie: 2.1. Physik; 2.2. Kosmologie. – 3. Psychologie: 3.1. Seelenlehre; 3.2. Geistlehre. – 4. Metaphysik und Theologie. – 5. Praktische Philosophie: 5.1. Ethik; 5.2. Politische Philosophie.
Vorbemerkung: Themistios’ philosophische Position Themistios nimmt hinsichtlich seines Selbstverständnisses als Philosoph in doppelter Hinsicht eine Mittelposition ein: Erstens vertritt Themistios den schon von seinem Vater Eugenios verfolgten Ansatz, dass Philosophie praktischen Nutzen haben und die Rhetorik nicht scheuen müsse, sondern diese wichtig und legitim sei, sofern sie von der Philosophie geleitet sei (Or. 20; vgl. Vanderspoel 1995 [*984: 39f., 43–48], Penella 2000 [*919: 4f.]). Themistios wie Eugenios scheinen
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darum in ihrer Schule sowohl Elemente der Rhetoren- als auch der Philosophenschule miteinander verbunden zu haben, was etwa die Auswahl der in der Schule gelesenen Autoren dokumentiert (vgl. Schramm 2013 [*1063: 194–197]): an Philosophen Pythagoras, Platon, Aristoteles, Epikur und die Stoa, wobei Aristoteles – vermutlich in Nachfolge des Porphyrios und seines neuplatonischen Curriculums – als Vorbereitung auf Platon und Epikur nur in kritischer Absicht gelesen wurde (Or. 20, 234d5–236b4), an Dichtern Homer, Menander, Euripides, Sophokles, Sappho und Pindar (236b5–7; 236c2–6), wobei die drei zuletzt Genannten kaum in den klassischen, an politischer Rhetorik interessierten Rhetorenschulen gelesen worden sein dürften (Dion beispielsweise empfiehlt einem König zur Rhetorenausbildung wie Themistios Homer, Menander und Euripides, dann aber Historiker wie Herodot und Thukydides sowie Redner wie Demosthenes, Lysias und Aischines: Dion Chrys. Or. 18,6–12). Auch Themistios’ eigenes politisches Engagement ist für einen Philosophen dieser Zeit nicht untypisch (vgl. O’Meara 2003 [*1060: 13–26]). Seine Selbstverteidigung wegen der Übernahme politischer Ämter, die auf Vorwürfe reagiert, ein Philosoph solle in der Studierstube bleiben und nicht in das Licht der breiten politischen Öffentlichkeit treten (z. B. Or. 23, 283c–d; 26, 313c–314b; 29, 344d; 34,1), dokumentiert damit weniger, dass die politische Betätigung eines Philosophen ungewöhnlich war, sondern vielmehr den außerordentlichen Erfolg des Themistios in diesem Metier, der ihm den Neid und die Verleumdung von konkurrierenden Lehrern einbrachte. Seine eigene Polemik gegen eine bloß auf die Schule beschränkte Philosophie bezieht nicht offen Stellung gegen zeitgenössische Philosophenschulen, sondern richtet sich vornehmlich gegen Stoiker und Epikureer (z. B. Or. 2, 31c3–d4; 26, 323d4–324b1), während er Platon und Aristoteles dafür lobt, dass sie ganz auf die praktische Philosophie ausgerichtet sind, was für ihn auch das Studium der An thropologie, Kosmologie und Theologie einschließt (Or. 34,5f.; vgl. hierzu Schramm 2013 [*1063: 189–194]): Philosophieren heiße, «Tugend zu praktizieren» (ἐργάζεσθαι ἀρετήν: Or. 2, 31d5f.). Daher behandelte Themistios in der Schule sehr wohl Probleme der Logik und Naturphilosophie, hielt sie aber in der politisch-philosophischen Rede vor großer Öffentlichkeit für fehl am Platz (zur Logik z. B. Or. 2, 30b1– 9. 32d8–33a2; 34,3; zur Naturphilosophie z. B. Or. 26, 327cff.). Die zweite Mittelposition bezieht Themistios im Hinblick auf seine philosophische Ausrichtung, auch wenn die Forschungslage hierzu nicht einheitlich ist. Sich selbst sah er anscheinend als Aristoteliker, wenn er ausdrücklich Aristoteles als den bezeichnet, «den ich mir als Vorsteher des Lebens und der Weisheit erwählt habe» (Or. 2, 26d7f.). Auch Simplikios sieht Themistios eher als Peripatetiker, der gelegentlich den Platonikern gefolgt sei (Simpl. In Cael. 69,9–10 Heiberg). Daher ist er gar der «letzte antike Peripatetiker» (Blumenthal 1990 [*994: 123]) genannt worden. Andere (vor allem Ballériaux 1989 [*1027] und 1994 [*1030]) sehen ihn als Neuplatoniker, sein Vater, dessen philosophisches Erbe er seinem Selbstverständnis nach weiterführt (Or. Const. 22d2–23b3), sei sogar Schüler des Iamblichos gewesen (Ballériaux 1996 [*985], anders Schramm 2013 [*1063: 194 Anm. 44]). Wieder andere ordnen ihn in die breite kaiserzeitliche Tradition der Harmonisierung zwischen Platon und Aristoteles ein, indem sie entweder stärker die Provenienz
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einzelner Theorieelemente aus dem Mittelplatonismus (so Vanderspoel 1995 [*984: 20–22], Kupreeva 2010 [*995: 416]) oder aus dem Neuplatonismus (so Schramm 2008 [*1032: 217–219] und 2013 [*1063: 183, 192–194, 206–209]) betonen. Klar grenzt er sich hingegen gegen die «neue Melodie» (vgl. Or. 23, 295a8– b5) des jamblichischen Neuplatonismus ab, der auch chaldäische Orakelphilosophie und praktische Kultverehrung in die Philosophie einschloss (Schramm 2013 [*1063: 196]). Wenn Themistios die Lehrmethode seines Vaters Eugenios – und damit seine eigene – so beschreibt, dass er die «Mysterien» des Aristoteles als einen hervor ragenden «vorbereitenden Ritus» (προτέλειον) und «Schutzwall» (φυλακτήριον) für das «Bacchanal» des Platon-Unterrichts angesehen habe, da dessen Werke leicht von Sophisten angegriffen und diese durch Aristoteles abgewehrt werden könnten (Or. 20, 235d3–8), ist damit vor allem die Logik des aristotelischen ‹Organon› gemeint, die von Porphyrios als Beginn des Philosophieunterrichts in das neuplatonische Curriculum aufgenommen worden ist. Außerdem gehörten die aristotelischen Pragmatien zu Ethik, Physik und Metaphysik in den neuplatonischen Anfängerunterricht, die sogenannten ‘kleinen Mysterien’, die auf die ‘großen Mysterien’ Platons vorbereiteten (vgl. O’Meara 2003 [*1060: 61f.]). Die Liste der erhaltenen und verlorenen Paraphrasen des Themistios scheint diesen Lektüreplan widerzuspiegeln, wenn auch, zugeschnitten auf den Zweck des Unterrichts, eher eine philosophische Grundbildung für kommende Beamte als eine Spezialistenausbildung für zukünftige Schulphilosophen zu bieten. Dies zeigen die Titel der Paraphrasen, die ausschließlich Werken des Aristoteles gewidmet sind, die auch in den ‘kleinen Mysterien’ der Neuplatoniker gelesen wurden, wie auch die Textform der Paraphrase überhaupt, die Themistios ja im Unterschied zu den in den Neuplatonikerschulen sonst üblichen Kommentaren verfasste. 1. Logik Es gibt Nachrichten, dass es von Themistios zu allen Werken des ‹Organon› – mit Ausnahme von ‹De interpretatione› – Paraphrasen gegeben habe, überliefert ist allerdings einzig jene zu den ‹Analytica posteriora›. Soweit man das erkennen kann, folgte Themistios getreu dem Text des Aristoteles und seinen Lehren zur Logik. Allerdings scheint er auch in der Logik eine inhärente Verbindung bis hin zur Kongruenz des Aristoteles mit platonischen Lehren gesehen zu haben, wenn für ihn das Studium des ‹Organon› als Vorbereitung der Platon-Lektüre fungiert (Or. 20, 235d3–8) und wenn er die ‹Analytiken›, immerhin eines der Hauptwerke des Aristoteles, nicht als dessen originäres Werk, sondern als systematisierte Extrapolation der Regeln betrachtet, die in den Schluss- und Beweisverfahren der platonischen Dialoge angewandt worden seien (Philop. In An. pr. 6,14–18 Wallies). Vermutlich lag sein Hauptaugenmerk auf der ‹Topik› und den ‹Sophistici elenchi›, die als neuntes Buch der ‹Topik› überliefert sind, sowie auf den ‹Analytiken›. Denn für Themistios besteht die Hauptleistung des ‹Organon› darin, zwischen dem «wirklich Wahren» und dem «aufgrund einer Ähnlichkeit [sc. wahr] Erschei-
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nenden», in Wirklichkeit aber Falschen zu unterscheiden (Or. 26, 320a1–10); das spielt auf Aristoteles’ Unterscheidung in wissenschaftliche (= wahre), dialektische (= anerkannte, plausible) und sophistische bzw. eristische (= scheinbar anerkannte, falsche) Prämissen oder Syllogismen an (An. pr. 1,1, 24a22–b12; Top. 1,1, 100a27– 101a4; Soph. el. 2, 165a38–b11). Das ist der Auseinandersetzung des Philosophen mit der sophistischen Rhetorik seiner Zeit geschuldet, so betont ja Themistios als vorrangige Leistung des Aristoteles-Unterrichts gerade die Schulung der logischen Kompetenz zur Abwehr sophistischer Angriffe (Or. 20, 235d3–8). Von seiner Paraphrase zur ‹Topik› – und damit auch zu den ‹Sophistici elenchi› – ist für uns allerdings nur die Auflistung und Gruppierung der Topoi fassbar, die Boethius in ‹De differentiis topicis› überliefert und ausdrücklich aus Themistios übernommen hat (vgl. Diff. top. 2, 1186C–1194B; Green-Pedersen 1984 [*1080: 46– 54]). Das zeigt immerhin, dass Themistios vor allem an der Systematisierung und begrifflichen Bestimmung der Topoi interessiert gewesen zu sein scheint. Aus seiner Interpretation der ‹Analytica priora› ist besonders seine Ansicht zu einem viel diskutierten Problem der assertorischen Syllogistik überliefert, nämlich zur Vollkommenheit der Syllogismen: Aristoteles hatte behauptet, dass nur die Modi der 1. Figur «vollkommen» sind und die Modi der anderen beiden Figuren durch Reduktion auf die Modi der 1. Figur ‘vervollkommnet’ werden können (An. pr. 1,7, 29a30–b25); ein «vollkommener Syllogismus» ist nach Aristoteles einer, der über die explizit durch die Prämissen formulierten Voraussetzungen für seine Gültigkeit keiner weiteren Voraussetzungen bedarf, der unvollkommene benötigt diese (An. pr. 1,1, 24b22–26). Dieser These wurde vielleicht bereits von Theophrast, gewiss aber vom Peripatetiker Boethos von Sidon (2. Hälfte 1. Jh. v. Chr.) widersprochen, wonach alle Modi und Figuren dieselbe Vollkommenheit hätten und eine Reduktion daher unnötig sei. Auf ihn beriefen sich auch die Neuplatoniker Porphyrios, Iamblichos und dessen ‘Enkel-Schüler’ Maximos von Ephesos, der Lehrer Kaiser Julians, gegen den Themistios die aristotelische Position – vermutlich in Anlehnung an Alexander von Aphrodisias (vgl. Lee 1984 [*1005: 120f.]) – verteidigte, Kaiser Julian gab indes als Schiedsrichter in diesem Streit Maximos recht (Ammon. In An. pr. 31,11–23 Wallies). Erhalten ist eine aus dem 11. Jahrhundert stammende arabische Übersetzung eines eigenen ‹Traktats des Themistios in Antwort auf Maximos über die Reduktion der zweiten und dritten Figur auf die erste› (vgl. französische Übersetzung bei Badawi 1968 [*929], zur Diskussion von Themistios’ Lösung vgl. Lee 1984 [*1005: 121–126]). Aus Themistios’ Paraphrase zu den ‹Analytica priora› sind Exzerpte zur Modallogik in einer hebräischen Übersetzung erhalten (englische Übersetzung bei Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 92–103]). Behandelt werden bekannte Probleme der aristotelischen Modallogik, zum Beispiel die Einteilung der Modalitäten, die Interpretation der assertorischen Prämisse oder die Modalität der Konklusion der 1. Figur mit möglichen Prämissen. Die Modalitäten werden, gemäß der aristotelischen Einteilung (An. pr. 1,2, 25a1f.), dreigeteilt in «notwendig», «möglich» und «wirklich», wobei «notwendig» mit Theophrast wiederum dreigeteilt wird in das, was immer, zu jeder Zeit bzw. jenseits der Zeit existiert, zum Beispiel der Himmel oder Gott, das, was nicht immer ist, aber mit Notwendigkeit so lange
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e xistiert, wie sein Subjekt existiert, zum Beispiel Hitze am Feuer, und das, was existiert, solange es existiert, zum Beispiel das Sitzen des sitzenden Sokrates (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 94f.]). Modalität wird hier also stets zeitlich interpretiert (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 86]). Gegen Alexanders modallogische Interpretation des wirklichen oder assertorischen Zukommens eines Prädikats zu einem Subjekt als das gegenwärtig wirklich Mögliche, das weder notwendig noch unmöglich ist, wendet Themistios mit Theophrast ein, dass das wirkliche Zukommen eines Prädikats keine eigene Modalität ist (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 87, 96f.]). Hinsichtlich der Modalität der Konklusion in Syllogismen mit gemischten modalen Prämissen widerspricht Themistios wiederum mit Theophrast Aristoteles, der behauptet, dass die Konklusion notwendig sei, wenn die ‘praemissa maior’ notwendig und die ‘praemissa minor’ assertorisch ist (An. pr. 1,9, 30a15– 24), und behauptet, dass die Konklusion nur assertorisch sein kann (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 100]). Hierbei benutzt Themistios auch explizit die Regel, wonach die Konklusion stets der schwächeren Modalität der beiden Prämissen folgt (peiorem semper conclusio sequitur partem), die von Alexander Theophrast zugeschrieben wird (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 88]). In Themistios’ Paraphrase zu den ‹Analytica posteriora› ist besonders die Erkenntnistheorie von Interesse, die im letzten Kapitel entfaltet wird. Platons Anamnesis-Lehre, die auch von allen Neuplatonikern vertretene Erkenntnislehre, lehnt er explizit ab (In An. post. 4,27–33 Wallies) und folgt stattdessen eng dem aristotelischen Text (An. post. 2,19, 99b35–100a15) und dem Stufenbau der Erkenntnis, der als fortlaufende «Induktion» (ἐπαγωγή) von der Partikularität der einzelnen Wahrnehmung über Erinnerung und Erfahrung zur Allgemeinheit von Wissen und Prinzipienerkenntnis konzipiert ist (In An. post. 62,21–66,6 Wallies; vgl. Schramm 2008 [*1032: 188–196]). Beeinflusst ist Themistios’ Erklärung von Alexanders Erkenntnistheorie, wonach der Fortgang der Erkenntnis ein zunehmender Abstraktionsprozess der intelligiblen Form aus wahrnehmbaren Formen in Materie darstellt (Alex. Aphr. De an. 83,3–13 Bruns), und seiner Dreiteilung des Geistes (potentieller, habitueller und aktiver Geist, Alex. Aphr. De an. 81,13– 82,6; 88,23–89,12 Bruns; Them. In An. post. 65,12–66,6 Wallies; vgl. Kupreeva 2010 [*995: 402]), wobei Themistios einige Modifikationen anbringt: Gegenstände der Prinzipienerkenntnis sind nicht nur die intelligiblen Formen und deren Definition, sondern auch die Axiome des Beweisens, außerdem ist der Spracherwerb als ein wichtiges Stadium des Erkenntnisprozesses hervorgehoben, denn bereits beim Erlernen einfacher Wörter würden Vorbegriffe des Wesens der Dinge gelernt, die das diskursive Denken dann entfaltet – damit geht eine gegenüber Alex ander veränderte Deutung des Verhältnisses von potentiellem zu aktivem Geist einher (vgl. Schramm 2008 [*1032: 191–195]). Anti-platonisch ist die Deutung der Gattung als eines Gedanken ohne reale Existenz, der aufgrund der Ähnlichkeit der Individuen gebildet wird (vgl. Sorabji in Todd 1996 [*918: 2 Anm. 12]), aristotelisch die Bestimmung des Wesens als die in den Individuen subsistierende «Artform» (εἶδος: In De an. 3,32–4,7 Heinze).
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2. Naturphilosophie Themistios’ naturphilosophische Vorstellungen sind im Wesentlichen aus seinen Paraphrasen zu Aristoteles’ ‹Physik› und ‹De caelo› fassbar. Die ‹Physik›Paraphrase zu den Büchern 1 bis 4 ist detaillierter als die zu den Büchern 5 bis 8, Auseinandersetzungen mit dem zeitgenössischen Neuplatonismus dürfte es hier aufgrund der Themen nicht gegeben haben, sondern Themistios scheint wesentlich der orthodox aristotelischen Deutung des Alexander von Aphrodisias aus seinem verlorenen ‹Physik›-Kommentar gefolgt zu sein (Todd 2003 [*921: 1f.]). Auch seine lediglich in lateinischer und hebräischer Übersetzung erhaltene ‹De caelo›Paraphrase enthält wichtige Spuren des verlorenen Kommentars Alexanders zu diesem Werk (Kupreeva 2010 [*995: 404]). 2.1. Physik Die aristotelische ‹Physik› behandelt Grundbegriffe der Naturphilosophie wie Bewegung, Raum und Zeit. Ein von den Kommentatoren viel diskutiertes Problem war die Interpretation der aristotelischen Definition der «Bewegung» (κίνησις). Aristoteles definierte sie als «Verwirklichung (ἐντελέχεια) eines der Möglichkeit nach Seienden als solchen» (Phys. 3,1, 201a10f.), d. h. als etwas, das zugleich möglich und wirklich bzw. unvollkommen und vollkommen ist, z. B. das Gehen einer Strecke, das erst verwirklicht ist, wenn die Strecke tatsächlich zurückgelegt ist. Themistios differenziert den Entelechie-Begriff, da die Entelechie sowohl den Prozess des Gehens (Verwirklichung) als auch des Gegangen-Seins (Wirklichkeit, Vollendung) bezeichnen kann. Eine Bronze beispielsweise, die der Möglichkeit nach eine Skulptur sein kann, erfährt die Entelechie der in ihr der Möglichkeit nach seienden Skulptur, wenn sie zur Skulptur wird, sie hat aber auch Entelechie, wenn sie zur Skulptur geworden ist (In Phys. 69,7–20 Schenkl; vgl. Sorabji in Todd 2003 [*921: VIII]). Themistios verteidigt außerdem Aristoteles’ Raum- und Zeittheorie gegen Einwände. Galen etwa plädierte offenbar für eine von Aristoteles verworfene Raumdefinition, nämlich Raum als die vom Körper unterschiedene dreidimensionale «Ausdehnung (διάστημα) zwischen den Grenzen» (Arist. Phys. 4,4, 211b7f.; Them. In Phys. 114,7–12 Schenkl), die später auch der neuplatonische Aristoteliker Philoponos der aristotelischen Definition vorzog (vgl. Philop. In Phys. 557,7–585,4 Vitelli; ausdrücklich kritisiert Philoponos auch Themistios’ Argumente gegen die Definition des Raums als dreidimensionaler Ausdehnung, In Phys. 575,27–578,4 Vitelli). Aristoteles wiederum definierte ja Raum als «Grenze des umfassenden Körpers, ‘an der er in Berührung ist mit dem umfassten Körper’, d. h. mit dem gemäß Ortsbewegung beweglichen Körper» (Phys. 4,4, 212a6f.; Them. In Phys. 118,8f. Schenkl). Themistios entgegnet Galen, dass man – unter Voraussetzung von dessen Raumdefinition – annehmen müsse, dass es einen Körper und abgetrennt davon einen leeren Raum gebe, die einander durchdringen, d. h. miteinander koinzidieren, was der Regel widerspreche, dass nicht zwei Ausdehnungen bzw. zwei Körper an derselben Stelle zugleich sein könnten (In Phys. 134,25–135,1 Schenkl; vgl. Sorabji in Todd 2003 [*921: VIII]).
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Aristoteles’ Zeitdefinition – Zeit sei die «Zahl der Bewegung gemäß dem Früher und Später» (Arist. Phys. 4,11, 219b1f.) – verteidigt Themistios wiederum gegen den Vorwurf der Zirkularität; Galen etwa wandte ein, dass das Früher und Später zeitlich sei und damit Zeit besser als «Zahl der Bewegung gemäß der Zeit» zu definieren sei (Them. In Phys. 149,4–7 Schenkl). Mit Aristoteles weist Themistios darauf hin, dass das Früher und Später nach der Quantität und der Position, nicht nach der Zeit bestimmt sei (Arist. Phys. 219a14–19; Them. In Phys. 149,7–13 Schenkl) und dass Galen bei seinem Reformulierungsversuch übersehen habe, dass das Definiendum nicht im Definiens erscheinen dürfe (In Phys. 149,13–19 Schenkl; vgl. Todd 2003 [*921: 103 Anm. 439]). Hinsichtlich der aristotelischen Behauptung, es gebe keine Zeit, wenn es keine Seele gebe, um die Bewegung zu zählen (Arist. Phys. 4,14, 223a21–29), widerspricht Themistios der daraus abgeleiteten Behauptung, die Zeit habe keine eigene Natur, sondern sei nur ein «Gedanke (ἔννοια) unserer Seele» (Them. In Phys. 163,1–7 Schenkl; Themistios schreibt diese Aussage vorsichtig Aristoteles zu, tatsächlich gehört sie Kritolaos, einem Peripatetiker des 2. Jh.s v. Chr., vgl. Aët. Plac. 1,22,6, 318,22f. Diels = Stob. Ecl. 1,8,40b, I,103,7f. Wachsmuth). Er widerspricht aber auch dem Peripatetiker Boethos von Sidon (1. Jh. v. Chr.), der meinte, die Zeit existiere unabhängig von der Tätigkeit des Zählens durch die Seele, und erklärt, dass ein potentiell Zählbares auch eines potentiell Zählenden bedürfe, dass aber etwas, das nur akzidentell zählbar ist, zum Beispiel eine bestimmte Bewegung, auch ohne das aktual Zählende existiert (In Phys. 160,26–161,2 Schenkl), eine Position, die ähnlich auch Thomas von Aquin vertreten wird (vgl. Thom. In Phys. n. 627–629, L. IV, l. XXIII,3–5 Maggiòlo). 2.2. Kosmologie In der Kosmologie folgt Themistios Aristoteles, wenngleich mit einigen (neu-) platonischen Zutaten und durchaus auch Kritik an Aristoteles im Detail. Der aristotelische Gott oder Unbewegte Beweger ist «das Gute (ἀγαθόν), die erste Form oder Idee (πρῶτον εἶδος), die erste Ursache (πρῶτον αἴτιον), zu der alles hingeneigt ist, dem sich alles, soweit ein jedes es vermag, anzugleichen (ὁμοιωθῆναι) bemüht» (In Phys. 33,9–11 Schenkl), oder er ist «das Gute» bzw. «die erste Substanz», die ihrer Natur nach wahrhaft «einzig und einfach» («una et simplex») ist (Them. In Metaph. 12, 18,21–19,8, Zitat 18,39; 19,5. 8 Landauer). Der aristotelische Gott wird also mit platonischen Termini beschrieben – das Gute oder Idee, Platons «effizierende Ursache» sei «das Eine, ich meine die Idee» (In Phys. 13,15f. Schenkl) –, und das Verhältnis des Kosmos zu seiner effizierenden Ursache, dem Unbewegten Beweger wird mit dem platonischen Ausdruck für das höchste Gute beschrieben, nämlich der «Angleichung an Gott, soweit möglich» (Tht. 176b1). Auch scheint Themistios eine Vereinbarkeit der aristotelischen Kosmologie mit der platonischen Weltseelenlehre anzunehmen. Bewegung gebe es nicht ohne Seele, da das Prinzip der Bewegung, die Himmelsbewegung, die Bewegungen der Einzellebewesen wie Entstehung, Wachstum und Schwinden «durch Geist und als Begehren» bewirkt, also mit Seele (In Phys. 161,5–11 Schenkl); mit dem Terminus
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«Begehren» (ὄρεξις) wird auch die Wirkung des Unbewegten Bewegers auf den Kosmos beschrieben (Arist. Metaph. 12,7, 1072a26; Them. In Metaph. 12, 18,21– 39). Außerdem ist die Weltseele die «belebende Kraft» (δύναμις ζωτική) im ganzen Kosmos, durch welche die Beseelung der Körper zustande kommt (In De an. 26,25–27 Heinze). Hinsichtlich der Ewigkeit der Welt widerspricht Themistios aber explizit dem platonischen ‹Timaios›, der von einem Beginn der Zeit zu sprechen scheint, und plädiert mit Aristoteles für die Ewigkeit der Welt (vgl. In Phys. 211,26–30 Schenkl). Tatsächlich hielten die neuplatonischen Interpreten die Rede des ‹Timaios› von Anfang und Schöpfung der Zeit als der mythischen Darstellungsform geschuldet und gingen auch für Platon von der Ewigkeit der Welt aus (z. B. Plot. III 7 [45] 12,20–25). Für seine Antwort auf die Frage nach dem Ort des Kosmos als Ganzen wurde Themistios von späteren Neuplatonikern (z. B. Simpl. In Phys. 590,27–32; 592,25– 593,6 Diels; Philop. In Phys. 565,21–566,7 Vitelli) kritisiert. Wenn der Raum die «Grenze des umfassenden Körpers» ist (Phys. 4,4, 212a6) und es für den äußersten umfassenden Körper, die Fixsternsphäre, und damit für den Kosmos als Ganzen keinen Körper gibt, der ihn umfasst, ist er nach Aristoteles «an sich» (καθʼ αὑτά) an keinem Ort, «akzidentell» (κατὰ συμβεβηκός) hingegen schon (Phys. 4,5, 212b7–12). Themistios erklärt «akzidentell» in Übereinstimmung mit der Auslegungstradition als synonym mit «in Hinsicht auf die Teile» (κατὰ μόρια), wobei dies für ihn entweder «Teil im Teil» oder «das Ganze im Teil» bedeutet (In Phys. 120,22–28 Schenkl). Im Fall des Kosmos ist nach Themistios nur die letzte Bedeutung sinnvoll, wonach der Kosmos als Ganzer akzidentell an einem Ort ist, da er als Ganzer in seinen Teilen ist, die jeweils an einem Ort sind, und von diesen Teilen nicht abgetrennt werden kann (120,31f.), «Teile» in diesem Kontext sind die konzentrischen Planetensphären, bei denen die Kreisbewegung der umfassenderen Sphäre auf die Oberfläche der von ihr umfassten Sphäre einwirkt (119,21f.). Die letzte Sphäre, die von keiner anderen Sphäre mehr umfasst wird, ist «an einem Ort in Hinsicht auf ihre innere Seite», d. h. auf die konvexe Oberfläche ihrer selbst, während sie nach ihrer äußeren Oberfläche keine Berührung mit einem sie Umfassenden hat (121,2–4, vgl. Trifogli 1989 [*1014], Sorabji in Todd 2003 [*921: IX], Kupreeva 2010 [*995: 403f.]). Kritik äußert Themistios an Aristoteles’ These, dass Elemente noch an ihrem natürlichen Ort schwer oder leicht seien, weil die Elemente, sobald sie an ihren natürlichen Ort gelangt sind, diese Bewegungsneigung – und damit auch die Eigenschaften ‘schwer’ und ‘leicht’ – verlieren (In Cael. 232,17–235,21 Landauer). Gegen Alexander weist Themistios auch den Begriff der himmlischen Materie zurück, da die Kreisbewegung, also auch die Bewegung des Aithers, kein entgegengesetztes Prinzip und damit auch keine Materie habe, an der sie sich vollziehe (In Cael. 14,12–15, später wieder aufgenommen von Philoponos in seiner Argumentation gegen Aristoteles’ Aithertheorie, vgl. Simpl. In Cael. 70,2–9; 71,20; 72,10–16 Heiberg; vgl. Kupreeva 2010 [*995: 404f.]).
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3. Psychologie Zentral für die Bestimmung von Themistios’ philosophischer Position ist die ‹De anima›-Paraphrase, sein bei weitem einflussreichster Text. Seine philo sophische Ausrichtung wird vor allem in der Frage nach dem Leib-Seele-Verhältnis und in der Geistlehre sichtbar. Die Forschungsdebatte über die Schulzugehörigkeit des Themistios knüpft hauptsächlich an letztere an und diskutiert besonders den Gebrauch neuplatonischer Termini und die Parallelen zu Plotin dahingehend, ob Themistios’ Geistlehre neuplatonisch ist (so Ballériaux 1989 [*1027] und 1994 [*1030]) oder nicht (Blumenthal 1990 [*994: 119f.], Schroeder, Todd 1990 [*755: 39], Todd 1996 [*918: 2, 10]; eine vermittelnde Position vertritt Schramm 2008 [*1032]). Offensichtlich hat Themistios Kenntnis des ‹De anima› betitelten Traktats des Alexander von Aphrodisias, in dem die aristotelische Psychologie zusammengefasst ist; ob dies auch für dessen Kommentar zu ‹De anima› gilt, ist unklar (Todd 1996 [*918: 1]). 3.1. Seelenlehre Die Seelenlehre des Themistios scheint – anders als die Geistlehre – weitest gehend Aristoteles zu folgen. Das Hauptproblem aller Kommentatoren, welche die aristotelische und die platonische Psychologie miteinander zu verbinden trachteten, besteht darin, dass Aristoteles die Seele, definiert als «die erste Entelechie eines natürlichen Körpers, der potentiell Leben besitzt» (De an. 2,1, 412a27f.), offensichtlich als Form ihres Körpers und daher unauflöslich von ihm denkt, während sie aus platonischer Sicht ablösbar und damit unsterblich sein muss (Blumenthal 1990 [*994: 116f.]). Themistios vertritt hier die aristotelische Position, dass die individuelle inkorporierte Seele unabtrennbar vom Körper und damit vergänglich ist, aber «nicht vergänglich schlechthin, sondern wie das Licht im Wasser» (In De an. 26,21–23; vgl. 43,21–27 Heinze): Die Seele, an sich selbst eins und abgetrennt, fungiere wie die Sonne, die das Licht auf verschiedene Gegenstände, wie beispielsweise Luft, Wasser, Stein, Holz, scheinen lässt und so auf verschiedene Weise erscheint, so ähnlich sei auch der Unterschied der abgetrennten Seele und der jeweils verschiedenen und damit vergänglichen Inkorporation der Seele (In De an. 25,35f.; 26,2–8 Heinze). Weiter hält sich Themistios an die aristotelische Struktur der Seele und ihrer einzelnen Vermögen, d. h. vegetative, sensitive und rationale Seele (In De an. 44,9–49,12 Heinze), und verteidigt die aristotelische Seelendefinition gegen Einwände, dass sie nicht für jeden Seelenteil zutreffe (In De an. 48,19–34 Heinze). Auch bei der Erklärung der niedrigeren Seelenvermögen besteht kaum eine Abweichung von Aristoteles. Hinsichtlich der Wahrnehmung, nach Aristoteles das «Aufnehmen der wahrgenommenen Formen ohne die Materie» (De an. 2,12, 424a18f.), vertritt Themistios – in Übereinstimmung mit Aristoteles und Alexander von Aphrodisias (Sorabji 1991 [*1029: 232–235]) – deren Unkörperlichkeit (In De an. 56,39–57,10; 77,28–78,18 Heinze). Gegen Alexander (De an. 58,2–5 Bruns) betont er allerdings die Körperlichkeit der «Berührung» (ἁφή) durch den Tastsinn
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(Them. In De an. 72,11–77,26 Heinze; vgl. Sorabji 1991 [*1029: 231f.]). Auch hinsichtlich des «Vorstellungsvermögens» (φαντασία) bleibt Themistios bei der aristotelischen Definition, wobei er hieran auch einige Abweichungen vornimmt (vgl. Todd 1981 [*1026]). 3.2. Geistlehre Themistios’ Geistlehre wird in einem Exkurs zu ‹De anima› 3,5 in seiner ‹De anima›-Paraphrase entwickelt. Die von Aristoteles in diesem Kapitel formulierte Dichotomie von «produktivem Geist» (νοῦς ποιητικός) und «passivem Geist» (νοῦς παθητικός) interpretiert Themistios vor allem in Abgrenzung zu Alexander von Aphrodisias, der den aktiven Geist mit dem Geist des aristotelischen Unbewegten Bewegers aus ‹Metaphysik› 12 identifiziert (Alex. Aphr. De an. 89,1–11 Bruns), und nimmt einige neuplatonische Interpretamente auf. Er unterscheidet – wie Alexander nach der 1. und 2. Stufe der Potentialität bzw. Aktualität – 1) den potentiellen Geist (δυνάμει νοῦς), 2) den habituellen Geist (νοῦς ὁ καθ’ ἕξιν) und 3) den aktiven Geist (ἐνεργείᾳ νοῦς) bzw. den produktiven Geist (νοῦς ποιητικός). Daneben führt er 4) den «gemeinsamen» oder «passiven» Geist (κοινὸς νοῦς, νοῦς παθητικός) ein, der für ihn mit der Erinnerung, den Affekten und dem diskursiven Denken verbunden ist (die Bezeichnung «gemeinsamer Geist» resultiert aus einer Fehllektüre von De an. 1,4, 408b25–29). Seine Hauptthese ist: «Wir sind der produktive Geist (νοῦς ποιητικός)» (Them. In De an. 100,37f. Heinze). Das bedeutet nicht das jeweilige Individuum, sondern den kollektiven Geist, der aus der gemeinsamen Artnatur des Menschen folgt. So unterscheidet Themistios zwischen dem einzelnen «Ich» (ἐγώ), das aus potentiellem und aktivem Geist zusammen gesetzt ist, und dem allgemeinen «Ich-Sein» (τὸ ἐμοὶ εἶναι) bzw. dem Wesen des Ich, d. h. dem produktiven bzw. aktiven Geist (In De an. 100,18–20 Heinze). Die Unterscheidung von ‘Wir’ und ‘Wesen des Wir’ hat ihren Ursprung bei Plotin (I 1 [53] 10,5–15), Themistios modifiziert sie allerdings (Schramm 2008 [*1032: 186– 188]). Der produktive Geist wird als Einheit eines von allen Menschen geteilten Geistes gedacht, der jedes Individuum überschreitet, weil es ansonsten kein gemeinsames Wissen und Verstehen, keine Erkenntnis und Lernen gäbe (Them. In De an. 103,36–104,14 Heinze). Dieser «Mononoismus» (Merlan 1963 [*1022: 55f.]) ist die Voraussetzung der menschlichen Rationalität, an der alle Menschen teilhaben und deren selbständige Aktivierung eine «form of self-realization» (Schroe der, Todd 1990 [*755: 38f.]) darstellt. Der eine produktive Geist ist damit eine Art «transcendance intérieure» (Ballériaux 1989 [*1027: 227]) des Menschen. Das dianoetisch-diskursive Denken verteilt sich auf den potentiellen und den passiven Geist. Den potentiellen Geist bezeichnet Themistios als «Vorläufer (πρόδρομος) des produktiven Geistes», vergleichbar dem Verhältnis der Strahlen der Sonne zum Licht oder der Blüte zur Frucht (In De an. 105,30–32 Heinze), oder als ein «Schatzhaus» oder eine «Vielheit an Gedanken» (θησαυρὸς bzw. πλῆθος τῶν νοημάτων) «wie eine Materie» (ὥσπερ ὕλη: In De an. 99,6–8. 21f. Heinze). Der produktive Geist vollendet den potentiellen Geist, indem er, wie das Licht im Hinblick auf das mögliche Sehen und die möglichen Farben, 1) den potentiellen
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Geist zu einem aktuellen Geist und 2) die potentiell gedachten Inhalte – das sind die immateriellen Formen – zu aktuell gedachten macht (In De an. 98,35–99,4 Heinze). So ist der potentielle Geist an sich selbst auch nicht zum diskursiven Denken befähigt, sondern erst, wenn der produktive Geist mit dem potentiellen Geist eins wird (In De an. 99,5–10 Heinze). Während für Themistios sowohl der potentielle als auch der aktive Geist abtrennbar (In De an. 105,26–30 Heinze) und damit unsterblich sind – für Alexander war es nur der aktive bzw. produktive Geist (Alex. Aphr. De an. 90,13–20) –, ist einzig der passive Geist untrennbar vom Körper. Mit Hilfe des passiven Geistes schließt Themistios die Kluft zwischen Körper und Geist. Somit können körpergebundene psychische Vorgänge wie Erinnerungen oder Emotionen, die zugleich auch vernunftgeleitet sind, erklärt werden wie auch der körpergebundene Anteil am diskursiven Denken, insofern dieses auf aus Erinnerungen stammende «Vorstellungen» (φαντάσματα) rekurriert (Them. In De an. 113,14. 19f. Heinze; vgl. Arist. De an. 3,7, 431a14–17). Damit unterscheidet sich Themistios deutlich von den späteren Neuplatonikern, die den νοῦς παθητικός mit der φαντασία identifizieren (z. B. Prokl. In Eucl. 51,20–52,8 Friedlein; Philop. In De an. 6,1–5 Hayduck). Indem er den νοῦς παθητικός als νοῦς herausstreicht, nimmt er die Vergänglichkeit in den Geist auf und betont die Einheit des menschlichen Geistes. 4. Metaphysik und Theologie Themistios’ Aussagen zur Metaphysik finden sich in seiner Paraphrase zu Aristoteles’ ‹Metaphysik› 12. Das griechische Original ist verloren, erhalten sind einzig eine hebräische und eine lateinische Übersetzung von 1255 bzw. 1558 (beide in Landauer 1903 [*893]; zur Überlieferungsgeschichte vgl. Landauer 1903 [*893: V– VII], Pines 1987 [*1038: 177f.]). Da Themistios somit nur die aristotelische Theologie und nicht die der Ontologie gewidmeten Bücher der ‹Metaphysik› paraphrasiert hat, bestand für ihn, ähnlich wie für die Neuplatoniker, der Hauptgegenstand der ‹Metaphysik› vermutlich in der Theologie (Guldentops 2001 [*1039: 102–104]). Der Ausgangspunkt seiner Paraphrase ist die aristotelische These, dass Gott, der höchste Geist, nur sich selbst denkt, weil er als göttlichstes Wesen in der Welt das Beste denkt, also sich selbst – sein Denken ist das «Denken des Denkens» (νόησις νοήσεως: Arist. Metaph. 12,9, 1074b21–35). Themistios vertritt nun die neuplatonische These, dass der aristotelische Gott qua Geist nicht nur sich selbst denkt, sondern dass er, indem er sich selbst denkt, auch alle anderen intelligiblen Dinge denkt, d. h. dass aus seinem Selbstdenken auch das Denken alles Seienden folgt (vgl. Plot. IV 4 [28] 2,11; V 3 [49] 6,5–7; Pines 1987 [*1038: 187f.], Brague 1999 [*930: 37f.]). Das impliziert nach Themistios das Wesen, aber auch die Existenz des Seienden: Gott denkt alle seienden Dinge in der Weise, «durch die sie sind» («quo sunt»), und in der Weise, «durch die er sie bestimmt hat, seiend zu sein» («quo ipse posuit ea entia esse»: In Metaph. 15, 23,19f. Landauer). Gott ist «erste Ursache» (πρῶτον αἴτιον, prima causa: In Phys. 33,9 Schenkl; In Metaph. 12, 19,1 Landauer), die folgendermaßen bestimmt ist: Er ist «auf eine Weise das Seiende selbst und auf eine andere dessen Chorführer» (πὼς μὲν αὐτὰ τὰ ὄντα ἐστί, πὼς
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δὲ ὁ τούτων χορηγός: Them. In De an. 99,23–25 Heinze). Das heißt, er ist zugleich die Form- und Finalursache sowie die Bewegungs- oder Wirkursache (In Metaph. 22, 34,15f. Landauer). Das widerspricht klar Aristoteles und auch Alexander, die den Unbewegten Beweger zwar als Final- und Bewegungsursache der Welt, nicht aber als Formursache des jeweiligen Seienden bestimmen. Gott wird – wie gesagt – sogar mit platonischen Ausdrücken als das «Gute» (ἀγαθόν) und die «erste Form oder Idee» (πρῶτον εἶδος) bezeichnet, dem «sich alles, soweit ein jedes es vermag, anzugleichen (ὁμοιωθῆναι) bemüht» (In Phys. 33,9–11 Schenkl; In Metaph. 12, 18,39 Landauer), d. h. Gottes Denken der immateriellen Formen bzw. Ideen bestimmt deren Sein und Wesen, und seine ewige Bewegung bewirkt und erhält die Bewegung in der sensiblen Welt, indem die Dinge bzw. Formen dieser Welt in ihrer Unvollkommenheit zur Vollkommenheit Gottes streben. Die Verbindung des göttlichen Selbstdenkens mit dem Denken der intelligiblen Welt wird mit neuplatonischen Ausdrücken als «Hervorgang» aus sich (provenire, πρόοδος) bzw. «Rückkehr zu sich» (convertere ad se, ἐπιστροφή) gedacht (Schramm 2008 [*1032: 213f.]): Aus Gottes Denken «geht die Ordnung und Regelmäßigkeit des Seienden hervor» («ordo et rectitudo entium proveniet»: In Metaph. 13, 20,2–4 Landauer). Indem Gott die intelligiblen Formen «alle zugleich» («omnia subito» = πάντα ὁμοῦ) denkt (In Metaph. 20, 32,1–4. 16–18 Landauer), «bringt» er alles Seiende «hervor» («producit»), und alles Seiende «ist das, was er ist» (In Metaph. 16, 23,39–24,1 Landauer). Zugleich «wendet» sich Gottes Denken im Denken der intelligiblen Formen «zu sich selbst zurück» («ad se convertitur»: In Metaph. 22, 33,40–34,3 Landauer). Und auch das neuplatonische Eine bzw. Gute scheint dem Geist Gottes einbeschrieben zu sein, da er explizit als «das Gute» bzw. als die «erste, wahrhaft eine Substanz» bezeichnet wird (In Metaph. 12, 18,39; 19,5. 8 Landauer), und das Eine und Gute, das den Geist Gottes durchdringt, aber «mehr» als dieser sei, ist laut Themistios dasjenige, wonach der ganze Kosmos und jedes einzelne Seiende «strebt» (In Metaph. 22, 34,27–34; 23, 35,31–37; 26, 39,26–32 Landauer) – eine Argumentationsstrategie, die Themistios von Porphyrios übernommen haben dürfte (vgl. Schramm 2013 [*1063: 207–209]). Schließlich ist mit Blick auf Themistios’ politische Philosophie seine Bestimmung Gottes als «Gesetz» (νόμος, «lex») oder sogar als «lebendiges» oder «beseeltes Gesetz» (νόμος ἔμψυχος, «viva» bzw. «animata lex») von Bedeutung (In Metaph. 13, 19,39f.; 16, 24,1–4 Landauer), die sich weder bei Aristoteles noch bei den Neuplatonikern finden lässt. Für eine Bestimmung Gottes als «Gesetz» kann auf die Stoiker verwiesen werden (z. B. Zenon, SVF I, fr. 162; Chrysipp, SVF II, fr. 1077; vgl. Pines 1987 [*1038: 189]). Die Konzeption des «beseelten Gesetzes» ist hingegen neupythagoreisch (z. B. Diotogen. 72,18ff. Thesleff), steht dort aber nur auf den Herrscher bezogen, wie sie auch von Themistios in seinen Lobreden für den Kaiser, zur Begründung von dessen Sonderstellung, verwendet wird (Or. 1, 15b3–8; 5, 64b4–c4; 16, 212d7f.). So wird in der ‹Metaphysik›-Paraphrase nicht nur der Kaiser, sondern auch die gesamte Ämterhierarchie bis hin zur Stellung der Untertanen immer wieder als Vergleich zur Verdeutlichung der kosmischen Bewegungen herangezogen (z. B. In Metaph. 13, 19,29–36; 16, 24,3–13; 22, 34,33f.; 23, 35,20–31 Landauer; vgl. Schramm 2013 [*1063: 209–211]). Der Grund hierfür
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liegt in Themistios’ Vorstellung, dass die Politik theologisch begründet ist und die im physikalischen Kosmos waltende göttliche Ordnung als Vorbild der politischen Ordnung fungieren soll. Darin sieht er auch eine Übereinstimmung platonischer, aristotelischer und stoischer Vorstellungen: Das Ziel der platonischen Philosophie sei es, «die menschliche Politeia, soweit möglich, der Politeia des Alls nachzubilden» (Or. 34,5). Aristoteles’ ganze Philosophie und jede seiner Abhandlungen sei auf das «menschliche Gute» oder die Eudaimonie bezogen (Or. 34,6), und der aristotelische Unbewegte Beweger und die Gestirne würden praktische und politische Philosophie betreiben, indem sie «die ganze Natur stabil und unversehrt in Ewigkeit bewahren» (Or. 34,6; vgl. Schramm 2013 [*1063: 189, 191f.]). Schließlich wird der ganze Kosmos in Übereinstimmung mit der Stoa als eine Götter und Menschen gemeinsame kosmische Polis verstanden (vgl. Schramm 2013 [*1063: 212–214]). 5. Praktische Philosophie Mit Aristoteles, aber auch den Mittel- und Neuplatonikern, die diese Einteilung übernommen haben (vgl. O’Meara 2003 [*1060: 53f.]), teilt Themistios die praktische Philosophie in Ethik, Ökonomie und Politik ein (Or. 26, 327a8–b6). Aussagen zur Ökonomie finden sich bei ihm kaum – außer dass die einzige dem Philosophen angemessene Freizeitbeschäftigung die Landwirtschaft sei, was bereits sein Vater Eugenios praktiziert habe (vgl. Or. 30) –, dafür aber umso mehr zu Ethik und Politik, hierzu vor allem in den Reden. 5.1. Ethik Themistios’ Ansichten zur Ethik kommen hauptsächlich in zwei Diatriben zum Ausdruck, nämlich einer ‹Über die Tugend› (Περὶ ἀρετῆς), die einzig in einer syrischen Übersetzung aus dem 6. Jahrhundert überliefert ist (in Schenkl, Downey, Norman 1974 [*897: 10–71, mit lateinischer Übersetzung], vgl. auch die erste Edition bei Sachau 1870 [*888], auf Deutsch übersetzt durch Gildemeister, Bücheler 1872 [*908]), und einer ‹Über Metriopatheia und die Kinderliebe› (Or. 32). In ‹Über die Tugend› stellt Themistios zunächst die tugendethischen Positionen des Epikur, des Aristoteles und verschiedener Nachfolger des Sokrates (darunter Platon, die Stoiker und die Kyniker) vor: Er lobt ausdrücklich die Position der letzteren, die er so zusammenfasst, dass allein die Tugend das höchste Gut sei und man der anderen Güter nicht bedürfe (Virt. 21, 442; 24f., 444; 28–31, 447–449 Gildemeister-Bücheler), schließt sich dann aber einer aristotelischen Position an, wonach zur Ausübung der Tugend auch äußere Güter wie Besitz und Gesundheit nötig seien (Virt. 38f., 455 Gildemeister-Bücheler) und die Tugend die Hexis sei, seinen Besitz und seinen Körper «auf richtige Weise zu gebrauchen» (Virt. 40, 456,8–12 Gildemeister-Bücheler). Die aristotelische Tugendtheorie wird auch deutlich in seinem Plädoyer für μετριοπάθεια, dem kaiserzeitlichen Verständnis der aristotelischen μεσότης-Lehre als genereller Mäßigung der Affekte bzw. ihrer Intensität (z. B. D. L. 5,31), und sei-
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ner Ablehnung des stoischen Ideals der ἀπάθεια bzw. Affektlosigkeit. Affekte seien nicht generell schlecht, sondern dienten u. a. der Selbsterhaltung (Or. 32, 360a1–8), es komme lediglich darauf an, «im Maß» (ἐν τῷ μέτρῳ) zu bleiben (360a8f.) und sich hinsichtlich seiner Affekte «von der Vernunft» (ὑπὸ τοῦ λόγου) leiten zu lassen (360b4–9), um nach dem «Willen der Natur» (τὸ βούλημα […] τῆς φύσεως), d. h. nach dem naturgegebenen Zweck eines jeden Affekts zu fragen und die vernunftgemäßen Affekte zu fördern und die vernunftwidrigen zu unterdrücken (360c2–d2). Diese Position nimmt also – trotz der Ablehnung der stoischen ἀπάθεια – durchaus einige stoische Termini und Vorstellungen auf, allerdings aristotelisch modifiziert, was seine Quelle in Porphyrios’ Definition der politischen Tugend (Sent. 32,6–8) haben dürfte (vgl. Schramm 2013 [*1063: 229–239, bes. 235–237]). 5.2. Politische Philosophie Ein Gedanke, der sowohl mittel- als auch neuplatonische Ethiken auszeichnet, nämlich dass die platonische «Angleichung an Gott (ὁμοίωσις θεῷ), soweit es möglich ist» (Plat. Tht. 176b1), das höchste Gute sei, fehlt bei Themistios in den beiden genannten tugendtheoretischen Traktaten, wird aber stets in den an die Kaiser gerichteten politischen Reden propagiert, und zwar als Ziel des kaiserlichen Handelns (z. B. Or. 2, 32d3–6 sowie b9–c3). Der Zentralbegriff der politischen Philosophie des Themistios ist die Philanthropie, durch die der Kaiser – und zwar durch seine hervorgehobene politische Stellung faktisch er als Einziger (Or. 19, 226d6f.) – die Angleichung an Gott vollziehen kann. Der Philanthropiebegriff, der in klassischer Zeit die Sorge der Götter für die Menschen meint und später immer mehr Ausdruck einer zwischenmenschlichen Tugend, einer allgemeinen, in seiner guten Bildung begründeten Menschenliebe (z. B. bei Plutarch) oder gar der griechischen Kultur überhaupt wird, gehört spätestens seit Dion Chrysostomos (z. B. Or. 1,15–36) zum festen Kern der römischen Kaiserideologie (vgl. Downey 1957 [*1049: 271f.], Daly 1975 [*1055: 26f.], allgemein Hunger 1963 [*1050] und Hiltbrunner 1992 [*1057]). Themistios knüpft an diese Kaiserideologie an, wenn er die Philanthropie ins Zentrum seiner Reden an den Kaiser stellt – in den ‹Orationes› 1, 6 und 19 steht die Philanthropie sogar im Titel der Rede –, gibt ihr aber eine ganz eigene Wendung. Er verbindet die traditionellen Herrscherattribute ‘Philanthropie’ und ‘Gottähnlichkeit’ tugendethisch miteinander und gibt dem Philanthropiebegriff so seine ursprüngliche theistische Bedeutung zurück (Daly 1975 [*1055: 31]), ohne dass er als pagane Alternative zum christlichen Nächstenliebekonzept intendiert gewesen ist (anders Downey 1955 [*1048] und 1957 [*1049]). Themistios gewinnt seinen Philanthropiebegriff vielmehr in Anknüpfung an die philosophische, insbesondere die platonische Tradition: In Anlehnung an neuplatonische und aristotelische Termini schreibt er Gott die Attribute «Sein» (οὐσία), «Macht» (δύναμις) und «Güte» (ἀγαθότης) zu (Or. 1, 8b6–9), die diesem in der Art der neuplatonischen negativen Theologie in eigentlich unbegreiflicher, über das menschliche Denken hinausgehender Weise zukommen (Schramm 2013 [*1063: 201–205]). Von diesen kann der Mensch via Philanthropie nur an der Güte teilhaben, nicht am ewigen Leben oder der übergroßen Machtfülle Gottes (Or. 6, 78d7–79b2).
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Die Philanthropie ist nun vornehmlich als Tugend bestimmt, und zwar als die einzige Tugend, die der Mensch mit Gott gemeinsam hat, da keine der anderen Tugenden, zum Beispiel Gerechtigkeit oder Tapferkeit, die ja stets auf menschliches Handeln bezogen seien, mit Recht auf Gott übertragen werden könnten (Or. 1, 8a1–b6, vgl. Arist. EN 10,8, 1178b10–18 und Plot. I 2 [19] 1,10–21). Die Philan thropie ist ihrem Begriff nach aber keine eigene Tugend mit einem eigenen Handlungsbereich wie die anderen Tugenden, sondern sie ist die im Kaiser sichtbare vollkommene Ausprägung aller menschlichen Tugenden als Abbild der Güte bzw. Philanthropie Gottes (vgl. Or. 1, 4b9–c1. 6a8–b4). Daher unterscheidet sich die Philanthropie des Kaisers der Sache nach nicht von der politischen Tugend der Untertanen, aber sehr wohl in der Sichtbarkeit und Wirksamkeit seiner Taten (Schramm 2013 [*1063: 215–217]). Nach dem Wirkungskreis seiner Macht sind dies vor allem Taten im Bereich Kriegsführung, Gerichtswesen, Religionsausübung und öffentliche Armenfürsorge (vgl. Schramm 2013 [*1063: 219–228]). Für den Untertan ist wie für den Kaiser die Angleichung an Gott das höchste tugend ethische Gut, aber sie ist für den Untertan im politischen Leben nur indirekt möglich, indem er «nach dem Gesetz lebt», «den König nachahmt und auf dessen Handlungsweise achtgibt» (In Metaph. 13, 20,8f. 23 Landauer), d. h. durch Angleichung an den Kaiser. In seinem sozialen Leben ist auch dem einfachen Menschen Philanthropie als allgemeine Menschenliebe möglich; denn mit einer stoischen Vorstellung ist in der naturgegebenen Liebe zur Familie bereits die Grundlage für das Wohlwollen allen Menschen gegenüber enthalten, und zwar wegen der Verwandtschaft aller Menschen aufgrund der gleichen göttlichen Vernunft (Or. 6, 76c2–78b5; vgl. Schramm 2013 [*1063: 291–293]). Der Kaiser ist also nur in einem rechtlich-politischen Sinne als Einziger philanthropisch, als soziale Wesen haben alle Menschen potentiell Philanthropie oder im Wortsinne Freundschaft mit allen anderen Menschen. Im Mittelpunkt der politischen Philosophie des Themistios steht also weniger die politische Handlung oder Tugend – mit Ausnahme jener des Kaisers – als vielmehr die Ordnung des Staates. Dieser ist – mit dem Kaiser als Mittlerinstanz zwischen Gott und den Menschen – ein Bild der kosmischen Ordnung Gottes, die geprägt ist durch Gerechtigkeit, Frieden und Güte (Or. 15, 188b5–189a7). Vorbild für Themistios’ Theorie der politischen Ordnung ist Dion Chrysostomos, der platonische und stoische Vorstellungen miteinander verbindet, wenn er die irdische und die himmlische Polis bzw. Königsherrschaft in eine kosmische Polis zusammennimmt, die durch ein gemeinsames Gesetz und eine gemeinsame Ordnung verbunden seien (Dion Chrys. Or. 1,42–45; 36,29–32; vgl. Schramm 2013 [*1063: 212–214]), oder auch Eusebios von Caesarea, der Dions Theorie der Königsherrschaft christlich adaptiert, indem er Christus und in dessen Nachahmung den Kaiser als Mittler zwischen Gott und Menschen ansieht (Eus. Laus. Const. 1,6–2,5; 3,5f.; vgl. Baynes 1955 [*1047], Calderone 1973 [*1054] und 1985 [*1056]; zur Frage des idealen Herrschers vgl. auch Julians Antwort auf einen (verlorenen) Brief des Themistios: Iul. Or. 6). Ambivalent erscheint Themistios’ Verhältnis zum platonischen Philosophenkönigtum. Einerseits behauptet er in seinen Lobreden von fast jedem der von ihm
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gelobten Kaiser, trotz ihrer realen Defizite, dass sie Philosophenkönige seien (zu den Stellen vgl. Colpi 1987 [*998: 113]). Andererseits genüge es für den Kaiser, dem Rat des Philosophen zu folgen, und so sei der Gehorsam gegenüber gutem Rat (εὐπείθεια) – eine stoische Tugend (vgl. Zenon, SVF I, fr. 235) – für den Kaiser wichtiger als eigene theoretische Einsicht (Or. 8, 108c6–d6; 13, 171d4–6). Was die Philosophen betrifft, verlangt Themistios entsprechend, dass sie nicht, wie Platon fordere, Könige sein sollten, sondern im Sinne des Aristoteles den Königen als Berater zur Seite stehen (Or. 8, 107c2–6). Der Philosoph habe eine Pflicht zum Ratgeben, es sei denn, sein Ratschlag sei nicht gefragt (Or. 8, 104b6–d9). Das Verhältnis von Philosoph und König ist also komplementär: Der Philosoph und der König haben dasselbe Ziel, nämlich den Menschen Gutes zu tun, aber nur der Herrscher hat die Macht dazu (Or. 1, 9a7–c3; 2, 34b5–c4). Beide ahmen sie Gott nach, der Philosoph durch «Rede und Wissen», der König durch «Handlung und Tat» (Or. 2, 34b5–c4). Daher gehört zu den Aufgaben des Philosophen einerseits die philosophische Beratung und Erziehung des Volkes und seines Herrschers, andererseits die politische Herstellung von Frieden im Krieg und von Eintracht im Volk (Virt. 44–47, 458–462 Gildemeister-Bücheler). Zwar schätzt Themistios in der Philosophie die ‘vita activa’ höher als die ‘vita contemplativa’ (z. B. in seinem Glückwunschschreiben an Kaiser Julian, der die Philosophenschule verlassen und nun in Wettstreit mit den großen Politikern und Gesetzgebern der Vergangenheit treten könne, vgl. Iul. Ep. ad Them. 253c–254a; 262d), anders als originäre Neuplatoniker (O’Meara 2003 [*1060: 207]). Dennoch rangiert die politische Philosophie für ihn vor der aktiven Politik aufgrund der Unveränderlichkeit des theoretischen Wissens gegenüber der Veränderlichkeit und Zeitgebundenheit der politischen Handlung (Or. 31, 354a5–b4; vgl. Schramm 2013 [*1063: 187f.]). Trotz der realen Trennung zwischen aktiver Politik und ratgebender Philosophie, die den verschiedenen Rollen des Philosophen und des Kaisers in der Politik entspricht, bleibt also das Ideal, an dem sich Themistios’ politische Philosophie ausrichtet, das des platonischen Philosophenkönigtums (vgl. Blumenthal 1990 [*994: 114], Schramm 2014 [*1064: 133f.]). 4. NACHWIRKUNG
Themistios galt im gesamten Mittelalter als verlässlicher Aristoteles-Interpret. Besonders erfolgreich war er in Byzanz, wo Sophonias und Theodoros Metochites seine Methode der Paraphrase adaptierten. Zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert wurden Themistios’ Aristoteles-Paraphrasen ins Syrische, Hebräische, Arabische und Lateinische übersetzt (Übersichten zu den arabischen Übersetzungen bei Peters 1968 [*774], zu den lateinischen bei Todd 2003 [*975]). Seine Einteilung und Liste der Topoi der aristotelischen ‹Topik› wurde, vermittelt durch Boethius’ ‹De differentiis topicis› (Diff. top. 2, 1186C–1194B), im lateinischen Mittelalter die Standardliste der Topoi (Green-Pedersen 1984 [*1080: 46–54]). In Averroes’ ‹Mittlerem Kommentar› zu Aristoteles’ ‹Topik› sind einige Zitate des Themistios zu finden (Kupreeva 2010 [*995: 401]). Seine ins Arabische übersetzte Paraphrase zu den
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‹Analytica priora› war den wichtigsten arabischen Aristotelikern bekannt (Rose 1867 [*957: 206–208], Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 85 mit Anm. 9f.]). Die darin oder in Exzerpten daraus vorkommende Dreiteilung des Notwendigkeitsbegriffs ist vermutlich die Quelle für entsprechende Einteilungen bei al-Fārābī, Avicenna und Averroes (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 86 mit Anm. 13]). Auch die bei ihm aufgeführte Gelehrtendiskussion zur Interpretation der assertorischen Prämisse wird bei Averroes in vier verschiedenen Werken erwähnt (Rosenberg, Manekin 1988 [*1006: 87 mit Anm. 16]). Die Paraphrase zu den ‹Analytica posteriora› zirkulierte in einer arabischen Version von Abū Bišr, die später von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt wurde (vgl. O’Donnell 1958 [*901], Peters 1968 [*774: 18]). Seine Paraphrase zur ‹Physik› wurde von den späteren Kommentatoren Simplikios und Philoponos ausgiebig genutzt (Kupreeva 2010 [*995: 402 Anm. 18]) und war auch im arabischen Raum verbreitet (Peters 1968 [*774: 34]), zudem gab es eine syrische Übersetzung des ersten Buchs (Peters 1968 [*774: 30]). In der Übersetzung von Wilhelm von Moerbeke hat Thomas von Aquin die ‹Physik›-Paraphrase benutzt und Themistios’ Lösungen zu Problemen der aristotelischen ‹Physik› übernommen, beispielsweise hinsichtlich des Problems der Abhängigkeit der Zeit von der Seele oder des Orts des Kosmos im Ganzen (vgl. Todd 2003 [*921: 86 Anm. 187]). Seine ‹De anima›-Paraphrase wurde positiv von Stephanos von Alexandrien rezipiert (Bormann 1982 [*1078: 18–20]). Großen Einfluss übte seine Geisttheorie in der arabischen Philosophie und in der lateinischen Scholastik aus. Im Zentrum der Rezeption stand die Frage nach der Einheit oder Vielheit des Geistes. Averroes bezog sich in seinem großen, nur auf Lateinisch erhaltenen ‹De anima›-Kommentar besonders auf Themistios als Bestätigung für seine eigene Theorie von der Einheit des Geistes, wonach sowohl der produktive als auch der materiale bzw. potentielle Geist ewig, unkörperlich und für alle Menschen gleich ist. Die averroistische Geisttheorie wurde im 13. Jahrhundert Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen an der Pariser Universität. In seinem Traktat ‹De unitate intellectus contra Averroistas› argumentierte Thomas von Aquin gegen die averroistische These von der Einheit des Geistes und nahm dafür affirmativ Bezug auf die von Wilhelm von Moerbeke 1267 übersetzte ‹De anima›-Paraphrase des Themistios, wonach dieser einen einzigen transzendenten produktiven Geist, nämlich den Gottes, und eine Vielheit von individuellen produktiven und potentiellen Geisten, die dem individuellen Menschen immanent seien, angenommen habe (Wilpert 1935 [*1073: 459–461], Mahoney 1973 [*1077: 434–438]). Damit wurde für Thomas Aristoteles – in der Auslegung des Themistios – ein Vorläufer der christlichen Vorstellung der Unsterblichkeit der individuellen Seele (Sorabji in Todd 2003 [*921: VII]). Auch Siger von Brabant, der Moerbekes Themistios-Übersetzung für seinen Traktat ‹De anima intellectiva› benutzte und Themistios als Aristoteles-Kommentator dem Averroes vorzog, sah in Themistios den Vertreter einer Vielheit der intellektiven menschlichen Seele sowie des individuellen produktiven und potentiellen Geistes im Menschen (Mahoney 1973 [*1077: 438–441]). Dank einer häufig nachgedruckten Renaissanceübersetzung von Themistios’ ‹De anima›-Paraphrase von Ermolao Barbaro trug Themistios’ Geisttheorie zur Ausbildung eines neuplatonisch geprägten Aris-
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totelismus im Italien des 16. Jahrhunderts bei, etwa bei Agostino Nifo, der Themistios und Simplikios als Vertreter der averroistischen These von der Einheit des Geistes ansah und Thomas’ Gebrauch von Themistios als falsch zurückwies (Mahoney 1973 [*1077: 427] und 1982 [*1079: 170–173]). Themistios’ Gottesbegriff hat einige der bekanntesten arabischen und jüdischen Philosophen und damit indirekt auch die christlichen Scholastiker beeinflusst (vgl. zum Folgenden Pines 1987 [*1038: 191–202], Brague 1999 [*930: 24–34]). Avicenna übernahm in seinem Kommentar zu ‹Metaphysik› 12 und vor allem in seinem ‹Kitāb al-Šifā’› (‹Das Buch der Heilung›), in dem er die Lehren aus diesem Kommentar näher ausführte und der durch seine lateinische Übersetzung im 12. Jahrhundert auch unter den Scholastikern Verbreitung fand, Themistios’ These, dass Gott als erste Ursache sich selbst und dann alle Dinge der intelligiblen Welt denkt. Averroes hingegen widersprach dieser These in seinem großen Kommentar zu Aristoteles’ ‹Metaphysik›, weil die intelligiblen Dinge eine Vielheit darstellten und daher nicht die Einheit der Essenz des göttlichen Geistes selbst ausmachen könnten. Averroes’ Zeitgenosse Maimonides bezog in seinem Werk ‹Führer der Unschlüssigen›, das zum Lehrbuch aller mittelalterlichen jüdischen Philosophen wurde, aus Themistios’ Kommentar zu ‹Metaphysik› 12 Argumente der positiven Theologie, um seine eigene Konzeption einer negativen Theologie daran zu entwickeln. Bei Thomas von Aquin, der Themistios’ Argumente nur aus arabischer Überlieferung kennen konnte, wirken an einigen Stellen seines Werks, wo er das Wissen Gottes diskutiert, Themistios’ Argumente weiter (z. B. In Metaph. L. XII, l. 11, n. 2615: Gott muss alle Dinge wissen, weil er deren Ursache ist).
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428 BIBLIOGRAPHIE ZUM DRITTEN KAPITEL Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (inkl. Ps-Aristoteles ‹De mundo›) [*1–*269]; Areios Didymos [*274–*309]; Nikolaos von Damaskus [*314–*333]; Beginn der Kommentierungstradition [*339]; Alexander von Aigai [*345–*354]; Aspasios [*360–*383]; Adrastos [*389–*395]; Sosigenes [*401– *412]; Herminos [*418–*422]; Aristokles von Messene [*428–*491]; Aristoteles von Mytilene [*497–*523]; Alexander von Aphrodisias [*529–*885]; Themistios [*886–*1081].
Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit (inkl. Ps.-Aristoteles ‹De mundo›)
Überlieferung und Edition des ‹Corpus Aristotelicum› in der Kaiserzeit 1 M. Casiri: Bibliotheca Arabica-Hispana Escurialensis, I (Madrid 1760). 2 J. G. Wenrich: De auctorum graecorum versionibus et commentariis syriacis, arabicis armeniacis, persisque commentatio (Leipzig 1842). 3 M. Steinschneider: Ptolemaei philosophi index librorum Aristotelis ex arabo translatus, in: Aristotelis opera omnia V (Berlin 1870) 1469– 1473. 4 A. Müller: Das arabische Verzeichnis der Aristotelischen Schriften, in: Morgenländische Forschungen. FS Heinrich Leberecht Fleischer, herausgegeben von H. Derenbourg, H. Ethé, O. Loth, A. Müller, F. Philippi, B. Stade, H. Thorbecke (Leipzig 1875) 1–32. 5 Ibn Abî Usaibi’a: ‘Uyūn al-anbā’ fī Ṭabaqāt ulAṭibbā’, herausgegeben von A. Müller, I–II (Cairo, Königsberg 1882–1884). 6 T. Birt: Das antike Buchwesen in seinem Verhältnis zur Literatur (Berlin 1882). 7 V. Rose: Aristotelis qui ferebantur librorum fragmenta (Leipzig 1886). 8 H. Usener: Unser Platontext, in: NAWG Nr. 6 (1892) 181–215. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften, III (Leipzig, Berlin 1914) 130–162. 9 A. Gercke: Andronikos (25), in: RE I 2 (1894) 2164–2167. 10 J. Lippert: Studien auf dem Gebiete der Griechisch-Arabischen Übersetzungsliteratur (Braunschweig 1894). 11 Aristoteles bei den Syrern vom 5.–8. Jahrhundert. Syrische Texte herausgegeben, übersetzt und untersucht von A. Baumstark (Leipzig 1900). 12 T. J. de Boer: Geschichte der Philosophie im Islam (Stuttgart 1901).
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13 A. Chatzis: Der Philosoph und Grammatiker Ptolemaios Chennos: Leben, Schriftstellerei und Fragmente. Mit Ausschluss der Aristotelesbiographie (Paderborn 1914). 14 I. Düring: Notes on the History of the Transmission of Aristotle’s Writings, in: Acta Universitatis Gothoburgensis 56,3 (1950) 37–70. 15 P. Moraux: Les listes anciennes des ouvrages d’Aristote (Louvain 1951). 16 I. Düring: Ariston or Hermippus? A Note on the Catalogue of Aristotle’s Writings, Diog. L. V,22, in: Classica et Mediaevalia 17 (1956) 11– 21. 17 A. Dihle: Der Platoniker Ptolemaios, in: Hermes 85 (1957) 314–325. 18 I. Düring: Aristotle in the Ancient Biographical Tradition (Göteborg 1957). 19 I. Düring: Aristoteles. Darstellung und Interpretation seines Denkens (Heidelberg 1966). 20 I. Düring: Aristoteles, in: RE Suppl. XI (1968) 159–336. 21 I. Düring: Ptolemy’s ‹Vita Aristotelis› rediscovered, in: Philomathes. Studies and Essays in the Humanities in Memory of Philip Merlan, edited by R. B. Palmer, R. Hamerton-Kelly (The Hague 1971) 264–269. 22 H. B. Gottschalk: Notes on the Wills of the Peripatetic Scholarchs, in: Hermes 100 (1972) 314–342. 23 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Griechen. Von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias. I: Die Renaissance des Aristotelismus im 1. Jh. v. Chr. (Berlin 1973). 24 C. Baffioni: Antiche liste arabe delle opere di Aristotele, in: Rassegna di scienze filosofiche 29 (1976) 83–114. 25 R. Blum: Kallimachos und die Literaturverzeichnung bei den Griechen (Frankfurt a. M. 1977). – Auch auf Englisch erschienen: Kalli-
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Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit
machos: The Alexandrian Library and the Origins of Bibliography (Wisconsin 1991). 26 Ch. Hein: Definition und Einteilung der Philosophie. Von der spätantiken Einleitungsliteratur zur arabischen Enzyklopädie (Frankfurt a. M. 1985). 27 D. Gutas: The Spurious and the Authentic in the Arabic Lives of Aristotle, in: Pseudo-Aristotle in the Middle Ages: The ‹Theology› and other Texts, edited by J. Kraye, W. F. Ryan, C. B. Schmitt (London 1986) 15–36. 28 H. B. Gottschalk: Aristotelian Philosophy in the Roman World from the Time of Cicero to the End of the Second Century AD, in: ANRW II 36,2 (1987) 1079–1174. 29 R. Goulet: L’œuvre d’Aristote, in: DPhA I (1989) 424–442. 30 D. Georgi: Die Aristoteles- und Theophrastausgabe des Andronikus von Rhodus. Ein Beitrag zur Kanonsproblematik, in: Konsequente Traditionsgeschichte. FS Klaus Baltzer, herausgegeben von R. Bartelmus, T. Krüger, H. Utzschneider (Göttingen 1993) 45–78. 31 J. Mansfeld: Prolegomena: Questions to be Settled before the Study of an Author, or a Text (Leiden, New York 1994) [PhA 61]. 32 J. Barnes: Roman Aristotle, in: Philosophia togata. II: Plato and Aristotle at Rome, edited by J. Barnes, M. Griffin (Oxford 1997) 1–69. 33 J. Bollansée: Hermippos of Smyrna and his Biographical Writings. A Reappraisal (Leuven 1999). 34 H. J. Drossart Lulofs: Neleus of Scepsis and the Fate of the Library of the Peripatos, in: Tradition et traduction. Les textes philosophiques et scientifiques grecs au Moyen Âge latin. Hommage à Fernand Bossier, édité par R. Beyers et al. (Leuven 1999) 9–24. 35 P. Schubert: Strabon et le sort de la bibliothèque d’Aristote, in: LEC 70 (2002) 225–237. 36 J. Wilker: Irrwege einer antiken Büchersammlung: Die Bibliothek des Aristoteles, in: Antike Bibliotheken, herausgegeben von W. Hoepfner (Mainz 2002) 24–29. 37 M. Hatzimichali: The Texts of Plato and Aristotle in the First Century B.C.E.: Andronicus’ Canon, in: Aristotle, Plato and Pythagoreanism in the First Century BC, edited by M. Schofield (Cambridge 2013) 1–27. 38 D. Sedley, M. Rashed, R. Chiaradonna, N. Tschernetska: A Rediscovered Categories Commentary, in: OSAPh 44 (2013) 129–196. 39 M. Griffin: Aristotle’s Categories in the Early Roman Empire (Oxford 2015) [Oxford Classical Monographs].
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40 M. Hatzimichali: Andronicus of Rhodes and the Construction of the Aristotelian Corpus, in: Brill’s Companion to the Reception of Aristotle in Antiquity, edited by A. Falcon (Leiden 2016) [Brill’s Companions to Classical Reception 7] 77–100.
Kommentierungstradition Texte und Zeugnisse 43 Peripatetic Philosophy, 200 BC – AD 200. An Introduction and Collection of Sources in Translation, edited by R. W. Sharples (Cambridge 2010). – Erste Sammlung der Fragmente in englischer Übersetzung, hier zitiert als Sharples 2010, mit Angabe von Kapitel und Fragment. 44 Greek and Roman Philosophy 100 BC – 200 AD, edited by R. Sorabji, R. W. Sharples, I–II (London 2007). – Abdruck eines Teils der Texte. 45 M. Rashed: L’héritage aristotélicien. Textes inédits de l’Antiquité. Nouvelle édition revue et augmentée (Paris 2016) [Anagōgē]. Primärliteratur
Andronikos von Rhodos 51 F. Littig: Andronikos von Rhodos, I–III (München 1890, Erlangen 1894, 1895). – I: Das Leben des Andronikos und seine Anordnung der aristotelischen Schriften. 52 M. Plezia: De Andronici Rhodii studiis Aristotelicis (Krakau 1946).
Boethos 58 Aristoteles ‹Organon› Graece. Novis codicum auxiliis adiutus recognovit, scholiis ineditis et commentario instruxit Th. Waitz. Pars prior: ‹Categoriae›, ‹Hermeneutica›, ‹Analytica priora› (Leipzig 1844; ND Aalen 1965). – Der auf S. 19–23 gedruckte Text ist möglicherweise ein Auszug aus Boethos’ Kommentar zu den ‹Kategorien›. 59 M. Griffin: The Reception of the ‹Categories› of Aristotle, c. 80 BC to AD 220 (Diss. Oxford 2009). – Online publiziert. 60 M. Griffin: What Does Aristotle Categorize? The Peripatetic School Through Alexander of Aphrodisias, in: BICS 55 (2012) 69–108.
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Bibliographie zum dritten Kapitel
Xenarchos von Seleukeia 65 A. Falcon: Aristotelianism in the First Century BCE: Xenarchus of Seleucia (Cambridge 2012).
Ariston von Alexandrien 71 Aristone d’Alessandria, a cura di I. Mariotti (Bologna 1966). Sekundärliteratur 76 C. Prantl: Geschichte der Logik im Abendlande, I–IV (Leipzig 1855–1867). 77 F. Buecheler: Academicorum philosophorum index Herculanensis (Greifswald 1869). 78 Heliodori In ‹Ethica Nicomachea› paraphrasis, edidit G. Heylbut (Berlin 1889) [CAG 19,2]. 79 E. Howald: Die Schriftenverzeichnisse des Aristoteles und des Theophrast, in: Hermes 55 (1920) 204–221. 80 H. von Arnim: Arius Didymus’ Abriss der peripatetischen Ethik (Wien 1926) [SAWW, phil.-hist. Klasse, Bd. 204, Abh. 3]. 81 R. Philippson: Das «erste Naturgemäße», in: Philologus 87 (1932) 445–466. 82 F. Dirlmeier: Die Oikeiosis-Lehre Theophrasts (Leipzig 1937). 83 K. O. Brink: Peripatos, in: RE Suppl. VII (1940) 899–949. 84 M. Pohlenz: Grundfragen der stoischen Philosophie (Göttingen 1940) [AAWG, 3. Folge, Nr. 26]. 85 A. O’Brien-Moore: M. Tullius Cratippus, Priest of Rome CIL III,399, in: Yale Classical Studies 8 (1942) 25–49. 86 O. Regenbogen: Πίναξ, in: RE XX 2 (1950) 1409–1482. 87 G. Pfligersdorffer: Andronikos von Rhodos und die Postprädikamente bei Boethius, in: VChr 7 (1953) 98–115. 88 C. O. Brink: Οἰκείωσις and Οἰκειότης. Theophrastus and Zeno on Nature in Moral Theory, in: Phronesis 1 (1956) 123–145. 89 J. Shiel: Boethius and Andronicus of Rhodes, in: VChr 11 (1957) 179–185. 90 P. Moraux: Xenarchos aus Seleukeia in Kilikien, in: RE IX A 2 (1967) 1422–1435. 91 A. Badawi: La transmission de la philosophie grecque au monde arabe (Paris 1968). 92 G. Movia: Anima e intelletto. Ricerche sulla psicologia peripatetica da Teofrasto a Cratippo (Padova 1968). 93 C. Habicht: Die Inschriften des Asklepieions (Berlin 1969) [Altertümer von Pergamon 8,3]. 94 A. Badawi: Shurûh ‘alâ Aristû (Beirut 1972).
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95 R. Bodéüs: Contribution à l’histoire des œuvres morales d’Aristote: les Testimonia, in: Revue Philosophique de Louvain 71 (1973) 451–467. 96 Galens Traktat ‹Dass die Kräfte der Seele den Mischungen des Körpers folgen› in arabischer Übersetzung, herausgegeben von H. H. Biesterfeldt (Wiesbaden 1973). 97 W. Haas: Die Fragmente des Grammatikers Dionysios Thrax (Berlin 1977) [Sammlung griechischer und lateinischer Grammatiker 3]. 98 B. Stenuit: Le séjour d’Horace à Athènes, in: LEC 47 (1979) 249–255. 99 P. Huby: An Excerpt from Boethus of Sidon’s commentary on the ‹Categories›?, in: CQ 31 (1981) 398–409. 100 M. Plezia: De Aristotelis biographis, in: Meander 36 (1981) 481–493. 101 G. Striker: The Role of οἰκείωσις in Stoic Ethics, in: OSAPh 1 (1983) 145–167. 102 F. Wehrli, G. Wöhrle, L. Zhmud: Der Peripatos bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit, in: Grundriss, Antike III, 459–599. – Erstauf lage 1983; Zweitauflage 2004 mit neuer Seitenzählung: 493–666. 103 M. Plezia: De Ptolemaei ‹Vita Aristotelis›, in: Aristoteles: Werk und Wirkung. I: Aristoteles und seine Schule, herausgegeben von J. Wiesner (Berlin 1985) 1–11. 104 J. Brunschwig: The Cradle Arguments in Epicureanism and Stoicism, in: Schofield, Striker 1986 [*109: 113–144]. 105 H. B. Gottschalk: Boethus’ Psychology and the Neoplatonists, in: Phronesis 31 (1986) 243–257. 106 C. Lord: On the Early History of the Aristotelian Corpus, in: AJPh 107 (1986) 137–161. 107 P. Moraux: Les débuts de la philologie aristotélicienne, in: Storiografia e dossografia nella filosofia antica, a cura di G. Cambiano (Torino 1986) 127–147. 108 M. Plezia: Encore sur la Vie d’Aristote de Ptolémée, in: LEC 54 (1986) 383–385. 109 The Norms of Nature. Studies in Hellenistic Ethics, edited by M. Schofield, G. Striker (Cambridge 1986). 110 W. Burkert: Xenarchos statt Poseidonios. Zu Pap. Gen. Inv. 203, in: ZPE 67 (1987) 51–55. 111 D. G. Londey, C. J. Johanson: The Logic of Apuleius. Including a Complete Latin Text and English Translation of ‹Peri hermeneias› (Leiden 1987). 112 H. Tarrant: Peripatetic and Stoic Epistemology in Boethus and Antiochus, in: Apeiron 20 (1987) 17–37.
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Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit
113 F. Caujolle-Zaslawsky, R. Goulet: Ariston d’Alexandrie, in: DPhA I (1989) 396–397. 114 J. Mansfeld: Doxography and Dialectic: the Sitz im Leben of the Placita, in: ANRW II 36,4 (1990) 3056–3229. 115 Filodemo: Storia dei Filosofi. Platone e l’Academia (PHerc. 1021 e 164). Edizione, traduzione e commento, a cura di T. Dorandi (Napoli 1991). 116 P. Donini: Testi e commenti, manuali e insegnamento: la forma sistematica e i metodi della filosofia in età postellenistica, in: ANRW II 36,7 (1994) 5027–5100. 117 T. Dorandi: Cratippos de Pergame, in: DPhA II (1994) 501–503. 118 N. J. Richardson: Aristotle and Hellenistic Scholarship, in: La philologie grecque à l’époque hellénistique et romaine. Entretiens préparés et présidés par F. Montanari (Vandœuvres/Genève 1994) [Entretiens 40] 7–28. 119 Aristoteles: De insomniis. De divinatione per somnum, übersetzt und erläutert von Ph. J. van der Eijk (Berlin 1994). 120 V. Caston: Epiphenomenalisms, Ancient and Modern, in: PhR 106 (1997) 309–363. 121 K. Clarke: In Search of the Author of Strabo’s ‹Geography›, in: JRS 87 (1997) 92–110. 122 Ph. Hoffmann: La problématique du titre des traités d’Aristote selon les commentateurs grecs. Quelques exemples, in: Titres et articulations du texte dans les œuvres antiques. Actes du colloque international de Chantilly, 13–15 décembre 1994, édités par J.-C. Fredouille et al. (Paris 1997) 75–103. 123 H. Lindsay: Strabo on Apellicon’s Library, in: RhM 140 (1997) 290–298. 124 J. Magee: Boethius: De divisione 875–6, 891–2 and Andronicus Rhodius, in: A Distinct Voice. Medieval Studies in Honor of L. E. Boyle, O.P., edited by J. Brown, W. P. Stoneman (Notre Dame 1997) 525–560. 125 Anicii Manlii Severini Boethii De divisione liber, edited by J. Magee (Leiden 1998). 126 A. A. Long: Theophrastus and the Stoa, in: Theophrastus: Reappraising the Sources, edited by J. M. van Ophuijsen, M. van Raalte (Leiden 1998) 355–384. 127 E. Puglia: Senarco di Seleucia nella ‹Storia dell’Accademia› di Filodemo (PHerc 1021 XXXV 2–18), in: Papyrologica Lupiensia 7 (1998) 143–152. 128 J. Glucker: A Platonic Cento in Cicero, in: Phronesis 44 (1999) 30–44. 129 B. Inwood, P. L. Donini: Stoic Ethics, in: Cambridge History of Hellenistic Philosophy,
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edited by K. Algra, J. Barnes, J. Mansfeld, M. Schofield (Cambridge 1999) 675–738. 130 R. Sorabji: Aspasius on Emotion, in: Aspasius: The Earliest Extant Commentary on Aristotle’s ‹Ethics›, edited by A. Alberti, R. W. Sharples (Berlin 1999) 96–106. 131 Ph. Hoffmann: Les catégories aristotéli ciennes ποτὲ et ποὺ d’après le commentaire de Simplicius, in: Le commentaire entre tradition et innovation. Actes du colloque international de l’Institut des traditions textuelles. Paris et Villejuifs, 22–25 septembre 1999, publiés sous la direction de M.-O. Goulet-Cazé (Paris 2000) 355–376. 132 E. Puglia: Le biografie di Filone e di Antioco nella ‹Storia dell’Accademia› di Filodemo, in: ZPE 130 (2000) 17–28. 133 R. Sorabji: Emotion and Peace of Mind. From Stoic Agitation to Christian Temptation (Oxford 2000). 134 R. W. Sharples: Dicaearchus on the Soul and on Divination, in: Dicaearchus of Messana: Text, Translation and Discussion, edited by W. W. Fortenbaugh, E. Schütrumpf (New Brunswick 2001) 143–173. 135 P. Lautner: Andronicus of Rhodes on Aristotle’s ‹Physics› 202a13–21, b23–30, in: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 42 (2002) 125–132. 136 R. J. Hankinson: Xenarchus, Alexander, and Simplicius on Simple Motions, Bodies and Magnitudes, in: BICS 46 (2002–2003) 19–42. 137 R. Sorabji: The Mind-Body Relation in the Wake of Plato’s ‹Timaeus›, in: Plato’s ‹Timaeus› as Cultural Icon, edited by G. Reydams-Schils (Notre Dame IN 2003) 152–162. 138 P. Huby: Elementary Logic in the Ancient World, in: BICS 47 (2004) 119–128. 139 M. Rashed: Agrégat de parties ou ‘vinculum substantiale’? Sur une hésitation conceptuelle et textuelle du corpus aristotélicien, in: Aristote et le mouvement des animaux. Dix études sur le ‹De motu animalium›, édité par A. Laks, M. Rashed (Villeneuve d’Ascq 2004) 185–202. 140 M. Rashed: Priorité de l’ΕΙΔΟΣ ou du ΓΕΝΟΣ entre Andronicos et Alexandre. Vestiges a rabes et grecs inédits, in: Arabic Sciences and Philosophy 14 (2004) 9–63. – Wieder in: Ders.: L’héritage aristotélicien. Textes inédits de l’Antiquité (Paris 2007) 29–83. 141 J. Barnes: Peripatetic Logic: 100 BC – 200 AD, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 531–546].
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Bibliographie zum dritten Kapitel
142 D. Blank: The Life of Antiochus of Ascalon in Philodemus’ ‹History of the Academy› and a Tale of Two Letters, in: ZPE 162 (2007) 87– 93. 143 G. E. Karamanolis: Porphyry’s Notion of ἐμψυχία, in: Studies on Porphyry, edited by G. E. Karamanolis, A. Sheppard (London 2007) 91–109. 144 O. Primavesi: Ein Blick in den Stollen von Skepsis: Vier Kapitel zur frühen Überlieferung des ‹Corpus Aristotelicum›, in: Philologus 151 (2007) 51–77. 145 T. Reinhardt: Andronicus of Rhodes and Boethus of Sidon on Aristotle’s ‹Categories›, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 513–529]. 146 R. W. Sharples: Peripatetics on Happiness, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 627–637]. 147 R. W. Sharples: Peripatetics on Soul and Intellect, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 607– 620]. 148 R. Sorabji: Time, Place and Extracosmic Space: Peripatetics in the First Century BC and a Stoic Opponent, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 563–574]. 149 R. Sorabji: Adrastus: Modifications to Aristotle’s Physics of the Heavens by Peripatetics and Others, 100 BC to 200 AD, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 575–594]. 150 R. Sorabji: Peripatetics on Emotion after 100 BC, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 621– 626]. 151 A. Falcon: The Prehistory of the Commentary Tradition: Aristotelianism in the First Century BCE (Prolegomena to a Study of Xenarchus of Seleucia), in: Laval théologique et philosophique 64 (2008) 7–18. 152 V. Nutton: Greek Medical Astrology and the Boundaries of Medicine, in: Astro-Medicine: Astrology and Medicine, East and West, edited by A. Akasoy, C. Burnett, R. YoeliTlalim (Florence 2008) 17–31. 153 I. Kupreeva: Stoic Themes in Peripatetic Sources?, in: God and Cosmos in Stoicism, edited by R. Salles (Oxford 2009) 135–170. 154 M. Rashed: Aristote à Rome au IIe siècle: Galien ‹De indolentia› §§ 15–18, in: Elenchos 32 (2011) 55–78. 155 F. Trabattoni: Boeto di Sidone e l’immortalità dell’anima nel ‹Fedone›, in: Plato, Aristotle, or Both? Dialogues between Platonism and Aristotelianism in Antiquity, edited by T. Bénatouïl, E. Maffi, F. Trabattoni (Hildesheim 2011) 1–16. 156 The Philosophy of Antiochus, edited by D. N. Sedley (Cambridge 2012).
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157 D. Blank: Varro and Antiochus, in: Sedley 2012 [*156: 251–289]. 158 R. Chiaradonna: Interpretazione filosofica e ricezione del ‘corpus’. Il caso di Aristotele (100 a. C. – 250 d. C.), in: Quaestio 11 (2012) 83–114. 159 C. Lévy: Other Followers of Antiochus, in: Sedley 2012 [*157: 290–306]. 160 R. Chiaradonna, M. Rashed, D. Sedley, N. Tchernetska: A Rediscovered Categories Commentary, in: OSAPh 44 (2013) 129–194. 161 A. Falcon: Aristotelianism in the First Century BC: Xenarchus of Seleucia, in: Aristotle, Plato and Pythagoreanism in the First Century BC, edited by M. Schofield (Cambridge 2013) 78–94. 162 M. Rashed: Boethus’ Aristotelian Ontology, in: Aristotle, Plato, and Pythagoreanism in the First Century BC, edited by M. Schofield (Cambridge 2013) 53–77. 163 J. Barnes: Boethus and Finished Syllogism, in: Strategies of Argument: Essays in Ancient Ethics, Epistemology, and Logic, edited by M.-K. Lee (Oxford 2014) 175–198. 164 A. Falcon: Aristotelianism in the First Century BC, in: Brill’s Companion to the Reception of Aristotle in Antiquity, edited by A. Falcon (Leiden 2016) [Brill’s Companions to Classical Reception 7] 101–119. 165 J. Klein: The Stoic Argument from oikeiôsis, in: OSAPh 50 (2016) 143–200. ‹De mundo›
Text 169 Aristotelis qui fertur libellus ‹De mundo›, edidit W. L. Lorimer. Accedit Capitum V, VI, VII interpretatio syriaca ab E. König Germanice versa (Paris 1933). 170 Aristotle: ‹On the Cosmos›, edited by D. J. Furley, in: Aristotle: ‹On Sophistical Refutations›, ‹On Coming-to-be and Passing-Away›, ‹On the Cosmos› (Cambridge MA 1955) [LCL 400] 333–410. 171 Aristotele: Trattato sul Cosmo per Alessandro. Traduzione con testo greco a fronte, in troduzione, commento e indici di G. Reale (Napoli 1974) [Collana di filosofi antichi]. 172 Aristotele: Trattato sul cosmo per Alessandro. Traduzione con testo greco a fronte, in troduzione, commento e indici di G. Reale, A. P. Bos (Milano 1995). – 1. Ausgabe von G. Reale (Napoli 1974).
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Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit
173 A. McCollum: Sergius of Reshaina as Translator: The Case of ‹De mundo›, in: Interpret ing the Bible and Aristotle in Late Antiquity: The Alexandrian Commentary Tradition Be tween Rome and Baghdad, edited by J. Lösszl, J. Watt (Ashgate 2011) 165–178.
Übersetzungen Alt 179 Apuleius: De philosophia libri, edidit C. Moreschini (Leipzig 1991). – De mundo: 146– 188. Mittelalterlich 188 Aristoteles: ‹De mundo›, translatio anonyma et translatio Nicolai, edidit W. L. Lorimer, revisit L. Minio-Paluello (Bruges, Paris 1965) [Aristoteles Latinus XI,1–2]. Modern 185 ‹De mundo›, translated by E. S. Forster (Oxford 1914). 186 A.-J. Festugière: La révélation d’Hermès Trismégiste. II: Le dieu cosmique (Paris 1949). – Le traité pseudo-aristotélicien ‹Du monde›: 460–520. 187 Aristote: Traité du ciel, suivi du traité pseudoaristotélicien ‹Du monde›. Traduction et notes par J. Tricot (Paris 1949, 21998). 189 Aristoteles: ‹Meteorologie›. ‹Über die Welt›, übersetzt von H. Strohm (Darmstadt 1970) [Aristoteles: Werke in deutscher Übersetzung 12]. 190 Cosmic Order and Divine Power. PseudoAristotle: ‹On the Cosmos›. Introduction, Text, Translation and Interpretative Essays by J. C. Thom et al. (Tübingen 2014) [SAPERE 23]. – Darin u. a. enthalten: R. Burri: The Geography of De mundo, 89– 106. J. C. Thom: Cosmotheology in De mundo, 107–120. A. Smith: The Reception of On the Cosmos in Ancient Pagan Philosophy, 121–131. A. Tzvetkova-Glaser: The Concepts of οὐσία and δύναμις in De mundo, 133–152. H. Takahashi: Syriac and Arabic Transmission of On the Cosmos, 153–167. H. Daiber: Possible Echoes of De mundo in the Arabic-Islamic World: Christian, Islamic and Jewish Thinkers, 169–180. J. Kraye: Dispute over the Authorship of De mundo between Humanism and Altertumswissenschaft, 181–197.
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Sekundärliteratur 195 J. Bernays: Über die fälschlich dem Aristoteles beigelegte schrift περὶ κόσμου, in: Gesammelte Abhandlungen von Jacob Bernays, herausgegeben von H. Usener (Berlin 1885) II 278–281. 196 E. Zeller: Über den Ursprung der Schrift ‹Von der Welt›, in: Sitzungsberichte der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (1885) 399–415. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften I (Berlin 1910) 328–347. 197 F. Olivier: De Critolao peripatetico (Berlin 1895). 198 W. Capelle: Die Schrift ‹Von der Welt›. Ein Beitrag zur Geschichte der griechischen Populärphilosophie, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum 15 (1905) 529–568. 199 J. Morr: Der Verfasser der Schrift ‹περὶ κόσμου›, in: Jahresbericht des k. k. Staatsgymnasiums im XIX. Bezirke von Wien für das Schuljahr 1909/1910 (Wien 1910) 3–17. 200 Neue meteorologische Fragmente des Theophrast, arabisch und deutsch, herausgegeben von G. Bergsträsser (Heidelberg 1918) [SHAW, phil.-hist. Klasse 1918, Nr. 9]. 201 K. Reinhardt: Poseidonios (München 1921). 202 E. Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. III,1: Die nacharistotelische Philosophie (Tübingen 5 1923). 203 W. L. Lorimer: Some Notes on the Text of Pseudo-Aristotle ‹De mundo› (London 1925). 204 F. Cumont: Les noms des planètes et l’astrolâtrie chez les Grecs, in: AC 4 (1935) 5–43. 205 J. P. Maguire: The Sources of Pseudo-Aristotle ‹De mundo›, in: Yale Classical Studies 6 (1939) 109–167. 206 V. Ussani: Presentazione di due traduzioni latine medievali del ‹De mundo› pseudo-aristotelico, in: AIV 109 (1950–1951) 247–248. 207 H. Strohm: Studien zur Schrift von der Welt, in: MH 9 (1952) 137–175. 208 K. Reinhardt: Poseidonios von Apameia, der Rhodier genannt, in: RE XXII 1 (1953) 558– 826. 209 H. J. Drossaart Lulofs: The Syriac Translation of Theophrastus’ Meteorology (Louvain 1955). 210 Der syrische Auszug der ‹Meteorologie› des Theophrast, herausgegeben und übersetzt von E. Wagner, eingeleitet und erklärt von P. Steinmetz (Mainz 1964).
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Bibliographie zum dritten Kapitel
211 M. Pohlenz: Philon, in: Gesammelte Schriften I, herausgegeben von H. Dörrie (Hildesheim 1965) 305–383. – 376–383: Anhang: Die Schrift ‹Von der Welt›. 212 S. M. Stern: A Third Arabic Translation of the Pseudo-Aristotelian Treatise ‹De mundo›, in: Muséon 78 (1965) 381–393. 213 F. Klein-Franke: Die Überlieferung der ältesten arabischen Handschrift von Pseudo-Aristoteles ‹De mundo›, in: Muséon 87 (1974) 59–65. 214 G. Martano: Il ‹De mundo› è di Aristotele? Nota su una recente proposta di autenticità, in: Vichiana 4 (1975) 116–123. 215 A. Tessier: Per la tradizione indiretta del ‹De mundo› pseudo-aristotelico. Note alla Versio armenia, in: AIV 134 (1975–1976) 215–224. 216 J. Barnes: Rezension zu Reale 1974 [*171], in: Classical Review 27 (1977) 40–43. 217 A. P. Bos: The Theological Conception in ‹De mundo› and the Relation Between this Writ ing and the Work of Plato and Aristotle, in: Tijdschrift voor Philosophie 39 (1977) 314– 330. 218 A. Tessier: Leitfehler nella traduzione armena del ‹De mundo› pseudo-aristotelico?, in: Bolletino del Comitato per la prepara zione dell’Edizione nazionale dei Classici greci e latini 27 (1979) 31–40. 219 P. Boot: An Indication for the Date of the pseudo-aristotelian Treatise ‹De mundo›, in: Mnemosyne 34 (1981) 139–140. 220 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Griechen von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias. II: Der Aristotelismus im I. und II. Jh. n. Chr. (Berlin 1984). 221 H. Strohm: Ps. Aristoteles ‹De mundo› und Theilers Poseidonios, in: WS 100 (1987) 69–84. 222 J. Kraye: Daniel Heinsius and the Author of ‹De mundo›, in: The Uses of Greek and Latin. Historical Essays, edited by A. C. Dionisotti, A. Grafton, J. Kraye (London 1988) 171–197. 223 W. Raven: [Ps.-]Aristoteles ‹De mundo› in arabischer Überlieferung, in: Akten des II. Symposium Graeco-Arabicum (Bochum, 3.–5. März 1987), herausgegeben von G. Endress (Amsterdam 1989) 42–43. 224 A. P. Bos: Considerazioni sul ‹De mundo› e analisi critica delle tesi di Paul Moraux, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 82 (1990) 587–606. 225 J.-J. Duhot: Aristotélisme et stoicisme dans le ‹Περὶ κόσμου› pseudo-aristotélicien, in: Revue de philosophie ancienne 8 (1990) 191–228.
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226 J. Kraye: Aristotle’s God and the Authenticity of ‹De mundo›: An Early Modern Controversy, in: JHPh 28 (1990) 339–358. 227 A. P. Bos: Supplementary Notes on the ‹De mundo›, in: Hermes 119 (1991) 312–332. 228 D. M. Schenkeveld: Language and Style of the Aristotelian ‹De mundo› in Relation to the Question of its Inauthenticity, in: Elenchos 12 (1991) 221–255. 229 H. Daiber: The ‹Meteorology› of Theophrastus in Syriac and Arabic Translation, edited with Commentary and Translation, in: Theophrastus. His Psychological, Doxographical, and Scientific Writings, edited by W. W. Fortenbaugh, D. Gutas (New Brunswick 1992) 166–293. 230 I. G. Kidd: Theophrastus’ ‹Meteorology›, Aristotle and Posidonius, in: Theophrastus. His Psychological, Doxographical, and Scientific Writings, edited by W. W. Fortenbaugh, D. Gutas (New Brunswick 1992) 294–306. 231 A. P. Bos: La metafisica di Aristotele alla luce del trattato ‹De mundo›, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 85 (1993) 425–454. – Wieder in: Aristotele, perché la Metafisica. Studi su alcuni concetti-chiave della «Filosofia prima» aristotelica e sulla storia dei loro influssi, a cura di A. Bausola, G. Reale (Milano 1994) 289–318. 232 Ch. Riedweg: Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen ‹Hieros Logos›. Beobachtungen zu OF 245 und 247 (sog. Testament des Orpheus) (Tübingen 1993) [Classica Monacensia 7]. 233 M. Sanz Morales: Las citas homéricas contenidas en el tratado ‹De mundo› atribuido a Aristóteles. Prueba de su inautenticidad, in: Vichiana 4 (1993) 38–47. 234 M. G. Bajoni: Aspetti linguistici e letterari del ‹De mundo› di Apuleio, in: ANRW II 34,2 (1994) 1785–1832. 235 R. Radice: La filosofia di Aristobulo e i suoi nessi con il ‹De mundo› attribuito ad Aristotele. Con due Appendici contenenti i frammenti di Aristobulo, traduzione a fronte e presentazione delle varianti (Milano 1994). 236 M. Andolfo: Il concetto di ‘dynamis’ da Aristobulo a Plotino, in: Rivista di filosofia neoscolastica 88 (1996) 645–700. 237 E.-O. Onnasch: Die Aitherlehre in ‹De mundo› und ihre Aristotelizität, in: Hermes 124 (1996) 170–191. 238 M. Andolfo: La storia degli influssi del ‹De mundo› sino al terzo secolo dell’era cristiana,
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Überblick: Aristoteles und der Peripatos in der Kaiserzeit
alla luce delle recenti acquisizioni sulla sua paternità e datazione, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 89 (1997) 82–125. – Vor allem ab 119: Breve delineazione della Wirkungsgeschichte del ‹De mundo› dal primo peripato a Plotino; Andolfo geht von der Echtheit von ‹De mundo› aus. 239 J. P. Martín: Sobre el autor del tratado ‹De mundo› en la historia del aristotelismo, in: Methexis 11 (1998) 103–111. 240 M. R. Cataudella: Aristotele e la paternità del ‹De mundo›: aspetti del pensiero geografico (3, 392b), in: Eρκος. Studi in onore di F. Sartori (Padova 2003) 63–71. 241 W. Raven: ‹De mundo›. Tradition syriaque et arabe, in: DPhA Suppl. (2003) 481–483. 242 R. W. Sharples: «Habent sua fata libelli»: Aristotles’s ‹Categories› in the First Century BC, in: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 48 (2008) 273–287. 243 P. van Nuffelen: Rethinking the Gods. Philosophical Readings of Religion in the PostHellenistic Period (Cambridge 2011). 244 G. Betegh, P. Gregorić: Multiple Analogy in Ps-Aristotle De mundo 6, in: CQ 64 (2014) 574–591. 245 S. Vollenweider: „Einer ist der Mittler“ (1 Tim 2,5). Mittleraussagen der neutestamentlichen Briefliteratur in ihren frühjüdischen und hellenistischen Kontexten, in: Konzep tionen der Gottespräsenz von der Zeit des Zweiten Tempels bis Anfang des 2. Jahrhunderts n. Chr., herausgegeben von A. TaschlErber, I. Fischer (Tübingen 2016) 209–228.
Kontinuität Die Kontinuität der peripatetischen Schule in der Kaiserzeit 248 C. Habicht: Hellenistic Athens and Her Philosophers, in: Ders.: Athen in hellenistischer Zeit: Gesammelte Aufsätze (München 1994) 231–247. 249 A. Chaniotis: New Inscriptions from Aphrodisias, in: American Journal of Archaeology 108 (2004) 377–416. 250 A. Chaniotis: Epigraphic Evidence for the Philosopher Alexander of Aphrodisias, in: BICS 47 (2004) 79–81. 251 J. Mejer: The Life of Lyco and the Life in the Lyceum, in: Lyco of Troas and Hieronymus of Rhodes: Text, Translation, and Discussion,
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edited by W. W. Fortenbaugh, S. A. White (New Brunswick 2004) [Rutgers University Studies in Classical Humanities 12] 277–287. 252 R. W. Sharples: The Implications of the New Alexander of Aphrodisias Inscription, in: BICS 48 (2005) 47–56. 253 D. Hahm: In Search of Aristo of Ceos, in: Aristo of Ceos: Text, Translation, and Discussion, edited by W. W. Fortenbaugh, S. A. White (New Brunswick 2006) [Rutgers University Studies in Classical Humanities 13] 179–215. Kontinuität der Lehren 259 R. W. Sharples: The School of Alexander?, in: Aristotle Transformed. The Ancient Commentators and their Influence, edited by R. Sorabji (London 1990) 83–111. 260 J. G. Lennox: The Disappearance of Aris totle’s Biology: A Hellenistic Mystery, in: Apeiron 27,4 (1994) 7–24. 261 S. Bobzien: Determinism and Freedom in Stoic Philosophy (Oxford 1998). 262 D. C. Mirhady: Dicaearchus of Messana: A New Edition of the Texts with an English Translation, in: Dicaearchus of Messana, edited by E. Schütrumpf (New Brunswick NJ 2001) [Rutgers University Studies in Classical Humanities 10] 1–135. 263 D. N. Sedley: Philodemus and the Decentralisation of Philosophy, in: Cronache Ercolanesi 33 (2003) 31–42. 264 O. Hellmann: Peripatetic Biology and the ‹Epitome› of Aristophanes of Byzantium, in: Aristo of Ceos: Text, Translation, and Discussion, edited by W. W. Fortenbaugh, S. A. White (New Brunswick 2006) [Rutgers Studies in Classical Humanities 13] 329–359. 265 R. W. Sharples: Natural Philosophy in the Peripatos after Strato, in: Aristo of Ceos: Text, Translation, and Discussion, edited by W. W. Fortenbaugh, S. A. White (New Brunswick 2006) [Rutgers Studies in Classical Humanities 15] 307–327. 266 D. E. Hahm: Critolaus and Late Hellenistic Peripatetic Philosophy, in: Pyrrhonists, Patricians, Platonizers: Hellenistic Philosophy in the Period 155–86 BC. Tenth Symposium Hellenisticum, edited by A. M. Ioppolo, D. N. Sedley (Napoli 2007) 47–101. 267 R. W. Sharples: Aristotle’s Exoteric and Esoteric Works: Summaries and Commentaries, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 505–512].
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Bibliographie zum dritten Kapitel
268 R. W. Sharples: Peripatetics on Fate and Providence, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 595–605].
269 M. Griffin: Aristotle’s Categories in the Early Roman Empire (Oxford 2015) [Oxford Classical Monographs].
Areios Didymos Fragmente Eine vollständige Sammlung der Fragmente ist immer noch ein Desiderat, ebenso wie eine neue Ausgabe von Stobaios. Ausgaben 274 H. Diels: Doxographi Graeci (Berlin 1879). – Physikalische Fragmente. 275 Ioannis Stobaei Eclogae physicae et ethicae, recensuit C. Wachsmuth (Berolini 1884). 276 D. T. Runia: Additional Fragments of Arius Didymus on Physics, in: Polyhistor: Studies in the History and Historiography of Ancient Philosophy. FS Jaap Mansfeld, edited by K. A. Algra, P. W. Van der Horst, D. T. Runia (Leiden 1996) 363–381. – Runia fügt zehn Fragmente hinzu und streicht zwei. Übersetzungen 282 Arius Didymus: Epitome of Stoic Ethics, edited by A. J. Pomeroy (Atlanta GA 1999). – Griechischer Text und englische Übersetzung. 283 Ario Didimo, Diogene Laerzio: Etica stoica, a cura di C. Natali, introduzione di J. E. Annas (Roma 1999).
Sekundärliteratur 289 A. Meineke: Zu Stobaeus, in: Zeitschrift für das Gymnasialwesen 13 (1859) 563–565. 290 P. Steinmetz: Die ‹Physik› des Theophrastos von Ephesos (Bad Homburg 1964). 291 R. Renehan: Arius Didymus. A New Biographical Detail, in: Hermes 93 (1965) 256. 292 On Stoic and Peripatetic Ethics: The Work of Arius Didymus, edited by W. W. Fortenbaugh (New Brunswick 1983). 293 W. W. Fortenbaugh: Arius, Theophrastus, and the ‹Eudemian Ethics›, in: Fortenbaugh 1983 [*292: 203–223].
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294 Ch. H. Kahn: Arius as a Doxographer, in: Fortenbaugh 1983 [*292: 3–13]. 295 A. A. Long: Arius Didymus and the Exposition of Stoic Ethics, in: Fortenbaugh 1983 [*292: 41–65]. 296 R. W. Sharples: The Peripatetic Classification of Goods, in: Fortenbaugh 1983 [*292: 139– 159]. 297 D. E. Hahm: The Ethical Doxography of Arius Didymus, in: ANRW II 36,4 (1990) 2935–3055. 298 F. Della Corte: Areio Didimo, Orazio e la dossografia d’età augustea, in: Maia 43 (1991) 67–81. 299 G. Magnaldi: L’οἰκείωσις peripatetica in Ario Didimo e nel ‹De finibus› di Cicerone (Firenze 1991). 300 T. Göransson: Albinus, Alcinous, Arius Didymus (Göteborg 1995). 301 J. N. Bremmer: Aëtius, Arius Didymus and the Transmission of Doxography, in: Mnemosyne 51 (1998) 154–160. 302 D. B. Nagle: Aristotle and Arius Didymus on Household and πόλις, in: RhM 145 (2002) 198–223. 303 C. Viano: L’ ‹Epitomê› de l’éthique stoïcienne d’Arius Didyme (Stobée, Eclogae II, 7, p. 57,13–116,18 W.), in: Les Stoïciens. Études sous la direction de G. Romeyer-Dherbey, réunies et éditées par J.-B. Gourinat (Paris 2005) 335–355. 304 Ch. Horn: Hellenismus und frühe Kaiserzeit: Der Peripatos, in: Politischer Aristotelismus: Die Rezeption der aristotelischen ‹Politik› von der Antike bis zum 19. Jahrhundert, herausgegeben von Ch. Horn, A. NeschkeHentschke (Stuttgart 2008) 20–40. 305 T. H. Irwin: Antiochus, Aristotle, and the Stoics on the Degrees of Happiness, in: Sedley 2012 [*157: 151–172]. 306 M. Schofield: Antiochus on social virtue, in: Sedley 2012 [*156: 173–187]. 307 G. Tsouni: Antiochus on Contemplation and the Happy Life, in: Sedley 2012 [*156: 131– 150].
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Nikolaos von Damaskus
308 B. Inwood: Ethics After Aristotle (Cambridge MA 2014). 309 G. Tsouni: Peripatetic Ethics in the First Century BC: The Summary of Didymus, in: Brill’s
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Companion to the Reception of Aristotle in Antiquity, edited by A. Falcon (Leiden 2016) [Brill’s Companions to Classical Reception 7] 120–137.
Nikolaos von Damaskus Primärliteratur 314 H. J. Drossaart Lulofs: Aristotle’s ‹Περὶ φυτῶν›, in: JHS 77 (1957) 75–80. 315 Nicolaus Damascenus: On the Philosophy of Aristotle. Fragments of the First Five Books Translated from the Syriac with an Introduction and Commentary by H. J. Drossaart Lulofs (Leiden 1965). 316 Nicolaus Damascenus: De plantis. Five Translations, edited and introduced by H. J. Dros saart Lulofs, E. L. J. Poortman (Amsterdam 1989).
Sekundärliteratur 322 Th. Bergk: Der Verfasser der Schrift ‹περὶ κόσμου›, in: RhM 37 (1882) 50–53. 323 M. C. Lyons: A Greek Ethical Treatise, in: Oriens 13/14 (1960/61) 35–57. 324 H. J. Drossaart Lulofs: Aristotle, Bar Hebraeus, and Nicolaus Damascenus on Animals, in: Aristotle on Nature and Living Things. Philosophical and Historical Studies. FS David M. Balme, edited by A. Gotthelf (Pittsburgh, Bristol 1985) 345–357. 325 H. J. Drossaart Lulofs: Das Prooimion von ‹Περὶ φυτῶν›, II, in: Aristoteles. Werk und Wirkung. Paul Moraux gewidmet. II: Kommentierung, Überlieferung, Nachleben, herausgegeben von J. Wiesner (Berlin 1987) 1–16. 326 M. Zonta: Il compendio aristotelico di Nicola Damasceno. Nuovi dati dalla tradizione siriaca, in: Pensiero e istituzioni del mondo clas-
sico nelle culture del Vicino Oriente. Atti del Seminario Nazionale di studio (Brescia, 14–16 ottobre 1999), a cura di R. B. Finazzi, A. Valvo (Alessandria 2001) 315–339. 327 H. Takahashi: The Greco-Syriac and Arabic Sources of Barhebraeus’ Mineralogy and Meteorology in ‹Candelabrum of the Sanctuary›, Base II, in: Islamic Studies 41 (2002) 215–269. 328 Aristotelian Meteorology in Syriac: Barhebraeus, ‹Butyrum Sapientiae›, Books of Miner alogy and Meteorology, edited by H. Takahashi (Leiden, Boston MA 2004). 329 S. Fazzo: Aristotelismo e antideterminismo nella vita e nell’opera di Tito Aurelio Alessandro di Afrodisia, in: La catena delle cause: Determinismo e antideterminismo nel pensiero antico e in quello contemporaneo, a cura di C. Natali, S. Maso (Amsterdam 2005) 269–295. 330 B. Herzhoff: Ist die Schrift ‹De plantis› von Aristoteles?, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption 16 (2006) 69–108. 331 S. Fazzo: Nicolas, l’auteur du ‹Sommaire de la philosophie d’Aristote›. Doutes sur son identité, sa datation, son origine, in: REG 121 (2008) 99–126. 332 S. Fazzo, M. Zonta: Aristotle’s Theory of Causes and the Holy Trinity. New Evidence about the Chronology and Religion of Nicolaus ‘of Damascus’, in: Laval théologique et philosophique 64 (2008) 681–690. 333 Averroes (Ibn Rushd) of Cordoba: Long Commentary on the ‹De anima› of Aristotle, translated and with Introduction and Notes by R. C. Taylor (New Haven 2009).
Beginn der Kommentierungstradition 339 Aristoteles Graecus. Die griechischen Manuskripte des Aristoteles. I: Alexandrien bis
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London, heausgegeben, untersucht und beschrieben von P. Moraux (Berlin 1976).
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Bibliographie zum dritten Kapitel
Alexander von Aigai
Primärliteratur
Sekundärliteratur
345 Aristotelis Meteorologicorum libri IV, edidit J. L. Ideler, I–II (Leipzig 1834–1836). 346 Olympiodori ‹In Aristotelis ‘meteora’ commentaria›, edidit W. Stüve (Berolini 1900) [CAG 12,2]. 347 Simplicius on Aristotle ‹On the Heavens 2.1– 9›, translated by I. Mueller (Ithaca NY 2004).
353 W. Capelle: Die Alexanderzitate bei Olympiodor, in: ΧΑΡΙΤΕΣ. FS Friedrich Leo (Berlin 1911) 220–248. 354 M. Rashed: «Boue pétrie de sang», in: Philosophie antique 3 (2003) 165–172.
Aspasios Primärliteratur 360 Aspasii ‹In ‘ethica nicomachea’ quae super sunt comentaria›, edidit G. Heylbut (Berlin 1889) [CAG Supplementum Aristotelicum 19]. 361 Aspasius: On Aristotle, ‹Nicomachean Ethics› 8, with Anonymous: Paraphrase of Aristotle ‹Nichomachean Ethics› 8 and 9, and Michael of Ephesus: On Aristotle, ‹Nicomachean Ethics› 9, translated by D. Konstan (London 2001). 362 Aspasius: On Aristotle, ‹Nicomachean ethics› 1–4, 7–8, translated by D. Konstan (London 2006). 363 Aristotelis Stagiritae ‹Moralia Nicomachia› / Eustratius, Aspasius, Michael Ephesius et al. übersetzt von Johannes Bernardus Felicianus. Neudruck der Ausgabe Paris 1543 mit einer Einleitung von D. A. Lines (Stuttgart/ Bad Cannstatt 2006) [CAG 11].
Sekundärliteratur 369 P. L. Donini: Tre studi sull’aristotelismo nel II secolo d. C. (Torino 1974). 370 F. Becchi: Aspasio, commentatore di Aristotele, in: ANRW II 36,7 (1994) 5365–5396. 371 Aspasius: The Earliest Extant Commentary on Aristotle’s Ethics. Essays edited by A. Alberti, R. W. Sharples (Berlin 1999).
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372 A. Alberti: Il volontario e la scelta in Aspasio, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 107–141]. 373 J. Barnes: An Introduction to Aspasius, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 1–50]. 374 E. Berti: Amicizia e “focal meaning”, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 176–190]. 375 K. Ierodiakonou: Aspasius on Perfect and Imperfect Virtues, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 142–161]. 376 D. Sedley: Aspasius on Akrasia, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 162–175]. 377 R. W. Sharples: Aspasius on Eudaimonia, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 85–95]. 378 R. Sorabji: Aspasius on Emotion, in: Alberti, Sharples 1999 [*371: 96–106]. 379 P. L. Donini: La giustizia nel medioplatonismo, in Aspasio e in Apuleio, in: La ‹Repubblica› di Platone nella tradizione antica, a cura di M. Vegetti, M. Abbate (Napoli 1999) 131–150. 380 F. Becchi: La nozione platonica e medioplatonica di ‘giustizia’, in: Prometheus 27 (2001) 222–232. 381 I. Kupreeva: Rezension zu Alberti, Sharples 1999 [*371], in: AncPhil 22 (2002) 219–225. 382 C. Natali: Aspasius on ‹Nicomachean Ethics 7›: an Ancient Example of ‘Higher Criticism’?, in: OSAPh 33 (2007) 347–367. 383 A. Alberti: Il «volontario» e la «scelta» in Aspasio, in: L’arte del vivere. Aspetti dell’etica aristotelica ed epicurea, a cura di A. Alberti (Genova 2008) 47–83.
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Sosigenes
439
Adrastos 389 E. Hiller: De Adrasti Peripatetici ‹In Platonis Timaeum commentario›, in: RhM 26 (1871) 582–589. 390 B. Switalski: Des Chalcidius ‹Kommentar zu Plato’s Timaeus› (Münster 1902). 391 R. W. Sharples: Aristotelian Theology after Aristotle, in: Traditions of Theology, edited by D. Frede, A. Laks (Leiden 2002) 1–40. 392 J. Delattre, D. Delattre: La ‘phantasía’ des planètes dans la moyenne Antiquité, in: Phantasia: Il pensiero per immagini degli antichi e dei moderni. Atti del convegno internazionale, Trieste, 28–30 aprile 2005, a cura di L.
Cristante (Trieste 2006) [Incontri Triestini di filologia classica 4] 315–334. 393 F. M. Petrucci: Il ‹Commento al ‘Timeo’› di Adrasto di Afrodisia (2012) [DSTradF 23] 1–33. 394 Teone di Smirne: Expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium, in troduzione, traduzione e commento a cura di F. M. Petrucci (Sankt Augustin 2012). 395 F. M. Petrucci: Adrastus on Aristotle’s Cosmology. The Peripatetic Exegesis of ‹De caelo› and ‹Metaphysics› Lambda, in: Rhizomata 3 (2015) 159–199.
Sosigenes Primärliteratur 401 Dexippus: On Aristotle ‹Categories›, translated by J. Dillon (London 1990). 402 Simplicius: On Aristotle ‹On the Heavens› 2.10–14, translated by I. Mueller (London 2005).
Sekundärliteratur 408 P. Moraux: La joute dialectique d’après le hui tième livre des ‹Topiques›, in: Aristotle on Dialectic: The ‹Topics›. Proceedings of the Third Symposium Aristotelicum, edited by G. E. L. Owen (Oxford 1968) 277–312.
409 W. Knorr: Archimedes and the Pseudo-Eu clidean Catoptrics. Early Stages in the An cient Geometric Theory of Mirrors, in: Archives Internationales d’Histoire des Sciences 35 (1985) 28–105. 410 L. Zhmud: The Origin of the History of Science in Classical Antiquity (Berlin 2006). 411 A. C. Bowen: Simplicius on the Planets and Their Motions: In Defense of a Heresy (Leiden 2013). 412 L. Gili: La sillogistica di Alessandro di Afrodisia (Hildesheim, Zürich 2014).
Herminos 418 H. Schmidt: De Hermino Peripatetico (Marburg 1907). 419 H. von Arnim: Herminos (2), in: RE VIII 1 (1913) 835. 420 G. Patzig: Die aristotelische Syllogistik. Logisch-philologische Untersuchungen über das Buch A der ‹Ersten Analytiken› (Göttingen 1959, 31969).
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421 Commentators and Commentaries on Aristotle’s ‹Sophistici elenchi›. A Study of Post-Aristotelian Ancient and Medieval Writings on Fallacies. I: The Greek Tradition, edited by S. Ebbesen (Leiden 1981). 422 M. Griffin: The Reception of the ‹Categories› of Aristotle, c. 80 BC to AD 220 (Diss. Oxford 2009). – Online publiziert.
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Bibliographie zum dritten Kapitel
Aristokles von Messene
Primärliteratur 428 H. Heiland: Aristoclis Messenii reliquiae. (Diss. Giessen 1925). 429 M. L. Chiesara: Aristocles of Messene (Oxford 2001).
Sekundärliteratur 435 P. J. Nuñez: Vita Aristotelis Peripateticorum principis per Ammonium seu Philoponum, addita vetere interpretatione Latina longe auctiore nunc primum ex MS edita, cum copiosis et eruditis scholiis (Leiden 1621). 436 V. Rose: Aristoteles Pseudepigraphus (Leipzig 1863). 437 R. G. Hoche: Ἰωάννου Γραμματικοῦ Ἀλεξαν δρέως (τοῦ Φιλοπόνου) εἰς τὸ πρῶτον τῆς Νικομάχου Ἀριθμητικῆς Εἰσαγωγῆς (Leipzig 1864). 438 I. Bywater: Aristotle’s Dialogue ‘On Philosophy’, in: Journal of Philology 7 (1877) 64–87. 439 V. Brochard: Les Sceptiques grecs (Paris 1887). 440 H. Usener: Epicurea (Leipzig 1887). 441 J. Freudenthal: Aristokles (17), Freund des Proklos, in: RE II 1 (1896) 935. 442 A. C. Gercke: Aristokles (15), in: RE II 1 (1896) 934–935. 443 W. Schmid: Aristokles (19) von Pergamon, in: RE II 1 (1896) 937. 444 G. Wentzel: Aristokles von Rhodos (18), in: RE II 1 (1896) 935–937. 445 M. Pohlenz: Das Lebensziel der Skeptiker, in: Hermes 39 (1904) 15–29. 446 W. Jaeger: Aristoteles. Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung (Berlin 1923). 447 E. Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. III,1: Die nacharistotelische Philosophie (Tübingen 51923). 448 E. Bignone: L’Aristotele perduto e la formazione filosofica di Epicuro (Firenze 1936). 449 P. Moraux: Alexandre d’Aphrodise, exégète de la noétique d’Aristote (Liège, Paris 1942). 450 A.-J. Festugière: La révélation d’Hermès Trismégiste. II: Le Dieu Cosmique (Paris 1949). 451 I. Düring: Aristotle in the Ancient Biographical Tradition (Göteborg 1957).
03_3 Kaiserzeitlicher Aristotelismus Biblio.indd 440
452 G. Giannantoni: I Cirenaici. Raccolta delle fonti antiche, traduzione e studio introduttivo (Firenze 1958). 453 Ph. De Lacy: Οὐ μᾶλλον and the Antecedents of Ancient Scepticism, in: Phronesis 3 (1958) 59–71. 454 F. Trabucco: Il problema del ‹De philosophia› di Aristocle di Messene e la sua dottrina, in: Acme 11 (1958) 97–150. 455 F. Trabucco: La polemica di Aristocle di Messene contro Protagora e Epicuro, in: Atti dell’Accademia delle Scienze di Torino 93 (1958–1959) 473–515. 456 F. Trabucco: La polemica di Aristocle di Messene contro lo scetticismo di Aristippo e i Cirenaici, in: RSF 15 (1960) 115–140. 457 Aristotele: Della Filosofia. Introduzione, testo, traduzione e commento esegetico di M. Untersteiner (Roma 1963). 458 L. G. Westerink: Deux commentaires sur Nicomaque. Asclépius et Jean Philopon, in: REG 77 (1964) 526–535. 459 W. Haase: Ein vermeintliches AristotelesFragment bei Johannes Philoponos, in: Synusia. FS Wolfgang Schadewaldt, herausgegeben von H. Flashar, K. Gaiser (Pfullingen 1965) 323–354. 460 P. Moraux: Aristoteles, der Lehrer Alexan ders von Aphrodisias, in: AGPh 49 (1967) 169–182. 461 G. A. Ferrari: Due fonti sullo scetticismo antico (Diog. Lae. IX,66–108; Eus., Praep. Ev. XIV,18,1–20), in: SIFC 40 (1968) 200–224. 462 K. Gaiser: Platons ungeschriebene Lehre (Stuttgart 21968). 463 L. Tarán: Asclepius of Tralles. Commentary to Nicomachus’ ‹Introduction to Arithmetic› (Philadelphia 1969). 464 D. N. Sedley: Epicurus and his Professional Rivals, in: Études sur l’épicurisme antique. Textes réunis par J. Bollack, A. Laks (Lille 1976) 121–159. 465 E. Berti: La critica allo scetticismo nel IV libro della ‹Metafisica›, in: Lo scetticismo antico. Atti del convegno organizzato dal centro di studio del pensiero antico del C.N.R., Roma, 5–8 novembre 1980, a cura di G. Giannantoni (Napoli 1981) I 61–79. 466 F. Decleva Caizzi: Pirrone, Testimonianze (Napoli 1981).
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Aristoteles von Mytilene
467 G. A. Ferrari: L’immagine dell’equilibrio, in: Lo scetticismo antico. Atti del convegno organizzato dal centro di studio del pensiero antico del C.N.R., Roma, 5–8 novembre 1980, a cura di G. Giannantoni (Napoli 1981) I 337–370. 468 G. Reale: Ipotesi per una rilettura della filosofia di Pirrone di Elide, in: Lo scetticismo antico. Atti del convegno organizzato dal centro di studio del pensiero antico del C.N.R., Roma, 5–8 novembre 1980, a cura di G. Giannantoni (Napoli 1981) I 243–336. 469 M. R. Stopper: Schizzi pirroniani, in: Phronesis 28 (1983) 265–297. 470 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Griechen von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias. II: Der Aristotelismus im I. und II. Jh. n. Chr. (Berlin 1984). 471 J. Annas, J. Barnes: The Modes of Scepticism: Ancient Texts and Modern Interpretations (Cambridge 1985). 472 P. Moraux: Ein neues Zeugnis über Aristoteles, den Lehrer Alexanders von Aphrodisias, in: AGPh 67 (1985) 266–269. 473 H. B. Gottschalk: Aristotelian Philosophy in the Roman World from the Time of Cicero to the End of the Second Century AD, in: ANRW II 36,2 (1987) 1079–1174. 474 H. Ausland: On the Moral Origin of the Pyrrhonian Philosophy, in: Elenchos 10 (1989) 359–434. 475 S. Follet: Aristoclès de Messine, in: DPhA I (1989) 382–384. 476 S. Follet: Aristoclès de Pergame, in: DPhA I (1989) 384–385. 477 R. Goulet: Aristoclès de Rhodes, in: DPhA I (1989) 385–386. 478 R. Bett: Aristocles on Timon on Pyrrho. The Text, its Logic, and its Credibility, in: OSAPh 12 (1994) 137–181.
441
479 J. Brunschwig: Once again on Eusebius on Aristocles on Timon on Pyrrho, in: Ders.: Papers in Hellenistic Philosophy (Cambridge 1994) 190–211. 480 J. Brunschwig: Le fragment DK 70 B 1 de Métrodore de Chio, in: Polyhistor. Studies in the History and Historiography of Ancient Philosophy. FS Jaap Mansfeld, edited by K. A. Algra, P. van der Horst, D. T. Runia (Leiden 1996) 21–38. 481 T. Brennan: Pyrrho on the Criterion, in: AncPhil 18 (1998) 417–434. 482 V. Tsouna: The Epistemology of the Cyrenaic School (Cambridge 1998). 483 G. R. Giardina: Giovanni Filopono Matematico tra neopitagorismo e neoplatonismo. Commentario all’Introduzione Aritmetica di Nicomaco di Gerasa (Catania 1999). 484 R. Bett: Pyrrho, his Antecedents and his Legacy (Oxford 2000). 485 J. Warren: Aristocles’ Refutations of Pyrrhonism (Eus. PE 14.18.1–10), in: PCPhS 46 (2000) 140–164. 486 L. Castagnoli: Rezension zu Bett 2000 [*484], in: AncPhil 22 (2002) 443–457. 487 M. L. Chiesara: Enesidemo e i tropi in Aris tocle di Messene, in: Acme 55 (2002) 33–56. 488 G. E. Karamanolis: Plato and Aristotle in Agreement? Platonists on Aristotle from Antiochus to Porphyry (Oxford 2006). 489 J. Barnes: Peripatetic Epistemology: 100 BC– 200 AD, in: Greek and Roman Philosophy 100 BC–200 AD, edited by R. W. Sharples, R. Sorabji (London 2007) II 547–562. 490 H. Thorsrud: Ancient Scepticism (Stocksfield 2009). 491 Aenesidemus of Cnossus: Testimonia, a cura di R. Polito (Cambridge 2014).
Aristoteles von Mytilene 497 P. J. Nuñez: Vita Aristotelis Peripateticorum principis per Ammonium seu Philoponum, addita vetere interpretatione Latina longe auctiore nunc primum ex MS edita, cum copiosis et eruditis scholiis (Leiden 1621). 498 E. Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. III,1: Die nacharistotelische Philosophie (Tübingen 51923). 499 Galeni de consuetudinibus, edidit J. M. Schmutte (Leipzig, Berlin 1941) [CMG Suppl. 3].
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500 P. Moraux: Aristoteles, der Lehrer Alexan ders von Aphrodisias, in: AGPh 49 (1967) 169–182. 501 Alexandre d’Aphrodise: Traité du destin, texte établi et traduit par P. Thillet (Paris 1984). 502 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Griechen von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias. II: Der Aristotelismus im I. und II. Jh. n. Chr. (Berlin 1984) 399–425. 503 P. Accattino: Alessandro di Afrodisia e Aristotele di Mitilene, in: Elenchos 6 (1985) 67–74.
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442
Bibliographie zum dritten Kapitel
504 P. Moraux: Ein neues Zeugnis über Aristoteles, den Lehrer Alexanders von Aphrodisias, in: AGPh 67 (1985) 266–269. 505 R. W. Sharples: Alexander of Aphrodisias: Scholasticism and Innovation, in: ANRW II 36,2 (1987) 1176–1243. 506 R. W. Sharples: The School of Alexander?, in: Aristotle Transformed. The Ancient Commentators and their Influence, edited by R. Sorabji (London 1990) 83–111. 507 Two Greek Aristotelian Commentators on the Intellect. Introduction, translation, commentary and notes by F. M. Schroeder, R. B. Todd (Toronto 1990). 508 Philoponus on Aristotle on the Intellect (de Anima 3.4–8), translated by W. Charlton (London 1991) [ACA]. 509 Alexander of Aphrodisias on Aristotle ‹Metaphysics› 2 & 3, translated by W. Dooley (London 1992) [ACA]. 510 Alessandro di Afrodisia: ‹L’anima›. Tradu zione, introduzione e commenti a cura di P. Accattino, P.-L. Donini (Bari 1996). 511 M. Rashed: A ‘New’ Text of Alexander on the Soul’s Motion, in: Aristotle and After, edited by R. Sorabji (London 1997) [BICS Suppl. 68] 181–196. 512 J. Opsomer, R. W. Sharples: Alexander of Aphrodisias, ‹De intellectu› 110.4: «I heard this from Aristotle». A modest proposal, in: CQ 50 (2000) 252–256. 513 Alessandro di Afrodisia: ‹De intellectu›. In troduzione, testo greco rivisto, traduzione e commento di P. Accattino (Torino 2001). 514 C. Luna: Trois études sur la tradition des commentaires anciens à la Métaphysique d’Aristote (Leiden 2001).
515 M. Geoffroy: La tradition arabe du ‹Περὶ νοῦ› d’Alexandre d’Aphrodise et les origines de la théorie farabienne des quatre degrés de l’intellect, in: Aristotele e Alessandro di Afrodisia nella tradizione araba, a cura di C. D’Ancona, G. Serra (Padua 2002) 191–231. 516 Simplicius on Aristotle ‹On the Heavens› 1.1– 4, translated by R. J. Hankinson (London 2002). 517 Alessandro di Afrodisia: Commentario al ‹De caelo› di Aristotele. Frammenti del primo libro a cura di A. Rescigno (Amsterdam 2004). 518 Alexander of Aphrodisias: Supplement to ‹On the Soul›, edited by R. W. Sharples (London 2004). 519 Alessandro di Afrodisia: ‹De anima› II (Mantissa). Premessa, testo rivisto, traduzione e note di P. Accattino (Alessandria 2005). 520 R. W. Sharples: Peripatetics on Soul and Intellect, in: Sorabji, Sharples 2007 [*44: II 607– 620]. 521 Averroes (Ibn Rushd) of Cordoba: Long Commentary on the ‹De anima› of Aristotle, translated and with Introduction and Notes by R. C. Taylor (New Haven 2009). 522 Peripatetic Philosophy, 200 BC – AD 200. An Introduction and Collection of Sources in Translation, edited by R. W. Sharples (Cambridge 2010). 523 R. W. Sharples: Peripatetics, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 140–160.
Alexander von Aphrodisias Ausgaben
‹Topica› 535 ‹Topica›, herausgegeben von M. Wallies (Berlin 1891) [CAG 2,2].
Kommentare zu Aristoteles’ Werken
‹Analytica priora› 529 ‹Analytica priora›, herausgegeben von M. Wallies (Berlin 1883) [CAG 2,1].
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‹Metaphysik› 541 ‹Metaphysik›, herausgegeben von M. Hayduck (Berlin 1891) [CAG 1]. 542 Die durch Averroes erhaltenen Fragmente Alexanders zur ‹Metaphysik› des Aristoteles untersucht und übersetzt von J. Freudenthal (Berlin 1885; ND New York 1987).
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Alexander von Aphrodisias
‹De sensu› 549 ‹De sensu›, herausgegeben von P. Wendland (Berlin 1901) [CAG 3,1].
443
Alexandri de anima cum mantissa (Berlin 1887) [CAG Supplementum Aristotelicum 2,1] 1–100.
‹Meteorologie›
‹De fato›
555 ‹Meteorologie›, herausgegeben von M. Hayduck (Berlin 1899) [CAG 3,2].
599 De fato, herausgegeben von I. Bruns (Berlin 1892) [CAG Supplementum Aristotelicum 2,2] 164–212. 600 Alexander of Aphrodisias On Fate. Text, translation, and commentary by R. W. Shar ples (London 1983). – Revidierter griechischer Text. 601 Alexandre d’Aphrodise: Traité du destin, texte établi et traduit par P. Thillet (Paris 1984). – Text mit französischer Übersetzung und Kommentar.
‹Analytica posteriora› 561 Le commentaire d’Alexandre d’Aphrodise aux ‹Seconds Analytiques› d’Aristote par P. Moraux (Berlin 1979).
‹Physik› 567 E. Giannakis: Fragments from Alexander’s Lost Commentary on Aristotle’s ‹Physics›, in: Zeitschrift für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften 10 (1995–1996) 157– 187. 568 M. Rashed: Alexandre d’Aphrodise, Commentaire perdu à la ‹Physique› d’Aristote (livres IV–VIII). Les scholies byzantines. Édition, traduction et commentaire (Berlin 2011).
‹De caelo› 574 Alessandro di Afrodisia: Commentario al ‹De caelo› di Aristotele. Frammenti del primo libro a cura di A. Rescigno (Amsterdam 2004). 575 Alessandro di Afrodisia: Commentario al ‹De caelo› di Aristotele. Frammenti del secondo, terzo e quarto libro, a cura di A. Rescigno (Amsterdam 2008).
‹De generatione et corruptione› 581 Le commentaire d’Alexandre d’Aphrodise, ‹In De generatione et corruptione›, perdu en grec, retrouvé en arabe dans Ǧabir ibn Ḥayyān, Kitāb al-Taṣrīf. Édition, traduction annotée et commentaire par E. Gannagé (Paris 1998).
‹De anima› 587 P. Moraux: Alexandre d’Aphrodise, exégète de la noétique d’Aristote (Liège, Paris 1942). – Fragmente zum Intellekt. Opuscula
‹De anima› 593 De anima, herausgegeben von I. Bruns, in: Alexandri Aphrodisiensis scripta minora. I:
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‹De mixtione› 606 ‹De mixtione›, herausgegeben von I. Bruns (Berlin 1892) [CAG Supplementum Aristotelicum 2,2] 213–238. 607 Alexander of Aphrodisias on Stoic Physics. A Study of the ‹De mixtione› with Preliminary Essays, Text, Translation and Commentary by R. B. Todd (Leiden 1976). – Englische Übersetzung mit Kommentar und griechischem Text von Bruns 1892 [*606]. 608 Alexandre d’Aphrodise: Sur la mixtion et la croissance (De mixtione). Texte établi, traduit et commenté par J. Groisard (Paris 2013) [CUF].
‹De principiis omnium› 613 Alexander of Aphrodisias ‹On the Cosmos›, edited by C. Genequand (Leiden 2001). – Einleitung, arabischer Text mit englischer Übersetzung, Kommentar.
‹De providentia› 619 H.-J. Ruland: Die arabischen Fassungen von zwei Schriften des Alexanders von Aphrodisias. ‹Über die Vorsehung› und ‹Über das liberum arbitrium› (Saarbrücken 1976). – Text, deutsche Übersetzung und Kommentar. 620 Alessandro di Afrodisia: ‹La Provvidenza›. Questioni sulla provvidenza a cura di S. Fazzo, M. Zonta (Milano 1998). – Arabischer Text sowie griechischer Text der Quaestiones 1,25 und 2,3. 19. 21 mit italienischer Übersetzung und Anmerkungen. 621 Alexandre d’Aphrodise: ‹Traité de la providence›, ‹Περὶ προνοίας›. Version arabe de Abū Bišr Mattä ibn Yūnus. Introduction, édition et traduction de P. Thillet (Paris 2003). – Ara-
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Bibliographie zum dritten Kapitel
bischer Text mit französischer Übersetzung und Kommentar (mit arabischem Text). 622 Ch. Riedweg: Alexander of Aphrodisias ‹De providentia›: Greek Fragments and Arabic Versions, in: Culture in Pieces. Essays on Ancient Texts in Honour of Peter Parsons, edited by D. Obbink, R. Rutherford (Oxford 2011) 277–301. – Neuedition der griechischen Fragmente.
‹De differentiis specificis› 628 A. Badawi: Aristû ‘inda al-‘Arab (Cairo 1947) 259–308. – Teile des arabischen Texts. 629 A. Dietrich: Die arabische Version einer unbekannten Schrift des Alexander von Aphrodisias über die differentia specifica, in: NAWG Nr. 2 (1964) 85–148. – Teile des arabischen Texts mit deutscher Übersetzung (122– 129 und 136–143) und Rückübersetzung ins Griechische. 630 M. Rashed: «Les parties de la substance sont des substances», in: Rashed 2007 [*858]. – Französische Übersetzung mit Diskussion der Quellen: 53–79, 104–117.
‹Widerlegung von Galens Angriff auf die Lehre des Aristoteles, dass alles, was sich bewegt, von einem Beweger in Bewegung gesetzt wird› 636 The Refutation by Alexander of Aphrodisias of Galen’s Treatise on the Theory of Motion, translated from the Medieval Arabic Version, with an Introduction, Notes and an Edition of the Arabic Text by M. Marmura, N. Rescher (Islamabad 1965). – Arabischer Text, englische Übersetzung und Kommentar.
‹Über Zeit› 642 Shurûkh ‘ala ’Aristû: Commentaires sur Aristote perdus en grec et autres épîtres, publiés et annotés par A. Badawi (Beirut 1971) 19– 24. 643 R. W. Sharples: Alexander of Aphrodisias, On Time, in: Phronesis 27 (1982) 58–81. – Englische Übersetzung: 59–67. 644 Du temps. Version latine faite sur l’arabe par Gérard de Crémone, édition et traduction par P. Thillet (Paris 1984). Schulsammlungen und kürzere Abhandlungen
‹De anima libri mantissa› (Supplement zu ‹De anima›)
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649 ‹De anima libri mantissa›, herausgegeben von I. Bruns (Berlin 1887) [CAG Supplementum Aristotelicum 2,1] 101–186. 650 Alessandro di Afrodisia: De anima II (Mantissa). Premessa, testo rivisto, traduzione e note di P. Accattino (Alessandria 2005). – Griechischer Text und italienische Übersetzung. 651 Alexander Aphrodisiensis ‹De anima libri mantissa›, edited by R. W. Sharples (Berlin 2008). – Neue kritische Edition mit Einleitung und Kommentar.
‹De intellectu› (‹Mantissa 2›) 657 ‹De intellectu›, herausgegeben von I. Bruns (Berlin 1887) [CAG Supplementum Aristotelicum 2,1] 106–122. – Griechischer Text. 658 G. Théry: Autour du décret de 1210. II: Alexandre d’Aphrodise. Aperçu sur l’influence de sa noétique (Le Saulchoir 1926) [Bibliothèque Thomiste 7] 69–83. – Lateinische Version (ausgehend vom arabischen Text). 659 J. Finnegan: Texte arabe du ‹Περὶ νοῦ› d’Alexandre d’Aphrodise, dû à Ishaq ibn Honein, IXe siècle. Avec une introduction sur l’influence du Περὶ νοῦ dans le monde de la pensée arabe, in: Mélanges de l’Université Saint Joseph (Beirut) 33 (1955) 157–202. 660 Shurûh ‘alâ ’Aristû: Commentaires sur Aristote perdus en grec et autres épîtres, publiés et annotés par A. Badawi (Beirut 1971) 31– 42. – Andere arabische Version. 661 Alessandro di Afrodisia: ‹De intellectu›. In troduzione, testo greco rivisto, traduzione e commento di P. Accattino (Torino 2001). – Griechischer Text mit italienischer Übersetzung und Kommentar. 662 Alexander of Aphrodisias: Περὶ νοῦ, in: Sharples 2008 [*651]. – Neue kritische Textausgabe.
‹Quaestiones et solutiones› / ‹Problemata ethica› 667 Quaestiones et solutiones, herausgegeben von I. Bruns (Berlin 1892) [CAG Supplementum Aristotelicum 2,2] 1–163.
Kürzere Abhandlungen, die in der arabischen Tradition erhalten sind 673 J. van Ess: Über einige neue Fragmente des Alexander von Aphrodisias und des Proklos in arabischer Übersetzung, in: Der Islam 42 (1966) 148–168.
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Alexander von Aphrodisias
Übersetzungen
Kommentare zu Aristoteles
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700 Alessandro di Afrodisia e Pseudo-Alessandro, Commentario alla ‹Metafisica› di Aristotele, a cura di G. Movia (Milano 2007). – Enthält eine italienische Übersetzung des Kommentars.
‹De sensu› ‹Analytica priora› 679 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Prior Analytics 1.1–7›, translated by J. Barnes, S. Bobzien, K. Flannery, K. Ierodiakonou (London 1991). 680 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Prior Analytics 1.8–13› (with 1.17, 36b35– 37a31), translated by I. Mueller, J. Gould (London 1999). 681 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Prior Analytics 1.14–22›, translated by I. Mueller, J. Gould (London 1999). 682 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Prior Analytics 1.23–31›, translated by I. Mueller (London 2006). 683 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Prior Analytics 1.32–46›, translated by I. Mueller (London 2006).
706 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹On Sense Perception›, translated by J. A. Towey (London 2000).
‹Meteorologie› 712 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Meteorology 4›, translated by E. Lewis (London 1996). – Englische Übersetzung von Buch 4 des Kommentars.
‹De generatione et corruptione› 718 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹On Coming-to-Be and Perishing 2.2–5›, translated by E. Gannagé (Ithaca NY 2005). – Englische Übersetzung der aus der mittelalterlichen arabischen Quelle rekonstruierten Fragmente.
‹Topica›
Opuscula
689 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Topics› 1, translated by J. M. van Ophuijsen (London 2001).
‹De anima›
‹Sophistici elenchi› 690 Alexandri Aphrodisiensis quod fertur in Aristotelis Sophisticos elenchos commentarium, edidit M. Wallies (Berlin 1898) [CAG 2,3].
‹Metaphysik› 695 Ibn Rushd’s Metaphysics: a Translation with Introduction of Ibn Rushd’s Commentary on Aristotle’s ‹Metaphysics›, Book Lambda, by C. Genequand (Leiden ND 1984). 696 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Metaphysics 1›, translated by W. E. Dooley (London 1989). 697 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Metaphysics 2 & 3›, translated by W. E. Dooley, A. Madigan (London 1992). 698 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Metaphysics 4›, translated by A. Madigan (London 1993). 699 Alexander of Aphrodisias: On Aristotle ‹Metaphysics 5›, translated by W. E. Dooley (London 1993).
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724 Alexandri Aphrodisiensis enarratio ‹De anima› ex Aristotelis institutione, übersetzt von Hieronymus Donatus, mit einer Einleitung von E. Kessler: Alexander von Aphrodisias, Exeget der aristotelischen Psychologie bis zum Ende des 16. Jahrhunderts (Brescia 1495, Neudruck Stuttgart/Bad Cannstatt 2008) [CAGL 13]. – Lateinische Übersetzung. 725 A. P. Fotinis: The ‹De Anima› of Alexander of Aphrodisias (Washington DC 1979). – Englische Übersetzung und Kommentar; unvollständig. 726 Alessandro di Afrodisia: ‹L’anima›. Tradu zione, introduzione e commenti a cura di P. Accattino, P.-L. Donini (Bari 1996). – Italienische Übersetzung, Einleitung und Kommentar. 727 Alexandre d’Aphrodise: De l’âme. Texte grec introduit, traduit et annoté par M. Bergeron, R. Dufour (Paris 2008). 728 Alexander of Aphrodisias: ‹On the Soul›: Part I. Translation with Introduction and Commentary by V. Caston (London 2012).
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Bibliographie zum dritten Kapitel
‹De fato›
‹De intellectu› (Mantissa 2)
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Themistios
Themistios
Primärliteratur 886 Themistii orationes. Ex codice Mediolanensi emendavit G. Dindorfio (Lipsiae 1832; ND Hildesheim 1961). 887 Themistii Paraphrases Aristotelis librorum quae supersunt, edidit L. Spengel, I–II (Lipsiae 1866). 888 Themistius, Über Tugend, in: Inedita syriaca: Eine Sammlung syrischer Übersetzungen von Schriften griechischer Profanliteratur. Mit einem Anhang. Aus den Handschriften des Britischen Museums herausgegeben von E. Sachau (Halle 1870; ND Hildesheim 1968) 17–47. 889 Themistii ‹In libros Aristotelis ‘De anima’ Paraphrasis›, edidit R. Heinze (Berolini 1899) [CAG 5,3]. 890 Themistii ‹‘Analyticorum Posteriorum’ Paraphrasis›, edidit M. Wallies (Berolini 1900) [CAG 5,1]. 891 Themistii ‹In Aristotelis ‘Physica’ Paraphrasis›, edidit H. Schenkl (Berolini 1900) [CAG 5,2]. 892 Themistii ‹In libros Aristotelis ‘De caelo’ Paraphrasis› hebraice et latine, edidit S. Lan dauer (Berolini 1902) [CAG 5,4]. 893 Themistii ‹In Aristotelis ‘Metaphysicorum’ Librum Λ Paraphrasis› hebraice et latine, edidit S. Landauer (Berolini 1903) [CAG 5,5]. 894 Traktat des Themistios in Antwort auf Maximos über die Reduktion der zweiten und dritten Figur auf die erste, in: A. Badawi: Aristū ̔ inda’l-̔A rab: dirâsah wa nuṣûṣ ghair manshûralt (Kairo 1947) 309–325. – Nur auf Arabisch erhalten; französische Übersetzung in: A. Badawi: La transmission de la philosophie grecque au monde arabe (Paris 1968) 166–180. 895 Plaidoyer d’un Socratique contre le ‹Phèdre› de Platon. XXVIe Discours de Thémistius. Introduction, texte établi et traduit par H. Kesters (Louvain, Paris 1959). 896 Θεμίστιος: I. Εἰς τὸν αὑτοῦ πατέρα, II. Βασανίστης ἢ Φιλόσοφος (20. und 21. Rede). Überlieferung, Text und Übersetzung von S. Oppermann (Göttingen 1962). 897 Themistii orationes quae supersunt, I, recensuit H. Schenkl, opus consummavit G. Downey (Lipsiae 1965); II, recensuit H. Schenkl, opus consummaverunt G. Downey et A. F. Norman (Lipsiae 1971); III, recensuit H. Schenkl, opus consummaverunt G. Downey
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et A. F. Norman (Lipsiae 1974). – Standardausgabe der Reden; enthält außerdem Fragmente (Περὶ ψυχῆς, griechisch, III 2–4; Περὶ φρονήσεως, griechisch, III 4f.) sowie in Übersetzung überlieferte Texte (Περὶ ἀρετῆς, syrisch mit lat. Übersetzung, III 9–71; Brief über den Staat, arabisch mit lat. Übersetzung, III 73–119). Lateinisch 900 Thémistius: ‹Commentaire sur le traité ‘de l’âme’› d’Aristote, traduction de Guillaume de Moerbeke. Édition critique et étude sur l’utilisation du commentaire dans l’œuvre de Saint Thomas par G. Verbeke (Louvain, Paris 1957) [Corpus Latinum Commentariorum in Aristotelem Graecorum 1]. 901 Themistius’ ‹Paraphrasis of the ‘Posterior Analytics’› in Gerard of Cremona’s Translation, edited by J. R. O’Donnell, in: Mediaeval Studies 20 (1958) 239–315. 902 Themistii libri paraphraseos […] Interprete H. Barbaro (Frankfurt a. M. 1978) [CAG, Versiones Latinae 18]. – ND der Ausgabe von Venedig 1499 mit einer Einführung des Herausgebers Ch. Lohr. Deutsch 908 J. Gildemeister, F. Bücheler: Themistios ‹Περὶ ἀρετῆς›, in: RhM 27 (1872) 438–462. 909 Die 34. Rede des Themistios (‹Περὶ τῆς ἀρχῆς›). Einleitung, Übersetzung und Kommentar von H. Schneider (Winterthur 1966). 910 Themistios: Staatsreden. Übersetzung, Einführung und Erläuterungen von H. Leppin und W. Portmann (Stuttgart 1998) [BGrL 46]. Englisch 916 Themistius’ First Oration, translated with Introduction and Notes by G. Downey, in: GRBS 1 (1958) 49–69. 917 Two Greek Aristotelian Commentators on the Intellect. The ‹De Intellectu› attributed to Alexander of Aphrodisias and Themistius’ Paraphrase of Aristotle ‹De Anima› 3.4–8. Introduction, Translation, Commentary and Notes by F. M. Schroeder, R. B. Todd (Toronto 1990).
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Bibliographie zum dritten Kapitel
918 Themistius: On Aristotle ‹On the Soul›, translated by R. B. Todd (London 1996) [ACA]. 919 The Private Orations of Themistius, trans lated, annotated, and introduced by R. J. Penella (Berkeley 2000). – Übersetzung der Reden 20–34. 920 Politics, Philosophy and Empire in the Fourth Century. Select Orations of Themistius, translated with an introduction by P. Heather and D. Moncur (Liverpool 2001). – Übersetzung der Reden 1, 3, 5, 6, 14–17, 34. 921 Themistius: On Aristotle ‹Physics› 4, translated by R. B. Todd (London 2003) [ACA]. 922 Themistius: On Aristotle ‹Physics› 5–8, translated by R. B. Todd (London 2008) [ACA]. 923 Themistius: On Aristotle ‹Physics› 1–3, translated by R. B. Todd (London 2012) [ACA]. Französisch 929 A. Badawi: Traité de Thémistius en réponse à Maxime au sujet de la réduction de la deu xième et la troisième figures à la première, in: Ders.: La transmission de la philosophie grecque au monde arabe (Paris 1968) 166–180. 930 Thémistius: Paraphrase de la ‹Métaphysique› d’Aristote (livre lambda), traduit de l’hébreu et de l’arabe, introduction, notes et indices par R. Brague (Paris 1999). 931 Thémistios: ‹Discours› 6, introduction et traduction par J. Schamp, in: Miroirs de prince de l’Empire romain au IVe siècle. Anthologie éditée par D. O’Meara, J. Schamp (Fribourg, Paris 2006) 173–251. Italienisch 937 Temistio: ‹Parafrasi dei libri di Aristotele ‘sull’anima’›. Traduzione di V. de Falco (Padua 1965). 938 Temistio: Discorsi. A cura di R. Maisano (Torino 1995). – Text und italienische Übersetzung. Spanisch 944 Temistio: Discursos políticos. Introducción, traducción y notas de J. Ritoré Ponce (Madrid 2000). Arabisch 950 A. Badawi: Aristū ̔ inda’l-̔A rab: dirâsah wa nuṣûṣ ghair manshûralt (Kairo 1947). – Enthält 309–325 den ‹Traktat des Themistios in
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Antwort auf Maximos über die Reduktion der zweiten und dritten Figur auf die erste›; außerdem 329–333 die arabische Kurzfassung der hebräischen Übersetzung der Paraphrase zu ‹Metaphysik› Λ. 951 An Arabic Translation of Themistius’ ‹Commentary of Themistios on Aristoteles ‘De anima’›, edited by M. C. Lyons (London 1973).
Sekundärliteratur
Textüberlieferung und Textgeschichte 957 V. Rose: Über eine angebliche Paraphrase des Themistius, in: Hermes 2 (1867) 191–213. 958 R. Foerster: Andreas Dudith und die zwölfte Rede des Themistius, in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und Deutsche Literatur und für Pädagogik 6 (1900) 74–93. 959 O. Seeck, H. Schenkl: Eine verlorene Rede des Themistius, in: RhM 61 (1906) 554–566. 960 W. Pohlschmidt: Quaestiones Themistianae (Münster 1908). 961 P. Shorey: Emendations of ‹Themistius’ Paraphrase of Aristotle’s ‘Physics’›, in: CPh 3 (1908) 447–449. 962 H. Scholze: De temporibus librorum Themistii (Göttingen 1911). 963 H. F. Bouchery: Contribution à l’étude de la chronologie des discours de Themistius, in: AC 5 (1936) 191–208. 964 M. C. Lyons: An Arabic Translation of the Commentary of Themistius, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 17 (1955) 426–435. 965 R. M. Frank: Some Textual Notes on the Oriental Versions of Themistius’ ‹Paraphrase of Book I of the ‘Metaphysics’›, in: Byrsa 8 (1958/59) 215–230. 966 C. Steel: Des commentaires d’Aristote par Thémistius?, in: Revue philosophique de Louvain 71 (1973) 669–680. 967 H. Gätje: Bemerkungen zur arabischen Fassung der Paraphrase der aristotelischen Schrift ‹Über die Seele› durch Themistius, in: Der Islam 54 (1977) 272–291. 968 H. J. Blumenthal: Photius on Themistios (Cod. 74): Did Themistios Write Commen taries on Aristotle?, in: Hermes 107 (1979) 168–182.
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969 G. M. Browne: Ad Themistium Arabum, in: Illinois Classical Studies 11 (1986) 223–245. 970 O. Ballériaux: Le Μετριοπαθὴς ἢ φιλότεκνος (Discours XXXII de Thémistius), in: Byzantion 58 (1988) 22–35. 971 J. Vanderspoel: The ‘Themistius Collection’ of Commentaries on Plato and Aristotle, in: Phoenix 43 (1989) 162–164. 972 M. Capone Ciollaro: Osservazioni sulla ‹Paraf rasi di Temistio al ‘De anima’› Aristotelico, in: Esegesi, parafrasi e compilazione in età tardoantica, a cura di C. Moreschini (Napoli 1995) 79–92. 973 R. B. Todd: An Inventory of the Greek Manuscripts of Themistius’ Aristotelian Commentaries, in: Byzantion 67 (1997) 268–276. 974 G. M. Browne: Ad Themistium Arabum 2, in: Illinois Classical Studies 23 (1998) 121–126. 975 R. B. Todd: Themistius, in: Catalogus Translationum et Commentariorum: Medieval and Renaissance Latin Translations and Commentaries; Annotated Lists and Guides 8 (Washington DC 2003) 56–102. Biographie 981 W. Stegemann: Themistios, in: RE V A 2 (1934) 1642–1680. 982 Themistius, in: PLRE I (1971) 889–894. 983 J. Vanderspoel: Themistios and a Philosopher at Sikyon, in: Historia 36 (1987) 383–384. 984 J. Vanderspoel: Themistius and the Imperial Court: Oratory, Civic Duty, and ‘Paideia’ from Constantius to Theodosius (Ann Arbor MI 1995). 985 O. Ballériaux: Eugénios, père de Thémistios et philosophe néoplatonicien, in: AC 65 (1996) 135–160. 986 R. M. Errington: Themistius and his Emperors, in: Chiron 30 (2000) 861–904. 987 J. Schamp: Thémistios et l’oracle des philo sophes, in: Plato Revived. Essays on Ancient Platonism in Honour of D. J. O’Meara, edited by F. Karfík, E. Song (Berlin, Boston 2013) [BzA 317] 358–375. Überblicksdarstellungen 993 K. Praechter: Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie. I: Die Philosophie des Altertums (Basel 131953).
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994 H. J. Blumenthal: Themistius: the Last Peripatetic Commentator on Aristotle?, in: Aristotle Transformed. The Ancient Commentators and their Influence, edited by R. Sorabji (London 1990) 113–123. – Zuerst erschienen in: Arktouros. Hellenic Studies presented to B. M. Knox, edited by G. W. Bowersock et al. (Berlin, New York 1979) 391–400. 995 I. Kupreeva: Themistius, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 397–416, II 1065–1074. Lehre 996 F. Schemmel: Die Hochschule von Konstantinopel im IV. Jahrhundert p. Ch. n., in: Neue Jahrbücher für das klassische Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Päda gogik 22 (1908) 147–168. 997 R. Maisano: La paideia del logos nell’opera di Temistio, in: Koinonia 10 (1986) 29–47. 998 B. Colpi: Die παιδεία des Themistios. Ein Beitrag zur Geschichte der Bildung im vierten Jahrhundert nach Christus (Frankfurt a. M. 1987). 999 R. Maisano: La funzione dei richiami platonici nelle orazioni di Temistio, in: Scritti classici e cristiani offerti a F. Corsaro, a cura di C. Curti, C. Crimi (Catania 1994) II 415–429.
Logik 1005 T.-S. Lee: Die griechische Tradition der aristotelischen Syllogistik in der Spätantike: Eine Untersuchung über die Kommentare zu den Analytica priora von Alexander Aphrodisiensis, Ammonius und Philoponus (Göttingen 1984) [Hypomnemata 79]. 1006 S. Rosenberg, Ch. Manekin: Themistius on Modal Logic: Excerpts from a Commentary on the ‹Prior Analytics› attributed to Themistius, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 11 (1988) 83–103. – Englische Übersetzung mit Anmerkungen zu einer hebrä ischen Übersetzung aus dem Arabischen, 14. Jh., von Exzerpten aus Themistios’ Paraphrase zu ‹Analytica priora›: British Museum Hebrew MS. Add. 27,559, vgl. G. Margoliouth: Catalogue of the Hebrew and Samaritan Manuscripts in the British Museum (London 1900) II 186–190. 1007 M. Achard: La Paraphrase de Thémistius sur les lignes 71a1–11 des ‹Seconds Analytiques›, in: Dionysius 23 (2005) 105–116.
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Bibliographie zum dritten Kapitel
1008 M. Achard: Themistius’ Paraphrase of ‹Posterior Analytics› 71a17–b8: An Example of Rearrangement of an Aristotelian Text, in: Laval théologique et philosophique 64 (2008) 19–34.
Naturphilosophie und Kosmologie 1014 C. Trifogli: Il luogo dell’ultima sfera nei commenti tardo-antichi e medievali a ‹Physica› IV,5, in: Giornale critico della filosofia italiana 9 (1989) 144–160. 1015 D. Henry: Themistius and Spontaneous Generation in Aristotle’s ‹Metaphysics›, in: OSAPh 24 (2003) 184–207.
Psychologie 1021 O. Ballériaux: D’Aristote à Thémistius: Contribution à une histoire de la noétique d’après Aristote (Liège 1943). – Unveröffentlichte Dissertation. 1022 Ph. Merlan: Monopsychism, Mysticism, Metaconsciousness: Problems of the Soul in the Neoaristotelian and Neoplatonic Tradition (The Hague 1963, 21969). 1023 S. B. Martin: The Nature of the Human Intellect as it is Expounded in Themistius’ ‹Paraphrasis in Libros Aristotelis ‘De anima’›, in: The Quest for the Absolute, edited by F. J. Adelmann (Boston 1966) 1–21. 1024 B. C. Bazán: La noética di Temistio (c. 320– 390), in: Revista Venezolana de Filosofia 5–6 (1976–1977) 51–82. 1025 P. Moraux: Le ‹De Anima› dans la tradition grecque: Quelques aspects de l’interprétation du traité, de Théophraste à Thémistius, in: Aristotle on Mind and the Senses. Proceedings of the Seventh Symposium Aristotelicum, edited by G. E. R. Lloyd, G. E. L. Owen (Cambridge 1978) 281–324. 1026 R. B. Todd: Themistius and the Traditional Interpretation of Aristotle’s Theory of Phantasia, in: Acta Classica 24 (1981) 49–59. 1027 O. Ballériaux: Thémistius et l’exégèse de la noétique aristotélicienne, in: Revue de philosophie ancienne 7 (1989) 199–233. 1028 H. J. Blumenthal: Nous pathētikos in Later Greek Philosophy, in: Aristotle and the Later Tradition, edited by H. J. Blumenthal, H. Robinson (Oxford 1991) [OSAPh Suppl.] 191–205. 1029 R. Sorabji: From Aristotle to Brentano: The Development of the Concept of Intentionality, in: Aristotle and the Later Tradition,
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edited by H. J. Blumenthal, H. Robinson (Oxford 1991) [OSAPh Suppl.] 227–259. 1030 O. Ballériaux: Thémistius et le néoplatonisme. Le νοῦς παθητικός et l’immortalité de l’âme, in: Revue de philosophie ancienne 12 (1994) 171–200. 1031 S. M. Bay: Toward a New Edition of Themistius’ ‹Paraphrase of Aristotls’s ‘De anima’› (Urbana-Champaign 2004). – Dissertation University of Illinois. 1032 M. Schramm: Göttliches und menschliches Denken bei Themistios, in: RhM 151 (2008) 181–221.
Metaphysik und Theologie 1038 S. Pines: Some Distinctive Metaphysical Conceptions in Themistius’ Commentary on Book Lambda and Their Place in the History of Philosophy, in: Aristoteles: Werk und Wirkung, II, herausgegeben von J. Wiesner (Berlin, New York 1987) 177–204. 1039 G. Guldentops: La science suprême selon Thémistius, in: Revue de philosophie an cienne 19 (2001) 99–120. 1040 G. Guldentops: Themistius on Evil, in: Phronesis 46 (2001) 189–208.
Praktische Philosophie 1046 V. Valdenberg: Discours politiques de Thémistius dans leur rapport avec l’antiquité, in: Byzantion 1 (1924) 557–580. 1047 N. H. Baynes: Eusebius and the Christian Empire, in: Byzantine Studies and Other Essays, edited by R. A. Humphreys, A. D. Momigliano (London 1955) 168–172. – Zuerst erschienen in: Mélanges Bidez, II (Brüssel 1933) 13–18. 1048 G. Downey: Philanthropia in Religion and Statecraft in the Fourth Century after Christ, in: Historia 4 (1955) 199–208. 1049 G. Downey: Themistius and the Defense of Hellenism in the Fourth Century, in: HThR 50 (1957) 259–274. 1050 H. Hunger: ΦΙΛΑΝΘΡΩΠΙΑ. Eine griechische Wortprägung auf ihrem Wege von Aischylos bis Theodoros Metochites, in: AAWW 100 (1963) 1–20. 1051 G. Dagron: La notion de «loi vivante» dans l’œuvre de Thémistios, in: REG 79 (1966) XIII. 1052 G. Dagron: L’empire romain d’Orient au IVe siècle et les traditions politiques de l’hellénisme: Le témoignage de Thémistios, in: Travaux et Mémoires, Centre de re
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cherche d’histoire et civilisation byzantines 3 (1968) 1–242. 1053 L. J. Daly: Themistius’ Plea for Religious Tolerance, in: GRBS 12 (1971) 65–79. 1054 S. Calderone: Teologia politica, successione dinastica e consecratio in età costantiniana, in: Le culte des souverains dans l’empire romain. Entretiens préparés et présidés par W. den Boer (Vandœuvres/Genève 1973) [Entretiens 19] 213–269. 1055 L. J. Daly: Themistius’ Concept of φιλ ανθρωπία, in: Byzantion 45 (1975) 22–40. 1056 S. Calderone: Eusebio e l’ideologia imperiale, in: Le trasformazioni della cultura nella tarda antichità. Atti del convegno tenuto a Catania, 27 sett.–2 ott. 1982 (Rom 1985) I 1–26. 1057 O. Hiltbrunner: Philanthropie und Humanität, in: Μουσικὸς ἀνήρ. FS Max Wegner, herausgegeben von O. Brehm, S. Klie (Bonn 1992) [Antiquitas 32] 189–201. 1058 A. Brancacci: Temistio e il Cinismo, in: Elenchos 21 (2000) 381–396. 1059 Th. Gerhardt: Philosophie und Herrschertum aus der Sicht des Themistios, in: Gelehrte in der Antike. FS Alexander Demandt, herausgegeben von A. Goltz et al. (Wien, Köln 2002) 187–218. 1060 D. O’Meara: Platonopolis. Platonic Political Philosophy in Late Antiquity (Oxford 2003). 1061 P. Volpe Cacciatore: L’etica di Plutarco in un autore del IV secolo: Temistio, in: Plutarc a la seva època: paideia i societat. Actas del VIII simposio español sobre Plutarco, Barcelona, 6–8 de noviembre de 2003, editado por M. Jufresa et al. (Barcelona 2005) 849–854. 1062 P. Volpe Cacciatore: Temistio lettore di Plutarco, in: Historical and Biographical Values of Plutarch’s Works. FS Philip A. Stadter, edited by A. Pérez Jiménez, F. Bonner Titchener (Logan 2005) 487–492. 1063 M. Schramm: Freundschaft im Neuplatonismus. Politisches Denken und Sozialphilosophie von Plotin bis Kaiser Julian (Berlin 2013) [BzA 319]. 1064 M. Schramm: Platonic Political Theory in Themistios and Julian, in: Plato in the Third Sophistic, edited by R. Fowler (Berlin, Boston 2014) 131–143. Wirkungsgeschichte 1070 L. Méridier: Le philosophe Thémistios devant l’opinion de ses contemporains (Rennes 1906).
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1071 H. Kurfess: Zur Geschichte der Erklärung der aristotelischen Lehre vom sogenannten νοῦς ποιητικός und παθητικός (Tübingen 1911). 1072 M. Grabmann: Mittelalterliche lateinische Übersetzungen von Schriften der Aristoteles-Kommentatoren Johannes Philoponos, Alexander von Aphrodisias und Themistios (München 1929) [SBAW, phil.-hist. Klasse 1936, Nr. 7]. – Wieder in: Ders.: Gesammelte Akademieabhandlungen (Paderborn 1979) I 497–564. 1073 P. Wilpert: Die Ausgestaltung der aristotelischen Lehre vom Intellectus agens bei den griechischen Kommentatoren und in der Scholastik des 13. Jahrhunderts (Münster 1935) [Beiträge zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters Suppl. 3,1] 447–462. 1074 M. Grabmann: Mittelalterliche Deutung und Umbildung der aristotelischen Lehre vom νοῦς ποιητικός nach einer Zusammenstellung im Cod. B III 22 der Universitätsbibliothek Basel (München 1936) [SBAW, phil.-hist. Klasse 1936, Nr. 4]. – Wieder in: Ders.: Gesammelte Akademieabhandlungen (Paderborn 1979) I 1021–1122. 1075 F. E. Peters: Aristoteles Arabus: The Oriental Translations and Commentaries on the Aristotelian ‘Corpus’ (Leiden 1968). 1076 K. Treu: Themistios und Leibniz, in: Philologus 112 (1968) 297–302. 1077 E. P. Mahoney: Themistius and the Agent Intellect in James of Viterbo and Other Thirteenth-Century Philosophers (Saint Thomas, Siger of Brabant and Henry Bate), in: Augustiniana 23 (1973) 422–467. 1078 K. Bormann: Wahrheitsbegriff und νοῦςLehre bei Aristoteles und einigen seiner Kommentatoren, in: Studien zur mittelalterlichen Geistesgeschichte und ihren Quellen, herausgegeben von A. Zimmermann (Berlin, New York 1982) 1–24. 1079 E. P. Mahoney: Neoplatonism, the Greek Commentators, and Renaissance Aristote lianism, in: Neoplatonism and Christian Thought, edited by D. J. O’Meara (Albany 1982) 169–177, 264–282. 1080 N. J. Green-Pedersen: The Tradition of the ‹Topics› in the Middle Ages. The Commentaries on Aristotle’s and Boethius’ ‹Topics› (München, Wien 1984). 1081 J. Watt: From Themistius to al-Fārābī: Platonic Political Philosophy and Aristotle’s Rhet oric in the East, in: Rhetorica 13 (1995) 17–41.
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Viertes Kapitel
Philosophiegeschichtsschreibung, Doxographie und Anthologie
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§ 41. Allgemeines Tiziano Dorandi Die philosophische Literatur der Kaiserzeit charakterisiert sich durch ein lebendiges Interesse an der Biographie berühmter griechischer Denker und an ihren Lehren, die in kompakten und mitunter vereinfachten Zusammenfassungen dargelegt werden. Das Werk ‹Leben und Lehre berühmter Philosophen› des Diogenes Laertios (erste Hälfte des 3. Jh.s n. Chr.) ist das bedeutsamste und umfassendste Erzeugnis dieser Literaturgattung. In den zehn Büchern der ‹Leben› knüpft Diogenes an die (im Hellenismus blühende) Tradition der ‹Abfolgen der Philosophen› (Διαδοχαὶ τῶν φιλοσόφων) an und skizziert Biographien der meisten Vertreter der griechischen philosophischen Kultur, die bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben; er gliedert sie in eine Form von Lehrer-Schüler-Abfolgen, mit dem Begründer der jeweiligen Schule am Anfang. In den ‹Leben› teilt Dio genes in singulärer Weise die philosophischen Schulen in zwei große Strömungen ein: in die ionische (Bücher 1–7) und die italische Philosophie (Bücher 8–10). Die erste Strömung fängt mit Thales an und setzt sich bis zur Stoa in einer Serie von Zwischenstufen fort, die von Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras bis zu Sokrates und den Sokratikern reichen; zu Letzteren werden auch Platon und dessen Nachfolger bis Kleitomachos sowie Aristoteles mit den Mitgliedern des Peripatos bis Demetrios und Herakleides Pontikos gezählt. Es folgen die Kyniker, die über Antisthenes und Diogenes von Sinope auf die Sokratik zurückgehen, und die Stoiker von Zenon von Kition zumindest bis Chrysipp von Soloi. Die zweite Strömung beginnt mit Pythagoras und geht mit Empedokles, den Pythagoreern und Eudoxos weiter. Darauf folgen die sogenannten alleinstehenden Philosophen (οἱ σποράδην): Heraklit und Xenophanes zusammen mit Parmenides, Melissos, Zenon von Elea, Leukipp, Demokrit, Protagoras, Diogenes von Apollonia, Anaxarchos, Pyrrhon von Elis und Timon von Phleius. Mit derselben Strömung wird schließlich der Epikureismus verbunden. Ein anderes typisches Merkmal von Diogenes’ ‹Leben› ist die konstante Wiederkehr umfangreicher doxographischer Abschnitte, d. h. von mehr oder weniger ausführlichen Zusammenfassungen der Lehren der wichtigsten Philosophen oder philosophischen Schulen: der Kyrenaiker, Platons, Aristoteles’, der Kyniker, der Stoiker, der Pyrrhoneer und Epikurs. Unter diesen Abschnitten ragt jener über Epikur heraus. In der langen Lebensbeschreibung des Philosophen, die das gesamte zehnte Buch ausfüllt, gibt Diogenes, zum ersten und einzigen Mal in seinem Werk, neben einem kurzen, in zwei Abschnitte aufgeteilten doxographischen Bericht (§ 28–34: über die Kanonik; § 117–121: über den Weisen und dessen Eigenschaften) auch drei lange Lehrbriefe ungekürzt wieder, die Epikur an drei seiner Schüler gerichtet hat (an Herodot [§ 35–83: über die Physik], Pythokles [§ 84–116: über die himmlischen Phänomene] und Menoikeus [§ 122–135: über die Ethik]), außerdem eine Sammlung von vierzig ‹Hauptlehrsätzen› (§ 139–154: Κύριαι δόξαι). Wahrscheinlich geht die einzigartige und eigentümliche Strukturierung, die biographische und doxographische
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IV. Philosophiegeschichtsschreibung, Doxographie und Anthologie
Elemente vermischt, auf Diogenes selbst zurück und stellt die wichtigste Innovation seiner Geschichte der griechischen Philosophie dar. Einige Jahrhunderte später, in einem ganz anderen geographischen Gebiet und mit ganz anderen Absichten, verfasste Iohannes Stobaios (5. Jh. n. Chr.) ein ‹Anthologion› betiteltes Werk in vier Büchern, das ebenfalls von großer Wichtigkeit für die Vermittlung einiger Aspekte und Momente des antiken Denkens ist. Stobaios’ ‹Anthologion›, wie das ‹Gastmahl der Gelehrten› (Δειπνοσοφισταί) von Athenaios aus Naukratis (Ende des 2. – Anfang des 3. Jh.s), ist ein Werk, das für sich in seiner Einheit und Struktur betrachtet werden muss, indem man den Zielen, die der Verfasser sich gesetzt hatte, Rechnung trägt und es nicht bloß als einen ‘Behälter’ für Schriften anderer auffasst. Das ‹Anthologion› ist an Stobaios’ Sohn Septimios gerichtet und seiner Erziehung gewidmet. Es wurde durch byzantinische Handschriften in einer teilweise gekürzten und umgearbeiteten Form überliefert. Eine Vorstellung von der Struktur und den Inhalten der ursprünglichen Fassung des ‹Anthologion› lässt sich durch die Zusammenfassung gewinnen, die Photios (810–891) im cod. 167 seines ‹Myriobiblon› (auch ‹Bibliotheke› genannt) liefert. Gemäß Photios gliederte sich das erste Buch, nach einem Proömium, in zwei Teile. Es enthielt eine Lobrede auf die Philosophie und eine Liste der verschiedenen philosophischen Schulen; dann folgten Kapitel über metaphysische und physische Themen. Das zweite Buch behandelte die Dialektik, die Rhetorik, die Mantik und andere ethische Fragen. Das dritte war der Tugend und Untugend gewidmet. Das vierte beschäftigte sich besonders mit der Politik und der häuslichen Verwaltung. Photios bietet auch eine nach literarischen Gattungen alphabetisch geordnete Liste der von Stobaios zitierten Autoren: Es sind dies Philosophen, Dichter, Rhetoren, Historiker, Könige, Generäle und Ärzte – insgesamt eine eindrückliche Zahl von fast fünfhundert Namen. Zwar sind die Werke des Diogenes Laertios und des Iohannes Stobaios bezüglich Struktur, Inhalt und Zweck verschieden, doch geben beide eine konkrete Vorstellung von bestimmten Aspekten der Rezeption und Verwendung der griechischen Philosophie der Kaiserzeit. Diogenes’ ‹Leben› und Stobaios’ ‹Anthologion› repräsentieren zwei verschiedene, aber parallele Arten der Lektüre und Überlieferung der Klassiker des griechischen Denkens. Diese Bücher waren wahrscheinlich an ein breiteres Publikum gerichtet, das weniger Vorbildung besaß als jenes, für das die monographischen Werke über einzelne philosophische Fragen oder die langen und gelehrten Kommentare der Neuplatoniker zu Platons Dialogen und Aristoteles’ Traktaten gedacht waren; ein Publikum freilich, das stets nach vergangenem Wissen suchte. Als solche verdienen beide Werke eine eigene Behandlung, die ihre Inhalte herausstellt, ihre Charakteristiken bestimmt und ihre Wichtigkeit für die moderne Historiographie der antiken Philosophie würdigt. Das vorliegende Kapitel ist parallel zu den Abschnitten über die doxographische Tradition und über die Biographien im Grundriss, Antike I, I 150–174 (unter Ergänzung der Beobachtungen von Mansfeld 2015 [*1: 334]) und 175–181 (vgl. auch oben § 2.) zu lesen. Aus dem Italienischen übersetzt von Camille Semenzato in Zusammenarbeit mit Severin Hof.
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§ 42. Diogenes Laertios (Bibl. 479–483)
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§ 42. Diogenes Laertios Tiziano Dorandi
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Wir wissen nichts über Diogenes Laertios’ Leben und seine Person. Seine Lebensdaten müssen anhand jener von Sextus Empiricus bestimmt werden, der in Diogenes’ ‹Leben› (9, 116) gemeinsam mit seinem Schüler Satorninos zitiert wird. Jouanna 2009 [*114] bezieht außerdem auch ein Zeugnis aus dem ‹Corpus Galenicum› mit ein. Am wahrscheinlichsten ist eine Datierung in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Was die geographische Herkunft und die Bedeutung des Namens betrifft, hat Masson 1995 [*91] (einen Vorschlag von Gilles Ménage [1664] in Hübner 1830 [*14: 147–148] wiederaufnehmend) vorgeschlagen, dass das Adjektiv Laertios von der Stadt Laertes in Kilikien abgeleitet sein könnte, wo er demnach geboren wäre (die Stadt liegt nicht weit weg von Korakesion, heute Alanya in der Türkei). Gemäß Wilamowitz 1880 [*44] wäre der Name Diogenes Laertios hingegen nichts anderes als ein Spitzname, der auf das homerische Epitheton von Odysseus διογενὲς Λαερτιάδη (Homer, ‹Ilias› 2,173; 4,358 usw.) anspielt. Aus der Tatsache, dass in D. L. 9,109 Apollonides aus Nikaia als «der von uns» (ὁ παρ᾽ ἡμῶν) bezeichnet wird, schließt Reiske in Diels 1889 [*46: 324–325], dass Diogenes aus Nikaia in Bithynien stammte, indem er die Formel ὁ παρ᾽ ἡμῶν im Sinne von «unser (Landsmann)» (ὁ ἡμέτερος) interpretiert. Die Formel ὁ παρ᾽ ἡμῶν ist jedoch zweideutig, und so versteht sie Schwartz 1903 [*47: 761] im Sinne von «unser Sektengenosse» und schloss daraus auf Diogenes’ Zugehörigkeit zum Skeptizismus (Apollonides wird nämlich als Kommentator der ‹Silloi› von Timon von Phleius zitiert). Unwahrscheinlich ist die Idee von Wilamowitz 1881 [*45: 32] und Usener 1914 [*48], dass Diogenes die Formel ὁ παρ᾽ ἡμῶν direkt von seiner Quelle abgeschrieben habe, die Usener mit Nikias aus Nikaia identifizierte, dem Autor der ‹Philosophen-Diadochai› (Διαδοχαὶ τῶν φιλοσόφων). Mejer 1978 [*57: 46 Anm. 95] gibt der Formel ὁ παρ᾽ ἡμῶν den Sinn von «meiner Familie angehörend», unter Verweis auf die Verwendung dieses Ausdrucks in NT Markus 3,21. Schließlich kehrt Mansfeld 1986 [*68: 300–301] mit Blick auf eine Stelle des platonischen ‹Sophistes› (242d5, wo er die Lesart παρ᾿ ἡμῶν anstelle von παρ᾿ ἡμῖν vorzieht) zur Hypothese von Reiske zurück und geht somit von einer Herkunft des Diogenes aus der Stadt Nikaia aus. Falls Diogenes tatsächlich in einer kleinen bithynischen Stadt gelebt haben sollte, könnte dies erklären, warum er eine eher begrenzte
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Kenntnis von den Entwicklungen der philosophischen Schulen und besonders des Aristotelismus und des Platonismus der Kaiserzeit hatte. Goulet-Cazé 1999 [*24: 13] betont jedoch zu Recht, dass eine endgültige Lösung für das Problem noch nicht gefunden worden ist. 2. WERKE
‹De clarorum philosophorum vitis et dogmatibus libri decem› Λαερτίου Διογένους Βίοι καὶ γνῶμαι τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ εὐδοκιμησάντων καὶ τῶν ἑκάστῃ αἱρέσει ἀρεσκόντων ἐν ἐπιτόμῳ συναγωγή – ‹Des Laertios Diogenes Leben und Meinungen der berühmten Philosophen sowie knappe Zusammenstellung der Lehren jeder Schule› Diogenes Laertios hat sowohl das mit ‹Leben und Lehren berühmter Philosophen› betitelte Werk in zehn Büchern als auch eine (teilweise verlorene) Gedichtsammlung mit dem Titel ‹Vermischte Gedichte› (Πάμμετρος) verfasst. Die ‹Leben› sind einer Frau gewidmet, die als «Platon-Liebhaberin» (φιλοπλάτων) vorgestellt wird (3,47; vgl. 10,29), deren Identität jedoch unbekannt bleibt. Der Werktitel wird durch die Handschriften nicht einheitlich überliefert. Die wahrscheinlichste Form ist die (mit dem im Codex B verlorenen Titel möglicherweise identische) ursprüngliche Lesart des Codex P, die oben aufgeführt ist. Im Codex F variiert der Titel leicht: ‹Das erste von den zehn Büchern des Diogenes Laertios über Leben und Meinungen der berühmten Philosophen sowie die Lehren jeder Schule› (Λαερτίου Διογένους Βίων καὶ γνωμῶν τῶν ἐν φιλοσοφίᾳ εὐδοκιμησάντων καὶ τῶν ἑκάστῃ αἱρέσει ἀρεσάν των τῶν εἰς δέκα τὸ πρῶτον). Es ist unbekannt, welche der beiden Versionen (und ob überhaupt eine der beiden) auf Diogenes selbst zurückgeht. Diogenes’ ‹Leben› stellen eine umfangreiche Geschichte der griechischen Philosophie von den Anfängen bis zum Beginn des 1. Jahrhunderts v. Chr. dar. Offenkundig zeigt Diogenes kein Interesse für die Philosophie der Kaiserzeit und kennt (oder berücksichtigt) weder den Neuplatonismus noch den Neupythagoreismus. Das Werk besteht aus zehn Büchern und ist wie folgt aufgebaut: Das erste Buch wird von einem Prolog (1,1–21) eröffnet, in dem Diogenes den Ursprung der Philosophie, die Unterscheidung zwi-
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schen Weisen und Philosophen und die Abfolge der philosophischen Schulen in zwei großen Linien bespricht: in jener der ionischen Philosophie (der die Bücher 1–7 gewidmet sind) und in jener der italischen Philosophie (der die Bücher 8–10 gelten); danach schlägt er eine Einteilung der Philosophie in drei Bereiche vor: Physik, Ethik und Dialektik. Schließlich zählt er die zehn philosophischen Hauptschulen auf (vgl. Gigon 1960 [*54], Sassi 1994 [*89] und 2011 [*118]). Die Fortsetzung des Buches ist bemerkenswerterweise der Tradition der sieben Weisen gewidmet: Thales, Solon, Chilon, Pittakos, Bias, Periander, Anacharsis, Myson, Epimenides und Pherekydes (vgl. Goulet 2001 [*96] und [*97] sowie Dührsen 1994 [*86]). Mit dem zweiten Buch beginnt die Vorstellung der Philosophen, die zur ionischen Schule gehören. Die Protagonisten dieses Buches sind Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Archelaos, Sokrates und die Sokratiker (Xenophon, Aeschines, Aristipp, Phaidon, Eukleides, Stilpon, Kriton, Simon, Glaukon, Simmias, Kebes und Menedemos von Eretria). Wichtig ist die in der Vita von Aristipp enthaltene Doxographie über die Schule von Kyrene. Diogenes unterscheidet dort zwischen dem Denken des Hegesias, Annikeris, Theodoros und ihrer Anhänger (vgl. allgemein Narcy, Goulet-Cazé 1999 [*26] sowie Giannantoni 1986 [*64] und 1992 [*80]). Das dritte Buch ist allein Platon gewidmet. Der eigentlichen Biographie folgt eine Diskussion über die Unterteilung der Dialoge in Tetralogien und über ihre Titel in der Katalogversion von Thrasyllos sowie eine knappe Zusammenfassung der Lehre, die von einer mittelplatonischen Lesart seines Denkens unter hauptsächlicher Konzentration auf den ‹Timaios› geprägt ist. Das Buch endet mit einer Sammlung von Aristoteles zugeschriebenen platonischen ‹Divisiones› (Διαιρέσεις, ‹Unterteilungen›: 3,80–109; vgl. Gigon 1986 [*66], Brisson 1992 [*76] und 1999 [*27]; über die platonische Doxographie und ihre Quellen Untersteiner 1970 [*55] mit den Bemerkungen von Centrone 1987 [*71], zu den Διαιρέσεις Grundriss, Antike III,
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§ 42. Diogenes Laertios (Bibl. 479–483)
96f.; diese werden auch in mehreren parallelen Fassungen in byzantinischen Handschriften überliefert: vgl. Rossitto 22005 [*100], Dorandi 2016 [*130] mit einer neuen Edition aller Rezensionen). Im vierten Buch wird die Vorstellung der Akademie anhand der Nachfolger Platons von Speusipp bis Kleitomachos fortgesetzt: Xenokrates, Polemon, Krates, Krantor, Arkesilaos, Lakydes und Kleitomachos. Seltsam mag der Einschub der Bibliographie von Bion von Borysthenes nach jener von Arkesilaos (4,46–58) in diesem Buch erscheinen. Die Biographien von Speusipp und Xenokrates enthalten detaillierte Listen ihrer Werke (zu den häufigen Bücherlisten in Diogenes’ Werk vgl. Dorandi 2013 [*120], allgemein Dorandi 1992 [*79] und 1999 [*28], für die Vita des Arkesi laos Long 2006 [*102], für die Bion-Vita Kindstrand 1976 [*56]). Das fünfte Buch ist Aristoteles und dem frühen Peripatos gewidmet: Theophrast, Straton, Lykon, Demetrios von Phaleron und Herakleides aus Herakleia am Pontus. Diogenes folgt einer Quelle, die Herakleides als einen Peripatetiker betrachtete und ihn also von der akademischen Tradition trennte. Der größte Teil dieser Biographien wird von Bücherkatalogen vervollständigt. Diogenes überliefert auch die Testamente von Aristoteles, Theophrast, Straton und Lykon (wie er es für Platon gemacht hatte und auch für Epikur machen wird). Interessant ist schließlich die kurze Doxographie des aristotelischen Denkens, die bezüglich der tatsächlichen Kenntnisse, die Diogenes von Werk und Lehre des Stagiriten hatte, überraschen mag (vgl. unten 3.; allgemein Moraux 1986 [*69], Sollenberger 1992 [*84], Narcy 1999 [*29]). Mit dem sechsten Buch geht Diogenes zum Kynismus über. Das Buch beginnt mit Antisthenes’ ‹Leben›, das durch einen detaillierten Katalog seiner Schriften erweitert ist. Es folgt die Vita des Diogenes von Sinope, die sich durch eine geballte Fülle von Anekdoten und Chrien des Philosophen auszeichnet, denen eine Schlüsselrolle als Dokumente für die Definition des Denkens des kynischen Philosophen zukommt. Der anschließende Teil des Buches fährt mit Diogenes’ Schülern fort: Monimos, Onesikritos, Krates, Metrokles, Hipparchias und den zwei anderen Kynikern Menippos und Menedemos. Die Schlussabschnitte enthalten eine knappe Doxographie des kynischen Denkens (vgl. Goulet-Cazé 1992 [*81], 1999 [*30] und 2003 [*98], Gugliermina 2006 [*101]; über die Tradition der Chrien Kindstrand 1986 [*67], Usher 2009 [*115], Dorandi 2014 [*124]). Das umfangreiche siebte Buch (durch mechanischen Verlust am Ende verkürzt überliefert) ist
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Zenon von Kition und den Stoikern bis Chrysipp gewidmet, mit Ariston, Herillos, Dionysios, Kleanthes und Sphairos als Zwischenstufen. Wie es scheint, schloss das Buch auch spätere Stoiker ein, wobei es sich bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. erstreckte. Der mittlere Teil von Zenons ‹Leben› (7,38–160) enthält eine detaillierte Darstellung der in die drei kanonischen Abschnitte Logik (7,41– 83), Ethik (7,83–131) und Physik (7,132–160) eingeteilten stoischen Lehre. Diese Abschnitte sind meist die einzige erhaltene antike Quelle für spezifische Aspekte der stoischen Lehren. Chrysipps ‹Leben› schloss einen langen Katalog seiner Schriften ein, der durch eine Lücke unterbrochen wird, die bereits am Ende der Antike zu dessen Verlust geführt hat (vgl. Mansfeld 1986 [*68], Verbeke 1986 [*70], Hahm 1992 [*82], Goulet 2006 [*35: 153–174]; zum Katalog der Schriften Chrysipps Barnes 1996 [*92], P. Hadot 2000 [*95]). Der Übergang von der ionischen zur italischen Schule erfolgt zu Beginn des achten Buches: «Nachdem wir von Thales her die ionische Philosophie und ihre bedeutenden Männer behandelt haben, wollen wir jetzt die italische Philosophie durch gehen» (8,1; wo nicht anders vermerkt, stammen die Übersetzungen von Jürß 1998 [*23]). Das Buch wird mit Pythagoras’ Biographie eröffnet (Laks 2013 [*123] und 2014 [*125]). Es folgen Empedokles’ Leben, das reich an Zitaten aus seinen Gedichten ist, und die kurzen Skizzen zu Epicharm, Archytas, Alkmaion, Hippasos, Philolaos und Eudoxos (vgl. Centrone 1992 [*77], Balaudé, Brisson 1999 [*31]; zu Eudoxos’ ‹Leben› Gysembergh 2013 [*122]). Das neunte Buch ist den sogenannten alleinstehenden Philosophen (οἱ σποράδην) vorbehalten: Heraklit und Xenophanes. Es folgen die ‹Leben› von Parmenides, Melissos, Zenon von Elea, Leukipp, Demokrit, Protagoras, Diogenes von Apollonia, Anaxarchos, Pyrrhon von Elis und Timon von Phleius. In Diogenes’ Darstellung sind Philosophen sozusagen vermischt, die in der modernen philosophischen Historiographie mit drei verschiedenen Schulen in Verbindung gebracht werden: Eleaten, Atomisten und pyrrhoneische Skeptiker. In Demokrits ‹Leben› ist die (wie diejenige Platons im dritten Buch) von Thrasyllos (1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.) angefertigte Liste seiner Schriften ausgeschrieben; in der Vita Leukipps lesen wir einen synthetischen doxographischen Bericht über seine Lehre. Wichtig ist besonders die lange Doxographie über das skeptische Denken, die Pyrrhons ‹Leben› ergänzt. Diese Seiten bilden zusammen mit den Schriften des Sextus Empiricus die zwei vollständigsten Behandlungen des skeptischen Denkens, wobei sich diese in be-
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deutenden Punkten berühren, aber auch voneinander abweichen (vgl. Barnes 1992 [*74], Decleva Caizzi 1992 [*78], Brunschwig 1999 [*32]; für die Doxographie siehe auch Vogt 2015 [*38]). Das zehnte und letzte Buch der ‹Leben› hat eine singuläre Struktur. Es ist, wie Buch 3 (Platons Leben), einem einzigen Philosophen gewidmet: Epikur. Die Darstellung von Epikurs Leben mit einer Liste von ausgewählten Schriften und seinem Testament befindet sich am Anfang des Buches (10,1–28). Es folgt eine kurze Darlegung der epikureischen Lehre (10,28–34), die sich besonders auf die Kanonik konzentriert. Der Rest des Buches überliefert vier doktrinäre Texte Epikurs, die Diogenes in ihrer Gesamtheit wiedergibt: den ‹Brief an Herodot› (10,35–83) mit einer Darlegung der Physik; den ‹Brief an Pythokles› über die Himmelsphänomene (10,84–116); den ‹Brief an Menoikeus› über die Ethik (10,122–138) und schließlich vierzig ‹Hauptlehrsätze› (10,139– 154), eine Reihe synthetischer Maximen Epikurs und anderer Epikureer der ersten Generation, die sich unter anderem auf Ethikfragen und die Rechtsphilosophie beziehen. In den wenigen Abschnitten (10,117–121) zwischen dem ‹Brief an Pythokles› und dem ‹Brief an Menoikeus› findet sich eine ethische Doxographie über den epikureischen Weisen und seine Attribute. Seit Gassendi (1592–1655) wird das zehnte Buch oft unabhängig vom Rest der ‹Leben› gelesen. Es wurde von allen, die sich mit dem Epikureismus beschäftigt haben, getrennt herausgegeben, übersetzt, kommentiert und studiert. Tatsächlich bleibt es neben den fragmentarischen Resten der Papyri von Herculaneum eine der Hauptquellen – stellenweise auch die einzige Quelle – für die Rekonstruktion der Lehre des Kepos (vgl. Verde 2015 [*128]). Diese spezifische Situation hat ein Herausgeber des Diogenes Laertios, der anderen Kriterien und Methoden folgen wird als einer, der eine Edition von Epikurs Schriften in Angriff nimmt, zu berücksichtigen (vgl. Dorandi 2010 [*117], Lapini 2015 [*127]). Die Handschriften der ‹Leben› sind von Dorandi 2009 [*112: 1–37] und 2013 [*36: 1–10] katalogisiert worden. Die ältesten Zeugnisse, die das Werk vollständig überliefern, sind die drei folgenden Codices: Neapel, Neapolitanus III B 29 (12. Jh.) = B; Paris, Parisinus graecus 1759 (11./12. Jh.) = P; und Florenz, Laurentianus 69.13 (13. Jh.) = F. Zu diesen gesellen sich die zwei vom Codex Vaticanus graecus 96 (12. Jh.) überlieferten Ausschnittssammlungen (Φ, Φh) und eine dritte (mit wenigen Abschnitten des dritten Buches) aus Wien, Vindobonensis phil. graecus 314 (28. Juli 925) = Vi.
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Wichtig ist auch der Beitrag der indirekten Überlieferung, der insbesondere aus den vielen Zitaten der ‹Leben› in Werken der spätantiken oder byzantinischen Literatur besteht: der ‹Suda› (um 975–980), der ‹Anthologia Palatina› (im 10. Jh. angefertigt) und der ‹Anthologia Planudea› (von Maximos Planudes um 1255–1305 zusammengestellt). Die Übereinstimmung von B, P und F erlaubt oft, den Text des gemeinsamen Hyparchetyps Ω zu rekonstruieren. Begrenzter sind dagegen die Fälle, in denen es gelingt, bis zu Χ (dem spätantiken Archetyp), der Vorlage von Ω, Φ und den ‘excerpta Byzantina’, zurückzugelangen, weil diese zu begrenzte Textstücke bewahren. Diogenes Laertios hatte keine Zeit, sein posthum veröffentlichtes Werk in allen seinen Einzelheiten durchzusehen. Fehler und Widersprüche können jedoch nicht immer mit der Theorie des ‘opus imperfectum’ erklärt werden. In den Jahrhunderten zwischen der Publikation der ‹Leben› und der Entstehung des spätantiken Archetyps drangen zweifellos zusätzliche Fehler in den Text ein. Außerdem hat der Text verschiedentlich Schaden genommen, wobei der Verlust des letzten Teils des siebten Buches der offensichtlichste ist.
‹Epigramme› bzw. ‹Pammetros› Ἐπιγράμματα bzw. Πάμμετρος – ‹Epigramme› bzw. ‹[Buch mit Versen] in verschiedenen Versmaßen› Das Werk, das wahrscheinlich der Abfassung der ‹Leben› voranging, ist größtenteils verloren. Doch hat Diogenes 52 Gedichte aus dieser Sammlung in die ‹Leben› aufgenommen. Soweit es sich dem Zeugnis von Diogenes selbst (1,39. 63) entnehmen lässt, umfasste das Werk mindestens zwei Bücher, in denen Diogenes verschiedene poetische Gattungen in unterschiedlichen Metren vereinigt hatte (Dorandi 2013 [*36: 873–875]). Die Gestalt des Titels ist unsicher. Gigante 1994 [*88: 245] hat (ohne zwingende Gründe) vorgeschlagen, Παμμέτρῳ (1,39) in Παμμέτρου zu korrigieren, und daraus abgeleitet, dass der Titel Πάμμετρος (miteingeschlossen βίβλος oder συναγωγή) von Diogenes im Nachhinein eingesetzt und dem anderen gängigeren, aber ein seitigen Titel Ἐπιγράμματα vorgezogen wurde. Πάμμετρος hätte in diesem Fall nicht das erste Buch bezeichnet, sondern die ganze Sammlung, die sich aus mindestens zwei Büchern zusammensetzte. Was das Verhältnis zwischen den ‹Epigrammen› und den ‹Leben›, die Originalität und die Qualitäten des Diogenes als Dichter betrifft,
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schwanken die Einschätzungen. Kolář 1955 [*52] und 1959 [*53] hat versucht, Diogenes’ poetische Qualitäten aufzuwerten, indem er die Tatsache hervorhob, dass dieser fähig gewesen sei, Verse in denselben Metren zu verfassen, die Horaz in seinen ‹Epoden› verwendet hatte (mit Ausnahme der dreizehnten Epode). Für Gigante 1984 [*62] und 1986 [*65: 35–38] war zunächst der Tod berühmter
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(ἐλλόγιμοι) Philosophen Gegenstand von Diogenes’ Gedichten, danach auch deren Leben und Lehre. Darin lässt sich die Originalität des Dio genes erkennen, die sich auch in der Vermischung der dichterischen ‹Epigramme› in den ‹Leben› zeigt (vgl. Bollansée 1999 [*94: 227–232], Casantini 2007 [*103], Di Marco 2007 [*104], Casantini 2008 [*107], Di Marco 2009 [*111] sowie 2010 [*116]).
3. LEHRE
Die erste Frage, die sich stellt, ist jene bezüglich Diogenes’ Zugehörigkeit zu einer bestimmten Philosophenschule. Eine einstimmige und definitive Antwort darauf ist unmöglich. Man hat angenommen, dass Diogenes ein Skeptiker war (Schwartz 1903 [*47: 761]) oder ein Epikureer (Wilamowitz 1880 [*44: 162] und 1881 [*45: 321]). Vermutlich aber hat Diogenes kein philosophisches Credo vertreten, sondern war ein Gebildeter mit einem ausgeprägten Interesse für die Philosophie ohne fundierte fachliche Vorbildung (Gigante 52002 [*19: XV]). Bevor er sich der Abfassung der ‹Leben› widmete, war Diogenes als Dichter tätig und hatte die ‹Epigramme› verfasst. Das Niveau von Diogenes’ philosophischen Kenntnissen mag erstaunen. Einige seiner Beobachtungen scheinen zumindest merkwürdig, bisweilen sogar kurios. Die ‹Leben› werden mit der Behauptung eröffnet, die Ursprünge der Philosophie seien, entgegen der Annahme einiger Gelehrter, hauptsächlich griechisch: «Das philosophische Studium sei, so sagen einige Autoren, bei den Nichtgriechen entstanden […]. Doch diese Leute machen sich etwas vor, wenn sie den Nichtgriechen die Leistungen der Griechen zuschreiben, die nicht nur die Philosophie, sondern auch die Bildung der Menschheit begründet haben» (1,1–3). In den ‹Leben› werden weder Plotin noch Porphyrios noch die späteren Neuplatoniker und nicht einmal die Neupythagoreer und der Neupythagoreismus erwähnt; immerhin sind dort Namen von Philosophen vom Ende des 2. und auch Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. zitiert. Diogenes’ Kenntnisse bezüglich der Geschichte gewisser Philosophenschulen sind gleichermaßen beschränkt, wenn es um die Chronologie geht. So schließt die Geschichte der Akademie beispielsweise mit Kleitomachos von Karthago (1. Jh. v. Chr.) ohne jeglichen Hinweis auf Philon von Larissa und Antiochos von Askalon (beide lebten zwischen dem 2. und dem 1. Jh. v. Chr.). Jene des Peripatos geht hingegen nicht über Lykon von Troas hinaus (der zwischen dem 3. und dem 2. Jh. v. Chr. gelebt hat). Dies alles lässt sich unter der Annahme erklären, dass Diogenes veraltete Quellen zur Hand gehabt und nicht über aktuelles Material verfügt habe. Man kann freilich ebensowenig eine bewusste Auswahl und ein Desinteresse an der zeitgenössischen Welt und Kultur ausschließen. Diogenes ist im Besonderen am Ruhm der Philosophen interessiert, deren biographische Wechselfälle er beschreibt und deren Lehren er darlegt. Er zeigt einen gewissen Respekt gegenüber allem, was alt ist, und hat die Tendenz, das traditionelle und kanonische Denken der einzelnen Philosophenschulen, die er berück-
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sichtigt, vorzuziehen, ohne etwaige abweichende Strömungen zu übergehen (beispielsweise jene des Stoikers Ariston von Chios). Ein anderes Charakteristikum seiner Biographien ist seine unersättliche Neugierde, die er für Anekdoten und Details zeigt: Meist verweist er auf sie, ohne persönliche Urteile auszudrücken, so wie er auch die philosophischen Theorien nicht kritisiert, die er darstellt. Mit systematischem Geist und gleichsam farbloser Objektivität scheint sich Diogenes damit zu begnügen, unermüdlich Abfolgen von Philosophen zu klassifizieren und deren Lehre zusammenzufassen. Er erweist sich als Gelehrter mit enormer Wissbegierde, der gerne seiner Freude über die Entdeckung eines seltenen Textes wie den doktrinären Schriften Epikurs Ausdruck gibt (10,28–29; vgl. Goulet-Cazé 1999 [*24: 14–15]). Nietzsche (Glau 2003 [*99: 39]) definierte Diogenes als den «Nachtwächter der grie[c]hisch[en] Philosophiegeschichte man kann nicht in sie hinein, ohne dass einem nicht von ihm der Schlüssel gegeb[en] wird», aber auch als den «tölpelhafte[n] Wächter […] der Schätze hütet, ohne ihren Werth zu kenn[en]» (Barnes 1992 [*74], Dorandi 2013 [*121]). In der Schatzkammer des Diogenes finden sich Epikurs drei Briefe an Herodot, an Pythokles und an Menoikeus und seine 40 ‹Hauptlehrsätze› (10,35–116. 122–154). Ohne diese Zeugnisse wären unsere Kenntnisse von Epikurs Lehre bis zur Entdeckung und Dechiffrierung (die noch immer unsicher und unvollständig ist) von Epikurs Hauptwerk ‹Über die Natur› (Περὶ φύσεως) in 37 Büchern, soweit es noch erhalten ist, und der Schriften anderer Epikureer (Polystratos, Demetrios Lakon, Philodem) in den Papyri von Herculaneum recht begrenzt gewesen. Abgesehen von spärlichen Fragmenten, die in der indirekten Überlieferung zu finden sind, hätten wir uns als Zeugnis mit Lukrez’ Gedicht ‹De rerum natura› (‹Über die Natur›) und einigen philosophischen Schriften Ciceros, Senecas und Plutarchs zufrieden geben müssen. Die Schriften Ciceros und Plutarchs wiederum sind mit angezeigter Vorsicht zu benutzen, wenn man die Abneigung jener Autoren der epikureischen Lehre gegenüber bedenkt. Diogenes ist sich des Werts der Texte bewusst, die er entdeckt hat und die er niederschreibt, um sie der «Platon-Liebhaberin» (ϕιλοπλάτων) zu präsentieren, an die er sich schon früher gewandt hat (3,47): «Was er in diesen Schriften lehrt, will ich durch Mitteilung jener drei Briefe von ihm darstellen, wo er seine Philosophie skizziert. Zitieren werde ich auch seine ‹Hauptlehrsätze› und was sonst noch zu erwähnen wichtig scheint, damit du den Mann gründlich begreifst und auch zu beurteilen weißt» (D. L. 10,28–29; vgl. 10,138). Das Gesagte trifft gleichermaßen auch auf viele Aspekte der fragmentarischen vorsokratischen Philosophie zu. Zahlreiche Texte dieser Philosophen werden ausschließlich von Diogenes zitiert: der erste Vers von Empedokles’ Gedicht ‹Über die Natur› (Περὶ φύσεως; D. L. 8,61 = 31 B 1 DK); die Fragmente Heraklits «Vielwisserei erzeugt keine Intelligenz; sonst hätten sie Hesiod, Pythagoras, Xenophanes und Hekataios gehabt» und «Man muss Hybris mehr bekämpfen als einen Brand […]. Das Volk muss das Gesetz ebenso verteidigen wie die Stadtmauer» (D. L. 9,1–2 = 22 B 40–41 und 43–44 DK). Oder auch die ersten Worte des Buches ‹Über die Natur› (Περὶ φύσεως) des Pythagoreers Philolaos von Kroton: «Das Wesen der
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Welt ist zusammengefügt aus Unbegrenztem und Begrenzendem, und der ganze Kosmos und alles darin ist dadurch konstituiert» (D. L. 8,85 = 44 B 1 DK). Es kommt indes auch vor, dass die Informationen, die Diogenes liefert, Entsprechungen in anderen antiken Quellen finden. In solchen Fällen ist es möglich, dass sich die Zeugnisse gegenseitig erhellen bzw. dass das eine oder das andere Zeugnis die Lehre eines bestimmten Philosophen oder einer spezifischen Denkrichtung in einer plausibleren Art und Weise wiedergibt. Nimmt man als Beispiel die skeptisch-pyrrhoneische Doxographie in der Fassung des Diogenes (9,70–108), findet sie eine wichtige Parallele im ‹Grundriss des Pyrrhonismus› (Πυρρωνείαι ὑποτυπώσεις) und in den Büchern ‹Gegen die Gelehrten› (Πρὸς μαθημαθικούς) und ‹Gegen die Dogmatiker› (Πρὸς δογματικούς) des Sextus Empiricus. Wenn man die Schlussfolgerung von Janáček 2008 [*108] akzeptiert, ist die von Diogenes überlieferte Version die am vertrauenswürdigsten. Doch hat Barnes 1992 [*74] diese Hypothese kritisiert, und neueste Studien haben eine sehr viel nuanciertere Realität ans Licht gebracht (Vogt 2015 [*38]). Während Diogenes’ Abschnitte für die skeptische Doxographie in den Werken des Sextus Empiricus eine Parallele finden, ist die lange und detaillierte Präsentation des Stoizismus (7,39–160) weitgehend die einzige antike Quelle, die uns eine Vorstellung von der Philosophie der Stoa vermittelt. Diogenes fügt diese Doxographie mitten in die Vita Zenons (7,38–39), des Gründers der Schule, ein: «Nun folgen die gemeinsamen Lehren, die, wie wir es auch sonst immer gemacht haben, nur in den Hauptpunkten dargestellt werden.» Diogenes beginnt mit der Präsentation der drei Gebiete, in welche die Stoiker die Philosophie teilen: «Sie [sc. die Stoiker] gliedern die Lehre in drei Teile: Naturphilosophie, Ethik, Logik.» Auf den folgenden Seiten ändert Diogenes die Reihenfolge der drei Teile und beginnt die Darstellung der stoischen Lehre mit der Logik, der er die Ethik und die Naturphilosophie folgen lässt. In dieser wie in den anderen Doxographien, die sich in den ‹Leben› finden, fügt Diogenes (wahrscheinlich nur in indirekter Weise) unzählige Verweise auf die Bücher der Lehrmeister der Stoa ein, von Zenon bis Panaitios und Poseidonios. Nach einer knappen Darstellung der Logik zitiert Diogenes (7,48) als Ergänzung einen Auszug aus dem Werk ‹Kurzfassung der Philosophenlehren› (Ἐπιδρομὴ τῶν φιλοσόφων) des Diokles von Magnesia (2. Jh. v. Chr.), dessen Umfang schwer zu bestimmen ist. Das siebte Buch der ‹Leben› schließt heute mit einer (aufgrund einer Lücke unvollständigen) Liste der Schriften des Philosophen Chrysipp, die noch die Werke der Logik und den Anfang der Werke der Ethik enthält. Sehr viel problematischer ist die kurze Zusammenfassung der Philosophie des Aristoteles (5,27–34). Die Präsentation gliedert sich in vier Teile: 1) Die Einteilung der Philosophie des Aristoteles (5,28); 2) die Logik (5,28–29); 3) die Ethik (5,30–31), und 4) die Physik (5,32–34). Auch wer nur einen begrenzten Einblick in die aristotelische Philosophie hat, dürfte ins Staunen geraten. Der einzige Satz, der eine Parallele im aristotelischen Corpus findet, ist jener, der die Definition der Seele enthält (5,32): «Auch die Seele sei unkörperlich und die erste Entelechie eines natürlichen, organischen und lebensfähigen Körpers.» Tatsächlich ist diese Definition der Seele das Resultat
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der Zusammenlegung von zwei Formulierungen, die in Aristoteles’ ‹Über die Seele› (Περὶ ψυχῆς) stehen: «Die Seele ist die erste Entelechie eines natürlichen Körpers, der lebensfähig ist» (Β 1, 412a27–28), und dieser natürliche Körper ist «ausgestattet mit Organen» (412b5–6). Ansonsten wurde nicht nur das Denken des Stagiriten extrem synthetisiert, sondern in gewissen Punkten entsteht auch der Eindruck, dass ihm Lehren zugewiesen werden, die ihm fremd sind. Um dies zu belegen, genügt es, die wenigen Zeilen zu lesen, die Aristoteles’ Lehre der Logik (5,28–29) zusammenfassen. Der Logik habe der Stagirit das doppelte Ziel gesetzt, «das Wahrscheinliche (πιθανόν) und das Wahre (ἀληθές) deutlich zu machen. Jedem Ziel ordnet er zwei Disziplinen zu: dem Wahrscheinlichen die Dialektik und Rhetorik, dem Wahren die Analytik und die Philosophie, wobei er alles e rfasst, was sich auf die Auffindung (εὕρεσις), die Beurteilung (κρίσις) und den Gebrauch (χρῆσις) bezieht. Für die Auffindung hat er die ‹Topik›, die ‹Methodik› und eine Fülle von Prämissen herausgebracht, die, wenn es um Wahrscheinlichkeitsargumente geht, gute Dienste leisten. Für die Beurteilung verfasste er die ‹Erste Analytik› und die ‹Zweite Analytik›. In der ersten werden die Prämissen analysiert, in der zweiten die Schlüsse. Zum praktischen Gebrauch (χρῆσις) sind die Regeln für Disputationen, für Frage- und Antwortverfahren, für sophistische Widerlegung, Syllogismen und Änliches. Wahrheitskriterium (κριτήριον τῆς ἀληθείας) dessen, was Vorstellungen leisten, war für ihn die Wahrnehmung; für das Ethische, welches Polis, Hauswirtschaft und Gesetze betrifft, die Vernunft.» In der Vergangenheit haben Wissenschaftler diese Doxographie in mehreren Punkten zu Unrecht korrigiert und manipuliert, um sie ‘kohärenter’ mit dem aristotelischen Denken zu machen. In Wirklichkeit präsentiert Diogenes hier eine Zusammenfassung der Lehre des Aristoteles, die er in einem viel älteren Werk gefunden hat, das aus dem späten Hellenismus stammte (offensichtlich vor Andro nikos von Rhodos: vgl. Moraux 1986 [*69: 286]). Der Text zeigt an sich eine starke Kohärenz, und einige (nur scheinbare) Eigenheiten lassen sich leicht erklären, wenn man annimmt, dass die von Diogenes benutzte Quelle vom Stoizismus beeinflusst war (Bodéüs 1995 [*90]). Diogenes’ Seiten – ähnlich wie jene des Sextus Empiricus über das stoische «Kriterium» (κριτήριον) in Adv. math. 7,217–226 – geben eine Vorstellung von einer viel ‘volkstümlicheren’ Art der Deutung des aristotelischen Denkens, die im Zeitalter des Späthellenismus geboren wurde, aber mindestens bis ins 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. andauerte, einer Periode, in der die Kommentatoren von Aristoteles sehr aktiv waren. Man gewinnt den Eindruck eines Rückwärtssprungs von mindestens drei Jahrhunderten im Vergleich zur Epoche, in der Sextus und Diogenes gelebt haben (Dorandi 2007 [*105] und 2016 [*129: 291–296]). Damit soll indes kein Werturteil über die intellektuellen und historiographischen Fähigkeiten des Diogenes und Sextus Empiricus gefällt werden. Wenn man die Texte dieser Autoren ohne Vorurteile liest und historisch interpretiert, erkennt man leicht die in ihnen bewahrten Perlen und erhält einen Zugang, der für eine vertiefte Kenntnis und ein breiteres Verständnis der Geschichte der griechischen Philosophie unentbehrlich ist.
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4. NACHWIRKUNG
Diogenes’ ‹Leben› hatten eine geringe Verbreitung in der antiken Welt. Erwähnt werden sie von einem gewissen Sopatros, dem Autor der ‹Verschiedene Auszüge› (Ἐκλογαὶ διάϕοροι, zitiert von Photios in Bibl. cod. 104a2) und von Stephanos von Byzanz (6. Jh. n. Chr.). Die ‹Leben›, die in der ‹Bibliothek› des Photios fehlen, wurden einige Zeit nach dem Ableben des Patriarchen (um 893) wahrscheinlich von Arethas von Kaisareia gelesen (um 860–nach 944), sofern die Auszüge der platonischen Doxographie, die im Codex Vindobonensis bewahrt sind, mit ihm in Verbindung zu bringen sind. Die ‹Leben› waren später eine der indirekten Quellen der ‹Suda›, die in den Jahren 975–980 zusammengestellt wurde. Es ist wahrscheinlich, dass die Redaktoren der ‹Suda› die Auszüge philosophischen Inhalts aus einer älteren Quelle bezogen haben (vielleicht einem Lexikon). Die ‘biographischen’ Abschnitte wiederum stammen meistens aus der im 9. Jahrhundert n. Chr. verfassten Epitome der ‹Sammlung berühmter Schriftsteller› (Ὀνοματολόγος) des Hesychios von Milet (6. Jh. n. Chr.). Eine Auswahl an Gedichten von Diogenes sowie von Autoren, die von ihm zitiert werden, wurde in die ‹Antho logia› des Konstantinos Kephalas (um 900) aufgenommen und lebte, über diese Vermittlung, in der ‹Anthologia Palatina› weiter und in geringer Zahl auch in der ‹Anthologia› des Planudes (um 1255–1305). Das Modell für beide Nacherzählungen waren die ‹Leben› und nicht die ‹Epigramme› bzw. der ‹Pammetros›. Im folgenden Jahrhundert scheinen die byzantinischen Gelehrten den ‹Leben› nicht viel Beachtung geschenkt zu haben. Zumindest in einer ersten Phase handelt es sich um Kenntnis aus zweiter Hand, vermittelt durch Anthologien und Gnomologien oder die ‹Excerpta Vaticana› (überliefert vom Codex Φ bzw. seinen Abschriften). Iohannes Tzetzes (um 1110–1185) las zumindest die Vita des Demokrit (9,34–49). Auch Eustathios von Thessalonike (um 1115–1195/6), ein Zeitgenosse des Tzetzes, besass eine begrenzte und wahrscheinlich indirekte Kenntnis von den ‹Leben›. Nikephoros Gregoras (um 1295–1359) führte Auszüge der ‹Leben› zusammen, die er aus dem Codex Φ kopierte. Ein Jahrhundert später entnahmen Michael Apostolios (um 1422–1474 oder 1486) und dessen Sohn Aristoboulos Apostolios (1468/9–1535), Bischof von Monemvasia (gest. 1535) mit dem Namen Arsenios, aus den ‹Leben› viel Material für ihre Sammlung von Sentenzen, Denksprüchen, mythischen Geschichten und neuen Proverbien. Mit derselben Methode arbeitete der Autor des ‹Violetum›, das der Kaiserin Eudokia zugeschrieben wird, aber in Wirklichkeit eine Fälschung aus der Renaissance ist (Dorandi 2009 [*112: 125– 194] und 2013 [*36: 877–878]).
Im abendländischen Mittelalter hatten die ‹Leben› auch auf Lateinisch eine geringe Verbreitung. Die mittelalterliche Übersetzung von Enrico Aristippo (gest. 1162) ging wahrscheinlich nicht über das zweite Buch hinaus. Wenige Reste sind überliefert von Geremia von Montagnone (um 1250–1321) und Walter Burley (1274/1275–nach 1344), dem Verfasser des ‹Buch über das Leben und die Sitten der Philosophen› (‹Liber de vita et moribus philosophorum›; wahrscheinlich ein Pseud epigraph). Die lateinische Übersetzung von Ambrogio Traversari (1386–1439) war
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hingegen vollständig. Diese beschäftigte den Kamaldulenserbruder lange Zeit (zwischen 1418 und 1433) und erfreute sich später einer weiten Verbreitung, zuerst in Form von zahlreichen handschriftlichen Kopien, dann seit dem Buchdruck in Gestalt von Editionen, die minderwertig und dem Original wenig treu waren. Die ‘versio Ambrosiana’ wurde zum ersten Mal in Rom im Jahre 1472 gedruckt, mehr als 60 Jahre vor der Editio princeps Frobeniana (1533) des griechischen Texts. Diese Übersetzung, mehr als die viel bessere von Aldobrandini (1594), trug dazu bei, den Inhalt der ‹Leben› während der Renaissance in immer größeren, des Griechischen nicht mächtigen Kreisen zu verbreiten, und ermöglichte eine recht breite Vorstellung von den biographischen Wechselfällen und dem Denken der antiken Philosophen, die sonst nicht (oder zumindest nicht so gut) bekannt gewesen wären. Die ‘versio Ambrosiana’ ist ferner mit den zahlreichen italienischen Übersetzungen in Verbindung zu bringen, die alle von der Mitte des 15. Jahrhunderts an (erster Druck in Venedig im Jahre 1480) auf der Grundlage des lateinischen Textes von Traversari und nicht auf jener des griechischen Textes erstellt wurden (Dorandi 2009 [*112: 201–228] und 2013 [*36: 9–10]). Unter den Lesern der ‘versio Ambrosiana’ sind auch Niccolò Machiavelli (1469– 1527) und Michel de Montaigne (1533–1592) zu nennen. Durch die Übersetzungen sowie den Originaltext inspirierten die ‹Leben› während Jahrhunderten in ihrer Struktur und noch vielmehr in ihrem Inhalt die philosophische Geschichtsschreibung Europas, von der ‹Historia philosophica› (1655) des Georgius Hornius (1620–1670) bis zur ‹History of Philosophy› (1655– 1662) von Thomas Stanley (1625–1678) und zu ‹De scriptoribus Historiae philosophicae libri IV› (1659) des Johannes Jonsius (1624–1659). Auf der Grundlage des zehnten Buches der ‹Leben› rekonstruierte schließlich Gassendi zum ersten Mal das System der Philosophie Epikurs (Algra 1994 [*85]). In den folgenden Jahrhunderten mangelt es nicht an treuen Lesern der ‹Leben›, vom Dichter Giacomo Leopardi (1798–1837) bis zu Monsieur Mabeuf in ‹Les Miserables› von Victor Hugo (1802–1885; Knoepfler 1983 [*61], Gigante 52002 [*19: LII–LXIV]). Ein besonderes Interesse für die ‹Leben› und vor allem für die heikle Frage der Quellenforschung zeigte der junge Friedrich Nietzsche (1844–1900), damals Schüler Friedrich Ritschls (1806–1876) in Leipzig. Nietzsche publizierte einige Artikel über die Quellen des Diogenes (Nietzsche 1982 [*58, *59 und *60]) und kam wiederholt auf das Thema zurück, auch in den Jahren seines Lehrauftrags für Klassische Philologie in Basel (1869–1879; vgl. Barnes 1986 [*63]). Die ‹Leben› haben nichts an ihrer Faszination verloren, wie die stetig steigende Zahl an Übersetzungen in zahlreiche moderne Sprachen zeigt. Die beste Übersetzung, begleitet von einem reichen Apparat mit Anmerkungen und einer detaillierten Einführung, ist jene ins Französische von Goulet-Cazé 1999 [*24]. Die italienische Übersetzung, die eine lange, leidenschaftliche Einleitung und kritische Anmerkungen von Gigante 52002 [*19] enthält, ist inzwischen veraltet und bedarf substantieller Aktualisierung. Die Übersetzung von Reale 2005 [*34], die auf dem Text von Marcovich 1999 [*33] beruht, ersetzt diese jedoch nicht, da sie keinen Kommentar enthält und allzu oft vom gegenüber abgedruck-
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ten griechischen Text weit entfernt ist. Die deutsche Übersetzung von Jürß 1998 [*23] erneuert jene von Apelt 1921 [*16], die aufgrund ihrer zahlreichen Anmerkungen immer noch nützlich ist. Im Englischen bleibt die Übersetzung von Hicks (1925) unentbehrlich, nachgedruckt mit einer neuen Einleitung von Long 71972 [*18]. Grau 2014 [*37] hat eine neue Übersetzung ins Katalanische begonnen (die sich vorerst auf das erste Buch beschränkt), auf der Grundlage des Textes von Dorandi 2013 [*36] und begleitet von einer langen informativen Einleitung und Anmerkungen. Aus dem Italienischen übersetzt von Camille Semenzato in Zusammenarbeit mit Tim Richter.
§ 43. Iohannes Stobaios Tiziano Dorandi
1. Leben. – 2. Werk. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Über das Leben des Iohannes Stobaios ist nichts bekannt. Das Ethnikon Stobaios lässt vermuten, dass er aus der Stadt Stoboi in Makedonien stammte (in der Nähe von Gradsko in der heutigen Republik Mazedonien). Da der Philosoph und Redner Themistios (gest. um 388 n. Chr.) der jüngste von Stobaios zitierte Autor ist, setzt man seine Lebenszeit oft im 5. Jahrhundert n. Chr. und sein ‘floruit’ im Jahre 420 n. Chr. an (Hense 1916 [*159: 2549]). Der Name Iohannes lässt womöglich an eine Zugehörigkeit des Autors zum Christentum denken (Mansfeld, Runia 1997 [*171: 197]). Die meisten Forscher (Diels 1879 [*143: 66], Hense 1916 [*159: 2551], Fowden 21987 [*164: 197]) gehen jedoch davon aus, dass Stobaios ein Heide war und dies der Grund dafür ist, dass in seinem Werk Zitate christlicher Autoren fehlen. Stobaios’ Zugehörigkeit zum Heidentum könnte eine Bestätigung im jüngsten Vorschlag von Hose 2005 [*184] finden, wonach Stobaios mit der Abfassung des ‹Anthologion› in einer Zeit des Niedergangs des Heidentums eine Karte der ‘mentalen Infrastruktur’ jener Welt zu zeichnen versucht habe, um deren Inhalte und Prinzipien zu bewahren.
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2. WERK
‹Eclogarum, sententiarum, praeceptorum libri quattor›. Ἐκλογῶν, ἀποφθεγμάτων, ὑποθηκῶν βιβλία τέσσαρα – ‹Auszüge, Sprüche und ethische Ratschläge in vier Büchern›.
1. Das Zeugnis des Photios Die ursprüngliche Fassung des ‹Anthologion› ist teilweise verloren, aber dank einer Zusammenfassung, die der Patriarch Photios (810–891) im Codex 167 seines ‹Myriobiblon› (auch ‹Bibliotheke› genannt) angefertigt hat, kann man sich eine Vorstellung von dessen Inhalt machen (maßgebliche Ausgabe des Photios bleibt jene von Bekker 1824 [*140: 112–115]; die jüngere, von Canfora, Bianchi, Schiano 2016 [*150: 202–207] besorgte ist wegen ihrer italienischen Übersetzung nützlich). Laut Photios war Stobaios’ Anthologie für die Erziehung seines Sohnes Septimios bestimmt und hatte zum Ziel, dessen natürliche Schwäche beim Memorieren von Lektüren zu kompensieren. Photios lag eine Ausgabe des Werkes ‹Auszüge, Sprüche und ethische Ratschläge in vier Büchern› in zwei Bänden (ἐν τεύχεσι δυσί) vor, die vollständiger war als jene, die über die mittelalterlichen byzantinischen Codices überliefert ist. In diesen Handschriften ist das ‹Anthologion› in zwei verschiedene Teile geteilt: Der erste ist bekannt unter dem Namen ‹Eclogae physicae et ethicae› (‹Auszüge aus Werken über Physik und Ethik›); der zweite unter dem Namen ‹Florilegium› (‹Blütenlese›). Diese Teile entsprechen, wie es scheint, nicht der ursprünglichen Struktur des ‹Anthologion› und lassen eine Reihe von Manipulationen vermuten, die wahrscheinlich erst nach dem 9. Jahrhundert und Photios vorgenommen wurden. Die Teilung ist willkürlich und gibt eine falsche Vorstellung von der ursprünglichen Struktur des Werkes und in der Folge auch von den Kriterien, die Stobaios gewählt und beim Verfassen angewendet hatte (Hense 1916 [*159: 2550]). Der Versuch, die ursprüngliche Struktur des ‹Anthologion› zu rekonstruieren, ist sehr schwierig und hängt zu einem großen Teil von der Interpretation von Photios’ Zeugnis ab. Wenn man als Ausgangspunkt den Codex 167 der ‹Bibliotheke› nimmt, begann das ‹Anthologion› mit einem Brief
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als Vorwort, in dem Stobaios seinem Sohn Septimios sein Werk vorstellte (Wachsmuth 1884 [*144: I 3]). Diesem Brief folgte wahrscheinlich eine Zusammenfassung aller Kapitel des Werkes. Bei Photios findet sich außerdem ein Verzeichnis von 208 Kapiteln, aus denen das ‹Anthologion› bestand. Von diesen sind einige, die zu den ersten beiden Büchern gehören, offensichtlich im Laufe der Überlieferung verloren gegangen (Elter 1880 [*156], Wachsmuth 1884 [*144: I 3–10]). 2. Werkbeschreibung Das ‹Anthologion› präsentiert sich wie eine riesige Sammlung von Auszügen verschiedener Autoren, die von Stobaios nach wohldefinierten Kriterien und Prinzipien zusammengestellt und angeordnet worden sind. Nach dem Einleitungsbrief und vielleicht einem zusammenfassenden Inhaltsverzeichnis ließ Stobaios zwei Kapitel mit einführendem Charakter folgen, die großenteils verloren sind. Das erste enthielt ein Lob der Philosophie (ἔπαινος φιλοσοφίας). Das zweite behandelte verschiedene philosophische Schulen. Es folgten Auszüge aus Texten über Geometrie, Musik und Arithmetik. Von diesem letzten Abschnitt (περὶ ἀριθμητικῆς) ist der letzte Teil mit Auszügen von neupythagoreischen Autoren erhalten. Das Buch wird fortgesetzt von einer Reihe von Kapiteln über Metaphysik: die Existenz des Göttlichen und seine Eigenschaften (Vorsehung, göttliche Gerechtigkeit, Notwendigkeit und Schicksal). Es folgt eine Behandlung der ἀρχαί (Prinzipien), mit denen sich der Diskurs bis zu Kapitel 6 des zweiten Buches stärker auf die Physik verlagert. Der Rest des ersten Buches enthält unter anderem einen langen Abschnitt über Naturerscheinungen, die Erde und die Welt: über Kosmologie, Meteorologie, Geologie, Tiere und Pflanzen, Anthropologie und Physiologie und schließlich Psychologie. Das zweite Buch beginnt mit einer Darstellung des Problems der menschlichen Erkenntnis der göttlichen Dinge. In der Folge verlagert sich der Diskurs auf die Dialektik, die Rhetorik und die Grammatik. Mit Kapitel 7 dieses Buches und für den ganzen Rest des ‹Anthologion› trägt Stobaios hauptsächlich Material über Ethik zusammen, wobei der Begriff Ethik im weitesten Sinne verstanden wird und auch Politik und Hausverwaltung (οἰκονομία) mit einschließt. Im zweiten Buch
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§ 43. Iohannes Stobaios (Bibl. 483–485)
werden konkrete Aspekte der Ethik einer Prüfung unterzogen. Das dritte Buch beginnt mit einem langen und recht problematischen Kapitel über die Tugend (περὶ ἀρετῆς). Das vierte und letzte Buch schließlich behandelt Themen der speziellen Ethik, insbesondere Fragen der Politik (περὶ πολιτικῆς) und der Hausverwaltung (περὶ οἰκονομίας). Alle Kapitel des ‹Anthologion› sind in ähnlicher Weise strukturiert. Sie bestehen aus einer Reihe von Auszügen griechischer Autoren, die Stobaios zitiert, wobei er sie jeweils mit kurzen Stichworten einführt. Die Kapitel sind von unterschiedlicher Länge, wobei einige mehr als 200 Auszüge enthalten, und auch diese sind von unterschiedlichem Umfang. Normalerweise gehen die Zitate aus poetischen Texten jenen der Prosaautoren voran. Eine nützliche Übersichtsdarstellung aller Kapitel des ‹Anthologion›, die anschaulich die architektonische Struktur des Werkes und dessen Inhalt wiedergibt, hat Piccione 2010 [*189: 635–646] erstellt, wobei sie auch die Ergänzungen, die von Wachsmuth im ‹Florilegium Laurentianum› wiederentdeckt wurden, und die Kapitel, die nur im Zeugnis von Photios erwähnt werden, berücksichtigt. Außer der Übersicht der 208 Kapitel, die das Gerüst des ‹Anthologion› bildeten, zitiert Photios eine Liste von mehr als 450 Autorennamen, denen Stobaios Auszüge entnommen hat (Wachsmuth 1884 [*144: I 13–14]). Die Namen dieser Autoren sind in verschiedene Listen unterteilt, von denen jede alphabetisch geordnet ist (der Reihenfolge der Buchstaben des griechischen Alphabets folgend). Die erste Liste zählt die Philosophen vom Sokratiker Aischines bis Chion von Herakleia (Αἰσχίνης ὁ Σωκρατικός – Χίων) auf; die zweite listet die Dichter von Athenodoros bis Chares (Ἀθηνοδώρος – Χάρης) auf, die dritte die Redner und Historiker von Aristeides bis Chrysermos (Ἀριστείδης – Χρύσερμος), die vierte die Könige und Generäle von Alexander dem Großen bis Chares (Ἀλέξανδρος – Χάρης) und die fünfte schließlich eine Reihe von Autoren, die schwierig zu klassifizieren sind, von Aristophanes bis Speusipp (Ἀριστοφάνης – Σπεύσιππος). Unter diesen letzten finden sich zahlreiche Ärzte und Philosophen, von denen einige schon in der ersten Liste erscheinen. Die Namen vieler Autoren und deren Texte liest man in den heute noch erhaltenen Teilen des ‹Anthologion› nicht mehr. Daraus hat man abgeleitet,
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dass das Werk zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur umgestaltet, sondern auch teilweise epitomiert worden ist. Es lässt sich nicht sagen, ob die fünf Listen von Stobaios oder einem unbekannten Gelehrten verfasst wurden, der zwischen Stobaios und Photios einzuordnen wäre (Goulet 2000 [*176: 1012]). Dieser hätte die Namen aus den Stichworten, welche die Auszüge im ‹Anthologion› einleiteten, bezogen und sie dann selbständig in verschiedene Abschnitte eingeteilt, wobei er sie in alphabetischer Reihenfolge ordnete. Einige Fälle, bei denen die Namen in der alphabetischen Reihenfolge am falschen Platz stehen, sind offensichtlich auf Fehler im Laufe der Textüberlieferung zurückzuführen. Das ‹Anthologion› ist ein Werk mit offener Überlieferung. Dieses Merkmal begünstigte im Laufe der Überlieferung einerseits Vergrößerung und Verkleinerung einzelner Teile und andererseits auch die Teilüberlieferung einzelner Abschnitte unterschiedlicher Länge. Die Zweiteilung des ‹Anthologion›, von der bereits die Rede war, spiegelt sich in den bezeugten Handschriften, die es überliefern: Jedes Bücherpaar der ‹Eclogae› und des ‹Florilegium› ist in der Tat aus verschiedenen und unabhängigen Codices wiederhergestellt. Die von Wachsmuth 1884 [*144: VII–XXXIII] auf der Basis vorausgehender Untersuchungen (Wachsmuth 1882 [*158]) rekonstruierte Überlieferung der ersten beiden Bücher (‹Eclogae›) ist von Mansfeld, Runia 1997 [*171: 198–202 mit einem Stemma, 200] aufgegriffen und aktualisiert worden. Die Überlieferung der Bücher 3 und 4 (‹Florilegium›) ist wegen der vertrackten Beziehungen zur gnomologischen Tradition komplexer. Hense 1895 [*144: VII–LVII] zeichnet deren Hauptetappen nach und beschreibt die wichtigsten Zeugnisse. Seine Untersuchungen sind von Piccione 1994 [*168: 188–216] und 2010 [*189: 632–645] überarbeitet und vervollständigt worden. Die Untersuchungen von Di Lello-Finuoli 1971 [*161] (mit den Beobachtungen von Di LelloFinuoli 1977–1979 [*162], Bühler 1987 [*145: 293– 298], Di Lello-Finuoli 1999 [*173] und 2011 [*193]) haben die Stellung der späten Codices Trincavelliani erhellt (sie sind benannt nach dem ‘Editor princeps’ des ‹Florilegium›, Vettore Trincavelli 1536 [*135]; Sicherl 1993 [*166: 53–57]).
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IV. Philosophiegeschichtsschreibung, Doxographie und Anthologie
3. LEHRE
1. Stobaios und die Geschichte der antiken Philosophie. – 2. Zweck und Absicht des ‹Anthologion›.
1. Stobaios und die Geschichte der antiken Philosophie Bereits bei einer oberflächlichen Lektüre der Kapitelliste und der Quellen des ‹Anthologion› bemerkt man Stobaios’ Bildung und seine breiten Interessen, die großenteils dem philosophischen Diskurs gelten (Runia in Piccione, Runia 2001 [*177: 1009f.]). Goulet 2000 [*176: 1014–1016] führt ein nützliches Verzeichnis aller Philosophen auf, die von Stobaios zitiert werden, gruppiert nach Kategorien. Wenn auch die Philosophie überwiegt, so fehlt es doch nicht an Beachtung für andere Autoren und Texte – unter diesen viele der Poesie (Reydams-Schils 2011 [*190]). Stobaios zitiert oft Verse von Menander und Euripides, von denen er einige Dramen gelesen hat, die heute verloren sind (Piccione 1994 [*168]). Er kennt und benutzt auch die Sammlung der Theognis-Verse (Ferreri 2011 [*194]). Homer ist erstaunlich wenig präsent, und seine Verse werden von Stobaios oft indirekt innerhalb von größeren Passagen aus Prosawerken zitiert. Bei der Auswahl der Texte, philosophischen und anderen, folgt Stobaios kohärenten Prinzipien, die einem wohldefinierten Organisationsplan entsprechen. Unter den Philosophen ist zweifelsohne Platon der am meisten vertretene; Stobaios zitiert Auszüge aus der Gesamtheit seiner Dialoge (der authentischen und der unechten) und der ihm zugeschriebenen Briefe (Curnis 2011 [*192]) sowie eine Auswahl von ἀποφθέγματα (Aussprüchen: Curnis 2004 [*181]). Ein substantielles Interesse zeigt Stobaios auch für die Philosophen der nachfolgenden platonischen Tradition: Porphyrios, Iamblichos von Chalkis, die Pythagoreer (mit besonderer Beachtung der pseudepigraphischen Schriften der hellenistischen Epoche) und das ‹Corpus Hermeticum› (Goulet 2000 [*175]). Von Iamblichos gibt er Passagen aus dem Προτρεπτικός (‹Aufruf zur Philosophie›) und aus ‹De anima› (‹Über die Seele›) wieder sowie eine Auswahl der ‹Briefe› (Taormina, Piccione 2010 [*149]). Von Porphyrios führt Stobaios, abgesehen von Auszügen aus einigen verlorenen Werken (Περὶ Στυγός – ‹Über den Styx›; Περὶ ἀγαλμάτων – ‹Über die Götterstatuen›; Περὶ τοῦ ἐφ᾽ ἡμῖν – ‹Über das, was in unserer Macht steht›; Περὶ τῶν τῆς ψυχῆς δυνάμεων – ‹Über die Potenzen der Seele›; Περὶ τοῦ γνῶθι σαυτόν – ‹Über das Erkenne dich selbst›), eine Fassung der ‹Ἀφορμαί πρὸς τὰ νοητά› (‹Ausgangspunkte, die zum Intelligiblen führen›) an, die unabhängig von jener ist, die durch die byzantinischen Handschriften überliefert ist (Dorandi 2005 [*183]). Aufschlussreich ist das Fehlen von Auszügen aus dem traditionellen ‹Corpus Aristotelicum›. Man findet dagegen im ‹Anthologion› Passagen aus Werken, die fälschlicherweise Aristoteles zugeschrieben werden, sowie die ‹Epitome der peripatetischen Ethik›, die ein Pendant zur ‹Epitome der stoischen Ethik› bildet, die einem
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gewissen Didymos zugeschrieben wird, der von manchen mit dem Philosophen am Hof des Augustus, Areios Didymos, identifiziert wird (Tsouni 2016 [*198] bestreitet diese Identifikation). Diese beiden grundlegenden Texte sind auch als ‹Doxographie A› und ‹Doxographie B› bekannt (Hahm 1990 [*165]) und geben eine konkrete Vorstellung von der Verbreitung des peripatetischen und stoischen Denkens zu Beginn der Kaiserzeit (Göransson 1995 [*169] und Gourinat 2011 [*196]). Didymos – wer auch immer er ist – kann hingegen die sogenannte ‹Doxographie C› nicht zugewiesen werden (Bonazzi 2011 [*191]), die gemeinsam mit den beiden vorherigen überliefert ist. Beachtenswert ist der umfangreiche Abschnitt über die Physik, den Stobaios aus den ‹Placita› eines gewissen Aëtios gewinnt, die auch durch das Zeugnis anderer griechischer Autoren (‹Placita› des Ps.-Plutarch, die ‹Heilung der griechischen Krankheiten› des Theodoret Bischof von Kyrrhos und die ‹Philosophiegeschichte› des Ps.-Galen) sowie aus einer arabischen Übersetzung bekannt sind (Daiber 1980 [*163]). Die Rekonstruktion dieser schwierigen Schrift, die den jungen Diels 1879 [*143] beschäftigte, wird derzeit einer erneuten und gewinnbringenden Überarbeitung unterzogen, die von einer Wiederherstellung des Originaltexts durch Mansfeld, Runia 1997–2010 [*171] begleitet wird. Ihre Resultate sind breit abgestützt und dürften trotz entgegengesetzter Positionen (Gourinat 2011 [*196], Bottler 2014 [*197]) Bestand haben. Stobaios’ Interesse am Stoizismus erstreckt sich bis zu den Vertretern der Kaiserzeit: Epiktet, Musonius Rufus und ein Hierokles, der wahrscheinlich mit dem gleichnamigen Autor der ‹Ethischen Elementarlehre› zu identifizieren ist, die durch einen Berliner Papyrus (inv. 9780 verso) fragmentarisch überliefert ist (Long 1996 [*170]). Auch die Kyniker nehmen einen wichtigen Platz im ‹Anthologion› ein: Es werden insbesondere umfangreiche Fragmente von Teles von Megara zitiert (Fuentes Gonzáles 2011 [*195]). Unter den Autoren, die nicht als Philosophen wirkten, aber dennoch einen beachtlichen Beitrag zur Bekanntheit dieser Disziplin geleistet haben, kennt und zitiert Stobaios unter anderem Xenophon, Isokrates und Plutarch (Piccione 1998 [*172]). Die große Präsenz von Autoren und Auszügen im ‹Anthologion› aus der platonischen und pythagoreischen Tradition, mit einem besonderen Augenmerk auf Neuplatonismus und Neupythagoreismus, wurde als Beweis für die Hypothese angeführt, Stobaios habe sich in einem Ambiente gebildet und betätigt, das vom Neuplatonismus nach Iamblichos geprägt gewesen sei, beeinflusst (zumindest scheinbar) von dessen Lehre und ausgestattet mit einer reichen Bibliothek an Texten (Taormina, Piccione 2010 [*149]). 2. Zweck und Absicht des ‹Anthologion› Stobaios’ ‹Anthologion› ist nicht nur als Werk, das als Behältnis dient, zu lesen, als eine unerschöpfliche Fundgrube von gebildeten Zitaten und eine Sammlung von Texten, die sonst nicht oder eventuell in parallelen Fassungen aus anderen Überlieferungen bekannt sind. Stobaios’ Werk hat seine innere Einheit und beruht offenbar auf Kriterien, die der Autor strikt befolgt hat. Nicht nur die kompi-
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latorische Methode des Stobaios lässt sich rekonstruieren, sondern auch und vor allem die Prinzipien, die ihn zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. zu einem so umfangreichen kulturellen und intellektuellen Projekt inspirierten (Piccione 1994 [*167], 2003 [*180], 2010 [*189] und Taormina, Piccione 2010 [*149]). Die Exzerpte sind im ‹Anthologion› verschiedenartig zusammengefügt. Es gibt keinen einheitlichen Zugriff auf die Quellen, und die Textstellen sind sowohl bei Versen als auch bei Prosapassage nach verschiedenen Kriterien und auf unterschiedliche Art und Weise herausgeschnitten. Dies zeigt sich in den Fällen deutlich, in denen man zum Vergleich eine Parallelüberlieferung heranziehen kann. Es finden sich leicht Retuschen, Modifikationen und auch Spuren exegetischer Tätigkeit, die vielleicht Stobaios selbst zuzuschreiben sind. Die recht heterogene Auswahl von Quellen und Auszügen ist, mit wenigen Ausnahmen, von der Notwendigkeit des «leichten Genusses» (Piccione 2010 [*189: 623]) des umfangreichen Materials bestimmt. Es ist offenkundig, dass Stobaios nicht auf alle Werke der Autoren, die er zitiert und deren Auszüge er einarbeitet, aus erster Hand Zugriff hatte. Für viele einzelne Auszüge oder Abfolgen von Auszügen ist es nötig, Zwischenquellen anzunehmen. Beispielsweise überliefern das lange Zitat aus den ‹Placita› des Aëtios und die beiden ‹Doxographien› (die stoische und die peripatetische) des Didymos im 2. Buch der ‹Eclogae›, selbst falls sie von Stobaios aus erster Hand gelesen und kopiert worden sein sollten, in ihrem Innern Material, zu dem unser Kompilator keinen direkten Zugang gehabt haben konnte. Es ist ferner anzunehmen, dass das Lesen und Sammeln der Quellen viele Jahre von Stobaios’ Leben in Anspruch genommen hat und die außerordentliche Fülle an Material von ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt nach spezifischen Kriterien und einer recht klaren architektonische Struktur neu angeordnet wurde. Wenn man Photios’ Inhaltsangabe Glauben schenkt, fällt auf, dass das ‹Anthologion› im Aufbau drei großen begrifflichen Bereichen folgt: Metaphysik und Physik (Buch 1), Logik (Buch 2,1–6) und Ethik (Buch 2,7 – Buch 4). Das verlorene Einleitungskapitel, welches das Werk eröffnete und die Form eines ‘Lob der Philosophie’ hatte, machte von Anfang an die Absichten von Stobaios’ Vorgehen klar. Die Lektüre des ausgedehnten ethischen Abschnitts des ‹Anthologion› verdeutlicht Stobaios’ Intention, ausgewählte Themen unter Anwendung eines Verfahrens zu präsentieren, das mit Gegensätzen operiert (Tugend – Laster; Besonnenheit – Unklugheit; Mäßigung – Unmäßigkeit; Mut – Feigheit; Erinnerung – Vergessen usw.). In gewissen Fällen lässt sich sogar ein klar dialektischer Verlauf erkennen, durch den die Hauptthemen weiter präzisiert werden mit spezifischen zusätzlichen Elementen (Lob der Armut – Tadel der Armut; Gegenüberstellung von Armut und Reichtum; dass es das Beste ist zu heiraten – dass es keine gute Sache ist zu heiraten usw.) Die Abfolge der Kapitel und ihre argumentative Struktur ist offensichtlich durch ein didaktisches und pädagogisches Kriterium gesteuert, das wohl in der Tatsache begründet liegt, dass das ‹Anthologion› von Stobaios im Hinblick auf die Erziehung seines eigenen Sohnes Septimios konzipiert und zusammengestellt worden ist (Piccione 2002 [*178]).
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Die einzelnen Kapitel werden von Titeln eingeleitet, die verschiedene Formen annehmen. Sie wurden wahrscheinlich von Stobaios selbst ausgewählt und hinzugefügt (Piccione 1999 [*174]), wobei er sie in manchen Fällen in seinen Quellen vorgefunden haben konnte. Die häufigste Formulierung des Titels besteht aus Περί («Über»), gefolgt vom Thema im Genitiv. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Titel mit einem Ὅτι («Dass») oder einem indirekten Interrogativpronomen beginnt. Seltener sind Kapitel, deren Titel die Form eines einfachen Nominativs hat. Einzelne Auszüge oder Sequenzen von Auszügen (besonders im ‹Florilegium›) stehen nicht in Einklang mit dem Inhalt, der für die Kapitel angegeben wird, in denen sie vereinigt sind. Diese Gegebenheit lässt sich mit der Annahme erklären, dass das gnomische Material, das von Stobaios für die Abfassung dieser Kapitel benutzt wurde, bereits zuvor Gegenstand von Umschichtungen geworden war. In solchen Fällen handelt es sich also nicht um Entstellungen, die im Laufe der Überlieferung des ‹Anthologion› entstanden sind und die deswegen auf die eine oder andere Weise korrigiert werden müssen, sondern vor einer (freilich merkwürdigen) Gegebenheit, die schon in den von Stobaios benutzten Quellen vorlag (Piccione 2010 [*189: 627–633] und Piccione in Taormina, Piccione 2010 [*149: 442–451 Anm. 213]). Stobaios’ Abhängigkeit (vor allem im ‹Florilegium›) von der früheren gnomischen Tradition (Piccione 2003 [*179] und 2004 [*182]) ist unbestreitbar. Stobaios war aber dennoch nicht ein passiver Kopist des (überwiegend ethischen) Stoffs, der diese Abschnitte kennzeichnet, sondern fügte dort wiederholt substantielle Änderungen ein, die seinen Bedürfnissen und seinen kompositorischen Kriterien entsprachen. Auf diese Weise gelang es ihm, die Struktur seiner Quellen zum Zeitpunkt der Abfassung des ‹Anthologion› zu erneuern. Durch die Hinzufügung insbesondere der umfangreichen Abschnitte, die der (Meta-)Physik und der Logik gewidmet sind – aus diesen bestehen die ‹Eclogae› – und die Stobaios der doxographischen Tradition entnimmt, gelang es ihm, ein neues Werk nicht nur hinsichtlich der Struktur, sondern auch bezüglich der Inhalte zu schaffen. In dieser stetigen Spannung zwischen Doxographie und Gnomologie sowie im Verhältnis zwischen Tradition und Innovation kann man daher eine der tragenden Charakteristiken von Stobaios’ ‹Anthologion› und seine bedeutendste Neuerung sehen. 4. NACHWIRKUNG
Über die Nachwirkung des ‹Anthologion› gibt es wenig zu sagen. Eine wichtige Position nimmt die Inhaltsangabe im Codex 167 der ‹Bibliotheke› des Photios ein. Diese ist wertvoll, weil sie eine, wenn auch nur partielle Vorstellung von der ursprünglichen Struktur und dem ursprünglichen Inhalt des Werkes gibt, bevor die heutigen zwei Bücher der ‹Eclogae› epitomiert und die gesamthaft vier Bücher des Werkes Umarbeitungen unterworfen worden sind. Spuren der Verbreitung des ‹Anthologion› und seiner Benutzung sind in viel später zusammengestellten und bisweilen zum Teil noch unveröffentlichten gnomologischen Sammlungen offensichtlich (Taormina, Piccione 2010 [*149: 38–40]). Von diesen am wichtigsten sind das ‹Corpus Parisinum› (Searby 2007 [*147], Gerlach 2008 [*148] und 2008 [*187]),
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das ‹Florilegium Laurentianum› (Florenz, Laurentianus plut. 8.22, 14. Jh. = L), das ‹Florilegium Bruxellense› (Bruxelles, Bruxellensis 11360 = B, von Hense 1882 [*157] entdeckt), die Ῥοδωνιά, überliefert im Codex Venedig, Marcianus graecus 452 (= coll. 796), einem Autographen des Makarios Chrysokephalos (dem Metropoliten von Philadelphia von 1336 bis 1382), das ‹Florilegium Vossianum›, das ‹Florilegium Frobenianum› und schließlich die ‹Loci communes› des Ps.-Maximos (Ihm 2001 [*146]). Im 15. Jahrhundert schöpften Apostolios und Arsenios aus dem ‹Anthologion›, wie sie es auch mit den ‹Leben› des Diogenes Laertios bei der Abfassung des ‹Vio letum› getan hatten. Hinweise auf Lektüre und Benutzung des ‹Anthologion›, angefangen vom späten Humanismus bis zum 19. Jahrhundert, ergeben sich schließlich auch aus der Analyse der Editionen, die lange Zeit den zwei Büchern des ‹Florilegium› zu Lasten jener der ‹Eclogae› den Vorzug gaben (Curnis 2008 [*186]). Aus dem Italienischen übersetzt von Tim Richter in Zusammenarbeit mit Laura Napoli.
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479 BIBLIOGRAPHIE ZUM VIERTEN KAPITEL Allgemeines [*1]; Diogenes Laertios [*7–*130]; Iohannes Stobaios [*135–*198].
Allgemeines 1 J. Mansfeld: Rezension zu Grundriss, Antike I, in: Mnemosyne 68 (2015) 331–343.
Diogenes Laertios 7 T. Dorandi: Diogenes Laertius, in: Oxford Bib liographies in Classics (2015). – Online unter: http://www.oxfordbibliographies.com/ (Stand: Juli 2018).
Ausgaben und Übersetzungen in Auswahl, Index Knoepfler 1991 [*21] hat alle Ausgaben von Diogenes’ ‹Leben› sorgfältig präsentiert und er läutert, von der Editio princeps oder der Editio Frobeniana (1533) bis zu jener von Long 1966 [*20]. Dorandi 2009 [*112: 39–48] hat diese Liste mit einer Analyse der Ausgabe von Marcovich 1999 und 2002 [*33] verbunden. Die neueste Aus gabe ist jene von Dorandi 2013 [*120] (vgl. Marti nelli Tempesta 2014 [*126]). 13 H. Froben, N. Episcopius: Διογένους Λαερτίου περὶ βίων, δογμάτων καὶ ἀποϕθεγμάτων τῶν ἐν ϕιλοσοϕίᾳ εὐδοκιμησάντων, βιβλία δέκα, νῦν πρῶτον ἐντυπωθέντα. Diogenis Laertii De vitis, decretis, et responsis celebrium philoso phorum Libri decem, nunc primum excusi (Ba sileae 1533). – Editio princeps. 14 Diogenis Laertii de vitis, dogmatibus et apo phthegmatibus clarorum philosophorum libri decem, instruxit H. G. Huebnerus, I–II (Lip siae 1828–1831). Commentarii in Diogenem Laertium […] Isaaci Casauboni Notae atque Aegidii Menagii Observationes et emendationes in Diogenem Laertium […] editionem […] curavit H. G. Huebnerus, I–II. Vol. II, post Huebneri mor tem absolvit C. Iacobitz (Lipsiae 1830, 1833). 15 Diogenis Laertii de clarorum philosophorum vitis, dogmatibus et apophthegmatibus libri
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decem, ex italicis codicibus nunc primum ex cussis rec. C. G. Cobet (Parisiis 1850). 16 Diogenes Laertius: Leben und Meinungen be rühmter Philosophen, übersetzt und erläutert von O. Apelt, I–II (Hamburg 11921, 31990) [Philosophische Bibliothek 53–54]. – Unter Mitarbeit von H. G. Zekl neu herausgegeben sowie mit Vorwort, Einleitung und neuen An merkungen zu Text und Übersetzung versehen von K. Reich. 17 Epicuri Epistulae tres et Ratae sententiae a Laertio Diogene servatae, edidit P. Von der Mühll (Lipsiae 1922) [BT]. 18 Diogenes Laertius: Lives of the Eminent Phi losophers, with an English Translation by R. D. Hicks, I–II (Cambridge MA, London 11925, 71972) [LCL 184–185]. 19 Diogene Laerzio: Vite dei filosofi, a cura di M. Gigante, I–II (Roma, Bari 11962, 52002; rivista e ampliata 21976, 31983) [Biblioteca Universale Laterza 98–99]. 20 Diogenis Laertii Vitae philosophorum, recog novit brevique adnotatione critica instruxit H. S. Long, I–II (Oxonii 11964, 21966) [OCT]. 21 La Vie de Ménédème d’Érétrie de Diogène Laërce. Contribution à l’histoire et à la critique du texte des Vies des philosophes, par D. Knoepfler (Basel 1991) [SBA 21]. 22 K. Janáček: Indice delle Vite dei filosofi di Diogene Laerzio (Firenze 1992) [Accademia Toscana di scienze e lettere La Colombria, Studi 123]. 23 Diogenes Laertios: Leben und Lehre der Phi losophen. Aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von F. Jürß (Stuttgart 1998). 24 Diogène Laërce: Vies et doctrines des philo sophes illustres. Traduction française sous la direction de M.-O. Goulet-Cazé. Introduction,
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Bibliographie zum vierten Kapitel
traductions et notes de J.-F. Balaudé, L. Bris son, J. Brunschwig, T. Dorandi, M.-O. GouletCazé, R. Goulet et M. Narcy. Avec la collaboration de M. Patillon. Deuxième édi tion, revue et corrigée (Paris 1999) [Classiques Modernes]. 25 R. Goulet: Diogène Laërce, Livre I. Introduc tion, traduction et notes, in: Goulet-Cazé 1999 [*24: 43–158]. 26 M. Narcy, M.-O. Goulet-Cazé: Diogène Laërce, Livre II, in: Goulet-Cazé 1999 [*24: 159–367]. 27 L. Brisson: Diogène Laërce, Livre III, in: Gou let-Cazé 1999 [*24: 369–464]. 28 T. Dorandi: Diogène Laërce, Livre IV, in: Gou let-Cazé 1999 [*24: 465–540]. 29 M. Narcy: Diogène Laërce, Livre V, in: GouletCazé 1999 [*24: 541–653]. 30 M.-O. Goulet-Cazé: Diogène Laërce, Livre VI, in: Goulet-Cazé 1999 [*24: 655–772]. 31 J.-F. Balaudé, L. Brisson: Diogène Laërce, Livre VIII, in: Goulet-Cazé 1999 [*24: 919– 1023]. 32 J. Brunschwig: Diogène Laërce, Livre IX, in: Goulet-Cazé 1999 [*24: 1025–1145]. 33 Diogenis Laertii Vitae philosophorum, I–III. I: Libri 1–10; II: Excerpta Byzantina (Stuttgart, Leipzig 1999); III: Indices confecit H. Gärtner, edidit M. Marcovich (Stutgardiae, Lipsiae 1999) [BT]. – Marcovich normalisiert zu sehr oder schreibt sogar in mehreren Punkten den Text von Diogenes um, ohne Diogenes’ ‘usus scribendi’ oder dessen Arbeitsmethode gebüh rend zu berücksichtigen. 34 Diogene Laerzio: Vite e dottrine dei più celebri filosofi. Testo greco a fronte, a cura di G. Reale con la collaborazione di G. Girgenti e I. Ra melli (Milano 2005) [Il pensiero occidentale]. 35 Diogène Laërce: Vies et doctrines des Stoï ciens. Introduction, traduction et notes par R. Goulet (Paris 2006) [La Pochothèque – Clas siques modernes]. 36 Diogenes Laertius: Lives of Eminent Philoso phers. Edited with Introduction by T. Dorandi (Cambridge 2013) [Cambridge Texts and Com mentaries 50]. 37 S. Grau: Diògenes Laerci, Vides i doctrines dels filòsofs més il.lustres, I [llibre 1]. Introduc ció general, notícies preliminaras, text revisat, tradució i notes (Barcelona 2014) [Escriptors Grecs]. 38 Pyrrhonian Skepticism in Diogenes Laertius. Introduction, Text, Translation, Commentary and Interpretative Essays by K. M. Vogt, R. Bett, L. Corti, T. Dorandi, C. M. M. Olfert, E.
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Scharffenberger, D. Sedley, J. Warren (Tübin gen 2015) [SAPERE 25].
Sekundärliteratur 44 Epistula ad Maassium, in: De biographis Grae cis quaestiones selectae, acc. U. de Wilamo witz-Moellendorff ad E. Maassium epistola (Berlin 1880) [Philologische Untersuchungen 3] 142–164. 45 U. von Wilamowitz-Moellendorff: Antigonos von Karystos (Berlin 1881) [Philologische Un tersuchungen 4]. 46 H. Diels: Reiskii Animadversiones in Laertium Diogenem, in: Hermes 24 (1889) 302–325. 47 E. Schwartz: Diogenes (40) Laertios, in: RE V 1 (1903) 738–763. – Wieder in: Ders.: Griechi sche Geschichtschreiber (Leipzig 1957) 453– 491. 48 H. Usener: Die Unterlage des Laertius Dioge nes, in: Kleine Schriften III (Leipzig, Berlin 1914) 163–175. 49 E. Howald: Handbücher als Quellen des Dio genes Laërtius, in: Philologus 74 (1917) 119– 130. 50 R. Hope: The Book of Diogenes Laertius, its Spirit and its Method (New York 1930). 52 A. Kolář: De Diogenis Laertii Pammetro, in: Listy filologické 78 (1955) 190–195. – Auf Tschechisch mit lateinischer Zusammenfas sung. 53 A. Kolář: De quibusdam carminibus in Dioge nis Laertii Vitis, in: Eunomia 3 (1959) 65–67. – Auf Tschechisch mit lateinischer Zusammenfassung. 54 O. Gigon: Das Prooemium des Diogenes Laer tios: Struktur und Probleme, in: Horizonte der Humanitas. FS Walter Willi, herausgegeben von G. Luck (Bern, Stuttgart 1960) 37–64. 55 M. Untersteiner: Posidonio nei placita di Pla tone secondo Diogene Laerzio III (Brescia 1970) [Antichità classica e cristiana 7]. 56 Bion of Borysthenes. A collection of the Frag ments with Introduction and Commentary, edited by J. F. Kindstrand (Uppsala 1976) [Stu dia Graeca Upsaliensia 11]. 57 J. Mejer: Diogenes Laertius and his Hellenistic Background (Wiesbaden 1978) [Hermes – Ein zelschriften 40]. 58 F. Nietzsche: De Laertii Diogenis fontibus, in: Ders.: Philologische Schriften, bearbeitet von F. Bornmann, M. Carpitella (Berlin, New York 1982) [Nietzsche Werke. Kritische Gesamtaus gabe Werke und Briefe 2,1] 75–167.
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Diogenes Laertios
59 F. Nietzsche: Analecta Laertiana, in: Ders.: Philologische Schriften, bearbeitet von F. Bornmann, M. Carpitella (Berlin, New York 1982) [Nietzsche Werke. Kritische Gesamtaus gabe Werke und Briefe 2,1] 169–190. 60 F. Nietzsche: Beiträge zur Quellenkunde und Kritik des Laertius Diogenes, in: Ders.: Philo logische Schriften, bearbeitet von F. Born mann, M. Carpitella (Berlin, New York 1982) [Nietzsche Werke. Kritische Gesamtausgabe Werke und Briefe 2,1] 191–245. 61 D. Knoepfler: Le Diogène Laërce de M. Ma beuf dans les Misérables de Victor Hugo, in: BAGB (1983) 319–325. 62 M. Gigante: Demetrio di Magnesia e Cicerone, in: SIFC 76 (1984) 98–106. 63 J. Barnes: Nietzsche and Diogenes Laertius, in: Nietzsche-Studien 15 (1986) 16–40. – Wieder in: Ders.: Mantissa. Essays in Ancient Philoso phy IV, edited by M. Bonelli (Oxford 2015) 584–611. 64 G. Giannantoni: Socrate e i Socratici in Dio gene Laerzio, in: Elenchos 7 (1986) 183–216. 65 M. Gigante: Biografia e dossografia in Diogene Laerzio, in: Elenchos 7 (1986) 7–102. 66 O. Gigon: Das dritte Buch des Diogenes Laer tios, in: Elenchos 7 (1986) 33–182. 67 J. F. Kindstrand: Diogenes Laertius and the chreia tradition, in: Elenchos 7 (1986) 217–234. 68 J. Mansfeld: Diogenes Laertius on Stoic Philo sophy, in: Elenchos 7 (1986) 295–382. – Wieder in: Ders.: Studies in the Historiography of Greek Philosophy (Assen 1990) 343–428. 69 P. Moraux: Diogène Laërce et le Peripatos, in: Elenchos 7 (1986) 245–294. 70 G. Verbeke: Panétius et Posidonius chez Dio gène Laërce, in: Elenchos 7 (1986) 103–131. 71 B. Centrone: Alcune osservazioni sui Placita di Platone in Diogene Laerzio, in: Elenchos 8 (1987) 105–118. 72 F. Aronadio: Due fonti laerziane: Sozione e Demetrio di Magnesia, in: Elenchos 11 (1990) 203–255. 73 B. A. Desbordes: Introduction à Diogène Laërce. Exposition de l’«Altertumswissen schaft» servant de préliminaires critiques à une lecture de l’œuvre (Utrecht 1990). 74 J. Barnes: Diogenes Laertius IX 61–116: The Philosophy of Pyrrhonism, in: ANRW II 36,6 (1992) 4241–4301. – Wieder in: Ders.: Man tissa. Essays in Ancient Philosophy IV, edited by M. Bonelli (Oxford 2015) 510–583. 75 J. Mejer et al.: Doxographica: Diogenes Laer tius, Hippolytus, in: ANRW II 36,5 (1992) 3556–4411.
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76 L. Brisson: Diogène Laërce, livre III: structure et contenu, in: Mejer et al. 1992 [*75: 3619– 3760 et 2*–25* (indices)]. 77 B. Centrone: L’VIII libro delle Vite di Diogene Laerzio, in: Mejer et al. 1992 [*75: 4183–4217]. 78 F. Decleva Caizzi: Il libro IX delle Vite dei fi losofi di Diogene Laerzio, in: Mejer et al. 1992 [*75: 4218–4240]. 79 T. Dorandi: Il quarto libro delle Vite di Dio gene Laerzio: l’Academia da Speusippo a Cli tomaco, in: Mejer et al. 1992 [*75: 3761–3792]. 80 G. Giannantoni: Il secondo libro delle Vite di Diogene Laerzio, in: Mejer et al. 1992 [*75: 3603–3618]. 81 M.-O. Goulet-Cazé: Le livre VI de Diogène Laërce: analyse de sa structure et réflexions méthodologiques, in: Mejer et al. 1992 [*75: 3880–4048]. 82 D. Hahm: Diogene Laertius VII: on the Stoics, in: Mejer et al. 1992 [*75: 4076–4182, 4404– 4411]. 83 J. Mejer: Diogenes Laertius and the Transmis sion of Greek Philosophy, in: Mejer et al. 1992 [*75: 3556–3602]. 84 M. Sollenberger: The Lives of the Peripatetics: An Analysis of the Content and Stucture of Diogenes Laertius’ Vitae philosophorum Book 5, in: Mejer et al. 1992 [*75: 3793–3879]. 85 K. Algra: Gassendi et le texte de Diogène Laërce, in: Elenchos 15 (1994) 79–103. 86 N. C. Dührsen: Die Briefe der Sieben Weisen bei Diogenes Laertios. Möglichkeiten und Grenzen der Rekonstruktion eines verlorenen griechischen Briefromans, in: Der griechische Briefroman, herausgegeben von N. Holzberg, unter Mitarbeit von S. Merkle (Tübingen 1994) [Classica Monacensia 8] 84–115. 87 M. Gigante: Diogene Laerzio, in: Lo spazio let terario della Grecia antica, III, a cura di G. Cambiano, L. Canfora, D. Lanza (Roma 1994) 723–740. 88 M. Gigante: Diogene Laerzio: da poeta a pro satore, in: Sileno 10 (1994) 245–248. 89 M. M. Sassi: La filosofia italica: genealogia e varianti di una formula storiografica, in: An nali dell’Istituto Orientale Napoli, Sezione fi lologico-letteraria 16 (1994) 29–53. 90 R. Bodéüs, L’influence historique du Stoïcisme sur l’interprétation de l’œuvre philosophique d’Aristote, in: RSPh 79 (1995) 553–586. 91 O. Masson: La patrie de Diogène est-elle in connue?, in: MH 52 (1995) 225–230. 92 J. Barnes: The Catalogue of Chrysippus’ Logi cal Works, in: Polyhistor: Studies in the History and Historiography of Ancient Philosophy.
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Bibliographie zum vierten Kapitel
Presented to Jaap Mansfeld on his Sixtieth Birthday, edited by K. A. Algra et al. (Leiden 1996) [PhA 72] 169–184. – Wieder in: Ders.: Mantissa. Essays in Ancient Philosophy IV, edited by M. Bonelli (Oxford 2015) 479–494. 93 D. T. Runia: Diogenes Laertios, in: DNP III (1997) 601–603. 94 J. Bollansée: Hermippos of Smyrna and His Biographical Writings. A Reappraisal (Leu ven 1999) [Studia Hellenistica 35]. 95 P. Hadot: Chrysippe, in: DPhA III (2000) 336–356. 96 R. Goulet: Des sages parmi les philosophes: le premier livre des Vies des philosophes de Diogène Laërce, in: Études sur les Vies des philosophes de l’Antiquité tardive (Paris 2001) [Textes et traditions 1] 67–77, 387. 97 R. Goulet: Les références chez Diogène Laërce: sources ou autorités, in: Études sur les Vies des philosophes de l’Antiquité tar dive (Paris 2001) [Textes et traditions 1] 79– 96. 98 M.-O. Goulet-Cazé: Les Kynika du Stoïcisme (Stuttgart 2003) [Hermes – Einzelschriften 89]. 99 F. Nietzsche: Nachgelassene Aufzeichnungen. Frühjahr 1868 – Herbst 1869. Bearbeitet von K. Glau, in: Ders.: Werke. Kritische Gesamt ausgabe. Begründet von G. Colli, M. Monti nari. Weitergeführt von V. Gerhardt, N. Miller, W. Miller-Lauter, K. Pestalozzi. Erste Abteilung herausgegeben von J. Figl. Fünfter Band herausgegeben von J. Figl, K. Glau, G. W. Most (Berlin, New York 2003). 100 C. Rossitto: Aristotele e altri autori. Divisioni (Milano 22005) [Il pensiero occidentale]. 101 I. Gugliermina: Diogène Laërce et le Cy nisme (Lille 2006) [Philosophie Ancienne]. 102 A. A. Long: Diogenes Laertius, Life of Arce silaus, in: Ders.: From Epicurus to Epictetus: Studies in Hellenistic and Roman Philosophy (Oxford 2006) 96–114. 103 L. Casantini: Osservazioni su tre epigrammi di Diogene Laerzio. D. L. II 144 (Anth. App. V 40), in: Rivista di Cultura Classica e Medie vale 49 (2007) 71–80. 104 M. Di Marco: Su un epigramma di Diogene Laerzio (Anth. App. V 40 Cougny): nota me trico-testuale, in: RFIC 135 (2007) 91–95. 105 T. Dorandi: Diogène Laërce ‘lecteur’ d’Aris tote, in: Elenchos 28 (2007) 435–446. 106 J. Warren: Diogenes Laërtius, biographer of philosophy, in: Ordering Knowledge in the Roman Empire, edited by J. Koenig, T. Whit marsch (Cambridge 2007) 133–149.
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107 L. Casantini: La Πάμμετρος di Diogene Laer zio (Diss. Roma 2008). – Unveröffentlicht. 108 K. Janáček: Studien zu Sextus Empiricus, Diogenes Laertius und zur pyrrhonischen Skepsis (Berlin, New York 2008) [BzA 249]. 109 K. Janáček: Zum Stil des Diogenes Laertios, in: Janáček 2008 [*108: 244–250]. 110 K. Janáček: Aus der Werkstatt des Diogenes Laertios, in: Janáček 2008 [*108: 310–315]. 111 M. Di Marco: Senocrate asino (Diog. Laert. 4. 15 = A. P. 7. 102), in: Seminari Romani 12 (2009) 85–94. 112 T. Dorandi: Laertiana. Capitoli sulla tradizione manoscritta e sulla storia del testo delle Vite dei filosofi di Diogene Laerzio (Berlin, New York 2009) [BzA 264]. 113 S. Grau: La imatge del filòsof i de l’activitat filosòfica a la Grècia antiga: Anàlisi dels tò pics biogràfics presents a les Vides i doctrines dels filòsofs més illustres de Diògenes Laerci (Barcelona 2009) [Co·leció cum laude 2]. 114 J. Jouanna: Médecine et philosophie: sur la date de Sextus Empiricus et de Diogène Laërce à la lumière du ‹Corpus galénique›, in: REG 122 (2009) 359–390. 115 M. D. Usher: Diogenes’ doggerel: ‘chreia’ and quotation in Cynic performance, in: CJ 104 (2009) 207–223. 116 M. Di Marco: Un eccesso di brindisi: la morte di Crisippo in un epigramma di Diogene Laerzio (VII 184 = AP VII 706), in: SIFC 8 (2010) 77–85. 117 T. Dorandi: Diogene Laerzio, Epicuro e gli editori di Epicuro e di Diogene Laerzio, in: Eikasmós 21 (2010) 273–301. 118 M. M. Sassi: Ionian Philosophy and Italic Phi losophy: From Diogenes Laertius to Diels, in: The Presocratics from the Latin Middle Ages to Hermann Diels, edited by O. Primavesi, K. Luchner (Stuttgart 2011) [PhdA 26] 19–44. 119 T. Hägg: The Art of Biography in Antiquity (Cambridge 2012). 120 T. Dorandi: Diogene Laerzio e la tradizione catalogica. Liste di libri nelle Vite e opinioni dei filosofi, in: Antiquorum Philosophia 7 (2013) 107–126. 121 T. Dorandi: Diogene Laerzio e la storia della filosofia antica. Con qualche considerazione di un editore, in: Aristotele e la storia, a cura di C. Rossitto, A. Coppola, F. Biasutti (Pa dova 2013) [Ithaca] 185–203. 122 V. Gysembergh: Une référence à la médecine de Cnide dans le débat philosophique entre Platon et Eudoxe, in: REG 126 (2013) 34–58.
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123 A. Laks: The Pythagorean Hypomnemata Reported by Alexander Polyhistor in Dioge nes Laertius (8.25–33): A Proposal for Read ing, in: On Pythagoreanism, edited by G. Cornelli, C. Macris, R. McKirahan (Berlin 2013) [Studia Praesocratica 5] 371–384. 124 T. Dorandi: Diogenes Laertius and the Gno mological Tradition: Considerations from an Editor of the Lives of the Philosophers, in: Ars Edendi Lectures 3, edited by E. Odel man, D. Searby (Stockholm 2014) 71–103. 125 A. Laks: Diogenes Laertius’ Life of Pythago ras, in: A History of Pythagoreanism, edited by C. A. Huffman (Cambridge 2014) 360– 380. 126 S. Martinelli Tempesta: La nuova edizione di Diogene Laerzio, in: Elenchos 35 (2014) 157– 189.
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127 W. Lapini: L’Epistola a Erodoto e il Bios di Epicuro in Diogene Laerzio. Note testuali, esegetiche e metodologiche (Roma 2015) [Pleiadi 20]. 128 F. Verde: Epicureanism, in: Oxford Biblio graphies in Classics (2015). – Online unter: http://www.oxfordbibliographies.com/ (Stand: Juli 2018). 129 T. Dorandi: Aristotle in the Biographical Tra dition, in: Brill’s Companion to the Reception of Aristotle in Antiquity, edited by A. Falcon (Leiden 2016) [Brill’s Companions to Classi cal Reception 7] 277–298. 130 T. Dorandi: Le ‹Divisiones quae vulgo dicun tur Aristoteleae›. Storia del testo e edizione delle Recensiones Marciana, Florentina e Leidensis, in: Studia Graeco-Arabica 6 (2016) 1–58.
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Ausgaben und Übersetzungen in Auswahl Eine erläuterte Geschichte der antiken Editio nen des Stobaios bis zu jener von Meineke 1855– 1864 [*142] bietet Curnis 2008 [*186]. Die maßgebliche Edition des ganzen ‹Antholo gion› bleibt diejenige von Wachsmuth, Hense 1884–1912 [*144], herausgegeben in fünf Bänden: Wachsmuth (1884 [*144]) veröffentlichte die ers ten beiden Bände mit den ‹Eclogae›, Hense (1894– 1912 [*144]) edierte hingegen das ‹Florilegium›, das die Bände 3–5 einimmt. Der 1. Band (Wachs muth 1884 [*144: VII–XXXIII]) und der 3. Band (Hense 1894 [*144: VII–LVII]) enthalten eine grundlegende Einführung in die Geschichte des Textes und die Überlieferung des ‹Anthologion›, die in verschiedener Hinsicht aktualisiert werden sollte. Gemeinsames Charakteristikum beider Editionen sind die zahlreichen radikalen, norma lisierenden Eingriffe und die fast allzu systemati sche Berücksichtigung der sakroprofanen Florile gien für die Wiederherstellung von Stobaios’ Text. 135 V. Trincavelli: Ἰωάννου τοῦ Στοβαίου Ἐκ λογαὶ ἀποφθεγμάτων – Ioannis Stobaei collec tiones sententiarum (Venetiis 1536). – Editio princeps des ‹Florilegium›, wiederaufgenom men von Gesner 1543 und 1549 [*136]. 136 Κέρας Ἀμαλθείας. Ἰωάννου τοῦ Στοβαίου ἐκ λογαὶ ἀποφθεγμάτων καὶ ὑποθηκῶν – Ioannis Stobaei Sententiae ex thesauris Graecorum
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delectae […] et in Sermones sive Locos com munes digestae, a Conrado Gesnero […] in la tinum sermonem traductae […], Tiguri 1543 (Basileae 21549, Tiguri 31549). 137 Ioannis Stobaei Eclogarum libri duo: quorum prior physicas, posterior ethicas complectitur; nunc primum Graece editi; interprete G. Cantero (Antverpiae 1575). – Editio princeps des griechischen Texts der ‹Eclogae›. 138 Ioannis Stobaei Eclogarum physicarum et ethicarum libri duo, I–IV, ad codd. mss. fidem suppleti et castigati annotatione et ver sione Latina instructi ab A. H. L. Heeren (Gottingae 1792–1801). 139 Ioannis Stobaei Florilegium, I–IV, ad ma nuscriptorum fidem emendavit et supplevit Th. Gaisford (Oxonii 1822). – Editio auctior (Leipzig 1823–1824). 140 Photii Bibliotheca, ex recensione I. Bekker (Berolini 1824). 141 Th. Gaisford: Ioannis Stobaei Eclogarum physicarum et ethicarum libri duo, accedit Hieroclis commentarius in Aurea Carmina Pythagoreorum, I–II (Oxonii 1850). 142 Ioannis Stobaei Florilegium I–IV, recognovit A. Meineke (Lipsiae 1855–1857); Ioannis Sto baei Eclogarum physicarum et ethicarum libri duo, I–II, recensuit A. Meineke (Lipsiae 1860–1864). – Der 4. Band des ‹Florilegium› enthält auch die Veröffentlichung von weite rem gnomologischem Material, das nützlich
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ist für das Verständnis und die Rekonstruk tion dieses Teils von Stobaios’ Werk. 143 Doxographi Graeci, collegit recensuit prole gomenis indicibusque instruxit H. Diels (Be rolini 1879). 144 Ioannis Stobaei Anthologii libri duo priores, I–II, recensuit C. Wachsmuth (Berolini 1884); Ioannis Stobaei Anthologii libri duo posterio res, III–V, recensuit O. Hense (Berolini 1894– 1912). – Nachdruck (Berolini 1958) mit dem von O. Hense veröffentlichten Autorenindex: Ioannis Stobaei Editionis Weidmannianae Appendix. Indicem auctorum in tertio libro et quarto laudatorum continens (Berolini 1923). 145 Zenobii Athoi Proverbia. Volumen primum (Prolegomena), edidit et narravit W. Bühler (Gottingae 1987). 146 Ps.-Maximus Confessor. Erste kritische Edi tion einer Redaktion des sacro-profanen Flo rilegiums ‹Loci Communes›, herausgegeben von S. Ihm (Stuttgart 2001) [Palingenesia 73]. 147 The ‹Corpus Parisinum›: A Critical Edition of the Greek Text with Commentary and Eng lish Translation (A Medieval Anthology of Greek Texts from the Pre-Socratics to the Church Fathers, 600 B.C. – 700 A.D.). Trans lated, with Commentary and Introduction by D. M. Searby. With a Commendatory Fore word by D. Gutas (Lewiston, Queenston, Lampeter 2007). 148 Gnomica Democritea. Studien zur gnomolo gischen Überlieferung der Ethik Demokrits und zum Corpus Parisinum mit einer Edition der ‹Democritea› des ‹Corpus Parisinum›, von J. Gerlach (Wiesbaden 2008) [Serta Graeca 26]. 149 Giamblico: I frammenti dalle epistole. Intro duzione, testo, traduzione e commento, a cura di D. P. Taormina, R. M. Piccione (Napoli 2010) [Elenchos 56]. 150 Fozio: Biblioteca. Introduzione di L. Canfora, a cura di N. Bianchi, C. Schiano (Pisa 2016).
Sekundärliteratur 156 A. Elter: De Ioannis Stobaei codice Photiano (Bonnae 1880). 157 O. Hense: De Stobaei Florilegii excerptis Bruxellensibus (Friburgi, Tubingae 1882). 158 K. Wachsmuth: Studien zu den griechischen Florilegien (Berlin 1882). 159 O. Hense: Ioannes (18) Stobaios, in: RE IX 2 (1916) 2549–2586.
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160 A. L. Di Lello-Finuoli: Il Florilegio Lauren ziano, in: Quaderni Urbinati di Cultura Clas sica 4 (1969) 137–173. 161 A. L. Di Lello-Finuoli: Un esemplare auto grafo di Arsenio e il Florilegio di Stobeo. Con uno studio paleografico di P. Canart (Roma 1971). 162 A. L. Di Lello-Finuoli: A proposito di alcuni codici trincavelliani: Rivista di studi bizantini e neoellenici 14–16 (1977–1979) 349–376. 163 H. Daiber: Aetius Arabus. Die Vorsokratiker in arabischer Überlieferung (Wiesbaden 1980) [Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Veröffentlichungen der orientali schen Kommission 33]. 164 G. Fowden: The Egyptian Hermes. A Histori cal Approach to the Late Pagan Mind (Cam bridge 21987). 165 D. Hahm: The Ethical Doxography of Arius Didymus, in: ANRW II 36,4 (1990) 2935– 3055. 166 M. Sicherl: Die griechischen Erstausgaben des Vettore Trincavelli (Padeborn 1993) [Stu dien zur Geschichte und Kultur des Alter tums, Reihe 1, Monographien, NF 5]. 167 R. M. Piccione: Sulle fonti e le metodologie compilative di Stobeo, in: Eikasmós 5 (1994) 281–317. 168 R. M. Piccione: Sulle citazioni euripidee in Stobeo e sulla struttura dell’‹Anthologion›, in: RFIC 122 (1994) 175–218. 169 T. Göransson: Albinus, Alcinous, Arius Didy mus (Göteborg 1995) [Studia Graeca et La tina Gothoburgensia 61].
170 A. A. Long: Notes on Hierocles Stoicus apud Stobaeum, in: ΟΔΟΙ ΔΙΖΗΣΙΟΣ. Le vie della ri cerca. Studi in onore di F. Adorno, a cura di M. S. Funghi (Firenze 1996) 299–309. 171 J. Mansfeld, D. T. Runia: Aëtiana. The Me thod and Intellectual Context of a Doxogra pher. I: The Sources (Leiden, New York, Köln 1997); II: The compendium (Leiden, Boston 2009); III: Studies in the Doxographical Tra ditions of Ancient Philosophy (Leiden, Bos ton 2010) [PhA 73, 114, 118]. 172 R. M. Piccione: Plutarco nell’‹Anthologion› di Giovanni Stobeo, in: L’eredità culturale di Plutarco dall’Antichità al Rinascimento, a cura di I. Gallo (Napoli 1998) [Collectanea] 161–201. 173 A. L. Di Lello-Finuoli: Ateneo e Stobeo nella biblioteca Vaticana: tracce di codici perduti, in: Ὁπώρα. Studi in onore di Mgr. P. Canart, III (1999) [Bollettino della Badia Greca di Grottaferrata N. S. 53] 13–55.
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174 R. M. Piccione: Caratterizzazioni di lemmi nell’Anthologion di Giovanni Stobeo. Ques tioni di metodo, in: RFIC 127 (1999) 139–175. 175 R. Goulet: Hermetica, in: DPhA III (2000) 641–650. 176 R. Goulet: Jean Stobée, in: DPhA III (2000) 1012–1016. 177 R. M. Piccione, D. T. Runia: Stobaios, in: DNP XI (2001) 1006–1010. 178 R. M. Piccione: Encyclopédisme et enkyklios paideia? À propos de Jean Stobée et de l’Anthologion, in: Philosophie antique 2 (2002) 169–197. 179 R. M. Piccione: Le raccolte di Stobeo e Orione: fonti, modelli, architetture, in: Aspetti di letteratura gnomica nel mondo antico I, a cura di M. S. Funghi (Firenze 2003) [Accade mia Toscana di scienze e lettere La Colomba ria, Studi 218] 241–261. 180 R. M. Piccione: Scegliere, raccogliere e ordi nare. La letteratura di raccolta e la trasmissione del sapere, in: Bisanzio tra storia e lettera tura, a cura di E. V. Maltese (Brescia 2003) [Humanitas 1] 44–63. 181 M. Curnis: Doxai e Apophthegmata platonici all’interno dell’Anthologion di Giovanni Sto beo, in: Aspetti di letteratura gnomica nel mondo antico II, a cura di M. S. Funghi (Fi renze 2004) [Accademia Toscana di scienze e lettere La Colombaria, Studi 225] 189–220. 182 R. M. Piccione: Forme di trasmissione della letteratura di raccolta, in: Aspetti di lettera tura gnomica nel mondo antico II, a cura di M. S. Funghi (Firenze 2004) [Accademia Tos cana di scienze e lettere La Colombaria, Studi 225] 403–441. 183 T. Dorandi: La tradition manuscrite, in: Por phyre: Sentences I. Travaux édités sous la res ponsabilité de L. Brisson et al. (Paris 2005) [HDAC 33] 275–284. 184 M. Hose: Das Gnomologion des Stobaios. Eine Landkarte des ‘paganen’ Geistes, in: Hermes 133 (2005) 93–99. 185 F. Ciccolella: Stobaios, in: DNP Suppl. 2 (2007) 563–565. 186 M. Curnis: L’Antologia di Giovanni Stobeo. Una biblioteca antica dai manoscritti alle stampe (Alessandria 2008) [Minima philolo gica 4].
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187 J. Gerlach: Die kompositorische Einheit des Corpus Parisinum. Eine methodologische Stellungnahme zu Searbys Gesamtedition, in: Medioevo Greco 8 (2008) 201–253. 188 D. Speranzi: Vicende umanistiche di un an tico codice. Marco Musuro e il Florilegio di Stobeo, in: Segno e Testo 7 (2009) 313–350. 189 R. M. Piccione: Materiali, scelte tematiche e criteri di ordinamento nell’Anthologion di Giovanni Stobeo, in: Condensing Texts – Condensed Texts, edited by M. Horster, Ch. Reitz (Stuttgart 2010) [Palingenesia 98] 619– 647. 190 Thinking through Excerpts. Studies on Sto baeus, edited by G. J. Reydams-Schils (Turn hout 2011) [Monothéismes et philosophie]. 191 M. Bonazzi: Il platonismo nel secondo libro dell’‹Anthologion› di Stobeo: il problema Eu doro, in: Reydams-Schils 2011 [*190: 441– 456]. 192 M. Curnis: Plato Stobaensis. Citazioni ed es tratti platonici nell’Anthologion, in: Rey dams-Schils 2011 [*190: 71–123]. 193 A. L. Di Lello-Finuoli: Il Vaticano greco 954 e il restauro del Florilegio di Stobeo, in: Rey dams-Schils 2011 [*190: 125–142]. 194 L. Ferreri: Le citazioni di Teognide in Stobeo e il problema della formazione della silloge Teognidea, in: Reydams-Schils 2011 [*190: 267–338]. 195 P. P. Fuentes Gonzáles: Cyniques et autres philosophes populaires chez Stobée, in: Rey dams-Schils 2011 [*190: 387–439]. 196 J.-B. Gourinat: Aëtius et Arius Didyme sources de Stobée, in: Reydams-Schils 2011 [*190: 143–201]. 197 H. Bottler: Pseudo-Plutarch und Stobaios: Eine synoptische Untersuchung (Göttingen 2014) [Hypomnemata 198]. 198 G. Tsouni: Peripatetic Ethics in the First Cen tury BC: The Summary of Didymus, in: Brill’s Companion to the Reception of Aristotle in Antiquity, edited by A. Falcon (Leiden 2016) [Brill’s Companions to Classical Reception 7] 120–137.
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Fünftes Kapitel
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§ 44. Überblick Christoph Horn Ein Handbuch zur Philosophie der Kaiserzeit und Spätantike darf nicht das Faktum übersehen, dass das, was wir heute als ‘Philosophie’ bezeichnen würden, auch zu einem beträchtlichen Teil von Gelehrten bzw. in Schulen betrieben wurde, die sich nicht die Selbstbezeichnung ‘philosophisch’ beilegten (oder die zumindest wir nicht unter diesem Titel einordnen würden). Das betrifft zum einen viele Theologen und religiöse Weisheitslehrer (mitsamt ihren dogmatischen oder mythologisch-narrativen Texten, die dennoch philosophisches Gewicht besitzen) und zum anderen die Vertreter der Fachwissenschaften (mit ihren empirischen oder spekulativen Vorgehensweisen von oft grundlegender theoretischer Bedeutung). Wenn man unter Philosophie eine Form der Grundlagenreflexion versteht, die auf der Basis von abstrakten Begriffen, Argumenten und Theorien Beiträge zur Welterklärung liefert, dann muss man zugeben, dass auch in den beiden genannten Bereichen so viel an bedeutender Philosophie entwickelt wurde, dass sie in der Darstellung der ausgehenden Antike angemessen zu berücksichtigen sind. Die drei Fachwissenschaften, um die es hier besonders geht, sind die Mathematik, die Astronomie (oder Kosmologie) und die Medizin. In allen drei Bereichen ist die Affinität der Fachvertreter zur Philosophie (und umgekehrt die der Philosophen zu den Fachwissenschaften) besonders alt und konstant. Für die Mathematik gilt dies spätestens seit den Werken des Euklid, die durch ihre Genauigkeit und Vollständigkeit geradezu das Paradigma axiomatisch-deduktiver Wissenschaft bildeten und auch die Methodologie der Philosophie inspirierten (vgl. Grundriss, Antike II, I Drittes Kapitel). Was die Astronomie (oder Kosmologie) anbelangt, so spielt diese bereits bei Platon und Aristoteles, die diesbezüglich an die Vorsokratiker anschließen (vgl. Grundriss, Antike II, II sowie Antike III), eine so herausragende Rolle, dass es nicht verwunderlich ist, wie sehr sich spätere Philosophen für sie (und spätere Fachwissenschaftler ihrerseits für Philosophie) interessiert haben. Bei Platon und Aristoteles lassen sich mindestens die folgenden vier konstitutiven Überzeugungen identifizieren: 1) Astronomisch-kosmologische These: Die Ewigkeit und die reguläre Bewegung der Himmelskörper zeigt die göttlichvernünftige Weltordnung an. 2) Naturphilosophische These: Auch die weiteren Ordnungsphänomene in der Natur, einschließlich jener der sublunaren Welt, weisen auf ein hohes Maß an vernünftiger Strukturiertheit hin. 3) Theologische These: Das Göttliche ist als ein Intellekt zu beschreiben, der die Welt vernünftig ordnet. 4) Teleologische These: Die Ordnung der Welt spiegelt vernünftige Planung, Absicht und Zielorientierung. Auch die Medizin hat eine lange gemeinsame Geschichte mit der Philosophie. So wissen wir beispielsweise von Alkmaion von Kroton, einem philosophierenden Arzt aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts, dass er in enger Verbindung zu Pythagoras und dessen Anhängern stand, offenbar ohne dass er selbst Pythagoreer gewesen wäre (vgl. auch Grundriss, Antike I, II 407–412, wo er als Pythagoreer
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behandelt wird). Alkmaion gehörte einer Ärzteschule an, die vermutlich bereits vor Pythagoras’ Auftreten in Kroton existierte. Daneben scheint er sich jedoch auch für Kosmologie und Astronomie interessiert zu haben. Bekannt ist Alkmaion auch etwa dafür, dass er den physischen Gesundheitszustand des Menschen als eine ‘Rechtsgleichheit’ (ἰσονομία) verschiedener Kräfte oder Komponenten beschrieb (wie des Feuchten, Trockenen, Warmen, Kalten, Bitteren und Süßen) im Gegensatz zur ‘Alleinherrschaft’ (μοναρχία) eines einzigen Prinzips (Aët. Plac. 5,30,1, 442,1–443,4 Diels = 24 B 4 DK). Von herausragender philosophischer Bedeutung für die Antike ist aber besonders das ‹Corpus Hippocraticum›, das viele seiner zentralen Lehren – etwa die Theorie der Körpersäfte – direkt mit philo sophischer Spekulation verbindet (vgl. Grundriss, Antike II, I Viertes Kapitel). In gewissem Umfang bereits bei Platon, verstärkt aber bei Aristoteles finden sich auch philosophische Reflexionen zur Medizin. Platons teleologische Physiologie im ‹Timaios› knüpft unmittelbar an seine Kosmologie und Naturphilosophie an. Bei Aristoteles finden sich zahlreiche Überlegungen zu physiologisch-medizinischen Themen, etwa dem Formentransfer bei der Fortpflanzung, die ebenfalls direkt mit seinen biologisch-zoologischen Theorien verknüpft sind. Im vorliegenden Kapitel V geht es zunächst nur um drei Autoren: um Kleomedes, Klaudios Ptolemaios und Galen. Kleomedes ist zweifellos mehr als Astronom denn als Philosoph zu bezeichnen: Seine subtile mathematische Berechnung des Erdumfangs sowie seine Argumente zugunsten der Kugelgestalt der Erde bilden herausragende Stationen der Wissenschaftsgeschichte. Gleichzeitig kann er jedoch auch als beachtenswerter stoischer Philosoph angesehen werden. Auch für Klaudios Ptolemaios gilt, dass er neben seinen bekannten astronomischen Schriften zum geozentrischen Planetensystem eine philosophisch relevante Schrift ‹Über das Erkenntniskriterium und den leitenden Seelenteil› verfasste. Galen ist wohl der bekannteste Arzt der Antike nach Hippokrates; zu seinen Entdeckungen gehören wichtige anatomisch-physiologische Beobachtungen. Zugleich trat er als platonisierender Philosoph in Erscheinung; zu seinen Schriften zählt etwa der Traktat ‹Quod optimus medicus sit quoque philosophus›, in dem er die Verbindung von Medizin und Philosophie sogar explizit behandelt. Die Beschränkung dieses Kapitels auf Kleomedes, Ptolemaios und Galen bedeutet allerdings nicht, dass hier nicht auch andere Autoren hätten Platz finden können, etwa Plinius der Ältere (dessen naturwissenschaftliche Bedeutung im Vordergrund steht), Firmicus Maternus oder Hypatia. Diese scheinen jedoch anderswo insgesamt besser platziert zu sein. Umgekehrt hätte man viele Philosophen (im engeren Wortsinn) mit ihren Beiträgen zu Mathematik, Astronomie oder Medizin erwähnen können, sofern sie gleichzeitig Teil ihrer philosophischen Über legungen sind. Allerdings soll es im Folgenden nicht um eine allgemeine Wissenschaftsgeschichte gehen; die Beschränkung auf philosophische Themen bleibt das Auswahlprinzip.
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§ 45. Kleomedes (Bibl. 527–528)
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§ 45. Kleomedes Wolfgang Hübner
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Der stoische Kosmologe Kleomedes gilt eher als Astronom denn als Philosoph. Über sein Leben ist nichts bekannt. Die Datierungen seines Werks schwanken zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. (Terminus post quem ist Poseidonios, den er zitiert) und dem 4. Jahrhundert (Neugebauer 1975 [*53: II 960] nimmt eine Datierung zwischen 320 und 420 n. Chr. an, gebilligt von Todd im Druck [*66: Anm. 25]; vgl. Goulet 1994 [*55: 438]). Sprachliche Indizien weisen am ehesten auf einen Ansatz zwischen 50 und 150 n. Chr. hin, auf jeden Fall vor Ptolemaios, den er nicht zitiert (Schumacher 1875 [*54]). 2. WERKE Kleomedes verfasste mindestens zwei Werke über Kosmologie, von denen nur eines überliefert ist. Sein Titel steht nicht fest (vgl. Goulet 1980 [*22: 35 Anm. 1], Todd 1985 [*34], Goulet 1994 [*55: 438]). Der handschriftlich überlieferte Titel Κυκλικῆς θεωρίας μετεώρων αʹ/βʹ kontaminiert wohl zwei verschiedene Versionen. Umstritten ist dabei besonders die Bedeutung des Wortes κυκλική: «Umdrehungen der Gestirne» (also ‹Eine Theorie über Kreisbewegungen der Himmelskörper›) oder «elementar» (‹Eine elementare Theorie der Himmelserscheinungen›) im Sinne der ‘Enzyklopädie’ (Goulet 1994 [*55: 438])? Das Werk präsentiert sich als Schulbuch (1,8,160f.
«Einführung» [εἰσαγωγή]; 2,7,12 «diese Vorlesungen» [αἱ σχολαὶ αὗται]; vgl. 2,2,7 «in der ersten der Vorlesungen» [ἐν τῷ πρώτῳ τῶν σχολικῶν]) und kann insofern mit der Εἰσαγωγή des Geminos verglichen werden, wenn auch die Vermutung von Goulet, dass es sich um eine Einführung speziell in die ‹Phainomena› Arats handelt, eher unwahrscheinlich ist (Goulet 1994 [*55: 438f.] nach Weinhold 1912 [*51: 23ff.]). Auf ein zweites Werk Ἡ διδασκαλία τῆς ἐπὶ τὸ μέσον φορᾶς τῶν βαρέων σωμάτων (‹Lehre über die zentripetale Bewegung schwerer Körper›) nimmt der Autor mehrfach Bezug: 1,1,191f., vgl. 1,1,94f. und 173f.
3. LEHRE
Buch 1 behandelt die allgemeine Kosmologie, die Zonen der Erde, Tages- und Jahreszeiten, Planetenbewegungen (besonders die Anomalie der Sonnenbewegung) sowie die Breite der Ekliptik, Buch 2 den Durchmesser von Sonne, Mond und Fixsternen (den Erdumfang bemisst Kleomedes nach dem ‹Arenarius› des
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Archimedes auf 1:10 000 der Sonnenbahn), ferner die Mondtheorie (Abstand Mond – Erde 5 000 000 Stadien), Mondphasen, Finsternisse (die konische Gestalt des Erdschattens) sowie Breiten- und Längenbewegungen der Planeten. Kleomedes bietet keine eigene Forschung, sondern kompiliert zum Zweck der Unterweisung meist stoisches Gedankengut («Sympathie» [συμπάθεια], «Weltenbrand» [ἐκπύρωσις], die Erde ein verschwindend kleines «Zentrum» [κέντρον] inmitten des riesigen, kugelförmigen Kosmos; der Kosmos wird im Übrigen in 1,1,2ff. einleitend definiert als ein begrenztes, alle Körper umfassendes, von der Natur planmäßig gelenktes System von Himmel und Erde, das kein Vakuum enthält, aber außen vom unbegrenzten, leeren Raum umgeben ist). Der Autor benutzt Krates von Mallos, Arat und besonders (wenn wohl auch nur indirekt) Poseidonios (1,8,161f.). Die Poseidonios-Ausgabe von Theiler misst dem Einfluss des Poseidonios größere Bedeutung zu als die von Edelstein-Kidd (Goulet 1994 [*55: 439]). Der Schlusssatz «Das meiste des Gesagten wurde aus Poseidonios entnommen» (τὰ πολλὰ δὲ τῶν εἰρημένων ἐκ τῶν Ποσειδωνίου εἴληπται: 2,7,13f.) wurde früher als Scholion verdächtigt, wird aber heute wieder für echt gehalten. Es gibt ferner Übereinstimmungen mit Geminos, Plutarch, dem Arat-Erklärer Achilleus und Plinius’ ‹Naturalis historia› sowie Zitate aus Homer, Heraklit und Hipparchos (die gradgenaue Opposition von Aldebaran und Antares). Gegen Epikur nimmt er polemisch Stellung (namentlich gegen dessen These, die Sonne sei wirklich so groß, wie sie erscheine, vgl. 2,1,2–12). Besonders wichtig ist Kleomedes als Quelle für die stoische Kosmologie, aber auch wegen der Definitionen. 4. NACHWIRKUNG
Der ‘Sonnenhymnos’ (2,1,359–403) hat Basileios von Kaisareia in seinem ‹ Hexaëmeron› beeinflusst. Die von Todd 1990 [*3: V–XVIII mit Stemma] genauestens kollationierten über 70 Handschriften aus dem 12. (?) oder Anfang 13. bis zum 16. Jahrhundert zeigen die reiche Nachwirkung ebenso wie der kurze byzantinische Kommentar von Johannes Pediasimos (geb. ca. 1250), vgl. Todd 1985 [*34]. Das Werk wird zitiert von Michael Psellos und Georgios Pachymeres (Todd 1990 [*3: XXIX]). Nachdem es schon 1497 und 1498 in lateinischer Übersetzung gedruckt worden war, erschien die Editio princeps 1539 in Paris.
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§ 46. Klaudios Ptolemaios (Bibl. 528–536)
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§ 46. Klaudios Ptolemaios Wolfgang Hübner
1. Leben. – 2. Werke.
1. LEBEN
Ptolemaios lebte in Alexandrien, dem damaligen Wissenschaftszentrum der hellenistischen Welt, wo unter den Lagiden einst Eratosthenes gewirkt hatte, mit dem er die universale Ausrichtung seiner Studien teilt. Er stellte in den Jahren zwischen 121 und 156 n. Chr. Beobachtungen an und schrieb unter den Kaisern Hadrian, Antoninus Pius und Mark Aurel. Die ‹Syntaxis› vollendete er, bevor die Kanobos-Inschrift im 10. Jahr des Antoninus Pius (147/48 n. Chr.) aufgestellt wurde. Er verfasste sie vor den ‹Hypothesen zu den Planeten› und den ‹Apotelesmatika› und wohl auch vor den ‹Optika› und dem verlorenen Werk über die Elemente (Boll 1894 [*268: 75]). Die im engeren Sinne philosophische Schrift ‹Über das Erkenntniskriterium und den leitenden Seelenteil› ist wahrscheinlich vor den dieser thematisch nahestehenden ‹Harmonika› und wohl auch vor den ‹Optika› entstanden. Das wohl unvollendet gebliebene geographische Werk scheint sein spätestes gewesen zu sein (Chronologie seiner Schriften bei Neugebauer 1975 [*53: 834–836]). Spätere Astrologen und Geographen bezeichnen Ptolemaios als «göttlich» (θεῖος, θειότατος). 2. WERKE
1. Astronomie: 1.1. ‹Syntaxis›; 1.2. ‹Phasen der Fixsterne›; 1.3. ‹Handliche Tafeln›; 1.4. ‹Hypothesen über die Planeten›; 1.5. Kanobos-Inschrift; 1.6. ‹Über das Hochgeklappte›; 1.7. ‹Planisphaerium›. – 2. Astrologie: 2.1. ‹Apotelesmatika›; 2.2. ‹Karpos›. – 3. Sonstige Wissenschaften: 3.1. Geographie; 3.2. Harmonielehre; 3.3. ‹Optik›; 3.4. Erkenntnistheorie. – 4. Verlorene Schriften und Pseudepigrapha.
Die Werke des Ptolemaios zeichnen sich durch eine enorme Vielfalt aus. Abgesehen von seinem berühmten und vielfach übersetzten Epigramm (AP 9,577, dazu Boll 1921 [*269]) gehören sie insofern ausnahmslos zur Philosophie, als auch die Schriften, die man heute der Fachwissenschaft zuordnen würde, in das Gebiet der Physik im antiken Sinne, d. h. der Kosmologie, fallen. Philosophie im heutigen engeren Sinne behandelt einzig das Werk über die Erkenntnistheorie, philosophische Diskurse und Gedanken enthalten aber auch die ‹Harmonika› sowie die
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eiden sternkundlichen Hauptwerke, die ‹Syntaxis› und die ‹Apotelesmatika›. b Ptolemaios versucht, die Daten der Beobachtungen numerisch zu quantifizieren und damit die Ursachenlehre mit der mathematischen Astronomie zu vereinen (Mead 1975 [*274]). Er ist Eklektiker mit einer peripatetischen Grundausrichtung, die in seiner frühen ‹Syntaxis› noch vorherrscht. In den späteren Werken kommen stoische Gedanken hinzu, insbesondere weil die Stoa der hellenistischen Astrologie das philosophische Gerüst gegeben hat (Boll 1950 [*360: 33] und 1921 [*365: 48]). In der ‹Harmonik› wird auch die platonische Lehre von den drei Seelenteilen und pythagoreische Zahlenspekulation verwendet (Boll 1894 [*268: 93–109]). Was zunächst im Fortschritt von einem Werk zum anderen auffällt wie etwa von der ‹Syntaxis› zu den ‹Apotelesmatika›, gilt teilweise auch für den Fortgang von den Phänomenen zur interpretierenden Spekulation innerhalb der einzelnen Werke wie in den ‹Apotelesmatika›, der Kanobos-Inschrift oder den ‹Harmonika›. An der letzten großen Entwicklung des Platonismus nimmt Ptolemaios nicht teil. Ebensowenig lassen sich Verbindungen zur Theosophie feststellen (Boll 1894 [*268: 109–111]; allgemein über die Stellung des Ptolemaios zur Philosophie vgl. Boll 1894 [*268: 66–111]). Proklos und seine Nachfolger hielten die Astronomie, deren Gipfel sie in Ptolemaios erreicht sahen, für einen wesentlichen Bestandteil ihrer Theologie, während Ptolemaios selbst am Anfang der ‹Syntaxis› die Mathematik über die Theologie stellt. 1. Astronomie Bei den sternkundlichen Werken ist zu berücksichtigen, dass Astronomie und Astrologie in der Antike weder begrifflich noch in Bezug auf jene, die sich mit ihr beschäftigten, streng geschiedene Gebiete waren (Hübner 1989 [*278]). Viele Werke des Ptolemaios wurden von den Arabern intensiv benutzt. Teilweise sind die arabischen Versionen unsere einzige Quelle. Ein Forschungsprojekt ‘Ptole maeus Arabus et Latinus’ wurde jüngst in Angriff genommen, vgl. das Schwerpunktheft Akademie Aktuell 2013 [*286]. 1.1. ‹Syntaxis› Der ursprüngliche Titel des Werks ‹Wissenschaftliche Zusammenstellung› (Μαθηματικὴ σύνταξις) wurde später in ‹Große Synthese› (Μεγάλη σύνταξις) oder ‹Größte Synthese› (Ἡ μεγίστη σύνταξις) umbenannt, was im Arabischen zur Bezeichnung ‹Almagest› führte. Das Werk bietet ein umfassendes Handbuch der mathematischen Astronomie in 13 Büchern. Im Vorwort zu Buch 1 geht Ptole maios von der Zweiteilung der Philosophie in einen praktischen und einen theoretischen Teil aus, welche die «wahren Philosophen» (οἱ γνησίως φιλοσοφήσαντες, vermutlich die Peripatetiker) vorgenommen haben. Die praktische Philosophie unterscheidet sich von der theoretischen nicht nur dadurch, dass einige «sittliche Tugenden» (ἠθικαὶ ἀρεταί) auch ohne «wissenschaftliche Kenntnis» (μάθησις) erworben werden können, während man sich die «Wissenschaft vom Weltganzen»
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§ 46. Klaudios Ptolemaios (Bibl. 528–536)
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(ἡ τῶν ὅλων θεωρία) einzig mit Gelehrsamkeit aneignen könne, sondern auch dadurch, dass dort der größte Gewinn aus dem «Wirken» (ἐνέργεια) im Leben selbst, hier nur aus dem Fortschritt in den «Lehrsätzen» (θεωρήματα) erwächst. Angesichts der aristotelischen Dreiteilung der theoretischen Philosophie erklärt Ptolemaios seine Vorliebe für die Mathematik, die gegenüber der Theologie und der Physik das exakteste Wissen an die Hand gebe (Boll 1894 [*268: 66–76]). Die Physik beschäftigt sich mit der Erforschung der stofflichen Beschaffenheit, die ewig in Bewegung ist (ὑλικὴ καὶ αἰεὶ κινουμένη ποιότης), die Mathematik mit den «Formen und den überschreitenden Bewegungen» (εἴδη καὶ μεταβατικαὶ κινήσεις), die Theologie mit dem «ersten Bewegenden» (πρῶτον κινοῦν). Teilweise weiter im Rückgriff auf Aristoteles erklärt der Autor, warum die Erde kugelförmig ist und unbewegt im Mittelpunkt des Kosmos ruht. Diese wird ganz außen von der alles umschließenden Fixsternsphäre umkreist, die in ihrer täglichen Rotation um die Erde sämtliche Himmelskörper mitnimmt. Alle jenseits des Mondes befindlichen Sterne sind göttlich, und ihre Bewegung ist gleichmäßig und kreisförmig. Zwischen der äußersten Sphäre und der Erde bewegen sich die sieben ‘Planeten’ in der ‘chaldäischen’ Folge Mond – Merkur – Venus – Sonne – Mars – Jupiter – Saturn (unten Abb. 1). Es folgen die Grundlagen der Sehnentrigonometrie und eine Sehnentafel. In Buch 2 werden, ausgehend von dem Wert 23° 51’ 50’’ für die Ekliptikschiefe, die Aufgangszeiten für verschiedene geographische Breiten auf Tafeln zusammengestellt. Die Bücher 3 bis 5 behandeln die Bewegungen der beiden niemals rückläufig werdenden Luminare (Sonne und Mond) und Buch 6 deren Finsternisse. Buch 7 und 8 bieten den ausführlichsten Fixsternkatalog der Antike mit 1025 Sternen, die Ptolemaios in 48 (21 nördliche, 12 zodiakale, 15 südliche) Sternbilder einteilt. Für jeden Stern werden seine ekliptikale Länge, seine nordsüdliche Abweichung sowie seine Helligkeit (nach sechs Klassen) angegeben. In den Büchern 9 bis 11 beschreibt Ptolemaios die Bewegungen der fünf echten Planeten in aufsteigender Reihenfolge, und zwar weiter unter der Voraussetzung, dass im supralunaren Raum nur gleichmäßige kreisförmige Bewegungen möglich sind. Um diese Annahme zu «retten» (διασώζεσθαι: Synt. 9,2 p. 212,21 Heiberg), ersetzt er die eudoxische Theorie von den konzentrischen Sphären durch eine hochkom plizierte Epizykeltheorie, die versucht, die beiden Bewegungen der Erde – wie wir heute wissen – in ein geozentrisch definiertes System zu integrieren: Die Planeten bewegen sich auf Epizykeln, deren Mittelpunkt jeweils auf einem exzentrischen Kreis um die Erde läuft. Buch 12 und 13 behandeln abschließend die Rückläufigkeit und die Breitenabweichung der Planeten von der Ekliptik. Die ‹Syntaxis› beruht sowohl auf den Beobachtungen als auch auf den Schriften des Hipparchos von Nikaia, den er als «in höchstem Maße wahrheitsliebend» (φιλαληθέστατον: Synt. 9,2 p. 210,8 Heiberg) bezeichnet. In der Sonnentheorie stimmt Ptolemaios mit seinem Vorgänger überein, die Mondtheorie verfeinert er. Die lange geltende Ansicht, er habe bei den Längenangaben der Fixsterne den Ergebnissen des Hipparchos mechanisch 2° 40’ hinzugefügt, wurde bestritten (Graßhoff 1990 [*279]), scheint er doch die Daten der Äquinoktien und Solstitien aus eigener Beobachtung gewonnen zu haben. Für die Präzession (Synt. 7,2) übernimmt er den zu langsamen Wert von 100 (statt richtig 71,6) Jahren für einen Grad
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der Ekliptik (erst die Araber sollten dank längerer Beobachtungsdauer dem richtigen Wert näherkommen). In den theoretischen Teilen folgt er hauptsächlich den Lehrsätzen des Apollonios von Perge. Im Ganzen hat er das nach ihm benannte System nicht erfunden, sondern den damaligen Kenntnisstand in einer eleganten und gültigen Form der Nachwelt überliefert. Die ‹Syntaxis› blieb bis zum Ende des 16. Jahrhunderts das maßgebliche Lehrbuch der theoretischen Astronomie. Theon von Alexandrien scheint im 4. Jahrhundert zumindest Buch 1–2 herausgegeben zu haben, seine Tochter Hypatia wohl Buch 3 (Cameron 1990 [*298], Pingree 1994 [*301: 77]). Kommentare verfassten in der Antike ein gewisser Artemidoros um 213 n. Chr. (Jones 1990 [*97]), Pappos von Alexandrien (um 300 n. Chr.) und Theon, nicht aber Heliodoros (Pingree 1994 [*301: 83f.]). Der Philosoph Proklos schrieb eine reservierte Kritik in einem Werk, das einen ptolemäischen Titel (unten 1.4.) abwandelt: ‹Entwurf der astronomischen Hypothesen› (Ὑποτύπωσις τῶν ἀστρονομικῶν ὑποθέσεων; Hartner 1964 [*317: 323f.], Pingree 1994 [*301: 78f.]), Damaskios studierte die ‹Syntaxis› in Alexandrien unter Anleitung des Ammonios (Pingree 1994 [*301: 79]). Auch reiche Scholien zeugen von intensiver Benutzung, für die Pingree 1994 [*301: 80–95] sieben Gelehrte in Betracht zieht: Heliodoros, Eutokios, Johannes Philoponos, Simplikios, Olympiodoros, Rhetorios von Ägypten und Stephanos von Alexandrien. Größte Wertschätzung fand das Werk bei den Arabern, die es übersetzten, kommentierten und nach ihm Tafelwerke erstellten (van der Waerden 1959 [*272: 1798f.]), wobei der Text bei ihnen in mindestens fünf verschiedenen Fassungen zirkulierte (Kunitzsch 1974 [*294: VII]). Der griechische Text beruht im Wesentlichen auf vier Handschriften aus dem 9. und 10. Jahrhundert (Pingree 1994 [*301]). Er wurde ins Mittelpersische, in der Frühzeit des Islam ins Syrische, dann mehrfach ins Arabische, im 13. Jahrhundert ins Hebräische und schließlich (1732) sogar ins Sanskrit übersetzt (Kunitzsch 1974 [*294: 11–13]). Ediert wurde von den arabischen Versionen bisher nur der Sternkatalog (Kunitzsch 1986–1991 [*88]). Die ‹Syntaxis› veranlasste al-Battānī und andere Astronomen zu Kommentaren (Saliba 1987 [*297]) und weiterführenden Schriften (Saliba 1994 [*302]) und Tafelwerken. Wirkungsgeschichtlich am bedeutendsten war die lateinische Übersetzung des Gerhard von Cremona (Kunitzsch 1991 [*299] und 1993 [*300]), von der zwei Fassungen bekannt sind (vor 1175 und um 1180) und von der bisher ebenfalls nur der Sternkatalog ediert ist (Kunitzsch 1990 [*88]). Praktisch wirkungslos blieb eine um 1160 entstandene Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische, bevor Georg von Trapezunt eine solche im Auftrag von Papst Nicolaus V. anfertigte (vollendet 1451, gedruckt 1528). Diese wurde von Johannes Regiomontanus im Zuge der Gregorianischen Kalender reform anhand von griechischen Handschriften des Kardinals Bessarion sowie von Theons Kommentar verbessert. Die griechische Editio princeps stammt von Simon Grynaeus (1538).
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1.2. ‹Phasen der Fixsterne› Von den beiden Büchern über die ‹Phasen der Fixsterne und Sammlung der Wetterzeichen› (Φάσεις ἀπλανῶν ἀστέρων καὶ συναγωγὴ ἐπισημασιῶν) ist das zweite vollständig, das erste nur fragmentarisch in arabischer Übersetzung erhalten. Letzteres enthält Angaben über die erste bzw. letzte Sichtbarkeit von 30 hellen Fixsternen am Abend kurz nach Sonnenuntergang bzw. am Morgen kurz vor Sonnenaufgang (oft missverständlich als ‘Auf-’ und ‘Untergänge’ bezeichnet). Die Wetterzeichen stammen aus früheren Kalendern des Euktemon, Eudoxos und Meton. Eine lateinische Übersetzung erstellte Federico Bonaventura (1592). 1.3. ‹Handliche Tafeln› Die ‹Handlichen Tafeln› (Πρόχειροι κανόνες) enthielten alle Daten, die man für die Berechnungen von Planeten- und Fixsternpositionen und Ähnlichem benötigt. Überliefert ist nur die Einleitung, in der die Einrichtung und der Gebrauch der Tafeln erklärt wird. Die Tafeln selbst sind zwar – wie die Karten in der ‹Geographie› – in ihrer ursprünglichen Form verloren, jedoch in der Bearbeitung Theons von Alexandrien (4. Jh.) erhalten, der in seinem ‘Kleinen’ und ‘Großen’ Kommentar nichts Wesentliches verändert hat. Gegenüber der ‹Syntaxis› hat Ptolemaios die Breitenbewegung der Planeten nach einer verbesserten Theorie berechnet. Stichzeit für die Umrechung von saisonalen in äquinoktiale Stunden ist jeweils der Mittag in Alexandrien (Jones 1999 [*130: I 103]). Kommentare schrieben Marinos von Tyros (Pingree 1994 [*301: 79]), Theon und vielleicht auch Hypatia und Kleomedes. Die Tafeln wurden in der Spätantike vielfach für astronomische und astrologische Berechnungen benutzt (Papyrusfunde bei Jones 1999 [*130: I 102–108 und II 26–39]) und unterlagen als typisches Produkt von Gebrauchsliteratur vielfachen Veränderungen. Stephanos von Alexandrien gab sie 615–618 neu heraus; auch in Byzanz wurden sie häufig abgeschrieben, besonders weil sie der Osterfestberechnung dienten (van der Waerden 1959 [*272: 1824]). Sie wurden weiter vom frühen arabischen Gelehrten al-Fazārī benutzt (Sezgin 2007 [*273: XIII 204, 210]) und regten die Araber zur Verfertigung ähnlicher Werke an. 1.4. ‹Hypothesen über die Planeten› Eine Gesamtedition der ‹Hypothesen über die Planeten› (Ὑποθέσεις τῶν πλα νωμένων) fehlt bisher. Von den beiden Büchern sind der erste Teil von Buch 1 auf Griechisch und beide Bücher in arabischer Übersetzung erhalten, Buch 2 vielleicht in verkürzter Form (Hartner 1968 [*317: 345]). Das von Heiberg 1907 [*78: II 69– 107] edierte griechische Textstück beschreibt die verschiedenen Planetenmodelle, der arabisch erhaltene zweite Teil des ersten Buches erörtert die Gründe der Planetenbewegungen und kritisiert die aristotelische Adaptation von Eudoxos’ Theorie der homozentrischen Sphären. Ptolemaios bleibt bei dem ‘chaldäischen’ Modell (unten Abb. 1) und berechnet die absoluten Abstände der Planeten (von der Erde und von der Sonne aus), die er nach Erdradien à 2,52 Myriaden von Stadien angibt –
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offensichtlich nach einem Modell und nicht aufgrund von Beobachtung. Danach bestimmt er die Durchmesser der Planeten und den Sehbogen (arcus visionis) bei akronynichischen Aufgängen (d. h. Aufgängen abends am Anfang der Nacht), was in dieser Form weder in der ‹Syntaxis› noch in den ‹Handlichen Tafeln› zu lesen ist. Der Schluss über optische Täuschungen hinsichtlich der Durchmesser der Planeten berührt sich thematisch, aber nicht im Einzelnen, mit den ‹Optika› (Inhaltsangabe des – gegenüber von Heiberg – neuen Teils von Buch 1 bei Goldstein 1967 [*117: 4f.]). Die Daten entsprechen eher den ‹Handlichen Tafeln› als der ‹Syntaxis› (van der Waerden 1959 [*272: 1816f.]). In Buch 2 (nach der Einteilung Heibergs) betrachtet Ptolemaios den Kosmos als ein «umfassendes Lebewesen» (nach Plat. Tim. 32d ζῷον τέλειον) und erklärt die Planeten zu ätherischen Körpern, die in Reinheit und absoluter Selbstbestimmung ihre gleichmäßigen Kreisbewegungen vollführen. Gegenüber Aristoteles und dessen Nachfolgern, die mit hohlen Sphären gearbeitet haben, bevorzugt er «Ausschnitte» von massiven Sphären nach Art eines «Tamburins» oder von «Wirteln» des platonischen Er-Mythos (Plat. Rep. 10, 616d: σφονδύλους). Diesen hatte bereits der Platoniker Derkylides im 1. Jahrhundert (Dörrie, Baltes 1993 [*319: 44f., 202f.]: Papyrus aus der Zeit des Ptolemaios) und etwa gleichzeitig mit Ptolemaios der Peripatetiker Adrastos in seinem ‹Timaios›-Kommentar astronomisch interpretiert. Beiläufig weist Ptolemaios die Vorstellung zurück, dass sich die Erde samt der sie umgebenden Luft drehe. Um die Planetenbewegungen zu demonstrieren, erteilt er Anweisungen zur Konstruktion eines hochkomplizierten Instruments mit exzentrischen Kreisen und Epizyklen (41 an der Zahl), die an den AntikytheraMechanismus erinnern (Jones 2012 [*320]). Oben bei der Fixsternsphäre beginnend, teilt er die Himmelskörper in «nicht geneigte» und «verschieden geneigte Beweger». Am Ende kündigt er ein fünfteiliges Tafelwerk mit Beginn am 1. Thot 322 v. Chr. an, unter dem wohl die ‹Handlichen Tafeln› zu verstehen sind. Die Schrift, die Simplikios in seinem Kommentar zu Aristoteles’ ‹De caelo› und Proklos in seinen Kommentaren zur platonischen ‹Politeia› und dem ‹Timaios› benutzt und der Proklos eine eigene entgegenstellt (oben 1.1.), wurde im späten 9. Jahrhundert durch Tābit ibn Qurra ins Arabische übersetzt und kursierte unter zwei verschiedenen Titeln: ‹Kitāb al-Iqtiṣāṣ› und ‹Kitāb al-Manshūrāt› (Hartner 1968 [*317: 346f.], Sezgin 1978 [*273: VI 94f.]). Eine in Paris auf bewahrte, bisher unedierte Übersetzung ins Hebräische stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert (Steinschneider 1893 [*314: 538]). 1.5. Kanobos-Inschrift Die in drei Handschriften überlieferte Inschrift, die Ptolemaios im 10. Regierungsjahr des Antoninus Pius (147/48 n. Chr.) auf einer Stele im nahen Kanobos aufstellen ließ, besteht hauptsächlich aus Zahlen, welche die Werte von Planetenpositionen und -bewegungen angeben. Die meisten Daten stimmen mit der ‹Syntaxis› überein, einige wurden geringfügig verbessert. Am Ende werden die sieben Planeten und die vier Elemente den musikalischen Intervallen zugeordnet, es bestehen also Verbindungen zum umstrittenen Schlusskapitel der ‹Harmonika› und somit trotz des technischen Charakters der Inschrift auch zur Philosophie.
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1.6. ‹Über das Hochgeklappte› Von der ebenfalls rein technischen Schrift ‹Über das Hochgeklappte› (Περὶ ἀναλήμματος) haben sich einzig Fragmente in einem Mailänder Palimpsest erhalten. Eine lateinische Übersetzung des gesamten Textes fertigte um 1270 Wilhelm von Moerbeke aus dem Griechischen an. Das Analemma erlaubt eine zweidimensionale Darstellung der Kreisbögen auf einer Kugel. Die Punkte der Sphäre werden zunächst senkrecht auf eine Meridian-Ebene projiziert, bevor andere Ebenen in diese umgeklappt werden (van der Waerden 1959 [*272: 1827–1829]; Böker 1979 [*344]). Im heutigen Sinne Philosophisches scheidet in den erhaltenen Partien aus. 1.7. ‹Planisphaerium› Diese nur in drei bekannten Handschriften (Sezgin 1974 [*273: V 170]) in arabischer und nach dieser in lateinischer Übersetzung erhaltene Schrift ‹Vereinfachung der Erscheinung der Kugel› (Ἅπλωσις ἐπιφανείας σφαίρας) versucht eine stereographische Projektion der Himmelskugel von dem (damals den Menschen verborgenen) Südpol aus auf die Ebene des Äquators. Ptolemaios bestimmt das Verhältnis der parallelen Kreise zum Himmelsäquator und konstruiert daraus die Ekliptik und deren Parallelkreise. Die Schrift wurde vom spanisch-arabischen Astronomen Maslama ben Achmed el-Magriti (gest. 1007) ins Arabische und im Jahre 1143 von Hermannus Dalmata (de Carinthia) und später von anderen zusammen mit dessen Zusätzen ins Lateinische übersetzt. Gedruckt wurde sie zum ersten Mal 1536. Auf der Methode der stereographischen Projektion beruht das im Mittelalter weit verbreitete Instrument des Astrolabiums (Kunitzsch 1996 [*353]). Die theoretischen Grundlagen dieser Methode waren vielleicht bereits dem Hipparchos bekannt. Inwieweit sie auch dem Ptolemaios vertraut waren, ist umstritten. 2. Astrologie 2.1. ‹Apotelesmatika› Die Schrift ‹Wirkungen der Gestirne› (Ἀποτελεσματικά) oder ‹Vierbuch› (Τετράβιβλος, lateinisch ‹Quadripartitum›, zum Titel Hübner 1998 [*78: III 1, XXXVI–XXXIX]), für welche die ‹Syntaxis› die astronomischen Grundlagen liefert, ist das einflussreichste und am meisten benutzte Werk der antiken Astrologie. In einer betont nüchternen Reserve betrachtet Ptolemaios aus der Distanz die Einflüsse der Gestirne auf die sublunare Welt. Der Teilung des Universums in einen supralunaren Raum mit stetigen, unveränderlichen Bewegungen und in einen sublunaren Raum mit vielfältigen Veränderungen liegt letztlich die plato nische Zweiweltenlehre zugrunde. Zu Beginn unterscheidet Ptolemaios die beiden Sparten der umfassenden Himmelskunde: Das eine Gebiet, heute Astronomie
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genannt, betrifft die bereits in der ‹Syntaxis› abgehandelte Lehre von den stetigen Bewegungen der Himmelskörper, das zweite, weniger sichere und weniger geschlossene «prognostische» (τὸ δι’ ἀστρονομίας προγνωστικόν), heute als Astrologie bezeichnet, versucht, aus den Erkenntnissen der Sternbewegungen Voraussagen über deren Wirkungen auf die Erde zu treffen. Philosophisches Interesse haben besonders die ersten drei Kapitel der Einleitung gefunden (Apotel. 1,1–3). Darin verteidigt Ptolemaios die Möglichkeit und den Nutzen astrologischer Prognosen: Im astrologischen Lehrsystem waltet «Vernunft» (λόγος), das sich durch eine besondere «Folgerichtigkeit» (ἀκολουθία) auszeichnet. In seiner Argumentation pro und contra stützt sich Ptolemaios, außer auf den Peripatos, weitgehend auf Argumente, die seit Karneades und Panaitios – insbesondere angesichts des ‘stoischen Paradoxons’ von Determinismus und Willensfreiheit – innerhalb der Stoa diskutiert oder gegen die Stoiker vorgebracht wurden (Boll 1894 [*268: 131– 163, 218–235], Long 1982 [*373]); fassbar sind diese bei Cicero im zweiten Buch von ‹De divinatione› und in ‹De fato› sowie bei dem Skeptiker Sextus Empiricus (Fazzo 1988 [*376] und 1991 [*380]). Neuerdings hat man wieder Bolls alte Vermutung in Betracht gezogen, dass Poseidonios die Quelle dafür sein könnte (Vegetti 1994 [*381: 227]). Gegenüber seinem Zeitgenossen Vettius Valens, einem zünftigen Astrologen, für den die Menschen «Soldaten des Schicksals» sind (στρατιῶται τῆς εἱμαρμένης: Vett. Val. 5,6,9), lässt Ptolemaios mehr Raum für den freien Willen, und das eröffnet dem Astrologen reichlichen Spielraum für Interpretationen und Modifikationen. Stets gebe es eine «Interferenz mehrerer Ursachen» (συναίτια). Im Übrigen gingen die Deterministen von einem falschen «Schicksalsbegriff» (εἱμαρμένη) aus, der von der «Notwendigkeit» (ἀνάγκη) durchaus zu unterscheiden sei (Gundel 1914 [*363: 79f.]). Eine strenge Notwendigkeit ist nur in der Bewegung der Himmelskörper wirksam, jedoch nicht bei den Veränderungen im irdischen Bereich. Dort gibt es nur eine «Kohärenz» (ἀκολουθία) der Phänomene. Zu der Kardinalfrage der Willensfreiheit nimmt Ptolemaios nicht eindeutig Stellung, sondern verharrt als Vertreter der weniger strengen Kausalität (Fazzo 1991 [*380: 224] nach Gundel 1914 [*363: 78–80] und Long 1982 [*373: 170 mit Anm. 19]) in einer gewissen Ambivalenz (Fazzo 1991 [*380: 225–238]). Positiv stellt er fest: Der Einfluss der Gestirne, besonders von Sonne und Mond, auf die Erde sei unbestreitbar und im Voraus zu berechnen. Falsche Prognosen beruhen auf Fehlern der Astrologen bei der schwierigen Berechnung oder bei der Interpretation. Das Unwesen der Scharlatanerie spreche nicht gegen die seriöse Wissenschaft als solche. Zum Vergleich zieht er die ebenfalls auf Ursachenforschung und Prognose angewiesene ‘Stochastik’ (Apotel. 3,2,6; 3,6,2: Komorowska 2009 [*386]) der Medizin heran (Fazzo 1991 [*380: 241–243]), die – wie auch andere Techniken – ebenfalls mit materiellem Gewinn verbunden sei. Den Nutzen der Astrologie hat Ptolemaios wohl ohne Rückgriff auf andere Schriften bestimmt (Fazzo 1991 [*380: 231–236]): Er liegt in dem Glücksgefühl jeglicher Erkenntnis sowie in der Einsicht in das, was unserem Körper nützt oder schadet. Die Voraussicht fördert die Seelenruhe, sie «gewöhnt die Seele an die vergangenen wie zukünftigen Geschehnisse und bringt sie in den rechten Rhythmus» (ἐθίζει καὶ ῥυθμίζει τὴν ψυχήν: Apotel. 1,3,5; vgl. Plat. Tim. 47b–c und 90d: Die Beobachtung der Sternbahnen korrigiert die fehl-
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geleiteten inneren ‘Bewegungen’ des Menschen). Der wahre Astrologe ist kein Magier, sondern ein «Fachmann» (τεχνίτης). Ihm geht es nicht um das Geldverdienen, sondern um die Suche nach der Wahrheit: Somit ist er ein Philosoph (Apotel. 1,1,2 und 1,3,3: Fazzo 1991 [*380: 244 mit Anm. 69]). Nach dieser Einleitung behandelt Buch 1 die Grundlagen der Astrologie: die Eigenschaften der Planeten, die sich trotz der Geozentrik symmetrisch um die zentrale Sonne herum gliedern (Hübner 1988 [*377]): In Sonnennähe herrscht beiderseits Hitze, in Sonnenferne Kälte und dazwischen ein ausgeglichener Zustand. Die Fixsternbilder (12 Tierkreiszeichen, 21 nördliche und 15 südliche Paranatellonten) werden im Einzelnen auf ihre planetaren Qualitäten zurückgeführt. Es folgen die vier Jahreszeiten und Himmelsrichtungen, die Aspekte (Winkelabstände)
Abb. 1: Die Symmetrie des ‘chaldäischen’ Planetensystems.
Abb. 2: Die planetaren Tag- und Nachthäuser.
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Abb. 3: Die drei Quadrate im Tierkreis.
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trocken
feucht
warm männlich
Feuer
Luft
kalt weiblich
Erde
Wasser
Abb. 4: Das Quartett der vier Elemente.
der Tierkreiszeichen und Planeten, die sich mit den Zahlenverhältnissen der ‹Harmonika› berühren (Boll 1894 [*268: 163], Düring 1934 [*211: 126–134]). Die beiden Sechsecke der männlichen und weiblichen sowie der zum Tag und zur Nacht gehörenden Tierkreiszeichen auf ungerader und gerader Position folgen der pythagoreischen Zahlenlehre, die drei Quadrate (τετράγονα) der δίσωμα – στερεά – τροπικά (vgl. Abb. 3; vgl. Hübner 1982 [*372: 74–80 unter Nr. 1,311 mit ausführlicher Interpretation 464–472]) berühren sich mit den drei Arten der Quarte (αὔξησις – ἀκμή – φθίσις). Es folgen die um die Tagundnachtgleichen bzw. Sonnenwenden zentrierten Parallelverbindungen der einander ‘sehenden’ oder ‘hörenden’ Tierkreiszeichen, die planetaren Tag- und Nachthäuser (Abb. 2), die planetare Verteilung der vier zodiakalen Triplizitäten (τρίγωνα: Abb. 6, in Abb. 5 auf die vier irdischen Quadranten verteilt). Dagegen spielt das spätere mit kontinuierlichen saisonalen Zodiakalquadranten (τεταρτημόρια) arbeitende System kaum eine Rolle. Es folgen die Erhöhungen und Erniedrigungen der Planeten sowie drei verschiedene Systeme von «Planeten-Bezirken» (ὅρια) der Tierkreiszeichen (mit Tabellen) und schließlich die «Bedeckung» (συναφή) und das «Abfließen (= Zurückbleiben hinter der Sonne)» (ἀπόρροια) der Planeten. Buch 2 behandelt die «Universalastrologie» (γένος καθολικόν) und geht in einem traditionellen Abstieg von oben nach unten (Hübner 2002 [*385]) von Großräumen wie Ländern, Völkern und Städten aus und bietet eine nach den vier zodiakalen Dreiecken ausgerichtete umfassende Geo- und Ethnographie mit Tabelle (Apotel. 2,1–3, dazu Boll 1894 [*268: 181–235], Uhden 1933 [*367]). Die fünf echten Planeten werden in einem Quincunx-Schema den vier kardinalen Himmelsrichtungen und die vier Triplizitäten des Tierkreises den Zwischenrichtungen zugewiesen (Abb. 5); in einem zwölfteiligen Trigonalsystem besetzen die Planeten in der Häuserfolge (Abb. 2) die Spitzen der vier Dreiecke (Abb. 6). Es folgen die Finsternisse, insbesondere mit Angaben darüber, welche Orte, Zeiten und welcherart Menschen betroffen sind, sodann Formen und Farben der Finsternisse und Kometen (die im sublunaren Bereich vermutet werden). Ptolemaios stellt die Frage nach dem Jahresbeginn und behandelt «Wetterzeichen» (ἐπισημασίαι) und schließlich – allerdings sehr knapp – sonstige meteorologische Erscheinungen in Erdnähe in der peripatetischen Tradition im Stil von Theophrasts ‹Über Wetterzeichen› (Περὶ σημείων), dem schon Arat am Ende seines kosmologischen Lehrgedichts der ‹Phainomena› gefolgt war.
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Die Bücher 3 und 4 schildern nach Art der Astrologie im heutigen Verständnis die individuellen Wirkungen der Gestirne auf die Menschen (γένος γενεθλιακόν: Riley 1988 [*378]). Buch 3 beginnt mit der Frage nach dem Anfang des mensch lichen Lebens (Zeugung oder Geburt), behandelt Eltern, Geschwister, Mehrlingsgeburten sowie missgestaltete und nicht lebensfähige Geburten. Das astronomisch anspruchsvollste Kapitel 3,11 berechnet auf höchst komplizierte Weise die Lebenserwartung anhand der Dodekatropos, einer Art von sphärischem Koordinatensystem für die tägliche Rotation. Danach geht es wieder schlichter um die Körpergestalt, somatische und psychische Krankheiten oder Abartigkeiten. Buch 4 behandelt in fortschreitender «Differenzierung» (Apotel. 4,4,9; 4,9,2: ποικιλία), die bis ins «Unermessliche» geht (Apotel. 2,9,20: ἄπειρον), die einzelnen menschlichen Aktivitäten, Möglichkeiten des Erwerbs, Ehren und Würden, Berufe, Eheschließung und Kinder, Freunde und Feinde, Reisen, den Aufenthalt in der Fremde und die Todesart. Bei dem in der Inhaltsübersicht nicht aufgeführten letzten Kapitel (Apotel. 4,10) über die Lebensdauer – aufsteigend durch sieben Planeten der Heptazonos –, dessen Echtheit bezweifelt wurde, dürfte es sich um einen späteren Zusatz des Autors selbst handeln (Boll 1894 [*268: 123f.] und 1913 [*362: 118–128]); es lässt sich – ebenso wie die Aspektlehre – mit den Schlüssen der ‹Harmonika› und der Kanobos-Inschrift vergleichen. Die einzelnen Lehren folgen der astrologischen ‘Vulgata’, die man auf Ps.-Nechepso und Petosiris (wahrscheinlich 2. Jh. v. Chr.) zurückführt (Gundel, Gundel 1966 [*370: 27–36], Heilen 2015 [*389: 40–47, 539–583]). Sie basieren auf dem aristotelischen, von den Stoikern übernommenen Quartett der vier Elemente und deren Grundqualitäten (Abb. 4); keine Rolle spielt hingegen die ‘Quinta essentia’. Im Gegensatz zu den Platonikern, die dem Element der Erde – auch wegen des homonymen Himmelskörpers – die tiefste und unterste Stelle im Kosmos anwiesen, nimmt bei den Astrologen das Wasser, das andere weibliche und passive Element, die unterste Stelle ein. Die Prognosen werden hauptsächlich vom Stand der Planeten abgeleitet, während die Tierkreiszeichen nur Modifizierungen erlauben. Die zusammenwirkenden Kräfte bilden nach spätplatonisch-aristotelischer Lehre im Idealfall einen «ausgewogenen Schwebezustand» (μεσότης) zwischen «Übermaß» (ὑπερβολή) und «Defi zienz» (ἔλλειψις). Obwohl Ptolemaios, verglichen mit früheren astrologischen Lehrdichtern wie Manilius oder Dorotheos von Sidon, den etwa gleichzeitigen ‹Anthologiai› des Vettius Valens und den späteren Handbüchern des Firmicus Maternus, Hephaistion von Theben, Paulos von Alexandrien oder Rhetorios, wesentliche Teile der Astrologie entweder gar nicht behandelt (Triplizitäten der vier Elemente, Götter tutelae, planetare wie zodiakale Melothesie, thema mundi = Horoskop der Welt, Dekane, Dodekatemoria, Parapegma und drakonitische Mondknoten, vgl. Riley 1987 [*375]) oder höchstens am Rande einbezieht (Eigenschaften der Tierkreiszeichen, Paranatellonten, Dodekatropos, Rollenspiel der vier Kardinalpunkte und Katarchai = Wahl des zeitlichen Beginns einer bestimmten Handlung), wurde sein Werk als ein umfassendes Handbuch der Astrologie gelesen. Die philosophische Einleitung der ersten Kapitel mit der Schicksalsdiskussion, der Rechtfertigung der Divination und der Erwägung der Möglichkeit eines Ein-
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flusses der Gestirne auf die sublunare Welt findet sich einige Dezennien später bei dem Peripatetiker Alexander von Aphrodisias in seinen Schriften ‹An die Kaiser über das Schicksal› (Περὶ εἱμαρμένης πρὸς τοὺς αὐτοκράτορας), der ‹ Mantissa› Nr. 25 und der ‹Quaestio› 2,3 (Fazzo 1988 [*376]). Kommentiert werden die ‹Apotelesmatika› zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert von Porphyrios, Pancharios, Proklos und Eutokios von Askalon, dessen Kommentar arabisch erhalten ist (Sezgin 1979 [*273: VII 48]). Hephaistion von Theben schreibt das Werk streckenweise wörtlich aus, Pappos von Alexandrien, Firmicus Maternus und Johannes Lydos benutzen es. Einen anonymen, unedierten griechischen Kommentar bietet der Codex Laurentianus gr. 28,34 aus dem 10. Jahrhundert (Boer 1959 [*272: 1833]), den andere Handschriften dem Abū Ma‘šar zuschreiben (Ruelle 1910 [*361: 32–34]). Dem lateinischen Mittelalter war das Werk unbekannt, ins Arabische wurde es im 8. und 9. Jahrhundert übersetzt. Sezgin 1979 [*273: VII 43f.] nennt sieben arabische Kommentare, von denen der am weitesten verbreitete von ‘Alī Ibn Riḍwān stammt und ins Türkische, Persische und in Auszügen auch ins Lateinische übersetzt wurde; vielleicht gab es zudem eine Übertragung ins Syrische. Im Westen
Abb. 5: Quincunx der fünf echten Planeten und der vier zodiakalen Triplizitäten (vgl. Abb. 6) zu Quadranten geordnet.
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Abb. 6: Planetare und zodiakale Himmelsrichtungen.
brachte erst das verstärkte naturwissenschaftliche Interesse seit dem 12. Jahrhundert mehrere lateinische Übersetzungen hervor: Plato Tiburtinus übertrug das Werk 1138 aus dem Arabischen (gedruckt 1551), eine weitere anonyme Übertragung (1206) blieb ungedruckt, Aegidius de Thebaldis übersetzte das Werk im 13. Jahrhundert auf Geheiß des Königs Alfons X. von Kastilien (gedruckt 1484 u. ö.). Guillaume Oresme übertrug es im 14. Jahrhundert ins Französische (Lejbowicz 1983 [*374]). Die ersten lateinischen Renaissance-Übersetzungen entstanden zusammen mit den Editiones principes des griechischen Textes von Joachim Camerarius (1535: mit Übersetzung von Buch 1 und 2 sowie Teilen von Buch 3 und 4) und Philipp Melanchthon (1553: mit Übersetzung aller vier Bücher); besonders erfolgreich war die Übersetzung von Antonius Gogava (zuerst 1548). Hinzu kommen erläuternde Werke: Lateinische Kommentare verfassten Giorgio Valla (1504) und Gerolamo Cardano (1554); Melanchthon edierte die dem Proklos zugeschriebene griechische Paraphrase (1554, danach Leo Allatius 1635), sein Schüler Hieronymus Wolf jenen anonymen, ebenfalls dem Proklos zugeschriebenen Kommentar zusammen mit der ‹Einführung› des Porphyrios (1559). Fast 400 Jahre nach den beiden lateinischen Renaissance-Editionen erschienen im Jahre 1940
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zum ersten Mal wieder – unabhängig voneinander – zwei kritische Ausgaben des griechischen Textes (Boll, Boer 1940 [*78: III 1] und Robbins 1940 [*163]). 2.2. ‹Karpos› Die ps.-ptolemäische Schrift mit dem Namen ‹Frucht› (Καρπός, ‹Fructus›) wird zuerst vom syrischen Bischof Severos Sebokht im 7. Jahrhundert erwähnt, doch in welcher Sprache er sie las, ist ungewiss, denn der Ursprung der Schrift ist umstritten. Nach Boer 1959 [*272: 1838f.] wurde sie ursprünglich auf Griechisch, nach Lemay 1978 [*394] als ‹Kitāb aṯ-Ṯamara› in Kairo am Anfang des 10. Jahrhunderts auf Arabisch verfasst, und zwar von dem Arzt Abū Ja‘far Aḥmad ibn Yūssuf ibn Ibrahim, der sie zugleich auch kommentierte. Die Frage verdient eine genauere Untersuchung. Die Schrift besteht aus 100 Thesen oder Aphorismen, welche die Grundbestandteile der Astrologie betreffen, daher wird sie auch ‹Buch der 100 Sätze› (‹Centiloquium›) genannt. Sie steht in manchem im Widerspruch zu der Lehre des Ptolemaios und berührt sich teilweise mit dem ‹Picatrix› (einer spanisch-arabischen Sammlung von Texten zur Magie, Astrologie und Talismankunde, deren Titel aus ‘Hippokrates’ abgeleitet wurde). Das Werk wurde im 12. Jahrhundert mindestens fünfmal aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, unter anderem von Plato Tiburtinus und Johannes Toletanus, im 14. Jahrhundert auch ins Hebräische. Die 52 Handschriften mit dem griechischen Text gehen auf einen Archetypus des 10. Jahrhunderts zurück und bilden zumeist eine Überlieferungsgemeinschaft mit den ‹Apotelesmatika›, mit denen das Werk seit 1484 auch zusammen lateinisch gedruckt wurde, ergänzt um den Kommentar des Ps.-Haly (= Abū Ja‘far Achmad). Sezgin 1979 [*273: VII 44–46] nennt im Ganzen vier arabische Kommentare. Das Werk galt in der Renaissance bis auf wenige Ausnahmen (Cardano) als echt ptolemäisch und wurde in ganz Europa häufig gelesen. Georg von Trapezunt übersetzte es zwischen 1452 und 1455 am Hof des Alfons von Aragon aus dem Griechischen ins Lateinische und kommentierte es (Rinaldi 2011 [*396]), ebenso wie ebendort Pontano. Auch dessen Freund Bonincontrius hat es kommentiert (vor 1477). 3. Sonstige Wissenschaften 3.1. Geographie Die antike Geographie war Teil der universalen Kosmologie. Die ptolemäische ‹Anleitung zur Geographie› (Γεωγραφίας ὑφήγησις), d. h. zur «Kartenzeichnung», enthält im Gegensatz zu früheren erdkundlichen Schriften weder eine «Küstenbeschreibung» (περίπλους) noch eine Beschreibung einzelner Länder und Völker, sondern – als Gegenstück zum Sternkatalog der ‹Syntaxis› – eine Ortsliste, die alle damals bekannten Teile der bewohnten Welt umfasst. Dabei muss man be-
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rücksichtigen, dass die Antike den Sternhimmel – mit Ausnahme der damals den Menschen verborgenen Südkalotte – besser kannte als die Erde. In der Breite umfasst die Kenntnis des Ptolemaios ca. 80° von der Insel Thule im Norden (63°) bis zum südlichen Breitenkreis (16° 25’), in der Länge ca. 126° von den ‘Inseln der Seligen’ im Westen bis nach China im Osten. Während Eratosthenes den Äquatorumfang mit 700 Stadien pro 1° durch die gegenseitige Neutralisierung von Messfehlern ziemlich genau bestimmt hatte, übernahm Ptolemaios von Poseidonios den zu niedrigen Wert von 500 Stadien pro 1°, rechnete also mit insgesamt nur 180 0 00 Stadien. Nach einer an Hipparchos orientierten theoretischen Einführung in Buch 1, der ältesten erhaltenen Anleitung zur exakten Kartographie, bieten die Bücher 2 bis 7 Positionsangaben von Orten des ‘orbis tripertitus’: Europa (Buch 2–3), Nordafrika (Buch 4) und Asien (Buch 5–7). Aufgelistet werden die Längen- und Breitengrade von ca. 8100 einzelnen Orten (auch Flussmündungen, Bergen, u. ä.). Besonders bei den schwieriger zu ermittelnden Längen stützt sich Ptolemaios auf das Werk seines jüngeren Vorgängers Marinos von Tyros, doch statt dessen zylin drischer Projektion bevorzugt er eine kegelförmige oder eine mit gekrümmten Meridianen. Buch 8 enthält Angaben über 26 kleinere Regionalkarten, auf denen er die bewohnte Welt schematisch darstellt: 10 für Europa, 4 für Afrika, 12 für Asien. Die Breiten einzelner Städte werden traditionell nach der Dauer des längsten Tages und ihre Länge nach der Abweichung vom Null-Meridian Alexandriens angegeben (gleichgesetzt mit dem eratosthenischen von Rhodos). Hier gibt es Berührungen mit den Positionsangaben von 360 «herausragenden Städten» (κανὼν ἐπισήμων πόλεων), die einige Handschriften der ‹Handlichen Tafeln› überliefern (Honigmann 1929 [*404: 73–81], Polaschek 1965 [*407: 681–692]), wenn auch der Anfangsmeridian in den ‹Handlichen Tafeln› nicht durch Alexandrien, sondern durch die ‘Glücklichen Inseln’ im äußersten Westen verläuft. Ptolemaios stützt seine Daten teils auf eigene Beobachtung, teils auf Arbeiten seiner Vorgänger (Geogr. 7,5,1). Das als Begleittext zu den Karten konzipierte Werk, wieder ein typisches Produkt von Gebrauchsliteratur, hat Ptolemaios wohl nicht vollendet. Weil seine eigenen Karten nicht fertig geworden waren, benutzte er die Karten des Marinos. Kurz vor seinem Tod plante er eine zweite Ausgabe des Werkes. Die ‹Geographie› hat die Neuzeit stärker beeinflusst als die ‹Syntaxis›. Eine arabische Übersetzung aus dem frühen 9. Jahrhundert ist nicht erhalten. Einzelne Bearbeitungen beschränken sich auf den arabisch-islamischen Teil der Oikumene, deren älteste von al-Ḫwārizmī (um 820) stammt (Mžik 1926 [*190], ferner Nallino 1894 [*402]). Die Karten galten lange – ähnlich wie die originalen Tabellen der ‹Handlichen Tafeln› – als verloren. Doch kurz nach 1295 fand Maximos Planudes nach intensiver Suche eine Handschrift, die auch die dazugehörigen Karten enthält, und er preist den Fund mit einem Gedicht. Damit ist die alte Theorie einer selbständigen planudeischen Redaktion überwunden (Stückelberger 2000 [*411: 190], Burri 2003 [*412]). In Westeuropa wurde das Werk erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts (um 1406) durch die Übersetzung des Jacobus Angelus aus dem Griechischen bekannt (Editio princeps 1475). Obwohl einzelne Angaben schon damals überholt waren, wurde es in prächtigen großformatigen Werken verbreitet
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und gab der neuzeitlichen theoretischen und praktischen Geographie die Richtung vor. Der von Poseidonios und Ptolemaios zu niedrig angesetzte Erdumfang war dazu angetan, Kolumbus zu seiner Entdeckungsfahrt nach Indien zu ermutigen. 3.2. Harmonielehre Nach Platon (Rep. 7, 530d: den Pythagoreern folgend) bedient sich die Mathematik, wenn sie sich mit Astronomie und Harmonielehre beschäftigt, jener beiden verschwisterten Sinne, die dem «leitenden Seelenteil» (ἡγεμονικόν) am nächsten stehen, des Sehens und des Hörens. Auch Ptolemaios hat diesen beiden Sinnen je ein Werk gewidnet: die ‹Optika› und die ‹Harmonika› (Ἁρμονικά), wobei die von Platon dem Sehen zugeordnete Astronomie bereits in der ‹Syntaxis› berücksichtigt worden war. Die Nähe der ‹Harmonika› zu der wahrscheinlich früher verfassten erkenntnistheoretischen Schrift ‹Über das Erkenntniskriterium und den leitenden Seelenteil› (Περὶ κριτηρίου καὶ ἡγεμονικοῦ) wird dadurch sinnfällig, dass der Titel des ersten Kapitels der ‹Harmonika› «Über die Kriterien in der Harmonik» (Περὶ τῶν ἐν ἁρμονικῇ κριτηρίων) lautet und einst sogar als Titel des ganzen Werks galt. Die drei Bücher behandeln systematisch und umfassend die antike Musiktheorie, Buch 1 und 2 die homophonen und symphonen, emmelischen und ekmelischen Klänge sowie die drei Grundintervalle (Oktave = 2:1; Quinte = 3:2; Quarte = 4:3) bis hin zum «vollendeten System» (σύστημα τέλειον), in dem alle drei Intervalle enthalten sind. Hinzu kommen die Klanggeschlechter (enharmonisch, chromatisch und diatonisch) sowie «Tonarten» (τόνοι, Transpositionsskalen). Die ältesten Tonarten sind dorisch, phrygisch und lydisch. Die Definition des «Schalls» (ψόφος) ist stoisch (Boll 1894 [*268: 94]). Die Aufgabe des Akustikers entspricht der des Astronomen: Beide haben beim Hören bzw. Sehen die durch den Kanon gewonnenen Ergebnisse «festzuhalten» (διασῶσαι). Den Pythagoreern wirft Ptolemaios vor, dass sie sich zu sehr auf Zahlenspekulation, den Anhängern des Aristoxenos, dass sie sich zu sehr auf Beobachtung gestützt und ihre Berechnungen nur beiläufig und auf falsche Weise angestellt hätten. Wie dem Kommentar des Porphyrios zu entnehmen ist, hat Ptolemaios ohne Quellenangabe aus dem Werk ‹Über den Unterschied der pythagoreischen Musik› (Περὶ τῆς διαφορᾶς τῆς Πυθαγορείου μουσικῆς) des Didymos von Alexandrien geschöpft. Zwischen den praktischen Musikern (Organikern) und den reinen Akustikern (Phonastikern) vertritt er, ähnlich wie bereits Aristoxenos, eine Mittelstellung. Bei der Beschreibung des Verhältnisses zwischen «Wahrnehmung» (αἴσθησις) und «Denken» (λόγος) gibt es inhaltliche Berührungen mit seiner Schrift über die Erkenntnislehre, allerdings verwendet er nur in den ‹Harmonika› die stoische «Zustimmung» (συγκατάθεσις) gegen Aristoxenos (Boll 1894 [*268: 97ff.]). Der mathematische Kern dieser beiden Bücher besteht in einer Prüfung, welche Proportionen zulässig und für die Konstruktion von Tetrachorden brauchbar sind. In Buch 3 bezeichnet Ptolemaios die «harmonische Kraft» (ἁρμονικὴ δύναμις) als im höchsten Maße «vernunftgebunden» (λογικωτάτη): Die Hörer werden «von einer göttlichen Sehnsucht» erfüllt (ὑπό τινος ἔρωτος θείου: Harm. 3,3). In weiter ausgreifender Spekulation erörtert er die Stellung der ἁρμονική innerhalb des
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§ 46. Klaudios Ptolemaios (Bibl. 528–536)
Weltganzen. Das Werk gipfelt in der Analogie zwischen der ‘Harmonie’ der Seele und des Universums (Harm. 4–7): Die ersten Konsonanzen (Oktave, Quinte und Quarte) werden nach peripatetischer und dann nach platonischer Psychologie den drei Seelenkräften und schließlich die drei Tongeschlechter den theoretischen und praktischen Tätigkeiten der Seele zugeordnet (Abb. 7): ἀρχὴ θεωρητική
φυσικόν
μαθηματικόν
θεολογικόν
ἀρχὴ πρακτική
ἠθικόν
οἰκονομικόν
πολιτικόν
τὰ τρία γένη
ἐναρμονικόν
χρωματικόν
διατονικόν
Abb. 7: Tongeschlechter und Seelenkräfte.
Im Gegensatz zur Wertung bei Aristoxenos steht das diatonische Geschlecht am höchsten, die Mathematik befindet sich (wie in der ‹Syntaxis›) zwischen Physik und Theologie. Veränderungen im privaten und öffentlichen Leben entsprechen den Veränderungen der Melodie. Es folgt die Übereinstimmung der Ekliptik (der Bahn der Planeten) mit dem vollendeten System, der west-östlichen Planetenbewegungen mit den Bewegungen des Tonsystems, der steigenden und fallenden Bewegung der Planeten mit den Tongeschlechtern und ihrer nord-südlichen Abweichungen mit den Modulationen (Harm. 3,8–13). Von den Kapiteln 14 und 15 sind kaum mehr als die Überschriften überliefert. Das letzte Kapitel (Harm. 3,16), das die musikalischen Intervalle zu den Umlaufbahnen der Planeten in Beziehung setzt, hat eine Sonderüberlieferung. Es wurde lange für unecht gehalten, doch hat Düring 1934 [*211: 281–284] im Vergleich mit den ‹Apotelesmatika› und deren Schlusskapitel sowie mit einem Zitat bei Macrobius seine Echtheit wahrscheinlich gemacht. Porphyrios schrieb auch zu diesem Werk einen Kommentar, der bis Harm. 2,7 reicht, Macrobius benutzte es, und Boethius paraphrasierte das erste Buch im fünften Buch von ‹De institutione musica›. Über den Letztgenannten wirkte die Lehre auch im Mittelalter weiter, besonders die Dreiteilung in musica mundana – musica humana – musica instrumentalis, die noch den drei Sätzen einer Sinfonie von Paul Hindemith zugrunde liegt (1951). Das Werk wurde auch in der arabischen Musiktheorie genutzt (Reinert 1979 [*421]; vgl. auch Reinert 1990 [*423]). Der Byzantiner Nikephoros Gregoras löste mit seiner Redaktion des Werkes eine heftige Kontroverse aus. Im Druck erschienen die ‹Harmonika› zunächst lateinisch in Venedig (1562), griechisch erst 1682 in Oxford. Sie beflügelten die Diskussionen um die Dissonanzenbehandlung der Polyphonie. 3.3. ‹Optik› Von den ‹Optika›, meist im Singular als ‹Optik› bezeichnet, ist einzig ein Teil in lateinischer Übersetzung aus dem Arabischen erhalten, die Eugen von Sizilien im 12. Jahrhundert am normannischen Hof unter dem Titel ‹De aspectibus› anfertigte (Lejeune 1948 [*430]). Von den ursprünglich fünf Büchern fehlt das erste
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und das Ende des fünften, doch konnte der Inhalt weitgehend rekonstruiert werden: Buch 1 behandelte die Grundlagen des Sehens, das sich Ptolemaios wie Euklid durch Sehstrahlen vorstellt, die vom Auge ausgehen, Buch 2 die Bedeutung von Licht und Farbe für das Sehen; dabei kommen auch Sinnestäuschungen zur Sprache (Opt. 2,84–142). In Buch 3 und 4 geht es um die Reflexion der Sehstrahlen in verschiedenen Spiegeln. In Buch 5 stellt Ptolemaios drei Brechungs gesetze auf und berichtet über eigene Messungen von Brechungen in Wasser und Glas mit einer kreisförmigen Bronzescheibe, somit verbindet er ein erstes Mal die experimentelle Methode mit theoretischer Deduktion. In den drei zusammenfassenden Tabellen bilden die Brechungswinkel arithmetische Reihen zweiter Ordnung. Ptolemaios fragt weiter nach der Möglichkeit der Refraktion in der Astronomie, hält es aber für unmöglich, hierfür eine Tafel aufzustellen, weil die Grenze zwischen der Luft und dem Äther nicht zu bestimmen sei. Soweit aus den Übersetzungen zu schließen ist, kamen philosophische Gedanken nach heutigem Verständnis in diesem Werk nicht zur Sprache. Das Werk wird von dem Optiker Damianos (4. Jh.?) zitiert, die Theorie der vom Auge ausgehenden Sehstrahlen durch den Araber Alhazen überwunden. Die kritische Ausgabe von Lejeune 21989 [*225] stützt sich auf zwölf Handschriften. 3.4. Erkenntnistheorie In der kurzen Schrift ‹Über das Erkenntniskriterium und den Primat des Geistes› (Περὶ κριτηρίου καὶ ἡγεμονικοῦ, ‹De iudicandi facultate et animi principatu›) entwickelt Ptolemaios kein selbständiges System, sondern knüpft an die Lehren früherer Philosophen an. Die beiden im Titel genannten Begriffe wurden besonders von den Stoikern benutzt, über den ersten hatte bereits Poseidonios eine Schrift verfasst. Dennoch fußt Ptolemaios’ Schrift auf einem peripatetischen Kompendium (Boll 1894 [*268: 80]). Das Werk gliedert sich in zwei Teile: Der erste, erkenntnistheoretisch ausgerichtete (Kapitel 1–12) behandelt die Vorgänge beim geistigen Erkennen und Beurteilen. Das eigentliche erkennende Subjekt ist der «Geist» (νοῦς). Ohne sinnliche Wahrnehmung gibt es kein Denken. Der Stoff von Wahrnehmen und Denken ist derselbe, die Wahrnehmung vermittelt ihre Eindrücke «wie ein Bote» (ἄγγελος) dem Denken, das sie mit Hilfe des «Bewusstseins» (ἔννοια) festhält. Seine eigene aktive Tätigkeit übt das Denken durch die «Vernunft» (λόγος) aus. Wird diese einfach und kunstlos angewandt, erwirbt man eine vage «Meinung» (δόξα καὶ οἴησις); wird sie dagegen kunstvoll und «nicht umzustimmend» (ἀμετάτρεπτος) angewandt, entsteht «Wissen und Erkenntnis» (ἐπιστήμη καὶ γνῶσις). Der «theoretische Geist» (νοῦς θεωρητικός) bezieht sich auf das Selbe und Andere, Gleiche und Ungleiche, Ähnliche und Unähnliche sowie überhaupt auf Gleichheiten und Unterschiede der Begriffe, der «praktische Geist» (νοῦς πρακτικός) auf Angemessenes und Unangemessenes sowie auf Affekte. In beiden Bereichen unterscheidet der Autor zwischen «einfachen» (ἁπλᾶ) und «verknüpften» (συμπεπληγμένα) «Urteilen» (κρίματα), wobei Letztere die Möglichkeit des Irrtums eröffnen. Bei aller Kürze der Schrift polemisiert Ptolemaios gegen die Stoa, insbesondere gegen die Heranziehung des λόγος
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§ 46. Klaudios Ptolemaios (Bibl. 528–536)
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προφορικός (das «ausgesprochene Wort» im Gegensatz zur inneren Rede, dem λόγος ἐνδιάθετος) sowie gegen die Verwirrung der Dialektik durch «Wortklauberei» (φωνομαχία). Eine ziemlich genaue Parallele hierzu überliefert Galen (Boll 1894 [*268: 86]). Der zweite, psychologisch-anthropologische Teil (Kapitel 13–18) ist vielmehr der Stoa als dem Peripatos verpflichtet. Er verbindet die für die ‹Apotelesmatika› grundlegende Lehre von den vier Elementen mit der ‘Quinta essentia’ (πέμπτη οὐσία) des Aristoteles. Die Seele wird als etwas Materielles aufgefasst, wenn ihre Substanz auch feiner und beweglicher ist als jene des Körpers. Nach dem Tod geht sie zu den ihr verwandten Elementen über. Der dem Stofflichen stärker verbundene Tastsinn verteilt sich über den ganzen Körper, Gesicht und Gehör befinden sich dagegen näher am «vernunftbestimmten» Körperteil (διανοητικόν), die anderen drei, weniger bedeutenden, Sinne gehören zum «triebhaften» Teil (ὁρμητικόν), und dieser zerfällt wiederum in einen luftartigen «Appetit» (ὀρεκ τικόν) im Magen und Unterleib und ein feuerartiges «Begehren» (θυμικόν) in der Nähe der «Eingeweide» (σπλάγχνα) und des Herzens. Die vier genannten Seelenteile (αἰσθητικόν, ὀρεκτικόν, θυμικόν und διανοητικόν) kombinieren die aristotelische mit der platonischen Psychologie. Der «vernunftbestimmte» Teil (διανοη τικόν) hat seinen Sitz im Kopf, besonders im Gehirn. Angesichts einer bereits bei den Pythagoreern fassbaren schlichten Zweiteilung befindet sich das «führende Vermögen» (ἡγεμονικόν) zwar absolut gesehen im Gehirn, relativ gesehen jedoch entweder (wenn es nur auf das Leben gerichtet ist) im Herzen oder (wenn es sowohl auf das Leben als auch auf das gute Leben bezogen ist) im Gehirn (dies wiederum nach Aristoteles). Ptolemaios vermittelt also nicht nur zwischen Peripatos und Stoa, sondern auch zwischen stoischer (ἡγεμονικόν im Herzen) und platonischer Doktrin (ἡγεμονικόν im Gehirn). Die Schrift war den Arabern anscheinend unbekannt und wurde zuerst 1663 von Ismael Bullialdus, dem Sohn eines Astronomen, griechisch und lateinisch her ausgegeben. Dessen begleitender Kommentar bezieht gegen Descartes Stellung. 4. Verlorene Schriften und Pseudepigrapha Über den lange für echt gehaltenen ‹Karpos› siehe oben unter 2.2. Nicht erhalten ist eine Schrift über das Parallelenpostulat des Euklid, von der Proklos eine ausführliche Zusammenfassung gerettet hat (Heiberg 1907 [*78: II 266–270, dazu Heath 1921 [*270: 295–297]). Nur durch Zitate bekannt sind drei Bücher über die Mechanik, je eine Schrift ‹Über Gewichte› (Περὶ ῥοπῶν) und – wohl nach der ‹Syntaxis› entstanden (Boll 1894 [*268: 75]) – ‹Über die Elemente› (Περὶ στοι χείων) sowie ‹Über den Abstand› (Περὶ διαστάσεως), in der Ptolemaios bewiesen haben soll, dass es nicht mehr als drei Dimensionen gibt (Fragmente bei Heiberg 1907 [*78: II 261–266]). Weitere zumeist astrologische Schriften werden ihm in arabischen Texten zugeschrieben, zwölf Titel nennt Sezgin 1979 [*273: VII 46– 48]). Davon befindet sich eine Edition des ‹Iudiciorum Ptolomei ad Aristonem filium suum liber› (‹Das Buch der [astrologischen] Gutachten des Ptolemaios an
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seinen Sohn Aristo›) in Arbeit (Burnett 1993 [*454: 29 Anm. 14]; vgl. Burnett, Juste: A Catalogue of Medieval Translations of Texts on Astronomy and Astrology, von dem bisher allerdings noch kein Band erschienen ist). Dieses Werk begegnet parallel zu den dem Aristoteles zugeschriebenen ‹Iudicia› (Burnett 2009 [*455]). Eine gewisse Bedeutung hatte in der Renaissance außer dem beliebten ‹Centiloquium› eine dem Ptolemaios zugeschriebene Liste der 30 hellen Sterne (‹De XXX stellis›) sowie das ebenfalls pseudepigraphische, aus dem Arabischen übersetzte Werk des Jérôme Torella ‹Über Sternbilder› (‹De imaginibus›) mit einer Beschreibung der 36 Dekane (Gundel 1936 [*255: 299], Sezgin 1979 [*273: VII 47], Boudet 2008 [*448]); Joseph Justus Scaliger übersetzte dieses Werk in seiner postum erschienenen dritten Manilius-Ausgabe (1655) ins Lateinische.
§ 47. Galen James Allen
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Galen wurde im Jahr 129 n. Chr. in Pergamon geboren. Das Todesdatum ist unbekannt, wahrscheinlich ist es jedoch nach 210 anzusetzen (Nutton 1984 [*708]). Sein Vater Nikon traf umfassende Vorkehrungen für die Erziehung seines Sohnes. Als Galen das vierzehnte Lebensjahr vollendete, sorgte sein Vater dafür, dass er in Pergamon bei Vertretern der vier damals führenden philosophischen Schulen studieren konnte: bei einem Schüler des Stoikers Philopator, bei einem Schüler des Mittelplatonikers Gaios, bei einem peripatetischen Schüler von Aspasios, dem Kommentator des Aristoteles, und bei einem Epikureer aus Athen (Aff. dig. 5,4, I,1,28,9–19 CMG = V,41,10–42,4 K). Nikon selbst unterrichtete Galen in Arithmetik, Rechnen und Grammatik und sorgte dafür, dass er Dialektik studieren konnte (Libr. ord. 4,4, II,88,10–15 SM = XIX,59,4–9 K; Libr. propr. 14,4, II,116,22–26 SM = XIX,40,5–8 K). Als Galen siebzehn war, veranlasste sein Vater, beeinflusst durch einen Traum, dass er zusätzlich zu seinem Philosophiestudium das Studium der Medizin aufnahm (Libr. ord. 4,4, II,88,15–17 SM = XIX,59,9– 11 K; MM X,609,8–11 K). Nach dem Tod seines Vaters betrieb Galen, mittlerweile wohl zwanzig Jahre alt, medizinische und philosophische Studien in Smyrna, letztere beim Mittelplatoniker Albinos, einem Schüler des Gaios (Libr. propr. 2,1,
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II,97,9–11 SM = XIX,16,9–10 K). Nach seiner Rückkehr nach Pergamon im Alter von achtundzwanzig Jahren wurde er Arzt in der dortigen Gladiatorenschule, wo er viele wichtige medizinische Erfahrungen sammeln konnte. Von 162–166 n. Chr. und nochmals ab 169 n. Chr. weilte er in Rom. Sein Leben schloss Phasen ausgedehnter Reisen ein. Der Todesort ist unbekannt. Zu Lebzeiten war Galen besonders als Arzt und Medizintheoretiker sehr berühmt, und sein Einfluss auf die nachfolgende Geistesgeschichte war größer als der irgendeines anderen Arztes in der Antike, abgesehen von Hippokrates (oder vielmehr dem ‹Corpus Hippocraticum›). Er kannte drei römische Kaiser und wurde von ihnen in medizinischen Belangen zu Rat gezogen: Mark Aurel, Commodus und Septimius Severus. Er kann einige anatomische Entdeckungen von bleibender Bedeutung für sich in Anspruch nehmen. Aus seinem eigenen Zeugnis zu schließen, wurden seine medizinischen Schriften vielerorts gelesen, und er war in viele Debatten verwickelt. Galens Hinwendung zur Medizin und das Ansehen, das er als Arzt erlangte, bedeuteten jedoch nicht das Ende seiner philosophischen Studien und Ambitionen. Er vertrat die Auffassung, dass Erfolg in der Medizin profunde Kenntnisse der Philosophie voraussetze, und verteidigte in einer Schrift die These, dass der beste Arzt ebenfalls Philosoph sei, ‹Quod optimus medicus sit etiam philosophus› (Ὅτι ὁ ἄριστος ἰατρὸς καὶ φιλόσοφος). Darin beschreibt er, über welches philosophische Wissen derjenige Arzt verfügen muss, der Medizin auf höchstem Niveau ausüben will (Med. phil. II,1–8 SM = I,53–63 K). Seine philosophischen Interessen gingen jedoch weit über das hinaus, was für die Medizin im engeren Sinne notwendig war, und er wurde zu seiner Zeit als Philosoph ernst genommen (Nutton 1984 [*708]). Wenn man Galen Glauben schenken darf, war Mark Aurel der Meinung, dass er der beste Arzt und ein einzigartiger Philosoph sei (Praen. 5,8, I,128,25–28 CMG = XIV,660,9–11 K). Alexander von Aphrodisias, ein jüngerer Zeitgenosse Galens, führt ihn zusammen mit Aristoteles und Platon an, um die Bedeutung des Wortes ἔνδοξος zu veranschaulichen (Alex. Aphr. In Top. 549,24). Eusebios berichtet von einem Angriff gegen eine Gruppe von Christen des späten 2. Jahrhunderts in Rom, die zeigen wollte, dass die christliche Lehre den rigorosen Argumentationsstandards der Philosophie genügen könne (Eus. Hist. eccl. 5,28,13f.). Dem Urheber dieses Angriffs zufolge bewunderten Anhänger dieser Gruppierung Aristoteles und Theophrast, und einige von ihnen «verehrten Galen geradezu». Dies legt nahe, dass Galen in den Augen der Zeitgenossen das Ideal philosophischer Strenge, dem sie nacheifern wollten, am besten verkörperte (Walzer 1949 [*715: 75–79]; zu Galens intellektuellem und kulturellem Kontext siehe Bowersock 1969 [*705], Kollesch 1981 [*707], von Staden 1997 [*769]).
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V. Philosophienahe Fachwissenschaft
2. WERKE Galen war ein außergewöhnlich produktiver Autor. Athenaios behauptet zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr., Galen habe mehr medizinische und philosophische Werke geschrieben als irgendeiner seiner Vorgänger (Athen. 1,1e–f); seine Werke machten einen Achtel der griechischen Literatur aus, die von Homer an bis zum Ende des 2. Jahrhunderts überliefert ist. Durch das Feuer, das Galens eigene Bibliothek in Rom im Jahr 192 zerstörte, gingen den nachfolgenden Generationen einige seiner Werke verloren (Libr. propr. 3,7, XIX,19,13–15 K; 14,9, II,117,21–23 SM = XIX,41,9– 11 K; Comp. med. gen. XII,362,1–363,5 K; Indol. 4). Die Überlieferung der erhaltenen Werke ist häufig außergewöhnlich kompliziert. Wegen Galens enormer Bedeutung als Arzt wurden viele seiner Schriften ins Syrische, Arabische, Hebräische und Mittellateinische übersetzt, und in manchen Fällen blieben sie nur in der übersetzten Fassung erhalten, manchmal in mehreren Sprachen. Das von der Gesamtausgabe aus dem Jahr 1825, herausgegeben von Karl Gottlob Kühn, vermittelte Bild stellt zugleich mehr oder weniger seine vollständigen Werke dar (zu Kühns Edition siehe Schubring 21965
[*690], Nutton 2002 [*691]; eine Liste der von Kühn gesammelten Werke mit einer Konkordanz zu anderen Editionen bei Hankinson 1991 [*570: 238– 246] und 1998 [*632: 282–287]; eine ausführlichere Behandlung bei Fichtner 2005 [*692]): Darin befinden sich viele fälschlich Galen zugeschriebene Schriften, und es gibt Werke von Galen, die in Kühns Ausgabe fehlen (Hankinson 1991 [*570: 247] und 1998 [*632: 287–288], Nutton 2002 [*678: 165–168]; zu Editionen und Übersetzungen von Galens Werk siehe auch Kollesch, Nickel 1994 [*666: 1384–1420]). Galen stellte zwei bibliographische Werke über seine eigenen Bücher zusammen, ‹De libris propriis› (Περὶ τῶν ἰδίων βιβλίων γραφή) und ‹De ordine librorum suorum› (Περὶ τῆς τάξεως τῶν ἰδίων βιβλίων; Boudon-Millot 2007 [*477]). Die Kapitel 14 bis 19 von ‹De libris propriis› sind seinen philosophischen Werken gewidmet. Philosophische Themen werden aber nicht nur in den dort angeführten Werken behandelt, sondern finden sich über sein gesamtes Werk verteilt (zu Galens Tätigkeit als Schriftsteller und zur Chronologie seiner Werke siehe Ilberg 1889–1897 [*688], Bardong 1942 [*689: 603–640]).
3. LEHRE
1. Erkenntnistheorie und Logik. – 2. Naturphilosophie. – 3. Ethik und Moralpsychologie.
Galen akzeptierte die Einteilung der Philosophie in Logik, Physik und Ethik (Med. phil. 3,8, II,7,6–8 SM = I,60,16–61,1 K), die, obwohl von den Stoikern in den Vordergrund gerückt, mindestens bis auf Xenokrates, den Leiter der Akademie im späten 4. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht. Der logische Teil ist sehr viel umfassender als das, was heutzutage unter die Bezeichnung ‘Logik’ fällt, die eher der antiken Disziplin der Dialektik entspricht. Er umfasst insbesondere Themen, die heute in die Erkenntnistheorie fallen. Galen war berüchtigt als scharfer Kritiker seiner Zeitgenossen und Vorgänger. Neben den vielen Fehlern, die er bei ihnen vorfindet, sind zwei vor dem Hintergrund seiner eigenen erkenntnistheoretischen Ansichten besonders erwähnenswert. Egal, wohin man schaue, so Galen, sehe man Philosophen und Ärzte, die wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Schule der Wahrheit gegenüber blind geworden seien. Jene, die sich selbst als Praxagoreer oder Hippokratiker o. ä. bezeichneten, sagt er, seien Sklaven (Libr. propr. 1,9, II,95,6–8 SM = XIX,13,16– 18 K; vgl. MM X,274,1–13 K; Pecc. dig. 5,4, I,1,62,17–18 CMG = V,93,3–4 K). Er
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§ 47. Galen (Bibl. 536–543)
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selbst versteht sich als Eklektiker, der nur das Beste, was jede Schule zu bieten hat, wählt (Libr. propr. 1,9, II,95,8–9 SM = XIX,13,18 K). In dieser Hinsicht beruft er sich auf den Ratschlag seines Vaters, sich nicht an eine Schule zu binden, sondern sich Ansichten nur nach sorgfältiger Prüfung zu eigen zu machen (Aff. dig. 5,4, I,1,28,25–29,2 CMG = V,42,11–14 K; siehe Hankinson 1992 [*749]). Diese Auffassung hat er in einem verlorenen Buch über die beste Schule entwickelt, in dem nicht eine existierende Schule gepriesen, sondern die Methode beschrieben werden sollte, mit der man das beste System in der Medizin oder auf irgendeinem anderen Gebiet entwickeln könne (Libr. ord. 1,6ff., II,81,13–19 SM = XIX,51,5–11 K). Obwohl Galens Selbstverpflichtung auf eine unabhängige Urteilsbildung echt war, ist an seiner Haltung auch ein traditionsbewusster Zug festzustellen (Frede 1981 [*728]). Er betrachtete nämlich die Auswahl von Lehrmeinungen von Persönlichkeiten, die er als Autoritäten anerkannte, als zentralen Bestandteil seiner Arbeit und er ging davon aus, dass wissenschaftlicher Fortschritt in hohem Maße in der Weiterentwicklung von Vorstellungen der antiken Autoritäten bestehe (siehe Hankinson 1994 [*760]). Im Abschnitt von ‹De libris propriis›, der seinen Werken zur aristotelischen Philosophie gewidmet ist, listet Galen zwölf Titel auf (17, II,122,19–123,9 SM = XIX,47,1–10 K). Die meisten davon behandeln logische Themen, eines aber handelt von Aristoteles’ Lehre, dass der erste Beweger unbewegt ist. Es ist gelungen, bedeutende Anleihen bei Aristoteles und den Peripatetikern nachzuweisen (Moraux 1981 [*730] und 1984 [*733], Gottschalk 1987 [*736]). Obwohl er ihm durchaus auch widersprechen kann, erkennt Galen seine besonders starke Affinität zu Platon an (siehe ‹De placitis Hippocratis et Platonis›, im Folgenden mit PHP abgekürzt, 5,4, I,2,334,25–27 CMG = V,478,3–5 K; UP 1,173,11–15 Helmreich = III,236,8–11 K; vgl. De Lacy 1972 [*724], Singer 1991 [*747]). Er führt in ‹De libris propriis› neun Titel zur platonischen Philosophie auf (16, II,122,7–18 SM = XIX,46,11–19 K). Darunter finden sich acht Bücher mit Synopsen von Dialogen, außerdem eine Epitome des ‹Timaios›, dem er auch ein weiteres Werk widmete, und, wenn Kalbfleischs Emendation 1896 [*484: 690] zutreffend ist, eines über von Platon abweichende Ansichten hinsichtlich der Ideen; auf der Grundlage der arabischen Übersetzung von Ḥunain ibn Isḥāq wird in der jüngsten Ausgabe von Libr. prop. hingegen folgender Titel angenommen: ‹Über diejenigen, die hinsichtlich der logischen Theorie eine andere Meinung als Platon vertreten› (Boudon-Millot 2007 [*477: 230]). Seine Anleihen bei den Mittelplatonikern waren ebenfalls umfangreich (dies wird insbesondere unterstrichen von Donini 1980 [*727] und 1992 [*748] sowie Chiaradonna 2009 [*793]). Wie viele seiner Zeitgenossen steht Galen dem Epikureismus feindselig gegenüber. Er lehnt die Auffassung, dass Lust das (höchste) Gut sei, als falsch und irrig ab (PHP 5,4, I,2,256,18–20 CMG = V,388,1–3 K). In ‹De libris propriis› sind acht Titel zur epikureischen Philosophie aufgelistet, hauptsächlich zu ethischen Fragen (19, I,123,19–124,5 SM = XIX,48,1–7 K). Obwohl er wie seine Zeitgenossen nolens volens durch den Stoizismus beeinflusst war und er für diese Schule mehr Respekt aufbringt als für die epikureische, sind seine Verweise auf die Stoa in der Regel feindselig. Sie tauchen oft in Kontexten auf, wo er die Überlegenheit der platonischen und der aristotelischen Philosophie
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nachweisen will. So ist der Abschnitt zum Stoizismus in ‹De libris propriis› betitelt mit ‘Werke, die von der Philosophie der Stoiker abweichen’ (τὰ πρὸς τὴν τῶν Στωϊκῶν φιλοσόφων διαφέροντα: 18, II,123,10–18 SM = XIX,47,11–17 K). Die sechs Werke befassen sich mit einer Ausnahme, die von der Minderwertigkeit der stoischen Geometrie handelt, alle mit der stoischen Logik. Galens ernsthaftes Interesse an diesem Gebiet spiegelt sich auch in der ‹Institutio logica› wider, die anscheinend später als ‹De libris propriis› geschrieben worden ist (zu Galens Einstellung gegenüber dem Stoizismus siehe Manuli 1993 [*756]). 1. Erkenntnistheorie und Logik Das hauptsächliche Instrument zur Beurteilung möglicher Lehrmeinungen und zur Bestimmung ihrer Wahrheit oder Falschheit ist der Beweis (ἀπόδειξις: Libr. ord. 1,12, II,82,20–83,6 SM = XIX,52,15–53,10 K). Und der zweite Fehler, über den sich Galen – nach der blinden Loyalität gegenüber einer Schule – beschwert, ist die Unkenntnis oder der Missbrauch von Beweisen (Libr. ord. 1,9f., II,82,3–14 SM = XIX,52,1–11 K; MM X,122,10–16 K). Dieser Fehler trägt zum ersten bei, weil er die Anhänger der verschiedenen Schulen ermutigt, falsche Ansichten zu vertreten, die durch einen Beweis widerlegt werden können, und ein sicheres Wissen über Dinge vorzugeben, die nicht mithilfe eines Beweises zu klären sind. Die meisten Meinungsverschiedenheiten, von denen die Medizin und andere Gebiete beherrscht sind, können laut Galen überhaupt nur aufkommen und fortdauern, weil die jeweiligen Konfliktparteien nicht wissen, wie man etwas beweist (MM X,469,14–470,2 K; zur Verwendung von Beweisen in der Medizin siehe Barnes 1991 [*744] und 1993 [*753]). Der Begriff ‘Dissens’ (διαφωνία) spielt im pyrrho neischen Skeptizismus eine wichtige Rolle, wo ungelöste M einungsverschiedenheiten zur Urteilsenthaltung führen. Galen behauptet, dass ihn die Meinungsverschiedenheiten seiner Lehrer wohl in einen Zustand der pyrrhoneischen Ausweglosigkeit (ἀπορία) geführt hätten, wenn es nicht die Geometrie, die Arithmetik und die Rechenkunst gegeben hätte, insbesondere die Art des Beweises, der in der Geometrie verwendet wird und dessen Autorität von allen anerkannt wurde (Libr. propr. 14,4–6, II,116,21–117,16 SM = XIX,40,4–18 K). Im Buch über seine eigenen Ansichten und anderswo gibt er sich große Mühe, zwischen Dingen zu unterscheiden, von denen er Wissen besitzt, solchen, zu denen er eine glaubwürdige Meinung haben kann, und jenen, bei denen nicht einmal dies möglich ist (Prop. plac. 187,10– 13; 188,6–13 Boudon-Millot-Pietrobelli = 5,3, II,108,25–110,3; 114,8–19 CMG; Sub. nat. fac. IV,759,18–760,3 K). Galens Widerstand gegen voreiliges Urteilen, seine Feindseligkeit gegenüber Schulautoritäten und seine Bereitschaft, sich des Urteils zu enthalten oder mit glaubwürdigen Meinungen bei Themen durchzukommen, die für einige Philosophenschulen zum Kernbestand der Lehre gehören, dies alles zeigt seine große Nähe zum Skeptizismus, insbesondere zu jener Form des akademischen Skeptizismus, die Meinungen, basierend auf ihrer Glaubwürdigkeit, zuließ (Frede 1981 [*728]). Galen unterscheidet sich aber insofern von den Skeptikern, als er die Mei-
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nung vertritt, dass sicheres Wissen über viele Dinge möglich sei (Hankinson 2009 [*795]). Die sichere Erkenntnis der Wahrheit, die in den mathematischen Wissenschaften erreicht wird, stellte für ihn ein Vorbild für ein Wissen dar, das auch in der Medizin oder in anderen Gebieten manchmal möglich ist. Obwohl er heftig dagegen opponierte, Lehrmeinungen aufgrund von Loyalität einer Schule gegenüber zu akzeptieren, schrieb er das Werk ‹De optimo docendi genere› (Περὶ ἀρίστης διδασκαλίας, ‹Über die beste Art der Unterweisung›; Barigazzi 1991 [*522: 89–109] = I,40–52 K) gegen die akademische Methode des Unterrichts. Dieses Werk war vor allem gegen Favorinos gerichtet, einen Philosophen in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., dem zufolge sich ein Lehrer ganz darauf beschränken sollte, pro und contra zu argumentieren, und eine positive Stellungnahme vermeiden sollte (siehe Ioppolo 1993 [*755]). In seinen medizinischen Schriften beweist Galen viel Gespür dafür, dass es notwendig ist zu unterscheiden zwischen dem, was sicher gewusst werden kann, und dem, was einzig vermutet werden kann und dementsprechend nicht mit völliger Gewissheit angenommen werden darf (siehe Allen 1994 [*758: 94–106], Boudon 2003 [*779]). Galen verfasste ein gewaltiges Werk in fünfzehn Büchern über den Beweis, das verloren ist (Libr. propr. 14,8, II,117,18–20 SM = XIX,41,7–9 K; Fragmentsammlung und Diskussion in Müller 1897 [*714]; Hankinson 1991 [*745], Lloyd 1996 [*763], Barnes 2003 [*778], Chiaradonna 2009 [*794]). Er fordert eindringlich ein sorgfältiges Studium der darin enthaltenen Methoden von all jenen, welche die Wahrheit, auf welchem Wissensgebiet auch immer, entdecken möchten (Libr. ord. 1,12, II,82,21–83,6 SM = XIX,52,17–53,10 K). Galen schätzte die Lehren von Aristoteles und Theophrast zur Beweistheorie besonders hoch ein (PHP 5,4, I,2,104,3–5 CMG = V,213,8–10 K) und verfasste eine sorgfältige Studie zu Aristoteles’ Werk über den Beweis, den ‹Analytica Posteriora›, und zu seinen anderen logischen Schriften (Libr. propr. 14,11–13, II,118,2–12 SM = XIX,41,15–42,6 K). Es gibt jedoch wichtige Unterschiede zwischen Galens Ansichten über den Beweis und jenen des Aristoteles. Ein aristotelischer Beweis ist ein Syllogismus, dessen Verständnis gleichzeitig das Wissen der Konklusion bereitstellt, in dem Sinne, dass man ihre Erklärung erfasst hat. Zu diesem Zweck muss ein Beweis von Prämissen ausgehen, die wahr, ursprünglich und unvermittelt sowie bekannter, vorrangig und ursächlich im Verhältnis zur Konklusion sind (An. post. 1,2, 71b17–22). Der Akzent liegt nicht auf der Klärung von umstrittenen Tatsachen. Man kann tatsächlich sehr wohl die Wahrheit einer Konklusion eines Beweises annehmen, und diese Annahme mag auch gerechtfertigt sein, noch bevor man überhaupt den Beweis führt. Was man beim Begreifen des Beweises gewinnt, ist nämlich weniger eine Rechtfertigung, oder eine Rechtfertigung im höheren Maße, als vielmehr Verstehen – in aristotelischer Terminologie: das Wissen um die Ursache (wissen, warum: τὸ διότι) und nicht bloß um die Tatsache (wissen, dass: τὸ ὅτι). Aber obgleich Galen wohl eine Art von Beweisen, die in aristotelischer Manier erklärend ist, in seinem Buch ‹Über die Beweise gemäß dem Warum› (Περὶ τῶν κατὰ τὸ διότι ἀποδείξεων: Libr. propr. 14,18, II,119,15–16 SM = XIX,43,13–14 K) diskutiert haben dürfte, betrachtete er den Beweis in besonderer Weise als ein Mittel zur Klärung von umstrittenen Tatsachen, mit dem festgestellt werden kann, ob
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eine gegebene Behauptung wahr oder falsch ist. In dieser Hinsicht ähnelte seine Auffassung vom Beweis jener der Stoiker, die von Sextus Empiricus dargelegt und ausführlich untersucht worden ist (PH 2,134–192; Adv. math. 8,300–481; vgl. Cic. Lucullus 26). Dementsprechend haben sich bei Galen auch die Bedingungen geändert, welche die Prinzipien des Beweisens erfüllen müssen. Sie müssen nicht kausale oder erklärende Priorität aufweisen, auf der Aristoteles insistiert. Vielmehr muss gewährleistet sein, dass sie als wahr erfasst werden können, ohne selbst bewiesen werden zu müssen. Damit dies geschieht, müssen sie selbstevident sein (MM X,33,16–34,2 K). Evidente Wahrheiten nennt er Axiome, von denen einige für die Sinne evident sind, andere für den Geist. Menschen sind mit zwei natürlichen Kriterien ausgestattet, Wahrnehmung (αἴσθησις) und Geist (νοῦς), mit denen sie die beiden Arten des Evidenten begreifen können (Opt. doctr. 5,1, I,104,5–12 CMG = I,49,14–50,8 K; PHP 5,4, I,2,542,8–20 CMG = V,723,2–16 K; Hipp. off. med. XVIII,B,659,1–660,2 K; siehe Hankinson 1997 [*767]). Galens Erkenntnistheorie unterteilt die möglichen Wissensgegenstände also entsprechend in zwei Klassen, in die evidenten und in die nicht-evidenten. Sie stellt die Kenntnis evidenter Gegenstände in die Verantwortung der natürlichen Kriterien, während das Wissen vom Nicht-Evidenten durch Schlussfolgerungen aus evidenten Wahrheiten gewonnen wird (Subf. emp. 89,10–18 Deichgräber; Inst. log. I,1). Dabei gibt es aber Schwierigkeiten. So beschränkte Galen die Rolle der Wahrnehmung nicht darauf, den Ausgangspunkt für Beweise zu liefern. Der Grund dafür wird aus Galens Standpunkt in der lang andauernden Debatte zwischen den sogenannten medizinischen Empirikern und Rationalisten ersichtlich, zu der er sich in der ‹Subfiguratio empirica› (῾Υποτύπωσις ἐμπειρική, ‹Empirischer Grundriss›: 42–90 Deichgräber) und in ‹De experientia medica› (Περὶ τῆς ἰατρικῆς ἐμπειρίας, ‹Über die medizinische Erfahrung›) äusserte und auf die er sich häufig auch anderswo bezog, insbesondere in ‹De sectis ad eos qui introducuntur› (Περὶ αἱρέσεων τοῖς εἰσαγομένοις, ‹Über die Schulen an die Anfänger›: III,1–32 SM = I,64–105 K; zu dieser Debatte siehe die Einleitung von Frede in Walzer, Frede 1985 [*472: ix–xxxiv] sowie die Fragmente, die bei Deichgräber 21965 [*528] gesammelt und erläutert sind). Beweisendes Denken stellt natürlich eine Anwendung des Vernunftvermögens dar, und Galen tadelt die Rationalisten manchmal dafür, dass sie den Beweis nicht so studieren, wie man es angesichts ihres eigenen Anspruchs auf eine rationale Methode erwarten sollte (MM X,32,2–33,5 K; zur Kritik an den Medizinern wegen ihrer mangelhaften Beherrschung von Logik siehe Barnes 1991 [*744: 58– 60]). Die Bedeutung, die Galen dem Beweisen beimisst, lässt ihn natürlicherweise als Rationalisten erscheinen, und gemäß seiner Charakterisierung des Rationalismus als der Position, bei der die Vernunft nebst der Erfahrung ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum medizinischen Wissen leistet, ist er dies auch (Sect. intr. III,1,15–16 SM = I,65,5–6 K; Diff. feb. VII,281,16–282,5 K; Hipp. epid. XVII,A,13,14–14,1 K). Nichtsdestoweniger bekundet er überraschend starke Sympathien für den Empirismus. Er behauptete, dass ein Empiriker ein wirkungsvoller und erfolgreicher Arzt sein könne (MM X,122,11–12 K), und er schrieb die ‹Subfiguratio empirica›, um zu zeigen, dass es möglich sei, durch Erfahrung und
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ohne Zuhilfenahme der Vernunft zu einer angemessenen Beherrschung der medizinischen Kunst zu gelangen (Subf. emp. 88,19–25 Deichgräber), selbst wenn diese Kunst begrenzt ist, weil sie nicht das gesamte medizinische Wissen einschließt, das für einen Arzt nützlich wäre. Galen glaubt, dass einige nützliche Wahrheiten allein durch Erfahrung entdeckt werden können (MM X,962,5–6 K; Comp. med. gen. XIII,886,17–887,2 K) und dass Erfahrung wegen der vielfältigen Schwierigkeiten, denen die rationale Methode ausgesetzt ist, einen wichtigen Beitrag zur Bestätigung der Schlussfolgerungen der Vernunft spielt (Comp. med. gen. XIII,376,2–4 K; Hipp. epid. XVII,A,13,14–14,14 K; vgl. Frede 1981 [*728], van der Eijk 1997 [*766]). Galens Einstellung zum Methodismus, einer medizinischen Schule, die im 1. Jahrhundert n. Chr. entstand und eine epistemologische Sichtweise entwickelte, die sich stark vom Rationalismus und Empirismus unterschied, zeigt keinerlei Sympathie, wie er sie für die beiden anderen Schulen besaß, sondern war konstant und offen feindselig. Galen schrieb eine ‹Einführung in die Logik› (Εἰσαγωγὴ διαλεκτική, ‹Institutio logica›), die das früheste erhaltene Exemplar dieses einst populären Genres ist. Es ist schwierig zu bestimmen, wie originell sie ist. Da die ‹Institutio logica› nur in einem, außerdem schwer beschädigten Manuskript erhalten ist, weist der Text viele Schwierigkeiten auf (Kalbfleisch 1896 [*578]). Die ‹Institutio logica› handelt von Syllogismen, deren Untersuchung der Beschäftigung mit formal gültigen Schlüssen in der modernen Logik entspricht. Galen betrachtet den Wert dieses Gebiets von einer rein instrumentellen Position aus: Es lohnt sich, es bis zu dem Grad zu betreiben, zu dem es zum Verständnis von Beweisen und zur Fähigkeit der Beweisführung beiträgt. Folglich bezieht er in seine Diskussion sowohl die kategorischen Syllogismen des Aristoteles und der Peripatetiker als auch die stoische syllogistische Theorie ein, deren Syllogismen Galen als ‘hypothetisch’ bezeichnet, da beide nützlich sind (Inst. log. 7,3). Er kritisiert scharf den dritten der gemäß stoischer Logik unbeweisbaren Schlüsse von Chrysipp als nutzlos zum Zweck des Beweisens (Inst. log. 14,3. 10). Die stoische Logik definiert einen Syllogismus als ein gültiges Argument, das zu einer unbeweisbaren Schlussform gehört oder auf eine solche Form reduzierbar ist, und zwar gemäß gewissen präzise bestimmten formalen Verfahren (D. L. 7,78; siehe zur stoischen Logik auch Grundriss Antike IV, II). Es ist bemerkenswert, wie Galen stoische Auffassungen systematisch zu den Lehren der alten Philosophen (οἱ παλαιοί) über hypothetische Syllogismen in Beziehung setzt, die seiner Meinung nach bereits Äquivalente der stoischen unbeweisbaren Schlüsse – bis auf den dritten – gekannt hätten. Diese Philosophen scheinen frühere Peripatetiker gewesen zu sein (Bobzien 2002 [*775: 64–72]). Weiter ist erwähnenswert, dass Galen eine dritte Art des Syllogismus neben dem kategorischen und dem hypothetischen anerkannt hat, nämlich den sogenannten relationalen Syllogismus (siehe Barnes 1993 [*752], Hankinson 1994 [*759]). Obwohl Galen keine klare Charakterisierung von relationalen Syllogismen gibt, scheinen es Argumente zu sein, deren Gültigkeit von der Bedeutung relationaler Terme abhängt. Folglich hängt die Gültigkeit von ‘Theon besitzt doppelt soviel wie Dion, Philon besitzt doppelt soviel wie Theon, also besitzt Philon viermal soviel wie
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Dion’ – ein Beispiel, das Galen anführt (Inst. log. 16,1) – von der Relation ‘besitzt doppelt soviel wie’ ab. Die Gültigkeit dieser Syllogismen ist, wie er feststellt, durch universelle Axiome gewährleistet (Inst. log. 16,5; 17,1–2), und sie können reduziert werden auf bzw. umgewandelt werden in kategorische oder hypothetische Syllogismen, wenn die Axiome, von denen sie abhängen, als Prämissen explizit gemacht werden (Inst. log. 16,5. 11). Vielleicht kommt Galen die Ehre zu, dass er diese dritte Art von Syllogismus eingeführt hat. Er sagt, dass die Bezeichnung ‘relational’ (πρός τι) von ihm stamme (Inst. log. 16,1). Er zitiert jedoch Poseidonios für Syllogismen, die ‘gültig durch die Kraft eines Axioms’ (αὐτοὶ συνακτικοὶ κατὰ δύναμιν ἀξιώματος) sind (Inst. log. 18,8). Es ist daher nicht klar, wie viel von Galens Diskussion der relationalen Syllogismen auf Poseidonios zurückzuführen ist (fr. 191 Edelstein-Kidd = fr. 455 Theiler). In der ‹Institutio logica› besteht Galen darauf, dass es nur drei Figuren des kategorischen Syllogismus gebe (Inst. log. 12,1), aber aufgrund von griechischen und insbesondere arabischen Testimonien ist die Meinung vertreten worden, dass die vierte Figur der traditionellen Logik auf ihn zurückgeht, was aber umstritten ist (siehe zur Diskussion Rescher 1966 [*723], Hülser 1992 [*750: 3553f.). Eine kurze Schrift in vier Kapiteln, die ‹De captionibus penes dictionem› (Περὶ τῶν παρὰ τὴν λέξιν σοφίσματων, ‹Über sprachliche Trugschlüsse›), diskutiert Trugschlüsse, die auf die Sprache zurückzuführen sind (Text in Ebbesen 1981 [*589]). Der Ausgangspunkt der Schrift ist die Bemerkung des Aristoteles in ‹Sophistici elenchi›, dass es sechs Arten von Trugschlüssen aufgrund von Sprache gebe und dies sowohl durch Induktion als auch durch Syllogismen gezeigt werden könne (SE 4, 165b24–30). Galen zielt darauf ab, den Syllogismus zu liefern, den Aristoteles schuldig geblieben ist. Das vierte Kapitel enthält wichtige Informationen zur stoischen Theorie der Ambiguität, die Galen anführt, um seine Ansicht, dass die aristotelische Auflistung vollständig sei, induktiv weiter zu stützen (siehe Atherton 1993 [*751: 175–184, 199–212]). Dieses Buch gibt auch Gelegenheit zu mancher kurzen Reflexion über die Natur und Funktion der Sprache (zu Galens allgemeinem Interesse an Sprache siehe Hankinson 1994 [*762] und Morison 2008 [*791]). 2. Naturphilosophie Galen enthielt sich des Urteils über viele Fragen, welche die Schulen in der aturphilosophie voneinander trennten. Er war der Ansicht, dass es möglich sei, N über Gegenstände außerhalb des Kosmos bestenfalls wahrscheinliche Meinungen zu hegen, z. B. in der Frage, ob es eine unendliche Leere gebe, ob sie unendliche Kosmen enthalte und Ähnliches (Pecc. dig. 5,4, I,1,62,18–28; 66,15–18 CMG = V,93,4–16; 100,3–6 K). Er beteuert, nicht zu wissen, ob die Welt entstanden sei oder was die Natur oder das Wesen Gottes oder der Seele sei (Prop. plac. 172,31– 173,18 Boudon-Millot-Pietrobelli = 5,3, II,56,12–60,6 CMG). Galens Agnostizismus in diesen Fragen ist ein weiterer Ausdruck davon, wie er sich gegen blind befolgte Schulloyalität wendet. Diese Einstellung hinderte ihn allerdings nicht daran, eine ganze Reihe von Ansichten zu Themen der Naturphilosophie zu ver-
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treten. Zahlreiche seiner Interessen spiegeln eine medizinische Ausrichtung, aber nicht alle. So schrieb Galen einen Kommentar zu den Passagen in Platons ‹Timaios›, die für die Medizin relevant sind (Schröder, Kahle 1934 [*597], Larrain 1992 [*599]), aber ebenso eine Epitome des gesamten ‹Timaios›, die in einer arabischen Übersetzung überliefert ist (Kraus, Walzer 1951 [*598]). Alexander von Aphrodisias schrieb Werke, um Galens Ansichten zur Modalität der Möglichkeit und seine Kritik an der aristotelischen Meinung, dass alles, was bewegt wird, durch einen Beweger bewegt wird, zu widerlegen (siehe Pines 1961 [*720], Marmura, Rescher 1965 [*722]). Galen hatte insbesondere über Gott und über die Seele viel zu sagen. Selbst wenn er sich außerstande sieht, mit Gewissheit eine Ansicht über das Wesen Gottes zu vertreten – zum Beispiel, ob Gott einen Körper besitzt oder unkörperlich ist –, ist er sich doch darin sicher, dass Gott existiert, dass er sich in Träumen und Weissagungen selbst offenbart und dass er der Schöpfer der Welt und aller in ihr lebenden Wesen ist (allgemein dazu siehe Frede 2003 [*780], speziell zum Verhältnis Galens zu Asklepios siehe Kudlien 1981 [*729]). Er ist überzeugter Teleologe und erkennt offen seine Anleihen bei Aristoteles und Platon an. Seine Sichtweise ist aber jener Platons näher, da er die wohltätigen Anordnungen in der Natur als das Werk eines Demiurgen sieht, der die Absicht hat, sie hervorzubringen (Hankinson 1989 [*742], Schiefsky 2007 [*788]). Das geht aus vielen Stellen hervor, insbesondere aber aus ‹De usu partium› (Περὶ χρείας μορίων, ‹Vom Gebrauch der [Körper-]Teile›), einem gewaltigen Werk von siebzehn Büchern, das detailgetreu den Zweck, dem die jeweiligen Organe des Körpers dienen, entfaltet (Helmreich 1907–1909 [*605] = III,1–4,366 K). Die Anordnung und der Aufbau der Organe, so meint er, zeugt unbestreitbar von göttlicher Vorsehung, und er beschreibt das Werk als eine Lobeshymne auf die Götter (2,451,19–27 Helmreich = IV,365,13– 366,5 K; vgl. 2,446,3–19 Helmreich = IV,358,8–359,6 K; PHP 5,4, I,2,596,5–598,5 CMG = V,789,13–791,17 K). Er ist sich indes weniger sicher darüber, wie die Vorsehung ihre Pläne umsetzt. Folglich kritisiert er einen seiner platonischen Lehrer wegen dessen Erklärung, dass die Bildung von Tierembryonen auf die Gegenwart der Weltseele zurückzuführen sei (Foet. form. 5,3, III,104,25–106,1 CMG = IV,700,17–701,6 K). In Galens Denkweise grenzt es an Blasphemie, die Weltseele direkt für Lebewesen wie Skorpione verantwortlich zu machen. Platonische und aristotelische Einflüsse zeigen sich auch in den fünf Typen von Ursachen, die Galen unterscheidet, nämlich die Final-, die Wirk-, die materielle, die instrumentelle und die formale Ursache, von denen er die erste für die wichtigste erachtet (UP 1,338,20–339,18 Helmreich = III,464,6–465,10 K). Wie man bereits bei Seneca sieht, ist es möglich, die vier aristotelischen Ursachen genauso Platon wie Aristoteles zuzuschreiben (Sen. Epist. 65,4–8). Aber Galens Verständnis von Verursachung und Erklärung ist auch von einer anderen Tradition beeinflusst, die letztlich auf die Stoa zurückgeht, selbst wenn er sie in einer stark von den Medizintheoretikern beeinflussten Form rezipiert hat, insbesondere von der sogenannten pneumatischen Schule. Kausale Kategorien aus diesem Rahmen hat Galen in seinem Werk in hohem Maße angewendet; sie waren aber auch der Gegenstand zweier spezieller Monographien und zwar ‹De causis procatarcticis› (Περὶ τῶν
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προκαταρκτικῶν αἰτίων; Hankinson 1998 [*632]) und ‹De causis contentivis› (Περὶ τῶν συνεκτικῶν αἰτίων; Lyons 1969 [*468]). Dieser Rahmen erkennt nicht nur die prokatarktische (vor-anfängliche) Ursache (αἴτιον προκαταρκτικόν) und die synhektische (zusammenhaltende) Ursache (αἴτιον συνεκτικόν) an, sondern auch die vorhergehende Ursache (αἴτιον προηγούμενον). Die ersten beiden sind klar stoischen Ursprungs; die stoische Herkunft der letzteren ist weniger sicher (Hankinson 2003 [*781]). Die prokatarktische Ursache einer Krankheit ist das eindeutige, offensichtliche äußere Vorkommnis, das eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, welche die Krankheit entstehen lassen und die nicht mehr aktiv sind, wenn die Krankheit erst ausgebrochen ist, wenn man beispielsweise Fieber hat oder erkältet ist. Es bedarf nicht notwendigerweise dieser Wirkung, um als eine Ursache zu gelten, doch für gewöhnlich hängt sie auch vom Zusammenspiel anderer kausaler Faktoren ab, insbesondere davon, ob vor-disponierende Faktoren im Körper vorhanden sind. So kann eine robuste Körperverfassung von einer prokatarktischen Ursache unberührt bleiben, die im Falle einer schwächeren Verfassung eine Krankheit auslöst. Außerdem braucht ihre Intensität in Fällen, in denen die Krankheit erfolgt, nicht im Zusammenhang mit der Intensität der Einwirkung der prokatarktischen Ursache zu stehen. Die Intensität der Erkrankung wird normalerweise variieren, je nachdem wie sich der interne Zustand des erkrankten Körpers verändert. Im Gegensatz dazu agiert die synhektische Ursache der Krankheit gleichzeitig mit der Krankheit, die ihre Wirkung ist. Die synhektische Ursache ist eine hinreichende Bedingung für das Auftreten der Krankheit, deren Intensität sich direkt proportional zur Intensität der Ursache verändert. Die vorhergehende Ursache ist weniger strikt definiert. Prokatarktische Ur sachen werden manchmal wie eine Art der vorhergehenden Ursache aufgefasst, doch der Ausdruck ‘vorhergehende Ursache’ wird typischerweise eher auf interne Ursachen angewandt, die zu der Kette von Ereignissen gehören, die von der prokatarktischen Ursache in Gang gesetzt wird. Sie steht also zwischen dieser und der synhektischen Ursache. Alle drei Formen von Ursachen versteht man am besten als zumindest grobe Entsprechungen zur aristotelischen Wirkursache, und so scheinen sie auch von den Stoikern und von der medizinischen Tradition verwandt worden zu sein, auf die sich Galen stützt. So werden sie offenkundig zur Erklärung von Krankheiten benutzt, jedoch nicht nur zur Erklärung von Krankheiten: Sie konnten auch auf eine normale Aktivität, beispielsweise des Pulses, angewandt werden (Caus. puls. IX,1,1–3,15 K). Hier allerdings – und dies ist ein weiteres Merkmal von Galens Eklektizismus – ist er bereit, den Nutzen oder die Funktion eines Organs, d. h. seine Finalursache, als ein Element in der synhektischen Ur sache seiner Aktivität zu sehen (Hankinson 2003 [*781]). 3. Ethik und Moralpsychologie Der andere Bereich der Naturphilosophie, dem Galen besondere Aufmerksamkeit schenkte, war die Seele. Er behandelte sie allerdings in einer Weise, die zumindest genauso zu dem Teil der Ethik, den wir Moralpsychologie nennen, gehört
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wie zur Naturphilosophie (Tieleman 2003 [*783], Donini 2008 [*789]). Wie bereits gesagt, ließ er auch hier bestimmte Fragen offen, z. B. über die Substanz der Seele und ob sie oder ein Teil von ihr unsterblich sei (Prop. plac. 173,13–18; 187,14– 188,13 Boudon-Millot-Pietrobelli = 5,3, II,58,22–60,6; 110,4–114,19 CMG; Foet. form. 5,3, III,106,7–13 CMG = IV,701,14–702,4 K; QAM II,36,12–16 SM = IV,772,18–773,3 K). Dies hielt ihn jedoch nicht davon ab, in Übereinstimmung mit Platon die Meinung zu vertreten, dass die Seele drei getrennte Teile aufweise, von denen jeder einen anderen Sitz im Körper habe (PHP 5,4, I,2,312,25–34 CMG = V,454,10–455,4 K), und zwar einen vernünftigen Teil (λογιστικόν), der im Kopf angesiedelt ist, einen mutartigen Teil (θυμοειδής) in der Brust und einen begehrlichen Teil (ἐπιθυμητικόν) in der Leber (QAM II,36,9–12 SM = IV,772,15–18 K; vgl. Schiefsky 2012 [*801]). In der Tat glaubt Galen dies bewiesen zu haben (Foet. form. 5,3, III,106,3–7 CMG = IV,701,7–14 K). Die Verteidigung und Ausarbeitung dieser These nimmt viel Raum ein in seinem Werk ‹De placitis Hippocratis et Platonis› (Περὶ τῶν Ἱπποκράτους καὶ Πλάτωνος δογμάτων, ‹Über die Ansichten von Hippokrates und Platon›), das so heißt, weil Galen der Meinung ist, dass Platon diese wie auch andere Ansichten von Hippokrates übernommen habe. Mit dieser Auffassung von der Seele steht Galen klar in Opposition zu den Stoikern, denen zufolge die Seele (genauer gesagt der herrschende Teil der Seele, das ἡγεμονικόν) aus einer einzigen Kraft oder einem einzigen Vermögen besteht, nämlich der Vernunft, die in der Brust angesiedelt sei. Laut den Stoikern sind die Affekte (πάθη) der Seele, d. h. die Emotionen und Begierden, keine Produkte eines nichtrationalen Vermögens, sondern Urteile der Vernunft, wenn auch falsche. Die Schrift ‹De placitis Hippocratis et Platonis› enthält eine eingehende Polemik gegen Chrysipp (siehe Tieleman 1996 [*764]). Galen widerspricht außerdem, wenn auch nur teilweise, Aristoteles und Poseidonios, die, wie er behauptet, zwar anerkennen, dass die Seele verschiedene Vermögen besitzt, nämlich Vernunft, Emotion und Begehren, aber ablehnen, dass sie heterogene Teile mit einem jeweils unterschiedlichen Sitz im Körper sind (PHP 5,4, I,2,312,30–34 CMG = V,454,17–455,4 K). Laut Galen reicht es für die Ethik, dass die drei Vermögen der Seele anerkannt werden, und er stellt fest, dass Platon diese entsprechend im vierten Buch der ‹Politeia› ohne Bezug zu ihrem körperlichen Sitz unterschieden und diese Frage für eine separate Behandlung im ‹Timaios› aufgespart habe (Prop. plac. 180,11–23 Boudon-Millot-Pietrobelli = 5,3, II,82,9–15 CMG; PHP 5,4, I,2,336,21–338,14 CMG = V,480,2–481,17 K). Er betont die aus seiner Sicht bestehende Übereinstimmung zwischen Platon, Aristoteles und Poseidonios in der Moralpsychologie stärker als die Unterschiede, die es zwischen ihnen bezüglich der Struktur der Seele gibt. Galen ist insbesondere in seinem Lob auf Poseidonios überschwänglich, den er in der Auseinandersetzung mit Chrysipp über die Natur der Affekte anführt (QAM II,77,17–78,2 SM = IV,819,13–820,1 K; PHP 5,4, I,2,292,20–25; 338,14–16; 482,33–484,4 CMG = V,429,14–430,2; 481,17–482,1; 652,17–653,4 K). Was er über Poseidonios’ Wende zum Platonismus sagt, sollte allerdings mit Vorsicht betrachtet werden. Einige Gelehrte haben unlängst dafür argumentiert, dass Galen das Ausmaß, in dem Poseidonios von der stoischen Orthodoxie abweicht, übertreibe
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(Fillion-Lahille 1984 [*732: 121–162], Cooper 1998 [*770], Gill 1998 [*771], Tieleman 2003 [*782: 198–287], Gill 2006 [*787: 266–290]). Es sollte außerdem erwähnt werden, dass in Galens Version der dreiteiligen Seelenlehre der dritte Teil der Seele nicht nur für Begierden verantwortlich ist, sondern auch für die Ernährung, d. h. er kombiniert die Funktionen von Platons appetitiver Seele mit denen von Aristoteles’ vegetativer Seele (QAM II,44,10–12 SM = IV,782,12–14 K; Foet. form. 5,3, III,104,17–18 CMG = IV,700,7–9 K; vgl. De Lacy 1988 [*738]). Die Aufmerksamkeit, die Galen der Interaktion von Seele und Körper schenkt, ist ein weiteres hervorstechendes Merkmal seiner Seelenlehre. So schrieb er ein Werk, ‹Quod animi mores corporis temperamenta sequantur› (Ὅτι τὰ τῆς ψυχῆς ἤθη ταῖς τοῦ σώματος κράσεσιν ἕπεται, ‹Dass der Charakter der Seele den Mischungen des Körpers folgt›), wo er die These verteidigt, dass die Vermögen der Seele von der körperlichen Mischung abhängig sind oder von ihr beeinflusst werden. Als Beleg dieser These zitiert er Platon, Aristoteles und Hippokrates (QAM II,32–79 SM = IV,767–822 K; siehe Lloyd 1988 [*741]). Er berührt dabei Probleme der moralischen Verantwortung, die durch diese These aufgeworfen werden, ohne dass man aber sagen kann, dass er sie löst (QAM II,73,3–74,21 SM = IV,814,8– 816,7 K). Stattdessen scheint er zu glauben, dass es für diejenigen, die ihren eigenen Charakter oder den anderer verbessern wollen, hilfreich ist, wenn sie verstehen, wie sich die körperliche Mischung auf die Seele auswirkt und wie sie durch Ernährung und andere Faktoren beeinflusst werden kann. Unter den weiteren Werken, die sich mit weitgehend moralpsychologischen Fragen befassen, befinden sich ‹De propriorum animi cuiuslibet affectuum dignotione et curatione› (Περὶ διαγνώσεως καὶ θεραπείας τῶν ἐν τῆ ἑκάστου ψυχῆ ἰδίων παθῶν, ‹Über die Diagnose und Heilung der der Seele eigentümlichen Affekte eines jeden›) und ‹De animi cuiuslibet peccatorum dignotione et curatione› (Περὶ διαγνώσεως καὶ θεραπείας τῶν ἐν τῆ ἑκάστου ψυχῆ ἁμαρτημάτων, ‹Über die Dia gnose und Heilung der Irrtümer der Seele eines jeden›; de Boer 1937 [*644: 1–37, 39–68] = V,1–57. 58–103 K), die seit der Renaissance von vielen Herausgebern als zwei Werke behandelt worden sind, obwohl Galen sie in ‹De libris propriis› als ein einziges Werk erwähnt (II,121,9–10 SM = XIX,45,11–12 K). Außerdem ‹De moribus› (Περὶ ἠθῶν, ‹Über die Sitten›), das nur in Form einer Zusammenfassung in arabischer Sprache erhalten ist (englische Übersetzung in Mattock 1972 [*660]). Anders als ‹De placitis Hippocratis et Platonis› sind diese Werke nicht theoretisch oder polemisch. Die Stoiker werden selten und mit Wohlwollen erwähnt, in erster Linie wegen ihrer Einstellung den Affekten gegenüber, weniger wegen ihrer Auffassung von deren Natur. Stattdessen zielen die Werke darauf ab, praktische Ratschläge zur moralischen Selbstverbesserung zu geben. Wie der Titel nahe legt, geht es darum zu entdecken, worin unsere Fehler und Schwächen bestehen, und so zu handeln, dass sie beseitigt oder reduziert werden. Entsprechend empfiehlt Galen, Beziehungen mit solchen Freunden zu pflegen, die ehrlich sagen, wenn man sich falsch verhält. Die Grundlage für die Unterscheidung zwischen Affekten (πάθη) und Fehlern (ἁμαρτήματα) ist eine Teilung der Seele, wie sie Platon vornimmt (vgl. PHP 5,4, I,2,242,32–244,12 CMG = V,371,15–373,1 K). Erstere sind auf einen irrationalen Impuls zurückzuführen und gehen auf die irrationalen Teile der Seele
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§ 47. Galen (Bibl. 536–543)
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zurück; letztere sind Fehler der Vernunft, die durch falsche Meinung oder falsches Urteil (δόξα, κρίσις) zustande kommen, auch wenn sie, wie Galen anmerkt, von Affekten beeinflusst sein können (Aff. dig. 5,4, I,1,7,1–2 CMG = V,7,12–13 K). Die Heilmittel sind dementsprechend unterschiedlich. Der mutartige Teil kann gezähmt oder überzeugt werden (Aff. dig. 5,4, I,1,19,1–7. 18–20 CMG = V,26,17–27,6. 28,1–3 K), und Galen empfiehlt, ihn zum Verbündeten der Vernunft im Kampf mit dem begehrlichen Teil zu machen. Der begehrliche Teil kann nicht auf dieselbe Weise trainiert werden, sondern muss der Züchtigung (κόλασις) unterworfen und so schwach wie möglich gemacht werden (Aff. dig. 5,4, I,1,19,20–25 CMG = V,28,3–10 K). Als intellektuelles Versagen können Fehler durch Beweise behoben werden, wenn die Sache, auf die sich der Fehler bezieht, nicht evident ist (Pecc. dig. 5,4, I,1,43,3–11 CMG = V,61,4–15 K). Dies gibt Galen die Gelegenheit, ausführlich über sein bevorzugtes Thema zu sprechen, nämlich wie wichtig es ist, die Logik zu beherrschen. Gleichzeitig macht es deutlich, dass er den Beweis nicht nur in den theoretischen und wissenschaftlichen Bereichen für unerlässlich hält, sondern auch dafür, ein gutes und glückliches Leben zu erlangen (Pecc. dig. 5,4, I,1,47,8–12 CMG = V,68,8–13 K). Es ist möglich, sich entweder hinsichtlich des Lebensziels (τέλος) zu irren oder darin, was aus diesem folgt oder womit es konsistent ist (siehe Donini 1988 [*739]). In diesem Zusammenhang erwähnt Galen ein (heute verlorenes) Werk, das davon handelt, was sich aus jedem einzelnen Ziel ergibt (d. h. vermutlich jedes der Ziele, das die einzelnen Schulen für das Ziel des Lebens halten; Pecc. dig. 5,4, I,1,52,12–13. 53,13–14 CMG = V,76,11–13. 78,1–3 K; vgl. Libr. propr. II,121,19–20 SM = XIX,46,2–3 K). Die Schrift ‹De moribus› war diesen Werken thematisch und in der Ausrichtung ähnlich. Darin wird ebenfalls auf die dreigeteilte Seele Bezug genommen, die mit einem Jäger und seinem Hund verglichen wird, die beide mit einer wilden Bestie zusammengebunden sind, die droht, sie plötzlich und ohne Vorwarnung von ihrem richtigen Weg abzubringen. Der Charakter (ἦθος) ist ein Zustand der Seele, der eine Handlung ohne Überlegung oder Reflexion auslösen kann. Die charakterliche Beschaffenheit ist zu einem erheblichen Maß natürlich und zeigt sich bei Kindern und Tieren, obwohl sie auch durch Gewohnheit ausgebildet oder verändert werden können. Sie prädisponiert jene, die sie haben, zu den entsprechenden Tugenden und Lastern. Galen glaubt, dass es für moralische Selbstverbesserung zwar Spielraum gibt, dieser aber nicht unbegrenzt ist. Jene, die von Natur aus charakterlich lasterhaft sind oder fest verwurzelte Gewohnheiten besitzen, können mit unüberwindlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein (zu ‹De moribus› siehe Walzer 1949 [*716] und 1954 [*718], Maróth 1993 [*757]). Galen listet insgesamt dreiundzwanzig Schriften im Abschnitt zur Ethik in ‹De libris propriis› auf (15, II,121,5–122,6 SM = XIX,45,9–46,10 K). Diese decken viel mehr ab als die Themen, die in den erhaltenen moralpsychologischen Werken abgehandelt werden. Aus arabischen Quellen ist jedenfalls bekannt, dass Galen die platonische Ansicht teilt, dass das höchste Ziel des menschlichen Lebens darin besteht, Gott ähnlich zu werden (Walzer 1949 [*716], Strohmaier 2003 [*812]).
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4. NACHWIRKUNG
Galens Einfluss war gewaltig, und er begann erst nach mehr als dreizehn Jahrhunderten zu schwinden (Temkin 1973 [*806], Nutton 2008 [*813]). Obwohl er lange in Rom gelebt hatte, scheint sein Einfluss im lateinischen Westen in den Jahrhunderten nach seinem Tod vernachlässigbar gewesen zu sein. Im griechischsprachigen Osten hingegen war er vor allem, aber nicht nur, als Arzt berühmt (siehe Todd 1977 [*807]). Von der Reaktion Alexanders von Aphrodisias auf einige seiner philosophischen Ansichten war bereits die Rede. Aber auch die Aristoteles-Kommentatoren Themistios (4. Jh. n. Chr.) und Simplikios (6. Jh. n. Chr.) haben seine philosophischen Positionen wahrgenommen. Philoponos, im 6. Jahrhundert tätig, lobte Galen als einen Mann, der nicht nur ein Meister in seiner eigenen Disziplin, sondern auch in der Philosophie außergewöhnlich bewandert gewesen sei (‹De aeternitate mundi contra Proclum› 599,24–26 Rabe). In der Spätantike, insbesondere ab der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, waren Personen, die wie Galen sowohl medizinische als auch philosophische Interessen hatten und entsprechend in der Lage waren, Galen aus beiden Perspektiven zu beurteilen, keine Seltenheit (Westerink 1964 [*805]). Galens Werk beherrschte das medizinische Curriculum in Alexandrien vor der arabischen Eroberung. Dies legte den Grundstein für die enorme Wirkung, die er in der islamischen Welt erzielen sollte. Eine wichtige Rolle spielten dabei syrische Ärzte, die häufig Christen waren. Viele seiner Schriften wurden zunächst ins Syrische übersetzt und dann vom Syrischen ins Arabische, während andere direkt ins Arabische übersetzt wurden (Strohmaier 1994 [*810]). Auch in der islamischen Welt wurde Galen sowohl als Philosoph als auch als Arzt ernst genommen. Als Philosoph wurde er zwar zum Teil geringer als andere, in der Regel Aristoteles, eingeschätzt, seine Vorrangstellung als Arzt wurde jedoch niemals angezweifelt. Im Westen erfuhr das Interesse an Galen im 11. Jahrhundert starken Auftrieb, als arabische Übersetzungen seiner Schriften zugänglich wurden. Anschließende Bemühungen, griechische Manuskripte zu finden und sie ins Lateinische zu übersetzen, trugen ebenfalls zu einer Wiederbelebung der Galenstudien bei. Einen besonders wichtigen Beitrag hat dabei Niccolò da Reggio geleistet, der in den Jahren von 1308 bis 1345 insgesamt 27 Werke Galens übersetzt hat (Baader 1981 [*808]). Das wiedererwachte Interesse an klassischer Bildung in der Renaissance gab einen weiteren Anstoß. Die Editio Aldina von Galens Werken aus dem Jahr 1525, die auf Arbeiten in den vorangegangenen Jahrhunderten basierte, bildete die Grundlage für alle weiteren Editionen bis hin zu jener von Kühn. Diese Epoche zeugt auch von der einsetzenden und später zunehmenden Tendenz, die Autorität Galens und anderer antiker Größen immer mehr herauszufordern (zur bedeutenden Rolle, die Galen in den medizinischen und wissenschaftlichen Debatten im 16. Jahrhundert und frühen 17. Jahrhundert spielte, siehe Wear 1981 [*809]). Aus dem Englischen übersetzt von Magdalena Hoffmann.
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527 BIBLIOGRAPHIE ZUM FÜNFTEN KAPITEL Kleomedes [*1–*72]; Klaudios Ptolemaios [*78–*455]; Galen [*461–*813].
Kleomedes
Ausgaben Eine vollständige Liste bei Todd 1990 [*3: XXII]. 1 Κλεομήδους κυκλικὴ θεωρία εἰς βιβλία βʹ (Parisiis 1539). – Editio princeps. 2 Cleomedis Meteora graece et latine a Roberto Balforeo ex ms. codice bibliothecae illustris simi cardinalis Joyosii multis mendis repur gata, latine versa et perpetuo commentario illustrata [...] (Burdigalae 1605). 3 Cleomedis Caelestia (Μετέωρα), edidit R. B. Todd (Leipzig 1990) [BT]. – Maßgeblich, über holt die frühere Teubneriana von H. Ziegler 1891 [*10], benutzt über 70 Handschriften und ist ziemlich konservativ; mit neuer Untertei lung der Kapitel in Paragraphen; Bibliogra phie: XXIII–XXV; Index auctorum, Index verborum. – Hiernach wird zitiert.
Übersetzungen
Lateinisch 9 R. Balfour 1605 [*2]. – Verbessert von J. Bake (Leiden 1820) und H. Ziegler 1891 [*10]. 10 Κλεομήδους κυκλικῆς θεωρίας μετεώρων βιβλία δύο. Cleomedis De motu circulari cor porum caelestium libri duo ad novorum codi cum fidem edidit et latina interpretatione instruxit H. Ziegler (Lipsiae 1891) [BT]. – Nach der Übersetzung von Balfour 1605 [*2]. Deutsch 16 Kleomedes: Die Kreisbewegungen der Ge stirne, übersetzt und erläutert von A. Czwalina (Leipzig 1927) [Ostwald’s Klassiker der exak ten Wissenschaften 220]. – Nach Neugebauer 1975 [*53: II 959 Anm. 1] «unreliable and the explanatory notes are usually valueless if not absurd».
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Französisch 22 Cléomède: Théorie élémentaire («De motu cir culari corporum caelestium»). Texte présenté, traduit et commenté par R. Goulet (Paris 1980) [HDAC 3]. – Bibliographie: 77–84. Englisch 28 Cleomedes’ Lectures on Astronomy. A Trans lation of ‹The Heavens› with an Introduction and Commentary by A. C. Bowen, R. B. Todd (Berkeley 2004).
Sekundärliteratur
Textüberlieferung und Titel 34 R. B. Todd: The Title of Cleomedes’ Treatise, in: Philologus 129 (1985) 250–261. 35 R. B. Todd: An Inventory of the Manuscripts of Cleomedes, in: Scriptorium 40 (1986) 261–264. 36 R. B. Todd: Praefatio und Testimonia Byzan tina, in: Todd 1990 [*3: V–XXI, XXIX]. 37 R. B. Todd: Cleomedes, in: Catalogus Trans lationum et Commentariorum. Mediaeval and Renaissance Latin Translations and Commen taries. Annotated Lists and Guides, VII (Washington 1992) 1–11. Kommentare 43 R. Balfour 1605 [*2]. 44 R. Goulet: Notes critiques, in: Goulet 1980 [*22: 51–75]. 45 Unedierter kurzer Kommentar von Johannes Pediasimos; Scholien. Edition von B. R. Todd in Aussicht gestellt.
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Bibliographie zum fünften Kapitel
Allgemeine Darstellungen und Datierung 51 H. Weinhold: Die Astronomie in der antiken Schule (München 1912). 52 A. Rehm: Kleomedes (3), in: RE XI 1 (1921) 679–694. 53 O. Neugebauer: A History of Ancient Mathe matical Astronomy, I–III (Berlin, Heidelberg, New York 1975). – Besonders II 959f. 54 W. Schumacher: Untersuchungen zur Datie rung des Astronomen Kleomedes (Köln 1975). 55 R. Goulet: Cléomède, in: DPhA II (1994) 436– 439. 56 W. Hübner: Kleomedes, in: DNP VI (1999) 578f. Lehre 62 R. B. Todd: Cleomedes and the Stoic Concept of the Void, in: Apeiron 16 (1982) 129–136. 63 R. B. Todd: The Stoics and their Cosmology in the First and Second Centuries A. D., in: ANRW II 36,3 (1989) 1365–1378.
64 K. Algra: The Treatise of Cleomedes and its Critique of Epicurean Cosmology, in: Epikure ismus in der späten Republik und der Kaiser zeit. Akten der 2. Tagung der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung vom 30. September bis 3. Oktober 1998 in Würzburg, herausgegeben von M. Erler in Zusammenarbeit mit R. Bees (Stuttgart 2000) 164–189. 65 R. B. Todd: Cleomedes and the Problems of Stoic Astrophysics, in: Hermes 129 (2001) 75–78. 66 R. B. Todd: Physics and Astronomy in Post-Posi donian Stoicism, in: ANRW II 37,4 (im Druck). Wirkungsgeschichte 72 R. B. Todd: The Manuscripts of John Pediasi mus’ Quotations from Dio Cassius, in: Byzan tion 56 (1986) 275–284.
Klaudios Ptolemaios
Ausgaben und Übersetzungen
Sammelausgabe (außer ‹Optik›, ‹Geographie› und ‹Harmonielehre›) 78 Claudii Ptolemaei opera quae exstant omnia, I–III (Lipsiae, später Lipsiae, Stutgardiae 1898–1998) [BT]: I: Syntaxis mathematica, edidit J. L. Heiberg (1898–1903). II: Opera astronomica minora, edidit J. L. Hei berg (1907). III,1: Apotelesmatika, post F. Boll, Ae. Boer [1940] secundis curis edidit W. Hübner (1998). III,2: De iudicandi facultate et animi principatu, edidit F. Lammert; Ps.Ptolemaei Fructus sive Centiloquium, edidit Ae. Boer (1951, 21962).
85 J. L. Heiberg 1898–1903 [*78: I]. 86 Ptolemäus: Handbuch der Astronomie, deut sche Übersetzung und erläuternde Anmerkun gen von K. Manitius, I–II (Leipzig 1912–1913); Vorwort und Berichtigungen von O. Neuge bauer (Leipzig 1963) [BT]. 87 Ptolemy’s Almagest, Translated and A nnotated by G. J. Toomer (London 1984, 21998). – Mit Kommentar. 88 Claudius Ptolemäus: Der Sternkatalog des Al magest. Die arabisch-mittelalterliche Tradition, herausgegeben, ins Deutsche übertragen und bearbeitet von P. Kunitzsch, I–III (Wiesbaden 1986–1991). – I: Die arabischen Übersetzungen (1986); II: Die lateinische Übersetzung Ger hards von Cremona (1990); III: Gesamtkonkor danz der Sternkoordinaten (1991).
Antike Kommentare ‹Syntaxis› 84 Composition mathématique de Claude Ptolé mée ou astronomie ancienne, traduit par N. Halma et suivie des notes de M. Delambre (Paris 1813–1816). – Französische Übersetzung mit Kommentar.
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94 Commentaire de Théon d’Alexandrie sur le livre III de l’Almageste de Ptolémée; tables ma nuelles des mouvements des astres, édité par N. Halma (Paris 1822–1825; ND 1990). – Griechi scher Text und französische Übersetzung.
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Klaudios Ptolemaios
95 Πρόκλoυ Διαδόχου ὑποτύπωσις τῶν ἀστρονομι κῶν ὑποθέσεων – Procli Diadochi Hypotyposis astronomicarum positionum, edidit C. Mani tius (Lipsiae 1909; ND Stutgardiae 1974) [BT]. – Mit deutscher Übersetzung. 96 Commentaires de Pappus et de Théon d’Alex andrie sur l’Almageste. Texte établi et annoté par A. Rome. I: Pappus d’Alexandrie: Commen taire sur les livres 5 et 6 de l’Almageste (Città del Vaticano 1931) [Studi e testi 54]; II: Théon d’Alexandrie: Commentaire sur les livres 1 et 2 de l’Almageste (Città del Vaticano 1936) [Studi e testi 72]; III: Théon d’Alexandrie: Commen taire sur les livres 3 et 4 de l’Almageste (Città del Vaticano 1943) [Studi e testi 106]. 97 A. Jones: Ptolemy’s First Commentator (Phil adelphia 1990). – Artemidor (ca. 213 n. Chr.).
Mittelalterlicher Kommentar 103 P. Kunitzsch: Ibn aṣ-Ṣalāḥ: Zur Kritik der Koordinatenüberlieferung im Sternkatalog des ‹Almagest›. Arabischer Text nebst deut scher Übersetzung, Einleitung und Anhang (Göttingen 1975) [AAWG, 3. Folge, Nr. 94]. ‹Phaseis› 109 Fragment arabe du premier livre du ‹Phaseis› de Ptolémée, édité par R. Morelon, in: Jour nal for the History of Arabic Science 5 (1981) 3–22.
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Bemerkungen des Heliodoros, Übersetzung und Anmerkungen.
Handliche Tafeln 129 J. L. Heiberg 1907 [*78: II 157–185]. 130 A. Jones: Astronomical Papyri from Oxyrhyn chus, I–II (Philadelphia 1999). – P. Oxy. 4142– 4143: I 102–108.
Antike Kommentare 136 Le ‘petit commentaire’ de Théon d’Alexandrie aux Tables faciles de Ptolémée. Histoire du texte, édition critique, traduction par A. Tihon (Città del Vaticano 1978) [Studi e testi 382]. 137 Le ‘grand commentaire’ de Théon d’Alexandrie aux Tables faciles de Ptolémée. Histoire du texte, édition critique, traduction par J. Moge net, revues et completées par A. Tihon, com mentaire par A. Tihon, I–III (Città del Vaticano 1985, 1991, 1999) [Studi e testi 315, 340, 390]. ‹Analemma› 143 J. L. Heiberg 1907 [*78: II 187–223]. 144 D. R. Edwards: Ptolemy’s Περὶ ἀναλέµµατος. An annotated transcription of Moerbeke’s Latin translation and of the surviving Greek fragments with an English version and com mentary (Providence RI 1984). ‹Planisphaerium›
‹Hypotheseis› 115 J. L. Heiberg 1907 [*78: II 69–107]. – Der grie chisch erhaltene Teil von Buch 1 mit deut scher Übersetzung. 116 L. Nix, F. Buhl, P. Heegaard, in: J. L. Heiberg 1907 [*78: II 109–145]. – Deutsche Überset zung von Buch 2 (das aber auch Teile aus dem ursprünglichen Buch 1 enthält) aus dem Ara bischen. 117 B. R. Goldstein, The Arabic Version of Ptole my’s Planetary Hypotheses (Philadelphia 1967). – Englische Übersetzung und Kom mentar des zweiten Teils des ersten Buches sowie kritische Edition des gesamten arabi schen Textes nach drei Handschriften. Kanobos-Inschrift 123 J. L. Heiberg 1907 [*78: II 147–155]. 124 A. Jones: Ptolemy’s Canobic Inscription and Heliodorus’ Observation Reports, in: Scia mus 6 (2005) 68–95. – Text mit Scholien und
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150 J. L. Heiberg 1907 [*78: II 225–259]. 151 J. Drecker: Das Planisphaerium des Claudius Ptolemaeus, in: Isis 9 (1927) 255–278. – Deut sche Übersetzung. 152 The Arabic Version of Ptolemy’s Planisphae rium, edited by Ch. Anagnostakis (Diss. Yale University 1984). – Arabische Faksimile-Edi tion mit englischer Übersetzung und Kom mentar. 153 P. Kunitzsch: Fragments of Ptolemy’s Plani sphaerium in an Early Latin Translation, in: Centaurus 36 (1993) 97–101. 154 Maslama’s Notes on Ptolemy’s Planisphae rium and Related Texts, edited by P. Kunitzsch, R. Lorch (München 1994) [SBAW, phil.-hist. Klasse 1994, Nr. 2]. – Arabischer und lateini scher Text mit englischer Übersetzung und Kommentar. 155 The Arabic Version of Ptolemy’s ‹Planisphere or Flattening the Surface of the Sphere›. Text, Translation, Commentary by N. Sidoli, J. L. Berggren, in: Sciamus 8 (2007) 37–139.
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Bibliographie zum fünften Kapitel
‹Apotelesmatika›
‹Geographie›
Gesamteditionen und Übersetzungen
Gesamtausgaben und Übersetzungen
Weitere Übersetzungen bei Boll, Boer, Hübner 1998 [*78: III 1, LIIIf.]. 161 Claudius Ptolemaeus: Astrologisches System, I.–IV. Buch (Tetrabiblos), übersetzt von J. W. Pfaff (Erlangen 1822–1823). – Neuer Abdruck, herausgegeben von H. Korsch (Düsseldorf 1938). 162 Claudius Ptolemaeus: Tetrabiblos. Die hundert Aphorismen, nach der von Philipp Melanch thon besorgten und mit einer Vorrede versehe nen seltenen Ausgabe [Basel] aus dem Jahre 1553 griechisch und lateinisch ins Deutsche übertragen von M. E. Winkel (Berlin 1923). 163 Ptolemy: Tetrabiblos, edited and translated into English by F. E. Robbins (London 1940; diverse ND) [LCL 435]. 164 Ptolemaic Astrology. A Complete Commen tary on the Tetrabiblos of Claudius Ptolemy by W. J. Tucker (Sidcup 1961). 165 Claudio Tolomeo: Le previsioni astrologiche (Tetrabiblos), a cura di S. Feraboli (Vicenza 2 1989; diverse ND) [Scrittori greci e latini]. – Mit italienischer Übersetzung und Kommen tar. 166 Ptolémée: Manuel d’astrologie. La Tétrabible, traduit par C. Bourdin, A. Verse (Paris 1993). 167 F. Boll, Ae. Boer, W. Hübner 1998 [*78: III 1]. – Maßgeblich.
188 Περὶ τῆς γεωγραφικῆς ὑφηγήσεως, traduit par N. B. Halma (Paris 1828). 189 Claudii Ptolemaei Geographia, edidit C. F. A. Nobbe (Lipsiae 1843–1845; ND mit Einleitung von A. Diller: Hildesheim 1966 und 1990). 190 Das ‹Kitāb Sūrat al-Ar› des Abū Ğa’far Mu hammad ibn Mūsā al-Ḫwārizmī, edidit H. von Mžik (Leipzig 1926) [Bibliothek arabischer Historiker und Geographen 3]. – Arabisch. 191 Claudii Ptolemaei Geographiae codex Urbi nas graecus 82 phototypice depictus, edidit J. Fischer (Città del Vaticano 1932) [Codices e Vaticanis selecti 19]. – Mit einführenden Un tersuchungen. 192 Claudius Ptolemy: The Geography, translated and edited by E. L. Stevenson (New York 1932; ND 1991). 193 Klaudios Ptolemaios: Handbuch der Geogra phie, griechisch-deutsch, Einleitung, Text und Übersetzung, Index und Ergänzungsband mit einer Edition des ‹Kanons bedeutender Städte› von A. Stückelberger, G. Graßhoff et al., I–III (Basel 2006–2009). – Maßgeblich.
Teileditionen 173 F. Boll 1916 [*364: 7–12]. – Kapitel 1,9. 174 Commento al primo libro della Tetrabiblos di Claudio Tolomeo con una nuova traduzione e le interpretazioni dei maggiori commentatori a cura di G. Bezza (Milano 1990, 21992).
Antike Kommentare 180 Εἰς τὴν τετράβιβλον τοῦ Πτολεμαίου ἐξηγη τὴς ἀνώνυμος – In Claudii Ptolemaei quadri partitum enarrator ignoti nominis, quem tamen Proclum fuisse quidam existimant, edidit H. Wolf (Basel 1559) 1–180. 181 Procli Diadochi paraphrasis in Ptolemaei Li bros IV de siderum effectionibus a L. Allatio e graeco in latinum conversa (Leiden 1635). 182 Porphyrii Philosophi introductio in tetrabib lum Ptolemaei, ediderunt Ae. Boer, St. Wein stock, in: Catalogus Codicum Astrologorum Graecorum V 4, edidit S. Weinstock (Bruxelles 1940) 184–228.
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Teilausgaben 199 Claudii Ptolemaei Geographia, e codicibus recognovit, prolegomenis, annotationibus, in dicibus, tabulis instruxit C. Müller (Paris 1883–1901). – Buch 4–5 griechisch-lateinisch. 200 Die Geographie des Ptolemaeus: Galliae Germania Raetia Noricum Pannoniae Illyri cum Italia, edidit O. Cuntz (Berlin 1923; ND New York 1975). – Text 2,7–3,1 nebst Unter suchungen. 201 La géographie de Ptolémée: l’Inde (7,1–4), texte établi par L. Renou (Paris 1925). – Mit französischer Übersetzung. 202 E. Honigmann: Die sieben Klimata und die ΠΟΛΕIΣ ΕΠIΣΗΜΟI. Eine Untersuchung zur Geschichte der Geographie und Astrologie im Altertum und Mittelalter (Heidelberg 1929). – Liste der 360 herausragenden Städte (κανὼν ἐπισήμων πόλεων): 193–224. 203 Des Klaudios Ptolemaios Einführung in die darstellende Erdkunde. Ins Deutsche über tragen und mit Erläuterungen versehen von H. von Mžik, unter Mitarbeit von F. Hopfner (Wien 1938). – Deutsche Übersetzung von Buch 1.
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Klaudios Ptolemaios
204 Ptolemy: Geography, Book 6: Middle East, Central and North Asia, China, edited by H. Humbach, S. Ziegler, I–II (Wiesbaden 1998– 2002). – I: Text and English/German Transla tions by S. Ziegler; II, in collaboration with K. Faiss: Maps in Simplified Reconstruction, Notes and Indexes with a Supplement: NW and W India. ‹Harmonielehre› 210 Die Harmonielehre des Klaudios Ptolemaios, herausgegeben von I. Düring (Göteborg 1930; ND 1980). – Maßgeblich. 211 Ptolemaios und Porphyrios über die Musik, herausgegeben von I. Düring (Göteborg 1934). – Enthält eine deutsche Übersetzung mit Kommentar. 212 A. Barker: Greek Musical Writings. II: Har monic and Acoustic Theory (Cambridge 1989). – Ptolemy: 270–391 (englische Über setzung mit Anmerkungen). 213 Ptolemy: Harmonics. Translation and Com mentary by J. Solomon (Leiden 2000). – Eng lische Übersetzung und Kommentar.
Kommentar des Porphyrios 219 Porphyrios: Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios, herausgegeben von I. Düring (Göteborg 1932; ND Hildesheim 1982).
Ps.-Ptolemaios ‹Karpos› 239 Die hundert Sprüche, übersetzt von J. W. Pfaff, in: Astrologie (1916) 227–242. 240 M. E. Winkel 1923 [*162]. 241 E. Boer 21962 [*78: III 2]. – Maßgeblich. 242 Ptolemy’s ‹Centiloquy›, translated from the Greek by J. H. Holden, in: Five Medieval As trologers. An Astrological Miscellany, trans lated and edited by J. H. Holden (Tempe AZ 2008) 67–87. ‹De triginta stellis› 248 F. Boll 1916 [*364: 77–82]. ‹De imaginibus› 254 Marci Manilii Astronomicon a Josepho Sca ligero ex vetusto codice Gemblacensi infinitis mendis repurgatum (Argentorati 31655) 336– 462. – Lateinische Übersetzung. 255 W. Gundel: Dekane und Dekansternbilder. Ein Beitrag zur Geschichte der Sternbilder der Kulturvölker (Glückstadt 1936; bearbei tet von H. G. Gundel: Darmstadt 21969). – 394–401: Deutsche Übersetzung. 256 Hieronymus Torrella: Opus praeclarum de imaginibus, édité, présenté et annoté par N. Weill-Parot (Florenz 2008).
‹Optika› 225 L’optique de Claude Ptolémée dans la version latine d’après l’arabe de l’émir Eugène de Sicile. Édition critique et exégétique par A. Lejeune (Leiden 1956, 21989). 226 Ptolemy’s Theory of Visual Perception, an English Translation of the Optics, with intro duction and commentary by A. M. Smith (Philadelphia 1966). ‹Über das Erkenntniskriterium und den Sitz des Geistes› 232 F. Lammert 1962 [*78: III 2]. 233 The Criterion of Truth. Essays written in Honour of George Kerferd together with a text and translation (with annotations) of Ptolemy’s ‹On the kriterion and hegemo nikon›, edited by P. Huby, G. Neal (Liverpool 1989) 179–230 (mit Tafel). 2
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‹Iudiciorum Ptolomei ad Aristonem filium suum liber› 262 Ch. S. F. Burnett 1993 [*454: 33–41]. – Teil edition.
Sekundärliteratur
Allgemeines 268 F. Boll: Studien über Claudius Ptolemäus. Ein Beitrag zur Geschichte der griechischen Phi losophie und Astrologie (Leipzig 1894) [Jahr bücher für classische Philologie Suppl. 21]. 269 F. Boll: Das Epigramm des Claudius Ptole mäus, in: Socrates 9 (1921) 2–12. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften zur Sternkunde des Altertums, herausgegeben von V. Stegemann, E. Boer (Leipzig 1950) 143–155.
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Bibliographie zum fünften Kapitel
270 T. L. Heath: A History of Greek Mathematics (Oxford 1921). 271 B. L. van der Waerden: Ontwakende weten schap. Egyptische, Babylonische en Griekse wiskunde (Groningen 1950). – Englisch: Sci ence Awakening, translated by A. Dresden with Additions of the Author (Groningen 1954 u. ö.); Deutsch: Erwachende Wissen schaft. Ägyptische, babylonische und griechi sche Mathematik, übersetzt von H. Habicht mit Zusätzen vom Verfasser (Basel 21966). 272 K. Ziegler, B. L. van der Waerden, E. Boer, F. Lammert: Klaudios Ptolemaios (66), in: RE XXIII 2 (1959) 1788–1859. – Grundlegend; Polaschek 1965 [*407] mit einem Supplement über die Geographie. 273 F. Sezgin: Geschichte des arabischen Schrift tums. V: Mathematik bis ca. 430 H. (Leiden 1974); VI: Astronomie bis ca. 430 H. (Leiden 1978); VII: Astrologie – Meteorologie und Verwandtes bis ca. 430 H. (Leiden 1979); X: Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abendland: Historische Darstellung, Teil 1 (Frankfurt a. M. 2000); XIII: Mathematische Geographie und Kartographie im Islam und ihr Fortleben im Abendland: Autoren (Frankfurt a. M. 2007). 274 H. L. Mead: The Methodology of Ptolemaic Astronomy: an Aristotelian View, in: Laval théologique et philosophique 31 (1975) 55–74. 275 G. J. Toomer: Ptolemy, in: Dictionary of Scien tific Biography 11 (New York 1975) 186–206. 276 S. J. Tester: A History of Western Astrology (Woodbridge 1987; diverse ND). 277 B. L. van der Waerden: Die Astronomie der Griechen. Eine Einführung (Darmstadt 1988). 278 W. Hübner: Die Begriffe ‘Astrologie’ und ‘As tronomie’ in der Antike. Wortgeschichte und Wissenschaftssystematik, mit einer Hypothese zum Terminus ‘Quadrivium’ (Stuttgart 1989) [AAWM 1989, Nr. 7]. 279 G. Graßhoff: The History of Ptolemy’s Star Catalogue (New York 1990). 280 G. Aujac: Claude Ptolémée, astronome, astro logue, géographe. Connaissance et représen tation du monde habité (Paris 1993). 281 L. C. Taub: Ptolemy’s Universe (Chicago 1993). 282 E. Gamba: Claudio Tolomeo. Uno studio sulle fonti biografiche, in: Acme. Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell’Università degli Studi di Milano 53,2 (2000) 75–124. 283 M. Folkerts, R. Harmon, W. Hübner: Klau dios Ptolemaios (65), in: DNP X (2001) 559– 570.
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284 Ptolemy in Perspective. Use and Criticism of his Work from Antiquity to the Nineteenth Century, edited by A. Jones (Dordrecht 2010). 285 O. Pedersen: A Survey of the Almagest. With Annotation and New Commentary by A. Jones (New York, Dordrecht 2011). 286 Claudius Ptolemäus. Zur Rezeption seiner Werke in der islamischen Welt und in Europa. Schwerpunkt, in: Akademie Aktuell. Zeit schrift der Bayerischen Akademie der Wissen schaften 46 (2013) 7–45. – Vor allem: D. N. Hasse: Ptolemäische Astrologie in der Re naissance, 42–45. ‹Syntaxis› 292 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1797–1813]. 293 A. Aaboe: On the Tables of Planetary Visibi lity in the ‹Almagest› and the ‹Handy Tables› (København 1960). 294 P. Kunitzsch: Der Almagest. Die Syntaxis Ma thematica des Claudius Ptolemäus in arabischlateinischer Überlieferung (Wiesbaden 1974). 295 P. Kunitzsch 1975 [*103]. 296 F. Sezgin 1978 [*273: VI 88–94]. 297 G. Saliba: The Role of the ‹Almagest› Com mentaries in Medieval Arabic Astronomy: A Preliminary Survey of Ṭūsī’s Redaction of Ptolemy’s ‹Almagest›, in: Archives Interna tionales d’Histoire des Sciences 37 (1987) 3–20. 298 A. Cameron: Isidore of Miletus and Hypatia: On the Editing of Mathematical Texts, in: GRBS 31 (1990) 103–127. 299 P. Kunitzsch: Gerhard von Cremona als Über setzer des Almagest, in: Festgabe für Hans-Ru dolf Singer (Frankfurt a. M. 1991) I 347–358. 300 P. Kunitzsch: Gerhard von Cremona und seine Übersetzung des ‹Almagest›, in: Die Begegnung des Westens mit dem Osten, Kon greßakten des 4. Symposions des Mediävis tenverbandes in Köln 1991 aus Anlaß des 1000. Todesjahres der Kaiserin Theophanu, herausgegeben von O. Engels, P. Schreiner (Sigmaringen 1993) 333–340. 301 D. Pingree: Teaching of the Almagest in Late Antiquity, in: Apeiron 27 (1994) 75–98. 302 G. Saliba: A Sixteenth-Century Arabic Cri tique of Ptolemaic Astronomy: The Work of Shams al-Dīn al-Khafrī, in: Journal for the History of Astronomy 25 (1994) 15–38. ‹Phaseis› 308 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1813– 1815].
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Klaudios Ptolemaios
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‹Hypotheseis›
‹Planisphaerium›
314 M. Steinschneider: Die Hebräischen Überset zungen des Mittelalters und die Juden als Dolmetscher (Berlin 1893). 315 P. Heegaard, in: Heiberg 1907 [*78: II XVI– XVII]. 316 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1816–1818]. 317 W. Hartner: Mediaeval Views on Cosmic Di mensions and Ptolemy’s Kitāb al-Manshūrāt (1964), in: Ders.: Oriens-Occidens. Ausge wählte Schriften zur Wissenschafts- und Kul turgeschichte. FS zum 60. Geburtstag (Hildesheim 1968) 319–348. 318 Sezgin 1978 [*273: VI 94f.]. 319 H. Dörrie †, M. Baltes: Der Platonismus in der Antike im 2. und 3. Jahrhundert nach Chris tus. Bausteine 73-100: Text, Übersetzung, Kommentar (Stuttgart/Bad Cannstatt 1993) [Der Platonismus in der Antike, Band 3]. 320 A. Jones: The Antikythera Mechanism and the Public Face of Greek Science. Paper pre sented at a workshop titled “From Antiky thera to the Square Kilometre Array: Lessons from the Ancients”, 12–15 June 2012 in Ke rastari, Greece. – Online unter: https://pos. sissa.it/170/038/pdf (Stand: Juli 2018).
350 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1829–1831]. 351 F. Sezgin 1978 [*273: VI 95]. 352 P. Kunitzsch: The Second Arabic Manuscript of Ptolemy’s ‹Planispherium›, in: Zeitschrift für Geschichte der arabisch-islamischen Wis senschaften 9 (1994) 83–89. 353 P. Kunitzsch: Das Astrolab, in: Europäische Technik im Mittelalter. 800 bis 1400. Tradition und Innovation. Ein Handbuch, herausgege ben von U. Lindgren (Berlin 1996) 399–404.
Kanobos-Inschrift 325 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1818– 1823]. ‹Handliche Tafeln› 331 B. L. van der Waerden: Bemerkungen zu den Handlichen Tafeln des Ptolemaios, in: SBAW, math.-nat. Klasse (1953) 261–272. 332 B. L. van der Waerden: Die Handlichen Tafeln des Ptolemaios, in: Osiris 13 (1958) 54–78. 333 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1823–1827]. 334 A. Aaboe 1960 [*293]. 335 A. Tihon: Les scolies des ‹Tables Faciles› de Ptolémée, in: Bulletin de l’Institut Historique Belge de Rome 43 (1973) 49–110. 336 F. Sezgin 1974 [*273: V 174] und 1978 [*273: VI 95f.]. ‹Analemma› 342 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1827–1829]. 343 F. Sezgin 1974 [*273: V 171–173]. 344 R. Böker: Analemma, in: Der Kleine Pauly 1 (1979) 330f.
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‹Apotelesmatika› Bibliographie bei Boll, Boer, Hübner 1998 [*167: III 1, LXVIII–LXXIII]. 359 F. Boll 1894 [*268: 111–238]. 360 F. Boll: Vom Weltbild der griechischen Astro logen (1910), in: Ders.: Kleine Schriften zur Sternkunde des Altertums, herausgegeben von V. Stegemann, E. Boer (Leipzig 1950) 29–41. 361 Ch.-É. Ruelle: Deux identifications. L’exé gèse dite anonyme de la ‹Tétrabible› de Claude Ptolémée et le traité dit d’Hermès le philosophe ‹De revolutionibus nativitatum› attribué à l’astrologue arabe Aboumashar – Découverte du texte grec du second traité, in: Comptes rendus de l’Académie des Inscrip tions et Belles-Lettres (Paris 1910) 32–39. 362 F. Boll: Die Lebensalter. Ein Beitrag zur an tiken Ethologie und zur Geschichte der Zah len. Mit einem Anhang zur Schrift περὶ ἑβδομάδων, in: Neue Jahrbücher für das clas sische Altertum, Geschichte und deutsche Li teratur 31 (1913) 89–145. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften zur Sternkunde des Alter tums, herausgegeben von V. Stegemann, E. Boer (Leipzig 1950) 156–224. 363 W. Gundel: Beiträge zur Entwickelungsge schichte der Begriffe Ananke und Heimar mene (Gießen 1914). 364 F. Boll: Antike Beobachtungen farbiger Sterne (München 1916) [ABAW 30, Nr. 1]. 365 F. Boll: Die Entwicklung des astronomischen Weltbildes im Zusammenhang mit Religion und Philosophie, in: Die Kultur der Gegen wart. Ihre Entwicklung und ihre Ziele, her ausgegeben von P. Hinneberg. Teil III,3,3: Astronomie, unter Redaktion von J. Hart mann (Leipzig, Berlin 1921) 1–56. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften zur Sternkunde des Altertums, herausgegeben von V. Stege mann, E. Boer (Leipzig 1950) 225–282.
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Bibliographie zum fünften Kapitel
366 C. Bailey: Phases in the Religion of Ancient Rome (Berkeley 1932; diverse ND). 367 R. Uhden: Das Erdbild in der ‹Tetrabiblos› des Ptolemaios, in: Philologus 88 (1933) 302–325. 368 E. Boer 1959 [*272: 1831–1858]. 369 L. Thorndike: The A. D. 1234 Latin Transla tion of Ptolemy’s ‹Quadripartitum›, in: Ma nuscripta 8 (1964) 98–101. 370 W. Gundel, H. G. Gundel: Astrologumena. Die astrologische Literatur in der Antike und ihre Geschichte (Wiesbaden 1966). 371 F. Sezgin 1979 [*273: VII 43f.]. 372 W. Hübner: Die Eigenschaften der Tierkreis zeichen in der Antike. Ihre Darstellung und Verwendung unter besonderer Berücksichti gung des Manilius (Wiesbaden 1982) [Sud hoffs Archiv, Beihefte 22]. 373 A. A. Long: Astrology: Arguments pro and contra, in: Science and Speculation. Studies in Hellenistic Theory and Practice, edited by J. Barnes, J. Brunschwig, M. Burnyeat, M. Schofield (Cambridge 1982) 165–192. 374 M. Lejbowicz: Guillaume Oresme, traducteur de la ‹Tétrabible› de Claude Ptolémée, in: Pal las 30 (1983) 107–133. 375 M. Riley: Theoretical and Practical Astro logy: Ptolemy and his Colleagues, in: TAPhA 117 (1987) 235–256. 376 S. Fazzo: Alessandro d’Afrodisia e Tolomeo: aristotelismo e astrologia fra il II e il III se colo d. C., in: RSF 43 (1988) 627–649. 377 W. Hübner: Religion und Wissenschaft in der antiken Astrologie, in: Zwischen Wahn, Glaube und Wissenschaft. Magie, Astrologie, Alche mie und Wissenschaftsgeschichte, herausgege ben von J.-F. Bergier (Zürich 1988) 9–50. 378 M. Riley: Science and Tradition in the ‹Tetra biblos›, in: Proceedings of the American Phi losophical Society 132 (1988) 67–84. 379 L. Anthonis: ‹Iudicialia ad Syrum›: Une traduc tion de Guillaume de Moerbeke du ‹Quadri partitum› de Cl. Ptolémée, in: Guillaume de Moerbeke. Recueil d’études à l’occasion du 700e anniversaire de sa mort (1286), édité par J. Brams, W. Vanhamel (Leuven 1989) 253–255. 380 S. Fazzo: Un’arte inconfutabile: la difesa dell’ astrologia nella ‹Tetrabiblos› di Tolomeo, in: RSF 46 (1991) 213–244. 381 M. Vegetti: L’utilità della divinazione. Un ar gomento stoico in Tolomeo, ‹Tetrabiblos› I 3.5, in: Elenchos 15 (1994) 219–228. 382 W. Hübner: Astrologie et mythologie dans la Tétrabible de Ptolémée d’Alexandrie, in: Sciences exactes et sciences appliquées à Alexandrie (III e siècle av. J.-C. – I er siècle
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ap. J.-C.). Actes du Colloque International de Saint-Étienne (6–8 juin 1996), publiés par G. Argoud, J. Y. Guillaumin (Saint-Étienne 1998) 325–345. 383 W. Hübner: The Ptolemaic View of the Uni verse, in: GRBS 41 (2000) 59–93. 384 I. A. Seymore: The Life of Ibn Ridwan and His Commentary on Ptolemy’s ‹Tetrabiblos› (Diss. Columbia 2001). 385 W. Hübner: Der ‘descensus’ als ordnendes Prinzip in der ‹Naturalis historia› des Plinius, in: Die Enzyklopädie im Wandel vom Hoch mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Akten des Kolloquiums des Projekts D im Sonderfor schungsbereich 231, 29.11.–1.12.1996, heraus gegeben von Ch. Meier (München 2002) 25–41. 386 J. Komorowska: Astrology, Ptolemy and ‘tech nai stochastikai’, in: Mene 9 (2009) 191–203. 387 H. D. Rutkin: The Use and Abuse of Ptolemy’s ‹Tetrabiblos› in Renaissance and Early Modern Europe: Two Case Studies (Giovanni Pico della Mirandola and Filippo Fantoni), in: Jones 2010 [*284: 135–149]. 388 W. Hübner: Gender in Ptolemy’s ‹Apoteles matika›, in: Mene 40 (2014) 147–166. 389 S. Heilen: ‹Hadriani genitura›. Die astrologi schen Fragmente des Antigonos von Nikaia. Edition, Übersetzung und Kommentar (Ber lin 2015) [TuK 43]. ‹Karpos› 393 E. Boer 1959 [*272: 1832–1839]. 394 R. Lemay: Origin and Success of the ‹Kitāb Thamara› of Abū Ja ‘far Amad ibn Yûsuf ibn Ibrāhīm, from the Tenth to the Seventeenth Century in the World of Islam and the Latin West, in: Proceedings of the First International Symposium for the History of Arabic Science (Aleppo 5–12 April 1976). II: Papers in Euro pean Languages, edited by A. Y. Al-Hassan, G. Karmi, N. Namnum (Aleppo 1978) 91–107. 395 F. Sezgin 1979 [*273: VII 44–46]. 396 M. Rinaldi: La traduzione ed i commentari sul Καρπός pseudo-tolemaico di Giorgio da Trebisonda, in: Mene 11 (2011) 544–556. ‹Geographie› Vgl. Uhden 1933 [*367]. 402 C. A. Nallino: Al-Ḫuwārizmī e il suo rifaci mento della Geografia di Tolomeo (Roma 1894) [Atti della Academia dei Lincei, Classe di Scienze Morali, Storiche et Filologiche. Memorie, serie 5, vol. 2, fasc. 1]. – Wieder in:
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Klaudios Ptolemaios
Ders.: Raccolta di scritti editi ed inediti. V: Astrologia, astronomia, geografia, a cura di M. Nallino (Roma 1944) 458–532. 403 H. Berger: Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen (Leipzig 21903; ND Berlin 1966). – Ptolemaios: 616–648. 404 E. Honigmann: Die sieben Klimata und die ΠΟΛΕIΣ ΕΠIΣΗΜΟI. Eine Untersuchung zur Geschichte der Geographie und Astrologie im Altertum und Mittelalter (Heidelberg 1929). 405 P. Schnabel: Text und Karten des Ptolemäus (Leipzig 1939). 406 E. Polaschek: Ptolemy’s ‹Geography› in a New Light, in: Imago Mundi 14 (1959) 17–37. 407 E. Polaschek: Ptolemaios (66): Das geographi sche Werk, in: RE Suppl. 10 (1965) 680–833. – Supplement zu Ziegler, van der Waerden, Boer, Lammert 1959 [*272]. 408 U. Lindgren: Die ‹Geographie› des Claudius Ptolemaeus in München. Beschreibung der gedruckten Exemplare in der Bayerischen Staatsbibliothek, in: Archives Internationales d’histoire des sciences 35 (1985) 148–239. 409 O. A. Dilke: The Culmination of Greek Car tography in Ptolemy, in: Cartography in Pre historic, Ancient, and Medieval Europe and the Mediterranean, edited by J. B. Harley, D. Woodward (Chicago 1987) [The History of Cartography 1] 177–200. 410 F. Sezgin 2000 [*273: X 31–57] und 2007 [*273: XIII 167–204]. 411 A. Stückelberger: Klaudios Ptolemaios, in: Geschichte der Mathematik und der Natur wissenschaften in der Antike. II: Geographie und verwandte Wissenschaften, herausgege ben von W. Hübner (Stuttgart 2000) 185–208. 412 R. Burri: Die Wiederentdeckung der ‹Geo graphie› des Ptolemaios durch Planudes, in: Antike Naturwissenschaft und ihre Rezep tion 13 (2003) 127–136. 413 A. Stückelberger, R. Burri, F. Mittenhuber: Die «neue» Ptolemaios-Handschrift von Istan bul (Cod. Seragliensis GI 57), vorläufige Er kenntnisse, in: MH 60 (2003) 211–221 und Tafeln 1–2 . ‹Harmonielehre› 419 F. Boll 1894 [*268: 93–111]. 420 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1840–1847]. 421 B. Reinert: Das Problem des pythagoräischen Kommas in der arabischen Musiktheorie, in: Asiatische Studien 33 (1979) 199–217. 422 F. R. Levin: πληγή and τάσις in the Harmo nika of Klaudios Ptolemaios, in: Hermes 108 (1980) 205–229.
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423 B. Reinert: Die arabische Musiktheorie zwi schen autochthoner Tradition und griechi schem Erbe, in: Die Blütezeit der arabischen Wissenschaft, herausgegeben von H. Balmer, B. Glaus (Zürich 1990) 79–108. 424 A. Barker: Reason and Perception in Ptole my’s ‹Harmonics›, in: Harmonia mundi: mu sica e filosofia nell’antichità – Music and Philosophy in the Ancient World, a cura di F. Ahl, R. W. Wallace, B. MacLachlan (Roma 1991) 104–130. ‹Optika› Bibliographie bei van der Waerden 1959 [*272: 1847f.]. 430 A. Lejeune: Euclide et Ptolémée. Deux stades de l’optique géométrique grecque (Louvain 1948). 431 B. L. van der Waerden 1959 [*272: 1847–1853]. 432 A. I. Sabra: Ibn al-Haytham’s Criticisms of Ptolemy’s ‹Optics›, in: JHPh 4 (1966) 145–149. ‹Über das Erkenntniskriterium und den Sitz des Geistes› 438 F. Boll 1894 [*268: 77–93]. 439 F. Lammert: Kritische Untersuchung zu Pto lemaios Περὶ κριτηρίου καὶ ἡγεμονικοῦ, in: Hermes 72 (1937) 450–465. 440 F. Lammert 1959 [*272: 1854–1859]. 441 A. A. Long: Ptolemy On the Criterion. An Epistemology for the Practising Scientist, in: Huby, Neal 1989 [*233: 151–177]. – Wieder in: The Question of ‘Eclecticism’: Studies in Later Greek Philosophy, edited by J. Dillon, A. A. Long (Berkeley 1988) 176–207. ‹De imaginibus› 447 F. Sezgin 1979 [*273: VII 47]. 448 J.-P. Boudet: Un traité de magie astrale ara bo-latin: le ‹Liber de imaginibus› du PseudoPtolémée, in: Natura, scienze e società medievali. Studi in onore di A. Paravicini Ba gliani, a cura di C. Leonardi, F. Santi (Fi renze 2008) 17–35. ‹Iudicia› 454 Ch. S. F. Burnett: An Unknown Latin Version of an Ancient ‘parapēgma’; The WeatherForecasting Stars in the ‹Iudicia› of PseudoPtolemy, in: Making Instruments Count. Essays on Historical Scientific Instruments presented to G. L’Estrange Turner, edited by
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Bibliographie zum fünften Kapitel
R. G. W. Anderson, J. A. Bennet, W. F. Ryan (Aldershot 1993) 27–41. 455 Ch. S. F. Burnett: Aristotle as an Authority on Judicial Astrology, in: Florilegium Mediaevale.
Études offertes à Jacqueline Hamesse à l’occasion de son éméritat, publiées par J. Meirinhos, O. Weijers (Louvain-la-Neuve 2009) 41–62.
Galen Werkausgabe 461 ΚΛΑΥΔΙΟΥ ΓΑΛHΝΟΥ ΑΠΑΝΤΑ, Claudii Ga leni opera omnia, editionem curavit C. G. Kühn, I–XX (Lipsiae 1821–1833; ND Hildes heim 1964–1965).
Auswahlausgaben und Übersetzungen 467 Claudii Galeni Pergameni Scripta minora, re censuerunt I. Marquardt, I. Muel ler, G. Helmreich, I–III (Lipsiae 1884–1893; ND Amsterdam 1967) [BT]. 468 Galen: On the Parts of Medicine, On Cohe sive Causes, On Regimen in Acute Diseases in Accordance with the Theories of Hippo crates. First Edition of the Arabic Versions with English Translation by Malcolm Lyons. The Latin Versions of On the Parts of Medi cine edited by H. Schoene and On Cohesive Causes edited by K. Kalbfleisch, reedited by J. Kollesch, D. Nickel, G. Strohmaier (Berlin 1969) [CMG Supplementum Orientale 2]. 469 Opere Scelte di Galeno, a cura di I. Garofalo, M. Vegetti (Torino 1978) [Classici Della Scienza]. 470 Galen: On Respiration and the Arteries. An edition with English translation and commen tary of De usu respirationis, An in arteriis na tura sanguis contineatur, De usu pulsuum, De causis respirationis by D. J. Furley, J. S. Wil kie (Princeton 1984). 471 Galien de Pergame: Souvenirs d’un médecin. Textes traduits du grec et présentés par P. Mo raux (Paris 1985). 472 Galen: Three Treatises on the Nature of Sci ence, translated by R. Walzer, M. Frede, with an Introduction by M. Frede (Indianapolis, Cambridge 1985). 473 Galien: L’âme et ses passions. Introduction, traduction et notes par V. Barras, T. Birchler, A.-F. Morand, Préface de J. Starobinski (Paris 1995).
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474 Galen: Selected Works, translated with an In troduction and Notes by P. N. Singer (Oxford 1997). 475 Galien: Traités philosophiques et logiques. Traductions inédites par C. Dalimier, J.-P. Levet, P. Pellegrin, introduction par P. Pel legrin (Paris 1998). 476 Galien: Exhortation à l’étude de la médecine, Art médical. Texte établi et traduit par V. Boudon (Paris 2000) [CUF]. 477 Galien: Introduction générale, Sur l’ordre de ses propres livres, Sur ses propres livres, Que l’excellent médecin est aussi philosophe. Texte établi, traduit et annoté par V. BoudonMillot (Paris 2007) [CUF]. 478 Galen: Psychological writings, translated by P. Singer (Cambridge 2013). – Mit Überset zungen von ‹De indolentia›, QAM, Aff. dig., Pecc. dig., ‹De moribus›.
Einzelne Schriften und Übersetzungen
‹De libris propriis› (Libr. Propr.; XIX 8–48 K = II 91–124 SM) 484 K. Kalbfleisch: Zu Galenos, in: Philologus 55 (1896) 689–694. 485 Galeno: I miei libri, in: Garofalo, Vegetti 1978 [*469: 61–90]. 486 Galen: My Own books, in: Singer 1997 [*474: 3–22]. 487 Galien: Sur ses propres livres, in: BoudonMillot 2007 [*477: 134–173]. ‹De ordine librorum suorum› (Libr. ord.; XIX 49– 61 K = II 80–90 SM) 493 Galen: The Order of my Own Books, in: Sin ger 1997 [*474: 23–29]. 494 Galien: Sur l’ordre de ses propres livres, in: Boudon-Millot 2007 [*477: 88–102].
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Galen
‹De propriis placitis› (Prop. plac.) 500 Galen: On my Own Opinions. Edition, trans lation and commentary by V. Nutton (Berlin 1999) [CMG V 3,2]. 501 V. Boudon-Millot, A. Pietrobelli: Galien res suscité: Édition princeps du texte grec du De propriis placitis, in: REG 118 (2005) 168–213. ‹Quod optimus medicus sit etiam philosophus› (Med. phil.; I 53– 63 K = II 1– 8 SM) 507 Galeno: Il miglior medico è anche filosofo, in: Garofalo, Vegetti 1978 [*469: 91–101]. 508 Galen: The Best Doctor is also a Philosopher, in: Singer 1997 [*474: 30–34]. 509 Galien: Que l’excellent médecin est aussi phi losophe, in: Boudon-Millot 2007 [*477: 284– 292]. ‹Exhortatio ad medicinam› (Protrepticus; I 1–39 K = I 103–129 SM) 515 Galien: Exhortation à l’étude de la médecine, in: Boudon 2000 [*476: 84–117]. 516 Galeno: Sull’ottima maniera d’insegnare. Esortazione alla medicina, testo e traduzione di A. Barigazzi (Berlin 1991) [CMG V 1,1]. ‹De optima doctrina› (Opt. doctr.; I 40–52 K = I 82–92 SM) 522 Galeno: Sull’ottima maniera d’insegnare. Esortazione alla medicina, testo e traduzione di A. Barigazzi (Berlin 1991) [CMG V 1,1]. ‹Subfiguratio empirica› (Subf. emp.) 528 Die griechische Empirikerschule: Sammlung der Fragmente und Darstellung der Lehre von K. Deichgräber (Berlin, Zürich 1930, 2 1965). – Enthält den lateinischen Text und die Rückübersetzung von Galens Subfigura tio empirica. 529 Galen: An Outline of Empiricism, in: Frede, Walzer 1985 [*472: 21–45]. 530 Galien: Esquisse empirique, in: Dalimier, Levet, Pellegrin 1998 [*475: 95–126].
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537 Galen: On Medical Experience, in: Frede, Walzer 1985 [*472: 47–106]. 538 Galien: De l’expérience médicale, in: Dali mier, Levet, Pellegrin 1998 [*475: 127–215]. ‹De sectis ad eos qui introducuntur› (Sect. intr.; I 64–105 K = III 1–32 SM) 544 Galen: On the Sects for Beginners, in: Frede, Walzer 1985 [*472: 1–20]. 545 Galien: Des sectes pour les débutants, in: Da limier, Levet, Pellegrin 1998 [*475: 63–93]. 546 Galeno: Le scuole di medicina, per gli studenti, in: Garofalo, Vegetti 1978 [*469: 103–134]. ‹De praenotione› (Praen.) 552 Galen: On Prognosis. Edition, translation and commentary by V. Nutton (Berlin 1979) [CMG V 8,1]. ‹De indolentia› (Indol.) Englische Übersetzung in Singer 2013 [*478]. 558 Galien: Ne pas se chagriner. Texte établi et traduit par V. Boudon-Millot et J. Jouanna avec la collaboration de A. Pietrobelli (Paris 2010) [CUF]. ‹De constitutione artis medicae ad Patrophilum› (I 224–304 K) 564 Galeno: A Patrofilo sulla costituzione della medicina. Testo e traduzione di S. Fortuna (Berlin 1997) [CMG V 1,3]. ‹De methodo medendi› (MM; X 1–1021 K) 570 Galen: On the Therapeutic Method Books I and II, translated with an Introduction and Commentary by R. J. Hankinson (Oxford 1991). 571 Galien: Méthode de traitement. Traduction intégrale et annotation par J. Boulogne (Paris 2009). 572 Galen: Method of Medicine, edited and trans lated by I. Johnston, G. H. R. Horsley, I–III (Cambridge MA, London 2011) [LCL 516– 518].
‹De experientia medica› 536 Galen: On Medical Experience. First edition of the Arabic version with English translation and notes by R. Walzer (London et al. 1944, ²1946; ND 1947).
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‹Institutio logica› (Inst. log.) 578 ΓΑΛHΝΟΥ ΕΙΣΑΓΩΓΗ ΔΙΑΛΕΚΤΙΚΗ, Galeni Institutio logica, edidit C. Kalbfleisch (Lip siae 1896) [BT]. – Ist die einzige vollständige kritische Ausgabe.
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Bibliographie zum fünften Kapitel
579 Galen: Einführung in die Logik. Kritisch-ex egetischer Kommentar mit deutscher Über setzung von J. Mau (Berlin 1960). 580 Galen’s Institutio Logica. English translation, introduction and commentary by J. Spangler Kieffer (Baltimore 1964). 581 Galeno: Manuale di logica, in: Garofalo, Ve getti 1978 [*469: 1081–1130]. 582 Galeno: Dalla „Introduzione alla dialettica“, a cura di M. Baldassarri (Como 1986) [La Lo gica Stoica Testimonianze e Frammenti VII A]. – Enthält Teile des Werkes zur stoischen Logik, mit einigen Emendationen. 583 Galien: Institution logique, in: Dalimier, Levet, Pellegrin 1998 [*475: 237–286].
606 Galen: On the Usefulness of the Parts of the Body, Περὶ χρείας μορίων, De usu partium, translated from the Greek with an Introduc tion and Commentary by M. Tallmadge May, I–II (Ithaca NY 1968) [Cornell Publications in the History of Science]. 607 Galeno: L’utilità delle Parti, in: Garofalo, Ve getti 1978 [*469: 291–832].
‹De captionibus penes dictionem›
‹De elementis ex Hippocrate› (I 413–508 K)
589 S. Ebbesen: Commentators and Commen taries on Aristotle’s Sophistici Elenchi. A Study of Post-Aristotelian Ancient and Medieval Writings on Fallacies, I–III (Leiden 1981) [Corpus Latinum Commentarium in Aristotelem Graecorum VII 1–3]. – Enthält den Text von Galens ‹De captionibus in dic tione› in II viii–xii, 1–26. Zur Diskussion siehe I 78–87. 590 Galen: On Language and Ambiguity. An English translation of Galen’s ‹De Captioni bus (On Fallacies)› with Introduction, Text, and Commentary by R. Blair Edlow (Leiden 1977) [PhA 31]. 591 Galien: Des sophismes verbaux, in: Dalimier, Levet, Pellegrin 1998 [*475: 217–235].
619 Galen: On the Elements According to Hippo crates. Edition, translation and commentary by Ph. De Lacy (Berlin 1996) [CMG V 1,2].
‹In Platonis Timaeum Commentarii› 597 Galeni In Platonis Timaeum Commentarii Fragmenta, collegit disposuit explicavit H. O. Schröder. Appendicem Arabicam addidit P. Kahle (Lipsiae, Berolini 1934) [CMG Supple mentum I]. 598 Galeni Compendium Timaei Platonis, alio rumque dialogorum synopsis quae extant fragmenta, ediderunt P. Kraus et R. Walzer (Londinii 1951) [Plato Arabus I]. 599 Galens Kommentar zu Platons Timaios, von C. J. Larrain (Suttgart 1992) [BzA 29]. – Die Au thentizität wird bestritten von Nickel [*776]. ‹De usu partium› (UP; III 1 – IV 366 K) 605 Galeni De usu partium, ad codicum fidem re censuit G. Helmreich, I–II (Lipsiae 1907– 1909; ND Amsterdam 1968) [BT].
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‹De foetuum formatione› (Foet. form.; IV 652–702 K) 613 Galen: Über die Ausformung der Keimlinge, herausgegeben, übersetzt und erläutert von D. Nickel (Berlin 2001) [CMG V 3,3].
‹De naturalibus facultatibus› (Nat. fac.; II 1–204 K = III 101–257 SM) 625 Galen: On the Natural Faculties, with an Eng lish Translation by A. J. Brock (Cambridge MA 1947) [LCL 71]. 626 Galeno: Le Facoltà Naturali, in: Garofalo, Vegetti 1978 [*469: 833–956]. ‹De causis procatarcticis› 632 Galen: On Antecedent Causes, edited with an introduction, translation and commentary by R. J. Hankinson (Cambridge 1998) [Cam bridge Classical Texts and Commentaries 35]. ‹De placitis Hippocratis et Platonis› (PHP; V 181– 805 K) 638 Galen: On the Doctrines of Hippocrates and Plato. Edition, translation and commentary by Ph. De Lacy, I–III (Berlin 1978–1984) [CMG V 4,1,2]. ‹De propriorum animi cuiuslibet affectuum dignotione et curatione› (Aff. dig.; V 1–57 K = I 1–44 SM) 641 Galeni De propriorum animi cuiuslibet affec tuum dignotione et curatione, De animi cuiuslibet peccatorum dignotione et curatione, De atra bile, edidit W. de Boer (Lipsiae, Berolini 1937) [CMG V 4,1,1].
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Galen
‹De animi cuiuslibet peccatorum dignotione et curatione› (Pecc. dig.; V 58–103 K = I 45– 81 SM) 644 Galeni De propriorum animi cuiuslibet affec tuum dignotione et curatione, De animi cuiuslibet peccatorum dignotione et curatione, De atra bile, edidit W. de Boer (Lipsiae, Berolini 1937) [CMG V 4,1,1]. 645 Galen: The Affections and Errors of the Soul, in: Singer 1997 [*474: 100–149]. 646 Galien: Les passions et les erreurs de l’âme, in: Barras, Birchler, Morand 1995 [*473: 1–74]. ‹Quod animi mores corporis temperanta sequantur› (QAM; IV 767– 822 = II 32–79 SM) 652 Galen: The Soul’s Dependence on the Body, in: Singer 1997 [*474: 150–176]. 653 Galien: Les facultés de l’âme suivent les tem péraments du corps, in: Barras, Birchler, Mo rand 1995 [*473: 75–116]. 654 Galeno: Le facoltà dell’anima seguono il tem peramento dei corpi, in: Garofalo, Vegetti 1978 [*469: 957–997]. ‹De moribus› 660 J. N. Mattock: A Translation of the Arabic Epitome of Galen’s Book Περὶ ἠθῶν, in: Is lamic Philosophy and the Classical Tradition. Essays presented by his friends and pupils to R. Walzer on his seventieth birthday, edited by S. M. Stern, A. Hourani, V. Brown (Oxford 1972) [Oriental Studies 5] 235–260.
Sekundärliteratur
Bibliographie 666 J. Kollesch, D. Nickel: Bibliographia Galeniana. Die Beiträge des 20. Jahrhunderts zur Galenforschung, in: ANRW II 37,2 (1994) 1351–1420. Sammelbände 672 Galen: Problems and Prospects. A Collection of Papers submitted at the 1979 Cambridge Conference, edited by V. Nutton (London 1981). 673 Le opere psicologiche di Galeno. Atti del terzo Colloquio Galenico Internazionale, Pavia, 10–12 Settembre 1986, a cura di P. Ma nuli, M. Vegetti (Napoli 1988) [Elenchos 13].
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674 Galen’s Method of Healing. Proceedings of the 1982 Galen Symposium, edited by F. Kud lien, R. J. Durling (Leiden et al. 1991) [Stu dies in Ancient Medicine 1]. 675 Galeno: Obra, pensamiento e influencia. Co loquio internacional celebrado en Madrid 22–25 de Marzo de 1988, editado por J. A. López Férez (Madrid 1991). 676 Galen und das hellenistische Erbe. Verhand lungen des IV. Internationalen Galen-Sym posiums, Berlin 18.–20. September 1989, herausgegeben von J. Kollesch, D. Nickel (Stuttgart 1993) [Sudhoffs Archiv, Beihefte 32]. 677 Galen on Pharmacology. Philosophy, History and Medicine. Proceedings of the Vth Interna tional Galen Colloquium, Lille, 16–18 March 1995, edited by A. Debru (Leiden et al. 1997) [Studies in Ancient Medicine 16]. 678 The Unknown Galen, edited by V. Nutton (London 2002) [BICS Suppl. 77]. 679 Galien et la philosophie. Entretiens préparés et présidés par J. Barnes, J. Jouanna (Van dœuvres/Genève 2003) [Entretiens 49]. 680 The Cambridge Companion to Galen, edited by R. J. Hankinson (Cambridge 2008). 681 Galen and the World of Knowledge, edited by C. Gill, T. Whitmarsh, J. Wilkins (Cambridge 2009; paperback edition 2012). 682 Philosophical Themes in Galen, edited by P. Adamson, R. Hansberger, J. Wilberding (Lon don 2014). Galens Werke: Authentizität, Chronologie, Ausgaben 688 J. Ilberg: Über die Schriftstellerei des Klau dios Galenos, in: RhM 44 (1889) 207–239; 47 (1892) 489–514; 51 (1896) 165–196; 52 (1897) 591–623. – Wieder in: Ders.: Über die Schrift stellerei des Klaudios Galenos (Darmstadt 1974); Teil IV diskutiert die philosophischen Werke. 689 K. Bardong: Beiträge zur Hippokrates- und Galenforschung, in: NAGW Nr. 7 (1942) 577– 640. 690 K. Schubring: Bemerkungen zur Galenaus gabe von Karl Gottlob Kühn und zu ihrem Nachdruck, in: Kühn 21965 [*461: XX ix–lxii]. 691 V. Nutton: In Defence of Kühn, in: Nutton 2002 [*678: 1–7]. 692 Corpus Galenicum: Verzeichnis der galeni schen und pseudogalenischen Schriften, her ausgegeben von G. Fichtner (Tübingen 2005).
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Bibliographie zum fünften Kapitel
Allgemeine Studien 698 G. Sarton: Galen of Pergamon (Lawrence KS 3 1965). 699 L. G. Ballester: Galeno. En la sociedad y en la ciencia de su tiempo (c. 130–c. 200 d. de C.) (Madrid 1972). 670 V. Boudon-Millot: Galien de Pergame, un médecin grec à Rome (Paris 2012) [Histoire 117]. Biographisches 705 G. W. Bowersock: Greek Sophists in the Roman Empire (Oxford, 1969). – Kapitel 5 behandelt Galen und seinen zeitgenössischen Ruf. 706 V. Nutton: The Chronology of Galen’s Early Career, in: CQ 23 (1973) 158–171. – Wieder in: Ders.: From Democedes to Harvey: Stu dies in the History of Medicine (London 1988) [CSS 277] Kap. II. 707 J. Kollesch: Galen und die zweite Sophistik, in: Nutton 1981 [*672: 1–11]. 708 V. Nutton: Galen in the Eyes of his Contem poraries, in: Bulletin of the History of Medi cine 58 (1984) 315–324. – Wieder in: Ders.: From Democedes to Harvey: Studies in the History of Medicine (London 1988) [CSS 277] Kap. III. Einzelstudien 714 I. von Müller: Ueber Galens Werk vom wis senschaftlichen Beweis, in: Abhandlungen der Philosophisch-Philologischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissen schaften, Band 20 (München 1897) 403–478. 715 R. Walzer: Galen on Jews and Christians (Ox ford 1949). 716 R. Walzer: New Light on Galen’s Moral Phi losophy (From a recently discovered Arabic source), in: CQ 43 (1949) 82–96. – Wieder in: Walzer 1962 [*721: 142–163]). 717 A.-J. Festugière, R. M. Tonneau: Le Compen dium Timaei de Galien, in: REG 65 (1952) 97–118. 718 R. Walzer: A Diatribe of Galen, in: HThR 47 (1954) 243–254. – Wieder in: Walzer 1962 [*721: 164–174]. 719 M. Isnardi: Techne, in: PP 16 (1961) 257–296. 720 S. Pines: Omne quod movetur necesse est ab aliquo moveri: A Refutation of Galen by Alexa nder of Aphrodisias and the Theory of Motion, in: Isis 52 (1961) 21–54.
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721 R. Walzer: Greek into Arabic. Essays on Isla mic Philosophy (Oxford 1962) [Oriental Stu dies 1]. 722 The Refutation by Alexander of Aphrodisias of Galen’s Treatise on the Theory of Motion, translated from the Medieval Arabic Version, with an introduction, notes and an edition of the arabic text by M. Marmura, N. Rescher (Islamabad 1965). – Arabischer Text, engli sche Übersetzung und Kommentar. 723 N. Rescher: Galen and the Syllogism. An Ex amination of the Thesis that Galen Origina ted the Fourth Figure of the Syllogism in the Light of New Data from Arabic Sources includi ng an Arabic Text Edition and Anno tated Translation of Ibn al-Salah’s Treatise ‹On the Fourth Figure of the Categorical Syl logism› (Pittsburgh 1966). 724 Ph. De Lacy: Galen’s Platonism, in: AJPh 93 (1972) 27–39. 725 P. L. Donini: Tre studi sull’aristotelismo nel II secolo d. C. (Torino 1974). – Das dritte Kapi tel beschäftigt sich mit Galen und Alexander von Aphrodisias. 726 P. Moraux: Galien et Aristote, in: Images of Man in Ancient and Medieval Thought. Stu dia Gerardo Verbeke ab amicis et collegis di cata, edenda curaverunt discipuli eius Lovanienses, F. Bossier et al. (Leuven 1976) 127–146 [Symbolae series A 1]. 727 P. L. Donini: Motivi filosofici in Galeno, in: PP 35 (1980) 333–370. 728 M. Frede: On Galen’s Epistemology, in: Nut ton 1981 [*672: 65–86]. – Wieder in: Ders.: Essays in Ancient Greek Philosophy (Oxford 1987) 279–298. 729 F. Kudlien: Galen’s Religious Belief, in: Nut ton 1981 [*672: 117–130]. 730 P. Moraux: Galien comme philosophe: la phi losophie de la nature, in: Nutton 1981 [*672: 87–116]. 731 M. Frede: The Method of the So-Called Me thodical School of Medicine, in: Science and Speculation. Studies in Hellenistic Theory and Practice, edited by J. Barnes, J. Brun schwig, M. Burnyeat, M. Schofield (Cam bridge, London 1982) 1–23. – Wieder in: Ders.: Essays in Ancient Greek Philosophy (Oxford 1987) 261–278. 732 J. Fillion-Lahille: Le De ira de Sénèque et la philosophie stoïcienne des passions (Paris 1984) [Études et Commentaires 94].
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Galen
733 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Grie chen: Von Andronikos bis Alexander von Aph rodisias. II: Der Aristotelismus im I. und II. Jh. n. Chr. (Berlin 1984). – Zu Galen: 685–808. 734 P. Moraux: Galen and Aristotle’s De partibus animalium, in: Aristotle on Nature and Li ving Things. Philosophical and Historical Studies, presented to David M. Balme on his Seventieth Birthday, edited by A. Gotthelf (Pittsburgh, Bristol 1985) 327–344. 735 M. Vegetti: Tradizione e verità. Forme della storiografia filosofico-scientifica nel De pla citis di Galeno, in: Storiografia e dossografia nella filosofia antica, a cura di G. Cambiano (Torino 1986) 227–244. 736 H. B. Gottschalk: Aristotelian Philosophy in the Roman World from the Time of Cicero to the End of the Second Century AD, in: ANRW II 36,2 (1987) 1079–1174. – Die Seiten 1164–1171 beschäftigen sich mit Ptolemaios und Galen. 737 L. G. Ballester: Soul and Body, Disease of the Soul and Disease of the Body in Galen’s Me dical Thought, in: Manuli, Vegetti 1988 [*673: 117–152]. 738 Ph. De Lacy: The Third Part of the Soul, in: Manuli, Vegetti 1988 [*673: 43–63]. 739 P. L. Donini: Tipologia degli errori e loro cor rezione secondo Galeno, in: Manuli, Vegetti 1988 [*673: 65–116]. 740 R. J. Hankinson: Galen Explains the Ele phant, in: Philosophy and Biology, edited by M. Matthen, B. Linsky (Alberta 1988) [Cana dian Journal of Philosophy Suppl. 14] 135– 157. 741 G. E. R. Lloyd: Scholarship, Authority and Argument in Galen’s ‹Quod animi mores›, in: Manuli, Vegetti 1988 [*673: 11–42]. 742 R. J. Hankinson: Galen and the Best of All Possible Worlds, in: CQ 39 (1989) 206–227. 743 J. Pigeaud: La maladie de l’âme. Étude sur la relation de l’âme et du corps dans la tradition médico-philosophique antique (Paris 21989). – Auf den Seiten 47–70 wird Galens Platonis mus diskutiert. 744 J. Barnes: Galen on Logic and Therapy, in: Kudlien, Durling 1991 [*674: 50–102]. 745 R. J. Hankinson: Galen on the Foundations of Science, in: López Férez 1991 [*675: 15–29]. 746 R. J. Hankinson: Galen’s Anatomy of the Soul, in: Phronesis 36 (1991) 197–233. 747 P. N. Singer: Aspects of Galen’s Platonism, in: López Férez 1991 [*675: 41–55]. 748 P. L. Donini: Galeno e la filosofia, in: ANRW II 36,5 (1992) 3484–3504.
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Galen
790 R. J. Hankinson: The man and his work, in: Hankinson 2008 [*680: 1–33]. 791 B. Morison: Language, in: Hankinson 2008 [*680: 116–156]. 792 B. Morison: Logic, in: Hankinson 2008 [*680: 66–115]. 793 R. Chiaradonna: Galen and Middle Plato nism, in: Gill, Whitmarsh, Wilkins 2009 [*681: 243–260]. 794 R. Chiaradonna: Le traité de Galien: Sur la dé monstration et sa posteriorité tardo-antique, in: Physics and Philosophy of Nature in Greek Neoplatonism. Proceedings of the European Science Foundation Exploratory Workshop (Il Ciocco, Castelvechio-Pascoli, 2006), edited by R. Chiaradonna, F. Trabattoni (Leiden 2009) [PhA 115] 43–77. 795 R. J. Hankinson: Galen on the limitations of knowledge, in: Gill, Whitmarsh, Wilkins 2009 [*681: 206–242]. 796 P. J. van der Eijk: ‘What a thing for you to say’: Galen’s Engagement with Aristotle and Aristotelians, in: Gill, Whitmarsh, Wilkins 2009 [*681: 261–281]. 797 Ch. Gill: Naturalistic Psychology in Galen and Stoicism (Oxford 2010). 798 J. Hood: Galen’s Aristotelian Definitions, in: Definition in Greek Philosophy, edited by D. Charles (Oxford 2010) 450–466. 799 M. Frede: An anti-Aristotelian point of me thod in three rationalist doctors, in: Epis teme, etc. Essays in honour of Jonathan Barnes, edited by B. Morison, K. Ierodiako nou (Oxford 2011) 115–137. 800 T. Reinhardt: Galen on Unsayable Properties, in: Essays in Memory of Michael Frede, edited by J. Allen, E. Emillson, W.-R. Mann, B. Morison (Oxford 2011) [OSAPh 40] 297– 317. 801 M. Schiefsky: Galen and the tripartite soul, in: Plato and the Divided Self, edited by R. Barney, T. Brennan, C. Brittain (Cambridge 2012) 331–349.
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Sechstes Kapitel
Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
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§ 48. Der Begriff ‘Mittelplatonismus’ und die Forschungsgeschichte Franco Ferrari
1. Philosophiegeschichtliche Fragen. – 2. Auslegung und Kommentar. – 3. Philosophische Lehre.
1. Philosophiegeschichtliche Fragen Der Begriff ‘Mittelplatonismus’, als philosophiegeschichtliche Kategorie, wurde von K. Praechter, wohl in Anlehnung an den Begriff ‘Mittlere Stoa’, geprägt (Schmekel 1892 [*15]; dazu Männlein-Robert 2001 [*44: 15]), um die Gesamtheit der platonisch ausgerichteten Autoren der ersten Jahrhunderte der römischen Kaiserzeit, d. h. vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zu Plotin, zu bezeichnen (Praechter 121926 [*16: 524–556]). Seither ist er allgemein gebräuchlich und dient als Terminus technicus zur Bezeichnung der spezifischen Ausprägung, die den Platonismus vom Ende der Vorherrschaft des Skeptizismus in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Auftreten des Neuplatonismus im 3. Jahrhundert n. Chr. charakterisiert. Das Ende der Vorherrschaft des Skeptizismus fiel mit einer komplizierten Übergangsphase zusammen, die auch die institutionellen Aspekte der Geschichte des Platonismus betraf. Üblicherweise lässt man das Ende dieser Schule mit der Zerstörung der Akademie während der Belagerung Athens durch das römische Heer (88–86 v. Chr.) zusammenfallen. Die – im Übrigen eher spärlichen – Zeugnisse scheinen den Titel ‘Scholarch’ (διάδοχος) keinem einzigen der zwischen der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. und der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. aktiven Platoniker zuzuweisen. Die Philosophiehistoriker neigen daher dazu, Philon von Larissa als das letzte Schuloberhaupt der von Platon gegründeten Institution zu betrachten (Scholarch von 110/09 bis 87 v. Chr.). Wahrscheinlich waren die uns bekannten Platoniker der folgenden zwei Jahrhunderte, möglicherweise seit Antiochos von Askalon, in erster Linie Privatlehrer (Glucker 1978 [*26: 121–158, 306–315, 322–356], Dillon 1979 [*27: 65ff.], Donini 1986 [*275: 97–99]). Allerdings mangelte es – vor allem ab Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. – nicht an öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen für den Philosophie-Unterricht. Diese gipfelten 176 n. Chr. in der Einrichtung eines kaiserlichen Lehrstuhls für jede der vier philosophischen Hauptrichtungen – Platonismus, Aristotelismus, Stoa und Epikureismus – durch Mark Aurel (Philostr. Vit. Soph. 566 = test. 73.3 Dörrie-Baltes sowie Cass. Dio 72,31,3; dazu Glucker 1978 [*26: 145–150], Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 135–139]). Diese Lehrstühle standen jedoch in keiner direkten Beziehung zu den ursprünglichen athenischen Institutionen, auch wenn eine
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
gewisse – zumindest ideelle – Kontinuität mit diesen Einrichtungen die Lehrstuhlinhaber in ihrem Wirken motivierte. Der Gebrauch des Begriffs ‘Mittelplatonismus’ ist auf Kritik gestoßen, da sich keiner der Autoren, auf die er angewendet wird, selbst als ‘Mittelplatoniker’ betrachtete, sondern sich alle einfach für ‘Platoniker’ hielten (Frede 1987 [*952: 1040f.], Boys-Stones 2001 [*43: V–VI] und Zambon 2006 [*49: 561ff.]). Und tatsächlich wurde der Begriff «Platoniker» (Πλατωνικός) seit den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. zur Bezeichnung eines bis zu einem gewissen Grade ‘dogmatischen’ Denkers, der Platon grundsätzlich positive Lehrmeinungen zuschreibt, verbreitet verwendet. Man unterschied ihn dadurch von Anhängern der skeptischen Auslegung Platons, den üblicherweise sogenannten «Akademikern» (Ἀκα δημαϊκοί). Die Autoren, die normalerweise zu den ‘Mittelplatonikern’ gerechnet werden, definieren sich selbst – mit Ausnahme von Plutarch – als ‘Platoniker’ (Gaios, Albinos, Kalvenos Tauros, Maximos von Tyros; dazu Bonazzi 2003 [*46: 208–211] und Ferrari 2012 [*51: 72–74]). Es gibt indes gute Gründe, am Begriff ‘Mittelplatonismus’ festzuhalten (Donini 1990 [*38: 82–86], Dillon 21996 [*25: 422–423], Zambon 2002 [*45: 23–28], Ferrari 2003 [*47: 343–346]). Unstreitig hat er den Vorteil, eine Zusammenfassung von untereinander stark verschiedenen Autoren ohne gemeinsamen Nenner unter die grobe Bezeichnung ‘Platoniker’ zu vermeiden. Der heute vorherrschende Sprachgebrauch geht daher dahin, den Begriff ‘Mittelplatoniker’ zur Bezeichnung der platonisch ausgerichteten Autoren der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zur Zeit Plotins zu verwenden. Es handelt sich dabei um Philosophen, die sich mit Blick aufs Ganze in ihrer Ablehnung der skeptischen Auslegung P latons einig sind. Nur am Rande und begrenzt auf wenige Vertreter lebte diese weiter (z. B. Plutarch und Favorinos; dazu Opsomer 1998 [*41: 83–240], Bonazzi 2003 [*46: 139–178] und Brittain 2007 [*102]). Die Mittelplatoniker stimmen darin überein, Platon eine dogmatische Philosophie zuzuschreiben, und sie bemühen sich – wenn auch in unterschiedlicher Form – ein philosophisches System aufzubauen, das hinsichtlich Vollständigkeit und Folgerichtigkeit in der Lage ist, mit den Stoikern zu konkurrieren, denen Cicero einen «bewundernswerten Aufbau der Lehre und eine unglaubliche Ordnung ihrer Inhalte» (admirabilis compositio disciplinae incredibilisque rerum ordo) nachgerühmt hatte (Cic. Fin. 3,74; dazu Donini 1994 [*66: 5027–5035]). Dagegen scheint die im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Tendenz, die Autoren jener Epoche als ‘eklektisch’ zu bezeichnen (so noch bei Praechter 121926 [*16]; vgl. Donini 1988 [*36]), endgültig überwunden (z. B. Männlein-Robert 2012 [*52: insb. 7–13]). In der Tat ist die Bezeichnung ‘Eklektizismus’ kaum anwendbar auf Denker, die sich selbst – unabhängig von ihrer Bereitschaft, Lehren und Begriffe anderer Schulrichtungen aufzunehmen – als ‘Platoniker’ betrachteten und sich auf die Philosophie Platons, interpretiert in der Weise, die jedem einzelnen als richtig erschien, beriefen (Dillon 1988 [*277]). Beträchtliches Interesse hat dagegen der Begriff der ‘Vorbereitung des Neu platonismus’ geweckt, der von Theiler geprägt und von zahlreichen Philosophiehistorikern aufgenommen wurde (Theiler 1930 [*17], Donini 1982 [*29: 16f.],
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§ 48. Der Begriff ‘Mittelplatonismus’ und die Forschungsgeschichte (Bibl. 671–677)
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Gombocz 1997 [*40: 17–26], Ferrari 2005 [*98: 104–107]). Mit diesem Begriff soll das Augenmerk auf ein Element gerichtet werden, das sich zweifellos als nützlich für die Charakterisierung dieser Phase der Geschichte des antiken Platonismus erweist: Bei den mittelplatonischen Autoren beginnen nämlich einige Konzepte Form anzunehmen, die im Denken Plotins und der nachfolgenden Neuplatoniker eine herausragende Rolle spielen sollten. So finden sich in einigen Texten des Mittelplatonismus (z. B. den Fragmenten des Eudoros, Senecas ‹Epistulae morales ad Lucilium› 58 und 65, dem ‹Didaskalikos› des Alkinoos, den philosophischen Werken des Apuleius und den Zeugnissen zu Numenios) klare Spuren jenes Prozesses der Theologisierung und Hierarchisierung der Realität, der sich in den folgenden Jahrhunderten von Plotin an durchsetzen sollte. Aus diesem Grund scheint es nicht verfehlt, im Mittelplatonismus weiterhin eine Phase der ‘Vorbereitung des Neuplatonismus’ zu sehen. Dabei sollte man sich jedoch immer vor Augen halten, dass der philosophische und geistesgeschichtliche Wert dieser Phase der Geschichte des Platonismus nicht außerhalb (d. h. in der Vorbereitung des Neuplatonismus), sondern in ihr selbst liegt und darin besteht, einen Moment der Wende hinsichtlich der philosophischen Inhalte sowie der Arbeitsmethode dargestellt zu haben. Eine weitere Fragestellung, welche die Forschung lange Zeit beschäftigt hat und heute weitgehend als irrelevant erscheint, betrifft das Problem des Begründers des Mittelplatonismus. Folgende drei Hypothesen haben den größten Zuspruch gefunden: 1) Poseidonios (Bickel 1960 [*19]), 2) Antiochos (Theiler 1930 [*17: 1–60]) und 3) Eudoros (Dörrie 1944 [*137] und v. a. Dillon 21996 [*25: 114ff.]). Es gibt allerdings keine definitiven Argumente, die für einen dieser drei Kandidaten sprechen würden. 2. Auslegung und Kommentar Die mittelplatonischen Philosophen waren sich in der Überzeugung einig, dass die Philosophie Platons im Wesentlichen systematisch und nicht aporetisch sei. Diese Ansicht sah sich in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Wesen der platonischen Schriften, die keine Traktate, sondern Dialoge darstellen, aus denen nicht ohne Weiteres eine einheitliche, kohärente und systematische Lehre zu gewinnen ist (Karamanolis 2006 [*48: 5–28], Ferrari 2012 [*51: 80–83]). Tatsächlich konnten die Anhänger eines skeptischen Platonbildes insbesondere die vielstimmige Natur der Dialoge ins Feld führen, um ihre Auffassung zu stützen, dass es keine einheit liche Philosophie bei Platon gebe. Auf diesen Einwand antworteten die Mittelplatoniker mit der Formulierung eines berühmten text-hermeneutischen Prinzips, das bei Stobaios bezeugt ist: τὸ δέ γε πολύφωνον τοῦ Πλάτωνος οὐ πολύδοξον, d. h. das Denken Platons ist zwar zweifelsohne polyphon (d. h. aus vielen Stimmen zusammengesetzt), es ist aber nicht durch eine Vielheit miteinander unvereinbarer Meinungen charakterisiert (Stob. Ecl. 2,7,3f, II,49,25–50,1; dazu Dörrie 1960 [*20: 195] und 1971 [*22: 22], Tarrant 2000 [*42: 73] und Ferrari 2001 [*71: 543]). Einer der ersten mittelplatonischen Autoren, die der platonischen Philosophie explizit ein systematisches Wesen attestierten, war Attikos, der Platon das Ver-
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
dienst zuschrieb, alle Teile der Philosophie vereinigt und sie geradezu als einen «lebendigen und vollkommen gegliederten Körper» aufgefasst zu haben (σῶμά τι καὶ ζῷον ὁλόκληρον: fr. 1,19–23 des Places; dazu Donini 1982 [*29: 51f.] und 1994 [*66: 5033] und Ferrari 2001 [*71: 537f.]; vgl. auch Apul. Plat. 1,4, 189). Der Prozess der Systematisierung der platonischen Philosophie, der zur (Re-) Konstruktion des Platonismus als System führte, entwickelte sich entlang unterschiedlicher und untereinander oft widersprüchlicher Linien. Es gab jedoch einen gemeinsamen Nenner, der im eminent exegetischen Zugang bestand, d. h. im Gewicht, das beinahe alle mittelplatonischen Autoren der Textauslegung beimaßen (Donini 1994 [*66: 5056–5063, 5089–5094], Sedley 1997 [*69: 116–122], Ferrari 2001 [*71: 525–530, 566–570] und Dillon 2006 [*72]). Die Interpretationsstrategien, welche die mittelplatonischen Philosophen zur Anwendung brachten, um die Dialoge Platons zu systematisieren, waren dagegen zahlreich. Sie lassen sich unter das (aus der Homer-Exegese hervorgegangene) Prinzip subsumieren, «Platon aus Platon heraus zu erklären» (Πλάτωνα ἐκ Πλάτωνος σαφηνίζειν; dazu Ferrari 2001 [*71: 533–538]). Außerdem versuchten die Mittelplatoniker, den Eindruck der «Widersprüchlichkeit» (διαφωνία) in den Dialogen, der durch das Auftreten zahlreicher Personen mit unterschiedlichen Charakteren und Meinungen hervorgerufen wird, dadurch abzuschwächen, dass sie sich der sogenannten Auslegung «aus der Maske/Person [sc. heraus gesprochen]» (ἐκ/ἀπὸ προσώπου τινός) bedienten: Darauf gestützt wird der Grad der Zustimmung Platons zu einer bestimmten in den Dialogen enthaltenen Aussage von der Person abhängig gemacht, welche diese Lehre vertritt. So teile Platon beispielsweise die Ansichten, die Sokrates, Parmenides, Timaios, dem Fremden im ‹Sophistes› und dem Athener in den ‹Gesetzen› zugeschrieben werden, während er sich von den Theorien, die durch Thrasymachos, Kallikles, Gorgias, Protagoras und überhaupt durch die Sophisten vertreten werden, distanziere (D. L. 3,52; Alb. Prol. 2, 148,2–8 Hermann; dazu Mansfeld 1994 [*216: 12, 80–82] und Ferrari 2010 [*73]). Die Ansicht, dass die Mittelplatoniker «geradezu philologisch» vorgehen (Dörrie 1960 [*20: 194]), ist ohne Zweifel begründet. Die übermäßig philologische Ausrichtung der philosophischen Tätigkeit wurde bereits von Seneca kritisiert, der die Wandlung der Philosophie in Philologie beklagt: «quae philosophia fuit facta philologia est» (Sen. Epist. 108,23; dazu Barnes 1993 [*65: 138] und Ferrari 2001 [*71: 525ff.]). Auch wenn ein großer Teil der Schriften aus der betreffenden Epoche verloren gegangen ist, lassen die Zeugnisse, die uns zur Verfügung stehen, die wichtige Rolle erkennen, die Textexegese und Kommentierung der Dialoge, die ein hohes Niveau an philologischer Vertiefung erreichten, bei den mittelplatonischen Autoren spielten (Dillon 1989 [*62], Barnes 1992 [*64], Donini 1994 [*66], Gioè 1996 [*68], Männlein-Robert 2001 [*44: 46–56], Opsomer 2004 [*320] und Zambon 2006 [*49: 564–567]). Die Präsenz einer starken philologischen Komponente lässt sich vor allem in den Kommentaren im engeren Sinne (ὑπομνήματα) feststellen, d. h. in den Schriften, die der Exegese anderer Schriften gewidmet sind: Plutarch verfasste einen Kommentar ‹Über die Erschaffung der Seele im ‘Timaios’› (‹De animae procreatione in Timaeo›) zu dem Abschnitt des ‹Timaios›, der die ‘compositio’ und die ‘di-
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visio animae’ beinhaltet; bekannt sind auch Kommentare zu Teilen des ‹Timaios› von Tauros, Severos, Galen, Ailianos und Adrastos von Aphrodisias, und bedeutend war der anonyme Kommentar zum ‹Theaitetos›; außerdem gibt es Zeugnisse, welche die Existenz von mittelplatonischen Kommentaren zum ‹Phaidon›, ‹Staat›, ‹Alkibiades I›, ‹Gorgias›, ‹Phaidros› und ‹Symposion› belegen (test. 78–80 Dörrie-Baltes). Wahrscheinlich hatten die in dieser Epoche verfassten Erklärungen zu den Dialogen nicht die Form eines fortlaufenden Kommentars, der dem platonischen Text vom Anfang bis zum Ende folgte, sondern glichen eher thematischen Monographien, die einzelnen Abschnitten in einem Dialog gewidmet waren (so z. B. Galens ‹Kommentar zu den medizinischen Abschnitten des Timaios›, Plutarchs Schrift ‹De animae procreatione in ‘Timaeo’› und die Kommentare zu den Abschnitten über die Mathematik und Harmonielehre des ‹Timaios› von Adrastos und Ailianos; dazu Ferrari 2000 [*70: 179–186]). Eine weitere Gattung philosophischer Literatur war die ‘quaestio’ (ζήτησις/ ζήτημα) bzw. die Sammlung von ‘quaestiones’. Dabei handelt es sich um Werke, die Textprobleme erörtern, die aus der Lektüre und der Kommentierung besonders schwieriger Passagen der Dialoge erwachsen waren. In der Tat ist die «Unklarheit» (ἀσάφεια) einer Textstelle einer der Hauptgründe, weshalb man sich zur Kommentierung entschließt (Barnes 1992 [*64: 267ff.] und Ferrari 2001 [*71: 530– 538, 552–558]); daher verfassten zahlreiche Platoniker Schriften, die dem Aufbau «Probleme und Lösungen» (ἀπορίαι καὶ λύσεις) folgen und in denen der Text vom Lehrer einer äußerst detaillierten Analyse unterzogen wird (Beispiele solcher Werke sind die ‹Platonicae quaestiones› von Plutarch und wahrscheinlich Harpokrations Schrift ‹Kommentar zu Platon›, Ὑπόμνημα εἰς Πλάτωνα; dazu Dillon 1971 [*571], Romano 1994 [*67: 601f.]). Ohne Zweifel war ein Teil dieser Literatur auf die eine oder andere Weise mit der Lehrtätigkeit verbunden, der eine große Zahl dieser Platoniker nachging (Donini 1994 [*66: 5089–5094]). So lässt sich sowohl die Abfassung von einführenden Schriften, in denen die der Lektüre der Dialoge vorausgehenden Grundfragen erörtert wurden (z. B. der ‹Prolog› von Albinos; dazu Mansfeld 1994 [*216: 58–107]), als auch von Kompendien erklären, in denen die platonische Lehre in systematischer und zusammenfassender Form dargestellt wurde (z. B. Alkinoos’ ‹Lehrbuch [sc. der Grundsätze Platons]›, Διδασκαλικός, oder Apuleius’ ‹Über Platon und seine Lehre›, ‹De Platone et eius dogmate›; dazu vgl. Donini 1982 [*29: 63–66], Romano 1994 [*67: 597–604]). Der hohe Stellenwert der Auslegungspraxis wird auf zwei unterschiedliche, jedoch nicht unvereinbare Weisen erklärt. Man nimmt einerseits an, dass die zentrale Stellung der Exegese mit der Forderung zusammenhängen könnte, dass einzig auf der Basis der erhaltenen Texte eine systematische, einheitliche und kohärente Philosophie rekonstruiert werden könne. Dabei galt es zu zeigen, dass sich eine solche Philosophie in den Dialogen finde, wenn man nur fähig sei, sie aufzuspüren (Donini 1994 [*66: 5027–5035]). Andererseits geht man aber auch davon aus, dass mit der Schließung der von Platon gegründeten Akademie nicht nur die institutionelle Kontinuität der Schule verloren gegangen war, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit, die es einem Denker erlaubte, sich (als tatsächliches
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Mitglied der von Platon begründeten Schule) als ‘platonisch’ zu betrachten. Da die Zugehörigkeit zur platonischen Philosophie nicht mehr durch die konkrete Präsenz im Innern der Schule garantiert werden konnte, musste sie sich durch die Bezugnahme auf die Texte des Meisters begründen (Hadot 1987 [*61: 14–22], Zambon 2006 [*49: 562]; Vermittlung zwischen diesen beiden Ansichten bei Sedley 1997 [*69: 112–116]). Der mit Abstand meistgelesene und meistkommentierte Dialog Platons war der ‹Timaios›, der eine herausragende Rolle in der Wiedergeburt des dogmatischen Platonismus in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit übernahm. Ein erster Hinweis auf die Bedeutung dieses Dialogs liefert die Tatsache, dass Cicero eine Übersetzung anfertigte. Auch Varro scheint sich auf eine Lehre von drei Prinzipien – «Himmel, Erde, Modelle der Dinge» (caelum, terra, exempla rerum) – zu beziehen, die aus dem ‹Timaios› hergeleitet sein dürfte (Aug. Civ. 7,28 = Varro Antiq. rer. div. fr. 206 Cardauns = test. 113.1 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 389– 392]). Die Gründe für die beherrschende Stellung des ‹Timaios› sind vielfältig, aber gewiss trug seine deutlich systematische und konstruktive Anlage dazu bei. Außerdem spielt im ‹Timaios› das theologische Motiv (in der Figur des demiurgischen Gottes) eine große Rolle, das bei den mittelplatonischen Philosophen eine so beachtliche Bedeutung gewinnen sollte. Der Dialog lässt schließlich den Versuch erkennen, Theologie, Ontologie, Physik (Astronomie), Ethik, Anthropologie und Heilsperspektive miteinander zu vereinbaren. Überhaupt gibt er eine umfassende Erklärung der Welt und der Stellung des Menschen in ihr (Dörrie 1976 [*24: 174], Barnes 1993 [*65: 140], Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 174], Donini 1994 [*66: 5072], Gioè 2002 [*9: 22], Ferrari 2005 [*97: 1f.] und 2012 [*74: 84–89]). 3. Philosophische Lehre In den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit prallen rivalisierende Interpretatio nen der Philosophie Platons zum Teil in großer Schärfe aufeinander (Dörrie 1976 [*24: 186–190] und Donini 1990 [*38: 85]). Die mittelplatonischen Autoren setzten es sich zum Ziel, ein einheitliches und systematisches Bild des Platonismus zu konstruieren, machten dabei aber Anleihen bei verschiedenen Philosophen: Die einen riefen die Stoa zur Hilfe (Antiochos und vielleicht Attikos), der größte Teil wandte sich an Aristoteles und den Aristotelismus (erneut Antiochos, Alkinoos, Plutarch). Es gab auch solche, die sich der Lehren der ersten Akademie bedienten (Antiochos und in gewissen Bereichen Eudoros und Plutarch). Sehr bedeutend war schließlich jene Richtung, die ein platonisches System auf der Grundlage von Lehren pythagoreischer Prägung errichtete (Eudoros, Moderatos, Plutarch, Theon von Smyrna, Nikomachos und Numenios; dazu Whittaker 1987 [*34: 110–123] und Lilla 1992 [*39: 4f.]). Diese Vielfalt an Herangehensweisen an die platonische Philosophie gab den Ausschlag dafür, dass ein verhältnismäßig neues Phänomen im antiken Denken aufkam: die Notwendigkeit, Überlegungen zur Geschichte der Akademie anzustellen, um die eigene Auslegung von Platons Denken zu legitimieren. Die berühmte
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Auseinandersetzung zwischen Philon von Larissa und Antiochos von Askalon (Cic. Ac. pr. 13ff., Ac. post. 10ff.) über die Legitimität der Präsenz des Skeptizismus innerhalb der platonischen Tradition war ein erstes Beispiel, das bald Schule machen sollte. Wir wissen, dass Plutarch eine Schrift mit dem Titel ‹Über die Einheit der Akademie seit Platon› (n. 63 Lamprias-Katalog) verfasst hat, in der er nachzuweisen suchte, dass sich der Skeptizismus – sofern er richtig verstanden wurde – in den Platonismus eingliedern lässt. Attikos schrieb ein Werk mit dem bedeutsamen Titel ‹Gegen die Philosophen, die die Lehren Platons durch die des Aristoteles erklären wollen›, womit er die aristotelisierende Richtung des Mittleren Platonismus bekämpfte. Von Numenios stammt eine Schrift mit dem Titel ‹Über den Abfall der Akademiker von Platon›, in der er die Einführung des Skeptizismus in den Platonismus als illegitim verwarf und die Philosophie Platons auf Pythagoras und die Weisheit des Orients zurückführte (Donini 1994 [*286: 41], Bonazzi 2003 [*46: 110ff.]). Trotz dieser Vielfalt an Herangehensweisen lassen sich gewisse gemeinsame Grundüberzeugungen in allen philosophischen Bereichen feststellen. Im Bereich der Ontologie arbeiteten die Mittelplatoniker an einer Rückgewinnung der Trans zendenz-Dimension, indem sie die Ideen (Ferrari 2005 [*96: 233–236]) bzw. die platonisch-akademischen Prinzipien des Einen (oder der Monade) und der Unbestimmten Zweiheit (Dillon 21996 [*25: 46f.]) wiederentdeckten und der demiurgischen Gottheit des ‹Timaios› eine herausragende Rolle zuwiesen. Dieser Demiurg wurde üblicherweise als Intellekt (νοῦς) interpretiert und von einigen an den ersten unbewegten Beweger, das ‘Denken des Denkens’, des 12. Buchs von Aristoteles’ Metaphysik angeglichen (Krämer 1964 [*82: 23ff., 62ff., 72–75, 88ff.] und Lilla 1992 [*39: 6f.]). Die Fortdauer der akademischen Zweiprinzipienlehre ist beispielsweise bei Eudoros, Plutarch und Numenios bezeugt. Sehr wahrscheinlich wurde sie zusätzlich mit Elementen pythagoreischen Ursprungs angereichert (Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 448–458]). Ziemlich verbreitet – insbesondere in Texten doxographischer Prägung – war die sogenannte Dreiprinzipienlehre (Gott – Idee – Materie), die bisweilen als das typische Kennzeichen des Mittelplatonismus betrachtet wird: Alkin. Did. 163,11– 14 = test. 113.3 Dörrie-Baltes; Hippol. Refut. 1,19,1–4 = test. 113.6 Dörrie-Baltes; Ps.-Just. (Markell von Ankyra?) Cohort. ad Gr. 6,1 Marcovich = test. 113.4 Dörrie-Baltes; Ps.-Plut. Aët. Plac. 1,3,21 = Dox. gr. 287a17–288a6 Diels = test. 113.2 Dörrie-Baltes (dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 387–399]). Im Allgemeinen tendieren die mittelplatonischen Autoren dazu, die ontologische Perspektive (das Sein, die Welt der Ideen) der theologischen (Gott) unterzuordnen und Gott (oder den Ersten Gott) als höchste Realität aufzufassen. In einigen Fällen – aber nicht in allen, wie bisweilen fälschlicherweise angenommen wird – nimmt die Subordination der Ideen unter die Gottheit die Form einer Theorie an, nach der die Ideen ‘Gedanken Gottes’ sind (Alkin. Did. 163,14f.; 163,32–34; Aët. Plac. 1,3,21 = Dox. gr. 287f.; 1,10,3 = Dox. gr. 309; Hippol. Refut. 1,19,2 = Dox. gr. 567; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 392–394], Ferrari 2005 [*96: 240] und Dillon 2011 [*106]). Die Bedeutung der Theologie zeigt sich in einer umfassenden und vertieften Reflexion über die Beziehungen zwischen einem Ersten Gott, oft
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gleichgesetzt mit der Idee des Guten (und des Einen), und einem zweiten Gott, dem Baumeister der sinnlichen Welt. In der Tat nehmen einige Denker wie Numenios und Alkinoos zwei Gottheiten an – die erste identisch mit der Idee des Guten, die zweite mit dem Demiurgen –, während andere wie Plutarch und Attikos den Demiurgen und die Idee des Guten zu einem zusammenfassen (Ferrari 2005 [*98: 110–122] und Opsomer 2007 [*298: 298–303]). Die Sphäre der Gottheit wird den Mittelplatonikern zufolge nicht bloß von metaphysischen Entitäten (dem Guten, dem Intellekt, den Ideen, dem Demiurgen) eingenommen. Einige Philosphen zeigen sich auch empfänglich für die – ebenfalls platonische (vgl. Symp. 202d–203a) – Annahme der Existenz von ‘Dämonen’, die meist als Vermittler zwischen den Göttern und den Menschen betrachtet werden (Plutarch, Apuleius, Alkinoos, Numenios; dazu Timotin 2012 [*110]). Wahrscheinlich ist die Annahme von Dämonen Ausdruck eines in dieser Epoche oft fest gestellten Bedürfnisses, Vermittlungen und Kontakte zwischen dem Leben der Menschen und dem Bereich des Göttlichen herzustellen. Eines der zentralen Themen in den Überlegungen der mittelplatonischen Philosophen war die Frage nach der Ursache und dem Ursprung des Bösen. Dabei schlugen einige eine interessante Lösung vor: Eine vorkosmische, böse Seele sei Ursache der Unordnung und der Irrationalität, die sich im Menschen und im Universum finden (Plutarch und Attikos; vgl. aber auch Numenios und Apuleius; dazu Baltes 1983 [*543: 47–56] und Deuse 1983 [*86: 12–80]). Im Bereich der Kosmologie markiert der Mittelplatonismus wohl den Höhepunkt der Auseinandersetzung über die richtige Deutung der Weltentstehung, wie sie im ‹Timaios› beschrieben wird. Während Plutarch und Attikos mit Nachdruck die wörtliche Auslegung vertraten, dergemäß das Universum in einem punktuellen Moment seinen Anfang genommen habe, argumentierten Eudoros, Alkinoos und vor allem Tauros zugunsten eines metaphorischen Verständnisses (bereits von Speusipp und Xenokrates vertreten), wonach das Universum ewig sei und die platonische Rede über seine Erschaffung nur zum Ausdruck bringen wolle, dass das Universum einem ewigen Entstehungsprozess unterworfen sei (‘creatio perpetua’: Baltes 1976 [*83: vol. I] und Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 373–535]). Im Bereich der Logik integrierten die Mittelplatoniker (mit einigen Ausnahmen: z. B. Lukios und Nikostratos) die aristotelischen Auffassungen in das platonische System und versuchten zu beweisen, dass sowohl die Kategorienlehre als auch die Syllogistik bereits bei Platon angelegt waren (Alkin. Did. 158,17–159,6 und Plut. An. procr. 1023e; dazu Donini 1982 [*29: 104f.] und Dillon 21996 [*25: 49–51]), eine Position, die sich im Neuplatonismus allgemein durchsetzen sollte. Die Mittelplatoniker plädierten für den Primat von Theorie der Praxis gegenüber (Bénatouïl, Bonazzi 2012 [*108]). In der Ethik polemisierten sie gegen die stoische Konzeption der ἀπάθεια (vollkommene Abwesenheit von Leidenschaften), die sie als unverwirklichbares und geradezu schädliches Ideal betrachteten, und stellten ihr die Lehre der μετριοπάθεια (Kontrolle und Mäßigung der Leidenschaften) entgegen (Gill 2006 [*100: 207ff.]). Generell trieben sie die Verschmelzung platonisch-pythagoreischer und aristotelischer Elemente voran (Donini 1982 [*29: 111–113], Dillon 1983 [*88], Karamanolis 2006 [*48]). Viele Vertreter (Theon,
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§ 49. Eudoros von Alexandrien (Bibl. 677–678)
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Alkinoos, Albinos, Apuleius und Plutarch) sahen das «Ziel» (τέλος) des Menschen in der «Annäherung an Gott» (ὁμοίωσις τῷ θεῷ), womit sie ein bei Platon vorhandenes Motiv aufnahmen und sich gegen die stoische Auffassung des ‘Gemäß-derNatur-leben’ richteten (Dörrie 1976 [*24: 178], Tarrant 2007 [*104], Helmig 2013 [*113: 245–251] und Männlein-Robert 2013 [*1034]). In der Frage nach der Rolle der äußerlichen Güter für die Erlangung der Glückseligkeit schwankten sie zwischen einer der Stoa nahe stehenden Position, nach der solche Güter keinerlei Bedeutung hätten (Eudoros und Attikos), und der mit der aristotelischen Haltung übereinstimmenden Anerkennung von deren Wichtigkeit (Plutarch und Tauros; dazu Dillon 21996 [*25: 44]). Eine gewisse Aufmerksamkeit widmeten sie schließlich auch der komplexen Beziehung zwischen Notwendigkeit und menschlicher Freiheit – ein Problem, das von der Stoa intensiv diskutiert und in radikaler Weise gelöst wurde (Dörrie 1977 [*84: 76–82], Boys-Stones 2007 [*101], Sharples 2007 [*103], Pietsch 2013 [*114: 202–209]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 49. Eudoros von Alexandrien Irmgard Männlein-Robert
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Gesamtwürdigung.
Über das Leben des Eudoros und über seine philosophischen Lehren sind wir ausschließlich durch indirekte Zeugnisse informiert. Nur wenige dieser Testimonien können zweifelsfrei mit Eudoros in Verbindung gebracht werden. Die bei dem spätantiken Doxographen Stobaios erhaltenen Berichte, mit denen man bislang eher optimistisch verfuhr, werden in letzter Zeit mit zunehmendem Problembewusstsein bezüglich ihrer unsicheren Quellenlage behandelt. Das gilt sowohl für die Auswertung von anonymen oder doxographischen Texten, die man bisher auf Eudoros bezog, als auch für die Abgrenzung der nachweislichen Eudoros-Texte von Referaten anderer Autoren bei Stobaios. 1. LEBEN
Die spärliche Evidenz lässt für die Lebensdaten des Eudoros nur einen ungefähren Zeitrahmen erkennen (suggestiv, aber letztlich spekulativ Dillon 1981 [*162] und 21996 [*25: 115–135]): Strabon (64 v. Chr. – 19 n. Chr.) bezeichnet Eudoros als
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
Zeitgenossen (καθ’ ἡμᾶς: 17,1,5 = fr. 13 Mazzarelli). Anhand von Eudoros-Zitaten des von Stobaios verwendeten Doxographen (bei Stob. Ecl. 2,7,2, II,42,7 Wachsmuth = fr. 1 Mazzarelli; zur Diskussion um dessen Identität siehe Göransson 1995 [*587], auch Baltes 1996 [*621]; Gombocz 1997 [*40: 415 Anm. 2]) sowie ex negativo aus dem Schweigen Ciceros über ihn, darf man Eudoros wohl in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. datieren (Dillon 21996 [*25: 115]). Dass Eudoros sich zumindest längere Zeit in Alexandrien aufgehalten habe, legt neben dem Herkunftstitel «Alexandriner» (Ἀλεξανδρεύς) das Zeugnis nahe, dem zufolge er eine Schrift über den Nil oder die Nilflut verfasst haben soll (Strab. 17,1,5). Die antiken Zeugnisse bezeichnen Eudoros nicht nur als Alexandriner (z. B. Stob. Ecl. 2,7,2, II,42,7 Wachsmuth), sondern auch als «Akademiker» (ὁ Ἀκαδημαϊκός, z. B. Stob. Ecl. 2,7,2, II,42,7 Wachsmuth; Anonym. I In Arati Isagogen 6, 97,2 Maass; Simpl. In Arist. Cat. 187,10 Kalbfleisch = fr. 16 Mazzarelli; dazu Bonazzi 2003 [*175: 55– 59] und 2013 [*182: 160–164]). Das erste wirklich sichere wörtliche Eudoros-Zitat – im Sinne eines Terminus ante quem – lässt sich erst bei Plutarch nachweisen (An. procr. 1012dff. = fr. 6 Mazzarelli: kosmogonischer Kontext). 2. WERKE Derzeit sind 22 Fragmente des Eudoros bekannt (unvollständige Sammlung echter und umstrittener Fragmente und Testimonien bei Zoubos 1958 [*152], vollständige Sammlung bei Mazzarelli 1985 [*143]; Überblick bei Dillon 2000 [*171, mit Literaturangaben]). In der fragmentarischen Überlieferung zeichnet sich deutlich sein Bemühen um systematische Darstellung der Lehren Platons ab (Bonazzi 2013 [*182]); Eudoros rekurriert zudem auf den originalen Wortlaut der Dialoge und zeigt ein neues Interesse an Metaphysik und Prinzipienlehre (Moraux 1984 [*165: 509f.]). 1) Als Eudoros’ Hauptwerk gilt für Stobaios die Schrift ‹Einteilung der Philosophie› (Διαίρεσις τοῦ κατὰ φιλοσοφίαν λόγου), die ihren Stoff offenbar nach Art der Problemata-Literatur darbot (πᾶσαν προβληματικῶς τὴν ἐπιστήμην, «die gesamte Wissenschaft nach einzelnen Fragen gegliedert») und dabei zuerst Ethik, dann Physik und schließlich Logik thematisierte (Titel und ganzer Text bei Stob. Ecl. 2,7,2, II,42,7–45,10 Wachsmuth = fr. 1 Mazzarelli). Es handelt sich offenbar um eine überblicksartige, enzyklopädische Darstellung der Philosophie, die wohl doxographisch die Hauptmeinungen der führenden philosophischen Vertreter benennt (Trapp 2007 [*865: 351], Bonazzi 2011 [*180]). Wir finden hier eine Dihärese der Ethik in einen «theoretischen» (τὸ θεωρητικόν), in einen «den Trieben gewidmeten» (τὸ ὁρμητικόν) sowie einen «praktischen» Teil (τὸ πρακτικόν), die in d ieser Form bei Seneca (Epist. 89,9. 14) wieder er-
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scheint; letzterer greift hier möglicherweise auf Eudoros zurück (fr. 23 Mazzarelli; Kohnke 1968 [*158: 589]). 2) Weiterhin haben sich Zeugnisse eines Kommentars zum ‹Timaios› erhalten (Plut. An. procr. 1012dff. = fr. 6 Mazzarelli). Hier geht es um eine Harmonisierung der Auslegung des Xenokrates, der die Seele der Substanz nach als eine Zahl a nsieht, mit jener des Krantor, der die Seele als Mischung zwischen Intelligiblem und sinnlich Wahrnehmbaren auffasst. Zur Erklärung der Modi der Mesotes – einer schwierigen Materie – bezieht sich Plutarch ausdrücklich und lobend auf Eudoros, dieser argumentiere «einfach und klar» (ἁπλῶς καὶ σαφῶς: ebd.). Es schließen sich komplizierte, aber nachvollziehbare Rechenexempel für den Bereich der Arithmetik an (ebd. 1019e–f = fr. 7 Mazzarelli). Eudoros folgt Krantor, indem er (nach Plat. Tim. 35b–c) die Zahl 384 als Proportionszahl bzw. Grundzahl für die Aufteilung der Seele heranzieht (ebd. 1020c = fr. 8 Mazzarelli; Bonazzi 2002 [*173: 30–33]). Baltes 1972 [*825: 22–24] und 1976 [*83: I 86] vermutet hier einen Rekurs des Eudoros auf Timaios von Lokroi. 3) Eudoros verfasste eine möglicherweise monographisch angelegte Schrift zu den ‹Kategorien› des Aristoteles (Simpl. In Arist. Cat. 159,23ff. Kalbfleisch = fr. 14 Mazzarelli; siehe Moraux 1984 [*165: 520–527], Bonazzi 2007 [*177: 374–376], Chiaradonna 2009 [*178] und 2013 [*183: 42–50]). Simplikios reiht Eudoros in eine Liste der alten
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§ 49. Eudoros von Alexandrien (Bibl. 677–678)
Exegeten der ‹Kategorien› ein und nennt ihn im Verbund mit Boethos, Ariston, Andronikos und Athenodoros. Diese werden von den Anhängern des Achaikos und des Sotion beschuldigt, die Kategorien nicht richtig verstanden und auch sprachlich nicht klar benannt zu haben. An anderer Stelle (ebd. 174,14ff. Kalbfleisch = fr. 15 Mazzarelli) «übt Eudoros Kritik» an Aristoteles (αἰτιᾶ ται): Er vermisst eine dihairetische Abhandlung des dem πρός τι (dem «Relativ-Sein») entgegengesetzten καθ’ αὑτό («An-Sich-Sein») bei Aristoteles (Moraux 1984 [*165: 520f.]). Weiterhin kritisiert Eudoros Aristoteles hinsichtlich seiner Äußerung zur Frage nach der Umkehrbarkeit einer Relation, die Eudoros verneint (das Korrelat von ‘Flügel’ ist nicht ‘Vogel’, sondern ‘geflügelt’). Insgesamt scheint Eudoros Aristoteles’ ‹Kategorienschrift› skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüberzustehen (Dillon 2000 [*171: 290]; zur Kritik des Eudoros und anderer Mittelplatoniker an den Kategorien des Aristoteles siehe Calvetti 1977 [*161: 4, Anm. 8 mit Literaturan gaben]). Mehrfach erhebt er Vorwürfe gegen Aristoteles oder weist ihm Widersprüche nach (z. B. Simpl. In Arist. Cat. 236,28ff. Kalbfleisch = fr. 18 Mazzarelli; ebd. 246,22 Kalbfleisch = fr. 19 Mazzarelli; ebd. 256,16ff. Kalbfleisch = fr. 20 Mazzarelli; ebd. 263,19ff. Kalbfleisch = fr. 21 Mazzarelli; ebd. 268,13 Kalbfleisch = fr. 22 Mazzarelli). Richtig betont Bonazzi 2007 [*177: 376 mit Anm. 44], dass es hier nicht um eine grundlegende Verwerfung der aristotelischen Kategorien geht, sondern dass vielmehr die Kritik des Eudoros als Ausdruck seiner Schwierigkeiten verstanden werden kann, diese in den Kontext der platonischen Philosophie zu integrieren (vgl. aber Moraux 1984 [*165: 527], der in der Polemik gegen Aristoteles das Hauptanliegen des Eudoros sieht). 4) Bei Eudoros’ Schrift zur ‹Metaphysik› des Aristoteles handelt es sich nach dem Ausweis bei Alexander von Aphrodisias (In Metaph. 58,25– 59,24 Hayduck = fr. 2 Mazzarelli) zunächst um einen Kommentar, genauer eine Emendation eines Textpassus aus Aristoteles’ ‹Metaphysik› (1,6, 988a9–11; Iaksetich 1983 [*164: 27–30]). Alexander bezieht sich an dieser Stelle auf seinen Vorgänger Aspasios, und zwar hinsichtlich einer von Eudoros vorgeschlagenen Textkorrektur zur Stelle (Metaph. 1,6, 988a11): Es handelt sich dort um ein Referat aus Platon. Eudoros schreibt durch seine Emendation Platon einen monistischen Standpunkt zu, wonach sich alles – auch die Materie – aus dem Einen herleite. Das Eine ist demnach die Formursache für alles (zur Diskussion um die Konsequenzen siehe Moraux 1969 [*159],
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der das Eine hier als explikative Parenthese liest; Iaksetich 1983 [*164: 27–30], Gombocz 1997 [*40: 416 Anm. 6]). An anderer Stelle (zu Arist. Phys. 188a19–26) geht es um das höchste Prinzip, die Monade, sowie um die «Unbegrenzte Zweiheit» (ἀόριστος δυάς: Simpl. In Arist. Phys. 181,7ff. Diels = fr. 3 Mazzarelli; ebd. 181,17ff. Diels = fr. 4 Mazzarelli; ebd. 181,19ff. Diels = fr. 5 Mazzarelli; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 473 mit weiterführenden Literaturangaben]). Dabei legt Eudoros eine innovative Interpretation der altakademischen Metaphysik vor, wenn er in Form eines ‘Triangel-Schemas’ (so treffend Dillon 21996 [*25: 127]) den beiden bislang höchsten Prinzipien ‘Monas’ und ‘Ahoristos Dyas’ eine weitere ‘Monas’ überordnet. Wohl ausgehend von Platons ‹Philebos› (26e–30e) und den dort formulierten Prinzipien der «Begrenzung» (πέρας) und des «Unbegrenzten» (ἄπειρον) betont Eudoros, dass den Pythagoreern das Eine als höchstes Prinzip gilt, dem zwei weitere Prinzipien untergeordnet seien: das Eine (μονάς) und seine ihm entgegengesetzte Natur (ἀόριστος δυάς; siehe Ostenfeld 1989 [*170]). Eudoros postuliert für die Pythagoreer also eine Art Über-Eines über der gewöhnlich angenommenen, neben der ‘Ahoristos Dyas’ platzierten ‘Monas’ (Whittaker 1973 [*848: 78], Dillon 1988 [*35: 121f.], Kahn 2001 [*861: 59–62]). Eudoros’ Monismus darf somit als bemerkenswerter Versuch i nterpretiert werden, den viel diskutierten Dualismus der Alten Akademie zu überwinden. Interessant ist Eudoros’ Referenz nicht zuletzt vor dem zeitgenössischen Hintergrund des in etwa gleichzeitig aufkommenden Neupythagoreismus, da er (bei Simpl. ebd.) diese Lehre ausdrücklich «den Pythagoreern» zuschreibt (Trapp 2007 [*865: 351f.]). Diese neu entdeckte Tradition eines ‘trans zendentalen’ Platonismus wird offenbar, wie im Falle des Eudoros ersichtlich, nun unter dem Namen des Pythagoras und seiner Anhänger verhandelt (Kahn 2001 [*861: 97]). 5) Eudoros verfasste möglicherweise auch eine Schrift über das Universum (Vermutung von Dillon 2000 [*171: 292f.]) oder einen Kommentar bzw. eine Abhandlung zu Arats ‹Phainomena›: In fr. 9 Mazzarelli (= Achill. Isag. Exc. 2, 30,20ff. Maass) referiert Eudoros die Meinung des Mathematikers Diodoros von Alexandrien, eines Schülers des Poseidonios, dass sich Mathematik und Physiologia (d. h. Physik) darin voneinander unterschieden, dass die Mathematik die sich aus dem «Wesen» (οὐσία) ergebenden Folgen (παρεπόμενα, z. B. Entstehung von Eklipsen), die Physik dagegen das «Wesen» selbst (z. B. die Natur der Sonne) untersuche, wobei beide miteinander verflochten
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und aufeinander angewiesen seien. In fr. 10 Mazzarelli (= Achill. Isag. Exc. 13, 40,25ff. Maass) folgt Eudoros’ Definition des Lebewesens als eines «beseelten Seins» (ἔμψυχος οὐσία). Eudoros referiert weiter, dass eine Beseelung der Sterne von Anaxagoras, Demokrit und nicht zuletzt Epikur abgelehnt, dagegen von Platon, Aristoteles sowie vom Stoiker Chrysipp befürwortet werde. Unterschiedlich seien vor allem die Auffassungen von Epikureern und Stoikern. Immer gehe es darum, ob die Seele den Körper umschließe oder umgekehrt. Poseidonios hingegen, so Eudoros, kritisiert die Unkenntnis der Epikureer darüber, dass doch Seelen Körper zusammenhalten (wie Leim). Eudoros bietet hier einen kurzen philosophiegeschichtlichen Abriss zum Verhältnis von Körper und Seele. An anderer Stelle (Anonym. II In Arati Isagogen 2, 142,19ff. Maass = fr. 12 Mazzarelli) geht es um die Gestirne, ihre Bezeichnungen und ihre Symbolgehalte: Eudoros verteidigt die Meinung des Berossos, wonach die Weltschöpfung nicht auf Zeus zurückzuführen sei. Weiterhin soll Eudoros mit dem Stoiker Panaitios die Auffassung geteilt haben, dass die sogenannte ‘verbrannte’ Klimazone der Erde entgegen der landläufigen Meinung doch bewohnt sei (= Äquatorzone). Sie begründen das mit der Mischung der Luft unter der Einwirkung 1) stärkerer Jahreswinde und 2) des Verdampfens des dortigen großen Meeres (Anonym. I In Arati Isagogen 6, 96,24ff. Maass = test. 11 Mazzarelli). Wie auch die nicht sicher Eudoros zuzuschreibenden Fragmente bei Mazzarelli (fr. 34–53) zeigen, scheint die philosophisch-doxographische Auseinandersetzung mit den Elementen und dem
Kosmos im Einzelnen und im Ganzen durchaus mit Eudoros’ Interessen zu konvergieren. 6) Eudoros soll außerdem wie Ariston von Alexa ndrien, ein Peripatetiker und Schüler des Antiochos von Askalon, ein Buch über den Nil geschrieben haben (Strab. 17,1,5 = fr. 13 Mazzarelli). Strabon zufolge unterscheiden sich beide Schriften nur in der τάξις (Anordnung) voneinander, dagegen seien Stil und Methode dieselben. Strabon ist selbst in Aporie, wer den anderen plagiiert habe, hält jedoch den Stil eher für den des Ariston, während Eudoros den Ariston des Plagiats beschuldigt haben soll. 7) Dem Hinweis von Theiler 1965 [*157: 204 Anm. 6] folgend, verweist auch Dillon 2000 [*171: 292] auf P. Oxy. 1609 recto, col. II (2. Jh. n. Chr.): In diesem Papyrusfragment, das bereits Grenfell, Hunt 1919 [*150: 94–98] Eudoros (mit Frage zeichen) zuschreiben, geht es um Optik, die an Eudoros’ ‹Timaios›-Kommentar erinnert, der in Zeile 13f. auch erwähnt ist: Behandelt wird hier die Brechung von Bildern im Spiegel (= fr. 33 Mazzarelli). Erkennbar ist ein deutlich doxographisches Interesse sowie die Ablehnung der Ansichten von Demokrit, Empedokles und Epikur, die «Emana tionen» aus den materiellen Dingen annehmen, welche Bilder auch im Spiegel erzeugen (ἀπορροαί). Problematisch ist allerdings eine ionische Sprachform (περιεούσας), die aus dem Rahmen des attisch schreibenden Eudoros fällt. Freilich könnte es sich dabei um einen gewollten Ionizismus handeln, da im Kontext auch Empedokles untersucht wird. Falls das Zeugnis tatsächlich Eudoros zugeschrieben werden kann, wird einmal mehr sein Interesse an fachwissenschaftlichen Fragestellungen erkennbar.
3. LEHRE
1. Ethik. – 2. Seelenlehre. – 3. Prinzipienlehre und Physik. – 4. Logik.
1. Ethik Wie bereits erwähnt, teilt Eudoros seine Ethik in einen ‘theoretischen’, einen dem ‘Trieb gewidmeten’ sowie einen ‘praktischen’ Bereich, eine Untergliederung, die mit Blick auf den sonst üblichen Konservatismus in der späthellenistischen Ethik ungewöhnlich zu sein scheint (Dörrie 1944 [*137: 30–32]). Entsprechend
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§ 49. Eudoros von Alexandrien (Bibl. 677–678)
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der Meinung Dörries ist bislang immer noch die alte ‘communis opinio’ verbreitet (z. B. Lilla 1992 [*39: 11]), nach der Stobaios im Anschluss an seinen Überblick über die Dihairesis der Philosophie, wie Eudoros sie darlegt, auch dessen Ethik weiter auffaltet (Stob. Ecl. 2,7,3, II,49,8–16 Wachsmuth). Falls dieser Passus in Sto baios tatsächlich auf Eudoros zurückgeht, wäre der erste im Mittelplatonismus greifbare Beleg für die Formel von der «Angleichung an Gott» (ὁμοίωσις θεῷ) Eudoros zuzuschreiben (= fr. 25 Mazzarelli; zu einer Zuschreibung an Eudoros tendiert z. B. Dillon 1981 [*162: 13–17]). Auch der Passus, in dem von einer Übereinstimmung zwischen Demokrit und Platon die Rede ist, wonach das «Glück» (εὐδαιμονία) in der Seele liege, ist nicht zweifelsfrei auf Eudoros zurückzuführen (Stob. Ecl. 2,7,3, II,52,13ff. Wachsmuth = fr. 28 Mazzarelli). Mazzarelli vermutet lediglich in der bei Stobaios (2,7,3c–4a, II,47,1–56,23 Wachsmuth) erhaltenen weitgehend systematischen Darlegung über das «Ziel» (τέλος) bzw. «das Glück» (εὐδαιμονία) die «Gliederung» (διαίρεσις) des Eudoros als verwendete Vorlage (fr. 24–32 Mazzarelli). Gerade die in der Sekundärliteratur vielfach Eudoros zugeschriebene philologische Exegesemethode, schwierige Passagen aus Platons Werk unter Zuhilfenahme anderer Stellen aus seinem Œuvre zu erklären (‘Platonem ex Platone’), sowie die Verteidigung von Platons Stil als «vielstimmig» (πολύφωνος), aber nicht etwa «reich an [diskrepanten] Lehren» (πολύδοξος), findet sich in diesen problematischen Stobaios-Passagen (vgl. fr. 30 Mazzarelli). Zu Recht mahnt auch Bonazzi 2007 [*177: 366f.] (siehe auch bereits 2005 [*176]) zu großer Vorsicht bei der Zuschreibung dieser unsicheren Textstellen an Eudoros. Faktum ist, dass Stobaios bzw. seine Quelle, die sicher nicht Areios Didymos war (vgl. Göransson 1995 [*587: 186–191, 219–227], Baltes 1996 [*621: 108], Gombocz 1997 [*40: 415 Anm. 2]), hier nicht auf Antiochos zurückgegriffen haben kann, da dieser nach Cicero (Fin. 5,26) noch ein gleichsam stoisches, immanentes Telos formulierte. Daher geriet in der älteren Forschung schnell Eudoros in den Blick, wohl nicht zuletzt deshalb, da nun Sokrates, Platon und Pythagoras als übereinstimmende Philosophen und Urheber der ‘ὁμοίωσις θεῷ-Formel’ erwiesen werden, wodurch wiederum die pythagoreisierende Tendenz des Verfassers Eudoros bestätigt zu werden scheint (Trapp 2007 [*865: 353f.]). In diesem Stobaios-Passus, dessen zweifelsfreie Zuschreibung an Eudoros anhand klarer Evidenzen allerdings erst noch zu leisten ist, finden sich sämtliche der für Eudoros reklamierten Anschauungen und überhaupt zum ersten Mal viele der bekannten mittelplatonischen Charakteristika (Methode, Verteidigung von Platons Stil, Systematik, doxographisches Interesse), die bis weit ins 3. Jahrhundert n. Chr. hinein identisch bleiben. 2. Seelenlehre In seinem Kommentar zum ‹Timaios› schließt sich Eudoros an die Lehre Krantors, des ersten Kommentators, dann auch an die des Xenokrates, mithin an die Alte Akademie und die ersten Schüler Platons an. Er versucht eine Art Harmonisierung der Auslegungen des Xenokrates – die Seele ist der Substanz nach eine Zahl, die sich selbst bewegt – und des Krantor – die Seele ist eine Mischung aus
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
Intelligiblem und sinnlich Wahrnehmbarem – zum ‹Timaios› (35a), der Plutarch nicht zustimmt (Theiler 1965 [*157: 204] vermutet hier Eudoros’ Kenntnis von Tim. Lokr. 96b hinsichtlich der Seelenzahl). Eudoros, der allgemein Interesse an Fragen der Beseelung – auch von Gestirnen – sowie an der engen Verflechtung von Physik und Seelenlehre zeigt, meint, dass in beiden Erläuterungen etwas Plausibles liege. Die erkennbare komplizierte Zahlenmystik verweist auf pythagoreische Quellen (Dillon 1981 [*162: 19]). 3. Prinzipienlehre und Physik Eudoros bezieht auch Stellung zum pythagoreischen Monismus (vgl. «Das Eine ist das Prinzip aller Dinge»: Philolaos 44 B 8 DK = Iambl. In Nic. 77,9f. Pistelli). Allerdings stimmt Eudoros’ Monismus nicht mit dem Bericht des Alexander Polyhistor überein (siehe Calvetti 1977 [*161: 6]). Eudoros hält die Lehre für pythagoreisch, nach der das Eine die ἀρχή («Urgrund») von allem sei und dass es zugleich zwei ἀρχαί gebe: das Eine und das ihm Entgegengesetzte, woraus sich das paradoxe Problem der beiden verschiedenen Einheiten ergibt (Simpl. In Phys. 181,7ff. Diels = fr. 3 Mazzarelli). Hierbei handelt es sich offenbar um ein Missverständnis des Eudoros der pythagoreischen Lehre gegenüber, wenn er die pythagoreische ‘Monas’ für die untergeordnete Ursache hält. Man könnte Eudoros’ Auffassung damit erklären, dass er die ‘Henas’ als Höchstes von der ‘Monas’ unterscheiden will (Rist 1962 [*154: 391]; zur Unterscheidung von «Prinzip», ἀρχή, und «Element», στοιχεῖον, siehe Bonazzi 2007 [*177: 369f.]). Eudoros’ monistische Metaphysik (Rist 1962 [*154: 394]) steht nur dem Anschein nach in Verbindung mit altpythagoreischer Lehre, sie ist aber wohl weder alt noch pythagoreisch, sondern gehört vielmehr in den altakademischen Kontext um Speusipp, Xenokrates und deren Schüler, die im Rekurs auf Platon selbst das Prinzipienpaar ‘Monade’/‘Ahoristos Dyas’ postuliert haben. Eudoros scheint also den Pythagoreern eine mit der sogenannten ‘Ungeschriebenen Lehre’ Platons verwandte Prinzipienlehre zuzuschreiben (Moraux 1984 [*165: 510], Mansfeld 1988 [*169: 99–100], Bonazzi 2007 [*177: 368f.]; siehe auch Napolitano 1985 [*166: 40–49] und v. a. 1985 [*167], Armstrong 1992 [*551]). Wenn er das erste Prinzip als «Gott darüber» (ὁ ὑπεράνω θεός) ansieht (bei Simpl. In Phys. 181,19 Diels = fr. 4 Mazzarelli), ist dies letztlich eine theologische Interpretation, was durchaus mit dem zeitgenössischen theologischen Interesse der sogenannten Neupythagoreer seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. sowie dem Interesse an Platons ‘Ungeschriebener Lehre’ in ps.-pythagoreischen Schriften dieser Zeit konvergiert (Bonazzi 2002 [*172: passim, insb. 167]). Zu betonen ist jedoch, dass Eudoros seine Lehre eines höchsten ersten Prinzips (das er auch ‘Gott’ nennt) wohl nach einer eigenen Interpretation des pythagoreisierenden ‹Timaios› entwickelt hat (so nach Dörrie auch Bonazzi 2002 [*172: 170–174], Staab 2009 [*179: 68–70]) und dass er somit als Wegbereiter für die mittelplatonische Theologie gelten darf: Der oberste Gott kann nur in Negationen beschrieben werden (z. B. bei Alkinoos Did. 165,14ff. Hermann). Eine solche Lehre vom höchsten kausalen Prinzip führt zu einem pointierten Monismus (Dillon 1981 [*162: 18f.]).
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§ 49. Eudoros von Alexandrien (Bibl. 677–678)
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Das Interesse des Eudoros an klimatologisch-geographischen sowie naturkundlichen Phänomenen (etwa Klimatheorien, Nilschwemme) stimmt bemerkenswerterweise mit Nachrichten beim sogenannten ‘Anonymus Photii’ (bei Phot. Bibl. cod. 250, 441b), einem doxographischen Bericht über pythagoreische Lehren (Thesleff 1965 [*824: 242]), überein. 4. Logik Schwer zu beurteilen ist Eudoros’ intensive Kritik an den ‹Kategorien› des Aristoteles (Moraux 1984 [*165: 520]; vgl. Chiaradonna 2009 [*178: 108]). 4. GESAMTWÜRDIGUNG
Die bei Eudoros greifbare Integration stoischer und aristotelisch-peripatetischer Terminologie und Methodik zur Erhellung platonischer Texte wirkt wegweisend für den Mittelplatonismus. In der älteren Forschung gilt er als eigentlicher Initiator des Mittelplatonismus (Dillon 1981 [*162: 27f.]). Zeittypisch ist die gerade auch bei Eudoros konstatierbare enge Verbindung von Platon und Pythagoras bzw. (ps.-)pythagoreischen Schriften. Da viele Pseudepigrapha enge Parallelen mit Eudoros’ bekannten Lehren aufweisen, bleibt nicht zuletzt angesichts der schwierigen Quellenlage die Gefahr groß, alles Eudoros zuzuschreiben (Rist 1986 [*168: 468] warnt zu Recht vor einem ‘Paneudorismus’; ebenso Dillon 1981 [*162: 28]). Doch drängt sich die Vermutung auf, dass Eudoros wohl ein wichtiger Wegbereiter auch für das ps.-pythagoreische Schrifttum, etwa die Schriften eines Timaios von Lokroi oder Ps.-Archytas (Szlezák 1972 [*826], Dillon 1981 [*162: 22]), war. Die aristotelischen ‹Kategorien› scheint Eudoros jedoch nur als Kategorien für die physische Welt zugelassen zu haben, er trennt sie deutlich von der intelligiblen Welt (vgl. später ebenso Plotin in seiner ‹Kategorien›-Kritik Enn. VI 1–3; bereits der Platoniker Nikostratos folgte hierin Eudoros: Dillon 1981 [*162: 25f.]). Ungeachtet der äußerst lückenhaften Überlieferung und der vielen ungelösten Fragen ist Eudoros aus philosophiehistorischer Sicht in jedem Fall als einer der ersten Repräsentanten der vor- oder frühkaiserzeitlichen Platon-Renaissance, d. h. des nicht-skeptischen Platonismus, zu würdigen.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
§ 50. Derkylides Irmgard Männlein-Robert Beim Platoniker Derkylides verfügt man über keinerlei Lebensdaten oder Herkunftsangaben (sicherlich zu skeptisch hinsichtlich einer Zuordnung zu Akademie oder Platonismus überhaupt ist Glucker 1978 [*26: 123]). Der Platoniker Albinos erwähnt ihn zusammen mit Thrasyllos im Kontext jener Platoniker, die Platons Schriften in Tetralogien (Vierergruppen) eingeteilt haben, und erwähnt als Beispiel die Abfolge ‹Euthyphron›, ‹Apologie›, ‹Kriton› und ‹Phaidon› (Alb. Prol. 4). Da Derkylides in diesem Kontext unmittelbar vor Thrasyllos genannt wird, gilt er der älteren Forschung als dessen Vorläufer in der Tetralogienordnung (dagegen argumentiert Tarrant 1993 [*215: 11–13], die Reihung der Namen spiegle keine zeitliche Abfolge der Autoren wider). Mit Albinos’ Nachricht stimmt ein Passus aus Varro überein (Ling. 7,37), in dem dieser, anspielend auf Platons ‹Phaidon› (112a–114b), diesen Dialog als «vierten» deklariert, also die Einordnung des ‹Phaidon› als letzten Dialog einer Vierergruppe bereits kennt. Sollte diese Einordnung tatsächlich auf Derkylides zurückgehen, müsste er mindestens als Zeitgenosse Varros (116–27 v. Chr.) oder sogar früher datiert werden (Alline 1915 [*149: 112–121]). Sicher ist einzig der Terminus ante quem, den ein Derkylides- Zitat des Theon von Smyrna aus dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. liefert (Exp. rer. math. 198,11–207,7 Hiller; Dillon 1994 [*190]). Derkylides verfasste ein umfangreiches Werk in elf Büchern ‹Über die Philosophie Platons› (Περὶ τῆς Πλάτωνος φιλοσοφίας), aus dem Porphyrios später referiert (bei Simpl. In Phys. 247,31ff. und 256,31f. Diels): Im Rahmen seiner Behandlung der Materie soll Derkylides auch einen Abschnitt aus einer Schrift des Platonfreunds Hermodoros von Syrakus zitiert haben, der das Prinzip der Materie für «nicht seiend» hielt (οὐκ ὄν; de Vogel 1949 [*196: 301]). Möglicherweise schrieb Derkylides auch einen Kommentar zu Platons ‹Politeia›. Dafür spricht ein Zeugnis bei Theon von Smyrna, dem zufolge sich Derkylides mit dem astronomischen Problem der Spindel der Notwendigkeit in Rep. 10 (616cf.) beschäftigt habe (Exp. rer. math. 198,11–207,7 Hiller), außerdem zwei bei Proklos erhaltene Zeugnisse ebenfalls mathematisch-astronomischen Inhalts (Prokl. In Rep. II,24,6–15. 25,14–26 Kroll). Dabei könnte seine Formulierung «die im Kreis um Derkylides» (οἱ περὶ Δερκυλλίδην) auch Schüler des Derkylides miteinbeziehen (ebd. II,25,14 Kroll). Eine Interpretation des Derkylides zum ‹Timaios› (17a) ist bei Proklos erhalten (In Tim. I,20,9f. Diehl): Derkylides vermutet hier im abwesenden vierten Gast Platon selbst. Anhand der erhaltenen Zeugnisse erweist sich Derkylides als streng textbezogener Platoniker, bei dem offensichtlich mathematisch-astronomische Interessen im Vordergrund stehen, die eventuell auf pythagoreische Neigungen zurückzuführen sind (vgl. Kroll 1905 [*189]).
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§ 51. T. Klaudios Thrasyllos (Bibl. 679)
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§ 51. T. Klaudios Thrasyllos Irmgard Männlein-Robert Weder Geburtsort noch Geburtsjahr des bekannten Astrologen und Platonikers Thrasyllos sind überliefert (ohne Beleg nennt Gundel 1936 [*202: 581] ihn einen Alexandriner; Sammlung der Fragmente und Testimonien bei Tarrant 1993 [*215: 215–249]). Thrasyllos war ein enger Berater und Freund des möglicherweise etwa gleichaltrigen Tiberius (geb. 42 v. Chr.), bereits bevor dieser 14 n. Chr. römischer Kaiser wurde. Mehrere Anekdoten wurden kolportiert, welche die Treffsicherheit der Prophezeihungen und astrologischen Vorhersagen des Thrasyllos anschaulich schildern (Tac. Ann. 6,20–21, v. a. 20,2f. = test. 5a Tarrant; Suet. Tib. 14,4 = test. 5e Tarrant; Cass. Dio 55,11,1–3 = test. 5b Tarrant; Anon. Byzant. ed. Cumont, CCAG 8.4, 99,7ff. = test. 5c Tarrant; zu Varianten siehe Krappe 1927 [*206], Cichorius 1922 [*205: 390ff.]). Seine astrologischen Verdienste bezeugen auch Vettius Valens (9,10 = test. 24 Tarrant) und Porphyrios (Isag. Tetr. 189 = test. 25a Tarrant; ebd. 195 = test. 26a Tarrant). Vermutlich ist er mit dem Tiberius Claudius Thrasyllos identisch, der von Tiberius das römische Bürgerrecht bekam, als sich dieser vor seiner Adoption in einer Art Exil (6 v. Chr. – 2 n. Chr.) auf Rhodos aufhielt (CIL III,7107 = IG 4,1392 = test. 8 Tarrant). Thrasyllos starb kurz vor Tiberius im Jahr 36 n. Chr. (Suet. Tib. 62,3 = test. 7d Tarrant; Cass. Dio 58,27,1 = test. 7a Tarrant). Ein Juvenal-Scholion (ad Sat. 6,576 = test. 1a Tarrant) beschreibt ihn als Platoniker: «Als ein Kenner vieler Wissenschaften hat er sich schließlich der platonischen Philosophie und hierauf der Astrologie gewidmet, in welcher er besonders bei Tiberius großen Einfluss hatte» («multarum artium scientiam professus postremo se dedit Platonicae sectae ac deinde mathesi, in qua praecipue viguit apud Tiberium»). Es handelt sich dabei um die erste Bezeugung eines Gelehrten und Philosophen als «Platonicus» (Platoniker), der nicht als Mitglied der Schule Platons in einem engeren Sinne gelten darf (Glucker 1978 [*26: 123f., insb. 206]). Man nimmt Thrasyllos jedoch durchaus auch als einen Pythagoreer wahr (Longinos bei Porph. Vit. Plot. 20,75 = fr. 11 Männlein-Robert). Möglicherweise ist die für Thrasyllos konstatierte enzyklopädische Gelehrsamkeit (test. 10a–test. 18d Tarrant) der Grund dafür, dass er in der Sekundärliteratur mitunter als ‘Alex andriner’ deklariert wird. Darauf basieren nun Überlegungen, ihn mit dem vielseitigen Gelehrten Thrasyllos aus Mendes (im Nil-Delta) zu identifizieren, den Ps.-Plutarch erwähnt (Fluv. 11,4,1–5 = test. 11a Tarrant; ebd. 16,2,1–10 = test. 11b Tarrant = Thras. Mendesius fr. 1 und 2 Müller). Jener soll eine Schrift mit dem Titel ‹De lapidibus›, also über die magische Kraft von Steinen in enger Verbindung mit Astrologie und Astromagie, und ‹Aegyptiaca› verfasst haben (test. 11a–12 Tarrant). Vermutlich handelt es sich bei dem gefeierten Astrologen Tiberius Claudius Balbillus um einen Sohn des Thrasyllos (vgl. Tac. Ann. 6,22 = test. 9a Tarrant; für Zeugnisse bezüglich einer möglichen Tochter siehe test. 9b Tarrant). Der Name des Thrasyllos wird vor allem mit der Ordnung der Schriften Platons (Dialoge und Briefe) in Tetralogien (Vierergruppen) in Verbindung gebracht,
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
die nach Thrasyllos auf Platon selbst zurückgeht (D. L. 3,47–66 = test. 22 Tarrant). Bereits dem alexandrinischen Philologen Aristophanes von Byzanz (ca. 257–180 v. Chr.) wird eine Organisation des platonischen Œuvre (d. h. eigentlich nur der Dialoge) in fünf Gruppen zu je drei Dialogen zugeschrieben, die durchaus eine gewisse Systematik verrät (ausführlich D. L. 3,49–51. 61–62; Chroust 1965 [*208], Lucarini 2010/11 [*217]). Thrasyllos soll also in Anlehnung an solche Gruppie rungen, möglicherweise an ältere Tetralogiemodelle, Platons Schriften in neun Tetralogien gegliedert und somit eine ‘dramatische’ Grundstruktur konstruiert haben, welche durch ‘philosophische’ Gruppenbildungen weiter differenziert wurde (D. L. 3,56. 58f.; maßgeblich dazu Mansfeld 1994 [*216: 58–107, insb. 59– 71]). In der älteren Forschung wurde eine Ordnung der platonischen Dialoge in Tetralogien bereits in der Alten Akademie vermutet (z. B. Wilamowitz-Moellendorff 1920 [*204: 324], Pfeiffer 1968 [*210: 196f.]), welche die neuere Forschung in Anlehnung an Hermann 1853 [*201: 13] hingegen überwiegend erst ins 1. Jahrhundert v. Chr. datiert (seit Usener 1892 [*203], Alline 1915 [*149: 113]; Überblick bei Dunn 1976 [*212: 75f.]). Meist wird sie Thrasyllos, manchmal aber auch Varro (Ling. 7,37), dem berühmten Grammatiker Tyrannion von Amisos (so Usener 1892 [*203: 214], Chroust 1965 [*208: 44–46]) oder Derkylides (Alb. Prol. 4) zugeschrieben. Auf jeden Fall weist diese Tetralogienordnung die Sinnstruktur eines intendierten Curriculums auf (Dunn 1976 [*212]). Überdies schreibt die antike Philosophiegeschichte, wenn auch wohl zu Unrecht, Thrasyllos die Verwendung von Doppeltiteln für Platons Dialoge zu (Mansfeld 1994 [*216: 71–74]): Demnach umfasst der Titel stets den Eigennamen einer Dialogfigur sowie das Thema des Dialogs (D. L. 3,57; vgl. Hoerber 1957 [*207]). Thrasyllos soll seiner systema tischen Platon-Ausgabe sowohl eine Biographie Platons, mit einem Stammbaum bis zum Gott Poseidon (D. L. 3,1 = test. 21 Tarrant), sowie eine generelle Vorrede (‹Prolegomena zur Lektüre der Dialoge Platons›) vorangestellt haben (D. L. 3,47– 66). Tarrant 1993 [*215: 17–30] postuliert für einen großen Teil dieses Passus bei Diogenes Laertios die Autorschaft des Thrasyllos, dem er außerdem auch die platonischen Briefe 2, 6 und 7 zuweisen möchte, was sicherlich zu spekulativ ist. Thra syllos soll ebenfalls eine vollständige Edition der Werke Demokrits, dessen Nähe zu den Pythagoreern er unterstreicht, erstellt, diese gleichfalls nach Tetralogien geordnet und mit einem generellen Vorwort (‹Prolegomena zur Lektüre der Bücher des Demokrit›) versehen haben (D. L. 9,41 = test. 18a Tarrant; ebd. 9,46–49 = test. 18d Tarrant). Porphyrios nennt Thrasyllos im selben Kontext wie die platonischen Neupythagoreer Moderatos, Numenios und Kronios, er könne sich hinsichtlich intellektueller Akribie jedoch wie diese nicht mit Plotin messen (Porph. Vit. Plot. 20f. = test. 19a Tarrant). Er soll ferner über die ersten Prinzipien bei Pythagoras und Platon geschrieben haben (ebd.). Möglicherweise hat Thrasyllos eine Logos-Theologie vertreten, die in einem Passus von Porphyrios’ Ptolemaios-Kommentar greifbar wird (In Harm. 11–15 Düring, ebd. 12,21). Ganz ähnlich wie Philon von Alexandrien schreibt Thrasyllos, wenn denn der Passus tatsächlich seine Lehre wiedergibt, dem Logos die Rolle des Demiurgen zu, der im Dienste eines höchsten Gottes agiert, was als Beleg für stoisierenden Platonismus bzw. Neupythagoreismus gelten darf (so Tarrant 1993
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§ 52. Plutarch von Chaironeia (Bibl. 680–686)
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[*215: 108–147]; siehe auch Dörrie 1981 [*213]). Eventuell ordnet Thrasyllos den 12. Brief, der Platon zugeschrieben wird, aber wohl neupythagoreischer Provenienz des 1. Jahrhunderts v. Chr. ist, in seine neunte Tetralogie der Platon-Schriften ein (Rist 1965 [*209]). Theon von Smyrna beruft sich vielfach auf Thrasyllos als vorbildliche Autorität insbesondere der Harmonik (z. B. Exp. rer. math. 47,18; 85,8; 87,8; 93,8 und v. a. 205,5 Hiller). Möglicherweise stehen die für Thrasyllos konstatierten neupythagoreischen Tendenzen in Zusammenhang mit der erwähnten Tradition der tetralogischen Anordnung der Platon-Dialoge, wobei in diesem Fall pythagoreische Zahlenmodelle eine entsprechende Substruktur unter Platons Text legen würden (vgl. Mansfeld 1994 [*216: 65]). Ob das Viererschema außerdem von der vorsokratischen Spekulation etwa eines Empedokles (Erde, Feuer, Wasser, Luft), die stoisch vermittelt worden wäre (Chrysipp fr. 413, II,137,7–11 SVF; siehe Varro Ling. 5,14–104; Chroust 1965 [*208: 45]), mitangeregt ist, bleibt ohne neue Textevidenz eine offene Frage.
§ 52. Plutarch von Chaironeia Franco Ferrari
1. Leben. – 2. Die philosophischen Schriften. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Plutarch wurde um 45 n. Chr. in Chaironeia, Böotien, geboren, wo er kurz nach 120 auch starb (in den ‹Chroniken› des Eusebios wird er im Jahr 119 als lebend angegeben). Er entstammte einer angesehenen Familie und genoss eine Aus bildung auf hohem Niveau, in der Rhetorik, Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften im Zentrum standen. Er heiratete Timoxena, mit der er fünf Kinder hatte, vier Knaben und ein Mädchen, von denen nur zwei (Autobulos und Plutarch) das Erwachsenenalter erreichten (ihnen ist ‹De animae procreatione› gewidmet: 1012a). Plutarch spielte eine herausragende Rolle in seiner Geburtsstadt, in der er wichtige öffentliche Ämter bekleidete, und zwar sowohl in der Heimat als auch als Botschafter im Ausland. Bereits in jugendlichem Alter nahm er an einer wichtigen diplomatischen Gesandtschaft zum Prokonsul der Provinz Achaia teil (Praec. ger. reip. 816d–e; Ziegler 1951 [*251: 653]). Er war aber auch bereit, seiner Vaterstadt weniger bedeutende Dienste zu leisten (Praec. ger. reip. 811b–c).
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Zahlreiche Informationen zu seinem Leben können aus Plutarchs eigenen Werken gewonnen werden. Er reiste viel und hatte enge Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten des politischen und kulturellen Lebens seiner Zeit (Brenk 1987 [*357: 252–254]), von denen einige als Protagonisten in seinen Schriften auftreten. Er studierte in Athen beim Platoniker Ammonios (De E 387f; Opsomer 2009 [*258]) und blieb immer in regem Kontakt mit der Hauptstadt Attikas, die ihm – als er berühmt geworden war – das Ehrenbürgerrecht verlieh (Swain 1997 [*254: 175–181]). Während seines ganzen Lebens blieb er dem Apollon-Heiligtum in Delphi eng verbunden, das nicht weit von Chaironeia entfernt liegt (An seni rep. 792f; dazu Feldmeier 1998 [*368: 413f.]); Plutarch übernahm dort bedeutende religiöse Aufgaben und wurde schließlich Priester des Tempels (Quaest. conv. 8,2, 700e). Bekanntlich besuchte er zahlreiche griechische Städte, darunter Sparta, und die wichtigsten Austragungsorte der Spiele. Er war zweimal (vielleicht auch öfter) in Rom, wo er die Interessen Chaironeias vertrat und auch Vorträge zu philosophischen Themen hielt (De curios. 522d–e). Ziemlich sicher hielt er sich auch in anderen Städten Italiens auf und hielt Vorträge (Demosth. 2,2). Seine guten Beziehungen zum Kaiserhaus lässt die Tatsache erkennen, dass Trajan ihm die konsularische Würde verlieh (Suda IV,150,27–29 Adler; dazu Ziegler 1951 [*251: 657f.], Stadter, Van der Stockt 2002 [*256] und Frazier 2012 [*259: 1112–1115]). Neben seinen politisch-diplomatischen und den mit Delphi verbundenen religiösen Ämtern ging Plutarch in Chaironeia einer intensiven Lehrtätigkeit nach, wobei er als Privatmann Schüler und Freunde bei sich empfing, mit denen er literarische, philosophische und wissenschaftliche Themen diskutierte (Ziegler 1951 [*251: 639–665], Dillon 21996 [*25: 185f.]). 2. DIE PHILOSOPHISCHEN SCHRIFTEN Plutarch gehört zu den paganen Autoren griechischer Sprache, von denen ein besonders umfangreiches Corpus überliefert ist. Er war der Verfasser der berühmten ‹Parallelbiographien›, einer Sammlung paarweise angeordneter Lebens beschreibungen berühmter Persönlichkeiten der griechischen und römischen Welt. Daneben verfasste er eine lange Reihe von Werken unterschiedlichen Inhalts, die von der Tradition als ‹Moralia› (Ἠθικά) bezeichnet wurden, da sich ein großer Teil dieser Schriften um ebendiese Thematik dreht (Frazier 2012 [*259: 1124–1144]). Von diesem nahezu grenzenlosen Gesamtwerk ist weniger als die Hälfte überliefert, nämlich 23 Paare der ‹Parallelbiographien›, 4 einzelne Viten und 78 moralische Werke (zur Datierung vgl. Jones 1966 [*252]). Ebenfalls überliefert ist ein Katalog der plutarchischen Werke, der möglicherweise ins 3. oder 4. Jahrhundert zurückgeht und ‘Lamprias-Katalog’ genannt wird. Dieser zählt die Titel der Werke Plutarchs auf, von denen viele verloren gingen,
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doch ist er unvollständig, da darüber hinaus Schriften bekannt sind, die nicht im Katalog erwähnt werden. Viele der überlieferten Werke berühren in direkter oder indirekter Weise Themen philosophischer Natur. Dabei behandelt der größte Teil moralische Fragestellungen, die in einem der kynisch-stoischen Diatribe ähnlichen Stil angegangen werden. Gut zwanzig der erhaltenen Werke zeichnen sich dagegen durch ein bemerkenswertes philosophisches Interesse aus und können den wichtigsten Zeugnissen der mittel platonischen Philosophie zugerechnet werden (eine Beschreibung des Inhalts der ‹Moralia› in Ziegler 1951 [*251: 719–890]). Von den überlieferten Schriften sind zwei spezifisch der Auslegung der platonischen Philosophie oder einiger ihrer Aspekte gewidmet. Es sind dies ‹De animae procreatione in ‘Timaeo’› (Περὶ τῆς ἐν Τιμαίῳ ψυχογονίας, ‹Über die Erschaffung der Seele im Timaios›), eine Monographie, die sich mit dem Abschnitt 35a1–36b5 des ‹Timaios› be-
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schäftigt, in dem der Aufbau und die Einteilung der Weltseele behandelt wird (dazu Helmer 1937 [*405], Thévenaz 1938 [*406], Hershbell 1987 [*410], Ferrari 1999 [*315], Ferrari, Baldi 2002 [*240] und Opsomer 2004 [*320]), und die ‹Platonicae quaestiones› (Πλατωνικὰ ζητήματα, ‹Platonische Fragestellungen›), eine Sammlung von 10 Fragestellungen im Zusammenhang mit der Auslegung einzelner Stellen oder mit der Gegenüberstellung verschiedener Passagen aus den platonischen Dialogen (Romano 1965 [*407] und Opsomer 1996 [*412]). In diesen zwei Werken legt Plutarch bemerkenswerten philosophischen Scharfsinn und eine profunde Kenntnis der platonischen Dialoge an den Tag (Ferrari 2000 [*317]). Plutarch verfasste zahlreiche Werke polemischer Natur, die sich gegen die rivalisierenden Philosophenschulen richteten, vor allem gegen die Stoa und den Epikureismus. Gegen die Stoiker schrieb er ‹De Stoicorum repugnantiis› (Περὶ Στοϊκῶν ἐναντιωμάτων, ‹Über die Widersprüche der Stoiker›), wo er zu zeigen suchte, dass die L ebensweise der Stoiker im Widerspruch zu ihren Lehren stehe, was dem Verrat an einer grund legenden Regel der Philosophie, nämlich der Forderung nach Übereinstimmung zwischen Leben und Lehre, gleichkomme. Ebenfalls gegen die Stoiker wendet sich ‹De communibus notitiis adversus Stoicos› (Περὶ τῶν κοινῶν ἐννοιῶν πρὸς τοὺς Στοϊκούς, ‹Über die allgemeinen Vorstellungen gegen die Stoiker›), wo Plutarch in aller Schärfe gegen Chrysipp polemisiert und ihn bezichtigt, Lehren zu vertreten (hauptsächlich in den Bereichen Logik, Ethik und Theologie), die im offenen Widerspruch zu den allgemeinen Annahmen und dem gesunden Menschenverstand stehen (Babut 1969 [*268: 22–69], Hershbell 1992 [*283]). Einige Werke sind der Kritik an der epikureischen Philosophie gewidmet. Die wichtigste dieser Schriften ist sicherlich ‹Adversus Colotem› (Πρὸς Κωλώτην, ‹Gegen Kolotes›), eine Polemik gegen eine Schrift des Epikureers Kolotes, in der ihrerseits die Philosophen, die nicht der epikureischen Schule angehören, angegriffen wurden (dazu Opsomer 1998 [*41: 84–105], Bonazzi 2003 [*46: 219– 232] und Kechagia 2011 [*429]). Ebenfalls gegen den Epikureismus richten sich die zwei Schriften ‹Non posse suaviter vivi secundum Epicurum› (῞Οτι οὐδ’ ἡδέως ζῆν ἔστιν κατ’ Ἐπίκουρον, ‹Dass die Lehre Epikurs sogar ein angenehmes Leben unmöglich macht›) und ‹De latenter vivendo› (Περὶ τοῦ λάθε βιώσας, ‹Über das ‘Lebe im Verborgenen’›), in denen Plutarch gegen die ethischen Lehren der Epikureer polemisiert, und zwar in erster Linie gegen die Aufforderung, sich vom
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olitischen Leben fernzuhalten (Hershbell 1992 p [*282] und Roskam 2007 [*421]). Drei der überlieferten Schriften behandeln Aspekte des delphisch-apollinischen Kultes. Auch sie enthalten zahlreiche Ansatzpunkte philosophischen Interesses (Babut 1992 [*312]). In ‹De defectu oraculorum› (Περὶ τῶν ἐκλελοιπότων χρηστηρίων, ‹Über die erloschenen Orakel›), einem der vielschichtigsten und besonders geglückten Dialoge Plutarchs, geht der Autor das Problem des Versiegens der Orakel an und in der Diskussion dieser Problematik berührt er wichtige Fragestellungen religiöser, kultischer, physisch-kosmologischer und philosophischer Art. Von besonderer Bedeutung erweisen sich seine Aussagen über die Natur der Dämonen, auf welche die Mantik zurückgeführt wird (Timotin 2012 [*110: 165–171, 194– 198]). Der Dialog schließt mit einer Darlegung der platonischen Lehre der zwei Ursachen: einer ra tionalen und göttlichen (welche die Zweck- und die Wirkursache umfasst) und einer notwendigen (welche die Material- und die Instrumentalursache umfasst). Da das Erlöschen der Orakel nicht mit einer Entscheidung der Gottheit in Verbindung gebracht werden kann, hängt es von der Abnahme der Wirkkraft der notwendigen Ursache ab (Donini 1992 [*313], Babut 1994 [*359] und Rescigno 1995 [*238]). Ebenfalls den Orakeln und der Mantik gewidmet ist der Dialog ‹De Pythiae oraculis› (Περὶ τοῦ μὴ χρᾶν νῦν ἔμμετρα τὴν Πυθίαν, ‹Über die nicht mehr metrisch gebundenen Orakel der Pythia›), in dem Plutarch das Problem angeht, weshalb die pythischen Orakel nicht mehr in Versform formuliert werden. Im Verlaufe des Dialogs eröffnen sich interessante Probleme hinsichtlich des Status der Weissagung (Schröder 1990 [*235] und Ferrari 2000 [*371]). Der wichtigste der delphischen Dialoge ist zweifellos ‹De E apud Delphos› (Περὶ τοῦ Ε τοῦ ἐν Δελφοῖς, ‹Über das E in Delphi›), der auch eines der aus philosophischer Sicht anspruchsvollsten Werke Plutarchs darstellt. Die Schrift gibt ein Gespräch wieder, das während der Reise Neros nach Griechenland (66–67 n. Chr.) beim Apollon-Tempel in Delphi stattgefunden hat. Die Gesprächsteilnehmer, die von Ammonios, dem Lehrer Plutarchs, angeführt werden, wollen die Bedeutung des Buchstabens E ergründen, der auf der Stirnseite des Apollon-Tempels angebracht ist. Vor der Abschlussrede des Ammonios, der die Lösung des Rätsels um das E liefert, tragen die anderen Dialogteilnehmer, unter ihnen auch Plutarch selbst (in der Rolle des jungen Schülers des Ammonios), Lösungsvorschläge vor, die unterschiedliche philosophische Standpunkte zum Ausdruck
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bringen, in erster Linie den stoischen (basierend auf der Dialektik und dem hypothetischen Syllogismus) und den pythagoreischen (basierend auf der mathematischen Welterklärung). Die Antwort des Ammonios besteht im Verweis auf die ontologische und theologische Bedeutung des Buchstabens E. Diese beruht auf der Grußformel, mit der sich die Kultanhänger beim Betreten des Tempels an den Gott wenden: Der Buchstabe soll die zweite Person Singular des Verbs Sein bezeichnen (εἶ = du bist), ein Ausdruck, mit dem der Gottheit die absolute ontologische Vollkommenheit zugeschrieben werde. Ammonios setzt dabei das platonische Sein (τὸ ὄντως ὄν) mit der Gottheit (θεός) gleich, womit er eine Position vorwegnimmt, die unter den mittelplatonischen Philosophen weite Verbreitung erlangen sollte (Whittaker 1969 [*322], Donini 1986 [*275: 107–110], Opsomer 2009 [*258: 147–174] und Ferrari 2010 [*300]). In einigen literarisch besonders ausgefeilten Schriften behandelt Plutarch auf indirekte Weise wichtige philosophische Fragen, die innerhalb narrativer, wissenschaftlicher und bisweilen auch ziemlich komplexer mythologischer Zusammenhänge auftauchen. Erwähnenswert unter diesen Schriften ist ‹De facie in orbe lunae› (Περὶ τοῦ ἐν τῇ σελήνῃ φαινομένου προσώπου, ‹Über das im Mond erscheinende Gesicht›), in der – sowohl aus wissenschaftlicher (Optik und Kosmologie) als auch aus mythologischer Perspektive – das Wesen und Aussehen des Mondes behandelt werden (Görgemanns 1970 [*408] und Donini 2011 [*243]). Ebenfalls von großem Interesse ist der ‹Amatorius› (᾿Ερωτικός, ‹[Dialog] über die Liebe›), in dem Plutarch, ausgehend von einer komplizierten Erzählung eines konkreten Ereignisses (eine junge Witwe, die sich in einen noch jüngeren Mann verliebt), das Wesen des Eros diskutiert (Rist 2001 [*417], Görgemanns 2005 [*419], Görgemanns et al. 2006 [*241], Opsomer 2007 [*420]). Sehr vielschichtig präsentiert sich außerdem der Aufbau der Schrift ‹De genio Socratis› (Περὶ Σωκράτους δαιμονίου, ‹Über das Daimonion des Sokrates›), in der die Thematik des sokratischen Daimons mit der Schilderung der Verschwörung der thebanischen Demokraten im Jahr 379 verwoben wird (Donini 2007 [*297] und Timotin 2012 [*110: 244– 259]). Auch die Schrift ‹De sera numinis vindicta› (Περὶ τῶν ὑπὸ τοῦ θείου βραδέως τιμωρουμένων, ‹Über die späten Bestrafungen durch die Gottheit›) enthält zahlreiche Fragestellungen von philosophischer Bedeutung innerhalb eines Dialogs, welcher der Ursache der zeitlichen Verzögerung der göttlichen Strafe gewidmet ist und der daher eine Verteidigung der göttlichen Vorsehung dar-
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stellt (Scholten 2009 [*422]). In der Schrift ‹De superstitione› (Περὶ δεισιδαιμονίας, ‹Über den Aberglauben›) betont Plutarch die Gefahr des Aberglaubens, die sogar noch größer sei als die des Atheismus. Eine besondere Erwähnung verdient der umfangreiche Traktat ‹De Iside et Osiride› (Περὶ Ἴσιδος καὶ Ὀσίριδος, ‹Über Isis und Osiris›), in dem Plutarch zu zeigen beabsichtigt, dass zwischen dem ägyptischen Mythos von Isis und Osiris und der philosophischen Auffassung, die in Platons Dialogen und insbesondere im ‹Timaios› dargelegt wird, zahlreiche Analogien bestehen. Gemäß Plutarch vertreten sowohl die griechische Philosophie (von den Vorsokratikern bis Platon und Aristoteles) als auch der ägyptische Mythos eine dualistische Auffassung, die durch den Gegensatz zwischen einem Prinzip der Ordnung und der Vernunft (Osiris, der Demiurg, die gute Seele) und einem Prinzip der Unordnung (Typhon, die böse Seele) charakterisiert wird (Griffiths 1970 [*234], Vernière 1977 [*355], Brenk 2001 [*372], Richter 2001 [*416], Hirsch-Luipold 2002 [*319: 174–224] und Timotin 2012 [*110: 179–190]). Plutarchs wichtigstes ethisches Werk ist der Traktat ‹De virtute morali› (Περὶ τῆς ἠθικῆς ἀρετῆς, ‹Über die moralische Tugend›), in dem der Autor gegen den psychologischen Monismus und den ethischen Rigorismus der Stoiker polemisiert und die Grundzüge einer dreiteiligen Seelenlehre platonischer Prägung sowie einer auf dem Prinzip der «Kontrolle der Leidenschaften» beruhenden Ethik (μετριοπάθεια; Babut 1969 [*233]) skizziert. Unter den äußerst zahlreichen Schriften zu ethisch-moralischen Themen seien außerdem ‹De tranquillitate animi› (Περὶ εὐθυμίας, ‹Über die Seelenruhe›), ‹De cohibenda ira› (Περὶ ἀοργησίας, ‹Über die Mäßigung des Zorns›), ‹De garrulitate› (Περὶ ἀδολεσχίας, ‹Über die Geschwätzigkeit›), ‹De curiositate› (Περὶ πολυπραγμοσύνης, ‹Über die Neugierde›), ‹De vitioso pudore› (Περὶ δυσωπίας, ‹Über falsche Scham›), ‹De invidia et odio› (Περὶ φθόνου καὶ μίσου, ‹Über Neid und Hass›) und ‹De laude ipsius› (Περὶ τοῦ ἑαυτὸν ἐπαινεῖν ἀνεπιφθό νως, ‹Über unanstößiges Eigenlob›) erwähnt, die alle Anweisungen zur Mäßigung der einzelnen Laster enthalten (Ingenkamp 1971 [*384] und Van Hoof 2010 [*400]). Zahlreich sind ferner die Schriften wissenschaftlichen Inhalts, in denen Bezugnahmen auf bedeutende philosophische Auffassungen erscheinen. Hervorzuheben ist – abgesehen von den ‹Quaestiones convivales› (Συμποσιακά, ‹Themen rund ums Symposion›), einer Sammlung von Tischgesprächen unterschiedlichen Inhalts – ‹De
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primo frigido› (Περὶ τοῦ πρώτως ψυχροῦ, ‹Über das primär Kalte›), in dem die Diskussion des Wesens der Kälte den Verfasser dazu bringt, abschließend die Frage nach der Gültigkeit des skeptisch-akademischen Prinzips der Urteilsenthaltung anzugehen (Donini 1986 [*274: 209–212], Boys-Stones 1997 [*413] und Opsomer 1998 [*41: 213–221]). Der Lamprias-Katalog erwähnt außerdem die Titel zahlreicher weiterer verloren gegangener Schriften, die philosophische Themen behandelten. Zu den interessantesten gehörten wohl: ‹Über die fünfte Substanz› (Περὶ τῆς πέμπτης οὐσίας, n. 44), in der die aristotelische Auffassung des Äthers diskutiert wurde; ‹Einführung über die Seele in drei Büchern› (Περὶ ψυχῆς εἰσαγωγῆς βιβλία γʹ, n. 48), in der möglicherweise die Dreiteilung der Seele vertreten wurde; ‹Über die Einheit der Akademie seit Platon› (Περὶ τοῦ μίαν εἶναι τὴν ἀπὸ τοῦ Πλάτωνος Ἀκαδήμειαν, n. 63), worin Plutarch seine Auffassung der Geschichte des Platonismus skizzierte und gegen jene polemisierte, die den Skeptizismus als der platonischen Tradition vollkommen fremd betrachteten; ‹Über den Unterschied zwischen den Pyrrhoneern und den Akademikern› (Περὶ τῆς διαφορᾶς τῶν Πυρρωνείων καὶ Ἀκαδημαϊκῶν, n. 64), in welcher der moderate Skeptizismus der Akademiker dem radikalen und übertriebenen Skeptizismus der Pyrrhoneer gegenübergestellt wurde; ‹Über Platons Auffassung, die Welt sei entstanden› (Περὶ τοῦ γεγονέναι κατὰ Πλάτωνα τὸν κόσμον, n. 66), in der Plutarch für die wörtliche Auffassung der Weltentstehung des ‹Timaios› argumentierte; ‹Wo die Ideen sind› (Ποῦ εἰσιν αἱ ἰδέαι, n. 67), ‹Wie die Materie an den Ideen teilhat, insofern sie die ersten Körper schafft› (Πῶς ἡ ὕλη τῶν ἰδεῶν μετείληφεν, ὅτι τὰ πρῶτα σώματα ποιεῖ, n. 68) und ‹Über die Materie› (Περὶ ὕλης, n. 185), in denen wahrscheinlich die Konzeption der Materie des ‹Timaios› diskutiert wurde; ‹Über den Leitspruch: ‘Erkenne dich selbst’› (Περὶ τοῦ γνῶθι σαυτόν, n. 177), in der einige Themen, die bereits in ‹De E› behandelt wurden, wieder aufgenommen wurden; ‹Welches ist das höchste Gut nach Platon?› (Τί κατὰ Πλάτωνα τέλος, n. 221), in der die unterschiedlichen Formulierungen des höchsten Gutes, die sich in den platonischen Dialogen finden, diskutiert wurden. Auch einigen der unechten Schriften, die der Tradition nach Plutarch zugeschrieben werden, kommt eine gewisse philosophische Bedeutung zu. Bei ‹De fato› (Περὶ εἱμαρμένης, ‹Über das Schicksal›) handelt es sich um eine interessante Abhandlung zum Thema der εἱμαρμένη, die von zwei unterschiedlichen Perspektiven aus analysiert
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wird: als Substanz (οὐσία) und als Tätigkeit (ἐνέργεια). Als Substanz wird das Fatum mit der Weltseele identifiziert, die in drei Teile unterteilt wird – den unbeweglichen, den «umherirrenden» (planetarischen) und jenen Teil, der sich unterhalb des Himmels in der irdischen Region befindet –, die mit den drei Moiren gleichgesetzt werden: Klotho, Atropos, Lachesis. Wahrscheinlich entspricht diese Einteilung einer Dreiteilung der Wirklichkeit in den intelligiblen Bereich, den Bereich der Sterne und den irdischen Bereich. Als Tätigkeit wird das Fatum mit dem göttlichen und unverletzlichen Gesetz identifiziert, das alle Ereignisse im Universum bestimmt. Das Werk geht die Probleme an, die sich im Zusammenhang mit der Einnahme einer deterministischen Perspektive stellen, und versucht, der individuellen Freiheit wenigstens einen Randbereich zu sichern. Der Autor dürfte wohl ein für aristotelische (und stoische) Einflüsse offener Platoniker der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. gewesen sein (Valgiglio 1993 [*237]). ‹De placitiis philosophorum› (Περὶ τῶν ἀρεσ κόντων φιλοσόφοις φυσικῶν δογμάτων, ‹Über die Lehrmeinungen der Philosophen zur Naturphilosophie›) ist eine doxographische Schrift in fünf Büchern, die sich formal als eine von den ‹Placita› des Aëtios hergeleitete «Zusammenfassung» (ἐπιτομή) darstellt. Sie wurde von Eusebios in den Büchern XIV und XV der ‹Praeparatio evangelica› sowie von Ps.-Galen verwendet und von Qusta Ibn Lûqâ ins Arabische übersetzt; außerdem wurde sie unter anderen von Athenagoras, Irenäus, Ps.-Justin (Markell von Ankyra?), Kyrill von Alexandrien, Theodoret und zahlreichen byzantinischen Autoren verwendet (Mansfeld, Runia 1997 [*414: 121– 195]). Ihre Bedeutung liegt darin, dass sie für die Rekonstruktion der ‹Placita› des Aëtios eine wichtige Rolle spielt. Unklar ist, weshalb diese Schrift Plutarch zugeschrieben wurde: Entweder wurde sie von einem Namensvetter des Autors der ‹Moralia› verfasst und so in dessen Corpus eingefügt oder sie wurde Plutarch zugewiesen mit dem Ziel, ihr ein größeres Ansehen zu geben (Mansfeld, Runia 1997 [*414: 122–125]). Erwähnung verdient schließlich ‹De musica› (Περὶ μουσικῆς, ‹Über die Musik›), ein mit großer Wahrscheinlichkeit apokrypher Dialog, der bedeutenden Einfluss auf die musikalische Tradition der Antike und des Mittelalters ausübte. Diese Schrift enthält reiche historische Informationen und unterstreicht die erzieherische Funktion der Musik aus einer platonisch-pythagoreischen Perspektive (Gamberini 1979 [*409: 143ff.] und Lasserre 1954 [*232]).
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3. LEHRE
1. Allgemeine philosophische Haltung. – 2. Theologie und Ontologie. – 3. Prinzipienlehre und Seelenlehre. – 4. Kosmologie. – 5. Ethik und Politik.
1. Allgemeine philosophische Haltung Wie die meisten Platoniker seiner Zeit war Plutarch davon überzeugt, dass die philosophische Wahrheit bereits in den Werken Platons enthalten sei. Bisweilen werde sie explizit formuliert, in anderen Fällen werde sie in rätselhafter Form geäußert und müsse daher mithilfe der Textexegese deutlich gemacht werden (De Iside 370e–f; De def. or. 420f; dazu Hadot 1987 [*61: 23] und Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 162]). Im Allgemeinen teilt Plutarch mit den anderen mittelplatonischen Philosophen die Überzeugung, dass Platons Denken propositiv, d. h. ‘dogmatisch’, kohärent und systematisch sei. Er schreibt Platon eindeutige Lehren in den Bereichen Metaphysik, Psychologie, Physik, Kosmologie, Ethik, Politik und Logik zu. Um Platons Philosophie zu rekonstruieren, bedient er sich auch Lehren, die von anderen Schulen stammen, insbesondere des Aristotelismus und des Pythagoreismus (Donini 1986 [*274] und 1986 [*275], Ferrari 2000 [*290: 109ff.] und Karamanolis 2006 [*48: 85–126]). Im Unterschied zu vielen Mittelplatonikern versucht er jedoch auch, die skeptisch-akademische Tradition in den Platonismus zu integrieren (Opsomer 1998 [*41: 127–212], Donini 2003 [*1031] und 2007 [*297]). Dies betrifft zwei Elemente: 1) die radikale Kritik an der auf sinnlicher Wahrnehmung beruhenden Erkenntnis, deren Unbeständigkeit keine Form der Festlegung und damit auch der Erkenntnis zulässt (De E 392b–e); diese Einsicht kann einen hervorragenden Ausgangspunkt für den Weg zur Erkenntnis der höheren Sphäre der Realität darstellen, wo sich das wahre Sein und die Gottheit befinden (Bonazzi 2003 [*46: 219–232], Ioppolo 2004 [*293: 308–310] und Ferrari 2005 [*295: 378–384]); 2) die vorsichtige Zurückhaltung (εὐλάβεια) dem Anspruch gegenüber, die Gottheit in vollem Umfang zu erkennen (De sera 549e–f; dazu Donini 2007 [*297: 108f.]). 2. Theologie und Ontologie In der Rede am Ende des Dialogs ‹De E apud Delphos› stellt Ammonios, Plutarchs Lehrer, die Grundlinien der Theologie und der Ontologie dar, von denen auch Plutarchs eigene Überlegungen ihren Ausgangspunkt nehmen (De E 392a–394c = test. 204.2 Dörrie-Baltes; dazu Donini 1986 [*275: 106–110], Brenk 1987 [*357: 269ff.], Ferrari 1995 [*327: 51–62] und 1996 [*329: 382–386], Brenk 2005 [*341: 38–45], Ferrari 2005 [*342: 14–16], Opsomer 2009 [*258: 155–161], Thum 2009 [*423: 245–250] und Ferrari 2010 [*300: 80–84]). Ammonios greift die
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klassische platonische Unterscheidung zwischen dem Bereich des Werdens und dem des Seins wieder auf, wobei er im Vergleich zu Platon den anthropologischen Aspekt dieser Unterscheidung akzentuiert: Er setzt die sterbliche Natur (θνητὴ φύσις), die durch Entstehung und Verderben bestimmt und ohne jegliche Stabilität ist, der Situation gleich, in der sich die Menschen befinden, während das Seiende (τὸ ὄν), das ewig, ungeschaffen, unverderblich und gänzlich der zeitlichen Dimension entzogen ist, den ontologischen Zustand konstituiert, in dem sich Gott (θεός) befindet, der auch ‘Eines’ (ἕν) genannt wird. Auf diese Weise überträgt Ammonios die Eigenschaften des platonischen Seins (die Welt der Ideen) auf die Gottheit, womit er den theologisierenden Ansatz begründet (oder vielleicht von Eudoros übernimmt: Whittaker 1969 [*322]), dem viele Mittelplatoniker folgen sollten (Kenney 1991 [*91: 48ff.], Zambon 2002 [*45: 116–127]; gegen die These einer Abhängigkeit von Eudoros vgl. Pleše 2010 [*345]). Im zweiten Teil seiner Rede identifiziert Ammonios diese Gottheit mit Apollon (verstanden als Ἀ-πόλλων, ‘Un-Viele’, 393c; dazu Dillon 2002 [*375: 225]), womit er die Verbindung zwischen apollinischer Religiosität und platonischer Metaphysik herstellt, die für Plutarchs Denken typisch ist (Moreschini 1996 [*364], Sfameni Gasparro 1996 [*365]). Auch für Plutarch, den treuen Nachfolger des Ammonios (Dillon 2002 [*375: 224]), nimmt die intelligible Realität je nach Kontext die Form Gottes und des Demiurgen-Intellekts an (θεός, δημιουργός), des Seins und der Welt der Ideen (τὸ ὄντως ὄν, τὸ νοητόν, τὸ παράδειγμα, ἡ ἰδέα) sowie des Guten und des Einen (τὸ ἀγαθόν, τὸ ἕν: Schoppe 1994 [*326: 158]). An einigen Stellen scheint Plutarch Gott mit dem Ideenkosmos zu identifizieren und die Ansicht zu vertreten, Gott übernehme die Funktion des Urbilds des Weltganzen und erfülle daher die Rolle der paradigmatischen Ursache (Plat. quaest. 8,4, 1007c–d; De def. or. 435f–436a und De sera 550d; dazu Dörrie 1969 [*269: 524], de Vogel 1983 [*87: 284], Donini 1992 [*324: 104–107] und Helmig 2005 [*343: 14–23]). An anderen Stellen unterscheidet er klar die Wirkursache, die durch den demiurgischen Gott repräsentiert wird, und die paradigmatische Ursache, die durch die Welt der Ideen repräsentiert wird (An. procr. 1023c–d und Symp. 8,2, 720b; dazu Ferrari 1995 [*327: 242–247] und 1996 [*329: 385f.]). Plutarch tendiert indes dazu, den demiurgischen Intellekt, das ideelle Paradigma und die Idee des Guten in einer einzigen Wesenheit zusammenzufassen (Schoppe 1994 [*326: 151–153] und Ferrari 1995 [*327: 233–242]; sehr interessant ist die Darstellung der platonischen Theorie der Ideen in Adv. Col. 1015c–1016c; dazu Schoppe 1994 [*326: 53–57], Ferrari 1995 [*327: 194–198] und Kechagia 2011 [*429: 213–250]). Der intelligible Bereich wird aber nicht nur von Gott (Intellekt und Demiurg) und den Ideen eingenommen, sondern es finden sich darin auch die mathematischen Entitäten (Zahlen, Figuren, Beziehungen und Verhältnisse). Diese können als ‘zweite Intelligibilia’ betrachtet werden (im Unterschied zu den Ideen, den ‘ersten Intelligibilia’, πρῶτα εἴδη: Plat. quaest. 3, 1001c–d). Die mathematischen Entitäten nehmen dabei, wie es scheint, die Rolle von Ordnungsprinzipien wahr, die in der Materie und der Seele präsent sind (An. procr. 1013a–d; 1015e–f; 1023d; 1029e; Symp. 8,2, 720a–c; dazu Ferrari 1995 [*327: 117–171]). Sie sind die «Werkzeuge» (ὄργανα), derer sich Gott der Lehre des ‹Timaios› gemäß sowohl bedient,
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um die vorkosmische, irrationale Seele zu ordnen, als auch um Ordnung und Maß in die präkosmische Materie zu bringen und dadurch dem Körper der Welt seinen Ursprung zu geben. Plutarch unterscheidet also offenbar zwei Stufen des Intelligiblen: eine erste transzendente und abgetrennte Sphäre (bestehend aus den Ideen und der Gottheit) und eine in gewisser Weise in Raum und Zeit verwobene zweite, wenn diese auch ursprünglich dem Bereich des Intelligiblen angehört (De Iside 373a–b; dazu Dillon 21996 [*25: 200–202]). Im Unterschied zu Autoren wie Alkinoos, Numenios und Attikos verzichtet Plutarch, wie es scheint, darauf, die metaphysischen Beziehungen innerhalb der intelligiblen Welt, d. h. die Frage nach dem Verhältnis (Identität oder Abhängigkeit) zwischen dem Guten, dem Demiurgen und den Ideen, sowie die eng damit zusammenhängende Frage nach der Anzahl der Götter (erster, zweiter, dritter Gott) in dogmatischer Form festzulegen (Donini 1994 [*66: 5066]). Dieser Verzicht gründet wohl einerseits in Plutarchs «Vorsicht/Scheu gegenüber dem Gött lichen» (εὐλάβεια πρὸς τὸ θεῖον: De sera 549e = test. 189.1 Dörrie-Baltes), andererseits auf die von der skeptischen Akademie übernommene «Urteilsenthaltung» (ἐποχή; Opsomer 1998 [*41: 179ff.], Donini 2002 [*291: 250f.] und Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 353–358]). Sehr wahrscheinlich unterschied Plutarch nicht zwischen einem ersten, vollkommen transzendenten Gott und einem zweiten, mit dem Demiurgen identischen Gott, wie es Numenios und Alkinoos taten. In seiner Interpretation von Tim. 28c3, wo sich der auf den Ursprung des Universums bezogene Ausdruck ποιητὴς καὶ πατήρ findet, weist er die beiden Bezeichnungen nicht zwei verschiedenen Gottheiten zu (wie es Numenios tun wird), sondern er bezieht sie auf zwei verschiedene Tätigkeiten derselben Gottheit, die sowohl «Urheber» (ποιητής) des Körpers der Welt als auch «Vater» (πατήρ) der Seele ist (Plat. quaest. 2, 1001b–c = test. 202 Dörrie-Baltes; dazu Ferrari 2005 [*342: 18–20], Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 573–580] und Ferrari 2014 [*349: 65–68]). Plutarch unterscheidet nicht zwischen dem Demiurgen des ‹Timaios› und dem Guten des ‹Staats›, die für ihn dieselbe Entität darstellen, und zwar als ontologisches Prinzip wie auch als demiurgisch-providentielle Ursache (Ferrari 1995 [*327: 257–262] und Opsomer 2005 [*99: 87–96]). Zwar finden sich im Abschlussmythos von ‹De facie in orbe lunae› gewisse Hinweise auf eine mögliche Hierarchie im Bereich des Göttlichen, Plutarch vertieft diese Andeutungen aber nicht weiter und sie bleiben auf den Mythos beschränkt (Donini 2011 [*243: 74–84]). Trotz der interpretatorischen Anstrengungen einiger Forscher (Schoppe 1994 [*326: 139–181] und Dillon 2011 [*106: 40 Anm. 28]) überzeugt der Versuch, Plutarch die Auffassung der Ideen als ‘Gedanken Gottes’ zuzuschreiben – eine Formulierung, die sich in keinem seiner überlieferten Werke findet –, nicht (de Vogel 1983 [*87: 284] und Ferrari 1996 [*331: 131–134]). Außerdem scheint Plutarch auch die Idee zurückzuweisen, die üblicherweise mit jener der Ideen als Gedanken Gottes verbunden ist, nämlich die aristotelische Idee des Intellekts, der sich selbst denkt (De def. or. 426d; dazu Donini 1999 [*287: 9], Ferrari 1999 [*333], Karamanolis 2006 [*48: 106ff.]). Wahrscheinlich sah Plutarch einen Widerspruch zwischen der aristotelischen Auffassung des Intellekts, der sich selbst denkt, und der platonischen Lehre der Vorsehung, wie sie in den ‹Gesetzen› dargelegt ist, und wählte
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zwischen diesen beiden Ansichten die zweite. Tatsächlich stellt die «Vorsehung» (πρόνοια) eine der Eigenschaften der Gottheit dar (De Iside 371e; De def. or. 426d, 436d; dazu Opsomer 1997 [*367]); sie zeigt sich vor allem im Umstand, dass Gott die Vorgänge in der Welt kennt (und ebenso die menschlichen Schicksale) und sich ihrer annimmt (De Iside 351c–f; dazu Ferrari 1995 [*327: 21f.]). Diese Vorsehung würde durch einen Gott wie jenen des Aristoteles aufgehoben, der zumindest Plutarch zufolge nur sich selbst denkt und sich nicht für die Welt interessiert. 3. Prinzipienlehre und Seelenlehre Die Grundausrichtung von Plutarchs Philosophie ist von dualistischer Prägung, wie in ‹De Iside et Osiride› deutlich wird (Deuse 1983 [*86: 27–42], Bianchi 1987 [*323], Ferrari 1995 [*327: 74–80], Chlup 2000 [*370: 149ff.] und Dillon 2002 [*375: 229–234]). Das positive Prinzip, das für die Ordnung, die Vernunft und das Gute in der Welt verantwortlich ist, wird von Osiris verkörpert, der in mythologischer Form die Gesamtheit der Elemente der intelligiblen Welt Platons zum Ausdruck bringt. Das negative Prinzip, das für die Unordnung, die Unvernunft und das Böse verantwortlich ist, wird im ägyptischen Mythos von Typhon verkörpert, der die metaphysischen Züge der vorkosmischen, unvernünftigen Seele darstellt. Gemäß Plutarch hat Platon dieses Prinzip in expliziter Form im 10. Buch der ‹Gesetze› dargelegt (896d), wobei er jedoch in unterschiedlicher Weise auch in anderen Dia logen darauf angespielt habe (die «Notwendigkeit», ἀνάγκη, in Tim. 47e–48a; das «die Körper betreffende teilbare Sein», οὐσία μεριστὴ περὶ τὰ σώματα γιγνομένη, in Tim. 35a; die «Unbegrenztheit», τὸ ἄπειρον, in Phil. 23c; das «eingeborene Verlangen», σύμφυτος ἐπιθυμία, in Polit. 272e und 273b). Die umfassendste und eingehendste Behandlung der vorkosmischen, irrationalen Seele, von Plutarch «Seele an sich» genannt, befindet sich in ‹De animae procreatione› (ψυχὴ καθ’ αὑτήν: An. procr. 1014e; vgl. Deuse 1983 [*86: 42–45], Baltes 2000 [*335: 248–251]). Hier versucht Plutarch nachzuweisen, dass das die Körper betreffende teilbare Sein, das eines der zentralen Bestandteile der Weltseele in Tim. 35a darstellt, nichts anderes sei als die vorkosmische Urseele, d. h. die Seele an sich: Es handelt sich dabei um eine Seele bar jeglicher Vernunft und Einsicht (ἄνους ψυχή), ewig, immer in Bewegung und selbst Ursache von ungeordneter und vernunftloser Bewegung (An. procr. 1014d–1017b; dazu Deuse 1983 [*86: 13–27], Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 399–407] und Ferrari 2010/11 [*346: 22–30]). Der Irrtum einiger Philosophen (unter ihnen vielleicht auch einige Platoniker) bestehe darin, dass sie in der «Materie» (ὕλη) die Ursache des Bösen sähen (während die Stoiker Gefahr liefen, das Vorhandensein des Bösen unerklärt zu lassen). Die Materie ist jedoch «ohne Beschaffenheit» (ἄποιος) und kann daher keine Ursache für die Entstehung von Unordnung und Bösem sein (Dillon 2002 [*375: 233–236]). Für Plutarch sind Materie (unbestimmt und wertfrei) und die vorkosmische, ir rationale Seele (Ursache der Unordnung) ewige und seit jeher interdependente Prinzipien (Plat. quaest. 4, 1003a), d. h. sie lassen sich nur aus logisch-metaphy sischer, nicht aber aus zeitlicher Perspektive voneinander unterscheiden.
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Der Kosmos bildet also nach Plutarch den Ort, an dem zwei gegnerische, unversöhnliche Prinzipien aufeinanderprallen. Diese sind jedoch nicht gleichwertig, da das Gute, d. h. Ordnung und Vernunft, eine gewisse Vormachtstellung (κράτος: De Iside 371a–b) innehat. Plutarch übernimmt diese Auffassung aus Tim. 47e– 48a, wo sich die «Notwendigkeit» (ἀνάγκη) vom «Intellekt» (νοῦς) überzeugen lässt. Doch hat er selbst möglicherweise diese Lehre in vertiefter Weise weiterentwickelt und ist schließlich zur hypothetischen Annahme einer präkosmischen oder einer «ersten Entstehung» (πρώτη γένεσις: De Iside 373b–c) gelangt, in der sich bereits «Spuren des Intelligiblen» fänden (ἴχνη τοῦ νοητοῦ), die dann die eigentliche Entstehung des Kosmos in Richtung des Guten gelenkt hätten (Ferrari 1996 [*330], Rescigno 1997 [*332: 57–66]; vgl. dagegen jedoch Castelnérac 2007 [*395: 160 Anm. 37]). Im Allgemeinen legt Plutarch in der Darlegung seiner eigenen Auffassung der Prinzipien eine gewisse Flexibilität an den Tag, er erweist sich jedoch nie als in sich widersprüchlich. Bisweilen gibt er die traditionellere mittelplatonische Variante wieder (Gott, Ideen und Materie: Symp. 8,2, 720a–c = test. 110.1 Dörrie-Baltes); in anderen Fällen greift er auf seine eigene Theorie der Prinzipien zurück (Gott, Materie, vorkosmische Seele: An. procr. 1015a–b = test. 114.1 Dörrie-Baltes; De Iside 370e–371a = test. 114.2 Dörrie-Baltes); in wieder anderen Fällen präsentiert er eine dualistische Prinzipienlehre, in der nur Gott als Wirk- und Vernunftursache und die Materie als Instrumental- und Materialursache in Erscheinung treten (De def. or. 435f–436f). Es finden sich sogar Hinweise auf die platonisch-akademische Auffassung der zwei Prinzipien des Einen (oder der Monade) und der Unbestimmten Zweiheit (An. procr. 1024d = test. 120.4 Dörrie-Baltes; De def. or. 428f–429a = test. 120.3 Dörrie-Baltes). Plutarch scheint dabei die vollständige Kette der positiven und negativen Ursachen auf diese zwei Prinzipien zurückführen zu wollen, und bisweilen erweckt er den Eindruck, als setze er das Eine mit dem demiurgischen Intellekt und die Zweiheit mit der vorkosmischen Seele gleich (Opsomer 2007 [*344: 379–383]). Aber auch in diesem Fall wäre es verfehlt, ihm eine allzu sehr auf Systematik zielende Intention zuzuschreiben. In den Mythen in ‹De genio Socratis› und in ‹De facie in orbe lunae› wird eine umfassende Beschreibung der Struktur der Realität vorgelegt, die einen stark hierarchischen Charakter aufweist. Plutarch präsentiert in Form eines Mythos – möglicherweise im Sinne eines ‘Gedankenexperiments’ – eine dreiteilige Konzeption: Die oberste Sphäre ist diejenige des Intelligiblen, die mittlere wird vom Himmel und den Sternen eingenommen, und die dritte Stufe entspricht der sinnlichen Realität, d. h. der sublunaren Welt. Im Mythos in ‹De facie›, in dem die Dreiteilung zudem eine offensichtliche anthropologische Bedeutung bekommt, wird 1) die transzendente und intelligible Stufe durch den Intellekt (νοῦς) und die Sonne repräsentiert, 2) die Sphäre der Sterne durch die Seele (ψυχή) und den Mond, während 3) der Körper (σῶμα) für die irdische Welt steht (De facie 943a–f). In diesem wie auch in anderen Kontexten scheint Plutarch den Unterschied zwischen Seele und Intellekt zu betonen, wobei er so weit geht, dass er letzteren zu einem eigenen und von der Seele unabhängigen metaphysischen Prinzip macht (Bos 2001 [*337: 58–60], Dillon 2001 [*338]).
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In ‹De genio Socratis› ist die Unterteilung komplexer, sie lässt sich aber wohl ebenfalls auf drei grundsätzliche Bereiche reduzieren: 1) den transzendenten und abgetrennten, dargestellt durch das Prinzip des Lebens (ζωή) – möglicherweise ein Analogon zum «intelligiblen Lebewesen» (ζῷον νοητόν) in Tim. 30c, 37d, 39e – und der Monade, 2) den mathematisch-astronomischen, dargestellt durch das Prinzip der Bewegung (κίνησις), und 3) den irdischen, der den Prinzipien der Entstehung und des Vergehens unterliegt (Gen. Socr. 591b–c; dazu Krämer 1964 [*82: 98 Anm. 250], Deuse 1983 [*86: 45–47], Ferrari 1995 [*327: 173–183], Dillon 21996 [*25: 214–216], Alesse 2001 [*336], Dillon 2001 [*338: 37–42]). Eine beachtliche Bedeutung kommt im plutarchischen Denken den Dämonen zu, wobei es indes nicht leicht fällt, eine kohärente und systematische Theorie derselben auszumachen. Plutarch spricht oft von den Dämonen, sei es innerhalb von mythologischen Darstellungen oder im Kontext von argumentativen und diskursiven Partien (Def. orac. 415aff.; De Iside 360d–363d). Bisweilen nehmen die Dämonen den Charakter von Mittelwesen ein, die zwischen den Menschen und den Göttern verortet sind und als Vermittler zwischen diesen beiden Bereichen dienen (vgl. Plat. Symp. 202d–203a; Def. orac. 416e–f). Da die Dämonen sterblich und den Affekten unterworfen sind, können ihnen Handlungen zugeschrieben werden, die mit der göttlichen Natur unvereinbar wären (Def. orac. 417a–c). Die Dämonen sind auch verantwortlich für die Reduktion und das fortschreitende Verschwinden der Orakel (Def. orac. 418c–d; dazu Timotin 2012 [*110: 194–198]). In anderen Fällen, insbesondere in eschatologischen Mythen, versteht Plutarch die Dämonen als Seelen, die entweder im Begriff sind, sich in einen Körper zu inkarnieren, oder den Abschluss einer Zeitspanne erreicht haben, in der sie inkarniert gewesen waren. Im zweiten Fall können die Dämonen sowohl gut als auch böse und für schreckliches Unheil verantwortlich sein. In ersterem Fall – den Dämonen als Zwischen-Wesenheiten – scheint Plutarch eine ‘statische’ Theorie zu vertreten, während er im zweiten Fall eine ‘dynamische’ Auffassung vorlegt (Soury 1942 [*354], Brenk 1987 [*357: 275–294], Babut 1994 [*359] und Dillon 21996 [*25: 216–221]). 4. Kosmologie Das Problem, wie die Entstehung der Welt nach Platons ‹Timaios› zu deuten ist, stellt eines der Themen dar, die Plutarch ganz besonders am Herzen lagen. Dieser Frage widmete er eine ganze Schrift (Περὶ τοῦ γεγονέναι κατὰ Πλάτωνα τὸν κόσμον: n. 66 Lamprias-Katalog), die jedoch verloren ging. Plutarchs Aussagen in anderen Schriften (v. a. in An. procr. 1013d–1017c; Plat. quaest. 4, 1002e– 1003b und 8, 1007d) vermitteln gleichwohl eine recht klare Vorstellung seiner diesbezüglichen Position. Plutarch räumt ein, dass seine Auffassung in radikalem Gegensatz steht zu der unter den Platonikern am weitesten verbreiteten, die wie Xenokrates, Krantor und Eudoros die Worte Platons über die Weltentstehung im metaphorischen Sinne auffassten. Für Plutarch dagegen stellt die Entstehung des Universums ein reales und
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einmaliges Ereignis dar, das nicht im Sinne einer Metapher aufgefasst werden darf. Vor der Entstehung des Universums existierten drei Prinzipien, Gott-Sein, Materie-Raum und die vorkosmische, irrationale Seele (so interpretiert Plutarch die Passage in Tim. 52d, in der er die γένεσις mit der vorkosmischen Seele identifiziert: An. procr. 1024c; dazu Ferrari 2010/11 [*346: 27f.]). Die Entstehung der Welt verdankt sich einem kosmopoietischen Akt des Demiurgen, der Prinzipien der Ordnung und des Maßes einführt und die Materie zum Weltkörper und die irrationale Seele zur Weltseele umgestaltet. Um diese Auffassung zu stützen, kann Plutarch eine Reihe von platonischen Passagen zitieren, in denen festgehalten ist, die Welt sei entstanden (γεγονώς und γενητός), während Platon nie behauptete, sie sei ewig und ungeschaffen. Darüber hinaus erlaubt die wörtliche Auffassung, nach Plutarch, die Auflösung einiger scheinbarer Widersprüche in Platons Aussagen. In den Dialogen liest man sowohl, die Seele sei ungeschaffen (Phdr. 245c–246a), als auch, sie sei geschaffen (Tim. 34c; 37a); dieser Widerspruch verschwindet, wenn sich diese Aussagen nicht auf dieselbe Entität, sondern auf zwei verschiedene Entitäten beziehen, nämlich eine vorkosmische (die Seele an sich, die ewig und ungeschaffen ist) und eine kosmische (die Weltseele, die vom Demiurgen geschaffen wurde). Dieselbe Überlegung lässt sich auf den Weltkörper anwenden: Aus einer ewigen Materie hat Gott den geordneten Weltkörper hervorgebracht. Gott ist daher weder für die Körperlichkeit noch für die Beseeltheit verantwortlich, sondern für die Ordnung und das Maß, durch die sich Weltkörper und -seele auszeichnen (An. procr. 1016a–1017b; Baltes 1976 [*83: I 38–45], Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 406–414]). In Symp. 8,2, 720a–c (= test. 110.1 Dörrie-Baltes) präsentiert Plutarch eine etwas komplexere kosmologische Theorie, die jedoch den Prinzipien der wört lichen Auslegung des ‹Timaios› treu bleibt. Er unterstreicht, dass Gott die unbestimmte Materie ordne, und zwar durch einen einzigen Akt, der in der Einführung von Zahlen, Formen und Verhältnissen besteht. Dann fügt er jedoch hinzu, Gott «bewahre für alle Zeiten» (φυλάττει διὰ παντός) die Natur des Kosmos, die materiell mit der ὕλη identisch sei und formal dem idealen Vorbild gleiche. Obwohl nach Plutarch das Universum seine Entstehung einem einzigen demiurgischen Akt verdankt, nimmt er auf diese Weise eine gewisse Form der ‘creatio continua’ an, da er Gott auch eine beständige und fortdauernde Handlung zuschreibt (Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 360–365]). 5. Ethik und Politik Ethische Themen durchdringen die gesamten ‹Moralia› und sind auch in den ‹Biographien› reichlich vorhanden (Nikolaidis 2008 [*257]). Sehr oft bedient sich Plutarch einer moralisierenden Topik, die in der kynisch-stoischen Diatribe recht weit verbreitet ist: Kritik der Leidenschaften; Ermutigungen, das Gute für die Seele demjenigen für den Körper vorzuziehen; allgemeines Lob der Tugenden und des Weisen. Es handelt sich um ein allgemeines Repertoire, das einige offenkundige Zugeständnisse an stoische Positionen mit sich bringt. Wenn Plutarch jedoch ethi-
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sche Fragestellungen aus einer im engeren Sinne philosophischen Perspektive angeht, ist seine Haltung bei weitem klarer, und seine Kritik an der stoischen Ethik und Psychologie erweist sich als äußerst scharf (Babut 1969 [*268: 318–366]). Die wichtigste ethische Schrift Plutarchs ist ‹De virtute morali›, die zugleich als eines der bedeutendsten Zeugnisse der mittelplatonischen Ethik betrachtet werden kann. Plutarch greift darin auf die aristotelische Unterscheidung zwischen ethischer und dianoetischer Tugend zurück und versteht die ethische Tugend als durch zwei Elemente bestimmt: die «Leidenschaft» (πάθος), welche die Materie darstellt, und den Logos, der für die Form steht (Virt. mor. 440d; Bellanti 2003 [*390: 5ff.]). Daher polemisiert er gegen den psychologischen Monismus der Stoa, dem er in platonischer Tradition eine zweiteilige (Vernunft/Unvernunft) oder dreiteilige Auffassung der Seele entgegenstellt (Virt. mor. 441c–442a), die er jedoch um zahlreiche Beigaben aristotelischer Prägung erweitert (Karamanolis 2006 [*48: 115–123]). Tatsächlich dürfte bereits die Erfahrung, die jeder bei sich selbst mache, beweisen, dass die Seele keine monolithische, einheitliche Entität darstelle, sondern dass sie vielgliedrig und komplex sei, da es kein Denken gebe, das gänzlich frei von emotionalen Aspekten sei, so wie es ebenfalls keine Leidenschaft gebe, die vollständig ohne Denken und Abwägen auskomme (An. procr. 1025c–d; Castelnérac 2007 [*395: 155f.]). Plutarch führt das Vorhandensein eines irrationalen und leidenschaftlichen Bestandteils im Innern der menschlichen Seele auf ihren kosmisch-metaphysischen Ursprung, d. h. auf die Weltseele, zurück, deren Zusammensetzung eine irrationale Grundlage mit einschließt, die in der Seele an sich, d. h. in der vorkosmischen, bösen Seele besteht (die menschliche Seele ist ein «Teil oder ein Abbild», μέρος ἤ τι μίμημα, der Weltseele und umfasst daher dieselben Bestandteile wie letztere: Opsomer 1994 [*325: 41–45], Baltes 2000 [*335: 253–259]). Wenn die Leidenschaften auf das Vorhandensein eines irrationalen Bestandteils verweisen, der zum Innersten der Seele gehört – ein irrationaler Bestandteil, der zwei Aspekte aufweist, einen aufbrausenden (θυμοειδές) und einen begehrenden (ἐπιθυμητικόν) –, bedeutet dies, dass sie nicht vollständig ausgemerzt und beseitigt, sondern nur gemäßigt und unter Kontrolle gehalten werden können. Bei dieser Auffassung handelt es sich um die μετριοπάθεια («Kontrolle und Mäßigung der Leidenschaften»), die einen der Angelpunkte der mittelplatonischen Ethik darstellt. Plutarch fügt hinzu, dass die vollständige Eliminierung der Leidenschaften (πάθη) nicht nur unmöglich, sondern geradezu schädlich sei, da dies die Vernunft schwächen und sie nahezu zur Tatenlosigkeit verurteilen würde, nach der Art eines Steuermanns, dem der Wind abhandengekommen sei (Virt. mor. 452a– d; dazu Opsomer 2007 [*420: 153–159] und Ferrari 2008 [*397: 153–157]). Die menschliche Tugend besteht also in einer beständigen Anstrengung, durch die Auferlegung von Ordnung und Maß mittels der Vernunft die eigenen Leidenschaften zu zügeln (Virt. mor. 444b–c) – ein Verfahren, das in analoger Weise von der Gottheit auf das ungeordnete und irrationale psychisch-materielle Substrat der Welt angewandt wurde. Im Unterschied zu Aristoteles, der die Tugend als einen «erworbenen Habitus» (ἕξις) betrachtete, beschreibt sie Plutarch als eine auf den Bereich der Leidenschaften bezogene Bewegung und Fähigkeit (κίνησις καὶ δύναμις: Virt. mor. 444f.).
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Viele Schriften der ‹Moralia› setzen den oben beschriebenen theoretischen Rahmen voraus. Plutarch nimmt sich vor, eine Reihe von Regeln und Denkanstößen zur Kontrolle der wichtigsten Leidenschaften und zur Verbesserung des Individuums zu geben. Er hat nicht die Absicht, einen alternativen Lebensstil aufzuzeigen, will also nicht die menschliche Grundhaltung der Individuen ändern, sondern schlägt eine Art ‘Heilung der Seele’ vor, die eine Verbesserung der Menschen ermöglicht, ohne den Anspruch zu erheben, die Menschen perfekt machen zu können (Ingenkamp 1971 [*384: 7–13] und Van Hoof 2010 [*400: 19–65]). Die Therapie Plutarchs bewegt sich innerhalb folgender Grundsätze: 1) Die Leidenschaften können nicht ausgelöscht, sondern nur gemäßigt werden. 2) Im Gegensatz zur Ansicht der Stoiker gibt es einen «Fortschritt» (προκοπή) beim Tugenderwerb und dieser Fortschritt wird durch das Vorhandensein bestimmter Anzeichen signalisiert (Prof. virt. 75b–76e; dazu Wright 2008 [*398]). 3) Die Behandlung der Leidenschaften sieht die Zusammenarbeit von rationalen und nicht-rationalen Faktoren, wie der «Gewohnheit» (ἔθος, ἐθισμός) und der «Übung» (ἄσκησις), vor. In Garrul. 510c–d bezeichnet Plutarch das «Urteil» (κρίσις), d. h. das Erkennen der verdorbenen Natur einer Leidenschaft, und die Übung als die zwei fundamentalen «Heilmittel» (φάρμακα) gegen die Leidenschaften (Van Hoof 2010 [*400: 60]). Im Allgemeinen halten sich die moralischen Schriften Plutarchs an dieses Schema: Sobald man zu einem negativen Urteil über eine bestimmte Leidenschaft gekommen ist, müssen eine Reihe von äußeren Verhaltensweisen durchgeführt werden, um diese «Leidenschaft» (πάθος) vom betreffenden Individuum fernzuhalten. Mit der heiklen Frage nach der Bedeutung der körperlichen und äußeren Güter im Hinblick auf die Erreichung der Glückseligkeit setzt sich Plutarch nicht explizit auseinander, aber die Tatsache, dass er Chrysipp deswegen kritisiert, weil jener sie nicht als wesentlichen Bestandteil des Glücks betrachtet habe, lässt darauf schließen, dass sie für ihn – wie für Aristoteles – einen fundamentalen Bestandteil der εὐδαιμονία darstellten. Das höchste Ziel (τέλος) besteht für Plutarch in der Angleichung an Gott (ὁμοίωσις τῷ θεῷ), also darin, der Gottheit ähnlich zu werden (Becchi 1996 [*389]). Diese Auffassung kommt in expliziter Form in ‹De sera numinis vindicta› 550d zum Ausdruck, wo Plutarch behauptet, dass «der Gott, indem er sich in die Mitte stellt als ein Vorbild aller vollkommenen Dinge, die menschliche Tugend, die eine gewisse Angleichung ist an ihn, denjenigen eingibt, die imstande sind, Gott zu folgen» (Ferrari 1995 [*327: 239–241], Dillon 21996 [*25: 192f.] und Helmig 2005 [*343]). So gesehen entwickelt Plutarch eine Art ‘politische Theologie’, da er Gott als Modell für den Menschen betrachtet, sei es in ethischer, sei es in politischer Hinsicht (Bonazzi 2012 [*401: 149–153]). Im Bereich der Politik nimmt Plutarch einige platonische Elemente auf, wobei er jedoch deren utopische und revolutionäre Tragweite zugunsten eines moderaten, der römischen Macht sehr wohlgesinnten Konservatismus einschränkt. Er polemisiert heftig gegen die epikureische Idee des Lebens in Zurückgezogenheit (Adv. Col. 1125cff.; ‹Non posse suaviter vivi secundum Epicurum› und vor allem ‹De latenter vivendo›; dazu Roskam 2007 [*421]) und betrachtet die Rolle des
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Staatsmanns als die edelste Beschäftigung (An seni rep. 786b). Für Plutarch ist das «theoretische Leben» (βίος θεωρητικός) nicht eine Form von Gelehrtenleben, sondern besteht in der richtigen Verbindung von Theorie und Praxis: Die wahre Theorie muss imstande sein, in der Praxis Orientierung zu bieten. Die Figur des Sokrates ist ein Beispiel für eine solche Einheit (An seni rep. 796c–d). Außerdem zeigt er eine deutliche Vorliebe für die Monarchie gegenüber den anderen Regierungsformen (De unius in re publica domin. 827b) und nimmt dabei die unter den Stoikern verbreitete Auffassung auf, wonach die Monarchie gewissermaßen ein Abbild der Herrschaft Gottes über das Universum darstelle (Ad princ. iner. 780e; Gallo, Scardigli 1995 [*387], Dillon 21996 [*25: 198], Bonazzi 2007 [*177]). 4. NACHWIRKUNG
Plutarch gehört zu den antiken Autoren, die einen besonders dauerhaften influss auf die Nachwelt ausgeübt haben. Dies gilt in erster Linie für die ‹ParallelE biographien›, aber auch die ‹Moralia› haben eine bedeutende Nachwirkung entwickelt und Dichter, Dramaturgen, Philosophen, Theologen, Politiker, Wissenschaftler, Maler und Musiker inspiriert. Plutarch erfreute sich einer gewissen Bekanntheit bei den Neuplatonikern, die ihn größtenteils durch Porphyrios kannten (Zambon 2002 [*45: 47–127]). Es fehlen auch nicht Erwähnungen von Plutarch bei den christlichen Autoren (Frazier 2012 [*259: 1172–1175]). Während die Werke Plutarchs im Mittelalter ein Schattendasein fristeten, änderte sich die Situation mit dem Aufkommen des Humanismus und der Renaissance grundlegend, und zwar nicht zuletzt dank zahlreicher Übersetzungen. Zu erwähnen sind auf der einen Seite Übersetzungen ins Lateinische, die durch berühmte Humanisten wie Erasmus von Rotterdam (1466–1536), Guillaume Budé (1467–1540), Angelo Poliziano (1454–1494) und Henri Estienne (1528–1598) angefertigt worden sind. Ebenfalls seit Beginn des Humanismus machte die Veröffentlichung von nationalsprachlichen Übersetzungen die plutarchischen Texte zudem unmittelbar zugänglich, so dass sie zu einem Kulturerbe gesamteuropäischer Dimension wurden. In diesem Verbreitungsprozess spielt die ‘versio gallica’ des französischen Bischofs Jacques Amyot (1515–1593) eine herausragende Rolle (‹Les Vies des hommes illustres› wurden 1559 veröffentlicht, ‹Les Oeuvres morales› 1572). Amyots Übersetzung bildet den Bezugspunkt für Michel de Montaignes (1533–1592) Lektüre der Werke Plutarchs, der sich bei der Abfassung seiner ‹Essais› von den ‹Moralia› anregen ließ (Gallo 1998 [*433] und Frazier 2012 [*259: 1178–1182]). An Amyots Übersetzung orientierte sich auch Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), der den ‹Moralia› seine Nachrichten und Unterweisungen über die antiken Staatswesen sowie deren bürgerliches und politisches Leben, insbesondere über Sparta, entnahm. Rousseau ließ außerdem einige pädagogische Ideen Plutarchs in seinen ‹Émile› einfließen. Die Wirkung von Amyots Übersetzung reichte über die Grenzen Frankreichs hinaus und erstreckte sich bis nach England (seine Übersetzung wurde 1579 ins Englische übertragen). Shakespeare kannte die
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
‹Moralia› möglicherweise in der englischen Übersetzung, die 1603 von Philemon Holland (1552–1637) veröffentlicht wurde, oder aber auf indirektem Weg über Montaignes ‹Essais›, die ebenfalls ins Englische übersetzt worden waren. In Spanien datiert die erste Übersetzung der ‹Moralia› ins Katalanische aus dem 16. Jahrhundert und wird Diego Gracián de Alderete (1510–1600) verdankt, dem Sekretär König Karls V., der zusammen mit Francisco de Enzinas eine herausragende Rolle für Kenntnis und Verbreitung der plutarchischen Werke im spanischen Humanismus gespielt hat. Möglicherweise in der Übersetzung Graciáns wurden die ‹Moralia› auch von Miguel de Cervantes (1547–1616), dem Autor des ‹Don Quijote›, gelesen. In Deutschland muss man dagegen bis ins 18. Jahrhundert warten für eine erste Übersetzung der Schriften Plutarchs: Diese wird Johann Friedrich Salomon Kaltwasser (1752–1813) verdankt. Plutarchs ‹Biographien› wurden von Goethe, Schiller, Beethoven und Nietzsche gelesen und geschätzt, wobei letzterer auch eine gewisse Kenntnis der ‹Moralia› an den Tag legt, denen er beispielsweise einige Anekdoten aus dem Leben und der Lehre des Kynikers Diogenes verdankt. Die erste italienische Übersetzung der plutarchischen Schriften von Marcello Adriani (1464–1521) erschien erst im 19. Jahrhundert im Druck (die ‹Moralia› wurden 1819 publiziert). Das Fehlen eines ‘italienischen’ Plutarch verhinderte jedoch keineswegs, dass Autoren wie Machiavelli (1469–1527), Torquato Tasso (1544–1595; dazu Volpe Cacciatore 2004 [*434: 79–98]), Vittorio Alfieri (1749–1803) und Giacomo Leopardi (1798–1837) von ihm Kenntnis hatten. Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 53. Theon von Smyrna Franco Ferrari
1. Leben und Werk. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND WERK
Eine auf die Zeit des Kaisers Hadrian zurückgehende Büste, die in Smyrna g efunden wurde, trägt die Widmung eines gewissen Priesters namens Theon an seinen Vater «Theon, den platonischen Philosophen» (Θέωνα, Πλατωνικὸν φιλό σοφον: IGR IV 1449; Petrucci 2009 [*453: 296 Anm. 8]). Gemeint ist mit Sicher-
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heit Theon von Smyrna, der Verfasser der ‹Expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium› (Τῶν κατὰ τὸ μαθηματικὸν χρησίμων εἰς τὴν Πλάτω νος ἀνάγνωσιν, ‹Darlegung des mathematischen Wissens, das für die Lektüre Platons nützlich ist›). Theon lebte und lehrte in Smyrna zwischen dem Ende des 1. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Er kannte das Werk des Thrasyllos, des Hofastrologen des Kaisers Tiberius (1. Jh. v. Chr. – 1. Jh. n. Chr.), und jenes des Aristotelikers Adrastos von Aphrodisias (Anfang 2. Jh. n. Chr.), dessen Zeitgenosse er war. Dass er hingegen nirgends Ptolemaios’ ‹Almagest› erwähnt (zweite Hälfte 2. Jh. n. Chr.), dürfte mit dem wenig fachmännischen Charakter seiner Abhandlung zusammenhängen (es fehlen direkte Bezugnahmen auf wichtige Vorläufer der Astronomie wie z. B. Apollonios und Hipparchos). Dieser passt schlecht zur Komplexität von Ptolemaios’ Werk, so dass letzteres auch bewusst beiseite gelassen worden sein könnte (Petrucci 2009 [*453: 296f.] und 2012 [*440: 10f.]). Auf jeden Fall scheint Theons zeitliche Verortung um das Ende des 1. und den Beginn des 2. Jahrhunderts ziemlich sicher. Von Theon ist nur ein einziges Werk überliefert, die ‹Expositio›. Aufgrund einer darin enthaltenen Äußerung ist aber anzunehmen, dass er auch einen Kommentar (ὑπομνήματα) zu Platons ‹Staat› verfasst hat (Exp. rer. math. 146,3–4 Hiller). Wahrscheinlich beschränkte sich dieser auf das 10. Buch oder wahrschein licher auf den Mythos von Er, auch wenn nicht vollständig auszuschließen ist, dass das Werk der Kommentierung der mathematischen (und astronomischen) Abschnitte im ‹Staat› gewidmet war (Petrucci 2009 [*453: 300f.]). Als komplizierter erweist sich die Frage, ob die Schrift ‹De Platonis lectionis ordine et de inscriptionibus librorum quos composuit› (‹Über die Reihenfolge bei der Lektüre Platons und die Titel der von ihm verfassten Bücher›) Theon zugeschrieben werden kann, was aufgrund einer Anspielung im ‹Kitāb al-Fihrist› von Ibn an-Nadīm versucht wurde (Rosenthal, Walzer 1943 [*446: XVf.], Dodge 1970 [*448: 592f.]), sich aber letzlich als schlecht begründet erweist (Petrucci 2009 [*453: 299 Anm. 18] und 2012 [*440: 12–15]). Der arabische Verfasser scheint Theon die Erstellung einer Lektüre-Ordnung der platonischen Dialoge zuzuschreiben, woraus einige Forscher schlossen, Theon habe die tetralogische Ordnung des Thrasyllos übernommen, an der er einige Änderungen vorgenommen habe (Tarrant 1993 [*215: 58–72]). In dieser Ordnung fehlt jedoch die ‹Epinomis›, die in Theons Darstellung des Platonismus in der ‹Expositio› eine herausragende Rolle spielt. Natürlich lässt sich nicht ohne Weiteres ausschließen, dass Theon einen solchen Katalog, der auch die Lektüre-Ordnung der Dialoge enthielt, verfasst, und ebensowenig, dass er diesen zum Teil von Thrasyllos übernommen hat (den er offenkundig kannte), doch bleibt die Annahme reichlich zweifelhaft. Die ‹Expositio› ist durch zahlreiche Handschriften überliefert, die sich auf zwei Hauptstränge zurückführen lassen, von denen jeder nur einen Teil des Werks enthält: Marc. 307 (11.–12. Jh.) umfasst die Einleitung, den arithmetischen und den musikalischen Abschnitt (ff. 1–119), während Marc. 303 (14.–15. Jh.) den astronomischen Teil (ff. 120–205) enthält. Es scheint keine zwingenden Gründe für die Annahme zu geben, dass das Werk unvollständig auf uns gekommen sei (Petrucci 2009 [*453: 306–310]).
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
2. LEHRE
Die Rekonstruktion von Theons philosophischer Position stützt sich auf seine einzige verbliebene Schrift. Dabei besteht ein Hauptproblem in der Unterscheidung der Position Theons von der seiner Vorlagen, d. h. in erster Linie des Thrasyllos (Exp. rer. math. 47,18; 85,8; 87,8; 93,8; 205,5 Hiller) und des Adrastos von Aphrodisias: Die Abhängigkeit Theons von Adrastos betrifft ebenso den arithmetisch- musikalischen Abschnitt (49,6–57,10; 61,20–66,18 Hiller) wie den astronomischen Abschnitt (120,1–198,9 Hiller; zur Abhängigkeit Theons von Adrastos vgl. Petrucci 2012 [*454]). Bei der von Theon benutzten Schrift des Adrastos handelt es sich um einen ‹Kommentar zum Timaios› (῾Υπομνήματα εἰς τὸν Τίμαιον), wie sich einer Äußerung des Porphyrios entnehmen lässt (In Harm. 96,1–6 Döring), der einen Abschnitt aus Adrastos wiedergibt, der mit Exp. rer. math. 50,22–51,4 Hiller identisch ist (Ferrari 2000 [*70: 183]). Es ist allerdings wahrscheinlich, dass Theon da, wo er den Text seiner Quelle umfassend wiedergibt, die berichteten Auffassungen weitestgehend teilt, so dass sich daraus auch seine Lehre in den großen Zügen ableiten lässt. Die ‹Expositio› präsentiert sich als eine grundlegende Einführungsschrift mit dem Ziel, eine Reihe von Begriffen darzulegen, die für das Verständnis der mathematischen Partien der platonischen Dialoge (Mansfeld 1998 [*918: 4f.]) und insbesondere des ‹Timaios› zentrale Bedeutung haben. Es handelt sich also nicht um ein technisches Handbuch zur Mathematik, sondern um eine exegetische Schrift (Petrucci 2009 [*453: 323–326] und 2012 [*440: 43–62]). Trotz seiner Äußerungen zu Beginn des Werks scheint die Mathematik für Theon, anders als für Platon, keine propädeutische oder einführende Rolle hinsichtlich eines Wissens (Dialektik) und übergeordneter Gegenstände (Ideen) zu spielen. In dieser Hinsicht zeigt der beständige Verweis auf die göttliche Natur der Mathematik, die den Höhepunkt des Wissens darstellt, bemerkenswerte Übereinstimmungen mit der ‹Epinomis›, die Theon tatsächlich auch häufig zitiert. Die Schrift gliedert sich in drei Hauptteile und eine kurze Einleitung, in der die Bedeutung und der Nutzen der Mathematik für die höchsten Stufen der platonischen Philosophie erläutert wird (1,1–17,24 Hiller). Der erste Teil ist der Arithmetik gewidmet und besteht in einer Untersuchung des Wesens der Zahl im Allgemeinen und ihres Prinzips, des Einen (der Monade), sowie in der Darlegung der Eigentümlichkeiten der unterschiedlichen Arten von Zahlen (17,25–46,19 Hiller). Der zweite Teil ist der Musiktheorie gewidmet und besteht in einer vertieften Untersuchung der numerischen Verhältnisse, welche die wichtigsten musikalischen Harmonien hervorbringen (46,20–119,21 Hiller). Der dritte Teil schließlich handelt von der Astronomie und besteht in einer Darlegung der allgemeinen Grundlagen dieser Wissenschaft, die vom ‹Timaios› ausgeht und – wo nötig – auf den neuesten Stand gebracht und bereichert wird (120,1–205,6 Hiller). Die philosophische Bedeutung des Einleitungsteils, der zum großen Teil aus Zitaten aus Platons ‹Politeia› und der ‹Epinomis› besteht (dazu Petrucci 2012 [*440: 288–302]), liegt in der Theorie einer graduell aufsteigenden Erkenntnis, die dem Prozess der Einweihung in die Mysterien gleichgesetzt wird (Lilla 1992 [*39: 76f.]). Dieser Prozess, der fünf Stufen umfasst, gipfelt in der «Angleichung an
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Gott, soweit es uns möglich ist» (ὁμοίωσις θεῷ κατὰ τὸ δυνατόν) in Übereinstimmung mit der platonischen Lehre (Exp. rer. math. 14,17–16,2 Hiller = test. 102.7 Dörrie-Baltes; dazu Dillon 21996 [*25: 398], Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 250–253], Petrucci 2012 [*440: 302–305] und Bonazzi 2013 [*455: 31]). Im arithmetischen Teil scheint Theon zahlreiche Motive der arithmologischen Tradition der Pythagoreer aufzunehmen, wenn auch Auffassungen euklidischer Prägung keineswegs fehlen (Simeoni 2000 [*451: 276–282]). Die Zahl wird definiert als ein «System von Einheiten» (σύστημα μονάδων: 18,3 Hiller). Das Eine/die Monade stellt das Prinzip der Zahlen dar, weil in ihm die Einfachheit und die Vollkommenheit zum Ausdruck kommen, die das Sein aller Zahlen garantieren, und ebenso, weil die Reihe der Zahlen mit der Einheit beginnt und endet. Die Monade scheint dabei die Rolle eines ontologischen Prinzips zu übernehmen in einer Weise, die den Neuplatonismus vorwegnimmt und vielleicht Lehren der älteren Akademie, insbesondere von Xenokrates, wieder aufgreift (Petrucci 2012 [*440: 307–320]): Sie ist «Prinzip aller Dinge» (ἀρχὴ πάντων), «alle Dinge leiten sich aus ihr ab» (ἐξ ἧς πάντα), während «sie sich aus nichts herleitet» (αὐτὴ δὲ ἐξ οὐδενός), und sie ist «potentiell alle Dinge» (δυνάμει πάντα); im Hinblick auf die Monade existiert der gesamte Bereich des Intelligiblen, das Wesen der Ideen, Gott, der Intellekt und das Schöne, das Gute und alle intelligiblen Wesenheiten (Exp. rer. math. 99,24–100,6 Hiller). Der Abschnitt über die Musik beginnt mit der Definition der Hauptbegriffe der musikalischen Theorie (Exp. rer. math. 46,20–62,1 Hiller). Danach behandelt Theon die mathematischen Gesetzmäßigkeiten, welche die Werte der Harmonien bestimmen (62,2–87,3 Hiller). Der aus philosophischer Sicht interessanteste Teil ist der Darlegung der verschiedenen Formen der «Vierheit» (τετρακτύς) gewidmet. Möglicherweise handelt es sich bei der Anführung der platonischen Tetrade (Tim. 35b–36b) neben jener der Pythagoreer um einen späteren Zusatz, der wohl Adrastos’ ‹Kommentar› verdankt wird. Auf jeden Fall unterstreicht Theon die räumliche Bedeutung der platonischen Zahlen, die in beiden Reihen (1-2-4-8 und 1-3-9-27) der räumlichen Sequenz Gerade-Fläche-Körper entsprechen, wobei die Einheit beiden Reihen gemeinsam ist und dem Punkt entspricht (Pieri 2005 [*922: 165– 178], Petrucci 2009 [*453: 318f.] und 2012 [*440: 408–427]). Der astronomische Teil, der weitgehend von Adrastos abhängt, unternimmt die Erklärung und die ‘Aktua lisierung’ der astronomischen Abschnitte des ‹Timaios›, wobei einerseits Platon eine Reihe von erst nach ihm aufgekommenen Auffassungen zugeschrieben wird, wie das Modell der Epizyklen und der Exzentrizitäten (das mit dem akademischeudoxianischen Modell der konzentrischen Sphären in Übereinstimmung gebracht wird) und andererseits zahlreiche Lücken geschlossen werden, die der Text des ‹Timaios› offen gelassen hat (beispielsweise in der Behandlung der Planetenbewegung: Ferrari 2000 [*70: 196–204, 213–222]). Theon versucht, die scheinbaren Anomalien in den Planetenbahnen auf reguläre und gleichförmige Bewegungen zurückzuführen: Sein Ziel besteht also darin, «die Phänomene zu bewahren» (σῴζειν τὰ φαινόμενα), indem er zu beweisen versucht, dass das Universum ein geordnetes Gefüge darstellt (Petrucci 2009 [*453: 320–322] und 2012 [*440: 31–37]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
§ 54. Manaichmos aus Alopekonnesos Franco Ferrari Eine Notiz in der ‹Suda› erwähnt einen gewissen Manaichmos (Μάναιχμος) aus Alopekonnesos in Thrakien (oder aus Prokonnesos: die beiden Städte liegen nahe beieinander), einen platonischen Philosophen, der Schriften zu philosophischen Fragestellungen und einen Kommentar in drei Büchern zu Platons ‹Staat› verfasst haben soll (φιλόσοφος Πλατωνικός, ἔγραψε φιλόσοφα· καὶ Εἰς τὰς Πλάτωνος Πολιτείας βιβλία γʹ: Suda III,317,32–318,2 Adler = test. 80.13 Dörrie-Baltes). Manaichmos wurde fälschlich mit dem Mathematiker Menaichmos, dem Bruder des Deinostratos, identifiziert, einem Schüler des Eudoxos und Freund Platons, der im 4. Jahrhundert Mitglied der Akademie war. Gegen diese Identifizierung lässt sich nämlich ins Feld führen, dass der in der ‹Suda› erwähnte Manaichmos einzig als ‘Philosoph’ beschrieben wird, während der Schüler des Eudoxos in erster Linie Mathematiker war. In der Tat berichtet die ‹Suda›, dass er nur Schriften zu philosophischen und nicht auch zu mathematischen Themen verfasst habe (dazu Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 203 Anm. 4]; auch Fuentes González 2005 [*461]). Die Erwähnung in der ‹Suda› ist die einzige Information zu diesem platonischen Autor, dessen Wirken sich offenbar auf die Kommentierung der Dialoge Platons beschränkt zu hat. Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 55. Severos Franco Ferrari
1. Leben und Schriften. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND SCHRIFTEN
Aufgrund einer vor einigen Jahrzehnten vorgeschlagenen Konjektur hinsichtlich des Widmungsträgers einer Inschrift in Antinoupolis ist zu vermuten, dass der vollständige Name Flavios Maikios Severos Dionysodoros gelautet hat. Die Inschrift besagt weiter, dass dieser für die Bibliothek in Alexandrien arbeitete und
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vom Rat von Antinoupolis, möglicherweise seinem Heimatort, geehrt wurde (SB III 6012 = IBM IV 1076 = 1 T. Gioè; dazu Cauderlier, Worp 1982 [*469: 72ff.], Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 146], Gioè 2002 [*9: 395–397]). Severos war wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts tätig. Er erwarb sich eine gewisse Anerkennung und Bedeutung, wurden doch seine Kommentare (ὑπομνήματα) zu Platon zusammen mit jenen des Kronios, Numenios, Gaios und Attikos in der Schule Plotins gelesen (Porph. Vit. Plot. 14,10–14 = 2 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 397–399]). Die Bibliothek von Alexandrien war wohl der Sitz seiner Gelehrtentätigkeit, aber Kontakte zu anderen Kulturzentren – darunter auch Athen – sind nicht auszuschließen. Severos verfasste einen Kommentar zum ‹Timaios›, in dem er sich, unter Weglassung des Prooimions des Dialogs (Prokl. In Tim. I,204,16–18 Diehl = 3 T. Gioè = test. 81.15 Dörrie-Baltes), auf einige zentrale Passagen konzentrierte, insbesondere die Ausführungen zur ontologischen Dichotomie zwischen Sein und Werden (Tim. 28a), zur Weltentstehung (28b–31c) und zur Entstehung der Seele (35a–36c). Aufgrund eines Zeugnisses des Eusebios ist anzunehmen, dass er auch eine Schrift ‹Über die Seele› (Περὶ ψυχῆς) verfasst hat, in der er sich offenbar von der platonischen Auffassung, wie sie im ‹Timaios› vorliegt, distanziert und jener aus dem ‹Phaidon› den Vorzug gegeben hat (Eus. Praep. ev. 239,9–240,17 Mras = 17 F. Gioè). 2. LEHRE
Severos’ philosophiegeschichtliche Bedeutung gründet in erster Linie auf s einem ‹Kommentar zum Timaios›. Von diesem Dialog behandelte er theologischkosmologische Fragen im Zusammenhang mit der Weltentstehung und den Abschnitt über die ontologische Zusammensetzung und die numerische Unterteilung der Weltseele. Bezüglich der ‘vexatissima quaestio’ nach der Bedeutung der Passage über die Weltentstehung im ‹Timaios› nahm Severos eine recht eigenständige Position ein. Zwischen der wörtlichen Auffassung Plutarchs (und Attikos’) und der metaphorischen Interpretation, die von der Mehrheit der Platoniker vertreten wurde, versuchte er, in mancher Hinsicht zu vermitteln. So behauptete er, dass der Kosmos «für sich selbst» (ἁπλῶς) ewig sei, dass aber «unser jetziger, der sich in dieser Weise bewegt, entstanden» sei (τοῦτον δὲ τὸν νῦν ὄντα καὶ οὕτως κινούμενον γενη τόν). Zu dieser These gelangt Severos, indem er sich auf den Mythos von den kosmischen Zyklen aus dem ‹Politikos› (270b–273d) stützt. Dieser spricht von zwei Zyklen, von denen sich der eine durch Ordnung auszeichnet und durch die Präsenz Gottes geprägt ist, während im anderen das Universum sich selbst überlassen ist (Prokl. In Tim. I,289,6–13 Diehl = test. 137.9 Dörrie-Baltes = 6 T. Gioè; dazu Baltes 1976 [*83: I 102–105], Gioè 1991–1994 [*478: 407–410], Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 419–421]). Die Abfolge der kosmischen Zyklen, d. h. das gesamte Leben des Universums, ist ewig, während die Phase, in der wir uns befinden, einen Ursprung hatte (Prokl. In Tim. II,95,29–96,1 Diehl = 7 T. Gioè) und gewissermaßen «ein Durchgangsstadium hin zum Chaos, das an seinem Ende steht», dar-
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stellt (Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 420]). Es ist jedoch nicht klar, ob die kosmische Phase, in der wir uns befinden, die von Gott beherrschte ist oder ob es sich um jene handelt, in welcher der Kosmos sich selbst überlassen ist. Mit der geschaffenen Natur des Kosmos hängt thematisch auch die zweite theologisch-kosmische Fragestellung zusammen, mit der sich Severos auseinandersetzt: Bringt ebendieser Umstand, dass der Kosmos geschaffen sei, zugleich auch seine Vernichtung mit sich? Gemäß Proklos soll Severos zusammen mit Plutarch und Attikos – und in Übereinstimmung mit Plat. Tim. 41a7–b6 – behauptet haben, dass der Kosmos potentiell der Vernichtung unterworfen sei (da er eine geschaffene Entität ist), dass aber der Wille (βούλησις) des Vaters verhindere, dass er tatsächlich vernichtet werde (Prokl. In Tim. III,212,6–11. 23–29 Diehl = test. 137.8 Dörrie-Baltes = 8 T. Gioè; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 417–419] und Gioè 2002 [*9: 410–412]). Severos versuchte offenbar, die These von der vollkommenen Deckungsgleichheit von «geschaffen» (γενητόν) und «vergänglich» (φθαρτόν; Rep. 546a) und die Idee einer Vorsehung Gottes miteinander in Übereinstimmung zu bringen, und übernahm damit die wahrscheinlich von Attikos und Harpokration vertretene Auffassung, dass der Kosmos, für sich selbst betrachtet (d. h. im Hinblick auf sein eigenes Wesen), der Vergänglichkeit unterworfen sei, dass er aber durch den Willen Gottes im Sein gehalten werde; auf diese Weise läge die Unsterblichkeit des Kosmos nicht in seiner Natur, sondern sie wäre eine ἐπισκευαστὴ ἀθανασία, d. h. eine durch Gott verschaffte Unsterblichkeit. Eine weitere Thematik, auf die sich Severos in seiner ‹Timaios›-Auslegung in spezieller Weise konzentriert, ist die Lehre von der Weltseele. Er übernahm die bereits von Speusipp vertretene und von Poseidonios erneuerte geometrische Deutung und behauptete, dass die Seele eine «geometrische Ausdehnung» sei (διάστημα γεωμετρικόν), womit er sich jedoch Proklos’ Kritik einhandeln sollte, die Seele in eine ausgedehnte und unterteilbare Entität verwandelt zu haben (Prokl. In Tim. II,152,24–32 Diehl = 11 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 412–419]). Möglicherweise gelangte Severos zu dieser Interpretation nicht zuletzt auch auf der Grundlage des aristotelischen Zeugnisses in ‹De anima› 404b18–27 (Syrian. In Metaph. 84,23–25 Kroll = 10 T. Gioè; dazu Deuse 1983 [*86: 102–108]). Auch der berühmte Passus über die ‘divisio animae’, d. h. die numerische Teilung der Seele, wurde von Severos untersucht. In dieser kontrovers diskutierten Frage nahm er eine eigenständige Position ein. Er schlug eine numerische Folge vor, die sehr hohe Werte umfasste, da er als erste Zahl anstelle der 1 dem Tim. 35b5 die Zahl 768 entnahm, mit welcher er dann alle platonischen Verhältnisse multiplizierte mit dem Ziel, eine Reihe ohne Brüche zu konstruieren, die mit 20 736 endete, d. h. mit dem Produkt aus 768 und 27, der höchsten Zahl der platonischen Reihe (Prokl. In Tim. II,191,1–192,27 Diehl = 16 T. Gioè; dazu Gioè 1991– 1994 [*478: 422–425]). Im Unterschied zur überwiegenden Mehrheit der Platoniker lehnte Severos außerdem die Anordnung der Zahlen der ‘divisio animae’ in Form eines Lambda (λαμβδοειδές) ab und schlug vor, alle Zahlen entlang einer einzigen Geraden aufzureihen – möglicherweise in der Absicht, seine einheitliche Auffassung des Wesens der Seele zu stützen (Prokl. In Tim. II,171,4–9 Diehl = 15 A. Gioè).
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§ 56. Lukios und Klaudios Nikostratos aus Athen (Bibl. 688)
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In seinem ‹Kommentar zum Timaios› beschäftigte sich Severos auch mit der berühmten Dichotomie zwischen Sein und Werden und schlug dafür ebenfalls eine eigenständige Interpretation vor, die möglicherweise von der stoischen Kategorienlehre beeinflusst war. Severos scheint nämlich das fragende τί aus Tim. 27d6 als unbestimmtes Pronomen aufgefasst zu haben, um dann zu behaupten, dass dieses τι die übergeordnete Gattung darstelle, unter die das Sein (ὄν) und das Werden (γιγνόμενον) fielen (Prokl. In Tim. I,227,13–18 Diehl = test. 104.8 Dörrie-Baltes = 4 T. Gioè; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 288f.] und Gioè 2002 [*9: 402–406]). Ebenfalls bezogen auf Tim. 28a scheint Severos das von Platon festgelegte Verhältnis zwischen Denken (νόησις) und Vernunft (λόγος; das Sein wird vom Denken mit Hilfe der Vernunft erfasst) umgedreht zu haben, um so den Vorrang des λόγος zu behaupten, für den die νόησις ein bloßes Werkzeug (ὄργανον) darstelle (Prokl. In Tim. I,255,3–9 Diehl = 13 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 419–422]). In seiner Schrift ‹Über die Seele› kritisierte Severos die zweiteilige Seelenlehre des ‹Timaios›, nach der die Seele aus einem rationalen und einem irrationalen Teil zusammengesetzt sei, und stellte ihr eine streng monistische Seelenlehre entgegen, die zwar jener des ‹Phaidon› verwandt, aber wohl nicht frei von stoischen Einflüssen war (Eus. Praep. ev. 239,9–240,17 Mras = 17 F. Gioè; dazu Dillon 21996 [*25: 263f.]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 56. Lukios und Klaudios Nikostratos aus Athen Franco Ferrari
1. Leben und Schriften. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND SCHRIFTEN
Ein delphischer Beschluss von 163 ehrt Klaudios Nikostratos zusammen mit anderen Personen aus Athen (darunter auch Gaios), die alle als «platonische Philosophen» bezeichnet werden, mit der Verleihung des Bürgerrechts (πολιτεία) und weiterer wichtiger Vorrechte, wie etwa der Proxenie und der Erlaubnis, ein Haus zu besitzen (FD III 4, n. 94 = SIG3 II n. 868 B = Nicostr. 1 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 180–182]). Es handelt sich dabei ohne Zweifel um denselben Nikostratos, der oft in Simplikios’ Kommentar zu den ‹Kategorien› des Aristoteles erwähnt wird
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
(Praechter 1922 [*491: 481ff.]). Bisweilen erscheint der Name des Nikostratos neben dem des etwas älteren Lukios, von dem Nikostratos zahlreiche polemische Einwürfe gegen Aristoteles übernommen haben soll (Simpl. In Cat. 1,18–2,5 Kalbfleisch = test. 86.4 Dörrie-Baltes = Luc. 1 T. Gioè). In Anbetracht dessen, dass eine der Aporien, die Nikostratos gegen Aristoteles vorbrachte, von Attikos übernommen wurde (fr. 41 des Places = Simpl. In Cat. 30,16–18 Kalbfleisch = Nicostr. 8 T. Gioè), dessen ‘floruit’ um das Jahr 176 n. Chr. datiert wird, darf angenommen werden, dass Lukios in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts aktiv war und Nikostratos nur wenig später. Über die Persönlichkeit und das Leben des Lukios haben wir hingegen keinerlei Kenntnis, weil sämtliche Versuche, ihn mit anderweitig bekannten Personen zu identifizieren, gescheitert sind (Luna 2005 [*497: 167]). Wahrscheinlich hatte bereits Simplikios nicht mehr direkten Zugang zu den Schriften des Lukios und des Nikostratos, deren Positionen ihm jedoch durch die Vermittlung der Kommentare Porphyrios’ und Iamblichos’ bekannt waren (Luna 2005 [*497: 169]). Der Umstand, dass Simplikios die beiden Platoniker bisweilen Seite an Seite erwähnt und behauptet, dass Nikostratos sich auf die Argumente des Lukios stützte, hat einige Gelehrte dazu gebracht, auf eine Unterscheidung ihrer Positionen zu verzichten: «Es wäre wohl ein aussichtsloses Unterfangen, den Versuch zu machen, anhand der Angaben des Simplikios das Gedankengut des Lukios von dem des Nikostratos zu trennen» (Moraux 1984 [*493: 530]). Das Fehlen von Verweisen auf Lukios in Simplikios’ ‹Kategorien›-Kommentar nach Kapitel 7 könnte darauf hinweisen, dass dessen Kommentar nicht weiter reichte, während Nikostratos die Widerlegung der aristotelischen Schrift fortgeführt hätte. Auf jeden Fall hielt Nikostratos im Unterschied zu Andronikos von Rhodos die sogenannten Postpraedicamenta für echt (Moraux 1984 [*493: 552–561]). 2. LEHRE
Lukios und Nikostratos zeigten eine stark polemische Haltung gegenüber Aristoteles. Ihre Argumente mögen zuweilen spitzfindig und wenig fundiert erscheinen, doch enthalten sie auch philosophisch interessante Anregungen. Abgesehen davon muss sogar Simplikios selbst anerkennen, dass ihre Aporien späteren Denkern Anlass zu einer Vertiefung dieser Themen gaben (Porphyrios und Iamblichos präsentierten die «Lösungen», λύσεις, für diese Aporien), und auch Plotin machte sich vermutlich in den großen Traktaten ‹Über die Gattungen des Seins› (VI 1–3) Beobachtungen dieser Platoniker zunutze, wenngleich Lukios’ und Nikostratos’ Standpunkt im Wesentlichen polemisch ist, während bei Plotin eine konstruktive und systematische Haltung dominiert (Chiaradonna 2005 [*495]). Lukios’ und Nikostratos’ Einwände gegen die aristotelischen ‹Kategorien› berühren nahezu alle Themen der Schrift: die Lehre der Substanz, den Begriff der Homonymie, Anzahl und Ordnung der Kategorien, die Erweiterung ihres Anwendungsbereichs auf die intelligible Welt usw. Vor allem Nikostratos richtete seine Aufmerksamkeit auf den Begriff der Homonymie und versuchte – bisweilen mit spitzfindigen und trügerischen Argumen-
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§ 56. Lukios und Klaudios Nikostratos aus Athen (Bibl. 688)
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ten –, ihr widersprüchliches Wesen ans Licht zu bringen. Er geht dabei von der Feststellung aus, dass sich ein bestimmter Name auf verschiedene Realitäten beziehen müsse, um homonym zu sein; so bezeichnet beispielsweise der Name ‘Hund’ (κύων) ein Landtier, ein Sternbild, ein Meerestier und die einseitige Gesichtslähmung. Auf diese Weise zeigt ein Homonym nichts Bestimmtes an, und da es keine Realität bezeichnet, d. h. keine bestimmte Bedeutung hat, handelt es sich dabei nicht einmal um einen Namen. Damit dieser etwas bedeuten kann, müsste man dem homonymen Begriff eine nähere Bestimmung beifügen, die seine Bedeutung klar macht, doch läge dann nicht mehr ein Name (ὄνομα) vor, sondern eine Definition (λόγος), was dazu führt, dass der homonyme Begriff aufhört, ein solcher zu sein (Simpl. In Cat. 26,21–27,33 Kalbfleisch = Nicostr. 6 T. Gioè; dazu Moraux 1984 [*493: 532–536], Gioè 2002 [*9: 86–89]). Um einen eindeutigen Trugschluss handelt es sich bei einem später von Attikos aufgenommenen und vertieften Argument, mit dem Nikostratos ebenfalls das widersprüchliche Wesen des Begriffs der Homonymie zu erweisen sucht. Er gibt zu bedenken, dass jene Dinge synonym sind, die Namen und Definition gemeinsam haben; in diesem Sinne erweisen sich am Ende aber auch die homonymen Dinge als synonym, da den homonymen Entitäten (die nur den Namen, nicht aber die Definition gemeinsam haben) in dem Moment, in dem sie ‘homonym’ genannt werden, auch die Definition von Homonymen gemeinsam ist und sie sich so bis zu einem gewissen Grad in Synonyme verwandeln: Es handelt sich hierbei um das sogenannte ‘Homonym-Synonym-Paradox’ (Simpl. In Cat. 30,16–23 Kalbfleisch = Nicostr. 8 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 192f.] und Flannery 1999 [*494: 269–273]). Sowohl Lukios als auch Nikostratos werfen Aristoteles vor, den Unterschied zwischen der sinnlich wahrnehmbaren und der intelligiblen Welt nicht bedacht zu haben. Durch die Kategorienlehre habe er die intelligible Welt entweder vollständig ignoriert oder aber gefordert, die Kategorien, die in der sinnlich wahrnehmbaren Welt ihre Gültigkeit haben, auf die intelligible Welt auszudehnen. Lukios erklärt, dass es nicht zulässig sei, eine «Gemeinschaft» (κοινωνία) festzulegen zwischen «dem, was vorausgeht» (τὸ πρότερον), und «dem, was folgt» (τὸ ὕστερον), zwischen Modell und Abbild (Simpl. In Cat. 73,15–28 Kalbfleisch = Luc. 5 T. Gioè). Auf analoge Weise bestreitet Nikostratos, der von Simplikios hinsichtlich dieser Äußerung sogar mit Plotin verbunden wird (Enn. VI 1 [42] 2,8–18; Chiaradonna 2005 [*495: 248–252]), Aristoteles’ Auffassung, nach der die Substanz (οὐσία) eine einzige Gattung (γένος) sei, die sowohl das Intelligible als auch das sinnlich Wahrnehmbare umfasse. Wenn die Substanz eine allgemeine Gattung wäre, die sowohl von der sinnlich wahrnehmbaren als auch von der intelligiblen Substanz ausgesagt wird, wäre sie weder körperlich noch unkörperlich, denn wenn sie eines davon wäre, wäre das Körperliche unkörperlich (insofern darauf bezogen Substanz als ‘unkörperlich’ ausgesagt würde) und das Unkörperliche körperlich (insofern darauf bezogen Substanz als ‘körperlich’ ausgesagt würde; Simpl. In Cat. 79,13–17 Kalbfleisch = Nicostr. 13 T. Gioè; dazu Moraux 1984 [*493: 543f.] und Gioè 2002 [*9: 197f.]). Die Einwände der beiden Platoniker galten auch den einzelnen aristotelischen Kategorien. So lenkte Lukios die Aufmerksamkeit auf die zweideutige Natur des Begriffs «Körper» (σῶμα): Auf der einen Seite fällt er als geometrische, dreidimen-
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sionale Entität unter die Kategorie der Quantität, als «Zugrundeliegendes» (ὑποκείμενον) ist er dagegen Substanz (Simpl. In Cat. 125,13–16 Kalbfleisch = Luc. 6 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 45–47], Luna 2005 [*497: 172]). Beide stellten auch die Ordnung und die Anzahl der Kategorien zur Diskussion. Nikostratos kritisiert außerdem die Kategorie des «Habens» (ἔχειν), indem er nachzuweisen sucht, dass sich jede einzelne der zahlreichen Verwendungsweisen dieses Begriffs auf eine andere Kategorie zurückführen lässt (Simpl. In Cat. 368,12–369,14 Kalbfleisch = Nicostr. 18 F. Gioè; dazu Moraux 1984 [*493: 550–552]). Von Interesse ist schließlich auch Nikostratos’ Einwand gegen die berühmte aristotelische Auffassung, der Gegensatz Wahr-Falsch lasse sich nur auf Behauptungen und Verneinungen anwenden und habe in anderen Formen der Rede wie in der Bitte, dem Befehl usw. keine Gültigkeit. Nikostratos wendet dagegen ein, dass er auch den Ausrufen der Bewunderung (z. B. «Wie schön ist der Piräus!») oder den Schmähungen (z. B. «Wie dumm er ist!») inhärent sei. Außerdem behauptet er, dass ein solcher Gegensatz nicht für alle aussagenden oder verneinenden Sätze Gültigkeit habe, da er sich nicht auf Aussagen über zukünftige kontingente Ereignisse anwenden lasse (z. B. «Morgen wird oder wird nicht eine Seeschlacht stattfinden»: Simpl. In Cat. 406,6–16 Kalbfleisch = Nicostr. 25 F. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 211–214]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 57. Kalvenos Tauros aus Berytos Franco Ferrari
1. Leben und Schriften. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND SCHRIFTEN
Lukios Kalvenos Tauros, platonischer Philosoph, erscheint als Empfänger des Bürgerrechts, der Proxenie, des Vorrangs im Gericht und des Rechts, Boden und ein Haus zu besitzen, in einem delphischen Beschluss, den manche ins Jahr 163 n. Chr. datieren, der aber auch einige Jahrzehnte älter sein könnte (FD III 4, n. 91 = SIG3 II n. 868A = test. 2 Lakmann = 1 T. Gioè; dazu Göransson 1995 [*587: 36f.], Gioè 2002 [*9: 285f.]; die oben erwähnte Inschrift zu Klaudios Nikostratos befindet sich direkt neben dem Beschluss bezüglich Tauros). Es handelt sich dabei um den platonischen Philosophen und Lehrer des Aulus Gellius, der ihn in den ‹Noctes Atticae› oft erwähnt. Sein Name ist gemäß der delphischen Inschrift Καλβῆνος Ταῦρος, während
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die Form Calvisius, die sich in Gell. 18,10,3 (= test. 15 Lakmann = 20 T. Gioè) findet, wohl durch eine fehlerhafte Transkription im Laufe der handschriftlichen Überlieferung zu erklären ist (Lakmann 1995 [*513: 183f.] und Gioè 2002 [*9: 287f.]). Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt, aber es dürfte in die ersten Jahre des 2. Jahrhunderts datieren, möglicherweise um 105. Auch die Bestimmung des Geburtsorts erweist sich als schwierig: Während die delphische Inschrift, die ‹Suda› und Hieronymus (test. 1 Lakmann = 2 T. Gioè) Berytos, das heutige Beirut, angeben, sprechen Philostratos und Ps.-Heron von Tyros bzw. Sidon (Philostr. Vit. Soph. 71,23– 30 Kayser = test. 3 Lakmann = 4 T. Gioè; Ps.-Heron. Def. 156,21–158,1 Heiberg = test. 21 Lakmann = 21 F. Gioè; dazu Tarrant 2007 [*589: 457]). Auf jeden Fall handelt es sich um eine Stadt im Osten des Reiches, und der nicht-griechische Ursprung des Tauros lässt sich kaum bestreiten. Die ‹Suda› (IV,509,12–15 Adler = test. 18 Lakmann = 3 T. Gioè) datiert Tauros’ Leben in die Herrschaftszeit des Antoninus Pius (138–161). Er erlangte als platonischer Philosoph ein so bemerkenswertes Ansehen, dass er von wichtigen Amtsträgern aufgesucht wurde (Gell. 2,2,1 = test. 6 Lakmann = 13 T. Gioè) und Gellius ihn als einen «zu unserer Zeit in der platonischen Philosophie berühmten Mann» («vir memoria nostra in disciplina platonica celebratus») bezeichnet (Gell. 7,10,1 = test. 7 Lakmann = 7 T. Gioè). Er wirkte vor allem in Athen, wo er eine Privatschule für platonische Philosophie führte, die er möglicherweise in seinem eigenen Haus beherbergte. Über Tauros’ Lehrtätigkeit berichtet Aulus Gellius, wenn er dessen Unterrichtsstil beschreibt. Sicherlich wurden Passagen aus den platonischen Dialogen gelesen und kommentiert (Gell. 17,20,1–7 = test. 14 Lakmann = 10 T. Gioè). Im Großen und Ganzen war die Atmosphäre ungezwungen, und die Studenten konnten Fragen allgemeinen philosophischen Interesses stellen, auf die der Lehrer zu antworten suchte, wobei er wohl auch Passagen aus Platon anführte. Gellius berichtet außerdem, dass Tauros seine Schüler zum Mittagessen einzuladen pflegte, nach dessen Abschluss philosophische Fragen leichteren Inhalts (non gravia nec reverenda) besprochen wurden (Gell. 7,13,1–12 = test. 8 Lakmann = 11 T. Gioè): Wann stirbt ein Sterbender? Während er noch lebt oder wenn er schon tot ist? Oder: Wann steht ein aufstehender Mann auf? Während er noch sitzt oder während er schon steht? Möglicherweise handelt es sich hierbei um nur scheinbar nichtige Probleme, brachte Tauros sie doch mit der berühmten Behandlung des «Augenblicks» (ἐξαίφνης) in Platons ‹Parmenides› in Verbindung (Parm. 156dff.; Engert 2011 [*515: 132–134]). So scheint Tauros versucht zu haben, an seiner Schule ein auf dem Gemeinschaftsleben (συνουσία) basierendes Lehrer-SchülerVerhältnis nach dem Vorbild der platonischen Akademie wiederzubeleben. Tauros verfasste einen bedeutenden Kommentar zu Platons ‹Timaios›, von dem längere Auszüge in Philoponos’ Schrift ‹De aeternitate mundi› enthalten sind. Außerdem schrieb er einen Kommentar in mehreren Büchern zum ‹Gorgias› (Gell. 7,14,5 = test. 20 Lakmann = 14 T. Gioè), einen Kommentar zum ‹Staat› (Ps.Heron. Def. 156,21 Heiberg = test. 21 Lakmann = 21 F. Gioè), eine Schrift gegen die Stoiker (Gell. 12,5,5 = test. 12 Lakmann = 17 T. Gioè) und, laut ‹Suda› (IV,509,12–15 Adler = test. 18 Lakmann = 3 T. Gioè), zwei Werke allgemeinen philosophischen Charakters mit den Titeln ‹Über den Unterschied zwischen den Leh-
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ren des Platon und des Aristoteles› (Περὶ τῆς τῶν δογμάτων διαφορᾶς Πλάτωνος καὶ Ἀριστοτέλους) und ‹Über körperliche und unkörperliche Dinge› (Περὶ σωμάτων καὶ ἀσωμάτων). 2. LEHRE
In der unter den Mittelplatonikern hitzig geführten Debatte über das Problem der Weltentstehung im ‹Timaios› war Tauros einer der vehementesten Vertreter der didaktisch-metaphorischen Interpretation. Die von ihm ins Feld geführten Argumente stellten einen wichtigen Bezugspunkt für die künftigen Vertreter der didaktischen Auslegung dar, die Platon die Annahme der Ewigkeit der Welt zuschrieben. Spuren von Tauros’ Thesen finden sich bei Plotin, Porphyrios und Proklos (Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 426–523]). Einer unter den mittelplatonischen Kommentatoren verbreiteten Praxis folgend zögerte Tauros nicht, den Text des ‹Timaios› zu ändern, um seine eigene Interpretation zu stützen. Der bekannteste dieser exegetisch motivierten Eingriffe findet sich im Passus 27c4–5: εἰ γέγονεν ἢ καὶ ἀγενές («ob er entstanden ist oder ungeschaffen»), wo Tauros dahingehend korrigiert, dass die disjunktive oder dubitative Konjunktion ἤ durch ein εἰ ersetzt und damit der platonischen Aussage ein konzessiver Sinn gegeben wird: «ob er entstanden, auch wenn er ungeschaffen ist» (Philop. Aet. mund. 123,19–23 Rabe = test. 25A Lakmann = 29 T. Gioè; dazu Baltes 1976 [*83: I 112–115], Whittaker 1989 [*63], Gioè 2002 [*9: 362–366]). Tauros’ erster Argumentationsschritt besteht in der Feststellung, dass das Adjektiv γενητός seinem Wesen nach ein πολλαχῶς λεγόμενον ist, d. h. dass es über mehrere Bedeutungen verfügt, von denen zumindest vier keine temporale Konnotation mit sich bringen. Wenn Platon behauptet hat, der Kosmos sei entstanden (γέγονε), bedeutet dies nicht, dass er damit sagen wollte, er habe einen zeitlich bestimmten Anfangspunkt. Unter Berufung auf Aristoteles’ Forderung, dass eindeutig bestimmt werden müsse, in welchem Sinne man sage, die Dinge seien ungeschaffen oder geschaffen, vergänglich oder unvergänglich (Cael. A 11, 280b1–2), unterscheidet Tauros mindestens vier Bedeutungen, in denen der Ausdruck γενητόν einen nicht-zeitlichen Sinn annimmt: 1) ‘Geschaffen’ wird genannt, was nicht geworden ist, aber zur selben Gattung gehört wie die γενητά, d. h. die geschaffenen Realitäten (in diesem Sinne kann etwas ‘sichtbar’ genannt werden, auch wenn wir es nicht sehen). 2) ‘Geschaffen’ wird auch das nur «in Gedanken Zusammengesetzte» (τὸ ἐπινοίᾳ σύνθετον) genannt, auch wenn es nicht wirklich zusammengesetzt ist (so wird der Ton ‘Mese’ ausgehend von der ‘Nete’ und der ‘Hypate’ generiert/geschaffen); der Kosmos ist in diesem Sinne geschaffen, da er aus den Elementen besteht, auf die er sich mittels einer logischen Analyse zurückführen lässt. 3) ‘Geschaffen’ wird der Kosmos genannt, weil er immer im Werden begriffen ist. 4) Der Kosmos soll ‘geschaffen’ genannt werden, weil sein Sein anderswoher stammt, nämlich von Gott, auf den hin er geordnet ist. In diesem letzten Fall soll der Verweis auf seine Erschaffung belegen, dass er in seiner Existenz von Gott oder von einem ihm extrinsischen Kausalsystem abhängig ist. Aufgrund
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dieser vier Bedeutungen ist es für Tauros unproblematisch, die Welt im Sinne Platons als γενητός zu bezeichnen; allein die zeitliche Deutung wird verworfen (Philop. Aet. mund. 145,1–147,25 Rabe = test. Lakmann 22B = 23 F. Gioè = test. 140.1–2 Dörrie-Baltes; dazu Dillon 21996 [*25: 242–244], Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 454–465], Gioè 2002 [*9: 346–355] und Tarrant 2007 [*589: 459f.]). Tauros versucht auch, die Gründe sorgfältig zu klären, die Platon dazu bewogen haben, die Welt als eine in der Zeit geschaffene Entität darzustellen, auch wenn er von ihrer Ewigkeit überzeugt war. Er nennt dabei zwei Gründe philosophischer Natur: Der erste betrifft die Thematik der religiösen Scheu (εὐσέβεια), der zweite die Forderung nach Klarheit (σαφηνείας χάριν). Im Hinblick auf den ersten Punkt bemerkt Tauros, dass die meisten Menschen nur dann fähig sind, Beziehungen des Vorrangs und der Abhängigkeit zu verstehen, wenn diese zeitlicher Natur sind, und dass sie nicht in der Lage sind, die Existenz einer anderen Art von Ursache zu begreifen als jene, die zeitlich vor ihren Effekten wirkt. Hätte Platon die Abhängigkeit der Welt von Gott nicht mit einer zeitlichen Dimension veranschaulicht, so hätten die meisten das Vorhandensein der Vorsehung (πρόνοια) nicht begriffen. Hinsichtlich der Forderung nach Klarheit, die Tauros der akademischen Interpretation (Speusipp und Xenokrates) des ‹Timaios› verdankt, bemerkt er, dass Platons Darstellung, in der die Welt als geschaffen erscheint, sein Argument auf dieselbe Weise klarer macht, wie dies auch bei den geometrischen Figuren der Fall ist, die – obschon nicht zusammengesetzt – als zusammengesetzt dargestellt, d. h. gezeichnet würden, damit ihre Struktur leichter verständlich wird (Philop. Aet. mund. 187,1–189,9 Rabe = test. 23B Lakmann = 26 F. Gioè = test. 138.2 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 428–435], Gioè 2002 [*9: 355–361]). Ebenfalls im Bereich der Kosmologie scheint Tauros – gegen die aristotelische Tradition – die These verteidigt zu haben, dass sich die Anzahl der Naturelemente auf vier beschränke (Philop. Aet. mund. 481,13–17 Rabe = test. 26A Lakmann = 32 T. Gioè). Die verfügbaren Quellen bieten keine detaillierten Informationen über Tauros’ Prinzipienlehre. Eine Andeutung in einem Fragment, das Johannes Philoponos überliefert hat, scheint darauf hinzuweisen, dass er eine Dreiprinzipienlehre vertrat (Gott, ideales Vorbild, Materie), wobei freilich der Prinzipienstatus der Materie in Frage gestellt wurde (Philop. 147,19–21 Rabe; dazu Lilla 1992 [*39: 55]). Auf dem Gebiet der Ethik polemisierte Tauros gegen die stoische Lehre der «Affektlosigkeit» (ἀπάθεια) und vertrat die mittelplatonische Auffassung der «Mäßigung der Affekte» (μετριοπάθεια). Insbesondere in der Frage, ob der Weise sich erzürnen dürfe – mit größter Wahrscheinlichkeit ein ‘Topos’ der Schuldiskussionen –, unterscheidet Tauros zwischen der vollkommenen «Unempfindlichkeit gegenüber Gefühlsregungen» (ἀναλγησία), die sich als schädlich erweise, und der «Freiheit von Zorn» (ἀοργησία), die nicht zur Eliminierung der Emotionen, sondern zu deren Kontrolle führe. Er war der Ansicht, dass «die völlige Eliminierung, die von den Griechen στέρησις genannt wird, nicht von Nutzen sei, dagegen jedoch die Mäßigung, die μετριότης genannt wird» («non privationem esse utilem censuit, quam Graeci στέρησιν dicunt, sed mediocritatem, quam μετριότητα illi appellant»: Gell. 1,26,11 = test. 5 Lakmann = 16 T. Gioè; dazu Lakmann 1995 [*513: 28–45], Gioè 2002 [*9: 323–328]).
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In seinem Kommentar zum platonischen ‹Gorgias› legt Tauros auch die Gründe dar, die eine Bestrafung der begangenen Fehler rechtfertigen: Es handelt sich um 1) Züchtigung und dadurch Verbesserung des Übeltäters, 2) Wiederherstellung der Ehre des Opfers und 3) das Bedürfnis, mittels der Bestrafung ein Exempel zu statuieren (exemplum/παράδειγμα: Gell. Noct. Att. 7,14,1–9 = test. 20 Lakmann = 14 T Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 317–321] und Engert 2011 [*515: 135–137]). Tauros legt eine vertiefte Kenntnis der allgemeinen Grundsätze der stoischen Ethik und insbesondere der Auffasung der Oikeiosis sowie der «ersten Güter gemäß der Natur» (τὰ πρῶτα κατὰ φύσιν) an den Tag. Seiner Ansicht nach lassen sich solche Auffassungen nicht mit dem Anspruch verbinden, dass der Weise die Apathie erreiche: Wenn der Mensch tatsächlich von Geburt an die Lust anstrebt und den Schmerz vermeidet und ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Vernunft das ‘decorum’ und das ‘honestum’ (d. h. das Gute und die Tugend) als Ziele auferlegt werden, denen gegenüber Schmerz und Lust bedeutungslos sind, bestehen diese Neigungen, nämlich die Lust anzustreben und den Schmerz zu vermeiden, weiter und können daher nicht gänzlich ausgerottet, sondern nur durch die Vernunft beherrscht werden. Daher erweist sich das stoische Ideal der ἀπάθεια als in der Tat unverwirklichbar und als der menschlichen Natur entgegengesetzt (Dillon 21996 [*25: 240–242]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 58. Attikos Irmgard Männlein-Robert
1. Leben. – 2. Werk. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Attikos ist ein bedeutender und trotz grundsätzlich orthodoxer Haltung auch eigenwilliger Platoniker des 2. Jahrhunderts n. Chr. (Fragmente und Testimonien sind zitiert nach des Places 1977 [*527]; Ergänzungen bei Baltes 1983 [*543]; des Places ersetzt Baudry 1931 [*524], siehe dazu die wichtige Rezension von Merlan 1934 [*534: 263–270]; Mullach 1879 [*523: 185–202]; Sammlung der Attikos-Testimonien und -fragmente aus Proklos und Eusebios bei Martano 1955 [*525: 69– 97]; überholt ist Freudenthal 1896 [*533]; knapp Baltes 1997 [*553]). Die einzige
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§ 58. Attikos (Bibl. 689–690)
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für die Datierung verwertbare Information über die Lebenszeit des Attikos ist eine Angabe in der lateinischen ‹Weltchronik› des Hieronymus, die auf der griechischen ‹Chronik› des Eusebios von Caesarea basiert: Attikos wird für das Jahr 176 n. Chr. als angesehener Platoniker genannt. Von Georgios Synkellos wird der Platoniker Attikos in das 5. Jahr der Regierung Mark Aurels datiert (166 n. Chr.). Möglicherweise darf also die Zeitspanne von 166–176 n. Chr. als ἀκμή des Attikos verstanden werden (Eus./Hier. Chron. 207 Helm = Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 147ff.]; Georg. Synk. Chron. 353b, 432,5 Mosshammer). Für Attikos’ Lebenszeit ist daher wohl die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. anzusetzen. Ob seine Erwähnung präzise für das Jahr 176 n. Chr. in direktem Zusammenhang mit den im selben Jahr durch Mark Aurel institutionell neu begründeten Philosophielehrstühlen in Athen steht (Philostr. Vit. Soph. 566; Cass. Dio 72,31,3; vgl. Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 135ff.]) und ob Attikos gar selbst Inhaber des neuen kaiserlichen Lehrstuhls für platonische Philosophie war, lässt sich nicht sicher feststellen (Dillon 21996 [*25: 248], Whittaker 1989 [*548: 665]). Als sein Schüler gilt der Platoniker und Lexikograph Harpokration aus Argos (fr. 2 Gioè), der als Verfasser des wohl umfangreichsten ‹Timaios›-Kommentars in 24 Büchern bekannt ist (Suda I,366,27ff. Adler; Boys-Stones 2012 [*558]).
2. WERK Bei Eusebios (Praep. ev. 11,1,2 = fr. 1 des Places; 15,4–9. 12f. = fr. 2–9 des Places) sind ausführliche Passagen aus einer polemischen Schrift des Attikos mit dem Titel ‹Gegen diejenigen, die versprechen, die Lehren Platons durch die des Aristoteles erklären zu können› (Πρὸς τοὺς διὰ τῶν Ἀριστοτέλους τὰ Πλάτωνος ὑπισχνουμένους) erhalten, die den argumentativen Einsatz des Attikos gegen die seit Antiochos von Askalon etablierten Bemühungen zeigt, die Lehren Platons mit denen des Aristoteles zu harmonisieren (deutsche Übersetzung bei Gigon 1961 [*526: 293–321], Moraux 1984 [*545]; zur Diskussion um den Anlass dieser Polemik siehe Dillon 21996 [*25: 250]). Weiterhin sind im ‹Timaios›-Kommentar des Proklos (315A = I,247 Diehl; vgl. Porph. Vit. Plot. 14,10– 14) viele Ausführungen des Attikos zum ‹Timaios› kenntlich, der offensichtlich selbst einen Kommentar verfasst hat (fr. 12–39 des Places). Möglicherweise hat er sich auch mit Platons ‹Phaidon›, wahrscheinlicher mit dem ‹Phaidros›, beschäftigt (fr. 44 und fr. 14 des Places; Moreschini 1990 [*549]). Unsicher ist, welcher Art seine Schrift über die Seele war (fr. 10–11 des Places). Fragmente, die einen Kommentar zu den ‹Kategorien› des Aristoteles nahe legen (fr. 2,136ff.; 40–42 des Places), müssen wohl der Schrift ‹Gegen diejenigen, die versprechen, die Lehren Platons durch die
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des Aristoteles erklären zu können› zugeordnet werden (Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 248], Baltes 1997 [*553: 245]; vgl. Mras 1936 [*535: 186f.] und 1956 [*536: 213 mit Anm.], Karamanolis 2006 [*48: 177f.]). Proklos verweist ausdrücklich auf die philologischen Qualitäten des «überaus fleißigen» (φιλοπονώτατος) Attikos in seiner Kommentierung Platons (Prokl. In Tim. III,247,12–15 Diehl = fr. 14 des Places), da er immer am Wortlaut Platons festhalte und diesen gegen jede metaphorische Auslegung verteidige (Prokl. In Tim. I,284,13f. Diehl; ebd. III,234,9–18; ebd. III,247,13f. = fr. 14 und 15 des Places; dazu Baltes 1983 [*543: 39]). Der strenge Rekurs auf den Wortlaut der platonischen Schriften ist einem genuin philologischen Zugang geschuldet, der die größtmögliche An näherung an den göttlichen Platon selbst gewährleisten sollte. Anders als die meisten mittelpla tonischen Kommentatoren des ‹Timaios› bietet Attikos Erläuterungen nicht nur zum philo sophisch sicherlich bedeutendsten dritten Teil (Tim. 27cff.), sondern auch zum dramatischen Prolog (Tim. 17a–20c) sowie zum zweiten Teil, der Vorgeschichte und der ersten Version der Erzählung von Atlantis und Ur-Athen (Tim. 20d–27b): Das heißt, Attikos arbeitet den gesamten Text Platons durch, kommentiert alles, nimmt den Text in seinem Wortlaut und seiner Gesamtkomposi-
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
tion sehr genau, konstatiert zu Recht philoso phische Probleme bei Uneindeutigkeit des Textes (z. B. zu Plat. Tim. 28a6f. – der Demiurg blickt auf das Vorbild –, als er die Stellung von «immer», ἀεί, entweder zu κατὰ ταὐτὰ ἔχον, «das sich immer gemäß demselben verhält», oder zu βλέπων, «blickend», diskutiert = fr. 18 des Places; dazu Baltes 1983 [*543: 39]). So philologisch und skrupulös
Attikos die Schriften Platons interpretiert, so ngenau verfährt er mit jenen des Aristoteles. In u seinem Kampf gegen dessen Lehren rekurriert Attikos nicht auf seine Schriften, sondern nur auf allgemeine Thesen, wie sie in der doxographischen Tradition kolportiert werden (Merlan 1934 [*534: 269], Moraux 1984 [*545: 580f.], Gombocz 1997 [*40: 125]).
3. LEHRE
1. Prinzipienlehre. – 2. Seelenlehre. – 3. Ethik. – 4. Kategorienlehre.
1. Prinzipienlehre Attikos beschäftigt sich vor allem in seinem Kommentar zum platonischen ‹Timaios›, dem Usus der mittelplatonischen Philosophen entsprechend, intensiv mit der Erläuterung der drei ersten Prinzipien nach Platon (Lilla 1992 [*39: 59–67 Synopse der Fragmente], Gombocz 1997 [*40: 126–131]): Das erste Prinzip stellt für ihn der Demiurg des ‹Timaios› dar. Diesen sieht er als «allerersten Gott» (πρώτιστος θεός: fr. 28,7f. des Places), als «höchsten und erhabensten intelligiblen Gott» (θεὸς πρεσβύτατος καὶ νοητός: fr. 37,4f. des Places) an und identifiziert ihn anders als z. B. Numenios (etwa fr. 16 und 20 des Places) oder später Plotin (vgl. Porph. Vit. Plot. 17) ontologisch mit dem höchsten Prinzip, «dem Guten» (τὸ ἀγαθόν), aus Platons ‹Politeia› (fr. 12–13 des Places). Attikos bezieht damit Stellung in einer zeitgenössischen Diskussion um die Frage nach dem höchsten Gott (siehe Numenios und Maximos von Tyros, Diss. 11; dazu Baltes 1983 [*543: 39f.], Moreschini 1987 [*546: 487–489], Brenk 1992 [*552: 58f.]) und entscheidet sich für den konservativen Standpunkt einer Identität von Demiurg und höchstem Prinzip. Anders als z. B. Albinos argumentiert er jedoch eng am Text, wenn er darauf verweist, dass sowohl Sokrates in der ‹Politeia› (379a) als auch Timaios im gleichnamigen Dialog (29e) den Gott als «gut» (ἀγαθός) bezeichne und aus dieser gleichlautenden Qualitätsbeschreibung eine Identität der genannten Gottesinstanzen schlussfolgert (zur Widerlegung dieser These durch Proklos siehe Baltes 1983 [*543: 40]; Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 269]). Der Demiurg als Weltschöpfer erschafft Attikos zufolge die Dinge der Welt, indem er auf die Ideen blickt, die das zweite Prinzip darstellen. Attikos formuliert dabei eine originelle, von der traditionellen mittelplatonischen ‘communis opinio’ abweichende Lehrmeinung, nach der die Ideen als Gedanken im «Geist» (νοῦς) des Demiurgen zu verstehen sind (fr. 9,35–45 des Places). Attikos interpretiert nämlich das immerwährende «Blicken» des Demiurgen auf das Paradigma der Ideen (Tim. 28a7) als immerwährendes «Denken»
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des Demiurgen. Dabei schreibt er den Ideen eine untergeordnete, selbständige Existenz außerhalb des Nous des Demiurgen zu, obgleich diese dennoch Gedanken des Demiurgen sind. Diesen Widerspruch löst Attikos, indem er das Paradigma der Ideen als einen erdachten «intelligiblen», dem Demiurgen untergeordneten «Kosmos» (νοητὸς κόσμος) beschreibt, der aber durch das ununterbrochene Betrachten des Demiurgen existiert (fr. 26; 34; 18; 9,35–45; 28,2–7 des Places; dazu Merlan 1934 [*534: 267f.], Baltes 1983 [*543: 41f.], Männlein-Robert 2001 [*44: 538–540]). Daher nennt er die unkörperlichen und im Nous erdachten «unkörperlichen und intelligiblen» (ἀσώματα καὶ νοητά) Ideen zwar «ewig» (ἀΐδια), nicht aber «ungeworden» (ἀγένητα; fr. 9,18. 41 des Places). In Anlehnung an den ‹Timaios› (30b) und den ‹Philebos› (30c) postuliert Attikos, dass der Demiurg als Nous auch eine Seele haben müsse, da seine Tätigkeit im Erschaffen liege, also Bewegung impliziere, was wiederum ohne Seele undenkbar sei (fr. 8,28f.; 23,5f.; 7,81– 87 des Places). Die Ideen befinden sich demnach in der dem Nous des Demiurgen untergeordneten Seele desselben (fr. 40 des Places; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 257, 270]; vgl. Männlein-Robert 2001 [*44: 539f.] und 2008 [*557]). Attikos äußert sich differenziert über die Schöpfungstätigkeit des Demiurgen und geht davon aus, dass die Welt einen zeitlichen Anfang gehabt habe (zu den Übereinstimmungen und Abweichungen sowie Weiterentwicklungen der ontologischen Lehren des Plutarch durch Attikos siehe Deuse 1983 [*86: 51–56]). Sie sei also durch einen plötzlichen Schöpfungsakt des Demiurgen entstanden, während andere Platoniker Platons Bericht über die Weltentstehung metaphorisch interpretierten (des Places 1977 [*527: 11–15]). Hier wird das philologisch begründete wörtliche Verständnis des ‹Timaios›-Textes durch Attikos greifbar. Die Frage, was der Demiurg vor der Erschaffung der Welt gemacht habe, beantwortet Attikos dahingehend, dass dieser damals das Paradigma der Welt in seinem Nous hervor gebracht und durch Denken bzw. Blicken erhalten habe. Dabei kann der Demiurg seinem Wesen entsprechend niemals untätig gewesen sein (fr. 27 des Places): Bevor er die Welt schafft, bringt er den Kosmos der Ideen hervor und erhält ihn (so bereits Philon Prov. 1,21 Hadas-Lebel; dazu Baltes 1983 [*543: 43], Gombocz 1997 [*40: 128]). Anders als Plutarch geht Attikos also von einer vorkosmischen Zeit aus (fr. 31 des Places; dazu Deuse 1983 [*86: 52]). Zu einem ihm günstig erscheinenden Zeitpunkt beginnt der Demiurg mit der Weltschöpfung. In diesem Kontext spielt nun das dritte Prinzip, die «Materie» (ὕλη), eine wichtige Rolle in der Erklärung des Attikos (des Places 1977 [*527: 20–22]): Diese ist nämlich ungeschaffen, also vom Demiurgen unabhängig bereits vor der Entstehung der Welt vorhanden. Als vorkosmische Materie ist sie vor der Weltentstehung in ständiger chaotischer Bewegung und hat – aufgrund ihrer Bewegtheit (fr. 8,28f. des Places) – eine Seele. Diese ist dementsprechend ungeordnet und daher schlecht: Attikos benennt sie als «übeltuende» Seele (κακεργήτις ψυχή), die «Ursache» und «Prinzip» (αἴτιον, ἀρχή) des Schlechten in der Welt ist (fr. 23,5f. des Places; Attikos bei Prokl. In Tim. I,391,19. 30; 394,22 Diehl). Ähnlich wie bei Plutarch ist also auch bei Attikos ein gewisser Dualismus festzustellen (Armstrong 1992 [*551: 38f.]), da er neben Gott auch die präexistente Materie als Ursache benennt, die er mit der «Notwendigkeit» (ἀνάγκη) aus dem ‹Timaios› (48a) identifiziert (fr. 4,101–104 des
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Places; vgl. auch die bei Philon Prov. 1,22 und D. L. 3,75f. genannten anonymen Platoniker; dazu Baltes 1976 [*83: I 69f.]). Durch den Schöpfungsakt des Demiurgen, der diese ungeordnete bewegte Materie vorfindet, wird die schlechte Seele der Materie geordnet, erhält Anteil an der Ideenwelt und führt nun geordnete Bewegungen aus. Freilich bleibt eine gewisse Wirkung der ursprünglich schlechten Materie erhalten, die sich jedoch, laut Attikos, nur im Bereich zwischen Erde und Mond bemerkbar macht (so wahrscheinlich Attikos bei Proklos De Mal. subs. 40,5–7. 14. 17, dazu Baltes 1983 [*543: 50]). Mit der Entstehung des Kosmos in der Zeit fällt nach Attikos (wie bereits für Plut. Symp. 7,4, 1007c; De E 19, 392e) auch die Entstehung der Zeit selbst zusammen. Dieses Paradox löst Attikos, indem er zwei Arten von Zeit annimmt: eine vorkosmische, ungeordnete Zeit und eine geordnete, die es erst seit dem Schöpfungsakt des Demiurgen gibt (fr. 19 und 31 des Places; Attikos bei Prokl. In Tim. I,286,26–29 Diehl; dazu Baltes 1976 [*83: I 44f.] und 1978 [*83: II 41, 45], Gombocz 1997 [*40: 130f.]). Der demiurgische höchste Gott hat den geeigneten Moment, abhängig vom momentanen Zustand der Hyle, für die Erschaffung der Welt ausgewählt. Damit erweist sich der Demiurg als planender, entscheidender und fürsorglicher Gott, der aufgrund dieser Züge jüdisch-christlichen Gottesvorstellungen ähnelt (Baltes 1983 [*543: 47]). Möglicherweise gehört in einen solchen Kontext auch die vehemente Polemik des Attikos gegen Aristoteles, der seiner Auffassung nach eine göttliche Vorsehung ablehnt (fr. 3 des Places; dazu Moraux 1984 [*545: 569–571], Dillon 21996 [*25: 252f.]). Attikos bedient sich dabei traditioneller Argumente, die sich in der Polemik gegen Epikur, der gleichfalls eine Vorsehung leugnete, etabliert und bewährt hatten, und stellt Aristoteles somit dem von den Platonikern (z. B. Plutarch) scharf attackierten «gottlosen» Epikur an die Seite (Merlan 1967 [*540], Van Unnik 1976 [*542: 206–209], Moreschini 1987 [*546: 482f.]). Obgleich also der Kosmos durch den, so Attikos, planvollen Akt des Demiurgen zu existieren beginnt und als entstandener auch vergänglich sein könnte, ist er dennoch unvergänglich, da dies dem Willen des Demiurgen entspricht (fr. 4 und 25 des Places; dazu des Places 1984 [*544: 11–15], Moreschini 1987 [*546: 485–487], Trabattoni 1987 [*547], Bechtle 1998 [*554: 389–392]). 2. Seelenlehre Attikos tritt nachdrücklich, nicht zuletzt gegen Aristoteles, für die Unsterblichkeit der ganzen menschlichen Seele nach Platon ein (fr. 7,5–8. 17–28. 74 des Places; des Places 1977 [*527: 22–24]). Aristoteles leugne deren Substanzcharakter und trenne sie vom Nous ab. Zunächst entsteht, so Attikos, bei der Weltschöpfung durch die Teilhabe der vorkosmischen schlechten Seele der Materie an der Ideenwelt die Weltseele, die alles ordnet und durchdringt (fr. 8, 23 und 26 des Places, dazu Baltes 1983 [*543: 45], Deuse 1983 [*86: 48ff.], Moraux 1984 [*31: 45] und 1984 [*545: 577–579], Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 414f.]), Phillips 2002 [*556: 232– 235]). Attikos vertritt in Anlehnung an entsprechende Lehren des Plutarch und Numenios (des Places 1977 [*527: 19f.], Baltes 1983 [*543: 48]) die dualistische Ansicht, dass es auch danach eine «böse» oder «unvernünftige Seele» (ἄλογος ψυχή)
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neben einer «göttlichen Seele» gibt (θεία ψυχή, dazu Armstrong 1992 [*551]; umfassend Bechtle 1999 [*555]). Die Verbindung beider ergebe, sowohl im Falle der Weltseele als auch der Menschenseele, die «vernünftige Seele» (λογικὴ ψυχή: fr. 35; vgl. fr. 7,14. 26f.; fr. 15; 23; auch fr. 10–11 des Places, dazu Moreschini 1987 [*546: 483–485], Gombocz 1997 [*40: 131–135]). Als originell galt späteren Exegeten Attikos’ Exegese von Tim. 41d4, in der er von zwei Mischgefäßen spricht, in denen die Seelen vom Demiurgen gemacht werden (fr. 14 des Places; zur Diskussion darüber siehe Baltes 1983 [*543: 52f.]). Die unvernünftige Seele ist Teil der übeltätigen Seele, die nach der Trennung der vernünftigen Seele vom Körper im Tod zu ihren Ursprüngen zurückkehrt. Attikos formuliert auch hinsichtlich der unter den Zeitgenossen viel diskutierten Frage nach dem Zeitpunkt der Beseelung des Menschen (Eintritt der vernünftigen Seele schon beim ungeborenen Embryo oder erst bei Geburt) einen eigenen Standpunkt (siehe auch Alkin. Did. 178,26ff. Hermann; Numen. fr. 36 des Places; Galen De foetuum formatione 4,700f. K; Porph. [Ps.-Galen] ‹Ad Gaurum›; Männlein-Robert 2001 [*44: 427f.]): Nach Attikos ist die Belebung und Ausbildung des Embryos auf die Weltseele zurückzuführen (fr. 11 des Places), welche die Aufnahme der später hinzutretenden vernünftigen Seele vorbereitet, durch die der Embryo erst zum Menschen werde. Möglicherweise vertritt bereits Attikos die bei späteren Neuplatonikern so beliebte Theorie des «pneumatischen Seelenwagens» (ὄχημα ψυχῆς), der dann wohl mit der unvernünftigen Seele verbunden war (vgl. fr. 15 des Places; so Baltes 1983 [*543: 56] gegen Dodds 21963 [*537: 313–321]). 3. Ethik Gegen Aristoteles richtet sich Attikos auch in seiner Ethik (fr. 2 des Places): Er lehnt dezidiert die aristotelische Telos-Lehre ab (vgl. Arist. EN 1178a24; 1179a11), nach welcher der Mensch zum Erlangen des «Glücks» (εὐδαιμονία) äußerer und leiblicher Güter bedürfe, und vertritt eine gut platonische, auch von den Stoikern vertretene Lehre. Nach Attikos genügt nämlich die Tugend allein (Moreschini 1987 [*546: 480–482]). Attikos formuliert gerade seine auf die Ethik bezogenen Ausführungen gegen Aristoteles besonders rhetorisch und desavouiert seinen Gegner nicht nur durch Rekurse auf einschlägige Passagen im Œuvre Platons, sondern auch auf Homers ‹Ilias› und Archilochos: Er konstruiert so eine künst liche ‘communis opinio’ gegen Aristoteles, dessen Ethik auf diese Weise als jener Epikurs verwandt und damit als um so absurder erscheint. 4. Kategorienlehre Die Haltung des Attikos zur aristotelischen Logik bzw. Kategorienlehre, die im 2. Jahrhundert n. Chr. in ihrem Wert für die Platonexegese umstritten war, ist ebenso rigide: Anders als z. B. Alkinoos oder der anonyme ‹Theaitetos›Kommentar schreibt Attikos (wie z. B. auch Tauros, Lukios oder Nikostratos; des
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Places 1977 [*527: 15–17], Moreschini 1987 [*546: 482]) der aristotelischen Logik keinen Wert bei der Erklärung der Schriften Platons zu. Vielmehr wendet er sich, wie bereits Nikostratos, scharf gegen den Homonymiebegriff des Aristoteles (Nikostr. 8 F. Gioè), den er durch den Beweis, dass jedes Homonym ein Synonym sei, ad absurdum führt (fr. 40–42b, hier: 42a des Places; dazu Merlan 1934 [*534: 266], Moraux 1984 [*493: 532–536]). Überhaupt bemängelt Attikos die vermeintlich programmatische Unklarheit des Aristoteles und unterstellt ihm somit die Taktik von Tintenfischen, die sich bei Gefahr mittels eigener Schwärze dem Blick entziehen (fr. 7,75–81 des Places). Attikos erweist sich insgesamt als orthodoxer Platoniker, der nichtsdestotrotz originelle Einzelinterpretationen zu viel diskutierten Problemen, die sich aus Platons Text ergeben, vorschlägt (Dillon 21996 [*25: 257f.], Gombocz 1997 [*40: 131]). Seine Polemik gegen Aristoteles ist entweder exzentrisch oder vor einem uns unbekannten zeitgenössischen Hintergrund strategisch bedingt (Dillon 21996 [*25: 249f.], Gombocz 1997 [*40: 125]). Möglicherweise richtet Attikos seinen Kampf gegen den aristotelischen Einfluss im Platonismus nicht so sehr gegen Vertreter der eigenen Schulrichtung, die eine Harmonisierung Aristoteles’ mit Platon vornehmen, sondern vielmehr gegen Peripatetiker, die den Anspruch erheben, Platon richtig erklären zu können (so Baltes 1983 [*543: 38 Anm. 2]). Umstritten war längere Zeit die Frage, inwiefern Attikos in seiner Ablehnung peripatetischer Lehre und Methodik bei gleichzeitiger Offenheit gegenüber Dogmen der Stoa als ‘eklektischer’ Philosoph zu gelten habe (Diskussion bei Dillon 1988 [*35: 117f.], der diesen Begriff für Attikos zu Recht ablehnt). Vielleicht sind vor einem solchen Hintergrund Attikos’ Betonung einer ‘hellenischen’ Auslegung und sein Selbstverständnis als ‘Hellene’ besser zu verstehen, die mit Blick auf zeitgenössische nicht-griechische Platoniker an Kontur gewinnen (fr. 4,16–19 des Places = Tauros test. 27 Gioè mit Komm. [*9: 361f.]). 4. NACHWIRKUNG
Die Nachwirkung des Attikos ist in methodischer wie philosophischer Hinsicht beträchtlich (des Places 1977 [*527: 24–27], Baltes 1983 [*543: 56f.], Moreschini 1987 [*546: 489f.]). Bereits Galen, der berühmte Arzt und sein Zeitgenosse, setzt sich mit seinen Lehren auseinander (Baltes 1976 [*83: I 63–65]). Hinsichtlich seines sorgfältigen Rekurses auf den Wortlaut der Schriften Platons sowie aufgrund seiner Lehre von den Ideen außerhalb des demiurgischen Nous darf Attikos als wichtiger Vorläufer des Platonikers Longinos (3. Jh. n. Chr.) gelten. Überdies werden beide von christlichen Autoren als ‹Timaios›-Interpreten im Sinne der ‹Genesis› vereinnahmt (Männlein-Robert 2001 [*44: 89f., 606f.] und 2008 [*557: 95– 97]). Attikos’ Schriften werden im Plotin-Kreis in Rom gelesen (Porph. Vit. Plot. 14,72), er wird von Porphyrios, Iamblichos, Syrianos, Hierokles (bei Phot. Bibl. cod. 214, 171b–173b; ebd. 251, 460b–466b), Proklos, Damaskios und Simplikios, auch dem anonymen Kommentar zur ‹Nikomachischen Ethik› (CAG XX) zitiert,
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§ 59. Harpokration von Argos (Bibl. 690)
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meist allerdings kritisch, da er als zu philologisch und daher als unphilosophisch gilt. Da seine Lehre vom zeitlichen Anfang der Welt mit der christlichen Überzeugung konvergiert, wird Attikos von christlichen Autoren gerne als Gewährsmann herangezogen (Eusebios, Theodoret, Johannes Philoponos, Aineias von Gaza, Photios [Bibl. cod. 167, 112a–115b]), auch seine Ideenlehre wird aufgrund ihrer Kompatibilität mit der Trinitätslehre, z. B. von Augustinus, diskutiert (Pépin 1990 [*550]). Möglicherweise stehen Attikos’ Lehren sogar in Zusammenhang mit den Lehren des sog. Arianismus (Stead 1964 [*538], Meijering 1974 [*539: 161]).
§ 59. Harpokration von Argos Franco Ferrari
1. Leben und Schriften. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND SCHRIFTEN
Harpokration von Argos war Schüler des Attikos (Prokl. In Tim. I,305,6–7 Diehl = 2 T. Gioè), wahrscheinlich in Athen. Er muss zu gewissem Ruhm und Ansehen gelangt sein, da die ‹Suda› ihn als «Vertrauten des Kaisers» bezeichnet (συμβιωτὴς Καίσαρος: Suda I,366,27–28 Adler = 1 T. Gioè = test. 77.5 Dörrie-Baltes), auch wenn sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob er sich in Rom aufgehalten hat (Gioè 2002 [*9: 455]). Da die ἀκμή des Attikos ins Jahr 176 n. Chr. datiert wird, muss Harpokration wahrscheinlich um 150 geboren und in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts aktiv gewesen sein. Die ‹Suda› (I,366,28–9 Adler) schreibt ihm zwei Werke zu: ein ῾Υπόμνημα εἰς Πλάτωνα, d. h. einen ‹Kommentar zu den Dialogen Platons› in 24 Büchern, und ein ‹Platonisches Lexikon› (Λέξεις Πλάτωνος) in zwei Büchern (test. 77.5 DörrieBaltes). Aufgrund der verfügbaren Zeugnisse ist anzunehmen, dass der ‹Kommentar› den ‹Alkibiades I› (fr. 1 Dillon = test. 79.1a Dörrie-Baltes), den ‹Phaidon› (fr. 3–6, 8 Dillon = test. 78.5–11 Dörrie-Baltes), den ‹Phaidros› (fr. 9 Dillon = 79.3b Dörrie-Baltes), den ‹Staat› (test. 80.12 Dörrie-Baltes) und den ‹Timaios› (fr. 13 Dillon = test. 81.13 Dörrie-Baltes) behandelte, aber aufgrund seines Umfangs ist nahezu sicher, dass er sich auch mit weiteren Dialogen befasst hat. Wahrscheinlich handelte es sich um ein zetetisches Werk, in dem am platonischen Text eine Reihe von Aporien aufgezeigt wurden, für die der Verfasser Lösungen zu geben suchte (Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 180–182]). In diesem Sinne dürfte die Schrift des
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Harpokration eine gewisse Nähe zu Plutarchs ‹Platonicae quaestiones› und vielleicht zu Porphyrios’ Σύμμικτα ζητήματα (‹Vermischte Untersuchungen›) aufgewiesen haben. Aus den wenigen Zeugnissen scheint hervorzugehen, dass Harpokrations Textanalyse außerordentlich gewissenhaft war und dass er Platons Schriften sowohl auf Wortebene (κατὰ λέξιν) als auch auf Sachebene (κατὰ πράγματα) in vertiefter Weise diskutierte (Dillon 2006 [*72: 27f.]). 2. LEHRE
Die Bereiche, hinsichtlich derer sich Harpokrations Position – wenn auch teilweise nur in Form von Vermutungen – rekonstruieren lässt, sind 1) seine Seelenlehre, 2) seine Auslegung der Weltentstehung des ‹Timaios› und 3) seine Auffassung der Hierarchie innerhalb der Sphäre des Göttlichen. 1) Was die Seelenlehre betrifft, scheint sich Harpokration besonders intensiv mit dem Begriff der Tugend auseinandergesetzt zu haben, wobei er unter Bezugnahme auf den ‹Phaidon› zwischen den wahren und den falschen Tugenden unterschied, ohne jedoch bereits die komplexe Hierarchie der Tugenden zu erarbeiten, die später von den Neuplatonikern in der Nachfolge von Iamblichos entwickelt wurde (Ps.Olymp. In Phaed. B, 115,8–116,2 Norvin = test. 78.7–8 Dörrie-Baltes = fr. 5 Dillon = 10 T. Gioè; dazu Dillon 1971 [*571: 132ff.], Gioè 2002 [*9: 462–465]). Die Zeugnisse, die sich vor allem auf den Kommentar zum ‹Phaidros› beziehen, lassen deutlich erkennen, dass Harpokration eine Theorie der Seelenwanderung vertrat, die auch mit der Inkarnation von Menschenseelen in Tiere rechnete. Im Hinblick auf Phdr. 245c5, wo es heißt, dass «jede Seele unsterblich ist» (ψυχὴ πᾶσα ἀθάνατος), behauptet Harpokration, dass sich das Adjektiv πᾶσα nicht auf die Weltseele beziehe (wie Poseidonios annahm), sondern auf alle Seelen distributiv verstanden. Das bedeutet, dass er wohl alle Seelen als unsterblich betrachtete, einschließlich jener der Fliege und der Ameise (Herm. Alex. In Phdr. 102,10–15 Couvreur = fr. 10 Dillon = 15 T. Gioè). In dieselbe Richtung lässt sich ein anderes Zeugnis lesen, das Aineias von Gaza verdankt wird, der Harpokration die Überzeugung zuschreibt, dass «die menschliche Seele in jede Tierart transmigriere» (ἡ τῶν ἀνθρώπων ψυχὴ πάντα τὰ ζῷα μεταβαίνει: Aen. Dial. 12,2–11 Colonna = fr. 7 Dillon = 18 T. Gioè; dazu Dillon 1971 [*571: 136f.], Gioè 2002 [*9: 475–479]). Harpokration scheint sich auch mit der Frage nach dem Abstieg der Seele in die Körper beschäftigt zu haben, die er mit dem Problem des Ursprungs des Bösen verband. In einer umstrittenen Passage bei Iamblichos wird Kronios und Numenios die Auffassung zugeschrieben, das Böse (τὸ κακόν) verdanke seinen Ursprung der Materie und den Körpern selbst. Letztere Lösung, die das Böse von den Körpern herleitet, sei auch von Harpokration vertreten worden (Stob. Ecl. 1,49,37, I,375,12–18 Wachsmuth = Iambl. De an. fr. 23, p. 48,24–29 Finamore-Dillon = test. 123.7 Dörrie-Baltes = Harpokr. fr. 11 Dillon = 16 T. Gioè). Er hätte sich demnach von seinem Lehrer Attikos distanziert, der die Ursache des Bösen der vorkosmischen, irrationalen Seele zuwies, und ebenso von Numenios, laut dem sich das Böse entweder auf eine ‘anima silvae’ oder auf die (von der irrationalen
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Seele durchdrungene) Materie zurückführen lasse. Gemäß Harpokration – in diesem Punkt möglicherweise dem platonischen ‹Politikos› folgend, wo sich dem Wirken der Gottheit der Widerstand des körperlichen Elements entgegensetzt – läge die Ursache des Bösen gerade in der Körperlichkeit und würde in letzter Instanz vom Abstieg der Seelen in die Körper herrühren (Gioè 2002 [*9: 471–475], Zambon 2002 [*45: 216]). 2) Auch in der Diskussion über die Auslegung der Weltentstehung im ‹Timaios› bezog Harpokration Stellung. Er folgte seinem Lehrer Attikos in der Verteidigung der wörtlichen Interpretation und in der daraus resultierenden Annahme einer tatsächlichen und zeitlich bestimmten Entstehung des Universums. Er ging auch ein weiteres mit dieser Interpretation zusammenhängendes Problem an, nämlich die Frage nach der Vergänglichkeit bzw. Unvergänglichkeit des Universums. Wenn die Welt geschaffen ist (γενητός), müsste sie das Schicksal aller anderen geschaffenen Dinge teilen und zugrunde gehen, somit ein Ende haben. Dieses Argument hatte Aristoteles gegen Platon vorgebracht, der – nach Aristoteles – die Welt als geschaffen, aber ewig betrachtet hatte, womit er eine Widersinnigkeit in die Welt gesetzt habe, da alle den Menschen bekannten geschaffenen Dinge dazu bestimmt sind, zu vergehen und zugrunde zu gehen (Cael. A 10, 280a30ff.). Um Platon gegen den aristotelischen Einwurf zu verteidigen, bedient sich Harpokration einer Strategie, die in ähnlicher Weise bereits von Severos (und Attikos) vorgezeichnet worden war: Er anerkennt die Gültigkeit des Prinzips der Gleichwertigkeit zwischen «geschaffen» (γενητόν) und «vergänglich» (φθαρτόν), das in Rep. 546a formuliert wird, doch weist er dann dem «Willen der Gottheit» (βούλησις τοῦ θεοῦ: Tim. 41b4) die Entscheidung zu, die Welt so zu schaffen, dass sie nicht zugrunde geht und ewig lebt (Schol. zu Prokl. In Rep. II,377,15–378,6 Kroll = test. 137.7 Dörrie-Baltes = fr. 13 Dillon = 21 T. Gioè; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 417–419], Gioè 2002 [*9: 479f.]). Die Ewigkeit der Welt wäre demnach nach Harpokration ebenso wie nach Severos eine Art ἐπισκευαστὴ ἀθανασία (eine durch Gott «verschaffte Unsterblichkeit»). 3) Zur Theologie liegt ein einziges Zeugnis vor, das – wenn es denn verlässlich ist – erlaubt, Harpokration die Formulierung einer komplexen Hierarchie des Göttlichen zuzuschreiben. Tatsächlich nennt Proklos Harpokration an der Seite von Numenios als Vertreter der Annahme dreier Götter, wobei der erste dem «Vater» (πατήρ) entspreche, der zweite dem «Schöpfer» (ποιητής) und der dritte dem «Geschöpf» (ποίημα), d. h. der Welt. Es ist klar, dass die Formulierung einer entsprechenden Hierarchie im Rahmen der Auslegung von Tim. 28c3–5 entstand, wo Platon die Schwierigkeit darlegt, den Schöpfer und Vater dieser Welt zu finden, und die Unmöglichkeit, wenn man ihn gefunden hat, zu allen darüber zu sprechen. Viele Platoniker, unter ihnen auch Numenios und möglicherweise Harpokration, deuteten die beiden Bezeichnungen, als ob sie sich auf zwei verschiedene Gottheiten beziehen würden: ‘Vater’ auf den ersten Gott und ‘Schöpfer’ auf den zweiten, der seinerseits mit dem Demiurgen identifiziert wurde. Harpokration sei Numenios auch in der Verdoppelung des Demiurgen gefolgt, und daher sind nach ihm der zweite und der dritte Gott ein einziger. Nach Proklos versuchte Harpokration außerdem, eine Verbindung zwischen diesen Prinzipien und den traditionellen Gottheiten (Uranos, Kronos und Zeus) herzustellen, doch sei er auf
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verworrene Weise vorgegangen, indem er seine Meinung geändert und Zeus den ersten Gott genannt habe, den er zunächst mit Uranos identifiziert hätte (Prokl. In Tim. I,304,22–305,6 Diehl = test. 197.6 Dörrie-Baltes = Harpokr. fr. 14 Dillon = 22 T. Gioè; dazu Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 482f.]). Es ist jedoch wahrscheinlich, dass Proklos’ Vorwurf der Verwirrung eher böswillig und hauptsächlich aus polemischer Absicht heraus formuliert wurde (Dillon 1971 [*571: 144f.]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
§ 60. Gaios und seine ‘Schule’ Franco Ferrari
1. Der Mythos einer ‘Schule des Gaios’. – 2. Gaios.
1. DER MYTHOS EINER ‘SCHULE DES GAIOS’
Für lange Zeit wurde die Forschung zum Mittelplatonismus von einem veritablen philosophiegeschichtlichen Mythos dominiert, demjenigen der ‘Schule des Gaios’. Vom Ende des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Fundamente für die Entstehung dieses Mythos gelegt, der in der Folge die Erforschung des Platonismus der ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit beeinflusst hat (Sinko 1905 [*585]). Die Hauptgründe, die zur Überzeugung führten, der platonische Philosoph Gaios habe die Entwicklung des vorplotinischen Platonismus in entscheidender Weise beeinflusst, sind leicht zu erkennen: 1) Der Autor des ‹Didaskalikos› sei nicht der anderweitig unbekannte Alkinoos, wie in den Handschriften zu lesen ist, sondern – gemäß einer von Freudenthal vorgeschlagenen Konjektur – der Mittelplatoniker Albinos, Schüler des Gaios und ebenso Verfasser des ‹Prologs›. 2) Der ‹Didaskalikos› des Albinos zeige bemerkenswerte inhaltliche Parallelen zu Apuleius’ ‹De Platone et eius dogmate›. 3) Die beiden Werke verdankten sich einer einzigen Quelle, und dabei handle es sich um nichts anderes als um die «Vorlesungen» (σχολαί) des Gaios, der folglich den nachfolgenden Platonismus in entscheidender Weise beeinflusst habe (Sinkos Rekonstruktion wurde – wenn auch mit bisweilen etwas abweichender Akzentsetzung – von Praechter 121926 [*16: 546], Witt 1937 [*606], Moreschini 1978 [*735: 133–191] u. a. akzeptiert). Die Untersuchungen der letzten Jahrzehnte haben jedoch auf überzeugende Weise aufgezeigt, dass die Annahmen der Punkte 1) und 2) nicht zutreffen und
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dass somit auch die in Punkt 3) gezogene Folgerung falsch ist. Albinos, der Verfasser des ‹Prologs›, hat nichts mit dem ‹Didaskalikos› zu tun; dieser muss entsprechend der handschriftlichen Tradition dem geheimnisvollen Alkinoos zugeschrieben werden. Der ‹Didaskalikos› und der ‹Prolog› können nicht auf denselben Verfasser zurückgehen, da die Unterschiede zwischen ihnen zu zahlreich sind. Aber auch zwischen dem ‹Didaskalikos› und Apuleius’ ‹De Platone› bestehen – neben den Analogien – wichtige Uneinigkeiten dogmatischer Art, welche die gemeinsame Abhängigkeit von einer einzigen Quelle, eben den Vorlesungen des Gaios, unwahrscheinlich machen (Whittaker 1987 [*34: 83–110], Lilla 1992 [*39: 49f.], Göransson 1995 [*587: 13–27]). Gaios ist demnach nicht der Autor, von dem der Platonismus der folgenden Jahrzehnte in entscheidendem Maße abhing. Die ‘Schule des Gaios’ muss reduziert werden auf Gaios selbst, auf Albinos, der sicherlich sein Schüler war, sowie möglicherweise auf den (nicht namentlich bekannten) Professor der platonischen Philosophie und Schüler des Gaios, bei dem der junge Galen in Pergamon studiert hatte, bevor er den Unterricht bei Albinos in Smyrna aufnahm (Gal. Aff. dig. 28,9–15 De Boer = test. 8 Göransson = 3 T. Gioè). All dies bedeutet nicht, dass es keine Ähnlichkeiten in den Platon-Auslegungen des Albinos, des Alkinoos und des Apuleius gäbe. Es hat jedoch zur Folge, dass diese Ähnlichkeiten die Annahme eines eigenen, auf den Unterricht des Gaios zurückführbaren Systems nicht rechtfertigen und Gaios’ Bedeutung daher beträchtlich geschmälert werden muss (Dillon 21996 [*25: 266f., 445–448], Gioè 2002 [*9: 35 Anm. 34 und 66f.] und Tarrant 2007 [*589: 450–452]).
2. GAIOS
1. Leben und Schriften. – 2. Lehre.
1. Leben und Schriften Aus den wenigen greifbaren Informationen zu Gaios ein Bild dieses Platonikers zu gewinnen, ist schwierig. Dass er in gewissem Ruhm und Ansehen stand, beweist der Umstand, dass er das Bürgerrecht in Delphi erhielt, wie eine auf 120– 130 n. Chr. datierte Inschrift bezeugt (FD III 4 n. 103 = SIG3 n. 868 C = test. 6 Göransson = 1 T. Gioè). Proklos nimmt Gaios in eine Liste wichtiger Platoniker auf (unter ihnen auch Albinos, Numenios und Harpokration), die den Mythos des Er aus dem 10. Buch des ‹Staats› interpretiert haben (Prokl. In Rep. II,96,10–15 Kroll = test. 2 Göransson = 6 T. Gioè). Gaios’ Name erscheint außerdem in einer Aufzählung der Autoren, deren Kommentare in der Schule Plotins gelesen wurden (Porph. Vit. Plot. 14,10–14 = test. 9 Göransson = 4 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 61–64]) – ein Hinweis auf sein Prestige im Bereich der Platon-Exegese. Der
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Umstand, dass Galen seinen Besuch der Vorlesungen bei einem Schüler des Gaios in Pergamon in die Jahre 143–144 datiert, lässt die Annahme plausibel erscheinen, dass Gaios in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts gelebt hat und wahrscheinlich gegen Ende des 1. Jahrhunderts in der östlichen Mittelmeerregion geboren wurde (Whittaker 2000 [*588]). Albinos, ein Schüler des Gaios, verfasste eine Schrift in 11 Büchern mit dem Titel ‹Grundzüge der Lehren Platons› (῾Υποτυπώσεις Πλατωνικῶν δογμάτων), die auf den «Vorlesungen» (σχολαί) des Gaios beruhte (Cod. Par. Graec. 1962, fol. 146 = test. 1 Göransson = 7 T. Gioè = test. 77.6 Dörrie-Baltes). Es ist schwierig, genauer zu bestimmen, woraus diese ‘Grundzüge’ bestanden. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Sammlung von Kommentaren (ὑπομνήματα) zu platonischen Dialogen, der möglicherweise ein Teil beigefügt war, in dem das platonische Denken in systematischer und didaktischer Form dargelegt wurde (Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 182–184], Göransson 1995 [*587: 45–49] und Gioè 2002 [*9: 66–70]). Schwierig zu beantworten bleibt die Frage, ob Albinos’ ‹Prolog› Auffassungen wiedergab, die sich auf den Unterricht des Gaios zurückführen lassen (Göransson 1995 [*587: 51f.]). 2. Lehre Das einzige überlieferte Zeugnis betrifft die berühmte methodologische Prämisse aus Tim. 29b–d, in der Platon eine Abhängigkeit zwischen der Rede und dem Wesen der Dinge festlegt, von denen die Rede handelt: Die Wahrheit könne nur im Bereich jener Reden erreicht werden, die vom Vorbild (das beständig und unveränderlich ist) handeln, während die Reden über das Abbild, d. h. die sinnlich wahrnehmbare Welt (die unbeständig ist), nur danach streben könnten, die Stufe des Wahrscheinlichen zu erreichen. Auf diese Unterscheidung gestützt gelangten Gaios und Albinos zur These, dass Platon seine Lehren auf «zweifache Weise darlege» (δογματίζει διχῶς): entweder «wissenschaftlich-stringent» (ἐπιστημονικῶς) oder «annähernd-wahrscheinlich» (εἰκοτολογικῶς), was eine unterschiedliche Stufung des Wahrheitsgehalts mit sich bringt, die von den Gegenständen abhängt, um die sich die Ausführungen drehen (Prokl. In Tim. I,340,21–341,9 Diehl = test. 3 Göransson = 9 T. Gioè = test. 109.1 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 357–359], Gioè 2002 [*9: 70–76] und Tarrant 2007 [*589: 452]). Es handelt sich um ein Zeugnis, das eine gewisse Vertrautheit mit den in den platonischen Dialogen vorliegenden erkenntnistheoretischen Fragestellungen anzuzeigen vermag. Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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§ 61. Alkinoos (Bibl. 690–692)
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§ 61. Alkinoos Franco Ferrari
1. Leben und Schrift. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND SCHRIFT
Für nahezu ein Jahrhundert akzeptierte die Forschergemeinschaft die Hypothese, dass der ‹Didaskalikos›, den die Handschriften Alkinoos zuschreiben, in Wirklichkeit ein Werk des Mittelplatonikers Albinos sei, der den ‹Prolog› verfasst hat. Diese Überzeugung geht auf einen Beitrag Freudenthals zurück, der vorschlug, die von den Handschriften überlieferte Lesart durch ᾿Αλβίνου zu ersetzen (Freudenthal 1879 [*605]; die beiden ältesten und wichtigsten Handschriften in der Überlieferung des ‹Didaskalikos› sind der Parisinus Graecus 1962, 9. Jh., und der Vindobonensis philosophicus Graecus 314, 925 n. Chr. von einem gewissen Johannes Grammatikos geschrieben, alle anderen Handschriften sind Abschriften des Parisinus: Whittaker 1990 [*597: XXXII–XLVIII]). Untermauert wurde Freudenthals Idee durch die Angabe einiger vermeintlicher Analogien zwischen dieser allgemeinen Darstellung der platonischen Philosophie und dem Inhalt von Albinos’ ‹Prolog› sowie von Apuleius’ Schrift ‹De Platone et eius dogmate›, Werke, die alle auf die ‘Schule des Gaios’ zurückzuführen seien (Sinko 1905 [*585]). In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch die mangelnde paläographische Glaubwürdigkeit von Freudenthals Konjektur aufgezeigt und die Abweichungen zwischen dem ‹Didaskalikos› und Albinos’ ‹Prolog› ins Licht gerückt, was schließlich dazu führte, dass die Lesart der Handschriften wieder akzeptiert und der ‹Didaskalikos› als Werk des Alkinoos betrachtet wurde (Giusta 1961 [*610], Whittaker 1974 [*613], Giusta 1986 [*615: 170–193], Whittaker 1987 [*34: 83–102] und 1990 [*597: VII–XIII], Becchi 1993 [*619]; die Zuschreibung zu Albinos noch bei Nüsser 1991 [*650: 210–223]). Einige Forscher versuchten in der Folge, diesen Alkinoos mit dem gleichnamigen Stoiker, der bei Philostratos erwähnt wird, zu identifizieren (Philostr. Vit. Soph. 1,2, 40,22–32 Kayser; Giusta 1961 [*610: 186], Whittaker 1990 [*597: IX–XI]) oder mit dem Alkinoos, von dem bei Photios die Rede ist (Bibl. cod. 48, 11b17–22). Diese vorletzte Identifizierung ist jedoch problematisch, denn auch wenn der ‹Didaskalikos› zahlreiche Lehren enthält, die sich auf die Stoa zurückführen lassen, so ist sein Verfasser dennoch eindeutig ein überzeugter Platoniker, und es ist wenig wahrscheinlich, dass ihn Philostrat als ‘Stoiker’ etikettiert hätte (Donini 1990 [*38: 88]). Es scheint daher unausweichlich, sich mit der Feststellung zufrieden zu geben, dass man über den Autor des ‹Didaskalikos› nahezu nichts weiß und nur annehmen kann, dass er wohl in der zweiten
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Hälfte des 2. Jahrhunderts lebte und arbeitete (Becchi 1993 [*619: 243–245], Tarrant 2007 [*589: 460]). Der ‹Didaskalikos› (Διδασκαλικὸς τῶν Πλάτωνος δογμάτων, ‹Handbuch der platonischen Lehren›) stellt eine zusammenfassende (vgl. Ἐπιτομή in der Subscriptio) und systematische Darstellung der Philosophie Platons dar, die nicht so sehr für Schüler, als vielmehr für Lehrer und Anhänger der platonischen Philosophie verfasst wurde (Dillon 1993 [*598: XIV], Zambon 2002 [*45: 296]). Er zeigt zahlreiche Berührungspunkte mit doxographischen Texten (z. B. Kap. 12, das in einem nahezu wörtlichen Zitat des Areios Didymos Epit. phys. fr. 1 = Dox. gr. 447 Diels besteht) und wurde daher als eine bloße Zusammenstellung von heterogenen Quellen ohne jeglichen philosophischen Eigenwert betrachtet (Giusta 1986 [*615: 170ff.], Göransson 1995 [*587: 105–136]). Die Abhängigkeit des Werks von doxographischen Quellen sollte jedoch kein Grund sein, die philosophischen Qualitäten des Verfassers zu schmälern, die in einigen Passagen aufscheinen und den ‹Didaskalikos› zu einem der interessantesten Zeugnisse des Mittelplatonismus machen (Baltes 1996 [*621: 97–104]).
2. LEHRE
1. Einteilung der Philosophie. – 2. Logik. – 3. Prinzipienlehre, Theologie und Physik. – 4. Ethik.
1. Einteilung der Philosophie Die im ‹Didaskalikos› präsentierte Gliederung der Philosophie basiert auf der klassischen hellenistischen Dreiteilung (Logik, Physik und Ethik), der Elemente aristotelischer und alt-akademischer Herkunft hinzugefügt sind. Da es zwei Hauptarten von Lebensweisen (βίοι) gibt, die theoretisch-kontemplative und die praktische, gibt es auch zwei Hauptarten von Lehren, die theoretischen und die praktischen. Der Vorrang gebührt dabei den theoretischen Disziplinen, weil das theoretische Leben höher zu werten ist als das praktische (Did. 152,30–153,24 = test. 174.1 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 255–258] und Zambon 2002 [*45: 303f.]). Zu den theoretischen und praktischen Disziplinen gesellt sich die Untersuchung der verschiedenen Formen des Argumentierens, d. h. die Logik, die Alkinoos ‘Dialektik’ nennt. Die Philosophie verfügt also über drei Aspekte: den ‘theoretischen’, der in der Erkenntnis der seienden Dinge, insbesondere der «ersten Denkbaren» (τὰ πρῶτα νοητά), besteht (Did. 155,20f.; dazu Sedley 2012 [*633: 166]), den ‘praktischen’, der auf der Verwirklichung von Handlungen b eruht, und den ‘dialektischen’, welcher der Untersuchung des Argumentierens gewidmet ist. Jeder dieser Teile lässt sich weiter untergliedern: Die Dialektik unterteilt sich in die begriffliche Zergliederung (διαιρετικόν), die Definition (ὁριστικόν), die
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I nduktion (ἐπαγωγικόν) und die syllogistische Schlussfolgerung (συλλογιστικόν). Die praktische Kenntnis unterteilt sich einem aristotelischen Schema gemäß in Ethik, Ökonomie und Politik. Der theoretische Bereich schließlich gliedert sich, wiederum dem aristotelischen Vorbild folgend, in Theologie, Physik und Mathematik (Did. 153,25–154,7 = test. 101.4 Dörrie-Baltes; dazu Moraux 1984 [*647: 449–453], Göransson 1995 [*587: 110–118], Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 214–218] und Zambon 2002 [*45: 306–317]). 2. Logik Auf dem Gebiet der Logik (nach stoischem Vorbild auch im Sinne von ‘Epistemologie’ verstanden) besteht das Hauptziel des Verfassers im Nachweis, dass die Grundlagen dieser Disziplin bereits von Platon gelegt wurden, in dessen Werken sich Beispiele von Analysen, Synthesen, Induktionen, Syllogismen (kategorische und hypothetische) und sogar – im ‹Parmenides› – die Vorwegnahme der zehn aristotelischen Kategorien nachweisen lassen (Did. 158,6–160,44). Auch die stoische Auffassung der ‘angeborenen’ bzw. ‘natürlichen Begriffe’ (φυσικαὶ ἔννοιαι) wurde im Zusammenhang der platonischen Lehre der Wiedererinnerung vorweggenommen (Did. 155,20–34; dazu Boys-Stones 2005 [*629: 216–223], Chiaradonna 2007 [*630: 209–215] und Helmig 2012 [*632: 141–154]). Alkinoos orientiert sich in der Behandlung der Erkenntnistheorie am stoischen Modell, das mit Blick auf die Kriterien der Wahrheit entwickelt war (Did. 154,9ff.; dazu Sedley 1996 [*622: 302ff.] und Boys-Stones 2005 [*629: 207–212]). Er erkennt im λόγος das Werkzeug, mittels dem das Urteil gefällt und die Erkenntnis gewonnen wird. Ein solcher Logos ist zweifacher Natur: Der erste erweist sich als vollkommen unzugänglich und unfehlbar und gehört zu Gott, während der zweite dem Irrtum unterworfen ist und zu den Menschen gehört (Did. 154,21–25; dazu Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 123]). Alkinoos erarbeitet eine Systematisierung der platonischen Erkenntnistheorie (die er zu großen Teilen aus dem ‹Theaitetos›, dem ‹Staat›, dem ‹Phaidros›, dem ‹Phaidon› und dem ‹Timaios› gewinnt) und bezeichnet die «Vernunfterkenntnis» (νόησις) als höchste Stufe der menschlichen Erkenntnis. Sie wird definiert als «Wirken der Vernunft bei der Betrachtung der ersten intelligiblen Gegenstände» (νοῦ ἐνέργεια θεωροῦντος τὰ πρῶτα νοητά) und hat zwei Aspekte: Einerseits handelt es sich um die Einsicht der Seele, wenn sie das Intelligible betrachtet, bevor sie in Kontakt mit dem Körper kommt, während die zweite Einsicht auftritt, nachdem die Seele in den Körper gelangt ist. Alkinoos zufolge heißt diese zweite Art von Einsicht «natürlicher Begriff» (φυσικὴ ἔννοια: Did. 155,20–8 = test. 169.2 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 128–130]). Für Alkinoos ist nur die erste Art der Vernunfterkenntnis Prinzip der wissenschaftlichen Erkenntnis, während die zweite mit der «Erinnerung» identifiziert wird (μνήμη: Did. 155,32–34). Anschließend unterscheidet Alkinoos zwei Arten von Vernunft erkenntnis. Diese ist zweifach, weil ihre Gegenstände zweifach sind: auf der einen Seite die «ersten Intelligibilia» (πρῶτα νοητά), d. h. die Ideen, und auf der anderen Seite die «zweiten Intelligibilia» (δεύτερα νοητά), die den «Formen auf der
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Materie» (τὰ εἴδη τὰ ἐπὶ τῇ ὕλῃ) entsprechen. In analoger Weise bezieht sich auch die sinnliche Erkenntnis, die auf dem λόγος δοξαστικός, der meinungsbasierten Vernunft, beruht, auf zwei Arten von Gegenständen, auf die ersten und zweiten Sensibilia, denen Alkinoos eine dritte Art hinzufügt, die sich aus diesen beiden zusammensetzt (Did. 155,42–156,5). Auf diese Weise wird ein gewisser Parallelismus zwischen der Erkenntnis des Intellekts und der auf Meinung beruhenden Erkenntnis hergestellt (Sedley 1996 [*622: 304ff.]). In der Folge wendet sich Alkinoos der Untersuchung der begrifflichen Zergliederung, der Analyse (von der es drei Arten gibt), der Induktion und des Syllogismus zu, wobei er Beispiele dieser Verfahren aus den Dialogen anführt (Did. 156,24–160,41; dazu Moraux 1984 [*647: 453–458]). Der letzte Teil des logisch- dialektischen Abschnitts ist der Mathematik gewidmet, deren propädeutische Funktion vom Verfasser gemäß den Ausführungen im ‹Staat› betont wird (Did. 160,42–162,23). 3. Prinzipienlehre, Theologie und Physik Im ‹Didaskalikos› findet sich die klassische Auffassung der mittelplatonischen Dreiprinzipienlehre: Gott, Ideen und Materie (Did. 163,11–14 = test. 113.3 Dörrie-Baltes). Die Behandlung der Materie übernimmt nahezu wörtlich den Inhalt von Tim. 49a–52d, mit dem Unterschied, dass Alkinoos in Übereinstimmung mit der unter den Platonikern inzwischen üblich gewordenen (und auf Aristoteles zurückgehenden) Gepflogenheit das räumliche Prinzip Platons ὕλη nennt. Dieses wird als bar jeglicher Qualität, unbestimmt und wertneutral aufgefasst (Did. 162,29–163,10 = test. 123.1 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 491– 497], Reydams-Schils 1999 [*94: 193–196] und Vimercati 2007 [*631: 436ff.]). Für die Idee bietet Alkinoos fünf Definitionen: 1) Im Hinblick auf Gott ist sie seine eigene Vernunfteinsicht (νόησις αὐτοῦ). 2) Im Hinblick auf uns ist sie erstes Intelligibles (νοητὸν πρῶτον). 3) Im Hinblick auf die Materie ist sie Maß (μέτρον). 4) Im Hinblick auf den sichtbaren Kosmos ist sie Vorbild (παράδειγμα). 5) Im Hinblick auf sich selbst ist sie Substanz (οὐσία; Did. 163,14–17 = test. 127.4 DörrieBaltes; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 240–246] und Ferrari 2005 [*96: 236–240]). Darüber hinaus finden sich in Alkinoos’ Text Spuren eines Versuchs, das Sein der Ideen im göttlichen Denken zu begründen. So behauptet er, dass der erste Intellekt, d. h. der erste Gott, da er ja die bessere Wirklichkeit darstellt, das schönere Intelligible denken muss: In diesem Fall würde Gott «sich selbst und seine eigenen Gedanken» (ἑαυτὸν ἂν οὖν καὶ τὰ ἑαυτοῦ νοήματα) denken, und die Idee würde tatsächlich «seine Tätigkeit» (ἐνέργεια αὐτοῦ), d. h. das Produkt seines Denkens, darstellen (Did. 164,27–31 = test. 188.1 Dörrie-Baltes; dazu Dillon 1993 [*598: 103ff.], Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 329f.]). Der Vorrang Gottes gegenüber den Ideen wird in der Behandlung des dritten Prinzips, nämlich Gottes, bestätigt. Alkinoos nimmt eine Art ontologischer Hierarchie an, die mit der Seele beginnt und über den Intellekt (zunächst den potentiellen und dann den aktualen) aufsteigt, um schließlich in der Ursache des
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Intellekts zu gipfeln, die dem ersten Gott entspricht (Did. 164,18–23): «Da der Intellekt besser ist als die Seele, der aktuale Intellekt aber, der alles zugleich und auch immer denkt, besser als der potentielle und noch besser als dieser dessen Ursache, so ist diese wohl der erste Gott, der für den Intellekt des gesamten Kosmos die Ursache seines immerwährenden Wirkens ist» (test. 188.1 Dörrie-Baltes). In dieser Hierarchie lassen sich drei Stufen unterscheiden: die Weltseele, der Intellekt (zunächst in Potenz, dann im Akt) der Weltseele und die Ursache dieses Intellekts, die ihrerseits ein Intellekt ist (Deuse 1983 [*86: 81ff.], Di Stefano 2002 [*626: 188]). Alkinoos’ erster Gott muss in der Tat mit dem ersten Intellekt gleichgesetzt werden, der über dem Intellekt der Weltseele steht, die ihrerseits aus dem Schlaf geweckt wird und sich auf den ersten Gott ausrichtet (Did. 164,42–165,2). Alkinoos scheint daher die Existenz zweier Gottheiten behauptet zu haben, einer demiurgischen (der zweite Gott) und einer transzendenten (der erste Gott; Mansfeld 1972 [*612: 61–67], Donini 1988 [*616: 124–127], Alt 1996 [*620: 14–23], Opsomer 2005 [*99: 79–83] und Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 323–341]). In der Beschreibung dieses ersten Gottes schwankt Alkinoos zwischen onto logischen Bestimmungen aus den platonischen Dialogen, die dessen Vollkommenheit, Vollendung, Göttlichkeit und Güte (αὐτοτελής, παντελής, θειότης, ἀγαθόν) aufzeigen, und der Behauptung, er sei «unaussprechbar» (ἄρρητος: Did. 164,31– 36). In Did. 165,5 vertritt Alkinoos jedoch in einer scheinbar widersprüchlichen Formulierung die Auffassung, er sei «unaussprechbar und nur mit dem Intellekt fassbar» (ἄρρητος καὶ νῷ μόνῳ ληπτός). Damit wollte er wohl behaupten, dass Gott nicht vom λόγος, sondern einzig vom νοῦς erfasst werden könne, womit möglicherweise eine unvermittelte, intuitive und nicht-propositionale Erkenntnis zum Ausdruck gebracht werden sollte (dazu Dillon 1993 [*598: 104–107], Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 330–341]). Danach erwähnt Alkinoos drei verschiedene Wege, um zur Erkenntnis des ersten Prinzips zu gelangen: Es handelt sich dabei um 1) die Einsicht, die mittels Subtraktion zustande kommt (κατὰ ἀφαίρεσιν: dieser Weg geht nach Art und Weise der Mathematiker vor, die vom Körper ausgehend zum Punkt gelangen, indem sie Schritt für Schritt eine Dimension entfernen), 2) die Einsicht, die durch Analogie voranschreitet (κατὰ ἀναλογίαν: diese Erkenntnis bestimmt das Wesen des ersten Gottes aufgrund seiner Analogie zur Sonne) und schließlich 3) die Einsicht, die ausgehend von der Schönheit der sinnlichen Dinge zur Erfassung der Schönheit der Intelligibilia gelangt, d. h. die ‘via eminentiae’ (Did. 165,16–34 = test. 190.3 Dörrie-Baltes; Dillon 1993 [*598: 109– 111], Abbate 2002 [*625: 71–75], Di Stefano 2002 [*626: 190–193] und Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 377–381]). Tatsächlich hat der erste Gott des Alkinoos bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem ersten unbewegten Beweger im 12. Buch der ‹Metaphysik› des Aristoteles: Dieser ist «unbewegt» (ἀκίνητος), ein Intellekt, der sich selbst denkt, und setzt als das Objekt des Verlangens die Vernunft des ganzen Himmels in Bewegung (ὡς τὸ ὀρεκτόν: Did. 164,25 = ὡς ἐρώμενον: Metaph. 12,7, 1072b3). Die Behandlung des Aufbaus der körperlichen Welt hängt weitgehend vom ‹Timaios› ab, insbesondere was den Prozess der Rückführung der elementaren Körper (Luft, Wasser, Erde und Feuer) auf die fundamentalen geometrischen
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Strukturen anbelangt, die in den Dreiecken gipfeln (Did. 166,39–169,15). Im Folgenden vertritt Alkinoos die didaktische Auslegung der Weltentstehung (Did. 169,32–41 = test. 139.2 Dörrie-Baltes). Weitgehend abhängig vom ‹Timaios› ist auch der Abschnitt über den menschlichen Körper (Did. 172,20–173,15), während Alkinoos in Hinblick auf die Teile der Seele behauptet, dass nur ihr rationaler Teil unsterblich, die übrigen jedoch sterblich seien (Did. 178,24–46 = test. 168 DörrieBaltes; dazu Gombocz 1997 [*40: 95f.] und Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 420–434]). In der Frage nach dem Schicksal und der menschlichen Freiheit versucht Alkinoos entgegen dem radikalen Determinismus der Stoiker, dem Menschen gewisse Räume der Freiheit zu bewahren (Did. 179,1–33; dazu Reydams-Schils 1999 [*94: 204f.], Boys-Stones 2007 [*101: 431ff.]). 4. Ethik Die Ethik des ‹Didaskalikos› ist platonisch-aristotelisch ausgerichtet, doch finden sich auch Zugeständnisse an das stoische Denken (Becchi 1993 [*619: 244– 252]). Das höchste Gut für die Menschen besteht in der Betrachtung des ersten Guten, d. h. Gottes, der auch erster Intellekt ist (Did. 179,39–42; dazu Dillon 21996 [*25: 298f.]). Alkinoos scheint weiter einen gewissen moralischen Rigorismus zu vertreten, der sokratischer Herkunft, jedoch möglicherweise auch nicht frei von stoischen Einflüssen ist: Er behauptet nämlich, dass sich die Glückseligkeit in den Gütern der Seele finde, die Güter des Körpers (Schönheit, Kraft, Reichtum) dagegen vollkommen belanglos seien für die Erlangung der Glückseligkeit (Did. 180,1–28; dazu Dillon 1993 [*598: XXIIff.], Karfík 2013 [*635: 120–122]). Auch für Alkinoos besteht das Ziel (τέλος) in der Angleichung an Gott: nicht jedoch an den ersten, transzendenten und überkosmischen Gott, der keine Tugenden besitzt, sondern an den kosmischen Gott (ἐπουράνιος), d. h. wahrscheinlich an den zweiten Gott, den Demiurgen (Did. 181,19–45; dazu Donini 1982 [*29: 111f.] und 1988 [*616: 128], Dillon 1993 [*598: XXIII], Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 100–104] und Baltzly 2004 [*627: 300]). Die Auffassung der Tugend ist typisch mittelplatonisch. Alkinoos übernimmt die aristotelische Definition und behauptet, dass die Tugend ein «absolut vollkommener Zustand der Seele» (διάθεσις ψυχῆς τελεία καὶ βελτίστη) sei, die dem Menschen Harmonie, Mäßigung und Festigkeit in seinem Verhalten sich selbst und anderen gegenüber verleiht (Did. 182,15–19). Er unterscheidet dem aristotelischen Schema folgend die Tugenden der Vernunft (λογικαί) von denen, die den irrationalen Teil der Seele betreffen (αἱ περὶ τὸ ἄλογον αὐτῆς μέρος). Diese beziehen sich nach dem traditionellen platonischen Schema entweder auf den reizbaren Seelenteil (περὶ τὸ θυμικόν), wie z. B. den Mut, oder aber auf den be gehrenden (περὶ τὸ ἐπιθυμητικόν), wie z. B. die Mäßigung (Did. 182,19–24). Die Tugenden, die sich auf den rationalen Seelenteil beziehen, werden «primär» (προηγούμεναι) genannt, jene der irrationalen Seelenteile «sekundär» (ἑπόμεναι). Da sie den affektiven Teil betreffen, handelt es sich bei den sekundären Tugenden nicht um Wissen oder Fachkenntnisse, weshalb sie nicht «lehrbar» (διδακταί) sind,
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§ 61. Alkinoos (Bibl. 690–692)
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sondern sie bringen «die schönen Taten gemäß einer Vernunft hervor, die nicht in ihnen selbst ist (denn sie besitzen keine), sondern gemäß der Vernunft, die ihnen durch die Einsicht zugeteilt wird, indem sie aus Gewohnheit sowie Übung entstehen (ἐξ ἔθους καὶ ἀσκήσεως)» (Did. 183,37–184,5; dazu Annas 1999 [*623: 124] und Ferrari 2013 [*634: 162–165]). Gegen den stoischen Radikalismus vertritt Alkinoos die Idee der μετριοπάθεια, des Maßes, der Kontrolle der Leidenschaften. Außerdem lässt er die Möglichkeit einer Abstufung im Bereich der Tugenden zu, womit er sich wiederum gegen die Stoiker stellt, für die es zwischen Laster und Tugend keine Zwischenstufe gibt (Did. 183,17–41; dazu Donini 1982 [*29: 112f.]). Aristoteles verdankt er auch die Auffassung der (ethischen) Tugend als des richtigen Mittelmaßes zwischen zwei Extremen (Did. 184,14–21). Interessant, aber möglicherweise nicht ohne Weiteres mit der restlichen Behandlung der Ethik vereinbar ist der Rückgriff auf das so kratische Thema der Unfreiwilligkeit des moralischen Lasters, das durch einen Erkenntnismangel bedingt ist, weil niemand willentlich das Böse wählen würde (Did. 184,42–185,23). Wie andere Mittelplatoniker beschäftigte sich auch Alkinoos mit der Frage des «Schicksals» (εἱμαρμένη). Er schreibt Platon die Ansicht zu, dass alles im Schicksal enthalten sei, aber nicht in dem Sinne, dass alles vom Schicksal festgelegt wäre. Wenn es nämlich so wäre, gäbe es keinen Raum für die freie Wahl und folglich auch nicht für Lob und Tadel. Für Alkinoos wirkt das Schicksal nicht als ein Gesetz, das alles bestimmt, sondern als ein Gesetz, das die Folgen für bestimmtes Handeln festlegt. Nachdem die Seele in freier Entscheidung eine Lebensweise gewählt hat, legt das Schicksal alle Ereignisse fest, die aus dieser Wahl folgen (Did. 179,1–19 = test. 174.2 Dörrie-Baltes; dazu Dillon 1993 [*598: 160–163], Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 258–263] und Pietsch 2013 [*114: 202–209]). Auf dem Gebiet der politischen Theorie übernimmt Alkinoos schließlich die klassischen Themen aus Platons ‹Staat›, dem ‹Politikos› und den ‹Gesetzen›, wobei er sich in erster Linie auf die Beziehung zwischen der Dreiteilung der Seele und jener des Staates sowie den Unterschied zwischen dem im ‹Staat› beschriebenen Idealstaat und den real existierenden Staaten, von denen in den anderen Dialogen die Rede ist, konzentriert (Did. 188,8–189,11; dazu Dillon 1993 [*598: 204–209]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
§ 62. Albinos aus Smyrna Franco Ferrari
1. Leben und Schriften. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND SCHRIFTEN
Spärlich sind Informationen über das Leben und die Schriften des Albinos, eines Schülers des Gaios. Er wirkte in Smyrna um 150 n. Chr., denn Galen teilt mit, seine Vorlesungen besucht zu haben (Gal. Libr. propr. 97,8–11 Mueller = test. 10 Göransson = 1 T. Gioè). Wahrscheinlich, wenn auch nicht sicher, war Smyrna seine Geburtsstadt (Göransson 1995 [*587: 39], Gioè 2002 [*9: 87–89]). Zwar ist die These des Einflusses einer ‘Schule des Gaios’ in Athen, die von Apuleius und Albinos besucht wurde, heute überwunden, doch die Anwesenheit von Albinos in der attischen Hauptstadt als Lehrer der platonischen Philosophie lässt sich nicht vollständig ausschließen (Göransson 1995 [*587: 38–41], Reis 1999 [*652: 19]). Auf jeden Fall dürfte er in der Mitte des 2. Jahrhunderts tätig gewesen und daher in dessen ersten Jahrzehnten geboren worden sein. Etwas mehr Informationen liegen bezüglich seiner Schriften vor. Er verfasste ein Werk ‹Grundzüge der Lehren Platons› (῾Υποτυπώσεις Πλατωνικῶν δογμάτων), die er den Vorlesungen (σχολαί) des Gaios verdankte, und eine Schrift mit dem Titel ‹Über die Lehren Platons› (Περὶ τῶν Πλάτωνι ἀρεσκόντων) in mindestens drei Büchern (Cod. Par. Graec. 1962, fol. 146 = test. 1 Göransson = Albin. 4 T. und Gaios 7 T. Gioè = test. 77.6 und 83.5 Dörrie-Baltes). Beide gingen verloren. Wahrscheinlich schrieb Albinos auch Kommentare zu platonischen Dialogen oder zu einzelnen Teilen davon: Es gibt einen Beleg für sein Interesse am Mythos des Er im 10. Buch des ‹Staates› (Prokl. In Rep. II,96,10–15 Kroll = test. 2 Göransson = 3 T. Gioè = test. 76.4 Dörrie-Baltes), aber wahrscheinlich verfasste er auch einen oder mehrere Kommentare zum ‹Timaios›, vor allem zu den Abschnitten über die Weltentstehung, sowie möglicherweise zum ‹Phaidon› (Göransson 1995 [*587: 55– 60, 68–77]). In einer syrischen Quelle findet sich ein Hinweis auf eine Schrift des Albinos mit dem Titel ‹Über das Unkörperliche› (Ephraem Syrus, Against Bardaisan’s Domnus, III Mitchell = test. 14 Göransson = 7 T. Gioè), die man fälschlich mit dem ps.-galenischen ‹De qualitatibus incorporeis› zu identifizieren versuchte (z. B. Merlan 1967 [*21: 70 Anm. 3]). Allerdings zeigen die wenigen Informationen, die in dieser Quelle enthalten sind, deutliche Unterschiede zwischen dem mutmaß lichen Aufbau der verlorenen Schrift des Albinos und des ps.-galenischen Traktats (Göransson 1995 [*587: 53f.], Gioè 2002 [*9: 90–93]).
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§ 62. Albinos aus Smyrna (Bibl. 692)
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Da inzwischen wohl definitiv gesichert ist, dass Albinos nicht der Verfasser des ‹Didaskalikos› ist (für Albinos’ Verfasserschaft nur Nüsser 1991 [*650: 210–223]), bleibt als einziges erhaltenes Werk der ‹Prolog›, eine kurze «Einleitung» (εἰσ αγωγή) in die Lektüre der platonischen Dialoge, dessen Hauptzeuge die berühmte Platon-Handschrift Vindob. suppl. graec. 7 darstellt, die ins 10.–11. Jahrhundert datiert wird (Nüsser 1991 [*650: 25–29], Göransson 1995 [*587: 49–52] und vor allem Reis 1999 [*652: 156–287]). Wahrscheinlich lautete der ursprüngliche Titel einfach Πρόλογος, während der Zusatz Εἰσαγωγή auf einen späteren Schreiber zurückzuführen ist (Göransson 1995 [*587: 51]). Es handelt sich dabei um ein Werk in sechs kurzen Kapiteln, in dem drei Fragestellungen aus dem Bereich der Prolegomena zur Lektüre des Corpus Platonicum angegangen werden: 1) Was ist ein Dialog? 2) Wie unterscheiden sich die Dia loge in ihrer Charakteristik und ihren Zielsetzungen? 3) Mit welchem Dialog soll die Lektüre sinnvollerweise begonnen werden? Die Schrift gehört zu jener Gattung schulmäßiger Produktion, die in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit weit verbreitet war und zum Ziel hatte, ein systematisches und einheitliches Bild der Philosophie Platons zu präsentieren (Ferrari 2010 [*73]). 2. LEHRE
Die Einteilung der Dialoge «nach dem Charakter», die in Kap. 3 des ‹Prologs› dargelegt (rekonstruiert von Dörrie, Baltes 1990 [*8: II 516–520], vgl. aber auch Göransson 1995 [*587: 83–96]; dazu Baltes 1996 [*621: 94–98], Reis 1999 [*652: 53–96] und Tarrant 2007 [*589: 453–456]) und mit einigen substantiellen Änderungen im Kap. 6 wieder aufgenommen wird, stellt eines der Instrumente dar, derer sich die Mittelplatoniker bedienten, um zu zeigen, dass die Dialoge, wenn auch in Charakter und Zielsetzung voneinander verschieden, doch ein einheit liches und kohärentes Denken abbilden. Eine ähnliche Einteilung wie in Prol. 3 findet sich in Diogenes Laertios 3,49; somit muss es sich um einen mittelplatonischen ‘Topos’ handeln (Mansfeld 1994 [*216: 74–89]). Im Vergleich mit dem vollständigen Schema bei Diogenes Laertios erscheint die Klassifizierung des Albinos vereinfacht, aber analog im Aufbau: Die «Hauptunterscheidung» (διαίρεσις) ist jene zwischen der «lehrenden» (ὑφηγητικός) und der «untersuchenden» (ζητη τικός) Gattung; dann wird die Einteilung verfeinert, und jede der beiden Gattungen wird für sich in vier Arten unterteilt: die lehrende Gattung in die «physikalische» (φυσικός), die «logische» (λογικός), die «politische» (πολιτικός) und die «ethische» (ἠθικός) Art; die untersuchende in die «prüfende» (πειραστικός), die «maieutische» (μαιευτικός), die «nachweisende» (ἐνδεικτικός) und die «widerlegende» (ἀνατρεπτικός) Art (Prol. 148,24–37 Hermann; zum Unterschied zwischen den Klassifizierungen in Kap. 3 und 6 vgl. Mansfeld 1994 [*216: 84–89] und Reis 1999 [*652: 105–116]). Im Hinblick auf die Lektürereihenfolge der Dialoge stellt sich Albinos gegen die – von ihm auf Derkylides und Thrasyllos zurückgeführte – tetralogische Ordnung, weil sie mehr biographisch (gebunden an die Handlungsträger) als tatsäch-
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lich philosophisch, d. h. auf die Erlangung von Weisheit ausgerichtet, sei (Prol. 149,5–17 Hermann; dazu Zambon 2002 [*45: 313f.]). Auch wenn er anerkennt, dass sich das platonische Corpus als perfekter, geschlossener Kreis präsentiert, in dem es keinen bevorzugten Ausgangspunkt gibt, und ebenso, dass die Lektürereihenfolge von dem im Voraus festgesetzten Ziel und gewiss auch vom Ausgangsniveau des Lesers abhängt, schlägt Albinos eine eigene Reihenfolge vor, die zur Erkenntnis der göttlichen Dinge und sogar zur Annäherung an diese führen sollte: Man solle mit dem ‹Alkibiades I› beginnen, um zur Erkenntnis seiner selbst zu gelangen, danach mit dem ‹Phaidon› fortfahren, in dem das Bild des Philosophen gezeichnet wird, im Folgenden zum ‹Staat› weitergehen, wo die «Erziehung» (παιδεία) dargelegt wird, um schließlich die Lektüre des ‹Timaios› in Angriff zu nehmen, der die Darstellung der göttlichen Dinge, d. h. die Theologie, enthält (Prol. 149,35–150,12 Hermann = test. 50.1 Dörrie-Baltes; dazu Neschke-Hentschke 1991 [*649] und vor allem Reis 1999 [*652: 117–144]). Die spärlichen Informationen zu anderen Schriften des Albinos lassen ein Interesse an Kosmologie und Seelenlehre durchscheinen. Im Hinblick auf die ‘vexata quaestio’ nach der Weltentstehung im ‹Timaios› ist Albinos zu den Vertretern der didaktisch-metaphorischen Auslegung zu zählen. Er ist der Ansicht, dass der Kosmos für Platon «ungeschaffen» (ἀγένητος) sei, aber dass er ein «Entstehungsprinzip» (ἀρχὴ γενέσεως) habe, d. h. eine Ursache, von der er abhängt; deshalb betrachte Platon ihn zugleich als ‘ewig’ (insofern er ungeschaffen ist) und als ‘geschaffen’ (insofern er ein Entstehungsprinzip hat; Prokl. In Tim. I,218,28–219,3 Diehl = test. 15 Göransson = 12 T. Gioè = test. 139.3 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 443–452], Gioè 2002 [*9: 108–113]). Seine Betrachtungen auf dem Gebiet der Seelenlehre legte Albinos möglicherweise in den Kommentaren zum ‹Phaidon› und zum ‹Timaios› dar. Im Zusammenhang mit dem ‹Phaidon› soll er auf das berühmte Argument aus den Gegensätzen zurückgegriffen haben (Phaed. 70c–72d), wobei er Unterscheidungen erarbeitete, welche die Gültigkeit des platonischen Arguments verteidigen konnten (Tertul. Anim. 41,13–23 Waszink = test. 12 Göransson = 9 T. Gioè; dazu Gioè 2002 [*9: 96–99]). Wohl im Kommentar zum ‹Timaios› schrieb Albinos die Unsterblichkeit einzig dem rationalen Teil der Seele, d. h. dem Intellekt (νοῦς), zu und betrachtete ihre irrationalen Teile als ‘sterblich’ (Prokl. In Tim. III,234,9–18 Diehl = test. 16 Göransson = 11 T. Gioè = test. 167.1 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 407–409] und Gioè 2002 [*9: 103–108]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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§ 63. Apuleius von Madaura (Bibl. 692–697)
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§ 63. Apuleius von Madaura Irmgard Männlein-Robert
1. Leben. – 2. Die philosophischen Schriften. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
Apuleius ist ein bekannter Intellektueller aus der Zeit der Zweiten Sophistik (Bowersock 1969 [*722], Hahn 1989 [*753], Anderson 1993 [*762], Sandy 1997 [*772], Harrison 2000 [*776]), der sich als besonders talentierter Stilist und Literat sowohl wissenschaftlichen als auch populären Themen der platonischen Philo sophie widmet. 1. LEBEN
Wohl um 125/130 n. Chr. in Madaura, Numidien (heute Mdaurusch, Algerien), in wohlhabender römischer Familie geboren, erhält Apuleius eine kostspielige Ausbildung in Karthago. Er absolviert bereits dort erste Studien der Philosophie, bevor er diese auf einer langen Bildungsreise vor allem nach Athen intensiviert (Belege bei Hammerstaedt 2002 [*781: 12]). Diese Bildungsreise führt ihn auch nach Hierapolis in Phrygien (Mund. 17, 327) und Samos (Flor. 15,4). In Athen beschäftigt sich Apuleius mit Dichtung, Geometrie (Mathematik), Dialektik (Logik), Musik und (platonischer) Philosophie (Flor. 20,2–4). Möglicherweise lässt er sich dort in Mysterien einweihen (Apol. 55,8). Danach hält er sich, wohl als Anwalt, in Rom auf (Met. 11; Flor. 17,4) und wird dort als Redner berühmt (Flor. 17,4). Nach seiner Rückkehr nach Africa heiratet er in Oea, in der Provinz Africa nahe Tripolis, die reiche Witwe Aemilia Pudentilla. Möglicherweise hat er mit ihr einen gemeinsamen Sohn Faustinus – diesem widmet er nämlich zwei philosophische Werke (Mund. 285; Plat. 2,1, 219; Beaujeu 1973 [*665: 310] hält Faustinus für fiktiv; weniger skeptisch ist Hijmans 1987 [*749: 428]; vgl. auch Redfors 1960 [*705], Moreschini 1966 [*714: 103–106] mit kurzem Abriss der älteren Forschungsliteratur). Als in der Nachbarstadt Sabratha Gerüchte über ihn wegen Zauberei im Kontext seiner Eheschließung mit Pudentilla in Umlauf gebracht werden, kommt es 158/59 n. Chr. zu einem Prozess gegen Apuleius, aus dessen Verlauf seine selbst gehaltene Verteidigungsrede in schriftlicher Version erhalten ist (‹Apologia› oder ‹De magia›, datiert auf ca. 158/59 n. Chr.; Text, deutsche Übersetzung, Kurzkommentar sowie erläuternde Essays in Hammerstaedt et al. 2002 [*780]; Sallmann 1995 [*769: 137–156], Puccini-Delbey 2010 [*786]). Offenbar wurde Apuleius vom Vorwurf der Zauberei freigesprochen (Hijmans 1994 [*766: 1712–1714]). Anschließend wirkt er in den 60er Jahren vor allem in Karthago als Vortragsredner (Flor. 18,16). Er wird zum Priester des Kaiserkultes gewählt (sacerdos provinciae: Flor. 16,38; dazu Rives 1994 [*767]), bekleidet sonst aber keine öffentlichen Ämter
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
(Aug. Epist. 138,19). Sein Studienfreund Aemilianus Strabo, für dessen politische Karriere als Prokonsul Apuleius sich tatkräftig einsetzte, stiftet ihm in Karthago mit Zustimmung des Stadtrates ein Standbild an einem Ehrenplatz (Flor. 16,1; 16,36ff.; Inscriptions Latines Afrique I 215), eine Ehrenstatue in Oea erkämpft sich Apuleius selbst (Aug. Epist. 138,19; vgl. Anth. Pal. 2,303–305, dazu von Schwabe 1895 [*658: 246–248], Vallette 1924 [*694: V–XIII], Dörrie 1979 [*738]). Selbstverständnis und Stil Der exzellente Redner Apuleius darf als Meister der Selbstdarstellung und Selbstinszenierung gelten. Er prahlt mit seinen Griechischkenntnissen und seiner Vermittlerrolle zwischen den Sprachen und Kulturen. Zugleich definiert und beschreibt er sich selbst stets als platonischen Philosophen (z. B. Apol. 4–24; 64). Immer ist bei Apuleius eine publikumswirksame Anpassung von Stil und Disposition an das gewählte literarische Genre gegeben.
Rhetorische Präsentation und elegante Stilisierung mit auffälligem Wortmaterial sollen dabei die Akzeptanz und die Attraktivität der platonischen Philosophie beim jeweiligen Publikum verstärken. Eben dieses weite stilistische Spektrum gab gerade im rhetorikfeindlichen 19. Jahrhundert wiederholt Anlass zu Spekulationen über die Echtheit seiner philosophischen Schriften, die sich jedoch genusbedingt auch stilistisch unterscheiden.
2. DIE PHILOSOPHISCHEN SCHRIFTEN Werkbeschreibungen: Textgrundlage ist Moreschini 1991 [*666]; Überblick über Ausgaben usw. bei Beaujeu 1973 [*665], Hijmans 1987 [*749], Klibansky, Regen 1993 [*763]; siehe die neuere Bibliographie von Bajoni 1992 [*656].
‹De deo Socratis› ‹Über den Gott des Sokrates› In dieser Schrift behandelt Apuleius die mittelplatonische Dämonenlehre. Die Schrift darf als Vorlagentext einer publikumswirksamen epideiktischen Rede gelten. Darauf weisen die kunstvolle Wortwahl, der meist streng parallele Satzbau sowie zahlreiche Stilmittel (auch akustischer Art, wie etwa Klauselrhythmen) hin (allgemein Lakmann 2004 [*678: 34–39]; zu modischen stilistischen Archaismen Roncaioli 1966 [*715: 332–345]; zur antiken Glossierung Magnaldi 2011 [*787]). Die Schrift beginnt unvermittelt mit «Platon hat die ganze Natur der Dinge [dreifach geteilt]» (Plato omnem naturam rerum), was ein Fehlen der ursprünglichen Einleitung oder Vorrede vermuten ließ. Im Allgemeinen gilt ein Passus aus den ‹Florida›, einer Blütenlese aus zahlreichen Werken des Apuleius (siehe Moreschini 1991 [*666: app. crit. p. 1]), als Prolog (Flor. 18,38–43), der in der gesamten handschriftlichen Überlieferung der Schrift voransteht (engl. Übersetzung des Prologs
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bei Harrison 2001 [*673: 195–216]; zur Diskussion, ob es sich bei diesem Passus um einen Übergang von einer griechischen zu einer lateinischen Rede handelt, siehe Hijmans 1994 [*766: 1781f.]). Die originale Zugehörigkeit dieses Prologs wird jedoch neuerdings wieder bestritten, da kein unmittelbarer thematischer Bezug zur Dämonenschrift erkennbar sei (Lakmann 2004 [*678: 23– 26]; vgl. Helm 1900 [*668]). Freilich ist die Authentizität des Prologs denkbar, da in der rhetorischen Praxis seit alters und so auch in der Zweiten Sophistik gerade Prologe und Prooimien vielfach als variable Versatzstücke komponiert wurden (z. B. Hunink 1995 [*768], der überdies eine innere Einheit des Prologs postuliert; Sandy 1997 [*772: 192–196], Regen 1999 [*774: 436 mit Anm. 45], Regen 2000 [*777] und Hammerstaedt 2002 [*781: 21]; allgemein Janson 1964 [*709]), zudem der Charakter der sogenannten ‘Falschen Vorrede’ durchaus als protreptisch im philosophischen Sinne verstanden werden kann (Harrison 2001 [*673: 185–194]). Dass der Einsatz der Schrift mit ‘Plato’ als erstem Wort programmatischen Charakter hat und demnach vom Verfasser so beabsichtigt ist, meint neuerdings Lakmann 2004 [*678: 18f.], unter Hinweis auf den vergleichbaren Anfang in Apuleius’ Schrift ‹De Platone et eius dogmate› (‹Über Platon und seine Lehre›), die ebenfalls mit Platons Namen als erstem Wort anhebt (Platoni: Plat. 1,1). Unabhängig davon ist es
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§ 63. Apuleius von Madaura (Bibl. 692–697)
möglich, dass der Schluss der Schrift unvollständig ist, da jegliche abschließende oder weiterführende Bemerkung fehlt (so Baltes 2004 [*675: 119 Anm. 273]; vgl. aber Lakmann 2004 [*678: 19]). Diese Schrift des Apuleius gilt als erste erhaltene systematische Dämonenlehre (Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 315–319], Donini 2004 [*677]). Der Titel ‹De deo Socratis› weicht mit dem deus-Begriff von den anderen Dämonenschriften (z. B. Plutarch oder Maximos von Tyros) ab. Das wird bereits von Augustinus (Civ. 8,14) als gezielte Abweichung vom zeitgenössisch negativ konnotierten Daimon-Begriff interpretiert (Lakmann 2004 [*678: 20–22]). Nach einer umfangreichen allgemeinen Dämonologie (Kap. 1–16: Existenz und Stufung des Göttlichen, Dämonen als niedere oder mittlere Gottheiten, die zwischen Göttern und Menschen stehen) folgen eher knappe Ausführungen über das Daimonion des Sokrates (Kap. 17–20: die spezifische Natur des Sokratischen Daimonion als – wie bei Platon stets nur abratende – innere Stimme und als persönlicher Schutzgott), woran sich ein Appell und Aufruf zur Philosophie anschließt (Kap. 21–24; Gliederung bei Lakmann 2004 [*678: 43]). ‹De deo Socratis› ist an ein Publikum gerichtet, das zwar mit griechischer Sprache und Kultur vertraut, in der lateinischen Sprache jedoch ungleich mehr zu Hause ist. Daher verzichtet Apuleius hier auf griechische Termini, vielmehr latinisiert er diese und zitiert hauptsächlich aus lateinischen Autoren, wie etwa Ennius, Vergil, Lukrez (dazu Lakmann 2004 [*678: 16f.]). Die Intention dieser Schrift ist eine ethisch-paränetische: Man soll aus der Dämonenlehre Konsequenzen für das Leben ziehen. Apuleius prangert Aberglauben und unseriöse Wahrsagerei an und kritisiert falsche Wertvorstellungen der Menschen. ‹De deo Socratis› mündet in einen Appell ein, sich am «Beispiel des Sokrates» (exemplum Socratis) auszurichten, um nach seinem Vorbild das Ziel der «Angleichung an Gott» (similitudo numinum) zu erreichen (Socr. 21; zum Schlusspassus Bingenheimer 1993 [*672: 182f.]).
‹De Platone et eius dogmate› ‹Über Platon und seine Lehre› Aufgrund der Widmung an den Sohn, die ein für Philosophie geeignetes Alter vermuten lässt, dürfte diese Schrift in die frühen 70er Jahre des 2. Jahrhunderts n. Chr. zu datieren sein. Die beiden erhaltenen Bücher 1 und 2 bieten eine systematische Darstellung der zeitgenössischen mittelplatonischen Philosophie. Es findet sich eine einleitende Darstellung von Platons Leben, dann
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folgen Ausführungen zu Naturphilosophie und Ethik. Ein dritter Teil, wohl zur Logik, fehlt. Diese rhetorisch geschliffene (Hiatvermeidung, sorgfältige Klauselrhythmisierung), im Vergleich zu anderen Werken des Apuleius freilich doch sachlicher und nüchterner anmutende Schrift (Bernhard 1927 [*696: 334], Axelson 1952 [*701: 3–20], Roncaioli 1966 [*715: 345–356]) ist philosophiehistorisch von großer Bedeutung, da sich aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. nur sehr wenige, meist fragmentarische, überdies kaum doxographische Werke aus dem Feld des Mittelplatonismus erhalten haben (z. B. Albinos’ ‹Prolog›; Alkinoos’ ‹Didaskalikos›). In der älteren Forschung wurde vor allem das Kriterium des sachlich-trockenen Stils dieser Schrift als Argument gegen die Zuschreibung an Apuleius ins Feld geführt (Redfors 1960 [*705]; noch Dillon 21996 [*25: 310]), freilich dürfte diese Stillage von Apuleius sehr gezielt dem Genre des Handbuchs angepasst worden sein (siehe auch Barra 1966 [*713]; zur antiken Glossierung vgl. Magnaldi 2011 [*788]). Apuleius ver mittelt hier platonische Natur-, Moral- und Staatsphilosophie in knappen, gut lehr- und lernbaren Sätzen in enger Anlehnung an die tradierten Dialoge Platons und unter Verwendung griechischer Termini, die er gezielt latinisiert und erklärt (die griechischen δόγματα übersetzt er als ‘consulta’, ebd. Kap. 1,4, p. 189). Das Ergebnis zeichnet sich durch klare Systematik aus, wie sie im Rahmen einer an Didaktik, Dogmatik und Orthodoxie orientierten Schulphilosophie nötig ist, wobei die Doxographie der Lehren Platons im Zentrum steht. Wie im Mittelplatonismus üblich bedient sich Apuleius bei seinen Erläuterungen der platonischen Philosophie auch stoischer und aristotelischer Termini und Konzepte, deren Integration jedoch allein der größeren Anschaulichkeit sowie Verständlichkeit der Lehren Platons dient. Die Schrift wird eingeleitet durch die älteste derzeit bekannte und erhaltene Biographie Platons, die sehr deutlich hagiographische Züge trägt (Kap. 1,1–4): Platon wird nicht nur heroisiert (1,2, p. 183; 6, p. 229), sondern geradezu als göttlicher, apollinischer Philosoph stilisiert und beschrieben (Moreschini 1966 [*714]; dann auch Moreschini 1978 [*735: 51–132], ferner Sinko 1927 [*698], Barra 1967 [*717], Schmutzler 1974 [*732]). Interessant ist vor allem der in Kap. 1,3 beschriebene philosophische Entwicklungsgang des Philosophen Platon, in dem Apuleius über verschiedene Stationen Platons pythagoreische Interessen stark in den Vordergrund stellt, Platon auf seinen Reisen nach Kyrene, Ägypten und Unteritalien, programmatisch jedoch nicht nach Indien gelangen
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lässt, was wohl stärker den Akzent auf Platons ontologische und epistemologische Interessen legen, als sein Interesse an religiösen Lehren verdeutlichen soll (dazu Dörrie 1979 [*738], Männlein-Robert 2009 [*866: 343–346]). Im übrigen Teil von Buch 1 legt Apuleius auf der Grundlage des platonischen ‹Timaios› eine «Naturphilosophie» (philosophia naturalis) dar (Kap. 5–18): Zuerst werden die drei im Mittelplatonismus wichtigsten «Prinzipien» (initia rerum tria) Gott, Ideen, Materie eingeführt (Kap. 5f.; dazu Barra 1967 [*717]). Die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft bestehen aus Materie und bilden die Dinge der Körperwelt (Kap. 7f.). Es folgen Ausführungen über die hinter der Körperwelt existierende «Weltseele» (anima caelestis: Kap. 9, p. 199), die Apuleius ganz in mittelplatonischer Tradition von der «Seele aller beseelten Wesen» (anima animantium omnium) unterscheidet. In Abweichung von der mittelplatonischen Tradition (z. B. Alkin. Did.) schreibt er jedoch der Weltseele die Rolle der ‘jungen Götter’ aus dem ‹Timaios› zu. Indem er dabei eine enge Verbindung von Geist und Seele postuliert, zeigt er eben dadurch große Nähe zum Weltseele-Konzept des Attikos (Dillon 21996 [*25: 315f.]). Es folgen kosmologische Betrachtungen über die Zeit (Kap. 10; dazu Hijmans 1987 [*749: 448–451]) sowie über die Sphären des Himmels (Kap. 11) und die Vorsehung (Kap. 12; dazu Krafft 1979 [*739]). Daran schließen sich Ausführungen über die Seelenteile des Menschen (Kap. 13), die Sinneswahrnehmung (Kap. 14) sowie die Teile des menschlichen Körpers (Kap. 15–17) an, dessen Gesundheit wie Krankheit als letztlich seelisch motiviert beschrieben werden (dazu Beaujeu 1973 [*665: 279], Hijmans 1987 [*749: 460f.]). Der Mensch kann nur dann vollkommen, ein ‘homo perfectus’ sein, wenn Seele und Körper sich gleichmäßig miteinander verbinden (Kap. 18). Es handelt sich ab Kap. 13 also eher um biologische Erklärungen in Anlehnung an den ‹Timaios›, die überhaupt auf der vorher skizzierten platonischen Anthropologie beruhen. In Buch 2 behandelt Apuleius «Moral- und Staatsphilosophie», also philosophia moralis. Das Gute stellt das Ziel dar (Kap. 1–2): Der Mensch bewegt sich zwischen Tugend und Laster (Kap. 3), von denen zuerst die Laster (Kap. 4), dann die Tugenden (Kap. 5) ausgeführt werden. Diese werden sodann als die vier Kardinaltugenden Weisheit, Besonnenheit, Tapferkeit, Gerechtigkeit vorgestellt, zu denen allerdings noch die «Staatskunst» (civilitas) hinzutritt (Kap. 6–9). Es folgt eine Einteilung des Guten und des Schlechten (Kap. 10), wobei Tugend und Laster klar voneinander getrennt werden (Kap. 11). Auf die Ausführungen
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über wichtige moralische Themen, über die indifferenten Dinge, die Adiaphora der Stoiker, sowie über die moralischen Aspekte der Lust (Kap. 12; dazu Mossay 1963 [*708]) folgen gut platonische Themen wie Freundschaft und Liebe (Kap. 13f.). Dann geht es um Handeln und Lebensweise verwerflicher Menschen (Kap. 15f.), die Unfreiwilligkeit des Unrechttuns und die Relevanz des Bestraftwerdens (Kap. 17), abschließend ist die Rede vom unmoralischen Menschen überhaupt (Kap. 18). Freilich gehören, so Apuleius weiter, die meisten Menschen zur Kategorie der moralisch mittelmäßigen Menschen (Kap. 19), von denen sich der Weise klar abhebt (Kap. 20–23): Das Gesamtkonzept des idealen Weisen, das die bekannten Züge des stoischen Weisen aufnimmt, erweist sich durch die stark akzentuierte erstrebte «Angleichung an Gott» (ὁμοίωσις θεῷ) letztlich als gut (mittel-)platonisch (Hijmans 1987 [*749: 465–467]). Es schließen sich staatsphilosophische Ausführungen an (Kap. 24–29), die in enger Bezugnahme auf platonische Dialoge den idealen Staat (vgl. ‹Politeia›; Kap. 24f.), das realistischere Staatsideal der ‹Gesetze› (Kap. 26), dann verschiedene Staatsformen und die Moral im Staat behandeln (Kap. 27), auch falsche, wie die Demokratie (Kap. 28). Die Darlegungen brechen an dieser Stelle abrupt, ohne erkennbaren Abschluss, ab. Sollte die in ihrer Echtheit immer noch umstrittene Schrift ‹De interpretatione› (Περὶ ἑρμηνείας), ein lateinischer Traktat über formale peripatetische Logik mit griechischem Titel, der unter dem Namen des Apuleius, aber getrennt von ‹De Platone et eius dogmate› und nicht in der Haupttradition der Apuleius-Werke überliefert wurde, doch in einem kompositorischen Zusammenhang mit ‹De Platone et eius dogmate› stehen und sich als der dritte Teil erweisen, der dort (Plat. 1,4, 189) angekündigt wird, würde dies – nach Physik und Ethik – auch einen Einblick in die Logik des Apuleius gewähren. Zu bedenken ist, dass Apuleius auch im zweiten Buch von ‹De Platone et eius dogmate› nicht auf das erste Buch verweist, vielmehr beide Bücher in sich geschlossen stehen. Gegen die Echtheit, von der allerdings antike Autoren ausgehen (z. B. Cassiod. Art. 3,569 [PL 70, 1173a]; Isid. Sev. Etym. 2,28,22 Lindsay), werden folgende Einwände geltend gemacht (siehe ausführlich zur Debatte Flamand 1989 [*659: 305f.]; für Unechtheit plädierte zuerst Hildebrandt 1842 [*663], dann z. B. Goldbacher 1876 [*664] und 1885 [*680]; für unecht hält das Werk noch Moreschini 1990 [*757] und 1991 [*666: IX–XIII]; dagegen tendiert die neuere Forschung zur Annahme der Echtheit, z. B. Hijmans 1987 [*749: 408–411], Londey, Johanson
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1987 [*682], Gombocz 1988 [*751: 279 Anm. 1], Flamand 1989 [*659: 303f.], Dillon 21996 [*25: 310f.]): Neben überlieferungsgeschichtlichen und stilistischen Argumenten steht hauptsächlich die inhaltliche Beobachtung, es sei hier keine spezifisch platonische Logik erkennbar, ja Platon werde überhaupt nicht erwähnt. In jedem Fall dürfte es sich um ein philosophiegeschichtlich interessantes und frühes auf Latein abgefasstes Dokument zur Logik des 2. Jahrhunderts n. Chr. handeln, das ein wichtiges Bindeglied zwischen der aristotelischstoischen und der kaiserzeitlichen lateinischen Logik darstellt (Sullivan 1967 [*720: insb. 235– 242], Lumpe 1982 [*742], Johanson 1983 [*745], Gombocz 1988 [*751] und 1990 [*756]).
‹De mundo› ‹Über die Welt› Hier handelt es sich um eine lateinische Übersetzung des ps.-aristotelischen griechischen Traktats ‹Über die Welt› (Περὶ κόσμου), der kosmogonischen und kosmologischen Inhalts ist. Apuleius’ lateinische Übersetzung desselben wurde wohl, wie man aufgrund der Widmung an den Sohn vermuten kann, in den 70er/80er Jahren des 2. Jahrhunderts n. Chr. verfasst. Es handelt sich hierbei um eine stilistisch durchaus geschliffene Abhandlung (Axelson 1952 [*701: 3–20]). Apuleius rückt in seiner Übertragung die Frage nach dem einen Gott, der die Welt lenkt, dessen Transzendenz, dessen Größe und dessen Einheit sowie die Vielheit der göttlichen Namen besonders ins Zentrum. In seiner Übersetzung sind interessante, philosophisch bedeutsame Verschiebungen im Vergleich zur griechischen Vorlage festzustellen (Müller 1939 [*700], Hijmans 1987 [*749: 399–403]): So spielen beispielsweise anders als dort auch in dieser Übersetzung des Apuleius die Dämonen eine wesentliche Rolle; sie haben den vierten Rang der universalen Hierarchie im Kosmos inne, bewohnen also die zwischen irdischer und göttlicher gelegene mittlere Sphäre des Aër (dazu Regen 1971 [*727]). In Kap. 13f. zieht Apuleius einen Passus über Winde aus einer Schrift des Favorinos von Arelate, eines wenig älteren berühmten Rhetors und Sophisten, heran, den Apuleius’ Zeitgenosse Aulus Gellius, ein Hörer des Platonikers Tauros, in seinen ‹Noctes Atticae› (2,22) ebenfalls zitiert. Apuleius scheint hier das Referat des Gellius zusammenzufassen, es also als Vorlage zu benutzen. Problematisch bleiben Spekulationen, wonach Apuleius mit dem Kreis um den Platoniker Tauros in Athen in Kontakt gekommen sein soll (Dillon 21996 [*25: 307f.]).
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Weitere Schriften Philosophische Einschlüsse finden sich auch in den ‹Florida›, einer Sammlung von Passagen aus epideiktischen Reden des Apuleius, sowie – mit religiöser Relevanz – in den ‹Metamorphosen›, einem komplexen mehrdeutigen Eselsroman. Dieser enthält Anklänge an Philosophisches nicht z uletzt im bekannten Märchen von ‘Amor und Psyche’ (4,28–6,24) sowie in der Einweihung des Lucius in die Mysterien der Isis in Buch 11. Beide Partien der ‹Metamorphosen› des Apuleius können platonisch gelesen und gedeutet werden. Abgesehen von der Thematisierung der ambivalenten «Neugier» (curiositas) werden hier vor allem die religiösen Züge der platonischen Philosophie, konkret die Rolle der Philosophie als eine Art Vorbereitung der Mysterienreligion, gespiegelt (Moreschini 1965 [*711], überarbeitet in Moreschini 1978 [*735: 19–42]; Thibau 1965 [*712], Schlam 1970 [*725], Heller 1983 [*744], O’Brien 2002 [*783]; Literatur bis 1989 bei Flamand 1989 [*659: 307–310], De Filippo 1990 [*755]). Unter philosophischen Gesichtspunkten ist die im ‹Corpus Hermeticum› anonym überlieferte Schrift ‹Asclepius› interessant, die in den Handschriften des 9. Jahrhunderts n. Chr. auf die echten Schriften des Apuleius folgt. Freilich wird dieser Text bei Augustinus (Civ. 8,23) Apuleius zugeschrieben. Es handelt sich dabei um die lateinische Übersetzung einer hermetischen griechischen Schrift, in der ägyptisch-orphische Mysterien lehren mit neuplatonischem Gedankengut verschmolzen sind und als deren Urheber Hermes Trismegistos gilt. Maßgeblich für die Interpretation des hermetischen (Mittel-)Platonismus dieser Schrift ist nach wie vor Moreschini 1985 [*747] (Analyse des ‹Asclepius› v. a. ebd. Kap. II, 69– 119). Der ‹Asclepius› des Apuleius ist ein Dialog zwischen dem göttlichen Hermes Trismegistos und seinem Schüler Asclepius über die Hierarchie des Seienden im Kosmos, Theurgie, Eschatologie und die Stellung und Rolle des Menschen im kosmischen System. Apuleius beschäftigt sich freilich auch in seiner ‹Apologie-Rede› (Apol. 55) eingehend mit Asclepius (‹De Aesculapii maiestate disputatio›; dazu Siniscalco 1966/67 [*716], Gersh 1986 [*33: I 329–387] vor allem zur Anthropologie, mit Unterschieden zum Platonismus des 2. Jh.s n. Chr.). Der ‹Asclepius› wurde von Moreschini, da in alter handschriftlicher Tradition unter Apuleius’ Namen überliefert, in seine Ausgabe der philosophischen Schriften des Apuleius mit aufgenommen. Das Kapitel 41 ist im griechischen Original erhalten (Pap. Minaut col. 18, ed. Preisendanz,
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Papyri Graecae Magicae 3,591). Da weder inhaltlich-thematische noch stilistische Argumente eine Autorschaft des Apuleius an dieser Übersetzung ausschließen, muss mit der Möglichkeit der Authentizität dieser Schrift gerechnet werden (Hunink 1996 [*771] mit reichen Literaturangaben). Nur dem Titel nach bezeugte, nicht erhaltene Schriften des Apuleius mit vermutlich philosophisch relevantem Gehalt sind eine lateinische Übersetzung der mathematischen Schrift des Ni-
komachos von Gerasa (‹Introductio arithmetica›, Cassiod. Inst. div. 2, z. B. 4,7), ein philosophischer Dialog oder Roman mit dem Titel ‹Hermagoras› (Prisc. Gramm. II 85, 111, 135, 279, 528 Keil; Fulg. Serm. ant. 3), eine Übersetzung von Platons ‹Phaidon› (fr. 9f. = Prisc. Gramm. II 511, 520 Keil), ein ‹Buch über den Staat› (fr. 13 = Fulg. Serm. ant. 44), eine Schrift zur Musiktheorie (Cassiod. Inst. div. 2,5,10, dazu Harrison 2000 [*776: 31f.]) sowie der Titel ‹Erotikos› (Ioh. Lyd. Mag. 3,64).
3. LEHRE
1. Selbstverständnis. – 2. Themen. – 3. Theologie. – 4. Einbettung der Dämonologie des Apuleius in den historischen platonischen Kontext. – 5. ὁμοίωσις θεῷ. – 6. Ethik. – 7. Tradition.
1. Selbstverständnis Apuleius bezeichnet sich nachdrücklich immer wieder als Platoniker (Apol. 12; 39,1; 64,3; vgl. 41,7) und betont seine Nachfolge Platons im umfassenden Sinne (Apol. 11,5; 36,1; 65). Daneben sieht er Sokrates als «Vorbild» an (maior meus Socrates: Flor. 2,1; dazu Todd Lee 2005 [*785] sowie Schindel 2000 [*660]), begeistert sich auch für Pythagoras und den pythagoreisierenden Platonismus in seiner Athener Studienzeit (Flor. 15,26). Pythagoras, Sokrates und Platon sind ihm glaubwürdige Modelle der Nachahmung in lebensweltlicher wie philosophischer Hinsicht. Apuleius vertritt, bei aller Vertrautheit mit der Schulphilosophie, das Konzept einer Philosophie als Lebensform, er ist daher nicht an scholastischer Abgrenzung oder Polemik gegen andere philosophische Richtungen interessiert (Hijmans 1987 [*749: 470]). Platonische Philosophie hat für ihn persönlich den Stellenwert einer theologisch fundierten umfassenden universalen Lebensweise, die stark an hellenistische, mitunter an populäre Konzepte erinnert (vgl. die so unplatonisch anmutende Eingangsdefinition der Ethik in ‹De Platone et eius dogmate› 2,1, 219: «ut scias quibus ad beatam vitam perveniri rationibus possit», «Wissen darüber, wie man zum glücklichen Leben gelangen kann»). Apuleius zitiert sehr häufig – auch außerhalb primär philosophischer Kontexte – wörtlich aus Platons Dialogen (z. B. Alc. I in Apol. 25,11; Charm. 157a in Apol. 26,4; in Apol. 64,4–6 zitiert er Phdr. 247b–c und Epist. 2, 312e etc.; ausführlicher Hijmans 1987 [*749: 417 Anm. 86]). Dass dieses Selbstverständnis sehr ernst zu nehmen ist, zeigt die modellhafte Biographie Platons (Plat. 1,1–4), die sich in wesentlichen Punkten wohl programmatisch mit der des Apuleius kreuzt, der also sein Leben in das des göttlichen Platon einschreibt und aufgrund erkennbarer Parallelen seine Authen-
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tizität als Platoniker bekräftigt (Barra 1963 [*707: 8ff.], Hijmans 1987 [*749: 434f.]). Möglicherweise ist der im Kontext der ‹Metamorphosen› isolierte Hinweis (Met. 1,2), die Mutter des Haupthelden Lucius stamme aus der Familie des Platonikers Sextus von Chaironeia, des Lehrers Mark Aurels und Enkels Plutarchs, als ähnlicher Selbstverweis des Apuleius auf seine platonischen Wurzeln aufzufassen. Dass Apuleius mit dem Kreis um den Platoniker Tauros in Athen in Kontakt stand, ist nicht ausgeschlossen, derzeit aber nicht nachweisbar (vgl. die erwähnte Referenz über die Winde aus Favorinos bei Gellius [2,22] und Apuleius [Mund. 13f.], dazu Dillon 21996 [*25: 307f., ebd. 338]). Dass Apuleius Schüler hatte, ist nicht bekannt. Den philosophischen Wert der Schriften des Apuleius, der lange bezweifelt wurde (noch Dillon 21996 [*25: 311]), stellte als Erster Moreschini 1966 [*714] klar heraus. 2. Themen Apuleius beschäftigt sich in seinen philosophischen Schriften mit typischen Themen des zeitgenössischen mittleren Platonismus: Theologie (basierend auf der Kosmologie vor allem des platonischen ‹Timaios›), Dämonologie und Ethik stehen bei ihm klar im Vordergrund; diese sind aufs Engste konzeptionell miteinander verbunden. Dabei lassen sich fast immer fließende Übergänge von Theologie und religiösen Darlegungen hin zu ethischen Anliegen feststellen (Moreschini 1981 [*710: 220]; Überblick bei Dillon 21996 [*25: 311–338]). 3. Theologie Apuleius, der sich vielerorts in seinem Œuvre (z. B. Apol. 55; Met. 3, 15; man beachte auch die Bezeichnung des ‹Asclepius› als ‘religiosissimus sermo’ in Ascl. 1) als ‘philosophus religiosus’ erweist (so Hijmans 1987 [*749: 397]), zeigt in seinen philosophischen Schriften großes Interesse an Theologie, an der Gottesfrage überhaupt, sowie an Fragen nach der Verbindung und Verbindungsmöglichkeiten zwischen der Welt der Menschen und der Sphäre des transzendenten höchsten Gottes; letzteres wird vor allem an seinen Ausführungen zur Dämonenlehre sowie seiner starken Akzentuierung paradigmatischer philosophischer Leitbilder (Pythagoras, Sokrates, Platon) deutlich. Der höchste Gott spielt bei Apuleius eine wichtige Rolle (Plat. 1,5, 190f.; Apol. 64). Er wird mit etlichen positiven und negativen Attributen belegt (Übersicht bei Hijmans 1987 [*749: 437]; Mortley 1972 [*729]). Die Theologie des Apuleius in ‹De Platone et eius dogmate› eröffnet mit ‘Gott’ die systematisch aufgefaltete hierarchische Ordnung der drei ersten (mittelplatonischen) Prinzipien (Gott – Idee – Materie; dazu Gersh 1986 [*33: I 215– 328]), während z. B. Alkinoos diese Reihe mit Darlegungen über die Materie beginnt (Abgleich bei Dillon 21996 [*25: 312–315]; Lilla 1992 [*39: 41–48] mit Belegstellen aus ‹De Platone et eius dogmate› zum Gottesbild des Apuleius). Das Gottesthema ist für Apuleius auch in seiner Schrift ‹De mundo› von Bedeutung: Hier hebt er in seiner Übersetzung der griechischen Vorlage deutlich den Aspekt
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des weltenlenkenden Gottes heraus (Herrmann 1959 [*704], Van den Broek 1982 [*743]). Überdies lässt sich hier (wie auch in Plat. 1,5–7, 190–196) ein Dualismus zwischen Gott und Materie feststellen, der an gnostische Theorien erinnert (Mund. 24f., 343–344; dazu Barra 1972 [*728]). 4. Einbettung der Dämonologie des Apuleius in den historischen platonischen Kontext In Anknüpfung an Platons ‹Symposion›, in dem der Dämon Eros suggestiv als einflussreiches Band zwischen Göttern und Menschen beschrieben wird (Plat. Symp. 202e3ff.), begründet Xenokrates, der Schüler und Nachfolger Platons in der Leitung der Akademie, die Tradition einer systematischen Dämonologie, auf die sich letztlich alle späteren Platoniker, auch Apuleius, beziehen (Brenk 1986 [*748: 2131–2135], Hijmans 1987 [*749: 434–469]). Xenokrates, dessen Schrift über die Dämonen nicht überliefert ist, hat indes, aus den erhaltenen Testimonien zu schließen, die bei Platon erkennbaren Ansätze zur Dämonenlehre deutlich weiterentwickelt (Dillon 2003 [*784: 123ff.] und 2004 [*676: 128]). Nach Xenokrates beschäftigt sich mit Dämonen, freilich nicht immer systematisch, der mutmaßliche Verfasser der ps.-platonischen ‹Epinomis›, Philippos von Opus (dazu Tarán 1975 [*734]). In der frühen Kaiserzeit versucht Philon von Alexandrien, jüdischen Schriftglauben mit mittelplatonischer Dämonologie zu verbinden (z. B. Gig. 6–18; Somn. 1,134f. 141f.; Leg. alleg. 3,177; Quaest. in Ex. 1,23; dazu Dillon 2004 [*676: 134–137]). Ausführlicher befasst sich der Platoniker Plutarch mit der Dämonenlehre (z. B. in Gen. Socr. 24ff.; De def. or. 13, 416–417; 419b–e; De Iside 360e–361). Alkinoos integriert in seinen ‹Didaskalikos› eine Art Zusammenfassung der mittelplatonischen Dämonenlehre, die deutlich den Einfluss des Dämonen-Passus aus der ps.-platonischen ‹Epinomis› in Kombination mit einem ‹Timaios›-Zitat aufweist (Did. 171,15ff.; vgl. Ps.-Plat. Epin. 981c–d; 984c–e; Plat. Tim. 39e–40d; Dillon 2004 [*676: 137–139]). Auch der Zeitgenosse des Apuleius, Maximos von Tyros (Diss. 8,185ff. Trapp = 8,160ff. Koniaris; 9,30–48 Trapp = 9,28–43 Koniaris = Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 318f.]), sowie Calcidius (Mitte des 4. Jh.s n. Chr., basiert aber auf Quellen des 2. Jh.s n. Chr.) befassen sich mit der mittelplatonischen Dämonologie, welche die Darstellung der ‹Epinomis› modifiziert (ausführlicher Dillon 2004 [*676: 139f.]). Trotz der deutlichen Distanz von Xenokrates (Walsh 1981 [*741], Dillon 2004 [*676: 141]) lehnen sich diese Autoren mit der Annahme der Existenz böser Dämonen an Xenokrates an (fr. 25 Heinze = Plut. De Iside 361b; so Philon Gig. 17–18; Quaest. in Ex. 1,23; Plut. De def. or. 417b–e; vgl. De facie 944c–d; De Iside 361b) und leisten damit dualistischen Tendenzen Vorschub. In den ‹Chaldäischen Orakeln› gibt es nur böse Dämonen (Orac. Chald. fr. 135; 88; vgl. ferner auch Origenes Princ. 1,8 über die gefallenen Engel; dazu Cremer 1969 [*723: 68–85]; zum Modethema des sokratischen Daimonions in der Zweiten Sophistik siehe Trapp 1997 [*1002: 67f.]). Vor diesem Hintergrund scheint Apuleius in der mittelplatonischen Diskussion um böse Dämonen gezielt Stellung zu beziehen, denn er blendet diese absichtlich
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aus. Bei ihm stellen nicht sie die metaphysische Ursache des Bösen dar. Wenn es etwas Derartiges gibt, kommt es – laut Apuleius – von den Menschen (Socr. 15, 153; dazu Dillon 2004 [*676: 130f.], Lakmann 2004 [*678: 34]). Indem also Apuleius in Abweichung von der älteren akademischen Position, etwa eines Xenokrates, keine bösen Dämonen annimmt, eliminiert er Elemente des Volksglaubens aus seiner Dämonologie und erweist sich als strenger Platoniker. Er betont überdies seine eigene Rolle als Vermittler der griechischen Philosophie, wenn er die ursprünglich ganz dem griechischen Kulturraum zugehörige platonische Dämonenlehre erstmals auf Lateinisch formuliert (Socr. 14, 150). Seine Darlegungen über die Dämonen und ihre Rolle in der Hierarchie des Kosmos sollen Aberglauben und Missverständnissen über göttliches Wirken vorbeugen und werden insgesamt durch eine letztlich theologische Konzeption begründet (Bernard 1994 [*765]). Bei Apuleius sind die Dämonen wie bei seinen platonischen Vorgängern Vermittler und Seelenbeschützer. In Übereinstimmung mit Platon (v. a. ‹Timaios›) haben die Götter im Kosmos den höchsten Rang inne, sie wohnen im Bereich der Sterne. Abweichend von Platon leben im Kosmos des Apuleius allerdings nicht nur die sichtbaren Götter, sondern auch die intelligiblen. Nur der Göttervater transzendiert diesen Bereich, er ist ‘ultramundanus’ (Plat. 1,11, 204; vgl. ebd. 1,12, 205: exsuperantissimus) und daher – auch sprachlich – nicht erfassbar. Die Menschen und der Bereich der Welt stehen in genauem Gegensatz zur göttlichen Sphäre (Socr. v. a. 3, 122–124 und 4, 127). Zwischen der Sphäre der Götter und jener der Menschen gibt es an sich keinen direkten Austausch oder Kontakt. Dieser wird einzig durch Dämonen als «göttliche Mittlerwesen» möglich (divinae mediae potestates: Socr. 6, 132f. et al.; vgl. Habermehl 1996 [*770]). Während sich die Götter durch «Erhabenheit» (sublimitas) und die Menschen durch «Niedrigkeit» (infimitas) auszeichnen, ist für die Dämonen «Mittelmaß» (mediocritas) charakteristisch (Socr. 4, 127f.; ebd. 13, 147). Sie stehen als «mittlere Götter» (medii divi: Socr. 7, 137) räumlich in der Mitte, da sie im Luftbereich zwischen Erde und Mond leben, und sie stehen auch ihrem Wesen nach in der Mitte: zum einen, da sie wie die Götter unsterblich sind und wie die Menschen einen Körper, freilich einen luftartigen, durchsichtigen (Socr. 9–11, 140–145), sowie Affekte haben (Socr. 13, 147f. et al.) und «vernunftbegabt» (rationabilia: Socr. 13, 148) sind, zum anderen da sie, als «Lebewesen» (animalia: Socr. 13, 148), als «Vermittler/Dolmetscher» (interpretes) zwischen Göttern und Menschen fungieren (Plat. 1,12, 205f.). Sie übermitteln Gebete und Bitten der Menschen an die Götter und überbringen von diesen Aufträge und Gaben an die Menschen (ebd. Socr. 6, 133, alles gemäß Plat. Symp.). Alle Arten von Wundern, Weissagungen, Träumen, überhaupt Magie, sind auf Dämonen zurückzuführen. Jeder Dämon hat einen bestimmten Kompetenzbereich, über den er herrscht (Socr. 6f., 133–137). Dämonen werden leicht mit Göttern verwechselt, da sie oft die gleichen Namen haben (z. B. Socr. 11f., 145f.). Es gibt mehrere, genauer drei Arten von Dämonen, von denen sich die einen als (Menschen-)Seelen bezeichnen lassen, etwa als ‘genius’ bei lebenden (ebd. 15, 150–152), andere als Seelen von verstorbenen Menschen, ‘lemures’, auch als ‘Lar, Larva, Manis deus’ (Socr. 15, 152–154). Die dritte Art Dämonen sind höhere, übermenschliche Mächte, gleichsam Götter (Somnus, Amor) oder individuelle Schutz-
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geister (wie das Daimonion des Sokrates), die alles Denken und Handeln überwachen und auf die man achten soll (Socr. 16–17, 154–157; dazu Boyancé 1935 [*699], Alt 2000 [*775: 219]). Apuleius’ Dämonenlehre zielt insgesamt auf eine ethische Belehrung ab, der zufolge die mittelplatonische «Angleichung an Gott» (Literatur bei Baltes 2004 [*675: 115 Anm. 233]; dazu auch Merki 1952 [*702], Roloff 1970 [*724]) vor allem über Vermittlerfiguren wie Dämonen möglich wird, wie dies am Beispiel des sokratischen Daimonion prominent illustriert wird: Als bereits tugendhafter Mensch braucht Sokrates keinen Daimon, der ihn zum Guten anleitet, aber sein Daimonion hilft ihm durch seine abratende Stimme als Korrektiv bei der Selbstvervollkommnung. Offensichtlich schlägt sich hier ein zeitgenössisches Bedürfnis nach einer gewissen Systematisierung der lebhaft diskutierten mittelplatonischen Auffassung von den Dämonen nieder. Gerade bei Apuleius lässt sich deutlich ein Bemühen um präzise Differenzierungen innerhalb seiner Dämonologie feststellen, die einem didaktischen Interesse geschuldet ist. Er argumentiert klar, bietet präzise Klassifizierungen, von denen sich die weniger klaren des Maximos erkennbar absetzen (Vergleich bei Beaujeu 1973 [*665: 229f.], dazu Donini 2004 [*677: 159 Anm. 41]). Dabei zeigt sich deutlich eine Hierarchisierung der göttlichen Welt: unterschiedliche göttliche Ebenen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Einflussmöglichkeiten, ebenso die Möglichkeit einer Einmischung der Götter in die physische und menschliche Welt. Die Dämonen tragen als halbgöttliche Wesen Sorge für die Menschen, deren Kontakt zu den oberen Göttern sie ermöglichen. Dämonen sind im Werk des Apuleius ein beliebtes Thema auch in nicht-philosophischen Texten, z. B. der ‹Apologie› (dazu Vallette 1924 [*694: 221–290]). 5. ὁμοίωσις θεῷ Es ist nicht zuletzt das Daimonion des Sokrates, das im Kontext von Apuleius’ Ausführungen über den idealen Weisen und das Telos der «Glückseligkeit» (beatitudo), die in der «Angleichung an Gott» (ὁμοίωσις θεῷ) gipfelt (vgl. Plat. 2,23, 252f.; dazu Donini 2004 [*677: 144–146, 149–151]), eine maßgebliche Rolle spielt. Sokrates, die von Apuleius gezeichnete Modellfigur, durch die das Daimonion die Welt der Götter und die Welt der Menschen in Beziehung treten lässt, besitzt apellativen Charakter: Durch Ausrichtung an diesem dem Daimonion verpflichteten Vorbild kann der Mensch seine Lebensführung, seine Tugenden vervollkommnen und bei der Angleichung an Gott Orientierung und Hilfe finden (Socr. 21). Dabei kristallisiert sich ein Sokrates-Bild heraus, das von dem des akademischen Sokrates erheblich abweicht, diesen vielmehr als gleichsam ‘pythagoreischen’ Philosophen zeigt. Damit steht Apuleius freilich in einer Tradition, die sich sicher auch bei Plutarch (‹De genio Socratis›), dann aber vor allem bei Numenios nachweisen lässt (Numen. fr. 24, 51ff. des Places) und die seit dem frühen Mittelplatonismus bekannt ist, auch wenn sie nicht ohne Weiteres Eudoros zugeschrieben werden darf (siehe Doxographie bei Stob. Ecl. 2,7,3f, II,49,8–9 Wachsmuth). Im Grunde bezieht Apuleius mit seinem Konzept wieder einen strengeren platonischen Standpunkt, als dies beispielsweise der Verfasser des ps.-platonischen
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Dialoges ‹Theages› getan hatte. Dieser formulierte eine bedeutsame Erweiterung in der Auffassung des sokratischen Daimonion, indem er Sokrates in direkter Auseinandersetzung mit seinem Daimonion vorführte (Theages 128d–131a; dazu Dillon 2004 [*676: 128]). Apuleius legt sowohl in Socr. (20–23) als auch in Plat. eine konzeptionell kohärente Lehre der «Angleichung an Gott» nach Platon vor. Indem er ganz traditionell die entsprechenden Sentenzen aus verschiedenen Dialogen Platons zusammenführt (Tht., Phdr. usw.), bewegt er sich auch methodisch auf den seit dem frühen Mittelplatonismus etablierten Wegen (vgl. Moreschini 1981 [*710: 229f.]). Im Kontext des Prozesses einer «Angleichung an Gott» spielt auch der ideale Weise, wie Apuleius ihn begeistert schildert (Plat. 2,20–22), eine maßgebliche Rolle als generelle Vorbildfigur. Der Zustand des idealen Weisen ist nicht Ergebnis eines Prozesses, sondern tritt unvermittelt ein: Diese Perfektion umfasst Gegenwart und Zukunft gleichzeitig, der Weise «fällt damit aus der Zeit» (intemporalis), da er mit dem intelligiblen Sein vereint ist. Er ist selbstgenügsam, leidenschaftslos, ohne Todesfurcht, unsterblich, kehrt gleichsam als Gott in seine ewige Heimat zurück (ebd. 20, 249). Obgleich sich hier etliche stoische Elemente finden, ist Apuleius’ Konzept des idealen Weisen insbesondere aufgrund der postulierten Unsterblichkeit der Seele sowie des anschließend (ebd. Kap. 23) geschilderten Telos des Weisen, der ὁμοίωσις θεῷ, platonisch. Mittels der Tugenden Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Klugheit sowie durch die Verbindung seines geistigen Lebens mit dem praktischen kann er diese erreichen und Gott nachfolgen (ebd. 2,23, 253: sapientem quippe pedisequum et imitatorem dei dicimus et sequi arbitramur deum: id est enim ἕπου θεῷ, «Wir sagen freilich, der Weise sei ein Gefolgsmann Gottes und ahme ihn nach, und wir glauben, er folge Gott: Das nämlich bedeutet ἕπου θεῷ»). Das Modellbild des Weisen ist von Apuleius offensichtlich nach den Vorgaben großer Philosophen, vor allem Platons, gezeichnet (Plat. 1,1, 183f.; ebd. 2,19, 247f.; dazu Hijmans 1987 [*749: 465–467], Dillon 21996 [*25: 334f.]). Als charakteristisch darf die Heroisierung des Weisen als grundsätzliche Denkfigur bei Apuleius gelten: So wird Platon den Göttern gleichgestellt und zum ‘Heros’ erklärt (Plat. 2,7, 229), in ‹De deo Socratis› (15, 153f.) spiegelt sich ein eigentlich euhemeristisches Götterbild, wenn es heißt, die Bezeichnung ‘deus’ werde nur einigen wenigen «aus derselben Schar nach einem gerechten und weisen Leben» (ex eodem numero iuste ac prudenter curriculo vitae gubernato) verliehen, wie dies etwa Amphiaraos, Osiris oder Asklepios widerfahren sei (Hijmans 1987 [*749: 466]). 6. Ethik Insgesamt darf die Ethik des Apuleius, trotz Integration stoischer Elemente, wie bei der Konzeption des Idealbildes eines Weisen, als gut platonisch gelten. Differenziert scheint seine Adaptation aristotelischer Philosopheme zu sein: So ist eine gewisse Einschränkung der ursprünglich peripatetischen Anschauuung von der Selbstgenügsamkeit der Tugend, wie sie bereits Antiochos von Askalon
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
vertreten hat, festzustellen (Plat. 2,23, 253; Moreschini 1981 [*710: 222]). Zugleich findet sich im Kontext der Abhandlung der vier Tugenden ein vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Platonismus (v. a. Alkinoos) durchaus originelles Konzept der Gerechtigkeit (Plat. 2,7, 229), mit dem Apuleius aristotelische Vorgaben aufgreift und fortführt: Hier setzt er eine auf den eigenen Nutzen gerichtete und als «Wohlwollen» (benivolentia) bezeichnete von der auf den Nutzen des andern ausgerichteten, gewissermaßen objektiven «Gerechtigkeit» (iustitia) ab. Dabei schließt er an Überlegungen des Aristoteles an, der in der ‹Nikomachischen Ethik› 5,3 betont, dass, wer im Besitz der Gerechtigkeit ist, diese nicht nur sich selbst gegenüber anwendet, sondern vor allem auch gegenüber anderen, und der die Gerechtigkeit insofern als «ganze (d. h. vollkommene) Tugend» bezeichnet (Arist. EN 5,3, 1130a9: ὅλη ἀρετή – bei Apuleius ebd. universa virtus). Apuleius unternimmt also, kurz gesagt, eine Differenzierung des platonischen Tugendbegriffs unter aristotelischen Vorgaben (Dillon 21996 [*25: 332], Donini 1999 [*773: 134–150], Karfík 2013 [*789: insb. 123–127]). 7. Tradition Hinsichtlich der gewählten thematischen Schwerpunkte sowie der Methodik und Systematik der Darstellung in den unterschiedlichen literarischen Genres dürfen die philosophischen Schriften des Apuleius der mittelplatonischen Tradition zugerechnet werden (allgemein Donini 1979 [*737]). Mit Blick auf die Widmungen an Faustinus und die damit implizierte Unterweisung eines Jüngeren zeichnen sich auch protreptische Tendenzen in seinen Schriften ab (vgl. Hijmans 1987 [*749: 428]). Der älteren Forschung galt Apuleius, wie auch Alkinoos und Albinos (nach Freudenthal 1879 [*605] v. a. Sinko 1905 [*693] und Praechter 1916 [*586]; zu Gemeinsamkeiten mit Albinos siehe Gersh 1986 [*33: I 222–127]), vor dem Hintergrund des Platonismus im 2. Jahrhundert n. Chr. als Platoniker, der aufgrund seiner sogenannten ‘eklektischen Methodik’ als Mitglied der ‘Gaios-Schule’ angesehen wurde. Angesichts der Problematik, überhaupt eine solche Schule nachweisen zu können, und der offensichtlichen Diskrepanzen zwischen Apuleius’ ‹De Platone et eius dogmate› und Alkinoos’ ‹Didaskalikos› (Whittaker 1987 [*34: 83–110], Lilla 1992 [*39: 49f.], Göransson 1995 [*587: 13–27]) sowie des allgemein gehaltenen Selbstzeugnisses des Apuleius (Flor. 18,15) über sein Studium der platonischen Philosophie in Athen ist sicherlich Zurückhaltung bei der Zuschreibung des Apuleius zur ‘Gaios-Schule’ angebracht (Dillon 21996 [*25: 266–340, insb. 340]; ebenso Hijmans 1987 [*749: 435], Whittaker 1987 [*34: 102–110]). Apuleius darf vielmehr als zeittypischer Vertreter der platonischen Schulrichtung gelten, deren Anhänger längst in freilich individuell unterschiedlicher Weise rhetorische Studien ebenso wie stoische und peripatetische Elemente als letztlich der platonischen Philosophie dienliche oder verwandte Versatzstücke integriert und homogenisiert hatten (Moreschini 1978 [*735: 133–191], Hijmans 1987 [*749: 434–469]; vgl. Merlan 31991 [*719]). Entsprechend dieser Praxis nutzt also auch Apuleius die
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Erkenntnisse sowie das terminologische Material anderer philosophischer Schulrichtungen zur Erklärung Platons und demonstriert überhaupt weitreichende Kenntnisse philosophischer Literatur im engeren und weiteren Sinne (Überblick über von Apuleius erwähnte und zitierte antike Philosophen bei Hijmans 1987 [*749: 416 mit Anm. 85]). 4. NACHWIRKUNG
Das Echo des Apuleius in der Spätantike ist zwiespältig: Nach seinem Tod wird Apuleius zwar noch lange als heidnischer Wundertäter und Zauberer, als «gött licher Mensch» (θεῖος ἀνήρ) ähnlich Apollonios von Tyana, wahrgenommen (Aug. Epist. 136,1; 102,32; Lact. Inst. 5,3,7; Hier. Tract. in Psalm. 81,9; siehe Costanza 1937 [*791]). Doch einige christliche Autoren, z. B. Tertullian, verschweigen ihn ganz (Moreschini 1973 [*792], Simon 1974 [*733], Klibansky, Regen 1993 [*763: 31f.], Karfíková 2004 [*795: 162 mit Anm.]). Cassiodor (Inst. 2,12) und Isidor von Sevilla (Etym. 2,28,22) schätzen die (möglicherweise echte, zumindest unter Apuleius’ Namen zirkulierende) Schrift ‹De interpretatione› als logische Schrift (Karfíková 2004 [*795: 163 Anm. 4]). Wieder andere arbeiten Gedanken aus Apuleius ein: z. B. Ambrosius aus ‹De Platone et eius dogmate› (in ‹De excessu fratris Satyri›, dazu Courcelle 1961 [*706], Beaujeu 1973 [*665: IX–XXIX], Daniélou 1973 [*730]). Die Verbreitung der Philosophie des Apuleius verdankt sich Calcidius (In Tim. 131–135; vgl. Dillon 21996 [*25: 318 Anm. 1], Klibansky, Regen 1993 [*763: 33f. mit Anm. 92]), Martianus Capella und vor allem Augustinus, der den ‹Metamorphosen› den einschlägigen Titel ‹Der goldene Esel› verleiht und Apuleius als Autor der Schrift ‹De mundo› bezeugt, die lange als Standardwerk zur Weltentstehung benutzt wurde. Vor allem in ‹De civitate dei› setzt sich Augustinus intensiv mit Apuleius’ ‹De deo Socratis› auseinander (Übersicht der Zitate und Erwähnungen des Apuleius bei Augustinus bei Hagendahl 1967 [*718: I 17–28], Horsfall Scotti 1990 [*793: 297–320]). Augustinus nimmt im 8. und 9. Buch von ‹De civitate dei› den ‘Platonicus nobilis’ Apuleius als Gesprächspartner (Civ. 8,12; allein der Passus 8,23–27 ist Diskussion mit dem hermetischen Asclepius). Augustinus kritisiert vom christlichen Standpunkt aus die Auffassung der Platoniker, nach der nicht nur der transzendente Gott selbst, sondern auch andere, von ihm erschaffene Götter verehrt werden müssen, damit der Mensch nach dem Tod selig wird (Civ. 8,1; vgl. ebd. 8,12). Überhaupt bezieht er sich in seiner Widerlegung des Apuleius ausschließlich auf dessen Schrift ‹De deo Socratis›, zitiert sie wörtlich und ausführlich (Civ. 8,14–22; siehe Habermehl 2002 [*782: 292–298]). Augustinus sieht hier offenbar eine repräsentative Darstellung der platonischen Philosophie (Civ. 8,14; ausführlich zur Widerlegung des Apuleius v. a. anhand der moralischen Unterscheidung von gut und böse durch Augustinus, denn Dämonen sind für ihn immer negativ konnotiert und böse, können daher nicht zwischen Menschen und Göttern vermitteln: Karfíková 2004 [*795: 174–189]). Im Zentrum seiner Kritik steht die soteriologische Frage nach der Vermittlung zwischen Gott und Mensch (Siniscalco 1990 [*759], Karfíková 2004 [*795: 189]). Es geht Augustinus letztlich darum zu
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
zeigen, dass die platonische Dämonologie, wie sie systematisch greifbar wird in Apuleius’ ‹De deo Socratis›, in sich nicht schlüssig und konsequent ist, sondern dass sie vielmehr auf Grundannahmen einer populären Frömmigkeit beruht (Fuhrer 1997 [*794: 102ff.]). Zahlreiche spätantike und mittelalterliche Autoren würdigen Apuleius als ‘philosophus platonicus’ (Haight 1927 [*697], Gersh 1986 [*33: I 215f.]; weitere Literaturangaben bei Hammerstaedt 2002 [*781: 22]). In mittelalterlichen Exzerptensammlungen finden sich vor allem Zitate und Wendungen aus ‹De deo Socratis›. Apuleius wird dort als ernst zu nehmende philosophische Autorität zitiert, die neben Platon und Aristoteles steht (Karfíková 2004 [*795: 165–168]; zur Überlieferung der philosophischen Schriften des Apuleius seit der karolingischen Zeit siehe ausführlich Karfíková 2004 [*795: 168–171], seit dem Mittelalter Moreschini 1978 [*735: 259–266]). Die Nachwirkung des Apuleius scheint nicht zuletzt sprachlich-stilistischer Art zu sein: Apuleius’ Stil und seine teils neu geschaffene lateinische philosophische Terminologie prägt christliche Autoren wie Tertullian, Cyprian und Zenon von Verona (Fontaine 1968 [*721: 149–176]). Eine Untersuchung der Nachwirkung der sprachprägenden Wirkung des Apuleius auf die lateinisch abgefassten philosophischen Texte der späteren Kaiserzeit steht noch aus (Flamand 1989 [*659]). Im 15. und 16. Jahrhundert n. Chr. entbrennt ein humanistischer Streit um eine apuleianische, der ciceronianisch-quintilianischen entgegengesetzte Stilrichtung (D’Amico 1984 [*746]). Literarischer Modellcharakter wurde vor allem dem Romancier Apuleius zu geschrieben (Walsh 1970 [*726: 235–243], Scobie 1978 [*736]).
§ 64. Anonymus, ‹In Platonis ‘Theaetetum’› Franco Ferrari
1. Autor und Werk. – 2. Lehre.
1. AUTOR UND WERK
In den letzten Jahren hat der Text eines anonymen Kommentars zum ‹Theaitetos›, der auf einem ins 2. Jahrhundert n. Chr. datierten Papyrus (P. Berol. 9782) überliefert ist, in der Forschung zum Mittelplatonismus beträchtliches Aufsehen erregt, insbesondere aufgrund der neuen Edition von Bastianini und Sedley 1995 [*800], die 90 Jahre nach der Erstveröffentlichung durch Diels und Schubart herauskam (Tarrant 1983 [*808] und 1985 [*32: 66–88], Opsomer 1998 [*41: 34–69],
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§ 64. Anonymus, ‹In Platonis ‘Theaetetum’› (Bibl. 697)
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Bonazzi 2003 [*175: 41ff.] und 2013 [*816]). Es handelt sich um einen Papyrus, der ungefähr 75 Kolumnen (in relativ gutem Zustand) überliefert, die Teil eines ‹Theaitetos›-Kommentars von beträchtlichem Umfang gewesen sein müssen (Bastianini, Sedley 1995 [*800: 237–239]). Der Text folgt dem platonischen Dialog bis 153e2; einige Fragmente lassen sich nicht mit Sicherheit verorten, aber man vermutet, dass sie sich auf eine Textpartie zwischen 157b und 158a beziehen (Bastianini, Sedley 1995 [*800: 239], Tarrant 2000 [*42: 171f.]). Der Autor gibt den platonischen Text wieder, den er zu kommentieren beabsichtigt (ohne wesentlichen Unterschied zum handschriftlich überlieferten Platontext: Carlini 1994 [*812] und Bastianini, Sedley 1995 [*800: 244–246]); es folgt dessen Auslegung sowohl auf sprachlicher (κατὰ λέξιν) als auch auf inhaltlicher Ebene (κατὰ πράγματα). Im Kommentar finden sich ebenso banale Beobachtungen und solche didaktischer Natur wie gedanklich tiefere Aussagen, auch wenn der Ton der Auslegung aufs Ganze gesehen eher oberflächlich scheint. Zahlreich waren die Versuche, den Urheber dieses Werks auszumachen, wobei man von der Überzeugung ausging, dass sein Verfasser einer der uns bekannten Platoniker sein müsse. Die vereinte Autorität von Diels und Schubart, in Verbindung mit der für lange Zeit vorherrschenden Annahme der Existenz und des Einflusses der sogenannten ‘Schule des Gaios’, auf die sich auch dieser Kommentar zurückführen ließe, hat für viele Jahrzehnte die Ansicht gefördert, ihn Albinos zuzuschreiben (Dillon 21996 [*25: 270f.]). Als Alternative wurde vorgeschlagen, das Werk Eudoros von Alexandrien oder Philon aus Larissa zuzuweisen, was eine Rückdatierung des Kommentars ins 1. Jahrhundert v. Chr. zur Folge hätte (Tarrant 1983 [*214] und 1985 [*32: 66–88]; dagegen Mansfeld 1991 [*811: 543f.]). Diese Rückdatierung wird von den Herausgebern der jüngsten Edition akzeptiert, doch schließen sie aus, dass Eudoros der Autor sein könne (Bastianini, Sedley 1995 [*800: 254–256]). Unlängst wurde von Neuem eine Datierung ins 2. Jahrhundert n. Chr. vorgeschlagen, wobei der Inhalt des Kommentars mit dem philosophischen Umfeld des Favorinos in Zusammenhang gebracht wurde (Bonazzi 2003 [*175: 66–74]). Es gibt somit zahlreiche Vermutungen, doch keinerlei Gewissheit. Mit einer gewissen Sicherheit lässt sich bloß sagen, 1) dass der Autor des Kommentars ein überzeugter Platoniker war (er verfasste außerdem Kommentare zum ‹Timaios›, zum ‹Symposion› und zum ‹Phaidon›: vgl. col. XXXV,10–12; LXX,10– 12 und XLVIII,7–11; dazu Bastianini, Sedley 1995 [*800: 246f.]); 2) dass er auf dem Laufenden war bezüglich der Diskussionen rund um die Frage, ob die Philosophie Platons in ihrer Gesamtheit skeptisch oder vielmehr dogmatisch ausgerichtet war; 3) dass er einige Grundüberzeugungen der mittelplatonischen, d. h. der dogmatischen Auslegung Platons teilte (Bonazzi 2013 [*816: 310–312]); 4) dass er gegenüber dem Aristotelismus recht offen war (Moraux 1984 [*809]). Alle diese Informationen lassen die Hypothese am glaubwürdigsten erscheinen, die den Verfasser (der sich offenbar mit keinem der uns bekannten Platoniker identifizieren lässt: Bastianini, Sedley 1995 [*800: 251–254]) in die Zeit zwischen dem 1. und dem 2. Jahrhundert n. Chr. datiert.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
2. LEHRE
Die philosophische Position des Anonymus scheint in einem Passus des Kommentars auf, in dem er sich gegen jene stellt, die Platon als ‘Akademiker’ (d. h. als ‘Skeptiker’) betrachten, wobei er erklärt, 1) dass nur eine einzige Akademie existiere, d. h. dass es keine skeptische Phase gegeben habe, welche die Lehrkontinuität der Schule unterbrochen hätte, 2) dass auch die Akademiker Lehrmeinungen (δόγματα) vertreten hätten, und schließlich, 3) dass Platon selbst über Lehrmeinungen verfügte (LIV,38–LV,13). Die Position des Anonymus scheint jener Plutarchs zu ähneln, der eine Schrift über die Einheit der platonischen Akademie verfasst hatte (n. 63 Lamprias-Katalog). Bezüglich des ‹Theaitetos› vertritt der Anonymus die These, dass sich der Dia log nicht um das ‘Kriterium’ drehe, wie einige fälschlich glauben, sondern um die Erkenntnis selbst (ἐπιστήμη: II,11–52; dazu Sedley 1996 [*813: 89–93], Opsomer 1998 [*41: 37–41], Tarrant 2000 [*42: 167–170] und Bonazzi 2013 [*816: 312f.]). Dem Kommentator zufolge kennt Platon die Antwort auf die Frage nach dem Wesen der Erkenntnis sehr wohl, doch liefere er sie in diesem Dialog nicht, nähere sich ihr jedoch in der dritten Definition, welche die Erkenntnis mit der «richtigen Meinung in Verbindung mit Vernunft» gleichsetzt, sehr stark an (Bastianini, Sedley 1995 [*800: 250f.]): Hätte Platon zu δόξα ὀρθὴ μετὰ λόγου noch das «Band der Ursache» (δεσμὸς τῆς αἰτίας) hinzugefügt, wären seine Ausführungen vollständig (III,15–25), und wir verfügten über eine exakte Definition des Wissens. Nach dem Kommentator erklärt Platon im ‹Theaitetos›, auf welche Gegenstände sich die Erkenntnis nicht beziehe, doch sage er nicht ausdrücklich, auf welche sie sich beziehe (II,39–52; dazu Sedley 1996 [*813: 94]). Die Erkenntnis scheint für den Anonymus mit der Wiedererinnerung (ἀνάμνησις) verbunden zu sein (Sedley 1996 [*813: 95f.]), und ihr Gegenstand sind offensichtlich die Ideen, die er «natürliche Begriffe» (φυσικαὶ ἔννοιαι: XLVI,43ff. und LV,30–35; dazu Bonazzi 2013 [*816: 322–324]) nennt. In einer Kritik an der Oikeiosis-Lehre der Stoiker schlägt er als Alternative die mittelplatonische Lehre der Angleichung an Gott vor (VII,14–20), und er polemisiert gegen den stoischen Anspruch, alle Tugenden in einer einzigen zu vereinen (XI,12–40). Von Aristoteles übernimmt er sowohl den Begriff der Kategorien, dem er das alt-akademische Schema zur Seite stellt, das auf der Gegenüberstellung von καθ’ αὑτό/πρός τι beruht (LXVIII,1–36; vgl. Moraux 1984 [*809: 485–487], Bastianini, Sedley 1995 [*800: 552f.] und Bonazzi 2003 [*175: 47–49]), als auch die Lehre der Syllogismen (LXVI,12–22; vgl. auch XVI,14–41; dazu Moraux 1984 [*809: 487–490]). Aufs Ganze gesehen scheint sich seine Philosophie somit in das Umfeld der mittelplatonischen Überlegungen integrieren zu lassen. Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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§ 65. Der Neupythagoreismus (Bibl. 698–699)
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§ 65. Der Neupythagoreismus Irmgard Männlein-Robert
1. Überblick. – 2. Quellen.
1. Überblick Spätestens seit Platons ‹Timaios› war bereits in der Alten Akademie das Interesse an den Lehren des Pythagoras groß: Platons Schüler, etwa Xenokrates oder Aristoteles, dann auch Aristoxenos von Tarent und Theophrast beschäftigten sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit Pythagoras und seinen Lehren. Doxographische Nachrichten über Pythagoras oder ‘die Pythagoreer’ gehen wohl auf sie zurück (Thesleff 1961 [*838: 117], Kahn 2001 [*861: 63–85]; Sammlung aller pythagoreischen Schriften mit italienischer Übersetzung bei Timpanaro Cardini 2010 [*829]). Für philosophische Fragestellungen sind die in hellenistischer Zeit entstehenden pythagoreischen Pseudepigrapha von Bedeutung, die wohl seit dem späten 4. Jahrhundert v. Chr., vor allem aber ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. an verschiedenen Orten des römischen Reiches, etwa Rom, Süditalien und möglicherweise auch Alexandrien, auftauchen und wohl bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. hinein verfasst wurden (Thesleff 1961 [*838]; Sammlung dieser Texte bei Thesleff 1965 [*824]). Offen ist, ob und in welcher Form pythagoreische Philosophie während des Hellenismus gepflegt wurde und ob sich Vertreter eines charakteristischen pythagoreischen βίος in dieser Zeit nachweisen lassen, etwa mit Reflexen in der hellenistischen Dichtung (zur Diskussion der Bruch-These von Zeller und der Kontinuitätstheorie Carcopinos siehe Burkert 1961 [*837: 227f. = KS 261f.], der treffend formuliert «es gibt in hellenistischer Zeit eine ganze Flut pythagoreischen Schrifttums, aber es gibt keine Pythagoreer» [ebd.: 234 = KS 267]; vgl. Ardizzoni 1965 [*841: 257–267]). Unabhängig davon dokumentieren diese (spät-)hellenistischen Pseudepigrapha mehr oder weniger ernsthaftes Interesse an der Philosophie des Pythagoras, wie sie bereits durch Platon und seine ersten Schüler in die philosophischen Diskussionen der Akademie einbezogen oder diskutiert worden, im Zuge der andersartigen Tendenzen der hellenistischen (eher skeptischen) Akademie jedoch dort aus dem wissenschaftlich-philosophischen Fokus verschwunden waren (Trapp 2007 [*865: 347f.]). Die Pythagoras zugeschriebenen philosophischen Lehren, die in diesen literarischen, in künstlich archaisierendem Dorisch verfassten Apokryphen verhandelt werden, entstammen wesentlich der Philosophie Platons und der Alten Akademie und weisen vielfach Übereinstimmungen mit den späteren Nachrichten über Platons ‘Ungeschriebene Lehre’, aber auch mit aristotelischen und stoischen Philosophemen auf (Merlan 1967 [*844],
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Kahn 2001 [*861: 59–62], Trapp 2007 [*865: 351f.]). Vielfach haben diese anonymen oder pseudonymen Schriften eher den Charakter von Offenbarungen oder Verkündigungen als von Lehrschriften; sie legitimieren sich durch ihre (behauptete) Rückführung auf Pythagoras selbst (Dörrie 1963 [*839: 273]). Besonders bekannt ist aus diesem Corpus der sog. ‹Lysis-Brief› (Text bei Thesleff 1965 [*824: 111–114]), der über die inneren Verhältnisse der pythagoreischen Gemeinschaft Aufschluss gibt. Dieser ist etwa in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. entstanden (so Burkert 1961 [*837: 24f. = KS III, 243f.], Thesleff 1961 [*838: 113]; vgl. aber Städele 1980 [*827: 212, 215f.]). Wichtig ist der ‹Lysis-Brief› vor allem deshalb, weil er aller Wahrscheinlichkeit nach der Legitimierung der ebendort in Kap. 7 erwähnten ‹Hypomnemata› des Pythagoras dient, die dieser seiner Tochter und diese wieder ihrer Tochter als philosophisches Erbe mit dem Anliegen überreicht haben soll, sie nicht an Außenstehende weiterzugeben. Diese ‹Hypomnemata› sind wohl mit dem bei Alexander Polyhistor bezeugten Titel identisch (Burkert 1961 [*837: 18f. = KS III, 238], Thesleff 1965 [*824: 234, Z. 18], Riedweg 2 2007 [*864: 158f.]). Mit einem solchen metareferentiellen Verweis auf ‘authentische’, exklusive Schriften des Pythagoras werden die kursierenden Apokryphen gleichsam zu historischen Dokumenten des Schulgründers. Das Schrifttum der pythagoreischen Pseudepigrapha ist außerordentlich umfangreich und in seiner philosophischen Zuordnung komplex (ältere Sammlung bei Timponara Cardini 1958–1964 [*823], neuere bei Thesleff 1965 [*824]; vgl. Thesleff 1961 [*838], Centrone 1996 [*856: 144–159], Kahn 2001 [*861: 74–79]; die verschiedenen Pythagoreerinnen zugeschriebenen Schriften bei Montepaone 2011 [*868] und Pomeroy 2013 [*869]). Besonders bekannte Apokryphen sind die Abhandlungen des Timaios von Lokroi und des Okkelos von Lukanien (Thesleff 1961 [*838: 16f., 23] und 1965 [*824: 124–138, 202–225]; zu Timaios von Lokroi siehe Baltes 1972 [*825: 1–3, 24ff.], der allerdings für eine Datierung des Tim. Lokr. nach Cicero plädiert; Harder 1926 [*822]). Vielfach werden philosophisch recht allgemein gehaltene, letztlich religiös motivierte Verhaltensregeln Pythagoras und seiner Schule zugeschrieben (z. B. gehört auch die ‹Tafel des Kebes› in diesen Kontext; siehe Fitzgerald, White 1983 [*828], Hirsch-Luipold 2005 [*377], Trapp 2007 [*865: 348]). Auch die hexametrischen ‹Goldenen Verse› (Χρυσᾶ ἔπη, ‹Carmen aureum›; nach Thesleff 1961 [*838: 18f.] wohl um 200 n. Chr. zusammengestellt, nach Thom 1995 [*855: 57f.] vor 300 v. Chr. entstanden) gehören in diesen Kontext, da sie älteres, hellenistisches Versmaterial enthalten: In diesen dürfen zum Beispiel die Gewissenserforschung oder die allem unterlegte Zahlenstruktur, der Eid auf den Entdecker der Tetraktys sowie einige Speiseverbote als pythagoreisch gelten (Riedweg 22007 [*864: 159–161]; zur späteren Kommentierung z. B. bei H ierokles oder zu den arabischen Übersetzungen späterer neuplatonischer Kommentare siehe O’Meara 1989 [*915: 114–118, 230–232]). Während sich mit dem Namen des Pythagoras bis in späthellenistische Zeit hinein vor allem eine philosophisch motivierte religiös-asketische Lebensform verbinden lässt und darauf basierend in der Spätantike Pythagoras-Biographien zu Modellen philosophischen Lebens avancieren (Dörrie 1963 [*839: 269f., 275f.], Zhmud 2010/11 [*867]), so kann für die Mehrzahl der philosophisch komplexeren pythagoreischen Pseudepigrapha
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dieser Zeit ein gesteigertes Interesse an der Prinzipienlehre, an Kosmologie und Theologie vermerkt werden. In einer ganzen Reihe der unter Pythagoras’ Namen apokryph verbreiteten Schriften wird neben einer nicht eben homogenen Seelenlehre (Merlan 1967 [*21: 89f.]) vor allem die Lehre von zwei einander entgegengesetzten Prinzipien greifbar sowie Versuche, diesen Dualismus durch ein höher stehendes Prinzip zu überwinden, was an Platons ‹Parmenides› sowie an Plotins Konzeption des «Einen» (ἕν) erinnert (Brontinos, Philolaos und Archainetos bei Syrian. In Metaph. 165,33–166,6 Kroll; vgl. Ps.-Archytas bei Stob. Ecl. 1,41,2, I,278,18–281,3 Wachsmuth; vgl. Rist 1965 [*842], Bonazzi 2000 [*958]). Das Paar der gegensätzlichen Prinzipien wird vielfach mit Begrifflichkeiten beschrieben, die an die aristotelischen Kategorien erinnern (z. B. bei Ps.-Kallikratidas, der sie mit den Kategorien des Relationalen und Nicht-Relationalen beschreibt, bei Stob. Ecl. 4,22,101, I,534,10–536,5 Hense; dazu Merlan 1967 [*844: 85f.], Szlezák 1972 [*826]). Erst ab etwa dem 1. Jahrhundert v. Chr. lässt sich philosophiehistorisch der Beginn des sogenannten ‘Neupythagoreismus’ fassen. Während die ältere communis opinio basierend auf Cicero dessen Zeitgenossen Nigidius Figulus (gest. 45 v. Chr.) als einen ‘Erneuerer’ der pythagoreischen Lehre (Cic. Tim. 1,1) auffasste (Burkert 1961 [*837]; dagegen wendet sich Thesleff 1965 [*843: 47]), betont man in der neueren Forschung die deutlich ältere Beanspruchung des Pythagoras als Vertreter einer ‘italischen’ Philosophie (so seit Aristoteles): So gilt bereits der legendenumwobene zweite König Roms, Numa Pompilius (ca. 715–673 v. Chr.), aufgrund seiner Sakralgesetzgebung und harmonisierenden Machtausübung als ‘Schüler’ des Pythagoras (Diod. 8,14; Ov. Met. 15,7ff. und Pont. 3,3,44; Kritik an dieser chronologisch unmöglichen Verbindung bereits bei Cic. Rep. 2,28; dazu Kahn 2001 [*861: 86–88], Riedweg 22007 [*864: 161f.]). Auch der römische Epiker Ennius (‹Annales›, ‹Epicharmus›) formuliert zentrale Gedanken der pythagoreischen Seelenwanderungslehre. Nach Ciceros Einschätzung hätten die Römer «vieles in ihren Einrichtungen» von den Pythagoreern übernommen (Tusc. 4,4). In seiner Schrift ‹Cato maior› (12,39) lässt Cicero Cato den Älteren über eine Rede des Pythagoreers Archytas über Begierde, Sinnenlust und Tugend berichten. Deutlich zeichnet sich bereits bei Cicero die Tendenz ab, von römischer Seite aus eine «alte» Verbundenheit diesem «italischen» Philosophen gegenüber, auch im eigenen Werk (z. B. im ‹Somnium› des Scipio, 3,16), programmatisch zu bekunden (Burkert 1961 [*837: 238–246 = KS III, 270–277], Van der Waerden 1979 [*850: 274–284], Kahn 2001 [*861: 89 mit Anm.], Joost-Gaugier 2006 [*862: 26–29]). Tatsache bleibt aber, dass zumindest nach der aktuellen Quellenlage erst ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. namentlich bekannte Personen als Pythagoreer greifbar werden. Freilich scheinen sie mitunter, wie im Fall des Nigidius Figulus (und später des Apollonios von Tyana), vor allem aufgrund einer eigenwilligen Mischung aus philosophischen, astronomischen und magischen Interessen, aufgrund eines charakteristischen Lebensstils sowie durch charismatische Ausstrahlung Aufmerksamkeit erregt zu haben. So wird auch Varro, der ohnehin Interesse an pythagoreischer Lehre erkennen lässt (vgl. den Werktitel ‹Hebdomades›), 27 v. Chr. nach «pythagoreischem Ritus» bestattet (Plin. Nat. 35,160; Gell. 3,10,1f.; dazu Rawson 1985 [*851: 291– 293, 309–312], Storchi Marino 2000 [*860], Kahn 2001 [*861: 88f.], Trapp 2007
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[*865: 348f.]). Als seriöse Philosophen neupythagoreischer Prägung sind als ungefähre Zeitgenossen des Nigidius Figulus dann vor allem Quintus Sextius sowie sein Schüler Sotion, der spätere Lehrer des Philosophen Seneca, bekannt, die allerdings pythagoreische Lehren mit stoischen verbinden (Sen. Epist. 59,7; 64,2f.; 108,17–23; Dial. 5,36,1 = De ira 3,36,1–3; Kahn 2001 [*861: 90–93, 139–146]). Abgesehen von diesen handelt es sich bei den weiteren uns bekannten Neupythagoreern um Platoniker (im weitesten Sinne, siehe Dillon 1988 [*35: 119f.], JoostGaugier 2006 [*862: 101f.], Trapp 2007 [*865: 353–355]) mit pythagoreischen Interessen: Wir hören nämlich nicht nur von Nigidius Figulus (bei Cicero), sondern auch von Eudoros aus Alexandrien, wenig später von Thrasyllos (Übersichten bei Centrone 1996 [*856: 170–189], Dillon 21996 [*25: 341–383], Gombocz 1997 [*40: 143–151]), denen man eine intensive Auseinandersetzung mit den Lehren des Pythagoras zuschreibt. Insgesamt dürfen die vermeintlich pythagoreischen Schriften (wie etwa die bereits genannten Pseudepigrapha; zur möglichen Rolle Roms bei deren Verbreitung siehe Kahn 2001 [*861: 90]) mit Blick auf die ebenfalls etwa um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wieder aufblühende platonische Philosophie als vergleichbares Phänomen eines neuartigen Interesses an den originalen Lehren des jeweiligen Schulgründers identifiziert werden. Analog zum neu erwachten Interesse an Platons Schriften und dem Bemühen, aus den schriftlich überlieferten Werken Platons die maßgeblichen Lehren zur Ethik, Logik und Physik mitsamt Kosmologie und Theologie herauszudestillieren und diese gegen skeptische Tendenzen der eigenen Schulrichtung sowie gegen konkurrierende Schulen wie etwa Stoa und Peripatos abzugrenzen (Trapp 2007 [*865: 349f.]), dienen offenbar die unter dem Namen des Pythagoras verfassten Schriften dieser Zeit einer autoritätsstiftenden Legitimierung der vermeintlich alten originalen Lehren. Pythagoras selbst avanciert dabei zu einer symbolhaften Figur der Integration östlicher Weisheit in den Platonismus, der gelegentlich sogar orphische Elemente enthält (vgl. Servius Ecl. 4,10, III,46 Thilo-Hagen = Nigid. fr. 67 Swoboda; dazu Dörrie 1963 [*839: 270], Bernabé 2007 [*863: 622–625], Männlein-Robert 2009 [*866: 341–343, 350–355]). Der neue, seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. fassbare Pythagoreismus ist somit letztlich als eine Spielart des kaiserzeitlichen Platonismus aufzufassen (Centrone 2000 [*858], Riedweg 22007 [*864: 163]). Während einige Platoniker, wie Alkinoos, jede Andeutung einer Affinität platonischer zu pythagoreischen Lehren zu vermeiden suchen (vgl. Did. 169,24–26, dazu Whittaker 1987 [*34: 118]), gilt für andere eine Verschmelzung platonischer mit pythagoreischen Lehren als natürlich (z. B. Eudoros, Numenios, Philon von Alexandrien), die letztlich darauf beruht, dass beide dieselben Fragestellungen zugrunde legen. Die Doxographie, die Platon und Pythagoras vielfach als Gewährsmänner für dieselben Anschauungen benennt, dürfte das Ihre dazu beigetragen haben, dass Pythagoras und Platon als Vertreter derselben Philosophie gelten mussten (Dörrie 1963 [*839: 271]).
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2. Quellen Die erhaltenen Quellen der doxographischen Nachrichten spiegeln die komplizierte und vielschichtige Gemengelage wider, die der schriftlichen Tradition der neupythagoreischen Philosophie eigen ist: Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. referieren einige Autoren pythagoreische Lehren, die sie aus anonymen Quellen beziehen, die ihrerseits unterschiedliche Akzente zu setzen scheinen und unterschiedlichen Epochen entstammen. Möglicherweise stehen die von den einschlägigen Autoren Diodor und Alexander Polyhistor (beide 1. Jh. v. Chr.), Ovid, Sextus Empiricus sowie Photios (Merlan 1967 [*21: 87]; Überblick bei Donini 1982 [*29: 137– 146]) benutzten Anonymi in einem Zusammenhang mit den oben genannten hellenistischen Pseudepigrapha. Auf der einen Seite sind der sogenannte ‹Anonymus Diodori› und der sogenannte ‹Anonymus Ovidii› zu sehen, die beide eher populäre pythagoreische ethisch-religiöse Lehren oder Verhaltensregeln kolportieren: Der ‹Anonymus Diodori› (Diod. 10,3–11; Text auch bei Thesleff 1965 [*824: 229– 234]) bietet Informationen aus dem Leben des Pythagoras, eher popularphilosophisch anmutende Verhaltensmaßregeln über Selbstkontrolle, Freundschaft, Sexualität sowie Vorschriften für Gebet und Ritual (Thesleff 1961 [*838: 25f.]). Der ‹Anonymus Ovidii› (Ov. Met. 15,1–478) legt der legendären Begegnung Numas mit Pythagoras sowie dessen Rede zahlreiche bekannte pythagoreische Lehren bei, wie etwa Reinheitsgebote, Seelenwanderungslehre oder die Lehre vom beständigen Wechsel und Erhalt der Elemente (Thesleff 1961 [*838: 26]). Dem gegenüber stehen die vor allem an philosophischer Prinzipienlehre und Theologie des ‘Pythagoras’ und der Pythagoreer interessierten Gewährsmänner, auf die Alexander Polyhistor, Photios und Sextus Empiricus ihre Berichte stützen: Beim ‹Anonymus Alexandri›, den Alexander Polyhistor (wohl um 80 v. Chr.; bei D. L. 8,24–33; Text auch bei Thesleff 1965 [*824: 234–237]) seiner Darstellung zugrunde legt, handelt es sich wohl um eine Quelle aus dem 2. Jahrhundert v. Chr., die sich möglicherweise von den ‹Erinnerungen des Pythagoras› (Πυθαγορικὰ ὑπομνήματα) ableitet (Wiersma 1942 [*835], Thesleff 1961 [*838: 26], Centrone 1992 [*853]). Hier geht es um eine Konzeption des gesamten Kosmos, dessen Urbeginn (ἀρχή) die ‘Monas’ darstellt. Aus der Monade leitet sich die ‘Ahoristos Dyas’ gleichsam als ‘Materie’ für die ‘Monas’ ab, die ihre «Ursache» (αἴτιον) darstellt. Daraus wiederum gehen die Zahlen hervor, aus diesen die Punkte, aus diesen die Linien, aus diesen die Figuren, aus diesen wiederum die Festkörper, aus diesen schließlich die sinnlich wahrnehmbaren Körper, die aus den vier Elementen Erde, Feuer, Wasser und Luft zusammengesetzt sind. Deren Verbindungen und Veränderungen bedingen den beseelten Kosmos. Auffällig sind hier stoische Reminiszenzen sowie ein gewisser durchaus erkennbarer Materialismus (so besteht z. B. die Seele teilweise aus Äther). Das ganz grundsätzliche Problem, wie sich aus dem ersten Prinzip, der ‘Monas’, die ‘Ahoristos Dyas’, also das zweite Prinzip, ableitet, wird so erklärt, dass die Monade zum einen in ihrer «Selbstheit» (αὐτότης) bestehen kann, wobei sie durch «Teilhabe» (μετοχή) alles umfasst. Die ‘Monas’ kann aber auch in ihrer «Andersheit» (ἑτερότης) verstanden werden, aufgrund derer sie die ‘Ahoristos Dyas’ hervorbringen kann. Mit diesen beiden Aspekten werden im Grunde die
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platonischen Prinzipien des «Absoluten» (καθ’ αὑτό) und des «Relativen» (πρὸς ἕτερον) umschrieben (Dillon 21996 [*25: 342f.]; vgl. Whittaker 1973 [*848]). Photios bezieht sich für seine Kenntnis auf einen anonymen, möglicherweise nach-plotinischen Gewährsmann (Phot. Bibl. cod. 249, 438b1: Πυθαγόρου βίος; Text auch bei Thesleff 1965 [*824: 237–242]). Neben Informationen zu begriff lichen Differenzierungen zwischen Πυθαγορικοί als zeitgenössischen Anhängern der Schulrichtung des Pythagoras und Πυθαγόρειοι als späteren Vertretern und Πυθαγορισταί als rein assoziierten Mitgliedern der Bewegung liegt in diesem Bericht ein erkennbarer Schwerpunkt der Darstellung auf der pythagoreischen Prinzipienlehre: Auch hier findet sich die Lehre von den beiden gegensätzlichen Prinzipien in monistischer Interpretation (die ‘Monas’ avanciert zum höchsten Prinzip). Aus der ‘Monas’ als höchster Ursache leitet sich in Form von Hypostasen alles Weitere ab. Sogar Körperliches ist letztlich auf das Intelligible zurückzuführen. Aber auch religiös motivierte Lehren wie die Enthaltsamkeit von Fleisch und Bohnen, die Unsterblichkeit der Seele sowie astronomische Erkenntnisse oder der Zusammenhang zwischen Mikro- und Makrokosmos werden referiert (Thesleff 1961 [*838: 27]). Sollte der ‹Anonymus Photii› vor Plotin zu datieren sein, wäre die bei ihm erkennbare Verbindung platonischer mit aristotelischen Lehren bemerkenswert (Merlan 1967 [*21: 88]). Auch Sextus Empiricus benutzt eine anonyme, mit dem ‹Anonymus Alexandri› wohl vergleichbare, pythagoreische Quelle aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. (Adv. math. 4,2–9; 7,94–109; 10,248–284; P. H. 3,152–155; dazu Thesleff 1961 [*838: 24f.], Merlan 31968 [*846: 175f.]). Aufschlussreich ist besonders Sextus’ Bericht über die «pythagoreischen» Kategorien, die jedoch als platonisch gelten dürfen (Adv. math. 10,248–284; ausführlicher Dillon 21996 [*25: 343]). Auch hier wird eine pythagoreische, auf ‘Monas’ und ‘Ahoristos Dyas’ basierende Prinzipienlehre greifbar, in der auf die beiden ersten Prinzipien die Schaffung der Zahlen folgt, auf denen wiederum die Erschaffung des Kosmos und aller Dinge, die er umfasst, beruht. Eine solche Herkunft der Zahlen kritisiert freilich schon Aristoteles (Metaph. 13,7) und verdeutlicht so, dass diese Lehre bereits in der Alten Akademie verhandelt wurde – genau eine solche wurde aber offensichtlich von Anhängern der neupythagoreischen Philosophie vertreten (zur schwierigen Quellenlage des Sextus siehe Gaiser 1968 [*845: 63–83] mit deutscher Übersetzung des Textes; Dillon 21996 [*25: 344]). Hieraus wird ersichtlich, dass es zwei Richtungen innerhalb der pythagoreischen Schule gegeben haben muss, von denen die eine, ältere – gleichsam dualistisch – alles (auch die Zahlen) auf ‘Monas’ und ‘Ahoristos Dyas’, die andere, jüngere – gleichsam monistisch – alles (auch Zahlen, Figuren und Festkörper) auf die ‘Monas’ als das Eine zurückführte, aus dem dann alles andere sich ergeben hätte (Whittaker 1973 [*848], Gombocz 1997 [*40: 136–138]). Möglicherweise zeigt sich hier eine Verbindung zum eigenwilligen Monismus des Eudoros, der dem Gewährsmann des Sextus aber noch nicht bekannt war.
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§ 66. Moderatos von Gades (Bibl. 699)
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§ 66. Moderatos von Gades Franco Ferrari
1. Leben und Werke. – 2. Lehre.
1. LEBEN UND WERKE
Über Leben und Werk des Moderatos von Gades (Μοδέρατος ὁ ἐκ Γαδείρων) ist sehr wenig bekannt. Als gesichert dürfte einzig Gades, eine Stadt im heutigen Jordanien, als Geburtsort und Moderatos’ zeitliche Verortung ins 1. Jahrhundert n. Chr. gelten. Plutarch (Symp. 8,7, 727b–c) erwähnt unter den Teilnehmern eines Gastmahls, das zu Ehren seiner Rückkehr nach Rom (90 n. Chr.) gefeiert wurde, einen gewissen Lucius, Schüler des Moderatos. Dieser Lucius wird als von etruskischer Herkunft und Anhänger pythagoreischer Überzeugungen dargestellt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit lässt sich die Beschreibung des Lucius als eines überzeugten Anhängers der pythagoreischen Lebensform auch auf seinen Lehrer Moderatos anwenden, der gegen Ende des 1. Jahrhunderts jedenfalls eine gewisse Bekanntheit genossen haben muss, da er Schüler hatte, die in Rom aktiv waren (Dillon 21996 [*25: 344f.], Centrone, Macris 2005 [*879: 545f.]). Bescheiden sind auch unsere Kenntnisse seiner Werke. Die einzige Schrift, deren Existenz gesichert und deren Titel bekannt ist, ist ein Werk in zehn oder elf Büchern (die Handschriften weichen voneinander ab) mit dem Titel ‹Pythagoreische Vorlesungen› (Πυθαγορικαὶ σχολαί), das von Porphyrios erwähnt und paraphrasiert wird (Vit. Pyth. 48–53). Stephanos von Byzanz erwähnt ein Werk desselben Titels in fünf Büchern (Ethnica γ 11 s. v. Γάδειρα), bei dem es sich wohl um dieselbe Schrift handelt, die auch Porphyrios verwendete, jedoch mit einer anderen Bucheinteilung (Centrone, Macris 2005 [*879: 546]). Wahrscheinlich auf dasselbe Werk bezieht sich auch das berühmteste Zeugnis zu Moderatos, das wir ebenfalls Porphyrios verdanken, der im zweiten Buch ‹Über die Materie› Moderatos’ Auffassung der Entstehung der Materie referiert, die er in eine Gesamtdarstellung der metaphysischen Positionen dieses Philosophen einfügt (Porph. bei Simpl. In Arist. Phys. 230,34–231,24 Diels = test. 122.2 Dörrie-Baltes). Iamblichos berichtet in ‹De anima› (bei Stob. Ecl. 1,49,32, I,364,8–11 Wachsmuth = fr. 4, p. 28,7–9 Finamore-Dillon) über Moderatos’ Seelenlehre. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, aus welchem Werk dieses Zeugnis stammt.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
2. LEHRE
Moderatos war gewiss ein überzeugter Pythagoreer, der von einigen geradezu als ‘aggressiv’ bezeichnet wurde (Dillon 21996 [*25: 346]; vgl. aber auch Centrone 2000 [*857: 157–160]). Er ging von der Überzeugung aus, dass sich «die ersten Formen und die ersten Prinzipien» (τὰ πρῶτα εἴδη καὶ αἱ πρῶται ἀρχαί), bei denen es sich um «unkörperliche» Wesenheiten handelt (ἀσώματα), nicht in klarer Weise in Worten zum Ausdruck bringen lassen und dass man aus diesem Grund auf Zahlen zurückgreifen müsse, die damit einen symbolischen Wert und eine didaktische Funktion übernehmen. So repräsentiere das ‘Eine’ beispielsweise das Prinzip der Identität und der Gleichheit und bilde die Ursache ebenso der universalen Sympathie wie auch – als Prinzip der Identität – der Erhaltung der Dinge. Die Zweiheit dagegen repräsentiert das Prinzip der Andersheit, der Ungleichheit und der Teilbarkeit. Auf diese Weise ließ Moderatos jeder Zahl der Dekade eine bestimmte Potenz (δύναμις) entsprechen, wobei er die Zahlen als ‘Symbole’ der grundlegenden metaphysischen Begriffe betrachtete (Porph. Vit. Pyth. 48–53). Das wichtigste, dem Porphyrios zu verdankende Zeugnis zu Moderatos’ Lehren wird durch Simplikios überliefert. Es handelt sich um einen sehr komplizierten Abschnitt, der zu widerstreitenden Auslegungen geführt hat (Tarrant 1993 [*215: 150– 161], Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 477–485], Tornau 2000 [*875] und Hubler 2010 [*880]). Der Passus gliedert sich in zwei Teile: Im ersten umreißt Porphyrios in Form einer Paraphrase Moderatos’ Auffassung der Materie vor dem Hintergrund seines hierarchisch-metaphysischen Systems (Simpl. In Phys. 230,34–231,5 Diels); im zweiten Teil zitiert er wörtlich Moderatos’ Lehre über die Entstehung der Materie aus einem geheimnisvollen ‘einheitlichen Logos’ heraus (231,7–24 Diels). Moderatos hat eine Auffassung vertreten, nach der es drei verschiedene Arten des Einen gibt. Es handelt sich dabei um eine metaphysische Hierarchie, die nahezu mit Sicherheit eine Auslegung des zweiten Teils des platonischen ‹Parmenides› darstellt und die Struktur von Plotins Hypostasen-System vorwegnimmt (Dodds 1928 [*872: 136–139] und Romano 2002 [*876: 200–236]; dagegen Hubler 2010 [*880: 124–128]). An höchster Stelle findet sich das erste Eine, das alles Sein und Wesen transzendiert (ὑπὲρ τὸ εἶναι καὶ πᾶσαν οὐσίαν); an die zweite Stelle setzt Moderatos das zweite Eine, das mit dem wahrhaft Seienden und dem Intelligiblen (d. h. mit den Ideen) identisch ist (τὸ ὄντως ὂν καὶ νοητόν); an dritter Stelle folgt das dritte Eine, das den Bereich des Seelischen (τὸ ψυχικόν) bezeichnet und das am ersten Einen und den Ideen teilhat. In der Folge identifiziert Moderatos eine weitere Ebene, die von den sinnlich wahrnehmbaren Entitäten repräsentiert wird, die ihrerseits nicht an den vorangehenden Ebenen teilhaben, die aber durch den Umstand geordnet sind, dass jene in ihnen aufscheinen. An diesem Punkt fügt Moderatos hinzu, dass die Materie, die sich in den sinnlich wahrnehmbaren Entitäten befindet, einen Schatten des Nicht-Seienden darstellt, das primär in der Quantität bestehe, womit er die Existenz von zwei Stufen andeutet: das Nicht-Seiende als Quantität (πόσον) und die eigentliche Materie (ὕλη; Staab 2009 [*179: 72]). Der zweite Teil des Berichts von Porphyrios bzw. Simplikios, in dem Moderatos wörtlich zitiert wird, erweist sich als noch schwieriger (Donini 1982 [*29: 138–140]):
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§ 66. Moderatos von Gades (Bibl. 699)
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Hier behauptet Moderatos, dass der «einheitliche Logos» (ὁ ἑνιαῖος λόγος) von sich selbst ausgehend «die Entstehung der seienden Dinge» (τὴν γένεσιν τῶν ὄντων) hervorbringen möchte und dass er daher zunächst eine rein negativ bestimmte, formlose Quantität (ποσότης) schafft, die alle möglichen Formen und Gestalten aufnehmen kann. Diese Quantität wird mit der χώρα des ‹Timaios› identifiziert und als Vorbild für die den Körpern zugrunde liegende Materie aufgefasst. Das Zitat bringt drei Hauptschwierigkeiten mit sich: 1) Mit welchem Einen lässt sich der ‘einheit liche Logos’ identifizieren? 2) Welches sind die Entitäten, die von diesem Logos erschaffen werden, d. h. um welche Erschaffung handelt es sich? 3) Worum handelt es sich bei der Quantität-χώρα, die durch Privation (κατὰ στέρησιν) aus dem Logos entsteht? Die Antworten der Forscher auf diese Fragen divergieren in beachtlicher Weise: Der ‘einheitliche Logos’ wurde mit dem ersten, dem zweiten und dem dritten Einen identifiziert; die Erschaffung der Entitäten wurde sowohl als Erschaffung der Ideen, d. h. der Intelligibilia, seitens des ersten Einen und der Quantität (Tornau 2000 [*875: 206–210, 214–219]) als auch als Weltschöpfung verstanden, d. h. als Erschaffung der sinnlich wahrnehmbaren Entitäten seitens des dritten Einen, der Seele, und des Raumes (Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 480–485]). Entsprechend wurde auch die ποσότης-ὕλη sowohl als Stellvertreter der Unbestimmten Zweiheit in der Erschaffung der Ideen (Tornau 2000 [*875] sowie Dillon 21996 [*25: 348]) als auch als Raum, der zur Aufnahme der körperlichen seienden Dingen angelegt wurde, interpretiert (Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 482f.], Staab 2009 [*179: 72]). Wie deutlich wird, erweist sich dieses Zeugnis als höchst komplex, und eine allgemein akzeptierte Auslegung scheint kaum erreichbar. Auch gehen die Meinungen der Forscher bezüglich des ersten Einen auseinander, da einige darin geradezu die Vorwegnahme des plotinischen Einen «jenseits des Seins und des Intellekts» (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας καὶ τοῦ νοῦ) sehen, während andere es als eine Art Über-Intellekt oder als ersten Intellekt, ähnlich dem ersten Gott des Numenios, auffassen (Tornau 2000 [*875: 216–219]). Aufgrund der Spärlichkeit der zur Verfügung stehenden Informationen muss die Frage offen bleiben. Moderatos befasste sich auch mit dem Wesen der Seele, die er dem Vorbild der akademischen und pythagoreischen Tradition folgend mit einer Zahl gleichsetzte, welche die «Verhältnisse» (λόγοι) umfasst. Dank Stobaios ist überdies Moderatos’ Definition der Zahl bekannt: Es handelt sich dabei um ein «System von Einheiten» (σύστημα μονάδων). Ebenfalls Stobaios referiert Moderatos’ Unterscheidung zwischen der Monade als «Prinzip der Zahlen» (τῶν ἀριθμῶν ἀρχή) und dem Einen als «Prinzip der zählbaren Dinge» (τῶν ἀριθμητῶν ἀρχή; Stob. Ecl. 1,praef. 8–9, I,21,6– 25 Wachsmuth). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
§ 67. Ailianos Franco Ferrari Ailianos scheint kaum mehr als ein Schatten zu sein. Bekanntlich hat er eine Schrift in mindestens zwei Büchern verfasst, die der Auslegung des ‹Timaios› gewidmet war. Ihr Titel lautet Εἰς τὸν Τίμαιον (Porph. In Harm. 33,16–7 und 96,7 Düring); einige Auszüge sind in Porphyrios’ ‹Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios› überliefert (33,19–35,12; 35,13–36,3; 36,9–37,5; 96,8–15 Düring; vgl. auch 91,12 Düring; dazu Goulet 1989 [*892]). Vermutlich hat er im 2. Jahrhundert n. Chr. gelebt. Ailianos’ Kommentar zum ‹Timaios› gehört mit großer Wahrscheinlichkeit der Gattung der Spezialkommentare an, in denen der Verfasser nur diejenigen Passagen behandelt und kommentiert, die untereinander thematisch verwandt sind (z. B. Abschnitte zur Mathematik bzw. zur Astronomie, Psychologie, Kosmologie, Musik usw.). Im Falle des Ailianos handelt es sich um die Abschnitte zur Musik (Tim. 67b–c; 80a–b). Platon beschreibt kurz das Zustandekommen der akustischen Wahrnehmung (sie hängt von der durch den Klang entstehenden Bewegung ab; der Klang ergibt sich aus dem Stoß, der über Luft, Gehirn und Blut bis zur Seele gelangt) und nennt als Ursache der hohen Töne die Schnelligkeit der Bewegung und als Ursache der tiefen ihre Langsamkeit. Ailianos versucht, Platons Aussagen in den Kontext des harmonisch-musikalischen Wissens einzuordnen, indem er die unterschiedlichen Arten des Klangs auf unterschiedliche Bewegungen zurückführt. Außerdem analysiert er von einem theoretischen Gesichtspunkt aus die Beziehung zwischen «Intervall» (διάστημα) und «Harmonie» (συμφωνία), wobei er zeigt, dass nicht jedes Intervall harmonisch ist. Insgesamt zielt sein Kommentar darauf ab, die musikalischen Partien im ‹Timaios› durch Erhellung der Bedeutung der von Platon verwendeten Begriffe zu erklären (Ferrari 2000 [*70: 193–195]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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§ 68. Nikomachos von Gerasa (Bibl. 700–701)
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§ 68. Nikomachos von Gerasa Franco Ferrari
1. Leben und Werke. – 2. Lehre. – 3. Nachwirkung.
1. LEBEN UND WERKE
Über das Leben von Nikomachos ist kaum etwas bekannt. Seine Verbindung mit der Stadt Gerasa, seinem wahrscheinlichen Geburtsort, wird durch eine Nachricht von Ps.-Lukian (Νικόμαχος ὁ Γερασηνός: Philopatr. 12) sowie durch einige Hinweise bei Philoponos und in den Handschriften, die seine Werke überliefern, bezeugt (Haase 1982 [*914: 34–49] und Centrone, Freudenthal 2005 [*921: 689]). Was die zeitliche Einordnung betrifft, gibt es nur wenige Indizien, die eine genauere Bestimmung zulassen. Ausgehend vom Umstand, dass Nikomachos Thra syllos, den Hofastrologen von Tiberius, erwähnt (der zu Beginn des 1. Jh.s n. Chr. tätig war: Harm. Enchir. 260,16 Jan), dürfte Nikomachos jünger als Thrasyllos sein. Außerdem behaupten sowohl Cassiodor (Inst. 140,17–20 Mynors) als auch Isidor von Sevilla (Etymol. 3,2), dass Apuleius dessen ‹Introductio arithmetica› ins Lateinische übersetzt habe – möglicherweise um 170–180 n. Chr. (Haase 1982 [*914: 56–59]). Es ist daher wahrscheinlich, dass Apuleius den Terminus ante quem darstellt. In Ps.-Luk. Philopatr. 12 wird Nikomachos für bekannt genug erachtet, um als Vorbild für mathematische Fähigkeiten zu dienen. Porphyrios erwähnt ihn schließlich als Quelle, aus der sich einige Aspekte der pythagoreischen Lehre rekonstruieren lassen (Porph. Vit. Pyth. 59). Aufgrund dieser und weiterer Beobachtungen lässt sich Nikomachos’ Geburt in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. und seine ἀκμή entsprechend in die ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts datieren (Haase 1982 [*914: 66–70], Criddle 1998 [*917: 325]). Nikomachos’ literarische Produktion war gewiss beträchtlich. Vollumfänglich überliefert ist seine ‹Introductio arithmetica› (Ἀριθμητικὴ εἰσαγωγή, ‹Einführung in die Arithmetik›), ein einführendes Werk in zwei Büchern, das einige Ähnlichkeiten mit Theons ‹Expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium› aufweist, das im Unterschied dazu aber nicht auf die Erklärung platonischer Passagen, sondern auf die Darstellung einer sehr präzisen philosophischen Lehre platonisch-pythagoreischer Prägung abzielt (Mansfeld 1998 [*918: 82–87], Giardina 1999 [*919: 46]). Dieses Werk hatte eine außerordentliche Nachwirkung. Nikomachos verfasste ferner ein Werk mit dem Titel ‹Theologoumena arithmeticae› (Τὰ θεολογούμενα τῆς ἀριθμητικῆς) in zwei Büchern, das gemäß Photios auf die ‹Introductio› folgte (Bibl. 187, 142b15–24) und möglicherweise eine Vertiefung derselben in theologisch-spekulativem Sinne darstellte (vgl. Anon. Prol.
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in Nikom. Ar., bei Dioph. Alex. Opera omnia, 2,73–77 Tannery; dazu Centrone, Freudenthal 2005 [*921: 689]). Dessen Inhalt ist bekannt erstens dank einer stark polemischen Zusammenfassung des Photios, zweitens dank Auszügen, die in einem Werk desselben Titels ‹Theologoumena arithmeticae› enthalten sind, das fälschlich Iamblichos zugeschrieben wurde, und drittens dank Auszügen in der Schrift ‹Über die Dekade und die in ihr enthaltenen Zahlen› des Anatolios (D’Ooge, Robbins, Karpinsky 1926 [*901: 84–87], O’Meara 1989 [*915: 15] und Helmig 2007 [*924: 127f.]). Außerdem ist eine handbuchartige Schrift harmonisch-musikalischen Inhalts mit dem Titel ‹Enchiridium Harmonicum› (Ἐγχειρίδιον ἁρμονικόν = test. 87.9 DörrieBaltes) überliefert, die eine allgemeine Einführung in die pythagoreische Musiktheorie darstellt (Haase 1982 [*914: 120–150], Dörrie, Baltes 1993 [*8: III 271f.]). Weiter verfasste Nikomachos ein ‹Leben des Pythagoras›, das verloren ging, dessen Spuren jedoch in den gleichnamigen Werken des Porphyrios und Iamblichos überdauerten, auch wenn es praktisch unmöglich ist, diese Spuren in ihrem Umfang präzise zu bestimmen. Nikomachos selbst (Ar. 83,4 Hoche) erwähnt ein weiteres seiner Werke mit dem Titel ‹Einführung in die Geometrie› (Γεωμετρικὴ εἰσαγωγή = test. 87.8 Dörrie-Baltes), heute ebenfalls verloren (Mansfeld 1998 [*918: 85f.]). Die Existenz dieser Schrift beweist, dass sich Nikomachos’ Interesse nicht auf die Arithmetik beschränkte, sondern auch auf andere Gebiete der Mathematik erstreckte (Staab 2002 [*877: 83f.]). Schließlich erwähnt Syrianos (In Metaph. 103,5–7 Kroll) kurz eine Schrift mit dem Titel ‹Zusammenstellungen der pythagoreischen Lehren› (Συναγωγαὶ τῶν πυθαγορείων δογμάτων), die sich Nikomachos verdanke, während Athenaios (Deipnosoph. 11, 478a) Nikomachos ein Werk mit dem Titel ‹Über die ägyptischen Feste› (Περὶ ἑορτῶν Αἰγυπτίων) zuschreibt.
2. LEHRE
1. Ontologie. – 2. Einteilung der Wissenschaften. – 3. Prinzipienlehre und Mystik der Zahl.
1. Ontologie Die philosophische Position des Nikomachos lässt sich anhand seiner beiden wichtigsten Schriften, der ‹Introductio arithmetica› und der ‹Theologoumena arithmeticae›, rekonstruieren. Nikomachos weist Pythagoras das Verdienst zu, als Erster die Weisheit (σοφία) als Erkenntnis der Wahrheit, die sich in den seienden Dingen befinde, definiert zu haben (Ar. 1,1–2,9 Hoche; dazu Staab 2002 [*877: 84]; vgl. auch David Prol. 26,8–13 Busse = test. 102.1b Dörrie-Baltes, wo Nikomachos Pythagoras drei Definitionen der Philosophie zuschreibt: 1) Erkenntnis der seienden Dinge, 2) Erkenntnis der göttlichen und menschlichen Dinge, 3) Liebe
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zur Weisheit; dazu Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 242f.]). Auf die Frage, was diese seienden Dinge seien, antwortet er mittels der klassischen platonischen Unterscheidung zwischen den seienden Dingen im eigentlichen Sinn (κυρίως ὄντα) und den auf homonyme Weise seienden (ὁμωνύμως ὄντα): Erstere sind immateriell, ewig, sich selbst gleich und unwandelbar, während die zweiten Geburt und Vernichtung, Wachstum und Schwund und jeder Art von Veränderung unterworfen sind (Ar. 3,9–18 Hoche; dazu Dillon 21996 [*25: 353f.], Giardina 1999 [*919: 50ff.] und Pieri 2005 [*922: 31–34]). Zu dieser Dichotomie fügt Nikomachos eine weitere hinzu, die vorrangig und grundlegender erscheint, da auch die Unterscheidung zwischen den seienden Dingen im eigentlichen Sinn und den homonym seienden unter sie fällt: Es handelt sich um jene zwischen dem kontinuierlichen Sein, d. h. der Größe (μέγεθος), und dem diskreten oder abgegrenzten Sein, d. h. der Vielheit (πλῆθος). Für Nikomachos stellen ‘kontinuierlich’ und ‘abgegrenzt’ die Hauptarten des Seins dar (Ar. 7,3 Hoche: τὰ τοῦ ὄντος πρώτιστα δύο εἴδεα), und sie werden mit den Größen und den Zahlen gleichgesetzt (Radke 2003 [*920: 243– 245]). Er scheint in der Tat zu behaupten, dass sowohl die Intelligibilia als auch die sinnlich wahrnehmbaren Dinge unter diese Dichotomie fallen (Ar. 4,13–21 Hoche). Weiter fügt er hinzu, dass, da sowohl das Kontinuierliche als auch das Abgetrennte unbegrenzt seien (die Größe, insofern sie unbegrenzt teilbar ist, und die Vielheit, insofern sie unbegrenzt anwachsen kann), diese nicht als solche erkannt werden können, da sich die Erkenntnis nur auf begrenzte Realitäten erstrecke. Aus diesem Grund erwiesen sich Vielheit und Größe als unbestimmte und daher auch als nicht-erkennbare Begriffe und sie würden nur in der Form der «bestimmten Quantität» (τὸ ποσόν) bzw. der «bestimmten Größe» (τὸ πηλίκον) erkannt (Ar. 4,21–5,12 Hoche; dazu Napolitano Valditara 1988 [*89: 424f.], Pieri 2005 [*922: 35–38] und Helmig 2007 [*924: 131–136]). Indem er zwei mathematische Begriffe wie die Quantität und die Größe als die grundlegenden Formen des Seins annimmt und die Weisheit als Erkenntnis derselben auffasst, hat Nikomachos eine implizite Gleichsetzung von Mathematik und Philosophie vorgenommen, womit er der von ihm selbst vertretenen These widerspricht, nach welcher der Mathematik gegenüber der Dialektik eine propädeutische und einführende Funktion zukomme (Ar. 7,21–9,4 Hoche; dazu O’Meara 1989 [*915: 15f.], aber auch Helmig 2007 [*924: 136–139]). 2. Einteilung der Wissenschaften In Nikomachos’ ‹Introductio arithmetica› finden sich die Grundzüge seiner Auffassung des ‘quadriviums’ der mathematischen Disziplinen (Radke 2003 [*920: 242–261]). Die Quantität kann absolut oder relativ sein: Im ersten Fall wird sie von der Arithmetik untersucht, im zweiten von der Musik. Auch die Größe zeigt sich in zwei Formen, in Ruhe und in Bewegung: Die statische Größe ist Gegenstand der Geometrie, die dynamische Größe ist Gegenstand der Sphärenlehre, d. h. der Astronomie, und so ergibt sich die Reihenfolge Arithmetik, Musik, Geometrie, Astronomie (Ar. 5,13–6,7 Hoche; dazu Pieri 2005 [*922: 36–38]). Nikomachos
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weist der Arithmetik den absoluten Vorrang zu und begründet dies mit zwei Argumenten: Einerseits geht die Arithmetik auch im Verstand des Gottes (διάνοια τοῦ θεοῦ) allen anderen mathematischen Wissenschaften voraus; sie befindet sich im göttlichen Geist wie ein Modell, dessen sich der Demiurg für die Ordnung des Kosmos bedient (Ar. 9,5–18 Hoche = test. 134.1 Dörrie-Baltes). Andererseits geht die Arithmetik den übrigen mathematischen Wissenschaften auch logisch und ontologisch voraus, insofern als alle übrigen sie voraussetzen, während sie selbst keine der übrigen voraussetzt (Ar. 12,1–12 Hoche = test. 134.2 Dörrie-Baltes; dazu Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 354–359]). Zum Beispiel: Falls es die Zahl 3 nicht gäbe, gäbe es auch kein Dreieck, während die Aufhebung des Dreiecks nicht die Aufhebung der Zahl 3 mit sich bringt (Napolitano Valditara 1988 [*89: 429f.], Staab 2002 [*877: 84] und Pieri 2005 [*922: 38–41]). Wahrscheinlich beinhaltet diese Auffassung implizit das Prinzip «mitaufheben, aber nicht mitaufgehoben werden» (συναναιρεῖν καὶ μὴ συναναιρεῖσθαι; Radke 2003 [*920: 212]). Die Frage nach der Beziehung zwischen Mathematik und Weisheit (und damit auch zwischen den Gegenständen der Mathematik und jenen der Philosophie im eigentlichen Sinn) stellt einen der umstrittensten Punkte in der Interpretation von Nikomachos’ Denken dar. Auf der einen Seite scheint er tatsächlich die Ideen durch Zahlen ersetzt zu haben, die im göttlichen Geist den Platz der Ideen einnehmen (Dillon 21996 [*25: 354f.]; dagegen vgl. Dörrie, Baltes 1998 [*8: V 354– 357]). Auf der anderen Seite scheint er die Ideen mit den Zahlen gleichgesetzt oder sie auf die Zahlen zurückgeführt zu haben, als seien diese die Prinzipien der Ideen (O’Meara 1989 [*915: 17]). Außerdem listet er eine Reihe von Kategorien auf, denen die Eigenschaft der höchsten Realität zukommen sollte: Es handelt sich dabei um die Qualitäten (ποιότητες), die Quantitäten (ποσότητες), die Ausgestaltungen (σχηματισμοί), die Größen (μεγέθη), die Kleinheiten (μικρότητες), die Gleichheiten (ἰσότητες), die Verhältnisse (σχέσεις), die Handlungen (ἐνέργειαι), die Zustände (διαθέσεις), die Orte (τόποι), die Zeiten (χρόνοι) und alle Bestimmungen, welche die Eigentümlichkeiten eines jeden Körpers umfassen (Ar. 2,21– 3,3 Hoche und Anon. Theol. arithm. 44,7–13 De Falco). Auf den ersten Blick nehmen diese Kategorien den Platz der platonischen Ideen ein, doch haben sie auch eine numerische Bedeutung, da es sich um Bestimmungen handelt, die als Ordnungsprinzipien der Materie fungieren. Eine von ihnen, die ποσότης, ist außerdem identisch mit der Zahl und nimmt vielleicht eine bevorzugte Stellung ein (Pieri 2005 [*922: 50]). Nikomachos scheint zwei Arten von Zahl unterschieden zu haben: die «intelligible» (νοητός), die immateriell ist und mit dem «ewigen Sein» (οὐσία ἀίδιος) gleichgesetzt wird, und die «epistemische» (ἐπιστημονικός), die sich innerhalb der natürlichen Erscheinungen findet, deren Ordnungsprinzip sie darstellt (Ar. 12,6– 14 Hoche; dazu Pieri 2005 [*922: 53–62] und Helmig 2007 [*924: 140–145]). Nikomachos entwickelt den Unterschied zwischen den beiden Arten der Zahl nicht in vertiefter Weise und verzichtet darauf, auf die klassische platonische (und später neuplatonische) Lehre zurückzugreifen, welche die idealen Zahlen (als Gegenstand der νόησις) von den arithmetischen Zahlen (als Gegenstand der διάνοια) unterscheidet. Er scheint die zwei Arten der Zahl nicht als zwei ontologisch ver-
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schiedene Wesen zu betrachten, sondern als zwei unterschiedliche Ebenen, die erste situiert im Geiste Gottes, die zweite in der Materie. 3. Prinzipienlehre und Mystik der Zahl In den ‹Theologoumena arithmeticae› vertieft Nikomachos in mystischem Tonfall seine Auffassung der Zahl aus der ‹Introductio arithmetica› und konzentriert sich auf die intelligible Zahl, die im demiurgischen Intellekt verortet ist. Die göttliche Zahl erscheint in der Form der ‘Dekade’, da die Zahlen außerhalb der Dekade nichts anderes als Wiederholungen der Zahlen innerhalb der Dekade sind. Jede einzelne Zahl innerhalb der Dekade besitzt eine theologische Bedeutung und wird einer oder mehreren Gottheiten angenähert (O’Meara 1989 [*915: 20– 22], Dillon 21996 [*25: 355–358]). Nikomachos übernimmt, wie es scheint, die pythagoreische Auffassung der Entstehung der Realität aus einem einzigen Prinzip, der Monade (μονάς), die mit Gott gleichgesetzt wird. Diese Monade enthält in der Form eines Zeugungsprinzips (σπερματικῶς) alle Entitäten, die auf dieselbe Weise aus ihr hervorgehen, wie die Zahlen aus dem Einen entstehen (Anon. Theol. arithm. 3,1–11 De Falco; dazu Dillon 21996 [*25: 355]). Die Monade ist nicht nur Gott, sondern auch Intellekt (νοῦς) und Demiurg, von dem die Erschaffung des Kosmos abhängt (Anon. Theol. arithm. 3,21–4,13 De Falco). Wahrscheinlich enthält der demiurgische Intellekt (νοῦς τεχνικός) in sich die Zahlen der Dekade und ordnet auf der Grundlage dieses Modells die unbestimmte Materie, um so dem sinnlich wahrnehmbaren Universum zur Entstehung zu verhelfen (Anon. Theol. arithm. 79,5–8 De Falco). Die Prinzipienlehre des Nikomachos scheint monistisch angelegt zu sein (die Monade generiert auch die Materie: Anon. Theol. arithm. 5,4ff. De Falco), aber im Unterschied zu analogen Auffassungen pythagoreisierender Prägung (Eudoros, Moderatos und Numenios) scheint er den höchsten Gott, d. h. die Monade, nicht vom demiurgischen Gott unterschieden zu haben (Dillon 21996 [*25: 357f.]). Auch die Ethik erweist sich als eng verbunden mit der arithmologischen Ausrichtung, die Nikomachos’ gesamtes Denken auszeichnet: Er schreibt den Zahlen das Vermögen zu, das Maß für die Erlangung der Glückseligkeit angeben zu können (Staab 2002 [*877: 84f.]). Nikomachos betrachtet die Tugend als die Mitte zwischen Übermaß und Mangel, aber er versteht diesen Grundsatz mehr im pythagoreischen als im aristotelischen Sinne (Ar. 36,6–37,3 und 64,21–65,16 Hoche). Im pythagoreischen Sinne versteht er auch die platonische Teilung der Seele, in der die Gleichheit (τὸ ἴσον) dem göttlichen und rationalen Teil, die Ungleichheit dem sterblichen und irrationalen Teil entspricht (Anon. Theol. arithm. 35,14–36,5 De Falco). In der Darlegung der Charakteristiken der Tetrade erwähnt er die körperlichen und die äußerlichen Tugenden, die den eigentlichen Tugenden der Seele entsprechen: Es handelt sich dabei 1) um die Vortrefflichkeit der Sinne (εὐαισθησία) und das Glück (εὐτυχία), die der Einsicht (φρόνησις) entsprechen; 2) um die Gesundheit (ὑγιεία) und den guten Ruf (εὐδοξία), die der Besonnenheit entsprechen; 3) um die Kraft (ἰσχύς) und die politische Macht (δυναστεία), die dem Mut
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entsprechen, und schließlich 4) um die Schönheit (κάλλος) und die Freundschaft (φιλία), die der Gerechtigkeit entsprechen (Anon. Theol. arithm. 25,7–12 De Falco; dazu Dillon 21996 [*25: 360] und Staab 2002 [*877: 85f.]). 3. NACHWIRKUNG
Nikomachos’ Einfluss war bedeutend und erstreckte sich über das gesamte a ntike und mittelalterliche Denken bis zum Beginn der Neuzeit. Dieser Einfluss betraf nicht nur die griechische und lateinische, sondern auch die hebräische, syrische und arabische Welt. Insbesondere die ‹Introductio arithmetica› hatte einen außerordentlichen Erfolg. Sie wurde von Iamblichos (Romano 2006 [*923: 39–41]), Asklepios von Tralles, Johannes Philoponos und Soterios (vielleicht auch von einem sonst unbekannten Heron: vgl. Eutok. In Arch. de sphaer. et cylind. 3,120,22f. Heiberg) kommentiert (Haase 1982 [*914: 319–398], Giardina 1999 [*919: 48] und Pieri 2005 [*922: 56f.]) und entwickelte sich zu einer der Hauptschriften für die Überlieferung des mathematischen Wissens in der Antike (Westerink 1964 [*912], Napolitano Valditara 1988 [*89: 422f.], Mansfeld 1998 [*918: 87–91], Staab 2002 [*877: 82], Pieri 2005 [*922: 56 Anm. 114]). Sie wurde von Apuleius ins Lateinische übersetzt. Während diese Übersetzung verloren ging, erhielt Boethius’ Werk ‹De institutione arithmetica› für die Überlieferung von Nikomachos’ Theorien eine bemerkenswerte Bedeutung. Dabei handelt es sich nicht um eine eigentliche Übersetzung, sondern um eine Art Paraphrase, die durch eigene Betrachtungen des Verfassers angereichert wurde. Durch die Vermittlung von Boethius beeinflusste die ‹Introductio arithmetica› stark die arithmetischen Traktate Cassiodors und Isidors von Sevilla (D’Ooge, Robbins, Karpinsky 1926 [*901: 132–145]). Zwischen dem Ende des 8. und dem Beginn des 9. Jahrhunderts wurde die ‹Introductio› ins Syrische übersetzt. Diese Version wurde ihrerseits von Habîb Ibn Bahrîz im Laufe der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, wahrscheinlich um 822, ins Arabische übertragen. Die Übersetzung von Habîb Ibn Bahrîz wurde in der Folge einigen Überarbeitungen unterzogen, insbesondere von al-Kindī. Wenig später wurde die ‹Introductio› von Tâbit ibn Qurra (836–901) direkt aus dem Griechischen ins Arabische übersetzt. Bekannt ist außerdem eine Übersetzung ins Hebräische im Jahr 1317 durch Qalonymos ben Qalonymos (Giardina 1999 [*919: 48], Centrone, Freudenthal 2005 [*921: 690–694]). Das Werk wurde auch in der byzantinischen Welt gelesen und studiert, namentlich von Georgios Pachymeres, Theodoros Metochites und Michael Psellos (Pieri 2005 [*922: 63–72]). Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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§ 69. Numenios von Apameia (Bibl. 701–702)
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§ 69. Numenios von Apameia Franco Ferrari
1. Leben. – 2. Schriften. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Nachrichten über das Leben des Numenios (Νουμήνιος ist wahrscheinlich ein Name phönizischer Herkunft) gibt es nur wenige. Als gesichert darf gelten, dass seine Geburtsstadt identisch ist mit der des Poseidonios, d. h. Apameia im Norden Syriens. In Apameia war er sehr wahrscheinlich auch aktiv in Forschung und Lehre (Gombocz 1997 [*40: 143]). Nicht ausschließen lässt sich die Annahme eines längeren Aufenthalts in Rom, der den Umstand erklären würde, dass Johannes Lydos von ihm als von ‘Numenios dem Römer’ spricht (fr. 57 des Places; dazu Frede 1987 [*952: 1038] und Dillon 21996 [*25: 361]). Auf jeden Fall dürfte das große philosophische Ansehen, das er erlangte, für eine länger währende Tätigkeit außerhalb seiner Geburtsstadt sprechen. Numenios’ Name wird in den Quellen oft in Verbindung mit Kronios genannt (z. B. Porph. Vit. Plot. 14,11–12 und 20,74), der möglicherweise sein ἑταῖρος war, über den indes nur wenig bekannt ist (des Places 1973 [*945: 7f.] und Frede 1987 [*952: 1038f.] und siehe auch unten § 70.). Der früheste Autor, der Numenios erwähnt, ist Clemens von Alexandrien (Strom. 1,150,4), der zwischen 140/150 und ca. 220 n. Chr. lebte. Die neuere Forschung neigt dazu, Numenios zeitlich nicht nur früher als Harpokration von Argos, sondern auch früher als dessen Lehrer Attikos anzusetzen. Auf jeden Fall gehört sein ‘floruit’ wohl ungefähr in die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr., was bedeutet, dass Numenios ein Zeitgenosse von Kalvenos Tauros und Albinos war und nur wenig früher als Attikos gelebt hat (Frede 1987 [*952: 1039], Fuentes González 2005 [*962: 726]). 2. SCHRIFTEN Das literarische Schaffen von Numenios war beträchtlich, und es macht diesen Philosophen zur interessantesten Figur unter den Platonikern, die Plotin vorausgingen. Er verfasste einen Traktat in mindestens zwei Büchern mit dem Titel ‹Über den Abfall der Akademiker von Platon› (Περὶ τῆς τῶν Ἀκαδημαϊκῶν πρὸς Πλάτωνα διαστάσεως; test. 84.2 Dörrie-Baltes), in dem er heftig gegen all jene polemisierte, die sich – von Xenokrates und viel-
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leicht Speusipp bis hin zu Antiochos von Askalon – von der wahren platonisch-pythagoreischen Lehre abgewandt hatten. Von diesem Werk sind einige längere Fragmente in der ‹Praeparatio evangelica› von Eusebios von Caesarea überliefert (fr. 24–28 des Places). Numenios’ anspruchsvollstes philosophisches Werk war ohne Zweifel der Dialog ‹Über das Gute› (Περὶ τἀγαθοῦ) in mindestens sechs Büchern, in
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
dem die allgemeinen Grundlagen der platonischpythagoreischen Ontologie und Theologie dar gelegt waren. Auch aus diesem Werk finden sich Auszüge bei Eusebios, neben anderen wichtigen Zeugnissen, die andere Autoren überliefert haben, wie Proklos und Calcidius. Es handelte sich um einen Dialog, der eher nach dem Vorbild des hermetischen als des platonischen Dialogs angelegt war (Dillon 21996 [*25: 363]): Das erste Buch enthielt wohl die Beweisführung für die Unkörperlichkeit des Seins, das zweite die Definition des wahren Seins, das dritte und vierte möglicherweise eine allegorische Interpretation des Alten Testaments, während das fünfte und sechste Buch die berühmte Auffassung der Natur des Ersten und des Zweiten Gottes enthielten (Krämer 1964 [*82: 69]). Nur ein einziges, von Eusebios überliefertes Fragment stammt dagegen aus der Schrift ‹Über die Dinge, die bei Platon unsagbar sind› (Περὶ τῶν παρὰ Πλάτωνι ἀπορρήτων), in der Numenios eine Interpretation des ‹Euthyphron› vorlegt; demnach stelle dieser Dialog ein Mittel dar, mit dem Platon den naiven Polytheismus der Athener, verkörpert durch Euthyphron, kritisieren und ihm eine philosophisch angemessenere Position entgegenstellen wollte, wobei er letztere dem Sokrates zuwies (fr. 23 des Places; dazu Dillon 21996 [*25: 364], Bonazzi 2000
[*958: 48f.] und Zambon 2002 [*45: 190]). Erhalten ist dank Origenes (‹Contra Celsum›) ein Fragment von ‹Über die Unvergänglichkeit der Seele› (Περὶ ἀφθαρσίας τῆς ψυχῆς), einer Schrift in mindestens zwei Büchern, in der Numenios wahrscheinlich das unkörperliche und unvergängliche Wesen der Seele nachwies (fr. 29 des Places). Dank Proklos ist außerdem bekannt, dass Numenios eine Auslegung des Mythos von Er im 10. Buch des ‹Staates› (fr. 35 des Places) unternahm, möglicherweise im Rahmen eines Kommentars, in dem der Verfasser auch die Passage über die Nymphengrotte aus dem 13. Buch der ‹Odyssee› interpretierte (Dillon 21996 [*25: 364], Zambon 2002 [*45: 191–194]). Von drei weiteren Werken sind dagegen lediglich die Titel bekannt: ‹Der Wiedehopf› (ὁ ἔποψ), wobei der Name des Vogels vielleicht an die Praxis der abschließenden Vision in den Mysterien erinnern sollte (ἐποπτεία; dazu Martano 21960 [*942: 17f.]), ein Traktat mit dem Titel ‹Über die Zahlen› (Περὶ ἀριθμῶν), der wahrscheinlich den Schriften des Theon und des Nikomachos oder aber Plotins Traktat VI 6 ähnelte, sowie eine Schrift ‹Über den Ort› (Περὶ τόπου), die möglicherweise dem Vergleich des Begriffs des Raums im ‹Timaios› und in der aristotelischen Lehre gewidmet war (fr. 1c des Places; Fuentes González 2005 [*962: 728]).
3. LEHRE
1. Allgemeine philosophische Haltung. – 2. Ontologie. – 3. Theologie. – 4. Prinzipienlehre, Seelenlehre und Kosmologie.
1. Allgemeine philosophische Haltung Die Schrift ‹Über den Abfall der Akademiker von Platon› gehört zu jener attung der unter den Platonikern weit verbreiteten Werke, deren Ziel es war, die G Geschichte der vorausgehenden philosophischen Tradition zu klären. Numenios vertrat darin vehement die Notwendigkeit, wieder zum ursprünglichen platonischen Denken zurückzukehren jenseits aller Missverständnisse, die sich im Lauf der Tradition angesammelt hatten. Verantwortlich für den «Abfall» (διάστασις) von Platon waren nicht nur die Vertreter des akademischen Skeptizismus (wie bereits Antiochos behauptete), sondern alle auf Platon folgenden Denker ab Speusipp, Xenokrates und Polemon. Ihnen sei zwar zugutezuhalten, dass sie nicht das skeptische Prinzip der Urteilsenthaltung (ἐποχή) eingeführt haben, es treffe sie
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aber dennoch die Schuld, das platonische Denken verschiedenen Änderungen unterzogen zu haben (fr. 24,5–18 des Places; dazu Donini 1982 [*29: 141], Frede 1987 [*952: 1049], Boys-Stones 2001 [*43: 130–134] und Zambon 2002 [*45: 173f.]). Auch Aristoteles verdient Kritik dafür, sich von Platon entfernt zu haben, und kann daher nicht zur Rekonstruktion eines Systems herangezogen werden, das für sich philosophische Wahrheit beanspruchen kann. Numenios zufolge sind bereits einige Schüler des Sokrates für den Abfall von der wahren Lehre verantwortlich, weil sie die in Epist. 2, 312e enthaltene sokratische Botschaft missverstanden hätten, in der die Lehre von den drei Königen, d. h. den drei Göttern, dargelegt wird. Diese sei in vollem Umfang einzig von Platon verstanden worden, weil er die Grundlagen der pythagoreischen Lehre besessen habe (πυθαγορίσας: fr. 24,57 des Places) und daher in der Lage gewesen sei, das Geheimnis zu verstehen, das hinter den Worten des Sokrates verborgen war (fr. 24,47–64 des Places; dazu Frede 1987 [*952: 1044f.]). Auch Platon habe es vorgezogen, seine Auffassung nicht in klarer Weise zum Ausdruck zu bringen, und seine Rätselhaftigkeit sei der Ursprung der Missverständnisse gewesen, die sich im Laufe der Tradition angesammelt hätten und gegen die sogar Antiochos selbst nicht ganz gefeit gewesen sei (fr. 28 des Places; dazu Donini 1982 [*29: 140f.]). Gemäß Numenios ist Platon der Philosoph, in dessen Werk die Wahrheit in vollendeter Form enthalten ist: Er weicht nie von Platon ab und polemisiert heftig gegen all jene, die dies taten. Aber Platon war nicht selbst der Entdecker dieser Wahrheit, findet sie sich doch bereits bei Pythagoras, und nicht nur bei ihm: Für Numenios handelt es sich um eine alte Lehre, die in verschiedener Form sowohl bei den großen Weisen Griechenlands (bei Homer: fr. 33 und 34,16; bei Hesiod, den Orphikern und Pherekydes: fr. 36,11–12; bei Heraklit: fr. 52,60; bei Parmenides: fr. 31,27 des Places) als auch bei den Barbaren und den orientalischen Völkern ausgebildet ist, beispielsweise bei den Brahmanen, den Hebräern, den Magiern, den Ägyptern (fr. 1a des Places) und daher auch bei Mose (fr. 1c), dem Platon angenähert wird mit jener berühmten Definition, nach der er ein «attisch sprechender Mose» gewesen sei (fr. 8,13 des Places = test. 69.4 Dörrie-Baltes; dazu Whittaker 1967 [*944], Edwards 1990 [*955], Boys-Stones 2001 [*43: 114–122], Burnyeat 2005 [*961: 143ff.] und Männlein-Robert 2009 [*866: 351f.]). Um in diesen Texten die Präsenz der Wahrheit aufzuspüren, muss man sie einer allegorischen Auslegung unterziehen, die sowohl für die Dialoge Platons als auch für die homerischen Texte und ebenso für jene des Alten Testaments (Zambon 2002 [*45: 190–204]) Gültigkeit besitzt. Die Idee, dass die Wahrheit gemeinsames Erbe der orientalischen Völker sei, hat vor allem in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts einige Forscher dazu geführt, die These eines orientalischen Einflusses auf Numenios’ Denken zu vertreten (Puech 1934 [*939: 747ff.]). Die Tendenz der Untersuchungen der letzten Jahrzehnte geht jedoch dahin, diesen orientalischen Einfluss beträchtlich ein zuschränken und im Denken Numenios’ vielmehr den Ausdruck einer philosophischen Einstellung zu sehen, die im Wesentlichen griechischen Ursprungs ist (Beutler 1940 [*940: 666ff.], Dodds 1960 [*941: 4–11], Merlan 1967 [*21: 103], Invernizzi 1978 [*950: 604ff.], Donini 1982 [*29: 141] und Fuentes González 2005 [*962: 736]).
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Die Überzeugung, dass das Alter eine Garantie für Wahrheit sei und dass diese in einem altehrwürdigen Erbe bestehe, das älter als Platon und sogar als Pythagoras selbst sei (Boys-Stones 2001 [*43: 99ff.]), hat Numenios dennoch nicht dazu gebracht, nach einem πρῶτος εὑρετής zu suchen: Für ihn ist Platon, wenn auch später, keineswegs geringer als seine Vorgänger; weder ist er bedeutender noch unbedeutender als Pythagoras (fr. 24,18–20, vgl. auch fr. 7,5–7 des Places), und die Lehre, die es wiederherzustellen gilt, ist die platonische (Frede 1987 [*952: 1045f.], Zambon 2002 [*45: 176–178] und Burnyeat 2005 [*961: 144f.]). 2. Ontologie Die Schrift ‹Über das Gute› hat zum Ziel, die Frage «Was ist das Sein?» (τί δή ἐστι τὸ ὄν: fr. 3,1 des Places) zu beantworten, die nach Numenios der Frage «Was ist das Gute?» entspricht, da die Untersuchung des Seins der Untersuchung des Guten gleichkomme (fr. 2 des Places). Mag die Frage auch aristotelisch geprägt erscheinen (vgl. Metaph. 7,1, 1028b2–3), so ist für Numenios der platonische Ursprung doch unzweifelhaft, wie der Verweis auf Tim. 27d–28a zeigt (fr. 7,7–12 des Places = test. 103.3 Dörrie-Baltes; dazu Frede 1987 [*952: 1050f.] und Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 262–265]). Die Art und Weise, wie Numenios auf diese Frage antwortet, ist jedenfalls typisch platonisch, da er sich auf die klassische Dichotomie zwischen dem Intelligiblen (νοητόν) und Unkörperlichen (ἀσώματον) auf der einen und dem sinnlich Wahrnehmbaren und Körperlichen auf der anderen Seite stützt (fr. 6, 7 und 8 des Places; dazu Burnyeat 2005 [*961: 155ff.]). Die körperlichen Elemente (Erde, Feuer, Luft und Wasser) und das Prinzip, von dem sie abhängen, d. h. die Materie, lassen sich nicht mit dem wahren Sein gleichsetzen, weil sie weder über Beständigkeit noch über Einheit verfügen (fr. 3 des Places). Außerdem ist die Materie unbegrenzt (ἄπειρος) und unbestimmt (ἀόριστος) und daher irrational (ἄλογος) und unerkennbar (ἄγνωστος). Es handelt sich hierbei um Charakterisierungen, die mit der Abwesenheit von Ordnung, Einheit und Beständigkeit zusammenhängen (fr. 4,1–9 des Places; dazu Baltes 1975 [*947: 255– 257]). Das Sein hingegen muss beständig, selbst-identisch und einheitlich sein. Es entzieht sich jeder Form von Veränderung: Weder war es einmal, noch wird es jemals sein, sondern es ist immer in einer bestimmten Zeit, allein in der Gegenwart (τὸ ὄν οὔτε ποτὲ ἦν οὔτε ποτὲ μὴ γένηται, ἀλλ’ ἔστιν ἀεὶ ἐν χρόνῳ ὁρισμένῳ, τῷ ἐνεστῶτι μόνῳ), die der Ewigkeit entspricht (fr. 5,5–16 des Places). Dies bedeutet, dass das Sein (τὸ ὄν) ewig, beständig und immer auf dieselbe Weise ist: Es erleidet keine Veränderung, es nimmt weder zu noch ab, noch ändert es seinen Ort, sondern es ist unbeweglich und immer mit sich selbst identisch (fr. 5,19–28 des Places). Numenios reformuliert Platons ontologische Dihairesis auf ähnliche Weise wie Ammonios in Plutarchs ‹De E apud Delphos› (Whittaker 1969 [*322]).
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3. Theologie Nachdem er das unkörperliche, intelligible und ewige Wesen des Seins bestimmt hat, nimmt sich Numenios eine eingehendere Untersuchung des Aufbaus der intelligiblen Welt vor. Dabei formuliert er die klarste bislang bekannte Version der mittelplatonischen Unterscheidung zwischen zwei Göttern, einem ersten, vollkommen transzendenten und abgetrennten Gott und einem zweiten Gott, dem auch die demiurgische Rolle zukommt (Frede 1987 [*952: 1054–1064], Opsomer 2005 [*99: 66–73], Dillon 2007 [*963: 397–399] und Michalewski 2012 [*966: 33f.]). Er erklärt, dass sich diese Unterscheidung bereits in den Dialogen Platons findet, auch wenn sie nicht in expliziter Form formuliert sei, da Platon «wusste, dass bei den Menschen einzig der Demiurg bekannt ist, die erste Vernunft (ὁ πρῶτος νοῦς) hingegen, die als das Seiende an sich (αὐτοόν) bezeichnet wird, vollkommen unbekannt ist (ἀγνοούμενος)». Es sei, als ob Platon hätte sagen wollen: «Ihr Menschen! Der, den ihr vermutlich für die Vernunft (νοῦς) haltet, ist nicht die erste [sc. Vernunft], sondern eine andere Vernunft ist noch vor dieser, früher und göttlicher (πρεσβύτερος καὶ θειότερος)» (fr. 17 des Places = test. 189.4 Dörrie-Baltes, Übersetzung nach Dörrie-Baltes; dazu Zambon 2002 [*45: 221f.], Bonazzi 2004 [*960: 73] und Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 361f.]). Numenios setzt sich zum Ziel, in den platonischen Dialogen Spuren dieser grundlegenden Unterscheidung zu finden. Eines der interessantesten Beispiele für Numenios’ Auslegungspraxis betrifft die berühmte Aussage in Tim. 28c3–5, wo von der Schwierigkeit gesprochen wird, den Schöpfer und den Vater dieses Alls (ποιητὴν καὶ πατέρα τοῦδε τοῦ παντός) zu finden. Numenios kehrt die Reihenfolge dieser Bezeichnungen um und behauptet, dass sich die eine, «Vater», auf den ersten Gott beziehe, während die andere, «Schöpfer», den zweiten Gott, d. h. den Demiurgen, meine. Damit schreibt er Platon die Formulierung einer Hierarchie innerhalb der göttlichen und intelligiblen Sphäre des Seins zu. Proklos zufolge hat er zudem noch einen dritten Gott angenommen, der mit dem Geschöpf, d. h. mit dem Kosmos, zu identifizieren sei (fr. 21,1–7 des Places = test. 197.4 Dörrie-Baltes; dazu Frede 1987 [*952: 1061], Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 472ff.] und Ferrari 2014 [*349: 61–65]). Numenios’ Auffassung des ersten und zweiten Gottes erscheint vielschichtig und schwierig zu rekonstruieren (Dodds 1960 [*941: 12–16], Baltes 1975 [*947: 257–261], Donini 1982 [*29: 142–145], Frede 1987 [*952: 1054ff.], Bonazzi 2000 [*958: 60–63] und 2004 [*960], Ferrari 2005 [*98: 115–122]). Gleichwohl lassen sich einige verlässliche Punkte festmachen: 1) Der erste Gott ruht in sich selbst, ist einfach und niemals teilbar (ἐν ἑαυτοῦ ὤν ἐστιν ἁπλοῦς […] μή ποτε εἶναι διαιρετός: fr. 11,11–13 des Places = test. 197.1 Dörrie-Baltes). 2) Er ist identisch mit der Idee des Guten (fr. 16,9–10; 20,4–7), die ihrerseits mit dem Einen identisch ist (fr. 19,12–3 des Places). 3) Während der erste Gott mit dem Guten an sich des ‹Staates› identisch ist, entspricht der zweite Gott dem Demiurgen des ‹Timaios›: Während also der erste Gott Demiurg des Seins (ὁ τῆς οὐσίας δημιουργός), d. h. ontologisches Prinzip, ist, ist der zweite Gott Demiurg des Werdens (ὁ δημιουργὸς ὁ τῆς γενέσεως), d. h. kosmologisches Prinzip (fr. 16,6–10 des Places = test. 128.1 Dörrie-Baltes). 4) Während der erste Gott das Gute an sich ist (αὐτοαγαθόν), ist der Demiurg ‘gut’
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(ἀγαθός) aufgrund seiner Teilhabe am ersten Guten, d. h. am ersten Gott (μετουσίᾳ τοῦ πρώτου ἀγαθοῦ: fr. 20,10–12 des Places). 5) Der erste Gott ist feststehend (ἑστώς) und befasst sich mit den intelligiblen Dingen (περὶ τὰ νοητά), während der zweite in Bewegung ist (κινούμενος) und mit den intelligiblen und den sichtbaren Dingen (περὶ τὰ νοητὰ καὶ αἰσθητά) zu tun hat; d. h. der erste Gott gehört der reinen Dimension der Transzendenz an, während der zweite Gott sowohl einen noetisch-intelligiblen als auch einen demiurgisch-kosmischen Aspekt aufweist (fr. 15,1–5 des Places = test. 197.3 Dörrie-Baltes). Für Numenios ist der erste Gott, ebenso wie das platonische Gute, ontologische Ursache und daher Prinzip des Seins, d. h. der Ideen (fr. 16,2–4 des Places). Dies lässt vermuten, dass er auch einen höheren Rang einnimmt (πρεσβύτερος) als das Sein, insofern er dessen Ursprung (αἴτιον) darstellt. Tatsächlich geben einige Fragmente, wie es scheint, zu verstehen, dass das Gute für Numenios über dem Sein steht (fr. 2,16 des Places: ἐποχούμενον ἐπὶ τῆς οὐσίας, «aufsitzend auf dem Sein») und damit auch über dem Intellekt. Dennoch geht Numenios nie so weit, explizit zu behaupten, der erste Gott bzw. das Gute sei «über das Sein und den Intellekt hinausgehend» (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας καὶ τοῦ νοῦ). Vielmehr bleibt er immer diesseits der Schwelle, die in expliziter Form erst von Plotin überschritten wird (Dillon 2007 [*963: 398f.] und Michalewski 2012 [*966: 31 Anm. 12]). Numenios behauptet, der erste Gott sei der erste Intellekt (πρῶτος νοῦς: fr. 17,3–4; 20,12 des Places), sein Tun bestehe im Denken (τὸ φρονεῖν: fr. 19,4–5 des Places), und sogar, er entspreche dem Lebewesen an sich (ὅ ἐστι ζῷον), d. h. wahrscheinlich der Welt der Ideen (fr. 22 des Places). Außerdem wird der erste Gott mit dem Sein an sich (αὐτοόν: fr. 17,4 des Places) gleichgesetzt, d. h. wohl mit der Essenz des Seins, und er wird als dem Sein eingeboren bezeichnet (σύμφυτος τῇ οὐσίᾳ: fr. 16,10 des Places; dazu Burnyeat 2005 [*961: 152–155]). Schließlich zeigt sich das doppeldeutige Wesen des ersten Prinzips auch darin, dass ihm zugleich eine vollkommene Unbeweglichkeit (στάσις) wie auch eine ihm zugehörige Bewegung (κίνησις σύμφυτος) zugeschrieben werden (dazu Dillon 21996 [*25: 368f.]). Die überzeugendste Erklärung dieser scheinbaren Ambiguität dürfte in der Tatsache liegen, dass der erste Gott als Ursache bestimmter Eigenschaften, wie des Seins und des Intellekts, diesen übergeordnet ist, und zwar in eben der Weise, in der die Ursache den Dingen, deren Ursache sie ist, übergeordnet ist. Gleichzeitig verfügt er in herausragender Weise über das, was er anderen Dingen weitergibt, und ist daher zugleich auch Intellekt und erstes Sein oder Sein an sich (Frede 1987 [*952: 1062f.], Zambon 2002 [*45: 227–230] und Bonazzi 2004 [*960: 82f.]). Ebenso schwierig, wenn nicht vielleicht noch schwieriger, erweist sich angesichts der Zeugnisse die Frage nach dem Wesen des zweiten Gottes und nach der möglichen Existenz eines dritten Gottes, der vom zweiten Gott verschieden ist. Die Annahme von drei Gottheiten wird Numenios, wie oben erwähnt, von Proklos zugeschrieben (fr. 21 und 22 des Places = test. 197.4–5 Dörrie-Baltes), und sie dürfte durch den Umstand gestützt werden, dass in Epist. 2, 312e, einem der grundlegenden Texte für Numenios, ausdrücklich von drei göttlichen Entitäten die Rede ist (Frede 1987 [*952: 1064–1068]). Doch enthalten die verfügbaren Zeugnisse nur eine einzige Andeutung eines dritten Gottes, die besagt, dass «der
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zweite und dritte Gott […] ein einziger sind» (fr. 11,13–4 des Places = test. 197.1 Dörrie-Baltes). Dieses Spannungsverhältnis zwischen Proklos’ Zeugnis und den Fragmenten des Numenios hat zahlreiche Deutungsvorschläge gezeitigt (Merlan 1967 [*21: 100], des Places 1973 [*945: 10–15], Baltes 1975 [*947: 259–267], Donini 1982 [*29: 143f.], Dillon 2007 [*963: 399–401], Dörrie, Baltes 2008 [*8: VII 472– 482]). Auch hinsichtlich dieses Problems lassen sich allerdings einige verlässliche Punkte festmachen: 1) Der zweite Gott weist sicherlich zwei Aspekte auf, einen kontemplativen, der in der intuitiven Erkenntnis der Ideen besteht, und einen demiurgisch-hervorbringenden, der in der Ordnung des sinnlich wahrnehmbaren Bereichs besteht. 2) Der zweite Gott ist ein demiurgischer Intellekt, der mit dem Demiurg des ‹Timaios› identisch ist und der mit einem Steuermann verglichen wird (fr. 18 des Places); sein Denken ist intuitiver Art. 3) Der dritte Gott, so er denn tatsächlich vom zweiten verschieden ist, zeichnet sich durch ein Denken diskursiver Natur aus (κατὰ τὸν διανοούμενον: fr. 22,4–5 des Places). Ausgehend von diesen Elementen erscheint die von Proklos vorgeschlagene Gleichsetzung des dritten Gottes mit dem Kosmos (fr. 21,3 des Places) wenig überzeugend. Tatsächlich ist dieser dritte Gott, falls er denn unabhängig vom zweiten existiert, nicht der Kosmos, sondern vielmehr das rationale Prinzip des Kosmos, d. h. die Weltseele. Das Problem besteht darin, festzustellen, ob sich dieses rationale Prinzip ontologisch vom Intellekt, d. h. vom zweiten Gott, unterscheidet oder ob es eine Funktion bzw. ein Aspekt desselben ist. Tatsache ist, dass sich die demiurgische Aktivität des zweiten Gottes in zwei Momente aufspaltet, einen kontemplativen und einen produktiven: Offen bleibt die Frage, ob diesen beiden Funktionen zwei verschiedene Wesenheiten entsprechen oder ob sie von ein und derselben Wesenheit ausgeführt werden, die sich auf diese Weise als kontemplativer Intellekt und produktive Weltseele in einem erwiese. Eine umfassende Darlegung von Numenios’ Theologie bietet Proklos in einem wichtigen, aber problematischen Zeugnis. Proklos behauptet, dass «Numenios den ersten Gott dem Lebewesen, das ist (κατὰ τὸ ὅ ἐστι ζῷον), zuordnet und sagt, dass er unter Zuhilfenahme (ἐν προσχρήσει) des zweiten Gottes denkt. Den zweiten Gott ordnet er dem Intellekt zu (κατὰ τὸν νοῦν); dieser schaffe seinerseits als Demiurg unter Zuhilfenahme des dritten Gottes. Den dritten Gott aber ordnet er dem Überlegenden zu (κατὰ τὸ διανοούμενον)» (fr. 22 des Places = test. 197.5 Dörrie-Baltes; Übersetzung nach Dörrie-Baltes). Vor allem der rätselhafte Begriff der πρόσχρησις hat zu vertieften Diskussionen Anlass gegeben (Dodds 1960 [*941: 15f.], Donini 1982 [*29: 144f.], Kenney 1992 [*957], Dillon 21996 [*25: 372], Fuentes González 2005 [*962: 734], Dillon 2007 [*963: 401]). Der Sinn des Zeugnisses dürfte in etwa folgender sein: Der erste Gott ist mit dem intelligiblen Lebewesen identisch, das die Welt der Ideen in einheitlicher und undifferenzierter, d. h. ununterschiedener Form enthält. Diese Einheit wird durch das Eingreifen des zweiten Gottes, d. h. des noetischen Intellekts, in intuitiver Form in die einzelnen Ideen gegliedert; die intelligible Welt wird dann in diskursiver Form dank des Eingreifens des dritten Gottes, d. h. des rationalen Teils der Weltseele, ausdifferenziert und gibt auf diese Weise dem sinnlich wahrnehmbaren Kosmos Ordnung (Micha lewski 2012 [*966: 35–37]).
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4. Prinzipienlehre, Seelenlehre und Kosmologie Numenios vertritt eine radikal dualistisch geprägte Prinzipienlehre, die dominiert wird von der Gegenüberstellung eines positiven Prinzips, Gott-Monade, und eines negativen Prinzips, Materie-Zweiheit, das unabhängig vom ersten Prinzip ist und sich nicht auf jenes zurückführen lässt (fr. 52,6–14 des Places). In dieser Hinsicht distanziert sich Numenios von den platonisch-pythagoreischen Autoren (z. B. Eudoros und Moderatos), die eine monistische Prinzipienlehre entwickelt hatten, in der das zweite Prinzip durch das erste hervorgerufen wurde (fr. 11,15–20 und 52,15–24 des Places). Das umfassendste Zeugnis hierfür liefert Calcidius, der Numenios eine von Pythagoras übernommene Auffassung zuschrieb («ex Pythagorae magisterio»: fr. 52,2 des Places = test. 121.2 Dörrie-Baltes). Das positive Prinzip entspricht der intelligiblen Welt, d. h. der Gottheit: Diese ist Monade (singularitas), Vorsehung (providentia), Anfang und Ursache der guten Dinge (initium et causa bonorum), Urheberin des rationalen Seelenteils (rationabilis animae partis auctor) und überaus wohltätige (Welt-)Seele (anima beneficentissima); das negative Prinzip wird mit der Materie (silva) identifiziert, mit der unbestimmten Zweiheit (duitas indeterminata), mit der Notwendigkeit (necessitas), mit der bösen (Welt-)Seele (anima maligna), der Urheberin des aufnehmenden Seelenteils (patibilis animae partis […] auctrix; dazu Deuse 1983 [*86: 62–68], Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 466–471] und Zambon 2002 [*45: 205– 209]). Numenios scheint der Ansicht zu sein, das negative Prinzip zeige sich nicht so sehr in der Materie, sondern vielmehr in der Seele, mit der die Materie seit jeher verbunden ist. Wahrscheinlich meint er die böse Weltseele, auf die Platon in Leg. 10,896e und 897d anspielt und die bereits von Plutarch als Ursache der Unordnung und der Unvernunft, die sich im Universum befinden, genannt wurde (Dillon 21996 [*25: 373f.] und 2007 [*963: 402], Vimercati 2012 [*968: 88–91]; vgl. auch Phillips 2003 [*959: 147]). Numenios zufolge entspricht diesem metaphysisch-kosmologischen Dualismus ein psychologischer Dualismus, was bedeutet, dass er nicht die Existenz von verschiedenen Aspekten derselben Seele annahm, sondern zwei getrennte Seelen, eine rationale (ἡ λογική) und eine irrationale (ἡ ἄλογος), womit er in Widerspruch zur traditionellen platonisch-aristotelischen Auffassung trat (fr. 44 des Places; dazu Deuse 1983 [*86: 79–80], Dillon 21996 [*25: 374–378] und Rescigno 1997 [*332: 71–78]). In der Frage, ob die Weltentstehung im ‹Timaios› im wörtlichen oder im metaphorischen Sinne verstanden werden müsse, scheint Numenios nicht explizit Stellung bezogen zu haben. Der Umstand, dass er eine Unterscheidung zwischen einer geschaffenen Materie (silva generata), d.h. dem Kosmos, und einer ungeschaffenen Materie (silva minime genita: fr. 52,6ff. des Places), d. h. der ursprünglichen Materie, vornahm, hat zur Auffassung geführt, dass auch er, wie Plutarch und Attikos, zwei Phasen, eine vorkosmische und eine kosmische, unterschieden und damit die Weltentstehung in einem wörtlichen Sinne verstanden hätte (Baltes 1976 [*83: I 68f.]). Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Hypothese, die sich auf keine direkten Textzeugnisse stützen kann.
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Vom radikalen metaphysischen Dualismus zwischen dem Intelligiblen und dem Körperlichen hängt wohl auch die Überzeugung ab, dass der Abstieg der Seele in den Körper ohne Wenn und Aber ein Übel (fr. 48,10–14 des Places; dazu Jourdan 2013 [*969: 42f.]) und die Inkarnation als ein Gefängnis zu sehen sei (fr. 38 des Places) sowie dass das Ziel des Menschen darin bestehen müsse, jede Verbindung mit dem Körperlichen zu sprengen, um zur intelligiblen Welt zurückzukehren (Martano 21960 [*942: 66–68]). Ein anderes Zeugnis schreibt Numenios die Ansicht zu, dass die Seele auch vor der Inkarnation im Körper von Irrationalität erfüllt werden kann (fr. 49 des Places; dazu Jourdan 2013 [*969: 47]). 4. NACHWIRKUNG
Numenios’ Bedeutung in der Antike war zweifellos beachtlich, und er genoss das Interesse sowohl der paganen als auch der christlichen Philosophen (Fuentes González 2005 [*962: 737–740]). Er wurde in der Schule Plotins gelesen und kommentiert (Porph. Vit. Plot. 14,11–2), und sein Einfluss auf den neuplatonischen Philosophen muss so stark gewesen sein, dass er einigen Athenern den Anlass zum Vorwurf des Plagiats gegen diesen gab. Dies führte dazu, dass sich Amelios, ein Schüler Plotins, genötigt sah, eine Schrift mit dem Titel ‹Über den Unterschied der Lehren Plotins gegenüber Numenios› (Περὶ τῆς κατὰ τὰ δόγματα τοῦ Πλωτίνου πρὸς Νουμήνιον διαφορᾶς) zu verfassen, die darauf abzielte, diese Anklage zu entkräften (Porph. Vit. Plot. 17,1–6; dazu Bonazzi 2000 [*958: 40]). Ohne Zweifel stellt Numenios’ Aufbau der intelligiblen Welt mit der Annahme von drei Gottheiten, von denen die erste über dem demiurgischen Intellekt verortet und die dritte mit der Weltseele oder ihrem rationalen Teil identifiziert wird, mehr als bloß eine Analogie zu Plotins Hypostasen-Triade dar (Eines – Intellekt – Seele). Doch scheint Numenios dem obersten Prinzip der Wirklichkeit keinen meta-ontologischen oder meta-noetischen Status zugeschrieben zu haben: Im Unterschied zu Plotin befand sich für ihn das Prinzip trotz seiner Funktion als Ursache des Seins nicht jenseits des Seins und des Denkens. Was seine Verbindung zu den ‹Chaldäischen Orakeln› betrifft, wurden beide Möglichkeiten erwogen; ein abschließendes Urteil zu fällen, scheint nicht leicht (des Places 1973 [*945: 17–19] und Dillon 21996 [*25: 363f.]). Als gesichert darf jedoch Numenios’ Einfluss auf den lateinischen Neuplatonismus und vor allem auf Calcidius und Macrobius betrachtet werden (Phillips 2003 [*959]). Numenios hatte auch einen beachtlichen Einfluss auf Porphyrios (Waszink 1966 [*943] und Zambon 2002 [*45: 171–250]), der möglicherweise die Vermittlerposition zwischen jenem und den späten neuplatonischen Philosophen einnahm. Ebenso bedeutend war sein Einfluss auf die christlichen Denker und in erster Linie auf Eusebios, der sich in systematischer Weise seiner bedient hat (des Places 1973 [*945: 28–32] und Saffrey 1975 [*948]). Numenios wird außerdem von Clemens von Alexandrien, Origenes und Theodoret zitiert. Zweifellos weckte seine Konzeption der drei Gottheiten das besondere Interesse der christlichen Patristik. Aus dem Italienischen übersetzt von Kaspar Howald.
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
§ 70. Kronios Irmgard Männlein-Robert Kronios wird in der Regel im selben Kontext wie andere pythagoreisierende Platoniker, meist zusammen mit Numenios, erwähnt (z. B. Syrian. In Metaph. 109,11f. Kroll = test. 1 Leemans; Porph. Vit. Plot. 14,10–14 = fr. 9 Männlein-Robert; Longin bei Porph. Vit. Plot. 20,71–76 = fr. 11 Männlein-Robert, dazu Frede 1999 [*990]; Arnob. Nat. 2,11, PL 5, col. 825). Er gilt nicht selten, insbesondere bei christlichen Autoren, als ‘Pythagoreer’ (bei Orig., Eus. Hist. eccl. 6,19,8 = Longin fr. 12 Männlein-Robert; Calc., Suda; vgl. aber auch Porph. bei Stob. Ecl. 2,1,32, II,14,17 Wachsmuth = fr. 372F Smith = test. 8 Leemans; Nemes. 2,116, p. 34,24 Morani: ἀπὸ Πλάτωνος). Die häufige Verbindung des Kronios mit Numenios, als dessen ἑταῖρος Porphyrios ihn bezeichnet (De antr. 21, 71,1 Nauck2 = 64,20f. Simonini), verweist möglicherweise nicht nur auf die in etwa parallele Lebenszeit, sondern auch auf die enge doktrinale Übereinstimmung beider Philosophen. Anhand von Zeugnissen des Longinos, der Kronios zusammen mit Numenios, Moderatos und Thrasyllos im Kontext pythagoreisierender Platoniker nennt (Longin bei Porph. Vit. Plot. 20,71–76 = fr. 11 Männlein-Robert; Männlein-Robert 2001 [*44: 196–200]), sowie des Porphyrios, demzufolge nicht näher beschriebene ‹Hypomnemata› des Kronios in der Schule Plotins in Rom gelesen wurden (Porph. Vit. Plot. 14), kann man Kronios, wie auch Numenios, in das 2. Jahrhundert n. Chr. datieren (Brisson 1982 [*986: 91]). Falls Kronios mit dem Adressaten von Lukians 165 n. Chr. verfasster Schrift ‹Über das Ende des Peregrinus Proteus› identisch sein sollte, worauf der platonisierende Eingangsgruß hinweist (Luc. Peregr. init., vgl. auch Laps. 4; so Bernays 1879 [*984: 3f.], Jones 1986 [*987: 20 mit Anm. 77]; k ritisch nach Trapp 2003 [*992: 35] auch Pilhofer 2005 [*993: 48]), würde das die Lebenszeit des Kronios zumindest für die 60er Jahre des 2. Jahrhunderts n. Chr. erweisen (Praechter 1922 [*985: 1978], Whittaker 1994 [*989: 527], Dillon 21996 [*25: 362, 380]). Kronios ist in jedem Fall ein Platoniker, freilich mit klaren pythagoreischen Tendenzen, mit dem sich andere Anhänger derselben Schulrichtung im 3. Jahrhundert n. Chr., wie etwa Longinos, Plotin oder Origenes, später noch sehr intensiv befassen (Eus. Hist. eccl. 6,19,8 = Longin fr. 12 Männlein-Robert). An schriftlichen Werken des Kronios (Fragmente und Testimonien bei Leemans 1937 [*977]; ebd. 154 Nr. 3 ist kein Zeugnis zu Kronios, dazu Festugière 1970 [*978: 127 Anm. 2]) ist neben den oben bereits genannten, durch Porphyrios bezeugten ‹Hypomnemata› ein dem Titel nach bei Nemesios bezeugtes Buch ‹Über Wiedergeburt› (Περὶ παλιγγενεσίας) bekannt (Nemes. Nat. hom. 2,117, p. 35,2–5 Morani = test. 12 Leemans). Nemesios zufolge habe Kronios in der Diskussion darum, ob Einkörperungen menschlicher Seelen in Tierkörper möglich sind, Stellung bezogen. Welcher Auffassung Kronios allerdings war, wird nach wie vor diskutiert. Vermutlich lehnte er jedoch ein Eingehen der Seele in Tierköper ab (Dillon 21996 [*25: 380], Gioè 1999 [*991]). Kronios vertritt, wie auch Numenios, die Ansicht, dass jede Einkörperung der Seele als ein Übel zu betrachten sei.
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§ 71. Maximos von Tyros (Bibl. 703–704)
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Jedes Übel gelangt über die Materie, also von außen, in die Seele (Stob. Ecl. 1,49,37, I,374,21ff. Wachsmuth = test. 6 Leemans; ebd. 1,49,40, I,380,6ff. = test. 7 Leemans; dazu Gombocz 1997 [*40: 148f.]). Er scheint überhaupt dieselbe Seelenlehre wie Numenios vertreten zu haben (siehe Iambl. De an. bei Stob. Ecl. 1,49,37, I,375,12–16 Wachsmuth; ebd. 1,49,40, I,380,6–19, dazu Dillon 21996 [*25: 380]). Kronios gehört zu den Verfechtern der Lehre von der Ewigkeit der Welt und interpretiert den platonischen ‹Timaios› nicht im Sinne einer zeitlichen Entstehung des Kosmos, sondern eines ewigen Kausalitätsverhältnisses zwischen Schöpfer und Schöpfung (Prokl. In Rep. II,22,20ff. Kroll; dazu Gombocz 1997 [*40: 147f.]). Möglicherweise verfasste Kronios einen auf Allegorese basierenden Kommentar zur homerischen Nymphengrotte, auf jeden Fall interpretiert er die homerische Darstellung allegorisch (Porph. De antr. 2–4, 55,14–57,21 Nauck2 = 36–43 Simonini, v. a. 17ff. = test. 9 Leemans; ebd. 21–23, 70,25–72,2 Nauck2, v. a. 71,1ff. = test. 10 Leemans; Porph. Περὶ Στυγός bei Stob. Ecl. 2,1,32, II,14,9–15,3 Wachsmuth = fr. 372F Smith = test. 8 Leemans; dazu Lamberton 1986 [*988: 121–132, 318–324]). Proklos bezeugt, dass sich Kronios zur ‘Hochzeitszahl’ in der ‹Politeia› Platons (546b–c) geäußert habe (Prokl. In Rep. II,22,20ff. Kroll = test. 2 Leemans; ebd. 23,6ff.). In diesem Kontext wendet sich Kronios auch gegen die stoische Überzeugung, der zufolge der Kosmos durch Feuer zerstört werden könne (Dillon 21996 [*25: 380]). Weiterhin äußert sich Kronios zum Mythos von Er, den er als historische Person und als Lehrer des Zoroaster ansieht (Prokl. In Rep. II,110,2ff. Kroll = test. 4 Leemans), und dokumentiert damit sein Interesse an barbarischer Sophia (Frede 1999 [*990: 864]).
§ 71. Maximos von Tyros Irmgard Männlein-Robert
1. Leben und Werk. – 2. Lehre. – 3. Nachwirkung.
1. LEBEN UND WERK
Maximos darf als platonischer Philosoph im weiteren Sinne gelten, der, ähnlich wie Apuleius, die gängigen philosophischen Themen seiner Zeit aufgreift und stilistisch ansprechend popularisiert, ohne freilich eigene Interpretationsansätze zu formulieren. Platon, Sokrates und Pythagoras sind für ihn Repräsentanten derselben Weisheits- und Wissenstradition, deren Lehren (zusammen mit stoischen)
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
eine Art (platonischer) Universalphilosophie darstellen, aus der allein Epikurs Ansichten ausgegrenzt werden. Maximos stammt aus dem syrischen Tyros und wird in spätantiken und byzantinischen Quellen und Handschriften als ‘Philosoph’, auch als ‘Platonischer Philosoph’ bezeichnet (z. B. Suda III,321,35–37 Adler; dreimal im Codex Parisinus Graecus 1962, fol. 1v, 18v und 146v; siehe Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 340]; Gesamtdarstellung bei Szarmach 1985 [*1026]; zu ‹Suda› und zum Parisinus als Dokumenten der Überlieferung des Maximos siehe Trapp 1997 [*1002: LV– LXI]; weitgehend paraphrastisch ist Meiser 1909 [*1010]; knapp Pépin 1975 [*1018: 258f.]). Mindestens einmal hielt sich Maximos zur Regierungszeit des römischen Kaisers Commodus (180–192 n. Chr.) in Rom auf (Suda, ebd.; siehe Mutschmann 1917 [*1012: 185ff.], dagegen Koniaris 1982 [*1021]). Er ist jedoch nicht, wie das einflussreiche Zeugnis des Eusebios (in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus) besagt, identisch mit dem gleichnamigen Stoiker und Erzieher Mark Aurels (Hier. Chron. 203 Helm), auch nicht mit Cassius Maximus, dem Adressaten des ‹Traumbuches› des Artemidor. Somit ist seine ἀκμή auch nicht auf die Jahre 149– 152 einzugrenzen, vielmehr wird die Lebenszeit des Platonikers Maximos im Wesentlichen auf die Mitte der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. anzusetzen sein. Das vielfach genannte Geburtsjahr 125 bleibt Vermutung (Übersicht über die bekannten Anhaltspunkte bei Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 324– 327]). Maximos führt wie viele andere Sophisten und Philosophen der ‘Zweiten Sophistik’ (vgl. Dion von Prusa, Lukian von Samosata, Apuleius von Madaura) wahrscheinlich ein Wanderleben, hält an unterschiedlichen Orten des Römischen Reiches Vorträge oder Vortragsserien (Kroll, Hobein 1930 [*1014: 2556f.]) zu Themen, die als philosophisch gelten können. Das umfangreiche erhaltene Werk des Maximos besteht aus 41 mehr oder weniger philosophischen ‹Vorträgen› (διαλέξεις). Diese sorgfältig komponierten Texte spiegeln zum Teil noch sehr lebhaft die ursprünglich wohl improvisierten, einfach konzipierten, aber rhetorisch außerordentlich geschliffenen, an gelehrten literarischen Reminiszenzen vor allem aus Homer und Platon reichen Vorträge des Maximos wider (Trapp 1997 [*1028: 1960–1970], Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 345f.]). Die letztlich kynische Provenienz des popularphilosophischen Diatriben- oder Dialexis-Stils bleibt dabei unverkennbar (Kroll, Hobein 1930 [*1014: 2558f.], Koniaris 1983 [*1023], Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 338f.]). Das größte Anliegen des Maximos gegenüber seiner zweifellos griechisch gebildeten Hörerschaft dürfte die Protreptik zur (platonischen) Philosophie gewesen sein (Schönberger, Schönberger 2001 [*1003: 7f.]). Das inhaltlich breite Themenspektrum reicht von Ethik (z. B. Diss. 12; 3; 18–21; vgl. 13; 15; ferner 2; 25; 27; 29–33; 36; 38–40), Dämonologie (Diss. 8–9), Theologie (Diss. 11; vgl. 2; 4; 13; vgl. 38) und Gebet (Diss. 5) über epistemologische Fragen (vgl. Diss. 6) bis zum freien Willen (Diss. 13), Wiedererinnerung (Diss. 10), der Analogie von Seele und Staat (Diss. 26) und der Herkunft des Bösen hin (Diss. 41; siehe die Übersichtslisten über die Titel und Inhaltsangaben der einzelnen Dia lexeis bei Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 327–329 sowie 329–332 mit weiterführenden Literaturangaben zu den einzelnen Dialexeis]; Koniaris 1995 [*1001: LVf.]; zu Diss. 41 Ramelli 2010 [*1033]).
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§ 71. Maximos von Tyros (Bibl. 703–704)
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Das Selbstverständnis des Maximos, wie es mehrfach in den Dialexeis zu Tage tritt, ist eindeutig das eines Platonikers (z. B. Diss. 21,4; 24,3; 41,2; weitere Belege bei Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 341], ferner Kroll, Hobein 1930 [*1014: 2560], Schönberger, Schönberger 2001 [*1003: 8f.]). Maximos erweist sich dabei als (Mittel-)Platoniker im weiteren Sinne, nicht etwa als Anhänger einer mittelplatonischen Schule (vgl. Kroll, Hobein 1930 [*1014: 2558], die ihn als Sophisten ansehen; Glucker 1978 [*26: 137, 206–225]; Trapp 1997 [*1002: XXIIff.] will ihn lediglich als ‘Philosophen’ bezeichnen). Er zeigt kein Interesse an streng dogmatischen Fragen und Problemen der zeitgenössischen Platoniker-Szene (wie etwa der Ideenlehre bzw. Lokalisierung der Ideen oder der Differenzierung zwischen einem ersten und einem zweiten Gott) und formuliert auch keine individuellen Interpretationen platonischer Texte oder Probleme (das Fehlen der Ideenlehre wertet Trapp 1997 [*1002: XXVII] als Indiz für starken stoischen Einfluss bei Maximos). Gleichwohl bezieht er sich sehr häufig auf Platon und zitiert sowohl intensiv als auch extensiv aus dessen Schriften, die er bestens kennt, und macht überdies durch allegorische Auslegung Homers auch diesen für die (platonische) Philosophie ergiebig (Dürr 1899 [*1009], Trapp 1997 [*1028: 1971f.]; vgl. auch Trapp 1997 [*1002: XXII–XXX] und 1999 [*1029], Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 343]). Er greift zwar ethische und theologische Themen und Fragen auf, wie sie tatsächlich im strengen Schulplatonismus seiner Zeit verhandelt wurden, präsentiert sie aber rhetorisch elegant aufbereitet in werbender Absicht einem jugendlichen Laienpublikum außerhalb des Kontexts einer bestimmten philosophischen Schule (Trapp 1997 [*1002: XX–XII, XLI–XLIV]; zu den Philosophica weniger ergiebig ist Trapp 1997 [*1028]). Seine Integration nicht weniger stoischer oder kynischer Elemente sowie auch pythagoreischer Themen, ein Gemenge, das mitunter zum Verdikt des Eklektizismus führt, entspricht üblicher mittelplatonischer Praxis, wie sie auch bei anderen Platonikern erkennbar wird (z. B. Attikos und Tauros), auch wenn er, entsprechend dem gewählten epideiktischen Genre, sicherlich keine philosophischen Differenzierungen bietet (Kritik z. B. bei Koniaris 1983 [*1023] und Trapp 1997 [*1002: XXII–XXX]; vgl. Dillon 1988 [*35]). Maximos präsentiert sein offenes Philosophieverständnis werbewirksam in Dialexis 1, wo er das allen philosophischen Schulrichtungen gemeinsame Bemühen um die eine Wahrheit herausstellt (Diss. 1,10; siehe Hobein 1911 [*1011], Koniaris 1983 [*1023]). Allein Epikur schließt er aus seinem philosophischen Kosmos aus, da er weder philosophisch fundierte theologische noch durch Allegorese erhellte poetische Gottesbilder akzeptiere (Diss. 4,8f.; 25,4; 41,2; dazu Trapp 1997 [*1002: 31f.]) und dazu einen fragwürdigen Hedonismus verfechte (z. B. Diss. 29– 33; siehe auch Diss. 11,5; 19,3; Trapp 1997 [*1002: 236–267]). Sehr allgemein, aber gewöhnlich ist seine im Kern gut platonische Definition der Philosophie in Diss. 26,1: «genaue Wissenschaft von göttlichen und menschlichen Dingen, Vermittlerin von Tugend, edlen Gedanken, einem harmonischen Leben und richtigen Handlungen» (ἐπιστήμην ἀκριβῆ θείων τε πέρι ἀνθρωπίνων, χορηγὸν ἀρε τῆς καὶ λογισμῶν καλῶν καὶ ἁρμονίας βίου καὶ ἐπιτηδευμάτων δεξιῶν; zur wechselhaften Tradition dieser universalistischen Philosophiedefinition Trapp 1997 [*1002: XVI–XX], Männlein-Robert 2002 [*1030]). Maximos ist ganz Kind seiner
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
Zeit, wenn er im Kontext seines weiten Philosophiebegriffes Wissen und Offenbarung nicht nur Platon, sondern auch dessen Lehrer Sokrates und sogar Pythagoras zuschreibt, bei denen sich aufgrund ihrer außergewöhnlichen Persönlichkeit die göttliche Weisheit klar gezeigt habe (vgl. Numenios). Allerdings zeichnet sich in seinem philosophiehistorischen Verständnis eine deutliche Depravierung und Dekadenz der Philosophie nach Platon ab, was wohl der Grund für seine ausschließliche Bezugnahme auf die Vergangenheit, in jeglicher historischen und literarischen Hinsicht, ist (Andresen 1955 [*1065: 252ff.], Trapp 1997 [*1002: XXX–XXXII]). Als Themenschwerpunkte heben sich in Maximos’ Œuvre etwa das Daimonion des Sokrates wie überhaupt die Sokrates-Figur heraus, das große Interesse an Pythagoras, der Gottesbegriff nach Platon sowie ethische Anliegen, etwa die sokratische Erotik und die platonische «Angleichung an Gott», die von anderen zeitgleichen Sophisten (z. B. Lukian) nicht in derselben Weise behandelt werden (Döring 1979 [*1019: 130–138], Puiggali 1980 [*1020], 1982 [*1022] und 1983 [*1024: 571f.], Donini 2003 [*1031: 357–359], Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 341]). Auch die Außenwahrnehmung des Maximos in der Überlieferung ist offensichtlich die eines Philosophen: Seine 41 Dialexeis stehen im selben Codex (dem erwähnten Archetypus, Codex Parisinus Graecus 1962) wie Alkinoos’ und Al binos’ platonische Lehrschriften (Kroll, Hobein 1930 [*1014: 2561]; v. a. Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 334, 340f.]; besonders gründlich ist Trapp 1997 [*1002: LV–LXI, insb. LVII]).
2. LEHRE
1. Theologie. – 2. Dämonologie. – 3. Seelenlehre. – 4. Ethik.
1. Theologie Maximos’ Theologie basiert, konform mit den grundsätzlichen Lehren des Mittelplatonismus, auf der Überzeugung, dass eine irdisch-materielle Sphäre der sinnlichen Wahrnehmung von einer rein intelligiblen Sphäre als dem Bereich eines transzendenten Gottes zu trennen ist (z. B. Diss. 10,9; 11,7–12; 21,7). Dieser Gott ist Urgrund und Ursache alles Guten (Diss. 41,1f.). Der theologischen Tradition der Mittelplatoniker entsprechend, deklariert Maximos weiterhin den Nous als höchsten, «unaussprechlichen» (ἄρρητος) Gott (Diss. 2,10; 11,9; dazu Whittaker 1983 [*1025]). Die Wege zu dessen Erkenntnis bestehen in der ‘via negationis’, der ‘via eminentiae’ und der ‘via analogiae’ (Diss. 11,8f.; dazu Puiggali 1983 [*1024: 573f.]; siehe ferner Whittaker 1969 [*847: 115f.]). Die Gotteserkenntnis vollzieht sich laut Maximos nach dem Modell des aufsteigenden Weges unter Führung von Logos und Eros, bis die Seele zur Vision Gottes gelangt (Diss. 11,10). Diese wird
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§ 71. Maximos von Tyros (Bibl. 703–704)
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sehr poetisch beschrieben und muss als letztlich religiöse Schilderung verstanden werden. Eine prinzipielle Hierarchie innerhalb des Bereiches des Göttlichen deutet Maximos wohl in Diss. 11,12 an, wenn er den höchsten Gott von den Gestirnsgöttern und den Dämonen absetzt. Insgesamt vertritt Maximos das übliche Gottesbild des Mittelplatonismus, das er, dem Genre seiner Reden entsprechend, in griffiger, anschaulicher und gut verständlicher Form darbietet (Diss. 2,10; 5,3; 8,8; 9,2; 27,8; 38,5f.; 41,5; siehe Andresen 1955 [*1065: 271f.], Ramelli 2010 [*1033]; Sammlung der einschlägigen Textstellen bei Lilla 1992 [*39: 87–91], Trapp 1997 [*1028: 1956]). In seiner Dialexis über das Gebet (Diss. 5) nimmt er – ungewöhnlich innovativ – Aspekte der späteren neuplatonischen Einstellung zum Gebet vorweg, wenn er die Ansicht vertritt, dass «Vorsehung» (πρόνοια), «Schicksal» (εἱμαρμένη) und «Zufall» (τύχη) nicht vom menschlichen Bittgebet beeinflusst werden können. Gebete eines Sokrates oder Pythagoras hingegen kämen eher einem inneren Zwiegespräch mit der Gottheit als einem Bittgebet gleich; auch die Erfüllung solcher Gebete basiere vielmehr auf den diesen außergewöhnlichen Menschen verliehenen Gottesgaben, die sie entsprechend einzusetzen wüssten (Soury 1942 [*1015: 15–38], Esser 1967 [*1016], Van der Horst 1996 [*1027], Trapp 1997 [*1028: 1956]). 2. Dämonologie Maximos trägt dem zeitgenössischen großen Interesse an Dämonen und Dämonenlehre dahingehend Rechnung, dass er sich in zwei seiner Dialexeis, die das berühmte Daimonion des Sokrates im Titel tragen (Diss. 8 und 9), diesem Thema widmet. Freilich steht in Diss. 8 die Natur der Dämonen im Vordergrund des Interesses, vor allem die wahrsagende Funktion des Daimonions des Sokrates, die mit religiösen Formen und Traditionen der Wahrsagung bis Homer verbunden wird. Sokrates wird hier einmal mehr (so bereits Eudoros) als pythagoreisierender Philosoph erkennbar, dessen wichtigste Kompetenz in seiner unmittelbaren Kommunikation mit dem Göttlichen liegt (Donini 2003 [*1031]). Dagegen geht es in Diss. 9, wo von Sokrates gar nicht mehr die Rede ist, ausschließlich um Beschaffenheit und Funktionen der Dämonen (vgl. Trapp 1997 [*1002: 67f.] zum Daimonion des Sokrates als beliebtem Thema der Zweiten Sophistik). 3. Seelenlehre Überaus häufig kommt Maximos auf den unseligen Zustand der eingekörperten, jedoch unsterblichen menschlichen Seele zu sprechen: Die Seele ist im Körper in einem uneigentlichen und fremden Zustand, sie strebt nach Befreiung und Rückkehr aus ihrem Exil in ihre eigentliche Heimat zu Gott (z. B. Diss. 7,5; 8,7; 9,6; 10,1. 9; 11,10; 21,7; 22,5; 26,1). Meist vertritt Maximos eine Zweiteilung der menschlichen Seele in einen vernünftigen Teil (λόγος) und einen unvernünftigen, leidenschaftlichen Teil (πάθος), die er einmal Platon (Diss. 20,4), an anderer Stelle
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
jedoch Pythagoras zuschreibt, von dessen Schule bzw. Schülern aus diese Lehre auf Platon und Aristoteles gekommen sei (Diss. 27,5). Es findet sich jedoch auch, aller laton, dings im Kontext der engen Analogie von Seele- und Staatsmodell gemäß P die Darlegung einer dreigeteilten Seele (Diss. 16,4; siehe Puiggali 1983 [*1024: 571f.]). Solange sich die Seele im Körper befindet, durchdringt sie diesen gänzlich, so wie das Licht die Luft (Diss. 28,2; dazu Dörrie, Baltes 2002 [*8: VI 234f.]). 4. Ethik Maximos vertritt im Unterschied zu stoischen Zeitgenossen nicht die Überzeugung, Affekte und Leidenschaften müssten völlig ausgemerzt werden, sondern favorisiert in Anlehnung an Platon (und Aristoteles) lediglich Kontrolle, Beherrschung und Reduktion derselben (z. B. Diss. 27,5f.; 33,7f.; 41,5; dazu Trapp 1997 [*1002: XXVIII]). Hinsichtlich des Zieles bzw. ‘Telos’ des philosophischen Lebens formuliert Maximos in völliger Übereinstimmung mit zeitgleichen mittelplatonischen Philosophen im engeren Sinne (etwa Alkinoos) die Notwendigkeit der eigenen sittlich-moralischen Vervollkommnung mit dem Ziel der «Angleichung an Gott» nach den ‘loci classici’ insbesondere in Platons ‹Theaitetos› (176b) und ‹Phaidros› (248a; siehe Dillon 21996 [*25: 43f.]). Maximos rekurriert (Diss. 25) auf die mythische Figur des Odysseus als zeitloses Paradigma und als Verkörperung innerweltlicher platonischer ‘Arete’. Plotin (Enn. I 6) wird Odysseus ebenfalls als ‘anthropologische’ Chiffre einsetzen, dabei aber ungleich stärker als Maximos den Aspekt der Flucht in die Heimat betonen. Freilich beschreibt auch Maximos den Aufschwung der Seele nach einem notwendigen Erkenntnis- und Läuterungsprozess hinauf zum Göttlichen (Männlein-Robert 2013 [*1034]; vgl. Puiggali 1983 [*1024: 167f.]; zum Aufflug der Seele vgl. Jones 1926 [*1013]). 3. NACHWIRKUNG
In byzantinischer Zeit kursieren die Dialexeis des Maximos in einigen Handschriften, er selbst wird in einem Essay des Gelehrten Theodoros Metochites (1270– 1332) erwähnt (Trapp 1997 [*1002: LXI–LXV]) – offenbar werden die Schriften des Maximos aufgrund ihres rhetorisch-literarischen Charakters vor allem aus stilistischem Interesse gewürdigt. Im 15. Jahrhundert werden die Dialexeis insbesondere von italienischen Humanisten (z. B. Landino, Ficino, Poliziano, Zanobi Acciaiuoli), aber auch von humanistischen Gelehrten wie Bessarion, Laskaris und Reuchlin breit rezipiert (ausführlich bei Trapp 1997 [*1002: LXVI–LXXVIII], Schönberger, Schönberger 2001 [*1003: 14f.], Campos Daroca, López Cruces 2005 [*1032: 346– 348]). Im Jahr 1607 erscheint die Maximos-Ausgabe von Daniel Heinsius, worauf in den nächsten Jahrzehnten weitere folgen. Die erste moderne kritische Ausgabe von Hobein 1910 [*999] erfüllt nicht die bereits damals geläufigen Standards kritischer Ausgaben, wurde aber erst durch die beiden fast gleichzeitig erschienenen Editionen von Trapp 1994 [*1000] und Koniaris 1995 [*1001] ersetzt.
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§ 72. Kelsos (von Alexandrien?) Irmgard Männlein-Robert
1. Leben und Werke. – 2. Lehre. – 3. Nachwirkung.
1. LEBEN UND WERKE
Der Platoniker Kelsos ist der erste uns bekannte antike Philosoph, der sich schriftlich intensiv und extensiv mit dem Christentum auseinandersetzt, das zur Zeit der Abfassung seines Werks, d. h. im Zeitraum der Zweiten Sophistik, offenbar bereits eine gewisse, mit Befremden registrierte Präsenz in der Öffentlichkeit bis in die Kreise der Gebildeten und der Philosophen hatte, zu denen der literarisch wie philosophisch ungeheuer versierte Intellektuelle Kelsos zu rechnen ist und für die er schreibt (Lona 2005 [*1079: 32–41, 52–54]). Kelsos verfasste eine polemische Streitschrift gegen christliche Lehren, durch die er die Grundlagen der eigenen hellenischen Kultur akut gefährdet sah (de Labriolle 1934 [*1061: 111– 169]). In seiner Polemik und Kritik sind freilich durchaus auch positive Lehren erkennbar, die eine ungefähre Rekonstruktion seiner philosophischen Überzeugungen erlauben und sowohl protreptische Elemente als auch politische Anliegen erkennen lassen (Lona 2005 [*1079: 22, 50–52]). Der Platoniker Kelsos selbst ist fast ausschließlich in der Widerlegung seines Werks ‹Wahre Lehre› (Ἀληθὴς λόγος) durch den Christen Origenes greifbar, das in dessen Schrift ‹Gegen Kelsos› fragmentarisch erhalten ist (Forschungsbericht mit Textgeschichte bei Pichler 1980 [*1070: 5–26]; umfassendes Verzeichnis aller verfügbaren Textausgaben, Hilfsmittel und Sekundärliteratur bei Lona 2005 [*1079: 12–16, 486–495, siehe auch 62–64]). Origenes zitiert passagenweise, zum Teil verkürzt oder umgeordnet, zum Teil recht wörtlich aus Kelsos’ Werk (Zitate des Titels Cels. 3,1; 4,47; 8,1) und bezieht dazu umfangreich in insgesamt acht Büchern Stellung (zur Rekonstruktion des ursprünglichen Kelsos-Textes siehe Lona 2005 [*1079: 16–19, 61]). Auf dieser Basis ist die ‹Wahre Lehre› des Kelsos wenn auch nicht vollständig rekonstruierbar, so doch in ihrer Anlage, Struktur und den Argumentationsschemata nachvollziehbar (zur Struktur Lona 2005 [*1079: 23–27]). Ob freilich auch das Werk des Kelsos 8 Bücher umfasste, wie ein Scholion zu Lukians ‹Alexandros› bezeugt, muss offen bleiben, auch wenn sich der genannte Umfang an jenem der Widerlegung durch Origenes zu orientieren scheint (Schol. ad Luc. Alex. 180,14ff. Rabe, dazu Frede 1994 [*1074: 5186]). Origenes verfasst seine Widerlegung der Schrift des Kelsos «zur Zeit der Regierung des Philippus Arabs», also in den Jahren 244–249 n. Chr. (so Eus. Hist. eccl. 6,36,2; eine Fixierung auf 248 n. Chr. entbehrt jeglicher faktischen Grundlage, dazu Bader 1940 [*1042: 5]), und zwar auf
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
Wunsch und Bitte eines gewissen Ambrosios, des mehrfach genannten Adressaten (Orig. Cels. praef. 1,1; 3,1; 4,1; 7,1). Origenes kennt von Kelsos offenbar ausschließlich dessen ‹Wahre Lehre› und hat von der Person selbst keine nähere Kenntnis. Er spricht über ihn wie über einen bereits lange Verstorbenen (Cels. praef. 1,4), setzt ihn also in deutlicher Distanz zur eigenen Zeit an. Während Origenes Kelsos zu Beginn seiner Widerlegung offenbar als Epikureer ansieht (Cels. 1,8), aber zugleich vermerkt, dass man dessen Epikureismus nicht bemerke (Cels. 1,8; 3,35. 80), und gegen Ende von Buch vier (54) in ihm sogar einen vom Epikureismus abgefallenen Konvertiten vermutet, finden sich nach Buch fünf (ab 5,3) keine entsprechenden Titulierungen des Kelsos mehr, vielmehr betont Origenes nun verstärkt, dass Kelsos Platon mit sehr großem Respekt behandle (Cels. 4,56. 83,38f.: ἐν πολλοῖς πλατωνίζειν θέλει; 6,47; vgl. auch Di Pasquale Barbanti 2011 [*1081]). Denkbar ist, dass die anfängliche Zuordnung des Kelsos zur Schule Epikurs auf Origenes’ Identifizierung dieses ihm bislang unbekannten Kelsos mit einem ihm bekannten Epikureer gleichen Namens aus hadrianischer Zeit basiert (bei Orig. Cels. 1,8; so Frede 1994 [*1074: 5186, 5191f.], Lona 2005 [*1079: 27f.]). Problematisch ist es, in diesem Epikureer Kelsos nun den gleichnamigen Adressaten von Lukians religionskritischer Schrift ‹Alexandros› zu sehen, wie dies in der älteren Forschung der Fall ist (z. B. Keim 1873 [*1055: 275f., 283–293]; ebenso noch Hoffmann 1987 [*1046: 30–33], Lona 2005 [*1079: 29f.]). Vielmehr ist die in den ersten Büchern bei Origenes erkennbare Klassifizierung des Platonikers Kelsos als ‘Epikureer’ auch im Sinne einer polemischen Rhetorik erklärbar: So soll der scharfe Kritiker des Juden- und Christentums Kelsos – zumindest aus der christlichen Perspektive des Origenes – als «gottlos» oder zumindest als philosophischer Gegner gebrandmarkt werden (Bader 1940 [*1042: 3f.], Chadwick 1980 [*1045: XXV–XXVI], Watson 1992 [*1073: 166 mit Anm. 8], Magris 1998 [*1076: 230 Anm. 6]). Origenes scheinen freilich im Laufe der Auseinandersetzung mit Kelsos’ Kritik selber Zweifel an dessen philosophischer Zuordnung zur epikureischen Schulrichtung gekommen zu sein. Eine Datierung der ‹Wahren Lehre› ist nur ungefähr in den Zeitraum zwischen 160 und 240 n. Chr., wahrscheinlich in die Jahre 160–180 n. Chr., möglich (vgl. die ältere anhand vager interner Anspielungen des Kelsos rekonstruierte Abfassungszeit 178 n. Chr., zuerst Keim 1873 [*1055: 261–273], Neumann 1899 [*1058]; vgl. noch Whittaker 1994 [*1075: 255]; ausführlich zur Diskussion Frede 1994 [*1074: 5188–5191]; vgl. Chadwick 1980 [*1045: XXVI–XXVIII]; Überblick bei Lona 2005 [*1079: 54f.], der sich auch gegen eine Spätdatierung auf 200 ausspricht, wie sie Hargis 1999 [*1078: 20–24] vornimmt). Kelsos verweist, so Origenes ganz am Ende seiner Widerlegung, auf das Vorhaben, ein Lehrbuch über die – wohl philosophisch – richtige Lebensweise zu schrei ben (ὅπῃ βιωτέον τοὺς βουλομένους καὶ δυναμένους πείθεσθαι, «Wie die leben müssen, die ihm gehorchen wollen und können»), dessen Widerlegung Origenes für den Fall, dass Kelsos es tatsächlich vollendet hätte und Ambrosios es findet, ankündigt (Orig. Cels. 8,76). Von diesem Werk hat sich kein Zeugnis erhalten. Während einige (Neumann 1899 [*1058: 1885]; vgl. Chadwick 1980 [*1045: X XVIIIf.]) herausstellen, dass Kelsos in der ‹Wahren Lehre› vor allem über Ägypten genauere Kenntnisse zu haben scheint und in Verbindung damit über das
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orientalische, eine Logos-Lehre vertretende Judentum und somit beispielsweise Alexandrien als Umfeld der Abfassung der ‹Wahren Lehre› denkbar wäre, vermuten andere Rom (Keim 1873 [*1055: 274f.], Bader 1940 [*1042: 1 mit Anm. 1]). Plausibel erscheint jedenfalls eines der großen geistigen Zentren der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr., am ehesten Alexandrien (Watson 1992 [*1073: 166], Lona 2005 [*1079: 31, 56f.]). 2. LEHRE
1. Tradition. – 2. Metaphysik, Theologie und Prinzipienlehre. – 3. Dämonenlehre. – 4. Kosmologie. – 5. Seelenlehre.
Die philosophische Überzeugung des Kelsos lässt sich trotz der durch Origenes’ Widerlegung fragmentarisierten Evidenz der ‹Wahren Lehre› in etwa rekonstruieren, so dass sich die eigenen philosophischen Positionen zumindest im Umriss umschreiben lassen, auch wenn mitunter Widersprüchlichkeiten, wohl bedingt durch Verkürzung oder Umstellung des Textes sowie unsachliche Darbietung des Origenes, stehen bleiben. Ob Kelsos von sich aus kein Interesse an den zeitgenössischen Diskussionen um die Ideenlehre Platons (z. B. deren Lokalisierung im Verhältnis zum Nous) hatte oder ob Origenes entsprechende Passagen im Kontext seiner Widerlegung des Kelsos überging, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu ermitteln. 1. Tradition Kelsos erweist sich in seinen Überzeugungen, Interessen, Argumentationen und in den in seiner Polemik gegen Juden und Christen angewandten Methoden als typischer Platoniker seiner Zeit (Koch 1932 [*1060: 276–280], Dörrie 1967 [*1066], Lona 2005 [*1079: 42–50]). Seine Auseinandersetzung mit den christ lichen Lehren darf sicherlich als umfassende Kritik verstanden werden und nicht als Manifestation einer defensiven Reaktion auf das Christentum (wie Merlan 1954 [*1064: 962f.] behauptet). Kelsos’ Polemik gegen die christlichen Lehren resultiert letztlich aus der Befürchtung und dem Vorwurf, mit dem Christentum könne sich eine neue Philosophie etablieren, die jegliche Dialektik oder argumentative Begründung ihrer Lehren ablehne und vielmehr einfach Glauben verlange – was für Platoniker problematisch ist (z. B. bei Orig. Cels. 1,9; 6,7. 10. 11). Ganz im Sinne einer durchaus auch politisch zu interpretierenden platonischen Philosophie kritisiert er vehement die Weigerung der Christen, sich an der staatlich- religiösen Gemeinschaft zu beteiligen (bei Orig. Cels. 8,68–71), da dies die Auflösung der Ordnung bedeuten würde (vgl. auch Frede 1994 [*1074: 5212]). Kelsos darf sicherlich als Repräsentant eines vorrangig an metaphysisch-theologischen
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
Dogmen interessierten Platonismus gelten, auch wenn Merlan 1954 [*1064: 962f.] und de Vogel 1983 [*87: 290] dem Gelehrten Kelsos den Rang eines Philosophen oder auch Theologen strikt absprechen. Der Titel seines Werks ‹Wahre Lehre› (Ἀληθὴς λόγος) verweist (Wifstrand 1941/42 [*1062: 396–402]) auf die auch Kelsos’ ungefährem Zeitgenossen Nu menios (fr. 1a des Places; evtl. auch Kronios) bekannte Anschauung, nach der sich bei unterschiedlichen alten Völkern wie Ägyptern, Babyloniern, Persern oder Indern eine überzeitliche Urwahrheit gezeigt habe, die bis in die Gegenwart bei einzelnen, wie etwa Heraklit, Homer, Orpheus, Pythagoras, Zoroaster und auch Platon, wieder offenbar geworden sei (bei Orig. Cels. 1,5. 14. 16; 4,36; 6,1. 3. 10. 12–13. 42. 80; 7,28. 58; 8,28; siehe Frede 1994 [*1074: 5192–5196]). Anders als Numenios (ebd.) rechnet Kelsos die Juden gerade nicht zu den Trägern des alten und verehrungswürdigen Logos (siehe 1,14, dazu Lona 2005 [*1079: 45]). Kelsos zitiert dabei (ebd. 6,15), dem Usus der zeitgenössischen Platoniker entsprechend, Platons ‹Gesetze› (715e–716a) und den ‹Siebten Brief› (Epist. 7, 342a–b), wenn er sich auf diesen alten Logos bzw. diese «alte Lehre» (παλαιὸς λόγος) bezieht (bei Orig. Cels. 6,9; siehe Bader 1940 [*1042: 2f.]). Die Christen dürfen deshalb keinen Wahrheitsanspruch auf ihre Lehren erheben, da sie sich Kelsos zufolge trotz klarer Abhängigkeit von der alten Wissenstradition nicht in diese einreihen wollen (Cels. 8,2; vgl. ebd. 3,5–15; 4,31; ferner 2,4; 5,33, dazu Baltes 1999 [*1077: 386]). Mit dem Titel ‹Wahre Lehre› akzentuiert Kelsos also deutlich den impliziten, auf Alter und Tradition gegründeten Wahrheitsanspruch seiner (platonischen) Philosophie, von dem nun die modische, unphilosophische christliche Lehre abgegrenzt werden soll (Andresen 1955 [*1065: 51]). Wohl aus der jüdischen anti-christlichen Polemik kommen die gegen christliche Argumente formulierten Einwände, die Kelsos vor allem im ersten Hauptteil (1,28–2,79, dazu Lona 2005 [*1079: 24f.]) fast immer der Figur eines fiktiven Juden in den Mund legt (Ethopoiie). Es sind dies vor allem Einwände gegen die christliche Lehre von Jesus als Gottes Sohn (Merlan 1954 [*1064: 958, 960]). Es handelt sich stets um Argumente gegen christliche Lehren, die von gelehrter platonischer Warte aus und unter Verwendung von repräsentativen und im zeitgenössischen Platonismus besonders beliebten Referenztexten aus Platons Werk (etwa Epist. 2 und 7; Apol., Leg., Phdr., Phaed., Tim., Rep., Krit.) formuliert werden (Lona 2005 [*1079: 43f.], Cornavaca 2010 [*1080]). Dabei nimmt Kelsos nicht in Anspruch, neue Lehren zu formulieren, vielmehr betont er, sich stets Ansichten von Vorgängern anzuschließen (bei Orig. Cels. 4,14), stellt sich damit also als orthodoxen Vertreter in der Auslegung der alten Urweisheit dar (vgl. auch Cels. 6,1. 3. 10. 13; zum Altertums- und Geschichtsverständnis des Kelsos Frede 1994 [*1074: 5201–5203]). 2. Metaphysik, Theologie und Prinzipienlehre Die auf den metaphysischen Grundlagen der kaiserzeitlichen Platon-Interpretation beruhende Theologie des Kelsos ist im Vergleich zu der anderer Mittelplatoniker überraschend (v. a. Cels. 4,82–85): Kelsos beschreibt den höchsten Gott
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ganz mittelplatonisch in seiner unendlichen Gutheit in Anlehnung an Platons Umschreibung der Idee des Guten (Rep. 509b) als unveränderlich, jenseits aller Veränderlichkeit der Welt, thronend in Ruhe (bei Orig. Cels. 4,14). In einem einschlägigen Passus (ebd. 7,45 = Dörrie, Baltes 1996 [*8: IV 329–332]) legt er die entsprechenden Begrifflichkeiten aus bekannten Passagen aus Platons Œuvre (etwa Phdr. 246d–e; Rep. 381b–c; Polit. 269d; Phaed. 78c) zugrunde (Andresen 1955 [*1065: 299]). Obgleich Kelsos ganz der platonischen Tradition verpflichtet (z. B. Tim. 27dff.) einen Bereich des Intelligiblen als Sphäre des reinen und echten Seins von dem des Werdens und des sinnlich Wahrnehmbaren absetzt und den höchsten Gott wie Alkinoos (Did. 164,6ff.), Apuleius (Plat. 1,5) oder Maximos (Diss. 11,8f.) in Erläuterung der negativen Theologie aus dem ‹Timaios› Platons (28c3– 5) als «unaussprechlich» (ἄρρητος) bezeichnet (bei Orig. Cels. 7,43. 45; vgl. 6,65), dem man sich methodisch über die ‘via negationis’, ‘via eminentiae’ und ‘via analogiae’ nähern könne (ebd. 7,42; vgl. Alkin. Did. 165,14ff.), so weist das Gottesverständnis des Kelsos doch einige Besonderheiten auf (Whittaker 1969 [*847] und 1983 [*1025]): Zum einen nennt er ihn ganz im Sinne einer negativen Theologie «Jenen» (ἐκεῖνος; vgl. auch ebd. 6,3; 6,6; 7,42), zum anderen betont er in Anlehnung an Plat. Epist. 7, 341c–d, «Jener» sei nicht durch den Nous und sein «Denkvermögen» (νόησις), sondern nur durch eine «gewisse unaussprechliche Kraft erfassbar» (ebd. 7,45a: ἀρρήτῳ τινὶ δυνάμει νοητός). Hatte Alkinoos (Did. 164,10) den ersten Gott als ersten Nous als intellektuell erfassbar beschrieben und Maximos ihn mittelplatonisch generell als den höchsten Nous bezeichnet (Diss. 11,8), hebt Kelsos hervor, dass «Jener» nicht der göttliche Intellekt selbst, sondern vielmehr «ursächlich» (αἴτιος) dafür sei, dass der Nous verstehen könne (Cels. 7,45). Mit Bezug auf Plat. Tim. 28c beschreibt er den höchsten Gott als «Vater» (Cels. 7,42). Diese fast formelhaften Darlegungen des Kelsos basieren zum größten Teil begrifflich und gedanklich auf dem Sonnengleichnis Platons (Rep. 507a1–509d4), dessen Bildlichkeit hier systematisch verkürzt wird. Kelsos kombiniert dieses Bild mit der für die ontologische Lokalisierung der Idee des Guten viel diskutierten Wendung Platons «über das Sein hinaus» (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας: Rep. 509b9; siehe Andresen 1955 [*1065: 292–294]), die zum Beispiel Alkinoos bei seiner theologischen Konzeption des Nous nicht berücksichtigt hatte (Did. 164,7ff.), und erklärt «Jenen» als entsprechend transzendenten, dem Bereich des Werdens völlig enthobenen, daher nicht mit dem Demiurgen-Nous identifizierbaren höchsten Gott (vgl. dagegen Numenios, der zwar den Ersten Gott mit dem Guten identifiziert, ihn aber noch als «Prinzip des Seins» (ἀρχὴ οὐσίας) ansieht: Numen. fr. 16 des Places; vgl. aber fr. 2 des Places). Insofern postuliert Kelsos also einen für den vor-plotinischen Platonismus ungewöhnlich transzendenten Gott im Kontext einer in sich geschlossenen Theologie (Dörrie 1967 [*1066: 47f.] und 1975 [*1067: 123–130], Ullmann 1976 [*1068], Lona 2005 [*1079: 45–49, 412–415]). Während Andresen 1955 [*1065: 292–307] die Originalität des Kelsos gerade in der Gotteskonzeption hervorhebt, wird diese von Borret 1976 [*1043: V 154] bezweifelt, der Kelsos mit dem Verdikt des Eklektizismus belegt, da er stoische Elemente integriere. Da der höchste Gott bei Kelsos nicht in die Sphäre des Werdens involviert, vielmehr klar davon separiert ist (Cels. 4,52. 54), muss er offenbar zwischen dem höchsten Gott
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
und dem Schöpfer der Welt, dem Demiurgen, unterscheiden. Möglicherweise differenziert er sogar drei Götter: den höchsten transzendenten Gott, den göttlichen Nous und den Kosmos, wie es für Numenios bezeugt ist (Cels. 5,7; Numen. bei Prokl. In Tim. I,303,27ff. Diehl = fr. 21 des Places; Numen. bei Eus. Praep. ev. 11,18). Ob Kelsos damit im Grunde Plotin vorwegnehmend eine Abfolge von Hypostasen aus dem höchsten Gott heraus seinen Ausführungen zugrunde legt, bedarf künftig weiterer Überprüfung (so Frede 1994 [*1074: 5208]; eher skeptisch Lona 2005 [*1079: 66f.]). Ein solch transzendenter ferner Gott stünde in Gegensatz zu der von den Christen propagierten Gottebenbildlichkeit des Menschen (Cels. 6,63). Kelsos wendet sich als Platoniker nicht nur gegen das anthropomorphe Gottesbild der Christen, sondern auch gegen eine vermeintlich privilegierte Stellung des Menschen im Kosmos (ebd. 6,60–62 und 4,74. 99, siehe Frede 1994 [*1074: 5211]). Neben Gott als erstem und höchstem Prinzip befasst sich Kelsos, soweit erkennbar, mit dem Prinzip der Materie, die er als metaphysischen Gegenpol zu Gott ansieht, ein Kontrastverhältnis, das bereits die alte Mythologie, freilich allegorisch, beschreibe (ebd. 6,42). Eng mit der Problematik der Prinzipialität der Materie ist die Frage nach dem Ursprung des Bösen verbunden (ebd. 4,52b–65, siehe Andresen 1955 [*1065: 65–68, 295f.]). Kelsos vertritt den mittelplatonisch orthodoxen Standpunkt, der gute Gott könne nicht Ursache des Bösen in der Welt sein, da er das Gute schlechthin sei (Cels. 4,65,1ff.). Die Materie als kosmologisches Prinzip selbst beinhaltet das Böse (ebd.). Die Welt der Materie ist ständigem Wandel unterworfen, bereits vor der Schöpfung ist die präexistente Materie in unaufhörlicher ungeordneter Bewegung (ebd. 4,60f. 66; 6,42). Wie der Gott, als das Gute, unveränderlich gut ist, so ist die Materie, das Böse, unveränderlich böse (ebd. 4,69,3f.). Es handelt sich also um zwei voneinander unabhängige metaphysische Konstanten. Auch wenn Kelsos offenbar nicht von der Existenz einer bösen Weltseele ausgeht, zeigt sich bei ihm ein strenger metaphysischer Dualismus, der somit jeglichen Einfluss des spätestens seit Eudoros greifbaren kaiserzeitlichen ‘pythagoreischen’ Monismus ausschließt (vgl. die Berichte des Alexander Polyhistor und des Sextus Empiricus; siehe Frede 1994 [*1074: 5204f.]). Kelsos erklärt jedoch nicht das Problem des sittlich-moralisch Bösen, greift auch nicht auf eine mögliche Lösung durch Einbeziehung der menschlichen Willensfreiheit zurück (Andresen 1955 [*1065: 67]). 3. Dämonenlehre Kelsos geht in seiner Dämonenlehre, soweit sie aus Origenes’ Widerlegung kenntlich wird, von guten und bösen Dämonen aus (Cels. 4,24). Die niederen, irdischen Dämonen sind, da völlig ins Materielle involviert, gefährlich (ebd. 8,60). Aus diesem Grunde dürfe man sie nicht verehren (ebd. 8,60,1–3). Hier erklärt Kelsos eine zeitgenössische Auffassung als ‘alte’ Lehre (Andresen 1955 [*1065: 302]). Sein Widerwille gegen alles Erdhaft-Materielle belegt einmal mehr Kelsos’ dualistische Weltsicht (Andresen 1955 [*1065: 62f.]). Die guten, in den höheren Regionen des Kosmos bei den Sternen wohnenden Dämonen scheint Kelsos mit den
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«Engeln» gleichzusetzen, von denen seine jüdischen (vgl. ebd. 5,6) wie christlichen Gegner sprechen (ebd. 4,24; 5,2). Offenbar interpretiert er die Engel oder guten, höheren Dämonen als göttliche Boten oder Verwalter im Sinne einer göttlichen Vorsehung (ebd. 7,68; 8,33. 63. 65). Insgesamt wird deutlich, dass Kelsos Götter und Dämonen strikt voneinander sondert und diese Trennung in einer hierarchischen Abfolge von Göttern, Dämonen und Menschen abbildet (ebd. 2,17), die an mehreren Stellen durchaus weiter differenziert wird (z. B. ebd. 8,2; ferner 7,62. 68; 8,30; dazu Frede 1994 [*1074: 5209f.]). 4. Kosmologie In der im Mittelplatonismus viel diskutierten Frage (z. B. auch bei Plutarch, ttikos, Tauros) nach der Entstehung und Vergänglichkeit oder Unvergänglichkeit A der Welt bietet Kelsos an unterschiedlichen Stellen (so zumindest bei Origenes) divergierende Ansätze, ohne dabei in eindeutiger Weise zu differenzieren oder Stellung zu beziehen: Während er in 4,79 die Welt als ungeworden und ewig bezeichnet, ist sie in 6,47 aus Gott entstanden, aber unvergänglich, und in 6,52 ist sie geworden und vergänglich (Andresen 1955 [*1065: 276–291], Frede 1994 [*1074: 5206], der jedoch Kelsos als Anhänger der Lehre von der Ewigkeit der Welt sehen will). Möglich ist, dass sich Kelsos nicht in die Problematik einer differenzierten Diskussion begeben wollte, da ihm dies keine neuen Argumente gegen Juden und Christen geboten hätte (so Lona 2005 [*1079: 45f.]). Vor diesem eigenwilligen, letztlich freilich platonischen Hintergrund wird seine Polemik gegen das teleologische Geschichtsverständnis der Christen besser verständlich (vgl. Andresen 1955 [*1065: 306f.]). 5. Seelenlehre Soweit aus Origenes’ Text ersichtlich, vertritt Kelsos eine recht orthodoxe mittelplatonische Seelenlehre: Während der menschliche Körper als materiell dem Verfall geweiht ist, ist die Seele im Wesentlichen von Gott geschaffen und unsterblich (ebd. 4,58f.; 5,14; 7,28). Intensiver beschäftigt sich Kelsos mit der Frage, warum Seelen eingekörpert und im Körper in Kerkerhaft gehalten werden (ebd. 8,53). Er bietet mehrere Lösungsvorschläge an: Entweder dient dies der Verwaltung des Kosmos oder die Einkörperung der Seele ist als eine Bestrafung für frühere Vergehen anzusehen, oder aber Leidenschaften und Lüste machen die Seele schwer und senken sie in Körper ab. Nach einem Reinigungsprozess und der Befreiung von der körperlichen Materie kann die Seele aber zu ihrem eigentlichen Zustand und Ursprung zurückkehren (ebd. 8,53; siehe auch 1,8; 8,49. 63 sowie 7,23; dazu Frede 1994 [*1074: 5210f.]). Insgesamt beweist Kelsos große Offenheit darin, stoische Philosopheme in seine eigenen philosophischen Überzeugungen zu integrieren. So verwendet er z. B. stoische Formulierungen in durchaus nicht-stoischem Sinne, wie «göttliche
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VI. Mittelplatonismus und Neupythagoreismus
Vorstellungen» (θεῖαι ἔννοιαι: 4,88; vgl. auch die Gegenüberstellung von Zenon und Jesus, ebd. 5,20; dazu Bader 1940 [*1042: 21], Andresen 1955 [*1065: 72–78, 304f.], Lona 2005 [*1079: 44f.]), erwähnt jedoch kein einziges Mal Aristoteles oder irgendeine peripatetische Anschauung. In dieser Hinsicht zumindest steht er zeitgenössischen Platonikern wie etwa Tauros, Numenios oder auch Attikos nahe (Frede 1994 [*1074: 5198]). 3. NACHWIRKUNG
Eine eindeutige Nachwirkung der ‹Wahren Lehre› des Kelsos ist, da kaum zweifelsfrei nachweisbar, in der Forschung bis heute umstritten und harrt einer intensiven Bearbeitung. Vor allem die ältere französische Forschung ist durch die Arbeiten von Schwartz und Vermander geprägt, die allein aufgrund thematischer Parallelen Autoren wie Theophilos von Antiochien, Minucius Felix, Tertullian und weitere mehr zur ‹Wahren Lehre› des Kelsos in Bezug setzen wollten und zu einer Art ‘Pancelsismus’ im Zeitraum von 1960 bis 1978 beigetragen haben (mit Literaturangaben Lona 2005 [*1079: 67]; ähnlich Hauck 1985/86 [*1071]). Bislang lassen sich zwar zahlreiche Vermutungen anführen, aber keine sicheren Evidenzen dafür beibringen, dass andere pagane oder christliche Autoren die ‹Wahre Lehre› des Kelsos gekannt hätten. Der berühmte philosophisch gebildete Arzt Galen, ein ungefährer Zeitgenosse des Kelsos, formuliert beispielsweise in einem in arabischer Sprache erhaltenen Fragment denselben Vorwurf wie Kelsos, die Christen wollten eine neue Philosophie etablieren, lehnten aber philosophische Methoden wie etwa die Dialektik ab (Walzer 1949 [*1063: 15]; vgl. Galen. De diff. puls. 2,4, VIII,579 K; siehe auch Frede 1994 [*1074: 5197f.]). Plausibel ist die Vermutung, einige der späteren Neuplatoniker, etwa Porphyrios und Julian, die ebenfalls christenfeind liche Schriften verfassten, hätten Kenntnis von Kelsos gehabt (optimistisch Keim 1881 [*1056: 258]; vorsichtiger Loesche 1884 [*1057: 269–301], Pichler 1980 [*1070: 60–62]; Forschungsüberblick bei Lona 2005 [*1079: 67–69]; zu Julian Boulnois 2014 [*1082]). Möglicherweise spielt Sossianos Hierokles mit dem Titel seiner ‹Der Wahrheit verpflichteten Lehren› (λόγοι φιλαλήθεις) auf den Titel von Kelsos’ Werk an (Neumann 1899 [*1058: 1885]). Eine indirekte Überlieferung von Origenes’ ‹Contra Celsum› findet sich in der dicht überlieferten ‹Philokalia›, einer von Basileios und Gregor von Nazianz erstellten Anthologie von Origenes-Texten (dazu Bader 1940 [*1042: 5f.], Lona 2005 [*1079: 11f.]), in der auch Spuren und Fragmentsplitter der Philosophie des Kelsos enthalten sind.
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673 BIBLIOGRAPHIE ZUM SECHSTEN KAPITEL Mittelplatonismus allgemein [*1–*121]; Eudoros [*136–*184]; Derkylides [*189–*196]; Thrasyllos [*201– *217]; Plutarch von Chaironeia [*223–*434]; Theon [*438–*456]; Manaichmos [*461]; Severos [*467–*478]; Lukios und Klaudios Nikostratos aus Athen [*484–*498]; L. Kalvenos Tauros [*504–*517]; Attikos [*523– *558]; Harpokration von Argos [*564–*573]; Gaios [*578–*589]; Alkinoos [*595–*636]; Albinos aus Smyrna [*638–*652]; Apuleius [*656–*795]; Anonymus, ‹In Platonis ‘Theaetetum’› [*799–*816]; Der Neupythagoreismus [*822–*869]; Moderatos von Gades [*872–*880]; Ailianos [*886–*892]; Nikomachos von Gerasa [*898–*924]; Numenios [*930–*972]; Kronios [*977–*993]; Maximos von Tyros [*999–*1034]; Kelsos [*1040–*1083].
Mittelplatonismus allgemein
Bibliographie 1 É. des Places: Études récentes (1953–1973) sur le platonisme moyen du IIe siècle après J.-C., in: BAGB 3 (1974) 347–358. 2 L. Deitz: Bibliographie du platonisme impérial antérieur à Plotin: 1926–1986, in: ANRW II 36,1 (1987) 124–182.
Quellensammlungen 8 Der Platonismus in der Antike. Grundlagen – System – Entwicklung, begründet von H. Dörrie, fortgeführt von M. Baltes, C. Pietsch, I–VII (Stuttgart/Bad Cannstatt 1987ff.). Insbesondere wichtig die Bände: II: Der hellenistische Rahmen des kaiserzeitlichen Platonismus. Bausteine 36–72: Text, Übersetzung, Kommentar (1990). III: Der Platonismus im 2. und 3. Jahrhundert nach Christus. Bausteine 73–100: Text, Übersetzung, Kommentar (1993). IV: Die philosophische Lehre des Platonismus: Einige grundlegende Axiome / Platonische Physik (im antiken Verständnis) I. Bausteine 101–124: Text, Übersetzung, Kommentar (1996). V: Die philosophische Lehre des Platonismus: Platonische Physik (im antiken Verständnis) II. Bausteine 125–150: Text, Übersetzung, Kommentar (1998). VI: Die philosophische Lehre des Platonismus: Von der ‘Seele’ als der Ursache aller sinnvollen Abläufe, I–II. Bausteine 151–181: Text, Übersetzung, Kommentar (2002).
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VII: Die philosophische Lehre des Platonismus: Theologia platonica, I–II. Bausteine 182– 205: Text, Übersetzung, Kommentar (2008–). – Zweiter Teil in Vorbereitung. 9 Filosofi medioplatonici del II secolo d. C. Testimonianze e Frammenti. Gaio, Albino, Lucio, Nicostrato, Tauro, Severo, Arpocrazione. Edizione, traduzione e commento a cura di A. Gioè (Napoli 2002). 10 Medioplatonici: Opere, frammenti, testimo nianze, testi greci e latini a fronte, a cura di E. Vimercati (Milano 2015). 11 M.-L. Lakmann: Platonici minores (1. Jh. v. Chr. – 2. Jh. n. Chr.). Prosopographie, Fragmente und Testimonien mit deutscher Übersetzung. Unter Mitarbeit von D. O’Meara, Übersetzungen von M. Baltes†, E. Pahnke† und H. Thoss (Leiden 2016) [PhA 145]. 12 G. Boys-Stones: Platonist Philosophy 80 BC to AD 250: An Introduction and Collection of Sources in Translation (Cambridge 2018).
Sekundärliteratur
Der Begriff ‘Mittelplatonismus’ 15 A. Schmekel: Die Philosophie der mittleren Stoa in ihrem geschichtlichen Zusammenhange (Berlin 1892). 16 Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie. I: Die Philosophie des Altertums, herausgegeben von K. Praechter (Berlin 121926; ND Darmstadt 1967).
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
17 W. Theiler: Die Vorbereitung des Neuplatonismus (Berlin 1930, Zürich, Berlin 21964). 18 C. J. de Vogel: À la recherche des étapes précises entre Platon et le néoplatonisme, in: Mnemosyne 7 (1954) 111–122. 19 E. Bickel: Senecas Briefe 58 und 65. Das Antiochos-Poseidonios Problem, in: RhM 103 (1960) 1–20. 20 H. Dörrie: Die Frage nach dem Transzendenten im Mittelplatonismus, in: Les sources de Plotin. Dix exposés et discussions par E. R. Dodds et al. (Vandœuvres/Genève 1960) [Entretiens 5] 191–241. – Wieder in: Dörrie 1976 [*23: 211–228]. 21 P. Merlan: Greek Philosophy from Plato to Plotinus, in: The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, edited by A. H. Armstrong (Cambridge 1967, 31991) 11–192. 22 H. Dörrie: Die Erneuerung des Platonismus im ersten Jahrhundert vor Christus, in: Le neoplatonisme. Colloque international du CNRS (Royaumont, 9–13 juin 1969) (Paris 1971) 17– 33. – Wieder in: Dörrie 1976 [*23: 154–165]. 23 H. Dörrie: Platonica Minora (München 1976). 24 H. Dörrie: Der Platonismus in der Kultur- und Geistesgeschichte der frühen Kaiserzeit, in: Dörrie 1976 [*23: 166–210]. 25 J. Dillon: The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B. C. to A. D. 220 (London 1977; revised edition with a new afterword: Ithaca NY 1996). 26 J. Glucker: Antiochus and the Late Academy (Göttingen 1978) [Hypomnemata 56]. 27 J. Dillon: The Academy in the Middle Platonic Period, in: Dionysius 3 (1979) 63–77. – Wieder in: Dillon 1990 [*37: Kap. III]. 28 Der Mittelplatonismus, herausgegeben von C. Zintzen (Darmstadt 1981) [Wege der Forschung 70]. 29 P. L. Donini: Le scuole, l’anima, l’impero: la filosofia antica da Antioco a Plotino (Torino 1982, 21993) [Sintesi 3]. 30 R. M. Berchman: From Philo to Origen: Middle Platonism in Transition (Chico 1984) [Brown Judaic Studies 69]. 31 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Griechen. Von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias. II: Der Aristotelismus im I. und II. Jahrhundert n. Chr. (Berlin, New York 1984). 32 H. Tarrant: Scepticism or Platonism? The Philosophy of the Fourth Academy (Cambridge 1985). 33 S. Gersh: Middle Platonism and Neoplatonism. The Latin Tradition, I–II (Notre Dame IN 1986) [Publications in Medieval Studies 23].
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Mittelplatonismus allgemein
53 L. Catana: The Origin of the Division between Middle Platonism and Neoplatonism, in: Apeiron 46 (2013) 166–200. 54 L. P. Gerson: From Plato to Platonism (Ithaca NY, London 2013). 55 M. Bonazzi: Il platonismo (Torino 2015). 56 F. Ferrari: La nascita del platonismo, in: Princeps philosophorum: Platone nell’Occi dente tardo-antico, medievale e umanistico, a cura di M. Borriello, A. M. Vitale (Roma 2016) 13–29. Exegese und Kommentierung 61 P. Hadot: Théologie, exégèse, révélation, écriture dans la philosophie grecque, in: Les règles de l’interprétation, édité par M. Tardieu (Paris 1987) 13–34. 62 J. Dillon: Tampering with the ‹Timaeus›: Ideological Emendations in Platon, with Special Reference to the ‹Timaeus›, in: AJPh 110 (1989) 50–72. – Wieder in: Dillon 1990 [*37: Kap. V]. 63 J. Whittaker: The Value of Indirect Tradition in the Establishement of Greek Philosophical Texts or the Art of Misquotation, in: Editing Greek and Latin Texts, edited by J. N. Grant (New York 1989) 63–95. 64 J. Barnes: Metacommentary, in: OSAPh 10 (1992) 267–281. 65 J. Barnes: Imperial Plato, in: Apeiron 26 (1993) 129–151. 66 P. L. Donini: Testi e commenti, manuali e insegnamento: la forma sistematica e i metodi della filosofia in età postellenistica, in: ANRW II 36,7 (1994) 5027–5100. 67 F. Romano: La scuola filosofica e il commento, in: Lo spazio letterario della Grecia antica, I 3, a cura di G. Cambiano, L. Canfora, D. Lanza (Roma 1994) 587–611. 68 A. Gioè: Aspetti dell’esegesi medioplatonica: la manipolazione e l’adattamento delle citazioni, in: RAL, serie 9, vol. 7 (1996) 287–309. 69 D. Sedley: Plato’s ‘Auctoritas’ and the Rebirth of the Commentary Tradition, in: Philosophia Togata. II: Plato and Aristotle at Rome, edited by J. Barnes, M. Griffin (Oxford 1997) 110–129. 70 F. Ferrari: I commentari specialistici alle sezioni matematiche del ‹Timeo›, in: La filosofia in età imperiale. Le scuole e le tradizioni filosofiche, a cura di A. Brancacci (Napoli 2000) 169–224. 71 F. Ferrari: Struttura e funzione dell’esegesi testuale nel medioplatonismo: il caso del Timeo, in: Athenaeum 89 (2001) 525–574.
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72 J. Dillon: Pedantry and Pedestrianism? Some Reflections on the Middle Platonic Commentary Tradition, in: Reading Plato in Antiquity, edited by H. Tarrant, D. Baltzly (London 2006) 19–31. – Wieder in: Ders.: The Platonic Heritage. Further Studies in the History of Platonism and Early Christianity (Farnham 2012) [CSS 1008] Kap. XV. 73 F. Ferrari: Esegesi, commento e sistema nel medioplatonismo, in: Argumenta in dialogos Platonis. I: Platoninterpretation und ihre Hermeneutik von der Antike bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, herausgegeben von A. Nesch ke-Hentschke (Basel 2010) 51–76. 74 F. Ferrari: L’esegesi medioplatonica del ‹Timeo›: metodi, finalità, risultati, in: Il ‹Timeo›. Esegesi greche, arabe, latine, a cura di F. Celia, A. Ulacco (Pisa 2012) 81–131. 75 F. M. Petrucci: Le Témoignage du Deuxième Livre du Commentaire au Timée de Proclus sur la Forme des Arguments Médio-platoniciens au Sujet de la Genèse du Monde, in: REG 127 (2014) 331–375. 76 F. M. Petrucci: L’esegeta e il cielo del Timeo: r iargomentazione ed esegesi astronomica κατὰ ζητήματα nel Medioplatonismo, in: Athe naeu m 104 (2016) 158–186. Philosophische Lehre 82 H. J. Krämer: Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Platonismus zwischen Platon und Plotin (Amsterdam 1964, 21967). 83 M. Baltes: Die Weltentstehung des Platonischen Timaios nach den antiken Interpreten, I– II (Leiden 1976–1978) [PhA 30, 35]. 84 H. Dörrie: Der Begriff ‘Pronoia’ in Stoa und Platonismus, in: FZPhTh 24 (1977) 60–87. 85 J. Dillon: The Descent of the Soul in Middle Platonic and Gnostic Thought, in: The Discovery of Gnosticism. I: The School of Valentinus, edited by B. Layton (Leiden 1980) 357–364. – Wieder in: Dillon 1990 [*37: Kap. XII]. 86 W. Deuse: Untersuchungen zur mittelplatonischen und neuplatonischen Seelenlehre (Wiesbaden 1983). 87 C. J. de Vogel: Der sogenannte Mittelplatonismus, überwiegend eine Philosophie der Diesseitigkeit?, in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 277–302.
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103 R. W. Sharples: The Stoic Background to the Middle Platonist Discussion of Fate, in: Platonic Stoicism – Stoic Platonism. The Dialogue between Platonism and Stoicism in Antiquity, edited by M. Bonazzi, C. Helmig (Leuven 2007) [Ancient and Medieval Philosophy, Series 1, 39] 169–188. 104 H. Tarrant: Moral Goal and Moral Virtues in Middle Platonism, in: Sharples, Sorabji 2007 [*50: II 419–429]. 105 H. Tarrant: Platonism before Plotinus, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. Gerson (Cambridge 2010) I 63–99. 106 J. Dillon: The Ideas as Thoughts of God, in: Études Platoniciennes 8 (2011) 31–42. 107 P. van Nuffelen: Rethinking the Gods. Philosophical Readings of Religion in the PostHellenistic Period (Cambridge 2011) [Greek Culture in the Roman World]. 108 Theoria, Praxis, and the Contemplative Life after Plato and Aristotle, edited by T. Bénatouïl, M. Bonazzi (Leiden, Boston 2012) [PhA 131]. 109 C. S. O’Brien: The Middle Platonist Demiurge and the Stoic Cosmobiology, in: Horizons 3 (2012) 19–39. 110 A. Timotin: La démonologie platonicienne. Histoire de la notion de ‘daimōn’ de Platon aux derniers néoplatoniciens (Leiden, Boston 2012) [PhA 128]. 111 E. Vimercati: Dal non essere alla trascendenza: l’evoluzione del termine arrhetos in età medioplatonica, in: Silenzio e parola nella patristica. XXXIX Incontro di Studiosi dell’Antichità Cristiana (Roma 2012) [Stud EphAug 127] 197–213. 112 R. Chiaradonna: Platonist Approaches to Aristotle: from Antiochus of Aschalon to Eudorus of Alexandria (and Beyond), in: Schofield 2013 [*181: 28–52]. 113 C. Helmig: Hilfe der Götter für das gute Leben – Die Rolle der Religiosität in der Ethik des antiken Platonismus, in: Pietsch 2013 [*456: 237–258]. 114 C. Pietsch: αἰτία ἑλομένου – Menschliches Entscheiden und Handeln zwischen Freiheit und Determination im Platonismus der Kaiserzeit, in: Pietsch 2013 [*456: 191–218]. 115 F. Ferrari: Le système des causes dans le platonisme moyen, in: Aitia II. Avec ou sans Aristote. Le débat sur les causes à l’âge hellénistique et impérial, édité par C. Natali, C. Viano (Louvain-la-Neuve 2014) 185–205.
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Eudoros
116 A. Michalewski: La puissance de l’intelligible. La théorie plotinienne des Formes au miroir de l’héritage médioplatonicien (Leuven 2014) [Ancient and Medieval Philosophy, Series 1, 51]. 117 J. Opsomer: The Middle Platonic Doctrine of Conditional Fate, in: Fate, Providence and Moral Responsability in Ancient, Medieval and Early Modern Thought. Studies in Hon our of Carlos Steel, edited by P. D’Hoine, G. van Riel (Leuven 2014) 137–167. 118 G. Reydams-Schils, F. Ferrari: Middle Platonism and its Relation to Stoicism and the Peripatetic Tradition, in: The Routledge Handbook of Neoplatonism, edited by P. Remes, S. Slaveva-Griffin (London, New York 2014) 40–51. 119 M. Bonazzi: À la recherche des Idées. Platonisme et philosophie hellénistique (Paris 2015). 120 Sistema, tradizioni, esegesi. Il medioplatonismo, a cura di M. Bonazzi, P. Donini, F. Ferrari (Milano 2015) [Numero monografico di RSF 70]. – Enthält:
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F. M. Petrucci: L’esegesi e il commento di Platone (a partire dall’esegesi della cosmogonia del Timeo), 295–320. F. Ferrari: Metafisica e teologia nel medioplatonismo, 321–337. M. Bonazzi: La teoria della conoscenza nel medioplatonismo, 339–357. A. Linguiti: L’etica medioplatonica, 359–379. A. Timotin: La démonologie médio-platonicienne, 381–398. B. Centrone: Medioplatonismo e neopitagorismo: un confronto difficile, 399–423. R. Chiaradonna: Medioplatonismo e aristotelismo, 425–446. M. Vegetti: Galeno, il ‘divinissimo’ Platone e i Platonici, 447–471. M. Zambon: Il confronto tra cristiani e platonici nel II–III secolo, 473–488. 121 C. S. O’Brien: The Demiurge in Ancient Thought. Secondary Gods and Divine Mediators (Cambridge 2015).
Eudoros
Leben und Werk 136 E. Martini: Eudoros (10) von Alexandrien, in: RE VI 1 (1907) 915–916. 137 H. Dörrie: Der Platoniker Eudoros von Alexandreia, in: Hermes 79 (1944) 25–39. – Wieder in: Dörrie 1976 [*23: 297–309].
Fragmente, Testimonia, Übersetzung 143 C. Mazzarelli: Raccolta e interpretazione delle testimonianze e dei frammenti del medioplatonico Eudoro di Alessandria. Parte prima: testo e traduzione delle testimonianze e dei frammenti sicuri, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 77 (1985) 197–209; Parte seconda: testo e traduzione delle testimonianze non sicure, in: ebd. 535–555.
Sekundärliteratur 149 H. Alline: Histoire du texte de Platon (Paris 1915). 150 B. P. Grenfell, A. S. Hunt: The Oxyrhynchus Papyri XIII (London 1919).
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151 A.-J. Festugière: La révélation d’Hermès Trismégiste. IV: Le dieu inconnu et la gnose (Paris 1954). 152 A. N. Zoubos: Εὐδῶρος ὁ Ἀλεξανδρεύς, in: Ἀθηνᾶ 62 (1958) 194–203. 153 P. Boyancé: Philon d’Alexandrie selon le P. Daniélou, in: REG 72 (1959) 377–384. 154 J. M. Rist: The Neoplatonic One and Plato’s ‹Parmenides›, in: TAPhA 93 (1962) 389–401. 155 P. Boyancé: Études philoniennes, in: REG 76 (1963) 64–110. – Unter dem Titel ‹Philon-Studien› wieder in: Zintzen 1981 [*28: 33–51]. 156 M. Giusta: I Dossografi di Etica, I–II (Torino 1964–1967). 157 W. Theiler: Philo von Alexandria und der Beginn des kaiserzeitlichen Platonismus, in: Parusia. Studien zur Philosophie Platons und zur Problemgeschichte des Platonismus. FS Johannes Hirschberger, herausgegeben von K. Flasch (Frankfurt a. M. 1965) 199–218. 158 F. W. Kohnke: Das Bild der echten Münze bei Philon von Alexandria, in: Hermes 96 (1968) 583–590. 159 P. Moraux: Eine Korrektur des Mittelplatonikers Eudoros zum Text der Metaphysik des Aristoteles, in: Beiträge zur Alten Geschichte und deren Nachleben. FS Franz Altheim,
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
erausgegeben von R. Stiehl, H. E. Stier (Berh lin 1969) 492–504. 160 H. Dörrie: Die Erneuerung des Platonismus im ersten Jahrhundert vor Christus, in: Le Néoplatonisme. Colloque international du CNRS (Royaumont, 9–13 juin 1969) (Paris 1971) 17–33. – Wieder in: Dörrie 1976 [*23: 154–165]. 161 G. Calvetti: Eudoro di Alessandria: medioplatonismo e neopitagorismo nel I secolo a. C., in: Rivista di filosofia neo-scolastica 69 (1977) 3–19. 162 J. M. Dillon: Eudoros und die Anfänge des Mittelplatonismus, in: Zintzen 1981 [*28: 3–32]. 163 W. Theiler: Philo von Alexandria und der hellenisierte Timaeus, in: Zintzen 1981 [*28: 52– 63]. 164 G. Iaksetich: Eudoro e la Metafisica di Aristotele, in: Quaderni di filologia classica dell’Università di Trieste 4 (1983) 25–30. 165 P. Moraux: Eudoros von Alexandrien, in: Moraux 1984 [*31: 509–527]. 166 L. M. Napolitano: Il platonismo di Eudoro: tradizione protoaccademica e medioplatonismo alessandrino, in: Museum Patavinum 3 (1985) 27–49. 167 L. M. Napolitano: Eudoro di Alessandria: monismo, dualismo, assiologia dei principi nella tradizione platonica, in: Museum Patavinum 3 (1985) 289–312. 168 J. Rist: Rezension zu Tarrant 1985 [*32], in: Phoenix 40 (1986) 467–469. 169 J. Mansfeld: Compatible Alternatives: Middle Platonist Theology and the Xenophanes Reception, in: Knowledge of God in the GrecoRoman World, edited by R. van den Broek, T. Baarda, J. Mansfeld (Leiden 1988) [EPRO 112] 92–117. 170 E. N. Ostenfeld: Early Pythagorean Princi ples: Peras and Apeiron, in: Ionian Philosophy, edited by K. J. Boudouris (Athens 1989) 304–311. 171 J. Dillon: Eudore d’Alexandrie, in: DPhA III (2000) 290–293. 172 M. Bonazzi: Eudoro di Alessandria e il ‹Timeo› di Platone (a proposito di Simpl. ‹In Phys.›, p. 181,7–30 Diels), in: Hyperboreus 8 (2002) 159–179. 173 M. Bonazzi: Eudoro e il Timeo di Platone, in: Calabi 2002 [*95: 11–34]. 174 H. J. Horn: Jakobs Traum – Zu Eudoros und Philon, in: Jakobs Traum – Zur Bedeutung der Zwischenwelt in der Tradition des Platonismus: Vorträge eines fachübergreifenden Kolloquiums am Seminar für Klassische Philologie der
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Universität Mannheim, herausgegeben von H. J. Horn (St. Katharinen 2002) 1–7. 175 M. Bonazzi: Un dibattito tra Accademici e Platonici sull’eredità di Platone: la testimo nianza del commentario anonimo al ‹Teeteto›, in: Papiri filosofici. Miscellanea di studi IV (Firenze 2003) 41–74. 176 M. Bonazzi: Eudoro di Alessandria alle origini del platonismo imperiale, in: L’eredità platonica. Studi sul platonismo da Arcesilao a Proclo, a cura di M. Bonazzi, V. Celluprica (Napoli 2005) [Elenchos 45] 115–160. 177 M. Bonazzi: Eudorus of Alexandria and Early Imperial Platonism, in: Sharples, Sorabji 2007 [*50: II 365–377]. 178 R. Chiaradonna: Autour d’Eudore: Les débuts de l’exégèse des ‹Catégories› dans le moyen platonisme, in: The Origins of the Platonic System: Platonisms of the Early Empire and their Philosophical Contexts, edited by M. Bonazzi, J. Opsomer (Louvain 2009) [Collection d’études classiques 23] 89–111. 179 G. Staab: Das Kennzeichen des neuen Py thagoreismus innerhalb der kaiserzeitlichen Platoninterpretation: “Pythagoreischer” Dualismus und Einprinzipienlehre im Einklang, in: The Origins of the Platonic System. Platonisms of the Early Empire and their Philo sophical Contexts, edited by M. Bonazzi, J. Opsomer (Louvain 2009) [Collection d’études classiques 23] 55–88. 180 M. Bonazzi: Il platonismo nel secondo libro dell’‹Anthologium› di Stobeo. Il problema di Eudoro, in: Thinking through Excerpts. Studies on Stobaeus, edited by G. J. ReydamsSchils (Turnhout 2011) [Monothéismes et philosophie] 441–456. 181 Aristotle, Plato and Pythagoreanism in the First Century BC. New Directions for Philosophy, edited by M. Schofield (Cambridge 2013). 182 M. Bonazzi: Pythagoreanising Aristotle: Eudorus and the Systematisation of Platonism, in: Schofield 2013 [*181: 160–186]. 183 R. Chiaradonna: Platonist Approaches to Aristotle: from Antiochus of Ascalon to Eudorus of Alexandria (and beyond), in: Schofield 2013 [*181: 28–52]. 184 A. Michalewski: The Reception of Aristotle in Middle Platonism: From Eudorus of Alexandria to Ammonius Saccas, in: Brill’s Companion to the Reception of Aristotle in Antiquity, edited by A. Falcon (Leiden, Boston 2016) [Brill’s Companions to Classical Reception 7] 218–237.
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Thrasyllos
Derkylides
Leben und Werk
Sekundärliteratur
189 W. Kroll: Derkylides (2), in: RE V 1 (1905) 242. 190 J. Dillon: Dercyllidès, in: DPhA II (1994) 747–748.
196 C. J. de Vogel: Problems Concerning Later Platonism II, in: Mnemosyne 2 (1949) 299– 318.
Thrasyllos
Leben und Werk 201 K. F. Hermann: De Thrasyllo grammatico et mathematico (Göttingen 1853). 202 W. Gundel: Thrasyllos (7), in: RE VI A 1 (1936) 581–584.
Sekundärliteratur 203 H. Usener: Unser Platontext, in: NAGW Nr. 2 (1892) 25–50 und Nr. 6 (1892) 181–215. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften III, herausgegeben von L. Radermacher et al. (Leipzig 1914) 104–162. 204 U. von Wilamowitz-Moellendorff: Platon II (Berlin 1920). 205 C. Cichorius: Römische Studien. Historisches, Epigraphisches, Literargeschichtliches aus vier Jahrhunderten Roms (Leipzig 1922). 206 A. H. Krappe: Tiberius and Thrasyllus, in: AJPh 48 (1927) 359–366. 207 R. G. Hoerber: Thrasyllus’ Platonic Canon and the Double Titles, in: Phronesis 2 (1957) 10–20. 208 A.-H. Chroust: The Organization of the Corpus Platonicum in Antiquity, in: Hermes 93 (1965) 34–46. 209 J. Rist: Neopythagoreanism and Plato’s Sec ond Letter, in: Phronesis 10 (1965) 78–81. –
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Wieder in: Ders.: Platonism and its Christian Heritage (London 1985) Kap. II. 210 R. Pfeiffer: History of Classical Scholarship I (Oxford 1968). 211 A. D’Alessandro: Cronologia e formazione culturale di Democrito, in: Annali della Facoltà di lettere e Filosofia di Bari 18 (1975) 89–106. 212 M. Dunn: Iamblichus, Thrasyllus and the Reading Order of the Platonic Dialogues, in: The Significance of Neoplatonism, edited by R. B. Harris (Norfolk 1976) [Studies in Neoplatonism 1] 59–80. 213 H. Dörrie: La manifestation du logos dans la création. Quelques remarques à propos d’une contribution du platonicien Thrasyllos à la théorie des idées, in: Néoplatonisme. Mé langes offerts à Jean Trouillard (Fontenayaux-Roses 1981) 141–157. 214 H. Tarrant: Middle Platonism and the Seventh Epistle, in: Phronesis 28 (1983) 75–103. 215 H. Tarrant: Thrasyllan Platonism (Ithaca NY, London 1993). 216 J. Mansfeld: Prolegomena. Questions to be Settled before the Study of an Author, or a Text (Leiden, New York 1994) [PhA 61]. 217 C. M. Lucarini: Osservazioni sulla prima circolazione delle opere di Platone e sulle ‹Trilogiae› di Aristofane di Bisanzio (D. L. 3,56–66), in: Hyperboreus 16/17 (2010/11) 346–361.
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
Plutarch von Chaironeia
Ausgaben
Ausgabe des gesamten Corpus der ‹Moralia› 223 Plutarchi Moralia, recensuerunt et emendaverunt W. R. Paton, I. Wegehaupt, M. Pohlenz et al. (Leipzig 1925ff.) [BT]. 224 Plutarch: Moralia, edited by F. C. Babbitt, W. C. Helmbold, P. H. De Lacy, B. Einarson et al., I–XVI (Cambridge MA, London 1927– 2004) [LCL 197, 222, 245, 305–306, 321, 337, 405–406, 424–429, 470, 499]. 225 Plutarque: Œuvres Morales, édité par P. Raingeard, J. Defradas, R. Flacelière et al. (Paris 1935ff.) [CUF]. – Beinahe vollständig. 226 Corpus Plutarchi Moralium, a cura di I. Gallo et al. (Napoli 1988ff.). – Noch nicht abgeschlossen (im Folgenden einzeln aufgeführt). Ausgaben einzelner Werke 232 Plutarque: De la musique. Texte, traduction et commentaire par F. Lasserre (Olten, Lausanne 1954) [Bibliotheca Helvetica Romana 1]. 233 Plutarque: De la vertu éthique. Introduction, texte, traduction et commentaire par D. Babut (Paris 1969). 234 Plutarch’s De Iside et Osiride, edited with an Introduction, Translation and Commentary by J. G. Griffiths (Cardiff 1970). 235 Plutarchs Schrift De Pythiae oraculis. Text, Einleitung und Kommentar von S. Schröder (Stuttgart 1990) [BzA 8]. 236 Plutarque: Opinions des Philosophes. Texte établi et traduit par G. Lachenaud (Paris 1993) [Œuvres morales 12,2]. 237 [Ps.-Plutarco:] Il fato. Introduzione, testo critico, traduzione e commento, a cura di E. Valgiglio (Napoli 1993) [Corpus Plutarchi Moralium 16]. 238 Plutarco: L’eclissi degli oracoli. Introduzione, testo critico, traduzione e commento a cura di A. Rescigno (Napoli 1995) [Corpus Plutarchi Moralium 19]. 239 Plutarch von Chaironeia: Moralphilosophische Schriften, ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von H.-J. Klauck (Stuttgart 1997).
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240 Plutarco: La generazione dell’anima nel ‹Timeo›. Introduzione, testo critico, tradu zione e commento a cura di F. Ferrari, L. Baldi (Napoli 2002) [Corpus Plutarchi Moralium 37]. 241 Plutarch: Dialog über die Liebe, Amatorius, eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von H. Görgemanns, B. Feichtinger, F. Graf, W. Jeanrond, J. Opsomer (Tübingen 2006, 22010) [SAPERE 10]. 242 Plutarco: Frammenti, a cura di P. Volpe Cacciatore (Napoli 2007, 22010) [Strumenti per la ricerca plutarchea 6]. 243 Plutarco: Il volto della luna. Introduzione, testo critico, traduzione e commento a cura di P. L. Donini (Napoli 2011) [Corpus Plutarchi Moralium 48]. 244 Plutarch: De E apud Delphos – Über das Epsilon am Apolltempel in Delphi. Einführung, Ausgabe und Kommentar von H. Obsieger (Stuttgart 2013) [Palingenesia 101]. 245 Plutarco: Il demone di Socrate. Introduzione, testo critico, traduzione e commento di P. L. Donini (Roma 2017).
Sekundärliteratur
Leben und Schriften 251 K. Ziegler: Plutarchos von Chaironeia, in: RE XXI 1 (1951) 636–962. 252 C. P. Jones: Towards a Chronology of Plutarch’s Works, in: JRS 56 (1966) 61–74. 253 M.-A. Zagdoun: Plutarque à Delphes, in: REG 108 (1995) 586–592. 254 S. Swain: Plutarch, Plato, Athens, and Rome, in: Philosophia Togata. II: Plato and Aristotle at Rome, edited by J. Barnes, M. Griffin (Oxford 1997) 165–187. 255 J. Sirinelli: Plutarque de Chéronée. Un philosophe dans le siècle (Paris 2000). 256 Sage and Emperor: Plutarch, Greek Intellectuals, and Roman Power in the Time of Trajan (98–117 A. D.), edited by Ph. Stadter, L. Van der Stockt (Leuven 2002). 257 The Unity of Plutarch’s Work. ‘Moralia’ Themes in the ‘Lives’, Features of the ‘Lives’ in the ‘Moralia’, edited by A. G. Nikolaidis (Berlin, New York 2008) [Millenium-Studien 19].
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Plutarch von Chaironeia
258 J. Opsomer: M. Annius Ammonius, a Philosophical Profile, in: The Origins of the Platonic System. Platonism of the Early Empire and their Philosophical Contexts, edited by M. Bonazzi, J. Opsomer (Leuven 2009) [Collection d’études classiques 23] 123–186. 259 F. Frazier: Plutarque de Chéronée, in: DPhA Vb (2012) 1096–1185. Allgemeine philosophische Haltung: Platonismus, Aristotelismus, Skeptizismus, Stoizismus, Epikureismus und Tradition 265 R. Miller Jones: The Platonism of Plutarch (Menasha 1916; ND mit einer Einleitung von L. Taran: New York, London 1980). 266 P. H. De Lacy: Plutarch and the Academic Sceptics, in: CJ 49 (1953–1954) 79–85. 267 H. Dörrie: Zum Ursprung der Neuplatonischen Hypostasenlehre, in: Hermes 82 (1954) 331–342. – Wieder in: Dörrie 1976 [*23: 286– 296]. 268 D. Babut: Plutarque et le Stoïcisme (Paris 1969). 269 H. Dörrie: Le platonisme de Plutarque, in: Actes du VIIIe Congrès de l’Association Guillaume Budé (Paris 1969) 519–529. 270 H. Dörrie: Die Stellung Plutarchs im Platonismus seiner Zeit, in: Philomathes. Studies and Essays in the Humanities in Memory of P. Merlan, edited by R. B. Palmer, R. Hamerton-Kelly (The Hague 1971) 36–56. 271 J. Whittaker: Plutarch, Platonism and Christianity, in: Neoplatonism and Early Christian Thought. Essays in Honour of A. H. Arm strong, edited by H. J. Blumenthal, R. A. Markus (London 1981) 50–63. 272 F. H. Sandbach: Plutarch and Aristotle, in: Illinois Classical Studies 7 (1982) 207–232. 273 Miscellanea Plutarchea. Atti del I convegno di studi su Plutarco, a cura di F. E. Brenk, I. Gallo (Ferrara 1986) [Quaderni del Giornale filologico ferrarese 8]. 274 P. L. Donini: Lo scetticismo academico, Aristotele e l’unità della tradizione platonica secondo Plutarco, in: Storiografia e dossografia nella filosofia antica, a cura di G. Cambiano (Torino 1986) 203–226. 275 P. L. Donini: Plutarco, Ammonio e l’Academia, in: Brenk, Gallo 1986 [*273: 97–110]. 276 C. Froidefond: Plutarque et le platonisme, in: ANRW II 36,1 (1987) 184–233. 277 J. Dillon: Plutarch and Platonist Orthodoxy, in: Illinois Classical Studies 13 (1988) 357– 364.
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278 P. L. Donini: Science and Metaphysics. Platonism, Aristotelianism, and Stoicism in Plutarch’s ‹On the Face in the Moon›, in: Dillon, Long 1988 [*750: 126–144]. 279 Aspetti dello stoicismo e dell’epicureismo in Plutarco. Atti del II convegno di studi su Plutarco, a cura di I. Gallo (Ferrara 1988) [Quaderni del Giornale filologico ferrarese 9]. 280 M. Isnardi Parente: Il Parmenide di Plutarco, in: PP 43 (1988) 225–236. 281 Plutarco e le scienze. Atti del IV Convegno Plutarcheo, a cura di I. Gallo (Genova 1992). 282 J. P. Hershbell: Plutarch and Epicureanism, in: ANRW II 36,5 (1992) 3353–3383. 283 J. P. Hershbell: Plutarch and Stoicism, in: ANRW II 36,5 (1992) 3336–3352. 284 M. Isnardi Parente: Plutarco e la matematica platonica, in: Gallo 1992 [*281: 121–145]. 285 D. Babut: Du scepticisme au dépassement de la raison. Philosophie et foi religieuse chez Plutarque, in: Babut 1994 [*764: 549–581]. 286 P. L. Donini: Plutarco e la rinascita del platonismo, in: Lo spazio letterario della Grecia antica. I,3: I Greci e Roma, a cura di G. Cambiano, L. Canfora, D. Lanza (Roma 1994) 35–60. 287 P. L. Donini: Platone e Aristotele nella tradizione pitagorica secondo Plutarco, in: Pérez Jiménez, Garcia López, Aguilar 1999 [*289: 9–24]. 288 A. G. Nikolaidis: Plutarch and the Old, Middle and New Academies, and the Acad emy in Plutarch’s Day, in: Pérez Jiménez, Garcia López, Aguilar 1999 [*289: 397–415]. 289 Plutarco, Platón y Aristóteles. Actas del V Congreso Internacional de la I.P.S., editado por A. Pérez Jiménez, J. Garcia López, R. M. Aguilar (Madrid 1999). 290 F. Ferrari: Plutarch: Platonismus und Tradition, in: Philosophen des Altertums. Vom Hellenismus bis zur Spätantike. Eine Einführung, herausgegeben von M. Erler, A. Grae ser (Darmstadt 2000) 109–127. 291 P. L. Donini: L’eredità academica e i fondamenti del platonismo in Plutarco, in: ΕΝΩΣΙΣ ΚΑΙ ΦΙΛΙΑ. Omaggio a Francesco Romano, a cura di M. Barbanti, G. R. Giardina, P. Manganaro (Catania 2002) 247–273. 292 La biblioteca di Plutarco. Atti del IX Convegno plutarcheo, a cura di I. Gallo (Napoli 2004). 293 A. M. Ioppolo: La posizione di Plutarco nei confronti dello scetticismo, in: Gallo 2004 [*292: 289–310].
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
294 A. Casanova: Plutarco e l’età ellenistica. Atti del convegno internazionale di studi, a cura di A. Casanova (Firenze 2005). 295 F. Ferrari: Plutarco e lo scetticismo ellenistico, in: Casanova 2005 [*294: 369–384]. 296 D. Babut: L’unité de l’Académie selon Plutarque. Notes en marge d’un débat ancien et toujours actuel, in: A Platonic Pythagoras. Platonism and Pythagoreanism in the Imperial Age, edited by M. Bonazzi, C. Lévy, C. Steel (Turnhout 2007) [Monothéismes et philosophie] 63–98. 297 P. L. Donini: Tra Academia e pitagorismo. Il platonismo nel ‹De genio Socratis› di Plutarco, in: A Platonic Pythagoras. Platonism and Pythagoreanism in the Imperial Age, edited by M. Bonazzi, C. Lévy, C. Steel (Turnhout 2007) [Monothéismes et philosophie] 99–125. 298 J. Opsomer: The Place of Plutarch in the History of Platonism, in: Volpe Cacciatore, Ferrari 2007 [*299: 281–309]. 299 Plutarco e la cultura della sua età. Atti del X Convegno plutarcheo, a cura di P. Volpe Cacciatore, F. Ferrari (Napoli 2007). 300 F. Ferrari: La costruzione del platonismo nel ‹De E apud Delphos› di Plutarco, in: Athe naeum 98 (2010) 71–87. 301 G. Roskam: Aristotle in Middle Platonism. The case of Plutarch of Chaeronea, in: Plato, Aristotle, or Both? Dialogues between Platonism and Aristotelianism in Antiquity, edited by T. Bénatouïl, E. Maffi, F. Trabattoni (Hildesheim, Zürich 2011) [Diatribai 4] 35–61. 302 M. Bonazzi: Plutarch and the Skeptics, in: A Companion to Plutarch, edited by M. Beck (Oxford 2014) 121–134. 303 X. Brouillette: La philosophie delphique de Plutarque. L’itinéraire des Dialogues pythiques (Paris 2014) [Collection d’études anciennes 148]. 304 J. Dillon: Plutarch and Platonism, in: A Companion to Plutarch, edited by M. Beck (Oxford 2014) 61–72. 305 E. Kechagia: Plutarch and Epicureanism, in: A Companion to Plutarch, edited by M. Beck (Oxford 2014) 104–120. 306 J. Opsomer: Plutarch and the Stoics, in: A Companion to Plutarch, edited by M. Beck (Oxford 2014) 88–103.
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Literarische Aspekte und Methode der Interpretation 312 D. Babut: La composition des dialogues pythiques de Plutarque et le problème de leur unité, in: Journal des Savants 2 (1992) 187–234. 313 P. L. Donini: Plutarco e i metodi dell’esegesi filosofica, in: I ‹Moralia› di Plutarco. Tra filologia e filosofia, a cura di I. Gallo, R. Laurenti (Napoli 1992) 79–96. 314 P. R. Hardie: Plutarch and the Interpretation of Myth, in: ANRW II 33,6 (1992) 4743–4787. 315 F. Ferrari: Platone, Tim. 35A1–6 in Plutarco, An. procr. 1012B–C: citazione ed esegesi, in: RhM 142 (1999) 326–339. 316 P. L. Donini: Il trattato filosofico in Plutarco, in: Gallo, Moreschini 2000 [*318: 133–145]. 317 F. Ferrari: La letteratura filosofica di carattere esegetico in Plutarco, in: Gallo, Moreschini 2000 [*318: 147–175]. 318 I generi letterari in Plutarco. Atti del VIII Convegno plutarcheo, a cura di I. Gallo, C. Moreschini (Napoli 2000). 319 R. Hirsch-Luipold: Plutarchs Denken in Bildern: Studien zur literarischen, philosophischen und religiösen Funktion des Bildhaften (Tübingen 2002) [STAC 14]. 320 J. Opsomer: Plutarch’s ‹De animae procrea tione in Timaeo›: Manipulation or Search for Consistency?, in: Philosophy, Science and Exegesis in Greek, Arabic and Latin Commentaries I, edited by P. Adamson, H. Baltussen, M. W. F. Stone (London 2004) [BICS Suppl. 83] 137–162. 321 Les dialogues platoniciens chez Plutarque. Stratégies et méthodes exégétiques, édité par X. Brouillette, A. Giavatto (Leuven 2010) [Ancient and Medieval Philosophy, Series 1, 43]. Ontologie, Theologie, Prinzipienlehre und Seelenlehre 322 J. Whittaker: Ammonius on the Delphic E, in: CQ 19 (1969) 185–192. 323 U. Bianchi: Plutarch und der Dualismus, in: ANRW II 36,1 (1987) 350–365. 324 P. L. Donini: I fondamenti della fisica e la teo ria delle cause in Plutarco, in: Gallo 1992 [*281: 99–120]. 325 J. Opsomer: L’Âme du monde et l’Âme de l’homme chez Plutarque, in: García Valdés 1994 [*360: 33–49].
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Plutarch von Chaironeia
326 Ch. Schoppe: Plutarchs Interpretation der Ideenlehre Platons (Münster, Hamburg 1994) [Münsteraner Beiträge zur klassischen Philologie 2]. 327 F. Ferrari: Dio, idee e materia. La struttura del cosmo in Plutarco di Cheronea (Napoli 1995) [Strumenti per la ricerca plutarchea 3]. 328 F. Ferrari: Dio: Padre e Artefice. La teologia di Plutarco in ‹Plat. Quaest. 2›, in: Gallo 1996 [*363: 395–409]. 329 F. Ferrari: Il problema della trascendenza nell’ontologia di Plutarco, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 88 (1996) 363–389. 330 F. Ferrari: La generazione precosmica e la struttura della materia in Plutarco, in: MH 53 (1996) 44–55. 331 F. Ferrari: La teoria delle idee in Plutarco, in: Elenchos 17 (1996) 121–142. 332 A. Rescigno: ‘Desiderare componi a Deo’: Attico, Plutarco, Numenio sulla materia prima della creazione, in: ΚΟΙΝΩΝΙΑ 21 (1997) 39–81. 333 F. Ferrari: Πρόνοια platonica e νόησις νοήσεως aristotelica: Plutarco e l’impossi bilità di una sintesi, in: Pérez Jiménez, Garcia López, Aguilar 1999 [*289: 63–77]. 334 F. Ferrari: Trascendenza e immanenza dell’intellegibile: l’interpretazione plutarchea della metafora della linea, in: La Repubblica di Platone nella tradizione antica, a cura di M. Vegetti, M. Abbate (Napoli 1999) 107–130. 335 M. Baltes: La dottrina dell’anima in Plutarco, in: Elenchos 21 (2000) 245–270. 336 F. Alesse: La tripartizione dell’uomo nel mito di Tespesio: la sua origine ‘socratica’ e alcuni suoi effetti sulla filosofia del II sec. d. C., in: Pérez Jiménez, Casadesús Bordoy 2001 [*373: 45–56]. 337 A. P. Bos: The Distinction between ‘Platonic’ and ‘Aristotelian’ Dualism, Illustrated from Plutarch’s Myth in ‹De Facie in orbe lunae›, in: Pérez Jiménez, Casadesús Bordoy 2001 [*373: 57–70]. 338 J. Dillon: Plutarch and the Separable Intellect, in: Pérez Jiménez, Casadesús Bordoy 2001 [*373: 35–44]. – Wieder in: Ders.: The Platonic Heritage. Further Studies in the History of Platonism and Early Christianity (Farnham 2012) [CSS 1008] Kap. XI. 339 J. Opsomer: Neoplatonist Criticisms of Plutarch, in: Pérez Jiménez, Casadesús Bordoy 2001 [*373: 187–200]. 340 F. Ferrari: La trascendenza razionale: il principio secondo Plutarco, in: Calabi 2002 [*95: 77–91].
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341 F. E. Brenk: Plutarch’s Middle-Platonic God. About to Enter (or Remake) the Academy, in: Hirsch-Luipold 2005 [*377: 27–49]. 342 F. Ferrari: Der Gott Plutarchs und der Gott Platons, in: Hirsch-Luipold 2005 [*377: 13–25]. 343 C. Helmig: Die Weltentstehung des ‹Timaios› und die platonische ‹homoiosis theoi› – zum kosmologischen Hintergrund von Plutarchs ‹De sera numinis vindicta› 550 D–E, in: Platons ‹Timaios› als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, herausgegeben von T. Leinkauf, C. Steel (Leuven 2005) 13–40. 344 J. Opsomer: Plutarch on the One and the Dyad, in: Sharples, Sorabji 2007 [*50: II 379– 395]. 345 Z. Pleše: Plato and Parmenides in Agreement: Ammonius’s Praise of God as OneBeing in Plutarch’s ‹The E at Delphi›, in: Plato’s ‹Parmenides› and its Heritage. I: History and Interpretation from the Old Acad emy to later Platonism and Gnosticism, edited by J. D. Turner, K. Corrigan (Atlanta 2010) 93–114. 346 F. Ferrari: La psichicità dell’anima del mondo e il divenire precosmico in Plutarco, in: Ploutarchos 9 (2010/11) 15–36. 347 J. Opsomer: Plutarch on the Division of the Soul, in: Plato and the Divided Self, edited by R. Barney, T. Brennan, C. Brittain (Cambridge 2011) 311–330. 348 F. Ferrari: Materia, movimento, anima e tempo prima della nascita dell’universo: Plutarco e Attico sulla cosmologia del ‹Timeo›, in: De l’Antiquité tardive au Moyen Âge. Études de logique aristotélicienne et de philosophie grecque, syriaque, arabe et latine offertes à Henry Hugonnard-Roche, édité par E. Coda, C. Martini Bonadeo (Paris 2014) [Études musulmanes 44] 255–276. 349 F. Ferrari: Gott als Vater und Schöpfer. Zur Rezeption von Timaios 28c3–5 bei einigen Platonikern, in: The Divine Father. Religious and Philosophical Concepts of Divine Parenthood in Antiquity, edited by F. Albrecht, R. Feldmeier (Leiden 2014) [Themes in Biblical Narrative 18] 57–69. 350 F. Jourdan: Woher kommt das Übel? Platonische Psychogonie bei Plutarch, in: Ploutarchos 11 (2013/14) 87–122. 351 F. M. Petrucci: Plutarch’s Theory of Cosmological Powers in the ‹De Iside et Osiride›, in: Apeiron 49 (2016) 329–367.
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
Religion und Dämonologie 354 G. Soury: La démonologie de Plutarque. Essai sur les idées religieuses et les mythes d’un platonicien éclectique (Paris 1942) [Col lection d’études anciennes]. 355 Y. Vernière: Symboles et mythes dans la pensée de Plutarque. Essai d’interprétation philosophique et religieuse des Moralia (Paris 1977). 356 K. Döring: Plutarch und das Daimonion des Sokrates (Plut. ‹De genio Socratis› Kap. 20– 24), in: Mnemosyne 37 (1984) 376–392. 357 F. E. Brenk: An Imperial Heritage: The Religious Spirit of Plutarch of Chaironeia, in: ANRW II 36,1 (1987) 248–349. 358 D. Babut: La part du rationalisme dans la religion de Plutarque: l’exemple du ‹De genio Socratis›, in: Illinois Classical Studies 13 (1988) 383–408. 359 D. Babut: Le rôle de Cléombrote dans le ‹De defectu oraculorum› et le problème de la «démonologie» de Plutarque, in: Babut 1994 [*764: 531–548]. 360 Estudios sobre Plutarco: Ideas religiosas. Actas del III Simposio Internacional sobre Plutarco, editado por M. García Valdés (Madrid 1994). 361 A. Bernabé: Plutarco e l’orfismo, in: Gallo 1996 [*363: 63–104]. 362 W. Burkert: Plutarco: religiosità personale e teologia filosofica, in: Gallo 1996 [*363: 11– 28]. – Unter dem Titel ‹Plutarch: Gelebte Religion und philosophische Theologie› wieder in: Ders.: Kleine Schriften. VIII: Philosophica, herausgegeben von Th. A. Szlezák, K.-H. Stanzel (Göttingen 2008) [Hypomnemata Suppl. 2, VIII] 222–239. 363 Plutarco e la religione. Atti del VI Convegno plutarcheo, a cura di I. Gallo (Napoli 1996). 364 C. Moreschini: Religione e filosofia in Plutarco, in: Gallo 1996 [*363: 29–48]. 365 G. Sfameni Gasparro: Plutarco e la religione delfica: il dio «filosofo» e il suo esegeta, in: Gallo 1996 [*363: 157–188]. 366 F. E. Brenk: Plutarch, Judaism and Christianity, in: Studies in Plato and the Platonic Tradition. Essays presented to John Whittaker, edited by M. Joyal (Aldershot 1997) 97–117. 367 J. Opsomer: Quelques réflexions sur la notion de Providence chez Plutarque, in: Plutarco y la historia. Actas del V Simposio Español sobre Plutarco, editado por C. Schrader, V. Ramón, J. Vela (Zaragoza 1997) 343–356.
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368 R. Feldmeier: Philosoph und Priester: Plutarch als Theologe, in: Mousopolos Stephanos. FS Herwig Görgemanns, herausgegeben von M. Baumbach, H. Köhler, A. M. Ritter (Heidelberg 1998) 412–425. 369 M. Bonazzi: Tra Atene e la Palestina: il ‹De anima› di Plutarco e i cristiani, in: ΚΟΙΝΩΝΙΑ 24 (2000) 5–46. 370 R. Chlup: Plutarch’s Dualism and the Delphic Cult, in: Phronesis 45 (2000) 138–158. 371 F. Ferrari: La falsità delle asserzioni relative al futuro: un argomento epicureo contro la mantica in Plut. Pyth. orac. 10, in: Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karl-und-GertrudAbel-Stiftung, herausgegeben von M. Erler (Stuttgart 2000) [PhdA 11] 149–163. 372 F. E. Brenk: In the Image, Reflection and Reason of Osiris. Plutarch and the Egyptian Cults, in: Pérez Jiménez, Casadesús Bordoy 2001 [*373: 83–98]. 373 Estudios sobre Plutarco: Misticismo y Religiones Mistéricas en la Obra de Plutarco. Actas del VII Simposio Español sobre Plutarco, editado por A. Pérez Jiménez, F. Casadesús Bordoy (Madrid, Málaga 2001). 374 S.-T. Teodorsson: La concepión plutarquea del Dios Supremo, in: Pérez Jiménez, Casadesús Bordoy 2001 [*373: 275–282]. 375 J. Dillon: Plutarch and God: Theodicy and Cosmogony in the Thought of Plutarch, in: Traditions of Theology. Studies in Hellenistic Theology, its Background and Aftermath, edited by D. Frede, A. Laks (Leiden 2002) [PhA 89] 223–237. – Wieder in: Ders.: The Platonic Heritage. Further Studies in the History of Platonism and Early Christianity (Farnham 2012) [CSS 1008] Kap. XII. 376 F. Frazier: Göttlichkeit und Glaube. Persönliche Gottesbeziehung im Spätwerk Plutarchs, in: Hirsch-Luipold 2005 [*377: 111–137]. 377 Gott und die Götter bei Plutarch. Götterbild – Gottesbilder – Weltbilder, herausgegeben von R. Hirsch-Luipold (Berlin, New York 2005) [RVV 54]. 378 F. Frazier: Philosophie et religion dans la pensée de Plutarque. Quelques réflexions autour des emplois du mot πίστις, in: Études Platoniciennes 5 (2008) 41–61. 379 Plutarch in the Religious and Philosophical Discourse of Late Antiquity, edited by L. Roig Lazillotta, I. Muñoz Gallarte (Leiden, Boston 2012).
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Plutarch von Chaironeia
380 R. Hirsch-Luipold: Religion and Myth, in: A Companion to Plutarch, edited by M. Beck (Oxford 2014) 163–176. 381 R. Radice: L’allegoria dei miti egiziani in Plutarco, in: ΚΑΛΛΟΣ ΚΑΙ ΑΡΕΤΗ. Bellezza e virtù. Studi in onore di Maria Barbanti, a cura di R. L. Cardullo, D. Iozzia (Acireale, Roma 2014) 309–320. Ethik und Politik 384 H.-G. Ingenkamp: Plutarchs Schriften über die Heilung der Seele (Göttingen 1971) [Hypomnemata 34]. 385 C. Mueller-Goldingen: Politische Theorie und Praxis bei Plutarch, in: WJA 19 (1993) 201–213. 386 A. Barigazzi: Studi su Plutarco (Firenze 1994). 387 Teoria e prassi politica nelle opere di Plutarco. Atti del V Convegno plutarcheo, a cura di I. Gallo, B. Scardigli (Napoli 1995). 388 J. P. Hershbell: ‘Paideia’ and ‘Politeia’ in Plutarch: The Influence of Plato’s ‹Republic› and ‹Laws›, in: Gallo, Scardigli 1995 [*387: 209–219]. 389 F. Becchi: Plutarco e la dottrina dell’ ὁμοίωσις θεῷ tra platonismo e aristotelismo, in: Gallo 1996 [*363: 321–335]. 390 A. Bellanti: Aristotele pitagorico? La concezione della medietà nel ‹De virtute morali› di Plutarco, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 95 (2003) 3–36. 391 The Statesman in Plutarch’s Works, edited by J. Bons, L. De Blois, T. Kessels, D. M. Schenkenveld, I–II (Leiden 2004–2005) [Mnemosyne Suppl. 250]. 392 F. Becchi: Apatheia e Metriopatheia in Plutarco, in: Casanova 2005 [*294: 385–400]. 393 A. Bellanti: La teoria plutarchea della virtù tra platonismo, pitagorismo e aristotelismo, in: Volpe Cacciatore, Ferrari 2007 [*299: 221– 264]. 394 M. Bonazzi: Plutarco, l’Academia e la politica, in: Volpe Cacciatore, Ferrari 2007 [*299: 265–280]. 395 B. Castelnérac: Plutarch’s Psychology of Moral Virtue: ‘Pathos’, ‘Logos’, and the Unity of the Soul, in: AncPhil 27 (2007) 141–163. 396 F. Ferrari: I fondamenti metafisici dell’etica di Plutarco, in: Ploutarchos 5 (2007/8) 19–32. 397 F. Ferrari: Moderatismo etico e controllo delle passioni in Plutarco, in: Le emozioni secondo i filosofi antichi. Atti del Convegno Nazionale (Siracusa, 10–11 maggio 2007), a cura di G. Giardina (Catania 2008) 135–162.
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398 R. A. Wright: Plutarch on Moral Progress, in: Passions and Moral Progress in Greco-Roman Thought, edited by J. T. Fitzgerald (London, New York 2008) [Routledge Monographs in Classical Studies] 136–150. 399 Tyché et Pronoia. La marche du monde selon Plutarque, édité par F. Frazier, D. F. Leão (Coimbra 2010). 400 L. Van Hoof: Plutarch’s Practical Ethics. The Social Dynamics of Philosophy (Oxford 2010). 401 M. Bonazzi: ‘Theoria and Praxis’. On Plutarch’s Platonism, in: Bénatouïl, Bonazzi 2012 [*108: 139–161]. 402 C. Pelling: Political Philosophy, in: A Companion to Plutarch, edited by M. Beck (Oxford 2014) 149–162. Kommentare und Aufsätze zu einzelnen S chriften oder Stellen 405 J. Helmer: Zu Plutarchs ‘De animae procreatione in Timaeo’. Ein Beitrag zum Verständnis des Platon-Denkers Plutarch (Würzburg 1937). 406 P. Thévenaz: L’âme du monde, le devenir et la matière chez Plutarque, avec une traduction du traité «De la Genèse de l’âme dans le Timée», 1 partie (Paris 1938). 407 F. Romano: Le ‹Questioni Platoniche› di Plutarco di Cheronea, in: Sophia 33 (1965) 116–131. 408 H. Görgemanns: Untersuchungen zu Plutarchs Dialog De facie in orbe lunae (Heidelberg 1970). 409 L. Gamberini: Plutarco, «Della musica». In troduzione e traduzione (Firenze 1979) [Historiae musicae cultores, Biblioteca 32]. – Enthält eine italienische Übersetzung, basierend auf dem Text von Lasserre. 410 J. P. Hershbell: Plutarch’s ‘De animae procreatione in Timaeo’: An Analysis of Structure and Content, in: ANRW II 36,1 (1987) 234–247. 411 L. M. Napolitano Valditara: Plutarco di Cheronea e la linea divisa di Platone (su Ques tioni Platoniche 1001 C–1002 E), in: Esercizi Filosofici 1 (1992) 41–72. 412 J. Opsomer: Ζητήματα: Structure et argumentation dans les Quaestiones Platonicae de Plutarque, in: Estudios sobre Plutarco: aspectos formales. Actas del IV Simposio Español sobre Plutarco, editado por J. A. Fernández del Gado, F. Pordomingo Pardo (Madrid 1996) 71–83.
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
413 G. Boys-Stones: Plutarch on the Probable Principle of Cold: Epistemology and the ‹De primo frigido›, in: CQ 47 (1997) 227–238. 414 J. Mansfeld, D. T. Runia: Aëtiana. The Method and Intellectual Context of a Doxographer. I: The Sources (Leiden, New York 1997) [PhA 73]. 415 Plutarch: Εἰ καλῶς εἴρηται τὸ λάθε βιώσας. Ist ‘Leben im Verborgenen’ eine gute Lebensregel?, eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von U. Berner, R. Feldmeier, B. Heininger, R. Hirsch-Luipold (Darmstadt 2000) [SAPERE 1]. 416 D. S. Richter: Plutarch on Isis and Osiris: Text, Cult, and Cultural Appropriation, in: TAPhA 131 (2001) 191–216. 417 J. M. Rist: Plutarch’s ‹Amatorius›: A Commentary on Plato’s Theories of Love?, in: CQ 51 (2001) 557–575. 418 J. Warren: Socratic Scepticism in Plutarch’s ‹Adversus Colotem›, in: Elenchos 23 (2002) 333–356. 419 H. Görgemanns: Eros als Gott in Plutarchs “Amatorius”, in: Hirsch-Luipold 2005 [*377: 169–195]. 420 J. Opsomer: Eros and Knowledge in Plutarch’s Amatorius, in: El amor en Plutarco, editado por J. M. Ibáñez, R. L. López (León 2007) 149–168. 421 G. Roskam: A Commentary on Plutarch’s ‹De latenter vivendo› (Leuven 2007). 422 H. Scholten: Göttliche Vorsehung und die Bedeutung des Griechentums in Plutarchs ‹De sera numinis vindicta›, in: A&A 55 (2009) 9 9–117. 423 T. Thum: ‘Welche Fülle von Reden’. Plutarchs Schrift ‹De E apud Delphos›, in: Religiöse Philosophie und philosophische Religion der frühen Kaiserzeit. Literaturgeschichtliche Perspektiven, herausgegeben von R. Hirsch-
Luipold, H. Görgemanns, M. von Albrecht unter Mitarbeit von T. Thum (Tübingen 2009) [Ratio Religionis Studien 1] 237–250. 424 A. Giavatto: Le dialogue des sources dans les ‹Questions Platoniciennes› de Plutarque, in: Brouillette, Giavatto 2010 [*321: 117–129]. 425 Symposium and Philanthropia in Plutarch, edited by J. Ribeiro Ferreira, D. F. Leão, M. Trösten, P. Barata Dias (Coimbra 2010). 426 M. Shiffman: Erotic Wisdom and the Socratic Vocation in Plutarch’s ‹Platonic Question I›, in: GRBS 50 (2010) 243–271. 427 Plutarch: On the daimonion of Socrates. Human Liberation, Divine Guidance and Philosophy, edited by H.-G. Nesselrath. In troduction, Text, Translation and Interpretative Essays by D. Russel et al. (Tübingen 2010) [SAPERE 16]. 428 M. Taufer: Il mito di Tespesio nel ‹De sera numinis vindicta› di Plutarco (Napoli 2010). 429 E. Kechagia: Plutarch Against Colotes. A Lesson in History of Philosophy (Oxford 2011) [Oxford Classical Monographs]. 430 A. Corti: L’‹Adversus Colotem› di Plutarco. Storia di una polemica filosofica (Leuven 2014) [Plutarchea Hypomnemata]. 431 F. M. Petrucci: Argumentative Strategies in the ‘Platonic Section’ of Plutarch’s De Iside et Osiride (chapters 45–64), in: Mnemosyne 69 (2016) 226–248. 432 P. de Simone: Mito e verità. Uno studio sul ‹De Iside et Osiride› di Plutarco (Milano 2016). Nachwirkung 433 L’eredità culturale di Plutarco dall’antichità al rinascimento. Atti del VII Convegno plutarcheo, a cura di I. Gallo (Napoli 1998). 434 P. Volpe Cacciatore: L’eredità di Plutarco (Napoli 2004).
Theon
Ausgabe, Übersetzungen 438 Theonis Smyrnaei philosophi platonici: Expositio rerum mathematicarum ad legendun Platonem utilium, recensuit E. Hiller (Lipsiae 1878).
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439 Théon de Smyrne: Exposition des connaissances mathématiques utiles pour la lecture de Platon, traduit par J. Dupuis (Paris 1892). 440 Teone di Smirne: Expositio rerum mathematicarum ad legendum Platonem utilium. In troduzione, traduzione, commento a cura di F. M. Petrucci (Sankt Augustin 2012).
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Manaichmos
Sekundärliteratur 445 K. von Fritz: Theon, in: RE V A 2 (1934) 2067–2075. 446 Plato Arabus. II: Alfarabius: De Platone philosophia, ediderunt F. Rosenthal, R. Walzer (London 1943) [Corpus Platonicum Medii Aevi]. 447 G. C. Vedova: Notes on Theon of Smyrna, in: The American Mathematical Monthly 58 (1951) 675–683. 448 B. Dodge: The Fihrist of Al-Nadīm. A Tenth Century Survey of Muslim Culture (New York 1970) [Records of Civilization, Sources and Studies 83]. 449 J. Delattre: Théon de Smyrne: modèles mécaniques en astronomie, in: Sciences exactes et sciences appliquées à Alexandrie (IIIe siècle av. J.-C. – Ier siècle ap. J.-C.). Actes du Colloque international de Saint-Étienne. Textes réunis et édités par G. Argoud, J.-Y. Guillaumin (Saint-Étienne 1998) 371–395. 450 F. Ferrari: I commentari specialistici alle sezioni matematiche del ‹Timeo›, in: La filosofia in età imperiale. Le scuole e le tradizioni filosofiche, a cura di A. Brancacci (Napoli 2000) 169–224.
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Manaichmos 461 P. P. Fuentes González: Manaichmos d’Alopéconnèse, in: DPhA IV (2005) 246–247.
Severos Ausgaben
Sekundärliteratur
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
Lukios und Klaudios Nikostratos aus Athen
Ausgaben 484 Lucio: Testimonianze (T) e Frammenti (F), in: Gioè 2002 [*9: 117–127]. 485 Nicostrato: Testimonianze (T) e Frammenti (F), in: Gioè 2002 [*9: 155–180].
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L. Kalvenos Tauros
Ausgaben 504 Die Testimonien und Fragmente des Tauros, in: Lakmann 1995 [*513: 229–258]. 505 L. Calveno Tauro: Testimonianze (T) e Frammenti (F), in: Gioè 2002 [*9: 221–284].
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Attikos
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Attikos
Fragmente und Übersetzungen 523 F. G. Mullach: Fragmenta philosophorum graecorum, III (Paris 1879). 524 Atticos: Fragments de son œuvre, avec introduction et notes par J. Baudry (Paris 1931). 525 G. Martano: Due precursori del neoplatonismo (Napoli 1955). 526 Aristoteles: Einführungsschriften, eingeleitet und neu übertragen von O. Gigon (Zürich, Stuttgart 1961) [Die Bibliothek der alten Welt, Griechische Reihe]. 527 Atticus: Fragments. Texte établi et traduit par É. des Places (Paris 1977) [CUF].
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Harpokration von Argos Ausgaben
Sekundärliteratur
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Gaios Ausgaben 578 The Testimonies for Gaius and Albinus, in: Göransson 1995 [*587: 28–33]. 579 Gaio: Testimonianze (T), in: Gioè 2002 [*9: 45–52].
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Alkinoos Ausgaben, Übersetzungen 595 Albinos: Epitomé. Introduction, texte et traduction par P. Louis (Paris 1945). 596 G. Invernizzi: Il Didaskalikos di Albino e il medioplatonismo. Saggio di interpretazione storico-filosofica con introduzione e commento del Didaskalikos, I–II (Roma 1976) [Collana di filosofia antica 4].
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597 Alcinoos: Enseignement des doctrines de Platon. Introduction, texte établi et commenté par J. Whittaker et traduit par P. Louis (Paris 1990) [CUF]. 598 Alcinous: The Handbook of Platonism, Translated with an Introduction and Commentary by J. Dillon (Oxford 1993). 599 Alkinoos: Didaskalikos. Lehrbuch der Grundsätze Platons. Einleitung, Text, Übersetzung und Anmerkungen von O. F. Summe-
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Alkinoos
rell, Th. Zimmer (Berlin 2007) [Sammlung wissenschaftlicher Commentare].
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Albinos aus Smyrna Ausgaben, Übersetzungen
Sekundärliteratur
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Apuleius Bibliographie
Leben
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658 L. von Schwabe: Appuleius (9), in: RE II 1 (1895) 246–258. 659 J.-M. Flamand: Apulée de Madaure, in: DPhA I (1989) 298–317.
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Apuleius
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Ausgaben, Kommentare, Übersetzungen
693
675 M. Baltes: De deo Socratis – Der Gott des Sokrates, in: Baltes et al. 2004 [*674: 46–119]. 676 J. M. Dillon: Dämonologie im frühen Platonismus, in: Baltes et al. 2004 [*674: 123–141]. 677 P. Donini: Sokrates und sein Dämon im Platonismus des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr., in: Baltes et al. 2004 [*674: 142–161]. 678 M.-L. Lakmann: Einführung in die Schrift, in: Baltes et al. 2004 [*674: 13–44].
Gesamtausgaben der philosophischen Werke 663 G. F. Hildebrandt: L. Apuleii Opera omnia (Leipzig 1842; ND Hildesheim 1968). 664 A. Goldbacher: Apulei Madaurensis opuscula quae sunt de philosophia (Wien 1876). 665 Apulée: Opuscules philosophiques (Du dieu de Socrate, Platon et sa doctrine, Du monde) et fragments. Texte établi, traduit et commenté par J. Beaujeu (Paris 1973) [CUF]. 666 C. Moreschini: Apulei Platonici Madaurensis opera quae supersunt. III: De philosophia libri (Stuttgart, Leipzig 1991) [BT]. De deo Socratis 668 R. Helm: De prooemio Apuleianae quae est de deo Socratis orationis, in: Philologus 59 (1900) 598–604. 669 Il De deo Socratis di Apuleio: l’esperienza filosofica e religiosa di Apuleio, tradotto e annotato col testo a fronte ed una introduzione, a cura di G. Barra, U. Pannuti, in: Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell’Università di Napoli 10 (1962/63) 81–141. 670 Apuleio: Sul dio di Socrate. Introduzione, testo, traduzione e note a cura di R. Del Re (Rom 1966). 671 Apuleio: Il demone di Socrate con testo a fronte, a cura di B. M. Cagli (Venezia 1992). 672 Lucius Apuleius von Madaura: De Deo Socratis. Der Schutzgeist des Sokrates, übersetzt, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von M. Bingenheimer (Frankfurt a. M. 1993). 673 S. Harrison: On the God of Socrates, in: Apuleius: Rhetorical Works, translated and annotated by S. Harrison, J. Hilton and V. Hunink, edited by S. Harrison (Oxford 2001) 185–216. 674 Apuleius: De deo Socratis. Über den Gott des Sokrates, eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von M. Baltes, M.-L. Lakmann, J. M. Dillon, P. Donini, R. Häfner, L. Karfíková (Darmstadt 2004) [SAPERE 7].
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De Platone et eius dogmate 679 Apuleius: Platon und seine Lehre, herausgegeben und kommentiert von P. Siniscalco, eingeleitet und übersetzt von K. Albert (Sankt Augustin 1981) [Texte zur Philosophie 4]. De interpretatione/Peri hermeneias 680 A. Goldbacher: Liber περὶ ἑρμηνείας, qui Apulei Madaurensis esse traditur, in: WS 7 (1885) 253–277. 681 Apuleio: L’interpretazione. Testo latino con introduzione, traduzione e commento a cura di M. Baldassarri (Como 1986). 682 The Logic of Apuleius including a Complete Latin Text and English Translation of the Peri Hermeneias of Apuleius of Madaura, edited by D. Londey, C. Johanson (Leiden 1987) [PhA 47]. De mundo 683 Aristoteles Latinus XI 1–2 editio altera: De mundo. Translationes Bartholomaei et Nicholai edidit W. L. Lorimer, revisit L. Minio-Paluello, accedunt versiones Rinucii, Argyropuli et Sadoleti, paraphrasis Apulei, necnon specimina interpretationum recentiorum edentibus L. Minio-Paluello et G. Freed Muscarella (Bruges, Paris 1965). – Kritische Ausgabe. 684 Apuleio: De mundo. Testo latino a fronte, a cura di M. G. Bajoni (Pordenone 1991). Asclepius 685 A. D. Nock, A.-J. Festugière: Corpus Hermeticum, II: Traités XIII–XVIII, Asclepius (Paris 1946). 686 C. Colpe, J. Holzhausen: Das Corpus Hermeticum Deutsch. Übersetzung, Darstellung und Kommentierung. I: Die griechischen Traktate und der lateinische ‘Asclepius’ (Stuttgart/Bad Cannstatt 1997).
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
687 P. Scarpi: Asclepius, in: La rivelazione segreta di Ermete Trismegisto II, a cura di P. Scarpi (Roma 2011) 96–167.
Sekundärliteratur 693 T. Sinko: De Apulei et Albini doctrinae Platonicae adumbratione (Diss. Krakow 1905). 694 Apulée: Apologie, Florides. Texte établi et traduit par P. Vallette (Paris 1924, 42002) [CUF]. 695 T. Sinko: Der mittlere Platonismus, in: Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie. I: Die Philosophie des Altertums, herausgegeben von K. Praechter (Berlin 121926; ND Darmstadt 1967) 524–556. 696 M. Bernhard: Der Stil des Apuleius von Madaura (Stuttgart 1927; ND Amsterdam 1965). 697 E. H. Haight: Apuleius and his Influence (New York 1927; ND New York 1963). 698 T. Sinko: De vita Platonis Apuleiana, in: Eos 30 (1927) 101–112. 699 P. Boyancé: Les deux démons personnels dans l’Antiquité grecque et latine, in: Revue de philologie, de littérature et d’histoire an ciennes 61 (1935) 189–202. 700 S. Müller: Das Verhältnis von Apuleius De mundo zu seiner Vorlage (Leipzig 1939) [Philologus Suppl. 32, Heft 2]. 701 B. Axelson: Akzentuierender Klauselrhythmus bei Apuleius. Bemerkungen zu den Schriften De Platone und De mundo (Lund 1952). 702 H. Merki: ΟΜΟΙΩΣΙΣ ΘΕΩΙ. Von der platonischen Angleichung an Gott zur Gottähnlichkeit bei Gregor von Nyssa (Diss. Freiburg i. Ue. 1952). 703 A.-J. Festugière: Lucius and Isis, in: Ders.: Personal Religion among the Greeks (Berkeley 1954, 21960; ND 1984) 68–84. 704 L. Herrmann: Le Dieu-Roi d’Apulée, in: Latomus 18 (1959) 110–116. 705 J. Redfors: Echtheitskritische Untersuchung der apuleischen Schriften De Platone und De mundo (Diss. Lund 1960). 706 P. Courcelle: De Platon à saint Ambroise par Apulée. Parallèles textuels entre le «De excessu fratris» et le «De Platone», in: Revue de philologie 35 (1961) 15–28. 707 G. Barra: La biografia di Platone nel De Platone et eius dogmate di Apuleio, in: Rendiconti dell’Accademia di archeologia, lettere e belle arti di Napoli 38 (1963) 5–18.
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708 J. Mossay: Apulée «De Platone», II, 12, in: AC 32 (1963) 571–576. 709 T. Janson: Latin Prose Prefaces. Studies in Literary Convention (Stockholm 1964) [Studia Latina Stockholmiensia 13]. 710 C. Moreschini: Die Stellung des Apuleius und der Gaios-Schule innerhalb des Mittelplatonismus, in: Zintzen 1981 [*28: 219–274]. – Zuvor unter dem Titel ‹La posizione di Apuleio e della scuola di Gaio nell’ambito del medioplatonismo› erschienen in: Annali della Scuola Normale Superiore di Pisa. Lettere, Storia e Filosofia 33 (Pisa 1964) 17–56. 711 C. Moreschini: La demonologia medioplatonica e le Metamorfosi di Apuleio, in: Maia 17 (1965) 30–46. 712 R. Thibau: Les Métamorphoses d’Apulée et la Théorie Platonicienne de l’Erôs, in: Studia Philosophica Gandensia 3 (1965) 89–144. 713 G. Barra: La questione dell’autenticità del De Platone et eius dogmate e del De mundo di Apuleio, in: Rendiconti dell’Accademia di archeologia, lettere e belle arti di Napoli 40 (1966) 127–188. 714 C. Moreschini: Studi sul «De dogmate Platonis» di Apuleio (Pisa 1966). 715 C. Roncaioli: L’arcaismo nelle Opere filosofiche di Apuleio, in: Giornale Italiano di Filologia 19 (1966) 322–356. 716 P. Siniscalco: Ermete Trismegisto, profeta pagano della rivelazione cristiana. La fortuna di un passo ermetico (Asclepius 8) nell’inter pretazione di scrittori cristiani, in: Atti della Accademia delle scienze di Torino. Classe di scienze morali, storiche e filologiche 101 (1966/67) 83–113. 717 G. Barra: Initia rerum. Un passo controverso del De Platone et eius dogmate di Apuleio, in: Rendiconti dell’Accedemia di archeologia, lettere e belle arti di Napoli 40 (1967) 35–42. 718 H. Hagendahl: Augustine and the Latin Classics. I: Testimonia (Göteborg 1967). 719 P. Merlan: Albinus and Apuleius, in: The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, edited by A. H. Arm strong (Cambridge 1967, 31991) 64–73. 720 M. W. Sullivan: Apuleian Logic. The Nature, Sources and Influences of Apuleius’ Peri Hermeneias (Amsterdam 1967). 721 J. Fontaine: Aspects et problèmes de la prose d’art latine du IIIe siècle: la genèse des styles latins chrétiens (Turin 1968).
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Apuleius
722 G. W. Bowersock: Greek Sophists in the Roman Empire (Oxford 1969). 723 F. Cremer: Die chaldäischen Orakel und Iamblich ‹De Mysteriis› (Meisenheim am Glan 1969) [BKP 26]. 724 D. Roloff: Gottähnlichkeit, Vergöttlichung und Erhöhung zu seligem Leben. Untersuchungen zur Herkunft der platonischen Angleichung an Gott (Berlin 1970) [UaLG 4]. 725 C. Schlam: Platonica in the Metamorphoses of Apuleius, in: TAPhA 101 (1970) 477–487. 726 P. G. Walsh: The Roman Novel. The ‘Satyricon’ of Petronius and the ‘Metamorphoses’ of Apuleius (Cambridge 1970). 727 F. Regen: Apuleius philosophus Platonicus. Untersuchungen zur Apologie (De magia) und zu De mundo (Berlin 1971) [UaLG 10]. 728 G. Barra: Apuleio e il problema dell’origine del male, in: Vichiana 1 (1972) 102–113. – Unter dem Titel ‹Apuleius und das Problem der Entstehung des Bösen› wieder in: Zintzen 1981 [*28: 283–298]. 729 R. Mortley: Apuleius and Platonic Theology, in: AJPh 93 (1972) 584–590. – Unter dem Titel ‹Apuleius und die Platonische Theologie› wieder in: Zintzen 1981 [*28: 275–282]. 730 J. Daniélou: Novatien et le De mundo d’Apulée, in: Romanitas et Christianitas. FS J. H. Waszink, herausgegeben von W. den Boer et al. (Amsterdam 1973) 71–80. 731 H. Dörrie: Platons Reisen zu fernen Völkern. Zur Geschichte eines Motivs der Platon-Legende und zu seiner Neuwendung durch Lactanz, in: Romanitas et Christianitas. FS J. H. Waszink, herausgegeben von W. den Boer et al. (Amsterdam 1973) 99–118. 732 K. P. Schmutzler: Die Platon-Biographie in der Schrift des Apuleius De Platone et eius dogmate (Diss. Kiel 1974). 733 M. Simon: Apulée et le christianisme, in: Mélanges d’histoire des religions. FS HenriCharles Puech (Paris 1974) 299–305. 734 L. Tarán: Academica: Plato, Philip of Opus and the Pseudo-Platonic Epinomis (Philadelphia 1975) [Memoirs of the American Philosophical Society 107]. 735 C. Moreschini: Apuleio e il platonismo (Firenze 1978). 736 A. Scobie: The Influence of Apuleius’ ‹Metamorphoses› in Renaissance Italy and Spain, in: Aspects of Apuleius’ Golden Ass, edited by B. L. Hijmans, R. Th. van der Paardt (Groningen 1978) I 211–230. 737 P. L. Donini: Apuleio e il platonismo medio, in: Apuleio letterato, filosofo, mago, a cura di A.
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695
Pennacini, P. L. Donini, T. Alimonti, A. Monteduro Roccavini (Bologna 1979) 103–111. 738 H. Dörrie: Ap(p)uleius (8), in: Der Kleine Pauly 1 (1979) 471–473. 739 P. Krafft: Apuleius’ Darstellung der providentia tripartita, in: MH 36 (1979) 153–163. 740 J. Dillon: The Descent of the Soul in Middle Platonic and Gnostic Thought, in: The Rediscovery of Gnosticism. Proceedings of the International Conference on Gnosticism at Yale, New Haven, Connecticut, March 28 – 31, 1978, edited by B. Layton. I: The school of Valentinus (Leiden 1980) 357–364. – Wieder in: Dillon 1990 [*37: Kap. XII]. 741 P. G. Walsh: Apuleius and Plutarch, in: Neoplatonism and Early Christian Thought. Essays in Honour of A. H. Armstrong, edited by H. J. Blumenthal, R. A. Markus (London 1981) 20–32. 742 A. Lumpe: Die Logik des Pseudo-Apuleius. Ein Beitrag zur Geschichte der Philosophie (Augsburg 1982). 743 R. Van den Broek: Apuleius on the Nature of God (De Plat. 190–191), in: Actus. Studies in honour of H. L. W. Nelson, edited by J. Den Boeft, A. H. M. Kessels (Utrecht 1982) 57–72. 744 S. Heller: Apuleius, Platonic Dualism, and Eleven, in: AJPh 104 (1983) 321–339. 745 G. Johanson: Was the Magician of Madaura a Logician?, in: Apeiron 17 (1983) 131–134. 746 J. F. D’Amico: The Progress of Renaissance Latin Prose: The Case of Apuleianism, in: Renaissance Quarterly 37 (1984) 351–392. 747 C. Moreschini: Dall’Asclepius al Crater Hermetis. Studi sull’ermetismo latino tardo-antico e rinascimentale (Pisa 1985) [Biblioteca di studi antichi 47]. 748 F. E. Brenk: In the Light of the Moon. Demonology in the Early Imperial Period, in: ANRW II 16,3 (1986) 2068–2145. 749 B. L. Hijmans Jr.: Apuleius, Philosophus Platonicus, in: ANRW II 36,1 (1987) 395–475. 750 The Question of ‘Eclecticism’. Studies in later Greek Philosophy, edited by J. Dillon, A. A. Long (Berkeley, Los Angeles 1988) [Hellenis tic Culture and Society 3]. 751 W. L. Gombocz: Apuleius, de interpret. 180,20–181,7 (Thomas). Goldbachers Änderungen der Überlieferung und die Folgen, in: WS 101 (1988) 279–292. 752 A. A. Long: Socrates in Hellenistic Philosophy, in: CQ 38 (1988) 150–171. 753 J. Hahn: Der Philosoph und die Gesellschaft. Selbstverständnis, öffentliches Auftreten und populäre Erwartungen in der hohen Kaiser-
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
zeit (Stuttgart 1989) [Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 7]. 754 C. Moreschini: Divinazione e demonologia in Plutarco e Apuleio, in: Augustinianum 29 (1989) 269–280. 755 J. De Filippo: Curiositas and the Platonism of Apuleius’ Golden Ass, in: AJPh 111 (1990) 471–492. 756 W. L. Gombocz: Apuleius is Better Still: a Correction to the Square of Opposition (De interpretatione 180,19–181,7 Thomas), in: Mnemosyne 43 (1990) 124–131. 757 C. Moreschini: Ricerche sulla tradizione manoscritta del De interpretatione pseudoapuleiano, in: Pan (Studi dell’Istituto di Filologia Latina/Università degli Studi di Palermo) 10 (1990) 61–73. 758 C. C. Schlam: Apuleius in the Middle Ages, in: The Classics in the Middle Ages. Papers of the Twentieth Annual Conference of the Center for Medieval and Early Renaissance Studies, edited by A. S. Bernardo, S. Levin (Binghamton, New York 1990) 363–369. 759 P. Siniscalco: Dai mediatori al mediatore. La demonologia di Apuleio e la critica di Agostino, in: L’autunno del diavolo: Diabolos, Dia logos, Daimon, a cura di E. Corsini (Milano 1990) I 279–294. 760 M. C. O’Brien: Apuleius and the Concept of a Philosophical Rhetoric, in: Hermathena 151 (1991) 39–50. 761 J. Mansfeld: Heresiography in Context. Hippolytus’ Elenchos as a Source for Greek Philosophy (Leiden 1992) [PhA 56]. 762 G. Anderson: The Second Sophistic. A Cultural Phenomenon in the Roman Empire (London, New York 1993). 763 R. Klibansky, F. Regen: Die Handschriften der philosophischen Werke des Apuleius. Ein Beitrag zur Überlieferungsgeschichte (Göttingen 1993) [AAWG, 3. Folge, Nr. 204]. 764 Parerga. Choix d’articles de Daniel Babut (Lyon 1994). 765 W. Bernard: Zur Dämonologie des Apuleius von Madaura, in: RhM 137 (1994) 358–373. 766 B. L. Hijmans Jr.: Apuleius Orator: ‘Pro se de magia’ and ‘Florida’, in: ANRW II 34,2 (1994) 1708–1784. 767 J. B. Rives: The Priesthood of Apuleius, in: AJPh 115 (1994) 273–290. 768 V. Hunink: The Prologue of Apuleius’ De Deo Socratis, in: Mnemosyne 48 (1995) 292– 312. 769 K. Sallmann: Erzählendes in der ‹Apologia› des Apuleius, oder: Argumentation als Unter-
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haltung, in: Groningen Colloquia on the Novel 6 (1995) 137–158. 770 P. Habermehl: Quaedam divinae mediae potestates. Demonology in Apuleius’ De deo Socratis, in: Groningen Colloquia on the Novel 7 (1996) 117–142. 771 V. Hunink: Apuleius and the “Asclepius”, in: VChr 50 (1996) 288–308. 772 G. Sandy: The Greek World of Apuleius. Apuleius and the Second Sophistic (Leiden 1997) [Mnemosyne Suppl. 174]. 773 P. L. Donini: La giustizia nel Medioplatonismo, in Aspasio e in Apuleio, in: La Reppublica di Platone nella tradizione antica, a cura di M. Vegetti, M. Abbate (Neapel 1999) 131– 150. 774 F. Regen: Il ‹De deo Socratis› di Apuleio, in: Maia 51 (1999) 429–456. 775 K. Alt: Der Daimon als Seelenführer. Zur Vorstellung des persönlichen Schutzgeistes bei den Griechen, in: Hyperboreus 6 (2000) 219–252. 776 S. J. Harrison: Apuleius. A Latin Sophist (Oxford 2000). 777 F. Regen: Il ‹De deo Socratis› di Apuleio (II parte), in: Maia 52 (2000) 41–66. 778 T. Reinhardt: Rhetoric in the Fourth Academy, in: CQ 50 (2000) 531–547. 779 Apuleius of Madauros: Florida, edited with a Commentary by V. Hunink (Amsterdam 2001). 780 Apuleius: De Magia, eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von J. Hammerstaedt et al. (Darmstadt 2002) [SAPERE 5]. 781 J. Hammerstaedt: Apuleius: Leben und Werk, in: Hammerstaedt et al. 2002 [*780: 9–22]. 782 P. Habermehl: Magie, Mächte und Mysterien: Die Welt des Übersinnlichen im Werk des Apuleius, in: Hammerstaedt et al. 2002 [*780: 285–314]. 783 M. C. O’Brien: Apuleius’ Debt to Plato in the ‹Metamorphoses› (Lewiston NY 2002) [Studies in Classics 21]. 784 J. M. Dillon: The Heirs of Plato. A Study of the Old Academy (347–274 B.C.) (Oxford 2003). 785 B. Todd Lee: Apuleius’ Florida. A Commentary (Berlin, New York 2005) [TuK 25]. 786 G. Puccini-Delbey: Apulée, un nouveau Socrate? Une analyse des rapports d’inter textualité entre le ‹De magia› et l’‹Apologie de Socrate› de Platon, in: Latomus 69 (2010) 429–445.
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Anonymus, ‹In Platonis ‘Theaetetum’›
787 G. Magnaldi: Antiche glosse e correzioni nel ‹De deo Socratis› di Apuleio, in: RFIC 139 (2011) 101–117. 788 G. Magnaldi: Antiche note di lettura in Apul. Plat. 193, 223, 242, 248, 253, 256 e Socr. 120, in: RFIC 139 (2011) 394–412. 789 F. Karfík: Mittelplatonische Lehre de finibus bei Stobaios, Alkinoos und Apuleius, in: Pietsch 2013 [*456: 115–129]. 790 C. Moreschini: Apuleius and the Metamorphoses of Platonism (Turnhout 2015) [Nutrix 10].
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Nachwirkung 791 S. Costanza: La fortuna di L. Apuleio nell’età di mezzo (Palermo 1937) 33–42. 792 C. Moreschini: Sulla fama di Apuleio nella tarda antichità, in: Romanitas et Christianitas. FS J. H. Waszink, herausgegeben von W. den Boer et al. (Amsterdam 1973) 243–248. 793 M. T. Horsfall Scotti: Apuleio tra magia e filosofia: la riscoperta di Agostino, in: Dicti Studiosus: scritti di filologia offerti a Scevola Mariotti (Urbino 1990) 295–320. 794 Th. Fuhrer: Die Platoniker und die ‹civitas dei› (Buch VIII–X), in: Augustinus: De civitate dei, herausgegeben von Ch. Horn (Berlin 1997) [Klassiker Auslegen 11] 87–108. 795 L. Karfíková: Augustins Polemik gegen Apuleius, in: Baltes et al. 2004 [*674: 162–189].
Anonymus, ‹In Platonis ‘Theaetetum’›
Ausgaben 799 Anonymer Kommentar zu Platons Theaetet (Papyrus 9782) nebst drei Bruchstücken philosophischen Inhalts (Pap. N. 8; P. 9766, 9569), herausgegeben von H. Diels, W. Schubart (Berlin 1905) [Berliner Klassikertexte 2]. 800 Commentarium in Platonis «Theaetetum» (PBerol. inv. 9782), edited by G. Bastianini, D. N. Sedley, in: Corpus dei Papiri Filosofici Greci e Latini, Testi e lessico nei papiri di cultura greca e latina, parte III: Commentari (Firenze 1995) 227–562.
Sekundärliteratur 806 J. Mansfeld: Notes on some Passages in Plato’s Theaetetus and in the ‘Anonymous Commentary’, in: Zetesis. Album amicorum, door vrienden en collega’s aangeboden aan Prof. Dr. E. de Strycker (Antwerpen, Utrecht 1973) 108–114. 807 G. Invernizzi: Un commentario medioplatonico al ‹Teeteto› e il suo significato filosofico, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 68 (1976) 215–233. 808 H. Tarrant: The Date of Anon. ‹In Theaetetum›, in: CQ 33 (1983) 161–187.
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809 P. Moraux: Der anonyme Kommentar zu Platons Theätet, in: Moraux 1984 [*31: 481–494]. 810 H. Tarrant: Zeno on Knowledge or on Geometry? The Evidence of anon. In Theaetetum, in: Phronesis 29 (1984) 96–99. 811 J. Mansfeld: Two Attributions, in: CQ 41 (1991) 541–544. 812 A. Carlini: Il commento anonimo al Teeteto e il testo di Platone, in: Storia, Poesia e Pensiero nel mondo antico. Studi in onore di Marcello Gigante (Napoli 1994) 83–91. 813 D. Sedley: Three Platonist Interpretations of the ‹Theaetetus›, in: Form and Argument in Late Plato, edited by C. Gill, M. M. McCabe (Oxford 1996) 79–103. 814 D. Sedley: A New Reading in the Anonymus «Theaetetus» Commentary (PBerol. 9762 Fragment D), in: Papiri filosofici. Miscellanea di studi I (Firenze 1997) 139–144. 815 M. Bonazzi: The Commentary as Polemical Tool. The Anonymous Commentator on the ‘Theaetetus’ against the Stoics, in: Laval théologique et philosophique 64 (2008) 597– 605. 816 M. Bonazzi: Le commentateur anonyme du ‹Théétète› et l’invention du platonisme, in: La mesure du savoir. Études sur le ‹Théétète› de Platon, sous la direction de D. El Murr (Paris 2013) 309–333.
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
Der Neupythagoreismus
Ausgaben, Kommentare,Übersetzungen 822 R. Harder: Ocellus Lucanus. Text und Kommentar (Berlin 1926) [Neue philologische Untersuchungen]. 823 M. Timpanaro Cardini: Pitagorici. Testimo nianze e frammenti, I–III (Firenze 1958– 1964) [Biblioteca di studi superiori 28, 41, 45]. 824 H. Thesleff: The Pythagorean Texts of the Hellenistic Period (Aabo 1965). – Rezension von W. Burkert, in: Gnomon 39 (1967) 548–556. 825 Timaios Lokros. Über die Natur des Kosmos und der Seele, kommentiert von M. Baltes (Leiden 1972) [PhA 21]. 826 Pseudo-Archytas über die Kategorien: Texte zur griechischen Aristoteles-Exegese, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von T. A. Szlezák (Berlin 1972) [Peripatoi 4]. 827 A. Städele: Die Briefe des Pythagoras und der Pythagoreer (Meisenheim am Glan 1980) [BKP 115]. 828 J. T. Fitzgerald, L. M. White: The Tabula of Cebes (Chico CA 1983) [Graeco-Roman Religion Series 7]. 829 Pitagorici antichi. Testimonianze e frammenti, a cura di M. Timpanaro Cardini (Milano 2010) [Il pensiero occidentale].
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Moderatos von Gades
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Moderatos von Gades 872 E. R. Dodds: The ‹Parmenides› of Plato and the Origin of the Neoplatonic ‘One’, in: CQ 22 (1928) 129–142. 873 W. Capelle: Moderatus, in: RE XV 2 (1932) 2318–2320. 874 J. Halfwassen: Speusipp und die metaphysische Deutung von Platons “Parmenides”, in: ΕΝ ΚΑΙ ΠΛΗΘΟΣ. Einheit und Vielheit. FS Karl Bormann, herausgegeben von L. Hagemann, R. Glei (Würzburg 1993) [Religionswissenschaftliche Studien 30] 339–373. 875 Ch. Tornau: Die Prinzipienlehre des Moderatos von Gades. Zu Simplikios in Ph. 230,34– 231,24 Diels, in: RhM 143 (2000) 197–220. 876 F. Romano: La probabile esegesi pitagorizzante (accademica, medioplatonica e neopitagorica) del ‹Parmenide› di Platone, in: Il ‹Parmenide› di Platone e la sua tradizione. Atti del III Colloquio Internazionale del Centro di Ricerca sul Neoplatonismo, a cura di M. Barbanti, F. Romano (Catania 2002) [Symbolon 24] 197–248.
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Ailianos
Fragmente
Sekundärliteratur
886 Porphyrius: Kommentar zur Harmonielehre des Ptolemaios, herausgegeben von I. Düring (Göteborg 1932). – 33,19–35,12; 36,9–37,5; 96,8–15.
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Nikomachos von Gerasa Ausgaben, Übersetzungen
Sekundärliteratur
898 Nicomachi Geraseni Pythagorei: Introductionis Arithmeticae libri II, recensuit R. Hoche (Lipsiae 1866). 899 Nicomaque de Gérase: Manuel d’harmonique et autres textes relatifs à la musique, traduit avec commentaire perpetuel par Ch.-É. Ruelle (Paris 1881). 900 Nicomachus: Harmonicum Enchiridium, in: Musici Scriptores Graeci: Aristoteles, Euclides, Nicomachus, Bacchius, Gaudentius, Alypius et melodiarum veterum quidquid exstat, recognovit prooemiis et indice instruxit C. Janus (Lipsiae 1895) 235–265. 901 Nicomachus of Gerasa: Introduction to Arithmetic, translated into English by M. L. D’Ooge, with Studies in Greek Arithmetic by F. E. Robbins and L. C. Karpinski (London 1926). 902 Thâbit Ibn Qurra: Arabische Übersetzung der Introductio arithmeticae des Nikomachos, herausgegeben von W. Kutsch (Bey routh 1958). 903 [Iamblichus:] Theologoumena arithmeticae, edidit V. De Falco (Lipsiae 1922). Editionem addendis et corrigendis adiunctis curavit H. Klein (Stutgardiae 1975). 904 Nicomaque de Gérase: Introduction arithmétique. Indroduction, traduction, notes et index par J. Bertier (Paris 1978) [HDAC 2]. 905 La manualistica musicale greca: [Euclide], Cleonide, Nicomaco, Excerpta Nicomachi, Bacchio il vecchio, Gaudenzio, Alipio, Excerpta Neapolitana, a cura di L. Zanoncelli (Milano 1990). 906 The Manual of Harmonics of Nicomachus the Pythagorean. Translation and commentary by F. R. Levin (Grand Rapids MI 1994).
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Numenios
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Kronios Fragmente
Sekundärliteratur
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Maximos von Tyros
989 J. Whittaker: Cronios, in: DPhA II (1994) 527–528. 990 M. Frede: Kronios, in: DNP VI (1999) 863– 864. 991 A. Gioè: Marginalia medioplatonica, in: PP 54 (1999) 204–205. 992 M. B. Trapp: Greek and Latin Letters. An Anthology, with Translation (Cambridge 2003).
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993 P. Pilhofer: Anmerkungen, in: Lukian: Der Tod des Peregrinos. Ein Scharlatan auf dem Scheiterhaufen, herausgegeben, übersetzt und mit Beiträgen versehen von P. Pilhofer, M. Baumbach, J. Gerlach, D. U. Hansen (Darmstadt 2005) [SAPERE 9] 48–93.
Maximos von Tyros
Textausgaben 999 Maximi Tyrii Philosophumena, edidit H. Hobein (Lipsiae 1910) [BT]. 1000 Maximus Tyrius: Dissertationes, edidit M. B. Trapp (Stutgardiae 1994) [BT]. 1001 Maximus Tyrius: Philosophumena – ΔΙΑΛΕΧΕΙΣ, edited by G. L. Koniaris (Berlin 1995) [TuK 17]. 1002 Maximus of Tyre: The Philosophical Orations, translated with an introduction and notes by M. B. Trapp (Oxford 1997). 1003 Maximos von Tyros: Philosophische Vorträge, übersetzt von O. Schönberger und E. Schönberger (Würzburg 2001).
Sekundärliteratur 1009 K. Dürr: Sprachliche Untersuchungen zu den Dialexeis des Maximus von Tyrus, in: Philologus Suppl. 8 (1899) 83–86. – Platonische Wortverbindungen. 1010 K. Meiser: Studien zu Maximos Tyrios (München 1909). 1011 H. Hobein: Zweck und Bedeutung der ersten Rede des Maximus Tyrius, in: ΧΑΡΙΤΕΣ. FS Friedrich Leo (Berlin 1911) 188–219. 1012 H. Mutschmann: Das erste Auftreten des Maximus von Tyrus in Rom, in: Sokrates 71 (1917) 185–197. 1013 R. M. Jones: Posidonius and the Flight of the Mind through the Universe, in: CPh 21 (1926) 97–113. 1014 W. Kroll, H. Hobein: Maximos (37), in: RE XIV 2 (1930) 2555–2562. 1015 G. Soury: Aperçus de philosophie religieuse chez Maxime de Tyr, platonicien éclectique: la prière, la divination, le problème du mal (Paris 1942) [Collection d’études anciennes].
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1016 H. P. Esser: Untersuchungen zu Gebet und Gottesverehrung der Neuplatoniker (Diss. Köln 1967). 1017 J. F. Kindstrand: Homer in der zweiten Sophistik (Uppsala 1973) [Acta Universitatis Upsaliensis, Studia Graeca Usaliensis 7]. 1018 J. Pépin: Il Medio Platonismo e l’Apologetica Cristiana, in: Storia della Filosofia IV, diretta da M. Dal Pra (Milano 1975) 251–289. 1019 K. Döring: Exemplum Socratis. Studien zur Sokratesnachwirkung in der kynisch-sto ischen Popularphilosophie der frühen K aiserzeit und im frühen Christentum (Wiesbaden 1979) [Hermes – Einzelschriften 42]. 1020 J. Puiggali: Maxime de Tyre et Favorinos, in: Annales de la faculté des lettres et sciences humaines de l’université de Dakar 10 (1980) 47–62. 1021 G. L. Koniaris: On Maximus of Tyre: Zetemata I, in: Classical Antiquity 1 (1982) 87–121. 1022 J. Puiggali: Dion Chrysostome et Maxime de Tyre, in: Annales de la faculté des lettres et sciences humaines de l’université de Dakar 12 (1982) 9–24. 1023 G. L. Koniaris: On Maximus of Tyre: Zetemata II, in: Classical Antiquity 2 (1983) 212– 250. 1024 J. Puiggali: Étude sur les dialexeis de Maxime de Tyr, conférencier platonicien du IIème siecle (Lille 1983). 1025 J. Whittaker: ΑΡΡΗΤΟΣ ΚΑΙ ΑΚΑΤΟΝΟΜΑΣ ΤΟΣ, in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 303–306. 1026 M. Szarmach: Maximos von Tyros. Eine literarische Monographie (Torún 1985).
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Bibliographie zum sechsten Kapitel
1027 P. W. Van der Horst: Maximus of Tyre on Prayer. An annotated Translation of Εἰ δεῖ εὔχεσθαι (Dissertatio 5), in: Geschichte – Tradition – Reflexion. FS Martin Hengel. II: Griechische und Römische Religion, herausgegeben von H. Cancik, H. Lichtenberger, P. Schäfer (Tübingen 1996) 323–338. 1028 M. B. Trapp: Philosophical Sermons: The ‘Dialexeis’ of Maximus of Tyre, in: ANRW II 34,3 (1997) 1945–1976. 1029 M. B. Trapp: Maximos von Tyros (1), in: DNP VII (1999) 1074–1075. 1030 I. Männlein-Robert: «Wissen um die göttlichen und die menschlichen Dinge». Eine Philosophiedefinition Platons und ihre Folgen, in: WJA 26 (2002) 14–38.
1031 P. L. Donini: Socrate ‘pitagorico’ e medioplatonico, in: Elenchos 24 (2003) 332–359. 1032 J. Campos Daroca, J. L. López Cruces (note traduite de l’espagnol et adaptée par F. Egea Tsibidou): Maxime de Tyr, in: DPhA IV (2005) 324–348. 1033 I. L. E. Ramelli: «Maximus» on Evil, Matter, and God. Arguments for the Identification of the Source of Eusebios (PE VII,22) with Maximus of Tyre, in: Adamantius 16 (2010) 230–255. 1034 I. Männlein-Robert: Tugend, Flucht und Ekstase: Zur ὁμοίωσις θεῷ in Kaiserzeit und Spätantike, in: Pietsch 2013 [*456: 99–111].
Kelsos
Textausgaben 1040 P. Koetschau: Origenes Werke. I: Die Schrift vom Martyrium. Buch 1–4 Gegen Celsus (Leipzig 1899). 1041 P. Koetschau: Origenes Werke. II: Buch 5–8 Gegen Celsus. Die Schrift vom Gebet (Leipzig 1899). 1042 R. Bader: Der ἀληθὴς λόγος des Kelsos (Stuttgart 1940) [Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft 33]. 1043 Origène: Contre Celse. Introduction, texte critique, traduction et notes par M. Borret, I–IV (Paris 1967–1969) [SC 132, 136, 147, 150]; V: Introduction générale, tables et index (Paris 1976) [SC 227]. 1044 L. Rougier: Celse: Contre les Chrétiens. La réaction païenne sous l’Empire romain (Paris 1977) [Théoriques 1]. – Essay und französische Übersetzung. 1045 Origen: Contra Celsum, translated with an introduction and notes by H. Chadwick (Cambridge 1980). 1046 Celsus: On the True Doctrine. A Discourse against the Christians, translated with a general introduction by R. J. Hoffmann (Oxford 1987). 1047 Celso: Il discorso vero, a cura di G. Lanata (Milano 1987, 21994) [Piccola biblioteca Adelphi 206].
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1048 Celsus: Gegen die Christen, aus dem Griechischen von Th. Keim, mit Beiträgen von F. W. Korff, E. Fuhrmann (München 1991). 1049 Origenes: Contra Celsum libri VIII, edidit M. Marcovich (Leiden 2001) [VChr Suppl. 54]. – Problematisch aufgrund unbegründeter Konjekturen.
Sekundärliteratur 1055 Celsus: Wahres Wort. Älteste Streitschrift antiker Weltanschauung gegen das Christentum vom Jahr 178 n. Chr., wiederhergestellt, aus dem Griechischen übersetzt, untersucht, erläutert, mit Lucian und Minucius Felix verglichen von Th. Keim (Zürich 1873). 1056 Th. Keim: Rom und das Christentum. Eine Darstellung des Kampfes zwischen dem alten und dem neuen Glauben im römischen Reiche während der beiden ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung (Berlin 1881). 1057 G. Loesche: Haben die späteren Neuplatonischen Polemiker gegen das Christentum das Werk des Celsus benutzt?, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 27 (1884) 257– 302. 1058 K. J. Neumann, Celsus (20), in: RE III 2 (1899) 1884–1885. 1059 P. Koetschau: Die Gliederung des ἀληθὴς λόγος des Celsus, in: Jahrbuch für protestantische Philologie 18 (1892) 604–632.
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Kelsos
1060 H. Koch: Pronoia und Paideusis: Studien über Origenes und sein Verhältnis zum Platonismus (Berlin, Leipzig 1932; ND New York 1979) [AKG 22]. 1061 P. de Labriolle: La réaction païenne. Étude sur la polémique antichrétienne du I au VI siècle (Paris 1934; ND 1948). 1062 A. Wifstrand: Die wahre Lehre des Kelsos, in: Bulletin de la Société Royale des Lettres de Lund (1941/42) 391–431. 1063 R. Walzer: Galen on Jews and Christians (Oxford 1949) [Oxford Classical and Philosophical Monographs]. 1064 P. Merlan: Celsus, in: RAC 2 (1954) 954– 965. – Wieder in: Ders.: Kleine philoso phische Schriften, herausgegeben von F. Merlan (Hildesheim, New York 1976) [Col lectanea 20] 352–357. 1065 C. Andresen: Logos und Nomos. Die Polemik des Kelsos wider das Christentum (Berlin 1955). 1066 H. Dörrie: Die platonische Theologie des Kelsos in ihrer Auseinandersetzung mit der christlichen Theologie auf Grund von Origenes, C. Celsum 7,42ff., in: NAGW Nr. 2 (1967) 19–55. – Wieder in: Dörrie 1976 [*23: 229–262]. 1067 H. Dörrie: Logos-Religion? Oder NousTheologie? Die hauptsächlichen Aspekte des kaiserzeitlichen Platonismus, in: Kephalaion. Studies in Greek Philosophy and its Continuation. FS C. J. de Vogel, edited by J. Mansfeld, L. M. De Rijk (Assen 1975) [Philosophical Texts and Studies 23] 115–136. 1068 W. Ullmann: Die Bedeutung der Gotteserkenntnis für die Gesamtkonzeption von Celsus’ Logos Alethes, in: StPatr 14 (1976) 180–188. 1069 H. Usener: Glossarium Epicureum, edendum curaverunt M. Gigante, W. Schmid (Rom 1977). 1070 K. Pichler: Streit um das Christentum. Der Angriff des Kelsos und die Antwort des Origenes (Bern 1980). – Forschungsbericht mit Textgeschichte.
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1071 R. J. Hauck, Omnes Contra Celsum?, in: The Second Century 5 (1985/86) 211–225. 1072 P. Pilhofer: Presbyteron kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte (Tübingen 1990) [WUNT, 2. Reihe 39]. 1073 G. Watson: Celsus and the Philosophical Opposition to Christianity, in: Irish Theological Quarterly 58 (1992) 165–179. 1074 M. Frede: Celsus philosophus Platonicus, in: ANRW II 36,7 (1994) 5183–5213. 1075 J. Whittaker: Celsus, in: DPhA II (1994) 255–256. 1076 A. Magris: Aufklärerischer Platonismus: Kelsos und Origenes, in: Chartulae. FS Wolfgang Speyer (Münster 1998) 228–243. 1077 M. Baltes: Kelsos, in: DNP VI (1999) 385– 387. 1078 J. W. Hargis: Against the Christians. The Rise of Early Anti-Christian Polemic (New York 1999) [Patristic Studies 1]. 1079 H. E. Lona: Die ‹Wahre Lehre› des Kelsos, übersetzt und erklärt von H. E. Lona (Freiburg i. Br. 2005). 1080 R. E. Cornavaca: Citas del ‹Fedro› y de la ‹República› del Platón en algunos Padres cristianos de los siglos II y III, in: Revista de estudios clásicos 37 (2010) 31–55. 1081 M. Di Pasquale Barbanti: Platone contro Platone nel ‹Contra Celsum› di Origene. Presupposti storici e strutture teoriche, in: Temi e forme della polemica in età cristiana (III–V secolo), a cura di M. Marin, M. Veronese (Bari 2011) 233–256. 1082 M.-O. Boulnois: Le Contre les Galiléens de l’empereur Julien répond-il au Contre Celse d’Origène?, in: ΕΝ ΚΑΛΟΙΣ ΚΟΙΝΟΠΡΑΓΙΑ. Hommages à la mémoire de Pierre-Louis Malosse et Jean Bouffartigue, édités par E. Amato (Nantes 2014) [Revue des études tardo-antiques Suppl. 3] 103–128. 1083 J. Arnold: Der Wahre Logos des Kelsos. Eine Strukturanalyse (Münster 2016) [JbAC Ergänzungsband 39].
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Siebtes Kapitel
Philosophie im hellenistischen Judentum
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§ 73. Septuaginta Martin Karrer
1. Werkbeschreibung. – 2. Lehre. – 3. Nachwirkung.
1. WERKBESCHREIBUNG
In der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. begann in Alexandrien die Übersetzung der zentralen Schriften Israels, zunächst der Tora (Gen.–Dtn.). Der Legende nach wurde sie durch Ptolemaios II. veranlasst und durch 72, nach anderer Tradition durch 70 Übersetzer vollzogen (daher der Name Septuaginta, abgekürzt LXX). Doch können innerjüdische Bedürfnisse und ein hohes Selbstbewusstsein der großen jüdischen Bevölkerungsgruppe in Alexandrien eine gleichermaßen wichtige Rolle gespielt haben. Die Übersetzer formulierten in Dtn. 4,5–8 den Auftrag, allen Völkern die Rechtsbestimmungen des einen Gottes zu Gehör zu bringen; denn dadurch würden sie die «Weisheit» (σοφία) und «Einsicht» (σύνεσις) Israels als eines «verständigen» (ἐπιστήμων) Volkes erkennen. Es wäre eine Überschätzung, wollte man in diesen Sätzen das Ziel ihrer Übersetzung finden; trotzdem ist die in der Auswahl der genannten griechischen Begriffe erkennbare Tendenz wichtig: Die Tora Israels (die ‘Weisung’ Gottes im allgemeinen Sinne) soll als ‘Gesetz’, νόμος, d. h. als Grundlage menschlichen Zusammenlebens und Ausdruck größter Weisheit verstanden werden. Das verbindet Theonomie und Vernunft; durch die Übersetzung entsteht – ohne dass die Terminologie der Philosophie in größerem Umfang benützt würde – eine Brücke zur Philosophie im Sinne der damals hoch geschätzten Staats- und Rechtsphilosophie. Bereits Platon hatte ja die Gesetze (νόμοι) und das Gerechte (τὰ δίκαια) ins Zentrum seines Denkens gestellt (Plat. Epist. 7, 326a u. ö.), was in der Zeit der LXX beträchtliche Wirkung entfaltete (bis hin zu Ciceros ‹De legibus›). Ob die Übersetzer diese Brücke bewusst schlugen, ist umstritten. Doch die Rezeption knüpfte schon während des Fortgangs der Übersetzungsarbeit daran an. Spätestens um 150 v. Chr. verbreitete sich auf jüdischer Seite die Überzeugung, Platon habe Israels Gesetz studiert und rezipiert (Aristobulos fr. 3 = Eus. Praep. ev. XIII,12,1–2), aus heutiger Sicht ein Anachronismus, damals eingebettet in die Neigung, Wurzeln griechischer Philosophie im Orient zu suchen (vgl. Hekataios von Abdera), und gestützt durch volkstümliche Chronologie, der gemäß Mose in die ägyptische Zeit und Platon zur jüngeren griechischen Epoche gehörte. In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts machte die Gründungslegende des AristeasBriefes die Übersetzer der Tora zu Gesprächspartnern des Ptolemaios in Fragen
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VII. Philosophie im hellenistischen Judentum
der Herrschaftsgestaltung und Herrschaftsethik, eine Reminiszenz der Idee, Herrscher ließen sich durch Weise beraten. Die Tora-Übersetzung war in dieser Zeit abgeschlossen, die Übertragung der weiteren Heiligen Schriften Israels im Gang. Bis 140 v. Chr. erfasste sie den Großteil der Geschichtsbücher und prophetischen Schriften und beträchtliche Teile der ‹Psalmen› und Weisheitsschriften (siehe den Prolog von Sir. mit einer der wichtigsten antiken Reflexionen auf Probleme des Übersetzens). Der Übersetzer der ‹Proverbia› stellte sich das an der Weisheit orientierte jüdische Leben nun wie ein «Zusammenkommen in Säulenhallen» zur Belehrung vor (ὁμιλεῖτε ἐν περιπάτοις: Prov. 23,31 LXX gegen den hebräischen Text), was, unbeschadet religiöser Distanz, eine Berührung zum aristotelischen Peripatos impliziert. Nicht ausgeschlossen, aber vorsichtiger als früher zu erörtern, ist ein gelegentlicher Einfluss eines LXX-Motivs auf die Philosophie (am bekanntesten das Lob eines recht gelebten Tages Ps. 83,11 LXX; vgl. Philon Her. 290; Cic. Tusc. 5,5f.; Sen. Epist. 78,28; O. Weinreich, R. Brucker in Kraus, Karrer 2011 [*18: 1743]). Die Übersetzung der letzten verbleibenden Schriften (Erzählungen, Lieder) zog sich bis ins späte 1. Jahrhundert v. Chr., im Einzelfall bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. hin (einige Datierungen sind umstritten). In dieser Epoche wandelte sich das Übersetzungsverständnis. Die meisten Übersetzungen bis zum 2. Jahrhundert gaben Eigenheiten des Griechischen Raum (sie wären in heutiger Terminologie ‘zielsprachlich’ zu nennen) und gestatteten Aktualisierungen oder freie Wiedergaben, was in der Prophetie bis zum ‹Jesaja›-Buch besonders relevant ist. Ab dem späten 2. Jahrhundert, verstärkt im 1. Jahrhundert v. Chr. verbreitete sich dagegen ein Wunsch nach Abbildung des Ausgangstextes bis in die phonetische und syntaktische Textoberfläche. Solche Abbildungen waren nicht neu; z. B. dürfte sich die für die philosophische Ethik wichtige Bevorzugung des Begriffs ‘Liebe’ (ἀγάπη) statt ‘Eros’ (ἔρως) aus der phonetischen Nähe zum hebräischen ‘ahabah’ erklären, nicht, wie früher gerne gedacht, aus einem anti-erotischen Affekt. Aber die Abbildungen vermehrten sich nun. Auch Zweitübersetzungen begannen zu entstehen (z. B. der sog. Theodotion-Text von Dan.). Die Besprechung der Septuaginta muss nicht nur diesen Wandel einbeziehen, sondern auch junge jüdisch-griechische Schriften, die besonders stark hellenistisch geprägt sind (philosophisch am relevantesten Sapientia und das 4. ‹Makkabäer›-Buch). Hinzu kommt, dass die Übersetzung und Sammlung der Schriften in keiner Phase zentral organisiert wurden. Neben alexandrinischen Übersetzern waren mit Sicherheit Bearbeiter aus Judäa tätig (siehe das Kolophon F 11 von ‹Esther› LXX), gelegentlich vielleicht auch einzelne Mitwirkende aus der Ägäis (letzteres ist allerdings fraglich; auffällige Details wie der parische Marmor 1. Chron. 29,2 LXX können im Mittelmeerraum allgemein verbreitetes Wissen spiegeln). Die verwendeten hebräischen Handschriften waren nicht standardisiert; der sog. proto-masoretische Text (d. h. der noch nicht vokalisierte Mehrheitstext der he bräischen Bibel), die Basis für die heutigen Textausgaben, verdrängte alternative Textfassungen erst allmählich, so dass viele Besonderheiten der Septuaginta auf eine später verlorene hebräische Vorlage verweisen (am bekanntesten der abweichende Ier.-Text).
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§ 73. Septuaginta (Bibl. 754–756)
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Als Übersetzung der ‘Siebzig’ im engeren Sinn galt zunächst die Übersetzung des Pentateuchs, auf die dann die anderen Übersetzungen zu beziehen waren. Noch der jüdische Philosoph Philon zitiert aus den anderen Schriften der Septua ginta nicht unabhängig, sondern stets unter Bezug auf den Pentateuch. Parallel dazu bildete sich aber bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. allmählich das Bewusstsein für eine Gesamtsammlung aus (Jos. Ap. 1,38–45). Der Sammlung würdig wurde dabei nun auch eine Reihe von ab Beginn auf Griechisch verfassten Erzählungen und Weisheitsschriften gehalten (so die erwähnten Bücher Sir., Sap. und 4. Makk.). Die Rollen, auf die alle Texte geschrieben wurden, erlaubten allerdings lediglich Teileditionen. So blieb bis ins frühe Christentum der Rand der Sammlung offen. Ein kleiner Teil der Handschriften integriert die für Reflexionen über die Gerechtigkeit wichtigen jüdischen ‹Psalmen Salomons›, die große Mehrheit eine Sammlung der Lieder, die nicht in den Psalter eingingen (die ‹Oden›); diese Quelle hat jüdische Wurzeln, wurde jedoch erst im christlichen Kontext in die heutige Form gebracht. Sie enthält auch neutestamentliche Lieder und endet in einem christ lichen Morgenhymnus. Die Septuaginta ist also kein einheitliches Werk, vielmehr eine Sammlung von Schriften verschiedener Epochen, die im Judentum entstand und im Christentum zum Abschluss kam. Die kritischen Editionen orientieren sich an der herzustellenden ältesten jüdischen Textfassung, bei den ‹Oden› am vermutet ältesten christlichen Text. Der Streit der Spezialforschung, ob die Septuaginta interlinear zum hebräischen Text aufzufassen sei, mithin inhaltlich nur begrenzt über diesen hinausgehe (ein wichtiges, vor allem von A. Pietersma eingebrachtes Moment in Pietersma, Wright 2007 [*9]), oder ob sie mit den Augen der Leser und daher als griechisches Werk eigenständig zu lesen sei (so ein wichtiger Teil der europäischen Forschung), ist auf mittlerem Wege zu lösen: In der Vielfalt der Schriften suchen manche strikt das Hebräische abzubilden, während andere sich weit zum griechischen Raum hin öffnen. Ein einzigartiges Dokument jüdisch-christlichen Denkens entsteht, das sich einer strikten Einheitlichkeit verweigert, jedoch Vielfalt und Entwicklungen umso bedeutsamer anzeigt. 2. LEHRE
Übersetzungsliteratur ist an die Vorlage gebunden, und das Hebräische kennt kein Äquivalent für ‘Philosophie’. Daher ist der Umweg über die im ganzen Orient verbreitete Lebensorientierung mit Hilfe der ‘Weisheit’ unumgänglich (he bräisch ‘chokhma’). Der hebräische Pentateuch aber sprach von Weisheit nur begrenzt. Er bezog sie auf praktische Fähigkeiten (σοφία: Ex. 31,3; 35,26. 31 u. ö.) und die Qualität von Leitung in Israel (σοφός: Dtn. 1,13. 15). Das macht die zitierte These, ganz Israel besitze «Weisheit» (Dtn. 4,6 LXX), zum exzeptionellen Spitzensatz, konterkariert durch den Vorwurf, Israel verspiele töricht seine Weisheit (Dtn. 32,6). Der Pentateuch, Israels Grundtext, ist also unbeschadet wichtiger Aspekte, auf die zurückzukommen sein wird, nicht weisheitlich-philosophisch zu lesen.
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VII. Philosophie im hellenistischen Judentum
Anders stellte das Schlüsselwerk der jüdischen Weisheitsliteratur, die ‹Proverbia›, wahrscheinlich bereits hebräisch einen Bezug zur griechischen Weisheit her; «ṣôphîah» («sie [nämlich die ideale Frau, bildlich die Frau Weisheit] schaut») in Prov. 31,27 lässt sich jedenfalls gut als Anspielung auf das griechische Wort σοφία lesen, was der perserzeitlich-frühhellenistische Autor dieses Verses nach Ansicht eines Teils der gegenwärtigen Forschung intendierte. Die Übersetzer gingen einen Schritt weiter. Sie wählten σοφία zur Standardübersetzung von Weisheit im umfassenden Sinne und sprachen Salomon, dem fiktiven Urheber der Sprichwörter, die Fähigkeit zu, andere Weise in der «Vernunftdiskussion» (λόγοι φρονήσεως), der «Leitungskunst» (κυβέρνησις) und der «Rechts- und Erziehungsweisheit» (δικαιοσύνη und παιδεία) zu fördern sowie «dunkle Worte zu verstehen» (νοεῖν […] σκοτεινὸν λόγον; man vgl. die griechische Erinnerung an die dunklen Worte der Vorsokratiker). Salomon erhielt nicht explizit, aber in der Sache den Rang eines Weltweisen (Prov. 1,1–6 LXX). Die griechische Philosophie freilich unterschied in dieser Epoche bereits länger Weisheit und Philosophie, oft mit scharfen Kontrasten (vgl. Pythagoras nach D. L. 1,12). Sie würdigte die Spruchweisheit der sieben Weisen, deren Form sich mit der jüdischen Weisheit vergleichen lässt, ohne sie mit Philosophie der Gegenwart zu identifizieren. Jüdische Weisheit behielt insofern einen Abstand zur Philosophie. Die Berührungen der ‹Proverbia› zu Platon und Aristoteles blieben gering (trotz mancher Versuche, Prov. 8,22ff. mit dem ‹Timaios› und Prov. 6,8a–c LXX mit Aristot. Hist. an. 622b20f. 24–27; 623b13f. 17ff. zu vergleichen; vgl. von Lips 2003 [*39: 47f.], kritisch Cook 2008 [*48]). In der LXX-Rezeption wurde diese Distanz als Würde des heiligen Textes interpretiert, der das Gespräch mit der Philosophie unter die eigenen hermeneutischen Herausforderungen stelle. Ob bereits die Übersetzer und die Textüberlieferung bis zur Zeitenwende eine solche Auffassung entwickelt hatten, ist dagegen fraglich (Léonas 2007 [*44: 187, 195 u. ö.]). Hier ist zunächst die Traditionsgebundenheit eines Übersetzungstextes zu beachten. Den Anfang der Weisheit bilden – fährt Prov. 1,7 fort – «Gottesfurcht und Frömmigkeit» (φόβος θεοῦ […] εὐσέβεια). Das schlägt einen Bogen zur Aussage von Ier. 9,23f. (nach anderer Zählung 9,22), wonach sich der «Weise» (σοφός) spezifisch dessen rühmen soll, dass er den einen Gott, dessen Recht und dessen Willen verstehe und erkenne. Dieses jeremianische Wort wurde zum geflügelten Motiv; es ging ins Lied der Hanna nach 1. Sam. 2,10 (1. Reg. 2,10 LXX) und die ‹Oden› (Od. 3,10) ein: Der «verständige» (φρόνιμος) bzw. «weise» (σοφός) Mensch entwickelt sein Denken daraus, «den Herrn zu verstehen und zu erkennen» (συν ίειν καὶ γινώσκειν τὸν κύριον), und bringt das in «gerechtem Urteilen und Handeln» (κρίμα καὶ δικαιοσύνη) zum Ausdruck. Prophetie, Weisheit und Lied bekunden demnach die Basis jüdisch-christlicher Philosophie nach der Septuaginta: Jüdisch-christliche Philosophie entfaltet ein theonomes Bewusstsein in vernünftiger Reflexion mit dem Ziel einer Ethik der Gerechtigkeit. Das berühmte Wort vom neuen Bund Ier. 38,31–34 LXX steigert in seiner griechischen Fassung dieses Selbstverständnis (mit mehreren Änderungen gegenüber der Fassung im 31. Kap. des hebräischen Buches Ier.): «Erkenne den Herrn» (γνῶθι
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§ 73. Septuaginta (Bibl. 754–756)
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τὸν κύριον: v. 34) sei der Leitspruch von Israels Mitbürgern in den griechischen Städten, nicht das griechische «erkenne dich selbst» (das von der LXX nie zitiert wird, aber an unserer Stelle durch den Singular «erkenne» gegen den Plural «erkennt» des hebräischen Textes anklingt). Und wenn Gott Israel seinen neuen Bund gewährt, wird er seine Gesetze und solche Erkenntnis unmittelbar an Herz und «Verstand» (διάνοια: v. 33) mitteilen. Des «Lehrens» (wie Lehrhäuser Israels oder Philosophenschulen es pflegen; διδάσκειν: v. 33) wird es dann nicht mehr bedürfen. Im Zentrum solch theonomer Philosophie steht (wenn der Ausdruck ‘Philosophie’ gestattet ist) – das ist durch den Pentateuch vorgezeichnet – das Gesetz im Sinne der Lebensordnung, durch die Gott Einsicht gewährt und die Gerechtigkeit schafft. In Sir. 24,23 wird dieses Verständnis des Gesetzes vertieft zur διαθήκη, der «Bundes-Setzung» Gottes. Mit philosophischen Augen gelesen, kommt der Ethik eine Schlüsselrolle für die Theoriebildung zu, ohne letztere ganz zu bestimmen. Denn in großen Liedern der Septuaginta überragt die Weisheit – die Grundlage für Israels Art der Philosophie – alle menschlichen Fähigkeiten und steht dem Göttlichen unmittelbar nahe (Sir. 24,1–22; Bar. 3,15–38). Die Weisheit ist also mehr als das Gesetz und konkretisiert sich doch im «Gesetz» (νόμος: Sir. 24,23; Bar. 4,1), das Momente des Weltgesetzes integriert. Falls die «Schriftrolle», die dieses Gesetz aufnimmt (βίβλος an beiden genannten Stellen), auf den Pentateuch (die Tora) verweist, würde dessen Gesetz höchste ethische Weisheit. Die Belege reichen nicht, um die Identifizierung nachzuweisen (der Pentateuch wurde auf mehrere Rollen geschrieben). Die Tendenz indes gilt in jedem Fall; wo das Judentum (und frühe Christentum) ihre Tradition philo sophisch durchdringen, müssen sie der Rechtsethik höchsten Raum gewähren und sie mit anderen Rechtsethiken der (antiken) Philosophie korrelieren, zudem Züge der antiken Kosmologie einbeziehen. Das hebräische Original des Pentateuchs begann mit Schöpfung und Grundgeschichte der Menschheit. Beides konnte bei der Übertragung philosophienah reflektiert werden. Nach einem Teil der Forschung war den Übersetzern des Buches Gen. (im 3. Jahrhundert, zeitlich vor den im letzten Abschnitt angesprochenen Weisheitsspekulationen) Platons ‹Timaios› vertraut (Rösel 1994 [*34]; gut begründet); nach anderen wählten sie verwandte Begriffe aufgrund der allgemeinen Sprachkonvention (spezifisch philosophische Intentionen verlieren sich beim Modell einer interlinearen Übersetzung; vgl. van der Louw 2007 [*47: Kap. 2 und Kap. 4]). Jedenfalls erinnern die Termini «unsichtbar und unbearbeitet» (ἀόρατος καὶ ἀκατασκεύαστος: Gen. 1,2), «fester Körper» (στερέωμα: 1,6), «lebendige Seele» (ψυχή: 1,21) und die leichte, aber folgenreiche Glättung in 2,3–5 (vgl. 2,9. 19) an eine frühe Wirkung Platons: Die zwei hebräischen Schöpfungsberichte in Gen. 1–2 werden zur Abfolge von immaterieller Konzeptionierung, vergleichbar der platonischen Ideenwelt (1,1–2,4a), und materieller Gestaltung (2,4b–25). Entweder führt damit die LXX-Übersetzung selbst den Platonismus ins jüdische Verständnis der Heiligen Schriften ein oder sie eröffnet zumindest diese Möglichkeit der Rezeption (realisiert ab Philon). Interessanterweise entdecken wir daraufhin philosophische Berührungen auch in der Anthropologie jüngerer Schriften (z. B. das Motiv des «Einklangs», ἁρ
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μονία, im Bild der Belebung Hes. 37,7 LXX). Sap. 7,1–6 kennt vielleicht Aris toteles’ ‹De generatione animalium› (Leproux 2007 [*45: 84–89]; kritisch Bons 2012 [*51]). Das Gottesverständnis konnte davon nicht unberührt bleiben. In Ex. 3,14 LXX nähert sich die Formulierung – wahrscheinlich nicht bewusst philosophisch, doch unter Berührung mit philosophischer Sprache – ontologischer Terminologie (Gott sei «der Seiende» (ὁ ὤν); Rösel 1998 [*37]). Ies. LXX vertieft dies geschichtsphilosophisch: Gott wird zum ‘Ersten’ und ‘ist’ bis zum Kommenden (Ies. 41,4; 48,12). Das ‹Buch der Weisheit› führt dies fort (bezüglich 7,23–26, 13,1–5 und 15,3 werden Berührungen zu mittlerem Platonismus und Stoa diskutiert; Positionen bei Engel et al. 1991 [*32], Kepper 1999 [*38: bes. 174ff.], Neher 2004 [*40: 179f., 229] u. a.). Interessanterweise bleibt dabei die Möglichkeit offen, dass einzelne philosophisch relevante Begriffe erstmals in diesem Kontext geprägt wurden (θειότης, «Gottheit», könnte in Sap. 18,9 der Verwendung in philosophischen Fragmenten vorausgehen, da die Rekonstruktion in Epikur fr. 38 Usener [Philodem De piet. 1263–1267 Obbink] fraglich ist; Kugelmeier 2010 [*50: 351–356]). Von Einflüssen ist deshalb manchmal weniger zu sprechen als einer allgemeinen Entwicklung der Bildung. Platon kritisierte im ‹Euthydemos› Proteus, ‘den Ägypter’, als ‘Sophisten’ im Sinne eines Zauberers und Scharlatans (288b). Ex. 7,11 LXX nennt ähnlich die Gegner Moses «Sophisten» voller Magie, und eine jüngere Übersetzungsschicht von Gen. 41,24 (Theodotion) macht auch aus den ägyptischen Traumdeutern «Sophisten» (LXX hat «Exegeten»; vgl. Hdt. 1,78). Ohne dass Kenntnis von Platons Werk vorauszusetzen ist, klingt darin seine Sophisten-Kritik an. Wo die Dan.-Übersetzung (2. Jahrhundert v. Chr.?) entstand, wissen wir nicht. In der erzählten Welt führt sie ins Zweistromland und gebraucht dabei das erste und einzige Mal in den Übersetzungsschriften den Terminus «Philosoph» (φιλόσοφος): Am babylonischen Hofe erweisen sich die legendären Gestalten Daniels und seiner Gefährten zehnfach den dortigen ‘Philosophen’ überlegen, weil sie als Verehrer des einen Gottes Nebukadnezar kundig und recht beraten (Dan. 1,20 LXX nach Hs. 88 und Teilen der lat. Tochterüberlieferung; Text von Rahlfs 2006 [*1]). Einige Handschriften ersetzen das durch die Variante ‘Philologe’. Die Göttinger Edition bevorzugt diese Lesart, die eventuell eine Reminiszenz an die Homer-Philologie Alexandriens darstellt. Ist die Lesart «Philosoph» ursprünglich, wofür viel spricht, bietet der Fortgang des Verses weiteren Aufschluss über das Ideal der Staatsphilosophie in jüdischen Augen: Daniel und seine Gefährten werden vom König glanzvoll belobigt und – wiederum nach einem Teil der Überlieferung – mit Amtsstellen ausgestattet. Sie werden «Archonten» (ἄρχοντες: Dan. 1,20 LXX; Text von Rahlfs 2006 [*1]), was an die Forderung von Platons ‹Siebten Brief› (326b) erinnert, Philosophen sollten zu «Führungsstellen» (εἰς ἀρχάς) gelangen. Die platonische Sophistenkritik tritt zugleich zurück. Daniel heißt in seiner Fähigkeit zur Traumdeutung unbeschwert «Anführer der Sophisten» (Dan. 4,15 [18] LXX), so dass Philosophie zur Weltdeutung und Herrscherberatung mit astrologischen und traumdeuterischen Kenntnissen wird. Die Philosophie des späten Hellenismus befasst sich insbesondere mit dem Leid (mit unterschiedlichen Zugängen von der Stoa bis zum Epikureismus). Die Frage
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stellung beeinflusst die hochreflektierte, aber philosophische Terminologie nur zögerlich verwendende Übersetzung des ‹Hiob›-Buches und deren Forderung nach Besonnenheit im Leid (2. Jh. v. Chr., Nachträge jünger; vgl. M. Witte und M. Kepper in Kraus, Karrer 2011 [*18: 2057f.]). Im 1. Jahrhundert n. Chr. veranlasst sie die von vornherein griechische Abfassung eines explizit philosophischen Traktates über die Beherrschung der Leiden durch den gottvertrauenden Menschen, des 4. ‹Makkabäer›-Buches. Der Autor dieser jungen Schrift versucht, das Gesetzesdenken Israels und griechisches Lebensideal durch einen dehnbaren Philosophiebegriff in Einklang zu bringen. Theologie wird durch eine eklektische Synthese philosophischer Akzente unter besonderem Gewicht der Stoa zur Philosophie (vgl. φιλόσοφος usw. in 4. Macc. 1,1–7,7. 21; Klauck 1989 [*31] u. a.). Die LXX, deren hebräische Vorlagen nicht der Philosophie zugeordnet werden können, gewinnt philosophische Züge. 3. NACHWIRKUNG
Die Septuaginta entfaltet bei Philon und den griechischen Kirchenvätern eine umfassende Wirkung, immer wieder in Konkurrenz mit der Philosophie (z. B. liest Clemens von Alexandrien in Strom. 1,54,4 Prov. 10,17 als Kritik an nur scheinbar Weisen). Sie ist der Referenztext für Zitate des Alten Testaments im Neuen Testament. Die Verschmelzung der Weltenstehungserzählung der griechischen ‹Genesis› und des platonischen ‹Timaios› begründete die über Jahrhunderte hinweg gültige Kosmologie, und Schlüsselstellen wie Ex. 3,14 prägen philosophisch-theologische Entscheidungen bis in die Gegenwart.
§ 74. ‹Weisheit Salomons› David Winston
Die ‹Weisheit Salomons›, von einem hellenisierten Juden von vornherein in griechischer Sprache und aller Wahrscheinlichkeit nach in Alexandrien selbst abgefasst, dürfte in der Zeit zwischen 30 v. Chr. und 70 n. Chr. entstanden sein, als nach der Eroberung der Stadt durch die Römer 30 v. Chr. (vgl. 6,3; 14,22; 19,16) die frühere Hoffnung der alexandrinischen Juden auf soziale und kulturelle Anerkennung seitens der griechischen Bevölkerung zunehmender Desillusionierung und Enttäuschung gewichen war. Von einigen Forschern wird allerdings an der älteren Datierung auf Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. bzw. Anfang des 1. Jahrhunderts festgehalten (Schmitt 1989 [*63: 6]). Bereits ein flüchtiger Blick auf das Werk macht deutlich, dass es sich weniger um eine philosophische Abhandlung als viel-
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mehr um eine rhetorische Schrift handelt, die gattungsgeschichtlich Elemente eines Protreptikos mit solchen eines Enkomiums verbindet. Eingerahmt durch eine Ermahnungsrede bietet sie in kunstvollem und literarisch ausgefeiltem Stil (Winston 2005 [*90]) eine enthusiastisch preisende Anrufung der Weisheit. Der Aufbau – mehrfach in konzentrischen Ringkompositionen angelegt – ist dreigliedrig (Gilbert 2005 [*89]): 1) Mahnrede an die Mächtigen, nach der Unsterblichkeit verleihenden Weisheit zu trachten (Sap. 1,1–6,21); 2) Lobrede auf die Weisheit mit einer Beschreibung von deren Wesen und Wirken und Salomons Suche nach ihr (Sap. 6,22–9,18); 3) Heilsgeschichtlicher Rückblick auf das Walten der göttlichen Weisheit vom Beginn der Erschaffung des Menschen bis zum Exodus des Volkes Israel (Sap. 10,1–19,22). Dieser letzte Teil enthält ausgefeilte «Vergleiche» (συγ κρίσεις), indem in sieben ‘Diptychen’ die Bestrafung der Gottlosen und die Belohnung der Gerechten einander gegenübergestellt werden. Doch ungeachtet der rhetorischen Gesamtanlage der Schrift erweist sich der Autor im Rahmen seiner Allgemeinbildung ebenso gut mit zeitgenössischen philosophischen Strömungen vertraut. Dadurch, dass er gewisse Begriffe, Konzepte und Grundsätze der Philosophie selektiv übernimmt, nähert er die Weisheitstradition des hellenistischen Judentums so augenfällig an die philosophische Tradition an, dass das in die Septuaginta integrierte ‹Buch der Weisheit› das am stärksten philosophisch wirkende Buch der griechischen Bibel ist. Eine neue Gewichtung innerhalb der jüdischen Tradition nimmt der Verfasser vor, wenn er der platonischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele eine zentrale Rolle einräumt (vgl. Sap. 1,15; 2,23; 3,4; 8,17 usw.) und sogar die Vorstellung von der Präexistenz der Seele möglicherweise erstmals in der jüdischen Literatur anklingen lässt, falls eine vage Formulierung (Sap. 8,19f.) wirklich in diesem Sinn zu verstehen sein sollte. Noch bedeutsamer ist die Tatsache, dass er die anthropologischen Grundkoordinaten des Platonismus, den in dieser Weise der jüdischen Tradition fremden Dualismus von Körper und Seele, teilt, indem er die Über legenheit der tugendhaften Seele gegenüber der Zeugung leiblicher Nachkommenschaft vertritt (Sap. 4,1; vgl. Plat. Symp. 208eff.) und die widrigen Einwirkungen des Körpers auf die Seele (vgl. Plat. Phaed. 66b; Rep. 10, 611c) in dem berühmten, einem populären Platonismus verpflichteten Diktum pointiert zum Ausdruck bringt: «Der vergängliche Leib beschwert die Seele, und das irdische Zelt belastet den Geist voll von Sorgen» (Sap. 9,15; vgl. Plat. Phaed. 81c, Phdr. 247b). Die hellenistische philosophische Ethik kommt ins Spiel bei der Darstellung eines traditionell biblischen Themas wie der göttlichen Vergeltung nach dem Talionsprinzip (der Vergeltung nach dem Auge-um-Auge-Prinzip). Die ausgeführten Vergleiche des letzten Teils, wo in sieben ‘Diptychen’ die Bestrafung der Ägypter und die Belohnung der Israeliten dargestellt wird, ist nach dem Grundsatz strukturiert, dass die Verfehltheit einer bösen Tat nicht in ihr selbst liegt, sondern in der Irrationalität, aus der sie hervorgeht (vgl. Sap. 11,15; 14,22 usw.). Das entspricht besonders der stoischen Ethik, der zufolge sich die Werthaftigkeit der Handlung eines Weisen in seiner tugendhaften Haltung zeigt, von der sein Handeln zeugt, nicht in dem, was er tut (Amir 1992 [*78: 37ff.]). Dem Autor wichtig ist, dass den Missetätern selbst der Zusammenhang zwischen ihren Vergehen und
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ihrem Leiden klar wird (Sap. 18,19). Eine ähnliche Position wird später Maimonides einnehmen (in den ethischen Partien seines ‹Kommentars zur Mischna› und in seinem großen halachischen Werk, der ‹Mischne Tora›). Das größte Gewicht kommt jedoch dem zweiten Teil (Sap. 6,22–9,18) zu, der von Wesen, Ursprung und Wirkung der Weisheit handelt. Der Autor skizziert seine eigene spirituelle Odyssee und bekennt seine Leidenschaft für Frau Weisheit, die ihn von früher Jugend an beseelt und ihn dazu gebracht habe, mit ihr sein Schicksal zu teilen. Seine überschwängliche Liebe zur Weisheit zeigt sich eindrücklich in der wundervollen hymnischen Beschreibung, die er von ihr gibt. Zunächst werden in synkretistischer Manier 21 Attribute meist stoischer Herkunft auf sie bezogen (z. B. intelligent, fein, beweglich, unbefleckt, unhemmbar, unerschütterlich), um die Weisheit ihrem Wesen nach als die die Welt durchwaltende und gestaltende göttliche Potenz zu preisen (Sap. 7,22–24). Dies erinnert an die stoische Lehre des die Welt durchdringenden und zusammenhaltenden πνεῦμα (Chrysipp, SVF II, fr. 416, 1027, 1033), doch ist auch das Bestreben erkennbar, den ursprünglich subtil stofflichen Charakter des stoischen Pneumaverständnisses abzustreifen und die stoische Sprache in literarische Metaphern für eine immaterielle Realität zu transformieren. Das Wesen der Weisheit beschreiben sodann fünf ihr beigelegte Prädikate: ἀτμίς («Hauch»), ἀπόρροια («Ausfluss») – an Flüssigkeits phänomenen abgelesen –, ἀπαύγασμα («Abglanz»), ἔσοπτρον («Spiegel»), εἰκών («Bild») – an Lichtphänomenen abgelesen –, wodurch sie als ewige Emanation von Gottes Macht und Herrlichkeit dargestellt wird (Sap. 7,25–26. 29–30). Sie ist nicht mit Gott identisch, aber auch nicht erschaffen (anders Prov. 8,22; Sir. 1,4; 24,9), sondern sie ist ein göttlicher Widerschein in der Gegenwart, «immer im Zustand des Hervorgebracht-Werdens und des Hervorgebracht-Seins», um eine spätere Formulierung des Neuplatonikers Proklos zu verwenden (In Tim. I,290,17–25 Diehl). Die exakte Herleitung des mit dem Begriff ἀπόρροια umschriebenen Konzeptes – der Terminus selbst wird hier erstmals explizit auf ‘Sophia’ (und damit gleichbedeutend auf ‘Logos’) bezogen im Sinne einer von Gott ausgehenden und der göttlichen Sphäre zugehörigen, personhaften Emanation – ist schwierig und umstritten. Noch der philosophisch ambitioniertere Philon zögerte, diese Vorstellung zu gebrauchen. In engeren Betracht können neupythagoreische Vorlagen (Winston 1979 [*62: 184–186]) sowie die hellenistische Königsideologie (Chesnut 1978 [*74: 1318–1319]) und synkretistische Isis-Aretalogien (Reese 1970 [*71: 42– 49]) kommen. Schließlich wird zuletzt, literarisch wieder in Form einer kleinen Ringkomposition, das Wirken der Weisheit thematisiert. In der Dialektik von Immanenz und Transzendenz wird sowohl die Weltüberlegenheit der Weisheit als auch ihre dynamisch-schöpferische Gegenwart bei den Frommen und im Weltganzen gepriesen (Sap. 7,27–8,1). In Weiterführung der jüdischen Weisheitstradition spricht der Autor der Gestalt der Weisheit sowohl kosmologisch-schöpfungstheologische als auch heils geschichtlich-soteriologische Bedeutung zu. Kosmologisch belangvoll ist, dass die Weisheit, Gottes Throngenossin (Sap. 9,4. 10), bei der Welterschaffung anwesend war und Gottes Schöpfungsplan kannte (Sap. 9,9), dass sie Gottes Ratgeberin/ Wählerin (?) war (Sap. 8,4: αἱρετίς, vermutlich Verdeutlichung zu Prov. 8,30), die
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Werkmeisterin und Konstrukteurin von allem (Sap. 7,21: τεχνῖτις; Sap. 7,12: γενέτις), durch die als Schöpfungsmittlerin Gott die Welt und den Menschen geschaffen hat (Sap. 9,1f.: ‘Logos’ und ‘Sophia’ im Parallelismus gleichbedeutend gebraucht; vgl. Winston 1979 [*62: 38]). Geschaffen hat Gott das All aus formloser Materie (Sap. 11,17) – eine stoischmittelplatonische Lehre, die vielleicht theologisch bedenklich sein mag, aber nicht im Widerspruch zu jener der Rabbinen steht (Winston 1971 [*72]). Auch die oft als Gegeninstanz reklamierten Stellen, Epist. Aristeas 136 und 2. Macc. 7,28, bezeugen genau genommen noch keine ‘creatio ex nihilo’ (Winston 1971 [*72]). Zu erwähnen ist auch, dass die mathematisch-physikalische Ordnungsstruktur der Welt in freier Anwendung eines Ausspruchs von Platon beschrieben wird (Sap. 11,20: «Du hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet», vgl. Plat. Leg. 6, 757b) und dass das stoische Argument des teleologischen Gottesbeweises wiederholt wird (Sap. 13,1–9). Da die Weisheit alle Vorgänge im Universum leitet und kontrolliert, ist sie es auch, die das gesamte Spektrum aller Kenntnisse der Welt lehrt (Sap. 7,17–22a). Das heilsgeschichtliche Rettungshandeln der Weisheit wird in einer schönen Ode thematisiert (Sap. 10,1–21), wo in einer Beispielreihe die Gerechten der alten Bundesgeschichte, die dank der Weisheit gerettet wurden, aufgezählt werden, um so die Hoffnung auf Rettung in der Gegenwart zu stärken (vgl. auch Sap. 7,27b). Es ist allerdings auffällig, dass der Autor, im Gegensatz zu Sirach 24,23 und Baruch 3,36–4,1, an keiner Stelle die Weisheit mit der Tora identifiziert. Wenn es in einem Kettenspruch heißt: «Liebe zur Weisheit ist Halten ihrer Gebote» (Sap. 6,18), so sind wahrscheinlich die ethischen Normen im Einklang mit dem Naturgesetz gemeint, nicht die Toragebote. Vermutlich glaubte er wie Philon, dass die Lehren der Tora Zeichen auf die kosmischen Gesetze der Weisheit sind (Winston 1979 [*62: 42–43]). Insofern läge in der Weisheit die archetypische Tora, die ‹Tora Qedumah› der Kabbalisten, beschlossen, während das mosaische Gesetz, wie es ähnlich auch eine singuläre Feststellung von Rabbi Abin im 4. Jahrhundert (Gen. R. 17,5) besagt, nur ein unvollkommenes Abbild ist. Bei seiner Beschreibung der ‘Sophia’ ist der Autor zutiefst erfüllt von glühendem Enthusiasmus, der seine Zeilen mit strahlender und leidenschaftlicher Intensität versieht. Aus seinen Worten geht die feste Überzeugung hervor, dass die Weisheit von denen, die nach ihr suchen, leicht gefunden werden kann, – so sehr, dass sie sich den Suchenden sogar im Voraus zu erkennen gibt (Sap. 6,12–16). Er spricht von seiner Liebe zu ihr und seinem Verlangen, sie zu seiner Braut zu machen (Sap. 8,9; vgl. 7,28). Zu beachten ist, dass die Verbindung zwischen der Weisheit und Gott weitgehend jener zwischen ihren Verehrern und der Weisheit entspricht. Dies impliziert zweifellos, dass das letzte Ziel der Menschen die Vereinigung mit dem Göttlichen ist, die nur durch Vereinigung mit seinem Weisheits-Aspekt erreicht werden kann. Die Vereinigung mit der Weisheit wird durch unsere Verwandtschaft mit ihr ermöglicht (Sap. 8,17), dadurch, dass wir Verstand besitzen, der von ihrem vernünftigen Geist durchdrungen wird (Sap. 7,22–24). Wenn aber die Weisheit im menschlichen Geist schon vorhanden ist, wie sie es in der Tat im ganzen Universum ist, wozu dann dieses intensive Streben nach ihr und
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weswegen bedarf es besonderen Flehens an den Herrn, sie vom himmlischen Thron herabzuschicken (Sap. 9,10)? Weisheit ist beides: immanent und transzendent, weil sie, während sie das Universum durchdringt, in ungebrochener Einheit mit Gott bleibt, so dass sie je nach dem momentanen Fokus des Autors auf beide Arten beschrieben werden kann. Seneca verwendet ein lebendiges Gleichnis, um diesen doppelten Aspekt zu erklären: «Wie die Sonnenstrahlen zwar wirklich die Erde berühren, aber doch dort verbleiben, woher sie ausgesandt werden, so verbindet sich auch die große und heilige Seele, die zu uns gekommen ist, um uns genauere Kenntnis des Göttlichen zu bringen, zwar mit uns, bleibt aber mit ihrem Ursprung verbunden» (Sen. Epist. 41,5; vgl. Phil. QG 2,40; Det. 90). Der Neuplatoniker Proklos gibt später eine prägnante Formulierung für diese doppelte Perspektive: «Die Götter sind für alle Dinge auf gleiche Weise gegenwärtig; nicht alle Dinge hingegen sind auf gleiche Weise gegenwärtig für die Götter, aber alles hat Anteil an der Präsenz entsprechend seiner Ordnung und Möglichkeit […]» (El. theol. 142; vgl. Phil. Opif. 23). Vom menschlichen Standpunkt aus tritt die göttliche Weisheit in uns ein und aus. Aus der ewigen Perspektive Gottes hingegen ist sie in uns stets präsent, wobei es von unserer Bereitschaft, sie zu empfangen, abhängt, wie viel wir uns von ihr aneignen. Aus dem Englischen übersetzt von Regina Füchslin.
§ 75. Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides Roberto Radice
1. Philosophiegeschichtliche Situierung von Aristobulos. – 2. Lehre. – 3. Die Bedeutung des Werks des Aristobulos. – 4. Andere Stimmen des alexandrinischen Judentums: Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides.
1. PHILOSOPHIEGESCHICHTLICHE SITUIERUNG VON ARISTOBULOS
Aristobulos, über dessen Leben kaum etwas bekannt ist, lebte um ca. 170–150 v. Chr., zur Zeit von Ptolemaios VI. Philometor (Kraus Reggiani 1973 [*129: 162– 168]). Er ist dem alexandrinischen Judentum zuzuordnen, wie er selbst zu erkennen gibt (fr. 2 = Eus. Praep. ev. 8,10,3. 8: «unser Gesetzgeber Mose» u. ö., Hegermann 1973 [*128: 341–349]), wobei er sowohl in Bezug auf den sogenannten Aristeas-Brief als auch im Hinblick auf Philon von Alexandrien eine eigenständige Position einnimmt. Sein jüdisch-alexandrinischer Charakter zeigt sich vor
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allem in der Themenwahl, die er ähnlich wie Philon vornimmt, wenn auch nicht in vergleichbarer Breite und Tiefe, außerdem im Gebrauch der philosophischen Allegorese zur Überwindung des biblischen Anthropomorphismus (Hanson 1959 [*124: 41–43]) und in der Zielsetzung, jüdische Religion und Gebräuche zu verteidigen. Dabei werden einerseits Elemente der hellenistischen Theologie und Religion im Sinne des Monotheismus korrigiert (Amir 1993 [*173]) und andererseits die griechische Dichtung und Philosophie in die jüdische Tradition integriert, wobei er das griechische Denken auf alte Vorbilder bezieht. So sagt er in fr. 3, Pythagoras, Sokrates und Platon hätten viele Ideen aus dem jüdischen Gesetz übernommen. Ähnliche Rückbezüge finden sich bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. bei Hekataios von Abdera, der die ägyptische Weisheit als Quelle der griechischen betrachtete und beim Historiker Megasthenes, der denselben Versuch mit Blick auf die indische und jüdisch-syrische Philosophie unternahm, während der Peripatetiker Hermippos im Übergang vom 3. zum 2. Jahrhundert die Quelle gewisser pythagoreischer Begriffe im jüdischen Denken situierte. Auf jüdischer Seite erkannte Ps.-Aristeas, wohl um dieselbe Zeit wie Aristobulos und im selben Umfeld tätig, indirekt die Nähe der hebräischen und der griechischen Welt an, und zeitlich nach Aristobulos bekräftigten auch Philon (Mos. 1,21–24 und mit Bezug auf Heraklit Her. 214) und Josephus (Walter 1964 [*126: 51]) wiederholt die Abhängigkeit der griechischen Philosophie von Mose – ein Gedanke, der später zum Standardargument der christlichen Apologetik werden sollte (vgl. Riedweg 1994 [*140: 123–129]). 2. LEHRE
Vom Werk des Aristobulos, das in Form eines Gespräches zwischen ihm und dem König gehalten war (fr. 2 = Eus. Praep. ev. 8,10,1. 7), sind fünf kürzere Fragmente erhalten. Zwar wurde ihre Echtheit in der älteren Forschung manchmal angezweifelt, sie wird aber seit der grundlegenden Arbeit von Walter 1964 [*126] weithin anerkannt. Der Ausgangspunkt für die Rekonstruktion der Lehre von Aristobulos ist das Beiwort ‘Peripatetiker’ (περιπατητικός), welches ihm von den zwei doxographischen Hauptquellen Clemens von Alexandrien (Strom. 1,72,4) und Eusebios von Caesarea (Praep. ev. 9,6,6; 13,11,3) zugeschrieben worden ist. Obschon in Alexandrien ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. dieser Beiname nicht unbedingt auf eine Zugehörigkeit zur aristotelischen Schulrichtung weist, sondern auch ganz allgemein einen literaturhistorischen, biographischen oder naturwissenschaftlichen Schriftsteller bezeichnen kann, wurde Aristobulos wahrscheinlich als Aristoteliker gesehen (Radice 1994 [*139: 17–22]; anders Walter 1964 [*126: 10–13]). Zwar ist in den erhaltenen Fragmenten kein einziges Zitat zu finden, welches klar auf ein kanonisches Werk von Aristoteles Bezug nimmt, aber das Aristoteles zugeschriebene Werk ‹Über die Welt› (Περὶ κόσμου, ‹De mundo›) ist für Aristobulos von großer Bedeutung. Die Tatsache, dass ihn Eusebios als «hebräischen Philosophen» (Praep. ev. 13,11,3) bezeichnet, ist auch mit einem Aristotelismus zu vereinbaren, wenn man seine bei Eusebios direkt bezeugte Absicht ernst nimmt, die Abhängigkeit der peripatetischen Philosophie vom Gesetz Moses zu beweisen. Die
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§ 75. Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides (Bibl. 757–759)
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griechischen Philosophen sind für Aristobulos nicht Personen, die oberflächlich nachredeten, was sie in der Bibel gefunden hatten, sondern er schätzte sie, weil sie sich sorgfältig um jede Einzelheit in ihr bemüht hatten (fr. 3 = Eus. Praep. ev. 13,12,1–2). Davon ist seine eigene Intention im Grunde nicht so weit entfernt. Er will durch gezielte Auslegung einzelner Bibelperikopen zeigen, dass Moses Gesetzgebungswerk mit den Maßstäben philosophischer Bildung perfekt im Einklang steht, mehr noch, dass die jüdische Religion selbst die wahre Philosophie ist. Mit dem Nachweis, dass die Juden im Grunde ein Volk von Philosophen sind, ließ sich nach außen die Attraktivität der jüdischen Religion untermauern und nach innen die geistige Offenheit für philosophische Denkformen fördern. Aristobulos verfolgte dieses Ziel auf dem Wege exegetischer Auslegungen, er wollte sicherstellen, dass man bei der Bibellektüre nicht in mythologische oder anthropomorphe Vorstellungen verfalle. Aber obwohl er später für seine allegorische Methode gerühmt wurde (Origenes Cels. 4,51), darf nicht übersehen werden, dass er wohl eher noch am Anfang steht; noch rudimentär, noch tastend und zurückhaltend macht er von ihr Gebrauch. Das technische Vokabular dazu fehlt gänzlich, und die meisten Interpretationen sind ganz anders gelagert (Hengel 31988 [*127: 298 mit Anm. 371], Goulet 1989 [*136: 380]). Ausdrücke wie «Hände», «Arm» und «Antlitz Gottes» versteht er völlig zutreffend als Metaphern für die göttliche Macht (fr. 2 = Eus. Praep. ev. 8,10,1). Das Licht von Gen. 1,3 ist seiner Auffassung zufolge eher ein Symbol für das Urlicht, das mit der Weisheit identisch ist (fr. 5 = Eus. Praep. ev. 13,12,9f.; vgl. Walter 1964 [*126: 139]). Rein allegorisch dagegen deutet er, auffällig genug, einige Homerverse (fr. 5 = Eus. Praep. ev. 13,12,14f.). Sachlich indessen von größter Bedeutung für Aristobulos’ Bibelverständnis ist ein philosophisches Konzept, das er der ps.-aristotelischen Schrift ‹De mundo› entnimmt. Seine Lektüre von ‹De mundo› ist recht außergewöhnlich. Er interpretiert die Schrift nicht im Lichte der esoterischen Pragmatien des Aristoteles, die wahrscheinlich zu seiner Zeit nicht (mehr) zirkulierten. Auch steht das Wesen Gottes nicht im Fokus, stattdessen wird insbesondere das Problem der Beziehung zwischen Gott und Welt betont. Diese Ausrichtung seines Interesses vermochte die Aufnahme von Themen aus ‹Über die Welt› in die religiöse jüdische Kultur zu begünstigen. Für Aristobulos’ Verständnis der Beziehung Gottes zur Welt ist der Begriff der göttlichen Macht oder Kraft (δύναμις) zentral. Dieser Begriff, welcher in der Schrift ‹Über die Welt› häufig verwendet wird, ist zwar wohl stoischen Ursprungs, hat aber beim Autor von ‹Über die Welt› (Moraux 1984 [*134: 38f.]) und, diesem folgend, bei Aristobulos einen anderen Status: Während die Stoiker Gott mit seiner Macht oder Kraft identifizieren (z. B. in Chrysipp, SVF II, fr. 1044, 1047) und daher Gott als der Welt immanent betrachten, bedienen sich Ps.-Aristoteles und Aristobulos des Begriffs der Macht oder Kraft gerade, um Gottes Wesen einer materialistischen Konzeption zu entziehen und seine Weltüberlegenheit zu sichern: Gott selbst ist transzendent, aber er wirkt immanent vermöge seiner δύναμις. Es gibt aber auch Unterschiede zwischen Aristobulos und der Schrift ‹Über die Welt›. In letzterer wird behauptet, die göttliche Macht wirke über vermittelnde Zweit- und Drittursachen, so dass die kosmische Ordnung stufenweise
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von den höchsten Gestirnen bis zu den tiefsten Regionen immer mehr abnimmt. Bei Aristobulos fehlt dieser Aspekt gänzlich. Aristobulos’ Hauptinteresse richtet sich demgemäß auf die Schöpfungslehre bzw. die Kosmologie. Die im biblischen Schöpfungsbericht wiederkehrende Formel «Und Gott sprach» (καὶ εἶπεν ὁ θεός) versteht er nicht als Sprechen Gottes im wörtlichen Sinne, sondern als «Verwirklichung der Werke» (ἔργων κατασκευή), d. h. direkt als Gottes Schöpfungshandeln, wobei er nur umschreibt, was der Bibeltext selbst sagt (fr. 4 = Eus. Praep. ev. 13,12,3). Wenn es heißt, dass Gott am siebten Tag geruht habe, so besage dies nicht, dass Gott untätig geworden sei und zu handeln aufgehört habe (Gott ist überhaupt nicht der zeitlichen Ordnung unterworfen), sondern dass Gott damit – und hier lenkt Aristobulos in eine allegorische Bahn ein – die Ordnung der Schöpfung in ihren regelmäßigen Zeitrhythmen für immer festgesetzt habe. Speziell zielt Aristobulos auf die kosmische Siebenerstruktur, für die der heilig zu haltende Sabbat ein Zeichen sein soll und der wir die Erkenntnis der menschlichen und göttlichen Dinge verdanken (fr. 5 = Eus. Praep. ev. 13,12,11–13). Gott hält also die kosmische Gesamtordnung unverändert aufrecht, er lässt aber das Einzelne sich stetig wandeln (vgl. auch fr. 2 = Eus. Praep. ev. 8,10,10; Mras 1944 [*122: 221f.]). Außerdem könne man den siebten Tag auch als ersten Tag bezeichnen und als Entstehung des Urlichts verstehen, in dem alles betrachtet wird (fr. 5 = Eus. Praep. ev. 13,12,9). Dieses wiederum deutet Aristobulos als die Weisheit, die vor der Entstehung von Himmel und Erde schon da war (Eus. Praep. ev. fr. 5 = 13,12,10–11). In den schöpfungstheologischen Zusammenhang gehört auch die allegorische Deutung des «Stehens Gottes» (z. B. Ex. 17,6). Es besage im Sinne der Welt- und Zeitüberlegenheit Gottes, dass er über allem steht, während alle Dinge ihm untergeordnet sind und von ihm her ihren Bestand haben: unveränderlich in ihrer kosmischen Gesamtheit, doch jeweils für sich dem Wandel und Vergehen unterworfen (fr. 2 = Eus. Praep. ev. 8,10,9–12). Und mit Blick darauf erklärt Aristobulos, dass das All von der göttlichen Macht (δύναμις) durchwaltet wird (fr. 4 = Eus. Praep. ev. 13,12,4. 7). Eher nicht allegorisch ist die Auslegung, die Aristobulos von der Herabkunft Gottes auf den Berg Sinai (Ex. 19,17–20) gibt. Sie hat wirklich stattgefunden, aber sie fand nicht örtlich statt – denn Gott im Sinne seiner δύναμις ist allgegenwärtig –, vielmehr waren die Feuererscheinungen und der Posaunenschall wunderhaft gewirkte Begleitumstände zum Erweis der göttlichen Majestät, da alle die Macht Gottes (ἐνέργεια) schauen sollten (fr. 2 = Eus. Praep. ev. 8,10,11–17). Aristobulos möchte nicht nur die Abhängigkeit der griechischen Philosophen von der biblischen Offenbarung beweisen, sondern auch die der griechischen Dichter. Deshalb fügt er in fr. 4 und fr. 5 zur Unterstützung seiner Auslegung der Bibel einige orphische Verse hinzu sowie solche von Arat, Hesiod, Linos und Homer. Vor allem die orphische ‹Heilige Rede› (Ἱερὸς λόγος), die als Zitat in fr. 4 eingefügt ist, muss als Fälschung von Versen des Dichters betrachtet werden, die entweder von Aristobulos selbst (Riedweg 1993 [*138: 105] und 2008 [*144: 386] sowie Jourdan 2010 [*145: 145f.]) oder von einem oder mehreren Autoren hebräischer Herkunft (Radice 1994 [*139: 153f.]) verfasst wurden. Aristobulos hat in den orphischen Versen – wo er sogleich die polytheistischen Gottesnamen Δία und
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§ 75. Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides (Bibl. 757–759)
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Ζεῦς ersetzt (fr. 4 = Eus. Praep. ev. 13,12,7) – im Wesentlichen drei ihm wichtige Themen gefunden, nämlich die Herrschaft der göttlichen Macht über die Welt, die Geschaffenheit der Welt und die Weltüberlegenheit Gottes. Den Texten Arats entnimmt er ferner das Thema der Allgegenwart der göttlichen Macht. So bestätigt sich für ihn auch aus dieser Perspektive das spannungsvolle Verhältnis zwischen der Transzendenz Gottes und der Immanenz seiner δύναμις. 3. DIE BEDEUTUNG DES WERKS DES ARISTOBULOS
Neben dem inneren Wert seiner Ideen verdient Aristobulos vor allem von einem philosophiehistorischen Standpunkt aus Beachtung, weil er einer der wenigen Zeugen des vorphilonischen Judentums ist (Walter 1976 [*130: 91]). Das alexandrinische Judentum hat eine eigenständige Entwicklung unter dem Einfluss des griechischen Denkens durchlaufen und zwar sowohl methodisch als auch inhaltlich. Methodisch ist der zunehmende Einfluss der philosophischen Allegorese zu nennen. Inhaltlich lassen sich zwei Phasen unterscheiden: Die erste Phase, die mit Aristobulos oder wenig später endet, ist durch den Einfluss von ‹Über die Welt› charakterisiert und hat vorwiegend kosmologischen Charakter. Die zweite, die mit dem Werk Philons identifiziert werden kann, muss vor einem platonischen Hintergrund gesehen werden. Der Unterschied zwischen diesen zwei Phasen besteht im Wesentlichen darin, dass erst Philon eine klar in philosophischen Kategorien gedachte Konzeption der Transzendenz Gottes hat. 4. ANDERE STIMMEN DES ALEXANDRINISCHEN JUDENTUMS: PS.-ARISTEAS UND PS.-PHOKYLIDES
Der Aristeas-Brief ist in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. von einem jüdischen Autor verfasst worden und gehört ebenfalls ins alexandrinische Milieu (Schürer 1988 [*174]). Thema des Briefes ist die bei einem Symposion vorgetragene Lehre über die Königsherrschaft, für den vorliegenden Zusammenhang relevant ist indes vor allem die Rahmenhandlung: Erwähnt wird das angeblich von Ptolemaios Philadelphos (285–247 v. Chr.) geförderte und finanzierte Vorhaben einer Bibelübersetzung ins Griechische, das von siebzig Weisen, abgesandt aus Judäa, verwirklicht worden sein soll. Diese sollen sich bei ihrer Arbeit auf modernste Methoden der alex andrinischen Philologie gestützt haben. Der Aristeas-Brief enthält außerdem eine Diskussion über die mosaische Anordnung der Speisen (§§ 142–171), die auf einen allegorischen Sinn des biblischen Textes anspielt (§§ 150–151). Das alexandrinische Judentum, beginnend mit Ps.-Aristeas, stellt die praktische Philosophie als fortschreitende Annäherung des hebräischen an das griechische Denken dar und als zunehmende Integration der beiden. Tatsächlich wird in §§ 187–294 der griechischen Theo rie der Bildung (παιδεία) die jüdische Frömmigkeit (εὐσέβεια) gegenübergestellt. Wie Aristobulos der früheste Beleg für eine allegorische Bibelauslegung in kosmolo gischer Hinsicht ist, so ist Ps.-Aristeas dies in ethischer Hinsicht.
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Die ‹Sentenzen des Phokylides› zählen zur sogenannten Weisheitsliteratur und wurden von einem jüdischen Autor wohl in didaktischer Absicht verfasst. Obschon in der Forschung über den Ursprung dieser Schrift keine Einigkeit herrscht, gehört sie wohl ebenfalls ins alexandrinische Milieu und ist in die Zeitspanne zwischen 30 v. Chr. und 40 n. Chr. zu datieren (Van der Horst 1978 [*173]). Bezüglich der Zielsetzung der Schrift bestehen beim jetzigen Forschungsstand zwei Hypothesen: Vielleicht ist es ein apologetisches Werk, das sich in erster Linie an die Hebräer selbst wendet, um sie in ihrem Glauben zu bestärken, vielleicht ein Schulbuch, das ebenfalls an eine hebräische Leserschaft gerichtet ist. Es handelt sich in jedem Fall um ein popularethisches Werk mit jüdischem Grundcharakter, das, in gnomischem Stil verfasst, Themen wie Gerechtigkeit, Redlichkeit, Mäßigung und Philanthropie gewidmet ist. Bemerkenswert ist die Polemik gegen das Sezieren von menschlichen Leichen (v. 102). Aus dem Italienischen übersetzt von Damian Caluori.
§ 76. Philon von Alexandrien David Winston unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
Philon von Alexandrien stellt den Höhepunkt aller geistigen Bestrebungen des hellenistischen Judentums dar. Als frommer, auf Rechtgläubigkeit bedachter Jude praktizierte er im Rahmen der synagogalen Gottesdienste von Alexandrien treu den Glauben seiner Väter und nahm aktiv leitende Aufgaben als Repräsentant seiner alexandrinischen Diasporagemeinde wahr, doch war er zugleich in außergewöhnlicher Weise von der geistigen Kultur der griechischen Bildung durchdrungen. Beides hat sein Denken zutiefst geprägt, beides sieht er in letzter Einheit zusammengehörig und beides will er in seinem literarischen Werk zum Ausdruck bringen. Überwiegend schreibt er Kommentare zu Moses Pentateuch, aber er setzt dabei virtuos die Technik der allegorischen Bibelauslegung ein, um die philosophischen Tiefen der Tora, ja, die in ihr verborgen liegenden Ursprünge der Philosophie überhaupt zu erschließen. Dass er auf eine längere Tradition allegorischer Schrift kommentierung zurückblicken konnte, angefangen von den noch tastenden Ver suchen eines Aristobulos und eines Aristeas-Briefes bis hin zu versierteren Ausarbeitungen bestimmter Kreise seiner Zeitgenossen, ist heute in der Forschung weitgehend akzeptiert (Hay 1979/80 [*252], Tobin 1983 [*256: 4–9, passim], Mack
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§ 76. Philon von Alexandrien (Bibl. 759–765)
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1984 [*258], Runia 1986 [*264: 504f.], Goulet 1987 [*265], Radice 1989 [*273: 181– 225], Runia 2012 [*358: 376f.], anders Dillon 21996 [*250: 143] sowie 1993 [*285: 155], dessen These, Philon habe Vorgänger erfunden, nicht zu überzeugen vermag). Philon selbst rekurriert in seinen Schriften über 70-mal auf andere, nicht namentlich genannte jüdische Allegoristen, deren Ansichten er nach Gutdünken übernimmt, weiterführt oder zurückweist. So schwierig diese Positionen im Einzelnen abzugrenzen und zu identifizieren sein mögen, die Anstrengungen der Vorgänger scheinen doch hauptsächlich auf säkulare Wissensgebiete etwa kosmologischer, mathematischer, psychologischer oder ethischer Art gerichtet gewesen zu sein, während sich Philon stark der theologisch-religiösen Ebene zuwendet (Hay 1979/80 [*252]; oft notgedrungen spekulativ Goulet 1987 [*265]). Man wird für diese Neuorientierung gewiss eine Reihe von Motiven geltend machen können, doch zweifellos hängt sie aufs Engste mit den Interessen zusammen, die Philon mit dem beginnenden Mittelplatonismus, der Wiederentdeckung des platonischen ‹Timaios› und der Neu belebung pythagoreischer Traditionen verbinden. Das umfangreiche philosophie geschichtliche Material, das er in seinen Schriften aufgenommen und verarbeitet hat, ist trotz der eklektisch scheinenden Anmutung aus dem Blickwinkel der neuesten mittelplatonischen Impulse einheitlich und kohärent konturiert. Gerade in dem quellenmäßig nur spärlich abgedeckten Frühstadium des Mittelplatonismus liefert Philon, der zudem im mutmaßlichen Zentrum des philosophischen Neubeginns lebte, bedeutende, unverzichtbare Zeugnisse, ja manche Schlüsselsätze des Mittelplatonismus sind überhaupt erstmals bei ihm belegt (so erneut Bonazzi 2008 [*338]). Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob er selbst als Mittelplatoniker anzusprechen sei. Als eigenständiger Denker hat er, wie es scheint, die weitere philosophiegeschichtliche Entwicklung jedenfalls nicht vorangetrieben (gegen Radice 1989 [*273] und 1993 [*286]; Runia 2012 [*358: 383]). Seinem Selbstverständnis nach wird man sagen müssen, dass er sich als Ausleger Moses, nicht der Werke Platons gesehen hat, wenngleich das Ergebnis, ohne Frage auf höchstem Niveau, dann eben doch ein eher platonisierender Mose als ein hebräischer ist (vgl. die Diskussion einer Tagung des Philo Seminar zwischen Sterling, Runia, Winston, Tobin und Dillon, San Francisco 1992, gedruckt 1993 [*285]). Aber gerade dadurch hat er das Spektrum der mittelplatonischen Positionen qualitativ bereichert. 1. LEBEN
Das einzige gesicherte Datum aus Philons Leben ist der Winter des Jahres 39 n. Chr., als er im Auftrag der alexandrinischen Juden eine Gesandtschaft zu Kaiser Caligula anführte (Jos. Ant. Iud. 18,257–260), die ohne Erfolg blieb und über die er in seinem Werk ‹Legatio ad Gaium› berichtet. Darin bezeichnet er sich selbst als alten Mann, was auf ein Alter von etwa sechzig Jahren schließen lässt. Das Geburtsdatum wird entsprechend zwischen 25 und 20 v. Chr. angesetzt, während sein Tod um 45 n. Chr. datiert wird. Philon stammte aus einer der wohlhabendsten und bekanntesten jüdischen Familien in Alexandrien. Sein Bruder Alexander, vielleicht identisch mit dem Gaius
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Iulius Alexander der Papyri CPJ II 420a.b, hatte den Posten eines Alabarchen (Vorsteher der Zollbehörde) inne und war Josephus zufolge (Ant. Iud. 20,100) der reichste Mann seiner Zeit in Alexandrien. Alexanders Sohn, Tiberius Iulius Alex ander, trat in den kaiserlichen Dienst ein und wurde im Jahr 46 n. Chr. Prokurator von Judäa und später, unter Nero, Präfekt von Ägypten. Er scheint völlig paganisiert gewesen zu sein, und Josephus bemerkt: «An die Gebräuche seiner Vorfahren hielt sich dieser nicht.» (Jos. Ant. Iud. 20,100–101; vgl. Étienne 2000 [*306]). Philon adressiert zwei Schriften an seinen abtrünnigen Neffen, dem er eine skeptische Position (im Sinne der Neuen Akademie) zuschreibt. Seine Schriften zeigen, dass die Atmosphäre in Philons Familienkreis kosmopolitisch und luxuriös, aber auch intellektuell geprägt war. Er muss eine gründ liche griechische Erziehung genossen haben (ἐγκύκλιος παιδεία), von der er wiederholt und mit großem Respekt spricht. Grammatik, Geometrie und Musik hat er als Vorbereitung auf die Philosophie gelernt (Congr. 74–76). Seine Kenntnis der griechischen Literatur ist umfassend und in seinem ganzen Werk präsent. Seine Prosa ist in einem einwandfreien Griechisch geschrieben. Besonders stark ist der Einfluss Platons auf ihn, wobei die Auswahl und seine besondere Wertschätzung bestimmter Dialoge den Vorlieben des zeitgenössischen Platonismus entsprechen. An erster Stelle sind der ‹Timaios› und der ‹Phaidros› zu nennen, gefolgt vom ‹Phaidon›. Daneben bezieht er sich auf Schlüsselpassagen aus dem ‹Theaitetos›, dem ‹Symposion›, der ‹Politeia› und den ‹Nomoi›. Seine Kenntnis Platons verdankt sich eigener, sorgfältiger Lektüre; teils hat er zentrale Passagen sogar auswendig gelernt. Seine jüdische Bildung hingegen hat Philon auf praktischem Wege erworben, durch regelmäßigen Gottesdienstbesuch, Teilnahme an religiösen Riten und Befolgung der einzelnen Tora-Vorschriften (Heinemann 1932 [*232]). Inwieweit er theoretische Kenntnis der rabbinischen Gesetzesauslegung besessen hat, ist umstritten; zumindest für die Gebiete des Tempelkultes und des Gelübdewesens darf es aber angenommen werden. Beiläufig erwähnt er einmal, dass er eine Pilgerreise nach Jerusalem unternommen habe, um im Tempel zu beten und zu opfern (Prov. fr. 2,64 = 2,107 arm.). Bei der Interpretation des Pentateuchs, bei der er die Begrifflichkeit griechischer Philosophie bemüht, war Philon vollständig auf die Übersetzung der Septuaginta angewiesen. Er wusste mit den ihr zugrunde liegenden hebräischen Begriffen und sprachlichen Konventionen nicht adäquat umzugehen, woran ersichtlich ist, dass er so gut wie kein Hebräisch verstand. Dies stellte für ihn kein Problem dar, da er die Übersetzung der Septuaginta ebenfalls für göttlich inspiriert hielt. Dennoch gebrauchte er gerne hebräische (wie auch griechische) Etymologien für jüdische Eigennamen, wofür er ein hebräisches Onomastikon verwendete, von dem Spuren auf Papyrus gefunden worden sind (Rokeah 1968 [*186]). 2. WERKE Philon war ein sehr produktiver Autor. Von s einem umfangreichen Œuvre haben sich an die 40 Schriften im griechischen Original oder zumin-
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dest fragmentarisch in lateinischer oder armenischer Übersetzung erhalten. Von etwa 20 weiteren Schriften sind durch das Werkverzeichnis bei
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§ 76. Philon von Alexandrien (Bibl. 759–765)
usebios (Hist. eccl. 2,18) und andere BezeugunE gen wenigstens die Titel oder Themen bekannt. Trotz interner Querverweise ist es nicht gelungen, eine allseits überzeugende chronologische Ordnung der Werke zu ermitteln. Was aber klar erkennbar ist und in der Forschung auch seit dem Ende des 19. Jahrhunderts relativ konstant ohne größere Abweichungen vertreten wird, ist eine von Philon selbst beabsichtigte Gruppierung mehrerer Schriften zu größeren Serien. Sein größtes und wichtigstes literarisches und philosophisches Projekt besteht in der detaillierten, zum Teil geradezu Vers für Vers fortschreitenden Auslegung der Schrifen Moses, des Pentateuchs, in drei Serien. Zunächst zu nennen ist die Schriftenreihe, zumeist im Anschluss an Praem. 1–3 als «expositio legis» betitelt, die mit der Abhandlung ‹Über die Weltschöpfung nach Mose› (Περὶ τῆς τοῦ κατὰ Μωυσέα κοσμοποιίας, ‹De opificio mundi›) beginnt. Darin findet sich eine Beschreibung der sieben Schöpfungstage von Gen. 1–2,3, auf die eine Darstellung der Leben der Patriarchen folgt (‹Über Abraham›, Βίος σοφοῦ τοῦ κατὰ διδασκα λίαν τελειωθέντος ἢ νόμων ἀγράφων τὸ πρῶτον ὅ ἐστι περὶ Ἀβραάμ [wörtlich ‹Leben eines in der Unterweisung vollendeten Weisen oder Buch 1 der ungeschriebenen Gesetze, das über Abraham geht›], ‹De Abrahamo›; ‹Über Joseph›, Βίος πολιτι κοῦ ὅπερ ἐστὶ περὶ Ἰωσήφ [wörtlich ‹Leben eines Staatsmanns, das über Joseph geht›], ‹De Iosepho›), die als «lebendige Verkörperungen des natürlichen Gesetzes» gedeutet werden; auch das Leben des Mose ist darin enthalten (‹Über das Leben des Mose›, Περὶ βίου Μωυσέως, ‹De vita Mosis›), das in gewisser Weise an die legendarische Lebensbeschreibung des Pythagoras angelehnt zu sein scheint. Danach folgt eine Reihe von Schriften, nämlich eine zu den Zehn Geboten, ‹Über den Dekalog› (Περὶ τῶν δέκα λογίων, ‹De Decalogo›), vier Bücher ‹Über die Einzelgesetze› (Περὶ τῶν ἐν μέρει διαταγμάτων, ‹De specialibus legibus›), und anschließend die Abhandlungen ‹Über die Tugenden› (Περὶ ἀρετῶν, ‹De virtutibus›) und ‹Über die Belohnungen und Strafen› (Περὶ ἄθλων καὶ ἐπιτιμιῶν, ‹De praemiis et poenis›). Geljon 2002 [*318: Teil 1] vertritt die Meinung, dass das Werk ‹Über das Leben des Mose› als intellektuelle Biographie Moses Lesern ohne Kenntnisse des Pentateuchs als Einführung in die jüdische Philosophie diene und daher zu Beginn aller nachfolgenden exegetischen Schriften gelesen werden müsse (siehe auch Runia 2001 [*204: 1]). Ein noch ambitionierteres Projekt stellen die Traktate der großen allegorischen Auslegungen dar, auch allgemein als «Allegorische Kommen-
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tare» bekannt, die in Form von neunzehn Abhandlungen eine detaillierte allegorische Exegese vornehmen, von Gen. 2,1 (abgesehen von wenigen Lücken, wobei die einschlägigen Abhandlungen verloren gegangen sein könnten) bis zu Gen. 17,22 (Änderung von Abrahams Namen). Weil Philon, seiner Gewohnheit entsprechend, lange Parallelstellen zur Illustration der erläuterten Lehre anführt, gelingt es ihm, über diese Partien von Buch ‹Genesis› hinaus den größten Teil des übrigen Pentateuchs mit abzudecken. Die neunzehn Abhandlungen sind: ‹Allegorische Erklärung des heiligen Gesetzbuches› (Νόμων ἱερῶν ἀλληγορίαι, ‹Legum Allegoriae› I–III); ‹Über die Cherubim› (Περὶ τῶν Χερουβίμ, ‹De Cherubim›); ‹Über die Geburt Abels und die Opfer, die er und sein Bruder Kain darbringen› (Περὶ γενέσεως Ἄβελ καὶ ὧν αὐτός τε καὶ ὁ ἀδελφὸς αὐτοῦ Κάϊν ἱερουργοῦσιν, ‹De sacrificiis Abelis et Caini›); ‹Über die Nachstellungen, die das Schlechtere dem Besseren zu bereiten pflegt› (Περὶ τοῦ τὸ χεῖρον τῷ κρείττονι φιλεῖν ἐπιτίθεσθαι, ‹Quod deterius potiori insidiari soleat›); ‹Über die Nachkommen des sich weise dünkenden Kain und darüber, wie er zum Auswanderer wird› (Περὶ τῶν τοῦ δοκησισόφου ἐγ γόνων καὶ ὡς μετανάστης γίγνεται, ‹De posteritate Caini›); ‹Über die Riesen› (Περὶ γιγάντων, ‹De gigantibus›); ‹Über die Unveränderlichkeit Gottes› (Ὅτι ἄτρεπτον τὸ θεῖον, ‹Quod Deus sit immutabilis›); ‹Über die Landwirtschaft› (Περὶ γεωργίας, ‹De agricultura›); ‹Über die Pflanzung Noahs› (Περὶ φυτουργίας Νῶε, ‹De plantatione›); ‹Über Trunkenheit› (Περὶ μέθης, ‹De ebrietate›); ‹Über Nüchternheit› (Περὶ ὧν νήψας ὁ Νῶε εὔχεται καὶ καταρᾶται [wörtlich ‹Über die Dinge, für die Noah, nüchtern geworden, betet und was er verflucht›], ‹De sobrietate›); ‹Über die Verwirrung der Sprachen› (Περὶ συγχύσεως διαλέκτων, ‹De confusione linguarum›); ‹Über Abrahams Wanderung› (Περὶ ἀποικίας, ‹De migratione Abrahami›); ‹Wer ist Erbe der göttlichen Dinge?› (Περὶ τοῦ τίς τῶν θείων ἐστὶν κληρονόμος, ‹Quis rerum divinarum heres sit›); ‹Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen› (Περὶ τῆς πρὸς τὰ προπαιδεύματα συνόδου, ‹De congressu eruditionis gratia›); ‹Über die Flucht und das Finden› (Περὶ φυγῆς καὶ εὑρέσεως, ‹De fuga et inventione›); ‹Über Namensänderungen und warum sie erfolgen› (Περὶ τῶν μετονομαζομένων καὶ ὧν ἕνεκα μετονομάζονται, ‹De mutatione nominum›); zu ergänzen ist die nur armenisch erhaltene Schrift ‹De Deo› (‹Über Gott›) bzw. richtiger ‹De visione trium angelorum ad Abraham› (‹Über die Erscheinung dreier Engel an Abraham›), vgl. Terian 2016 [*190]. Als Anhang sind zwei von ursprüng-
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lich wohl vier oder fünf Büchern über die gott gesandten Träume (Περὶ τοῦ θεοπέμπτους εἶναι τοὺς ὀνείρους, ‹De somniis›) angefügt, die verschiedene Arten von in der ‹Genesis› erwähnten Träumen behandeln. Außerdem existiert eine dritte Schriftenreihe, die als Ganzes nur in einer armenischen Version (mit einigen griechischen und lateinischen Fragmenten) auf uns gekommen ist. Sie deckt die Bücher ‹Genesis› und ‹Exodos› in Form von Frage und Antwort ab: ‹Fragen und Lösungen zu ‘Genesis’ und ‘Exodus’› (Ἐν Γενέσει καὶ Ἐξαγωγῇ ζητή ματα τε καὶ λύσεις, ‹Quaestiones et solutiones in Genesin et in Exodum› – die beiden Teile werden häufig als zwei Werke aufgeführt: Quaest. Gen. und Quaest. Ex.). Neben diesen Schriftenreihen verfügen wir ferner über einige individuelle apologetisch-historische Abhandlungen: Vier Fragmente haben sich von einem ursprünglich mindestens zwei Bücher umfassenden Werk ‹Verteidigung für die Juden› (᾿Απολογία ὑπὲρ ᾿Ιουδαίων, ‹Apologia pro Iu daeis›) bzw. ‹Hypothetica› (῾Υποθετικά) erhalten. ‹Über das betrachtende Leben› (Περὶ βίου θεωρητικοῦ, ‹De vita contemplativa›) enthält eine Lebensbeschreibung einer asketischen jüdischen Gruppe, die bei Alexandrien lebte, der sogenannten ‘Therapeuten’. Ferner sind zwei Abhandlungen zur zeitgenössischen Politik zu nennen: ‹Gegen Flaccus› (Εἰς Φλάκκον, ‹In Flaccum›), ein Bericht über die Missetaten und den endgültigen Fall von Aulus Avillius Flaccus, Statthalter von
Ägypten von 32 bis 38 n. Chr., und ‹Gesandtschaft an Caligula› (Φίλωνος Περὶ ἀρετῶν πρῶτον ὅ ἐστι τῆς αὐτοῦ πρεσβείας πρὸς Γάϊον [wörtlich: ‹Philons Über die Tugenden Buch 1, das seiner Gesandtschaft an Gaius entspricht›], ‹Legatio ad Gaium›), eine kraftvolle Schmähschrift gegen den Kaiser Gaius (Caligula). Schließlich existieren rein philosophische Schriften: ‹Über die umfassende Freiheit des Tüchtigen› (Περὶ τοῦ πάντα σπουδαῖον εἶναι ἐλεύ θερον, ‹Quod omnis probus liber sit›) und ‹Über die Unvergänglichkeit der Welt› (Περὶ ἀφθαρσίας κόσμου, ‹De aeternitate mundi›), wo eine peripatetische Haltung zu dieser Frage vertreten wird, die in dieser Form unvereinbar ist mit dem jüdischen Schöpfungsglauben – diese Haltung ist vermutlich ursprünglich durch einen entgegengesetzten Essay relativiert worden (vgl. Runia 1981 [*253]). Daneben sind zwei Dialoge mit seinem Neffen Alexander überliefert, beide jedoch nur in armenischen und einzelnen griechischen Fragmenten erhalten: ‹Alexander oder darüber, ob Tiere Vernunft besitzen› (Ἀλέξανδρος ἢ περὶ τοῦ λόγον ἔχειν τὰ ἄλογα ζῷα, ‹Alexander sive de eo quod rationem habeant bruta animalia›) und zwei Fragmente ‹Über die Vorsehung› (Περὶ προνοίας, ‹De providentia› – in der heute vorliegenden Fassung findet sich die Dia logform indes einzig im zweiten der beiden Fragmente). In diesen beiden Werken gibt es abgesehen von einer beiläufigen biographischen Notiz keine Hinweise auf Philons jüdischen Glauben. Zum Ganzen vgl. Royse 2009 [*346].
3. LEHRE
1. Logik: 1.1. Kategorienlehre; 1.2. Die Ursprünge der Sprache und die Bedeutung der Etymologie; 1.3. Erkenntnistheorie. – 2. Ethik: 2.1. Höchste Ziele und höchstes Gut; 2.2. Menschenliebe (φιλανθρωπία); 2.3. Die Affekte (πάθη); 2.4. Politik. – 3. Physik: 3.1. Prinzipienlehre; 3.2. Der Logos; 3.3. Die Weisheit und die Kräfte; 3.4. Kosmologie; 3.5. Zwischenwesen; 3.6. Psychologie; 3.7. Prophezeiung; 3.8. Kontemplativer Aufschwung und Schau Gottes.
Philon übernimmt die traditionelle Dreiteilung der Philosophie in Logik, Ethik und Physik, wobei in ‘Physik’ nach antikem Verständnis die Theologie eingeschlossen ist (Leg. all. 1,57; Spec. 1,336). Zur Veranschaulichung greift er auf das stoische Bild der Philosophie als Garten zurück (Agr. 14): Die Physik entspricht den Bäumen und Pflanzen, die Ethik den Früchten und die Logik der Umzäunung des Gartens, welchen Philon mit dem Garten Eden identifiziert.
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§ 76. Philon von Alexandrien (Bibl. 759–765)
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1. Logik 1.1. Kategorienlehre In Philons Theorie zur Logik lassen sich sowohl aristotelische als auch stoische Elemente ausmachen. Was die Kategorien betrifft, beginnt Philon seine Auflistung der zehn an sich aristotelischen Kategorien in der Reihenfolge ‘Substanz – Qualität – Quantität’ (Decal. 30–31), wobei er durch die Vertauschung der Positionen von Qualität und Quantität von dessen Reihung abweicht, wie bereits Eudoros vor ihm (fr. 17 Mazzarelli). Als Erstes wird von den Kategorien ausgesagt, dass sie «in der Natur» (ἐν τῇ φύσει) seien, was eine von Aristoteles belassene Unklarheit darüber, ob sich die Kategorien auf sprachliche Ausdrücke, auf Gedachtes oder auf real existierende Gegenstände beziehen, behebt. Mit dieser Formulierung wird auch die Anwendung der Kategorien auf den intelligiblen Bereich bestritten. Wenn Philon sodann für die Kategorie der Substanz das Beispiel ‘Mensch’ anführt, wobei er οὐσία stoisch als Äquivalent für Materie versteht, entfaltet er das im stoischen Sinne der «qualifizierten Substanz» (Chrysipp, SVF II, fr. 380). Aus Decal. 30f. ist ferner zu entnehmen, dass Philon, anders als Aristoteles, die Kategorien ‘wann’ (πότε) und ‘wo’ (ποῦ) mit Zeit (χρόνος) bzw. Raum (τόπος) gleichsetzt. Während Aristoteles Zeit und Raum in Cat. 4b25f. unter dem Begriff der Quantität subsumiert, führt er ‘wann’ und ‘wo’ in der ‹Kategorienschrift› und in Top. 1,9, 103b22–24 als eigene Kategorien auf. Philon hingegen positioniert diese Kategorien, nun zu Zeit und Raum transformiert, an das Ende seiner Liste. Er betont, dass sie das sine qua non aller anderen Kategorien seien, so dass ihre Schlussposition emphatisch zu verstehen ist. Interessanterweise stimmt die von ihm vertretene Reihenfolge mit Ps.-Archytas’ ‹Über die Kategorien› (Περὶ τοῦ καθόλου λόγου) überein; eine Kenntnis dieses Werkes erscheint daher möglich (vgl. zum Ganzen Chiaradonna 2009 [*347: 97f.]). Auch weitere stoische Einflüsse sind bei Philon erkennbar: In einer Allegorese des Manna von Ex. 16 greift er auf die stoische Kategorie des «Etwas» (τί) zurück. Die Speisung durch Gott bedeute, «dass er uns mit seiner allgemeinsten Vernunft speist» (διατρέφει γὰρ ἡμᾶς τῷ γενικωτάτῳ αὑτοῦ λόγῳ), denn ‘Manna’ bedeute «etwas» (τί) und das sei «der allgemeinste Begriff überhaupt» (τὸ γενικώτατον τῶν ὄντων), d. h. er sieht darin die höchste Kategorie der Stoiker, die noch allgemeiner ist als die aristotelische der Substanz und deshalb gut mit dem Logos identifiziert werden kann (Leg. all. 3,175 mit Chrysipp, SVF II, fr. 333f.). Dass Philon die stoische Logik grundsätzlich akzeptierte, ist aus einer Passage wie Agr. 139–141 ersichtlich, wo er die ganze stoische Theorie der ‘sagbaren’ Dinge (λεκτά) anführt (vgl. Chrysipp, SVF II, fr. 182). 1.2. Die Ursprünge der Sprache und die Bedeutung der Etymologie Philon lobt Mose dafür, dass er ganz richtig Adam, dem ersterschaffenen Menschen, die Namensgebung zuschreibt, während die Griechen nur noch eine vage Er-
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innerung daran besäßen. Für alle Nachgeborenen sollte sichergestellt sein, dass «die Namensgebung der Sache entsprechen und für alle als gleiches Symbol des vorhandenen oder bezeichneten Gegenstandes dienen würde» (Leg. all. 2,14f.; Opif. 148– 150; Quaest. Gen. 1,20f.), d. h. dass die sprachlichen Bezeichnungen der Dinge mit der Natur der Dinge übereinstimmen und sie abspiegeln. In der Namensgebung Adams, des ersten und weisesten aller Menschen, kommen mithin weise, vernünftige Setzung und Naturgemäßheit zusammen. Diese Theorie vom Ursprung der Sprache ist im Kern die stoische Position, die ausgehend vom platonischen Dialog ‹Kratylos›, insbesondere der Passage Crat. 430a–431e, bis in den Diskurs des zeitgenössischen Platonismus reichte. Wenn Philon andererseits gelegentlich auch in der Mehrzahl von weisen Männern, die solche naturkonformen Bezeichnungen gegeben hätten, spricht, dann widerspricht sich das für ihn nicht, denn der Gegensatz liegt bei der Sprachgewohnheit der Menge. «Die große Masse der Menschen gibt gewöhnlich den Dingen Namen, die von den bezeichneten Dingen abweichen» (Cher. 56), und «die meisten Menschen kommen notwendig zu Verfehlungen in der Wortwahl, weil sie das Wesen der Dinge nicht kennen» (Agr. 1). Wenn Philon also den mosaischen Bericht von der Namensgebung wegen ihrer höchsten Angemessenheit hervorhebt, ist dies nicht als eine Abwertung anderer weiser Männer zu verstehen, die fähig wären, ein ähnliches, wenn auch etwas niedrigeres Niveau der Exzellenz zu erreichen. Vielmehr verfolgt er damit sein allgemeines Ziel, Mose als den Weisen schlechthin darzustellen, und ergreift die Gelegenheit, den einzigartigen Charakter von Moses linguistischem Scharfsinn zu betonen (Winston 1991 [*280]). Mit der Annahme der Naturgemäßheit der Wörter eröffnet sich auch die Möglichkeit, auf dem Wege der Etymologie das wahre Wesen der Dinge zu erfassen, was Philon wie die Stoiker stark genutzt hat (vgl. Goulet 1987 [*265: 58–62] mit tabellarischer Auflistung). Eine Besonderheit bilden dabei doppelte Etymologien, gibt Philon doch für gewisse Eigennamen im Pentateuch sowohl eine griechische als auch eine hebräische Etymologie (z. B. für Pheison, einen der vier Flüsse im Garten Eden: Leg. all. 1,74f., oder für Leah, die ältere Tochter von Laban: Cher. 41). Wahrscheinlich gehörten doppelte Etymologien zur exegetischen Kunst der damaligen Zeit; je mehr unterstützende Etymologien erbracht werden konnten, desto überzeugender erschienen die Interpretationen, die sich auf den Namen bezogen. Was Umfang, Systematik und Komplexität von Philons etymologischen Allegorisierungen der ca. 170 Namen des Pentateuchs betrifft, so sind keine unmittelbaren hellenistischen Parallelen überliefert, wo, wie Philon es tut, aus einem Text die verborgene, tiefer liegende Intention des Autors eruiert werden soll (zur stoischen Allegorese siehe Long 1992 [*284]). Vielleicht hat es Auslegungsmodelle – seien es stoische, seien es pythagoreische oder platonische – gegeben, die in ihrer Homer- oder Hesiod-Behandlung Philon den Weg gewiesen haben, aber dafür gibt es kaum Belege. So bleibt nur der eindrucksvolle, geradezu erstaunliche Befund zu konstatieren, dass Philon eine allegorisch orientierte Hermeneutik praktiziert hat, die in ihrem schieren Umfang, in ihrer systematischen Anwendung auf alle Sprachformen und in ihrer gedanklichen Kohärenz für das gesamte Gebiet der Ethik und Spiritualität ihresgleichen sucht (zum Ganzen Runia 2004 [*330]).
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1.3. Erkenntnistheorie Die grundsätzliche Frage nach dem Kriterium von Wissen beantwortet Philon auf stoische Weise. So gibt er in Congr. 141 folgende Definition von Wissen (ἐπι στήμη): «ein sicheres und festes Begreifen (κατάληψις), das durch die Vernunft nicht widerlegt werden kann» (vgl. Zenon, SVF I, fr. 68). Doch ist er wie Antiochos von Askalon überzeugt, damit die Position Platons wiederzugeben (Dillon 2008 [*340: 225f.]). 2. Ethik 2.1. Höchstes Ziel und höchstes Gut Als höchstes Ziel (τέλος) nimmt Philon, wie wahrscheinlich Eudoros vor ihm, die «Angleichung an Gott» (ὁμοίωσις θεῷ) an (Fug. 63, mit Zitierung von Plat. Tht. 176a–b; Decal. 73; 107; Imm. 48; Opif. 144; Post. 23), wobei er zugleich an dem stoischen Konzept der Übereinstimmung mit der Natur als höchstem Ziel festhält (z. B. Decal. 81; Plant. 49). Aus der Verknüpfung der mehr pythagoreischen Definition der Angleichung an Gott (in Anlehnung an Pythagoras’ «Folge Gott!», ἕπου θεῷ: Spec. 4,187f.) mit der stoischen Definition des Ziels erwächst für Philon kein Widerspruch, da für ihn Natur gleichbedeutend mit dem Wirken der göttlichen Vernunft in der Welt ist. Mit dem Ziel der Gottähnlichkeit betonte er gleichzeitig einen zentralen Aspekt jüdischer Lehre (Marmorstein 1950 [*238], Abrahams 1924 [*231: 138–182]). Entsprechend fällt Philons Interpretation der Lebensweisen der Patriarchen und Moses aus: Philon sieht diese weisen Männer als lebendige Verkörperungen des Naturgesetzes, da sie ein klares und genaues Verständnis vom Logos und seiner vorherrschenden Stellung im Universum hatten und alle ihre Handlungen in Übereinstimmung mit ihm ausübten (vgl. dazu den Ausspruch des chassidischen Meisters R. Mosheh H’ayyim Efrayim von Sudylkow [ca. 1748–1788]: «der Zaddik ist sich selbst Gesetz und Vorschrift», Degel Mah’aneh Efrayim 4a; vgl. Rm. 2,14). Bei der Frage, ob Tugend allein hinreichend für das Glück (εὐδαιμονία) sei, was Peripatetiker und Stoiker bekanntlich verschieden beantwortet haben, ist Philon grundsätzlich der stoischen Position verpflichtet. In Quaest. Gen. 4,167 beispielsweise führt er die Ansicht auf Mose zurück, dass «das Gute allein um seiner selbst willen wünschenswert und lustbringend ist, aber dass das, was nicht von dieser Art ist, wegen seiner Nützlichkeit als Beitrag zum tugendhaften Leben geschätzt wird». Dies entspricht sehr der Position von Eudoros (fr. 32 Mazzarelli), die selbst im Wesentlichen stoisch ist. Darüber hinaus wendet sich Philon nachdrücklich gegen die dreiteilige Güterlehre der Peripatetiker, was an seiner Kritik an Joseph (z. B. in Det. 6–8) offensichtlich wird, den er als einen Vertreter dieser Position darstellt. Joseph steht für die Meinung, dass alle drei Arten von Gütern – seelische, körperliche und äußere –
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zusammen für die Erlangung von Glück notwendig seien. Dies betrachtet Philon als irrige Verfehlung, von der Joseph durch Entsendung zu seinen Brüdern geläutert werden muss, die der (stoischen) Theorie anhängen, dass nur das Tugendhafte gut sei (Chrysipp, SVF III, fr. 30). Andere Textstellen (z. B. Her. 285f.; vgl. auch Virt. 78–126) lassen erkennen, dass er geneigt ist, die Position des Antiochos von Askalon (sowie die der Alten Akademie wie des Xenokrates und Polemon) von der Steigerungsfähigkeit des Glücks einzunehmen, nämlich dass, während die seelischen Güter den Kern des Glücks bilden, es zumindest auch einer kleinen Menge an körperlichen und äußeren Gütern zu dessen Erreichung bedarf. Philons Ethik ist also vorwiegend stoisch geprägt, und in der Tat trägt er viel zu unserer Kenntnis der stoischen Fachterminologie bei, aber dieser Stoizismus ist in einen umfassenden pythagoreisierenden Platonismus eingeordnet, was bei seiner Behandlung der Tugenden «Einsicht» (φρόνησις), «Besonnenheit» (σωφρο σύνη), «Tapferkeit» (ἀνδρεία) und «Gerechtigkeit» (δικαιοσύνη) offensichtlich wird. Er präsentiert die vier Kardinaltugenden mit ihren stoischen Definitionen in Leg. all. 1,63–65, aber greift zugleich auch das sehr pythagoreische Lob auf die Gerechtigkeit im Sinne der durch die Zahl 4 symbolisierten «Gleichheit» (ἰσότης) in Spec. 4,230f. auf. Er ist außerdem bereit, «Frömmigkeit» (εὐσέβεια) oder «Heiligkeit» (ὁσιότης) als die «Königin» (ἡγεμονίς oder βασιλίς) und «Quelle» (ἀρχή) aller Tugenden zu sehen (Spec. 4,135; Decal. 52), und nicht die «(praktische) Weisheit» (φρόνησις), was angesichts des häufigen Gebrauchs der zur «Frömmigkeit» (εὐσέβεια) gehörenden Wortgruppe (Sterling 2006 [*336: 105] zufolge taucht sie 196-mal bei Philon auf) ein Element genuin jüdischer Frömmigkeit anzeigen mag, obwohl es auch platonische Vorläufer dafür gibt, wie Euthyphr. 12e. 2.2. Menschenliebe (φιλανθρωπία) Die besondere Verwandtschaft zwischen Gott und Mensch, die von der Vorstellung des göttlichen Logos als immanent und gleichzeitig transzendent herrührt, führte im Rahmen der Lehrbildung bei Panaitios, aber auch bei Antiochos unweigerlich zum Konzept von der Einheit der Menschheit (vgl. Sen. Epist. 9,17: «hominem homini natura conciliat»). Im Grunde finden wir dieselbe konzeptionelle Entwicklung auch bei Philon. Alle Menschen, sagt Philon, sind miteinander verwandt und Brüder, insofern sie die Gabe der Rationalität miteinander teilen (Decal. 41; Quaest. Gen. 2,60). Mit einer geselligen und sozialen Natur ausgestattet, sind sie dazu aufgerufen, gegenseitige Verbundenheit und partnerschaftlichen Geist zu zeigen (Decal. 132–134). Wie Panaitios betont Philon den positiven Aspekt von Gerechtigkeit als ein aktives Wohlwollen (Virt. 166–169), das er mit dem Wort «Menschenliebe» (φιλ ανθρωπία) umschreibt (Virt. 95; Decal. 119; Spec. 4,97; Mos. 2,163; zusammen mit dem Adjektiv φιλάνθρωπος über 80 Belege, vgl. Borgen 1996 [*288]) – ein Begriff, der in den Schriften von Panaitios und Antiochos, später auch bei Musonius Rufus und besonders bei Plutarch philosophische Bedeutung erlangt hat. Im zweiten Teil seiner Abhandlung ‹De virtutibus›, welcher der Menschenliebe gewidmet ist und mit Abstand der längste der vier Teile ist (51–174), unterstreicht
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macht dieselbe Erfahrung. «Erhofft sie das Gute, frohlockt sie zum voraus, so dass sie in gewissem Sinne sich vor der Freude freut und wohlgemut ist vor der Wohlgemutheit. […] Ganz entsprechend verhält es sich mit dem Gegenteil. Die Anwesenheit des Schlechten erzeugt Leid, die Erwartung Furcht. Wie sich nämlich, meine ich, zu Leid Furcht, so verhält sich zu Freude Hoffnung» (Mut. 161–163; vgl. Leg. all. 3,86f.). Die Doxographie des Areios Didymos zur stoischen Ethik (Stob. Ecl. 2,7,9, II,86,17–87,13 Wachsmuth = Chrysipp, SVF III, fr. 169) nennt ὄρουσις eine «Bewegung des Geistes in Hinblick auf die Zukunft». Als eine ihrer Unterarten rangiert «Unternehmung» (ἐγχείρησις), die bei Stobaios als «ein Streben nach etwas, was schon griffbereit ist», d. h. als Impuls zu einer zukünftigen Handlung, bezeichnet wird (Inwood 1985 [*261: 231]), und auch diesen Begriff verwendet Philon (Somn. 2,200). Ebenso greift er in diesem Zusammenhang den Terminus «Vorausleiden» (προπάθεια) auf, wenn er die Hoffnung als eine «gewisse Vorwegnahme der Freude» (προπάθειά τις τῆς χαρᾶς) bezeichnet (Quaest. Gen. 1,79; vgl. Spec. 4,121; Praem. 161; dazu Graver 2008 [*341]). Größten Raum aber nimmt die Thematik der Affekte ein, denen er möglicherweise wie Chrysipp und Poseidonios sogar eine eigene Abhandlung widmen wollte (Leg. all. 3,139, falls der Text so zu verstehen ist). Auf jeden Fall ist sein Werk durchzogen von kurzen Erwähnungen oder eingehenderen Erörterungen der vier kanonischen Grundaffekte: «Begierde» (ἐπιθυμία), «Lust» (ἡδονή), «Furcht» (φόβος) und «Leid» (λύπη; z. B. Congr. 81; Mut. 72). Wie die Stoiker definiert er die Affekte als «maßlosen, unbändigen Trieb und unvernünftige, naturwidrige Bewegung der Seele» (Spec. 4,79; Her. 245; Decal. 142; vgl. Zenon, SVF I, fr. 205f.), und wie sie erklärt er ihre Entstehung aus einer Schwäche bzw. einem Schlaf der Vernunft, wenn sie nicht mehr Herr über Sinneseindrücke und entsprechende Vorstellungen ist (Fug. 189). Sie sind die Krankheit der Seele, sie stellen die schwerste Gefahr für die Selbstbestimmung der Vernunft und für die sittliche Lebensführung dar (Spec. 1,167. 257; Her. 269–271; Congr. 55). Aber in diese stoische Gesamtorientierung sind auch fremde Elemente integriert, und sogar Philon selbst hat dieses Konzept in mehrerer Hinsicht bewusst aufgebrochen. So hebt er im Unterschied zu den Stoikern innerhalb der Vierzahl manchmal die Begierde und die Lust besonders hervor, weil sie die schlimmsten Affekte und die Quelle allen Übels sind (Leg. all. 2,17; Spec. 4,84). In seiner Auslegung des Dekalogs löst er im Einklang mit einer jüdischen Tradition das letzte Gebot «Du sollst nicht begehren» (οὐκ ἐπιθυμήσεις) von allen Objekten ab und versteht es im generellen Sinne als das Grund-Gebot gegen die alles mit sich reißende Begierde (Decal. 142; 173); er erklärt die Sonderstellung damit, dass, während alle anderen Affekte von außen wie durch eine Tür hereinkommen und uns überfallen und unfreiwillig zu sein scheinen, allein die Begierde aus uns selbst herrührt und freiwillig ist (Decal. 142; vgl. Plat. Rep. 8, 561c; 9, 571b–572b). Damit hat Philon mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Bibelexegese die monistische Anthropologie der Stoa durch die dualistische Seelenlehre des Platonismus überlagert (vgl. Reydams-Schils 2008 [*343], mit umfassender Stellensammlung und einlässlicher Diskussion). Auch das ist den Tendenzen des zeitgenössischen Mittelplatonismus nicht fremd (Inwood 1985 [*261: 140–143]).
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Entsprechendes lässt sich bei der weiteren Klassifikation der Affekte beobachten. Außer den schädlichen, vernunftwidrigen Affekten waren die Stoiker bereit, affektive Regungen im guten Sinne, die rational geleitet sind, zu akzeptieren, die εὐπάθειαι, zu denen sie drei primäre Formen jeweils als Gegenstücke zu den verwerflichen Leidenschaften und ein breiteres Spektrum von untergeordneten menschlichen Regungen rechneten (Chrysipp, SVF III, fr. 431). Philon kennt diese Lehre (Quaest. Gen. 2,57; Det. 119f.), aber er nimmt sie nur in charakteristischen Modifikationen auf. Sein Tableau weist als Gegenstück zu «Leid» auch einen rationalen Affekt auf, den «Gewissensbiss» (δηγμός), was den Stoikern fremd sein musste (Quaest. Gen. 2,57 mit der textkritischen Konjektur von Dillon 21996 [*250: 151 Anm. 2]; Graver 2008 [*341: 213f.]). Ebenso rechnet er die «Hoffnung» (ἐλπίς) dazu (Det. 120), die von den Stoikern nie als εὐπάθεια angesehen wurde. Vollends entfernt er sich von ihnen bei den untergeordneten Regungen. Zustimmend spricht er von «gerechtem Zorn» (ὀργὴ δικαία: Fug. 90; Somn. 1,91) und vom «Hass gegen das Böse» (μισοπονηρία: Mos. 2,9; Spec. 1,55; vgl. auch Spec. 4,170), den Chrysipp ausdrücklich in Abrede gestellt hatte (Chrysipp, SVF III, fr. 672). Ebenso ordnet er die «Reue» (μετάνοια), wenn auch nur zweitrangig, unter die Tugenden ein – ihr widmet er sogar einen eigenen Abschnitt in ‹De virtutibus› (175–186) – und betrachtet sie, obwohl er die mit ihr verbundene Bitterkeit nicht verkennt, als ein Kennzeichen des weisen Mannes (Virt. 177; Abr. 26; Somn. 1,91; Quaest. Ex. 1,15). Hier mag es das neupythagoreische Interesse an der Selbstprüfung, das später von der römischen Stoa aufgegriffen wurde, Philon leichter gemacht haben, die Reue als eine Tugend zu werten (Winston 1995 [*291: 39]). Und vor allem findet sich bei ihm auch die Wertschätzung des «Erbarmens» (ἔλεος); es ist dies «ein im höchsten Maße unentbehrlicher und der vernünftigen Seele angemessener Affekt» (Virt. 144), was keine Parallele bei den Stoikern hat, auch wenn sie ihre harte Position häufig gegen gegnerische Einwände verteidigen mussten (Cic. Tusc. 4,26,56; Epikt. Diss. 4,13,16; Sen. Dial. 7,24,1; Benef. 6,29). Dies ist aber unmittelbarer Ausdruck von Philons jüdischer Frömmigkeit. Deshalb verwundert es nicht, wenn er das Erbarmen im Einklang mit jüdischer Lehre sowohl dem Weisen als auch Gott zuschreibt (Sacr. 121; Imm. 75f.). Bemerkenswert ist ferner, dass Philon auch eine hilfreiche Funktion von Affekten anerkennt, wenngleich sie nur in uneigentlicher Sprache als «Helfer» (βοηθοί) bezeichnet werden können: «… denn auch die Lust trägt zur Erhaltung unseres Geschlechtes bei, ebenso die Begierde; Schmerz und Furcht veranlassen die Seele, indem sie sie peinigen, nichts zu vernachlässigen; der Zorn hat als Abwehrwaffe schon vielen sehr genützt; Ähnliches gilt auch sonst» (Leg. all. 2,8). Dass die Affekte eine wichtige und unerlässliche Komponente der menschlichen Natur darstellen und daher nicht beseitigt werden können, entspricht der peripatetischen Position (Cic. Tusc. 4,19,43; Ac. 2,135 mit Zuweisung an die Alte Akademie; Sen. Dial. 5,3,1), die anscheinend auch von Poseidonios geteilt wurde (fr. 31; 161; 187 Edelstein-Kidd). Aus alledem wird ersichtlich, dass Philon das stoische Idealbild der «Affekt losigkeit» im Sinne der völligen Ausrottung der Leidenschaften (ἀπάθεια) nicht unbesehen gelten lassen konnte, so sehr sie seine Sympathie gefunden haben mag
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und so klar er sie an nicht wenigen Stellen gefordert hat (z. B. Leg. all. 2,102; 3,68. 141; Agr. 10; Plant. 98; Migr. 92; Imm. 67). Doch er weiß auch, dass die völlige Unterdrückung der Affekte, selten genug, nur einem vollkommenen Mann gelingen wird (Sacr. 111), als Beispiele dafür gelten Mose oder Isaak (Leg. all. 3,128f.; Migr. 67; Det. 46); deshalb obliegt generell den Menschen die sittliche Verpflichtung, wenigstens den Kampf gegen sie zu führen und sie zu bändigen, wofür Aaron als Beispiel dient (Leg. all. 3,128f.; auch Abraham scheint hierher zu gehören: Abr. 257). Auf diese Weise übernimmt Philon das aristotelisch-platonische Konzept der «Affektmäßigung», der μετριοπάθεια, und fügt es in seine Sicht von moralischer Entwicklung ein (Fug. 213; Somn. 2,234f.; vgl. Winston 1984 [*260: 409–414]; Weisser 2011 [*355]). Für den «Fortschreitenden» (προκόπτων) ist die μετριοπάθεια die angemessene Verfassung, aber für den Vollkommenen ist es die ἀπάθεια (Leg. all. 132. 144; Quaest. Gen. 4,177). «Selbstbeherrschung» (ἐγκράτεια) und «Standhaftigkeit» (καρτερία) spielen bei diesem Kampf eine besondere Rolle (Spec. 4,112; Her. 274; Mut. 229; Mos. 2,185). Was ehedem Schlagworte für Schulgegensätze waren, wird für Philon zu einer Stufenfolge, wobei er dem Fortschreitenden eine sittliche Würde nicht abstreitet. Und um den Gedanken des Fortschritts näher auszugestalten, macht er sich eine auf Aristoteles (z. B. EN 10, 1179b20–21) zurückgehende Zusammenstellung von drei Aspekten, die das Streben nach Tugend und Vollkommenheit befördern, zunutze, nämlich den Dreiklang «Naturanlage – Unterricht – Übung» (φύσις – μάθησις – ἄσκησις). Wer Vollkommenheit anstrebt, sollte von Natur aus ethischer Unterweisung gegenüber aufgeschlossen sein und sich an geeignete Lehrer halten, und er muss beharrlich die erteilten Anweisungen ausüben. Philon identifiziert jeden dieser Aspekte aufgrund eigenwilliger Namensetymologien mit einem der biblischen Patriarchen, weil sie alle zwar die drei erfüllten, aber bei jedem ein Aspekt dominierte: bei Abraham die μάθησις, bei Isaak die φύσις und bei Jakob die ἄσκησις (Abr. 52–54). Angesichts Philons religiöser Grundhaltung ist nichts anderes zu erwarten, als dass Vollkommenheit, wie er sie versteht, weit entfernt ist von der Affektlosigkeit des stoischen Weisen. Für ihn ist sie in allen ihren Entwicklungsphasen niemals ein bloß natürlicher Prozess, wo der Mensch das ihm von Natur gegebene Ideal aus sich heraus verwirklicht. Vielmehr ist Gott, der transzendente Herr über die Natur, der wahre Urheber aller menschlichen Vollkommenheit, Tugend und Glückseligkeit. Jeder sittliche Erfolg ist in seinen Augen letztlich eine Wirkung von Gottes zuvorkommendem Beistand, da er die Kraft seines Erbarmens gnadenhaft aufstrahlen lässt (Post. 159). Es ist Gottes Wille, die Bürde der bedrückenden Leidenschaften zu erleichtern, und er wird denen, die ihn um Hilfe anflehen, Befreiung und Lösung der Fesseln verschaffen (Her. 272f.); er verheißt die Umwandlung der Leidenschaften in positive Seelenregungen (Plant. 119). Er ist es, der die Begierden aus der Seele schafft und die Seele reinigt (Cher. 50; Somn. 2,25; Leg. all. 286f.), der Tugenden herabregnen lässt und sie einpflanzt in die Seele (Mut. 258; Leg. all. 3,181; Plant. 37). Deshalb wäre es vermessen und gottlos, wenn der Mensch sittliche Auszeichnungen seiner eigenen Leistung, seinen eigenen Anstrengungen zuschreiben wollte, während sie doch auf Gott zurück zuführen sind (Leg. all. 1,49; 3,29. 136). Aus diesem Grund verwirft Philon auch
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die stoische οἰκείωσις-Lehre (Lévy 1998 [*300]). Der Mensch muss seine wesentliche «Nichtigkeit» (οὐδένεια) vor Gott eingestehen; angesichts der Überfülle der Wohltaten Gottes sich selbst zu erkennen, heißt für Philon, dass der Mensch sich bewusst wird, dass er «Staub und Asche» (Gen. 18,27), ja eher noch, dass er wahrhaft nichts ist (Her. 29f.; Mut. 54; 155; Spec. 1,263). 2.4. Politik Obwohl Philon das kontemplative Leben hochschätzt, befürwortet er die Teilnahme des Weisen am öffentlichen Leben; einen übertriebenen Asketismus oder einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Rückzug heißt er nicht gut (Fug. 32–36). Das hindert ihn jedoch nicht daran, die Konzeption des Politikers, hinter der die peripatetische Theorie steht, in der Person Josephs zu kritisieren (Det. 7, doch variiert das Bild Josephs, vgl. Frazier 2002 [*317]). Als Paradigma des idealen Gesetzgebers führt er stattdessen Mose an, dem er – in Anlehnung an Platon (Rep. 5, 473c–e) – die Fähigkeit eines ‘Philosophenkönigs’ zuspricht (Mos. 2,2; 187: Mose als König, Gesetzgeber, Hohepriester und Prophet), denn Mose war in seiner Person, wie die biblischen Patriarchen auch, eine lebendige Verkörperung des Naturgesetzes (Mos. 1,162; 2,4). So steht das stoische Konzept des Naturgesetzes, das durch Elemente des zeitgenössischen Platonismus und möglicherweise des Neupythagoreismus (vgl. Calabi 2008 [*339: 185–215]) gefiltert ist, im Zentrum von Philons politischer Theorie. Das «Naturgesetz» (νόμος τῆς φύσεως), identisch mit der «Weltvernunft» (ὀρθὸς λόγος: Opif. 143), ist die vom göttlichen Logos gestiftete kosmische Gesetzmäßigkeit im Weltganzen und gleichzeitig die normative Instanz für menschliches Handeln, indem es allen Menschen im Einklang mit der Ordnung der Natur gebietet, was zu tun, und verbietet, was zu unterlassen ist. Mögen die konkreten Staatsverfassungen und Gesetzgebungen unter den einzelnen Völkern stark variieren, mögen Weltreiche aufsteigen oder fallen, so sind die besonderen Gesetze der Einzelstaaten doch nur Zusätze zu dem einen universalen Naturgesetz, das die «Megalopolis» dieser Welt regiert (Jos. 28–31). Dessen regulierendes Prinzip im Kosmos wie im Staat und im Individuum ist die Gleichheit (ἰσότης), sie ist die Mutter der Gerechtigkeit (Spec. 4,231f.; 236f.; Contempl. 17), und konkrete politische Gestalt findet all dies in der Staatsform der Demokratie. Wenn im Laufe der Geschichte Großreiche immer wieder aufgestiegen und untergegangen sind (Imm. 173–175), so sind solche zyklischen Erschütterungen «der Tanz des göttlichen Logos» – nicht das Fatum, wie manche meinen –, des göttlichen Logos, der durch Austausch und Umverteilung von Macht und Besitz die ständigen Verletzungen des Gleichgewichts der göttlichen Ökonomie wieder zurechtrückt und behebt und dadurch auf die Errichtung einer die ganze Welt als eine einzige Polis umfassenden Friedensordnung in einer Demokratie hinarbeitet (Imm. 176; vgl. Her. 162). Die Einführung des Konzepts der Demokratie als der besten aller Verfassungsformen (Imm. 176; Abr. 242) hat angesichts der Tatsache, dass Philon selbst seine volle Sympathie für das Ideal der Philosophenherrschaft erklärt (vgl. Centrone 2000 [*305: 563–567]) und die Demokratie auch in der griechischen Staatsphilo-
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sophie nie als die ideale Verfassung angesehen wurde, etwas Überraschendes, und es ist nicht leicht zu entscheiden, woher Philon die Anregung dazu empfing. Aus den Kontexten, in denen er diesen Begriff verwendet (z. B. Agr. 45; Conf. 108; Spec. 4,231–237), lässt sich jedoch entnehmen, dass er darunter eine Verfassung versteht, die jedem das ihm Zustehende zuweist – das, was Platon und Aristoteles «geometrische Gleichheit» nennen würden, die eine angemessene Gewichtung zugunsten der Wohlhabenden impliziert (Plat. Gorg. 508a; Leg. 6, 757b–c; Arist. EN 5, 1131a10–b20). Keine Frage indessen ist es, dass für Philon das Mosegesetz nichts anderes als die schriftlich fixierte Form des Naturgesetzes ist (Najman 1999 [*302]). Wenn er in wenigen, seltenen Passagen die jüdisch-apokalyptische Hoffnung auf ein letztgültiges messianisches Zeitalter anklingen lässt (Praem. 163–172; vgl. Termini 2009 [*346: 109–111]), so bedeutet dies, dass die mosaische Tora – nicht im Sinne nationaler politischer Suprematie, sondern kraft definitiver Durchsetzung der ἰσότης durch den Logos Gottes – alle Staaten der Welt regieren wird, so dass keine Erschütterungen der göttlichen Ökonomie mehr auftreten werden und damit auch keine Notwendigkeit mehr für periodisch stattfindende Neuverteilungen gegeben sein wird (Winston 1985 [*262: 55–58], Hecht 1987 [*266]). 3. Physik 3.1. Prinzipienlehre Das höchste Prinzip in Philons metaphysischem System ist das Eine oder die Monas; damit ist zugleich die Einzigkeit und Einfachheit und das Alleinsein des Höchsten zum Ausdruck gebracht (Leg. all. 2,1–3). Es ist das wahrhaft Seiende (τὸ ὄντως ὄν: Imm. 11), das für Philon natürlich mit dem monotheistischen, personalen Gott des jüdischen Glaubens identisch ist. Deshalb ändert er häufig die platonische Bezeichnung τὸ ὄν in Anschluss an Ex. 3,14 zu der mehr personalen Form ὁ ὤν um (über 30-mal kommt Philon auf Namensoffenbarung Gottes am Horeb zu sprechen; Biblia Patristica 1982 [*216: 60]). In Spec. 2,176 wird von der arithmetischen Monas gesagt, dass sie «das unkörperliche Bildnis Gottes» (ἀσώματος θεοῦ εἰκών) sei, dem sie in ihrem Alleinsein gleicht. Neben anderen üblichen Attributen wie ‘ewig’, ‘unveränderlich’ und ‘unvergänglich’ verwendet Philon auch solche, für die er unsere früheste Autorität ist. In Somn. 1,67 beispielsweise wird Gott als «unnennbar» (ἀκατονόμαστος), als «unsagbar» (ἄρρητος) und «in jeder Beziehung unfassbar» (κατὰ πάσας ἰδέας ἀκατάληπτος) beschrieben. Es ist unwahrscheinlich, dass diese negativen Gottesprädikate von Philon selbst stammen (anders Radice 1989 [*273: 229–319] und 1991 [*278]); vielmehr ist anzunehmen, dass er Spuren einer Terminologie bewahrt hat, die von platonischen Kreisen im 1. Jahrhundert v. Chr. entwickelt worden ist, vielleicht von Eudoros selbst – möglicherweise beeinflusst durch die erste Hypothese des ‹Parmenides›. Auf jeden Fall sind diese Bezeichnungen, wenn sie später erscheinen, wie
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im ‹Didaskalikos› des Alkinoos, sicher nicht Philon entnommen. Es gibt Textstellen, an denen Philon die transzendentale Terminologie ins Extrem steigert, wenn er etwa Gott als «besser als das Gute, reiner als das Eine und ursprünglicher als die Monas» oder «höher als das Eine und die Monas und das erste Prinzip» beschreibt (Contempl. 2; Opif. 8; Praem. 40; Quaest. Ex. 2,68). Diese Aussageweisen dürften auf den platonisierenden Neupythagoreismus von Philons Zeit zurückgehen (so Whittaker 1973 [*246: 80]), bei Philon sind sie vielleicht eher rhetorische Floskeln (so Dillon 21996 [*250: 156]; dagegen Bonazzi 2008 [*338: 239f.]). Doch liegen sie genau in der Fluchtlinie seines auf die Transzendenz Gottes gerichteten Denkens. Eine prägnante Rolle spielt dabei auch der Gebrauch des Adverbs ὑπεράνω: Gott ist erhaben über Raum und Zeit, erhaben über die gesamte Schöpfung (Post. 14; Congr. 105; Conf. 137), er übersteigt grundsätzlich die menschliche Fassungskraft. Man kann auf mehreren Wegen – die bekanntesten sind die ‘via negationis’, ‘via analogiae’ und ‘via eminentiae’ – nach Gotteserkenntnis suchen. Doch wieder und wieder betont Philon, wir könnten nur die Existenz Gottes, dass er ist, erkennen, niemals jedoch sein Wesen. Gott in seinem Wesen bleibt uns unzugänglich (Praem. 39; Spec. 1,41–44; Mut. 11; Somn. 1,230f.; Mos. 1,75; Post. 168f.; zum Ganzen Calabi 2008 [*339: 3–69]). 3.2. Der Logos Angesichts eines völlig transzendenten Gottes stellt sich die Frage nach seinem Verhältnis zu dem von ihm hervorgebrachten Universum. Philon macht deutlich, dass das Universum von Gott als seiner Wirk- und Formursache abhängig, also ‘geschaffen’ ist (Opif. 26–27), aber eine Schöpfung ex nihilo scheint er nicht vertreten zu haben (vgl. Winston 1981 [*197: 7–21]). Gottes Beziehung zur Schöpfung bedarf einer vermittelnden Instanz, welche in Philons System durch den Logos gegeben ist – ein Konzept, das eine komplexe Verbindung platonischer und stoischer Elemente sowie aus der Bibel erwachsener Spekulationen über die Weisheit und das göttliche Schöpfungswort darstellt. Dies passt weitaus besser zu Philons Monotheismus als eine separate demiurgische Figur oder eine rationale Weltseele. Philon glaubte, in den beiden ersten Kapiteln der ‹Genesis› die Beschreibung einer zweifachen Schöpfung, zunächst die der intelligiblen Welt (νοητὸς κόσμος), dann die der sinnlich wahrnehmbaren Welt (αἰσθητὸς κόσμος) zu erkennen (vgl. Opif. 16). Die intelligible Welt ist die Gesamtheit der Ideen und stellt eine Anwendung des «Modells» (παράδειγμα) von Platons ‹Timaios› dar, dergestalt, dass die Ideen die Inhalte im Geist Gottes sind. Diese Gedankenformation hat Philon zweifellos nicht selbst entwickelt, sondern sie könnte zu Spekulationen des Antiochos von Askalon (vgl. Varros Allegorie der Geburt Minervas aus dem Haupt Jupiters bei Aug. Civ. 7,28) oder vielleicht sogar bis zur Alten Akademie zurückreichen (Dillon 2008 [*340: 230], Bonazzi 2008 [*338: 244f.]). Der Logos erscheint bei Philon als das aktive Element von Gottes schöpferischem Denken. In seinem dem göttlichen Geist immanenten Aspekt konstituiert er die intelligible Welt, während er in seinem aus dem Geist heraustretenden Aspekt die sinnlich wahrnehmbare Welt hervorbringt. Jetzt heißt er δεύτερος θεός oder θεός ohne Artikel
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(Quaest. Gen. 2,62; Somn. 1,229f.), aber der Begriff «Hypostase» (ὑπόστασις) fehlt im Bezug auf ihn, wie auch die Vorstellung einer Emanation des Logos aus Gott nicht klar formuliert ist (Quaest. Gen. 4,1; Cher. 97; dagegen Det. 82; Somn. 2,221; Fug. 198; die ihm ansonsten geläufige Gegenüberstellung von dem «inneren» und dem «ausgesprochenen» Gedanken [ἐνδιάθετος – προφορικός: Abr. 83] hat er nicht auf den göttlichen Logos bezogen). Die individuellen Ideen werden zu ‘samenartigen Vernunftprinzipien’ (σπερματικοὶ λόγοι), ein Gedanke, der sich an die Stoiker anlehnt. Tatsächlich werden sie nur einmal in ‹Legatio ad Gaium› so bezeichnet (Leg. 55); häufiger ist es der Logos selbst (im Singular), der als samenartig bezeichnet wird (z. B. Leg. all. 3,150; Her. 119). Er ist demnach die Gesamtheit der Ideen in Aktivität, wie der intelligible Kosmos ihre Gesamtheit im Ruhezustand ist. Als ‘samenartige Vernunftprinzipien’ dienen die Ideen als Modelle und schöpferische Prinzipien der physikalischen Welt (vgl. Opif. 20). Eine bemerkenswerte Charakterisierung des Logos bezeichnet ihn als «Teiler» (λόγος τομεύς) in seiner Eigenschaft als Zerleger der ungeschiedenen materiellen Substanz der Welt, sowohl in logischer als auch in kosmologischer Hinsicht. Dieses Bild, in enormer Länge im Mittelteil von ‹Quis rerum divinarum heres› (133– 236) ausgeführt, entspringt einer Exegese von Gen. 15,10. Der hier genannte Logos nimmt nicht eine aristotelische Analyse vor, sondern eher eine Dihärese in der Manier des ‹Sophistes› nach Art der Alten Akademie, indem er die undifferenzierte Materie fortschreitend in jeweils gleiche Hälften bis hin zur Vielfalt der Gegensätze, aus denen die Welt besteht, zerlegt. Er ist damit nicht nur für die arithmetische Gleichheit, sondern auch für die proportionale Gleichheit verantwortlich (Her. 144–146). Der Logos selbst wird durch die Zahl sieben symbolisiert (Her. 219). Andere vorherrschende Darstellungen des Logos sind die des Logos als «Werkzeug» (ὄργανον) Gottes bei der Erschaffung der Welt (z. B. Leg. all. 3,96; Migr. 6; Prov. 1,23) oder als «Abbild» (εἰκών) Gottes, wobei Gott das Vorbild des Abbildes und der Logos das Vorbild für alle geschaffenen Dinge ist (z. B. Spec. 1,81; Leg. all. 3,96; Conf. 97; 147; Fug. 101). Indem Philon die sogenannte Metaphysik der Präpositionen bemüht, charakterisiert er ihn als δι’ οὗ, als dasjenige, durch das die Welt gemacht worden ist (Cher. 125–127). Er ist der erstgeborene oder der ältere Sohn Gottes, unterschieden vom Kosmos, dem jüngeren Sohn, für den er Schöpfungsmittler ist (Imm. 31; Agr. 51; Conf. 63; 146; Somn. 1,229f.). Ein dritter, klar unterschiedener (vgl. Mos. 2,127) Aspekt des Logos ist seine in der Schöpfung immanent wirksame Aktivität, die in stoischem Vokabular – jedoch im Grundsatz frei von materiellen Konnotationen – beschrieben wird. Er ist der unlösliche Kitt und das unzerreißbare Band, das alles in vollkommener Harmonie zusammenhält (Her. 188; Migr. 220; Fug. 112; Quaest. Ex. 2,90. 118). Er ist das unwandelbare, das All durchdringende Naturgesetz und die alles lenkende und leitende Weltvernunft (Cher. 36; Migr. 6). Er ist die Stütze des Universums; indem er sich vom Zentrum der Welt bis hin zu den Enden und wieder zurück ausdehnt, schließt er alle Teile durch seine Spannkraft in fester, unlöslicher Ordnung zusammen (Plant. 8f.; Imm. 36). Entsprechend ist die Welt sein Gewand, denn er bekleidet sich mit den vier Elementen und dem daraus Bestehenden (Fug. 110).
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Im Ganzen ist nicht zu verkennen, dass Philons Lehre vom Logos von ungelösten inneren Spannungen durchzogen ist. Soll der Logos als vermittelnde Instanz zwischen dem transzendenten Gott und der geschaffenen Welt fungieren (Conf. 136f.; Post. 20; Spec. 1,329), so muss er in Beziehung zu beiden stehen, ohne indes mit einer der zu vermittelnden Seiten identisch sein zu dürfen. Das wirft weitreichende Probleme auf, mit denen Philon spürbar ringt. Insbesondere darf die Logos-Lehre das monotheistische Bekenntnis des jüdischen Glaubens an den einen und einzigen Gott nicht tangieren. Philon glaubt, dem Rechnung zu tragen, indem er die hypostatische Eigenständigkeit des Logos bewusst unscharf lässt; bisweilen erscheint dieser eher wie das Antlitz von Gottes Weltzugewandtheit, bisweilen scheint er tatsächlich eher so etwas wie eine real subsistierende Entität zu sein. Und in letzterem Fall beeilt er sich sogleich, zu versichern, dass der Logos keine unabhängige, von Gott getrennte Existenz, sondern nur eine untergeordnete Herrschaft innehat (Fug. 101; 111), dass er Gottes Unterstatthalter, Bote und Diener ist, der Gottes Willen ausführt (Agr. 51; Her. 205). Ähnliche Spannungen begegnen mehrmals. 3.3. Die Weisheit und die Kräfte Während sich Philons Konzeption des Logos mehrheitlich aus philosophischen Gedankenelementen speist, liegen die Wurzeln für seine Aussagen über die göttliche Weisheit in der biblisch-jüdischen Weisheitstradition, namentlich in Prov. 8 und im ‹Sapientia›-Buch (vgl. zum ganzen Komplex Weiss 1966 [*243: 204–211]). Indessen sind der ontologische Status der Weisheit sowie ihre herkömmlichen kosmologischen Funktionen weitgehend von der Logos-Doktrin absorbiert, wie denn auch «Weisheit» und «Logos» nicht selten Wechselbegriffe sind und geradezu miteinander identifiziert werden können (Leg. all. 1,65; Det. 115; 118). Doch gibt es auch Stellen, an denen sie einander untergeordnet oder voneinander abgeleitet werden (Fug. 97 vs. Som. 2,242. 245). Doch, wo von der Weisheit als einer distinkten eigenständigen Gestalt – und nicht nur wie in Som. 2,242 und Migr. 41 als von einer Eigenschaft Gottes – gesprochen wird, da ist der mythologische Charakter der Weisheit durchweg sehr viel ausgeprägter. Auf der Linie der biblischen Weisheitstexte liegt es, wenn Philon erklärt, dass Gott mit Hilfe der Weisheit bzw. durch sie (δι᾿ ἧς) die Welt erschaffen hat (Her. 199; Fug. 109; vgl. die Anspielungen in Leg. all. 1,64; Virt. 62). Aber die auffälligste und stärkste Verhaftung in der Mythologie ist mit der Vorstellung einer weiblichen kosmogonischen Potenz gegeben, die sich dahingehend äußert, dass Gott der Vater und die Weisheit die Mutter des Alls sind und der materielle Kosmos aus der Eheverbindung Gottes mit der Weisheit hervorgegangen ist (Fug. 109; Det. 54; Ebr. 30f. mit Zitat von Prov. 8,22; Cher. 49). Das weist auf einen hoch mythologischen Hintergrund einer Leben spendenden Muttergottheit. Darüber hinaus nennt Philon die Weisheit auch «Mutter und Amme (τιθήνη) des Alls» (Ebr. 30f.; nicht kosmologisch: Det. 115f.; Conf. 49), eine Bezeichnung, die Platon im ‹Timaios› (49a; 52d; 88d) dem aufnehmenden Prinzip beigelegt hatte und die in der platonischen Tradition auf die Materie bezogen wird (z. B. Plut. De Iside 372e–373c). Auch Philon tut dies
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einmal – aber nicht in Bezug auf die Weisheit (Ebr. 61). Die Weisheit – auch männliche Tochter Gottes genannt (Fug. 50) – repräsentiert für ihn wie der Logos den intelligiblen Kosmos (Congr. 116f.; Migr. 40; Her. 112; Som. 2,270), eine weltimmanente Rolle hat sie aber nicht (vgl. Radice 2009 [*346: 139]), und mit der Materie wird sie nicht identifiziert (Mack 1973 [*245: 117, 155], anders Dillon 21996 [*250: 163f.], Winston 1985 [*262: 20f.]). Die Weisheit wird durchweg aktiv vorgestellt, während die Materie als tot gilt (Fug. 198). Die Lehre von den Kräften (δυνάμεις) Gottes – auch λόγοι genannt und in der Weisheit bzw. im Logos zusammengefasst (Leg. all. 2,86) – ist neben der LogosLehre eine der bemerkenswertesten Konzeptionen Philons. Mit ihr sucht er einsichtig zu machen, wie der ferne Gott, ohne selbst in die Welt einzugehen, auf sehr verschiedenen Ebenen in seiner Schöpfung handelt und seinen Geschöpfen im Erweis seiner Existenz und Macht nahe kommt. Seine Wirkungen in der Welt sind so vielfältig und so reichhaltig, dass weitere Differenzierungen nötig sind. Philosophiegeschichtlich lässt sich die Lehre nicht eindeutig zurückverfolgen, wahrscheinlich lehnt sie sich an die ps.-aristotelische Schrift ‹De mundo› (398a) und an deren Weiterwirkung bei Aristobulos an (Radice 1989 [*273: 187–196], so schon Pohlenz 1942 [*234: 442, 480–487], vgl. auch Dillon 21996 [*250: 161–163]). Allerdings ist die δύναμις in ‹De mundo› eine einzige Entität, während bei Philon eine sorgfältiger ausgearbeitete Lehre anzutreffen ist, die in erster Linie zwei Hauptkräfte beinhaltet, nämlich Gottes Güte (ἀγαθότης), mittels welcher Gott die Welt erschafft (ποιητικὴ δύναμις), und Gottes Souveränität (ἐξουσία), mittels welcher er sie beherrscht (βασιλικὴ δύναμις). Auf diese, so Philon, weisen die beiden traditionellen Anreden Gottes «Herr» (κύριος) und «Gott» (θεός) hin (Mos. 2,99; Spec. 1,307; Abr. 121; Conf. 137). In der Exegese der beiden Cherubim mit dem flammenden Schwert, die das Paradies bewachen (Cher. 27–30, zu Gen. 3,24), symbolisieren die Cherubim diese beiden Kräfte und das Schwert zwischen ihnen den Logos. Die relative Rangfolge zwischen dem Logos und den Kräften besteht nach Quaest. Ex. 2,68 und Fug. 100f. darin, dass der Logos höherrangig ist und dass die Kräfte aus ihm entspringen «wie aus einer Quelle». Darüber hinaus erwähnt Philon eine Anzahl weiterer Kräfte, wie etwa die vorhersehende Kraft, die wohltätige und die strafende. Insbesondere stellt er gern eine Fünfzahl zusammen (Quaest. Ex. 2,68; Fug. 95). Sie mag durch exegetische Erfordernisse bedingt sein. 3.4. Kosmologie Die Auslegung der ersten Kapitel der ‹Genesis› gibt Philon Gelegenheit, am a utoritativen Bibeltext entlang die Grundkoordinaten seiner Kosmologie zu entwickeln, für die zugleich Platons ‹Timaios› die stärkste Stütze ist (Runia 1986 [*264], mit detaillierten Gegenüberstellungen, sowie Runia 2001 [*204]). Die Schöpfung ist geworden und hatte einen Anfang – das stellt Philon gleich vorweg in einem polemischen Vorspann gegen die aristotelische Auffassung von der Ewigkeit der Welt und der Untätigkeit Gottes, was zugleich die Leugnung der göttlichen Providenz impliziere, sicher (Op. 7–12, vgl. Trabattoni 2009 [*349]). Gott hat, wie es im Schöpfungsbericht heißt, die Welt in sechs Tagen geschaffen. Das be-
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deutet freilich nicht, dass Gott eines Zeitraums bedurfte, um sein Werk zu vollenden, vielmehr schuf er alles auf einmal, in einer Simultanschöpfung, denn die Zeit als «Intervall kosmischer Bewegung» (διάστημα τῆς τοῦ κόσμου κινήσεως: Op. 26) ist erst mit dem Kosmos entstanden. Aber die Darstellungsweise der ‹Genesis› will in erzählerischem Stil veranschaulichen, dass die geschaffene Welt eine geordnete Struktur aufweist, die mit Zahlen zu tun hat. Tag eins betrifft die Ideenwelt (Gen. 1,1–5, sodann 1,26f. und 2,4f. = Op. 15–35; 76; 129f.; 134), vom zweiten Tag an geht es um die Erschaffung der empirischen, materiellen Welt (Op. 36ff., vgl. Radice 2009 [*346: 131–135, 144f.]). Philons Erklärung enthält sachlich indes ein unbewältigtes Problem, das die Frage nach einem zweiten, passiven Prinzip, der Materie, betrifft (Op. 9; 21f.). In der Regel spricht er davon, dass Gott die ungeordnete, gestaltlose und eigenschaftslose Materie umgewandelt, geordnet und gestaltet habe (Op. 22; Plant. 3; Spec. 4,187; vgl. Fug. 8–10). Bisweilen kommen seine Formulierungen, dass Gott schuf, was noch nicht war, der Vorstellung einer ‘creatio ex nihilo’ nahe, aber genau genommen besagen sie dies nicht, und andere Stellen scheinen diese Deutung geradezu auszuschließen (Aet. 5; Spec. 1,266). Die Sache bleibt in der Schwebe (zur Forschungsdiskussion vgl. Runia 2001 [*204: 152f., 171f.]). Offenbar hat er darin weniger ein Problem gesehen, weil die rein passive Materie – mangelhaft, minderwertig, leblos, ja tot wie sie als solche nun einmal ist – nicht die Einzigkeit Gottes beeinträchtigen kann, dem allein Kausalität zukommt und der weder vor der Weltentstehung noch danach etwas neben sich hat (Leg. all. 2,2). Das konkrete Weltbild, das Philon unwillkürlich vor Augen steht, ist das gängige griechisch-wissenschaftliche, das geozentrische (Plan. 3; Conf. 156), das er in seinem immanenten Aufbau im wesentlichen wie die Stoa (vgl. drei stoische Definitionen von κόσμος in Aet. 4; Prov. 1,21) – freilich durch die Annahme des transzendenten Schöpfers aufgebrochen – konzipiert; das altorientalisch-biblische hat er nicht mehr verstanden. Das Universum ist ein beseeltes Lebewesen, was schon Platon im ‹Timaios› (30b) vertreten hat (Gig. 7); aller materieller Stoff ist dafür aufgebraucht worden (Plant. 5), ein den Kosmos außen umgebendes Vakuum, wie die Stoiker wollen, gibt es nicht (Plant. 6f.; Her. 228). Voll ausgebaut ist die VierElementen-Lehre. Gelegentlich wertet Philon den Äther, das fünfte Element des Aristoteles, als die Substanz der himmlischen Sphäre (Plant. 3; Her. 283; Quaest. Ex. 2,73), doch in der Regel rechnet er mit den kanonischen vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer (z. B. Op. 52), wobei am äußersten Himmel das Feuer in reinster Gestalt anzutreffen ist (Plant. 120; Det. 154). Ohnehin unterscheidet er in stoischer Gefolgschaft zwischen dem «Feuer zum praktischen Gebrauch» (πῦρ χρειῶδες) und dem «himmlischen Feuer» (πῦρ οὐράνιον: Haer. 136; Mos. 2,148) oder dem Feuer, das verbrennt, und dem, das erleuchtet (Decal. 49). Obschon sich die Elemente ineinander verwandeln (Quaest. Ex. 2,81; 82; Aet. 116), haben sie spezifische Qualitäten und jeweils ihren natürlichen Ort im Universum mit den entsprechenden Bewohnern (Contempl. 3; Gig. 7; Agr. 51; Plant. 12). Doch scharf weist Philon die stoische Theorie vom Weltenbrand (Her. 228; 300) und vom zyklischen Vergehen und Entstehen des Alls (Aet. 39–44) zurück. Die Welt, obwohl prinzipiell vergänglich, wird von Gott in immerwährendem Bestand erhalten
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(Sacr. 40; Migr. 181; Her. 246; Decal. 58). So ist für ihn die Welt «das schönste und größte und vollkommenste Werk» Gottes (Abr. 74; Aet. 15). Ob ihrer Rationalität und Ordnung zieht sie seine Bewunderung auf sich (Spec. 3,189f.; Praem. 41f.), aber mehr noch als den Kosmos bewundert er dankbar dessen Schöpfer (Op. 7; Spec. 1,210f.; Plant. 131). 3.5. Zwischenwesen Zwischen Gott und Mensch und dem Logos untergeordnet – der manchmal als ἀρχάγγελος, als «Anführer der Engel» bezeichnet wird (Her. 205; Somn. 1,157) – gibt es eine große Zahl von Zwischenwesen. Philon kann dafür die Autorität der Heiligen Schrift anführen, letztlich ist seine Auffassung platonisch. Er anerkennt die Rolle der geschaffenen Untergötter von Tim. 41a–d, die in platonischen Kreisen seiner Zeit mit Bestimmtheit mit den planetaren Göttern gleichgesetzt wurden. Wie Platon erklärt er anlässlich der Auslegung des Plurals von Gen. 1,26: «Lasset uns Menschen machen …», dass es Gott nicht geziemte, selbst Wesen von gemischter Natur, die zum Guten wie zum Bösen fähig sein würden, zu schaffen, und dass er deshalb andere Mitarbeiter heranzog, die den niederen Teil des Menschen bilden sollten (Opif. 72–75). Wenig früher hat er die Helfer mit den planetaren Göttern identifiziert, denen Gott Kräfte, wenn auch nicht unumschränkte, verliehen habe (Opif. 46; gegen die Gleichsetzung Runia 2001 [*204: 238]). Dass sie vernunftbegabte Lebewesen sind, ist für ihn selbstverständlich (Opif. 73), aber er bekämpft ihre religiöse Verehrung (Migr. 178f.). Neben den planetaren Göttern setzt Philon eine Heerschar an reinen, unkörperlichen Seelen in der Luft als gegeben voraus, die als Dämonen oder Engel bezeichnet werden können. Sie sind die wahren Bewohner der Luft, nicht die Vögel, sie sind zahlengleich mit den Sternen (Gig. 6–9; vgl. Somn. 1,135. 137; Apul. De deo Socr. 8–12; vgl. Tim. 41d). Dämonen, Engel und Seelen sind nur verschiedene Begriffe für dieselbe Klasse von Wesen (Gig. 16). Mit einem Verweis auf Plat. Symp. 202e bezeichnet er sie als «Boten nach beiden Seiten zwischen Menschen und Gott» (vgl. Somn. 1,141–142). Eine anschauliche Illustration dafür bietet Philon bei der Auslegung der Jakobsleiter von Gen. 28,12 in Verbindung mit der Stelle aus dem ‹Symposion› (Somn. 1,133–137). Gelegentlich scheinen die Engel mit den λóγoι, den wirkenden ‘Kräften’ in der Natur, identifiziert zu werden (Leg. all. 3,177), aber normalerweise werden sie als reine Seelen beschrieben (z. B. in Sacr. 5, wo auf den Mythos des ‹Phaidros› verwiesen wird). Es gibt Hinweise auf böse oder übelwollende Engel in Gig. 17f. und in Quaest. Ex. 1,23: Sie sind von Gott geschaffen, damit sie stellvertretend für ihn Bestrafungen vornehmen, wodurch er von dem Makel befreit wird, der Urheber des Bösen zu sein. Böse Dämonen kommen durchaus in der platonischen Tradition vor, etwa bei Xenokrates (vgl. Plut. De Iside 360d = fr. 225 Isnardi-Parente), weshalb dies auch bei Philon nicht irritieren sollte. Er betont jedoch nachdrücklich, dass sie Gott völlig untergeordnet sind (auf jüdische Elemente weist Termini 2009 [*346: 101–103]).
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3.6. Psychologie Die Seele ist für Philon letztlich unerkennbar (ἄγνωστος: Mut. 10; vgl. Cher. 114). In Somn. 1,30–33 steckt er vier Problemkreise zum höchsten Seelenvermögen, dem ἡγεμὼν νοῦς, ab, für die es keine eindeutigen Klärungen gibt: Was ist er seinem Wesen nach? Woher entstammt er? Was geschieht mit ihm nach dem Tod? Wo ist sein Sitz im menschlichen Körper? Und Philon beschließt diese doxo graphische Revue mit der Bekräftigung, dass er «unbegreiflich» (ἀκατάλεπτος) ist (Runia 2008 [*345: 24–28, 51–53]). Aufgrund seiner Gottebenbildlichkeit, als Ort der Gotteserfahrung, hat dieser an der Unerkennbarkeit Gottes selbst teil (Opif. 69). Deshalb fühlt sich Philon frei, vielfältigste Seelenbestimmungen der philosophischen Traditionen aufzugreifen, weil sie alle nur ungenügende Annäherungen an etwas Unbegreifbares sind. Im Allgemeinen befolgt Philon die vorherrschende platonische Zweiteilung der Seele in einen rationalen und einen irrationalen Teil (z. B. Leg. all. 2,6; Spec. 1,333). Der rationale Teil wird mit dem Intellekt (νοῦς) gleichgesetzt oder mit dem stoischen «herrschenden Element» (ἡγεμονικόν), der irrationale Teil mit den Sinnen und Affekten, «dem Nachwuchs der Sinne». Obwohl dies seine grundsätzliche Unterteilung ist, spricht er anderswo auch von einer Dreiteilung, nämlich in einen rationalen, muthaften und begehrlichen Teil (z. B. Spec. 4,92, wo der Einfluss von Plat. Rep. 4, 438d, Phaidr. 246a und Tim. 69c im Hintergrund steht). In Her. 225 wird die Dreiteilung bemerkenswerterweise zum Gegenstand einer weiteren Dichotomie gemacht, so dass letztlich sechs Elemente entstehen, mit dem Logos selbst als siebtem. Wenn es ihm passend erscheint, übernimmt Philon die stoische Unterteilung in das ἡγεμονικόν und die sieben physischen Vermögen, d. h. die fünf Sinne, das Sprach- und Fortpflanzungsvermögen, so z. B. in Opif. 117. Auch in Quaest. Gen. 2,59 nimmt er wieder eine Dreiteilung vor, die mehr aristotelisch als platonisch ist, wenn er die drei Teile des «vegetativen» (θρεπτικόν), des «wahrnehmenden» (αἰσθητικόν) und des «rationalen» (λογικόν) Seelenteils aufführt. Jede Art dieser Unterteilungen soll den Grundaspekt reflektieren, dass die Seele in rationale und irrationale Elemente unterteilt ist. Eine von Philons tragenden Allegoresen ist die von Adam als «Intellekt» (νοῦς) und Eva als «Wahrnehmung» (αἴσθησις) oder als irrationale Seele generell (z. B. Leg. all. 2,24; Cher. 57–60), deren Einheit im Körper notwendig für die Funktion des menschlichen Geistes ist. Eine andere Zuweisung, die ebenfalls an die doxographische Tradition anknüpft (Cic. Tusc. 1,19; Aët. Plac. 4,3,14; D. L. 8,30), kommt zum Tragen, wenn Philon mit ihr die biblische Vorstellung verbindet, dass Blut die Lebenskraft oder die Seele des Fleisches ist (Gen. 9,4; Lev. 17,11. 14; Dtn. 12,23). Diese Aussage kann sich für sein Verständnis nur auf den niederen, irrationalen Teil der Seele beziehen. Wenn er von einer Dreiteilung der Seele nach dem Schema «vegetativer – wahrnehmender – rationaler Teil» ausgeht, ist die Substanz des vegetativen und wahrnehmenden Teils Blut, die des rationalen Teils das göttliche Pneuma. In diesem Zusammenhang unterscheidet er auch zwischen Venen und Arterien, wobei letztere ein Übergewicht an Pneuma und nur einen kleinen Anteil an Blut aufweisen, weshalb sie der richtige Sitz des rationalen Vermögens sind, während die
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Venen, die mehr Blut als Pneuma enthalten, der Sitz der niederen Teile sind (Quaest. Gen. 2,59). Und wenn er zwischen dem Menschen als Lebewesen und dem Menschen als vernunftbegabten Lebewesen unterscheidet, dann ist das Blut die Lebenskraft des Lebewesens bzw. die Seele des Fleisches und das göttliche Pneuma die Denkkraft (Her. 55; Det. 82; Spec. 4,123). Was schließlich die Unsterblichkeit anbelangt, glaubt Philon fest an die Unsterblichkeit der von Gott persönlich geschaffenen rationalen Seele (Imm. 46; Congr. 97), während der von den Untergöttern geschaffene niedere Seelenteil vergänglich und sterblich ist (Fug. 69). Es ist nicht ganz klar, ob er der Ansicht ist, dass alle rationalen Seelen unsterblich seien oder nur die der Weisen und Guten, wie man es aus einer Passage in Quaest. Gen. 1,16 schließen könnte, wo es sinngemäss heißt, dass die Seele eines «schlechten Menschen» (φαῦλος) beim Tod ebenfalls stirbt; jedenfalls kehrt sie auf keinen Fall in das «Vaterland» zurück (vgl. B. Ber. 18a–b; Sanh. 64b; Maimonides M.T. Teshuvah 8,1). 3.7. Prophezeiung In ‹De vita Mosis› 2,188 listet Philon drei Arten von göttlichen Orakeln auf: 1) solche, die Gott selbst gesprochen und durch die Vermittlung seines Propheten als Dolmetschers gegeben hat. Philon denkt dabei offenbar an die Einzelgesetze, die Gott zu Mose, als er auf den Berg hinauf gerufen war, sprach und die dieser in menschliche Rede übersetzte, nicht aber an den Dekalog, den Gott ohne Prophet und Dolmetscher verkündet hat (Spec. 3,7; Winston 2002 [*320: 117]). 2) Offenbarungen, die in Form von Frage und Antwort ergangen sind, insofern Mose im Zustand göttlicher Begeisterung Fragen an Gott richtete und Gott antwortete, was natürlich Mose wiederum übersetzte. Philon nennt diese Form eine gemischte, weil sie die Elemente der ersten Art, dass Gott mit eigener Stimme spricht und Mose dolmetscht, mit dem Element der dritten, dass Mose im Zustand göttlicher Begeisterung spricht, in sich verbindet (Mos. 2,192). Philon führt dafür vier Bibelstellen an. 3) Weissagungen der Zukunft, die Mose im Zustand gött licher Ergriffenheit dank der ihm verliehenen vorausschauenden Kraft des Geistes Gottes geäußert hat; und dafür nennt Philon acht Bibelstellen. Letztlich gibt es mithin für Philon zwei Grundformen von Prophezeiungen, die hermeneutischintelligible und die ekstatische, doch hat er es unterlassen, die weiteren Implikationen dieser Unterscheidung voll auszuführen. Was die hermeneutisch-intelligible Form betrifft, hat Philon in solchen Fällen eine Art von intelligibler Geist-zu-Geist-Kommunikation angenommen, bei der das Bewusstsein des Propheten keineswegs ausgeschaltet, verdrängt oder in Beschlag genommen gewesen wäre, sondern Moses intelligibles Vermögen sei dabei vielmehr aktiv beteiligt gewesen und außerordentlich animiert und geschärft worden. Eine solche Vorstellung verdankte Philon der mittelplatonischen Tradition (Soury 1942 [*235: 128]). Die Platoniker beschäftigten sich mit entsprechenden Fragen, um die Natur von Sokrates’ berühmtem Daimonion zu erklären, und eine der überlieferten Deutungen bei Plutarch (De gen. Socr. 588e) ähnelt sehr stark der von Philon vertretenen. Wahrscheinlich hat Philon diese Erklärung ganz im
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Einklang mit der Aktivität der intuitiven Erkenntnis gesehen, die sich auf die grundlegenden Prinzipien des allgemeinen Seins im Ganzen bezieht (Winston 1989 [*274] und 2002 [*320: 116–127]). Die andere Grundform, nämlich die ekstatische Prophezeiung, ist entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass der Prophet vom göttlichen Pneuma ergriffen und erfüllt wird. In den meisten Fällen, beispielsweise bei den Zukünftiges weissagenden Orakeln Abrahams und Bileams (Her. 264–266; Quaest. Gen. 3,9; Mos. 1,274–291), hat Philon das radikale griechische Modell der ekstatischen Prophezeiung angewandt, wonach der Weissagende außer sich ist, er über seine eigenen prophetischen Worte im Unklaren ist und er ein bloßes, passives Medium des in ihm sprechenden Geistes ist. Leicht anders hingegen sind Moses ekstatische Prophezeiungen gezeichnet, auch wenn gewisse rhetorische Stilisierungen dem vereinzelt nahe zu kommen scheinen (vgl. Mos. 2,250; Spec. 1,65; 4,49). Philon hat, was Mose betrifft, nirgends einen expliziten Hinweis gegeben, dass seine Vernunft durch die Inspiration des göttlichen Geistes ausgeschaltet gewesen wäre (vgl. Mos. 2,265). Unter den acht die Zukunft weissagenden Prophezeiungen Moses finden sich aber zwei Beispiele, die klar zeigen, dass Mose unter dem Einfluss göttlicher Inspiration bestimmte Visionen hatte (Mos. 2,251f.: der Tod der Ägypter am Roten Meer; Mos. 2,281: der Untergang der Rotte Korach). Kurzum, um die Terminologie von Aune 1983 [*255: 32–34, 149–152] aufzunehmen, die ekstatischen, Zukünftiges vorhersagenden Prophezeiungen Moses können am besten als das Ergebnis einer «vision trance» und weniger einer «possession trance» charakterisiert werden. All dies passt gut zum Charakter der Einzigartigkeit, der das Porträt Moses umgibt. Nicht nur die prophetische Form seiner Gesetzgebung, sondern auch seine Zukunftsweissagungen – menschliche Fähigkeiten an sich übersteigende Gnadenerweise Gottes, die auch den Patriarchen und anderen Propheten zuteil wurden (Mos. 2,6; Her. 260f.) – sind darin strukturell einzigartig, so dass sie nicht Folge psychischer Besitznahme und Verdrängung sein können. 3.8. Kontemplativer Aufschwung und Schau Gottes Eines der bekanntesten Motive der Religionsgeschichte, das im philonischen Werk an zahlreichen Stellen wiederbegegnet, ist der Himmelsflug der Seele bzw. der kontemplative, mystische Aufstieg der Seele zur Schau Gottes. Bibelstellen, die diesen Gedanken immer wieder evozieren, sind etwa die Erscheinung Gottes vor Abraham in Sichem (Gen. 12,7; vgl. 17,1) oder bei Mamre (Gen. 18,1f), Jakobs Kampf am Jabok (Gen. 32,31), seine Namensänderung zu ‘Israel’, gedeutet als ‘Gott sehend’ (Gen. 32,28f., vgl. Abr. 57) oder Moses Eintritt in die Wolke auf dem Berg Horeb, wo er die Tora empfing (Ex. 20,21), und Moses Bitte, die Majestät Gottes zu schauen (Ex. 33,18–23). Aber es ist klar, dass mit Reminiszenzen an bestimmte platonische Dialoge wie den ‹Phaidros›, das ‹Symposion›, den ‹Ion› u. a. die Tradition des Platonismus im Hintergrund steht (Theiler 1965 [*242: 199– 203]). Dazu kommen zweifellos auch persönliche Erfahrungen Philons, was er gelegentlich durchblicken lässt (Migr. 34f.; Cher. 27; Leg. all. 2,32. 85; Somn. 2,252). Er ist überzeugt, dass das edelste Ziel des Menschen, sein höchstes Gut in der Er-
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kenntnis Gottes liegt (Decal. 81; Abr. 58) und dass bereits das bloße Streben danach einen beglückenden Vorgeschmack auf die noch ausstehende Herrlichkeit gibt (Post. 21). Aber wie schon die biblischen Aussagen, so ist auch der thematische Komplex in der Behandlung Philons gedanklich nicht aus einem Guss. Es gibt Beschreibungen, bei denen der Weg des Aufstiegs über den Kosmos verläuft (Abr. 69–71, 77–80; Praem. 41–43), andere, bei denen er über die Tugenden führt (Ebr. 82f.; Mut. 81f.; Plant. 36–40), oder solche, die einer vollkommeneren und reineren Geistesart entsprechen, die besagen, dass sich Gott selbst aus ihm selbst durch sein eigenes Licht zu erkennen gibt (Leg. all. 3,100–102; Praem. 43–46). Bisweilen liegt die Initiative allein bei Gott, bisweilen ist die menschliche Anstrengung die unabdingbare Voraussetzung, und bisweilen schafft Philon eine ausgewogene Balance zwischen menschlichem Anteil und göttlicher Gnade (Mut. 81f.; Praem. 37–39; Mackie 2012 [*357]). Und vor allem gibt es divergierende, ja widersprüchliche Aussagen darüber, ob bzw. inwiefern es überhaupt einem Geschöpf möglich ist, dieses hohe Ziel zu erreichen. Grundsätzlich erwägt Philon diesen Fall nur mit Blick auf die irdische Lebenszeit; dass die Schau Gottes für ein Leben nach dem Tod reserviert wäre, bleibt außer Betracht. An einer Reihe von Stellen spricht er ohne Umschweife von der positiv gegebenen Möglichkeit, was allerdings ohne nähere Qualifizierung bleibt; an anderen Stellen bricht er, eingedenk der biblischen Warnungen vor der Lebensgefährlichkeit, Gott zu sehen (Ex. 33,20; Idc. 13,22; Gen. 32,31), diese Möglichkeit dahingehend herunter, dass das für geschaffene Wesen allein erreichbare Ziel in der Schau des Logos oder der Kräfte Gottes bestehe (Conf. 95–97; Somn. 1,61–67; Spec. 1,41–50; Quaest. Gen. 4,2); und an wieder anderen Stellen limitiert er die Aussage in dem Sinne, dass die fragliche Schau nur darin bestehen könne, die Existenz Gottes, dass er ist, zu erkennen, aber nicht sein Wesen (Fug. 141; Praem. 39f.). So ist es nicht verwunderlich, dass die Forschungsdiskussion darüber nicht zur Ruhe kommt (vgl. beispielsweise Winston 1996 [*293: 74], der von «mystical contact that was limited only to an aspect of the Deity, namely, his manifestation as Logos» spricht, und Mackie 2009 [*348: 47]: «… he more often than not accords those in the highest class a glimpse of the transcendent Existent One»). Philons wohl bekannteste Beschreibung des kontemplativ-mystischen Aufstiegs findet sich in ‹De opificio mundi› als Erläuterung dessen, was es heißt, dass der Mensch «nach dem Bilde Gottes und nach seiner Ähnlichkeit» (Gen. 1,26) geschaffen ist (Op. 69–71). Diese Auszeichnung bestehe im menschlichen Geist (τῆς ψυχῆς ἡγεμὼν νοῦς), der in Analogie zu seinem Urbild unsichtbar ist und doch alles sieht, der selbst seinem Wesen nach unbekannt ist und doch alles erkennt. Auf der Suche nach Erkenntnis durchmisst er die körperliche Welt durch die Regionen der vier Elemente hinauf und «überschreitet» (ὑπερκύψας) diese, geführt von der «Liebe zur Weisheit» (ἔρωτι σοφίας), zur rein geistigen Welt, zur Schau der Urbilder und Ideen im Logos. Hier wird er, überwältigt von der außerordentlichen Schönheit, «von nüchterner Trunkenheit» (μέθῃ νηφαλίῳ; vgl. Fug. 167; Leg. all. 1,84; 3,82) ergriffen und «fällt» wie die Korybanten «in Verzückung» (ἐνθουσιᾷ). Doch der Aufstieg ist noch nicht zu Ende. Erfüllt von anderer Sehnsucht und höherem Verlangen, wird der Geist in einer letzten Steigerung zum
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höchsten Gipfel des rein Geistigen empor getragen und meint, bis zum Großkönig selbst vorzudringen. Doch ehe es zum Anblick Gottes kommt, ergießen sich wie ein reißender Strom reinste und ungetrübte Lichtstrahlen über ihn, so dass durch den entgegenstrahlenden Glanz sein geistiges Auge geblendet und ihm schwindlig wird. Eine mystische Vereinigung findet dieser Stelle zufolge (parallel: Praem. 38f.) nicht statt (zum Einzelnen vgl. Runia 2001 [*204: 222–235]). Einige Aspekte, die trotz aller Divergenzen in der Beschreibung der Schau Gottes konstant wiederkehren und besonders markant sind, sind hier hervorzuheben (zum Folgenden siehe Winston 1996 [*293] und 2010 [*351: 252–255]). Es darf insbesondere nicht übersehen werden, dass der ganze Vorgang einen fundamental intellektuellen Charakter hat, wenngleich es zu den wesentlichen Zügen gehört, dass der Mensch, will er für die Schau Gottes offen sein, sich dem Einfluss aller äußeren Dinge entziehen, dass er sich selbst entfliehen, sich selbst vergessen, sein Selbst zurücknehmen und sogar den eigenen Geist verlassen muss (Leg. all. 3,29. 41; Migr. 191; Her. 68–70; Somn. 2,232). Trotzdem verläuft der Aufstieg nicht anders als durch rationale Erkenntnis (Fug. 92). Ein anderer Punkt, der besondere Beachtung verdient, ist der Nachdruck, den Philon auf den dynamischen Charakter des Aufstiegs legt. Das auf Schritt und Tritt begegnende platonische Motiv der drängenden Liebe (ἔρως), des unersättlichen Liebessehnens, des Liebesrasens (οἶστρος in Plant. 59), in welchem der Geist emporgehoben, ja hinaufgetrieben wird zum Höchsten (Her. 70; Plant. 25; Somn. 2,232), geht einher mit Moses Weisung, Gott zu lieben und ihm anzuhangen (Dtn. 30,20 in Fug. 58; Congr. 134; Post. 12; in Fug. 58 interpretiert er das biblische ἀγαπᾶν durch ἔρως und φιλία; ferner Ps. 36,4: «Schwelge im Herrn!», in Plant. 39; Somn. 2,242). Philon sieht darin den äußerst gesteigerten Ausdruck für die intensivste vitale Bezogenheit des Menschen auf die Quelle seines Seins und seines Lebens. (Der einzige explizite Beleg für ἕνωσις in diesem Kontext, Post. 12, meint schwerlich «unio mystica», sondern steht offenbar als Hendiadyoin zusammen mit ἁρμονία für den inneren Zustand dessen, der Gott anhangt. Mit ἕνωσις in Leg. all. 1,37f. ist die Vereinigung der δύναμις [!] Gottes – nicht Gottes selbst – durch das vermittelnde πνεῦμα mit dem menschlichen Geist gemeint.) In diesem Zusammenhang kann sich ferner auch eine scheinbare Inkonzinnität in Philons Äußerungen bezüglich der Beständigkeit oder Momenthaftigkeit der intendierten Schau erklären. Das Streben selbst ist, wie Philon es sieht, ohne Frage eine psychologische Konstante, und dieses ist auf Beständigkeit und Ruhe in der zu erfahrenden Gotteserkenntnis, auf das Anhangen an Gott in zeitloser Nähe zu ihm gerichtet (Post. 12; Praem. 27; Gig. 49). Dagegen ist die konkrete Erfahrung der Schau nur wie ein vorübergehender, punktueller Moment von kurzer Dauer ohne bleibende Verwandlung des Schauenden, der nach der Gottesbegegnung, wie auch immer sie zu verstehen sein mag, wieder in den ursprünglichen Status seiner menschlichen Natur zurückkehrt (Quaest. Gen. 4,29; Somn. 2,232f.; 1,115f.). Demnach hat die kontemplativmystische Erfahrung der Gottesschau einen intermittierenden Charakter, dessen Rhythmus zwischen Eintritt und Abklingen eher dem Wechsel von Flut und Ebbe gleicht. Schließlich ist auf eine gedankliche Formel aufmerksam zu machen, die ein bedeutendes philosophisches Motiv anklingen lässt, das später, sicher ohne
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philonische Vermittlung, große Bedeutung erlangen sollte. Philon gesteht für vollkommener Eingeweihte noch einen höheren Weg der Gottesbegegnung zu, den er mithilfe der Lichtsymbolik beschreibt. Dieser besteht in einer Erkenntnis völlig eigener Art ohne menschliche Selbsttätigkeit, dass nämlich Gott selbst sich seinen Auserwählten von sich her, kraft eigener Offenbarung, zeigt und zu erkennen gibt (Leg. all. 3,100–102 mit Ex. 33,13) – in der Begegnung der einsam gewordenen und allein zurückgebliebenen Vernunft mit Gott allein (Fug. 92; Migr. 191). «Wird nicht überhaupt das Licht nur durch Licht gesehen? So ist auch Gott sein eigenes Licht und wird durch sich allein gesehen, und nichts anderes wirkt mit oder könnte auch nur mitwirken zur reinen Erkenntnis seines Daseins […]. In Wahrheit erlangen diese nur die, die Gott durch Gott vorstellen, Licht durch Licht» (Praem. 45f.; Spec. 1,42). Indessen geht auch hier der Inhalt der Offenbarung nicht über das ‘Dass’ der Existenz Gottes hinaus (Winston 2010 [*351: 255] interpretiert die ‘Licht durch Licht’-Formel im Sinne eines noch unentwickelten ontologischen Gottesbeweises). 4. NACHWIRKUNG
Die Überlieferung und Rezeption Philons ist über sehr lange Zeit ausschließlich auf christlichen Wegen erfolgt. Das rabbinische Judentum hat von Philon bis zur beginnenden Neuzeit keine Notiz genommen. Mögen auch in einzelnen seltenen Fällen schwache Nachklänge in der rabbinischen Literatur aufzuspüren sein (zu Rabbi Hoschaia von Caesarea vgl. Winston 2009 [*346: 232f.]), so zeigten die Rabbinen wenig Interesse an philosophischen Spekulationen, wie sie sich ja insgesamt vom griechischsprachigen Erbe des hellenistischen Judentums getrennt haben, und einem Intellektuellen vom Zuschnitt Philons, dessen Projekt der Allegorisierung ihnen fremd sein musste, wären sie mit Misstrauen begegnet. Dass sie jemals seine Schriften studiert hätten, ist gänzlich unwahrscheinlich. Dagegen beginnt eine reiche Bezeugung seiner Nachwirkung gegen Ende des 2. Jahrhunderts in Alexandrien bei den Christen (die wichtigsten Texte sind ab gedruckt bei Cohn, Wendland [*183: I lxxxxv–cxiii], grundlegend ist die Unter suchung von Runia 1993 [*287], eine Kurzfassung auch Runia 2009 [*346]). Zwar gibt es bereits zuvor einige sehr auffällige Berührungen in einzelnen Schriften des Neuen Testaments, besonders im ‹Hebräerbrief›, im ‹Johannes-Evangelium› und, stärker transformiert, im paulinischen Briefkorpus, doch bleibt die Art der Vermittlung weitgehend dunkel und erlaubt keine Rückschlüsse (Runia 1993 [*287: 63–86]; Siegert 2009 [*346] denkt an Vermittlung durch persönliche Kontakte in Rom und durch den Alexandriner Apollos in Ephesos). Der erste christliche Autor, der Philon explizit nennt und aus seinem Werk ausführlich zitiert, ist Clemens von Alexandrien (van den Hoek 1988 [*271]). Man muss annehmen, dass nach der Katastrophe der jüdischen Gemeinde von Alexandrien in den Jahren 115–117 die literarische Hinterlassenschaft Philons in den Besitz der nunmehr sich rein heidenchristlich orientierenden christlichen Kirche gelangte und vermutlich in der dortigen der sogenannten Katechetenschule angegliederten Bibliothek auf-
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bewahrt wurde. Der nächste Zeuge in der reichen Wirkungsgeschichte ist Origenes, der, als er Alexandrien 233 verlassen musste, Abschriften der Werke Philons nach Caesarea in die von ihm gegründete Bibliothek mitnahm. Dort hat sie fast 100 Jahre später der Kirchenhistoriker Eusebios von Caesarea benutzt und von dem Bestand ein Katalogverzeichnis erstellt (Hist. eccl. 2,18). Wahrscheinlich ist in diesem Exemplar der Archetyp für die gesamte weitere handschriftliche Überlieferung zu erblicken (Cohn, Wendland [*183: I iii–iv]). Doch zirkulierten Schriften Philons weiterhin, wie Papyrusfunde zeigen, auch unabhängig davon in christlichen Kreisen Ägyptens und in Alexandrien, wo Didymos der Blinde die frühe alexandrinische Tradition allegorischer Schriftauslegung weiterführte. Bis dahin ergibt sich somit das Bild, dass Philon weithin ein ungeschmälert hohes Ansehen genoss, weil man, wie aus Eusebios’ Mitteilungen ersichtlich wird, seine stupende Bildung bewunderte (Hist. eccl. 2,4,2f.), weil man seine historischen Aufstellungen für den Altersbeweis im Sinne des höheren Alters der Hebräer gegenüber den Griechen verwerten konnte (Hist. eccl. 4,13,7) und weil man ihn als Informant zeitgeschichtlicher Informationen schätzte (Hist. eccl. 2,5,1. 5,6–6,3). Außerdem galt er als Augenzeuge der Anfänge des Christentums in Rom, wo er in persönlichen Kontakt mit Petrus gekommen sein soll (Hist. eccl. 2,17,1), und in Ägypten, wo er die Ursprünge des christlichen Mönchtums sowie kirchliche Gemeindestrukturen vermeintlich selbst kennen gelernt hat, wie er in ‹De vita contemplativa› berichtet (Hist. eccl. 2,17,1–24). Vor allem und nicht zuletzt sah man in ihm einen hilfreichen Wegbegleiter und Förderer in Fragen der Bibelexegese und bei der Aufgabe, eine philosophisch-theologische Lehre zu entwickeln (vgl. Praep. ev. 7,13. 21; 8,13f.; 11,15. 24); seine Auslegungen wurden gerade deshalb besonders geschätzt und als Vorbilder verwertet, weil er in höchster Professionalität die volle Bandbreite aller Techniken der Interpretation mit einer beeindruckenden philosophisch-theologischen Erschließung der spirituellen Tiefe der Texte zu verbinden gewusst hatte. Ein markantes Zeichen dieser Wertschätzung ist es, dass ihn Hieronymus an elfter Stelle (nach den neutestamentlichen Autoren und zusammen mit Seneca und Josephus vor den Apostolischen Vätern) in seinen Katalog christlicher Schriftsteller ‹De viris illustribus› aufgenommen hat. Aufgrund solcher Motivationen sind auch die Übersetzungen entstanden: eine recht dürftige lateinische Übersetzung von zwei Werken vom Ende des 4. Jahrhunderts, die den Grundstock für den mittelalterlichen, auch unechtes Material enthaltenden ‹Liber Philonis› bildete, und eine getreue armenische von mehr als zehn Werken aus dem 6. Jahrhundert (Näheres dazu bei Royse 2009 [*346: 63f.]). Indessen ist das Ende des 4. Jahrhunderts auch die Zeit, in der ihm gegenüber kritische Stimmen zu vernehmen sind oder Vorbehalte spürbar werden. Für den Kappadokier Gregor von Nyssa ist Philons Reputation durch die arianische Krise belastet, für den Antiochener Theodor von Mopsuestia ist er für die verderbliche allegorische Methode bei Origenes verantwortlich. Bei beiden schwingen anti jüdische Ressentiments mit, und auch Ambrosius, der Philons Schriften extensiv und detailliert wie kein zweiter benutzt hat, hat stets ein wachsames Auge auf eventuelle Unzulänglichkeiten oder Defizite bei seinem jüdischen Gewährsmann. An der einzigen Stelle, an der er ihn namentlich nennt, wirft er ihm vor, dass seine
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Interpretation von Gen. 2,15 im Bereich der «moralia» verbleibe, weil sein Judentum ihn hindere, die tiefere mystische, die christliche Bedeutung der «spiritalia» zu erkennen (De paradiso 4,25). Dieser Stimmungsumschwung hindert aber nicht daran, dass man weiterhin, wenngleich in geringerem Umfang, Philon-Stellen ausschreibt (zu Calcidius vgl. Runia 1993 [*287: 281–290], zu Augustin Runia 1993 [*287: 320–330]); nicht selten sind die Exzerpte anonymisiert. Einen gewissen Endpunkt stellt die Katenen-Tradition dar, in der Philon teils ganz ohne Namensnennung, teils verdeckt und teils unter den wechselnden Lemmata Φίλωνος, Φίλωνος ἑβραίου oder sogar Φίλωνος ἐπισκόπου zitiert wird. Damit war Philon vollständig als christlicher Autor reklamiert (Runia 1993 [*287: 28ff.] und 2009 [*346: 225f.]). Mit der Editio princeps, die der französische Humanist Adrien Turnèbe, latinisiert Adrianus Turnebus, 1552 in Paris veröffentlichte, und mit der vervollständigten und verbesserten Edition, die der Augsburger Philologe David Hoeschel 1587 in Frankfurt folgen ließ (nochmals ein Nachtrag 1614), wurde der Grundstein für die philologische Beschäftigung mit Philon gelegt. Schrittweise büßte hinfort Philon seinen Status als Zeuge der christlichen Wahrheit ein. Der katholische Dogmenhistoriker D. Petavius (1644/1650) und der protestantische Physikotheologe J. A. Fabricius (1698) brachen der Erkenntnis Bahn, dass Philons Lehrsätze beispielsweise zur vermeintlichen Trinitätslehre gar nicht christliche, sondern platonische waren und dass seine Bedeutung auf dem Gebiet der entstehenden Altertumswissenschaften zu suchen sei. Etwa gleichzeitig setzte seine Wiederentdeckung als jüdischer Autor ein. Die erste und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts einzige kritische Ausgabe stammt vom Canonicus aus Durham, Thomas Mangey (London 1742). Noch heute maßgeblich ist die Editio Maior von Cohn und Wendland 1896–1930 [*183]. In der jüdischen Literatur wird Philon erstmals im 16. Jahrhundert erwähnt, als Azariah de’ Rossi, der einflussreichste Wegbereiter der modernen Wissenschaft vom Judentum, einige charakteristische Lehren in seiner Schrift ‹Me’or Eynayim› (Mantua 1573–1575) hervorhob (Marcus 1948 [*236]). Dieser berichtet, dass einige Zeitgenossen wie die Provenzali-Brüder für Philon eingetreten sind und «ihn mit einem goldenen Kranz gekrönt» haben (de’ Rossi Meor Eynayim 129 ed. Cassel). Seine eigene Einstellung zu Philon hingegen blieb ambivalent. Obwohl er seine philosophischen Fähigkeiten anerkannte, kritisierte er Philons Unkenntnis des Hebräischen und Aramäischen, seine Annahme der Ewigkeit der Materie, seine Allegorisierung der Heiligen Schrift und seine Abweichungen von der palästinensischen Halakha. Im Ergebnis ließ er offen, ob Philons Werk, wie er sich ausdrückte, «rein oder unrein» war. Er bezeichnete ihn nicht als Rabbi oder h’akham, da er sektiererische oder essenische Tendenzen bei ihm wahrnahm, aber er verurteilte ihn auch nicht als Häretiker. Er behandelte ihn als einen Weisen der nicht-jüdischen Welt und nannte ihn ‘Yedidyah [«Freund Gottes»] der Alexandriner’, ein treffendes hebräisches Äquivalent seines griechischen Namens. Interessanterweise identifizierte er Philons intelligible Welt mit dem Sefirot der Kabbalisten, auch war er der erste, der die Ähnlichkeit zwischen Rabbi Hoschaias Position in ‹Genesis Rabba› 1,1 und Philons Bild vom Architekten in Opif. 17–20
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wahrnahm. De’ Rossis Freund und Mentor, Rabbi Judah Moscato, der einige Bezüge zu Philon in seinen eigenen Schriften herstellte, nannte ihn ‘Rabbi Yedidyah’. Im 17. Jahrhundert vermutete der venezianische Rabbi Simone Luzzatto in seinem Werk ‹Discorso circa il stato de gl’Hebrei di Venezia› von 1638, dass Philon, den er sehr bewunderte und den er aus einer lateinischen Version zitierte, mit der Allegorisierung der Heiligen Schrift ein paganes Publikum habe ansprechen wollen. Er wünschte, dass Philon Juden ausgebildet hätte, statt zum Zwecke der Konversion von Griechen zu schreiben (Septimus 1987 [*267: 419f.], Weinberg 1988 [*272: 179]). Den Höhepunkt erreicht die jüdische Bewertung von Philon in einem seltsamen und wenig bekannten Buch von Rabbi David Cohen (1887–1972), ‹Qol ha-Nevuah› (‹Die Stimme der Prophezeiung›, 1970). Cohen, besser bekannt als Rav ha-Nazir, lobte Philon als «den Riesen der antiken jüdischen Philosophie». Im Gegensatz zur griechischen Philosophie charakterisierte er das Judentum als eine Schule des Hörens: Der Mensch werde durch die kosmische Stimme aufgerufen, Gott nicht zu sehen – was unmöglich ist –, sondern ihn zu verstehen und auf ihn zu hören. Dass dies bei den mittelalterlichen jüdischen Philosophen nicht mehr beachtet worden sei, dafür macht er die fehlende Berücksichtigung Philons mit seiner Lehre von Ma’amar, dem Logos, verantwortlich. Allein die Kabbala sei Philon treu geblieben. Ironischerweise ist Cohens grundlegende Lehre, dass «Hören größer ist als Sehen», gar nicht im Sinne Philons, der Dtn. 6,4 («Höre, Israel!») nirgends explizit zitiert. Abgesehen von der verzerrten Einschätzung Cohens erfolgte die erste wirklich anerkennende und bewundernde Sicht auf Philon im 20. Jahrhundert durch den jüdischen Theologen Rabbi Arthur Green. In seinem Buch ‹Seek my face, speak my name› – der Versuch, eine zeitgenössische jüdische Theologie aus der Perspektive des jüdischen Mystizismus zu formulieren – beschreibt Green Philon als «one of the earliest and most interesting exponents of the Torah […] who speaks of a notion of natural law, an eternal way of wisdom that teaches humans how to lived in harmony with the natural world. Abraham’s affinity for natural law was the ‘original Judaism’. The Torah as we have it is Moses’ attempt to approximate this nat ural law by means of human legislation.» (Green 2003 [*324: 124]). Aus dem Englischen übersetzt von Magdalena Hoffmann und Regina Füchslin.
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754 BIBLIOGRAPHIE ZUM SIEBTEN KAPITEL Septuaginta [*1–*51]; ‹Weisheit Salomons› [*56–*90]; Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides [*96–*175]; Philon von Alexandrien [*182–*359].
Septuaginta
Ausgaben, Übersetzungen
Textausgaben 1 Septuaginta. Id est Vetus Testamentum graece iuxta LXX interpretes, edidit A. Rahlfs. Editio altera quam recognovit et emendavit R. Hanhart (Stuttgart 2006; ND 2014). 2 Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum. Auctoritate Academiae Scientiarum Gottingensis editum (Göttingen 1931ff.). – Noch unabgeschlossene kritische Edition. Übersetzungen 8 La Bible d’Alexandrie (BdA). Traduction et annotation des livres de la Septante sous la direction de Marguerite Harl (Paris 1986ff.). – Französische Übersetzung mit Erläuterungen. Abschluss steht noch aus. 9 A New English Translation of the Septuagint and the Other Greek Translations Traditionally Included Under That Title (NETS), edited by A. Pietersma, B. G. Wright (New York 2007). – Englische Übersetzung. 10 Septuaginta Deutsch (LXX.D), herausgegeben von W. Kraus, M. Karrer (Stuttgart 22010). – Deutsche Übersetzung; zu ihr erschienen Erläuterungen und Kommentare, s. unten [*18].
Sekundärliteratur Der Forschungsstand ist unbefriedigend. Philosophische Aspekte werden in den Einleitungen und derzeitigen Forschungsdebatten wenig berücksichtigt. Eine Bibliographie zur Septuaginta entsteht unter: http://www.septuagintaforschung. de/ (Stand: Juli 2018).
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Eine aktuelle Gesamtdarstellung mit Literatur bietet jetzt: 15 M. Karrer: Septuaginta and antike Philosophie, in: Die Septuaginta – Orte und Intentionen. 5. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 24.–27. Juli 2014, herausgegeben von S. Kreuzer, M. Meiser, M. Sigismund (Tübingen 2016) [WUNT 361] 3–35. Einleitungen, Kommentare 16 F. Siegert: Zwischen Hebräischer Bibel und Altem Testament. Eine Einführung in die Septuaginta (Münster 2001) [Münsteraner Judaistische Studien 9]. 17 M. Tilly: Einführung in die Septuaginta (Darmstadt 2005). 18 Septuaginta Deutsch. Erläuterungen und Kommentare zum griechischen Alten Testament. I: Genesis bis Makkabäer; II: Psalmen bis Daniel, herausgegeben von M. Karrer, W. Kraus (Stuttgart 2011). Beiträge 24 P. Heinisch: Die griechische Philosophie im Buche der Weisheit (Münster 1908). 25 P. Heinisch: Der Einfluss Philos auf die älteste christliche Exegese (Barnabas, Justin und Clemens von Alexandria). Ein Beitrag zur Geschichte der allegorisch-mystischen Schrift auslegung im christlichen Altertum (Münster 1908) [Alttestamentliche Abhandlungen 1–2]. 26 P. Heinisch: Griechische Philosophie und Altes Testament. I: Die palästinensischen Bücher (Münster 1913) [Biblische Zeitfragen, Folge 6, 6/7]. 27 P. Heinisch: Griechische Philosophie und Altes Testament. II: Septuaginta und Buch der Weisheit (Münster 1914) [Biblische Zeitfragen, Folge 7, 3].
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Septuaginta
28 O. Weinreich: Ciceros Hymnus an die Philosophie und ein Psalmenvers, in: Ders.: Ausgewählte Schriften 3 (Amsterdam 1979) 381–394. – Ursprünglich erschienen in der Stuttgarter Tageszeitung vom 6.12.1958. 29 R. Renehan: The Greek Philosophic Background of Fourth Maccabees, in: RhM 115 (1972) 223–238. 30 E. Schürer: The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B. C. – A. D. 135). A new English version, revised and edited by G. Vermes, F. Millar, M. Goodman, I–III (Edinburgh 1973–1987). 31 H.-J. Klauck: 4. Makkabäerbuch (Gütersloh 1989) [Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit III,6]. 32 Lehrerin der Gerechtigkeit: Studien zum Buch der Weisheit, herausgegeben von H. Engel, G. Hentschel, E. Zenger (Leipzig 1991) [Erfurter theologische Schriften 19] 13–25. 33 H. Hübner: Die Sapientia Salomonis und die antike Philosophie, in: Die Weisheit Salomos im Horizont biblischer Theologie, herausgegeben von H. Hübner (Neukirchen 1993) [Biblisch-Theologische Studien 22] 55–81. 34 M. Rösel: Übersetzung als Vollendung der Auslegung. Studien zur Genesis-Septuaginta (Berlin, New York 1994) [BZAW 223]. 35 J. Cook: Greek Philosophy and the Septuagint, in: Journal of Northwest Semitic Languages 24 (1998) 177–191. 36 H. Engel: Das Buch der Weisheit (Stuttgart 1998) [Neuer Stuttgarter Kommentar AT 16]. 37 M. Rösel: Theo-Logie der griechischen Bibel. Zur Wiedergabe der Gottesaussagen im LXXPentateuch, in: Vetus Testamentum 48 (1998) 49–62. – Bes. S. 55f. 38 M. Kepper: Hellenistische Bildung im Buch der Weisheit. Studien zur Sprachgestalt und Theologie der Sapientia Salomonis (Berlin, New York 1999) [BZAW 280]. 39 H. von Lips: Beobachtungen zur griechischen Übersetzung des Proverbia-Buches, in: Frühjudentum und Neues Testament im Horizont Biblischer Theologie, herausgegeben von W. Kraus, K.-W. Niebuhr (Tübingen 2003) [WUNT 162] 36–49. – Wieder in: Ders.: «… und nicht die Perlen vor die Säue». Gesammelte Studien zum Neuen Testament, herausgegeben von Chr. Senkel (Leipzig 2012) [Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 43] 118–131. 40 M. Neher: Wesen und Wirken der Weisheit in der Sapientia Salomonis (Berlin 2004) [BZAW 333].
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41 E. G. Dafni: Gen. 1–11 und Platos ‹Symposion›. Überlegungen zum Austausch von hebräischem und griechischem Sprach- und Gedankengut in der Klassik und im Hellenismus, in: Old Testament Essays 19 (2006) 584– 632. 42 D. A. DeSilva: The Perfection of ‘Love for Offspring’: Greek Representations of Maternal Affection and the Achievement of the Heroine of 4 Maccabees, in: New Testament Studies 52 (2006) 251–268. 43 R. Cox: By the Same Word. Creation and Salvation in Hellenistic Judaism and Early Christianity (Berlin, New York 2007) [BZNW 145]. 44 A. Léonas: L’aube des traducteurs. De l’hébreu au grec: traducteurs et lecteurs de la Bible des Septante (IIIe s. av. J.-C.– IVe s. apr. J.-C.) (Paris 2007). 45 A. Leproux: Un discours de sagesse. Étude exégétique de Sg 7–8 (Rome 2007) [Analecta Biblica 167]. 46 A. Schenker: Wurde die Tora wegen ihrer einzigartigen Weisheit auf Griechisch übersetzt? Die Bedeutung der Tora für die Nationen in Dt 4:6–8 als Ursache der Septuaginta, in: FZPhTh 54 (2007) 327–347. 47 Th. A. W. van der Louw: Transformations in the Septuagint. Towards an Interaction of Septuagint Studies and Translation Studies (Leuven 2007) [Contributions to Biblical Exegesis & Theology 47]. 48 J. Cook: The Translator of the Septuagint of Proverbs – Is his Style the Result of Platonic and/or Stoic Influence?, in: Die Septuaginta – Texte, Kontexte, Lebenswelten. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 20.–23. Juli 2006, herausgegeben von M. Karrer, W. Kraus, M. Meiser (Tübingen 2008) [WUNT 219] 544– 558. 49 M. Karrer: Septuaginta und Philosophie, in: Juda und Jerusalem in der Seleukidenzeit. Herrschaft – Widerstand – Identität. FS HeinzJosef Fabry, herausgegeben von U. Dahmen, J. Schnocks (Göttingen 2010) [Bonner biblische Beiträge 159] 191–212. 50 Chr. Kugelmeier: Voces biblicae oder voces communes? Zum Sprachgebrauch der Septuaginta im Lichte neuer Papyrusforschungen, in: Die Septuaginta – Texte, Theologien, Einflüsse. 2. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 23.–27. Juli 2008, herausgegeben von W. Kraus, M. Karrer, M. Meiser (Tübingen 2010) [WUNT 252] 340–356.
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Bibliographie zum siebten Kapitel
51 E. Bons: Beobachtungen zum anthropologischen Vokabular von Weish 7,1–6, in: Die Septuaginta – Entstehung, Sprache, Geschichte. 3. Internationale Fachtagung veranstaltet von Septuaginta Deutsch (LXX.D), Wuppertal 22.–25. Juli 2010, herausgegeben von S. Kreuzer, M. Meiser, M. Sigismund (Tübingen 2012) [WUNT 286] 144–154.
Wirkungsgeschichte Zur älteren Wirkungsgeschichte viele Hinweise in der Bible d’Alexandrie 1986ff. [*8], zur jüngeren z. B. J. Ratzinger: Einführung in das Christentum. Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbekenntnis (München 1968). – 84–99: Ex. 3,14.
‹Weisheit Salomons›
Ausgaben, Übersetzungen, Kommentare
Ausgabe 56 Sapientia Salomonis, edidit J. Ziegler (Göttingen 1962, 21980) [Septuaginta. Vetus Testamentum Graecum, vol. XII,1]. Übersetzungen, Kommentare 62 The Wisdom of Solomon. A New Translation with Introduction and Commentary by D. Winston (Garden City, New York 1979) [Anchor Bible 43]. 63 A. Schmitt: Weisheit (Würzburg 1989) [Die Neue Echter Bibel. Kommentar zum Alten Testament mit der Einheitsübersetzung, Lieferung 23]. 64 H. Engel: Das Buch der Weisheit (Stuttgart 1998) [Neuer Stuttgarter Kommentar AT 16]. 65 Die Weisheit Salomons. Liber Sapientiae Salomonis, übersetzt und erklärt von H. Hübner (Göttingen 1999) [Das Alte Testament Deutsch, Apokryphen Band 4].
Sekundärliteratur 71 J. M. Reese: Hellenistic Influence on the Book of Wisdom and its Consequences (Rome 1970) [Analecta Biblica 41]. 72 D. Winston: The Book of Wisdom’s Theory of Cosmogony, in: History of Religions 11 (1971) 185–202. – Revised version in Sterling 2001 [*85: 59–77]. 73 M. Gilbert: La critique des dieux dans le Livre de la Sagesse (Sg 13–15) (Rome 1973) [Analecta Biblica 53].
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74 G. F. Chesnut: The Ruler and the Logos in Neopythagorean, Middle Platonic, and Late Stoic Political Philosophy, in: ANRW II 16,2 (1978). – Zu Ekphantos: 1318–1320. 75 C. Larcher: Le Livre de la Sagesse ou la Sa gesse de Salomon, I–III (Paris 1983–1985) [Études bibliques 1, 3, 5]. 76 P. Bizzeti: Il Libro della Sapienza. Struttura e genere letterario (Brescia 1984) [Rivista Biblica Suppl. 11]. 77 M. Kolarcik: The Ambiguity of Death in the Book of Wisdom 1–6: A Study of Literary Structure and Interpretation (Rome 1991) [Analecta Biblica 127]. 78 Y. Amir: Measure for Measure in Talmudic Lit erature and in the Wisdom of Solomon, in: Justice and Righteousness: Biblical Themes and their Influence, edited by H. Graf Reventlow, Y. Hoffman (Sheffield 1992) 29–46. 79 D. Winston: Wisdom in the Wisdom of Solomon, in: In Search of Wisdom. Essays in memory of J. G. Gammie, edited by L. G. Perdue, B. Scott, W. Wiseman (Louisville 1993) 149– 164. 80 L. Mazzinghi: Notte di Paura e di Luce. Esegesi di Sap 17,1–18,4 (Roma 1995) [Analecta Biblica 134]. 81 J. J. Collins: Jewish Wisdom in the Hellenistic Age (Louisville 1997). 82 J. J. Collins: Seers, Sibyls and Sages in Hellenistic-Roman Judaism (Leiden 1997). – Insb. 316– 367. 83 P. Enns: Exodus Retold: Ancient Exegesis of the Departure from Egypt in Wis 10:15–21 and 19:1–9 (Atlanta 1997). 84 M. McGlynn: Divine Judgement and Divine Benevolence in the Book of Wisdom (Tübingen 2001) [WUNT 139].
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Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides
85 The Ancestral Philosophy: Hellenistic Philosophy in Second Temple Judaism: Essays of David Winston, edited by G. E. Sterling (Providence 2001). 86 D. Winston: Theodicy in the Wisdom of Solomon, in: Theodicy in the World of the Bible, edited by A. Laato, J. C. de Moor (Leiden 2003) 525–545. 87 The Book of Wisdom in Modern Research. Studies on Tradition, Reduction, and Theology, edited by A. Passaro, G. Bellia (Berlin 2005)
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[Deuterocanonical and Cognate Literature: Yearbook 2005]. 88 J. J. Collins: The Reinterpretation of Apocalyptic Traditions in the Wisdom of Solomon, in: Passaro, Bellia 2005 [*87: 143–157]. 89 M. Gilbert: The Literary Structure of the Book of Wisdom. A Study of Various Views, in: Passaro, Bellia 2005 [*87: 19–32]. 90 D. Winston: A Century of Research on the Book of Wisdom, in: Passaro, Bellia 2005 [*87: 1–18].
Aristobulos, Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides
Aristobulos
Kritische Ausgabe 96 Fragmenta pseudepigraphorum quae super sunt graeca, collegit et ordinavit A.-M. Denis (Leiden 1970) 217–228. Übersetzungen
Deutsch 102 P. Riessler: Altjüdische Schriften außerhalb der Bibel (Augsburg 1928) 179–185. 103 N. Walter: Fragmente jüdisch-hellenistischer Exegeten, in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit III,2 (Gütersloh 1975) 261–279.
Englisch 109 C. R. Holladay: Fragments from Hellenistic Jewish Authors. III: Aristobulus (Atlanta 1995). – Mit griechischem Lesetext. 110 A. Y. Collins: Aristobulus (Second century B. C.). A new translation and introduction, in: The Old Testament Pseudepigrapha, edited by J. M. Charlesworth (London 1983–1985) II 831–842. Sekundärliteratur 116 L. C. Valckenaer: Diatribe de Aristobulo Iudaeo, philosopho peripatetico Alexandrino (Leiden 1806). 117 R. Binde: Aristobulische Studien I–II, in: Programme des Königlichen Evangelischen Gymnasiums zu Groß-Glogau (Glogau 1869– 1870).
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118 A. Elter: De Gnomologiorum Graecorum historia atque origine commentatio (Bonn 1893–1895). 119 H. Willrich: Juden und Griechen vor der makkabäischen Erhebung (Göttingen 1895). 120 A. Gercke: Aristobulos (15), in: RE II 1 (1896) 918–920. 121 E. Schürer: Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi, III (Leipzig 41909). – Erste Auflage 1874 als ‹Lehrbuch der neutestamentlichen Textgeschichte›. 122 K. Mras: Ein Vorwort zur neuen EusebiusAusgabe (mit Ausblicken auf die spätere Gräcität), in: RhM 92 (1944) 217–236. 123 R. Keller: De Aristobulo Judaeo (Bonn 1948). 124 R. P. C. Hanson: Allegory and Event. A Study of the Sources and Significance of Origen’s Interpretation of Scripture (London 1959). – 41–44: Aristobulos. 125 N. Walter: Anfänge alexandrinisch-jüdischer Bibelauslegung bei Aristobulus, in: Helikon 3 (1963) 363–372. 126 N. Walter: Der Thoraausleger Aristobulos. Untersuchungen zu seinen Fragmenten und zu pseudepigraphischen Resten der jüdischhellenistischen Literatur (Berlin 1964). – Das grundlegende Werk zu Aristobulos, von dem alle nachfolgende Forschung ausgeht. 127 M. Hengel: Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. (Tübingen 1969, 31988). 128 H. Hegermann: Das griechisch sprechende Judentum, in: Literatur und Religion des Frühjudentums, herausgegeben von J. Maier, J. Schreiner (Würzburg 1973) 328–352.
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Bibliographie zum siebten Kapitel
129 C. Kraus Reggiani: Aristobulo e l’esegesi allegorica dell’Antico Testamento nell’ambito del Giudaismo Ellenistico, in: RFIC 101 (1973) 162–185. 130 N. Walter: Fragmente jüdisch-hellenistischer Historiker, in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, herausgegeben von W. G. Kümmel. I,2: Historische und legendarische Erzählungen (Gütersloh 1976, 21980) 91–163. – Für weitere Parallelen, vor allem historischer Art. 131 K.-G. Sandelin: Zwei kurze Studien zum alex andrinischen Judentum, in: Studia Theologica 31 (1977) 147–152. 132 S. Sabugal: La exégesis biblica da Aristóbulo y del seudo-Aristeas, in: Revista Agustiniana de Espiritualidad 20 (1979) 195–202. 133 C. Kraus Reggiani: I frammenti di Aristobulo, esegeta biblico, in: Bollettino dei Classici 3 (1982) 87–134. – Mit Text und Übersetzung. 134 P. Moraux: Der Aristotelismus bei den Griechen von Andronikos bis Alexander von Aphrodisias II (Berlin, New York 1984). 135 E. Schürer: The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C.–A.D. 135). A new English version, revised and edited by G. Vermes, F. Millar, M. Goodman. III,1 (Edinburgh 1988) 745–755. – Weithin neu geschriebene englische Fassung von Schürer 41909 [*121]; italienische Fassung: Brescia 1998. 136 R. Goulet: Aristoboulos, in: DPhA I (1989) 379f. 137 Y. Amir: Monotheistische Korrekturen heidnischer Texte, in: Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter. FS Heinz Schreckenberg, herausgegeben von D. A. Koch, H. Lichtenberger (Göttingen 1993) 9–19. 138 Ch. Riedweg: Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos. Beobachtungen zu OF 245 und 247 (sog. Testament des Orpheus) (Tübingen 1993) [Classica Monacensia 7]. – Text, Übersetzung, kritischer Kommentar und Interpretation. 139 R. Radice: La filosofia di Aristobulo e i suoi nessi con il «De mundo» attribuito ad Aristotele. Prefazione di A. Bos (Milano 1994; ND 1995). – Mit Text und Übersetzung. 140 Ch. Riedweg: Ps.-Justin (Markell von Ankyra?), Ad Graecos de vera religione (bisher “Cohortatio ad Graecos”). Einleitung und Kommentar (Basel 1994) [SBA 25,1–2]. 141 C. R. Holladay: The Textual Tradition of Pseudo-Orpheus: Walter or Riedweg?, in: Ge-
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schichte – Tradition – Reflexion. FS Martin Hengel zum 70. Geburtstag, herausgegeben von H. Cancik, H. Lichtenberger, P. Schäfer. I: Judentum (Tübingen 1996) 159–180. 142 C. R. Holladay: Pseudo-Orpheus. Tracking a Tradition, in: The Early Church in its Context, edited by A. J. Malherbe, F. W. Norris, J. W. Thompson (Leiden, Boston, Köln 1998) 192–220. 143 A.-M. Denis et al.: Aristobule, in: Introduction à la littérature religieuse judéo-hellénistique II (Turnhout 2000) 1216–1237. 144 Ch. Riedweg, Literatura órfica en ámbito judío, in: Orfeo y la tradición órfica. Un reencuentro I, coordinado por A. Bernabé y F. Casadesús (Madrid 2008) [Akal Universitaria. Serie Religiones y mitos 280] 379–392. 145 F. Jourdan, Poème judéo-hellénistique attribué à Orphée. Production juive et réception chrétienne (Paris 2010) [Collection Fragments].
Ps.-Aristeas und Ps.-Phokylides
Kritische Ausgaben 146 Aristeae ad Philocratem epistula, edidit P. Wendland (Lipsiae 1900) [BT]. 147 Lettre d’Aristée à Philocrate. Introduction, texte critique, traduction et notes, index complet des mots grecs par A. Pelletier (Paris 1962) [SC 89]. 148 Theognis, Ps.-Pythagoras, Ps.-Phocylides, Chares, Anonymi Aulodia, Fragmentum Teliambicum, post E. Diehl edidit D. Young, editio secunda (Lipsiae 1971) [BT] 95–112. – Kritische Ausgabe von Ps.-Phokylides. 149 Les Sentences du Pseudo-Phocylide. Texte établi, traduit et commenté par P. Derron (Paris 1986) [CUF]. Übersetzungen
Deutsch 155 P. Wendland: Der Brief des Aristeas, in: Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments. II: Die Pseudepigraphen, herausgegeben von E. Kautzsch (Tübingen 1900, 2 1921) 1–31. 156 P. Rießler: Brief des Aristeas, in: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, übersetzt und erläutert von P. Rießler (Augsburg 1928) 193–233.
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Philon von Alexandrien
157 P. Rießler: Phokylides, in: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, übersetzt und erläutert von P. Rießler (Augsburg 1928) 862–870. 158 N. Meisner: Aristeasbrief, in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, herausgegeben von W. G. Kümmel. II: Unterweisung in erzählender Form (Gütersloh 1973) 35–87. 159 N. Walter: Pseudo-Phokylides, in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, herausgegeben von W. G. Kümmel. IV: Poe tische Schriften (Gütersloh 1983) 182–216.
Englisch 160 The Letter of Aristeas, translated with an appendix of ancient evidence of the origin of the Septuagint by H. St. J. Thackeray (London 1917). 161 Aristeas to Philocrates. Letter of Aristeas, edited and translated by M. Hadas (New York 1951). Sekundärliteratur
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168 J.-G. Février: La date, la composition et les sources de la lettre d’Aristée à Philocrate (Paris 1925). 169 E. Bickermann: Zur Datierung des PseudoAristeas, in: ZNW 29 (1930) 280–298. 170 H. G. Meecham: The Letter of Aristeas. A Linguistic Study with Special Reference to the Greek Bible (Manchester 1935). 171 V. Tcherikover: The Ideology of the Letter of Aristeas, in: HThR 51 (1958) 59–85. 173 P. W. van der Horst: The Sentences of PseudoPhocylides, with Introduction and Commentary (Leiden 1978). – Status quaestionis: 3–54. 174 E. Schürer: The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C.–A.D. 135). A new English version, revised and edited by G. Vermes, F. Millar, M. Goodman. III,1 (Edinburgh 1988) 677–687. 175 J. Thomas: Der jüdische Phokylides. Formgeschichtliche Zugänge zu Pseudo-Phokylides und Vergleich mit der neutestamtlichen Paränese (Freiburg, Göttingen 1992) [Novum Testamentum et Orbis Antiquus 23].
167 K. Kuiper, De Aristeae ad Philocratem fratrem epistola, in: Mnemosyne 20 (1892) 230– 272.
Philon von Alexandrien
Ausgaben, Übersetzungen, Kommentare
Ausgaben (inkl. Papyrustexte) 182 Fragments of Philo Judaeus, newly edited by J. R. Harris. With two facs. (Cambridge 1886). 183 Philonis Alexandrini opera quae supersunt ediderunt L. Cohn et P. Wendland, I–VII (Berolini 1896–1930). 184 Philo: Vol. I–X, with an English translation by F. H. Colson and G. H. Whitaker. Suppl. 1: Questions and answers on Genesis, and Suppl. 2: Questions and answers on Exodus, translated from the ancient Armenian version of the original Greek by R. Marcus (Cambridge MA, London 1929–1953; ND 1958– 1962) [LCL 226–227, 247, 261, 275, 289, 320, 341, 363, 379–380, 401]. – Hat seither mehrere Auflagen erlebt. 185 Les Œuvres de Philon d’Alexandrie, publiées sous le patronage de l’Université de Lyon par
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R. Arnaldez, C. Mondésert, J. Pouilloux, I– XXXVI (Paris 1961–1988). 186 D. Rokeah: A new Onomasticon Fragment from Oxyrhynchus and Philo’s Etymologies, in: JThS 19 (1968) 70–82. 187 J. R. Royse: The Oxyrhynchus Papyrus of Philo, in: Bulletin of the American Society of Papyrologists 17 (1980) 15–165. 188 H. Harrauer: Ein neuer Philo-Papyrus mit περὶ φιλανθρωπίας, in: Analecta Papyrologica 14–15 (2002–2003) 111–115. 189 J. R. Royse: Philo of Alexandria, Quaestiones in Exodum 2.62–68: Critical Edition, in: StudPhilon 24 (2012) 1–68. 190 A Terian: ‹Philonis de visione trium angelorum ad Abraham›: A New Translation of the Mistitled ‹De Deo›, in: StudPhilon 28 (2016) 77–93. Übersetzungen, Kommentare 195 Philo von Alexandria: Die Werke in deutscher Übersetzung, herausgegeben von L. Cohn, I.
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Bibliographie zum siebten Kapitel
Heinemann, M. Adler, W. Theiler, I–VII (Bres lau 1909–1938, Berlin 21962–1964). 196 Filone di Alessandria: La creazione del mondo; Le allegorie delle leggi. Prefazione, traduzione e note di G. Calvetti e di R. Bigatti; a cura di G. Reale (Milano 1978) [I classici del pensiero]. 197 Philo of Alexandria: The contemplative Life, The Giants and Selections, by D. Winston (New York 1981). 198 Filone di Alessandria: L’erede delle cose divine. Prefazione, traduzione e note di R. Radice, introduzione di G. Reale (Milano 1981; nuova ed. 1994) [I classici del pensiero]. 199 Two treatises of Philo of Alexandria. A Commentary on De Gigantibus and Quod Deus sit immutabilis, by D. Winston, J. Dillon (Chico 1983) [Brown Judaic Studies 25]. 200 Filone di Alessandria: Le origini del male: I cherubini, I sacrifici di Abele e di Caino, Il malvagio tende a sopraffare il buono, La posterità di Caino, I giganti, L’immutabilità di Dio. Traduzione di C. Mazzarelli; introdu zione, prefazioni, note e apparati di R. Radice (Milano 1984) [I classici del pensiero]. 201 Filone di Alessandria: L’uomo e Dio; Il connubio con gli studi preliminari, La fuga e il ritrovamento, Il mutamento dei nomi, I sogni sono mandati da Dio. Introduzione, tradu zione, prefazione, note e apparati di C. Kraus Reggiani, presentazione di G. Reale (Milano 1986) [I classici del pensiero]. 202 Filone di Alessandria: La filosofia mosaica, La creazione del mondo secondo Mosè (traduzione di C. Kraus Reggiani); Le allegorie delle leggi (traduzione di R. Radice). Prefa zioni, apparati e commentari di R. Radice; monografia introduttiva di G. Reale e R. Radice (Milano 1987) [I classici del pensiero]. 203 Filone di Alessandria: La migrazione verso l’eterno, L’agricoltura, La piantagione di Noè, L’ebrietà, La sobrietà, La confusione delle lingue, La migrazione di Abramo. Saggio in troduttivo, traduzione, note e apparati di R. Radice, presentazione di G. Reale (Milano 1988) [I classici del pensiero]. 204 Philo of Alexandria: ‹On the Creation of the Cosmos according to Moses›. Introduction, Translation and Commentary by D. T. Runia (Leiden, Boston 2001) [Philo of Alexandria Commentary Series 1]. 205 Philo of Alexandria: Philo’s ‹Flaccus›: The First Pogrom. Introduction, Translation and Commentary by P. W. van der Horst (Leiden, Boston 2003) [Philo of Alexandria Commentary Series 2].
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206 Philo of Alexandria: ‹On Virtues›. Introduction, Translation and Commentary by W. T. Wilson (Leiden, Boston 2011) [Philo of Alexandria Commentary Series 3]. 207 Philo of Alexandria: ‹On Cultivation›. Introduction, Translation and Commentary by A. C. Geljon and D. T. Runia (Leiden, Boston 2013) [Philo of Alexandria Commentary Series 4].
Indices, Bibliographien
Indices 213 J. Leisegang: Indices ad Philonis Alexandrini opera, in: Philonis Alexandrini opera quae supersunt ediderunt L. Cohn et P. Wendland, VII 1 und 2 (Berolini 1926, 1930). – Es fehlen Lemmata. 214 G. Mayer: Index Philoneus (Berlin, New York 1974). 215 P. Borgen, K. Fuglseth, R. Skarsten: The Philo Index. A Complete Greek Word Index to the Writings of Philo of Alexandria, Lemmatised and Computer-Generated (Trondheim 1997; ND Grand Rapids MI 2000) [Unitrel Studieserie 25]. 216 Biblia Patristica: index des citations et allu sions bibliques dans la littérature patristique. Supplément: Philon d’Alexandrie. Centre d’Analyse et de Documentation Patristiques. Équipe de Recherche Associée au CNRS (Paris 1982). Bibliographien 222 R. Radice, D. T. Runia, R. A. Bitter: Philo of Alexandria. An annotated Bibliography 1937–1986 (Leiden 1988, 21992) [VChr Suppl. 8]. 223 D. T. Runia, H. M. Keizer: Philo of Alexan dria. An annotated Bibliography 1987–1996 with addenda for 1937–1986 (Leiden 2000) [VChr Suppl. 57]. 224 D. T. Runia, E. Birnbaum: Philo of Alexan dria. An annotated Bibliography 1997–2006 with addenda for 1987–1996 (Leiden 2012) [VChr Suppl. 109]. Jährliche bibliographische Berichte in: StudPhilon 1 (1989–).
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Philon von Alexandrien
Sekundärliteratur 230 M. H’azan: She’elot u-Teshuvot: Kerekh shel Romi (Livorno 1872) 3, 4. 231 I. Abrahams: Studies in Pharisaism and the Gospels, Second Series (Cambridge 1924). 232 I. Heinemann: Philons griechische und jüdische Bildung. Kulturvergleichende Untersuchungen zu Philons Darstellung der jüdischen Gesetze (Breslau 1932; ND Hildesheim 1962). 233 E. R. Goodenough: The Politics of Philo Judaeus. Practice and Theory. With a General Bibliography of Philo by H. L. Goodhart and E. R. Goodenough (New Haven 1938). – Gute Darstellung von Philons politischer Philosophie. 234 M. Pohlenz: Philo von Alexandreia (1942), in: NAWG Nr. 5 (1942) 409–487. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften, herausgegeben von H. Dörrie (Hildesheim 1965) I 305–383. 235 G. Soury: La Démonologie de Plutarque (Paris 1942). 236 R. Marcus: A 16th Century Hebrew Critique of Philo, in: Hebrew Union College Annual 21 (1948) 29–71. 237 A.-J. Festugière: La Révélation d’Hermès Trismégiste, I–IV (Paris 1949–1954; ND 1986). – Teil V des zweiten Bandes behandelt Philon. 238 A. Marmorstein: The Imitation of God (Imitatio Dei) in the Haggadah, in: Studies in Jewish Theology, edited by J. Rabbinowitz and M. S. Lew (London, New York 1950) 106– 121. 239 H. Jonas: Gnosis und spätantiker Geist. Teil 2,1: Von der Mythologie zur mystischen Philosophie (Göttingen 1954). – Zu Philon im speziellen: 38–43, 70–121. 240 E. Underhill: Mysticism. A Study in the Nature and Development of Man’s Spiritual Consciousness (New York 1955). 241 H. C. Baldry: The Unity of Mankind in Greek Thought (Cambridge 1965). 242 W. Theiler: Philo von Alexandria und der Beginn des kaiserzeitlichen Platonismus, in: Parusia. Studien zur Philosophie Platons und zur Problemgeschichte des Platonismus. FS Johannes Hirschberger, herausgegeben von K. Flasch (Frankfurt a. M. 1965) 199–218. – Wieder in: Ders.: Untersuchungen zur antiken Literatur (Berlin 1970) 484–501. 243 H.-F. Weiss: Untersuchungen zur Kosmologie des hellenistischen und palästinischen Judentums (Berlin 1966) [TU 97].
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244 H. A. Wolfson: Philo. Foundations of Religious Philosophy in Judaism, Christianity, and Islam, I–II (Cambridge MA 1947, 41968). 245 B. L. Mack: Logos und Sophia. Untersuchungen zur Weisheitstheologie im hellenistischen Judentum (Göttingen 1973) [Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 10]. 246 J. Whittaker: Neopythagoreanism and the Transcendet Absolute, in: SO 48 (1973) 77– 86. – Wieder in: Ders.: Studies in Platonism and Patristic Thought (London 1984) Kap. XI. 250 J. Dillon: The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B.C. to A.D. 220 (London 1977; revised edition with a new afterword: Ithaca NY 1996). 251 V. Nikiprowetzky: Le commentaire de l’Écriture chez Philon d’Alexandrie. Son caractère et sa portée. Observations philologiques (Leiden 1977) [Arbeiten zu Literatur und Geschichte des hellenistischen Judentums 11]. 252 D. M. Hay: Philo’s References to other Allegorists, in: StudPhilon 6 (1979/80) 41–75. 253 D. T. Runia: Philo’s De aeternitate mundi: The Problem of its Interpretation, in: VChr 35 (1981) 105–151. 254 A. Mendelson: Secular education in Philo of Alexandria (Cincinnati, New York 1982). 255 D. E. Aune: Prophecy in Early Christianity and the Ancient Mediterranean World (Grand Rapids MI 1983). 256 T. H. Tobin: The Creation of Man. Philo and the History of Interpretation (Washington D.C. 1983) [The Catholic Biblical Quarterly. Monograph series 14]. 257 Y. Amir: The Transference of Greek Allegories to Biblical Motifs in Philo, in: Nourished with Peace. Studies in Hellenistic Judaism in Memory of S. Sandmel, edited by F. E. Greenspahn, E. Hilgert and B. L. Mack (Chico CA 1984) 15–25. 258 B. M. Mack: Philo Judaeus and Exegetical Traditions in Alexandria, in: ANRW II 21,1 (1984) 227–271. 260 D. Winston: Philo’s Ethical Theory, in: ANRW II 21,1 (1984) 372–416. 261 B. Inwood: Ethics and Human Action in Early Stoicism (Oxford 1985). 262 D. Winston: Logos and Mystical Theology in Philo of Alexandria (Cincinnati 1985). 263 A. Neher: Les références à Philon d’Alexandrie dans l’œuvre du Rav Hanazir, disciple du Rav Kook (Qol HaNevoua, 1970), in: Hellenica et Judaica: Hommage à V. Nikiprowetzky, édité par A. Caquot, M. HadasLebel, J. Riaud (Leuven, Paris 1986) 385–390.
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Bibliographie zum siebten Kapitel
264 D. T. Runia: Philo of Alexandria and the ‹Timaeus› of Plato (Leiden 1986) [PhA 44]. 265 R. Goulet: La philosophie de Moïse. Essai de reconstitution d’un commentaire philosophique préphilonien du Pentateuque (Paris 1987) [HDAC 11]. 266 R. D. Hecht: Philo and Messiah, in: Judaisms and Their Messiahs at the Turn of the Christian Era, edited by J. Neusner, W. S. Green, E. Frerichs (Cambridge 1987) 139–168. 267 B. Septimus: Biblical Religion and Political Rationality in Simone Luzzatto, Maimonides and Spinoza, in: Jewish Thought in the Seventeenth Century, edited by I. Twersky, B. Septimus (Cambridge MA, London 1987) 399–433. 268 Y. Amir: Authority and Interpretation of Scripture in the Writings of Philo, in: Mikra. Text, Translation, Reading and Interpretation of the Hebrew Bible in Ancient Judaism and Early Christianity, edited by M. J. Mulder, H. Sysling (Assen, Philadelphia 1988) 421–453. 269 H. Burkhardt: Die Inspiration heiliger Schriften bei Philo von Alexandrien (Giessen, Basel 1988). 270 L. L. Grabbe: Etymology in Early Jewish Interpretation. The Hebrew Names in Philo (Atlanta 1988). 271 A. van den Hoek: Clement of Alexandria and his Use of Philo in the Stromateis. An Early Christian Reshaping of a Jewish Model (Leiden 1988). 272 J. Weinberg: The Quest for Philo in Sixteenth-Century Jewish Historiography, in: Jewish History. Essays in Honour of C. Abramsky, edited by A. Rapoport-Albert, S. J. Zippertstein (London 1988) 163–187. 273 R. Radice: Platonismo e creazionismo in Filone di Alessandria (Milano 1989). 274 D. Winston: Two Types of Mosaic Prophecy According to Philo, in: Journal for the Study of the Pseudepigrapha 4 (1989) 49–67. 275 D. T. Runia: Exegesis and Philosophy. Studies on Philo of Alexandria (Aldershot 1990). 276 Both Literal and Allegorical. Studies in Philo of Alexandria’s Questions and Answers on Genesis and Exodus, edited by D. M. Hay (Atlanta 1991). 277 B. McGinn: The Foundations of Mysticism. Origins to the Fifth Century (New York 1991). – Erster Band der vierbändigen Ausgabe von: The Presence of God. A History of Western Christian Mysticism. 278 R. Radice: Observations on the Theory of the Ideas as the Thoughts of God in Philo of Alex-
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andria, in: Heirs of the Septuagint. Philo, Hellenistic Judaism and Early Christianity. FS Earle Hilgert, edited by D. T. Runia, D. M. Hay, D. Winston (Atlanta 1991) [StudPhilon 3] 126–134. 279 D. T. Runia: Witness or Participant? Philo and the Neoplatonic Tradition, in: The Neoplatonic Tradition. Jewish, Christian and Islamic Themes, edited by A. Vanderjagt, D. Pätzold (Köln 1991) 36–56. 280 D. Winston: Aspects of Philo’s Linguistic Theory, in: Heirs of the Septuagint. Philo, Hellenistic Judaism and Early Christianity. FS Earle Hilgert, edited by D. T. Runia, D. M. Hay, D. Winston (Atlanta 1991) [StudPhilon 3] 109–125. 281 J. Annas: Hellenistic Philosophy of Mind (Berkeley 1992). 282 D. Daube: Jewish Law in the Hellenistic World, in: Collected Works of David Daube. I: Talmudic Law, edited by C. M. Carmichael (Berkeley 1992) 213–229. – Der erste Abschnitt (Philo’s Hebrew: A Hebrew-Greek Pun) behandelt die Frage nach Philons Hebräischkenntnissen. 283 D. Dawson: Allegorical Readers and Cultural Revision in Ancient Alexandria (Berkeley, Los Angeles 1992). 284 A. A. Long: Stoic Readings of Homer, in: Homer’s Ancient Readers. The Hermeneutics of Greek Epic’s Earliest Exegetes, edited by R. Lamberton, J. J. Keaney (Princeton 1992) 41–66. 285 StudPhilon 5 (1993), Special Section: Philo and the Middle Platonism, 95–155. – Darin enthalten sind folgende Beiträge: G. E. Sterling: Platonizing Moses. Philo and the Middle Platonism, 96–111. D. T. Runia: Was Philo a Middle Platonist? A difficult question revisited, 112–140. D. Winston: Response to Runia and Sterling, 141–146. T. H. Tobin: Was Philo a Middle Platonist? Some suggestions, 147–150. J. Dillon: A Response to Runia and Sterling, 151–155. 286 R. Radice: «Didaskalikos», 164,29–30 e la probabile influenza di Filone di Alessandria, in: La storia della filosofia ebraica, a cura di I. Kajon (Padova 1993) [Biblioteca dell’«Ar chivio di Filosofia» 9] 45–63. 287 D. T. Runia: Philo in Early Christian Literature. A Survey (Assen, Minneapolis 1993) [Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum 3,3].
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Philon von Alexandrien
288 R. M. Berchman: The Categories of Being in Middle Platonism: Philo, Clement, and Origen of Alexandria, in: The School of Moses. Studies in Philo and Hellenistic Religion, in Memory of H. R. Moehring, edited by J. P. Kenney (Atlanta 1995) 98–140. 289 H. R. Moehring: Arithmology as an Exegetical Tool in the Writings of Philo of Alexan dria, in: The School of Moses. Studies in Philo and Hellenistic Religion, in Memory of H. R. Moehring, edited by J. P. Kenney (Atlanta 1995) 141–176. 290 M. R. Niehoff: What is in a Name? Philo’s Mystical Philosophy of Language, in: Jewish Studies Quarterly 2 (1995) 220–252. 291 D. Winston: Philo’s Doctrine of Repentance, in: The School of Moses. Studies in Philo and Hellenistic Religion, in Memory of H. R. Moehr ing, edited by J. P. Kenney (Atlanta 1995) 29–40. 292 P. Borgen: Philanthropia in Philo’s Writings: Some Observations, in: Biblical and Humane. FS John F. Priest, edited by L. B. Elder, D. L. Barr, E. Struthers Malbon (Atlanta 1996) 173–188. 293 D. Winston: Philo’s Mysticism, in: StudPhilon 8 (1996) 74–82. 294 E. R. Wolfson: Traces of Philonic Doctrine in Medieval Jewish Mysticism. A Preliminary Note, in: StudPhilon 8 (1996) 99–106. 295 P. Borgen: Philo of Alexandria. An Exegete for his Time (Leiden 1997) [NT Suppl. 86]. 296 J. R. Levison: The Spirit in First Century Judaism (Leiden, New York 1997). 297 A. A. Long: Allegory in Philo and Etymology in Stoicism. A Plea for Drawing Distinctions, in: Wisdom and Logos. Studies in Jewish Thought in Honor of David Winston, edited by D. T. Runia, G. E. Sterling (Atlanta 1997) [StudPhilon 9] 198–210. 298 G. E. Sterling: Prepositional Metaphysics in Jewish Wisdom Speculation and Early Christological Hymns, in: Wisdom and Logos. Studies in Jewish Thought in Honor of David Winston, edited by D. T. Runia, G. E. Sterling (Atlanta 1997) [StudPhilon 9] 219–238. 299 A. Le Boulluec: La place des concepts philosophiques dans la réflexion de Philon sur le plaisir, in: Philon d’Alexandrie et le langage de la philosophie, édité par C. Lévy (Turnhout 1998) [Monothéismes et Philosophie 1] 129–152. 300 C. Lévy: Éthique de l’immanence, éthique de la transcendance. Le problème de l’oikeiôsis chez Philon, in: Philon d’Alexandrie et le lan-
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gage de la philosophie, édité par C. Lévy (Turnhout 1998) [Monothéismes et Philosophie 1] 153–164. 301 M. Graver: Philo of Alexandria and the Origins of the Stoic ΠΡΟΠΑΘΕΙΑ, in: Phronesis 44 (1999) 300–325. – Wieder in: Alesse 2008 [*337: 197–221]. 302 H. Najman: The Law of Nature and the Authority of Mosaic Law, in: StudPhilon 11 (1999) 55–73. 303 G. Reydams-Schils: Demiurge and Providence. Stoic and Platonist Readings of Plato’s Timaeus (Turnhout 1999). – Zu Philon: 135– 165. 304 G. E. Sterling: Recherché or Representative? What is the Relationship between Philo’s Treatises and Greek-speaking Judaism?, in: StudPhilon 11 (1999) 1–30. 305 B. Centrone: Platonism and Pythagoreanism in the Early Empire, in: The Cambridge History of Greek and Roman Political Thought, edited by C. Rowe, M. Schofield (Cambridge 2000) 559–584. – 561–567 sind Philons politischer Philosophie gewidmet. 306 S. Étienne: Réflexion sur l’apostasie de Tibérius Julius Alexander, in: StudPhilon 12 (2000) 122–142. 307 N. Förster: The Exegesis of Homer and Numerology as a Method for Interpreting the Bible in the Writings of Philo of Alexandria, in: Jewish Ways of Reading the Bible, edited by G. J. Brooke (Oxford 2000) 91–98. 308 S. T. Newmyer: Philo on Animal Psychology. Sources and Moral Implications, in: From Athens to Jerusalem: Medicine in Hellenized Jewish Lore and in Early Christian Literature. Papers of the Symposium in Jerusalem, 9–11 September 1996, edited by S. Kottek, M. Horstmanshoff (Rotterdam 2000) 143–155. 309 C. Noack: Gottesbewußtsein. Exegetische Studien zur Soteriologie und Mystik bei Philo von Alexandria (Tübingen 2000) [WUNT, 2. Reihe 116]. 310 R. Radice: Allegoria e paradigmi etici in Filone di Alessandria. Commentario al «Legum allegoriae». Prefazione di C. Kraus Reggiani (Milano 2000). 311 R. Sorabji: Emotion and Peace of Mind. From Stoic Agitation to Christian Temptation (Oxford 2000). – Kap. 22. 312 C. Termini: Le Potenze di Dio. Studio su δύναμις in Filone di Alessandria (Roma 2000) [StudEphAug 71]. 313 Interpretation and Allegory. Antiquity to the Modern Period, edited by J. Whitman (Bos-
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ton, Leiden 2000). – Mit einführenden Essays des Herausgebers. 314 M. R. Niehoff: Philo on Jewish Identity and Culture (Tübingen 2001) [Texte und Studien zum antiken Judentum 86]. 315 A. de’ Rossi: The Light of the Eyes, translated and annotated by J. Weinberg (New Haven 2001). 316 K. Berthelot: Philo and Kindness towards Animals (‹De virtutibus› 125–147), in: StudPhilon 14 (2002) 48–65. 317 F. Frazier: Les visages de Joseph dans le ‹De Josepho›, in: StudPhilon 14 (2002) 1–30. 318 A. C. Geljon: Philonic Exegesis in Gregory of Nyssa’s ‹De vita Moysis› (Providence RI 2002). 319 G. Reydams-Schils: Philo of Alexandria on Stoic and Platonist Psycho-Physiology: The Socratic Higher Ground, in: AncPhil 22 (2002) 125–147. – Wieder in: Alesse 2008 [*337: 169–195]. 320 D. Winston: Philo and the Wisdom of Solomon on Creation, Revelation, and Providence: The High-Water Mark of Jewish Hellenistic Fusion, in: Shem in the Tents of Japhet. Essays on the Encounter of Judaism and Hellenism, edited by J. L. Kugel (Leiden, Boston 2002) [JSJ Suppl. 74] 109–130. 321 B. W. Winter: Philo and Paul among the Sophists (Grand Rapids MI 22002). 322 K. Berthelot: Philanthrôpia Judaica. Le débat autour de la ‘misanthropie’ des lois juives dans l’Antiquité (Leiden, Boston 2003) [JSJ Suppl. 76]. 323 P. Bosman: Conscience in Philo and Paul. A Conceptual History of the Synoida Word Group (Tübingen 2003) [WUNT, 2. Reihe 166]. – Englische Übersetzung der ursprünglich auf Afrikaans verfassten Dissertation. 324 A. Green: Seek My Face: A Jewish Mystical Theology (Woodstock, Vermont 2003). – Frühere Version unter dem Titel: Seek my Face, Speak my Name: A Contemporary Jewish Theology (Northvale NJ 1992). 325 J. W. Martens: One God, One Law. Philo of Alexandria on the Mosaic and Greco-Roman Law (Boston, Leiden 2003) [Studies in Philo of Alexandria and Mediterranean Antiquity 2]. 326 S. Nadler: Spinoza and Philo. The Alleged Mysticism in the Ethics, in: Hellenistic and Early Modern Philosophy, edited by J. Miller, B. Inwood (Cambridge 2003) 232–250. 327 G. E. Sterling: Universalizing the Particular. Natural Law in Second Temple Jewish Ethics, in: StudPhilon 15 (2003) 64–80.
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328 J. E. Taylor: Jewish Women Philosophers of First-Century Alexandria. Philo’s ‘Therapeutae’ Reconsidered (Oxford 2003). 329 S. Knuuttila: Emotions in Ancient and Medieval Philosophy (Oxford 2004). – Bes. 87–103. 330 D. T. Runia: Etymology as an Allegorical Technique in Philo of Alexandria, in: StudPhilon 16 (2004) 101–121. 335 G. E. Sterling: The Place of Philo of Alexandria in the Study of Christian Origins, in: Philo und das Neue Testament, herausgegeben von R. Deines, K.-W. Niebuhr (Tübingen 2004) [WUNT 172] 21–52. 336 G. E. Sterling: “The Queen of the Virtues”: Piety in Philo of Alexandria, in: StudPhilon 18 (2006) 103–123. 337 Philo of Alexandria and post-Aristotelian Philosophy, edited by F. Alesse (Leiden, Boston 2008) [Studies in Philo of Alexandria 5]. 338 M. Bonazzi: Towards Transcendence: Philo and the Renewal of Platonism in the Early Imperial Age, in: Alesse 2008 [*337: 233– 251]. 339 F. Calabi: God’s Acting, Man’s Acting. Tradition and Philosophy in Philo of Alexandria (Leiden, Boston 2008) [Studies in Philo of Alexandria 4]. 340 J. Dillon: Philo and Hellenistic Platonism, in: Alesse 2008 [*337: 223–232]. 342 R. Radice: Philo and Stoic Ethics. Reflections on the Idea of Freedom, in: Alesse 2008 [*337: 141–167]. 345 D. T. Runia: Philo and Hellenistic Doxography, in: Alesse 2008 [*337: 13–54]. 346 The Cambridge Companion to Philo, edited by A. Kamesar (Cambridge 2009). – Darin enthalten sind folgende Beiträge: D. R. Schwartz: Philo, His Family, and His Times, 9–31. J. R. Royse: The Works of Philo, 32–64. A. Kamesar: Biblical Interpretation in Philo, 65–94. C. Termini: Philo’s Thought within the Context of Middle Judaism, 95–123. R. Radice: Philo’s Theology and Theory of Creation, 124–145. C. Lévy: Philo’s Ethics, 146–174. F. Siegert: Philo and the New Testament, 175– 209. D. T. Runia: Philo and the Early Christian Fathers, 210–230. D. Winston: Philo and Rabbinic Literature, 231–254. 347 R. Chiaradonna: Autour d’Eudore. Les débuts de l’exégèse des Catégories dans le
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Philon von Alexandrien
Moyen Platonisme, in: The Origins of the Platonic System. Platonisms of the Early Empire and their Philosophical Contexts, edited by M. Bonazzi, J. Opsomer (Leuven 2009) 89– 111. 348 S. M. Mackie: Seeing God in Philo of Alexandria: The Logos, the Powers, or the Existent One?, in: StudPhilon 21 (2009) 25–47. 349 F. Trabattoni: Philo, «De opificio mundi», 7–12, in: The Origins of the Platonic System. Platonisms of the Early Empire and their Philosophical Contexts, edited by M. Bonazzi, J. Opsomer (Leuven 2009) 113–122. 351 D. Winston: Philo of Alexandria, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 235–257. 352 Philon d’Alexandrie. Un penseur à l’intersection des cultures gréco-romaine, orientale, juive et chrétienne. Actes du colloque international organisé par le Centre interdisciplinaire d’étude des religions et de la laïcité de l’Université libre de Bruxelles, édités par S. Inowlocki, B. Decharneux, B. Bertho (Turnhout 2011) [Monothéismes et Philosophie 12]. 353 F. Alesse: Prohairesis in Philo of Alexandria, in: Inowlocki, Decharneux, Bertho 2011 [*352: 205–220].
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354 S. Mancini Lombardi: Studies on the ancient Armenian Version of Philo’s Work (Leiden, Boston 2011) [Studies in Philo of Alexandria 6]. 355 Sh. Weisser: La Figure du Progressant ou la Proximité de la Sagesse, in: Inowlocki, Decharneux, Bertho 2011 [*352: 221–239]. 356 M. Hadas-Lebel: Philo of Alexandria. A Thinker in the Jewish Diaspora (Leiden, Boston 2012) [Studies in Philo of Alexandria 7]. – Französische Originalausgabe: Paris 2003. 357 S. M. Mackie: Seeing God in Philo of Alexandria: Methods and Means, in: JSJ 43 (2012) 147–179. 358 D. T. Runia: Philon d’Alexandrie, in: DPhA Va (2012) 362–390. 359 F. Siegert: Die theoretische Bewältigung des Bösen bei Philon, in: Die Wurzel allen Übels. Vorstellungen über die Herkunft des Bösen und Schlechten in der Philosophie und Religion des 1.–4. Jahrhunderts, herausgegeben von F. Jourdan, R. Hirsch-Luipold (Tübingen 2014) [Ratio Religionis Studien 3] 69–85.
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Achtes Kapitel
Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
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§ 77. Überblick Dietmar Wyrwa Während in der Philosophie der Kaiserzeit und Spätantike die älteren philo sophischen Traditionen der klassischen und hellenistischen Zeit in der Regel wei tergeführt oder wiederbelebt werden, ohne dass eine philosophische Schulrich tung entsteht, die sich dezidiert als völlige Neugründung versteht (Perkams 2017 [*20]), entwickelt sich mit dem Christentum recht bald ein Faktor, der neu in den bestehenden philosophischen Diskurs eintritt. Der christliche Glaube war jedoch nicht von Hause aus und nicht von Anfang an philosophisch ausgerichtet. Die Je sus-Bewegung in Galiläa stand der hellenistischen Kultur fern. Selbst der Apostel Paulus, der neben seiner jüdischen Erziehung offensichtlich auch über griechi sches Bildungsgut aus den Bereichen von Rhetorik und Philosophie verfügte, setzt dieses in seinen Briefen doch so zur Explikation theologischer Gehalte ein, dass trotz streckenweise gemeinsamer Kontexte sachliche Umdeutungen aufbrechen und sich letztlich mit der Predigt vom gekreuzigten Christus eine sperrige Diffe renz zwischen Weltweisheit und Gottesweisheit konstituiert (I. Cor. 1,18–2,16; Vollenweider 2012 [*17]). Daher rührt der über die Jahrhunderte hin nicht ver stummende Vorbehalt gegenüber einer allzu glatten Ineinssetzung von ‘Athen’ und ‘Jerusalem’ (vgl. Tert. Praescr. 7,9). Auch die übrigen im Neuen Testament zu sammengefassten Schriften verbleiben, wenngleich variierende Gewichtungen nicht zu verkennen sind, aufs Ganze gesehen in diesem Rahmen. Sie weisen zwar Spuren eines atmosphärischen, bisweilen konvergierenden Kontaktes mit der grie chischen Philosophie auf (namentlich Act. 17,16–34), setzen aber, insofern sie das urchristliche Kerygma artikulieren, keine Bestrebungen frei, die Glaubensbot schaft mit philosophischen Kategorien reflexiv zu verschränken. Dass dieser Prozess einer rational argumentierenden Lehrbildung im 2. Jahr hundert initiiert werden konnte, liegt indessen nicht einfach in der Fortsetzung des urchristlichen Kerygmas, sondern beruht auf den geistigen Voraussetzungen, die das hellenistische Judentum bereitgestellt hat und die den festumrissenen Re ferenzrahmen für die weiterführende theologische Begriffsarbeit absteckten (vgl. Chadwick 1967 [*2: 137, 158], Hengel 1981 [*4]). Eine aus der hellenistischen Sy nagoge entstammende tiefe und breite Geistesströmung, fassbar an der Septua ginta, an der griechisch-jüdischen Literatur aus der Zeit des zweiten Tempels und an Philon, dem späterhin bei den christlichen Theologen einflussreichsten Expo nenten, der vielleicht gar nicht einmal für die Bewegung im Ganzen repräsentativ ist, fassbar aber auch an Josephus (vgl. Holladay 1983–1996 [*6], Stone 1984 [*7], Collins 2002 [*13]) – diese Geistesströmung gibt die Grundkoordinaten einer Syn these aus alttestamentlich-biblischem Glauben und griechisch-philosophischem Denken vor. Der ‹1. Clemensbrief› zeigt beispielhaft für die Generation der soge nannten Apostolischen Väter, dass die hellenistisch-jüdische Tradition das feste Fundament ist, zu dem der Glaube an Christus zunächst wie ein gedanklich noch unvermittelter Zusatz hinzutritt und die dort geleistete Verschmelzung bestätigt,
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um diesen Komplex dann in einem zweiten Schritt auf Christus hin zu orientieren (Wickert 1979 [*3: 462–468]). Insofern ist der Wurzelboden für die Entstehung einer wie auch immer näher zu bestimmenden christlichen Philosophie, um es pointiert zu formulieren, im hellenistischen Judentum zu verorten. Das Christentum des 2. Jahrhunderts erlebte etwa von der Mitte des Jahrhun derts an einen Schub tiefgreifender Wandlungen, der auf fast allen Gebieten seine Spuren hinterließ und theologiegeschichtlich zu stärkeren Ausdifferenzierungen und Pluralisierungen der von Fall zu Fall konkurrierenden, theologischen Profile führte. Diese Tendenzen, wenn anfangs auch noch rudimentär und bei fließenden Übergängen im Einzelnen, positionierten sich in ihren doktrinären Ausformun gen aufs Ganze gesehen teils als herkömmliche, der kirchlichen Frömmigkeit ver bundene Gemeindetheologie, teils im Ansatz als wissenschaftliche, mit philo sophischen Instrumentarien operierende Theologie, teils als spekulative, mit remythisierenden Elementen angereicherte Religionsphilosophie. Noch gehörte auch das traditionelle Judenchristentum in diese Bandbreite ebenso wie die Kon kurrenzposition des Ultrapauliners Markion, der gerade solche Offenheiten ein zudämmen trachtete. Bemerkenswert ist nun, dass auf allen Seiten philosophische Elemente zumindest ansatzweise anzutreffen sind. Die Gemeindetheologie, die für uns durch die sogenannten Apostolischen Väter repräsentiert wird, führt die im Urchristentum eingeschlagenen Wege unter Ein schluss gewisser populär-philosophischer Momente weiter und hat nach dem Zeug nis des Irenäus, der sich immer wieder auf nicht namentlich genannte Presbyter be ruft, eine große Fülle an hochstehenden theologischen Entwürfen hervorgebracht. Auch die Literatur der neutestamentlichen Apokryphen wäre hier zu nennen. Die Wegbereiter einer nach den zeitgenössischen Standards arbeitenden wis senschaftlichen Theologie sind indes die frühchristlichen Apologeten. Sie sind zwar nicht selten auch auf verschiedenen anderen, innergemeindlichen Feldern tätig, doch ihr hervorstechendes gemeinsames Charakteristikum liegt darin, dass sie sich literarisch nach außen an die pagane Öffentlichkeit richten, um den christ lichen Glauben gegen feindliche Anschuldigungen zu verteidigen und ihn als ver nunftgemäß zu erweisen, um die heidnischen Religionen zu widerlegen und um staatliche Rechtssicherheit für die Christen zu erwirken. Natürlich hat es unter ihnen deutliche Niveauunterschiede im Bildungsstand und eine beträchtliche Spannbreite im argumentativen Vorgehen gegeben. Manche Autoren kennen sich nur wenig in der philosophischen Literatur aus und benutzen ausschließlich se kundäres Quellenmaterial, andere verfügen über beachtliche Kenntnisse und wis sen damit auch sachgerecht umzugehen. Manche sind von echter Wertschätzung der Erkenntnisbemühungen bei den Griechen durchdrungen, andere, wenige zwar, verachten die Philosophie, ja legen gegenüber der ganzen griechischen Kul tur nur eine abschätzige, feindselige Haltung an den Tag. Einige bejahen, dass die Philosophen auf vernünftigem Wege Teilmomente der Wahrheit erfasst haben, und requirieren diese für das Christentum. Aber dass die Griechen nicht zur vol len und klaren Wahrheitserkenntnis gelangt sind, davon sind alle überzeugt und bekräftigen dies mit Einwänden des Skeptizismus; denn sie, die volle Wahrheits erkenntnis, beruhe nach einhelliger Meinung auf göttlicher Offenbarung. Zum
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§ 77. Überblick (Bibl. 1053–1054)
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Erweis der Überlegenheit gewinnt der Altersbeweis, der demonstrieren soll, dass die biblischen Schriften älter als jegliche griechische Weisheit und die Philosophen abhängig von Mose seien, große Bedeutung (Pilhofer 1990 [*9]). Dennoch begnü gen sich die frühchristlichen Apologeten nicht damit, die offenbarten biblischen Aussagen einfach zu wiederholen, sondern sie alle haben die Lehrdarstellung des Christentums nach den rationalen Wahrheitskriterien der griechischen Philosophie formuliert. Man würde dieses Vorgehen missverstehen, wenn man darin einfach eine Hilfestellung für die Adressaten, ein taktisches Manöver, um Anerkennung zu erlangen oder zu missionieren, sehen wollte (Karamanolis 2013 [*18: 8–19]). Ge wiss haben sie das auch getan, aber der eigentliche Grund liegt tiefer. Gerade die Besten unter ihnen wie beispielsweise Justin haben ihren Weg zum Christentum über die Philosophie gefunden, und sie haben den von ihrem Bildungsgang mitge brachten, durch die zeitgenössische Philosophie vorstrukturierten Verstehenshori zont als Christen beibehalten, um sich selbst vor dem Forum der Vernunft über ihren Glauben Rechenschaft zu geben. So behandeln sie getreu dem auch auf phi losophischer Seite geteilten Grundsatz, dass das Ältere das Wahre sei, die christ liche Religion als ‘die wahre Philosophie’ bzw. als ‘barbarische Philosophie’, was übrigens beides Analogien im Spektrum der konkurrierenden Philosophenschulen der Zeit hat. In der Polemik gegen die pagane Götterwelt und gegen gewisse inak zeptable Positionen konnten sie auf hellenistisch-jüdische Vorlagen zurückgreifen, ebenfalls in manchen dogmatischen Sätzen, ansonsten haben sie mehr oder weni ger, doch stets selektiv Anleihen beim stoisch durchmischten Mittelplatonismus, der philosophischen Koine der Zeit, gemacht. Entsprechend dem Reflexionspoten tial der biblischen Tradition konnte sich die rationale, philosophische Durchdrin gung grundsätzlich auf alle Gebiete der Glaubenslehre erstrecken, auf den trans zendenten Gottesbegriff, die Logoslehre, die Kosmologie bzw. Schöpfungslehre, die Lehre von der Providenz, die Anthropologie und die Ethik, die Eschatologie und selbst auf die Lehre von der leiblichen Auferstehung. Und je nach Absicht und Vermögen haben daran die frühchristlichen Apologeten gearbeitet. So unfertig und unbeholfen auch manches wirkt, so liegen in ihren Bemühungen doch Ansätze zu einer schöpferischen Neuorientierung, indem die biblisch-christliche Botschaft und das griechisch-philosophische Denken durch wechselseitige Horizontverschmel zung transformiert wurden. Dass dabei eine Hellenisierung des Christentums zu konstatieren ist (wie umgekehrt mittelfristig natürlich ebenfalls), lässt sich auch in materialer Hinsicht als Faktum gar nicht leugnen, aber die negative Bewertung als eine Überfremdung des Evangeliums, die von Harnack 41909 [*1: 19f., 24f., 496– 550] dem Sachverhalt im Interesse der Destruktion des kirchlichen Dogmas gege ben hat, ist unangemessen, weil sie von sachfremden Prämissen geleitet ist (Wyrwa 42000 [*11], Markschies 2012 [*16]). Der Gnostizimus, charaktierisiert als spekulative, mit remythisierenden Elemen ten angereicherte Religionsphilosophie, ist nach Meinung der gegenwärtigen For schung nicht als religionssoziologisch kohärentes, historisch zusammenhängendes Phänomen zu verstehen, sondern Gnostizismus ist ein moderner Sammelbegriff, der allerdings bis zu einem gewissen Grad schon durch die altkirchlichen Häre siologen vorgeprägt ist. Er meint bestimmte literarisch bezeugte, weltanschauliche
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Strömungen, die vielleicht der sensibelste Indikator für «das plötzliche Aufkom men einer starken Verfinsterung der Weltsicht» sind (Markschies 2001 [*12: 85]), und umfasst bestimmte, sich als religiöse Elite verstehende Trägerkreise im anti ken Christentum, beginnend im frühen 2. Jahrhundert bis weit in die Spätantike hinein. Die hier zusammengestellten ‘gnostischen’ Positionen, untergründig ver anlasst durch die Frage nach dem Bösen in der Welt, sind Ausdruck von akut emp fundenen Beunruhigungen und geistigen Spannungen, die auf der Grundlage pla tonischer Philosopheme zu einer pessimistischen Abwertung der Welt geführt haben und sich bis hin zu offener Weltverachtung steigern konnten. Entsprechende Tendenzen begegnen in dieser Zeit auch in der Philosophie, bei Plutarch etwa, bei Numenios oder Mark Aurel. Zu unterscheiden sind im Gnostizismus radikal dua listische Einstellungen wie in manchen sethianischen Texten und besonders schroff im Manichäismus und gemäßigt dualistische Einstellungen bzw. monistische Du alismen wie bei den Valentinianern, Basileidianern und in anderen sethianischen Texten, während bei Bardaisan dieser Zug eher in der Schwebe gelassen erscheint. Das hochmythologische Gewand dieser Entwürfe weist ein erhebliches Spektrum an Modellen und Varianten auf, die zudem durch widersprüchliche Überlieferun gen noch verkompliziert werden, doch stammen leitende Bestandteile aus der bib lisch-jüdischen Tradition, und fest integriert ist das christliche Motiv einer Erlöser gestalt. Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass die erzählenden Mythen auf philosophische Theorien verweisen, auch wenn dies nicht direkt anerkannt wird. Um nur einige besonders markante Beispiele zu nennen: In sethianischen Texten kann man eine negative ‘Relecture’ des platonischen ‹Timaios› erkennen, und in vier späten ‘platonisierenden Traktaten’, in denen ein christlicher Einschlag kaum wahrnehmbar ist, wird eine geistige Aufstiegsbewegung vollzogen, die enge Berüh rungen zum Neuplatonismus hat. Bei den Basileidianern lassen sich stoische Ele mente in der Epistemologie und in der Psychologie identifizieren. Im System der Valentinianer ist die neupythagoreische Zahlentheorie von Monas und Dyas sowie die platonische Urbild-Abbild-Struktur maßgeblich. In die Kosmologie Bardai sans, die im Wesentlichen einem syrischen Synkretismus verpflichtet zu sein scheint, spielen gleichwohl auch philosophische Elemente wie die Vorstellung von Atomen und anderes hinein, und in der Thematik von Fatum und Freiheit ist Bar daisan möglicherweise Alexander von Aphrodisias gefolgt. Der manichäische Mythos macht von philosophischer Sprache Gebrauch, aber er ist seinem Anspruch nach religiöse Offenbarung, ohne auf eine dahinter stehende philosophische Welt deutung zu verweisen. Es darf jedoch nicht aus dem Auge verloren werden, dass grundsätzlich alle ‘gnostischen’ Dokumente religiöse Zeugnisse sind, die eine von außen kommende Erlösung des Menschen zur Vergewisserung bringen. Während sich vor allem die Valentinianer noch längere Zeit über die Jahrhun dertwende hinaus als esoterische Zirkel innerhalb der katholischen Kirche halten konnten, ist Markion sehr schnell um das Jahr 144 aus der kirchlichen Gemein schaft ausgeschlossen worden. Markion ist kein Gnostiker, er ist auch kein an der Philosophie ausgerichteter Theologe, obwohl er nach beiden Seiten hin Berührun gen aufweist, aber er ist hier zu nennen, weil an ihm das Modell von Rechtgläu bigkeit und Ketzerei eingespielt worden ist und er zum Prototyp des Häretikers
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§ 77. Überblick (Bibl. 1053–1054)
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stilisiert wurde. Markion vertrat eine Zwei-Götter-Lehre, die Entgegensetzung vom Gott des Alten Testaments und des Vaters Jesu Christi, für deren Grund legung er durch philologische Rezension der ihm verfügbaren christlichen Schrif ten einen eigenen Bibelkanon schuf, bestehend aus dem ‹Evangelium› (ein von ju daistischen Bezügen gereinigtes ‹Lukas-Evangelium›) und dem ‹Apostolikon› (zehn ebenfalls gereinigte Paulusbriefe). Und zur Begründung seines Kanons fügte er eine Beilage mit dem Titel ‹Antithesen› hinzu. Diese Arbeiten sind verloren, aber in der Rekonstruktion stellt sich der Grundzug seines Systems wie folgt dar: Der Gott des Alten Testaments ist demnach der Gott der Juden, der Gesetzgeber, unbeständig, eifernd, zürnend und richtend, sowie der Schöpfer der Welt, die er aus vorgegebener, ewiger, schlechter Materie gemacht hat. Der Vater Jesu Christi da gegen ist der höchste, der fremde und unbekannte, der gute Gott, der aus reiner Barmherzigkeit durch seinen Sohn die Erlösung der Gläubigen aus dieser misera blen Welt bewirkt. Fraglos ordnet sich eine solche Position allgemein in den Kon text der weltanschaulichen Debatten des 2. Jahrhunderts ein (enge Beziehungen zur zeitgenössischen Philosophie, besonders des Platonismus zeigen Löhr 2010 [*15] und auf breiter Basis Lieu 2015 [*19: 323–386] auf, vom Gnostizismus trennt ihn aber der völlig unmythologische Charakter seines Denkens und die Abwesen heit des Konzeptes einer Wesensverwandtschaft des inneren spirituellen Seins des Menschen mit Gott sowie das Fehlen der Annahme von Geheimtraditionen; vgl. Markschies 2001 [*12: 89]). Doch der eigentliche Impuls, der Markion bewegte, dürfte von Paulus ausgegangen sein, dessen Theologie der dialektischen Zuord nung von Gesetz und Evangelium er unter dem Eindruck zeitgenössischer Denk voraussetzungen zu einer dualistischen Radikalisierung geführt hat (Aland 1992 [*10]). Die Erschütterung, die Markion mit seinen Thesen auslöste, hat, zumal als er nach der Trennung von der römischen Kirche eine eigene, Katholizität beanspru chende Gegenkirche gründete, beginnend bei Justin sofort eine heftige Gegenre aktion hervorgerufen, die ihn zum Erzhäretiker stempelte. Mit großem Aufgebot haben die sogenannten altkatholischen Theologen die Bekämpfung der ‘Häresien’ zu ihrem Thema gemacht, wobei sie ein Bild von ‘Rechtgläubigkeit und Ketzerei’ entwickelt haben, das während des ganzen Alter tums und bis weit über die Antike hinaus wirksam blieb. Demnach steht am An fang der Kirche die reine Lehre, die durch die Überlieferung der Apostel über die Zeiten hin in immer gleichbleibender Identität gesichert ist, während die Irrlehrer, durch Dämonen und pagane Denktraditionen verführt, diese verlassen. Als dog matische Abweichung und Verfälschung der Wahrheit ist Häresie etwas Späteres, Inkonsistentes und vieldeutig Schillerndes. Häresie artikuliert sich in der Abfolge von Schulhäuptern mit ihren Gruppierungen, in ihren Widersprüchen und stän digen Neuerfindungen, ihr Nährboden ist in fremden geistigen Welten verortet, wozu meist auch die griechische Philosophie gerechnet wird. Der Sinn dieser ket zerpolemischen Stereotypen, unstreitig ein unhistorisches Konstrukt, ist stets die Ausgrenzung dessen, was nicht mehrheitlich konsensfähig ist (vgl. zum Ganzen Le Boulluec 1985 [*8: I 113 –188]). Auf der anderen Seite haben paradoxerweise die sogenannten altkatholischen Väter selbst zur Entfaltung der katholischen Wahrheit in unterschiedlichem Umfang Anleihen bei philosophischer Begrifflich
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keit und bei philosophischen Konzepten gemacht. Man kann ihre große Bedeu tung darin sehen, dass Irenäus den Abschluss und die Summe der theologischen Arbeit des 2. Jahrhunderts vorgelegt hat, dass Hippolyt das Bildungswissen sei ner Zeit in die christliche Theologie zu integrieren unternommen hat und dass Tertullian, der Begründer der christlichen Latinität, das begriffliche Instrumen tarium bereitgestellt hat, das bleibende Geltung für die Formulierung des kirch lichen Dogmas haben sollte.
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§ 78. Die Schriften des Neuen Testaments (Bibl. 1054–1055)
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I. ANFÄNGE § 78. Die Schriften des Neuen Testaments Hermut Löhr
1. Überblick. – 2. Die einzelnen Schriften. – 3. Philosophischer Hintergrund. – 4. Nachwirkung.
1. ÜBERBLICK
Über die Autoren der meisten der später im Neuen Testament gesammelten und überlieferten Schriften ist nichts oder wenig bekannt. Die historische For schung ist vielfach auf den Rückschluss vom impliziten auf den historischen Autor angewiesen. Hinzu treten einzelne explizite Angaben, die aber je und je auch pseudepigraphe Fiktionen sein können (z. B. Ioh. 21,24f.). Die Verfassernamen der in den Handschriften überlieferten Schriftentitel sind sekundär. In der späteren frühchristlichen Literatur, im 2. Jahrhundert zum Beispiel bei Papias von Hiera polis (bei Eus. Hist. eccl. 3,39,14f. zu Mc. und Mt.) oder bei Irenäus von Lyon (Haer. 3,11,1 zu Ioh.), sind zusätzliche Nachrichten erhalten; ihr historischer Wert ist umstritten. Über den Autor des ‹Hebräerbriefs› hat schon die Alte Kirche ge rätselt (Origenes bei Eus. Hist. eccl. 6,25,14). Zwar existieren plausible Hypothesen über die chronologische Abfolge der Ent stehung der Schriften und Schriftengruppen, doch bleibt hier, wie in Hinsicht auf Entstehungsort und kulturelles Milieu, manches unsicher: Während die Verfasser der ältesten Texte im Neuen Testament noch ungefähre Zeitgenossen Jesu von Na zareth (ca. 6 v. Chr. – ca. 30 n. Chr.) gewesen sein dürften, weisen andere Schriften in das letzte Viertel des 1. oder bis weit in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Besonders das westliche Kleinasien scheint frühchristliche Texte hervorge bracht zu haben, doch auch Syrien, Alexandrien und Rom werden als Abfassungs orte für einzelne Schriften vermutet. Die Mehrzahl der Autoren dürfte jüdisch auf gewachsen sein; für die jeweils intendierten Adressaten ist dies weit weniger sicher. Allein vom Wanderprediger (Eigenbezeichnung: «Apostel», d. h. Gesandter, nämlich Jesu Christi) Paulus – der hebräisch-griechische Name Σαῦλος («Saul»: Act. 7,58; 8,1. 3) begegnet nie in seinen authentischen Schreiben! – lässt sich ein detail lierteres Bild zeichnen: Er soll nach Act. 21,39 und 22,3 aus der kilikischen Groß stadt Tarsos stammen, nach späteren Nachrichten (Hier. Vir. ill. 5) jedoch in Gischala in Galiläa geboren sein. Das genaue Geburtsjahr ist unbekannt. Er war Sohn einer jüdischen Familie des Stammes Benjamin (Phil. 3,5). Vielleicht besaß er neben dem Bürgerrecht seiner Heimatstadt (Act. 21,39) auch das römische Bürger
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recht (Act. 16,37f. u. ö.) – warum, ist unklar. Seine Briefe lassen vermuten, dass er eine Art rhetorischer oder philosophischer Elementarbildung genoss (Vegge 2006 [*46]); manche Exegeten erkennen eine besondere Nähe zur stoischen Philosophie in seinen Briefen (Engberg-Pedersen 2000 [*65]), doch werden in diesen auch pla tonische Motive und Begriffe identifiziert. In Jerusalem schloss er sich (als Schüler Gamaliels I.? vgl. Act. 22,3) der Partei der Pharisäer an (Phil. 3,5) und trat in der Folge gegen die jüdische Gruppierung der Jesus-Anhänger auf (Phil. 3,6; Gal. 1,13). Auch noch als Missionar der Christus-Bewegung war er als Handwerker tätig. Auf grund einer Christus-Vision bei Damaskus (ca. 32 n. Chr.) verstand er sich fortan als berufen und dazu beauftragt, das «Evangelium» nicht primär in Israel, sondern unter den «Völkern» bekannt zu machen. Trotz wiederholter Kontakte blieb sein Verhältnis zur Gruppe der Jesus-Anhänger in Jerusalem gespannt; mit Jakobus, einem Bruder Jesu, und seinen Parteigängern kam es im syrischen Antiochien über Fragen der Mahlpraxis zum offenen Bruch (Gal. 2,11–14). Das durch die Act. ver mittelte Bild des Paulus als rastloser Wanderprediger trifft nur zum Teil zu; neben einer im antiken Maßstab tatsächlich intensiven Reisetätigkeit, besonders in Klein asien und Griechenland, standen Phasen längerer Ortsstabilität, so in Korinth (wo Paulus um 51 n. Chr. dem Proconsul L. Iunius Gallio, einem Bruder Senecas, be gegnet sein dürfte; Apg. 18,12–17) und in Ephesos (Act. 18,3; vgl. I. Cor. 9,12). Ob Paulus seine Pläne, über Rom nach Spanien zu reisen (Rm. 15,28), noch verwirkli chen konnte, ist ungewiss. Wahrscheinlich wurde er in Jerusalem verhaftet und von dort nach Rom deportiert. Dort dürfte er, vielleicht noch vor der stadtrömischen Christen-Verfolgung durch Nero (64 n. Chr.), eines gewaltsamen Todes gestorben sein (Act. 20,25. 38; 1. Clem. 5,5–7). In seiner Tätigkeit als Wanderprediger und Mis sionar stützte sich Paulus auf namentlich bekannte, zum Teil wechselnde Mitarbei ter, wie Barnabas, Silas, Timotheos, Titos, Epaphras und Onesimos. Von diesen Kreisen ausgehend dürfte das paulinische Denken und Werk weiter tradiert und fortgeschrieben worden sein; Beleg dafür sind die unter dem Namen des Paulus überlieferten, aber nicht von ihm stammenden Briefe. Eine solche frühe Paulus‘Schule’ (von einer festen Institution ist nicht auszugehen) ist im späten 1. Jahrhun dert n. Chr. im westlichen Kleinasien zu lokalisieren. In der gleichen Region, viel leicht etwas später, mag auch eine johanneische ‘Schule’ existiert haben. 2. DIE EINZELNEN SCHRIFTEN Die neutestamentlichen Schriften lassen sich in vier Gattungen und weitere Untergruppen gliedern:
‹Evangelien› 1) Synoptische ‹Evangelien›: Überwiegend epi sodenhafte Darstellungen der Geschichte Jesu, des Messias («Christus») und Sohnes Gottes; im vermutlich ältesten Evangelium, Mc. (um 70 n. Chr.), nur wenige Monate umfassend von
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der Taufe des erwachsenen Jesus bis zur Hinrich tung und Auffindung des leeren Grabes, in Mt. und Lc. um Kindheits- und Ostergeschichten und zahlreiche Worte Jesu ergänzt. Mt. und Lc. benut zen dazu vielleicht eine hypothetische Spruchoder Logienquelle (Q), die vor allem szenisch ge rahmte Worte und Dialoge Jesu enthalten haben mag. 2) ‹Johannes-Evangelium›: Starke Umgestal tung des synoptischen Stoffes durch Zurücktreten der kleinen Szenen und die Einführung langer
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§ 78. Die Schriften des Neuen Testaments (Bibl. 1054–1055)
Monologe Jesu. Vorangestellt ist ein Prolog über den göttlichen λόγος (1,1–18).
‹Apostelgeschichte› (Geschichts schreibung) Im zweiten Teil der Darstellung auf Paulus kon zentrierte Erzählung der Geschichte des entste henden Christentums auf dem Weg von Jerusalem nach Rom. Act. 17,16–34 schildert die Begegnung des Paulus mit Epikureern und Stoikern auf dem Areopag in Athen.
Briefe 1) Corpus Paulinum, darin: – Sieben echte Paulusbriefe (Proto-Paulinen), u. a. ‹Römerbrief›, umfangreichste Darlegung des theologischen Denkens des Apostels; ‹Galater brief›, früheste Ausarbeitung der paulinischen Rechtfertigungslehre; ‹1. Thessalonicherbrief›, frühester erhaltener Paulusbrief, ca. 50 n. Chr.; ‹Brief an Philemon›, behandelt den Fall eines ent laufenen Sklaven.
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– Deutero-Paulinen einschließlich Pastoral briefe (diese auch als Trito-Paulinen abgesetzt). 2) ‹Hebräerbrief›, ein für die frühchristliche Kosmologie und Anthropologie wichtiger Traktat über das überlegene himmlische Priestertum Jesu Christi, vielleicht mittelplatonisch beeinflusst (Ei sele 2003 [*68]). 3) Sieben katholische Briefe, vermutlich Pseud epigrapha, darunter ‹Jakobusbrief›, setzen sich u. a. mit paulinisch beeinflusster Soteriologie ausein ander.
‹Offenbarung des Johannes› (Apokalypse) Bild- und wirkmächtige visionäre Darstellung der Endzeitereignisse. Die neutestamentliche Formkritik hat darüber hinaus Teiltexte dieser Schriften einer ganzen Reihe antiker Stile und Gattungen zuordnen kön nen (Berger 2005 [*55]), von denen etliche in der zumal moralphilosophischen Literatur der Antike Analogien und Parallelen aufweisen (Sterling 1997 [*64]). Vor diesem Hintergrund fällt das Feh len des Dialogs im Neuen Testament auf.
3. PHILOSOPHISCHER HINTERGRUND
1. Theologie, Christologie, Pneumatologie, Dämonologie, Kosmologie. – 2. Anthropologie. – 3. Ethik.
Ein systematisches oder spekulatives philosophisches Interesse haben die Schrif ten des Neuen Testaments insgesamt nicht. Dem diskursiven Charakter des Genres geschuldet, erscheinen die Briefe philosophienäher als die narrativen Texte, deren umfassende Analyse in Hinsicht auf Berührungen mit dem philosophischen Den ken in der Antike allerdings noch aussteht. Ausgangspunkt der Denkbewegung des Neuen Testaments im Ganzen ist der Glaube an die historisch kontingente Offen barung des einen Gottes in Jesus Christus, eine grundlegende Feststellung, die in den Schriften wiederholt bekräftigt und gegen Einwände verteidigt wird. Orientiert man sich an der Einteilung der Philosophie in Physik, Ethik und Logik, so lassen sich den beiden zuerst genannten Bereichen zahlreiche Textstücke zuordnen, der Logik jedoch kaum (aber vgl. Mayordomo 2005 [*69]). Aussagen, die auf einen pointierten Anti-Rationalismus schließen lassen könnten (Mt. 11,25; I. Cor. 1,19. 26–29; Col. 2,8; I. Tim. 6,20), sind freilich ohne Beachtung des jewei ligen Kontextes und als generelle Ablehnung von rationaler Argumentation im religiösen Kontext (schon von Kelsos, bei Orig. Cels. 1,13) missverstanden. So ar gumentiert Paulus im Textzusammenhang I. Cor. 1,18–3,23 gegen andere früh
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christliche Positionen und Personen (Apollos: vgl. I. Cor. 1,12; Act. 18,24f.; 19,1), die, anknüpfend an (jüdisches?) Weisheitsdenken und rhetorisch geschult, Ein fluss auf die Adressaten ausübten. Die dagegen von Paulus formulierte Opposi tion von Weltweisheit und göttlicher (Torheit bzw.) Weisheit (I. Cor. 1,25; 2,6f.), die als «Wort vom Kreuz» (ὁ λόγος […] ὁ τοῦ σταυροῦ: I. Cor. 1,18) inhaltlich ge füllt wird, greift zugleich auf einen Topos jüdischer Apokalyptik zurück. Damit wird freilich weder die Kategorie der Weisheit generell desavouiert noch die Le gitimität eines rationalen Diskurses in Frage gestellt; vielmehr sind offenbarungs theologisches Denken und Rationalität im Konzept des gott-menschlichen Geis tes verbunden (I. Cor. 2,10–16). Ob hinter der Polemik gegen die ‘Philosophie’ in Col. 2,8 die Kritik einer bestimmten (theologischen oder kosmologischen) Lehre steht oder ob allgemeiner ein (vielleicht anti-elitärer) Stereotyp der Paulus-Pseud epigraphie aufgerufen wird, ist kaum sicher zu bestimmen. Die vom Autor geschaffene, kaum historische Begegnung des Paulus mit Phi losophen in Athen, gipfelnd in einer Rede des Apostels auf dem Areopag (Act. 17,16–34), versucht ein Verhältnis der Anknüpfung und Überbietung zwischen paulinischem Evangelium und zeitgenössischer Philosophie zu inszenieren. Die Aufnahme eines Dichter-Zitats (Arat. Phainomena 5 in Act. 17,28) stellt Gemein samkeiten fest und zielt auf die Abwehr von Götterbildern, während die eschato logische Erwartung der Auferstehung von den Toten eine bleibende Differenz markiert (17,32f.; allgemein Vollenweider 2012 [*17]). 1. Theologie, Christologie, Pneumatologie, Dämonologie, Kosmologie Das Erzählen und Argumentieren der Texte ist theologisch geprägt durch den Bezug auf den in den Heiligen Schriften des Judentums bezeugten, durch perso nale Attribute wie «barmherzig», «gnädig» und «gerecht» näher bestimmten Gott Israels (zugleich als Schöpfer der ganzen Welt verstanden) einerseits und auf das geschichtlich vergangene, doch bleibend bedeutsame Auftreten Jesu von Nazareth andererseits. Jesus ist Gesandter und Repräsentant des einen Gottes («Christus» = Messias/Gesalbter; «Herr», «Sohn Gottes», «Menschensohn», «Sohn»), Vermitt ler göttlichen Heils für die Glaubenden und Offenbarer des göttlichen Willens. Seine gegenwärtige universale Bedeutung findet schon früh ihren Ausdruck in der Überzeugung, er sei präexistent (Phil. 2,6) und Schöpfungsmittler (I. Cor. 8,6), vom Tod auferweckt bzw. auferstanden (I. Thess. 4,14; Rm. 4,24) bzw. (zu Gott) erhöht worden (Phil. 2,9) und lebe und wirke gegenwärtig fort, den Bedingungen irdischer Raum-Zeit entrückt, doch zugleich in diese hinein wirkend. Nach Ioh. 1,1–18 ist er uranfänglicher göttlicher λόγος («Wort», «Vernunft»), der im Sinne der ‘revelatio generalis’ als Licht den Kosmos erhellt (1,9) und sich zu be stimmter Zeit im Sinne der ‘revelatio specialis’ als «Einziggeborener» Gottes, des Vaters, inkarniert (1,14). Der dichte Text stellt eine Umformulierung älterer Zusam menfassungen des Weges Jesu von Gott her und zu Gott (Phil. 2,6–11) dar und ver bindet jüdische Messianologie und Weisheitsspekulation. In der durchgehenden Unterscheidung von ewig Seiendem und Gewordenem lehnt der Text sich vielleicht
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an mittelplatonisches Denken an (Sterling 1997 [*64: 333f.]). Die Erwartung der (zweiten) «Ankunft» (παρουσία: I. Thess. 2,19; 3,13 u. ö.) des Gottgesandten auf Erden ist ein Element der Endzeitvorstellung einiger neutestamentlicher Texte. Mit der mythisch-theologischen Umformung der Erinnerung an das (historisch gesicherte) Auftreten des jüdischen Wanderpredigers Jesus aus Galiläa konver giert die neutestamentliche Rede vom «Geist» (auch «Geist Gottes», «heiliger Geist»), in der sich traditionell-jüdische und griechisch-römische Vorstellungen vom göttlichen, wohl stofflich verstandenen πνεῦμα mit charismatischen Erfah rungen in den frühesten Gemeinden verbinden. Von einer entwickelten Trinitäts theologie ist zwar nicht zu sprechen, doch sehr wohl von einer triadischen Entfal tung des Ein-Gott-Glaubens, in Anknüpfung an entsprechende Entwicklungen in der biblisch-jüdischen Tradition (Dochhorn 2011 [*72]). Die Rede vom Geist kann früh auch als hermeneutischer Schlüssel zu den Heiligen Schriften Israels dienen (I. Cor. 10,1–13; II. Cor. 3,6). Eine implizite Modifikation des Ein-Gott-Glaubens stellen auch Vorstellungen von Teufel, Satan oder Dämonen als in der Menschenwelt wirkenden Gegenspie lern Gottes dar, die nicht konsequent durchgeführt sind und so beispielsweise das Theodizeeproblem nicht lösen. Sachlich angrenzend finden sich Spuren des aus der jüdischen Apokalyptik aufgenommenen Dualismus zweier Äonen, deren ers ter – der gegenwärtige und schlechte – sich krisenhaft dem Ende zuneigt (I. Cor. 7,29–31). Die Jesus zugeschriebene und historisch auf ihn zurückgehende Ankün digung der nahen Königsherrschaft Gottes (oder «Reich Gottes») betont den heil bringenden Charakter des neuen Äons und die Befreiung von den Dämonen. Im ‹Johannes-Evangelium› ist «der Kosmos» als die Gott und dem Offenbarer feind liche Menschenwelt verstanden (Ioh. 1,10f.). 2. Anthropologie Verstreute Aussagen zur Anthropologie sind meist soteriologisch interessiert, daneben auch eschatologisch orientiert. In diesen Bezügen sind auch individual anthropologische Motive zu interpretieren, die einerseits die Leiblichkeit des Menschseins akzentuieren, andererseits aber auch dicho- oder trichotomische Dif ferenzierungen durchaus kennen (Löhr 1997 [*63], van Kooten 2008 [*70]); hier her gehört auch das platonische Motiv des «inneren Menschen» bei Paulus (Rm. 7,22; II. Cor. 4,16; Heckel 1993 [*62]). Skizziert wird das Bild eines Menschenge schlechts, das in einer auch moralisch sich manifestierenden Gottferne lebt und handelt. Krankheit und physischer Tod können als ihre Auswirkungen verstanden werden (I. Cor. 11,30; Rm. 6,23; vgl. Ioh. 9,2f.). Im paulinischen Begriff der σάρξ («Fleisch») ist diese Existenzweise des Menschen insgesamt zusammengefasst und dem Geist Gottes und seinem Einfluss auf den Menschen gegenübergestellt (Vollenweider 2002 [*66]). Ebenfalls bei Paulus verdichtet sich die Vorstellung von den Sünden (im Sinne von dem Willen Gottes widersprechenden Taten des Men schen) zum Singular «die Sünde», als metaphorischem Ausdruck des machthaften Charakters der Immoralität und Selbst- und Gottverfehlung menschlicher Exis
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tenz. In diesen Rahmen wird, unter Aufnahme von Motivik der antiken Tragödie und moralisch interessierter Psychologie, in Rm. 7,7–25 auch das Dilemma des Menschen zwischen gutem Wollen und schlechtem Vollbringen eingezeichnet (Müller 2009 [*71]). Die Position des Textstücks im Ganzen des ‹Römerbriefes› deutet darauf, dass Paulus hier keine zeitlos gültige Beschreibung des Menschen und seines unfreien, an der Realisierung gehinderten Wollens bieten, sondern den Nachweis menschlicher Erlösungsbedürftigkeit als rhetorische Vorbereitung der Behauptung göttlicher Befreiung führen will. Argumentativ funktionalisiert werden daneben auch das vielleicht jüdisch-hel lenistisch vermittelte Motiv der natürlichen Gotteserkenntnis (Rm. 1,19f.) und die Vorstellungen vom «Gewissen» (συνείδησις; Bosman 2003 [*67]) sowie vom den ἔθνη («Völker», «Heiden») bekannten, aber nicht befolgten natürlichen Gesetz (vgl. Rm. 2,12–15) aufgerufen. 3. Ethik In ethischer Hinsicht sprechen die neutestamentlichen Texte ihre Adressaten als zu einer moralischen Existenz Befreite an. In Aufnahme biblisch-jüdischer Spra che weist Paulus die Rede von der «Gerechtigkeit» Gottes und der «Rechtferti gung» des Sünders den konzeptionellen Voraussetzungen der moralischen Weisung zu, die nur im «Glauben» (πίστις) angenommen werden können. Die so einsichtig gemachte neue menschliche Freiheit soll sich in einer vorwiegend an verschiede nen Tugenden, weniger an Geboten oder Pflichten, orientierten alltäglichen Exis tenz bewähren. Das antike Tugendwissen wird eklektisch (z. B. ohne den Verweis auf die «Tapferkeit») aufgenommen; herausgestellt werden «Glaube» (Hebr. 11) und ἀγάπη («Liebe», «Mitmenschlichkeit»), die, in Aufnahme des Tora-Gebotes in Lev. 19,18, primär auf den «Nächsten» (Rm. 13,9; Mc. 12,31; Ioh. 13,34f.), daneben in Spitzenaussagen auch auf die «Feinde» (Rm. 12,14; Mt. 5,44) zielt. Die Liebe wird als ‘bleibende’ Tugend gepriesen (I. Cor. 13); sie kann geradezu mit Gott iden tifiziert werden (I. Ioh. 4,16). Der Normanspruch der Tora wird nicht vollständig aufgehoben, aber zusammengefasst, modifiziert oder relativiert (Mc. 12,28–34; Mt. 5,20–48). Mit Familienmetaphorik oder dem Bezug auf die Ordnung des antiken Hauses wird ein vorwiegend binnenethischer Rahmen konstruiert. Orientierung bieten auch moralische Vorbilder – neben Jesus Gestalten der biblisch-jüdischen Überlieferung oder frühchristliche Autoren, tatsächlich oder pseudepigraph (ex plizit nie aus der griechisch-römischen Mythologie oder Geschichte). In Pro grammsätzen wie Gal. 3,28 und 6,15 (vgl. II. Cor. 5,17) sind, auf theologischer Grundlage, überkommene soziale und kulturelle Differenzen in Frage gestellt, wenn auch nicht konzeptionell oder alltagspraktisch überwunden. Zu wenig Be achtung fand bisher, dass es daneben weder in der Jesus-Tradition noch bei Paulus an einem allgemeinen Begriff des Guten fehlt (Löhr 2013 [*74]). Eine moralische Existenz ist zwar nur dem durch gnadenhaftes göttliches Han deln befreiten Menschen möglich, jedoch nicht einfach gegeben: Die Vorstellung, dass das Heilsangebot abgelehnt wird, begegnet ebenso wie die Erfahrung mora
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lischen Scheiterns auch der ‘Glaubenden’. Dabei kann die Vorstellung der endzeit lich-jenseitig verstandenen vollständigen Glückseligkeit pragmatisch als morali sches Regulativ eingesetzt werden, sowohl als Lohn und Ziel menschlichen Handelns als auch in Hinsicht auf göttliche Strafe (II. Cor. 5,10; Mt. 25,31–46). Eine Ethik des politischen Handelns entfaltet das Neue Testament nicht, auch wenn Spitzensätze wie Act. 5,29 oder Phil. 3,20 in ihrer Rezeptionsgeschichte dazu Anlass boten. In Rm. 13,1–7 und I. Ptr. 2,13–16 werden umfassender Anweisun gen zum Verhalten gegenüber politischen und militärischen Autoritäten gegeben, deren Bedeutung ohne Beachtung ihres historischen und diskursiven Kontextes aber missverstanden wäre. 4. NACHWIRKUNG
Die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der Schriften des Neuen Testaments bis in die Gegenwart ist kaum zu überblicken und nur lückenhaft erforscht. Schon die Entwicklung hin zum Kanon, die im 2. Jahrhundert im Wesentlichen vollzogen ist (Markschies 2012 [*39]), stellt, als bewusste auch theologische Auswahl aus dem frühchristlichen Schrifttum, die Weichen für die weitere Entwicklung. Folgenreiche Grundpositionen sind besonders die Anknüpfung an israelitisch-jüdische Traditio nen und Heilige Schriften, das Festhalten am (binär oder triadisch differenzierten) Ein-Gott-Glauben und das Abweisen dualistischer Theologien, die Ablehnung des christologischen Doketismus und die Wahrnehmung der irdischen Geschichte des Gottessohnes, eine am Gnadenhandeln Gottes orientierte Soteriologie, die den Menschen als leib-seelische Einheit betrifft, ein auf die eschatologische Erwartung gerichtetes Geschichtsdenken sowie eine besonders an Dekalog (Ex. 20,2–17; Dtn. 5,6–21) und Bergpredigt (Mt. 5–7) orientierte, rational einsichtig gemachte Moral. Der Kanon wird als autoritatives Ur-Dokument des christlichen Glaubens zur Referenz für die gesamte christliche oder christlich beeinflusste Theologie und Philosophie seit der Antike, aber auch für die kritische Auseinandersetzung mit dem christlichen Denken, schon bei Kelsos und Porphyrios. Doch ist der Kanon nicht nur formale oder sachlich normierende Autorität; er fordert zugleich immer neu zur Interpretation und Adaption der Textaussagen heraus.
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§ 79. Die sogenannten Apostolischen Väter Hermut Löhr
1. Werke und Leben. – 2. Lehre. – 3. Nachwirkung.
Sammlungen von später der Gruppe der Apostolischen Väter zugerechneten Schriften existierten spätestens im Mittelalter (z. B. Codex Hierosolymitanus, 1056 n. Chr., enthält Barn., I. Clem., II. Clem., Did.), jedoch nie als ein fester, all gemein akzeptierter oder autorisierter ‘Kanon’. 1672 besorgte Jean-Baptiste Cote lier die erste Druckausgabe der ‹SS. Patrum qui temporibus apostolicis floru erunt› (Cotelier 1672 [*86]). Einendes Band der Auswahl und Zusammenfassung war die angenommene sachliche und zeitliche Nähe zu den urchristlichen Apos teln. Gewöhnlich werden jetzt elf nach Gattung und Datierung unterschiedliche Schriften bzw. Sammlungen aus dem 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. zu den Apos tolischen Vätern gerechnet. Gemeinsam ist diesen Texten, dass sie keine allgemein anerkannte Aufnahme in den Kanon des Neuen Testaments fanden und, anders als die ‘apokryphe’ frühchristliche Literatur, die neutestamentlichen Schriften nicht ergänzen oder fortschreiben wollen. Alle Texte blicken bereits auf die Zeit Jesu und seiner unmittelbaren Nachfolger (der «Apostel» der kirchlichen Tradi tion) zurück, ohne schon zum Mittel der Pseudepigraphie zu greifen. Die Mehr heit der Texte ist, soweit erkennbar, christliche Binnenliteratur (Ausnahmen: das Quadratus-Fragment und die Schrift an Diognet). Die Distanz der Apostolischen Väter gegenüber prononciert judenchristlichen, markionitischen, montanistischen oder ‘gnostischen’ theologischen Positionen macht sie in theologiegeschichtlicher Perspektive zu Zeugnissen frühchristlicher ‘Proto-Orthodoxie’ und trug zu ihrer Wertschätzung in der späteren großkirchlichen Tradition bei. 1. WERKE UND LEBEN
‹Doctrina patrum› Διδαχή – ‹Lehre [der Zwölf Apostel]› (Did.)
‹Barnabae epistola› Βαρναβᾶ ἐπιστολή – ‹Barnabasbrief› (Barn.)
Didache, die älteste erhaltene christliche Ge meindeordnung, stärker als die anderen Schriften von judenchristlichen bzw. jüdischen Traditionen geprägt.
Ein anonymes, mit schriftgelehrten Schulmate rialien arbeitendes Lehrschreiben zur innerkirch lichen Klärung soteriologisch-eschatologischer Fragen, das unter schroffem Antijudaismus das christliche Verständnis des gesamten Alten Testa ments reklamiert und gegen Ende paränetische Mahnungen unterbreitet (1. Drittel des 2. Jh.s).
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‹Epistula Clementis ad Corinthios› Κλήμεντος Πρὸς Κορινθίους αʹ – ‹Erster Brief des Clemens an die Korinther› (I. Clem.) ‹Erster Clemensbrief›, wohl die älteste Schrift der Apostolischen Väter, geschrieben vielleicht schon in der Zeit Domitians; erstes Zeugnis für das Ein greifen der römischen Gemeinde in die Angelegen heiten einer anderen Gemeinde. Nach altkirchlicher Tradition (Eus. Hist. eccl. 3,16; Iren. Haer. 3,3,3; Hegesipp bei Eus. Hist. eccl. 4,22,1; Dionysios von Korinth bei Eus. Hist. eccl. 4,23,11) wurde das Schreiben von einem römischen «Bischof» (d. h. einem Presbyter) Clemens im Auftrag der Ge meinde verfasst. Manche Forscher erwägen, ob es sich bei Clemens um den in Herm. 8,3 erwähnten Sekretär der römischen Gemeinde handle.
‹Epistula secunda Clementis ad Corinthios› Κλήμεντος Πρὸς Κορινθίους βʹ – ‹Zweiter Brief des Clemens an die Korinther› (II. Clem.) ‹Zweiter Clemensbrief›, nach Ansicht mancher eine frühchristliche Predigt.
‹Ignatii Antiocheni Epistulae ad Ephesios, ad Magnesios, ad Trallianos, ad Romanos, ad Philadelphios, ad Smyrnaeos, ad Polycarpum› ᾿Ιγνατίου Πρὸς Ἐφεσίους, Πρὸς Μαγνήτας, Πρὸς Τραλλιανούς, Πρὸς Ῥωμαίους, Πρὸς Φιλαδελφεῖς, Πρὸς Σμυρναίους, Πρὸς Πολύκαρπον – ‹Briefe des Ignatios an die Epheser, an die Magnesier, an die Trallia ner, an die Römer, an die Philadelpher, an die Smyrnäer, an Polykarp› (Ign. Eph., Magn., Trall., Rom., Philad., Smyrn., Polyc.) Datierung und Echtheit dieser und weiterer Ig natios-Briefe sind umstritten: Nach Eusebios (Hist. eccl. 3,36,2) war Ignatios der «zweite Nach folger des Petrus» als Bischof der christlichen Gemeinde(n) im syrischen Antiochien. Er wurde nach Rom deportiert, wo er den wilden Tieren vor geworfen wurde (vgl. auch Ign. Eph. 1,2; Ign. Rom. 5,2f.). Auf der Reise als Gefangener von Syrien nach Rom habe er verschiedene christliche Ge
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meinden in Kleinasien besucht und einige Briefe an Gemeinden sowie an den Bischof von Smyrna ver fasst. Die historische Zuverlässigkeit dieser Nach richten, die dem sich aus den Briefen ergebenden Bild entsprechen, wird sehr unterschiedlich einge schätzt; deutlich ist jedenfalls die Anlehnung an das Paulus-Bild der frühesten Kirche. Dass, wie bisweilen vermutet, die Gestalt des Ignatios im spä teren 2. Jahrhundert frei erfunden sei, ist aber un wahrscheinlich. Fraglicher ist die auf Eusebios zu rückgehende Datierung in die Zeit Trajans.
‹Polycarpi Epistula ad Philippenses› Πολυκάρπου ἐπιστολὴ πρὸς Φιλιππησίους – ‹Brief des Polykarp an die Philipper› (Polyc.) ‹Polykarpbrief›, dessen literarische Einheitlich keit des Textes kontrovers diskutiert wird. Poly karp soll noch von den Aposteln als Bischof von Smyrna eingesetzt worden sein (Iren. Haer. 3,3,4). Er stand in enger Verbindung mit Ignatios (Ign. Eph. 21,1; Ign. Polyc.; Polyc. 13) und war vielleicht sein Schüler. Gegenüber dem römischen Bischof Aniketos verteidigte er die kleinasiatische Praxis des Osterfestes (Irenäus bei Eus. Hist. eccl. 5,24,14–17). Nach 150 – das genaue Jahr ist um stritten; wahrscheinlich 155/56, aber auch 167 bzw. 177 werden noch vertreten – erlitt Polykarp im Zu sammenhang lokaler Christenverfolgungen den Märtyrertod in Smyrna.
‹Martyrium Polycarpi› Μαρτύριον Πολυκάρπου – ‹Martyrium des Polykarp› (Mart. Polyc.) Die älteste erhaltene literarisch eigenständige Darstellung eines christlichen Martyriums in Form eines Schreibens der Gemeinde von Smyrna nach Philomelion zeitlich direkt nach dem Marty rium, Vorbild für die weitere christliche Märtyrer literatur.
Papias Παπίας – Fragmente des Papias (Papias) Verstreut (u. a. bei Irenäus, Eusebios und Hie ronymus) überlieferte Zitate und paraphrasie rende Exzerpte der ‹Fünf Bücher Auslegung von Herrenworten des Papias› sowie biographische Notizen zu ihrem Autor.
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Quadratus Κοδρᾶτος (Quad.)
wahrscheinlich, aber nicht gesichert. Kap. 11f. wird ein Nachtrag oder das Fragment einer anderen Schrift sein (vgl. zum ‹Diognetbrief› auch unten § 82.).
Fragment der vermutlich ältesten, an Hadrian überreichten frühchristlichen Apologie, nur bei Eus. Hist. eccl. 4,3,2 erhalten.
Anonymus (Ps.-Iustinus) ‹Epistula ad Diognetum› Πρὸς Διόγνητον – ‹An Diognet› (Diogn.) Strukturierte Darstellung des christlichen Glau bens zu protreptischem Zweck; die Schrift wird oft zu Recht zu den frühchristlichen Apologien gerech net. Ihre Datierung noch in das 2. Jahrhundert ist
‹Hermae Pastor› Ποιμήν – ‹Hirte› [sc. des Hermas] (Herm.) Eine noch in der ersten Hälfte des 2. Jahrhun derts in Rom verfasste Bußschrift. Die oft verwen dete Gattungsbezeichnung ‘Apokalypse’ trifft den literarischen Charakter des umfangreichen Wer kes nur zum Teil; in drei Abschnitten: «visiones» («Visionen»), «mandata» («Gebote»), «similitudi nes» («Gleichnisse»). Der Autor von Herm. stellt sich selbst als Freigelassener vor.
2. LEHRE
Die philosophische Relevanz der einzelnen Schriften ist unterschiedlich hoch. Allen Texten ist gemeinsam, dass sie über den Charakter bloßer Gelegenheits schriften mehr oder weniger deutlich hinausgehen und die theologische Begriffs bildung des entstehenden Christentums über die Schriften des Neuen Testaments hinaus erheblich fortentwickeln (von Harnack 1929 [*143: 85f.]). Einflüsse aus der griechisch-römischen Philosophie (Platonismus, Stoa, Zweite Sophistik) wer den für einige Texte (I. Clem., Ignatios-Briefe, Diogn.) erwogen. Im Falle von I. Clem. sind zwar einige Motive (6,2; 20,8; 25,1–5; 37,4; 54,2f.; 55,1) der umgeben den populären Mehrheitskultur entliehen. Eine direkte Beeinflussung durch die kaiserzeitliche Philosophie ist aber (auch für den in diesem Zusammenhang oft angeführten Text I. Clem. 20) nicht sicher nachzuweisen. Vielmehr ist auch da, wo I. Clem. von der Terminologie und den Konzepten älterer christlichen Schrif ten abweicht, das hellenisierte Judentum, und hier bisweilen Philon von Alexan drien, als Vorbild und Quelle erkennbar, was sich exemplarisch an den Gottes bezeichnungen (u. a. δεσπότης, δημιουργός, κτίστης, παντοκράτωρ) zeigen lässt (Lona 1998 [*123: 59, 183f.]). So ist I. Clem. kein Zeugnis einer vom Judentum unabhängigen ‘Hellenisierung’ des Christentums oder einer schon intensiven Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Philosophie; diese gehört einer etwas späteren Zeit an. Teile insbesondere der auf die Gemeinschaft und ihre Hierar chie bezogenen Terminologie in den Briefen des Ignatios wie τύπος («Vorbild»), ἕνωσις («Vereinigung»), ὁμόνοια («Eintracht»), εἰρήνη («Friede») zeigen Beziehun gen zur Zweiten Sophistik auf (Brent 2006 [*146]); ob damit der primäre diskur sive Kontext der Texte gefunden ist, bleibt aber unsicher. Bei Ignatios begegnet zum ersten Mal auch der Begriff des «Christentums» (χριστιανισμός, gedacht ist nach dem jeweiligen Kontext vor allem an eine profi lierte Lebenspraxis im Unterschied zum ἰουδαϊσμός). Die Vorstellung von den Christen als «drittem Geschlecht» neben Juden und Griechen ist in mehreren Schriften angedeutet bzw. ausgearbeitet (Diogn. 3f.).
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In den Schriften treten unterschiedliche Anliegen und Themen profiliert hervor: Der hermeneutischen Herausforderung, die fortdauernde Gültigkeit der Heili gen Schriften des Judentums in Abgrenzung zu diesem und seinen Ritualen zu begründen, widmet sich besonders Barn. 2–16. Dabei werden wörtliches, typologi sches und allegorisches Verständnis der Heiligen Schrift eklektisch verknüpft. Als theologisches Ziel dieser Schriftinterpretation wird die vollkommene «Erkennt nis» (γνῶσις: 1,5; 6,9; 13,7) herausgestellt. Das zur Verfügung stehende Instrumen tarium der Interpretation wird in den Apostolischen Vätern aber nicht nur auf das Alte Testament angewendet: So schließen sich auch an literarische Visionen und Bilder im ‹Hirten› des Hermas ausführliche allegorische Interpretationen an. Die Verschränkung einer auch rational einsichtigen Moralität mit der Gottes beziehung ist fundamentale Überzeugung in den Apostolischen Vätern. Die Mehrzahl der Schriften enthält Weisungen, Mahnungen und Ratschläge für die alltägliche Lebensführung der Adressaten. Im breiten Tugendwissen der Schrif ten nimmt die «Liebe» (ἀγάπη) einen prominenten Platz ein, doch begegnen auch Leitbegriffe wie Eintracht, Einheit und Frieden, die zum Teil aus der politischen Ideologie der Zeit aufgenommen sein dürften. Der νόμος («Gesetz»), verstanden als die schriftliche Tora der jüdischen Tradition, steht nicht im Mittelpunkt der Normendiskussion. Es begegnet auch die Vorstellung vom «neuen Gesetz» Jesu Christi (Barn. 2,6; Ign. Magn. 2,1; νόμος und «Sohn Gottes» können sogar mit einander metaphorisch identifiziert werden (Herm. 69,2; Brox 1991 [*120: 516]). Von besonderer ethischer Relevanz sind die ‹Didache› und der ‹Hirte› des Hermas: Der erste Teil der ‹Didache› (Kap. 1–6) ist insgesamt als moralische Un terweisung der Gläubigen gestaltet. Dabei bildet das populärphilosophische Zwei-Wege-Schema (vgl. auch Barn. 18–20) einen Rahmen, in dem sowohl dem Dekalog nahe Mahnungen (Ex. 20,2–17; Dtn. 5,6–21) als auch Ratschläge gege ben werden, die an die Bergpredigt Jesu in Mt. 5–7 erinnern. Auch die Struktur des antiken Hauses findet Berücksichtigung (Did. 4,9–11). Die «mandata» des Hermas verbinden moralische Weisungen mit einer rudimentären individual-an thropologischen Handlungstheorie und gewinnen so den Charakter eines (ersten christlichen) populärphilosophischen Traktats. Die Schrift greift auf die rheto rische und elementar-philosophische Technik der Dihärese zur Begriffsklärung zurück und entwickelt sogar eine Art Handlungsbegriff (πρᾶξις: Herm. 37,1 u. ö.). Das ‹Martyrium des Polykarp› ist ein wichtiger Beleg für die Entstehung des christlichen Martyrium-Begriffs. Das Leidens- und Todes-«Zeugnis» für die re ligiöse Überzeugung wird dabei als Nachahmung Christi verstanden (Mart. Polyc. 19,1; vgl. Ign. Rom. 6,3). Wie bei Ignatios ist in Mart. Polyc. das Martyrium leidensparänetisch ausgewertet; doch warnt letzteres deutlicher vor einem Stre ben nach dem Martyrium und wahrt deutlicher die Distanz zwischen dem Heils bringer und den Gläubigen (Buschmann 1998 [*122: 58–66]). Für die Verknüpfung von Ethik und Eschatologie ist Hermas von besonderem Interesse; die zentrale Botschaft des Textes ist die Verkündigung einer nach der Taufbekehrung zweiten und letztmaligen Möglichkeit zur Neuorientierung (μετάνοια: «Umkehr», «Buße») der eigenen Existenz angesichts des erwarteten nahen Endes der geschichtlichen Zeit.
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Im ‹Barnabasbrief› wird die Überzeugung, «in den letzten Tagen» (4,9) zu leben, durch die Andeutung chiliastischer Erwartungen (15,4) ergänzt. Auch Pa pias wurden solche Erwartungen zugeschrieben (Iren. Haer. 5,33,4; Eus. Hist. eccl. 3,39,11–13 u. ö.). Die ältere apokalyptische Enderwartung wird in den Apo stolischen Vätern durch Did. 16 repräsentiert. Das Verständnis Gottes in den Apostolischen Vätern nimmt die schon ältere bi näre bzw. triadische Entfaltung des aus der biblisch-jüdischen Überlieferung über kommenen Ein-Gott-Glaubens auf: Gott ist Schöpfer der Welt und Retter der Menschen, er wird mit personalen Attributen qualifiziert (Diogn. 8,8; 9,6). Beson ders eindrücklich preist I. Clem. 20 die Stabilität der kosmischen Ordnung als Werk des göttlichen Schöpfers (Wyrwa 2006 [*148: 709–711]). Dass hier direkte stoische (oder platonische) Einflüsse anzunehmen sind, ist, wie die jüngere Forschung ge zeigt hat, historisch wenig wahrscheinlich; die nächstliegenden und engsten Paral lelen bietet das Werk Philons von Alexandrien (Lona 1998 [*123: 249–274]). Dass die Beziehung zum jüdischen Gottesglauben nicht durchweg als problemlose Kon tinuität wahrgenommen wurde, zeigen Texte wie der ‹Barnabasbrief› oder ‹An Diognet› deutlich, in denen eine heilsgeschichtliche (Barn.) oder offenbarungstheo logische (Diogn.) Bedeutung der geschichtlichen Zeit vor Christus bestritten wird. Die Einheit von Gottheit und Menschheit des von Gott gesendeten Heilsbrin gers Jesus Christus wird festgehalten oder antidoketisch zugespitzt (Ign. Eph. 7,2). Präexistenz und Auferstehung Christi sind vorausgesetzt. Von den verwen deten christologischen Hoheitstiteln stehen «Herr» und «Sohn Gottes» im Vor dergrund; klar wird Jesus auch als «Gott» bezeichnet (Ign. Smyrn. 1,1; Ign. Trall. 7,1) oder als Logos verstanden (Diogn. 7,2; 11,3–5). Gattungsbedingt tritt der Bezug auf das irdische Leben Jesu von Nazareth zurück; Ausnahme sind natür lich das Leiden und Sterben des Gottgesandten. Die vielleicht komplexeste Pneumatologie der Apostolischen Väter findet sich im ‹Hirten› des Hermas, wo die Rede vom «Geist» bzw. den «Geistern» christo logische, angelologische, dämonologische, anthropologische und ethische Dimen sionen besitzt und insgesamt dualistisch anmutet (Brox 1991 [*120: 541–546]). 3. NACHWIRKUNG
Die Nachwirkung der Apostolischen Väter in der Geschichte der (christlichen und sonstigen) Philosophie ist nicht erforscht. Wie die handschriftliche Überlie ferung, die Bezugnahmen bei den Kirchenvätern sowie die Entstehung weiterer Texte unter den bekannten Autorennamen zeigen (viele Hinweise bei Lightfoot 21889–1890 [*112]), verläuft die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Einzel schriften sehr unterschiedlich: Einzelne Schriften wurden offenbar in Teilen der Alten Kirche zeitweise als kanonisch anerkannt. Insgesamt aber sind die Texte weniger einzeln als Anreger für einzelne Autoren oder Ideen greifbar denn als Zeugnisse einer wichtigen frühen Etappe in der Geschichte christlicher Theolo gie und Ethik. In dieser Perspektive finden die Apostolischen Väter in jüngerer Vergangenheit auch in der historisch-philosophischen Analyse von Moral und Ethik durch Michel Foucault Beachtung (Foucault 2012 [*149: 165–188]).
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§ 80. Aristeides (Bibl. 1060)
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II. DIE APOLOGETEN DES 2. JAHRHUNDERTS § 80. Aristeides Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werk. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Das Wenige, das über Aristeides bekannt ist, geht fast ausschließlich auf den Kirchenhistoriker Eusebios zurück. In seiner ‹Chronik› betitelt er ihn als «Atheniensis noster philosophus» (Chron. ad ann. 2141 = 125 n. Chr. = 199,8 Helm), was möglicherweise eine Selbstbezeichnung war (siehe das Präskript in den Übersetzungen), und in der ‹Kirchengeschichte›, wo er ihn gleich im Anschluss an einen sehr kurzen Auszug aus der frühesten bekannten ‹Apologie des Quadratus› (um 124/129) nennt, rechnet er seine ‹Apologie für den Glauben› zu den ältesten christlichen Verteidigungsschriften, die sich bis zu seiner Zeit erhalten haben (Hist. eccl. 4,3,3). Die Schrift sei, so Eusebios und ein Teil der Versionen, an Kaiser Hadrian gerichtet gewesen, nach dem Präskript der syrischen Version jedoch an Kaiser Antoninus Pius. Eine eindeutige Entscheidung ist bei der gegenwärtigen Quellenlage kaum möglich; auch ist zu erwägen, ob die Adresse nicht lediglich literarische Einkleidung und das Schreiben in Wirklichkeit eine für ein breiteres Lesepublikum bestimmte Rede ist (Hunger 1949 [*255], Pouderon, Pierre 2003 [*248: 39–49], Parvis 2007 [*264: 118ff.]). Man kann in jedem Fall davon ausgehen, dass Aristeides vor dem Apologeten Justin zu datieren ist (gegen Parvis 2007 [*264: 118ff.]). 2. WERK
‹Apologia› (‹Apologeticum pro Christia nis› bei Hier. Vir. ill. 20) ῞Υπερ τῆς πίστεως ἀπολογία (nach der syri schen Version περὶ θεοσεβείας [?]) – ‹Apologie für den Glauben› Das Werk muss rekonstruiert werden aus einer, wie es scheint, vollständigen syrischen Übersetzung des 4. Jahrhunderts, aus zwei griechischen Papyrus-
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fragmenten des 4. Jahrhunderts, aus griechischen Auszügen, die in den früh-byzantinischen Roman ‹Barlaam und Joasaph› (8. oder 10. Jh.) integriert sind, und aus einer armenischen Teilübersetzung der ersten beiden Kapitel des 5. Jahrhunderts. Doch herrscht über die ursprüngliche Textgestalt keine Einigkeit, zumal die Verlässlichkeit der syrischen Version nicht völlig über jeden Zweifel erhaben ist (Alpigiano 1988 [*247: 31f., 173–179]) und bei den
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griechischen Textpartien deutliche Spuren sekundärer Überarbeitung erkennbar sind (die Edition von Pouderon, Pierre 2003 [*248] druckt die verschiedenen Textzeugen einfach hintereinander). Der Inhalt folgt weithin schablonenhaft vorgegebenem Material. Ausgehend vom populärphilosophischen Gottesbegriff (Apol. 1) und von der religionsgeschichtlichen Gegenüberstellung der drei Geschlechter der Menschheit (Apol. 2: Heiden, Juden und Christen als τρίτον γένος; syrische Version: Barbaren, Griechen, Juden und Christen; dazu Alfonsi 1976 [*259]) führt Aristeides scharfe Angriffe gegen die Verehrung der Elemente bei den Chaldäern (Apol. 3–6), gegen den unmoralischen Polytheismus der mythischen Götter und Heroen bei den Griechen (Apol. 7–13) und gegen die überwiegend theriomorphen Götterkulte bei den Ägyptern (Apol. 12) aus. Die Juden werden günstiger beurteilt, weil sie die wahre Gotteserkenntnis haben und sich als menschenfreundlich erweisen, aber mit ihrem Engelskult und dem Ritualismus ihres Zeremonialgesetzes seien sie in die Irre gegangen (Apol. 14). Allein die Christen seien im Vollbesitz der Wahrheit, und zum Beweis dessen
erzählt Aristeides vom Ursprung ihrer Religion, vom Leben Jesu, seiner Verkündigung, seinem Tod und seiner Auferstehung, von der weltweiten Mission der Jünger, und in fast beredten, persönlich empfundenen Worten preist er ihre untadelige Lebensführung und den vorbildlichen Dienst ihrer Nächstenliebe (Apol. 15–17). Ihren Gebeten sei der Fortbestand der Welt zu verdanken (Apol. 16,6 syr.; vgl. Geffcken 1907 [*164: 92]). Aristeides will, wie er sagt, bösartige Verleumdungen zum Schweigen bringen (Apol. 17,3 syr.). Die Rechtslage der Christen hat er weniger im Blick; Inhaftierungen und Bedrängnisse um des bloßen Namens willen wertet er als Verpflichtung für die Glaubensbrüder und -schwestern, sich geschwisterlich beizustehen, ohne dass er die Rechtspraxis als solche anprangert (Apol. 15,7 syr.; vgl. 15,7 gr.). Wiederholt wird der Kaiser aufgefordert, er möge sich selbst aus den Heiligen Schriften informieren. Mit einem allgemein gehaltenen Bekehrungsappell endet das Schreiben (Apol. 17,3 syr.). Unecht sind eine Homilie und ein Brief, die in armenischer Übersetzung unter dem Namen des Aristeides überliefert sind.
3. LEHRE
Philosophisch relevant ist in der ‹Apologie› des Aristeides im Wesentlichen der zu Beginn dargestellte monotheistische Gottesbegriff, der als Wahrheitskriterium für die folgende Musterung der verschiedenen Religionen dienen soll. Gebildet wird dieser durch den kosmologischen, auf den Beweger des Alls schließenden Gottesbeweis und eine lange Reihe von Gottesprädikaten, teils apophatischen, teils kataphatischen, meist mit einer kurzen Begründung, die Gottes Transzendenz umschreiben. Solche sind, um nur einige aufzuzählen, «unbegreiflich», «ungeworden», «unvergänglich», «ewig», «vollkommen», «ohne Namen» und «ohne Gestalt», «ganz Weisheit und Erkenntnis» u. ä. (Apol. 1,2 syr.). Es wäre verfehlt, aus diesen Aussagen Rückschlüsse auf eine bestimmte philosophische Schulzugehörigkeit des Autors ziehen zu wollen, sie entsprechen durchweg dem populärphilosophischen Gemeingut der Zeit, und ein hellenisierter Jude hätte genauso sprechen können. Möglicherweise hat Aristeides tatsächlich hellenistisch-jüdische Vorlagen zur Hand gehabt (Geffcken 1907 [*164: 31–41], Lazzati 1938 [*254], Alpigiano 1988 [*247: 14f., 130–136]), ohne dass man deshalb annehmen müsste, das Werk im Ganzen sei ein jüdischer Traktat, der nur oberflächlich christlich bearbeitet worden wäre (gegen O’Ceallaigh 1958 [*256]). Das Bemerkenswerteste an diesem frühesten Zeugnis der christlichen Apologetik ist indessen etwas anderes. Es ist nicht zu übersehen, dass der anfangs skizzierte philosophische Gottesbegriff für die später folgende Darstellung der christlichen Religion überhaupt keine Bedeutung hat. Der christliche Glaube wird nicht
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durch Reflexion oder philosophischen Diskurs empfohlen, sondern indem einfach erzählt wird, wie Jesus Christus, der Sohn des höchsten Gottes, vom Himmel her abgestiegen ist, die christliche Religion als etwas grundlegend Neues gestiftet hat und wie sich seine Verkündigung in der Ethik der Christen, dem dritten Geschlecht, so einzigartig bewährt (vgl. Vona 1950 [*246: 25–55]). Der Glaube gilt für Aristeides auch gar nicht als Philosophie oder als ‘die wahre Philosophie’, wie es schon eine Generation später lauten sollte. Beide Komplexe, die christliche Botschaft und die philosophischen Anleihen, stehen gedanklich unverbunden und unvermittelt nebeneinander; von einer geistigen Durchdringung kann nicht die Rede sein. Dem entspricht, dass auch theologisch die Position noch ganz rudimentär ist. Von der Präexistenzchristologie, wiewohl implizit vertreten, wird kein Gebrauch gemacht, und auch die alttestamentliche Heilsgeschichte ist beiseitegelassen, so dass der Weissagungsbeweis und Altersbeweis für die Wahrheit der christlichen Religion fehlen. 4. NACHWIRKUNG
Aristeides’ Name ist dank der Erwähnung bei Eusebios und in dessen Nachfolge bei Hieronymus (Vir. ill. 20; Ep. 70,4) und Orosius (Hist. 7,13,2) über die Jahrhunderte hin stets in hoch geachteter Erinnerung geblieben. Über Hieronymus ist Aristeides auch in die lateinischen Martyrologien (nicht aber in die griechischen) gelangt, nun legendarisch umrankt (ad 2. Kal. Septr.; ad 5. nonas Octobr.). Anders freilich steht es mit der Kenntnis seines Werkes. So gewiss sich manche Berührungen mit den nachfolgenden Apologeten ergeben, so wenig lässt sich eine direkte Abhängigkeit von ihm nachweisen. Am weitesten gehen die Gemeinsamkeiten in der Schilderung der Lebensweise der Christen mit der anonymen ‹Epistula ad Dio gnetum›, doch ist dort das theologiegeschichtliche Gesamtprofil deutlich weiter entwickelt als bei Aristeides; ansonsten wird man bei allen nur das Vorhandensein eines gemeinsamen, letztlich auf jüdische Apologetik zurückgehenden Grundstoffes konstatieren können. Ob Eusebios Aristeides’ ‹Apologie› direkt eingesehen hat, kann man wegen der unbestimmten Art seiner Formulierung fragen (vgl. Harnack 1897 [*186: II 1,271]). Dagegen bezeugt die indirekte Überlieferung, dass die Schrift im syrischen und armenischen Sprachbereich weiterhin Verbreitung gefunden hat. Allgemein galt sie als verschollen, bis im Jahre 1878 die Mechitaristen das Fragment der armenischen Version publizierten, im Jahr 1889 J. R. Harris die Schrift in einer syrischen Handschrift des Katharinenklosters auf dem Sinai entdeckte und etwa zur gleichen Zeit J. A. Robinson den entsprechenden griechischen Text im Roman ‹Barlaam und Joasaph› identifizieren konnte.
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§ 81. Justin Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Für die Biographie Justins, der mindestens seit dem Ende des 2. Jahrhunderts den Ehrennamen «der Philosoph und Märtyrer» trägt (vgl. Tert. Adv. Val. 5,1), stehen als Quellen eine Reihe von Selbstzeugnissen in den ihm sicher zugehörenden Schriften (1. Apol. 1; 2. Apol. 3; Dial. 1–8), ferner der Martyriumsbericht ‹Acta Martyrii Iustini et Sociorum› (dazu Freudenberger 1968 [*333], Georges 2012 [*374: 76–80]) sowie ein Schriftenverzeichnis in der ‹Kirchengeschichte› des Eusebios von Caesarea (Hist. eccl. 4,18,2–6) zur Verfügung. Justin stammte demnach aus Flavia Neapolis in Syria Palaestina (1. Apol. 1,1), dem heutigen Nablus, einer ursprünglich samaritanischen Stadt. Er bezeichnet sich einmal als Samaritaner (Dial. 120,6; vgl. 2. Apol. 15,1), aber der Kultgemeinschaft der Samaritaner gehörte er nicht an, da er sich zu den Heiden zählt (Dial. 41,3 und Dial. 28,2, vgl. Donaldson 2013 [*378]). Ob die Namen seines Vaters und Großvaters, Priscus und Bakcheios (1. Apol. 1,1), darauf hinweisen, dass er in eine Familie von römischen Veteranen geboren wurde (so Bagatti 1979 [*339: 319]), ist ungewiss, doch zeigen sie immerhin, dass seine Familie ganz der römisch-hellenistischen Lebenswelt verbunden war, so dass ihm eine gediegene griechische Erziehung zuteilwerden sollte (Grant 1988 [*209: 50]; eine tabellarische Auflistung von Justins Bildungswissen bei Lampe 21989 [*208: 227–231, 353–361]). In der Szenerie seines ‹Dialog mit Tryphon› treffen wir auf ihn um das Jahr 135 in Ephesos (Dial. 1,3; 9,3 mit Eus. Hist. eccl. 4,18,6). Dieselbe szenische Schilderung setzt voraus, dass er sich zu dieser Zeit in Erfüllung seines philosophischen Bildungsgangs bereits zum Christentum bekehrt hatte und auch als Christ weiterhin selbstbewusst den Philosophenmantel trug, in der Überzeugung, dass das Christentum die wahre Philosophie sei (Dial. 1,2; 8,1f.). Die späteren Jahre seines Lebens hat Justin in Rom verbracht, wo zwei Aufenthalte bezeugt sind (Acta Iustini Rec. A, 3,3). Hier, wo die Mehrzahl seiner Schriften entstanden sein dürfte, hat er nach dem Vorbild philosophischer Schulen in seiner eigenen Wohnung (oberhalb der Myrtinus[?]-Thermen: Acta Iustini Rec. A 3,3) ein Schullokal zur christlichen Glaubensunterweisung eröffnet, das für alle Interessierten, für außenstehende Nichtchristen wie für Christen, für Männer wie für Frauen, offen stand. Seine Aufgabe sah er darin, unentgeltlich – darauf legt er Wert (Dial. 58,1; 82,4) – Unterricht zu erteilen und dadurch nach der einen Seite hin mit Gegnern und Kritikern des christlichen Glaubens
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eine apologetisch-missionarische Auseinandersetzung zu führen, um sie nach Möglichkeit zu bekehren (Dial. 64,2; 1. Apol. 12,11, vgl. Acta Iustini Rec. A 3,3). Nach der anderen Seite hin wollte er im exegetisch-bibeltheologischen Lehrgespräch das Schriftverständnis seiner Hörer befördern und vertiefen (Dial. 58,1). Die hier behandelten Themen sowie ihre didaktische Aufbereitung dürften alle ihren indirekten Niederschlag in seinen Schriften gefunden haben (Heid 2001 [*360: 816f.]); dagegen lässt sich kaum etwas Genaueres über die institutionellen Gegebenheiten seines Unterrichtes sagen (Ulrich 2012 [*377]). Es ist unbekannt, wie groß und wie eng sein Schülerkreis war, ob es regelmäßige Zusammenkünfte, eventuell sogar mit einem festen Curriculum, gab oder nur lockere, gelegentliche Begegnungen. So gewiss Justin im Gemeindeleben der römischen Kirche seinen persönlichen Glauben praktizierte (vgl. 1. Apol. 61–66) und sich mit seiner Sachkenntnis am Abwehrkampf gegen die innerkirchlichen häretischen Gefährdungen aktiv beteiligte (s. seine Schrift ‹Syntagma›), so wenig lässt sich etwas über die institutionellen Beziehungen seines Schulunternehmens zur offiziellen Kirchenleitung Roms in Erfahrung bringen (zum Ganzen vgl. auch Neymeyr 1989 [*212: 16– 35]). Desgleichen kann man nicht genauer bestimmen, welche Stellung sein Schulbetrieb im Spektrum der anderen Philosophenschulen in Rom einnahm. Immerhin ist in einem Fall bekannt, dass es in seinen letzten Jahren zu einem schweren öffentlichen Zusammenstoß mit einem Kyniker namens Crescens gekommen ist (zu Unrecht bestreitet die Historizität Malherbe 1981 [*340]; entgegen 2. Apol. 3,7 will Thorsteinsson 2013 [*380] in Crescens keinen Kyniker, sondern einen Stoiker sehen), wobei Justin selbst der Herausforderer gewesen zu sein scheint, nachdem Crescens die Christen als gottlose Atheisten angegriffen hatte (2. Apol. 3,1–4). Offenbar standen bei diesem Konflikt auch Schulkonkurrenzen und Differenzen eines unterschiedlichen Bildungsniveaus im Hintergrund, ergriff der Streit doch auch Justins Schülerkreis: Sein Schüler Tatian wurde von den feindseligen Machenschaften des Crescens ebenso betroffen (Tat. Orat. 19,2 Mss.). Justin unterlässt es darüber hinaus nicht, zu bemerken, dass Crescens gar kein Philosoph sei – das Wirkungsfeld des Kynikers lag eben nicht auf der Ebene des intellektuellen philosophischen Diskurses (2. Apol. 3,1f.). Dass infolge von Crescens’ Intrigen Justin daraufhin den Tod fand, berichtet Eusebios, wobei er sich nicht ganz korrekt auf Tatian beruft (Eus. Hist. eccl. 4,16,7–9 mit Tat. Orat. 19,2; anders Marcovich 1995 [*476: 2]: er hat ihn richtig verstanden). Tatsächlich wurde Justin zusammen mit sechs Schülern – darunter Charito, einer Frau, aber Tatian war nicht unter ihnen – ergriffen, von dem Stadtpräfekten Iunius Rusticus verhört, wegen Opferverweigerung zum Tode verurteilt und daraufhin enthauptet (Acta Iustini Rec. A 1. 5,6). Er erlitt das Martyrium zwischen ca. 163 und 168, der Amtszeit des Rusticus (PIR IV,345f. Nr. 814); das Datum des ‹Chronicon paschale› im Jahre 165 (Ol. 236, «Ophito et Pudente Coss.»: I,482 Dindorf) dürfte eine willkürliche Präzisierung gegenüber Eusebios’ Angaben sein.
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2. WERKE Eusebios teilt ein Werkverzeichnis mit, das die Titel von acht von ihm direkt eingesehenen Schriften sowie von zwei weiteren, ihm nur indirekt bekannten umfasst (Hist. eccl. 4,18,2–6). Davon haben sich, wenn man von wenigen umstrittenen Bruchstücken absieht, nur zwei Werke erhalten. Nach der handschriftlichen Überlieferung sind es jedoch drei, da die in den Handschriften laufenden zwei Apologien für Eusebios nur eine einzige sind, aus der er zwölf Auszüge exzerpiert (neun aus 1. Apol. und drei aus 2. Apol.; vgl. Minns, Parvis 2009 [*284: 12]), und zwar ist es die erste, denn er zählt noch, ohne jedoch etwas Näheres mitzuteilen, eine zweite Apologie auf, die nicht mit der handschriftlich überlieferten zweiten Apologie identisch sein kann. Vielleicht ist Eusebios bei der von ihm genannten zweiten Apologie ein Versehen unterlaufen, oder sie ist spurlos verschollen. Aus späterer Zeit sind selbständige, doch meist getrübte Nachrichten über Schriften Justins erhalten bei Photios Bibl. cod. 125, 94b–95a, in den Johannes von Damaskus zugeschriebenen ‹Sacra Parallela› (Holl 1899 [*271: 32–55]) sowie vereinzelt bei anderen frühbyzantinischen Autoren und natürlich in den Handschriften; doch was dabei über die genannten drei Werke hinaus zutage tritt, ist überwiegend unecht oder, im Fall weniger fragmentarischer Reste, umstritten (vgl. die detaillierte Aufstellung bei Harnack 1893 [*186: I 1,99–114]).
‹Apologia maior› Ἀπολογία ὑπὲρ Χριστιανῶν πρὸς Ἀντωνίνον τὸν εὐσεβῆ – ‹Apologie für die Christen an Antoninus Pius› (‹Erste Apologie›; 1. Apol.) Seiner literarischen Form nach stellt das Werk eine nach einem festen Grundmuster gestaltete, wenn auch erheblich aufgeblähte Eingabe, einen ‘libellus’, an eine offizielle Behörde, das ‘scrinium a rescriptis’, dar (Munier 1994 [*351: 16f.], Minns, Parvis 2009 [*284: 24f.]). Die entscheidenden literarischen Elemente sind die Adresse, die den Adressaten und den Bittsteller nennt (1. Apol. 1,1), die Klage verbunden mit einer Darstellung des rechtlichen Problems (1. Apol. 2,1–4) und die Petition um administrative Intervention (1. Apol. 3,1–5), oft, wie hier, am Schluss gefolgt von der Zitation eines juristischen Dokuments zur Feststellung der Rechtsgrundlage (1. Apol. 68,3–10: das Hadrian-Reskript an Minucius Fundanus). Ausge-
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weitet ist dieses Grundmuster, indem ausführlich die Widerlegung der heidnischen Vorwürfe gegen die Christen (1. Apol. 4–12: das «nomen ipsum», Atheismus, sittliches Fehlverhalten, mangelnde Staatsloyalität), die Darstellung der christlichen Lehre (1. Apol. 13–60) und die Beschreibung der religiösen Kultpraxis der Christen (1. Apol. 61–67: Taufe, Eucharistie, Sonntagsgottesdienst) zur Sprache kommen. Dass der Text vielfach entstellt ist und eine größere Zahl von Lakunen enthält, zeigt die Edition von Minns, Parvis 2009 [*284: 28–31, 46–56, 81, passim]. Die Datierung kann aus der im Einzelnen freilich strittigen Adresse entnommen werden. Die Eingabe richtet sich an Antoninus Pius, Verissimus (d. h. Marcus Aurelius) und Lucius (d. h. Lucius Verus) – die Fortsetzung «und an den heiligen Senat und das ganze Römische Volk» ist Minns, Parvis 2009 [*284: 35] zufolge als Glosse auszuscheiden –, so dass sich, alles zusammen genommen, das Datum 153 oder kurz danach ergibt (Munier 2006 [*283: 24–28], Minns, Parvis 2009 [*284: 34–41]; vgl. Marcovich 1994 [*277: 11], mit Harnack 1897 [*186: II 1,278]: «ein paar Jahre nach 150»).
‹Apologia minor› Ἀπολογία ὑπὲρ Χριστιανῶν πρὸς τὴν Ῥωμαίων Σύγκλητον (sekundärer Titel in den Handschriften) – ‹Apologie für die Christen an den Senat der Römer› (2. Apol.) Diese Schrift ist keine Eingabe, denn sie enthält keine Petition. Man hat sie als selbständige Verteidigungsschrift (Thorsteinsson 2012 [*376]), als Teil der ‹Ersten Apologie› (Goodenough 1923 [*318: 84–87], Munier 1994 [*351: 152–156] und 2006 [*283: 22–24]) oder als eine lose Materialsammlung erklären wollen, die Argumente für öffentliche Streitreden bereithalte und teilweise bereits in der ‹Ersten Apologie› verarbeitet worden sei (Minns, Parvis 2009 [*284: 25–28]). Meist bestimmt man sie jedoch als öffentliche Rede oder als Denkschrift aus Anlass eines neuerlichen Falls von Christenverfolgung, die als eine Appendix der ‹Ersten Apologie› angefügt ist (Harnack 1897 [*186: II 1,274f.], Goodspeed 1914 [*165: 24], Chadwick 1966 [*330: 10], Marcovich 1994 [*277: 10f.]). Erwähnenswert ist, dass gerade das Kapitel, das von diesem Vorfall unter dem Stadtpräfekten Q. Lollius Urbicus berichtet, in den Handschriften
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fehlt – eine große Lakune – und nur durch ein Exzerpt bei Eusebios (Hist. eccl. 4,17,2–13) überliefert ist. Zu datieren ist diese ‹Zweite Apologie› bei der Annahme der Appendix-Theorie nur kurze Zeit nach der ‹Ersten Apologie›.
‹Dialogus cum Tryphone› Πρὸς Τρύφωνα ᾽Ιουδαῖον διάλογος – ‹Dia log mit dem Juden Tryphon› (Dial.) Der Text ist unvollständig überliefert. Es fehlt ein Proömium mit der Widmung an den am Schluss genannten Adressaten Marcus Pompeius (Dial. 141,5) und mit der Information, dass das Gespräch in Ephesos stattfand (so Eus. Hist. eccl. 4,18,6). Außerdem klafft eine Lücke nach Dial. 74,3, wo die Unterbrechung bis zum nächsten Tag erwähnt worden sein muss (zu verschiedenen Rekonstruktionen vgl. Bobichon 2003 [*282: I 49–72]). Das Werk gibt sich als eine über zwei Tage geführte Unterredung Justins mit dem Juden Tryphon, in der alle großen Fragen, die zur Trennung der Wege zwischen Christentum und Judentum führten – das neue Gesetz und der neue Bund, die Christus-Botschaft, das wahre Israel –, unter massivem Aufgebot an Septuaginta- und Nicht-Sep tuaginta-Bibelzitaten thematisiert werden. Die Rahmenhandlung führt den Dialogpartner als «Hebräer aus der Beschneidung» ein (Dial. 1,3). Konsens besteht heute weitgehend darüber, dass Tryphon nicht mit dem berühmten Rabbi Tarfon identisch sein kann (vgl. Bobichon 2003 [*282: I 92f.]; Justin wollte eine solche Gleichsetzung auch kaum nahe legen, entgegen Eus. Hist. eccl. 4,18,6). Tryphon repräsentiert kein eindeutig zu klassifizierendes Judentum, sondern vereinigt, wie Justin ihn darstellt, eher eine Mehrzahl von verschiedenen, auch divergenten Strömungen des zeitgenössischen Judentums in sich (Bobichon 2003 [*282: I 92–101]). Der Rahmenhandlung zufolge fand das Gespräch um das Jahr 135 statt, da Tryphon erklärt, dass er wegen des jetzigen Bar KochbaKrieges nach Griechenland geflohen sei (Dial. 1,3; vgl. 9,3; 92,3; 110,6). Es ist aber keine Frage, dass der Dialog erst nach der ‹Ersten Apologie›, d. h. erst um 155/160 verfasst ist; denn gegen Ende findet sich ein Rückverweis auf diese (Dial. 120,6 mit 1. Apol. 26,3), der zudem zu implizieren scheint, dass derselbe Kaiser, an den sie adressiert war, noch regiert. Nicht hinreichend gesichert ist die Vermutung von Bagatti 1979 [*339: 326–329] und Hamman 1995 [*354: 235–238], Justin habe die Ausarbeitung während eines zeitweiligen, eigens dazu vorgenommenen Studienaufenthaltes in Sy-
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rien-Palästina durchgeführt. Dass es sich bei dem Dialog um eine protokollartige Mitschrift handelt, ist ausgeschlossen; umstritten ist aber, ob reine Fiktion ohne historische Fundierung vorliegt (Goodenough 1923 [*318: 90–93], Hyldahl 1966 [*331: 45ff.]) oder ob Erfahrungen und eventuell sogar Notizen verarbeitet sind, die auf eine historische Begebenheit, vielleicht auch auf mehrere Streitgespräche zurückgehen (Harnack 1897 [*186: II 1,281], Barnard 1966 [*329: 23f.], Lampe 21989 [*208: 220f.], Horner 2001 [*361]). Oft beklagt worden ist der unübersichtliche Gesprächsverlauf, der keine klar geordnete Disposition zu erkennen gibt, sondern immer wieder durch zahllose Abschweifungen, Überlappungen und Wiederholungen durchsetzt ist. Detaillierte Inhaltsangaben finden sich bei Marcovich 1997 [*279: 23–61] und Bobichon 2003 [*282: I 42–48]. Indessen ist philosophisch besonders relevant die Rahmenhandlung, die eine stilistisch an den platonischen Dialogen orientierte Unterredung – man hat speziell an den Dialog ‹Protagoras› und auch an Reminiszenzen an Xen. Mem. 1,1,10 gedacht (Keseling 1926 [*319], Heid 2001 [*360: 804]) – wiedergibt (Dial. 1–8). Hier kommt nicht nur Justins Bildungsgang bis zu seiner Bekehrung, sein ‘philosophisches Itinerar’, gewiss literarischer Konvention entsprechend, doch nicht ohne historischen Anhalt, zur Sprache. Vor allem wird mit diesem Vorspann alles, was folgt, unter das übergreifende Vorzeichen gestellt, dass die christliche Botschaft die «einzige verlässliche und nutzbringende Philosophie» sei (Dial. 8,1).
‹Adversus omnes haereses› Σύνταγμα κατὰ πασῶν τῶν γεγενημένων αἱρέσεων – ‹Syntagma gegen alle [je] entstandenen Häresien› Auf eine Schrift mit diesem Titel verweist Justin selbst in 1. Apol. 26,8, sie hat sich nicht erhalten. Andererseits zitiert Irenäus (Haer. 4,6,2) einen kurzen Satz, der, wie er sagt, Justins πρὸς Μαρκίωνα Σύνταγμα entnommen sei, und von daher bezieht Eusebios die Information für sein Werkverzeichnis (Hist. eccl. 4,18,9; vgl. 4,11,9f.). Indessen ist sonst von einem gegen Markion gerichteten Σύνταγμα nichts bekannt, und höchstwahrscheinlich wollte Irenäus gar nicht den präzisen Titel nennen, sondern sich auf Ausführungen gegen Markion in dem ‹Syntagma gegen alle Häresien› beziehen. Wohl aus dem gleichen Werk entstammt ein weiteres Zitat bei Iren. Haer. 5,26,2, und vielleicht auch eines bei Tatian Orat. 18 sowie
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eines bei Methodios (Phot. Bibl. cod. 234, 298a; vgl. Otto 31879 [*155: III 250–255]). Hamman 1995 [*354: 234f.] nimmt an, dass dieses früheste Werk Justins in der Zeit seines ersten Romaufenthalts nach 144, als Markion aus der römischen Gemeinde ausgeschlossen worden war und eine eigene Gegenkirche aufbaute, entstanden sei. Die These von Prigent 1964 [*327: 332–336 passim], dass Justin sein ‹Syntagma› zum guten Teil und unorganisiert in Dial. und 1. Apol. ausgeschrieben habe und dass der Plan des ‹Syntagma› durch Vergleich von Dial. und 1. Apol. mit den relevanten Stellen bei Irenäus und Tertullian rekonstruiert werden könne, ist von Skarsaune 1987 [*344: 3–6, 435–453] stark in Zweifel gezogen worden. Eusebios erwähnt in seinem Werkverzeichnis (Hist. eccl. 4,18,3f.) außer zwei gänzlich verlorenen Schriften – «Psalter» und «Schulschrift (σχολικόν) über die Seele» – drei Werke, die einen gewissen Bezug zu erhaltenen ps.-justinischen Schriften aufweisen, ohne mit diesen identisch zu sein (siehe dazu unten § 82.): 1) «eine andere [sc. Rede] ‹An die Griechen›, in der die meisten der bei uns und den heidnischen Philosophen diskutierten Fragen ausführlich erörtert und insbesondere die Natur der Dämonen diskutiert wird»; 2) «eine weitere Schrift (σύνταγμα) gegen die Griechen», deren Titel Ἔλεγχος (‹Widerlegung›) eine polemische Auseinandersetzung vermuten lässt;
3) «und neben diesen eine andere ‹Über Gottes Alleinherrschaft› (Περὶ θεοῦ μοναρχίας), die er nicht nur aus unseren Schriften, sondern auch aus den heidnischen Büchern erweist». Weitere in der handschriftlichen Überlieferung erwiesenermaßen Justin untergeschobene, von Eusebios jedoch nicht erwähnte Werke werden hier nicht aufgeführt, sie kommen andernorts zur Sprache (§ 177.). Hier ist nur noch eine umstrittene Schrift, die nicht in Eusebios’ Werkverzeichnis aufgeführt ist und auf die auch Justin selbst nicht verwiesen hat, zu nennen:
‹De resurrectione› Περὶ ἀναστάσεως – ‹Über die Aufer stehung› (CPG 1081) Unter diesem Titel bieten die ‹Sacra Parallela› drei umfangreiche Stücke, die fast eine zusammenhängende Schrift bilden (fr. 107–109, mit einem kurzen vierten Zitat, fr. 110 Holl; Neuedition Heimgartner 2001 [*281]). Prigent 1964 [*327: 36–67] hat sich bemüht, die Echtheit der Textfragmente zu erweisen, und nicht selten auch Zustimmung gefunden (Heid 2001 [*360: 802f.], vgl. Pouderon 1997 [*223]), doch bleibt die Forschung in der Mehrheit dabei, sie Justin abzusprechen (vgl. Joly 1973 [*202: 128–130], Lona 1989 [*346], Heimgartner 2001 [*281], Bobichon 2005 [*366]).
3. LEHRE
1. Die wahre Philosophie. – 2. Gott und sein Logos. – 3. Die universale Wirksamkeit des Logos. – 4. Dämonologie. – 5. Seelenlehre und Willensfreiheit. – 6. Ethik.
Justin hat in seinem religiös-philosophischen Wahrheitsstreben eine wirkliche geistige Entwicklung durchgemacht, die ihn von der Philosophie zum christlichen Glauben geführt hat. Seiner Schilderung zufolge hatte er sich in seinem philo sophischen Curriculum zuletzt einem Platoniker angeschlossen, bei dem er sich auf dem richtigen Weg fühlte, große Fortschritte machte und hoffte, bald das Ziel der platonischen Philosophie, die Schau Gottes, zu erlangen (Dial. 2,6; aus philosophischem Vorverständnis ist auch 2. Apol. 12,1 erwachsen, vgl. Skarsaune 1976 [*336: 66]). Die entscheidende Wendung in seiner Biographie ist indessen durch eine zufällige Begegnung mit einem alten Mann eingetreten, der ihn auf rationalem Wege wie ein christlicher Sokrates durch maieutische Fragen zum Christentum führte (Skarsaune 1976 [*336: 66–71]). Und wie zum Beweis dessen, dass seine Bekehrung kein Bruch, keine Abkehr, sondern die Erfüllung seiner philo-
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sophischen Bestrebungen war, beschreibt er den Moment, da die Botschaft des Alten in seiner Seele zündete und ihn ein Verlangen nach den Propheten und den Freunden Christi ergriff, als innere Erleuchtung in genuin platonischen Wendungen (Dial. 8,1 mit Plat. Ep. 7, 341c7). Jetzt erkannte er in kritischer Sichtung der philosophischen Implikationen, dass nicht die Seele von sich aus aufgrund einer vermeintlichen Verwandtschaft Gott schauen kann, sondern dass der ferne, transzendente Seinsgrund, als welchen er in der Schule des Platonikers Gott begrifflich erfasst hatte, sich selbst den Menschen zugekehrt hat, ihnen in Christus nahe gekommen und nun bei ihnen zugegen ist (Wyrwa 1991 [*349: 54–57]). Deshalb ist für ihn das Christentum die einzig verlässliche und nutzbringende Philosophie, weil er realisierte, dass das, was er schon immer in seinem Bildungsstreben gesucht, aber nicht erlangt hatte, in der von den Christen bezeugten Offenbarung Ereignis geworden ist (vgl. zum Ganzen de Vogel 1978 [*338]). Auf dieser Grundlage ist er ganz elementar zu einem Wegbereiter einer wissenschaftlichen Theologie geworden. Er hatte einen großen Gedanken, dem er alles andere zuordnete: der göttliche Logos, in dem die gesamte Weltwirklichkeit verfasst ist. Weit mehr als ein bloßer Apologet zu sein, bringt er diesen Gedanken an allen Fronten der aktuellen Auseinandersetzungen gezielt ein. Angesichts der verleumderischen Beschuldigungen der paganen Öffentlichkeit und der rechtlich haltlosen Praxis der staatlichen Christenverfolgung sucht er, mit einer lehrhaften Darstellung der Glaubensinhalte einen Stimmungsumschwung zu erwirken und für den neuen Glauben zu werben. Mit seinen jüdischen Gesprächspartnern setzt er sich über den möglichst erschöpfend geführten christologischen Schriftbeweis in aller Breite auseinander. Den innerkirchlichen Gefährdungen durch aufkommende Irrlehren tritt er entschieden entgegen, indem er deren Schmähungen des Schöpfergottes und Verachtung der Schöpfung anprangert. Aber was er zu sagen hat, sagt er nicht nur nach außen hin, er hat es sich zuvor und vor allem selbst gesagt; denn er legt sich selbst Rechenschaft ab über den Glauben vor dem Forum der Vernunft (von Campenhausen 1955 [*325: 15]). Ohne die religiöse Paradoxie der christlichen Botschaft aufzulösen, ist für ihn das Christentum beides, sowohl Offenbarungsreligion als auch Religion der Vernunft (Jaeger 1963 [*196: 20–26, 91–96], Bammel 1984 [*343: 52]). Das Entscheidende dabei ist, dass er Gottes Hinwendung zur Welt, seine Herabkunft, seine Selbsterniedrigung im ‘Logos Christus’ nicht nur in kerygmatischen Sätzen, nicht nur in evangeliumsnahen Erzählungen, sondern in philosophischen Kategorien und Konzepten denkt, die er von seiner philosophischen Vergangenheit mitbrachte. So bleiben das philosophische Denken und der christlich-biblische Glaube nicht bloß unvermittelt nebeneinander stehen wie etwa bei Aristeides, sondern sie durchdringen einander geistig und verschmelzen zu einer schöpferischen Neuorientierung. 1. Die wahre Philosophie Gleich zu Beginn des ‹Dialog mit Tryphon› findet sich eine rein theologische Beschreibung von Philosophie: Sache der Philosophie sei es, über Gottes Einheit und Providenz Untersuchungen anzustellen und überhaupt zu erforschen, was das
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Göttliche betrifft (Dial. 1,3). Wenig später nennt Justin die Philosophie «das größte und ehrwürdigste Gut, das, herabgeschickt zum Menschengeschlecht, allein uns zu Gott führt und mit ihm verbindet» (Dial. 2,1 mit Plat. Phil. 16c; Tim. 47b). Damit sind Wesen und Aufgabe der Philosophie bestimmt, doch ihr Geschick sei, wie Justin erklärt, eine Geschichte des Verfalls gewesen. Obwohl sie nur eine einzige Erkenntnis ist, sei sie vielköpfig geworden, zersplittert und einander widersprechend in der Vielheit der Schulen, weil ihre Adepten die Gefolgschaft hinter ihren Lehrern höher geachtet haben als die Wahrheit selbst (Dial. 2,2; eventuell steht Numenios im Hintergrund, so Droge 1989 [*210: 69–72]). Bei keinem von ihnen sei sie deshalb zu finden. Aber es habe Männer gegeben, älter als alle diese sogenannten Philosophen, die, vom Heiligen Geist erfüllt, als Einzige die Wahrheit gesehen und sie den Menschen verkündet hätten, die biblischen Propheten. Die Wahrheit, die sie verkündet haben, sei erhaben über logische Beweise, es sind die geschichtlichen Tatsachen selbst, die Erfüllungen ihrer Voraussagen im Christus-Ereignis, die sie als glaubwürdige Zeugen bestätigen (Dial. 7,1f.). Vornehmster Gegenstand der Philosophie sei mithin die Christus-Botschaft, begründet und entfaltet durch den christologischen Schriftbeweis mit seiner so offenkundigen und ebenso wunderbaren Stimmigkeit. Indessen will Justin damit nicht sagen, dass die griechische Welt gänzlich ohne Berührung mit der Wahrheit gewesen sei, und auch nicht dass das Volk Israel sie stets erkannt habe. Auf Seiten der Griechen rechnet er damit, dass es teils Entlehnungen aus der Heiligen Schrift gegeben hat (1. Apol. 44,8f.; 54,5; 59,1; 60,10) und teils gewisse Ahnungen des Wahren durch Vernunftgebrauch aufgekommen sind (Dial. 4,7; 2. Apol. 10,2–4; 13,5), wobei beides auf die Wirksamkeit des Logos zurückgehe (die Traditionslinien im ersteren Fall führen zurück auf Philon und Aristobulos und gehören in den größeren Komplex der Thematik der ‘Philosophie der Barbaren’; Pilhofer 1990 [*213: 7f., 143–220], zusammenfassend Munier 1994 [*351: 62f.]). Diese Einsichten mögen nur Bruchstücke und nur dunkle, abgeschattete Abbilder der vollen und hellen Wahrheit, bisweilen auch einfach Missverständnisse (1. Apol. 60,1–7) gewesen sein, die zudem durch die Dämonen paralysiert worden sind (1. Apol. 23,3; 54,1–10; 64,1–6; Pilhofer 1990 [*213: 244–248]). Aber es bleibt für ihn dabei, dass hier wertvolle Ansätze vorhanden waren, was nirgends deut licher wird als an der Gestalt des Sokrates, der den Dämonentrug zu durchschauen vermochte (Skarsaune 1996 [*355: 591–600]). Was hingegen die Geschichte des Volkes Israel betrifft, so berichtet die Schrift von einer langen Reihe von Gerechten, die mit dem Logos lebten und Menschen Christi waren (1. Apol. 46,3; 63,17; Dial. 19,3f.; 45,3f.). Doch fanden die Propheten im Volk Israel keineswegs überall offenes Gehör, da ihre Prophezeiungen in gesprochenen Worten und zeichenhaften Handlungen vor der Erscheinung Christi zweideutig, dunkel und unverständlich waren (1. Apol. 32,2; 52,2; Dial. 76,6; 90,2). Sogar als Christus erschien, haben die Juden ihn nicht erkannt, obwohl sie die Prophezeiungen besaßen (1. Apol. 36,3; 49,5), und noch heute verweigern sie der christlichen Botschaft den Glauben und folgen lieber ihren eigenen Lehrern (Dial. 9,1; 38,2; 48,2). Nicht unpassend wird Justins Sicht auf das Christentum häufig mit dem Schlagwort ‘die wahre Philosophie’ umschrieben (Goodenough 1923 [*318: 106f.] mit
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Verweisen auf hellenistisch-jüdische Vorläufer; Andresen 1952–1953 [*324: 165], Osborn 1973 [*334: 99, 109f.], Munier 1994 [*351: 59], Minns, Parvis 2009 [*284: 59]). Obwohl sich der Ausdruck nicht wörtlich bei ihm findet, gibt er doch gut seine Intention wieder (vgl. Dial. 8,1; 1. Apol. 23,1; 2. Apol. 15,3; Act. Iust. Rec. A 2,3). ‘Die wahre Philosophie’ – das will besagen: der christliche Glaube – ist die geoffenbarte, vollkommene Realisierung dessen, was zu Urzeiten als göttliche Gabe den Menschen übergeben worden ist. Es ist die Wahrheit, die nun in vollem Umfang und in voller Klarheit mit untrüglicher Gewissheit präsent ist, insofern sie sich auf dem Wege des christologischen Weissagungsbeweises auf der Grundlage der Schrift und durch die Gnade des Verstehens selbst erschließt (Dial. 119,1). Als solche ist sie rational einsichtig und nachvollziehbar, weshalb in ihr nahezu alle kulturellen und geistigen Güter der griechischen Bildungswelt, namentlich der philosophischen Tradition eingeschlossen sind, sofern sie nicht christlichen Grundüberzeugungen zuwiderlaufen und vom Polytheismus und der paganen Idololatrie gereinigt sind. Die offenbarte Wahrheit bekräftigt deren Wert als Wirkungen des Logos und hebt sie als weiter bestehende Teilmomente in ihr umfassendes, die Wirklichkeit erschließendes und das Heil des Menschen verbürgendes Ganzes auf (Honnefelder 1992 [*216: 60–64]; es ist eine erhebliche Verkürzung, wenn Skarsaune 1976 [*336: 63ff.] den ganzen Komplex auf die Entlarvung der paganen Idololatrie beschränkt). Freilich ist damit auch ein alles vereinnahmender geistiger «Totalanspruch» erhoben, der über kurz oder lang Gegenkräfte mobilisieren musste (so Heid 2001 [*360: 843f.]). 2. Gott und sein Logos Die Einzigkeit und Transzendenz Gottes ist für Justin ein Axiom, das für ihn seit seiner platonischen Studienzeit feststeht. Entsprechend bezeichnet er auch als christlicher Theologe den biblischen Gott – auf der Linie des hellenistischen Judentums – mit den meist negativen Gottesprädikaten der transzendenten Seinsmetaphysik, wie sie im Mittelplatonismus geläufig waren: Gott ist der ewig Seiende (1. Apol. 13,4; Dial. 23,2; aber Ex. 3,14 wird erst von der nächsten Generation in diesem Sinn herangezogen), der Ungewordene bzw. der Ungezeugte (besonders häufig, vgl. Munier 2006 [*283: 162 Anm. 3]; 1. Apol. 14,1f.; 49,5; 2. Apol. 12,4; Dial. 114,3), er ist unwandelbar (1. Apol. 13,4; 20,2; 2. Apol. 6,9; Dial. 127,2), unsagbar, namenlos (auch diese Prädikate besonders häufig, 1. Apol. 61,11; 63,1; 2. Apol. 5,1f.; Dial. 127,2. 4, hier weitere wichtige Bestimmungen) – wenn man ihn mit Namen bezeichnet, so sind es keine Namen, sondern lediglich Bezeichnungen, die von seiner Wirksamkeit genommen sind (2. Apol. 5,1f.) –, er ist bedürfnislos (1. Apol. 10,1; Dial. 23,2) und affektlos (1. Apol. 25,2). Im Rückblick auf seine platonische Studienzeit gibt Justin eine ganz platonische Bestimmung, die auch für ihn als Christen gültig bleibt, nämlich Gott sei das immer sich gleich bleibend Seiende, das für alles andere die Ursache des Seins ist, und er erläutert das sogleich mit einem wahren Cento von Platonzitaten (Dial. 3,4f.; 4,1; vgl. Goodenough 1923 [*318: 123–138], Daniélou 1973 [*197: II 323–335], Osborn 1973 [*334: 17–27],
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Heid 2001 [*360: 829f.]). Daneben wiederholt er natürlich den reichen Schatz biblischer Aussagen, wie «barmherzig», «fürsorgend», «allmächtig» usw. (Dial. 84,4), nur dass ein anthropomorphes Verständnis ausgeschlossen bleiben muss (Dial. 127,2). Aber eigenständig weitergeführt hat Justin diese Thematik nicht. Umso intensiver beschäftigt ihn – einer Pioniertat vergleichbar (Munier 1994 [*351: 99]) – die Frage, wie die Hinwendung des transzendenten Gottes zur Welt, sein Eingehen in die Welt, seine Selbsterniedrigung gedanklich zu erfassen ist. Er sucht die Antwort auf dem schon vom hellenistischen Judentum (wie der ‹Sapientia› und Philon) sowie vom ‹Johannesprolog› eingeschlagenen, philosophiegeschichtlich weit zurückgreifenden Weg der Logoslehre, die auch strukturelle Affinitäten zu gewissen Lehrpositionen einzelner Mittelplatoniker hat, zu formulieren (in Betracht kommt die Unterscheidung zwischen dem ersten und zweiten Gott bei Alkinoos, Maximos und Numenios, vgl. Minns 2010 [*372: 264]; zum ‹Johannes-Evangelium› vgl. Hill 2007 [*369: 88–94]; ob er die Schriften Philons gekannt hat, lässt sich nicht erweisen, dazu Runia 1993 [*218: 97–105]). Demgemäß erklärt Justin, dass Gott vor allen Geschöpfen durch seine Macht und seinen Willen aus sich eine «vernünftige Kraft» (λογικὴ δύναμις), seinen Sohn, den Logos, gezeugt hat (Dial. 61,1; 100,4; 1. Apol. 32,10; 2 Apol. 5,3). Dieser ist nicht nur dem Namen, sondern der Zahl nach etwas anderes als der ungezeugte Vater (Dial. 56,11: θεὸς ἕτερος; 62,2; 128,4; 129,4). Hervorgegangen ist er nicht durch Abtrennung, als würde das Wesen des unwandelbaren Vaters zerteilt oder verringert (Dial. 128,4; 61,2), vielmehr bleibt er auch als eigene Entität dem inneren Antrieb und Willen nach mit dem Vater identisch (Dial. 56,11; 62,2; 128,4). Justin vergleicht den Vorgang mit dem Sprechen und mit Feuer, das an einem anderen Feuer entzündet wird, ohne dass jenes verringert wird (Dial. 61,2; 128,4: abgelehnt wird der Vergleich mit Sonnenstrahlen; vgl. Abramowski 1992 [*214: 196ff.], Bobichon 2003 [*282: II 969ff.]). Der Logos ist sowohl der Erstgeborene (πρωτότοκος) Gottes als auch Gott (1. Apol. 63,15; Dial. 56,11; 125,3; 126,2; 127,4), er ist der Diener und Vollstrecker des väterlichen Willens (Dial. 61,1; 127,4). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Logoslehre Justins einen subordinatianischen und pluralistischen Charakter aufweist, wenn er dem Logos die zweite Stelle nach dem Vater und unter dem Schöpfer, über dem kein anderer Gott ist, zuweist (1. Apol. 13,3f.; Dial. 56,4). Nicht weniger entscheidend ist freilich, dass der Logos nun, anders als im hellenistischen Judentum und in philosophischen Parallelen, aber im Einklang mit dem ‹Johannesprolog› die personalen Züge Jesu Christi trägt. 3. Die universale Wirksamkeit des Logos Die Logoslehre ist der zentrale Gedanke, mit dem Justin die gesamte Weltwirklichkeit als Wirkung des transzendenten Gottes im nahe kommenden Christus begründet. Dabei lassen sich vier Gedankenschritte hervorheben: 1) In kosmologischer Hinsicht ist der Logos der Schöpfungsmittler, durch den Gott die Welt aus gestaltloser Materie um der Menschen willen geschaffen hat und weiterhin erhält (1. Apol. 10,2; 59,5; 64,5; 2. Apol. 5,3; Dial. 84,2; 114,3 [emend.
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Lange]; der Plural von Gen. 1,26–28 als Zeugnis für die Schöpfungsmittlerschaft des Logos in Dial. 62,1–4; die Schöpfungsmittlerschaft des Logos wird von Minns, Parvis 2009 [*284: 62ff.] unnötig in Zweifel gezogen; zur offenen Frage der ‘creatio ex nihilo’ vgl. May 1978 [*205: 122–135], Karamanolis 2013 [*237: 69–74]). In diesem Kontext hat Justin erstmals in der christlichen Literatur nach dem Vorbild der jüdisch-hellenistischen Denker den biblischen Schöpfungsbericht mit Platons ‹Timaios› in Parallele gesetzt, einschließlich der Annahme eines realen Beginns der Welt im wörtlichen Verständnis des ‹Timaios› (1. Apol. 59,1–5. 60,1–5; Andresen 1952–1953 [*324: 163ff.]). Die Ideenlehre ist nicht rezipiert (doch eventuell 2. Apol. 6,8; vgl. Andresen 1952–1953 [*324: 168f.]), aber den königlichen Geist, der das All regiert (Plat. Phil. 30d in Dial. 4,2; 1. Apol. 12,7), und die Weltseele in Gestalt des Chi hat er auf den Logos-Christus bezogen, der die Welt in ihrer geregelten Ordnung und Harmonie erhält (Plat. Tim. 34b; 36b in 1. Apol. 60,1–5; Andresen 1952–1953 [*324: 188–194]). Überall finden sich durch das Kreuzzeichen symbolische Hinweise auf die kosmische Macht und Herrschaft Christi (1. Apol. 55,2–7). Auch die eschatologischen Endereignisse haben einen durch Christus qualifizierten kosmologischen Bezug. Die stoische Lehre der periodischen Weltvernichtung und Welterneuerung lehnt Justin u. a. wegen des impliziten pan theistischen Gottesbildes ab (1. Apol. 20,2; 2. Apol. 6,3), aber in die Abfolge der letzten Zeiten gehört ein als Strafgericht Christi verstandener Weltenbrand (ἐκπύρωσις), der den ganzen Kosmos zerstören wird (Dial. 58,1; 2. Apol. 7,3), während Gott von Christus an beginnend und durch ihn Himmel und Erde neu erschaffen wird (Dial. 113,5). 2) In geistesgeschichtlicher Hinsicht ist der Logos das vernünftige Prinzip, das im Verlauf der gesamten Menschheitsgeschichte noetisch Erkenntnis der Wahrheit ermöglichte und moralisch die Normen des Sittengesetzes verbürgte. Hier kommt Justins bekannteste, seine «ebenso merkwürdige wie einflussreiche Theorie vom Logos spermatikos» (Waszink 1964 [*328: 381]) zum Zuge. Sie besagt, dass die menschliche Vernunft natürlicherweise an dem Logos, der göttlichen Vernunft, Anteil hat und insofern bis zu einem gewissen Grad zu wahrer Erkenntnis fähig ist. Der ‘Logos spermatikos’, mit dem Logos-Christus identisch, ist als aktiv ‘aus-säende’ göttliche Potenz verstanden, die den Menschen die Vernunft als ihren Samen eingepflanzt hat (1. Apol. 44,10; 46,2; 2. Apol. 7,1; 2. Apol. 13,5; Holte 1958 [*326: 148–159]). Dabei unterscheidet Justin sehr genau zwischen dem göttlichen Logos einerseits, der nach Maßgabe der Möglichkeit die von ihm verursachte Teilhabe an ihm gewährt, und der menschlichen Vernunft andererseits, die nur einen Samen oder ein Abbild des Logos in sich trägt – also nicht selbst göttlich und auch kein mit dem Logos identischer Teil ist – und deshalb auch nur zu partieller Erkenntnis fähig ist. Beides, die ontologische Differenz der Partizipation und die quantitativ-qualitative Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit in einer nur dunklen, unklaren Teilerkenntnis, ist darin zum Ausdruck gebracht (2. Apol. 13,6). Insofern kann Justin in der vor- und außerchristlichen Welt eine, wenn auch begrenzte, natürliche Gotteserkenntnis sowie eine in Einzelfällen hochstehende Ethik anerkennen (2. Apol. 8,1; 10,2f.; 13,3). Doch davon abgehoben und dieses alles überbietend ist natürlich die volle Erkenntnis des ganzen Logos-Christus,
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die durch die Offenbarung in der Inkarnation des Logos eröffnet wird (2. Apol. 7,3; 10,1). Umgekehrt begründet die volle Präsenz der Wahrheit auch den Besitzanspruch auf alles, was immer von Philosophen und Gesetzgebern, von Dichtern und Schriftstellern trefflich gefunden und gesagt worden ist: «Das alles ist unser» (2. Apol. 10,2; 13,4), wie ebenso gilt: «Alle diejenigen, die mit dem Logos gelebt haben [sc. Sokrates, Heraklit, Abraham, Elias und viele andere], sind Christen» (1. Apol. 46,3). Was die philosophiegeschichtlichen Wurzeln dieser Theorie betrifft, so ist die Wortverbindung λόγοι σπερματικοί (im Plural) bekanntlich stoischen Ursprungs, aber Justins Konzept geht der Sache nach andere Wege. Er scheint es eigenständig entwickelt zu haben (Ulrich 2005 [*367: 3–11]), doch in manchen Einzelheiten wirkt unverkennbar ein Einfluss des mittleren Platonismus nach (Waszink 1964 [*328: 390]; vgl. auch Numenios fr. 13 des Places). 3) In heilsgeschichtlicher Hinsicht ist der Logos der Offenbarungsmittler, der immer wieder im Verlauf der Geschichte des Gottesvolkes von den Erzvätern an einzelnen Gerechten und Propheten erschienen ist und ihnen Gott nahe gebracht hat. Man darf, so Justin, nicht annehmen, dass damals der transzendente Gott den überhimmlischen Ort verlassen habe und an einem kleinen Winkel der Erde Menschen, die nicht einmal seine Herrlichkeit hätten ertragen können, erschienen sei (Dial. 60,2; 127,1. 3. 5). Nein, Gott nimmt seine Allwissenheit mit unsagbarer Macht wahr, ohne sich räumlich zu bewegen und von einem Raum umfasst zu werden (Dial. 127,2). Vielmehr war es der Diener des väterlichen Willens, der LogosChristus, der in den Theophanien vor Noah, Abraham, Jakob, Mose und all den anderen erschienen ist (Dial. 56,1–57,2; 58,3–60,4; 126,2–127,1; 1. Apol. 63,7–10; Kominiak 1948 [*322], Bobichon 2003 [*282: II 1077f.]). Ebenso schreibt Justin bei den Weissagungen auf Christus die die Propheten inspirierende Kraft dem Logos-Christus zu (1. Apol. 12,9; 36,1–3; 2. Apol. 10,8), die er von dem prophetischen Geist nicht klar abgegrenzt hat (vgl. Dial. 25,1 mit Dial. 87,1). Auch das Mosegesetz, bei dem Justin zwischen dem allein dem Volk Israel als Zuchtordnung auferlegten Ritualgesetz und dem ewigen, universal gültigen Sittengesetz unterscheidet (Dial. 23,1f.; 45,3f.; 92,5–93,3; Bobichon 2004 [*365]), verdankt sich dem prophetischen Geist und letztlich dem Logos-Christus (Dial. 53,4; 93,3; vgl. 49,6f.). Wenn auch vorerst nur ansatzweise, so hat Justin damit doch die Umrisse einer heilsgeschichtlichen Gesamtschau abgesteckt, die im Logos-Christus zentriert ist und die auf die irdische Erscheinung Christi zuläuft. 4) Den Höhepunkt und Zielpunkt aller göttlichen Erweise, in dem der vom Vater beabsichtigte Heilsplan zur Erfüllung kommt, stellt für Justin das lang angekündigte Ereignis der Menschwerdung des Logos in Jesus Christus, sein irdisches Leben und Wirken, sein Sterben und seine Auferstehung dar. Er selbst ist die alles erfüllende, abschließende und umfassende Offenbarung Gottes, die Wahrheit, da in ihm Gott direkt gegenwärtig geworden ist (Dial. 64,7; 71,2; 1. Apol. 53,2). Mit Blick auf die seit der Reformationszeit virulente Kontroverse zur Frage einer Hellenisierung des Christentums lässt sich hier ablesen, dass damit eine für die christliche Theologie entscheidende Wendung erfolgt ist, da der philosophische Fragehorizont nach dem transzendenten Ursprung allen Seins aufgebrochen und durch die Grunderfahrung der Selbsterniedrigung Gottes in dem
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menschgewordenen und gekreuzigten Jesus Christus neuorientiert wird. Deshalb erklärt Justin: «Unsere Lehren erweisen sich als erhabener über jede menschliche Lehre, weil das rationale Prinzip (τὸ λογικόν) vollständig Christus geworden ist, der unseretwegen erschienen ist: Leib, Vernunft und Seele» (2. Apol. 10,1). Seine Fragestellung ist demzufolge darauf gerichtet, gedanklich nachzuvollziehen, wie das göttliche Sein in die historische Gestalt Jesu Christi eingehen konnte, und er findet eine Antwort, indem er, schematisch gesprochen, die Präexistenz- und Inkarnationslehre des ‹Johannesprologs› mit der lukanischen Geburtsgeschichte verbindet. In seiner Auslegung der Verkündigung des Engels Gabriel an Maria bezieht er die Ankündigung «Heiliger Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten» (Luk. 1,35) sehr prononciert auf den präexistenten Logos, den Erstgeborenen Gottes. Dieser war es, der Maria überschattete und nach dem Willen des Vaters, nicht durch geschlechtliche Vereinigung, sondern in seiner geistlichen Kraft in den jungfräulichen Schoß einging, so dass sie schwanger wurde und er aus der Jungfrau als Mensch geboren wurde (1. Apol. 33,1–9; 33,6: τὸ πνεῦμα οὖν καὶ τὴν δύναμιν τὴν παρὰ τοῦ θεοῦ οὐδὲν ἄλλο νοήσαι θέμις ἢ τὸν λόγον […], καὶ τοῦτο ἔλθον ἐπὶ τὴν παρθένον καὶ ἐπισκίασαν οὐ διὰ συνουσίας ἀλλὰ διὰ δυνάμεως ἐγκύμονα κατέστησε, «Unter dem Geist also und der Kraft, die von Gott kommt, darf man nichts anderes als den Logos verstehen […], und dieser [sc. Geist = d. h. der Logos], der über die Jungfrau kam und sie überschattete, machte sie schwanger nicht durch geschlechtliche Vereinigung, sondern durch Kraft»; Dial. 84,2). Diese erstmals bei Ignatios begegnende Zusammensicht der Präexistenzund Inkarnationsvorstellung mit der lukanischen Geburtsgeschichte wird für die gesamte altkirchliche Christologie Gültigkeit behalten. 4. Dämonologie Justins Dämonologie ist vor dem Hintergrund der allgemein antiken Annahme von der Existenz und Wirksamkeit von Dämonen zu sehen, die insbesondere im Mittelplatonismus diesbezüglich eine exponierte Lehre hervorgebracht hat. Dämonen nehmen in seinem Weltbild einen großen Platz ein; denn sie können als Erklärung dienen, warum in der von Gott um des Menschen willen geschaffenen, guten Schöpfung mit ihrer rational strukturierten Ordnung und Harmonie so viel Widriges, so viel Schlechtes und Böses auftritt (Osborn 1973 [*334: 55–65]). Genau besehen, ist seine Vorstellung jedoch nicht griechisch – er kennt nur schädlich wirkende, böse Dämonen, die guten Geister sind die Engel –, sondern im Wesentlichen jüdisch. Was Ursprung und Wesensart der Dämonen betrifft, rekurriert er auf den von Gen. 6,1–4 ausgehenden Mythos der apokalyptischen Henoch-Tradition, wonach die ursprünglich von Gott zu Aufsehern über die irdischen Dinge eingesetzten Engel die Anordnung Gottes übertraten, sich mit den Menschentöchtern sexuell vermischten und als Abkömmlinge dieser Verbindungen die Dämonen zeugten (2. Apol. 4,1–3 mit 1. Henoch 6–11; vgl. Droge 1989 [*210: 56ff.], Skarsaune 1996 [*355: 591–594], Dorival 1998 [*357: 444f.]). Ihr Oberhaupt heißt Schlange, Satanas oder Teufel (1. Apol. 28,1; Dial. 103,5: Satanas sei Kompositum
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von hebräisch σατα = apostata und νας = serpens; Dial. 125,4). Daneben kennt er auch die griechische, euhemeristische Auffassung von Dämonen als divinisierten Menschen (1. Apol. 21,3; 29,4; 56,2). Als höchst wirksame Wesen werden sie mit den paganen Göttern identifiziert (1. Apol. 5,2; 9,1; 25,3), die, wo immer sie können, das Irrationale, Vernunftwidrige gegen die vernünftige, geistige Ordnung aufbieten (1. Apol. 5,1; 10,6). Sie verbreiten Lüge und Täuschung (1. Apol. 10,6; 14,1), um sich die Menschen untertänig zu machen (1. Apol. 14,1) und Opfer und kultische Verehrung für sich einzufordern (1. Apol. 12,5). Sie sind verantwortlich für moralische Verfehlungen, für sexuelle Verirrungen und jede Art von Bösem unter den Menschen (1. Apol. 21,4f.; 2. Apol. 4,4). Sie verdrehen die biblischen Verheißungen und äffen die christlichen Kultfeiern nach, um von der Wahrheit wegzuführen und die Heilszusagen unwirksam zu machen (1. Apol. 54,1–10; 62,1ff.; 64,1–6; 66,4). Sie führen die Irrlehrer auf den Plan (1. Apol. 26,2. 4f.; 56,1). Und nicht zuletzt sind sie es, die als eigentliche Agenten hinter den Christenverfolgungen stehen (1. Apol. 5,1; 10,6; 2. Apol. 1,2; 12,3f.), wie sie auch in der Vergangenheit alle, die mit Vernunft gelebt und das Böse gemieden haben, mit ihrem Hass verfolgt haben (2. Apol. 6,3; 7,2). Doch ist ihre Macht durch Christus gebrochen. Schon mit seiner menschlichen Geburt begann der Sieg über sie (Dial. 45,4; 78,9), er hat sie besonders durch sein Leiden und seine Auferstehung entmachtet (Dial. 49,8; 131,5) und alle, die an ihn glauben, aus ihrer Herrschaft befreit. Man könne mit eigenen Augen noch heute überall in der Welt sehen, wie die Gläubigen im Namen Jesu Christi, des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, die von Dämonen Besessenen heilen, indem sie die Dämonen durch Exorzismen vertreiben (2. Apol. 5,5f.; Dial. 30,3; 76,6). Ihre endgültige Strafe wird die qualvolle Verdammnis in ewigem Feuer sein (1. Apol. 28,1; 2. Apol. 7,3). 5. Seelenlehre und Willensfreiheit Gemäß einer weit verbreiteten antiken Allgemeinvorstellung, die von Justin geteilt wird, besteht der Mensch aus Seele und Körper (vgl. 1. Apol. 8,4; Dial. 14,1f.). Näherhin geht Justin als Christ von einer dreifachen Unterscheidung zwischen einem materiellen Körper, einer intelligiblen Seele und dem lebenspendenden Pneuma aus (ζωτικὸν πνεῦμα nach Gen. 2,7; Sap. 15,11 in Dial. 6,2; 40,1; Barnard 1966 [*329: 113], Osborn 1973 [*334: 145ff.]). Das impliziert eine Reihe von Abgrenzungen gegenüber der platonischen Seelenlehre. Er lehnt die Ewigkeit der Seele, die Annahme der Seelenwanderung sowie die Wesensverwandtschaft der Seele mit Gott ab (Dial. 4,2–5,1; mit der Präexistenz fällt auch die nur beiläufig erwähnte Anamnesislehre). Positiv ergibt sich daraus: Das den Körper belebende Prinzip ist die Seele, doch die Seele ist geworden und daher grundsätzlich vergänglich; die Seele ist also nicht identisch mit dem Leben, sie hat das Leben nicht aus sich wie eine Quelle, sondern hat Anteil am Leben, das Gott ist, weil Gott will, dass sie lebe – vermöge des lebenspendenden Geistes. Wenn der lebenspendende Geist die Seele verlässt, geht sie zugrunde, wie der Mensch stirbt, wenn die Seele
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den Körper verlässt. Dass die Seelen aber den leiblichen Tod überdauern, geschieht – in Analogie zur Kosmologie des platonischen ‹Timaios› (Tim. 41b) – aufgrund des Willens Gottes, der sie vor ihrer Auflösung bewahrt: Die Seelen der Frommen leben weiter zur Belohnung an einem besseren Ort, die Seelen der Bösen zur Bestrafung (Dial. 5,1–6,2; van Winden 1971 [*274: 84–110], Karamanolis 2013 [*237: 186–189]). Und Justin besteht darauf, dass die Seelen auch losgelöst vom Körper nach dem Tod sinnliche Empfindungen haben (1. Apol. 18,2f.; 20,4: ἐν αἰσθήσει). Zwei Faktoren müssen in diesem Zusammenhang noch genannt werden: Während normalerweise die Seele in einem übergreifenden Konsens als Sitz des Denkvermögens und der Erkenntnis angesehen wird, spricht Justin häufig von der Vernunft (λόγος) so, als wäre sie eine eigenständige Größe neben der Seele. Das mag ein missverständlicher Eindruck sein, der durch das stark gewichtete Konzept vom ‘Logos spermatikos’ hervorgerufen wird (vgl. Minns, Parvis 2009 [*284: 309 Anm. 2 zu 2. Apol. 10,2]). Es könnte aber auch sein, dass die Vernunft mit dem lebenspendenden Pneuma zusammen zu sehen ist (vgl. Goodenough 1923 [*318: 211ff.], Karamanolis 2013 [*237: 189f.]). Justin hat sich dazu nicht klar geäußert, die Gabe des Heiligen Geistes ist auf jeden Fall keine anthropologische Konstituente. Wenn er das berühmte platonische Wanderzitat Tim. 28c aufgreift – durch vernünftige Untersuchung solle und könne der Mensch zur Erkenntnis des ihm unbekannten Gottes gelangen, doch sei es gefährlich (nicht «unmöglich», wie bei Platon!), ihn allen zu verkünden –, so verbleibt seine durch den Schulplatonismus vorgegebene Interpretation wie auch sein von daher leicht modifizierter Wortlaut ganz innerhalb des Rahmens der Aussagen vom ‘Logos spermatikos’ (2. Apol. 10,6, vgl. An dresen 1952–1953 [*324: 167f.], Minns 2010 [*372: 265f.]). Die Seele gilt ferner allgemein als Sitz des Strebens und Wollens, und so unterlässt es Justin nicht, auf die Fragen des freien Willens einzugehen, zumal der Nachdruck, den er auf den Beweis aus den prophetischen Weissagungen legt, das Missverständnis hervorrufen konnte, die Erfüllung der Prophezeiungen sei mit deterministischer Notwendigkeit erfolgt (1. Apol. 43,1; 44,11). Vehement lehnt er die – wie er es versteht – stoische Lehre des Fatums ab (2. Apol. 6,4. 9), aber paradoxerweise sind die Leitbegriffe, die er dagegen aufbietet, τὸ ἐφ’ ἡμῖν («was in unserer Macht steht»), προαίρεσις ἐλευθέρα («freie Wahl») und αὐτεξούσιον («Autonomes»), selbst stoischer Provenienz (Karamanolis 2013 [*237: 150–162]). Gott hat, so Justin, das Menschengeschlecht von Anfang an als vernunftbegabt und frei, als befähigt, das Wahre zu wählen und gut zu handeln, geschaffen, so dass niemand vor Gott entschuldbar ist (1. Apol. 38,3; Dial. 88,5; 102,4; 141,1). Es ist eine empirische Tatsache, dass ein und derselbe Mensch zu verschiedenen, oft gegensätzlichen Handlungen fähig ist, je nachdem, wie er sich entscheidet (1. Apol. 43,5f.). Dasselbe setzten überall Gesetzgeber und Philosophen voraus (2. Apol. 6,6f.). Wenn es keine freien Entscheidungen gäbe, sondern alles nach Notwendigkeit geschähe, dann wäre die Verantwortlichkeit des Menschen aufgehoben (1. Apol. 43,2f.; vgl. Dial. 1,5), es gäbe keinen Unterschied zwischen Tugend und Laster, zwischen gut und böse (1. Apol. 43,6), keinen Sinn für Lob oder Tadel, keinen Grund für Belohnung oder Strafe (2. Apol. 6,5). Justins Lösung liegt darin: Die
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Entscheidung ist frei, aber die Konsequenzen der frei gewählten Handlung, nämlich Lohn oder Strafe, unterliegen dem unwandelbaren Schicksal (1. Apol. 43,7); Gott hat das, was kommen wird, vorher verkündet, aber nicht gemäß Determination, sondern gemäß seiner vorhersehenden Fürsorge (1. Apol. 44,11). Diese Argumente entstammen dem Arsenal der schulphilosophischen Polemik des Mittelplatonismus (Andresen 1952–1953 [*324: 183–188]), darüber hinaus lässt sich eine gewisse Nähe zu Gedanken konstatieren, die Alexander von Aphrodisias in seiner Schrift ‹De fato› entwickelt hat (Minns 2010 [*372: 268]). In zweiter Linie hat Justin seine Position auch mit Bibelstellen und einem Platon-Zitat, das aus Mose entnommen sei, bekräftigt (1. Apol. 44,1–8 mit Dt. 30,15. 19; Ies. 1,16–20 und Plat. Rep. 10, 617e). 6. Ethik Justin hat die wahre Philosophie als Lebenspraxis verstanden, die zur Eudaimonie führt, womit er den höchsten Wertbegriff der antiken Ethik ausschließlich für den christlichen Glauben reserviert (Dial. 8,2; 142,3 coni. Otto, Goodspeed et al.; 2. Apol. 11,6). Die ethische Lebensgestaltung hat für ihn große Bedeutung; denn auf diesem Feld muss sich praktisch sichtbar der Wahrheitsanspruch des Christentums bewähren. Wenn er den neuen Lebenswandel der Christen beschreibt, um verleumderische Vorwürfe zu entkräften oder die Gegner durch das sittliche Beispiel zu überzeugen, dann kann Justin einfach die Lehren und Maximen der Bergpredigt wiedergeben (1. Apol. 14,2–16,14; vgl. Bellinzoni 1967 [*332: 49–100]) oder Jesu zusammenfassende Weisung im Doppelgebot der Liebe als reinsten Ausdruck des ewigen Sittengesetzes hervorheben (Dial. 93,2f.; vgl. Bellinzoni 1967 [*332: 37–43]). Wer diesem Maßstab nicht genügt, so versichert er ausdrücklich, hat kein Recht, als Christ anerkannt zu werden, auch wenn er sich so nennt (1. Apol. 16,8–14). Doch spendet er auch den Stoikern Lob, weil sie in der ethischen Doktrin ordentliche Meinungen vertreten haben, während sie in der Prinzipienlehre in die Irre gegangen sind (2. Apol. 6,8; 7,1; Andresen 1952–1953 [*324: 168]). So kann er eine Reihe von ethischen Zentralbegriffen der Stoa, deren ursprüngliches Profil meist schon zuvor durch den schulübergreifenden Gebrauch abgeschliffen war, aufgreifen und in die christliche Sprache einführen. Er spricht vom Naturgesetz (2. Apol. 2,4: ὁ τῆς φύσεως νόμος; vgl. 2. Apol. 14,2); dieses sind die moralischen Grundkategorien, die dem Menschen mitgegeben und in sein Gewissen eingeschrieben sind (Dial. 93,1f.: φυσικαὶ ἔννοιαι; 2. Apol. 14,2). Nach ihnen zu leben, bedeutet μετὰ λόγου ὀρθοῦ βιοῦν («mit richtiger Vernunft leben»: 2. Apol. 2,2), und wer mit der Vernunft lebt, lebt ohne Furcht und ohne Beunruhigung (1. Apol. 46,4); wie denn die ein vernünftiges Handeln beeinträchtigenden Leidenschaften auch für Justin verurteilenswert sind und Apathie als sittliche, im ewigen Leben realisierte Auszeichnung gilt (1. Apol. 57,1; 58,3; 2. Apol. 1,2; Dial. 45,4; 46,7). Scheingüter verachten die Christen in ihrem Kampf um Tugend und Glückseligkeit, was Justin mit der in der kynisch-stoischen Populärphilosophie verbreiteten Fabel von Herakles am Scheideweg illustriert (2. Apol. 11,2–8). Allerdings ist ihm das elitäre stoische Ideal des vollkommenen Weisen fremd. Die
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christliche Botschaft ergeht universal an alle Menschen. Selbstbewusst erklärt er: «Nicht nur Philosophen und Gelehrte sind Christus gefolgt, sondern auch Handwerker und ganz gewöhnliche Leute» (2. Apol. 10,8), und in anderem Kontext erwähnt er eigens, dass im Hinblick auf die Tugend Frauen und Männer gleichgestellt sind (Dial. 23,5; vgl. 2. Apol. 2,1ff.). Bemerkenswert an seiner politischen Einstellung ist, dass er die Loyalität der Christen gegenüber dem römischen Staat kräftiger, als es im Neuen Testament geschieht, bejaht (1. Apol. 12,1f.; 17,1–3 mit Lc. 20,22–25), und mehr noch dass er das berühmte platonische Paradoxon der Philosophen-Herrscher so abwandelt, dass dahinter die Vision eines christlichen Staates mit einem christlichen Herrscher aufscheint (1. Apol. 3,3 mit Plat. Rep. 5, 473c–d; Karamanolis 2013 [*237: 230f.]). 4. NACHWIRKUNG
Alle Apologeten des 2. Jahrhunderts haben von Justin gelernt, wenn auch nicht alle seine offene Haltung gegenüber der griechischen Kultur teilten. Besonders geschätzt wurde er aufgrund seines Kampfes gegen die Häresien und speziell gegen Markion (vgl. die Stellennachweise bei von Otto 31877 [*155: II 595f.]). Irenäus hat sein antihäretisches Werk namentlich zitiert (Haer. 4,6,2) und ohne Quellenangabe auch 1. Apol. sowie Dial. stärker verwertet. Wahrscheinlich ist die Rekapitulationslehre des Irenäus bereits im Kern bei Justin vorgebildet (Prigent 1964 [*327: 19–35], Skarsaune 1987 [*344: 234–242, 380–400). Ebenso ist Tertullian, der den Ehrentitel «der Philosoph und Märtyrer» erstmals bezeugt (Adv. Val. 5,1), in seinen antihäretischen Schriften gegen die Valentinianer und gegen Markion sowie in ‹Adversus Iudaeos› von Justin abhängig (Prigent 1964 [*327: 88–92, 145–154, 205–115], Skarsaune 1987 [*344: 435–453]). Darüber hinaus wurde er auch als Vertreter einer orthodoxen Christologie geschätzt (so «das kleine Labyrinth» bei Eus. Hist. eccl. 5,32). Doch die größte Hochachtung ihm gegenüber bezeugt Eusebios in der ‹Kirchengeschichte›. Er lässt ihn in biographischen, historischen sowie häresiologischen Belangen zu Wort kommen, das von ihm aufgestellte Schriftenverzeichnis versieht er mit der Empfehlung, diese reichen Nutzen gewährenden Schriften mögen von den Gelehrigen studiert werden (Hist. eccl. 4,18,2), und immer klingt die Wertschätzung seines philosophischen Engagements heraus (Hist. eccl. 4,11,8; 4,16,2). Damit ist für die Folgezeit die Tonlage angeschlagen, die überall, wo auch nur Justins Name fällt, nachklingt. Im lateinischen Sprachbereich wurde die Erinnerung an ihn nur durch Rufinus’ Übersetzung der ‹Kirchengeschichte› des Eusebios und durch den aus Eusebios geschöpften Eintrag in Hieronymus’ Schriftstellerkatalog ‹De viris illustribus› 23 (mit kurzer Notiz in Kap. 9) wach gehalten, während die Kenntnis seiner Werke gänzlich schwand. Im griechischen Sprachbereich stößt man auf den merkwürdigen Sachverhalt, dass die echten Schriften entweder ganz verloren gehen – das ‹Syntagma› wird durch die großen Ketzerbücher des 4. und 5. Jahrhunderts obsolet – oder nur sehr spärlich rezipiert werden, aber eine größere Zahl von Spuria seinem geachteten Namen untergeschoben wird. Die Nachrichten bei Epiphanios
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(Haer. 46,1,1–5) belegen sein hohes Ansehen durch das ihm beigelegte Attribut eines Heiligen, sind aber historisch wertlos. Selbständige Kenntnis verraten nur Photios (Bibl. cod. 125, 94b–95a) und die Johannes von Damaskus zugeschriebenen ‹Sacra Parallela› (fr. 94–130 Holl, vgl. zum Ganzen von Engelhardt 1878 [*317: 2–9], näheres bei Harnack 1893 [*186: I 1,99–114). Es entspricht der geringen Beachtung, die in byzantinischer Zeit seinen Schriften entgegengebracht wurde, dass die handschriftliche Überlieferung an einem seidenen Faden hing. Sie existiert faktisch nur in einem einzigen Manuskript, dem berühmten Parisinus graecus 450 aus dem Jahr 1364; zwei weitere Manuskripte sind bloße Abschriften davon. Einer Vermutung von Marcovich 1997 [*279: 1ff.] zufolge könnte die Handschrift in Mistra für Manuel Kantakouzenos, einen Sohn des früheren Kaisers Johannes VI. Kantakouzenos, angefertigt worden sein. Um 1542 gelangte sie von Venedig aus durch den dortigen französischen Gesandten Guillaume Pellicier an den Hof in Fontainebleau, wo sie in die königliche Sammlung aufgenommen wurde (zum Ganzen Minns, Parvis 2009 [*284: 3–12]). Gestützt auf diese Handschrift veranstaltete Robert Estienne 1551 die Editio princeps, und schon drei Jahre später erschien die erste lateinische Übersetzung, mit ausführlichen Anmerkungen versehen, von Joachim Périon in Paris 1554. Direkt anschließend geriet Justin freilich in die Schusslinien der konfessionellen Konfrontation. Die ‹Magdeburger Centurien› (1559ff.) legen den Maßstab der reformatorischen Lehre an ihn an; sie sehen in ihm in wesentlichen Punkten einen Repräsentanten des echten apostolischen Glaubens, notieren aber auch eine Reihe von aus der Philosophie (und aus dem Judentum) herkommenden Irrtümern, wie die Annahme der menschlichen Willensfreiheit und diejenige, dass alle, die mit Vernunft gelebt haben, für Christen zu halten sind. Auf der Gegenseite wies Caesar Baronius in seinen ‹Annales ecclesiastici› (1588ff.) alle Beanstandungen zurück und suchte die katholische Autorität Justins zu verteidigen (von Engelhardt 1878 [*317: 9–18]). Besondere Aufmerksamkeit fand das Kapitel über die Eucharistiefeier auf dem Trienter Konzil 1551/1552 und – noch vor dem Erstdruck – in England bei Thomas Cranmer und Stephan Gardiner (Minns, Parvis 2009 [*284: 8f.]). Durch den Nachdruck in der Sammlung der Patrologia von Jacques Paul Migne (PG 6, Paris 1857) hat die Mauriner-Edition von Prudentius Maran (Paris 1742), welche die Kapitelzählung einführte und eine sehr ausführliche Einleitung zu dogmatischen Fragen vorschaltete, größte Verbreitung erlangt, bis die modernen kritischen Ausgaben, beginnend mit von Otto 1842 [*155], einsetzten.
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§ 82. Ps.-Justin Dietmar Wyrwa In der handschriftlichen Überlieferung der Werke Justins wird diesem eine Reihe von Schriften zugeschrieben, deren Titel zwar in drei Fällen in dem Werkverzeichnis, das Eusebios in der ‹Kirchengeschichte› von ihm mitteilt (Hist. eccl. 4,18,2–6), belegt zu sein scheinen, die aber nach einhelliger Meinung der Forschung aus inhaltlichen und stilistischen Gründen sowie aus chronologischen Erwägungen der literarischen Bezugnahmen nicht von ihm stammen können. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Eusebios’ Katalog erst den Anlass gegeben hat, Justin diese Werke mit den entsprechenden Titeln unterzuschieben (Riedweg 2001 [*457: 850], Pouderon 2009 [*397: 44, 90, 105]). Zu behandeln sind an dieser Stelle nach der mutmaßlichen chronologischen Reihenfolge nur diejenigen Schriften, die sich der frühchristlichen Gattung der Apologetik im weiteren Sinn in ihrer sowohl apologetisch-polemischen als auch protreptischen Abzweckung zuordnen lassen. Der handschriftliche Befund stellt sich dergestalt dar, dass drei von einander wesentlich unabhängige Sammelcorpora existieren (Harnack 1882 [*184: 24–89]). Von deren Abschriften kann hier abgesehen werden. In dem berühmten Apologeten-Codex Parisinus graecus 451, den Arethas, der Metropolit von Kaisareia in Kappadokien, im Jahr 914 durch den Schreiber Baanes anfertigen ließ, befinden sich zwei Schriften unter dem Namen Justins, von denen eine einen apologetischen Charakter aufweist: ‹Cohortatio ad Graecos› (Λόγος παραινετικὸς πρὸς Ἕλληνας, ‹Mahnrede an die Griechen›; CPG 1083). Der ebenso berühmte Codex Parisinus graecus 450 aus dem Jahre 1364, der zu einem regelrechten Corpus der JustinSchriften ausgestaltet worden ist, enthält neben den drei authentischen Werken Justins zehn untergeschobene, von denen wegen ihres apologetischen Inhalts zwei hier einschlägig sind: An zweiter Stelle des Ordo wiederum die ‹Cohortatio› und an sechster Stelle ‹De monarchia› (Περὶ μοναρχίας, ‹Über die Einzigkeit Gottes›; CPG 1084). Schließlich ist der 1870 verbrannte Codex Argentoratensis graecus 9 aus dem 13./14. Jahrhundert zu nennen, der an erster Stelle ‹De monarchia›, an zweiter Stelle die ‹Cohortatio› enthielt und – die beiden folgenden hier einzig in der griechischen Tradition überliefert – an vierter Stelle ‹Oratio ad Graecos› (Πρὸς Ἕλληνας, ‹Rede an die Griechen›; CPG 1082) und an fünfter Stelle ‹Epistula ad Diogentum› (Πρὸς Διόγνητον, ‹An Diognet›; CPG 1112). Von der ‹Oratio ad Graecos› existiert zudem eine syrische Fassung, die eine in vorkonstantinischer Zeit entstandene, teils kürzende, teils erweiternde Bearbeitung der ‹Oratio› darstellt, die unter dem Titel ‹Hypomnemata› einem ansonsten unbekannten Ambrosios zugeschrieben wird (Harnack 1897 [*186: II 1,515–517], Riedweg 2001 [*457: 858–861], Pouderon 2009 [*397: 97–102]).
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‹Epistula ad Diognetum› (CPG 1112) Die einem Diognet gewidmete protreptische Missionsschrift eines anonymen Verfassers, oft als glänzendste literarische Hervorbringung, als Perle des christ lichen Altertums gewürdigt, bietet manche Rätsel. Die Schrift ist bis zu ihrem Bekanntwerden durch die Editio princeps von Henri Estienne 1592 in der gesamten Antike und im Mittelalter niemals zitiert oder auch nur erwähnt worden. Die Bezeichnung als ‘epistula’ hat erst Stephanus dem handschriftlichen Titel Πρὸς Διόγνητον hinzugefügt, sie entspricht nicht dem literarischen Charakter des Werkes, dem die formalen Elemente eines Briefes weithin fehlen. Dass die Schrift seit Gallandius 1765 [*87] und Hefele 1839 [*88] immer wieder auch der Sammlung der sogenannten Apostolischen Väter zugeordnet wird (Galland sah im Verfasser den Apollos von Act. 18,24), ist unter literarischen wie inhaltlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt (Tanner 1984 [*440: 495], Grant 1988 [*209: 178], Lona 2001 [*407: 22f.]). Unbekannt sind sowohl der Adressat, zweifellos eine sozial hochgestellte und gebildete Persönlichkeit aus dem Heidentum (siehe die Anrede in 1,1: κράτιστε Διόγνητε), als auch der Verfasser, der sich nur durch seine Schrift selbst vorstellt; ihn identifizieren zu wollen, dürfte beim gegenwärtigen Quellenstand erfolglos bleiben (Überblick über die Identifizierungsversuche in der Forschungsgeschichte bei Lona 2001 [*407: 64–66]; zu ergänzen ist Hill 2006 [*460: 97–165] zugunsten von Polykarp von Smyrna). Ungewiss sind auch die Abfassungszeit und der Abfassungsort, wozu sehr kontroverse Meinungen geäußert worden sind; doch zeichnet sich gegenwärtig ein breiterer Konsens für ein Entstehungsdatum an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert ab (Baumeister 1988 [*441], Lona 2001 [*407: 67–69], Riedweg 2001 [*457: 853], Pouderon 2005 [*229: 277f.], Jefford 2013 [*398: 25–29]), während der Ort offen bleibt. Die Schrift, als Beantwortung einer Reihe von Anfragen des am Christentum nicht uninteressierten Diognet (1,1) gestaltet, will dem Adressaten die Erhabenheit der christlichen Religion aufzeigen und ihn für den neuen Glauben gewinnen (Kap. 10). Nach einer recht pauschalen, aus der hellenistisch-jüdischen Apologetik gespeisten Polemik gegen die Idololatrie der Griechen (Kap. 2,2–10, die Mythologie ist ausgespart) und nach einer ebenso summarischen und verächtlichen, einzelne Aussagen des Neuen Testaments verallgemeinernden Polemik gegen den religiösen Ritualismus der Juden (Kap. 3–4) kommt der Verfasser zu seinem Hauptanliegen, dem Geheimnis der christlichen Religion (Kap. 5–9). Er legt deren nicht-menschlichen Ursprung dar, indem er in ethischer Hinsicht die «paradoxe Lebensweise» der Christen (5,4) schildert und diese in dogmatischer Hinsicht mit der Offenbarung Gottes in seinem Sohn begründet. Noch einmal stellt sich ein ungelöstes Forschungsproblem am Schluss der Schrift, weil seit der Editio princeps zweifelhaft ist, ob die beiden letzten Kapitel der Handschrift, die unstreitig ein anderes Profil aufweisen, als organische Fortsetzung nach einer handschriftlich ausgewiesenen Textlücke (es gibt noch eine andere nach 7,6) verstanden werden können oder einen Fremdkörper darstellen (ausführliche Diskussion dazu bei Lona 2001 [*407: 43–48], der selbst die Einheitsthese favorisiert, und bei Jefford 2013 [*398: 43–51], der von der Heterogenität zweier Teile ausgeht). Im Folgenden bleiben diese bei-
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den Kapitel, bei denen der Eindruck eines sekundären Annexes aus einer Homilie deutlich überwiegt, unberücksichtigt. Das Besondere, das die Schrift an Diognet aus der apologetischen Literatur des zweiten Jahrhunderts und noch der späteren Zeit heraushebt, ist die radikale christozentrische Offenbarungstheologie. Die Christen sind ein neues Geschlecht, eine neue Lebensform (1,1; 2,2), sie sind ebenso scharf vom Heidentum wie vom Judentum abgegrenzt – der Ausdruck «drittes Geschlecht» (vgl. Arist. Apol. 2) fällt zwar nicht, doch ist der Gedanke implizit gegeben (Eltester 1970 [*429: 282], Lona 2001 [*407: 78]). Die christliche Religion ist nicht von Menschen erdacht, sie ist nicht irdischen Ursprungs (4,5; 5,3; 7,1), sondern ein μυστήριον – mit diesem Ausdruck wird ihr supranaturaler Charakter betont (4,6; 7,1f.; 8,10, vgl. I. Tim. 3,9. 16), sie beruht ausschließlich und gänzlich auf der Offenbarung Gottes in Christus. Gott, der Allmächtige, der Schöpfer des Alls, hat seinen eingeborenen Sohn, den Logos und Schöpfungsmittler, durch den er die Welt erschaffen hat und noch erhält, zu den Menschen gesandt und ihn in die Herzen der Menschen (d. h. der Gläubigen) hineingelegt und in ihnen befestigt (7,2). Vor dem Kommen Gottes in der Inkarnation seines Sohnes – daran lässt der Verfasser keinen Zweifel – hat kein Mensch gewusst, was Gott ist, hat niemand Gott gesehen oder erkannt (8,1. 5, vgl. Ioh. 1,18; 5,37 u. ö.). Gott zu sehen, ist aber allein im Glauben möglich (8,6, vgl. Ioh. 11,40). Das wird mit einem flüchtigen Seitenblick auf «die leeren und nichtigen Reden» der Philosophen illustriert, die das Feuer, das Wasser oder ein anderes der Elemente, also allesamt geschaffene Dinge für Gott gehalten haben (8,2ff.). Im Sinne des Verfassers muss diese Feststellung auch auf die Juden bezogen werden (zu 3,2 Norelli 1991 [*394: 31f.]: Der jüdische Monotheismus entspringt nicht göttlicher Offenbarung, sondern ist menschliche Annahme); denn er beschreibt die Selbstmitteilung Gottes nach dem in eigenwilliger Zuspitzung gebrauchten sogenannten Revelationsschema (8,10f.; 9,2. 6; Lindemann 1979 [*434: 343], Wengst 1984 [*392: 298]; vgl. Rm. 16,25f.; Col. 1,26f.; Eph. 3,4–6), wonach ganz grundsätzlich festgestellt wird, dass das jetzt offenbar werdende Geheimnis nicht bloß die Verbreitung der apostolischen Botschaft unter den Heiden, sondern die soteriologisch qualifizierte Gotteserkenntnis selbst ist, womit zugleich erklärt wird, warum Gott sich erst so spät zu erkennen gegeben hat (1,1). Gott hielt, das ist der Grundgedanke der Ausführungen des Autors, seinen von Anfang an mit seinem Sohn beratenen und bereiteten, unsagbaren Heilsplan geheimnisvoll zurück und ertrug langmütig die Sünden der Menschen, bis er zu dem von ihm vorherbestimmten Zeitpunkt, da das Maß der Ungerechtigkeit voll geworden war, als Zeichen seiner überschwänglichen Menschenfreundlichkeit und Liebe seinen eigenen Sohn dahingab als Lösegeld für die Sünder, damit klar würde, dass nicht aus menschlichem Vermögen den Menschen die Heilsgüter zuteilwerden können, sondern allein durch Gottes Güte, Liebe und Macht (8,5–9,6). Das in Christus geschehene Heilswerk Gottes bedeutet etwas absolut Neues, ohne Analogie, etwas völlig Einzigartiges, was in dieser Radikalität bei den übrigen Apologeten nicht begegnet (insofern ist Jefford 2013 [*398: 57]: «there is very little that is unique with respect to apologetic literature», zu korrigieren). Eine natürliche Gottes erkenntnis als evangelische Vorbereitung auf die Offenbarung für die Griechen
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hat es dem Verfasser zufolge nicht gegeben (Molland 1934 [*421: 292, 306], Norelli 1991 [*394: 36f.], von Marrou 21965 [*391: 183f.] zu Unrecht abgeschwächt), ebenso wenig schlägt eine heilsgeschichtliche Verankerung des Christusgeschehens im Alten Testament durch Prophezeiungen, typologische Zeichen oder durch allegorische Verweise zu Buche (Brändle 1975 [*432: 60ff.], Pouderon 2005 [*229: 282]), und auch der Altersbeweis für die Wahrheit des Christentums entfällt (Wengst 1984 [*392: 298]). Die theologiegeschichtliche Verortung dieser Position fällt nicht ganz leicht. Auffällig sind die starken Rückbezüge auf Paulus und Johannes (Brändle 1979 [*433], Lindemann 1979 [*434], Bird 2011 [*465]), aber der Verfasser überzieht diese Linien, so dass man schon an eine Nähe zu Markion oder der Gnosis gedacht hat (Pétrement 1966 [*428], Eltester 1970 [*429: 288f.], Nielsen 1970 [*430]) – doch zu Unrecht, denn der unbekannte Autor hat das Alte Testament nicht verworfen (Marrou 21965 [*391: 269ff.], Lona 2001 [*407: 49ff.], Jefford 2013 [*398: 88–91, 227f.]), auch für ihn sind der Schöpfer und der Erlöser ein und derselbe Gott, und die Welt ist seine gute Schöpfung. Eine erwägenswerte Vermutung hat Grant 1950 [*423: 191] in die Diskussion eingeworfen: «we may suggest that several of the affinities of Theophilus with the writer Ad Diognetum […] can be explained if we regard Ad Diognetum as a non-Jewish Christian reply to Theophilus […]. His whole apology has a more distinctively Christian atmosphere than that of Theophilus» (der Hinweis ist aber, soweit zu erkennen, nicht aufgenommen worden, auch von Perendy 2013 [*468] nicht). Aus der Offenbarung Gottes in Christus, dem Schöpfer und Erlöser, der ja in die Herzen der Gläubigen eingepflanzt ist, entspringt notwendigerweise die paradoxe Lebensweise der Christen, welche die urchristliche Existenzdialektik des «in der Welt, aber nicht von der Welt» auf voller Höhe wieder aufnimmt (Kap. 5–6; vgl. Ioh. 17,11. 14. 16; I. Cor. 7,29–31). Weil Gott der Schöpfer ist, sind die Christen von vornherein solidarisch mit der Welt; weil Gott aber auch der allmächtige Erlöser ist, stehen sie in eschatologischer Distanz zur Welt. Einerseits heißt es, «was die Seele im Körper ist, das sind die Christen in der Welt» (6,1), andererseits heißt es, dass sie nur als Beisaßen in ihren vergänglichen Behausungen wohnen, weil sie die Unvergänglichkeit im Himmel erwarten (6,8). In diesen Ausführungen verschmelzen paulinisch-johanneische Anklänge aufs Engste mit philosophischen Reminiszenzen, grob gesprochen, mit stoischen, die den immanenten Charakter betonen, und mit platonischen, die den transzendenten Charakter dieser paradoxen Lebensform beschreiben (kompakte Zusammenstellung bei Riedweg 2001 [*457: 855–857]). Außerdem entspricht dann der Mensch, wenn er sich, wie es der Schlussappell sagt (10,1–6), zum Glauben bekehrt, Gottes Liebeserweisen in Schöpfung und Erlösung. Damit realisiert er seine hohe schöpfungsgemäße Bestimmung als Mensch, um dessentwillen Gott die Welt geschaffen und dem er alles auf der Erde unterworfen hat (Gen. 1,28–30; Ps. 8,7; vgl. Marrou 21965 [*391: 209f.]), dem allein er Vernunft und Geist gewährt hat (λόγος und νοῦς; für Lona 2001 [*407: 288] scheint darin «etwas von einer Selbstmitteilung Gottes» angedeutet zu sein), der durch den aufrechten Gang mit dem Blick nach oben ausgezeichnet (Plat. Tim. 90a–b; Pellegrino 1964 [*426]) und nach Gottes eigenem Bild geformt ist (Gen. 1,26). Dann kommt Gottes Erlösungswerk in der Sendung des
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Sohnes zur vollen Auswirkung, wenn der Mensch voller Freude Gott wiederliebt und in der Betätigung der Nächstenliebe zum Nachahmer Gottes wird, so dass er für den Empfänger seiner Wohltaten sogar zum Gott wird (10,6). Und die Kraft, welche die Welt überwindet, richtet den Gläubigen auf das wahre himmlische Leben in Ewigkeit aus (10,7–8). ‹De monarchia› (CPG 1084) Die kleine Abhandlung – im Titel μοναρχία schwingt immer auch der altgriechische Gedanke an die ‘Alleinherrschaft’ des kosmischen Weltenherrschers mit – enthält eine durch Einleitung und Schluss gerahmte Anthologie von 30 Zitaten aus der griechischen Tragödie und Komödie, aus orphischer und pythagoreischer Dichtung und ein Zitat aus Platons ‹Timaios› (68d in 4,3, dazu Pouderon 2009 [*397: 393]). Mit ihnen soll erwiesen werden, dass die menschliche Natur ursprünglich die Kenntnis der Wahrheit und die Verehrung des einen wahren Gottes empfangen hat. Da aber die Menschen durch den Neid des Teufels zum Götzendienst verführt worden seien und dieser alteingesessene Irrtum der Menge wie eine vertraute Wahrheit weitergegeben wird, will der Autor durch den Rekurs auf das frühe Zeugnis der Dichter daran erinnern, dass man aus Vergesslichkeit verabsäumt habe, was selbstverständlich sein sollte. Er will aus dem gemeinsamen literarischen Erbe, das zur Begründung des Götzendienstes durch die politisch Einflussreichen herhalten musste, die Unvernunft der heidnischen Gebräuche erweisen und, darauf gestützt, die Leser dazu veranlassen, zur Verehrung des einen wahren Gottes zurückzukehren (1,1f.). Die mehr oder weniger kommentarlos aufgebotenen Exzerpte bezeugen die Einzigkeit Gottes, des Schöpfers und Herrn der Welt (Kap. 2) und des gerechten Richters (Kap. 3f.), sowie die Nichtigkeit und Unwürdigkeit der paganen Götter (Kap. 5). In etwa einem Drittel der Fälle handelt es sich um gefälschte bzw. bearbeitete Stücke, die, wie der Vergleich mit Parallelen bei Clemens von Alexandrien nahelegt, auf eine alexandrinisch-jüdische Chrestomathie zurückgehen dürften. In der zweiten Hälfte finden sich mit ein, zwei Ausnahmen echte Zitate aus Euripides und Menander, die pagane Parallelen etwa bei Plutarch haben und einer paganen Sammlung stoischen Ursprungs entstammen (Zeegers-Vander Vorst 1972 [*201: 89–100, 189–205, 223– 229; Riedweg 2001 [*457: 851f.], Pouderon 2009 [*397: 361–380]). Komplizierter ist die Quellenlage bei den als Testament betitelten orphischen Versen – sie handeln von Orpheus’ Umkehr zum monotheistischen Gott –, die eine jüdische Schöpfung (in der ältesten bekannten Rezension) darstellen, doch in denen echte Elemente eines orphischen ἱερὸς λόγος verarbeitet sind (2,4, so Riedweg 1993 [*445: 103f.], vgl. auch Radice 21995 [*447: 121–164], Holladay 1996 [*449], 1996 [*450] und 1998 [*454], Riedweg 2008 [*463]). Vermutlich hat der Autor die beiden Sammlungen bereits vereint in einer einzigen, nach Lage der Dinge jüdischen Quelle vorgefunden (Pouderon 2009 [*397: 380]). Dass die letzten Beispiele aus der homerischen Dichtung, die summarisch die paganen Göttermythen im Sinne der philosophischen Homerkritik bekämpfen, formal nicht mehr dem Florilegien-
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Stil entsprechen (6,1), dürfte ein Hinweis sein, dass hier der Autor selbst aus Kenntnis eigener Lektüre spricht (Riedweg 2001 [*457: 853]). Die Frage, wann die Abhandlung in ihrer vorliegenden Fassung zusammengestellt und redigiert worden ist, ist nicht leicht zu beantworten, und die Spanne der Ansätze reicht vom 1. vorchristlichen Jahrhundert – in diesem Fall wäre der Autor ein hellenistischer Jude (so Riedweg 1993 [*445: 6] und 2001 [*457: 850f.], Jourdan 2010 [*235: 120ff.]) – bis zur zweiten Hälfte des 2. bzw. bis ins 3. Jahrhundert (siehe die Angaben bei Pouderon 2009 [*397: 105–109]). Wenn man die Referenzstellen, an denen Marcovich 1990 [*393: 82] Anklänge an neutestamentliche Wendungen sieht – schwache gewiss –, akzeptiert, dann wird man auf eine Entstehungszeit ab dem 2. Jahrhundert geführt. Da Theophilos auf das Testament des Orpheus in Anhängigkeit von 2,4 Bezug nimmt (Autol. 3,2,2), ist auf jeden Fall ein mutmaßlicher Terminus ante quem mit 180/188 gegeben. Pouderon 2009 [*397: 107, 320] nennt zudem noch einige Berührungen mit Clemens von Alexandrien. Am Beginn des 4. Jahrhunderts setzt die Rezeption der Schrift in der pseudo-justinischen ‹Cohortatio› ein. ‹Oratio ad Graecos› (CPG 1082) Die sehr kurze, rhetorisch gekonnte Apologie führt sich als Rechtfertigungsschreiben eines zum Christentum übergetretenen Griechen ein. Der ungenannte Autor begründet seine Abkehr vom griechischen Religionswesen mit dem einzigen Argument, dass dieses zutiefst dem sittlichen Empfinden widerstreite. Die Göttermythen seien «Monumente der Raserei und der Zügellosigkeit», Frommes und Gottgefälliges habe er dort nicht gefunden (1,1 Pouderon; die folgenden Stellenangaben ebenfalls nach Pouderon), und zur Bekräftigung dessen lässt er das unerträgliche Verhalten der Helden der homerischen Dichtung (1,2–4), die lächer lichen und anstößigen Göttergenealogien Hesiods sowie der Tragödie (2–3) und schließlich die religiösen Festveranstaltungen, die ein Ausbund von sinnlicher Betörung und sexuellen Ausschweifungen sind (4), Revue passieren. Die kleine Schrift endet mit einem flammenden Appell an die Leser, sich der Erziehung durch den göttlichen Logos anzuschließen, die darauf hinzielt, «Sterbliche unsterblich, Vergängliche zu Göttern (vgl. Ps. 81,6) zu machen und von der Erde hin auf zu den Gegenden über dem Olymp [d. h. zum ewigen Leben in der Gemeinschaft mit Gott] zu führen» (5,1f.). Der Autor versichert zuletzt aus eigener Erfahrung (vgl. van Unnik 1983 [*439: 66]), dass er, seit er von der befreienden Wirkung dieser göttlichen Erziehung ergriffen wurde, die Seelenruhe gefunden habe, die ihn zu seinem Schöpfer zurückführt (5,3; stichpunktartige Inhaltsangabe im Vergleich mit der syrischen Bearbeitung bei Marcovich 1990 [*393: 105]). In gewisser Hinsicht weist die Schrift «in Stoff und Haltung die frapirendsten Uebereinstimmungen mit Tatian’s Oratio auf», ohne dass sie ihm zugeschrieben werden könnte (Harnack 1882 [*184: 155]). Der Autor will sich nicht nur vom paganen Religionswesen in allen seinen Formen distanzieren, sondern weit grundsätzlicher und viel mehr geht es ihm, Tatian vergleichbar, darum, die Bildungsgrundlagen der griechischen Religion und Kultur schlechthin als moralisch diskreditiert zu
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verwerfen (Riedweg 2001 [*457: 859f.]). Philosophischer Kritik bedarf es dazu nicht, höchstens kann man in seiner Rede von den πάθη und deren Differenzierungen einen vagen stoischen Nachhall sehen (Marcovich 1990 [*393: 103], Pouderon 2009 [*397: 86]). Die Paideia jedenfalls, die der unbekannte Autor meint, ist anderer Art, sie verdankt sich göttlicher Unterweisung und der Kraft des Logos, sie bringt aber keine Dichter, keine Philosophen, keine gewaltigen Redner hervor (5,2f.). Zu datieren ist die Schrift in die Zeit einerseits nach Clemens von Alexandrien, dessen Einfluss namentlich im Schlusskapitel unübersehbar ist, und andererseits vor der Konstantinischen Friedenszeit, vor der noch die ‹Hypomnemata› des Ambrosios, die Bearbeitung der ‹Oratio›, entstanden sind, d. h., sie ist, grob gesagt, im Verlauf des 3. Jahrhunderts entstanden (Pouderon 2005 [*229: 303] und 2009 [*397: 83ff.]; für die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts plädiert Marcovich 1990 [*393: 104]). ‹Cohortatio ad Graecos› (CPG 1083) Die umfangreichste unter den hier behandelten Schriften nimmt sich wie ein Stapelplatz aller gängigen Hauptthemen der apologetischen Literatur aus, wo nur die Zurückweisung der Verleumdungen einer feindlichen Öffentlichkeit und jeglicher Hinweis auf eine bedrohliche staatliche Verfolgungssituation fehlen. Das lässt an eine Entstehung der Schrift unter späteren, ruhigeren Verhältnissen denken, und tatsächlich kann aufgrund literarischer Abhängigkeiten die Entstehungszeit zwischen 221 und 440 eingegrenzt werden. Einerseits benutzt die ‹Cohortatio› Julius Africanus’ im Jahre 221 abgeschlossene Chronographie (in 9,2; 12,2 = fr. 34 Wallraff, so schon Schürer 1878 [*414]), andererseits hat Kyrill von Alexandrien in ‹Contra Iulianum›, was schon lange gesehen worden ist (von Otto 31879 [*155: III 316], Diels 1879 [*415: 17], Grant 1964 [*425: 270f.]), reichlich Gebrauch von ihr gemacht (zum Ganzen Riedweg 1994 [*395: 30–53]). Da die Konfrontation mit den paganen Adressaten auf rein intellektueller Ebene im Hinblick auf den Widerstreit zwischen dem ‘mos maiorum’ und der Wahrheit stattfindet, wobei sich im Einzelnen Anklänge an Porphyrios’ anti-christliche Streitschrift und Berührungen mehr atmosphärischer Art mit Eusebios’ großem apologetischen Werk erkennen lassen, deutet alles auf eine Entstehung in Konstantinischer Zeit hin. Näherhin schlägt Riedweg 1994 [*395: 167–182] als Verfasser Markell von Ankyra vor, Eusebios’ kirchenpolitischen Gegenspieler und streitbaren Nizäner der ersten Stunde. Er stützt sich dabei auf Verwandtschaft des Vokabulars, auf eine mon archianische Färbung in der trinitätstheologischen Terminologie und auf eine tendenziell antiochenische Abwertung der Allegorie im Wechselverhältnis von θεωρία und ἀλληγορία (Riedweg 1994 [*395: ebd.]). Damit hat Riedweg weithin Zustimmung gefunden (mit gewissen Reserven Simonetti 2011 [*467]; die These von Dräseke 1885 [*416] und Asmus 1895 [*417] und 1897 [*418] – ebenso anfangs auch Harnack 1893 [*186: I 2,782] –, in dem Verfasser Apollinarios von Laodikeia zu sehen, hat sich nicht durchsetzen können). Erwähnenswert ist, dass der Verfasser ein bildungstouristisches Interesse erkennen lässt (13,4: Pharos, und 37,1:
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Cumae, vgl. Riedweg 1994 [*395: 160f.], Pouderon 2006 [*461]). Der in der handschriftlichen und indirekten Überlieferung bezeugte Titel – in Anknüpfung an das Stichwort des Eingangssatzes (1,1) – wird von Riedweg 1994 [*395: 62–70] als nicht ursprünglich verworfen und aufgrund von 1,2 ὁ περὶ τῆς ἀληθοῦς θεοσεβείας λόγος durch ‹Ad Graecos de vera religione› ersetzt (für den traditionellen Titel votiert Pouderon 2009 [*397: 46ff.]). Die Schrift will die Griechen zum Bruch mit ihrer herkömmlichen religiösen Tradition veranlassen (vgl. Riedweg 1994 [*395: 130–135]). Auf dem Wege einer objektiven und präzisen Untersuchung, so kündigt es das Exordium an, sollen ihre Bedenken, es wäre ein Vergehen an den Vorvätern, wenn sie jetzt den alten Irrtum fahren lassen und das Nutzbringende (angesichts des eschatologischen Gerichts) ergreifen, ausgeräumt werden (1,1; nach 35,2 haben die Vorfahren im Hades wahrscheinlich den Sinneswandel bereits vollzogen). Zu diesem Zweck behandelt der Verfasser die Haltlosigkeit und Widersprüchlichkeit der vielfältigen Meinungen der griechischen Religionslehrer, bei Dichtern und Philosophen, die sich auf ihre Überklugheit verlassen (2–7), im Kontrast zur einzigen Quelle göttlicher Erkenntnis bei den eigenen Religionslehrern, den von Gott inspirierten, mit einer Stimme sprechenden Propheten, Mose an erster Stelle. In Einzelfällen gäbe es dafür von bestimmten griechischen Orakeln sogar Bestätigung (8–13). Nachdem bereits in diesem Zusammenhang die chronologische Priorität der biblischen Überlieferung vor der griechischen zur Sprache gekommen ist (9; 12,1f.), geht es im zweiten, deutlich längeren Teil der Schrift um den Nachweis, dass die griechischen Religionslehrer von den Propheten abhängig sind. Sie alle, Orpheus, Homer, Solon, Pythagoras, Platon und manche andere, waren in Ägypten und haben dort die prophetischen Schriften gelesen (14,2), aber sie haben das, was sie in ihnen kennengelernt haben, nicht immer richtig verstanden oder aus Angst vor einem gewaltsamen Geschick nur verschleiert weitergegeben (vgl. 20,1; 22,1 u. ö.). Insofern ist das Studium bei ihnen nur unter Vorbehalten zu empfehlen, ein wirklich geeigneter Religionslehrer findet sich bei ihnen nicht (14–34). Der Schluss der Rede steigert sich zu einem dringenden Appell an die Griechen, zu den Prophezeiungen der heiligen Männer zu greifen oder, wenn solches ihr Vermögen übersteigt, wenigstens den wenigen Zeugen der Wahrheit unter den Griechen zu glauben, die als Wirkungsträger der göttlichen Providenz die Aussagen der Propheten über den einen Gott bezeugt haben, wie Orpheus in seiner Palinodie oder die Sibylle in ihren Orakeln, die sogar die Ankunft unseres Retters Jesus Christus vorhersagte, oder auch Hermes Trismegistos, der in einem berühmten Diktum versicherte, dass Gotteserkenntnis nicht anders als durch von Gott kommende, prophetische Offenbarung möglich ist (35– 38; Inhalts- bzw. Dispositionsangaben bei Marcovich 1990 [*393: 13–19], Riedweg 1994 [*395: 18–27], Pouderon 2009 [*397: 40ff.]). Das ambivalente Verhältnis, das Pseudo-Justin gegenüber der griechischen Bildungswelt insgesamt einnimmt, erstreckt sich nicht weniger auf denjenigen Philosophen, den er am häufigsten nennt und den er «den ersten unter euren Philosophen» (12,3) betitelt: Platon (laut Register fällt sein Name 55-mal, genauso häufig wie der des Mose, Marcovich 1990 [*393: 139f.]). Eine sehr stattliche Anzahl von an die 30 wörtlichen Zitaten begegnet im zweiten Teil der Rede – zumeist Wan-
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derzitate, aber man darf dem Verfasser eine direkte Kenntnis einiger wichtiger Dialoge wie des ‹Timaios› nicht absprechen (Riedweg 1994 [*395: 72f.]) –, doch im ersten Teil herrscht die Doxographie vor. Hier kommen Lehrsätze Platons in zweifacher Hinsicht zur Sprache: Zum einen wird Platon mit Aristoteles konfrontiert, um die Widersprüchlichkeit ihrer Lehren aufzudecken und zu zeigen, dass ihnen kein Wahrheitsgehalt zueigen ist. Dabei folgt der Verfasser offenbar einer mittelplatonischen Quelle, die in derselben Stoßrichtung wie Attikos oder Kalvenos Tauros die Gegensätze zwischen beiden unter Verwendung doxographischen Materials schroff aufreißt, um allen Versuchen der Harmonisierung entgegenzuwirken (Riedweg 1994 [*395: 75ff.]; 5,1–6,2: Platon weise dem obersten Gott eine feurige Substanz zu, Aristoteles die Quinta Essentia [noch einmal 36,3]; Platon setze drei Prinzipien an, Aristoteles zwei; Platon zufolge sei die Seele dreiteilig und jede Seele unsterblich, Aristoteles begrenze die Seele auf den vernunftbegabten Teil und verstehe sie als Entelechie; vgl. Riedweg 1994 [*395: 235–260]). Zum anderen macht Ps.-Justin auf Widersprüchlichkeiten bei Platon selbst in seinen eigenen Lehrmeinungen aufmerksam. Tatsächlich handelt es sich bei diesen angeblichen Widersprüchen um differierende Deutungen des ‹Timaios› bei verschiedenen Platonikern, was wiederum auf doxographische Nachrichten zweiter Hand zurückgehen dürfte (Riedweg 1994 [*395: 81–85]; 7,1: Bald gehe Platon von drei Prinzipien aus, bald füge er diesen noch als viertes die Weltseele hinzu; früher habe er die Materie als ungeworden bezeichnet, später als geworden; früher habe er die Idee als selbständig Seiendes angesehen, später als Gedanken Gottes; früher erklärte er, der Kosmos sei geworden und mithin vergänglich, später erklärte er, einiges von dem Gewordenen sei unauflöslich und unvergänglich – hier steht die seit der Alten Akademie geführte Debatte, ob der Welterschaffungsbericht des ‹Timaios› als didaktische Erzählweise oder als wörtlich zu nehmender Lehrtext verstanden werden soll, im Hintergrund; vgl. zum Ganzen Riedweg 1994 [*395: 260–273]). Wie einleitend schon die Vorsokratiker in dieser Weise nach dem Abriss von Ps.-Plutarchs ‹Placita› durchgemustert worden sind (3,2–4,2, vgl. Diels 1879 [*415: 17]), so werden abschließend nach einer doxographischen Sammlung skeptischer Provenienz noch einmal die Meinungen der griechischen Philosophen allgemein zur Seelenlehre ihrer Haltlosigkeit überführt (7,2). Wörtliche Platon-Zitate bietet Ps.-Justin hauptsächlich dort auf, wo er nachweisen will, dass Platon auf seiner Ägyptenreise die Kenntnis des mosaischen Gesetzes, das den einen und einzigen Gott verkündet, erworben habe (20,1; 22,1; 24,1; 28,1), und zugleich vor Augen führen will, wie Platon diese an sich von ihm gebilligte Wahrheit aus Angst, ihm könne dasselbe Schicksal wie Sokrates widerfahren, nicht klar bekannt, sondern nur auf schillernde und vieldeutige Weise in seinen Dialogen zum Ausdruck gebracht habe (20,1; 22,1; zu einer ähnlichen Theorie bei Numenios, fr. 23 und 24,57ff. des Places, vgl. Riedweg 1994 [*395: 87ff.]). Dass Gott, der mit keinem Namen genannt werden kann, sich vor Mose als ἐγὼ εἰμὶ ὁ ὤν («ich bin der Seiende»: Ex. 3,14) offenbarte, meint der Verfasser in Platons grundlegender ontologischer Unterscheidung zwischen dem Immer-Seienden und dem Werdenden wiederzuerkennen: τί τὸ ὂν ἀεί, γένεσιν δὲ οὐκ ἔχον, καὶ τί τὸ γινόμενον μὲν, ὂν δὲ οὐδέποτε («was das immer Seiende, das kein Werden kennt,
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ist, und was das Werdende ist, das niemals seiend ist»), so am Beginn des Lehrvortrags über die Weltentstehung im ‹Timaios› (27d–28a in 22,2. 3, ferner 24,2; 25,3; die Zusammenstellung der beiden Zitate auch bei Eus. Praep. ev. 11,9). Den immer seienden Bereich der Ideen bezieht er auf den biblischen Gott, d. h. er deutet theologisch, was ontologisch gemeint war, wobei er noch die Beobachtung des wechselnden Artikels, einmal ὁ ὤν, einmal τὸ ὄν, eigens hinzufügt, und das Werdende, aber niemals Seiende deutet er auf die heidnischen Götter (22,3; über die Götter spreche Platon widersprüchlich in Tim. 41a–b, so 23,1–25,2, wo Ps.-Justin Platon nach seinen immanenten Voraussetzungen einer ungewordenen Materie ad absurdum führen möchte; die Vorstellung von Göttern hat nach Gen. 3,5 vom «Vater der Lüge», Ioh. 8,44, ihren Anfang genommen, so 21,2f.). Außerdem interpretiert er den Ausdruck ὁ ὤν («der Seiende») als Bezeichnung der Ewigkeit nicht im Sinne der Zeitlosigkeit, sondern der alle drei Zeitstufen umschließenden Fülle der Zeit, was auch Platon mit ὂν δὲ οὐδέποτε («seiend aber niemals») geheimnisvoll habe andeuten wollen und mit dem Diktum «Gott umfasst, wie auch der alte Spruch sagt, Anfang, Ende und Mitte aller Dinge» (Leg. 4, 715e–716a) klar gesagt habe – «der alte Spruch» sei aber das mosaische Gesetz, was Platon aus Furcht verschwiegen habe (25,3f., vgl. Riedweg 1994 [*395: 415–421]). Weitere Themen – mehrmals unterbrochen durch Nachweise von Homers Abhängigkeit von Mose (zu seiner Homer-Rezeption Zeegers-Vander Vorst 1972 [*201: 229–254, 259f.], Riedweg 1994 [*395: 101–108]) – sind Gericht und Auferstehung (26,2f.), die verfehlte Ideenlehre (29,1–30,3, hier Rückbezug auf den Schöpfungsbericht der ‹Genesis› und mit Philon im Hintergrund, vgl. Runia 1993 [*218: 187f.], Riedweg 1994 [*395: 448–462]), die Cherubim (31,1), der Heilige Geist als göttliche Gabe (32,1– 4) sowie die Entstehung der Zeit (33,1). Schließlich empfiehlt der Verfasser im Einklang mit der Skepsis der Mittleren Akademie seinen Lesern als Vorbild Sokrates, der sein eigenes Nichtwissen eingestanden habe (Apol. 21d; 42a), um sie zu veranlassen, sich den Propheten zuzukehren (36,1f.). In den Grundzügen, daran besteht kein Zweifel, ist Ps.-Justins Platon-Verständnis der mittelplatonischen Schulphilosophie verpflichtet; ihn des Näheren in die Linie des philologischen Platonismus der Longinos-Schule, der auch der junge Porphyrios angehörte, einzureihen, ist Riedweg 1994 [*395: 99f.] angesichts seines erkennbar werdenden philologischen Interesses an konkreten Fragen der Textgestaltung geneigt. Hier könnte auch das vom Mittelplatonismus abweichende So krates-Bild diskutiert worden sein.
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§ 83. Tatian (Bibl. 1067–1068)
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§ 83. Tatian Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Tatian stammte aus «dem Land der Assyrer» (Orat. 42,1), d. h. aus dem nordmesopotamisch-syrischen Raum, wo er um 120/130 geboren sein wird (Petersen 2001 [*513: 655], Pouderon 2005 [*229: 176]). Er durchlief den herkömmlichen höheren griechischen Bildungsweg, allem Anschein nach mit dem Schwerpunkt im Rhetorik-Unterricht, nicht wie Justin im Philosophie-Studium (Orat. 42,1; 35,1; 26,5–8; vgl. Barnard 1978 [*204: 379], Lampe 21989 [*208: 246–249], Karadimas 2003 [*516: 40]; tabellarische Auflistung bei Pellegrino 1947 [*190: 101–109] und Lampe 21989 [*208: 362–366], doch spricht man meist von einem philosophischen Itinerar); er machte ausgedehnte Reisen (Orat. 35,1) und ließ sich in Mysterienkulte einweihen (Orat. 29,1). Zum christlichen Glauben fand er durch die eher zufällige Lektüre «gewisser barbarischer [d. h. alttestamentlicher] Schriften», deren höheres Alter und göttliche Wahrheit im Vergleich zu den griechischen Lehren ihn durch die Schlichtheit ihrer Worte und die Unverstelltheit ihrer Verfasser überzeugten (Orat. 29,2). Die Lehre von der Erschaffung des Alls, die Prophezeiungen des Zukünftigen, die hochstehenden ethischen Weisungen und die monotheistische Gotteslehre haben ihn, wie er sagt – und das scheint nun fast wie ein Christentum ohne Christus –, gewonnen; seine Bekehrung hat er als Befreiungserfahrung erlebt (Orat. 29,3). Nach Rom gekommen, schloss er sich dem Schülerkreis Justins an (Orat. 18,6; Iren. Haer. 1,28,1 = Eus. Hist. eccl. 4,29,1. 3, kritisch dazu Trelenberg 2012 [*477: 195f.]) – das wird etwa um 155 gewesen sein (Petersen 2001 [*513: 655]) – und wurde zusammen mit Justin in den Konflikt mit Crescens verwickelt (Orat. 19,2, zum Text Nesselrath 2016 [*478: 150 Anm. 304]). Doch blieb er im Unterschied zu Justin und seinem engeren Kreis vom Äußersten verschont. Mindestens einen Schüler hatte er in Rom, Rhodon, einen anerkannten Ketzerbestreiter (Eus. Hist. eccl. 5,13,1. 8). Er selbst allerdings neigte nach Justins Martyrium mehr und mehr eigenwilligen Ansichten zu, die wahrscheinlich erst offen zutage traten, als er zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt (nach Harnack 1897 [*186: II 1,287f.] um das Jahr 172) Rom verließ und in seine syrische Heimat zurückkehrte, um, wie Epiphanios berichtet (Haer. 46,1,6), in Kleinasien und Syrien zu missionieren und in Mesopotamien (Seleukeia-Ktesiphon? so Wesseling 1996 [*510: 553], Markschies 2007 [*521: 91]) ein Lehrhaus einzurichten. In der griechisch-römischen Kirche galt er bald als Häretiker. Er
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habe, von Stolz aufgeblasen, ähnliche Lehren wie Satorneilos, Markion und die Valentinianer aufgestellt und sei zum Propagator der Enkratiten geworden, einer asketischen Bewegung, die Fleisch- und Weingenuss sowie jegliche Form von Geschlechtsverkehr, einschließlich der Ehe, verwarf; zudem habe er die Unerlösbarkeit Adams gelehrt (Iren. Haer. 1,28,1; 3,23,8; Eus. Hist. eccl. 5,13, ausführlich diskutiert von Trelenberg 2012 [*477: 204–219]). In den syrisch-orientalischen Kirchen ist er offenbar nicht als Häretiker angesehen worden, weil dort der Enkratismus weniger anstößig war. Wann und wo er gestorben ist, ist unbekannt, man setzt sein Todesjahr zwischen 180 und 190, etwa um 185 an (Petersen 1994 [*509: 72] und 2001 [*513: 655]; vgl. Pouderon 2005 [*229: 177]).
2. WERKE ‹Oratio ad Graecos› Πρὸς Ἕλληνας – ‹[sc. Rede] An die Griechen› (Orat.) Tatians einzige erhaltene Schrift, die schon im Altertum als «die schönste und nützlichste von allen seinen Werken» angesehen wurde (Eus. Hist. eccl. 4,29,7), ist weniger eine Apologie im strikten Sinne (Puech 1912 [*187: 153f.], Parvis 2007 [*522: 127]; dagegen positiv Trelenberg 2012 [*477: 238ff.]) als eher eine polemische Streitschrift gegen die griechische Kultur und Philosophie, welche die Überlegenheit des «Barbarentums» erweisen und die christliche Lehre empfehlen möchte (Di Cristina 1991 [*486: 23f.], McGehee 1993 [*508]). Der Gedankengang der Schrift weist keinen planmäßigen, klar strukturierten Aufbau auf, der über eine vage zweiteilige Grobgliederung hin ausginge (Kap. 2–20: Die christliche Lehre; Kap. 21–41: Vergleich mit der griechischen Kultur mit dem krönenden Abschluss des Altersbeweises in Kap. 31 und 36–41 – doch auch hier immer wieder Ungeordnetheiten). Nähere Dispositionsangaben bei Marcovich 1995 [*476: 5f.], Trelenberg 2012 [*477: 25–29], Nesselrath 2016 [*478: 9–14]. Abfassungszeit und -ort der Schrift konsensfähig zu bestimmen, ist bisher nicht gelungen. Die Spanne der Ansätze reicht von einer Frühdatierung um 150 (Harnack 1897 [*186: II 1,287]: in Griechenland; Elze 1960 [*496: 42ff.]: in Rom) über den Ansatz um 172 (Trelenberg 2012 [*477: 15]; Prostmeier in Nesselrath 2016 [*478: 193–201]: in Antiochien) bis zu einer Spätdatierung um 177/78 (Geffcken 1907 [*164: 105f.]: nach dem Bruch mit der Großkirche – und implizit – im Orient; Grant 1953 [*493] und 1988 [*209: 112–115]: in Athen; Droge
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1989 [*210: 84, 99], Petersen 2001 [*513: 657]). Erwogen wird auch, ob die ‹Oratio› aus Anlass der Schulgründung im Orient entstanden ist (vgl. Nesselrath 2016 [*478: 16f.]). Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Frage, ob die ‹Oratio› das Martyrium Justins voraussetzt und ob sie Kenntnis der Schriften Justins durchblicken lässt. Beides wird man nach dem gegenwärtigen Forschungsstand bejahen können, die literarische Benutzung der Apologien und des Dialoges ist unstrittig (gegen Harnack 1897 [*186: II 1,286], Marcovich 1995 [*476: 1f.], Trelenberg 2012 [*477: 195–203]). Für die Spätdatierung sind vermeintliche historische Anhaltspunkte in der Einrichtung kaiserlich besoldeter philosophischer Lehrstühle in Athen im Jahr 176 (eventuell Orat. 19,1) und in den Christenverfolgungen des Jahres 177 (eventuell Orat. 6,4) ins Feld geführt worden (Grant 1988 [*209], Petersen 2001 [*513: 657]), was jedoch nicht eindeutig ist (Clarke 1967 [*499], Barnard 1968 [*500: 1f.]).
‹Diatessaron› Τὸ διὰ τεσσάρων εὐαγγέλιον – ‹Das vermit telst der vier [sc. Evangelien angefertigte] Evangelium› Das Werk, eine Evangelienharmonie (der Titel nach Eus. Hist. eccl. 4,29,6; Epiph. Haer. 46,1,9), ist verschollen, kann aber aus Fragmenten und aus Übersetzungen in orientalische und andere Sprachen einigermaßen rekonstruiert werden. «Anders als die Evangelien selbst erfuhr diese Evangelienharmonie eine weitere Verbreitung als jede andere Schrift der altkirchlichen Literatur» (Petersen 2001 [*513: 657]). Ob die Arbeit ursprüng-
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lich auf Griechisch oder auf Syrisch abgefasst war, lässt sich schwer eindeutig sagen – doch votiert Petersen 1994 [*509: 428], der beste Kenner der Materie, für Letzteres –, ebenso ob sie noch in Rom oder im Osten entstanden ist (das 1933 in Dura Europos aufgefundene griechische Fragment wird im Allgemeinen als Übersetzungsarbeit beurteilt, Petersen 1994 [*509: 196–203, 453–456]). Auf jeden Fall genoss das ‹Diatessaron› in der Frühzeit der syrischen Kirche kanonische Geltung, bis es im 5. Jahrhundert beanstandet und im 6. Jahrhundert durch den ‘textus receptus’ der ‹Peschitta› vollständig verdrängt wurde (Bruns 32002 [*514: 193]). Von einigen weiteren Werken sind noch die Titel bekannt, die daran erinnern können, dass Tatians Arbeitsfeld breiter angelegt war. Auf ein älteres Werk verweist er selbst in Orat. 15,4: Περὶ ζῴων (‹Über Lebewesen›), das vielleicht die Gott ebenbildlichkeit des Menschen behandelte (Grant
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1988 [*209: 131], Trelenberg 2012 [*477: 3]) und eventuell auch auf Dämonen einging (Orat. 16,2); oder es stammte noch aus seiner vorchristlichen Zeit (vgl. Harnack 1893 [*186: I 2,486], Elze 1960 [*496: 12]). Und in Orat. 40,3 kündigt er eine geplante Schrift an: Πρὸς τοὺς ἀποφηναμένους τὰ περὶ θεοῦ (‹An die, die über das, was Gott betrifft, gehandelt haben›). Sein Schüler Rhodon berichtet in einem Fragment bei Eus. Hist. eccl. 5,13,8, von einem schon im Titel Bedenken erweckenden Buch, in dem er dunkle Stellen in der Heiligen Schrift erörtert habe: Προβλημάτων βιβλίον (‹Buch der Probleme›; vgl. Harnack 1897 [*186: II 1,288 Anm. 2]). Einer Nachricht des Clemens von Alexandrien zufolge (Strom. 3,81,1–82,2) vertrat er in Περὶ τοῦ κατὰ τὸν σωτῆρα καταρτισμοῦ (‹Über die Vollkommenheit nach den Worten des Erlösers›) unverhüllt enkratitisch häretische Ansichten (die Fragmente in den Editionen von Schwartz 1888 [*474] und Whittaker 1982 [*475]).
3. LEHRE
Tatian, der Schüler Justins, geht selbstverständlich von der Theologie seines Lehrers aus, doch verfährt er dabei recht eigenwillig. In manchen Punkten entwickelt er die Position Justins weiter, in anderen bleibt er hinter ihr zurück, und gegenüber der griechisch-römischen Philosophie und Kultur nimmt er eine sehr andere Gesamthaltung ein. Die offene Einstellung Justins ist ihm fremd, seine Kritik will diffamieren (anders urteilt Nasrallah 2005 [*517: 300] mit Verweis auf Gepflogenheiten der Zweiten Sophistik: «it is a piece of humor, a satire, a joke of sorts»). Auf den Gebieten der Religion und Mythologie, der Literatur, des Theaterwesens und der bildenden Künste, selbst der Medizin, überall gibt er sich als der allumfassend informierte Experte aus (Lampe 21989 [*208: 362–366]) – tatsächlich verdankte er sein Wissen sekundären und nicht immer den besten Quellen (Geffcken 1907 [*164: 109–113], Grant 1958 [*495: 124]) –, um desto wirksamer zum vernichtenden Schlag ausholen zu können. Nicht weniger spricht er der griechischen Philosophie jeglichen Wert ab. An einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Lehrgehalt der einzelnen Schulen ist er nicht interessiert, es geht ihm nahezu ausschließlich und ganz oberflächlich darum, die Philosophen als Personen zu verunglimpfen. Er sieht in ihnen nur eine «Ansammlung von aufgeblasenen, eitlen, geschwätzigen, widersprüchlichen, obskuren, schwachsinnigen und verlogenen Existenzen» (Trelenberg 2012 [*477: 54f.]), wovon höchstens Sokrates ausgenommen ist (Orat. 2,1–3,7; 19,1–3; 25,1–27,9; zu Sokrates vgl. Orat. 3,3). Bloß am Rande wiederholt er auch sachliche Einwände seines Lehrers, wie die Widersprüchlichkeit der Schulen untereinander (Orat. 25,3f.; 26,1f. 5–8), die Unhaltbarkeit des astrologischen Fatalismus (Orat. 7,3; 8,1f.; 9,1–11,3; 15,3), die inneren Schwierigkeiten der stoischen Weltenbrandlehre (Orat. 3,3; 6,1; 25,4) und der See-
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lenwanderungslehre (Orat. 3,5), der Begrenzung der göttlichen Providenz auf den sublunaren Bereich (Orat. 2,3) und manches andere (vgl. Pouderon 2005 [*229: 191–196], Karadimas 2003 [*516: 24–30]), ohne auch hier von persönlichen Invektiven abzusehen. Auch versucht er sich an einer Definition der Zeit (Orat. 26,1; dazu Elze 1960 [*496: 103ff.]). Dass er tatsächlich selbst vom Schulgut des Mittelplatonismus, das ihm vielleicht erst durch Justin vermittelt worden ist (so die Vermutung von Lampe 21989 [*208: 246]; vgl. Grant 1988 [*209: 130]), positiv Gebrauch macht – wenn auch nur oberflächlich –, scheint ihm gar nicht bewusst geworden zu sein. Dazu kommt, dass er eine Reihe von Themen ausblendet, die für seinen Lehrer Justin zentrale Bedeutung hatten. Das Auffälligste, wie schon lange bemerkt wurde, ist, dass in der ‹Oratio› die Namen ‘Jesus’ oder ‘Christus’ nicht genannt werden und dass entsprechend auch die abgeleiteten Bezeichnungen wie ‘Christen’ oder ‘Christentum’ fehlen (Puech 1912 [*187: 170], Elze 1960 [*496: 19]). Das heißt nun gewiss nicht, wie es manchmal interpretiert worden ist (Puech 1912 [*187: 170], Elze 1960 [*496: 19]), dass Tatian gegenüber einem paganen Publikum aus apologetisch-taktischen Gründen sein christliches Bekenntnis habe dissimulieren und unnötige Anstöße vermeiden wollen. Dem würde nicht nur der aggressive Ton des Werkes insgesamt widersprechen, sondern auch ganz entschieden die tatsächlichen Erwähnungen des christologischen Kerygmas der Inkarnation in Orat. 21,1 («wir verkünden, Gott sei in Menschengestalt erschienen») und der Passion in Orat. 13,6 («[…] des Gottes, der gelitten hat»; Trelenberg 2012 [*477: 220ff.]). Doch ist ihm das Christentum keine neue, erst jüngst durch Jesus Christus gestiftete Religion, sondern es ist die älteste schlechthin, die Religion der Einheit und der Wahrheit, «die barbarische Philosophie», wie die bezeichnende Wendung jetzt lautet (Orat. 35,2f.; 42,1; 31,1; vgl. Orat. 32,2. 7; 34,4; 40,2), und Mose ist ihr Archeget (Orat. 31,1; vgl. zum Ganzen Norelli 1998 [*511], Lössl 2007 [*520]). Damit ist nun allerdings eine erhebliche Umschichtung im systematischen Aufriss des Gesamtkonzepts verbunden. War bei Justin der Logos-Christus diejenige Instanz, in dessen universaler Wirksamkeit die gesamte Weltwirklichkeit von der Schöpfung bis zur eschatologischen Vollendung umfasst und verankert war, so sind bei Tatian mindestens zwei Dimensionen herausgebrochen. In geistesgeschichtlicher Hinsicht rechnet Tatian offenbar nicht mit einer durch den Logos vermittelten, begrenzten natürlichen Gotteserkenntnis bei den Griechen (auch nicht Orat. 4,3). Er meint, die Griechen hätten die Bücher Moses und der Propheten ausgeplündert und dabei verfälscht (Orat. 40,2), doch Justins Lehre vom Λόγος σπερματικός hat er nicht rezipiert. Vorchristliche Heiden, die mit dem Logos lebten und deshalb als Christen anzusehen seien, kennt er nicht (Orat. 13,4 zielt genau in die Gegenrichtung, vgl. Joly 1973 [*202: 79f.]). Ebenso ist die heilsgeschichtliche Dimension der Theophanien und Prophezeiungen in der Geschichte der Patriarchen und des Volkes Israel ausgeblendet. In seinem Altersbeweis kommen aus der biblischen Geschichte bewusst nur ganz wenige Daten vor – Moses Lebenszeit, der Auszug aus Ägypten, Salomo, Nebukadnezars Feldzüge und indirekt die babylonische Sprachverwirrung –, Daten, die lediglich chronologische, keine religiös theologische Bedeutung haben (Orat. 30,4; 31,1; 36,1. 3; 37,2f.; 38,1;
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39,2). Vor allem ist der für Justin so überaus wichtige Komplex des christologischen Weissagungsbeweises nicht aufgenommen. Kein einziges der solennen Schriftzitate begegnet bei ihm. Auch wenn man einräumt, dass er sich in der Auswahl seines Stoffs dem literarischen Genus der Streitschrift anpasst und eine nähere Darstellung der christlichen Lehre einer anderen Schrift vorbehält (Orat. 30,4; 40,3), kommt man doch nicht umhin zu konstatieren, dass er ein heilsgeschichtlich denkender Autor nicht gewesen ist. «Kosmologie und monotheistische Gotteslehre [sc. bilden] für Tatian die Hauptstücke der christlichen Theologie» (Elze 1960 [*496: 23]); eine dritte Säule bildet die Sittenlehre, wie schon der Bekehrungsbericht ankündigt. Sie ist zwar in der ‹Oratio› nicht sehr prominent vertreten, wird aber in seiner späteren Entwicklung zum Enkratismus immer wichtiger. Es gibt nun allerdings auch einige Lehrstücke, in denen Tatian die Position Justins eigenständig weiterführt und dabei eine beachtliche philosophisch-theologische Reflexionskraft beweist. Gemeinsam ist beiden die Betonung der Transzendenz des monotheistischen Gottes, die er wie Justin mit den meist negativen Gottesprädikaten der mittelplatonischen Schulphilosophie zum Ausdruck bringt (besonders Orat. 4,3f.), und auch für ihn ist Gott das Sein selbst, αὐτὸ τὸ ὄν (Orat. 15,4; eine Auflistung der Gottesprädikate bei Hanig 1999 [*512: 62 Anm. 116], Pouderon 2005 [*229: 186]). Doch in der Logoslehre hat er, um das Anliegen des strengen Monotheismus mit der Lehre der Schöpfungsmittlerschaft zum Ausgleich zu bringen, eine Modifizierung vorgenommen, die auf ein Zwei-Stufen-Modell hinausläuft. Er geht von jüdisch-christlichen Spekulationen zu Gen. 1,1, «bereschit» und dem folgenden Wortschöpfungsbericht aus (Daniélou 1973 [*197: II 349]): Gott war am Anfang, und ‘der Anfang’ war die Kraft des Wortes (δύναμις λόγου: Gen. 1,1). Diese δύναμις λόγου ist ein Gott eigenes, immanentes Vermögen, das aus Anlass der Welterschaffung in die aktuale Gestalt des Logos übergeht, dabei aber seinen immanenten Status in Gott nicht einbüßt. Tatian führt aus: Vor der Erschaffung der Welt war Gott allein, er trug aber das Wort (λόγος) vermöge seiner λογικὴ δύναμις in strukturierter Einheit in sich und umfasste, weil er der Urgrund von allem ist, damit zugleich potentiell die gesamte Schöpfung in sich (Orat. 5,1). Auf der zweiten Stufe trat das Wort (λόγος) gemäß einem Willensakt der göttlichen Einfachheit in realer göttlicher Selbstentfaltung aus der Einfachheit Gottes heraus (Orat. 5,2ff.: προπηδᾶν, «hervorspringen»; χωρεῖν, «fortgehen»; προέρχεσθαι, «hervorkommen»; Orat. 5,4; 7,1: γεννᾶν, «zeugen») und wurde zum erstgeborenen Werk des Vaters – d. h. zum «Logos» – im Sinne hypostatischer Existenz und damit zum Ursprung der Welt (Orat. 5,2). Tatian insistiert darauf, dass dieser Hervorgang des Logos keine Minderung aufseiten Gottes bedeutet (Orat. 5,3: κατὰ μερισμόν, οὐ κατ’ ἀποκοπήν, «in einer Teilung, nicht in Abtrennung» – nach Grant 1988 [*209: 130] sind dies rhetorische Termini; vgl. Karadimas 2003 [*516: 34ff.], Lössl 2010 [*525: 137f. Anm. 39]), und nur in diesem Sinne gebraucht er die Vergleiche Justins vom Sprechen und von der Fackel (Orat. 5,4f.), wohingegen die Eigenständigkeit des Logos unbetont bleibt (Hanig 1999 [*512: 49–57]). Auch mit Blick auf die Erschaffung der Welt bringt Tatian zwei Stufen in Anschlag, womit er die Unklarheiten Justins in der Bestimmung der Materie über-
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windet. Die Materie ist nicht, als wäre sie ein zweites Prinzip, anfangslos und gleichrangig mit Gott, sondern sie ist geschaffen (Orat. 5,7). Gott, bzw. der Logos hat sie sich zunächst gewissermaßen als Rohmaterial in gestaltlosem und ungeformtem Zustand hervorgebracht, um sie in einem zweiten Schritt durch innere Differenzierung in Wohlgeformtheit und Geordnetheit zu überführen. Himmel, Sterne, die Erde und alles, was auf ihr wahrzunehmen ist, existieren nur durch diese differenzierende Teilung der allem gemeinsam zugrunde liegenden Materie (Orat. 5,6; 12,2). Der Sache nach ist damit bereits die Lehre der ‘creatio ex nihilo’ vorgebildet (Karamanolis 2013 [*237: 74ff.]). Eine weitere bemerkenswerte Differenzierung in diesem Zusammenhang nimmt Tatian mit dem Begriff πνεῦμα ὑλικόν vor. Dieses «der Materie zugehörige Pneuma» ist zu unterscheiden von dem transzendenten Pneuma, das die Substanz Gottes ist (Orat. 4,3f.); es ist von Gott geschaffen und entspricht dem das All immanent durchwaltenden Pneuma der Stoiker. Im Vergleich des Mikro- und Makrokosmos zeigt Tatian, wie die individuelle Vielfalt und unterschiedliche Werthaftigkeit der Einzelteile in der Erscheinungswelt dank dem Willen des Schöpfers durch jeweilige Teilhabe an dem hylischen Pneuma bei gleicher materieller Grundbeschaffenheit zusammengeschlossen sind zu einer planvollen harmonischen Einheit (Orat. 12,3. 8; Elze 1960 [*496: 68f., 86ff.], Trelenberg 2012 [*477: 41f.]). Eine Gestalt des hylischen Pneuma ist auch die menschliche Seele (Orat. 12,1). Mit Blick auf das Ganze versteht Tatian den geschaffenen Kosmos somit als beseeltes Lebewesen. Auch in der Anthropologie finden sich bei Tatian sowohl konventionelle als auch eigenständige Aussagen. Der Mensch besteht aus Körper und Seele, wobei die Seele das Band des Körpers ist (Orat. 15,4). Doch die Seele, vielteilig und zusammengesetzt (Orat. 15,1), ist von Natur aus nicht unsterblich (Orat. 13,1). Diese schon von Justin geteilte Überzeugung (Elze 1960 [*496: 89f.] nennt philosophische Parallelen, u. a. Straton von Lampsakos und Ainesidemos) entwickelt Tatian weiter (vgl. Strutwolf, Lakmann in Nesselrath 2016 [*478: 225–245]). Zwar hatte Gott im Urstand die ersten Menschen mit der Gottebenbildlichkeit, deren wesentliches Merkmal die Unsterblichkeit gewesen ist, ausgezeichnet (Orat. 7,1; 12,1), doch infolge des frei gewählten Sündenfalls hat sich der göttliche Geist von ihnen entfernt und ihnen damit die Gottebenbildlichkeit entzogen, so dass die menschliche Seele in ihrer Abwärtsneigung zur Materie hin (Orat. 13,3; 20,2) unwissend und sterblich geworden ist (Orat. 7,5; 13,4; 29,3). Der gefallene Mensch ist nun keine ὁμοίωσις τοῦ θεοῦ («Ähnlichkeit mit Gott») mehr, sondern steht mit den Tieren auf einer Stufe, von denen er sich nur durch die Sprache unterscheidet (Orat. 15,5). Bezogen auf die schöpfungsgemäße Konstitution des Menschen weist deshalb Tatian die philosophische Standardformel ζῷον λογικὸν νοῦ καὶ ἐπιστήμης δεκτικόν («vernunftbegabtes Lebewesen, das zu Verstand und Wissen fähig ist») zurück (Orat. 15,3), weil sie die wirkliche Sonderstellung des Menschen gar nicht zum Ausdruck bringe. Diese liege in der Gottebenbildlichkeit, die zwar durch den Sündenfall verloren ist, doch bestehe die Möglichkeit, dass der Mensch dieses verlorene Gut wiedererlangt und seine Seele nicht stirbt (Orat. 13,1f.; Elze 1960 [*496: 90–100]). Er muss bestrebt sein, dass der Geist Gottes sich mit seiner Seele, dem hylischen Pneuma, wieder verbindet und in ihr wie in einem Tempel Wohnung nimmt (Orat.
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15,1. 5; zur Thematik der Willensfreiheit siehe Hawthorne 1964 [*498: 171f.]). Wenn die Seele der Weisheit gehorsam ist und so den Geist Gottes an sich zieht (Orat. 13,6), wenn sie die Wahrheit erkannt hat (Orat. 13,1f.), dann wird sie in der Auferstehung die Unsterblichkeit als Überkleidung der Sterblichkeit erlangen (Orat. 20,6; vgl. Daniélou 1973 [*197: II 390–396], Hunt 2003 [*515: 136–139]). «Das Gefieder der Seele», sagt Tatian (Orat. 20,2) mit einer gängigen, auf Platon Phdr. 246c zurückgehenden Metapher, «ist der vollkommene Geist [d. h. der Geist Gottes]», der sie hinauf zur Wohnstätte Gottes führt (Orat. 13,3). Eine deutliche Fortführung über Justin hinaus ist der groß angelegte Altersbeweis, den Tatian nicht nur im Einzelvergleich zwischen vermeintlichen literarischen Abhängigkeiten, sondern auf breiter chronologischer Basis führt (Orat. 31, 36–41; dass Tatian hier in jüdischer Tradition steht, betont Nesselrath 2014 [*478: 179 Anm. 562]). Er geht methodisch überlegt vor, indem er Mose und Homer zu den beiden Eckpunkten der Argumentation macht und auf Zeugnisse aus der eigenen, barbarischen Tradition verzichten will, um die Griechen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen – nachträglich weitet er den Beweis noch auf alle Schriftsteller vor Homer und die griechischen Weisen aus. So ergibt sich, dass «unsere Philosophie älter ist als die Kultur der Griechen» (Orat. 31,1), wobei implizit das gängige Axiom vorausgesetzt ist, dass höchstes Alter Ausweis der Wahrheit ist (vgl. zum Ganzen Grant 1988 [*209: 125ff.], Droge 1989 [*210: 91–101], Pilhofer 1990 [*213: 253– 260]). Auf der Linie Justins liegt weithin auch Tatians Dämonologie, wenngleich einige Teilaspekte moderater erscheinen (Daniélou 1973 [*197: II 430ff.], Hunt 2003 [*515: 133–136], Pouderon 2005 [*229: 194], Timotin in Nesselrath 2016 [*478: 274–286]). Umstritten ist schließlich die Frage, ob sich in seinem erhaltenen Schrifttum häretische Meinungen widerspiegeln (Grant 1954 [*494], Petersen 2005 [*518: 144–152]; anders Elze 1960 [*496: 106–120], Hawthorne 1964 [*498: 164ff.]), doch gelangt eine differenzierende Abwägung zum Urteil, dass sein Werk «von vielfältigen gnostizistischen Tendenzen durchzogen [sc. ist], welche sich im Regelfall und bei wohlwollender Beurteilung noch innerhalb des Rahmens großkirchlicher Rechtgläubigkeit verorten lassen, diesen im Einzelfall jedoch eindeutig verlassen» (Trelenberg 2012 [*477: 219]; vgl. Pouderon 2005 [*229: 196–201]). 4. NACHWIRKUNG
Das Bemerkenswerteste an Tatians Nachwirkung ist der gewaltige Unterschied zwischen der Rezeption in den orientalischen Kirchen und jener in der westlichen, griechisch-lateinischen Kirche. Im Westen wird er «Syrer» genannt, im Osten «Grieche» (Petersen 2005 [*518: 152f.]). Im Westen, wo er seit Irenäus wegen enkratitischer Lehren als Häretiker galt, wurde dennoch sein apologetisches Werk geschätzt, namentlich seine chronologischen Aufstellungen haben Clemens von Alexandrien (Strom. 1,101,2), Origenes (Cels. 1,16) und Eusebios (Hist. eccl. 4,29,7) übernommen. Nicht auszuschließen ist, dass diesen Partien überhaupt die Erhaltung des Textes der ‹Oratio› zu verdanken ist (Pilhofer 1990 [*213: 254]). Entscheidend war, dass schließlich Arethas, der Metropolit des kappadokischen
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Kaisareia, die Schrift in die berühmte, vom Schreiber Baanes 914 fertiggestellte Apologetenhandschrift (Codex Parisinus graecus 451) aufnehmen ließ. Die die ‹Oratio› enthaltenden Quaternionen gingen später verloren, doch existieren vier zuvor gefertigte Abschriften (Trelenberg 2012 [*477: 15–24]). Das ‹Diatessaron› hat im griechisch-lateinischen Bereich eine eher untergeordnete Bedeutung. Während es von Eusebios (Hist. eccl. 4,29,6) – ohne direkte Kenntnis – lediglich genannt wird, berichtet Theodoret (Haer. 1,20), dass er in über 200 Gemeinden seiner Diözese Exemplare aufgefunden habe, die er vernichten ließ. Eine lateinische Version taucht erstmals in der Mitte des 5. Jahrhunderts ohne Verfassernamen und ohne Titel auf, es folgen später Übersetzungen ins Altsächsische, Althochdeutsche, Mittelniederländische und Mittelitalienische (Stemma bei Petersen 1994 [*509: 490]). Genau umgekehrt steht es in den orientalischen Kirchen. Hier, wo Tatians Name zuerst durch eine anonyme syrische Übersetzung der ‹Kirchengeschichte› des Eusebios des 4. Jahrhunderts bekannt wurde, aber seine Rechtgläubigkeit bis zum 10. Jahrhundert nicht beanstandet wurde, basierte seine literarische Reputation ganz auf dem ‹Diatessaron›, während das apologetische Schrifttum unbeachtet blieb. Seit dem Ende des 2. Jahrhunderts avancierte das ‹Diatessaron› zum Standardevangelium der syrischen Kirche; von hieraus verbreitete es sich in armenischen, persischen, georgischen und arabischen Übersetzungen (Stemma bei Petersen 1994 [*509: 490]). Ephräm, der klassische Theologe der syrischen Kirche, verfasste einen Kommentar dazu, der im Original fragmentarisch, in armenischer Übersetzung vollständig erhalten ist (Petersen 1994 [*509: 114–117, 314–319]). Dass das ‹Diatessaron› im 5./6. Jahrhundert aus dem kirchlichen Gebrauch verdrängt wurde, änderte nichts daran, dass der Name Tatians von wenigen Ausnahmen abgesehen im orientalischen Sprachbereich in ehrendem Angedenken blieb (Petersen 2001 [*513: 658f.]). Das neuzeitliche Interesse an Tatian beginnt mit der Editio princeps, die von Conrad Gessner mit lateinischer Übersetzung bei Frosch auer in Zürich 1546 veranstaltet wurde, doch blieb das Urteil, dass er sich in Irrlehren verstrickt habe, nach wie vor für lange Zeit maßgeblich.
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§ 84. Athenagoras (Bibl. 1069–1071)
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§ 84. Athenagoras Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Athenagoras wird im Altertum namentlich nur von Methodios von Olympos erwähnt (Resur. 1,37,1–3 mit Bezug auf Leg. 24,2, im Folgenden nach der Zählung von Schoedel 1972 [*534] zitiert). Von Methodios sind Epiphanios (Haer. 64,28f.) und Photios (Bibl. cod. 234, 293b) abhängig, während der Kirchenhistoriker Eusebios von Caesarea ihn auffälligerweise nicht nennt. Die aus Philippos Sidetes exzerpierten Nachrichten des Codex Baroccianus 142 (PG 39, 229 = Theodoros Anagn. Hist. eccl. p. 160 Hansen) sind konfus und historisch fragwürdig. Diesen zufolge habe Athenagoras an der Spitze der platonischen Akademie – offenbar in Athen – gestanden, habe jedoch beim Versuch, das Christentum zu widerlegen, sich zum christlichen Glauben bekehrt, sei aber Philosoph geblieben und habe seine Bittschrift für die Christen an Hadrian und Antoninus Pius (sic) gerichtet; er sei später der erste Leiter der alexandrinischen Katechetenschule geworden, wo Clemens von Alexandrien sein Schüler und dessen Schüler wiederum Pantainos (sic) waren. In der Regel wird dieser verworrene Bericht mit gutem Grund ganz beiseitegelassen, es bleiben als zuverlässige Aussagen über seine Person neben der Notiz des Methodios allein die Angaben am Anfang seines Werkes übrig. Die möglicherweise (siehe Harnack 1897 [*186: II 1,317f. Anm. 4]) sekundäre Überschrift der Bittschrift bezeichnet ihn als Athener und als christlichen Philosophen, und das Präskript nennt als Adressaten die Kaiser Marcus Aurelius und Lucius Aurelius Commodus, was in die Zeit zwischen 176 und 180, wahrscheinlich auf das Jahr 177 führt (Marcovich 1990 [*535: 1ff.], Pouderon 1992 [*536: 23ff.]). Zur bedrohlichen Zeitstimmung, die durch gesteigerte antichristliche Repressalien und vermehrte Verurteilungen aufgrund des ‘nomen ipsum’ seitens der staatlichen Behörden gekennzeichnet ist, passt der Inhalt der Schrift genau (Marcovich 1990 [*535: 1ff.]). Darüber hinaus ist von Athenagoras nichts Sicheres bekannt, doch sucht Pouderon 1989 [*585: 19–35] und 1993 [*589] (unterstützt von Heimgartner 2001 [*281: 230ff.]), dem Bericht des Codex Baroccianus ein paar historisch verwertbare Teilinformationen, insbesondere einen alexandrinischen Aufenthalt des Athenagoras betreffend, abzugewinnen.
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
2. WERKE
‹Legatio pro Christianis› Πρεσβεία περὶ Χριστιανῶν – ‹Bittschrift für die Christen› (Leg.)
‹De resurrectione mortuorum› Περὶ ἀναστάσεως νεκρῶν – ‹Über die Auf erstehung der Toten› (Resur.)
Zum Titel πρεσβεία = ἐντεύξις = ‘Bittschrift’ vgl. Kienast 1973 [*568: 594], zu Datierung und Adressaten siehe oben. Das Werk ist «essentially a rewriting of Justin’s (first) Apology in more intellectually respectable terms» (Parvis 2007 [*597: 123]; eine Auflistung der Gemeinsamkeiten mit Iust. 1. Apol. findet sich bei Pouderon 1989 [*585: 348ff.]). Es ist wie jene eine förmliche Eingabe, die entscheidende literarische Elemente eines ‘libellus’ wie Adresse (Leg. inscr.), Klage (Leg. 1–2) und Petition um kaiserliche Intervention (Leg. 37) aufnimmt, jedoch nicht auf der Ebene einer privaten Eingabe wie ein ‘libellus’ angesiedelt ist, sondern sich als eine solche einer Gesandtschaft eines Gemeinwesens (κοινόν) bzw. einer öffentlichen Körperschaft präsentiert (vgl. Kinzig 1989 [*211: 305], Parvis 2007 [*597: 123]). Das entspricht natürlich de facto nicht dem rechtlichen Status der illegalen Christengemeinde, der das Privileg, Gesandtschaften zu stellen, gar nicht zukam, doch genau darin liegt die Absicht der Eingabe, eine gesetzliche Gleichbehandlung der Christen mit den anderen Religionen des Reiches zu erzielen. Die generell vom Staat konzedierte religiöse Toleranz muss auch für die Christen gelten; strafrechtlich relevant dürfen nur kriminelle Vergehen sein, aber nicht der bloße Name der Christen (1,1–3; 2,1f. 4). Wo hingegen Verbrechen nachgewiesen werden, sei die strikteste Ahndung zu fordern (2,1). Deshalb weist Athenagoras in seiner klar disponierten Bittschrift die drei im Volk kursierenden hauptsächlichen Verleumdungen gegen die Christen, nämlich Atheismus, Inzest und Kannibalismus, zurück, um eine gesetzlich garantierte Gleichstellung der Christen mit den anderen religiösen Kulten zu erwirken. Die beiden letzteren Vorwürfe werden nur kurz abgetan (31,1–36,3), auf den ersten geht Athenagoras jedoch sehr ausführlich ein (3,1–30,6), indem er sowohl die philosophisch-theologischen Fundamente der christlichen Lehre (4,1– 12,4) als auch die Gründe für die christliche Ablehnung der paganen Kulte (13,1–30,6) behandelt (detaillierte Inhaltsangaben bei Marcovich 1990 [*535: 3–14] und Pouderon 1992 [*536: 65–68]); die These von Malherbe 1969 [*557], dass sich der Aufriss von Leg. 4–12 strukturell mit dem ‹Didaskalikos› des Alkinoos berührt, vermag nicht voll zu überzeugen (vgl. Pouderon 2005 [*229: 209f.]).
Am Ende der Bittschrift erklärt Athenagoras, er wolle den Περὶ ἀναστάσεως λόγος zurückstellen (Leg. 37,1), was wahrscheinlich als Ankündigung einer eigenen Abhandlung zum Thema zu werten ist. Tatsächlich findet sich im Codex Parisinus graecus 451 im direkten Anschluss an die Bittschrift ein Traktat unter diesem Titel, doch ist dessen Authentizität umstritten. Die einen sehen unüberwindliche Schwierigkeiten, die gegen die Echtheit sprechen, in der unklaren handschriftlichen Überlieferung der Überschrift, in einem angeblich abweichenden Sprachgebrauch der anthropologischen Leitbegriffe und in vermeintlich einer späteren Zeit angehörigen Sachaussagen (Grant 1954 [*553], Schoedel 1972 [*534: XXV–XXXII], Gallicet 1976 [*572] und 1977 [*574], Lona 1989 [*584] und 1990 [*586], Zeegers-Vander Vorst 1992 [*588] sowie Heimgartner 2001 [*281: 203– 230], der Ps.-Justins Fragment Resur. als das in Leg. 37,1 angekündigte Werk erweisen möchte). Andere weisen darauf hin, dass die gegen die Echtheit vorgebrachten Argumente allesamt nicht zwingend sind, dass dabei der spezielle Adressatenkreis nicht hinreichend berücksichtigt ist und dass das Vokabular und der Stil große Ähnlichkeiten mit der Bittschrift aufweisen (Rauch 1968 [*556], Barnard 1972 [*567: 28–32], Vermander 1978 [*575], Barnard 1984 [*577], Hällström 1988 [*581], Pouderon 1986 [*578], 1987 [*580], 1997 [*593: 71–144] und 2005 [*229: 210–214]), wieder andere lassen die Entscheidung in der Schwebe (Marcovich 2000 [*537: 3], Pilhofer 32002 [*596: 77]). Wenn man an der Echtheit festhalten möchte, was durchaus berechtigt ist (vgl. Rankin 2009 [*598: 17–40]), dann liegt eine Abfassungszeit nicht lange nach der Bittschrift nahe. Die stringent gegliederte Abhandlung enthält zwei Teile: Zuerst begründet Athenagoras gegen jene, welche die Wahrheit in Zweifel ziehen, die Möglichkeit der Auferstehung (ὑπὲρ τῆς ἀληθείας) mit der Allmacht und dem Willen Gottes (Resur. 1,1–11,2), sodann entfaltet er für jene, welche die Wahrheit gern annehmen, die Wirklichkeit der Auferstehung (περὶ τῆς ἀληθείας) mit vier Argumenten, und zwar zur αἰτία («Ursache») für die Entstehung des Menschen, zur κοινὴ φύσις («gemeinsame Natur») aller Menschen, zur κρίσις («Gericht
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[sc. Gottes über die Menschen]») und zum τέλος («Lebensziel»; Resur. 11,3–25,5 mit Dispositionsangaben in 11,7; 13,3; 14,5; 15,2f.; 18,1f.; 24,1). Athenagoras hat mit seinen Ausführungen einen weiten Adressatenkreis im Auge. Das Werk dient der Auseinandersetzung mit paganen Gegnern und philosophischen Kritikern wie etwa Kelsos und Galen (Vermander 1978 [*575], Hällström
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1988 [*581], Zeegers-Vander Vorst 1995 [*591]), aber ebenso der Auseinandersetzung mit heterodoxen Christen (Pouderon 1995 [*590]). Zugleich will der Autor angesichts innerkirchlicher Diskussionen um die Auferstehungslehre (vgl. Resur. 14,6) für Kirchenchristen eine rationale Begründung der Auferstehungshoffnung unterbreiten (Pouderon 1989 [*585: 98–110]).
3. LEHRE
Unter den frühchristlichen Apologeten ist Athenagoras der philosophisch Versierteste (vgl. Pouderon 2005 [*229: 208f.]). Er ist nicht nur im Bildungswissen seiner Zeit und in der philosophischen Tradition gut bewandert, sondern vermag auch die christliche Glaubensposition, gründlicher als es seine Vorgänger taten, mit eigenen rationalen, philosophischen Argumentationen zu entfalten. Seine kulturgeschichtlichen und philosophischen Kenntnisse – Dichter und Philosophen stehen für ihn gleichrangig nebeneinander (Leg. 5,1; 7,2; 24,1) – verdankt zwar auch er weitgehend sekundären Quellen (Florilegien, Doxographien, Kompendien), woraus er gar keinen Hehl macht (Leg. 6,2; 23,3), doch beweist er bei der Auswahl eigentlich immer eine glückliche Hand (siehe Aëtios’ ‹Placita› bzw. ein verwandtes Werk in Leg. 6,1. 3f.; 16,1; 23,4f.; 25,2) und kann mit seinem Material sachgerecht umgehen. Er wendet auch auf den Wortlaut seiner Zitate einige Mühe und kann sogar bisweilen mit ganz seltenen Nachrichten aufwarten (in Leg. 28,6 eine der frühesten Bezeugungen des ‹Corpus Hermeticum›; vgl. zum Ganzen die Aufstellungen bei Keseling 1950 [*552: 883–888], Grant 1988 [*209: 103–105], Pouderon 1989 [*585: 324–344], Marcovich 1990 [*535: 118f.]). In einzelnen Fällen darf man vielleicht sogar annehmen, dass er die Originalschriften zur Hand genommen hat (so Barnard 1972 [*567: 43f.], Grant 1988 [*209: 104f.], Pouderon 1989 [*585: 338–341] mit Blick auf einige Dialoge Platons, eventuell ‹Timaios›, und mit Blick auf Herodot, Buch 2, den ‘Ägyptischen Logos’, in Leg. 28,1–6. 8–10, während Geffcken 1907 [*164: 174f., 192, 212, 223] jegliche Originallektüre in Abrede stellt). All seine von echter Wertschätzung durchdrungene Bildung setzt er nun ein, um die Christen vom Vorwurf des Atheismus freizusprechen und den paganen Polytheismus aus antiken Zeugnissen selbst zu widerlegen; denn schon dort, betont er, habe man Anstoß genommen an den Anthropomorphismen, an der Immoralität und Monstrosität der Göttermythen, an der Nichtigkeit der Götterkulte, und man habe erkannt (Leg. 24,1), dass die paganen Götter nach der epikureischen Theorie nichts anderes als Phantasiebilder (εἴδωλα, φαντασίαι: Leg. 27,1f.), nach der stoischen Theorie nichts anderes als allegorisierte Naturgewalten bzw. Naturelemente (Leg. 22,1–7) oder nach der euhemeristischen Theorie nur verstorbene Menschen (Leg. 28,1–30,3) seien, hinter denen freilich die Wirksamkeit der Dämonen steht (zum Ganzen Pouderon 1989 [*585: 305–315]). Gleichwohl vermochten die griechischen Dichter und Philosophen sich nicht konsequent vom paganen Religionswesen frei zu machen. Zwar haben sie, da sie infolge einer ‘Sym-
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pathie/Affinität’ mit dem Hauch Gottes angeregt waren (Leg. 7,2: κατὰ συμπάθειαν τῆς παρὰ τοῦ θεοῦ πνοῆς, vgl. Gen. 2,7; das scheint analog zu Justins Konzeption von den σπέρματα τοῦ Λόγου, «Samen des Logos», zu sein, vgl. Daniélou 1973 [*197: II 44 Anm. 14], May 1978 [*205: 140 Anm. 104], Rankin 2009 [*598: 84]), so weit als möglich die Einzigkeit Gottes angenommen (Leg. 5,1; 6,2; 7,1; 24,1). Aber sie sind an diese Fragen nur vermutungsweise (στοχαστικῶς) herangetreten, sie konnten die Wahrheit nur in Umrissen, nur annäherungsweise denken (περι νοῆσαι), wirklich gefunden haben sie das Sein nicht. Ihre Erkenntnis war nur eine partielle und nur eine wahrscheinliche (zu πιθανός vgl. Leg. 24,6 Mss.), weil jeder es für richtig hielt, nicht von Gott über Gott, sondern von sich selbst zu lernen (Leg. 7,2), und alle insofern dem irdischen Bereich verhaftet blieben (Malherbe 1970 [*561: 218–221], Pouderon 2005 [*229: 225]). Letzlich resultiere daher auch ihre Uneinigkeit (Leg. 7,2). Selbst Platon, der für Athenagoras eine einzigartige Sonderstellung einnimmt, der doch sogar von der Trinität eine Vorahnung hatte (Leg. 23,7 mit Plat. Ep. 2, 212d–e; vgl. Iust. 1. Apol. 60,7), sei von solchen Halbheiten nicht ausgenommen gewesen. Er konnte die Götter des Volksglaubens unmöglich anerkennen und wusste dennoch, dass er die ungebildeten Volksmassen nicht würde umstimmen können, deshalb wich er dem Zwiespalt aus und erklärte, dass eine Erklärung der untergeordneten Dämonen über seine Kräfte ginge (Leg. 23,5– 10 mit Plat. Tim. 40d–e und Plat. Phdr. 246e). Dass es in der paganen Vergangenheit vor Christus Christen gegeben habe, wie es Justin annahm, lässt Athenagoras offensichtlich nicht gelten (Barnard 1972 [*567: 44], Grant 1988 [*209: 105]). Anders dagegen steht es für ihn mit der Erkenntnis der Christusgläubigen; diese ist volle und sichere Wahrheitserkenntnis (Leg. 24,6), denn sie orientiert sich nicht an Menschenmeinungen, sondern beruht auf göttlicher Offenbarung. Deren Zeugen sind die Propheten, die vom göttlichen Pneuma inspiriert über Gott und das Göttliche gesprochen haben (Leg. 7,3). Athenagoras teilt die verbreitete antike Inspirationsvorstellung, wonach der Geist Gottes bzw. der prophetische Geist den in Ekstase versetzten Propheten unter Ausschaltung ihrer eigenen Überlegungen den Mund bewegt habe, wie ein Flötenspieler die Flöte bläst, und sie nur äußerten, was sie durch seine Einwirkung empfangen haben (Leg. 7,3; 9,1). Keinesfalls meint er, dass die Offenbarung unvernünftig wäre. Was die Propheten vermittelt haben, wird von den Christen aufgenommen im Glauben und in rationaler Überlegung (Leg. 7,3: νοοῦμεν καὶ πεπιστεύκαμεν), d. h. der christliche Glaube ist auf rationale Durchdringung angelegt, wie umgekehrt vernünftige Überlegungen der Bestätigung durch die Offenbarung bedürfen (Leg. 9,1: die Propheten πιστοῦσιν ἡμῶν τοὺς λογισμούς, «beglaubigen unsere Überlegungen»). Ihm geht es darum, den Glauben auf der Grundlage der Offenbarung rational zu entfalten und gleichzeitig damit das konsequent umzusetzen und weiterzuführen, was die besten Stimmen des griechischen Kulturerbes im Ansatz schon sagen wollten (vgl. Leg. 19,2). Den ersten Schritt in diese Richtung vollzieht Athenagoras, indem er den Gottesbegriff in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen philosophischen Prinzipiendiskussion (Leg. 7,1: αἱ ἀρχαὶ τῶν ὅλων, «die Prinzipien des Alls»; 18,4; 19,1; vgl. Leg. 7,2: περὶ θεοῦ καὶ περὶ ὕλης καὶ περὶ εἴδων καὶ περὶ κόσμου, «über Gott, über die Materie, über die Ideen, über den Kosmos») aus dem Gegensatz von Gott
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und Materie bestimmt. Zwischen beiden bestehe ein gewaltiger Unterschied: Das Göttliche ist ungeworden (ἀγένητον), immerwährend (ἀΐδιος) und allein mit dem Verstand erfassbar, die Materie aber ist geworden (γενητή) und vergänglich (φθαρτή; Leg. 4,1; 15,1; 19,1). Nach diesen Kriterien, die er bei Platon und mit Einschränkungen auch bei Aristoteles bestätigt sieht (Leg. 6,2f. mit Plat. Tim. 28c, 41a–b; Leg. 19,2 mit Tim. 27d; Leg. 16,4 mit Polit. 269d), mustert er kritisch die Prinzipienlehre des Pythagoreers Philolaos (Leg. 6,1), des Empedokles (Leg. 22,1–3) und des Orpheus (Leg. 18,3) sowie der Stoiker (Leg. 6,4; 19,3; 22,4f.) durch, mit dem Ergebnis, dass die Materie nicht den Rang eines Prinzips haben kann und es nur ein einziges Prinzip, den einen einzigen Gott und Schöpfer, geben kann (Leg. 15,3; vgl. zum Ganzen Rankin 2010 [*601]). Diese Position wird Athenagoras jedoch nicht konsequent durchhalten (weitere gängige philosophische Gottesprädikate in Leg. 8,3; 10,1; 13,2; 16,3; 22,6f.; vgl. Pouderon 1989 [*585: 118– 123]; besonders bemerkenswert sind Leg. 10,3 νοῦς ἀΐδιος, «ewiger Geist», und Leg. 24,2 und 26,2 τὸ ἀγαθόν, «das Gute», als wesenhafte Eigenschaft Gottes). Der zweite Schritt, den Athenagoras unternimmt, um den Glauben auch rational zu bekräftigen, besteht darin, dass er die Einzigkeit Gottes zu beweisen sucht, indem er mit vorgegebenen Argumentationsmustern hypothetisch erwägt, ob eine Mehrzahl von Göttern in einem und demselben Sein (ἐν ἑνὶ καὶ ταὐτῷ) bestehen könnte oder nicht, bzw. wo ein anderer Gott oder andere Götter ihren Ort (τόπος) haben könnten und welche Konsequenzen sich aus den jeweiligen Annahmen ergeben würden, was jeweils zu einer ‘reductio ad absurdum’ führt (Leg. 8,1–5, unterschiedlich interpretiert von Malherbe 1970 [*563], Barnard 1972 [*567: 90], Grant 1988 [*209: 107], Pouderon 1989 [*585: 125–130], Rankin 2009 [*598: 94ff.]). Als letzten Schritt in dieser Gedankenfolge skizziert Athenagoras die Grundrisse der Trinitätslehre in einer gegenüber Justin weiter entwickelten Begrifflichkeit (Leg. 10,1–4). Indem er den Glauben an Gott-Vater, Gott-Sohn und den Heiligen Geist artikuliert, betont er mit gleichem Gewicht sowohl die Einheit Gottes als auch die Unterscheidung der trinitarischen Personen: Sie sind eins vermöge ihrer Macht (δύναμις; dazu Barnard 1972 [*567: 97f.], Giunchi 1998 [*594]: ein von Justin abweichender, originärer Wortgebrauch), sie sind aber unterschieden durch ihre Ordnung (τάξις; Leg. 10,5; 24,2). Zugleich berücksichtigt Athenagoras ihre wechselseitigen Beziehungen (vgl. Leg. 12,3): Der Sohn ist Gottes Wort (λόγος), Gottes Vernunft (νοῦς) und Gottes Weisheit (Leg. 10,3; 24,2), er ist das Erst-Erzeugte des Vaters (πρῶτον γέννημα), das der Vater als ewige Vernunft von Anfang an in sich hat und das hervortritt, um als ideales Paradigma und schöpferische Wirksamkeit in Beziehung zur Welt zu fungieren (Leg. 10,2. 3: ἰδέα καὶ ἐνέργεια; dazu Schoedel 1972 [*534: 21 Anm. 2]: Verknüpfung eines platonischen und eines aristotelischen Konzeptes; eventuell steht die mittelplatonische Theorie von den Ideen als Gedanken Gottes im Hintergrund: Daniélou 1973 [*197: II 348]). Der Logos ist demnach Schöpfungsmittler (vgl. Leg. 4,2). Der Heilige Geist ist eine Emanation Gottes (ἀπόρροια), die ausfließt und zurückfließt wie ein Sonnenstrahl (Leg. 10,4; 24,2) und die Einheit und Gemeinschaft der Trinität gewährt (Leg. 10,2: der Sohn ist im Vater und der Vater im Sohn ἑνότητι καὶ δυνάμει πνεύματος [«durch Einheit und Kraft des Geistes»]; Leg. 12,3: κοινωνία; vgl. Malherbe 1969
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[*559]). Indessen bleiben, so schlüssig die trinitätstheologische Terminologie auch scheinen mag, offene Punkte. Sie betreffen die kontrovers diskutierten Fragen, ob Athenagoras die Logoslehre nach einem Zwei-Stufen-Modell – der Logos zunächst als unpersönliche Eigenschaft Gottes und in einem zweiten Stadium als selbständige Existenz – konzipiert hat, ob der Begriff τάξις («Ordnung, Stellung»: Leg. 10,5) einen Subordinatianismus impliziert und ob es Athenagoras gelungen ist, die Funktionen des Logos und des Heiligen Geistes klar von einander abzuheben (Barnard 1972 [*567: 98–103], Schoedel 1980 [*576: 364], Pouderon 2005 [*229: 215ff.]). Angesichts seines strikten Prinzipienmonismus wäre es konsequent, wenn Athenagoras die ‘creatio ex nihilo’ lehrte. Davon spricht er aber nicht, stattdessen beschreibt er wie selbstverständlich die Erschaffung des Alls ganz in Übereinstimmung mit der mittelplatonischen Position als bloße Gestaltung der vorgegebenen, ungeordneten und qualitätslosen Materie (May 1978 [*205: 140f.]). Die all aufnehmende (vgl. Plat. Tim. 51a) Materie hat Gott, einem ‘Töpfer’ vergleichbar (Leg. 15,2), durch den Schöpfungsmittler, seinen Logos-Sohn, in die differenzierte Gliederung, Gestalt und Geordnetheit der Welt überführt (Leg. 10,3; 15,2f.; 19,4; Resur. 3,2). Daneben finden sich Anklänge an den biblischen Schöpfungsbericht (Leg. 13,2). Auch die Erhaltung und Lenkung der Welt beschreibt Athenagoras in Anlehnung an die philosophische Terminologie seiner Zeit. Gott ist es, der das All zusammenhält, es lenkt und mit seiner Weisheit und Kunst überschaut (Leg. 4,2; 5,2: ἡνιοχεῖται; 6,2; 8,5; 10,1: συγκρατεῖται; 13,3: συνέχοντα καὶ ἐποπτεύοντα […] ἐπιστήμῃ καὶ τέχνῃ), wobei die Vermittlung dieser Wirksamkeit bald dem Logos-Sohn, bald dem Heiligen Geist beigelegt wird (Pouderon 1989 [*585: 216–221, 224–227], Rankin 2009 [*598: 135f.]). Auf dieser Linie preist Athenagoras die Schönheit und Kunstgestalt des Kosmos, die im Sinne des kosmologischen Gottesbeweises zur Verehrung des alleinigen Schöpfers führen müssen (Leg. 15,3– 16,3). Auch die mittelplatonische Lehre der dreifach gestuften Providenz findet sich in ähnlicher Form bei Athenagoras wieder. Ausgeschlossen ist, dass alles dem blinden Zufall unterworfen sei (Leg. 25,3). Athenagoras unterscheidet die allumfassende und allgemeine Fürsorge, die Gott für alles, was er geschaffen hat, ausübt (Leg. 24,3; 25,2; Resur. 18,2f.), die individuell-partikuläre Fürsorge, die Gott den dazu erschaffenen Engeln anvertraut hat und die sich auf die in Anbetracht ihrer Willensfreiheit Würdigen erstreckt (Leg. 24,3; 25,2), und die Fürsorge für alles Weitere, die er nach dem Natur- bzw. Vernunftgesetz gemäß der allgemeinen Konstitution der Dinge walten lässt (Leg. 25,2, zum Ganzen zutreffend Schwartz 1891 [*532: 127ff.]; Pouderon 1989 [*585: 142–148] spricht von «les deux Providences»; anders interpretiert Schoedel 1972 [*534: XVII Anm. 27]). Barnard 1972 [*564] und 1978 [*204: 386] hat Athenagoras mit Blick auf die Auferstehungsschrift «den Vater der christlichen Anthropologie» genannt. Er ist der erste christliche Autor, der über die biblischen Daten hinaus systematisch von der philosophischen Fragestellung nach Ursache und Ziel der Erschaffung des Menschen ausgeht (Resur. 14,1) und sachlich zu einem prononcierten Verständnis der Konstitution des Menschen gelangt. Dieses baut auf Grundgegebenheiten der griechischen Anthropologie auf, ist aber in wichtigen Punkten modifiziert durch
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christliche Faktoren, namentlich durch Implikationen der leiblichen Auferstehungshoffnung. In erster und allgemeiner Hinsicht, so Athenagoras zum ἀπὸ τῆς αἰτίας λόγος («Argument von der Ursache»: Resur. 12,1), hat Gott den Menschen um seiner eigenen Gottheit willen und zum Erweis seiner Güte und Weisheit geschaffen. In näherer Hinsicht hat er ihn geschaffen, weil er dessen Leben will, und zwar ein angesichts seiner spezifischen Gaben, die ihn von vernunftlosen Wesen unterscheiden, immer währendes Leben (Resur. 12,5). Seiner Natur nach (κατὰ φύσιν λόγος: Resur. 13,3) existiert er als Kompositum (σύστασις: Resur. 15,2; 21,2; τὸ συναμφότερον, «das Beides-zusammen»: Resur. 18,4. 5; 25,2) von unsterblicher Seele und vergänglichem Leib – nicht aus der Seele für sich, nicht aus dem Leib für sich, sondern aus beiden zusammen als ein Lebewesen (ἕνωσις, «Vereinigung»: Resur. 15,2. 3). Die Enstehung der Seele scheint Athenagoras sich als eine Entwicklung – wie beim Wachstum des Körpers (Resur. 17,2f.) – vorzustellen, die im Mutterleib beginnt, aber noch darüber hinaus andauert (vgl. Leg. 35,6; dazu Pouderon 1989 [*585: 165], Karamanolis 2013 [*237: 199]). Dieses Kompositum, das körperliche wie geistige Affektionen erleidet, das geistige wie körperliche Handlungen ausführt (Resur. 15,2. 5f.; 18,4f.), ist ausgestattet mit Vernunft und Urteilskraft (Resur. 12,6; 15,5f.; 18,4), wozu auch die Willensfreiheit gehört (Leg. 24,3; Resur. 18,4). Während vom Leib die Begierden und Triebe ausgehen (Resur. 21,2. 4: πρωτοπαθεῖ τὸ σῶμα, «als erster wird der Körper affiziert»; die vier stoischen Affekte als Einwirkungen des Leibes auf die Seele: 18,5), kommt es der Seele zu, den Leib zu regieren (Leg. 36,2; Resur. 12,8; 15,7; 18,5; 21,3); beides geht in eins zusammen (Resur. 21,5. 8). Von diesem so beschaffenen Doppelwesen heißt es, ἐν ἑαυτοῖς ἀγαλματοφοροῦντες τὴν ποιητήν (Resur. 12,6), d. h. die Menschen tragen ein Bild Gottes ihres Schöpfers in sich, womit offensichtlich die Gottebenbildlichkeit nach Gen. 1,26 umschrieben ist (zur Wortwahl siehe Schwartz 1891 [*532: 92f.], Runia 1992 [*587]). Darüber hinausgehende Erläuterungen gibt Athena goras nicht (vgl. zum Ganzen Barnard 1972 [*564: 258ff.]). Das Ziel (τὸ τέλος), zu dem der Mensch bestimmt ist, kann nur ein solches sein, das für den ganzen Menschen in seiner leiblich-seelischen Doppelnatur gilt (Resur. 25,1. 3). Als dieses bestimmt Athenagoras, ewig zu leben und sich unaufhörlich der Schau Gottes, des Gebers und seiner Gebote (? oder zu lesen δεδομένων, «seiner Gaben», Pouderon 1992 [*536: 314 App.], statt des überlieferten δεδογμένων, «dessen, was beschlossen ist») zu erfreuen (Resur. 25,4; 12,6). Dieses Ziel kann aber weder im irdischen Leben erlangt werden, was evident ist (Resur. 25,2; 12,6), noch im postmortalen Zustand, weil der als natürlicher Einschnitt angesehene Tod (Resur. 16,3; 17,1. 3: φυσικὴ ἀκολουθία) die Trennung der beiden Bestandteile des Menschen bedeutet (Resur. 16,4. 6; 19,4), was die Erlangung der Endbestimmung unmöglich macht (Resur. 25,2). Zudem vergeht der Leib und löst sich in seine Elemente auf (Resur. 18,5), und die abgetrennte Seele, obschon unsterblich, verliert wie in einer Art Tiefschlaf Sensibilität und Bewusstsein für sie umgebende Zustände und ihr eigenes Leben (Resur. 16,5 mit Anspielung auf Hom. Il. 16,682 [sachlich übereinstimmend Leg. 12,3]; dazu Pouderon 1989 [*585: 167]). Nur die Wiederverbindung der beiden getrennten Teile in der leiblichen Auferstehung schafft die Möglichkeit, dass die Bestimmung des Menschen erfüllt wird (Resur. 25,3f.).
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Auferstehung heißt für Athenagoras, dass der individuelle Mensch in dem leiblich-seelischen Kompositum, das er persönlich in seinem irdischen Leben war, wiederhergestellt wird, indem sein verwester Leib in allen Elementen wieder versammelt, mit seiner Seele wieder verbunden und zu neuem, unvergänglichem Leben erweckt wird (Leg. 36,3; Resur. 2,3; 8,4; 15,3; 25,3). Insofern ist der Tod eine temporäre Unterbrechung des Lebenszusammenhangs (Resur. 16,4. 6) und die Auferstehung die letzte, entscheidende Transformation im Leben eines Menschen (μεταβολή: Resur. 12,8f.; 16,2). Während dabei die substantielle Kontinuität (διαμονή) in einer der Natur des Menschen als Doppelwesen entsprechenden Weise gewahrt bleibt (Resur. 16,3), begreift dieser Moment einen qualitativen Wandel in sich, dergestalt dass das Verwesliche mit Unverweslichkeit bekleidet wird (I. Cor. 15,53 in Resur. 3,2; 18,5). Als weiterführende Explikation dieses Motivs der Bekleidung mit Unverweslichkeit ist es zu verstehen (vgl. Schoedel 1972 [*534: XXVII]), wenn Athenagoras erklärt, dass das Auferstehungsleben ein besseres als das irdische sein wird (Leg. 12,3: κρείττονα […] βίον; 31,4: βίον ἀμείνονα; Resur. 12,9: πρὸς τὸ κρεῖττον), ein himmlisches Leben, in welchem die Gerechten bei Gott und mit Gott sein werden und, in ihrer Seele fest und unbeirrt, nicht mehr Fleisch bleiben, obwohl sie Fleisch noch haben, sondern himmlischer Geist sein werden (Leg. 31,4, mit I. Cor. 15,44–49 im Hintergrund; Resur. 7,1: der Auferstehungsleib wird keiner Nahrung mehr bedürfen), wie es der Bestimmung des Menschen entspricht (Pouderon 1989 [*585: 180–187]). Anders steht es natürlich mit denen, die, nachdem sie auferstanden sind, im Gericht der ewigen Strafpein im Feuer überantwortet werden (Leg. 31,4; 36,2; Resur. 18,5). Einwänden gegen die Möglichkeit der Auferstehung tritt Athenagoras mit dem Hinweis auf Gottes Willen und Gottes Allmacht entgegen (Resur. 2,1–11,2; vgl. Karamanolis 2013 [*237: 213]), wobei er besondere Aufmerksamkeit dem polemisch vorgebrachten Problem der «chainconsumption» (Resur. 4,1–4; vgl. Leg. 36,1) widmet. Hier greift er – erstmals in der christlichen Theologie – in umfangreichem Maße auf medizinisches Wissen zurück, das enge Parallelen bei Galen hat, um durch die Beschreibung der Verdauungsvorgänge zu zeigen, dass für fremde Organismen menschliche Substanzen nicht assimilierbar sind (Resur. 5,1–8,5; dazu Pouderon 1988 [*582]). Im Zentrum von Athenagoras’ Ethik steht die Bergpredigt als höchste normative Instanz. Er vertritt kompromisslos hohe Forderungen an die Reinheit des Lebens, die sich in strikter Abkehr von weltlichen Vergnügungen (Leg. 35,4–6) und strenger Sexualmoral (Leg. 32,2 mit Mt. 5,28; 34,3; 33,6: zweite Ehe ist verdeckter Ehebruch) äußern. Größtes Gewicht hat für ihn das Gebot der Feindesliebe (Lc. 6,27f.; Mt. 5,44f. in Leg. 11,2; 12,3; zum Gedankengang vgl. Geffcken 1907 [*164: 183f.]; ferner Mt. 5,39f.; Lc. 6,29 in Leg. 1,4; 11,4; zum Ganzen Heil 2010 [*600]). Die Erwartung einer jenseitigen Vergeltung (Leg. 12,1; 31,4; 36,1–3), verbunden mit der Überzeugung von der göttlichen Allwissenheit (Leg. 31,4) und der Entschlossenheit, das Leben an Gott wie an einer Richtschnur zu orientieren (Leg. 31,4: ὡς πρὸς στάθμην), gibt seinen ethischen Ausführungen bekennerhafte Gewissheit. Demgegenüber begegnen philosophische Motive eher nur am Rande, und es sind nicht die Zentralbegriffe der griechischen Ethik, die er zur Kennzeichnung der christlichen Lebensführung benutzt, sondern da spricht er von einem
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«maßvollen, menschenfreundlichen und unscheinbaren Leben» (τὸν μέτριον καὶ φιλάνθρωπον καὶ εὐκαταφρόνητον βίον: Leg. 12,1) oder von einem «sanftmütigen, menschenfreundlichen und rechten Leben» (τοῦ πράου καὶ φιλανθρώπου καὶ ἐπιεικοῦς βίου: Leg. 12,1). Die auch philosophisch gebräuchlichen Begriffe wie φιλανθρωπία («Menschenfreundlichkeit») oder παρρησία («Freimütigkeit in der Rede») versteht er im ersteren Fall als Umschreibung der christlichen Tugend par excellence (Heil 2010 [*600: 239f.]) und im zweiten im Sinne nicht nur der freimütigen Rede, sondern auch des offenen Erweises der Wohltaten der Christen durch ihre Werke (Leg. 11,3f.; 12,3; vgl. Malherbe 1969 [*558]). Spuren philosophischer Ethik sind ferner die vier Kardinaltugenden und die vier seelischen Affekte, die er jeweils auf den ganzen Menschen bezieht (Resur. 18,5; 22,3–5), der νόμος φύσεως bzw. ἔμφυτοι νόμοι im Sinne der allen Lebewesen eingepflanzten sittlichen Normen (Leg. 3,1; Resur. 13,1; vgl. Pouderon 1989 [*585: 227ff.]). Doch von εὐδαίμων («glückselig») spricht er nur als nicht realisiertem Anspruch des Unterrichts der Sophisten (Leg. 11,3), und wenn die Rede ist vom uralten Kampf des Bösen gegen die Tugend (Leg. 3,2; 31,2), so steht im Hintergrund die jüdisch-christliche Dämonenlehre, die sich bei ihm ebenso wie bei Justin findet (Leg. 24,2. 5f.; 25,1. 3). Dennoch durchzieht die gesamten ethischen Ausführungen ein latenter Duktus in der Wendung nach oben, der sich nicht weniger aus dem Platonismus als aus urchristlichen Traditionen speist. Denn der Aufwärtsorientierung zu Gott hin entspricht die Lossagung von der materiellen Sphäre, welcher der Mensch verhaftet bleibt, wenn er sich auf materielle Dinge fixiert (Leg. 22,12), wenn er sich dem Herrscher über die Materie, d. h. dem Teufel und seinen Dämonen, überlässt (Leg. 24,2: τὸ περὶ τὴν ὕλην ἔχον πνεῦμα; 24,5: ὁ τῆς ὕλης […] ἄρχων; 27,1: ὑλικὸν πνεῦμα), wie es im paganen Kultwesen manifest wird. Eine solche Seele vermag nicht das Irdische zu überschreiten (Leg. 22,12: ὑπερκύψαι […] οὐ δυνάμενοι, vgl. Plat. Phdr. 249c3), nicht auf das Himmlische und den Schöpfer aufzuschauen, sondern nur noch abwärts zu blicken, und sie ist gleichsam nur noch Fleisch und Blut (I. Cor. 15,50), aber nicht mehr reiner Geist (Leg. 22,12; 27,1). 4. NACHWIRKUNG
Im Altertum ist Athenagoras nur von Methodios, Epiphanios und Photios im Zusammenhang mit der Thematik vom Teufel und der Vorsehung erwähnt worden. Ob es außerdem eine stillschweigende Benutzung gegeben hat, lässt sich nicht strikt nachweisen. So setzt eine erkennbare Wirkungsgeschichte erst mit der von Arethas, Metropolit von Kaisareia in Kappadokien, in Auftrag gegebenen Niederschrift des Codex Parisinus graecus 451 durch den Schreiber Baanes im Jahr 914 ein. Von diesem Codex sind im 11. bis 14. Jahrhundert vier Abschriften angefertigt worden, von denen zwei wiederum als Vorlage für weitere Abschriften dienten (Marcovich 1990 [*535: 15–19]). Interessanterweise ist im lateinischsprachigen Bereich zuerst die Auferstehungssschrift mit einem Vorsprung gegenüber der Bittschrift von mehr als einem halben Jahrhundert bekannt geworden. In ein und demselben Jahr erschienen zwei lateinische Übersetzungen ohne griechischen
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Text, die eine eine Teilübersetzung von Marsilio Ficino in Paris 1498, die andere von Giorgio Valla in Venedig 1498. Die nächste Ausgabe von Petrus Nannius, die gleichzeitig 1541 in Louvain und Paris erschien, enthielt wiederum nur die Auferstehungsschrift, doch diese im griechischen Text mit einer neuen lateinischen Übersetzung. Erst die Editio princeps von Henri Estienne, publiziert 1557 in Genf, bot beide Schriften, ‹Legatio› und ‹De resurrectione›, vereint in einem Band. Stephanus übernahm für ‹De resurrectione› die Ausgabe von Nannius, für die ‹Legatio› den Text und die Übersetzung, die Conrad Gessner vorbereitet, aber bis dahin noch nicht veröffentlicht hatte, jedoch hat Estienne in beiden Fällen den griechischen Text anhand weiterer Handschriften korrigiert und am Schluss zahlreiche Anmerkungen sachlicher und textkritischer Art angefügt. Damit war der wesentliche Teil der Arbeit am Text vor dem Aufkommen der modernen Textkritik geleistet, und die zahlreichen Ausgaben des folgenden Jahrhunderts nehmen, wenn es nicht reine Nachdrucke sind, den Text in Sammelreihen auf, wo nur punktuell einzelnes verbessert oder vervollständigt wird, aber eine neue Textbasis unter Rückgriff auf die handschriftliche Überlieferung nicht angestrebt wird (zum Ganzen vgl. Pouderon 1997 [*593: 295–357]). Das gilt trotz aller Verdienste auch für die Edition des Mauriners Prudentius Maran (Paris 1742), die in die Patrologia von Jacques Paul Migne (PG 6, Paris 1857) aufgenommen wurde. Die Grundlage für eine kritische Textedition haben erst Harnack 1882 [*184: 24–36] und von Gebhardt 1883 [*185: 154–196] geschaffen, indem sie nachweisen konnten, dass der Codex Parisinus graecus 451 der Archetypus für alle anderen existierenden Manuskripte darstellt, und die Beschaffenheit der Überlieferung in diesem Codex näher erhellen konnten. Darauf baut die heutige kritische historisch-philologische Beschäftigung mit Athenagoras auf.
§ 85. Theophilos von Antiochien Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Eusebios von Caesarea teilt in der ‹Kirchengeschichte› mit (Hist. eccl. 4,20 und Chron. ad ann. 2185 = 169 n. Chr. = 205,20ff. Helm), dass Theophilos im Jahr 169 Bischof von Antiochien wurde, an sechster Stelle seit den Aposteln. Gestorben ist
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§ 85. Theophilos von Antiochien (Bibl. 1071–1072)
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er nach 180 und vor ca. 188, da er einerseits in Autol. 3,28,6 den Tod Mark Aurels (März 180) erwähnt und andererseits sein zweiter Nachfolger, Serapion, um 190/91 auf den Bischofsstuhl erhoben worden ist und Maximinos, sein direkter Nachfolger, wahrscheinlich um 188 Bischof wurde (Hist. eccl. 4,24; das Todesdatum, das Eusebios [Chron. ad ann. 2193 = 177 n. Chr. = 207,16f. Helm] implizit voraussetzt, ist offensichtlich ein Irrtum, vgl. Pouderon 2005 [*229: 242]). Dass er einmal Tigris und Euphrat als die «bei uns wohlbekannten Flüsse» und als «unserer Gegend benachbart» bezeichnet (Autol. 2,24,4), muss nicht heißen, dass er von dort stammte (so Wallace-Hadrill 1982 [*642: 43]), sondern entspricht einfach dem von Antiochien aus eingenommenen Blickwinkel. Ob er in einem paganen oder jüdischen (eventuell zum Judentum konvertierten) Elternhaus (Zeegers-Vander Vorst 1991 [*647: 530], Zeegers 1998 [*652: 166–172]) geboren wurde, ist nicht ganz eindeutig, doch ist ein paganer Hintergrund eher wahrscheinlich. Er scheint eine durchschnittliche griechische Bildung erhalten zu haben (Grant 1950 [*626: 179]), ein berufsmäßiger Intellektueller wie Justin war er offenbar nicht (Pouderon 2005 [*229: 242]; vgl. Autol. 2,25,5; 3,4,3). Auf jeden Fall hat er sich nach eigenem Bekunden als Erwachsener unter dem Eindruck der Erfüllung prophetischer Verheißungen zum Christentum bekehrt (Autol. 1,14,1), und es könnte sehr gut ein judenchristliches Milieu gewesen sein, in dem er seine entscheidende theologische Prägung erhielt (Grant 1970 [*610: VII–VIII], Pouderon 2005 [*229: 264]). Vor allem als einen Bekämpfer der Häresie würdigt ihn Eusebios, das apologetische Werk der drei Bücher an Autolykos dagegen nennt er «elementare Schriften» (στοιχειώδη συγγράμματα: Hist. eccl. 4,24), «was nicht als Kompliment gemeint ist» (Pilhofer 32002 [*654]; anders Rogers 2000 [*653: 5]). 2. WERKE Von den vier Schriften, die Eusebios in seinem Werkverzeichnis (Hist. eccl. 4,24) aufzählt, hat sich nur eine erhalten:
‹Ad Autolycum› Πρὸς Αὐτόλυκον – ‹An Autolykos› (in drei Büchern; Autol.; CPG 1107) Das Werk gibt sich als schriftliche Ausarbeitung dessen aus, was Theophilos im mündlichen Gespräch seinem heidnischen Freund Autolykos gegen dessen Angriffe auf das Christentum entgegnet hat (Autol. 1,1,2; 2,1,1f.; ob es fiktiv ist, sei dahingestellt). Mit der schriftlichen Form hofft Theophilos, zugleich einen weiteren Leserkreis ansprechen zu können (Autol. 3,23,7). Die ersten beiden Bücher sind innerhalb weniger Tage niedergeschrieben (Autol. 2,1,1), während das dritte – mit eigener Grußadresse versehen (Autol. 3,1,1) – erst später hinzugekommen ist. Für dieses ist die
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Abfassungszeit nach dem Tod Mark Aurels, d. h. unter Commodus durch Autol. 3,28,6 gesichert, die ersten beiden sind entsprechend früher, vielleicht noch unter Mark Aurel entstanden (Grant 1988 [*209: 143f.]). Insgesamt ist das Werk eine locker verbundene Zusammenstellung von drei Traktaten ungleicher Länge, die keine durchgehende, gemeinsame Gedankenführung aufweisen, sondern durch viele Wiederholungen und Redundanzen bei thematisch eigenständigen Blöcken gekennzeichnet sind. Vielleicht sind ursprünglich selbständig geplante Vorarbeiten herangezogen (doch geht Rogers 2000 [*653: 15–29] zu weit, wenn er jedes Buch einer bestimmten Gattung, ὁμιλία, σύγγραμμα, ὑπόμνημα, zuweisen möchte). Buch 1 ist eine Sammlung von katechetischem Material (Grant 1970 [*610: X]). Buch 2 gibt einen detaillierteren Beweis für den christlichen Glauben, indem zuerst der Angriff auf die griechische Religion, Philosophie und Dichtung durchgeführt wird (Autol. 2,1–8) und danach ein zusammen-
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hängender exegetischer Traktat zur Auslegung der Anfangskapitel der ‹Genesis› eingeschaltet wird (Autol. 2,9–33). Buch 3 greift noch einmal die Torheit der griechischen Philosophie und Religion an (Autol. 3,1–8), preist sodann das hohe Niveau der christlichen Ethik (Autol. 3,9–15) und breitet schließlich sehr ausführlich den Altersbeweis für das höhere Alter der biblischen Offenbarung aus (Autol. 3,16–30; das Material ist weitgehend aus der hellenistisch-jüdischen Literatur, vor allem aus Josephus entlehnt, vgl. Grant 1988 [*209: 153]). Gegen die These von Vermander 1971 [*629] (von Droge 1989 [*210: 119–123] akzeptiert), dass Buch 3 eine Antwort auf Kelsos’ Angriff sei, sprechen sich Hauck 1985–1986 [*643] und Grant 1988 [*209: 133–135] aus. Detaillierte Dispositionsangaben bei Marcovich 1995 [*611: 4–14]. Die übrigen, von Eusebios genannten Titel lauten:
Πρὸς τὴν αἵρεσιν Ἑρμογένους ‹Gegen die Irrlehre des Hermogenes› Die Schrift ist von Tertullian (Adv. Herm.) und von Hippolyt (Ref. 8,17; 10,28) benutzt worden, wozu noch eine Notiz bei Clemens von Alexan drien (Ecl. 56,2) kommt, so dass die Lehre des Hermogenes in den Grundzügen rekonstruiert werden kann. Er vertrat in platonischer Tradition die Ewigkeit der Materie, deren sich Gott für die
Schöpfung bediente und die der Ursprung des Bösen in der Welt ist (May 1978 [*205: 142–150]).
Κατὰ Μαρκίωνος ‹Gegen Markion› Irenäus hat das Werk gekannt, aber die weitreichende These von Loofs 1930 [*624], dass es aus Irenäus’ ‹Adversus Haereses› zurückgewonnen werden könnte, lässt sich nicht halten.
Κατηχητικὰ βιβλία ‹Katechetische Schriften› Diese Schriften könnten eventuell, wie ZeegersVander Vorst 1991 [*647: 531] zu bedenken gibt, identisch sein mit den von Hieronymus in Vir. ill. 25 erwähnten «tractatus ad aedificationem ecclesiae pertinentes», doch erhalten ist davon nichts. Theophilos erwähnt selbst mehrmals ein von ihm früher verfasstes Werk (Autol. 2,28,8. 30,10. 31,3; 3,19,3) und spricht einmal von ἐν τῇ πρώτῃ βίβλῳ τῇ Περὶ ἱστοριῶν («im ersten Buch ‘Über [sc. biblische?] Geschichte’»: Autol. 2,30,7). Davon ist sonst nichts bekannt. Gegenüber weiteren unter Theophilos’ Namen laufenden exegetischen Schriften hat schon Hieronymus (Vir. ill. 25; Ep. 121) Bedenken angemeldet.
3. LEHRE
Dass Theophilos zum christlichen Glauben von der Philosophie herkommend gefunden hätte, ist so gut wie ausgeschlossen (Zeegers 1998 [*652: 138]). Dafür gibt es keinerlei Hinweise, und seine greifbaren philosophischen Kenntnisse sprechen dagegen. Zwar umgibt er sich gern mit dem Anschein großer Belesenheit, und in der Tat ist der Reichtum an Zitaten, den er aufbietet, beträchtlich (siehe die Indices in den Editionen von Grant 1970 [*610: 151–153] und Marcovich 1995 [*611: 146f.]), aber sein literarisches Wissen bezieht er zum größten Teil, und sein philosophisches Wissen ausschließlich, aus sekundären Quellen. Im Unterschied zu den Apologeten vor ihm, die nicht selten ebenso verfahren sind, fällt bei ihm zudem besonders auf, dass er von alledem nur einen unbeholfenen, verständnislosen und grob fehlerhaften Gebrauch zu machen weiß (Grant 1950 [*626: 182– 184]). Das markanteste Beispiel ist Platon. «Platon hat er natürlich nicht gelesen, wenn er ihn auch mehrfach ausdrücklich zitiert; denn gerade diese Zitate sind falsch» (Geffcken 1907 [*164: 251], z. B. nennt er in Autol. 3,6,2 das erste Buch der ‹Politeia›, meint aber Rep. 5, 457c, ebenso nennt er in Autol. 3,16,3 ‹Politeia›, meint
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aber Leg. 3, 677c–d u. a.). Ihm geht es um den Nachweis, dass zumal im Hinblick auf die größten Fragen – Gott, der Ursprung der Welt, die Providenz – die Lehren der griechischen Philosophen nicht nur untereinander widersprüchlich sind, sondern auch jeder einzelne Philosoph selbst sich in Widersprüche verwickelt hat (Autol. 2,4,1–6. 8,1f. 38,7f.; 3,2,4–3,2. 5,1. 6,1–7,9. 16,3–17,1. 18,1), eine Einschätzung, die Berührungen mit der akademischen Skepsis hat (Grant 1988 [*209: 151]). Diese ganze Bildung ist nutzlos und gottlos (Autol. 3,2,6. 30,1); Wahrheitserkenntnis findet er bei den paganen Schriftstellern nicht, nicht einmal etwas, was auf sie vorbereitet oder zu ihr hinführt, keine dunklen Spuren oder partiellen Ansätze (Autol. 2,33,3). Die einzige Ausnahme ist die Sibylle (Autol. 2,3,2. 9,2. 31,6. 36,1–16; vgl. Grant 1947 [*625: 241]; die in Autol. 2,37,1–3 aufgezählten zutreffenden Aussprüche bei griechischen Dichtern wertet Theophilos als Diebstahl). Deshalb ist für ihn das Christentum keine Philosophie, nicht die wahre Philosophie, nicht die barbarische Philosophie, sondern etwas ganz anderes, es ist θεοσέβεια, «Gottesverehrung» (Autol. 2,1,1; vgl. 3,15,5), und die Christen sind die, die Gott wahrhaft verehren, die θεοσεβεῖς (Autol. 2,30,8; 3,4,1; Grant 1950 [*626: 190]). Trotzdem erfolgt, was gar nicht anders zu erwarten ist, die positive Entfaltung seiner Theologie nicht völlig frei von Anleihen bei philosophischer Begrifflichkeit und philosophischen Lehrinhalten, was indessen nicht originär ist, sondern stets durch die apologetische Tradition seiner Vorgänger sowie das hellenistische Judentum vermittelt ist. Die bekannten negativen Gottesprädikate des Schulplatonismus nimmt er zur Beschreibung der Einzigkeit und Transzendenz Gottes auf, doch so, dass die Begriffe, die jeweils die Unsagbarkeit und Unbegreiflichkeit ausdrücken, nicht auf das Sein Gottes an sich, sondern bereits auf Eigenschaften oder Handlungsweisen Gottes bezogen werden, die stärker biblisch empfunden sind (Autol. 1,3,1), wie er umgekehrt gleich anschließend auch zeigt, dass metonyme Epitheta der biblischen Sprache lediglich Wirkungen Gottes – den Zorn eingeschlossen (dazu Grant 1947 [*625: 229f.] und 1988 [*209: 167f.]) – bezeichnen, nicht sein Wesen (Autol. 1,3,2f, vgl. Grant 1959 [*627: 38]). Noch einmal werden die über das hellenistische Judentum laufenden Vermittlungswege in der abschließenden Sequenz greifbar, wenn Theophilos festhält, dass der transzendente Gott – ἄναρχος («anfangslos»), ἀγένητος («ungeworden»), ἀναλλοίωτος («unveränderlich»), ἀθάνατος («unsterblich»), der er ist – der Herr, der Vater, Demiurg und Schöpfer, der Höchste und Allherrscher ist, der die Welt um der Menschen willen aus dem Nichts erschaffen hat, damit aus seinen Werken seine Größe erkannt werde (Autol. 1,4,1–5. 5,2. 6,1–3; 2,10,1; vgl. Daniélou 1973 [*197: II 323–334] zu hellenistisch-jüdischen und christlich-apologetischen Parallelen; in Autol. 1,4,1 auch die Etymologisierung von θεός, «Gott», nach τίθεναι, d.h. in Ordnung «hinstellen», wie Hdt. 2,52, und nach θέειν, «dahineilen», wie Plat. Crat. 397d; vgl. Grant 1988 [*209: 168]). Ein anderer Punkt, wo philosophischer Einfluss zu konstatieren ist, betrifft die Logoslehre. Der Apologet Tatian (Orat. 5,1–3) und möglicherweise auch Athenagoras (Leg. 10,2f.) hatten schon vorgearbeitet und ein Zwei-Stufen-Modell konzipiert, wonach der Logos zunächst als ewige, unpersönliche Eigenschaft Gottes und sodann anlässlich der Welterschaffung als aus Gott heraustretende, selbstän-
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dige Existenz zu denken ist. Theophilos übernimmt dieses Konzept und fügt nur noch den Schlussstein hinzu, indem er für die beiden Stadien der Existenzweise des Logos erstmals das stoische Begriffspaar λόγος ἐνδιάθετος – λόγος προφορικός («im Geist befindlicher, gedanklicher Logos» – «hervorgebrachter Logos»), das bei Tatian schon durch das Bild vom Sprechen (Orat. 5,5) vorbereitet war, aufgreift (Autol. 2,10,2 mit Ps. 44,2a; 2,22,3f.). Das immanente Wort ist Gottes Ratgeber, Gottes eigener Gedanke und seine Weisheit; das hervorgetretene, gezeugte Wort, das Gott natürlich nicht seines inneren Wortes beraubt, ist Gottes Diener, d. h. der Logos ist der Schöpfungsmittler, durch den alles erschaffen ist (Ioh. 1,3), er heißt der Anfang (Gen. 1,1), weil er zu allem den Grund legt und über alles herrscht, und er ist der Erstgeborene vor aller Schöpfung (Col. 1,15; Autol. 2,10,2. 22,3–5; vgl. Wallace-Hadrill 1982 [*642: 68f., 103], Rogers 2000 [*653: 94f., 100–103], Pouderon 2005 [*229: 253]; diese Theorie wird später von Irenäus in Haer. 2,13,3. 8 und 28,6 zurückgewiesen). Er ist derjenige, den der Vater, wenn es ihm beliebt, in die Welt an irgendeinen räumlichen Ort schickt (Autol. 2,22,6); er ist auch derjenige, der ἐν προσώπῳ («in der Rolle») des Vaters Adam im Paradies nach dem Fall begegnete (Autol. 2,22,1–3 mit Gen. 3,8–10; dies der einzige von Theophilos erwähnte Fall). Weniger eindeutig ist, in welchem Verhältnis der Logos, die Weisheit und der Geist Gottes zueinander stehen. Gelegentlich hat man den Eindruck, Theophilos habe sie eher als unpersönliche Kräfte verstanden denn als hypostatische Größen (Autol. 1,3,2; dazu Rogers 2000 [*653: 79f., 105–112]). Dazu kommt, dass er bisweilen die Weisheit mit dem Logos gleichzusetzen scheint (Autol. 1,7,3; 2,22,2) und ebenso den Geist mit der Weisheit (Autol. 2,9,1), während er anderswo diese als verschiedene Entitäten behandelt (vgl. Grant 1959 [*627: 41]). Demzufolge lassen sich dann gewisse unterschiedliche Akzentuierungen in den Funktio nen wahrnehmen, was aber auch nicht konsequent befolgt wird: Der Logos scheint eher schöpferisch nach außen gewandt zu sein, die Weisheit eher ordnend und von innen her gestaltend, und der Geist scheint mehr belebend und erhaltend zu wirken (dazu Zeegers-Vander Vorst 1991 [*647: 535f.], Pouderon 2005 [*229: 251– 256]; bemerkenswert die stoische Färbung in Autol. 1,5,4: ἡ πᾶσα κτίσις περιέχεται ὑπὸ πνεύματος θεοῦ, «die gesamte Schöpfung wird von Gottes Geist umfangen», und Autol. 2,13,3: διϊκνούμενον πανταχόσε, «überallhin gelangend»). Für ein überwiegend hypostatisches Verständnis spricht jedoch nicht zuletzt der Begriff τριάς («Dreiheit»), den Theophilos erstmals in Bezug auf Gott benutzt (Autol. 2,15,4). Allerdings bezeichnet der Ausdruck, genau genommen, nicht den trinitarischen Gott des späteren Dogmas, da er sich auf Gott, den Logos und die Weisheit bezieht, und in der Fortsetzung der Stelle folgt noch als Viertes der Mensch, so dass hier eher von einer Tetras zu sprechen wäre (Rogers 2000 [*653: 75ff.]). Das Fundament, auf dem Theophilos’ christlicher Glaube aufruht, bilden nahezu ausschließlich der biblische Schöpfungsbericht, der Dekalog und gewisse Weissagungen der Propheten, wofür er in aller Breite die exegetischen Belege mitsamt dem sie bestätigenden Altersbeweis beibringt. Im Fall der Schöpfungslehre bietet er sogar, in dieser Form erstmals in der frühchristlichen Literatur, eine ausführliche und zusammenhängende Auslegung der ersten Kapitel der ‹Genesis› (Autol. 2,9–33 zu Gen. 1,1–14,8). Der Kommentar befolgt in der Regel ein wört
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§ 85. Theophilos von Antiochien (Bibl. 1071–1072)
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liches Verständnis. So entfaltet er entlang den ersten Versen von Gen. 1,1f. das alt orientalische Weltbild (Autol. 2,13,3–9; vgl. 1,6,4–7,1), das Theophilos, wie seine Polemik gegen das griechische geozentrisch-sphärische Erklärungsmodell zeigt (Autol. 2,32,4), für das allein wahre hält: die von den Chaoswassern umspülte Erde, die einem klumpenartigen Sockel gleicht, und der wie ein Gewölbe die Erde überspannende Himmel, über dem sich noch ein zweiter, unsichtbarer befindet (Nautin 1973 [*203: 69–79] und 1973 [*632], Wyrwa 2006 [*231: 720ff.]). Außerdem begegnen auch einige typologische Elemente (Zeegers-Vander Vorst 1991 [*647: 532]). Aber das Auffälligste ist, dass es Punkt für Punkt Parallelen in jüdisch rabbinischen Auslegungen (Grant 1947 [*625: 234–242], Daniélou 1964 [*197: I 110–115], Zeegers 1998 [*652: 139–159]), stellenweise auch bei Philon (Wallace-Hadrill 1982 [*642: 43–45], zurückhaltender Runia 1993 [*218: 110– 116]) gibt, während spezifisch christliche Aussagen nur vereinzelt, gelegentlich auch in antihäretischer Absicht etwa gegen Markion, anzutreffen sind (Grant 1950 [*626: 192] und 1988 [*209: 159f.]). Offenbar hat Theophilos hier jüdische (so Nautin 1973 [*203: 74]) bzw. judenchristliche Vorlagen (so Daniélou 1964 [*197: I 113]) benutzt. Ab Gen. 4,12 wird die Auslegung sehr summarisch mit einem besonderen Interesse an den Anfängen der Kulturgeschichte (Autol. 2,30,1–32,5; vgl. Droge 1989 [*210: 110–118]). Indessen stehen mit der Schöpfungslehre auch philosophische Fragestellungen zur Diskussion. Dass die Welt einen Anfang hatte und geworden ist, ist für ihn so selbstverständlich, dass er dazu keine großen Worte verlieren muss (Autol. 2,4,2. 8,2; 3,26,4). Doch strittig ist – nicht nur in der Konfrontation mit Platonikern, sondern auch mit Häretikern wie Hermogenes (May 1978 [*205: 160ff.]) – die Pro blematik in der Einschätzung der Materie. In diesem Zusammenhang erklärt Theophilos wiederholt und eindeutig in geradezu formelhafter Wendung, dass Gott die Welt aus dem Nichts (ἐξ οὐκ ὄντων) geschaffen hat (Autol. 1,4,5. 8,3; 2,4,7. 9. 10,1. 13,1). Offenbar denkt er nicht mehr wie Tatian (Orat. 5,6f.) an einen zweistufigen Vorgang, wonach zuerst die Materie geschaffen und sodann geordnet wurde, sondern an einen einzigen Schöpfungsakt, wo beides in eins fällt; und wenn er in Gen. 1,2 den Zustand der von Gott geschaffenen Materie vor ihrer Gestaltung zu erkennen meint (Autol. 2,10,9f.), so ist das exegetisch bedingt und seinen Vorlagen geschuldet; es entspricht nicht dem philosophischen Materie-Begriff (Nautin 1973 [*203: 74]; Karamanolis 2013 [*237: 76f.] ist hier irreführend). Gegen die Annahme, dass Gott eine ihm vorgegebene, ewige und ungewordene Materie lediglich gestaltet hätte, formuliert er bereits alle auch späterhin wesentlichen Einwände. Er erklärt: Wenn, wie Platon und seine Anhänger, Hermogenes eingeschlossen, meinen, dass die Materie ungeworden wäre, wäre Gott nicht mehr im vollen Sinn Schöpfer und seine Monarchie wäre preisgegeben; wenn die Materie ungeworden wäre, wäre sie unwandelbar und Gott gleich; Gott wäre nicht mehr der Allmächtige, wenn er nach Art eines menschlichen Handwerkers bloß einen vorgegebenen Stoff bearbeitete (Autol. 2,4,10). Vielmehr ist gerade das ein Zeichen seiner Macht, dass er aus dem Nichts schafft, was immer er will (Autol. 2,4,4–9). Im Entscheidenden ist es also die Einzigkeit, Souveränität und Allmacht des biblischen Gottes, die Theophilos mit der Lehre der ‘creatio ex nihilo’ gewahrt sehen will.
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Weiterhin beobachtet Theophilos, dass der Schöpfungsbericht bereits die Grunddaten einer biblischen Anthropologie enthält. Die griechische Dichotomie von Körper und Seele erwähnt er nur beiläufig, sie konstituiert nicht sein anthropologisches Konzept; dieses orientiert sich vielmehr an Leitbegriffen wie Tod und Leben, Gottebenbildlichkeit und Gotteserkenntnis, Willensfreiheit und Gehorsam (Zeegers-Vander Vorst 1991 [*647: 537], Rogers 2000 [*653: 43], z. B. Autol. 2,19,4; anders Pouderon 2005 [*229: 258]). Der Schöpfungsbericht weist dem Menschen eine einzigartige (ewige? vgl. Autol. 2,18,1 Mss.) Würde unter allen Geschöpfen zu, indem er beschreibt, dass Gott den Menschen nicht bloß durch einen Wortbefehl, sondern mit seinen eigenen Händen, dem Logos und der Sophia, zu seinem Ebenbild geschaffen hat, indem er Erdenstaub nahm und in sein Angesicht den Lebensodem einhauchte (Autol. 2,18,1f. 19,4 mit Gen. 1,26; 2,6f.). Gott hat gewollt, dass der Mensch vollkommen werde und an der göttlichen Ewigkeit partizipiere. Als Adam aus den Schöpferhänden Gottes hervorgegangen war, war er allerdings noch ein Mittleres, weder gänzlich sterblich (sonst wäre Gott Urheber des Todes gewesen) noch völlig unsterblich (sonst hätte er ihn auf Anhieb zu Gott gemacht); er war noch ein Kind, noch unfertig, aber zu beidem fähig und versehen mit dem Anstoß zum Fortschritt, so dass er in Bewährung seiner Freiheit und Selbstbestimmung durch den Gehorsam gegenüber Gottes Gebot die Unsterblichkeit als Lohn empfangen sollte oder durch Ungehorsam die Ursache seines eigenen Todes würde (Autol. 2,24,6f. 25,2. 27,1–4; Rogers 2000 [*653: 34–44]). Den Hauptgrund, warum Gott dem Menschen das Verbot gab, vom Baum der Erkenntnis zu essen, hat Theophilos, häretische Ansichten zurückweisend, in Gottes Rücksichtnahme auf den kindlichen Entwicklungsstand Adams gesehen. Der Mensch war noch nicht herangewachsen genug, noch nicht reif genug, um die Erkenntnis auch nach Gebühr ergreifen zu können (Autol. 2,25,1–5). Durch die Gebotsübertretung der Stammeltern, die verderbliche Auswirkungen auf die gesamte Kreatur hatte (Autol. 2,17,5f. 16,3. 18,3. 29,7; z. B. Abkehr vom gottgewollten Vegetarismus, vgl. Grant 1988 [*209: 160], Droge 1989 [*210: 108–110]), ist Gottes Absicht zunächst einmal vereitelt worden, aber Gott hat das aus dem Paradies vertriebene und dem Tod verfallene Menschengeschlecht nicht verlassen. Er hat in Langmut und Barmherzigkeit sein Werk von Neuem aufgenommen (Autol. 2,26,1: zur heilsamen Bedeutung des Todes als Vernichtung der Sünde), indem er das Gesetz gegeben und die Propheten geschickt hat, so dass jeder, der willens ist, durch Gehorsam gegenüber Gottes Willen sich das ewige Leben erwerben und zum zweiten Mal (nach Gen. 2,8. 15) ins Paradies versetzt werden kann (Autol. 2,26,2f. 27,6f. 34,4f.; zur Thematik der leiblichen Auferstehung vgl. Autol. 1,7,4–8,1. 13,3– 14,5; 2,14,1. 15,2f.). Die Mittel, mit denen Gott die Menschen zum Heil führen will, sind das Gesetz und die Verkündigung der Propheten bei den Hebräern. Das mosaische Ritualgesetz hat für Theophilos keine Bedeutung, aber er zitiert explizit den Dekalog in Verbindung mit den Forderungen des Bundesbuches zur gerechten Rechtsprechung für Fremde (Autol. 3,9,1–5 mit Ex. 20,13–17. 23,6–8; vgl. Autol. 2,34,5 mit der goldenen Regel und Autol. 2,35,1f.; die Sabbat-Observanz übergeht er vermutlich wegen Mc. 2,27f.; Grant 1950 [*626: 193]). Dem ersten Gebot, aber
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nicht nur diesem, entsprechen die Belehrungen der Propheten genauestens. Sie sollten dem Volk Gottes das Gesetz in Erinnerung rufen und zur Umkehr führen (Autol. 2,35,3–15; 3,11,1). So rekurriert Theophilos ausführlich auf Stellen aus den Propheten zu den Stichwörtern Umkehr (Autol. 3,11,3–7), Gerechtigkeit (Autol. 3,12,1–7), Züchtigkeit (Autol. 3,13,1–5, hier auch mit «der evangelischen Stimme» Mt. 5,28. 32) und Feindesliebe (Autol. 3,14,1–5, auch hier mit dem Evangelium Mt. 5,44. 46; 6,3 sowie mit Rm. 13,1. 7f und I. Tim. 2,1f.; zum Ganzen vgl. Grant 1947 [*625: 243f.]). Außerdem sind ihm die Weissagungen der Endereignisse wichtig (Autol. 2,38,1–5). Stilisiert als «Ungebildete, Hirten und Laien» (Autol. 2,35,15), gelten ihm die Propheten als vom Logos (Autol. 2,10,5f.) bzw. vom Heiligen Geist (Autol. 2,30,8. 33,3) inspiriert. Diese durch das Gesetz und die Propheten vermittelten göttlichen Weisungen werden in der Lebenspraxis der Christen mustergültig verwirklicht, weshalb die gegen sie umlaufenden Beschuldigungen einfach absurd sind (Autol. 3,15,1–5). Merkwürdigerweise fehlt in Theophilos’ Aufzählungen der göttlichen Heilserweise durchgehend die Erwähnung der Menschwerdung des Gottessohnes und seiner Passion, wie auch der Name Jesus Christus nirgends fällt. Wenn er den Christennamen erklären will, flicht er das bekannte Wortspiel mit dem Adjektiv χρηστός, «rechtschaffen», «bieder», bzw. εὔχρηστος, «nützlich», ein (Autol. 1,1,2. 12,1, vgl. Tac. Ann. 15,44,2, und Iust. 1. Apol. 4,1. 5) und leitet die Bezeichnung χριστιανός etymologisch vom Verb χρίω ab: Die Christen heißen so, weil sie mit dem Öl Gottes «gesalbt» sind; er sagt aber nicht, dass sich ihre Benennung von Jesus Christus herleitet (Autol. 1,12,3; vgl. Grant 1950 [*626: 190]). Dieses auffällige Schweigen hat neben zahlreichen anderen Beobachtungen Grant 1950 [*626: 188–196], 1970 [*610: XVII–XIX] und 1988 [*209: 171–173] zu der Vermutung geführt, Theophilos habe Jesus in Anlehnung an judenchristliche Entwürfe in die Reihe der biblischen Propheten gestellt und eine eher dynamistische Christologie im Stil eines Theodotos von Byzanz vertreten. Seine Bedeutung habe weniger in seinem Erlösungswerk als vielmehr darin gelegen, dass er als inspirierter Lehrer das revidierte Gesetz verkündete und dieses vorbildlich erfüllte. Vieles spricht für diese Sicht der Dinge (vgl. Bentivegna 1976 [*636], Rogers 2000 [*653: 156–167]), doch sind auch kritische Vorbehalte eingewendet worden (Pouderon 2005 [*229: 256]; andere Deutung Zeegers 2002 [*655: 369]). Wie Tatian gibt auch Theophilos seinem Werk mit dem Altersbeweis einen krönenden Abschluss (Autol. 3,16–30). Schon im Verlauf der Schrift hat er wiederholt seine Grundüberzeugung angesprochen, dass die biblische Tradition älter und damit auch wahrer sei (Autol. 2,30,8: ἀρχαιότερα […] καὶ ἀληθέστερα; 3,16,1. 26,1; vgl. 2,31,15) und die griechischen Schriftsteller und Philosophen dort gestohlen hätten (Autol. 1,14,2; 2,12,8). Doch erst eine vollständige Chronologie der Weltgeschichte genügt seinen gehobenen Ansprüchen. Dabei überbietet er noch Tatian, indem er nicht wie jener von Mose und Homer als Eckdaten der Argumentation ausgeht, sondern, erstmalig in der erhaltenen christlichen Literatur, eine universale Berechnung nach präzisen Jahreszahlen von der Erschaffung Adams bis zur Gegenwart nach dem Tod Mark Aurels, unter Einschluss der ägyptischen, phönizischen, assyrischen und römischen Geschichte, durchführt. Er zählt, ge-
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stützt auf die prophetisch autorisierten Zeitangaben der Bibel und auf Nachrichten des Josephus und anderer (Grant 1988 [*209: 152–154]), 5695 Jahre seit der Erschaffung Adams. Die Priorität der biblischen Tradition ergibt sich demzufolge daraus, dass infolge der Sintflut, von der auch die Griechen daherredeten – Noah wurde von einigen Deukalion genannt (Autol. 2,30,10; 3,19,2f.; zur Stelle Bolgiani 1975 [*633]) –, jedes geschichtliche Wissen verloren gegangen ist und nur Mose, der Diener Gottes und vom Heiligen Geist inspirierte Prophet, von der Urgeschichte wahre Kunde geben konnte (Autol. 2,30,8; 3,18,5. 19,5–7. 23,5f.; vgl. 3,17,4f.), Mose aber etwa 900 oder sogar 1000 Jahre vor dem trojanischen Krieg lebte (Autol. 3,21,5f. 29,3). Die Hauptzäsuren setzt er mit der Sintflut unter Noah, mit der Geburt Isaaks, mit dem Tod Moses, dem Tod Davids, dem Ende der babylonischen Gefangenschaft und zuletzt mit dem Tod Mark Aurels an (so die Zusammenfassung in Autol. 3,28,1–7). Auffällig an diesem Geschichtsbild ist, dass selbst hier Jesus Christus nicht vorkommt und keine eschatologisch-chiliastischen Züge hervortreten (Zeegers 1996 [*651], gegen Daniélou 1964 [*197: I 401]), dass aber die direkte Verbindung mit dem alttestamentlichen Gottesvolk sehr stark gemacht wird: Die Hebräer, die sich als Hirten in Ägypten angesiedelt hatten, sind «unsere Vorväter», von denen die Heiligen Schriften kommen (Autol. 3,20,6. 21,2), Abraham ist «unser Patriarch» (Autol. 3,24,2. 28,2) und David «unser Vorfahre» (Autol. 3,25,1. 28,4). 4. NACHWIRKUNG
Theophilos’ Schriften müssen in der vornizänischen Zeit sowohl im Osten als auch im Westen eine gewisse, wenn auch keine bedeutende Verbreitung erlangt haben. Sie sind nachweislich benutzt worden von Irenäus und Tertullian (Grant 1988 [*209: 185–188]), letzterer hat mit Sicherheit das Werk gegen Markion und jenes gegen Hermogenes für seine Kampfschriften herangezogen. Die Schrift gegen Hermogenes scheint auch Hippolyt bekannt gewesen zu sein. Anklänge an Autol. finden sich darüber hinaus bei Novatian (Grant 1988 [*209: 189f.]) und bei Methodios, Laktanz zitiert ihn sogar namentlich: «in libro de temporibus ad Autolycum scripto» (Autol. 3,29,2 in Div. inst. 1,23). Aber es ist schwer zu sagen, ob er in Alexandrien rezipiert worden ist. Eusebios würdigt ihn mit einem zusammenfassenden Eintrag in der ‹Kirchengeschichte› und Hieronymus, der noch über selbständige Kenntnisse verfügte, in seinem Schriftstellerkatalog, doch danach werden die Spuren ganz dünn. Möglicherweise, und sei es auch nur vermittelt, bezieht sich Basileios in seinen Homilien zum Hexaëmeron auf Theophilos’ Auslegung des Schöpfungsberichtes (Grant 1988 [*209: 196], Zeegers 2002 [*655: 370]), vielleicht ist untergründig auch bei vereinzelten Autoren der antiochenischen Schule damit zu rechnen. Anklänge lassen sich bei Epiphanios wahrnehmen (Grant 1988 [*209: 196f.]). Jedenfalls ist er dann nur noch in einigen wenigen Katenen (Marcovich 1995 [*611: XI]) und in der byzantinischen Chronographie eines Johannes Malalas präsent, aber auch Letzteres ist nicht sicher (Harnack 1882 [*184: 286]), während weder Photios ihn erwähnt noch Arethas ihn kennt.
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§ 86. Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse (Bibl. 1072–1075)
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«Gründe, welche das Schweigen der griechischen Tradition seit Eusebius erklären, anzugeben, wird man schwerlich wagen dürfen» (Harnack 1882 [*184: 286]). Die einzige Handschrift, an der unsere Überlieferung hängt und von der in der Humanistenzeit zwei heute noch vorhandene Abschriften, eine nur Buch 3 enthaltend, angefertigt wurden, ist der Venetus Marcianus 496 vom Ende des 11. Jahrhunderts. Dieser Codex gehörte Kardinal Bessarion, der ihn 1468 zusammen mit seiner gesamten Bibliothek als Vermächtnis an die Stadt Venedig übergab. Die Editio princeps, versehen mit einer lateinischen Übersetzung, veranstaltete Conrad Gessner 1546 bei Froschauer in Zürich, zusammen mit dem Erstdruck von Tatian, wobei er eine heute offenbar verschollene humanistische Abschrift des Marcianus benutzte. Der erste, der den Marcianus für die Textedition zugrunde legte, war von Otto 1861 [*155: VIII].
§ 86. Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse Dietmar Wyrwa
Hermeias, der Verfasser einer Spottschrift gegen die griechischen Philosophen – ‹Gentilium philosophorum irrisio› (Διασυρμὸς τῶν ἔξω φιλοσόφων, ‹Verspottung der nichtchristlichen Philosophen›: CPG 1113) – ist für uns ein Unbekannter. Er selbst wie sein Werk sind im Altertum und im frühen Mittelalter niemals erwähnt worden. Frühere Versuche, ihn mit einem in anderen Zusammenhängen genannten Hermeias identifizieren zu wollen, entbehren einer tragfähigen Grundlage (Hanson 1993 [*680: 11f.]). Möglicherweise haben byzantinische Kopisten in ihm den späten Neuplatoniker, den Vater des Ammonios Hermeiou, gesehen (so Diels 1879 [*698: 259], doch gegen dessen weitergehende Annahmen Alfonsi 1947 [*702: 11, 24], Hanson 1993 [*680: 13]), natürlich zu Unrecht. Der in den Handschriften einheitlich überlieferte Titel zeigt, dass der Verfasser eine Satire – also keine Apologie und keine Protreptik im direkten Sinn – zu schreiben beabsichtigte, dass diese Satire gegen die paganen Philosophen (οἱ ἔξω) von einem christlichen Standpunkt aus gerichtet ist und dass damit der christliche Glaube, was auch die Verfasserangabe «von Hermeias, dem Philosophen» (Ἑρμείου φιλο σόφου) besagt, als die eigentliche und wahre Philosophie suggeriert werden soll (Waszink 1988 [*721: 809], Hanson 1993 [*680: 42]). Allerdings kommt die christliche Position des Autors nur hier im Titel und in Kap. 1 zum Ausdruck, wo er sein Programm im Anschluss an Paulus I. Cor. 3,19 («Die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott») und an die Henoch-Tradition vom Engelfall als Ursprung der paganen Philosophie (Bauckham 1985 [*719], Hanson 1993 [*680: 123–128]) absteckt, ansonsten verzichtet er auf eine Darlegung christlicher Lehren (literarkritische Überlegungen bei Kindstrand 1980 [*716: 353] und Waszink 1988 [*721:
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809] sind unnötig, so zu Recht Pouderon 2005 [*229: 287f.]). Es liegt nahe, den anvisierten Leserkreis in erster Linie unter einem christlichen bzw. mit dem christlichen Glauben sympathisierenden, gebildeten Publikum zu suchen (Hanson 1993 [*680: 65], Fiedrowicz 2000 [*228: 60], Riedweg 42000 [*728], anders Alfonsi 1947 [*702: 52f.]), dem auf ironisch-spöttische Weise die Widersprüche zwischen den philosophischen Positionen vor Augen geführt werden sollen zum Erweis, dass deren Ergebnisse, wie es das Schlusskapitel resümiert (Kap. 19), « unsicher und nutzlos» sind, mit anderen Worten dass bei den griechischen Philosophen die Wahrheit nicht zu finden ist. Als literarischem Vorbild für seine Satire hat sich Hermeias augenscheinlich an Lukian von Samosata orientiert (Alfonsi 1947 [*702: 89–98], Waszink 1988 [*721: 812], Hanson 1993 [*680: 16, 23, 66]), darüber hinaus stößt man auf große Ähnlichkeiten mit Tatian in der abschätzigen und grundsätzlichen Ablehnung der Philosophie, aber Hermeias hält sich nicht wie Tatian bei Anekdoten auf, sondern konzentriert sich auf Lehraussagen (vgl. Hanson 1993 [*680: 39f.]). So ist die Doxographie das bevorzugte Terrain seines bissigen Spotts. Zuerst werden Meinungen zur Seelenlehre gegeneinander gestellt (2–4), dann folgt die ausführlichere Durchmusterung der Prinzipienlehren, indem die verschiedenen Philosophen namentlich aufgerufen werden (5–18). Aber die Reihenfolge ist nicht unmittelbar einsichtig (Waszink 1988 [*721: 810], Alfonsi 1947 [*702: 56f., 70f.]). Das Hauptinteresse richtet sich auf die Vorsokratiker, die jüngsten Vertreter in der Aufzählung sind die Skeptiker Karneades und Kleitomachos, die nur dazwischen hineingeschoben sind; Platon genießt kein besonderes Renommee – er heißt «großsprecherisch» (μεγαλόφωνος: Kap. 11; dazu Riedweg 1994 [*395: 36f.]) –, auch Aristoteles nicht; der größte Raum ist Pythagoras vorbehalten (Kindstrand 1980 [*716: 349]). Doch sehr ironisch kommt am Schluss die Sprache zum zweiten Mal auf Epikur, der, persönlich auftretend, auf viele unendliche Universen weist, die noch auszumessen seien, nachdem soweit diese eine Welt durchmessen ist (Kap. 18). Ausgespart ist in dieser Revue auffälligerweise Sokrates (Alfonsi 1947 [*702: 73–75]), auch fehlt der Kynismus (Kindstrand 1980 [*716: 351]), was aber nicht heißt, dass dieser ihm sympathischer wäre (Hanson 1993 [*680: 46]). Und worauf Hermeias merkwürdigerweise gar nicht eingeht, ist die Ethik (Kindstrand 1980 [*716: 351]). Was die Herkunft des doxographischen Materials betrifft, so stellt sich vor allem die lange umstrittene Frage nach dem Verhältnis des Hermeias zu Ps.-Justins ‹Cohortatio›, zwischen denen bemerkenswerte Gemeinsamkeiten existieren. Doch haben detaillierte Vergleiche erbracht, dass weder der eine noch der andere direkt vom jeweils anderen abhängig ist, sondern dass beide unabhängig voneinander auf verschiedene Handbücher aus derselben doxographischen Tradition zurückgegriffen und die aufgefundenen Angaben eigenständig rhetorisch ausgestaltet haben. Aëtios scheint Hermeias näher ge standen zu haben; ob er Ps.-Plutarchs ‹Placita› gekannt hat, ist nicht gewiss (zum Ganzen Hanson 1993 [*680: 25–37], Riedweg 1994 [*395: 34–38]). Sichere Anhaltspunkte für die Datierung fehlen. Wenn man heute allgemein die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert favorisiert, dann sind eher atmosphärische Eindrücke ausschlaggebend, die am besten in diese Zeit passen, wie die sprachlich-stilistische Verwandtschaft mit Lukian und Maximos Tyrios, das zeitgemäße Interesse an
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§ 86. Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse (Bibl. 1072–1075)
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skeptischen Haltungen wie Sextus Empiricus, das Fehlen des Neuplatonismus und die besondere Wertschätzung der Vorsokratiker, dann auf christlicher Seite die Vergleichbarkeit mit Tatian, die Verbreitung des Beinamens ‘Philosoph’, die Berücksichtigung der Henoch-Tradition und manches andere (Alfonsi 1947 [*702: 18–40], Kindstrand 1980 [*716: 350], Waszink 1988 [*721: 811–815], Hanson 1993 [*680: 24, 47]). Es müssen hier noch versprengte Nachrichten und Reste zusammengestellt werden, die verschiedentlich von der literarischen Tätigkeit frühchristlicher Apologeten überliefert sind. Angesichts des trümmerhaften Erhaltungszustandes ist der philosophiegeschichtliche Ertrag aufs Ganze gesehen nicht sehr groß, aber die verfügbaren Informationen zeigen immerhin, dass die Bereitschaft, den Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens auf rationalem Wege einsichtig zu machen und das Christentum gemäß eigenem Selbstverständnis als Philosophie darzustellen, weiter verbreitet war, als man aufgrund der erhaltenen Schriften vermuten könnte. Unter dem Titel ‹Predigt des Petrus› (Kήρυγμα Πέτρου) teilt Clemens von Alex andrien ein knappes Dutzend Fragmente mit, die ihrem Inhalt nach am Übergang von der urchristlichen Predigt zur apologetischen Literatur stehen (Dobschütz 1893 [*665: 66], Paulsen 1977 [*714: 30–37]). Die angesprochenen Themen betreffen Jesu Aussendung der Jünger zur weltweiten Mission und zur Verkündigung der Buße, den Weissagungsbeweis für das Erlösungswerk Christi, die Würde stellung Christi als Nomos und Logos (so zu Recht Rordorf 1979 [*715], gegen Nautin 1974 [*710]), die Christen als drittes Geschlecht, die Gott auf neue Weise nicht nach Art der Griechen und nicht nach Art der Juden verehren, und den christlichen Monotheismus, der mit philosophischen Kategorien der negativen Gottesprädikate artikuliert wird (Mara 1967 [*673], Cambe 1997 [*689]). Chronologisch liegt ein Ansatz in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts nahe. Während Clemens das Werk augenscheinlich für eine echte Petrus-Predigt hielt, ist für Origenes (Comm. in Ioh. 13,17) die apostolische Herkunft schon nicht mehr sicher, und Eusebios verwirft die Predigt endgültig als apokryph (Hist. eccl. 3,3,2). Von einem Apologeten namens Quadratus, der als der älteste christliche Apologet gilt, teilt Eusebios (Hist. eccl. 4,3,2) ein kurzes Fragment aus einer Verteidigungsschrift mit, die dieser Kaiser Hadrian überreicht habe (vgl. Chron. ad ann. 2141 = 125 n. Chr. = 199,7ff. Helm; CPG 1060). Darin versichert Quadratus, dass einige der von Christus Geheilten und vom Tod Auferweckten noch bis in seine Zeit gelebt hätten. Vom Gesamtcharakter der Petition kann man sich allerdings kein Bild mehr machen (vgl. Grant 1988 [*209: 35f.], Kinzig 1989 [*211: 295–306]). Ariston von Pella (Dekapolis) wird von Eusebios ein einziges Mal als Gewährsmann für seinen Bericht über den Barkochba-Krieg und über Hadrians Edikt, das Juden das Betreten Jerusalems untersagte, genannt (Hist. eccl. 4,6,3). Dass er eine als Dialog zwischen einem Judenchristen und einem Juden gestaltete Apologie, betitelt ‹Disputatio Iasonis et Papisci› (Ἰάσονος καὶ Παπίσκου ἀντιλογία περὶ Χριστοῦ, ‹Streitgespräch zwischen Iason und Papiskos über Christus›; CPG 1101) verfasste, wird von mehreren anderen Seiten gestützt. Zuerst erwähnt das Werk
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der Christenfeind Kelsos (Orig. Cels. 5,52) noch ohne Namensnennung, der darin nur eine sehr mediokre Leistung sah, gefolgt von Clemens von Alexandrien (fr. 11 Stählin), Origenes (Cels. 5,52), Hieronymus (Comm. in Gal. 3,13; Quaest. hebr. 3), Ps.-Cyprian und Maximos dem Bekenner. Die Zeugnisse sind bequem zusammengestellt bei Harnack 1893 [*186: I 1,92–95]; wörtlich erhalten hat sich davon nichts. Eine Absicht des Werkes dürfte darin bestanden haben, nachzuweisen, dass die Christen mit der jüdischen Revolte nichts zu tun hatten (Grant 1988 [*209: 32]) und dass vielmehr das Alte Testament allegorisch auf Christus hin ausgelegt werden muss und die alttestamentlichen Verheißungen in Christus erfüllt sind. Das Gespräch endete mit dem Taufbegehren des Juden. Mit der Form des Streitgesprächs ist Ariston zum Vorreiter für manche späteren apologetischen Dialoge, besonders für die Adversus-Judaeos-Texte, geworden (Pouderon 2005 [*229: 119f.]). Miltiades aus Kleinasien ist durch Erwähnungen bei Tertullian (Adv. Val. 5,1), Eusebios (Hist. eccl. 5,17,1. 5; 5,28,4) und Hieronymus (Vir. ill. 39) bekannt. Letzterer setzt dessen Blütezeit unter Mark Aurel und Commodus an, richtiger wäre wohl Antoninus Pius und Mark Aurel (Harnack 1897 [*186: II 1,362]). Neben Streitschriften gegen die valentinianische Gnosis und den Montanismus verfasste Miltiades apologetische Werke gegen die Griechen und gegen die Juden, jeweils in zwei Büchern. «Außerdem verfasste er eine an die weltlichen Machthaber gerichtete Verteidigung zugunsten der Philosophie, zu der er sich bekannte» (Eus. Hist. eccl. 5,17,5). Die Formulierung «weltliche Machthaber» (κοσμοκοὶ ἄρχοντες), die offen lässt, ob die Kaiser oder Provinzstatthalter gemeint sind, knüpfte möglicherweise an I. Cor. 2,6–8 an und könnte eine wenig staatsfreundliche Haltung ausgedrückt haben (Grant 1988 [*209: 90f.], Pouderon 2005 [*229: 269]), falls sie überhaupt von Miltiades stammte; aber sicher ist das alles nicht. Wichtiger ist, dass er als Philosoph präsentiert wird. Ob Eusebios das Werk noch vorgelegen hat, wird unterschiedlich beurteilt (Harnack 1882 [*184: 281f.], Kinzig 1989 [*211: 297 Anm. 15]), auf jeden Fall hat er nichts daraus zitiert, und auch bei Späteren hat sich von seiner Schriftstellerei nichts erhalten. Der Apologet Klaudios Apollinarios war laut Eusebios (Hist. Eccl. 4,26,1; Chron. ad ann. 2186 = 170 n. Chr. = 206,4f. Helm) zur Zeit des Kaisers Mark Aurel Bischof von Hierapolis in Phrygien. Von seinen zahlreichen Schriften zählt Eusebios (Hist. eccl. 4,27) vier auf, die ihm direkt bekannt geworden sind: eine Verteidigungsschrift an Kaiser Mark Aurel, fünf Bücher an die Griechen, zwei Bücher über die Wahrheit (handschriftlich unsicher ist die Fortsetzung: zwei Bücher an die Juden) und zuletzt ein Werk gegen den Montanismus. Das ‹Chronicon paschale› kennt darüber hinaus eine weitere Schrift ‹Über das Pascha› und teilt daraus zwei Fragmente mit (CPG 1103). Photios (Bibl. cod. 14, 4b) hat nach eigenem Bekunden außer der Schrift an die Griechen und der über die Wahrheit noch eine weitere gelesen, die Abhandlung Περὶ εὐσεβείας (‹Über die Frömmigkeit›), die sonst niemand erwähnt, während er die anderen nicht auffinden konnte. Von Apollinarios’ apologetischer Schriftstellerei ist nichts erhalten außer einer ganz kurzen Notiz bei Eusebios (Hist. eccl. 5,5,4) zum hochberühmten Regenwunder in der Schlacht Mark Aurels gegen die Quaden an der Donau im Jahre 172 oder 174. Ob die Notiz der Apologie an den Kaiser oder einer anderen Schrift entnom-
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men ist, lässt sich kaum sagen (Harnack 1897 [*186: II 1,360], Pouderon 2005 [*229: 271]). Apollinarios vereinnahmt diese Geschichte für die christliche Sache, indem er das Wunder, das der römischen Armee Rettung und Sieg bescherte, als Erhörung der Gebete der christlichen Soldaten darstellt, was auch der Kaiser gewürdigt habe. Apollinarios sieht darin eine willkommene Gelegenheit, die von christenfeindlicher Seite bestrittene Loyalität der Christen gegenüber Kaiser und Reich nachdrücklich unter Beweis zu stellen (vgl. Grant 1988 [*209: 83–85]). Einer der produktivsten christlichen Schriftsteller der Zeit war Meliton von Sardeis, den schon vor Eusebios mehrere kirchliche Autoritäten wegen seiner Askese, seiner Prophentengaben und seiner quartadezimanischen Osterpraxis rühmend erwähnen (Harnack 1882 [*184: 240–244]) und den Eusebios in der ‹Historia ecclesiastica› als Bischof der lydischen Stadt Sardeis in der Zeit Mark Aurels vorstellt (Hist. eccl. 4,13,8. 26,1; dass er Bischof gewesen sei, wird von Hall 1979 [*676: XII] und 1992 [*724: 424] sowie Wurst 2000 [*730: II 10] in Zweifel gezogen). Einem Brief des Polykrates von Ephesos zufolge (Hist. eccl. 5,24,5) ist er im Jahr 190 nicht mehr am Leben. 17 Titel weiß Eusebios von ihm in einem Schriftenverzeichnis aufzuzählen, auf die Schriften ‹De Pascha libri duo› (CPG 1093/4) und ‹Eclogae› (CPG 1093/3, darin eine Liste der in der LXX zusammengefassten Schriften; hier erstmals auch die Bezeichnung «Altes Testament») geht er näher ein, aber als sein wichtigstes Werk erachtet er offenbar die Apologie an Kaiser Mark Aurel, die er gleich zweimal nennt und aus der er drei längere Auszüge mitteilt (Hist. eccl. 4,26.1f. 5–11). Ein viertes Bruchstück ist im ‹Chronicon paschale› erhalten (CPG 1093/1–2). Laut Eusebios’ Eintrag in der ‹Chronographie› (Chron. ad ann. 2186 = 170 n. Chr. = 206,1ff. Helm) hat Meliton die Petition dem Kaiser im Jahre 170 übergeben. Meliton fordert darin die Aufhebung «neuer Erlasse» (καινὰ δόγματα), die zu Pogromen gegen die Christen in Kleinasien geführt haben. Und er untermauert seine Forderung mit einer geschichtstheologischen Universalsicht, die darauf hinausläuft, dass das Christentum und das Römische Imperium zwei gleichzeitig aufgetretene und providentiell aufeinander bezogene, zum Segen beider wirkende geschichtliche Größen sind – er nennt das Christentum bezeichnenderweise «unsere Philosophie» (Hist. eccl. 4,26,7) – , während einzig die schon in der römischen Historiographie als schlechte Herrscher abgeurteilten Kaiser diese prästabilierte Harmonie durch Christenverfolgungen durchkreuzt hätten (Hist. eccl. 4,26,9: Nero und Domitian als die Verfolger; zum Ganzen Schneemelcher 1973 [*709]). Philosophisch sind in Melitons umfangreichem Œuvre zwei weitere Titel beachtenswert (vgl. Markschies 2016 [*238: 249–261, 612–624]). Gleich zweimal zählt Eusebios eine Schrift Περὶ ψυχῆς καὶ σώματος (‹Über Seele und Leib›; CPG 1093/13) auf; gemeint ist offenbar dasselbe Werk, obschon der Titel bei der erstmaligen Nennung korrupt überliefert ist (vgl. Harnack 1882 [*184: 247 Anm. 346; 348], Wurst 2000 [*730: II 18]). Die Schrift ist zwar verloren, aber ihre Hauptgedanken können in der Zusammensicht von überarbeiteten syrischen Fragmenten und altorientalischen Versionen einer ps.-athanasianischen Homilie fast gleichen Titels wiedergewonnen werden (Schneemelcher 1957 [*704], Wurst 2000 [*730: II 57–66, 78–92]). Meliton vertritt demnach die populärphilosophische, allgemein
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gängige dichotomische Anthropologie, wonach der Mensch die Verbindung von Körper und Seele ist und der Tod die Trennung der Seele von dem zugrunde gehenden Körper, während die Seele in die Unterwelt verbannt wird (Wurst 2000 [*730: I 5f.; II 126]). Das Heilswerk Christi, das Meliton in der Fortsetzung beschreibt, besteht genau darin, «ut […] vivificaret hominem et colligeret membra eius, quae mors disperserat, quum hominem divideret» («dass er […] den Menschen zum Leben erwecke und seine Glieder, welche der Tod versprengt hatte, als er den Menschen zerteilte, [sc. wieder] sammle»: fr. 13 p. 238 Perler = p. 80 Hall). Zu beachten ist, wie sich Meliton zur Beschreibung des in paradoxen Antithesen explizierten Heilsereignisses Christi auch philosophischer Kategorien bedient: «[…] propter hominem iudicatum esse iudicem, et invisibilem visum, [et incomprehensibilem prehensum esse,] et incommensurabilem mensuratum esse, et impassibilem passum esse, et immortalem mortuum esse, et coelestem sepultum esse» («Wegen des Menschen ist der Richter gerichtet und der Unsichtbare sichtbar geworden, [ist der Unfassbare ergriffen] und der Unermessliche messbar worden, und hat der Leidenslose gelitten und ist der Unsterbliche gestorben und der Himmlische begraben worden»: fr. 13 p. 238 Perler = p. 80f. Hall). Der zweite hier zu nennende Titel lautet in Eusebios’ Verzeichnis Περὶ ἐνσωμάτου θεοῦ (‹Über Gott im Leib›), was sprachlich nicht ganz einfach ist, doch spricht Origenes von einer Schrift Melitons Περὶ τοῦ ἐνσώματον εἶναι τὸν θεόν (‹Darüber, dass Gott körperlich ist›: Orig. Comm. In Gen. D 11 Metzler = Collectio Coisliniana in Genesin fr. 73 Petit), und damit gibt Origenes, selbst wenn er nur über mittelbare Informationen verfügt haben sollte, zu verstehen, dass Meliton in diesem Werk die Meinung vertrat, dass Gott irgendwie körperlich zu denken sei. Doch gestattet die Quellenlage keinerlei Aufschluss darüber, welche Überlegungen und welche Traditionszusammenhänge ihn veranlasst haben könnten, diese Position einzunehmen (Markschies 2016 [*238: 260f.]). Die größte Aufmerksamkeit hat in der Forschung die seit 1936 in einigen Papyri und verschiedenen Versionen entdeckte Pascha- bzw. Osterhomilie (CPG 1092) auf sich gezogen; ob sie identisch ist mit derjenigen Schrift, die Eusebios in seinem Katalog unter diesem Titel aufführte, ist nicht sicher (zustimmend Perler 1980 [*717: 979]; in der Schwebe lässt die Frage Hall 1979 [*676: XIX–XXI] und 1992 [*724: 424]), doch an der Authentizität ist nicht zu zweifeln (gegen Cohick 2000 [*727: 11–21, 37]). Die Predigt ist ein Meisterstück bester asianischer Rhetorik der Zweiten Sophistik, die alle stilistischen Finessen an Anaphern, Homoioteleuta, Antithesen, Chiasmen, Paradoxa, Alliterationen usw. zum Einsatz bringt (Wifstrand 1948 [*703]), die aber auch semitische Stilformen aufweist (Angerstorfer 2011 [*742: 644]). Theologiegeschichtlich ist die Homilie ein wertvolles Zeugnis für eine monarchianische Lehrweise bei einem heilsgeschichtlich christozentrischen Gesamtaufriss (Cantalamessa 1963 [*707: 4–11], Hübner 1999 [*726], zurückhaltender Pouderon 2005 [*229: 236]; entgegen Hall 1975 [*712] ist Meliton nach fr. 6 p. 226 Perler = p. 68ff. Hall der erste, der von zwei Naturen Christi gesprochen hat), sie ist aber auch ein Dokument eines scharfen Antijudaismus (Angerstorfer 2011 [*742: 646–650, mit weiterer Literatur]). Philosophisch dagegen führt sie nicht über die genannten Elemente hinaus.
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§ 86. Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse (Bibl. 1072–1075)
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Abgesehen von den aufgezählten Nachrichten und Resten, die auf Werke namentlich ausgewiesener Autoren zurückgehen, sind schließlich noch Passagen in pseudonymen oder herrenlosen Schriften ganz anderer literarischer Gattungen zu nennen, in denen ebenfalls apologetisch-philosophisches Material verarbeitet ist. In einigen Märtyrerberichten wird die Situation des Verhörs vor dem staatlichen Beamten genutzt, um dem Angeklagten längere, mehr oder weniger philosophisch grundierte Reden zur Verteidigung des christlichen Glaubens in den Mund zu legen, etwa ‹Acta Justini et sociorum› (rec. C), ‹Acta Apollonii› (vgl. schon Eus. Hist. eccl. 4,15,47), ‹Martyrium Pionii›, ‹Acta Phileae› (rec. graec.; Musurillo 1972 [*674: LII–LIII], ferner Geffcken 1907 [*164: 246–249]). In den Pseudo-Klementinen (CPG 1015), einem Clemens Romanus zugeschriebenen, fiktiv autobiographischen Bildungs- und Wiedererkennungsroman, dessen hypothetische Grundschrift auf die Jahre 220–230(/250?) – entstanden in judenchristlichen Kreisen Koile Syriens – zurückgeht (Jones 1982 [*718], Bremmer 2010 [*735], Wehnert 2010 [*691: 29–42]), begegnen an wichtigen Punkten philosophische bzw. philosophienahe Diskussionseinlagen, die das christliche Leben, wie die Apologeten es tun, als alleinigen Weg eines vernunftgemäßen Lebens zur Rettung im kommenden Gericht empfehlen (vgl. die Rekonstruktionen und Synopsen bei Strecker 21981 [*705: 92–96], Wehnert 2010 [*691: 29f.], Jones 2012 [*744: 29–40]). Auffälligerweise fehlt die höhere Christologie, Christus ist für den Verfasser der wahre Prophet (Wehnert 2010 [*691: 37]). Die Haltung der griechischen Philosophie gegenüber ist dagegen grundsätzlich feindlich, obwohl der Autor philosophisch nicht unbewandert ist (Barnes 2008 [*732]), doch Philosophie und Offenbarungsglaube sind für ihn reine Gegensätze; die Philosophie beruhe bloß auf Vermutungen – daher ihre Zerspaltenheit – , sie gebe sich mit unernsten Spitzfindigkeiten ab und habe am äußerlichen Prunk und Schein ihr Genügen (Jedan 2010 [*739: 201–203]). Gleichwohl werden philosophisch relevante Themen behandelt. Sie betreffen das Ungenügen des nach Wahrheit suchenden Protagonisten an den paganen Philosophen (Hom. 1,3), die Monarchie und Philanthropie Gottes (Recogn. 2,36–69; Hom. 3,3; 15,9,6; 16,1. 5–15. 19; 18,4–22; Kooten 2010 [*740]), die Syzygienlehre, d. h. dass Gott alles in Gegensatzpaaren geschaffen hat (Hom. 2,15–18; Recogn. 3,51–62), das Böse und die Willensfreiheit (Recogn. 3,12–30; Hom. 19,1–25; die Willensfreiheit als Voraussetzung von Verantwortlichkeit und menschlicher Erkenntnis schlechthin: Recogn. 3,21–22), die Unsterblichkeit der Seele als notwendiges Postulat der Lohn oder Strafe zuteilenden Gerechtigkeit Gottes (Hom. 2,12–14; Recogn. 3,39–48), die Dämonenlehre (Recogn. 4,8–37; Hom. 8,12–19; 9,8–18), eine Disputation über die γένεσις (= Nativität) im Horizont der εἱμαρμένη (= Fatum; Recogn. 8,3–9,31; Hom. 14,3–6), die eigenwillige, mit Hilfe neupythagoreischer Zahlentheorie entfaltete Vorstellung einer göttlichen Gestalt in siebenfacher Dimensionalität (Hom. 17,7–11; Recogn. 2,50,3. 60,5; dazu Markschies 2016 [*238: 274ff., 636ff.]) und manches andere wie die Aufnahme orphischer Kosmogonien (Hom. 6,3–13; Recogn. 10,17–19,30; Bernabé 2008 [*733], Roig Lanzillotta 2010 [*741], Jourdan 2011 [*235: II 34–64, 273–336]). Besonders die γένεσις-Erörterungen, auch «die philosophischen Disputationen» betitelt (Heintze 1914 [*699: 51], Strecker 21981 [*705: 78]), greifen nahezu
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ausschließlich auf philosophische Argumentationen zurück. Sie sind als Auseinandersetzung zwischen einem Astrologen und drei philosophisch kompetenten jungen Männern, die alle eine Philosophenschule durchlaufen haben, gestaltet (Recogn. 8,7,4–8). Zur Diskussion steht die Meinung, dass die Welt nicht nach göttlicher Providenz regiert werde, sondern dass die γένεσις alles bestimme, und der Astrologe erklärt denn auch, dass der von ihm vertretene astrologische Fatalismus eine Erweiterung zu dem sei, was Epikur meint (Recogn. 8,7,8; dazu Jedan 2010 [*738]). Gegen diese Position wird im ersten, naturphilosophischen Gesprächsdurchgang (Recogn. 8,9–34) argumentiert, dass die Welt geschaffen und das Werk einer göttlichen Vernunft ist – in diesem Kontext wird auch ein doxographischer Abriss zur Prinzipienlehre (Recogn. 8,15; vgl. Diels 1879 [*698: 250]) mit einer scharfen Zurückweisung der Atomlehre Epikurs im Anschluss (Recogn. 8,17–19) eingeblendet – und dass in den Phänomenen der Welt die Wirksamkeit der göttlichen Providenz wahrgenommen werden kann (zum philosophiegeschichtlichen Hintergrund Cirillo 2007 [*731]). Im zweiten, kosmologisch-ökonomischen Gesprächsdurchgang (Recogn. 8,37–57) soll gezeigt werden, dass Ordnung wie Unordnung, Vernünftiges wie Unvernünftiges in der Welt letztlich nur in Gott, dem Künstler, ihren Ursprung haben können, nicht aber in einer leblosen Natur, worauf der Kontrahent sogleich die Frage nach der Ursache des Bösen aufwirft (Recogn. 8,56). Und im letzten, anthropologischen Gesprächsdurchgang (Recogn. 9,1–31) wird ausgeführt, dass dem menschlichen Selbsterhaltungstrieb in der von Ungleichheiten bestimmten Welt erst durch die Willensfreiheit ein sittlicher Maßstab gesetzt ist und dass die verschiedenen Sitten der Völker – das Thema der νόμιμα βαρβαρικά – nicht auf die sogenannten ‘Klimata’ der Astrologen zurückführbar sind, sondern auf willentlich erlassene Gesetze, welche die menschlichen Begierden in Schranken halten, was mit Auszügen aus Bardaisans Schrift ‹Liber legum regionum› illustriert wird (Recogn. 9,19–29; Jones 2012 [*744: 21f.]; zum ganzen Argumentationsgang vgl. Jedan 2010 [*739: 210–214], zu den philosophischen Vorgaben Heintze 1914 [*699: 70, 100f.], doch ist dessen Sicht der Quellenfrage, vgl. Jones 1982 [*718: 30f.], insgesamt revisionsbedürftig). Eine Aufzählung von Namen renommierter Philosophen begegnet auch außerhalb der Grundschrift in Apions Lobpreis des Ehebruchs, wo Apion, der ägyptische Gegenspieler, anhand großer Beispiele, etwa des Sokrates, das Ausleben sexueller Begierden propagiert (Hom. 4,18f.). Ohne hier auf die komplizierten Fragen nach dem literarischen Entstehungs-, Redaktions- und Sammlungsprozess der ‹Oracula Sibyllina› (CPG 1352) näher eingehen zu können (vgl. Schürer 1986 [*720: 618–654], Ubigli 2000 [*729]; zum neuesten Diskussionsstand Waßmuth 2011 [*743: 3–40]), sei doch auf apologetisches Material aufmerksam gemacht, das sich sowohl in den hellenistisch-jüdischen Partien (Orac. Sib. 3,8–45. 218–247. 551–555. 573–597) als auch in den christlichen (Orac. Sib. 8,361–455) findet, zumal die Apologeten die Sibylle häufig zitiert haben (Bartelink 1993 [*725]) und diese Rezeption schon mit Aristeides einsetzt (Apol. 1,2 = Orac. Sib. 8,390; weitere Berührungen notieren Pouderon, Pierre 2003 [*682: 83f.], die sie alle nicht als Zitate, sondern als Rekurse auf eine gemeinsame Quelle werten).
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§ 87. Sextos-Sentenzen (Bibl. 1075–1076)
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Hingewiesen sei zuletzt noch auf Gebetsformulare hellenistisch-jüdischer Herkunft in Buch 7 und 8 der ‹Apostolischen Konstitutionen› (CPG 1730), die von einem christlichen Redaktor nur geringfügig überarbeitet worden sind und in das besagte Sammelwerk der Kirchenordnungen und Ordnungen für den Vollzug liturgischer Handlungen Eingang gefunden haben. Punktuell haben sie auch andere Gebetstexte derselben um ca. 380 in Syrien (möglicherweise in Antiochien) verfertigten Sammlung beeinflusst (Bousset 1915 [*700], Metzger 1990 [*723]). Diese Benediktionen, die dem 2. nachchristlichen Jahrhundert entstammen dürften, preisen in Anlehnung an den biblischen Bericht der Schöpfungs- und Heilsgeschichte Gott, den Schöpfer und Erretter Israels, indem sie in einer in manchem an Philon erinnernden Sprache stoische kosmologische Begriffe und Wendungen stoischer Frömmigkeit benutzen und damit Anschluss an das wissenschaftliche Weltbild der Zeit gewinnen (Const. apost. 7,33–38; 8,12; Bousset 1915 [*700: 455– 464], Metzger 1985 [*677: 20f.] und 1987 [*679: 66–92, 176–205]). Dass das für die frühchristlichen Apologeten nicht ohne Belang sein konnte, liegt auf der Hand.
§ 87. Sextos-Sentenzen Dietmar Wyrwa
Als Sextos-Sentenzen (CPG 1115) wird eine Spruchsammlung von ethischen und asketischen Maximen bezeichnet, die eine christliche Bearbeitung von verschiedenen paganen moralphilosophischen Gnomologien darstellen. In ihrer ältesten greifbaren Gestalt enthält sie 451 Sprüche, einschließlich der begleitenden ‘Appendices’ beläuft sich die Zahl insgesamt auf 610 (Eisele 2015 [*759: 285–299], wobei Papyrus Palau Rib. inv. 225v nicht berücksichtigt ist), womit aber nichts über den ursprünglichen Umfang gesagt ist (Prochenko 2018 [*786]). Das Ganze verfolgt genau genommen nicht direkt eine apologetische oder protreptische Absicht, aber atmosphärisch wirkt sich in der Übernahme hellenistischer Spruchweisheit etwas aus, was man als apologetische Gestimmtheit im Dienst der christlichen Wegführung zur moralischen und spirituellen Vollkommenheit nennen könnte (vgl. Chadwick 1959 [*752: 160], Poirier 1983 [*755: 19], Pouderon 2005 [*229: 295f.]; vgl. auch die Klassifizierung von Geerard in CPG 1115). Erkennbare Vorlagen, die der Kompilator in sein Werk eingegliedert hat, sind belegt in den Kleitarch-Sentenzen, in den auch bei Iohannes Stobaios wiederkehrenden sogenannten PythagoreerSentenzen und in etwas über 50 von Porphyrios in ‹Ad Marcellam› zitierten Maximen, die aus derselben oder einer verwandten Quelle stammen, die auch der christliche Redaktor benutzt hat (Chadwick 1959 [*752: 140–162], Sodano 1991 [*776], Wilson 2012 [*758: 11–29], Eisele 2015 [*759: 37–41, 299–306]). Ihre christliche Gestalt hat die vorliegende Sammlung an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert, eher
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wohl zu Beginn des 3. Jahrhunderts, wie Origenes bezeugt, gefunden, vielleicht in Palästina, vielleicht in Alexandrien. Dass der Redaktor Sextos geheißen hat, ist denkbar, möglich ist auch, dass der Name schon an einer Vorlage haftete (Harnack 1904 [*186: II 2,190–192]). Sehr unwahrscheinlich ist es, dass die Sammlung ein Jugendwerk des römischen Bischofs Sixtus II. (257–258) darstellt (so Chadwick 1959 [*752: 130–134], mit Recht kritisch Wilson 2012 [*758: 10f.]). Auf einen analogen Vorgang christlicher Bearbeitungen im Fall von Epiktets ‹Encheiridion› in späterer Zeit macht Carlini 2004 [*780] aufmerksam. Die Sammlung beginnt mit einer Reihe von Kettensprüchen, in denen bereits der Leitgedanke aller Maximen beschlossen ist. Angesprochen ist der Gläubige – nur er allein, er ist der Erwählte, der Mensch Gottes, der seiner einzigartigen Bestimmung bewusst werden und zur höchsten Stufe der Vollkommenheit geführt werden soll (Sent. 1–8; vgl. Eisele 2015 [*759: 335f.]). Dass der Redaktor eher vom Gläubigen spricht, wo in den Vorlagen vom Weisen die Rede war, ist das deutlichste Kennzeichen der christlichen Bearbeitung. Der Weg zur Vollkommenheit führt über die sittliche Reinheit in einem Leben persönlicher Heiligkeit (vgl. Wilson 2012 [*758: 37]), die bei Gott die Vollmacht, Gottes Sohn zu sein, erwirkt (Sent. 36; 46; 60). In diesem Stadium beginnt er, sich selbst zu erkennen und der zu werden, der er ist (Sent. 82; 398; 445). Er hat in seinem Inneren Anteil am Reich Gottes (Sent. 311); seine Seele hört und sieht auf Gott, sie ist immer mit ihm zusammen (Sent. 415–418), und sein Geist ist ein Spiegel Gottes (Sent. 450). Aber diese Seelengröße (μεγαλοψυχία) bedarf stetiger Einübung und Anstrengungen (Sent. 120; 129). Jeglicher Verlockung und jeder Ablenkung, welche die Seele zum Irdischen herabzieht, muss unerbittlich Widerstand geleistet werden (Sent. 391). Große Bedeutung wird der Besitzlosigkeit beigemessen, die den Weisen dem bedürfnislosen Gott ähnlich macht (Sent. 18). Materielle Güter gebraucht der Weise nur, soweit sie unumgänglich sind (Sent. 19; 78); er gibt der Welt, was der Welt ist, aber Gott, was Gottes ist (Sent. 20 nach Mt. 22,21 parr.). Über den Verlust irdischer Dinge wird er nicht beunruhigt; denn seiner Freiheit kann der Philosoph nicht beraubt werden (Sent. 15; 17; 91b; 274b), darin verwirklicht er seine Autarkie (Sent. 98). Rigoros ist die in den Sentenzen vertretene Sexualmoral. Grundlage der Frömmigkeit ist Sextos zufolge die Enthaltsamkeit (Sent. 86a; vgl. 239; 253b; 294), und insofern werden sexuelle Begierden ohne Wenn und Aber verurteilt. Ehe und Kinderzeugung sind zwar nicht verboten, aber der Verfasser sieht sich genötigt, davor zu warnen; denn beides ist ein schwerer Kampf, der große Tapferkeit erfordert (Sent. 230b; 239). Deshalb hält er es für rechtens, eine Ehe aufzulösen, um als ‘Beisasse’ bei Gott zu leben (Sent. 230a, was eine zölibatäre Radikalisierung gegenüber I. Cor. 7,35 bedeutet; Pevarello 2013 [*781: 60–97], Eisele 2015 [*759: 349–363]; anders interpretiert von Wilson 2012 [*758: 241]). Wer zügellos ist, schändet auf jeden Fall seine eigene Frau (Sent. 231). Ambivalent ist Sextos’ Verhältnis zur asketischen Selbstverstümmelung. Einerseits scheint er zur freiwilligen Selbstkastrierung, wenn es nötig ist, in wörtlicher Auffassung von Mt. 19,12 und Mt. 5,29f. bzw. Mt. 18,8 aufzufordern (Sent. 13; 273), und so wurde er auch in gewissen Kreisen verstanden (vgl. Orig. Comm. in Mt. 15,3). Andererseits spiritualisiert er die Frage, insofern er zum Kriterium nicht die äußeren Glieder,
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§ 87. Sextos-Sentenzen (Bibl. 1075–1076)
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sondern die innere Einstellung macht (Sent. 12; vgl. Wilson 2012 [*758: 51–54]). Auch Unmäßigkeit beim Essen bewirkt Unreinheit (Sent. 108; 111), und vegetarische Lebensweise ist vernünftiger (Sent. 109). Aber Sextos räumt auch ein, dass nicht, was zum Mund hineingeht, den Menschen befleckt, sondern was infolge schlechter Sinnesart aus ihm herausgeht (Sent. 110 nach Mt. 15,11. 18f.). Andere Maximen betreffen die Pflicht zur Betätigung der Nächstenliebe (Sent. 33; 47; 52; 106a; 328ff.; 340; 382) und die Empfehlung der Wortkargheit und des Schweigens (Sent. 152–157; 161–164; 171; 366; 427); und noch manches andere kommt zu Sprache. Das höchste Gut indessen, die εὐδαιμονία, besteht in der Angleichung an Gott und in der Realisierung der göttlichen Ebenbildlichkeit (Sent. 133; 148; 190; 381). Der Glaube bzw., gleichbedeutend, die Weisheit und die asketische Vollkommenheit der ἐγκράτεια («Selbstbeherrschung»: Sent. 167; 402; 86) führen die Seele durch das Wort Gottes (Sent. 420) hinauf zur Kontemplation Gottes, so dass sie vom Licht der göttlichen Gegenwart umstrahlt wird (Sent. 95b; 97; 143f.; 447). So wird der Asket selbst zu einem Widerschein Gottes (Sent. 95b; 97; 394; 445–447), wie es denn auch heißt, dass ein Gottes würdiger Mensch Gott unter den Menschen ist (Sent. 376; vgl. 7a und 82d). Mit Blick auf den Gesamtcharakter der Sentenzen hat man von einem ‘milden Asketismus’ gesprochen, der sich in Übereinstimmung befinde mit dem, was man von einem paganen Weisen erwarten konnte (Edwards, Wild 1981 [*753: 1], Pouderon 2005 [*229: 295], Wilson 2012 [*758: 53]). In der Tat gibt es zahlreiche direkte Parallelen oder sinnverwandte Sprüche, die sich schon in pythagoreischen, stoisch-kynischen und platonischen Vorlagen greifen lassen (vgl. im Einzelnen die Kommentare von Chadwick 1959 [*752], Wilson 2012 [*758], Eisele 2015 [*759: 10–36]); ebenso sind immer wieder biblische, vor allem neutestamentliche Elemente zu verzeichnen, die in die Sammlung eingearbeitet sind (Delling 1961 [*767]). Im Zuge dieser wechselseitigen Umgestaltung und Neuformulierung scheint aber der christliche Redaktor Sextos an wichtigen Punkten eine Tendenz auf eine erheblich strengere und rigorosere asketische Position begünstigt zu haben (so die Analysen von Pevarello 2013 [*781]). Zum ersten Mal werden die Sentenzen von Origenes erwähnt, der ihre weite Verbreitung unter Christen bezeugt (Orig. Cels. 8,30; Comm. in Mt. 15,3) und den Verfasser «weise und gläubig» nennt (Hom. in Hes. 1,11; des Näheren vgl. Chadwick 1959 [*752: 107–116], Pevarello 2013 [*781: 10–16]). Er zitiert selbst Sent. 22 und Sent. 352 (bei Epiph. Haer. 67,7,3). Um 399 hat Rufinus von Aquileia die Sammlung von 451 Stücken ins Lateinische übersetzt (Bouffartigue 1979 [*770: 86–95]) und in seiner Einleitung mitgeteilt, dass sie als das Werk des römischen Bischofs Sixtus angesehen werde. Das wurde indessen von Hieronymus scharf zurückgewiesen; er nennt gegen Pelagianer gerichtet, die sich gern auf einige Maximen bezogen (z. B. Sent. 36, 46, 60 und 257 lat.; Kany 1992 [*778]), als Verfasser einen ‘Sextus Pythagoricus’ (Comm. in Hes. 6; Ep. 133,3; Comm. in Ier. 4,41; dazu Chadwick 1959 [*752: 117–137]), und entsprechend hat das ‹Decretum Gelasianum› (5,4,11) sie als apokryph und häretisch ausgeschieden. Trotzdem fand die Übersetzung im lateinischen Mönchtum bis ins Mittelalter hinein starke Verbreitung (Bogaert 1972 [*768], stärker als Evans 1983 [*773] annimmt; Solignac 1990
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[*775: 768]). Nicht weniger groß war die Wertschätzung in asketischen Kreisen des Ostens, wie aus der Benutzung durch Euagrios Pontikos und Basileios hervorgeht (Gribomont 1992 [*777], Durst 2015 [*783] und 2015 [*784]) und wie koptische, armenische, syrische, georgische, äthiopische und arabische Übersetzungen bezeugen (Prochenko 2018 [*786]). Besonders bemerkenswert ist, dass im Fund der Bibliothek von Nag Hammadi eine koptische Version, die noch vor dem 4. Jahrhundert entstanden ist und keinerlei gnostisierende Züge aufweist, in leicht verstümmelter Form enthalten ist (Wisse 1975 [*769: 73–76, 83], Poirier 1983 [*755: 20–25], Wisse 1990 [*757]).
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§ 88. Überblick (Bibl. 1077–1079)
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III. GNOSTIZISMUS UND VERWANDTES § 88. Überblick Einar Thomassen ‘Gnostizismus’ ist ein neuzeitlicher Begriff, der verwendet wird, um eine spezifische Weltanschauung zu charakterisieren, als deren typische Vertreter frühchristliche ‘Häretiker’ betrachtet werden. Definierende Merkmale dieser Weltanschauung sind folgende: 1) Die Materie gilt als böse, Erlösung wird als Befreiung von der materiellen Welt gesehen; 2) Unterscheidung zwischen einer transzendenten Gottheit und einem untergeordneten Gott, welcher der Schöpfer des Kosmos ist; 3) Annahme eines Bandes der Wesensgleichheit zwischen dem Geist (πνεῦμα) als dem inneren Kern des menschlichen Seins und der transzendenten Gottheit; 4) Auffassung, dass Erlösung mittels Gnosis erlangt wird, die im Bewusstwerden und in der Erkenntnis dieses Bandes besteht. Eine solche Gnosis wird ferner nicht allein durch intellektuelle Selbstanstrengung erreicht, sondern wird in der Regel von außen durch einen Erlöser vermittelt, der von der transzendenten Welt entsandt wurde. Derart definiert, ist der Begriff ‘Gnostizismus’ eine Abstraktion, die nicht einer bestimmten religiösen Bewegung oder philosophischen Schule in einem positiv historischen Sinne entspricht. Die meisten ‘Gnostiker’ haben nicht diesen Namen als hauptsächliche Selbstbezeichnung angenommen. Die gegenwärtige Forschung neigt zu einer kritischen Haltung gegenüber der undifferenzierten und essentialistischen Verwendung der Begriffe ‘Gnosis’ und ‘gnostisch’, die in der Vergangenheit oft vorherrschte (siehe z. B. Williams 1996 [*835], King 2003 [*837], Marjanen 2005 [*838]). In der Tat schließen die oben aufgelisteten Kriterien einander nicht mit logischer Notwendigkeit ein. Es ist zum Beispiel bestens möglich, eine Position des theologischen Dualismus bzw. eines Ditheismus einzunehmen (Kriterium 2), ohne dass man das Konzept einer göttlich-menschlichen Wesensgleichheit vertritt (3) bzw. Wissen als den Weg zur Erlösung betont (4) – wie das Beispiel von Markion in der Antike und einiger christlicher, dualistisch geprägter Sekten im Mittelalter zeigt. Das Umgekehrte ist gleichermaßen möglich, wofür die mystischen Traditionen der monotheistischen Religionen reichlich Belege bieten. Die Kombination all dieser Kriterien, wie sie von gewissen religiösen Gruppen und intellektuellen Persönlichkeiten in der Antike realisiert wurde, ist aus dieser Perspektive betrachtet historisch kontingent und summiert sich nicht zu einer ‘Essenz’, durch die ‘Gnostizismus’ als ein kohärentes Phänomen zu verstehen und zu definieren wäre. Eine große Anzahl ‘gnostischer’ Gruppen und Lehrer sind in den Werken der christlichen Häresiologen belegt. Irenäus macht Simon Magos (vgl. Acta 8) zum Urheber der gnostischen Häresie; auf ihn folgten Menander, Basileides, Satorninos, Karpokrates, Kerinthos und verschiedene Gruppen von Gnostikern. Am wichtigsten waren für Irenäus die Anhänger von Valentinus, die das hauptsächliche
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Ziel seiner Schrift ‹Adversus haereses› (‹Gegen die Häresien›) bildeten. In den späteren häresiologischen Werken des Hippolyt (‹Refutatio omnium haeresium› – ‹Widerlegung aller Häresien›) und des Epiphanios wächst die Zahl gnostischer Häresien. Im 3. Jahrhundert tritt der Manichäismus als Hauptbewegung in Erscheinung, welche christlich-gnostische Ideen mit iranischen Elementen verbindet. Die dreizehn koptischen Codices der 1945 entdeckten Nag-Hammadi-Bibliothek enthalten einige Texte, die als ‘valentinianisch’ identifiziert werden können. Eine andere Gruppe von Texten, die in dieser Manuskriptsammlung enthalten ist, stellt die biblische Figur des Seth in den Vordergrund, was dazu geführt hat, dass in der modernen Forschung der ‘Sethianismus’ als eine bedeutende Klassifizierungskategorie verwendet wird. Ob diese Kategorie einer historisch fortlaufenden und soziologisch kohärenten Bewegung entspricht, ist allerdings zweifelhaft. Von den verbliebenen Texten von Nag-Hammadi stehen einige mit Traditionen aus dem Umfeld des Apostels Thomas in Verbindung, andere mit dem Hermetismus, doch kann eine ansehnliche Zahl von Texten keiner der von den antiken Häresiologen beschriebenen Gruppen oder Lehrer eindeutig zugewiesen werden. Von den Nag-Hammadi-Codices abgesehen, finden sich gnostische Texte auch in folgenden weiteren koptischen Handschriften: im Berolinensis 8502, im BruceCodex (zusammen mit den Büchern des Jeû), im Askew-Codex (zusammen mit der Pistis Sophia) sowie im kürzlich publizierten Codex Tchacos, der u. a. das berühmte ‹Judas-Evangelium› enthält (Brankaer, Bethge 2007 [*811]). Sowohl die patristischen Quellen als auch die in koptischer Sprache erhaltenen Originaltexte zeigen eine große Vielfalt an Mythen, Lehren und Praktiken, die nur teilweise mit Hilfe von Verallgemeinerung und Klassifizierung in eine Ordnung gebracht werden können. Im Hinblick auf den ontologischen Dualismus von Geist und Materie, der von allen geteilt wird, kann eine Unterscheidung getroffen werden zwischen einer radikal dualistischen Position, welche die Materie und das Böse als ein unabhängiges Prinzip betrachtet, das von Anbeginn neben dem Prinzip des Guten existierte, und einem gemäßigten Dualismus, der die Materie und das Böse letztlich von einem einzigen ersten Prinzip mittels einer irgendwie gearteten Theorie des Falls ableitet. Ein radikaler Dualismus wird am stärksten vom Manichäismus vertreten, der die Welt als den Schauplatz eines fortwährenden Kampfes zwischen den Kräften des Lichts und der Dunkelheit versteht. Ein monistischer Dualismus charakterisiert den Valentinianismus und mehrere andere klassisch gnostische Systeme, darunter das ‹Apokryphon des Johannes› und andere ‘sethianische’ Texte. In diesen Systemen wird der Ursprung der Materie in der Regel mit einem Mythos von der Leidenschaft der Sophia erklärt. Nichtsdestoweniger sollte noch hinzugefügt werden, dass einige Systeme drei erste Prinzipien ansetzen: Eine transzendente Gottheit, ein präexistentes Chaos oder materielles Prinzip und eine ursprüngliche Mittlerfigur (Justin der Gnostiker; die Sethianer von Hippol. Ref. 5,19–22; die ‹Paraphrase des Sêem› [NHC VII,1]; möglicherweise auch die Naassener, die Peraten, und Monoïmos der Araber aus der ‹Refutatio›). Innerhalb der Gruppe der monistisch-dualistischen Ansätze, welche die Mehrheit der gnostischen Systeme bilden, muss eine weitere wichtige Unterscheidung getroffen werden: Auf der einen Seite gibt es diejenigen Texte – wie die ‘sethiani-
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schen’ –, welche die physische Welt als ein Gefängnis betrachten, das von einem bösartigen Schöpfer erschaffen wurde, um die spirituellen Elemente, die von der Sophia abstammen, gefangen zu nehmen; auf der anderen Seite gibt es diejenigen Systeme, die – wie die valentinianischen Quellen – die zeitlich befristete Einheit von Geist, Seele und Körper im Menschen auf einen pädagogischen Zweck zurückführen, der von der transzendenten Gottheit selbst providentiell gewollt und von einem Demiurgen ausgeführt wird, der das ahnungslose Werkzeug dieses höheren Plans, aber nicht von Natur aus böse ist. Die Valentinianer (ebenso wie die Basileidianer) nahmen damit eine eher positivere Sicht auf den Kosmos und seinen Schöpfer ein als die ‘sethianischen’ Gnostiker, und sie zeigen eine größere Affinität zum Platonismus ebenso wie zur orthodoxen christlichen Theologie (spätere ‘sethianische’ Texte haben sich allerdings umfassend neuplatonische Elemente angeeignet). Der Gnostizismus ist in erster Linie ein religiöses Phänomen. Die Befreiung des spirituellen ‘inneren Menschen’, auf die er abzielt, bedarf der Intervention einer personalen Erlöserfigur, die von der transzendenten Welt herabgeschickt wird. Der Erlöser klärt die Menschen über ihre nicht-weltlichen Ursprünge auf und besiegt die Dämonen, welche die Menschen durch ihre Körper und die niederen Seelenteile bedrängen. Die Erlösung hängt sowohl vom Glauben an den Erretter als auch vom Erwerb der Erkenntnis ab, die er offenbart, und beinhaltet in der Regel auch die Ausübung von Gnade vermittelnden Ritualen. Nichtsdestoweniger ist oft ein starkes intellektuelles Element präsent, bei dem der Einfluss zeitgenössischer philosophischer Ideen häufig eher zu erahnen ist, als offen zugestanden wird. Wichtige Ausgangspunkte für das gnostische Lehrgebäude sind die Themen der Weisheit und der Gottebenbildlichkeit des Menschen, die beide auf eine jüdische Tradition zurückzuführen sind. Im Pronoia-Monolog am Ende der Langversion des ‹Apokryphon des Johannes›, einem der traditionsgeschichtlich frühesten erhaltenen Textzeugnisse für gnostisches Denken, wird das traditionelle jüdische Motiv vom Abstieg der göttlichen Weisheit, die nach einem Wohnplatz unter den Menschen sucht, zu einer heilsgeschichtlichen Erzählung eines dreifachen Abstiegs der Pronoia weiterentwickelt, die den in der Dunkelheit und Gefangenschaft ihres Körpers lebenden Menschen Aufklärung über ihre wahre Natur und die Erleuchtung bringt. Die spätere gnostische Mythologie besteht zu einem großen Teil in Weiterentwicklungen dieses Themas, darunter Vorstellungen über Fall und Gefangennahme der Weisheit selbst und ihre letztendliche Erlösung. In einem ebenso frühen Zeugnis, dem ‘Ophiten’-Mythos von Iren. Haer. 1,30, nimmt das Thema der menschlichen Gottebenbildlichkeit (Gen. 1,26) die Form einer Theogonie an, in der die höchste Gottheit, der Vater von allem, mit dem ersten Menschen identifiziert wird, der einen Menschensohn als seinen Gedanken erschafft, welcher wiederum einen dritten Menschen zeugt, nämlich Christus. Ein ähnliches Schema erscheint in dem Nag-Hammadi-Traktat ‹Eugnostos›, wo allerdings der Abfolge dreier ‘Menschen’ zwei noch höhere göttliche Entitäten vorangehen: ein ungezeugter Propator an der Spitze, gefolgt von einem selbsterzeugten Autopator. Ähnliche Konstruktionen, in denen die Hierarchie von Modell-Abbild-Beziehungen – angeregt durch die Anthropogonie des Buches ‹Genesis› – kombiniert wird mit Theorien der Ableitung aus ersten Prinzipien – diese inspi-
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riert von den griechischen Theogonien und neupythagoreisch-platonischer Philosophie –, sind ein charakteristisches Merkmal vieler gnostischer Systeme. Es ist offensichtlich, dass ein großer Teil des in den gnostischen Texten verarbeiteten Materials von der Bibel und aus jüdischen Traditionen stammt. Die meisten Forscher gehen deswegen von der Annahme aus, die gnostische Bewegung hätte sich ursprünglich aus der jüdischen Religion heraus entwickelt, trotz der offenkundigen Schwierigkeit, ein spezifisches Milieu festmachen zu können, in dem eine solche Herausbildung hätte stattfinden können. Vom chronologischen Standpunkt her gibt es keinen positiven Beleg für die Existenz gnostischer Gruppen vor dem Aufkommen des Christentums. Und unter den Spezialisten herrscht keine Einigkeit darüber, in welchem Maße christliche Vorstellungen wie jene eines Erlösers als Voraussetzung für die Entwicklung gnostischer Ideen anzusehen sind. Einerseits erscheint in gnostischen Quellen die christliche Erlöserfigur in ihren Grundzügen integriert, so dass sich diese plausibel in einem (wie auch immer gearteten, ‘häretischen’) christlichen Kontext festmachen lassen, andererseits finden wichtige Themen wie der Mythos von Sophia und die Spekulationen hinsichtlich eines Ersten Menschen ihre einfachste Erklärung, wenn eine Vorgeschichte im Kontext jüdisch-theologischen Denkens angenommen wird. Überdies weisen auch nicht-christliche und nicht-jüdische Bewegungen wie der Hermetismus oder die Mandäer gewisse ‘gnostische’ Charakteristika auf; dies zeigt, dass eine eindimensionale Vorstellung von der Genese eines Phänomens, das letztlich keine einheitlichen, zusammenhängenden Züge besitzt, mit großen inhärenten Schwierigkeiten verbunden ist. Gnostische Vorstellungen scheinen sich insbesondere während des 2. Jahrhunderts n. Chr. von der Herrschaft Hadrians an ausgebreitet zu haben. Obwohl sie durch das Wachstum und die Institutionalisierung der katholischen Kirche zunehmend an den Rand gedrängt wurden, lebten Gruppierungen, die für solche (gnostische) Vorstellungen eintraten, bis zum Ende des 4. Jahrhunderts fort, danach verliert sich ihre Spur allmählich. Östlich der Grenzen des Römischen Reichs jedoch blieb vor allem der Manichäismus für weitere tausend Jahre eine kraftvolle Erscheinung. Aus dem Englischen übersetzt von Magdalena Hoffmann.
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§ 89. Sethianismus (Bibl. 1080–1081)
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§ 89. Sethianismus Einar Thomassen Die Nag-Hammadi-Bibliothek machte auf die Existenz einer wichtigen gnostischen Richtung aufmerksam, die mit der biblischen Gestalt von Seth, dem Sohn Adams (Gen. 4,25 und 5,3), verbunden wird. Heute werden etwa 16 verschiedene Texte zum ‘sethianischen’ Corpus gezählt. Die Bedeutung Seths liegt darin, dass er als der authentische Träger der Gottebenbildlichkeit seines Vaters Adam und als Übermittler und Offenbarer rettender Gnosis betrachtet wird. Er wurde außerdem auch als der Vorfahr des ‘Samens von Seth’ angesehen, d. h. der Gruppe von Menschen, die diese Gnosis besitzen. Häufig wird Seth mit Christus gleichgesetzt, aber es gibt auch einige Seth-Texte, in denen das christliche Element nicht vorherrschend oder gar abwesend ist, insbesondere die sogenannten ‘platonisierenden Texte’. Der Sethianismus war kaum eine soziologisch kohärente Bewegung. In mancherlei Hinsicht wird er am besten als eine literarische Tradition (vergleichbar z. B. mit dem Orphismus) charakterisiert, in welcher der Name von Seth gebraucht wird, um eine Reihe von Lehren zu legitimieren, die zu Beginn der menschlichen Geschichte, zumindest lange vor Mose, offenbart worden seien. Auf der anderen Seite gab es sicher ‘sethianische’ Gruppen, in denen gemeinschaftliche Rituale vollzogen wurden, darunter ein charakteristisches Initiationsritual, das als die ‘fünf Siegel’ bekannt ist. Der bekannteste ‘sethianische’ Text ist das ‹Apokryphon des Johannes›, das gleich in vier Abschriften bezeugt ist (NHC II,1; III,1; IV,1; BG 2). Es handelt sich dabei um einen protologischen und heilsgeschichtlichen Traktat in der Form eines kritischen Kommentars zur ‹Genesis›, äußerlich gestaltet als ein Offenbarungsgespräch, das Jesus mit seinem Jünger Johannes führt. Ein ebenfalls typischer ‘sethianischer’ Text ist ‹Das heilige Buch des Unsichtbaren Geistes› (auch bekannt als ‹Das Evangelium der Ägypter›: NHC III,2; IV,2) mit einer Offenbarung des Seth in uranfänglicher Zeit über den Ursprung der Welt, über dessen künftige Abkunft als Jesus und über den heilbringenden Ritus der Taufe, der von Jesus gelehrt werden wird. Von besonderem philosophiegeschichtlichen Interesse ist eine Sammlung von verhältnismäßig späten ‘sethianischen’ Texten, die von Gelehrten als «platonisierend» (Turner 2001 [*906]) beschrieben werden: ‹Zostrianos› (NHC VIII,1), ‹Allogenes› (NHC XI,3), ‹Die drei Stelen des Seth› (NHC VII,5) und ‹Marsanes› (NHC X). Diese Texte zeigen eine spezielle Affinität zum Neuplatonismus. Zu den charakteristischen Merkmalen ‘sethianischer’ Texte gehört eine Theogonie, an deren Spitze eine Triade von Vater, Mutter und Kind steht, auch als Unsichtbarer Geist, Barbelo und der Selbst-Erzeugte (Autogenes) bezeichnet. Der Unsichtbare Geist ist vollständig transzendent und wird in der Sprache der negativen Theologie beschrieben – besonders ausführlich auf den ersten Seiten des ‹Apokryphon des Johannes› und in ‹Allogenes› 62f. Durch Selbst-Kontemplation
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offenbart sich der Unsichtbare Geist selbst in Barbelo (für deren Name sich keine Erklärung finden lässt), die sein erster Gedanke und Ebenbild ist. Obwohl sie die Bezeichnung ‘Mutter’ trägt, wird sie auch als das erste menschliche Wesen, dreifach männlich, dreifache Kraft und androgyn beschrieben. Indem sie sich selbst dem Vater in Kontemplation zuwendet, bewirkt Barbelo danach das Entstehen des dritten Mitglieds der Triade, des selbst-erzeugten Kindes. Ferner sind Barbelo und Autogenes beide mit einem Gefolge von ‘Äonen’ ausgestattet, von denen die bedeutendste Gruppe die der ‘vier Lichter’ ist, die gemeinsam mit Autogenes entstehen und den Wohnplatz für den prototypischen, himmlischen Adam, Seth und den Samen von Seth bilden. Durch diesen Prozess der kontemplativen Selbst-Objektivierung faltet sich das einheitliche erste Prinzip in eine Mehrzahl von Wesen auseinander, die aus ihm hervorgehen, aber auf ihren Ursprung ausgerichtet bleiben. Es handelt sich dabei sowohl um eine Ontogenese als auch um einen epistemologischen Prozess, der Wissen über die letzte Quelle des Alls ermöglicht: Barbelo ist nicht nur erzeugender Gedanke, sondern auch Vorsehung, welche die errettende Gnosis in Übereinstimmung mit einem göttlichen Plan vermittelt. Das Auseinanderfalten des göttlichen Seins endet jedoch mit einem Bruch, nämlich mit der Handlung des Äons Sophia (sie ist die letzte von zwölf Äonen, die Unterteilungen der vier Lichter sind). Ihr Fehler wird als ein Verlangen, unabhängig zu handeln, beschrieben, d. h. dass sie allein als einzelner Äon einen Akt der Hervorbringung vollziehen will, den einzig das göttliche Sein als Gesamtheit zu leisten in der Lage ist. Infolge dessen gebiert sie ein missgebildetes Monstrum. Das ist Jaldabaoth, der anschließend die Welt als Ausdehnung seiner eigenen defizienten Natur erschafft. Diese Welt ist ein düsteres Reich, das von zahlreichen Kräften bewohnt und beherrscht wird, die alle ihrerseits vom Schöpfer Jaldabaoth beherrscht werden, der ebenso arrogant und tyrannisch wie bezüglich der transzendenten Welt über ihm unwissend ist. Seine Schöpfung ist in gewisser Weise ein Abbild der oberen Welt, in Übereinstimmung mit der Vorstellung platonischer Ideenwelt, allerdings ist es ein umgekehrtes Bild und eine Travestie des idealen Modells: Der Bericht kann als eine Parodie der Kosmogonie des ‹Timaios› gelesen werden. Der Brennpunkt der Erzählung liegt allerdings nicht in der Kosmologie, sondern in der Anthropologie. Jaldabaoth hatte einen Teil der geistigen Natur seiner Mutter zurückbehalten, und das Hauptmotiv der folgenden Geschichte betrifft die Befreiung dieses Teils aus der Gewalt der kosmischen Archonten und seine Rückführung in die geistige Welt. Zu diesem Zweck wird Jaldabaoth durch eine Erscheinung der Barbelo-Vorsehung dazu überlistet, den ersten Menschen zu erschaffen und seinen Geist in ihn hineinzuhauchen. Die Archonten jedoch versuchen, da sie Adams höhere Natur wahrnehmen, ihre Kontrolle über die Menschheit mit Hilfe verschiedener Strategien wiederherzustellen, wie etwa durch die Erschaffung der physischen Eva und die Einkleidung des ersten menschlichen Paares mit Körpern aus Fleisch. Die Folge davon ist, dass die Menschen zu Opfern von Begierde und Verdorbenheit werden. Schließlich steigt die Vorsehung ein letztes Mal in der Gestalt von Jesus hinab, um die Menschheit – genauer, den Samen des Seth – über ihren göttlichen Ursprung aufzuklären, wodurch die Rückführung des Geistes in die Welt des Lichts ermöglicht wird.
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Im Gegensatz zur heilsgeschichtlichen Darstellungsweise, wie sie in Texten wie dem ‹Apokryphon des Johannes› zu finden ist, machen die vier ‘platonisierenden’ Traktate vom Aufbau des ‘sethianischen’ Systems Gebrauch, um sich die Erlösung in Form eines geistigen Aufstiegs vorzustellen, der vom vollendeten Mystiker geleistet werden kann. Zostrianos, Allogenes, (Emmacha) Seth und Marsanes sind Visionäre, deren Erfahrungen in den Texten, die ihre Namen tragen, erzählt werden. Ihre Aufstiege durchlaufen vier aufeinander folgende Stufen: Nachdem sie die zwei kosmischen Stufen der Physis und Seele (‘Reue’) überwunden haben, steigen die Visionäre zum intelligiblen Äon von Barbelo auf; jenseits davon liegt das höchste Reich des Unsichtbaren Geistes, des nicht-wissbaren Einen. Dieses VierStufen-Schema weist eine strukturelle Affinität zum Neuplatonismus auf, und in der Tat sind die Apokalypsen von Zostrianos und Allogenes unter den Schriften, auf die sich laut Porphyrios (Vit. Plot. 16) diejenigen Gnostiker bezogen hätten, die an Plotins Vorlesungen in Rom teilnahmen. Porphyrios sagt auch, dass Amelios eine Widerlegung von Zostrianos in vierzig Bänden geschrieben habe. Plotins eigene Kritik an den Gnostikern könnte außerdem besonders gegen Zostrianos gerichtet sein (Turner 2001 [*906: 711–720]). Ob aber die Traktate ‹Allogenes› und ‹Zostrianos›, die in koptischen Übersetzungen in der Nag-Hammadi-Bibliothek wiedergefunden worden sind, identisch mit den von Porphyrios erwähnten Texten sind, ist ein ungelöstes Problem (dafür: Turner in zahlreichen Publikationen, Tardieu 1996 [*901: 112–113], Corrigan 2000 [*905]; dagegen: Abramowski 1983 [*894], Majercik 1992 [*898] und 2005 [*908], Burns 2010 [*918], die alle für ein post-plotinisches Datum argumentieren). Aus dem nicht-wissbaren Einen ausfließend, ist die intelligible Welt des Äons Barbelo in diesen Texten in drei Stufen unterteilt, welche die Namen Kalyptos, Protophanes und Autogenes tragen. Auf der Stufe von Kalyptos, der ‘versteckten’ Stufe, existieren die intelligiblen Wesen als «unverbindbare echte Existenzen» (Turner 2007 [*913: 66]) und sind bloß Gegenstände der Kontemplation; auf der Stufe des Protophanes werden sie sichtbar gemacht und mit einem aktiv kontemplierenden Intellekt verbunden; auf der letzten Stufe vertritt Autogenes einen demiurgischen Intellekt, der die Ideen individualisiert und sie auf die sinnlich wahrnehmbare Welt anwendbar macht. Diese Unterscheidungen sind vergleichbar mit Numenios’ Unterteilung des Intellekts in einen Teil, der sich seinem Ursprung zuwendet, und in einen anderen, der seine Aufmerksamkeit auf die niedere Welt richtet. Eine besondere Rolle wird in diesen Texten ferner einer Entität zugewiesen, die «der dreifach Mächtige» (offensichtlich eine Übersetzung von τριδύναμος) genannt wird. Diese Stufe vermittelt den Übergang vom nicht-wissbaren Einen zum Äon Barbelo und umfasst die drei ‘Kräfte’ der Existenz, Leben und Intellekt (oder Seligkeit), was impliziert, dass die intelligible Welt zunächst latent mit dem Einen existiert, dann daraus als ein unbestimmtes ‘Leben’ hervorgeht und schließlich als Intellekt ein bestimmtes intellektuelles Dasein erlangt, das seine Quelle betrachtet. In ‹Allogenes› wird diese Struktur zu einer Enneade entwickelt, bei der das nicht-wissbare Eine, das von drei Kräften durchströmte Eine und der Äon von Barbelo jedes für sich die drei Stufen von «Existenz» (ὕπαρξις/οὐσιότης), «Lebenskraft» (ζῳότης) und «Denkkraft» (νοότης) umfasst, jedoch gemäß einem
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Prinzip der relativen Vorherrschaft, durch das die Existenz im nicht-wissbaren Einen, die Lebenskraft im dreifach Mächtigen und die Denkkraft im Äon Barbelo vorherrscht. Die Terminologie, die von diesen ‘sethianischen’ Traktaten zur Beschreibung des Aufbaus der transzendenten Welt und der Phasen der Emanation verwendet wird, weist bemerkenswerte Parallelen zur neuplatonischen Philosophie auf. Das trifft insbesondere auf die ‘intelligible Triade’ von Existenz, Leben und Intellekt zu, die ein allgemeines Merkmal des späteren Neuplatonismus ist, aber auch schon Plotin und womöglich schon vor diesem bekannt war (P. Hadot 1960 [*888]; siehe jedoch Edwards 1990 [*897] und Majercik 1992 [*898]). Deren früheste Bezeugung ist wohl im anonymen Kommentar aus Turin zum ‹Parmenides› zu finden (XIV,15–26), einem Text, der von P. Hadot 1961 [*889] und 1968 [*890] Porphyrios zugeschrieben wird, für den aber in jüngerer Zeit ein mittelplatonisches Datum behauptet wurde (Bechtle 1999 [*902], Corrigan 2000 [*904]). Ferner wurde eine literarische Beziehung zwischen bestimmten Passagen des ‹Zostrianos› (insbesondere 64–68) und Marius Victorinus entdeckt (Adv. Ar. 1,49f.: Tardieu 1996 [*901], Barry et al. 2000 [*882]). Für diese Texte, die das Eine sowohl in Form einer negativen als auch einer affirmativen Theologie beschreiben und auch Kenntnis der intelligiblen Triade verraten, muss eine gemeinsame Quelle angenommen werden. Die Identifizierung dieser Quelle wird aber durch die Verwendung eines Vokabulars erschwert, das sich kaum mit dem Platonismus vereinbaren lässt, wie etwa die Bezeichnung des Einen als ‘Geist’ (πνεῦµα). Sollte man einen ‘sethianischen’ Ursprung dieser Quelle selbst als unwahrscheinlich beurteilen (man würde damit diesen gnostischen Gruppen die Erfindung von etwas zuerkennen, das in der Folge ein zentrales Element der späteren neuplatonischen Philosophie wurde), muss man annehmen, dass die Quelle eine christliche oder gnostische Redaktion eines ursprünglich platonischen Texts war, in dem eine solche Terminologie nicht verwendet wurde (P. Hadot 1996 [*900]). Es ist auf jeden Fall klar, dass die Wechselbeziehungen zwischen dem späteren ‘sethianischen’ Gnostizismus und dem Neuplatonismus nun als enger eingeschätzt werden müssen, als man es in der Vergangenheit anzunehmen bereit war. Aus dem Englischen übersetzt von Magdalena Hoffmann.
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§ 90. Basileides und seine Anhänger (Bibl. 1082)
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§ 90. Basileides und seine Anhänger Einar Thomassen
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre.
1. LEBEN
Basileides wird von Clemens von Alexandrien (Strom. 7,106) und von Eusebios (Chron. ad ann. 2148 = 132 n. Chr. = 201,2f. Helm; vgl. Hist. eccl. 4,7) in die Zeit Hadrians datiert, und tatsächlich weiß Justin der Märtyrer in der Mitte des 2. Jahrhunderts von den «Basileidianern» zu berichten (Dial. 35,6). Irenäus macht ihn in seiner künstlichen Genealogie gnostischer Häretiker, zusammen mit Sa torninos, zu einem Nachfolger Menanders, der seinerseits auf den Erz-Häretiker Simon Magos folgte (Haer. 1,24). Von Basileides’ eigenen Schülern wird insbesondere sein Sohn Isidoros erwähnt (z. B. Clem. Alex. Strom. 6,53; Hippol. Ref. 7,20). Die Forschung ist sich einig darüber, dass Basileides in Alexandrien zu verorten ist; sein Einfluss scheint nicht weit über diese Stadt hinaus gereicht zu haben. 2. WERKE Basileides ist der Autor eines exegetischen Werkes (Ἐξηγητικά: Clem. Alex. Strom. 4,81,1) zum Evangelium in 24 Büchern (Agrippa Castor bei Eus. Hist. eccl. 4,7,7). Ob er weitere Werke verfasste, welche die Quellen der ungefähr 18 erhaltenen Fragmente und Berichte sein könnten, die ihm oder seiner Schule zugeschrieben werden, ist
ungewiss. Seinem Sohn Isidoros werden ein Kommentar zu dem (ansonsten unbekannten) Propheten Pachor (Clem. Alex. Strom. 6,53), eine Schrift ‹Über die angewachsene Seele› (Περὶ προσφυοῦς ψυχῆς: Clem. Alex. Strom. 2,113f.) und ein Werk namens ‹Ethik› (Ἠθικά) zugeschrieben (Clem. Alex. Strom. 3,2f.).
3. LEHRE
Die authentische Lehre von Basileides zu ermitteln, wird durch die Tatsache außerordentlich erschwert, dass es zwei nicht miteinander zu vereinbarende Berichte über sein ‘System’ gibt: Iren. Haer. 1,24,3–7 und Hippol. Ref. 7,20–27. Dar über hinaus sind die Fragmente aus den basileidianischen Schriften, die hauptsächlich bei Clemens von Alexandrien zu finden sind, mit keinem der beiden Berichte direkt in Verbindung zu bringen. Die aktuellste umfassende Studie zu dieser Frage (Löhr 1996 [*942]) kommt zum Ergebnis, dass die beiden Berichte von Irenäus und Hippolyt als unglaubwürdig hinsichtlich der Lehre des Basileides
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zurückgewiesen werden sollten. Sie konzentriert sich stattdessen auf die Fragmente bei Clemens als einzige verlässliche Quelle für Basileides’ Ansichten. Überdies kann zwischen Basileides selbst und seinen Anhängern, insbesondere Isidoros, auf der Basis der Zitate bei Clemens keine Unterscheidung getroffen werden. Die Fragmente lassen keinen kosmologischen Mythos erkennen; ihr philo sophisches Interesse beschränkt sich auf bestimmte Vorstellungen im Bereich von Psychologie, Epistemologie und dem Wesen des Glaubens. Die Basileidianer sprachen über Glaube und Wissen als einem göttlichen Geschenk, das einigen Menschen durch ‘hyperkosmische Auswahl’ zuteilwird und das sie wie eine Naturanlage besitzen – eine Sichtweise, die von Clemens, einem Verfechter des menschlichen freien Willens, scharf kritisiert wurde (Clem. Alex. Strom. 2,10f.). Dieser Determinismus scheint vom Stoizismus beeinflusst zu sein, und der Gebrauch von stoischen epistemologischen Begriffen ist beachtenswert (κατάληψις, «Begreifen»: 2,10,1; συνκατάθεσις, «Zustimmung»: 2,27,2; Löhr 1996 [*942: 53, 59]). Basileides charakterisierte laut Clemens weiter den Glauben mehr als «Sein, Natur und Substanz» (οὐσία, φύσις, ὑπόστασις) denn als ein Vermögen des Willens. Diese «Natur» ist außerdem dasjenige, was das Wissen von Gott ermöglicht (Clem. Alex. Strom. 5,3,2; vgl. auch 2,27,2). Basileides scheint somit die Idee der Wesensgleichheit zwischen Gott und der mit Glauben erfüllten Seele bejaht zu haben, eine ontologische Gemeinsamkeit, die epistemologische Implikationen mit sich führt: Erkenntnis setzt Wesensgleichheit zwischen Erkenner und Erkanntem voraus. Ein eigentümliches Merkmal für die basileidianische Psychologie ist ferner die Vorstellung, dass die Leidenschaften «Anhängsel» (προσαρτήματα) der Seele seien, d. h. externe Kräfte, die gemeinsam mit Geistern, welche die Natur irrationaler Lebewesen oder sogar von Pflanzen besitzen, die Kontrolle über die rationale Seele zu gewinnen suchen (Clem. Alex. Strom. 2,112–114). Diese Idee ähnelt der Unterscheidung, die Numenios (fr. 44 des Places) zwischen zwei Seelen, einer rationalen und einer irrationalen, trifft (vgl. Dillon 1977 [*851: 376], Löhr 1996 [*942: 83–85]). Da die rationale Seele kämpfen muss, um sich des Ansturms der irrationalen Kräfte zu erwehren, erscheint Clemens’ Behauptung zweifelhaft, wonach die Basileidianer den freien Willen geleugnet hätten. In einem dem 23. Buch von Basileides’ exegetischem Werk zugewiesenen Fragment (Clem. Alex. Strom. 4,81–83) erklärt dieser die Leiden der Märtyrer als Gottes Strafe für Sünde. Da Gottes Vorsehung nicht in Zweifel gezogen werden kann, muss jegliches menschliche Leiden als gerechterweise verdient und von der Gottheit mit einer Besserungsabsicht verhängt gelten. Alle menschlichen Wesen sind tatsächlich mit der Neigung zur Sünde geboren. Dieses Argument wird mit Referenz auf den locus classicus des Theodizee-Problems in ‹Hiob› (14,4 «Niemand ist rein vom Schmutz») vorgebracht. Die Lehre von der Reinkarnation der Seele ist für Basileides bezeugt, der Wiedergeburt als eine der Strafen betrachtet zu haben scheint, die von Gott zur Erziehung und Verbesserung seiner menschlichen Kreaturen verhängt werden (Clem. Alex. Exc. Thdot. 28; Orig. Comm. in Rm. 5,1; Comm. ser. 38 in Mt.; siehe auch die Diskussion bei Nautin 1974 [*710] und Löhr 1996 [*942: 138–144, 216–218]).
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§ 90. Basileides und seine Anhänger (Bibl. 1082)
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Dass Basileides (oder zumindest seine Anhänger) an einer gnostischen Spielart der Kosmologie festgehalten hat, legt ein Fragment in Clem. Alex. Strom. 2,36,1 nahe: Es spricht von einem Archonten, der furchtsam wurde, als «der dienende Geist» die frohe Botschaft verkündete, wobei seine Furcht allerdings zum Anfang der Weisheit wurde (Prov. 1,7). Der Bezugspunkt scheint hier Johannes der Täufer zu sein, der typologisch mit dem Weltherrscher gleichgesetzt wird (Orbe 1973 [*931], Löhr 1996 [*942: 64–66]). Der Archon muss eine Figur sein, die vom höchsten Gott, von dem die Nachricht von Erlösung und Wissen nach unten gesandt wird, verschieden ist. Ferner scheint der Archon dem höheren Gott und der Menschheit gegenüber nicht feindselig zu sein, sondern ist empfänglich für Anweisungen und arbeitet am Werk der Erlösung auf eine Weise mit, die dem valentinianischen Demiurgen ähnelt, aber verschieden ist vom ‘sethianischen’ Jaldabaoth. Es kann somit angenommen werden, dass die Basileidianer eine Art von kosmogonischem Mythos als Lehre vertraten, der die Trennung des höchsten Gottes vom Weltschöpfer und -herrscher beinhaltete, doch die Details dieses Mythos lassen sich aus den erhaltenen Fragmenten nicht herauslesen (das ebenfalls Basileides zugewiesene Fragment in Hegemonios Arch. 67,4–12 ist so durchdrungen von manichäischen Themen, dass es diesbezüglich von wenig Wert ist: Pearson 2005 [*946: 6–8]). Der Mythos, der Basileides in Iren. Haer. 1,24,3–7 zugeschrieben wird, präsentiert eine Reihe von Emanationen: Ein ungeschaffener und unaussprechlicher Vater bringt einen Nous hervor, aus dem der Logos hervorgeht, der wiederum Phronesis gebiert. Von letzterer entstammt das Paar Sophia und Dynamis. Diese lassen «Kräfte, Fürstentümer und Engel» entstehen, welche die Himmel erschaffen. Der Reihe nach entstehen 365 Himmel; die Kräfte, die im letzten Himmel angesiedelt sind, erschaffen auch die Welt. Deren Herrscher ist der Gott der Juden, der alle anderen Nationen seinem eigenen Volk unterwerfen möchte, wodurch er viele Konflikte heraufbeschwört. Schließlich sendet der Vater seinen Sohn Nous in Gestalt von Jesus Christus, um die Menschheit von dieser Unterdrückung zu befreien. Seine körperliche Gestalt ist indes nur scheinbar, und während seines Leidens verwandelt er sich in Simon von Kyrene (vgl. Mc. 15,21), der an seiner Stelle gekreuzigt wurde. Während die Authentizität dieses Berichts weiterhin von bestimmten Gelehrten (Grant 1979 [*936], Pearson 2005 [*946]) verteidigt wird, scheint er unvereinbar zu sein mit der positiveren Einschätzung des Archon in Clem. Alex. Strom. 2,36 wie auch mit der Vorstellung, dass Verfolgungen und Leiden letzten Endes auf die Providenz Gottes zurückzuführen sind (Clem. Alex. Strom. 4,81–83; Löhr 1996 [*942: 272]). Der antagonistische Charakter des Dualismus in Irenäus’ Bericht lässt sich schwerlich mit der eher harmonisierenden Vision, die durch die Fragmente bezeugt wird, versöhnen. Hippolyt, der den Bericht von Irenäus kannte, beschreibt ein ganz anderes System als dasjenige des Basileides und des Isidoros. Dieses System (Ref. 7,20–27) ist nicht zuletzt wegen des extremen Transzendentalismus seiner Theologie bemerkenswert: Das einzige, erste Prinzip kann nicht einmal als unaussprechlich bezeichnet werden, noch kann ihm Existenz zugeschrieben werden: Gott «existiert» nicht. Konsequenterweise werden offensichtlich alle Vorstellungen einer
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Emanation aus einer ersten Ursache vermieden. Stattdessen wird vom nicht-existenten Gott gesagt, dass er einen Samen hinterlassen habe, der potentiell das ganze Universum in sich trage (πανσπερμία), und alles, was aus diesem Welt-Samen hervorgegangen ist, sei bestrebt, in die Richtung des nicht-existenten Gottes aufzusteigen. Zuerst zeigten sich drei Arten von ‘Sohnschaften’, mit unterschied lichen Graden der Wesensgleichheit (ὁμοούσιος) mit der Gottheit: Die erste steigt unmittelbar hinauf, die zweite tut dies mit Hilfe eines Flügels (= dem Heiligen Geist; vgl. Plat. Phdr. 246). Nachdem er nicht mehr länger gebraucht wird, wird der Geist zurückgelassen; er wird zum Firmament, der die Überwelt und den Kosmos trennt, und übt seinen Einfluss abwärts wie einen Wohlgeruch aus. Die dritte Sohnschaft, die als die gröbste unten bleibt, noch immer unsichtbar, wird das Objekt der nachfolgenden Heilsgeschichte. Es folgt eine Kosmogonie: Zwei Archonten gehen aus dem Welt-Samen hervor; sie erschaffen und beherrschen je die Ogdoade und die Hebdomade, wobei sie allerdings nichts von der Region über sich wissen. Beide haben Söhne, die intelligenter als sie selbst sind. Als das Evangelium in die Welt eintrat – handelnd von weit her auf dieselbe Weise, wie indisches Naphta aus weiter Entfernung Feuer anzünden kann (7,25,6f.) –, war der Sohn des Archon der Ogdoade der erste, der dies wahrnahm. Er belehrt seinen Vater, der seine eigene Unwissenheit realisiert, und ebenso den Sohn des Archon der Hebdomade, der wiederum seinen eigenen Vater aufklärt. Schließlich erreichte das Evangelium den Boden des Kosmos, wo Jesus, Marias Sohn, der erste war, der erleuchtet wurde. Er wurde zum Erlöser der dritten Sohnschaft und ermöglichte deren Manifestation und Befreiung von der Unreinheit, mit der sie vermischt war. Es ist schwierig, irgendwelche Verbindungen zwischen diesem System und den Fragmenten des Basileides und seiner Schule zu erkennen, wobei angemerkt werden könnte, dass die verhältnismäßig positive Sicht des kosmischen Archon, der am Ende erlöst wird, bzw. der Archonten, die erlöst werden, ein gemeinsames Merkmal ist. Es ist unwahrscheinlich, dass der Text, den Hippolyt benutzt hat, auf Basileides und seine frühen Anhänger zurückgeht (Löhr 1996 [*942: 313–323]). Das System erweckt dennoch einiges Interesse, weil es bewusst ein Modell von Abwärtsbewegung und Rückkehr zu vermeiden scheint, wie es in der Regel in gnostischen Systemen vorzufinden ist. Hier liegt im Gegensatz dazu kein Abstieg vor, weder in der Form von aufeinander folgenden Emanationen noch in Gestalt eines göttlichen Erlösers, der sich mit der materiellen Welt verwickeln muss, sondern es gibt nur Aufstiege aus dem nahezu Nichts des ursprünglichen Welt-Samens hinauf zu dem Nicht-Existenten, wovon die transzendente Gottheit vollkommen unberührt bleibt. Aus dem Englischen übersetzt von Magdalena Hoffmann.
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§ 91. Valentinus und der Valentinianismus (Bibl. 1083–1084)
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§ 91. Valentinus und der Valentinianismus Einar Thomassen
1. Leben. – 2. Werke und Quellen. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Valentinus war um die Mitte des 2. Jahrhunderts für einige Jahrzehnte in Rom tätig (Iren. Haer. 3,4,3). Der späte Bericht bei Epiphanios (Haer. 31,2,2–3), dass er ein Ägypter gewesen und in Alexandrien ausgebildet worden sei, mag zutreffend sein, wird aber nicht von anderen Quellen bestätigt. Über sein Leben fehlen sichere Nachrichten (Markschies 1992 [*968: 293–336], Thomassen 2006 [*975: 417–422]). 2. WERKE UND QUELLEN Von seinen Schriften sind sieben vermutlich echte Fragmente erhalten; sechs von ihnen sind Passagen aus Briefen und Homilien, die von Clemens von Alexandrien zitiert werden, das siebte Fragment ist ein Hymnus, enthalten in Hippol. Ref. 6,37,7. Ob Valentinus eine systematische Abhandlung geschrieben hat, ist ungewiss; die Zuschreibung des Systems, von dem in Iren. Haer. 1,11,1 berichtet wird, an ihn ist mit Sicherheit falsch (Markschies 1992 [*968: 364–379], Thomassen 2006 [*975: 23–27]). Dass das ‹Evangelium der Wahrheit› aus der Nag-Hammadi-Bibliothek ein Werk von Valentinus ist, kann nicht positiv er wiesen werden, bleibt aber eine Möglichkeit. Wie viel von dem späteren valentinianischen System auf den Gründer selbst zurückgeht, ist ein umstrittenes Thema; für unterschiedliche Positionen siehe Markschies 1992 [*968] und Thomassen 2006 [*975]. Die Hauptmasse der Quellen zum Valentinianismus stammt von Valentinus’ Schülern. Ptolemaios ist der Verfasser des ‹Brief an Flora› (Epiph. Haer. 33,3–7) und vermutlich auch die ursprüngliche Quelle des valentinianischen Systems, von dem Iren. Haer. 1,1–7 berichtet. Herakleon hat einen Kommentar zum ‹Johannes-Evangelium› geschrieben, von dem 48 Fragmente in Origenes’ Kommentar zu diesem Evangelium erhalten geblieben sind. Ein gewisser Theodotos wird einige
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Male in den ‹Excerpta ex Theodoto› des Clemens von Alexandrien zitiert, auch wenn er mit Sicherheit nicht der Verfasser aller valentinianischen Exzerpte in diesem Werk ist; diese wurden vielmehr aus verschiedenen Quellen zusammengetragen. Markos der ‘Magier’ verfasste seine eigene, auf Buchstaben- und Zahlenspekulationen beruhende Version des valentinianischen Systems (Iren. Haer. 1,14–15). Eine Reihe von Quellen sind anonym überliefert. Dazu gehören die umfassenden systematischen Traktate, die Irenäus (Haer. 1,1–7) und Hippolyt (Ref. 6,29–36) verwenden, um «die Lehre der Valentinianer» zu beschreiben, sowie der Großteil des in Exc. Thdot. enthaltenen Materials. Der Abschnitt 43,2–65 freilich ist dem bei Irenäus referierten System eng verwandt, weshalb diese beiden Darstellungen, ebenso wie das etwas weiter davon entfernte System bei Hippolyt, auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen müssen. Da Irenäus (Haer. 1 praef.) sagt, dass er sich in erster Linie mit den Anhängern von Ptolemaios auseinandersetze, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Ptolemaios der Autor dieser Quelle ist. Ebenfalls anonym sind folgende Traktate in der NagHammadi-Bibliothek, die wegen ihres Vokabulars und wegen Charakteristika in der Lehre grundsätzlich als valentinianisch anerkannt werden:
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‹Das Evangelium der Wahrheit› (‹Evangelium Veritatis›, NHC I,3/XII,2), der ‹Brief an Rheginus über die Auferstehung› (NHC I,4), der ‹Dreigeteilte Traktat› (‹Tractatus Tripartitus›, NHC I,5), das ‹Philippus-Evangelium› (NHC II,3), die ‹Inter-
pretation der Erkenntnis› (NHC XI,1) und eine ‹Valentinianische Abhandlung› (NHC XI,2). Diese Quellen haben maßgeblich zu einem besseren Verständnis sowohl der Kohärenz als auch der internen Variationen im Valentinianismus beigetragen.
3. LEHRE
Im Folgenden wird eine Zusammenfassung des valentinianischen ‘Systems’ gegeben, die auf den gemeinsamen Elementen bei Iren. Haer. 1,1–7, Hippol. Ref. 6,29–36 und dem ‹Dreigeteilten Traktat› beruht: 1) Der unaussprechliche Vater «bringt» eine spirituelle Welt von zahlreichen Äonen «hervor» (προβάλλει), das Pleroma. 2) Der letzte der Äonen (Sophia, oder, in Tract. Trip., der Logos) wird von unkontrollierter Leidenschaft überwältigt, in zwei Teile zerteilt, und der leidenschaftliche Teil wird vom Pleroma durch eine Grenze (ὅρος) getrennt. 3) Die Leidenschaft wird Ursprung der Materie. 4) Der gefallene Äon bereut, wendet sich dem Pleroma zu und betet um Hilfe, eine Empfindung, die zum Ursprung der Seele wird. 5) Der Erlöser, der gemeinsam mit den ihn begleitenden Engeln die Totalität des Pleromas darstellt, wird ausgesandt, um die Seele zu befreien. 6) Sophia reagiert mit Freude auf den Anblick des Erlösers und wird von ihren Leidenschaften geheilt. Ihre Freude wird außerdem zum Ursprung des Geistes, indem sie einen geistigen Samen gebiert, der die Bilder der Engel des Erlösers enthält. Auf diese Weise sind Materie, Seele und Geist alle in aufeinander folgenden Gefühlen der Sophia entstanden. Was daraufhin geschieht, hat die Vereinigung von Sophia und ihrem geistigen Samen mit dem Pleroma zum vorrangigen Zweck. Diese wird allerdings nur mittels eines Umwegs erreicht, der Erschaffung des Kosmos, etwas, das Teil einer göttlich geplanten ‘Ökonomie’ ist. 7) Die Substanzen von Materie und Seele werden in Ordnung gebracht vom Erlöser und von der Sophia, indem sie den Demiurgen, ein Seelenwesen, als Instrument für die Anfertigung und Aufrechterhaltung der geordneten Welt benutzen. 8) Zusätzlich formt der Demiurg ein menschliches Wesen mit Körper und Seele, dem Sophia heimlich einen geistigen Samen einpflanzt. 9) Der geistige Samen muss durch die Erfahrung des physischen Lebens im Kosmos ‘trainiert’ werden, bevor er bereit ist, in das Pleroma integriert zu werden. 10) Schließlich wird der Erlöser zusammen mit seinen Engeln herabgesandt und als Mensch geboren. Er belehrt die Menschen über ihren geistigen Ursprung, wird getauft und kehrt ins Pleroma zurück, wobei er seinen Körper am Kreuz zurücklässt. 11) Durch den Erwerb von Wissen und die Taufe, die sie in Anlehnung an den Erlöser empfangen, werden geistige Menschen nach dem Tode ihrer Körper zum Pleroma aufsteigen. Diese Wiederver einigung mit den Äonen des Pleromas wird als eine «Ehe» mit den Engeln des Erlösers dargestellt und bereits in der Taufe präfiguriert, weshalb diese auch als «Brautgemach» bezeichnet wird. 12) Wenn der gesamte geistige Samen zum Pleroma zurückgefunden hat (ἀποκατάστασις, «Wiederherstellung»), wird die physische Welt enden (zum Motiv des erlösten Erlösers vgl. Thomassen 2006 [*975: 23–38]).
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§ 91. Valentinus und der Valentinianismus (Bibl. 1083–1084)
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Dies sind die zentralen Elemente des valentinianischen Systems. Es handelt sich dabei um ein System, das die erzählerische Form eines Mythos annimmt. Es ist dennoch klar, dass der Mythos eine philosophische Theorie voraussetzt und auf diese verweist. Die Struktur der transzendenten Welt, wo, in Grundzügen, der Vater einen Sohn hervorbringt, der wiederum eine Vielzahl von Äonen erzeugt oder sich in diese auseinanderfaltet, stimmt mit einem platonischen Modell überein, in dem auf ein transzendentes erstes Eines ein zweites Eines folgt, das die Welt der Ideen enthält. Was das Vokabular angeht, muss ferner angemerkt werden, dass der Vater (auch Propator genannt) als erstes Prinzip auch als Βυθός (oder Βάθος, «Tiefe») bezeichnet wird, wie in Orac. Chald. fr. 18 und später in den Hymnen von Synesios, bei Marius Victorinus und im späteren Neuplatonismus. Der Vater kann ebenso als eine Monade (Hippol.; Val. Exp.) beschrieben werden. Außerdem wird der Sohn, selbst ein ‘Vater’ der nachfolgenden Äonen, in der Regel Νοῦς («Geist») genannt. Das Pleroma der Äonen ist nach Vorgabe einer mathematischen Ableitung geschaffen: Der Vater wird zur Zweiheit im Sohn mittels einer intellektuellen Selbst-Duplikation und breitet sich dann in eine Tetrade und eine Ogdoade aus – oder schlicht in Vielheit wie im ‹Tractatus Tripartitus›. Neupythagoreische Theorien, welche die Zahlen und nachfolgend die Totalität der Realität von der Monade als einziger Ursache ableiten, bilden hier klar den Hintergrund (Krämer 1964 [*848: 238–245]). Der Mythos von Leidenschaft und Fall der Sophia ist ähnlich neupythagoreischen Theorien über den Ursprung der Materie nachgebildet. Sophia personifiziert das platonisch-pythagoreische Konzept der Dyade, was an der Terminologie deutlich wird, mit der sie und ihre Leidenschaft beschrieben wird: Andersheit, Kühnheit, Unabhängigkeit, Bewegung, Ausdehnung, Ausbreitung, Trennung oder ‘Abschneiden’ durch die Grenze, der ‘Rückzug’ des Rests des Pleromas. Infolge der «Kühnheit» (τόλμη) ihres Verlangens nach Unabhängigkeit, «dehnt sich» Sophia unendlich «aus» (ἐκτείνει), bis sie durch die «Grenze» (ὅρος) in zwei Teile zerteilt wird. Ihr besserer Teil wird dem Pleroma zurückgegeben, während ihr leidenschaftlicher Teil abgetrennt und davon entfernt wird. Die leidenschaftliche Sophia endet in einer Leere von Dunkelheit und Schatten, die nach der Art des ‘Aufnehmenden’ bei Platon, Tim. 51a7 beschrieben wird (Iren. Haer. 1,2,3; Hippol. Ref. 6,30,8). Diese Erzählung besitzt eine offensichtliche Ähnlichkeit mit gewissen späthellenistischen monistischen pythagoreischen Theorien, welche die Dyade als vom ersten Prinzip der Monade sekundär abgeleitet erklären und nicht als ein unabhängiges erstes Prinzip, das daneben existiert, wie im klassischen Mittelplatonimus und dem älteren Pythagoreismus (D. L. 7,25; Eudoros in Simpl. In Phys. 181,10ff. Diels; Numenios fr. 52 des Places usw.; Dillon 1977 [*851: 120f., 126–129, 342–361]). Eine besonders enge Parallele bietet der Neupythagoreer Moderatos von Gades in seinem Bericht über Quantität (ποσότης), die durch das ‘Abgeschnitten-Sein’ vom Sein den Ursprung der Materie bewirkt (Simpl. In Phys. 230,34– 231,27 Diels; Thomassen 2006 [*975: 270–291]). Auf der anderen Seite hat die Vorstellung, dass Materie letztlich der Leidenschaft (πάθος, ἐνθύμησις) entstammt, keinen klaren Vorgänger in der philosophischen Tradition. Sie weist darauf hin, dass für das valentinianische Denken die physika-
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lische Theorie eng mit der Psychologie verbunden ist und tatsächlich als ihr untergeordnet betrachtet werden kann. Sophia ist nicht nur das Prinzip der Materie; mehr noch ist sie eine Repräsentation der Seele – der universellen Seele ebenso wie der Prototyp der individuellen Seele. Ihr Mythos liefert eine Aitiologie von Materie, Seele und Geist als Substanzen (οὐσίαι), die aber genauso, und dies ist noch viel wichtiger, verschiedene Zustände der Seele darstellen: Leidenschaft, Reue und Umkehr sowie Freude. Dadurch bekommt die Erzählung eine ebenso soteriologische wie kosmologische Stoßrichtung. Sophias freudige Vision des Erlösers heilt sie von ihrer Leidenschaft und «bringt sie auf die richtige Spur», indem sie aus ihr ein geistiges Wesen macht, das bereit ist für den Wiedereintritt ins Pleroma. In philosophischen Begriffen ausgedrückt, spielt der Erlöser, der auch Logos genannt wird, hier die Rolle des Geistes, dem sich Sophia als Seele zuwendet (ἐπιστροφή) und durch dessen Einfluss sie ‘geformt’ und mit Rationalität versehen wird. Vor ihrer endgültigen Wiederherstellung nimmt Sophia eine eigene Ebene oder Äon unterhalb des Pleroma ein, die Ogdoade oder «die Mitte» genannt wird. Dort wohnt sie zusammen mit dem geistigen Samen, den sie als Bilder des Erlösers in Erwiderung auf dessen Erscheinung abgesondert hat. Als rationale Seele ist Sophia auch fähig, den niedrigeren Substanzen von Materie und Seele Gestalt zu geben, deren Existenz sie vorher verursacht hat. Mit anderen Worten: Sie wird ein Demiurg, oder – noch präziser – demiurgische Funktionen werden auf drei verschiedene Figuren verteilt: auf den Erlöser-Logos, auf Sophia und auf das Wesen, das ausdrücklich «der Demiurg» genannt wird. Der Erlöser als demiurgischer Geist trennt die Substanzen und macht sie für weitere Formung empfänglich, Sophia lässt sie, als demiurgische Seele, die den Erlöser betrachtet, zu sichtbaren Bildern der pleromatischen Formen werden, während der Demiurg die handwerkliche Arbeit der Schöpfung verrichtet, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass er bloß ein Werkzeug ist, von dem Sophia Gebrauch macht (Thomassen 1993 [*970]). Anders als der ‘sethianische’ Weltschöpfer (der niemals als «Demiurg» bezeichnet wird) ist der valentinianische Demiurg weder ein unabhängiger Akteur der Schöpfung noch handelt er mit böswilliger Absicht. Er ist vielmehr ein Gestalter der Form, wie der platonische Demiurg. Außerdem wird der Demiurg letzten Endes gerettet, zusammen mit dem Rest jener Seelen-Wesen (Menschen und Engel), die sich gegenüber der Belehrung von oben empfänglich zeigen. Der Kosmos, der von Sophia mittels des Demiurgen geschaffen wurde, ist eine Kombination von Materie und Seele; die zerstörerischen Kräfte der Materie wurden dabei durch das Anbringen von Form und dadurch, dass sie mit den Kräften der Seele verbunden wurde, unter Kontrolle gebracht. Der Kosmos ist ein Abbild der Ogdoade, des geistigen Äons von Sophia, und somit auch indirekt des Pleromas. Der platonische Charakter dieser Kosmologie ist evident. Insbesondere der ‹Tractatus Tripartitus› entwirft die hierarchische Beziehung zwischen den verschiedenen Ebenen, indem er das Vokabular von «Ebenbildern» für die Region der Ogdoade, «Ähnlichkeiten» für die Seelen-Wesen und «Nachahmungen» für die materiellen Formen benutzt. Letztlich ein Spiegelbild der geistigen Welt, ist der physikalische Kosmos auch in der Lage, als ein Instrument der Belehrung für den eingekörperten geistigen Samen zu dienen: «Die gesamte Einrichtung und
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§ 91. Valentinus und der Valentinianismus (Bibl. 1083–1084)
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Anordnung der Bilder, Ähnlichkeiten und Nachahmungen ist für diejenigen erfolgt, die Ernährung, Belehrung und Form benötigen, damit die Kleinheit allmählich wachse, wie durch die Belehrung, die das Bild eines Spiegels vermittelt» (Tract. Trip. 104). Platonisch scheint auch die Weise zu sein, in der diese Urbild-Abbild-Beziehungen und die dreigeteilte Hierarchie von Geist, Seele und Materie mit einer Ontologie von Einheit und Teilung verknüpft sind. Während die geistige Welt durch Einheit charakterisiert ist oder diese anstrebt, nimmt die Teilung (μερισμός) proportional zu, je weiter man zu den niedrigeren Ebenen der Existenz hinabsteigt; sie hat ihren Ursprung in Sophia als der Personifizierung der Seele und erreicht ihren maximalen Effekt in der körperlichen Welt (Tract. Trip. 94f.; 115–117; Clem. Alex. Exc. Thdot. 2,36; Thomassen 2006 [*975: 461–464]). Die Apokatastasis impliziert nicht nur eine Wiedervereinigung von Sophia und ihrem geistigen Samen mit dem Pleroma, sondern auch eine allgemeine Rückkehr von Verstreuung zur Einheit. Ungeachtet der offensichtlichen platonischen Grundlagen des valentinianischen Systems und des Gebrauchs von neupythagoreisch-platonischen Theorien über die Dyade im Sophia-Mythos werden die philosophischen Quellen des Systems von den Valentinianern selbst nicht anerkannt. Stattdessen wird verächtlich erklärt, die Philosophie, wie die griechischen Wissenschaften allgemein, gehörten zur materiellen Ebene der Realität und seien inspiriert von Dämonen (vgl. Tract. Trip. 109–110) – eine Sichtweise, welche valentinianische Theologen mit vielen christlichen Autoren teilten. Die Valentinianer betrachteten sich selbst explizit als Christen (siehe z. B. Iust. Mart. Dial. 35,2. 6). Der Name ‘Valentinianer’ wurde von den Häresiologen erfunden und diente nicht als Selbst-Bezeichnung. Tatsächlich fällt der Name Valentinus in keiner einzigen der erhaltenen valentinianischen Quellen. In seinem ‹Brief an Flora› präsentiert Ptolemaios die Lehre, die er vertritt, als einen Mittelweg zwischen denen, die den höchsten Gott mit dem Weltschöpfer und dem Verfasser des jüdischen Gesetzes identifizieren (d. h. den ‘katholischen’ Christen), und denen, die keinen Unterschied zwischen dem Schöpfergott und dem Teufel machen (d. h. den Gnostikern ‘sethianischer’ Prägung und, vielleicht, Markion). Es ist klar, dass diese vermittelnde Position mit Hilfe der von den Valentinianern übernommenen platonischen dreigeteilten Ontologie erreicht wurde, die ihnen erlaubte, dem Demiurgen die mittlere Position der Seele zuzuordnen. So betrachtet, sind die Valentinianer gleichzeitig die ‘christlichste’ und die ‘platonischste’ der verschiedenen gnostischen Richtungen. Abgesehen von der Degradierung des Demiurgen auf eine ontologisch niedere Stufe und dem (vorgeblichen) Doketismus in der Christologie haben die Valentinianer mit nichts so sehr die scharfe Kritik der Kirchenväter (insbesondere des Irenäus, Clemens und Origenes) auf sich gezogen wie mit der Lehre des ihnen zugeschriebenen soteriologischen Determinismus. In der Tat heißt es in Exc. Thdot. 56,3: «Das Geistige also ist von Natur aus gerettet» (τὸ μὲν οὖν πνευματικὸν φύσει σῳζόμενοv); diese Aussage scheint auf dem Prinzip der Wesensgleichheit der geistigen Komponente im Menschen mit der Gottheit zu beruhen. Es stellt sich allerdings die Frage, in welcher Beziehung dieses Prinzip zu der Vorstellung von drei
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Klassen (γένη) menschlicher Wesen steht, die regelmäßig in den Quellen auftaucht (Exc. Thdot. 54–57; Iren. Haer. 1,6–8; Heracleon fr. 19, 40, 44–47 Völker; Tract. Trip. 106, 118–122, 130–136). Dort erfahren wir, dass die geistigen Menschen unmittelbar auf den Erlöser reagieren, während die ‘Psychiker’, die mit freiem Willen ausgestattet sind, den Erlöser entweder akzeptieren oder zurückweisen, und wenn sie ihn akzeptieren, dann nur nach einer Phase des Zögerns. Die dritte Klasse, die ‘Hylischen’, ereilt notwendigerweise die Verdammnis. Überdies wird von den Psychikern ausgesagt, dass sie eine niedrigere Stufe der Erlösung zu erwarten hätten als die Geistigen und dass sie gemeinsam mit dem Demiurgen in dem Augenblick zur Ogdoade befördert werden, wenn Sophia und ihr geistiger Samen diese Region verlassen, um wieder in das Pleroma eingegliedert zu werden. Jüngste Versuche, die valentinianische Lehre von den menschlichen Klassen als eine häresiologische Verzerrung zu relativieren (z. B. Löhr 1992 [*967], Williams 1996 [*835: 189–212]), sind mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass einige Texte explizit menschliche Seelen erwähnen, die vom Demiurgen erschaffen wurden, ohne den geistigen Samen zu besitzen (Tract. Trip. 105–106; Hippol. Ref. 6,34,4–6; Iren. Haer. 1,7,3; Exc. Thdot. 55), und dass eine Transformation von einer psychischen Natur in eine geistige nicht vorgesehen zu sein scheint. Auf jeden Fall ist klar, dass ‘Natur’ für die Valentinianer eine Beschäftigung mit Ethik nicht überflüssig macht (siehe z. B. den ‹Brief an Flora›; allgemein Desjardins 1990 [*966]) und die Notwendigkeit ritueller Handlungen zum Zwecke des Heils nicht aufhebt (die Taufe wird von den Valentinianern ἀπολύτρωσις, «Erlösung», genannt). Die Quellen vermitteln den Eindruck, dass die valentinianischen Theologen selbst mit sich um Klarheit in diesem Punkt gerungen hätten (vgl. die umständlichen Diskussionen hinsichtlich der Erlösung der Psychiker in Tract. Trip. 119–122 und 129–136 sowie Herakleons offensichtliche Versuche, dieses Thema neu zu bearbeiten; Thomassen 2010 [*980] und 2013 [*983]). Nach Valentinus fiel die valentinianische Kirche in zwei Fraktionen auseinander, die von den Häresiologen als die italische und die anatolische Schule bezeichnet werden (Hippol. Ref. 6,35). Der Grund für die Trennung scheinen verschiedene Ansichten über den Einschluss ‘psychischer’ Menschen im Leib des Erlösers gewesen zu sein. Die Bedeutung dieses Meinungsstreits mag darin gelegen haben, dass diejenigen, welche sich für den Einschluss der Psychiker im ‘Leib’ aussprachen (die ‘italische’ Position), der Meinung waren, dass die Mission des Erlösers darin bestand, diese besondere Gruppe von Menschen zu erlösen, während die Geistigen «von Natur aus gerettet waren» und in die Welt hinabgeschickt worden waren, um bei der Erlösung der Psychiker zu helfen. Die ‘anatolische’ Ansicht mag hingegen darin bestanden haben, dass die Geistigen die primären Empfänger der Erlösung waren und dass der Erlöser sie während seines Abstiegs in die Welt in seinen eigenen Leib ‘aufnahm’. Ferner musste der Erlöser selbst erlöst werden, nachdem er in der materiellen Welt inkarniert worden war (eine Idee, die schwerlich eine doketische Christologie beinhaltet); dies wurde durch seine Taufe erreicht, die dann als Modell diente für die weitere Erlösung der Geistigen. Die ‘italische’ Position scheint durch die valentinianischen Quellen vertreten zu sein, die Irenäus, Hippolyt und Clem. Alex. Exc. Thdot. 43,2–65 benutzten, während die
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§ 91. Valentinus und der Valentinianismus (Bibl. 1083–1084)
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zweite offensichtlich in Exc. Thdot. 1–43,1 (zumindest teilweise), dem ‹Tractatus Tripartitus› und dem Rest der valentinianischen Dokumente von Nag-Hammadi vorausgesetzt ist (für eine ausführliche Studie zu diesem Thema siehe Thomassen 2006 [*975]). Der Valentinianismus scheint in einem stärkeren Maße als andere gnostische Bewegungen und Gruppen eine kohärente Erscheinung mit einer fortlaufenden institutionellen Geschichte gewesen zu sein. Obwohl die Valentinianer historisch am stärksten in der zweiten Hälfte des 2. und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts in Erscheinung traten, als sie die kritische Aufmerksamkeit von Irenäus, Tertullian, Hippolyt, Clemens und Origenes auf sich zogen, ist die weitere Existenz von valentinianischen Gemeinschaften zumindest bis ans Ende des 4. Jahrhunderts bezeugt (Ambr. Ep. 40; 41). 4. NACHWIRKUNG
Die Nachwirkung des valentinianischen Christentums besteht vor allem in der Tatsache, dass so einflussreiche Theologen der Mehrheitskirche wie Irenäus, Clemens und Origenes ihre eigenen Lehren in bedeutendem Umfang im Gegensatz zu diesem, als dem prominentesten Vertreter der ‘Gnostischen Häresie’, entwickelten. Dies betrifft die Lehre von Gott, bei der die orthodoxe Theologie auf der Einheit des Erlösergottes und des Schöpfergottes beharrte; die Christologie, in welcher der (vorgebliche) Doketismus der Valentinianer streng zurückgewiesen wurde; außerdem die Eschatologie und Soteriologie, wo die Lehre von der Wiederauferstehung des Körpers dazu diente, das gnostische Verständnis von Erlösung als der Rückführung des Geistes zu seinen Ursprüngen zurückzuweisen. Gegen die Vorstellung einer gemeinsamen Substanz, die den inneren Menschen mit dem Göttlichen verbindet, betonten die orthodoxen Theologen die wesenhafte Differenz zwischen Gott und seiner Schöpfung, und sie polemisierten gegen den soteriologischen Determinismus, der ihres Erachtens die Folge der gnostischen Vorstellung von Wesensgleichheit war. Gleichzeitig aber teilten sie mit den Valentinianern wichtige heilsgeschichtliche Vorstellungen, die durch Begriffe wie Oiko nomia und Apokatastasis ausgedrückt wurden. Der intellektuelle Austausch der valentinianischen und der nicht-gnostischen Theologen zu diesem Thema bedarf der Neubewertung (allgemein zu diesem Thema siehe von Harnack 41909 [*960: 550–637], Brox 1966 [*963], Strutwolf 1993 [*969], Aland 2009 [*840]). Aus dem Englischen übersetzt von Magdalena Hoffmann.
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§ 92. Bardesanes (Bardaisan) von Edessa Einar Thomassen
1. Leben. – 2. Werke und Quellen. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Bardesanes (syrisch ‘Bardaisan’) von Edessa (154–222), vom syrischen Theologen und Dichter Ephräm als «der aramäische Philosoph» bezeichnet, war ein aristokratischer Universalgelehrter, der mit dem Hof des christlichen Königs Abgar in Edessa in Verbindung stand. Dort bekehrte er sich zum Christentum, schrieb (auf Syrisch) eine Reihe theologischer, philosophischer, naturwissenschaftlicher wie auch poetischer Werke und wurde zum Gründer einer besonderen christlichen Gruppe, der ‘Daisaniten’, die bis in die islamische Epoche überlebten. Sie kamen mit der Zeit in den Geruch einer häretischen Bewegung, die mit den Markioniten und dem Manichäismus in Verbindung gebracht wurde. Dieser Umstand hat auch auf das spätere Bild von Bardaisan selbst abgefärbt, der häufig als Häretiker beschrieben wird. Regelmäßig wird ihm auch eine Verbindung zum Valentianismus, sei es vor oder nach seiner Hinwendung zur christlichen Kirche, nachgesagt (z. B. Eus. Hist. eccl. 4,30). Die wenigen erhaltenen Daten zu seinem Leben sind zusammengestellt bei Drijvers 1980 [*996: 206], Teixidor 1992 [*1000: 55f.]. 2. WERKE UND QUELLEN Die Rekonstruktion von Bardaisans eigenen Ideen wird durch den Verlust eines Großteils seiner Schriften erschwert. Ein unerlässlicher Ausgangspunkt ist das ‹Buch der Gesetze der Länder›, das von Philipp, einem seiner direkten Schüler, geschrieben ist. Dieser Dialog, der in einem Platon ähnlichen Stil verfasst ist, befasst sich hauptsächlich mit der Verteidigung der Idee des freien Willens. Fragmente seiner anderen Werke finden sich besonders bei späteren syrischen Autoren, insbesondere in der ‹Kirchengeschichte› des Bar ḥadbešabbā ‘Arbaya, dem Scholienbuch des Theodor Bar Konai, dem ‹Hexaëmeron› des Moses Bar Kepha und dem Johannes von Dara zugeschriebe-
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nen Traktat ‹Über die Auferstehung›, der aber vermutlich ebenfalls von Moses bar Kepha verfasst worden ist. Diese Quellen bezeugen insbesondere Bardaisans kosmologische Theorien, auch wenn sie uns kein völlig zusammenhängendes Bild vermitteln können. Wertvolle Information liefert auch Ephräm, sowohl in seinen ‹Hymnen gegen die Häresien› als auch in seinen ‹Prosawiderlegungen›. Das Verhältnis zwischen Ephräms Informationen und den oben genannten kosmologischen Traditionen ist eines der zentralen Probleme der Forschung zu Bardaisan (Camplani 2003–2004 [*1003]; für einen kompletten Überblick über die Quellen vgl. Drijvers 1966 [*990], Ramelli 2009 [*1008]).
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§ 92. Bardesanes (Bardaisan) von Edessa (Bibl. 1084–1085)
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3. LEHRE
Das ‹Buch der Gesetze der Länder› setzt ein mit der Beantwortung der Frage, warum Gott die Menschheit nicht so geschaffen hat, dass sie zur Sünde unfähig wäre, wobei hervorgehoben wird, dass die Menschen mit freiem Willen ausgestattet worden sind und für ihre Handlungen gerichtet werden. Der zweite Hauptteil erörtert Theorien über das Schicksal und den astralen Determinismus, gegen die ‘Chaldäer’, d. h. die babylonische Astrologie. Bardaisan anerkennt die kausale Kraft des Schicksals und der Gestirne, ist jedoch der Auffassung, 1) dass diese Kraft einerseits durch die physikalischen Naturgesetze und andererseits durch den menschlichen Willen begrenzt wird und 2) dass der Einfluss der Gestirne auf jeden Fall Gottes Willen unterworfen ist. Mit seinen Argumenten ist Bardaisan möglicherweise von Alexander von Aphrodisias abhängig (Dihle 1989 [*999]; gegen eine solche Sicht Teixidor 1992 [*1000: 92] und Hegedus 2003 [*1002: 342 Anm. 49]). Darauf wird das Thema der Unterschiede zwischen den Gesetzen und Sitten, die unter den einzelnen Nationen vorherrschen, eingeführt, um nachzuweisen, dass sie menschliche Erfindungen und nicht durch die Gestirne determiniert sind: «Die Gesetze der Menschen sind stärker als das Schicksal» (40, p. 599 Nau). Dieser Überblick über die νόμιμα βαρβαρικά, ein weitverbreiteter Topos in der Spätantike, war der berühmteste Teil des Buchs und gab ihm auch seinen Titel (für eine neue deutsche Übertragung dieses Werks siehe Krannich, Stein 2004 [*1004] mit Hinweisen zur Literatur; vgl. auch Ramelli 2009 [*1008: 54–90]). Am Ende des Buchs steht eine kurze Anspielung auf «die Elemente», die «vor der Erschaffung der Welt Leid verursachten und erlitten». Dies verweist auf die kosmologischen Theorien des Bardaisan, über die spätere syrische Autoren berichten. Nach deren Zeugnis lehrte Bardaisan, dass, von Gott selbst abgesehen, vier Elemente oder «Wesenheiten» (īṯyē) vor der Erschaffung der Welt existiert hätten, nämlich Licht, Wind, Feuer und Wasser, in die vier Richtungen verteilt. Allem Anschein nach sind diese Wesenheiten ewig und ungeschaffen, und sie setzen sich aus Atomen zusammen. Eine fünfte Wesenheit, die Finsternis, hatte ebenfalls eine Art uranfänglicher Existenz. Die ursprüngliche Harmonie dieser Elemente wurde jedoch gestört durch einen ‘Zwischenfall’, bei dem die Elemente gegeneinander prallten und sich ineinander verfingen. Außerdem zogen sie auch die Finsternis an sich, die ihrer Natur nach bösartig ist (obwohl es sich dabei mehr um eine passive Größe als um eine aktive Kraft handelt), und vermischten sich mit dieser. Um dieser Verwirrung ein Ende zu setzen, sandte Gott das ‘Wort des Denkens’ herab, das die Elemente wieder schied und die Finsternis zurück in die Tiefen drängte. Eine gewisse Vermengung blieb allerdings zurück, und aus dieser wurde die sichtbare Welt erschaffen, mitsamt den Planetensphären und den Gestirnen, die eine wichtige Rolle im Funktionieren des Kosmos spielen. Auch die Lebewesen einschließlich der Menschheit wurden aus dieser Mischung geschaffen. Die Geschichte der Welt, in der die Kraft des Wortes immer noch wirksam ist, entspricht somit einem von Gott vollzogenen Prozess der Reinigung, bei dem die verbliebene Finsternis schrittweise beseitigt wird.
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Diese Kosmogonie, die auch den abschließenden Akt der Erlösung präfiguriert, scheint eine Interpretation der ersten Verse des Buchs ‹Genesis› (und von Ioh. 1) mit Ideen griechischer Physik zu kombinieren, wozu wahrscheinlich auch die Unordnung der Elemente im platonischen ‹Timaios› (30a) gehört. Das erschaffende Wort der biblischen Erzählung ist verschmolzen mit dem kosmogonisch-dihäretischen Logos der Philosophie. Bemerkenswert ist auch der naturalistische, ja sogar materialistische Charakter von Bardaisans Atomlehre: Alle Stufen des Seins (wohl mit Ausnahme einzig von Gott selbst) sind körperliche Zusammensetzungen von Atomen, die sich voneinander lediglich im Hinblick auf ihren Feinheitsgrad unterscheiden (Camplani 1998 [*1001: 533], Ramelli 2009 [*1008: 190]). Diese Besonderheit hebt Bardaisans Lehre entschieden vom Dualismus zwischen Geist und Materie der Gnostiker ab. Trotzdem schreibt Ephräm Bardaisan eine Lehre zu, nach welcher der menschliche Körper von kosmischen Archonten aus dem Bösen geschaffen worden sei, nachdem sich diesen das Bild der Weisheit Gottes offenbart hätte (Ref. I,XCf. Mitchell). Die Verlässlichkeit der Zuschreibung eines wohlbekannten gnostischen mythologischen Topos an Bardaisan ist allerdings umstritten (Ehlers 1970 [*991: 348– 350], Camplani 1998 [*1001: 565–567], Ramelli 2009 [*1008: 164–168]). Doch dürfte Ephräms Vorwurf, Bardaisan habe die leibliche Auferstehung geleugnet, wenigstens teilweise zutreffen. Der soteriologische Reinigungsprozess scheint vorauszusetzen, dass die menschliche Seele angeglichen werden wird an den Geist, der die Gottebenbildlichkeit repräsentiert, und dass sie vom Bösen, das mit dem physischen Körper verbunden ist, gereinigt werden wird. Dieser Körper wird daher zugrunde gehen. Doch bleibt als Möglichkeit, dass Bardaisan sich einen auferstandenen Körper vorstellte, der aus feinerer Materie besteht (Camplani 1998 [*1001: 567–569], Possekel 2004 [*1005] sowie Ramelli 2009 [*1008: 164, 217–230], die Ähnlichkeiten zu Origenes und Gregor von Nyssa hervorhebt). Überdies ist klar, insbesondere aus dem ‹Buch der Gesetze der Länder›, dass ethisches Verhalten, ausgeübt durch freien Willen, im Verbund mit Erkenntnis, die nicht von Ethik getrennt werden kann, die wesentlichen Faktoren sind, die zur Reinigung der Seele führen. Ephräms ‹Hymnus gegen die Häresien› 55 spricht ferner von einem ‘Vater des Lebens’, einer ‘Mutter des Lebens’ und einem ‘Sohn des Lebens’, außerdem vom Heiligen Geist, der zwei Töchter besitzt. Welchen Stellenwert diese Größen in Bardaisans Denken genau besitzen, muss offen bleiben (siehe dazu zuletzt Camplani 2003–2004 [*1003], Ramelli 2009 [*1008: 200–215]). Geistesgeschichtlich repräsentiert Bardaisan eine Synthese von lokalen traditionellen astrologischen Kenntnissen mit physikalischen und anthropologischen Theorien, die aus der griechischen Philosophie stammen, sowie mit biblischer Kosmologie und frühchristlicher Soteriologie. Seine Berührungspunkte mit dem Gnostizismus wurden von späteren christlichen Theologen, aber auch in der modernen Forschung möglicherweise überbewertet (siehe insbesondere Ramelli 2009 [*1008]). Die typisch gnostischen Ideen von der Materie als Übel, von Wesensgleichheit des menschlichen Geistes mit dem Göttlichen sowie von der Wichtigkeit von Erkenntnis für die Errettung sind gegenüber den klassisch gnostischen Systemen nur in abgeschwächter Form vorhanden. Es gibt keinen boshaften oder
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§ 93. Mani und der Manichäismus (Bibl. 1085–1087)
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unwissenden Schöpfer und Herrscher über den Kosmos, und die geschaffene Welt, obschon unvollkommen, ist von der Vorsehung des göttlichen Geistes gelenkt. 4. NACHWIRKUNG
Vom Weiterleben der Gruppe bzw. Kirche der Daisaniten abgesehen, scheint Bardaisan auch einen Einfluss auf Mani ausgeübt zu haben. Dessen ‹Buch der Mysterien› trägt denselben Titel wie ein (heute verlorenes) Werk des Bardaisan, und der ‹Fihrist› von Ibn an-Nadīm, der eine Inhaltsübersicht über die Werke des Mani liefert, stellt fest, dass sich mehrere Kapitel polemisch gegen die Daisaniten richten. Tatsächlich lassen sich die fünf Söhne des Ersten Menschen in Manis System als eine Folge von Elementen beschreiben, deren Namen denen bei Bardaisan sehr nahe kommen. Der ‘Vater’ und die ‘Mutter des Lebens’ aus Ephräms 55. Hymnus sind außerdem Bezeichnungen, die sich ebenfalls bei Mani finden. Die Vorstellung schließlich, dass die Heilsgeschichte in einem Reinigungsprozess besteht, bei dem die Finsternis ausgesondert wird, scheint auch Manis soteriologische Vision beeinflusst zu haben (über Bardaisan als Vorläufer des Mani siehe Drijvers 1974 [*992], Aland 1975 [*993], Widengren 1985 [*997]). Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Schatzmann.
§ 93. Mani und der Manichäismus Einar Thomassen
1. Leben. – 2. Werke und Quellen. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Mani (216–276/77) war der Gründer einer Weltreligion, die sich von seiner Heimat Mesopotamien aus ins Römische Reich im Westen und gegen Osten tief nach Asien hinein ausgebreitet hat und der eine über tausendjährige Lebensdauer beschieden war. Er ist die erste Persönlichkeit in der Religionsgeschichte, die ganz bewusst daran ging, eine Universalreligion für die gesamte Menschheit zu stiften. Aus dem Kölner Mani-Codex (CMC) ist bekannt, dass er in der jüdisch-christ lichen Täufersekte der Elkesaiten geboren und erzogen wurde. Mit dieser brach
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
er, nachdem ihm die Offenbarung zuteilgeworden war, dass ihre Lehre und Praktiken fehlerhaft seien. Der Offenbarer, der Mani zum ersten Mal im Alter von zwölf Jahren erschien und dann wieder zwölf Jahre später, war eine Art behütender Schutzgeist, der als Manis Partner, Zwillingsbruder oder als ‘Parakletos’ beschrieben wird. Er lehrte Mani, dass der menschliche Körper unrein sei, und ließ ihn erkennen, wie die materielle Welt durch die Vermischung von Licht und Finsternis zur Entstehung gelangt sei, als Resultat des uranfänglichen Angriffs der Finsternis auf die Welt des Lichts. Mani setzte eine breite Missionstätigkeit in Gang, indem er in alle Richtungen der Welt hinaus Gemeinden gründete, eine kirchliche Hierarchie aufbaute, Regeln für das Verhalten und für gemeinschaftliche Rituale vorschrieb und persönlich die kanonischen Bücher seiner Religion verfasste. Nachdem er die Unterstützung (respektive die Duldung) seitens des sassanidischen Herrschers Šapur I. (240–272) genossen hatte, verlor er die Gunst unter Bahram I. (272–276), der ihn verhaften ließ. Nach einem Monat Gefängnisaufenthalt verstarb Mani. Seiner Passion und ‘Kreuzigung’ (die sich auf die Ketten in seinem Kerker bezieht) wurde von da an im jährlich stattfindenden Bema-Fest gedacht, das im Manichäismus eine dem christlichen Osterfest vergleichbare Stellung einnahm. 2. WERKE UND QUELLEN Mani ist der Autor von neun Werken, von denen sieben den manichäischen Schriftenkanon bildeten. Dieser Kanon ist in einem syrischen Idiom geschrieben und besteht aus ‹Das lebendige Evangelium›, ‹Der Schatz des Lebens›, ‹Die Erzählung› (Pragmateia), ‹Das Buch der Mysterien›, ‹Das Buch der Giganten› und aus Briefen sowie Psalmen und Gebeten. Zusätzlich schrieb Mani auf Mittelpersisch den ‹Šābuhragān›, ein seinem königlichen Schutzherrn gewidmetes Werk, sowie einen eigenartigen Band von Gemälden, das ‹Bild›, der mit visuellen Mitteln die von Mani gelehrte mythische Erzählung illustrierte (Mani erfreute sich in Asien eines lange anhaltenden Ruhms als Maler). Von Manis literarischer Produktion haben sich nur Fragmente erhalten – hauptsächlich einige wenige Zitate bei Augustinus und kleine Stücke mitteliranischer Manuskripte,
die zumeist nur schwer wiederherzustellen und zu identifizieren sind. Eine große Zahl manichäischer Texte, die von Manis Schülern und der späteren manichäischen Kirche stammen, wurde hingegen im Verlaufe des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt: die koptischen manichäischen Codices aus Medinet Madi, die Manuskripte aus Turfan in verschiedenen iranischen und Turksprachen, die chinesischen Texte aus Dunhuang sowie der griechische CMC. Diese Quellen liefern Informationen von unschätzbarem Wert über manichäische Lehren und Praktiken, und sie ergänzen und berichtigen die sekundären und zumeist polemisch gefärbten Berichte über Manis Lehrinhalte in Werken wie Hegemonios’ ‹Acta Archelai›, Theodor bar Konis ‹Buch der Scholien›, Alexander von Lykopolis’ Traktat gegen die Manichäer und dem ‹Fihrist› des arabischen Autors Ibn an-Nadīm.
3. LEHRE
Manis Lehre ist in erster Linie charakterisiert durch einen radikalen Dualismus. Der Bereich von Finsternis, Materie und Übel existiert seit aller Ewigkeit neben demjenigen von Licht, Geist und Güte. Die beiden repräsentieren zwei verschiedene ‘Naturen’, und das Verständnis ihrer irreduziblen Differenz und Unver-
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§ 93. Mani und der Manichäismus (Bibl. 1085–1087)
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einbarkeit gehört zu den allerersten Voraussetzungen zur Errettung. Theorien, die Finsternis und Übel von Gott selbst herzuleiten versuchen, wie etwa diejenigen der früheren Gnostiker, werden von Mani als fundamental verfehlt angesehen. In der gegenwärtigen Welt liegen die beiden Naturen allerdings vermischt, ja sogar ineinander verschmolzen, vor; für die menschlichen Lebewesen wird dies an den Ketten, welche die Seele an den Körper binden, und an all dem damit verbundenen Schmutz spürbar. Um zu erklären, wie es zu dieser Verbindung kam, erzählte Mani einen Mythos, der ihm von seinem Schutzgeist offenbart worden war: Als der Herr der Finsternis «eines Tages» das Strahlen der Lichtwelt erblickte, begann er, sie zu begehren und gemeinsam mit seinem Heer böser Dämonen zu attackieren. Der Vater der Größe, der Herrscher über die Lichtwelt, musste darauf reagieren und sandte seinen Sohn, den Ersten Menschen, dem Feind entgegen. Dieser wurde im Kampf jedoch überwältigt, und seine fünf Söhne, die ihm in den Kampf gefolgt waren und die auch als seine Gliedmaßen respektive als seine Rüstung beschrieben werden, wurden von den Mächten der Finsternis verschlungen. Der Erste Mensch wird dank Vermittlern, die von seinem Vater ausgesandt werden, befreit, seine Gliedmaßen bleiben jedoch in der Finsternis gefangen. Die mythische Erzählung ist sehr detailreich und bezieht zahlreiche göttliche Gestalten mit ein, die im Grunde verschiedene Erscheinungsformen der höchsten Gottheit, des Vaters des Lichts selbst, sind. Diesen Gestalten kommen verschiedene Aufgaben in der Ausführung eines Rettungsplans zu, der auf die Befreiung der Gliedmaßen des Ersten Menschen – der Lichtpartikel, die auch ‘Lebende Seele’ genannt werden – aus dem Gefängnis der Finsternis zielt. Auch diese sind selbstverständlich ein Teil der Gottheit selbst. Die Erschaffung der Welt geschieht als Resultat einer vom Vater der Größe getroffenen Entscheidung und stellt einen Teil des Heilsplans dar. Mit dieser Aufgabe betraut ist eine Gestalt, die den Namen ‘Dritter Bote’ trägt und als Demiurg dient. Dieser überwältigt und tötet zusammen mit seinen Helfern einige der finsteren Mächte und erbaut aus ihren Körpern den physischen Kosmos. Dieser wird daraufhin in eine veritable Erlösungsmaschinerie umgewandelt, in der die Gestirne Sonne und Mond als Schiffe funktionieren, die dazu ausersehen sind, die gereinigten Seelen zurück in den Bereich des Lichts zu transportieren. Damit dies geschehen kann, wird Jesus der Glanz zur Menschheit gesandt, um diese aufzuklären und um das Wirken des Rettungsapparats zu beaufsichtigen. Eine wichtige Rolle spielt auch der Licht-Geist, der durch prophetische Boten operiert, und zwar als Schutzgeist in der manichäischen Kirche und auf der Ebene der Individuen. Die Lichtpartikel finden sich in der Welt verteilt. Eine Episode des Mythos erzählt, mit welchen Mitteln der ‘Dritte Bote’ die Mächte der Finsternis zum Ausstoßen der Lichtpartikel brachte, die diese zuvor verschlungen hatten: indem er sich ihnen in mannigfaltigen Erscheinungsformen als attraktive junge Männer und Frauen zeigte. Durch sexuelles Verlangen erregt, ejakulierten darauf die männlichen Mächte, und die weiblichen Mächte trieben ab, was sie zuvor in sich getragen hatten. Die auf diese Weise freigesetzten Elemente des Lichts waren zum größten Teil infolge der Art und Weise, wie sie ausgestoßen worden waren, mit Unreinheit befleckt. Einige von ihnen sind an die Pflanzenwelt gebunden, andere wiederum
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befinden sich in menschlichen Körpern. In der Tat stammen die Menschen von den Abtreibungen der weiblichen Archonten ab: Diese wurden vom Dämon Saklas und seiner Frau aufgegessen, dann kopulierten sie und brachten Adam und Eva hervor. Der menschliche Körper besitzt demnach dämonische Ursprünge, doch die Seele rührt von den in den Abtreibungen enthaltenen Lichtpartikeln her, und sie trägt auch Gottebenbildlichkeit in sich, welche die Archonten an dem Dritten Boten wahrgenommen hatten. Um die Trennung zwischen Licht und Finsternis zu vollziehen, werden Boten berufen zur Instruktion der Menschen über ihre lichtvollen Ursprünge und darüber, wie sie zu diesen zurückkehren können. Mani ist der letzte in einer ganzen Reihe solcher Propheten, zu denen auch Jesus, Zarathustra und Buddha gehören. Die Botschaft beinhaltet ebenfalls einen Verhaltenskodex, der dazu bestimmt ist, die Seele vom Körper und der Abhängigkeit von der physischen Welt zu befreien: Enthaltung von Geschlechtsverkehr und allen Formen sinnlichen Vergnügens, von Fleischverzehr und dem Trinken von Alkohol sowie von Besitztümern. Ferner müssen die Anstrengungen darauf gerichtet werden, keinem Lebewesen Leid zuzufügen, einschließlich der Pflanzen und der Elemente, da sich die Lichtpartikel auch in diesen ausgebreitet haben. Das Gebot von der ‘Ruhe der Hände’ machte physisches Arbeiten tatsächlich unmöglich. So konnte nur eine Elite, ‘die Auserwählten’, darauf hoffen, die Gebote zu befolgen, und diese waren abhängig von der zahlenmäßig größeren Gruppe der ‘Hörer’ (κατηχούμενοι; zur Bezeichnung in den verschiedenen Sprachen siehe BeDuhn 2000 [*1046: 26–28]), die für die lebensnotwendige Nahrung und Kleidung der Auserwählten zu sorgen hatte. Für diese letzteren galt ein weniger strikt gehaltener Regelkanon. Beiden Gruppen vorgeschrieben waren allerdings regelmäßige Sünden-Bekenntnisse, und Gebete um Vergebung kompensierten die praktische Unmöglichkeit, ein völlig reines Leben in dieser Welt zu führen. Die Auserwählten konnten darauf hoffen, dass ihre Seelen nach dem Verlassen des Körpers zum Zeitpunkt des Todes von einem Gericht günstig beurteilt würden, dass diese ihr präexistentes ‘Bild’, das sie erwartete, bekämen und über die «Säule der Herrlichkeit» hinauf zum Mond gelangen würden. Einmal vollgefüllt mit hinaufgestiegenem Licht, würde der Mond lossegeln und seine Fracht in die Sonne entladen, die sie ihrerseits ins Paradies, den ‘Neuen Äon’ jenseits des Kosmos, bringen würde. Dort verbleiben die gesegneten Seelen bis zum Ende der Welt, an dem sie schließlich mit der Lichtwelt wiedervereinigt würden. Von den ‘Hörern’ andererseits heißt es gewöhnlich, dass sie weiterer Inkarnationen bedürften, ehe sie gereinigt werden könnten. Sünder, die keine Reue zeigen, gehen zur Hölle. Der Lauf der Geschichte zielt auf ein Ende hin, an dem es einen finalen großen Krieg zwischen dem Licht und der Finsternis sowie ein universales Gericht geben wird. Das Licht wird dann zu seinem Ursprung zurückkehren, die Welt wird durch Feuer verzehrt, und Finsternis und Sünder werden für alle Ewigkeit eingeschlossen werden, komprimiert in einen «Klumpen» (βῶλος). Es ist klar, dass Manis Ideen eine religiöse Vision darstellen, deren Wahrheitsansprüche sich auf Offenbarung stützen und deren hauptsächliche Diskursform in mythologischer Imagination besteht. Versuche, nach denen Manis Mythos
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§ 93. Mani und der Manichäismus (Bibl. 1085–1087)
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schlicht eine figurative Darstellung abstrakter philosophischer Ideen, in einer gewissen Weise im Stile Platons (Schaeder 1927 [*1038]), sei, fanden keine allgemeine Zustimmung. Der Mythos macht ohne Zweifel von philosophischem Vokabular Gebrauch und macht sich elementare philosophische Strukturen und Themen zu eigen: Die Finsternis entspricht einer personifizierten Hyle, und der Vater der Größe hat fünf primäre Attribute, die noetische Eigenschaften besitzen, nämlich «Geist» (νοῦς), «Denken» (ἔννοια), «Verstand» (φρόνησις), «Sinnen» (ἐνθύμησις) und «Überlegung» (λογισμός). Der Erste Mensch und seine Gliedmaßen stellen eine Seele dar, die aus dem intelligiblen Bereich des Lichts hervorgeht und sich mit der Materie verflicht. Um der Beherrschung durch das Materielle zu entkommen, braucht die Seele die Leitung eines Geistes, der im besonderen durch den LichtGeist repräsentiert wird, einem Gesandten aus der Lichtwelt. Gleichzeitig ist es allerdings auch klar, dass die mythische Erzählung im wörtlichen Sinne verstanden sein will und selbst ein Gegenstand des Glaubens oder mehr noch des intellektuellen Erfassens ist. Die Entitäten, die in der Erzählung erscheinen, sind keine philosophischen Konzepte, sondern persönliche Wesen, mit denen die Gläubigen durch kultische Verehrung und asketische Kämpfe in Beziehung treten. Die Philosophen, die gegen den Manichäismus anschrieben, Alexander von Lykopolis (ca. 290) und Simplikios (6. Jh. n. Chr.), gaben ihrer Erbitterung darüber Ausdruck, dass ihre Gegner keine rationalen Argumente ins Feld führten, sondern die Wahrheit auf der Grundlage der Offenbarung zu kennen beanspruchten. Ersterer kritisiert den manichäischen Dualismus aus der Perspektive des neuplatonischen Monismus, indem er argumentiert, dass die Materie von Gott geschaffen und vollkommen passiv sei und als solche keine unabhängige Kausalität besitzen könne. Außerdem setze die manichäische Auffassung der Materie Grenzen für das Göttliche, wobei sie letztlich Gott selbst körperlich mache, und sie stelle auch in Abrede, dass Gottes Vorsehung alles durchdringe (van der Horst, Mansfeld 1974 [*1042], Villey 1985 [*1021], Stroumsa 1992 [*1044]). In ziemlich ähnlicher Weise polemisiert Simplikios (In Epict. Enchir. 35) gegen die absurden Konsequenzen, die sich aus der Bestimmung von Gut und Böse als zweier je unabhängiger erster Prinzipien ergeben, und gegen die Abwertung der Kraft und Einsicht Gottes, die der manichäische Mythos impliziert (I. Hadot 1969 [*1041], P. Hadot 1996 [*900], Lieu, Sheldon 2011 [*1054]). Beide tadeln auch die Idee, dass moralisch verwerfliche Handlungen durch äußere Einflüsse und nicht durch den menschlichen freien Willen verursacht würden. Theologische Debatten zwischen manichäischen und katholischen Theologen waren im 4. Jahrhundert an der Tagesordnung. Namhafte Autoren anti-manichäischer Ausrichtung sind im besonderen Titos von Bostra, der zwischen 363 und 377 vier Bücher ‹Gegen die Manichäer› schrieb (vgl. Pedersen 2004 [*1050], Roman, Schmidt, Poirier 2015 [*1018]), und natürlich Augustinus, der selbst neun Jahre lang manichäischer Hörer gewesen war, bevor er zur katholischen Kirche zurückkehrte (Alfaric 1918 [*1037], BeDuhn 2010–2013 [*1051]). Augustinus schrieb neun Bücher eigens gegen die Manichäer und polemisiert in zahlreichen weiteren Werken gegen sie (vgl. zuletzt van Oort 2010 [*1052]). Ein zentrales Element seiner Kritik ist die Ablehnung der Auffassung, das Übel habe die Eigen-
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schaft einer Substanz mit unabhängiger ontologischer Realität – Augustinus gemäß sollte es vielmehr als ein «Mangel an Gutem» («privatio boni») angesehen werden. Der Ursprung des Bösen wird stattdessen im Vermögen des freien menschlichen Willens zu sündigen angesiedelt (der gängige Vorwurf, die Manichäer hätten den freien Willen abgelehnt, ist allerdings eine Entstellung der Tatsachen: Magris 2001 [*1049: 154–156], Pedersen 2004 [*1050: 173–175]). Auf der anderen Seite wurde Augustinus selbst von seinen pelagianischen Gegnern wegen seiner Lehren von der Erbsünde und der angeborenen «Begierde des Fleisches» («concupiscentia carnis») des Manichäismus bezichtigt (Lamberigts 2001 [*1048]). 4. NACHWIRKUNG
Die manichäische Kirche verschwand sowohl im Westen als auch im byzantinischen Reich als Folge antihäretischer Gesetzgebung und heftiger Repression. Die Etikette ‘Manichäismus’ wurde später regelmäßig für abweichende Gruppierungen nahezu jeder Art verwendet, selbst wenn für ‘Häresien’, die sich zu einer eindeutig dualistischen Weltsicht bekannten (Paulikianer, Bogomilen, Katharer), die historische Kontinuität mit dem antiken Manichäismus unwahrscheinlich ist (Hamilton, Hamilton 1998 [*1023], Lambert 1998 [*1045]). In der islamischen Welt lebten Manichäer etwas länger fort, doch im 9. Jahrhundert unterlagen sie auch dort der Verfolgung. Unter muslimischen Intellektuellen scheint der Manichäismus von einer gewissen Attraktivität gewesen zu sein, denn viele von ihnen wurden als ‘zandaqa’ (arab.) bezeichnet und somit dieser Häresie bezichtigt (Vajda 1938 [*1040]). In Zentralasien und schließlich in China lebten manichäische Gemeinschaften bis ins 15. Jahrhundert fort. In der Geistesgeschichte wurde der Manichäismus sprichwörtlich für die uneingeschränkteste je entworfene dualistische Weltsicht und für seine unverwechselbare Lösung zum Problem des ‘unde malum’. Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Schatzmann.
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§ 94. Irenäus von Lyon (Bibl. 1087–1090)
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IV. DIE SOGENANNTEN ALTKATHOLISCHEN THEOLOGEN § 94. Irenäus von Lyon Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Dank beiläufiger Bemerkungen in Irenäus’ eigenem Werk und Nachrichten aus Eusebios’ ‹Kirchengeschichte› sind wir nicht gut, aber doch einigermaßen über die Biographie des Irenäus informiert. Demnach stammte er aus Kleinasien, vermutlich aus Smyrna, wo er um 135/140 geboren sein dürfte. Er erhielt eine solide pagane Bildung, die ihm das Allgemeinwissen der Zeit vermittelte (Benoît 1960 [*1089: 55–73], insgesamt skeptischer Brox 1998 [*1119: 830–833]). So verfügt er über die allgemein gängigen Kenntnisse der griechischen Literatur und Dichtung (vgl. die tabellarischen Aufstellungen bei Mutschler 2004 [*1129: 118–132]; zu einem Homer-Cento in Haer. 1,9,4 vgl. Wilken 1967 [*1092]), er kennt sich in Rhetorik recht gut aus (Grant 1949 [*1080: 47ff.], Schoedel 1959 [*1087: 27–32]; zu einem meist missverstandenen rhetorischen Topos in Haer. 1 praef. 2 vgl. Quacquarelli 1956 [*1082: 459]); manche fachwissenschaftlichen Fragen sind ihm leidlich vertraut (Grant 1949 [*1080], Wyrwa 1998 [*1120: 305ff.]), und er besitzt ein gewisses philosophisches Grundwissen, anhand dessen er sich orientieren kann. Zum christlichen Glauben ist er aber augenscheinlich nicht auf dem Weg über die Philosophie gekommen, und einen philosophischen Drang, sich der Suche nach Erkenntnis zu verschreiben, hat er nie verspürt. Wahrscheinlich wuchs er in einem christlichen Elternhaus auf (Brox 1998 [*1119: 822]); denn zu den prägendsten Eindrücken seiner Jugend zählt er selbst, dass er als heranwachsender Knabe den hochbetagten Bischof Polykarp von Smyrna, der nach der wahrscheinlichsten Datierung um 156 das Martyrium erlitten hat, noch häufiger gesehen und predigen gehört hat (Haer. 3,3,4; Eus. Hist. eccl. 5,20,5f.). Andere Lokalgeschichten wie die Begegnung des Herrenjüngers Johannes mit Kerinthos in Ephesos in einem Badehaus und die Begegnung Polykarps mit dem Ketzer Markion gibt er nach dem Hörensagen wieder (Haer. 3,3,4, von Eusebios zweimal nacherzählt: Hist. eccl. 3,28,6 und 14,14,6). Offenbar haben ihm die dortigen Presbyter, von denen er öfter, ohne sie namentlich zu nennen, spricht (van Unnik 1977 [*1098]), die Traditionen der kleinasiatischen Theologie nahegebracht, denen er zeitlebens verbun-
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den blieb. Aus unbekannten Gründen siedelte er zu einem späteren Zeitpunkt nach Gallien über. Das wird vor dem Hintergrund einer wirtschaftlich und handelsgewerblich motivierten Siedlungsbewegung zu sehen sein, die auch den christlichen Glauben in das Rhonetal brachte (vgl. Frend 1964 [*1091], Grant 1997 [*1117: 4]), doch werden in Irenäus’ Fall vermutlich auch Gemeindebelange eine Rolle gespielt haben. In Lyon wirkte er zunächst als Presbyter, bis er nach dem Märtyrertod des örtlichen Bischofs Potheinos zu dessen Nachfolger gewählt wurde (Eus. Hist. eccl. 5,5,8). Schon bald nach seiner Ankunft in der neuen Heimat muss er ein hervorragendes Renommee in der gallischen Kirche genossen haben. Um 177, noch während die verheerende Christenverfolgung in Gallien wütete, wurde er mit einer Delegationsreise zum römischen Bischof Eleutheros beauftragt, um mit Hilfe von Empfehlungsschreiben der gallischen Märtyrer eine versöhnliche Politik gegenüber den kleinasiatischen Montanisten zu erwirken – dies ein deutliches Zeichen der Verbundenheit der Gemeinden in Gallien mit den Kleinasiaten (Eus. Hist. eccl. 5,3,4–4,2). Aus dem Begleitschreiben, das den Überbringer ausführlich vorstellt, ist zu entnehmen, dass Irenäus der römischen Gemeinde zum damaligen Zeitpunkt persönlich noch unbekannt war (Eus. Hist. eccl. 5,3,2, so zu Recht Brox 1998 [*1119: 822], anders Nautin 1961 [*1090: 93], Orbe 1992 [*1114: 413]). In die anschließende Zeit seines Episkopats fällt seine große literarische Aktivität, die sich ganz dem Dienst der Kirche verschreibt, um Kampfmittel gegen die gnostischen Gefährdungen bereitzustellen, um die Irrenden zur kirchlichen Einheit zurückzugewinnen und um die Gläubigen im apostolischen Glauben zu festigen und zu stärken (Haer. 1 praef. 3; Haer. 5 praef.; Dem. 1). Doch nach wie vor engagierte er sich in ökumenischen Kontakten, wobei er die brieflichen Beziehungen zur römischen Gemeinde besonders pflegte. Seine letzte Vermittlungsinitiative, von der wir Nachricht haben, betraf den Streit um die quartadezimanische Osterpraxis (Eus. Hist. eccl. 5,23,1–24,17). Als der römische Bischof Victor sich anschickte, die kleinasiatischen Gemeinden aus der Kirchengemeinschaft auszuschließen, weil sie ihre alte quartadezimanische Tradition nicht preisgeben wollten, da unterstützte Irenäus, obwohl er sachlich die römische Praxis für die richtige hielt, mit einem sehr entschiedenen ausführlichen Schreiben die Sache der Kleinasiaten und erklärte, «die Verschiedenheit des Fastens bekräftigt die Einheit im Glauben» (Eus. Hist. eccl. 5,24,13). Eusebios sah darin seinen Namen als wahrhafter εἰρηνοποιός («Friedensstifter») bestätigt (Eus. Hist. eccl. 5,24,18). Bemerkenswert ist nicht zuletzt, dass er sich redlich bemühte, die keltische Sprache zu erlernen, um auch unter den Barbarenvölkern das Evangelium zu verkünden (Haer. 1 praef. 3, vgl. Haer. 1,10,2; 3,4,2). Um 200 wird er gestorben sein; spätere Nachrichten, dass er unter Septimius Severus Märtyrer geworden sei, sind legendär und entbehren einer historischen Grundlage.
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§ 94. Irenäus von Lyon (Bibl. 1087–1090)
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2. WERKE
‹Detectio et eversio falso cognominatae agnitionis› Ἔλεγχος καὶ ἀνατροπὴ τῆς ψευδωνύμου γνώσεως – ‹Entlarvung und Widerlegung der fälschlich sogenannten Gnosis› (kurz ‹Adversus haereses› genannt; Haer.; CPG 1306) Mit seinem Hauptwerk tritt Irenäus in die vorderste Front des kirchlichen Abwehrkampfes gegen die Häresie, in erster Linie gegen die Valentinianer, in Seitenhieben auch gegen Markion, die Enkratiten und andere. Buch 1 soll das verdeckte gnostische System entlarven, indem die mythischen Lehren des Ptolemaios referiert und die Genealogie des Gnostizismus aufgezeigt werden. In Buch 2 folgt die logische Widerlegung aufgrund innerer Widersprüche und Absurditäten. Mit Buch 3 beginnt die positive Entfaltung der kirchlichen Wahrheit, die im ständigen Rückbezug auf das Neue Testament durchgeführt wird. Das Buch entwickelt die Lehre von dem einen Gott und Schöpfer und dem einen Herrn Jesus Christus anhand des Zeugnisses der Apostel. Buch 4 behandelt die Einheit der Heilsgeschichte anhand der Worte und Parabeln des Herrn, und in Buch 5 werden die Errettung des Menschen in seiner geschöpflichen Leiblichkeit sowie Themen der Eschatologie anhand der Paulusbriefe erörtert (detaillierte Dispositionsangaben bei Benoît 1960 [*1089: 158– 196], Fantino 1986 [*1110: 49–66]). Entstanden ist das Werk, das ausgedehnte Recherchen zum gnostischen Umfeld voraussetzt, in mehreren Anläufen wahrscheinlich in der Zeit zwischen 181 und 189, wie die Nennung des amtierenden römischen Bischofs Eleutheros in der von Irenäus angeführten römischen Bischofsliste (Haer. 3,3,3) ergibt. Es ist vollständig nur in einer recht wörtlichen vulgär lateinischen Übersetzung des späten 4. Jahrhunderts enthalten, hinzu kommen Fragmente in syrischer und armenischer Übersetzung sowie griechische Bruchstücke in Kirchenväter-Zitaten und in zwei Papyri vom Ende des 2. bzw. Anfang des 3. Jahrhunderts (aus Oxyrhynchos) und dem frühen 4. Jahrhundert (wahrscheinlich aus Apollinopolis Magna).
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‹Demonstratio praedicationis apostolicae› Εἰς ἐπίδειξιν τοῦ ἀποστολικοῦ κηρύγματος (nach Eus. Hist.eccl. 5,26) – ‹Zum Erweis der apostolischen Verkündigung› (kurz ‹Demonstratio› genannt; Dem.; CPG 1307) Dieses Werk war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nur durch die Titelangabe bei Eusebios (Hist. eccl. 5,26) bekannt; erst 1904 wurde es in einer vollständigen armenischen Version aus dem 6. Jahrhundert wiederentdeckt. Die kurze Schrift ist nach dem Hauptwerk entstanden, auf das sich ein Rückverweis gegen Ende bezieht (Dem. 99; dazu Steenberg 2008 [*1140: 218f.]; hier allein auch eine Warnung vor Häretikern), sie stellt also keinesfalls ein noch unausgereiftes Frühstadium von Irenäus’ Theologie dar. Anders als das Hauptwerk ist sie jedoch ganz unpolemisch gehalten. Sie bietet in katechetischem Stil, aufgebaut nach den drei Artikeln des Taufbekenntnisses (Dem. 3), eine gemeindegemäße Zusammenfassung des christlichen Glaubens, die sich im Wesentlichen als Nacherzählung der biblischen Heilsgeschichte im Schema von Verheißung und Erfüllung präsentiert. Dass die theologisch heilsgeschichtlichen Leitgedanken hier dieselben sind wie dort und nur die institutionell-hierarchischen Sicherungskoordinaten fehlen, kann ein Licht auf eine tiefer liegende Fundierung seines theologischen Denkens werfen.
Nur fragmentarisch bezeugte oder ganz verlorene Briefe und Schriften Von weiteren Titeln, die Eusebios aufzählt, sind entweder nur kurze Auszüge bekannt oder die Schriftstücke sind gänzlich verloren. Philosophisch belangvoll mag eine apologetische Schrift gegen die Griechen mit dem Titel Περὶ ἐπιστήμης (‹Über die Wissenschaft›: Hist. eccl. 5,26) gewesen sein; Eusebios nennt sie sehr kurz – Irenäus’ Schwergewicht lag nicht hier – und lobt sie als überaus schlagend. Erhalten ist davon nichts. Nach Rom gerichtet war ein Brief an einen gewissen Blastos Περὶ σχίσματος (‹Über die Spaltung›: Hist. eccl. 5,20,1), der verloren ist. In die Amtszeit Victors von Rom, d. h. nach Abfassung des Hauptwerkes, fällt ein Konvolut von drei Briefen, betreffend einen römischen Presbyter Florinus, den
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Irenäus noch von seiner kleinasiatischen Heimat her kannte und der in Rom als Presbyter dem Valentinianismus zuneigte. An Florinus direkt hat er eine Ἐπιστολὴ περὶ μοναρχίας ἢ περὶ τοῦ μὴ εἶναι τὸν θεὸν ποιητὴν κακῶν (‹Brief über die Einzigkeit [sc. Gottes] oder dass Gott nicht Urheber von Bösem sei›: Hist. eccl. 5,20,1; CPG 1309) gerichtet, seinetwegen hat er ein Σπούδασμα περὶ ὀγδοάς (‹Studie über die Achtzahl›: Hist. eccl. 5,20,1; CPG 1308) verfasst. Zuletzt fordert er Victor schriftlich auf, gegen Florinus einzuschreiten (CPG 1311). Vom genannten Protestschreiben, das
Irenäus im Namen der gallischen Gemeinden an Victor wegen dessen herrischem Gebaren im Streit um das Osterfasten richtete, finden sich bei Eusebios zwei Auszüge (Hist. eccl. 5,24,11–17; CPG 1310, vgl. CPG 1312). Außerdem erwähnt er (Hist. eccl. 5,26,1) noch ein ‹Buch verschiedener Reden›, wohl eine Predigtsammlung. Zu den in der Edition von Harvey 1857 [*1060: II 431–511] abgedruckten 32 syrischen bzw. armenischen und 47 griechischen Fragmenten vgl. Harnack 1897 [*1077: II 1,518–522] sowie CPG 1315– 1317.
3. LEHRE
1. Grundzüge von Irenäus’ Denken. – 2. Explizite philosophische Bezugnahmen. – 3. Integrierter Gebrauch philosophischer Elemente.
1. Grundzüge von Irenäus’ Denken Irenäus’ kirchengeschichtliche Bedeutung ist darin zu sehen, dass er den Abwehrkampf gegen die mythisch-spekulative religionsphilosophische Transformierung der christlichen Botschaft im Gnostizismus auf der ganzen Breite mobilisierte. Er ist sich sicher, im gnostischen Mythos den Prüfstein gefunden zu haben, an dem man die sich verstellenden Häretiker dingfest machen kann. So erwartet er, dass nach Maßgabe dieses Kriteriums die Trennungslinie erfolgreicher als bisher gezogen werden kann (vgl. Koschorke 1978 [*1100: 243–250]). Und er formuliert als Gewähr, dass die Wahrheit wirklich und ausschließlich in der katholischen Kirche anzutreffen ist, die das Leben der Kirche regulierenden formaltheologischen Prinzipien in Gestalt der sogenannten drei katholischen Normen: der Amtssukzession, der Glaubensregel und des Schriftkanons. Diese wollen als Beschreibung des faktischen Sachverhalts der Apostolizität der Kirche verstanden werden, sie sind nicht als Postulat gemeint (Brox 1981 [*1106: 19–22]). Dass am Ende des 2. Jahrhunderts eine gewisse Konsolidierung eines gefestigten katholischen Identitätsbewusstseins erreicht worden ist, dürfte nicht zum geringsten Irenäus’ Einsatz zu verdanken sein. Zum anderen liegt Irenäus’ theologiegeschichtliche Bedeutung darin, dass er die an originellen Entwürfen ungemein reiche theologische Arbeit des 2. Jahrhunderts, die sich als traditionelle, der kirchlichen Gemeindefrömmigkeit verpflichtete oder eher als wissenschaftliche, mit populärphilosophischem Material operierende Theologie darbot, auf der Grundlage einer heilsgeschichtlichen Gesamtsicht zusammenfasste und zum Abschluss brachte. Er sieht sich in der
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Nachfolge der von ihm hoch geachteten, ungenannten Presbyter (van Unnik 1977 [*1097]) und bezieht sich auf die wichtigsten der Apostolischen Väter sowie auf Justin, Theophilos und wahrscheinlich auch Meliton (Norelli 2005 [*1136], Spaccapelo 2005 [*1138]); Tatian, den Schüler Justins, verurteilt er aber (Haer. 1,28,1; 3,28,8). Neuerungen liegen ihm fern, und weiterführende theologische Forschung hält er nur dann für legitim, wenn sie der Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit eingedenk ist und sich an das hält, was Gott den Menschen zugänglich gemacht hat (vgl. den Katalog legitimer Aufgabenstellungen eines Theologen in Haer. 1,10,1–3; dazu Bengsch 1957 [*1083: 51–56]; zu Unrecht sieht van Unnik 1977 [*1098] darin Fragen der ungenannten Presbyter, Wyrwa 1997 [*1118: 449– 452, besonders 450 Anm. 22] und 2012 [*1150: 29ff.]). Dennoch gewinnt unter seinen Händen das ihm überkommene Material die Gestalt einer umfassenden, von eigenständiger Reflexionskraft zeugenden Glaubenslehre, die nicht in der antihäretischen Frontstellung nach einem simplen Schema von ‘challenge and response’ aufgeht, sondern in sich selbst in eigener Form steht. Zwei zentrale Leitbegriffe sind es, die sein christozentrisches Denken im Ganzen strukturieren: οἰκονομία = ‘dispositio’ oder ‘dispensatio’ und ἀνακεφαλαίωσις = ‘recapitulatio’ (beide nach Eph. 1,10). Der Begriff οἰκονομία bezeichnet Gottes Heilsplan und dessen Verwirklichung durch Christus im Lauf der Heilsgeschichte, insofern Christus vom Anfang der Schöpfung an gemäß göttlicher Pädagogik in Anpassung an die Fassungskraft des Menschen und in allmählicher Gewöhnung des Menschen durch die gesamte biblische Geschichte hindurch zu seinem Geschöpf kommt (Haer. 3,16,6; 4,20,7; zum Ganzen Osborn 2001 [*1126: 77–89], vgl. Wyrwa 1997 [*1118: 472–475]). Komplementär dazu steht der Begriff ἀνα κεφαλαίωσις, der soviel wie Wiederholung, Vollendung und Zusammenfassung in einem bedeutet und der das innere Ziel der umfassenden Ökonomie Gottes bezeichnet (Haer. 3,16,6: «[Christus] […] veniens per universam dispositionem et omnia in semetipsum recapitulans»; Haer. 3,18,1: «quando incarnatus et homo factus, longam hominum expositionem [= ἱστορίαν: SC 210, 332 Anm. 2] in seipso recapitulavit, in compendio nobis salutem praestans»). In ihrer Binnenstruktur hat Irenäus die Rekapitulationslehre, für die er Anknüpfungspunkte bereits bei Justin fand (Haer. 4,6,2), in Anlehnung an die paulinische Adam-Christus-Antitypik entworfen (Nielsen 1968 [*1093]). Er sieht Adam bzw. die adamitische Menschheit unter einem doppelten Stand: Adam ist der gefallene Sünder, der von der Übertretung an der Erneuerung und der Wiederherstellung bedarf; er ist aber auch – wie bei Theophilos – noch ein Kind, ein unfertiges und unvollkommenes Geschöpf, das des Wachstums und der Vollendung bedarf (Harrison 1992 [*1113], Steenberg 2004 [*1130]). Demgemäß bedeutet die Rekapitulation in Christus die Wiederherstellung und Erneuerung des Urstandes, und sie bedeutet die Vollendung der geschöpflichen Bestimmung des Menschen, auf die hin Adam vorerst nur angelegt war (Dem. 3,18,2). In einem dritten Sinn versteht Irenäus Rekapitulation in Christus als kosmische Zusammenfassung von allem, insofern Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes und Erstgeborene von den Toten, seine Herrschaft über alle Bereiche der geschaffenen Wirklichkeit, über die unsichtbare, pneumatische Engelwelt, über die sichtbare, körperliche Welt auf Erden und über
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das Unterirdische manifestiert und dadurch alles unter sich als dem Haupt (κεφαλή) zusammenfasst und vereint (Haer. 3,16,6; 4,20,2; 5,20,2; Dem. 30; 39; zum Ganzen Sesboüé 2000 [*1124: 125–163], vgl. Wyrwa 1997 [*1118: 475–479]). Indessen spricht Irenäus einmal von der Rekapitulation aller Dinge in der Zukunft (Haer. 1,10,1), was darauf hinweist, dass die Wirklichkeit der Rekapitulation in der Gegenwart noch nicht endgültig durchgesetzt ist und erst mit der Wiederkunft Christi die Endvollendung erreicht sein wird. Die Gesamtanschauung seiner christozentrischen Theologie fasst Irenäus selbst mit der sogenannten Rekapitulationsformel zusammen, indem er die theologische Grundfrage des ‘Cur deus homo?’ ins Zentrum stellt: «Das Wort Gottes, Jesus Christus, unser Herr, ist wegen seiner grenzenlosen Liebe das geworden, was wir sind, um uns zu dem zu machen, was er selbst ist» (Haer. 5 praef.; Haer. 3,19,1 u. ö.). 2. Explizite philosophische Bezugnahmen Die größte Dichte philosophischer Bezugnahmen innerhalb des gesamten Werkes findet sich in einem Passus, den Diels auf ein in der Tradition des Aëtios stehendes doxographisches Handbuch wie Ps.-Plutarch zurückgeführt hat (Haer. 2,14,1–7 mit Diels 1879 [*1076: 171]). Irenäus will an dieser Stelle nachweisen, dass die ‘abstrusen’ Lehren der Valentinianer auf Entlehnungen aus der griechischen Dichtung und Philosophie beruhen. Was die Valentinianer als eigene Erkenntnis ausgeben, sei in Wahrheit nach Art eines Centos von dorther zusammengeflickt und nur mit neuen Namen versehen. Zu diesem Zweck nennt Irenäus 15 Namen berühmter griechischer Philosophen und Dichter sowie ihrer Schulen, fügt jeweils eine knappe doxographische Information hinzu und stellt das vermeintlich entsprechende gnostische Seitenstück daneben. Die griechische Philosophie wird bei diesem Verfahren, wie es den Anschein hat, in Bausch und Bogen verurteilt; «ihre Lehren stinken nach Unwissenheit und Gottlosigkeit» («dogmatibus ignorantiam et irreligiositatem olentibus»: Haer. 2,14,2), und noch ihre größten Vertreter gehören zu denjenigen, die Gott nicht kennen (Haer. 2,14,2. 4. 7 mit Anspielung auf Gal. 4,8; 1. Thess. 4,5 u. ö.; evtl. «ignorant» mit der Konnotation von «nicht anerkennen», denn die Heiden wissen von Gott aus der Schöpfung: Haer. 2,6,1. 9,1f). Wenn die griechischen Geistesgrößen die Wahrheit erkannt hätten, wäre, wie Irenäus erklärt, die Herabkunft des Erlösers in diese Welt überflüssig gewesen (Haer. 2,14,7). Obwohl er damit sein pauschales Verdikt nochmals argumentativ bekräftigt, so darf nicht übersehen werden, dass es ihm nicht darum geht, die genannten Philosophen in eigenständiger Polemik anzugreifen, sondern dass er letztlich mit allen Ausführungen die Gnostiker treffen und ihren Anspruch, sie allein verfügten über die wahre, die höhere Erkenntnis, ‘ad absurdum’ führen will. Über die hier aufgezählten Namen von Philosophen geht Irenäus nirgendwo in seinem Werk hinaus, und nur wenige der hier Genannten kehren an anderer Stelle wieder. Doch ist auch in solchen Fällen die Stoßrichtung dieselbe, und sachlich beschränken sich die Nachrichten wiederum meist auf doxographische Gemein-
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plätze (Haer. 1,1,1: die erste pythagoreische Tetraktys; Haer. 3,24,2: der Gott Epikurs, der keine Providenz ausübt; Haer. 2,32,2: die sittlichen Verfehlungen nach der Lehre Epikurs und die Indifferenz der Kyniker). Religionsgeschichtlich interessant ist die Mitteilung, dass die Gnostiker Bildnisse Christi zusammen mit solchen von paganen Philosophen wie Pythagoras, Platon, Aristoteles und anderer aufstellen und in heidnischer Weise verehren (Haer. 1,25,6; vgl. Hist. Aug. 18 Alex. Sev. 29,2, wo berichtet wird, Alexander Severus habe in seiner Hauskapelle Bildnisse unter anderen von Apollonios, Christus, Abraham und Orpheus besessen). Ausführlicher geht Irenäus in seiner Widerlegung der gnostischen Seelenwanderungslehre auf Platon ein, den er – historisch nicht ganz korrekt, aber in öfter anzutreffender Ungenauigkeit – als Urheber dieser Ansicht ausgibt (Haer. 2,33,2). Auch hier steht der Gedanke, dass die gnostischen Irrlehren von der griechischen Philosophie abhängig sind, im Hintergrund. Nachdem Irenäus die inneren Widersprüche der Theorie aufgedeckt hat (Haer. 2,33,1; vgl. Iust. Dial. 4,1–2), rechnet er Platon ironisch-spöttisch Punkt für Punkt die Aporien vor, in die er sich mit seiner lediglich behaupteten, aber unbewiesenen Auskunft vom «Trank des Vergessens» im Schlussmythos der ‹Politeia› (Rep. 10, 620e–621a) verstrickt habe: Die Seele dürfte sich gar nicht an den Trank erinnern; erinnert sie sich trotzdem an ihn, dann müsste sie sich auch an alles übrige vor ihrem Eintritt in das körperliche Leben erinnern, und wenn sie das nicht tut, ist die ganze Theorie hinfällig. Aber auch die Behauptung, der Körper selbst sei das Mittel des Vergessens, ist haltlos (Haer. 2,33,2–4; vgl. Schoedel 1959 [*1087: 24ff.], van Unnik 1976 [*1096: 204f.]). Unbeschadet der Tatsache, dass Irenäus Platons Lehre der Seelenwanderung entschieden und ohne Einschränkung zurückweist, kann man sich fragen, ob in der sprachlichen Form der Anrede an Platon, die so merklich abweicht von der Art, wie Irenäus die Gnostiker anspricht, ein Anflug einer gewissen Achtung mitschwingt (Wyrwa 1998 [*1120: 314–317]). Eindeutig positiver ist nicht nur der Ton, sondern auch die persönlich-sachliche Einschätzung, wenn Irenäus Platon in der Polemik gegen Markion und dessen Zwei-Götter-Lehre geradezu als philosophischen Kronzeugen für die christliche Wahrheit aufruft (Haer. 3,25,5). Platon erweise sich als frömmer als Markion und dessen Anhänger, bekannte er doch, dass ein und derselbe Gott gerecht und gut zugleich ist. Und dazu zitiert Irenäus zwei Platonstellen, die einzigen direkten Zitate aus philosophischen Schriften in seinem Werk: Leg. 4, 715e–716a als Beleg für Platons Überzeugung, dass Gott die Macht über alles hat und selbst Gericht hält, also gerecht ist, und Tim. 29e als Beleg, dass der Schöpfer und Bildner dieses Alls gut ist. Abweichend von der pauschal gegen alle griechischen Philosophen erhobenen Anklage, sie würden Gott nicht kennen, spricht Irenäus hier immerhin eine theologische Anerkennung Platons – freilich eine begrenzte und relative Anerkennung, die allein im Vergleich mit Markion gelten will – aus. Dass Irenäus die Kenntnis der genannten Stellen nicht aus eigener Platon-Lektüre geschöpft hat, sondern sekundären Quellen verdankt, ergibt sich mit ziemlicher Gewissheit daraus, dass beide Stellen zu den berühmtesten Wanderzitaten gehören, die sogar in genau dieser Kombination auch andernorts begegnen (Attikos fr. 3,2 des Places; vgl. van Unnik 1976 [*1096: 205–209]).
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Dem genannten, in der Tradition des Aëtios und Ps.-Plutarch stehenden doxographischen Handbuch hat Irenäus ferner, ohne dass er darauf aufmerksam machte, eine listenartige Aufzählung von naturkundlichen Fragen entnommen, die trotz vielfältiger Anstrengungen, eine Erklärung zu geben, keine eindeutige Lösung gefunden haben (Haer. 2,28,2, dazu die doxographischen Verweise bei Grant 1949 [*1080: 43–47] und Schoedel 1984 [*1107: 43ff.]). So nennt er unter anderem die Nilflut, die Wohnstätte der Zugvögel, Ebbe und Flut, die jenseits des Ozeans gelegenen Zonen, verschiedene meteorologische Phänomene, die Gründe für die Unterschiede von Wasser, Metallen, Steinen und anderem und gibt mit einer Zwischenbemerkung zu verstehen, dass er mit derartigen Diskussionen vertraut ist. Auch diese Aufzählung steht im Dienst der antignostischen Polemik, um im Schluss ‘a minore ad maius’ die Begrenztheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeiten aufzuzeigen. Wenn es schon im geschöpflichen Bereich, also bei dem, was vor Füßen liegt (so sprichwörtlich mit einer entfernten Reminiszenz an Plat. Tht. 174a; vgl. van Unnik 1979 [*1105: 36f.]), Dinge gibt, die sich unserer Erkenntnis entziehen und die wir Gott, dem Schöpfer, überlassen müssen, um wie viel mehr ist es uns als Geschöpfen verwehrt, über die Offenbarung der Schrift und die Glaubensregel hinaus in die Geheimnisse Gottes und der geistigen und himmlischen Welt eindringen zu wollen. 3. Integrierter Gebrauch philosophischer Elemente Die Rolle der Philosophie in Irenäus’ Werk ist noch nicht hinreichend umschrieben, wenn man nur seine expliziten Rekurse auf die doxographische Tradition und seine seltenen Zitate registriert. Nicht weniger wichtig ist es, die unausgewiesenen und kommentarlos integrierten Elemente zu berücksichtigen, mit denen Irenäus der philosophischen Koine seiner Zeit verhaftet ist, wenn er etwa philosophische Anklänge in Vokabular oder Analogieformen zu philosophischen Lehrsätzen oder vergleichbare Argumentationsstrategien benutzt. Gestützt auf Schrift und Tradition hält Irenäus im Gegensatz zu den Zwei-Götter-Lehren der Häretiker strikt am Glauben an den einen, einzigen Gott, den Schöpfer und Erlöser, fest (zu Beziehungen zwischen Irenäus’ Argumentation gegen die gnostische Position in Haer. 2,1,1–2,2 und mittelplatonischen Diskus sionen in Ps.-Arist. ‹De Melisso, Xenophane, Gorgia› vgl. Schoedel 1979 [*1104: 77–80], Osborn 2001 [*1126: 55f.]). Dieser alleinige Gott ist der Schöpfer, über dem es keinen anderen Gott gibt. Er ist der «fabricator» (δημιουργός bzw. ποιητής), «factor» (ποιητής), «pater» (πατήρ) und «conditor» (κτίστης; Haer. 2,9,1. 30,9; 3,25,1 passim). Um den unendlichen Abstand des Schöpfers gegenüber seiner Schöpfung prononciert auszudrücken, wiederholt Irenäus eine große Zahl der überwiegend im Mittelplatonismus beheimateten, meist negativen Gottesprädikate, welche die Transzendenz bezeichnen und welche schon die Apologeten in die christliche Theologie eingeführt haben: «ungeworden», «ohne Anfang und Ende» (Haer. 2,25,3. 34,2; 3,8,3; 4,38,1), «immer sich gleich bleibend» und «einfach» (Haer. 2,13,3. 8; 2,34,2; 4,12,2. 38,1), «unsichtbar» und «unsagbar» (Haer.
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2,13,4. 25,4; 4,6,3. 6), «vollkommen» und «affektlos» (Haer. 2,13,3. 17,7), «alles umfassend und selbst unumfassbar» (Haer. 1,15,5; 2,1,2. 30,9; 4,20,5), «bedürfnislos» (Haer. 2,2,4; 3,8,3; 4,14,1; vgl. weiter Wyrwa 1997 [*1118: 453f. Anm. 31], Osborn 2001 [*1126: 28–32]). Auch die erstmals bei ihm in der christlichen Theologie belegte Deutung von Ex. 3,14 ἐγώ εἰμι ὁ ὤν («Ich bin der Seiende»), im Sinne der Seinsmetaphysik des Platonismus (Dem. 2f.; vgl. Haer. 2,9,2; 3,6,2), entspringt nicht spekulativem Interesse, sondern will die jenseitige Souveränität Gottes betonen. Auf Xenophanes (21 B 24 DK) geht letztlich die metaphorische Aussage zurück, Gott sei ganz Verstand, ganz Licht, ganz Auge, ganz Gehör (Haer. 1,12,2; 2,13,3. 8; 2,28,4f.; 4,11,2; vgl. Schoedel 1959 [*1087: 26]). Irenäus benutzt das Diktum nicht nur in polemischer Wendung gegen die Gnostiker, sondern vermag es trotz einer leichten Einschränkung (vgl. Haer. 2,13,8: so wird noch zu gering von Gott gedacht) auch als positive Aussage zu schätzen, weil sie Gott in personalen Zügen umschreibt und gleichzeitig anthropomorphe Vorstellungen grundsätzlich übersteigt. Auch das platonische Motiv der neidlosen Güte Gottes, der Quelle aller Güter ist, ist aufgenommen (Haer. 1,12,2; 2,13,3; 4,38,3; 5,24,4; vgl. oben Haer. 3,25,5 mit Plat. Tim. 29e). Doch im Entscheidenden liegt für Irenäus der Grund für die Existenz der Welt nicht in der überfließenden Güte, sondern in der durch nichts bedingten, absolut freien und souveränen Willenssetzung Gottes (Haer. 2,1,1. 30,9; 3,8,3; 4,20,1. 38,3). Der Schöpfer ist für Irenäus der trinitarische Gott. In Gen. 1,1 hat Irenäus im Einklang mit Ioh. 1,1–3 eine Aussage bezüglich des Logos als Schöpfungsmittler gesehen (Dem. 43), und den Plural von Gen. 1,26 hat er als Anrede Gottes an den Logos und an die nun ausdrücklich mit dem Heiligen Geist identifizierte Weisheit verstanden, seine beiden Hände, die immer bei ihm waren (Haer. 4,7,4; 4,20,1. 3; 4,38,3; 5,1,3; Dem. 10; vgl. Mambrino 1957 [*1084], Steenberg 2008 [*1140: 61– 83]). Die Unterscheidung von λόγος ἐνδιάθετος und λόγος προφορικός («im Geist befindlicher, gedanklicher Logos» – «hervorgebrachter Logos») lehnt Irenäus (Haer. 2,13,8. 28,4–6) ab gemäß Ies. 53,8 «generationem eius quis enarrabit?» (Näheres bei Lashier 2014 [*1153: 117–136]); der Subordinatianismus der Apologeten ist spürbar abgeschwächt und der Logos stärker in die Einheit des innergöttlichen Lebens eingerechnet (vgl. Haer. 3,6,2. 8,3; zugunsten der Lehre der ewigen Existenz des Logos und des Heiligen Geistes argumentiert Lashier 2014 [*1153: 136– 148, 168–176] mit Diskussion des Forschungsstandes). Auch weiterhin hat Irenäus das göttliche Schöpfungshandeln durch bestimmte Appropriationen trinitarisch strukturiert (Haer. 3,24,2; 4,20,2; Dem. 5). Er hat jedoch mit Entschiedenheit die voll entwickelte Lehre der ‘creatio ex nihilo’ vertreten, die nicht nur gegen gnostische Vorstellungen, sondern zudem gegen die mittelplatonische Drei-PrinzipienLehre (Haer. 2,14,3f.) gerichtet ist. Er hat den Lehrsatz nicht nur statuierend hingestellt wie in der katechetischen Tradition (Haer. 4,20,2 mit Herm. Mand. 1,1), sondern mit der antiken Vorstellung einer zugrunde liegenden Materie, über Justin hinausgehend und Tatian und Theophilos im Rücken, dergestalt gedanklich vermittelt, dass er erklärt, Gott habe in einem einzigen Schöpfungsakt aus dem Nichts die empirische Welt zusammen mit der Materie geschaffen (Haer. 2,10,2– 4. 28,7). Nur so werde der Souveränität und Allmacht Gottes Rechnung getragen
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(Haer. 2,10,4. 24,4; Osborn 2001 [*1126: 69–73], Steenberg 2008 [*1140: 38–49]). In pointierter Verkürzung kann Irenäus auch sagen, dass Gottes Wille die Substanz aller Dinge, d. h. die Materie für alles ist, bzw. dass er seinen Willen und seine Macht als Substanz, d. h. als Materie für alles gebraucht hat (Haer. 2,10,2. 30,9; vgl. May 1978 [*205: 172 Anm. 123; 174]). Irenäus’ Schöpfungsverständnis schließt ferner ein, dass die Schöpfung nach einem festen Plan geschaffen ist, den Gott bei sich in unsagbarer und unerdenklicher Weise im voraus festgelegt hat (Haer. 2,2,4. 3,2. 4,1). So heißt es einmal: «ipse a semetipso substantiam creaturarum (Lat.)/ creatorum (Arm.) et exemplum factorum et figuram in mundo ornamentorum (Lat.)/ornatorum (Arm.) accipiens» (Haer. 4,20,1 mit textkritischem Apparat bei Rousseau et al. 1965 [*1066: I 248]; Haer. 2,16,3). Möglicherweise liegt hier neben der Aussage zur Materie eine Anknüpfung an die mittelplatonische Differenzierung zwischen den transzendenten Ideen (‘exemplum’ = παράδειγμα = ἰδέα) und den der Materie eingeprägten Formen der konkreten Einzeldinge (‘figura’ = ἔνυλον εἶδος = evtl. auch σχῆμα) vor, auch wenn die Wortwahl schwankend und die Rückübersetzung schwierig ist (so May 1978 [*205: 174]). Dass aber Irenäus die mittelplatonische Lehre von den Ideen im Geist Gottes gekannt habe, ist eher nicht anzunehmen (May 1978 [*205: 172], anders Meijering 2000 [*1123: 9], Karamanolis 2013 [*237: 81]); im Hintergrund dürfte eine aus biblisch-weisheitlichen Traditionen stammende Konzeption des göttlichen Schöpfungsplans stehen, die Irenäus trinitarisch verstanden hat. Und wie Just. 1 Apol. 60,1–5, hat auch er das Chi der platonischen Weltseele auf Christus bezogen, was dem Kosmos im Ganzen eine weitere christologische Qualifizierung gibt (Haer. 5,18,3; Dem. 34; Sesboüé 2000 [*1124: 133f., 180ff.], MacKenzie 2002 [*1070: 161f.]). Auf jeden Fall lehrt Irenäus biblischem Schöpfungsglauben gemäß, dass die Welt einen zeitlichen Anfang hatte (Haer. 2,28,3), was in der wörtlichen ‹Timaios›Interpretation einiger Platoniker eine Analogie hat (vgl. Attikos fr. 4 des Places; dazu Meijering 2000 [*1123: 3f.]). Was Gott tat, ehe er die Welt schuf – diese in wechselnden geistesgeschichtlichen Zusammenhängen begegnende Fangfrage (vgl. Cic. Nat. deor. 1,9,21; Lucr. 5,168–173) –, gehe uns nichts an (Haer. 2,34,2). Ist die Welt als geschaffene grundsätzlich vergänglich (Haer. 2,3,2; 3,8,5; 4,41; vgl. Arist. Cael. 1,10, 280a28–34), so besteht sie nur dauerhaft fort, insofern Gott ihr nach seinem Willen dauerhaften Bestand gewährt (Haer. 2,34,2; 4,38,3; wie Iust. Dial. 5,3; vgl. Plat. Tim. 41a–b; dazu Meijering 2000 [*1123: 3f.]). Der geschaffene Kosmos weist eine rationale Ordnungsstruktur auf (Haer. 2,25,1. 26,3. 30,3), wofür die aus Platons ‹Timaios› und der Stoa vertrauten Leitverben wie ‘ornare’, ‘disponere’ u. a. stehen (Haer. 1 praef. 1; 2,7,5. 25,1; 4,36,6f.); in ihm waltet eine Harmonie in Gegensätzen (Haer. 2,2,4. 7,3. 25,2), und alles wird von der göttlichen πρόνοια regiert (Haer. 2,26,3; 3,25,1; 4,36,6). In der polemischen Auseinandersetzung mit den Gnostikern ist Irenäus auch der kosmologische Gottesbeweis willkommen (Haer. 2,6,1. 9,1. 27,2; 3,25,1. 5; 4,6,6). Und nicht zuletzt legt er I. Cor. 7,31, mit den Kategorien von Substanz und Qualität im Hintergrund, entgegen der Intention des Apostels so aus, dass in den Endereignissen gerade nicht das Wesen der Welt, sondern lediglich ihre alte, von der Sünde gezeichnete Gestalt vergehen wird, während die Substanz dann zum neuen Himmel und zur neuen Erde umge-
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staltet werden wird (Ies. 65,17), wo der erneuerte Mensch ewig fortleben wird (Haer. 5,36,1; dieselben Kategorien auch anthropologisch in Haer. 5,10,2). Die umfassendste und grundlegende anthropologische Aussage, die Irenäus geradezu als Definition des Menschen versteht, besteht darin, dass der Mensch ein «Auffanggefäß», ein «exceptorium» für Gottes Handeln ist (Haer. 4,11,2; 3,20,2: «receptaculum»); denn Geschaffen-Werden ist die Natur des Menschen (Haer. 4,39,2: «facere enim proprium est benignitatis dei, fieri autem proprium est hominis naturae», «Schaffen nämlich ist Gottes Güte eigen, Geschaffen-Werden jedoch der menschlichen Natur»; Haer. 4,14,1: «deus […] plasmavit Adam […] ut haberet in quem collocaret sua beneficia», «Gott schuf Adam […], um jemanden zu haben, in dem er seine Wohltaten ansiedeln kann»; Aland 1979 [*1101: 13], Osborn 2001 [*1126: 243]). Wenn Irenäus diesen Grundgedanken anhand der biblischen Schöpfungsaussagen von Gen. 1,26f. und Gen. 2,7, die er als zusammengehörigen Bericht von einem einzigen Schöpfungsvorgang versteht, entfaltet, dann geschieht das indessen im Licht des dichotomischen Menschbildes der griechischrömischen Antike. In dem aus Erdenstaub geschaffene Gebilde (Gen. 2,7) sieht er den menschlichen Leib bzw. das Fleisch in seiner materiellen Substantialität (πλάσις = «plasmatio» bzw. πλάσμα = «plasma», σῶμα = «corpus», σάρξ = «caro»: Haer. 1,9,3; 2,29,3; 3,22,2; 4,41,4; 5,6,1f.; manchmal steht ‘plasma’ auch für den ganzen Menschen: Haer. 3,10,4. 16,6); den Lebenshauch, den Gott in das Angesicht des Menschen hauchte (Gen 2,7: πνοὴ ζωῆς […] εἰς ψυχὴν ζῶσαν), identifiziert er mit der Seele (Haer. 5,7,1. 12,2; de Andia 1986 [*1109: 62f., 74–81]). Die Seele, die unkörperlich gedacht ist (Haer. 5,7,1; Steenberg 2008 [*1140: 130], gegen Spanneut 1957 [*1085: 157]), obwohl sie ein individuelles Seelengepräge hat (Haer. 2,19,6: «figura corporis»; Haer. 2,34,1), ist das belebende Prinzip des Körpers (Haer. 2,33,4, hier auch der Körper als Instrument der Seele, wie Arist. De an. 1,3, 407b25f.; 2,2, 412b11ff.). Sie ist der Sitz des Denkvermögens sowie der Willensfreiheit, mithin auch die Instanz der ethischen Entscheidung und der sittlichen Verantwortung (Haer. 2,29,3; 4,37,1; Dem. 11). So ist der Mensch auch für Irenäus ein beseeltes und vernunftbegabtes Lebewesen (Haer. 2,30,3; 5,1,3. 3,2). Durch den Tod wird die Verbindung von Körper und Seele (Haer. 2,13,3; 3,22,1; 4 praef. 4; 5,8,1) aufgelöst (Haer. 4,7,1; 5,12,3), und der Körper zerfällt in die Erde, woher er genommen war (Haer. 5,7,1. 12,3). Der Seele dagegen spricht Irenäus in einem bestimmten Sinn Unsterblichkeit zu (Haer. 5,4,1. 7,1. 13,3), und zwar ist sie wie für Justin nur insofern unsterblich, als sie an dem ihr von Gott gegebenen Leben partizipiert, nicht weil sie selbst das Leben wäre (Haer. 2,34,3f.; vgl. zum Ganzen de Andia 1986 [*1109: 264–278], Behr 2000 [*1122: 86–98], Osborn 2001 [*1126: 219ff.]). Gottes Schöpfungshandeln beschränkt sich jedoch nicht auf jenen anfänglichen Schöpfungsakt, sondern ist ein unablässig durch die Heilsgeschichte weitergehender Prozess, so dass der Mensch, wenn er in Gott erfunden wird, beständig Wachstum und Vermehrung von Gott empfängt und Fortschritte zu Gott macht (Haer. 4,11,1f.; de Andia 1986 [*1109: 127–145], Behr 2000 [*1122: 116– 127]). Der vollkommene Mensch ist dann derjenige, der den Heiligen Geist empfangen hat und an diesem partizipiert. Er besteht aus Heiligem Geist, Seele und Fleisch in enger Vermischung, wobei Irenäus, was ganz ungriechisch ist, den Nach-
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druck auf das Heil des Fleisches legt, weil der Heilige Geist das Fleisch zur Unverweslichkeit verwandelt (Haer. 4 praef. 4; 5,6,1; zur Stelle De Simone 2005 [*1134]; 5,12,2. 13,3; de Andia 1986 [*1109: 259–344]). In diesen Kontext gehört auch die Thematik der Gottebenbildlichkeit nach Gen. 1,26 («ad imaginem et similitudinem nostram»), deren Interpretation jedoch durch einen nicht immer ganz klaren Wortgebrauch erschwert wird (Koch 1925 [*1079], Osborn 2001 [*1126: 211–214]). Auszugehen ist davon, dass die wahre εἰκών bzw. ‘imago’, um die es Irenäus in diesem Zusammenhang geht, der Sohn Gottes ist, während der Mensch im Anfang nach dem Bild, «secundum imaginem dei» geschaffen worden ist (Haer. 5,16,2; vgl. Wingren 1959 [*1088: 21 passim]), und zwar, genauer gesagt, ist es das Fleisch, nicht die Seele, worin beim Menschen der abbildhafte ‘imago’-Charakter besteht (Haer. 5,6,1; Dem. 22; Fantino 1986 [*1110: 103– 106]). Da die ‘imago’ selbst unsichtbar war und erst in den letzten Zeiten im Leib des Inkarnierten sichtbar geworden ist (Haer. 5,16,2; Dem. 32 und 60), heißt das, dass das Urbild, nach dem der Mensch am Anfang geschaffen worden ist, der Mensch gewordene Christus ist (Fantino 1986 [*1110: 104, 154], Behr 2000 [*1122: 90], Osborn 2001 [*1126: 214]; Orbe 1992 [*1114: 414]: «It matters little that the image [d. h. das Abbild im ersten Menschen] is earlier in time than the Paradigm. It ist certainly not so in God’s predestination»). Der Begriff ‘similitudo’ andererseits begegnet in einer doppelten Bedeutung, je nach dem ob er Übersetzung für ὁμοιότης oder ὁμοίωσις ist (Fantino 1986 [*1110: 110–118], Sesboüé 2000 [*1124: 85–90], Osborn 2001 [*1126: 214ff.]). Im ersten Fall meint er die Übereinstimmung des Abbildes mit dem Urbild und erstreckt sich, über die leibliche Verfasstheit hinaus, auch auf die unverlierbaren anthropologischen Grundkonstituenten wie die Vernunftausstattung und die Willensfreiheit, also die Vermögen, die ihren Sitz in der Seele haben (Haer. 4,4,3, hier allerdings: der Gott abgewandte Mensch habe die «vera ratio» verloren; vgl. insgesamt die langen Ausführungen zur Willensfreiheit in Haer. 4,37–39; dazu Bacq 1978 [*1099: 253–269]; komplementär Haer. 4,37,1: βία θεῷ οὐ πρόσεστιν, «Gewalt kommt Gott nicht zu»; vgl. Ps.-Iust. Ad Diogn. 7,4; Clem. Alex. Q. d. s. 10,2; Plat. Symp. 196b; Eur. Hel. 903). Im zweiten Fall bezeichnet ‘similitudo’ den dynamischen Prozess, der, vom Heiligen Geist gewirkt, den Menschen schrittweise an Gott angleicht und in der eschatologischen Verwandlung zum endgültigen Ziel der Unvergänglichkeit führt. Mit der Selbstentschließung, «lasset uns Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis» (Gen. 1,26), hatte Gott den gesamten, langen Prozess der Angleichung und die Erreichung des Ziels in der Vergöttlichung gemeint (Haer. 5,16,1). Zwar ist diese Entwicklung durch den Sündenfall Adams gestört worden – durch Adams Gebotsübertretung ging die ‘similitudo’ verloren und die Gabe der Unsterblichkeit blieb verwehrt (Haer. 3,20,2; 5,6,1. 16,2). Doch ist Adam niemals den Händen Gottes, zu denen Gen. 1,26 gesprochen war, entglitten (Haer. 5,1,3). «Als das Wort Gottes Fleisch wurde, hat es beides bewirkt: Es hat die wahre ‘imago’ gezeigt, indem es wurde, was es selbst war, und es hat die ‘similitudo’ sicher gemacht, indem es den Menschen dem unsichtbaren Vater durch das sichtbare Wort angeglichen hat» (Haer. 5,16,2). Abschließend seien noch einige erwähnenswerte Details genannt. Mit der Klassifikation der fünf Sinne (Haer. 2,24,2 nach Arist. De an. 2,7–11, 418a26–424a16)
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setzt Irenäus eine sensualistische Erkenntnistheorie voraus (Haer. 2,33,3; 5,3,2). Doch bietet er in der Polemik gegen gnostische Emanationsreihen eine psychologische Analyse des dianoetischen Denkvorgangs, bei der die technisch wirkenden Begriffe nicht näher definiert werden, aber das Ganze mit jenem erkenntnistheoretischen Ansatz nicht glatt harmonisiert (vgl. die Abfolge in Haer. 2,13,1f.: νοῦς [= τὸ ἡγεμονικόν], ἔννοια, ἐνθύμησις, φρόνησις, βούλη, διαλογισμός [= λόγος ἐνδιάθετος], λόγος προφορικός [Geist = das führende Zentralorgan, Denken, Erwägung, Einsicht, Beratung, Überlegung = innerer gedanklicher Logos, sprachlich hervorgebrachter Logos]; vgl. Wyrwa 1998 [*1120: 317–321], Karamanolis 2013 [*237: 192f.]). Es scheint, dass er Justins Lehre vom λόγος σπερματικός im Sinne einer apriorischen Erkenntnis rezipiert hat (Haer. 2,33,1. 3). Die stoische Traumtheorie ist ihm bekannt (Haer. 2,33,1. 3, vgl. Spanneut 1957 [*1085: 217f., 229]). Von Interesse ist auch, dass bei Irenäus erstmals eine Deutung der Mitnahme der Beute beim Auszug der Hebräer aus Ägypten (Ex. 12,35f.) begegnet, die später eine beträchtliche Resonanz finden sollte. Der Bericht wird typologisch auf den Auszug der Kirche aus den Heidenvölkern gedeutet, da die Gläubigen ihren weltlichen Besitz in ihre neue Existenz mitnehmen und solchen noch immer erwerben, wie sie auch die irdischen Lebensbedingungen, zum Beispiel die ‘Pax Romana’, weiterhin nutzen (Haer. 4,30,1–4). Das Beute-Nehmen wird später auch auf die griechische Bildung bezogen. 4. NACHWIRKUNG
Mit seinem Hauptwerk hat Irenäus eine gewaltige Nachwirkung sowohl in dogmatischer als auch in häresiologischer Hinsicht erzielt. Nahezu alle griechischen Väter haben ihn zur Kenntnis genommen, und viele haben ihn ausgeschrieben (Jaschke 1987 [*1111: 265f.]; vgl. im Einzelnen Harnack 1893 [*1077: I 1,266–288], dell’Osso 2005 [*1133], und die Nachweise in den Editionen). Aber am Ende der Antike verlieren sich seine Spuren. Im griechischsprachigen Bereich ist von Photios bekannt, dass er das Werk gelesen hat. In seiner ‹Bibliothek› (Bibl. cod. 120, 94a) referiert er kurz den Inhalt der einzelnen Bücher und erwähnt noch summarisch andere Abhandlungen und Briefe. Trotz aller Anerkennung, die im Epitheton θεσπέσιος («göttlich redend») zum Ausdruck kommt, unterdrückt er gleichwohl nicht eine leichte Kritik, die sich vermutlich auf Irenäus’ Millenarismus bezieht (vgl. Bibl. cod. 232, 290a. 291a). Danach erlischt die Kenntnis. Im orientalischen Bereich lebt sie indessen in den Übersetzungen weiter. Für den lateinischsprachigen Bereich, wo Irenäus durch Tertullian, Hieronymus, Augustin und andere als Wahrheitszeuge der apostolischen Zeit geschätzt worden ist, aber gelegentlich auch Kritik am Millenarismus laut wurde (Brox 1998 [*1119: 849]; gegen den Millenarismus Hier. Comm. in Is. 18 praef.), ist kennzeichnend, dass Gregor der Große seine Schriften nicht mehr ausfindig machen konnte, als im Jahre 601 eine diesbezügliche Anfrage des Bischofs von Lyon an ihn gerichtet wurde (Greg. Ep. 1,56). Überraschenderweise taucht dann 150 Jahre später direkt in Lyon die lateinische Übersetzung von ‹Adversus haereses› wieder auf, wo sie durch den
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Presbyter Florus, der offenbar einen Prolog dazu verfasste, bezeugt wird (PG 7, 431; Harvey 1857 [*1060: I CLXXVII–VIII], vgl. Perrone 2005 [*1137: 27f.]). Die lateinische Übersetzung lebte in einer irischen und in einer Lyoner Handschriftenfamilie weiter, während ansonsten das lateinische Mittelalter Irenäus nicht zur Kenntnis genommen hat. Als Erasmus 1526 mitten in den reformatorischen Umbrüchen mit der Editio princeps Irenäus’ Wiederentdeckung einleitete, hob er in seinem Vorwort vor allem dessen Friedfertigkeit hervor und lobte den unspekulativen Charakter seiner Theologie, auch wenn er die von der Philosophie beeinflussten Häretiker philosophisch widerlegt habe. Trotzdem geriet Irenäus sogleich in das Kreuzfeuer der konfessionellen Streitigkeiten. Protestanten und Katholiken haben sich jeweils für ihre bestimmten Positionen auf ihn berufen, aber auch in den Auseinandersetzungen mit Antitrinitariern und in den innerprotestantischen Kontroversen um das Abendmahl wurde sein Ansehen bemüht (Meijering 1999 [*1121]). Zwar hat die kritische historische Beschäftigung mit Irenäus solche dogmatische Befangenheit hinter sich gelassen, doch divergiert auch in der gegenwärtigen Forschung seine Beurteilung nach verschiedenen Seiten, wobei sich die Meinungen in der Hauptsache an seiner Auseinandersetzung mit den inkriminierten Häretikern scheiden. Kritische Stimmen wenden ein, dass seine voreingenommene und höchst geschickte Polemik von vornherein die Gnostiker (Markion eingeschlossen) ins Unrecht habe setzen wollen und ein wirkliches Verstehen ihrer theologischen Anliegen gar nicht beabsichtigt habe (Aland 2011 [*1144]). Das kann sich bis zu dem Vorwurf steigern, er habe mit seinem Häresie-Konstrukt die Christenheit mit vollem Wissen gespalten (King 2003 [*1128: 23–38]). Seine Dogmatik wird dann als antithetischer Gegenentwurf gelesen, der die von seinen Gegnern entwickelten Grunddaten des Christentums als Erlösungsreligion beibehält, aber alles zur Theorie der ‘salus carnis’ umpolt, ohne jedoch das Material intellektuell völlig zu durchdringen (Orbe 1992 [*1114]; vgl. auch Markus 1954 [*1081], Norris 1979 [*1103] und 2009 [*1141]). Auch die Kritik, er habe die Entwicklung eines kirchlichen Milieus gefördert, das generell gegen theologische Forschung feindlich eingestellt gewesen sei, liegt dann nahe (Brox 1981 [*1106: 25]).
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§ 95. Hippolyt von Rom (Bibl. 1090–1095)
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§ 95. Hippolyt von Rom Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts musste Hippolyt als der große Unbekannte der Alten Kirche gelten. Zwar überlieferte Eusebios eine Liste von acht Titeln seiner Werke und erwähnte, dass man sicher noch viele andere Schriften hier und dort finden könne (Hist. eccl. 6,22), aber den Ort seines Bistums vermochte er nicht anzugeben (Hist. eccl. 6,20,2). Hieronymus übernahm Eusebios’ Liste (ein Titel fehlt, einer ist doppelt) und fügte ihr noch weitere elf Titel hinzu, doch auch er konnte den Bischofssitz, wie er selbst sagt, nicht ausfindig machen (Hier. Vir. ill. 61). Es gab Überlieferungen zur Verbannung eines römischen «Yppolitus presbiter» und dessen Martyrium, es gab lokale Anhaltspunkte für kultische Verehrung am Castro Pretorio «in agro Verano» und in Porto (hier für einen mit der Kirche versöhnten Schismatiker), die beide mit dem gleichen Namen verknüpft waren (d’Alès 1906 [*1202: XIff.]). Zudem waren manche Werke Hippolyts dem Titel nach, zum Teil auch unter fremdem Namen bekannt und wurden besonders im Osten weiterhin gelesen. Aber über seine Person und seine Lebensumstände hat erst die Entdeckung seines Hauptwerkes ‹Refutatio›, genauer der Bücher 4–10 der ‹Refutatio›, in einer Athos-Handschrift des 14. Jahrhunderts (Parisinus Suppl. gr. 464) im Jahre 1842 mehr Klarheit gebracht. Denn dort spricht er so von sich, dass man annehmen kann, er sei Bischof von Rom gewesen (Ref. 1 praef. 6; 9,12,21), und dort berichtet er hasserfüllt von seinem größten persönlichen Kampf gegen den kirchlichen Rivalen Kallist (Ref. 9,6). Diese Nachrichten, die auch sozialgeschichtlich von großem Wert sind, können seine Biographie zu einem gewissen Teil erhellen, doch bleibt nach wie vor vieles im Dunkeln. Insgesamt ist die Überlieferungslage keineswegs eindeutig. Stark umstritten ist erneut die Zugehörigkeit der unter seinem Namen laufenden bzw. ihm zugeschriebenen Schriften, und selbst die Identität des Namensträgers ist wieder in Zweifel geraten. Ein allgemeiner Konsens scheint nicht in Sicht zu sein. Man kann davon ausgehen, dass Hippolyt in Rom lebte, wo er unter Bischof Zephyrin (ca. 198/99–217) und wahrscheinlich schon unter Bischof Victor Presbyter war (ca. 189 – ca. 198). Als Origenes um 215 die römische Gemeinde besuchte, hörte er ihn dort predigen (Eus. Hist. eccl. 6,14,10; Hier. Vir. ill. 61). Unter Zephyrin ist er jedoch in unversöhnlichen Konflikt mit dessen Diakon Kallist geraten, dem er eine modalistische Verfehlung der Christologie und Patripassianis-
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mus vorwarf, während er selbst die ‘gelehrte’ Logoslehre vertrat, die von seinem Gegner als Ditheismus abgeurteilt wurde (Ref. 9,11,1–3). Nach herkömmlicher Ansicht sonderte sich Hippolyt mit dem in seinem Sinn rechtgläubigen Teil der Gemeinde vom ‘Irrlehrer’ Kallist ab, als nach Zephyrins Tod Kallist zu dessen Nachfolger gewählt wurde (217) und eine tiefgreifende Liberalisierung der Bußdisziplin einleitete. Der gängigen Meinung zufolge ist aus dem Selbstzeugnis in der ‹Refutatio› zu schließen, dass sich Hippolyt zum Gegenbischof erheben ließ (Lietzmann 1913 [*1203: 1873] weist zudem darauf hin, dass er in zahlreichen griechischen Handschriften als ἐπίσκοπος Ῥώμης bezeichnet wird; Marcovich 1986 [*1173: 10f.] und 1986 [*1235: 381]; unter dem Namen eines römischen «Josippe» auch Nautin 1947 [*1204: 98f.]). Im Gegensatz dazu sehen andere Forscher in seinem Selbstzeugnis kein eindeutiges Anzeichen für eine reale Spaltung der römischen Gemeinde (Richard 1968 [*1211: 535], Powell 1975 [*1218], Brent 1995 [*1261], Simonetti 2009 [*1289: 165–171]). Doch ist die Front scharf genug gezogen, wenn Hippolyt die Gemeinde Kallists spöttisch eine «Schule» nennt (διδασκαλεῖον, σχολή: Ref. 9,7,3; 12,20,21) und über ihren Anspruch, «katholische Kirche» zu sein, höhnt (Ref. 9,12,25). Noch über den Tod seines Gegners (222) hinaus blieb er neben Kallists Nachfolgern Urban I. (223–230) und Pontian (230– 235) schismatischer Leiter einer eigenen Gemeinde. Gleichwohl waren diese Jahre während der Herrschaft des Kaisers Alexander Severus (222–235) für ihn eine Zeit fruchtbarer gelehrter Studien: Er stellte eine Liste zur Berechnung des Osterzyklus, beginnend mit dem ersten Jahr des Alexander Severus, auf; er verfasste nach alexandrinischen Vorbildern eine Universalchronik, die bis 234 bzw. 235 reichte; auch sein Hauptwerk, das umfangreiches philosophisches Material verarbeitet, die ‹Refutatio›, entstand in dieser Zeit. Zum Herrscherhaus hatte er offenbar gute Beziehungen, denn er widmete der Kaiserinmutter Julia Mamaea einen Traktat über die Auferstehung. Doch endete diese Phase, als nach der Ermordung Alexanders und seiner Mutter (235) Maximinus Thrax die Herrschaft antrat und einen christenfeindlichen Kurs einschlug. Unter ihm wurde Hippolyt zusammen mit dem römischen Bischof Pontian nach Sardinien «ad metallos» deportiert, worauf beide bald gestorben sind (‹Catalogus Liberianus› zum Jahr 235: «Pontianus episcopus et Yppolitus presbyter exules sunt deportati in Sardinia insula nociva»). Damit erlosch auch das Schisma, neuer römischer Bischof wurde Anterus (235– 236). Dessen Nachfolger Fabian (236–250) ließ die Gebeine beider nach Rom überführen und am selben Tag, am 13. August, beisetzen, Pontian in der Papst gruft von S. Callisto und Hippolyt im Coemeterium an der Via Tiburtina (‹Depositio martyrum› zum 13. August: «Ypoliti in Tiburtina et Pontiani in Calisti»). Ein außergewöhnliches archäologisches Denkmal ist die sogenannte HippolytStatue, die sich heute am Eingang der Vatikanischen Bibliothek befindet. 1551 wurde in Rom in der Nähe des Castro Pretorio ein marmorner Torso einer auf einem Sessel thronenden Person aufgefunden, wobei an den Außenseiten des Sessels in griechischen Lettern beidseitig der Osterfestzyklus mit dem Anfang im Jahr 222 und auf dem rechten Randstück eine Liste von 13 (11 lesbaren) Werk titeln eingemeißelt waren (Reproduktion bei Harnack 1893 [*1201: I 2,606–610], Guarducci 1978 [*1172] und Cerrato 2002 [*1273: 259]). Der Humanist Pirro Li-
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gorio ließ daraufhin das Bruchstück zu einer Sitzstatue Hippolyts restaurieren, weil er in dem Osterfestzyklus das Werk Hippolyts und in einigen Titeln diejenigen, die Hieronymus Hippolyt zugeschrieben hatte, wiedererkannte. Außerdem sprach für diese Identifizierung der Fundort, wie Ligorio angab, die Nähe zur Hippolyt-Katakombe. Tatsächlich ist bereits der antike Torso die Umarbeitung einer im 2. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Statue einer ursprünglich weiblichen Person, möglicherweise, wie Guarducci 1977 [*1224] annimmt, der Epikureerin Themistia von Lampsakos. Indem zwischen 222 und ca. 235 die Inschriften hinzugefügt wurden, wurde die Statue umgewidmet zu einer symbolischen Darstellung der «Sancta Sophia» bzw. der Wissenschaften (Marcovich 1986 [*1173: 13] und 1986 [*1235: 381]) oder noch ansprechender zu einer symbolischen Darstellung der ‘ex cathedra’ lehrenden «Ecclesia» (Castelli 2008 [*1284]), was sehr wahrscheinlich in Hippolyts Anhängerkreis geschah. Eine andere, radikale Ansicht, die von Guarducci 1977 [*1224] erwogen wird, wäre, dass die Inschriften überhaupt nichts mit einer Hippolyt-Gemeinde zu tun hatten, sondern in Verbindung mit einer öffentlichen Aufstellung der Statue in der Bibliothek des Pantheons zu sehen sind, wo die Statue als Darstellung der mathematischen Wissenschaften eine Ehrenbezeugung für Kaiser Alexander Severus darbieten sollte. 2. WERKE
1. Exegetische Schriften. – 2. Antihäretisch-dogmatische Schriften. – 3. Chronographische Schriften. – 4. Verschiedenes.
Das Œuvre Hippolyts ist nur trümmerhaft auf uns gekommen. Er war der letzte Griechisch schreibende Autor der römischen Kirche, und bald nach ihm vollzog die christliche Gemeinde in Rom die Sprachumstellung zum Lateinischen, was zur Folge hatte, dass sein Schrifttum im Westen dem Vergessen anheim fiel und nur noch im Osten selektiv ohne Kenntnis seiner Person tradiert wurde. Drei Werkverzeichnisse, die nicht vollständig sind, stehen zur Verfügung: dasjenige bei Eusebios (Hist. eccl. 6,22), ein etwas umfangreicheres bei Hieronymus (Vir. ill. 61) sowie die Liste auf der sogenannten Hippolyt-Statue (Guarducci 1978 [*1172]). Es gibt einige wenige Querverbindungen, aber außer der Schrift ‹De Pascha› mit der Osterberechnung fehlt es an Beispielen, wo alle drei Listen ein und dasselbe Werk aufführen (Zusammenstellung bei Scholten 1991 [*1253: 493–495]). Außerdem verfügen wir noch über vereinzelte Nachrichten meist in Verbindung mit Fragmenten bei Epiphanios, Theodoret, Photios und anderen. Das Problem besteht nun einmal
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darin, dass oft nicht absolut sicher ist, ob dasselbe Werk gemeint ist, wenn sachlich ähnliche, aber in der Formulierung abweichende Titel gebraucht sind. Zudem begegnen in der weiteren Überlieferung im Einzelfall fehlende oder anders lautende Zuschreibungen, wozu noch Divergenzen stilistischer und inhaltlicher Art hinzukommen, so dass nur wenige Schriften in ihrer Echtheit unbestritten sind (Scholten 1991 [*1253: 497]). Am heftigsten umkämpft sind die Schriften ‹De universo› und ‹Contra Noëtum›, Erstere, weil in dem Codex, den Photios las, und in der gesamten übrigen handschriftlichen Überlieferung der Fragmente ein Josepos bzw. Josippos als Autor genannt wird, Letztere, weil unvereinbare Unterschiede in der sprachlichen Form, in der pole mischen Methode und im theologischen Gehalt gegenüber den anerkannten Werken zu konsta tieren seien. Umstritten ist auch die ‹Refutatio›, weil deren handschriftliche Überlieferung teils pseudonym, teils akephal erfolgte und nicht gewiss ist, ob sie in den Werkverzeichnissen genannt
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wird. Da aber offenbar ‹De universo› durch internen Verweis an der ‹Refutatio› hängt und daran ebenso das ‹Chronicon›, gelangte Nautin 1947 [*1204] und 1992 [*1257] zur These, dass zwei Gruppen von Werken zu unterscheiden seien, die zwei verschiedenen Verfassern zugewiesen werden müssen: ‹Refutatio›, ‹De universo›, ‹Chronicon› und der Osterfestkanon gehörten einem schismatischen römischen Bischof Josippos, die übrigen Schriften, einschließlich ‹Syntagma› und ‹Contra Noëtum›, einem in Palästina um 230–250 tätigen Exegeten namens Hippolyt an. Zwar hat Nautin damit im Ganzen keine Zustimmung gefunden, aber er hat doch die Problematik der Überlieferung in ein helles Licht gerückt. Eine italienische Forschergruppe um Vincenzo Loi und Manlio Simonetti (vgl. die Sammelbände Ricerche 1977 [*1220] und Nuove ricerche 1989 [*1240]) modifizierte daraufhin seine Position dahingehend, dass in der Tat zwei im Einzelnen anders zusammen gestellte Blöcke des Komplexes der ‘Hippolyt’Schriften anzunehmen seien, die auf zwei verschiedene, aber gleichnamige Autoren zurückgehen: auf einen exegetisch-pastoral ausgerichteten östlichen Bischof Hippolyt (die exegetischen Schriften und ‹Contra Noëtum›) und auf einen etwas späteren, am Bildungswissen der Zeit interessierten römischen Priester Hippolyt (besonders ‹Refutatio›, ‹De Pascha›, ‹Chronicon›, ‹De uni-
verso›, eventuell auch ‹Traditio apostolica›). Distanziert steht man hier der Hippolyt-Statue gegenüber, deren Inschriften in vielen Fällen nur bloße Namen seien. Diese Sicht erfreut sich gegenwärtig nicht geringer Zustimmung (vgl. den Forschungsbericht von Saxer 1993 [*1259: 627ff.] und besonders den von Simonetti 2000 [*1175: 70–146]; ebenso zuletzt Bertrand 2000 [*1269: 795], Prinzivalli 2000 [*1272], Pierantoni 2006 [*1279] und noch einmal Simonetti 2009 [*1289]). Die Sichtweise von Brent 1995 [*1260] und 2011 [*1293]), den gesamten Komplex der Hippolyt-Schriften vor einem historischen Hintergrund christlicher Hausgemeinden in Rom Angehörigen einer römischen Hippolyt-Schule zuzuweisen, hat sich aufs Ganze nicht durchsetzen können. Bisweilen wird aber der römische Teilkomplex, mit dem die italie nische Forschergruppe rechnet, noch weiter aufgeteilt und umgeschichtet bzw. zusätzlich anderen unbekannten Autoren zugeschrieben (Andrei 2006 [*1277], Ducœur 2011 [*1295], Castelli in Magris 2012 [*1189: 45f.], Bracht 2014 [*1307: 18– 33]). Außerdem fehlt es auch nicht an Forschern, die entschieden an der Einheit des Verfassers festhalten (Richard 1968 [*1211: 533], der aber ‹Contra Noëtum› als unecht ausscheidet; Marcovich 1986 [*1235: 382], Frickel 1988 [*1238], Scholten 1991 [*1253: 497f.]) nochmals mit gewichtigen Argumenten).
1. Exegetische Schriften Von seinen exegetischen Schriften ist das meiste nur fragmentarisch und überwiegend in alten Versionen überliefert. So ist eine Auslegung zum ‹Hohelied› (CPG 1871), die das früheste Werk Hippolyts zu sein scheint (Richard 1968 [*1211: 536]), nur in georgischer Version und in paraphrasierenden griechischen Bruchstücken sowie in Fragmenten anderer Übersetzungen erhalten. Abhandlungen über den Segen Isaaks und Jakobs (CPG 1874) sowie über den Segen Moses (CPG 1875) liegen teils in armenischer und georgischer Fassung, teils im griechischen Original vor. Eine Homilie über David und Goliath (CPG 1876) ist auf Armenisch und Georgisch überliefert. Nur Fragmente, sei es in griechischer Sprache, sei es in Übersetzungen, existieren von seinen Auslegungen zum ‹Oktateuch›, zu den ‹Königsbüchern›, zu einzelnen ‹Psalmen›, den ‹Proverbien›, zum ‹Prediger›, zum Anfang des ‹Jesajabuches›, zu ‹Ezechiel› sowie zu
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einzelnen Stellen des ‹Matthäus-Evangeliums› und des ‹Johannes-Evangeliums› (CPG 1880–1889).
‹De Christo et Antichristo› Ἀπόδειξις ἐκ τῶν ἁγίων γραφῶν περὶ Χριστοῦ καὶ περὶ τοῦ Ἀντιχρίστου – ‹Dar legung aus den Heiligen Schriften über Christus und den Antichristen› (Antichr.; CPG 1872) Besonders fesselten apokalyptische Themen Hippolyts Aufmerksamkeit. Er schrieb um 200 eine Abhandlung über den Antichrist, wo er anhand der einschlägigen Bibeltexte ein Bild des Antichrists sowie der apokalyptischen Vorzeichen und der Ereignisse der Endzeit zeichnet. Das römische Imperium sei indessen noch nicht das Reich des Antichrists.
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‹Commentarii in Danielem› Εἰς τὸν Δανιήλ – ‹[sc. Kommentar] Zu Daniel› (Dan.; CPG 1873) Durch Rückverweis auf die Schrift über den Antichrist verbunden (Comm. in Dan. 4,7,1. 13,1) ist der wenig später um 202/204 entstandene Kommentar zu ‹Daniel› in 4 Büchern, eine der wertvollsten Schriften der christlichen Antike (Richard 1968 [*1211: 537], Marcovich 1986 [*1235: 384]). Hippolyt nimmt darin deutlich Bezug auf die Erfahrungen von Christenverfolgungen in jüngster Vergangenheit und setzt sie in
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Beziehung zu den prophetisch geweissagten End ereignissen, um erregte Gemüter zu beruhigen und nachzuweisen, dass das Weltende noch nicht unmittelbar bevorstehe (Harnack 1904 [*1201: II 2,249ff.], Dunbar 1979 [*1231] und 1983 [*1232]). Beide Werke sind auf Griechisch und in anderen Versionen erhalten. Apokalyptischen Inhalt haben auch die Auslegung zu Mt. 24 (CPG 1887) und Reste eines Kommentars zur Johannesapokalypse (CPG 1890– 1891); vgl. Richard 1968 [*1211: 539f.], Prigent 1972 [*1214], Prigent, Stehly 1973 [*1169]).
2. Antihäretisch-dogmatische Schriften ‹Adversus omnes haereses› (so nach Hier. Vir. ill. 61) Σύνταγμα κατὰ αἱρέσεων λβʹ – ‹Syntagma gegen 32 Häresien› (CPG 1897) Hippolyt selbst blickt auf die Schrift in Ref. 1 praef. 1 zurück, woraus sich als Abfassungszeit das erste Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts ergibt (Harnack 1904 [*1201: II 2,223]). Das Werk ist außer einem kurzen Fragment verschollen, doch teilt Photios (Bibl. cod. 121, 94a) den vollen Titel mit und bemerkt, dass das kleine Buch eine Synopse von 32 Häresien von den Dositheanern bis zu No ëtos und den Noetianern sei, die Hippolyt aus Irenäus geschöpft habe. Das Werk ist von späteren Autoren wie Ps.-Tertullian, Philastrius und vor allem Epiphanios benutzt worden, so dass man sich ein ungefähres Bild davon machen kann. Dass ‹Contra Noëtum› nicht, wie von Fabricius in seiner Edition (PG 10, 265f.) vorgegeben und es noch Harnack 1904 [*1201: II 2,220–224] (anders früher Harnack 1893 [*1201: I 2,623f.]) gemeint hat, der Schlussteil des Syntagma gewesen ist, gilt heute als sicher (Scholten 1991 [*1253: 498]).
‹De universo› Περὶ τῆς τοῦ παντὸς οὐσίας – ‹Über das Wesen des Alls› (CPG 1898) Die Schrift wird in Ref. 10,32,4 erwähnt. Photios (Bibl. cod. 48, 11b) kennt sie auch unter den Titeln Περὶ τοῦ παντός (‹Über das All›) und Περὶ τῆς τοῦ παντὸς αἰτίας (‹Über die Ursache des Alls›) und teilt mit, dass sie in zwei Büchern abgefasst ist. Gemäß der Inschrift der Hippolyt-Statue
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lautet der Titel Πρὸς Ἕλληνας καὶ πρὸς Πλάτωνα, ἢ καὶ Περὶ τοῦ παντός (‹Gegen die Griechen und Platon, oder auch Über das All›; Castelli 2011 [*1294: 52–60]). Lediglich Fragmente sind erhalten bei Photios, in den Johannes von Damaskus zugeschriebenen ‹Sacra Parallela›, bei Johannes Philoponos und beim byzantinischen Chronisten Georgios Hamartolos (spätes 9. Jh.) sowie beim Armenier Eznik von Kolb. Soweit sich erkennen lässt, hatte die Schrift einen apologetischen Charakter, wobei die Griechen angeredet waren und den im ersten Buch bekämpften griechischen Anschauungen im zweiten Buch die christliche Lehre gegenübergestellt war (Malley 1965 [*1168: 18– 22], Castelli 2005 [*1275] und 2011 [*1294: 32– 44]). Photios erklärt, der Verfasser zeige, dass Platon sich widerspreche, und bekämpfe einen gewissen Alkinoos, der wahrscheinlich mit dem Mittelplatoniker Alkinoos, dem Autor des ‹Didaskalikos›, zu identifizieren ist. Dabei geht es um die Themen der Seele, der Materie und der Auferstehung. Alle Bruchstücke laufen unter dem Namen Ἰώσιππος bzw. Ἰώσηπος, den auch Photios in seinem Exemplar von ‹De universo› gelesen hat. Indessen teilt Photios weiter mit, dass er in den Scholien seines Exemplars auch andere Zuschreibungen gefunden hat, eine solche an Gaios, die er übrigens für richtiger hält, ohne ganz sicher zu sein; und auch Justin und Irenäus könnten in Betracht kommen. Das zeigt, dass die Überlieferung schon früh schwankend geworden war, aber die Zuweisung von Nautin 1947 [*1204] an Josipp hat keine Zustimmung gefunden. Die italienische Forschergruppe schreibt ‹De universo› dem römischen Hippolyt zu, der vom östlichen Exegeten gleichen Namens zu unterscheiden sei. Die Abän-
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derung des Verfassernamens in Josippos bringt Castelli 2009 [*1287] damit in Verbindung, dass in ‹De universo› Passagen aus Flavius Josephus ‹Contra Apionem› ausgeschrieben waren.
‹Refutatio omnium haeresium› Κατὰ πασῶν αἱρέσεων ἔλεγος – ‹Wider legung aller Häresien› (Ref.; CPG 1899) Von dieser bei weitem wichtigsten Schrift Hippolyts war vor der Neuentdeckung der AthosHandschrift (Parisinus suppl. gr. 464) nur das erste Buch bekannt, das in fünf Handschriften des 14. bis 16. Jahrhunderts unter dem Titel Φιλοσο φούμενα (‹Gegenstände der Philosophie›; s. Ref. 9,8,2) und unter dem Verfassernamen des Origenes überliefert worden ist. Die Zusammengehörigkeit mit den neu entdeckten Büchern 4–10 dürfte durch interne Verweise sowie durch Verweise auf frühere Schriften des Verfassers (Ref. 1 praef. 1 auf Syntagma; Ref. 10,30,1. 5 auf Chronik; Ref. 10,32,4 auf ‹De universo›) gesichert sein. Offenbar ist das erste Buch irgendwann einmal vom Rest des Werkes abgelöst worden, vermutlich um als eigenständige Einführung in die Philosophie zu dienen. In dieser Weise ist es im arabischen Raum von Ps.-Ammonios benutzt worden (Rudolph 1989 [*1247]). Dass Origenes unmöglich dessen Autor sein kann, wurde schon im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts erkannt. Jüngst ist versucht worden, die Verfasserschaft neu zu bestimmen. Ducœur 2011 [*1295] möchte eine doppelte Redaktion annehmen, eine Grundschrift des römischen Hippolyt sowie eine tiefgehende Umarbeitung durch den orientalischen Hippolyt; Castelli, in Magris 2012 [*1189: 45f.], möchte die Möglichkeit offen halten, dass ein anderer Dritter, ein stadtrömischer Schismatiker, der Autor gewesen sein könnte; Bracht 2014 [*1307: 28–33] plädiert dafür, die ‹Refutatio› (wie auch die ‹Traditio apostolica›) ganz aus dem Komplex der HippolytSchriften herauszunehmen und sie einem ansonsten unbekannten römischen Bischof zuzuweisen. Das Werk weist einen dreiteiligen Aufbau auf (siehe das Programm in Ref. 1 praef. 6–10 und die Dispositionsangabe in Ref. 10,6,1). Die Bücher 1–4 stellen die paganen Lehrsysteme vor: Buch 1 behandelt die griechische Philosophie; in den verlorenen Büchern 2 und 3 dürften die paganen Mysterien thematisiert worden sein, und in Buch 4 geht es um Astrologie und Magie. Die Bücher 5–9 behandeln sodann die Lehren der Häretiker, be-
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ginnend mit den Naassenern bis zur Gegenwart. Detaillierte Inhaltsangaben bietet Marcovich 1986 [*1173: 18–31]. Die Grundthese des Verfassers besteht darin, dass die Häretiker ihre Lehrsätze nicht aus der biblischen Offenbarung, sondern aus den dargestellten paganen Quellen, und zwar im Wesentlichen aus der griechischen Philosophie hergeleitet haben. Buch 10 enthält eine Epitome aller Philosophen, eine Zusammenfassung aller Häresien mit einer Skizze der biblischen Chronologie und schließlich einen apologetisch orientierten Abriss des «wahren Logos», d. h. der rechtgläubigen christlichen Lehre (zu den Überschriften und Capitulationen der einzelnen Bücher vgl. Wendland 1916 [*1163: XIII–XVII]). Der Grund, warum Hippolyt lange nach seinem knappen Syntagma noch einmal den antihäretischen Kampf mit einem großangelegten Werk aufgenommen hat, scheint darin gelegen zu haben, dass er auf neues gnostisches Quellenmaterial gestoßen ist, über das er früher nicht verfügte und das auch Irenäus noch unbekannt war. Dieses versetzte ihn in die Lage, von einem neuen Ausgangspunkt aus, d. h. nicht erst mit Simon Magos, sondern mit den angeblich älteren Naassenern beginnend, unter Verwendung von bedeutenden Originaltexten «das Labyrinth der Häresien» (Ref. 10,5,1) zu entwirren (Marcovich 1986 [*1173: 32–38, 45–51]; vgl. Mansfeld 1992 [*1254: 321f.]). Und er tut dies im großen Stil, indem er sehr ausführlich die philosophischen Quellen, die vermeintlich den gnostischen Systemen zugrunde liegen, dokumentiert. Nicht weniger leitet ihn aber bei der neu aufgenommenen Arbeit die Absicht, auf der Ziellinie seines Werkes mit seinem Erzfeind Kallist, den er als letzten Nachfolger der häretischen, auf Heraklit basierenden Verirrungen eines Noëtos diffamiert, persönlich abzurechnen (zurückhaltender Löhr 2011 [*1296: 39 Anm. 34]). Wenn die ‹Refutatio› infolge ihrer enzyklopä dischen Breite den Anschein stupender Gelehrsamkeit vermittelt, so liegt das zweifellos in der Intention Hippolyts, der sich seinem von ihm auch intellektuell gering geschätzten Rivalen gegenüber als Vertreter der theologischen Wissenschaft und der allgemeinen Bildung empfehlen möchte. Bei den φιλομαθεῖς («Lernbegierigen»), an die sich das Werk richtet, soll das seine werbende Kraft entfalten (Norelli 1999 [*1268], Löhr 2011 [*1296: 40]). Aus Ref. 9,12,26 geht hervor, dass das Werk nach dem Tod Kallists, also nach 222 verfasst worden ist (vgl. zum Ganzen noch Moreschini 2012 [*1303]).
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§ 95. Hippolyt von Rom (Bibl. 1090–1095)
‹De resurrectione ad Mamaeam imperatricem› ‹Über die Auferstehung an Kaiserin Mamaea› (CPG 1900) Erhalten haben sich von der Abhandlung nur sechs kurze syrische und drei noch kürzere griechische Fragmente, denen der Titel mit der Widmung an die Kaiserin-Mutter – und damit auch die Datierung – zu entnehmen sind. Möglicher-
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weise ist es diese Schrift, die auf der HippolytStatue mit der Inschrift περὶ θεοῦ καὶ σαρκὸς ἀναστασέως und bei Hieronymus mit dem Titel ‹De resurrectione› (Hier. Vir. ill. 61) gemeint ist. Sie dürfte auf Veranlassung der am Christentum interessierten Kaiserin, die auch Kontakte zu Origenes aufnahm, entstanden sein. Hippolyt behandelt darin Fragen des Auferstehungsglaubens der Christen unter Bezug auf einschlägige Paulus-Stellen.
3. Chronographische Schriften ‹Demonstratio temporum Paschatis› (kurz auch ‹De Pascha› genannt) Ἀπόδειξις χρόνων τοῦ Πάσχα καὶ τὰ ἐν τῷ πίνακι – ‹Darstellung der Pascha-Chrono logie nebst Tabellen› (CPG 1895) Eusebios (Hist. eccl. 6,22, danach Hier. Vir. ill. 61) führt dieselbe Schrift unter dem Titel Περὶ τοῦ Πάσχα an und erwähnt, dass sie eine Chronologie und einen 16-jährigen Osterkanon enthielt, der mit dem ersten Regierungsjahr des Kaisers Alexander (222) beginnt. Die Ausführungen zur Chronologie im Ganzen sind verloren, aber die Tabelle des 112-jährigen Osterfestzyklus (zur Berechnung Richard 1966 [*1210], Scholten 1991 [*1253: 509ff.]) ist auf der Hippolyt-Statue erhalten, wo auch am Rand eine Tabelle mit den Hauptdaten der Chronologie eingemeißelt ist. Dort ist der längere Titel bezeugt, die Notiz καὶ τὰ ἐν τῷ πίνακι bezieht sich auf diesen tabellarischen Teil (zum Ganzen vgl. Richard 1950/1951 [*1205]). Dass Eusebios und Hieronymus noch ein zweites Mal einen Titel Περὶ τοῦ Πάσχα aufzählen, wird man wahrscheinlich so zu verstehen haben, dass es sich um verschiedene Schriften handelte.
‹Chronicon› Συναγωγὴ χρόνων καὶ ἐτῶν ἀπὸ κτίσεως κόσμου ἕως τῆς ἐνεστώσης ἡμέρας – ‹Zu sammenstellung der Zeiten und Jahre seit der Erschaffung der Welt bis zum gegen wärtigen Tag› (kurz ‹Chronik›; Chron.; CPG 1896) Das Werk ist eine Universalchronik der Weltgeschichte von der Erschaffung der Welt an über einen Zeitraum von 5738 Jahren bis zur Gegenwart. Im griechischen Original ist nur der erste
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Teil erhalten, aber es existieren drei unabhängig voneinander entstandene vollständige lateinische Übersetzungen (eine davon sehr wörtlich), nebst einer armenischen und einer georgischen Version, die eine Rekonstruktion gestatten. Fragmentarisch wie die Überlieferung ist, ist das Werk anonym auf uns gekommen, den Titel jedoch hat die griechische Handschrift bewahrt. Auf diese Schrift wird offensichtlich in Ref. 10,30,1. 5. 7 zurückverwiesen, und sie dürfte auch auf der Hippolyt-Statue unter dem Titel Xρονικῶν [sc. βιβλία] gemeint sein. Das spricht für Hippolyts Autorschaft. Auf chronologische Gemeinsamkeiten mit Hippolyts ‹Daniel-Kommentar› und mit seinem Kommentar zum ‹Hohelied› weist Richard 1968 [*1211: 541] hin. Diese Beobachtungen erachtet indessen die italienische Forschergruppe als nicht gewichtig genug, um nicht doch die ‹Chronik› dem Exegeten Hippolyt abzusprechen und sie dem römischen Polyhistor Hippolyt zuzuweisen (Simonetti 1989 [*1249: 124f.], und zuletzt erneut Simonetti 2009 [*1289: 157f. Anm. 4]). Aus diesem Kreis scherte jüngst Andrei 2006 [*1277] und 2007 [*1280] aus. Sie trennt den Verfasser, auf den ebenso wie die ‹Chronik› auch ‹De Pascha› zurückgeht, vom römischen Autor der ‹Refutatio› und sieht in ihm wegen der massiven exegetischen Fundierung und wegen der Dominanz der Logoslehre den Exegeten des ‹Daniel-Kommentars› (Andrei 2006 [*1277: 140–144]). Interessanterweise sieht sie sich aber veranlasst, innerhalb des Werkes eine Argumentationsebene dem römischen Autor vorzubehalten, die der Exeget Hippolyt integriert habe (Andrei 2007 [*1280]). Wie dem auch sei: Dass sich die Abfassung der ‹Chronik› über einen längeren Zeitraum erstreckt hat, ist an sich schon anzunehmen (so erklärt sich der Rückverweis in Ref.), das letzte Datum der Veröffentlichung, das mehrmals genannt wird, ist auf
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
jeden Fall 234/35 (Richard 1968 [*1211: 540f.], Prinzivalli 2000 [*1272: 256]). Im Wesentlichen ist das chronologische Gerüst der biblischen Geschichte entnommen. Durch drei verschiedene Berechnungen (Chron. 654–717) wird die gegenwärtige Jahreszahl auf 5738 ermittelt, womit für den Verfasser implizit gegeben ist, dass das für das Jahr 6000 erwartete Weltende noch weit entfernt ist. Eine Intention des Autors könnte auch hier die Dämpfung akuter apokalyptischer Endzeitstimmungen gewesen sein (Helm 1955 [*1164: XI], doch mit Recht kritisch Löhr 2009 [*1288: 542–551]). Der erste große Einschnitt der Weltgeschichte seit Adam liegt bei Noah (Chron. 33ff.), darauf folgen der ‘Diamerismos’, d. h. die geographische Aufteilung der Erde nach den drei Söhnen Noahs Sem, Japhet und Ham gemäß Gen. 10, und die ethnographische Aufzählung nach 72 Sprachen gemäß Gen. 11 (Chron. 44– 239). Ein weiteres wichtiges Bauelement der ‹Chronik› ist der anschließende ‘Stadiasmos’, d. h.
Entfernungsbestimmungen innerhalb des Mittelmeeres, eine Art Handbuch für die Schifffahrt, das über Küstenverläufe, Häfen, Trinkwasserstellen und anderes informiert (Chron. 240–613). Damit sind im Sinne der Organisation der ‹Chronik› – so die Interpretation von Andrei 2007 [*1280] – die Wege aufgezeigt, auf denen der christliche Glaube kraft der Wirksamkeit des Logos-Christus sich über die Welt hin ausbreiten kann und die verlorene Einheit der Menschheit in der versammelten Kirche wiedererlangt wird (Chron. 687; 691f.; 717). Das in der ‹Chronik› verarbeitete Material ist außerordentlich vielfältig (vgl. Scholten 1991 [*1253: 508f.]). Die Chronographie des Julius Africanus war Hippolyt bekannt, aber wie Andrei 2006 [*1277] zeigt, hat er sie revidiert, indem er der chronologischen Dimension die universale geographische hinzufügte. Auf kritische Bezugnahmen zu Kelsos macht ebenfalls Andrei 2007 [*1280: 242–250, 271] aufmerksam.
4. Verschiedenes ‹Traditio apostolica› ‹Apostolische Überlieferung› (CPG 1737) Auf der Hippolyt-Statue findet sich die Angabe Περὶ χαρισμάτων, ἀποστολικὴ παράδοσις (‹Über die Gnadengaben, Apostolische Überlieferung›). Ob damit eine einzige Schrift gemeint ist oder zwei verschiedene, lässt sich nicht sicher entscheiden. Dass Hippolyt über kirchenrechtliche Fragen geschrieben hat, wird eindeutig durch Hier. Ep. 71,6 bezeugt, aber ob bzw. inwieweit die aus lateinischen, koptischen, arabischen und äthiopischen Übersetzungen rekonstruierte Fassung der ‹Traditio apostolica› ein Dokument Hippolyts ist, wird mit zunehmender Zurückhaltung beurteilt (Markschies 1999 [*1267]).
‹Contra Noëtum› ‹Gegen Noëtos› (CPG 1902) Überlieferungsgeschichtlich stellt ‹Contra Noë tum› im Komplex der Hippolyt-Schriften einen Sonderfall dar. Während in den Werkverzeichnissen und in den früheren Bezeugungen ein solcher Titel nicht belegt ist, findet sich in einem monophysitischen Sammel-Codex des 12. Jahrhunderts (Vaticanus gr. 1431 mit zwei Abschriften) ein Text
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unter dem Titel Ὁμιλία Ἱππολύτου εἰς τὴν αἵρεσιν Νοητοῦ τινός (‹Predigt des Hippolyt gegen die Irrlehre eines gewissen Noëtos›). Das Werk ist keine Homilie; es ist auch nicht der ursprüngliche Abschluss des ‹Syntagma›, wie man früher seit Fabricius (PG 10) in Anknüpfung an Photios (Bibl. cod. 121, 94a) geglaubt hat, sondern eine eigenständige Schrift (Butterworth 1977 [*1171: 33, 94ff.], der jedoch für eine Homilie plädiert; Scholten 1991 [*1253: 497f., 501f.]). Die ersten acht Kapitel werden ohne Quellenangabe bereits von Epiphanios (Haer. 57) und längere Passagen aus dem zweiten Teil in stark abweichender Textgestalt unter Namensnennung Hippolyts, aber bei falscher Titelangabe von Theodoret und Gelasius überliefert. Im Stil einer popularisierten Diatribe führt der erste Teil (Kap. 1–8) die Widerlegung der modalistischen Irrlehre durch, die Anhänger des Noëtos in Rom verbreitet haben; dem folgt im zweiten Teil (Kap. 9–18) eine Demonstration der Wahrheit (Butterworth 1977 [*1171]). Indessen sind die dogmengeschichtlichen (weniger die stilistischen) Bedenken gegen eine Datierung der Schrift zu Beginn des 3. Jahrhunderts so gravierend, dass sie hier außer Betracht bleiben muss. Auch wenn eine genuine Schrift Hippolyts für ‹Contra Noëtum› zugrunde gelegen haben mag, ist das Ergebnis doch unübersehbar eine Neukomposition, die im
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§ 95. Hippolyt von Rom (Bibl. 1090–1095)
zweiten Teil apollinaristisches Gedankengepräge verrät und im ersten Teil die Position Markells von Ankyra im Visier hat (Richard 1968 [*1211: 533] und 1974–1975 [*1216], Hübner 1989 [*1245: 220ff.], Frickel 1993 [*1258]).
Περὶ τἀγαθοῦ καὶ ποθὲν τὸ κακόν ‹Über das Gute und woher das Böse stammt›
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nichts bekannt. Aber die Thematik ist im Schlussabschnitt von Ref. 10,33,8f. angesprochen, wo sie gegen den gnostischen Dualismus gerichtet ist: «Der Schöpfergott hat das Böse nicht gemacht, noch macht er es, sondern das Schöne und Gute [sc. macht er], denn gut ist der, der schafft. […] Der Mensch aber bringt, weil er frei ist, das Böse hervor, das akzidentiell geschieht, aber nichts ist, wenn man es nicht tut».
Von einer Schrift Hippolyts unter diesem nur auf der Hippolyt-Statue genannten Titel ist sonst
3. LEHRE
1. Doxographie. – 2. Weltzeitalter-Lehre.
1. Doxographie Umfassender als Irenäus, als dessen Sachwalter er sich sieht (Ref. 6,42,1. 55,2), will Hippolyt wirklich alle von der in seinem Sinn katholischen Norm abweichenden Häresien bekämpfen. In breiter Front richtet er deshalb seine Polemik nicht nur auf alle Varianten des mythisch-spekulativen Gnostizismus, auf Markion und alle Anhänger der Markioniten, sondern spart in seiner Ketzerbestreitung auch Judenchristen, Enkratiten und Montanisten nicht aus und zielt zuletzt noch auf seinen persönlichen Gegner, Kallist und die Modalisten. Aber Hippolyt führt diesen Kampf nicht, indem er deren Lehrmeinungen sachlich widerlegt, sondern indem er nachzuweisen sucht, dass sie, statt sich auf die Heilige Schrift und die authentische Tradition zu stützen, ihre Theorien aus verschiedenen Quellen paganer Völker übernommen haben, in erster Linie aus der griechischen Philosophie, aber auch aus ägyptischen Mysterien, aus chaldäischer Astrologie und babylonischer Magie (Ref. 1 praef. 8; 1,26,4). Ihm geht es ausschließlich darum, den Diebstahl, den die Häretiker begangen haben und den sie geheim halten wollen, aufzudecken. Schon den Nachweis des betrügerischen und pervertierenden Plagiats erachtet er zur Diskreditierung der Häretiker als hinreichend; einen christlichen Hintergrund haben sie für ihn nicht (Ref. 5,6,2; zum Ganzen vgl. Koschorke 1975 [*1217: 25–32, 76f.], Pouderon 2011 [*1300]). Um sein Programm ausführen zu können, stellt Hippolyt im ersten Buch der ‹Refutatio› allem, was folgt, eine in sich abgeschlossene doxographische Einführung in die griechische Philosophie voran. Die Präsentation der verschiedenen
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
philosophischen Lehren ist nach der traditionellen Dreiteilung der Philosophie gegliedert. Unter der Rubrik Physik (§§ 1–16) werden die Naturphilosophen, Thales, Pythagoras, Empedokles, Heraklit, Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Archelaos, Parmenides, Leukipp, Demokrit, Xenophanes, Ekphantos und Hippon behandelt, unter der Rubrik Ethik (§§ 17ff.) Sokrates und Platon, der freilich alle drei Teile der Philosophie verbunden habe, und unter der Rubrik Dialektik (§§ 20f.) Aristoteles und die Stoiker (in Ref. 1 capitulatio 5; 1,20,7. 21,1 werden Chrysipp und Zenon namentlich genannt). Angeschlossen werden daran Vertreter, die nicht recht in das Schema passen: Epikur (§ 22), die Akademiker (§ 23), Brahmanen (§ 24), Druiden (§ 25) und Hesiod (§ 26). Indessen benutzt Hippolyt noch ein anderes, aus Diogenes Laertios bekanntes Gliederungsschema der Philo sophiegeschichte, das nach Sukzessionen (διαδοχαί) geordnet ist. Er nennt ausdrücklich Pythagoras als den Begründer der italischen Linie (§ 2,1; § 3,3); sie werde, was eine zumindest ungewöhnliche Zuordnung ist, von seinen Nachfolgern Empedokles und Heraklit fortgeführt (§ 3f.). Die von Thales ausgehende ionische Linie – Hippolyt bezeichnet diese einfach mit οἱ μετὰ Θαλῆν, und Thales nennt er «den Milesier» (§ 5) – setzt sich mit Anaximander bis zu Archelaos fort (§ 10). Eher verwirrt und zerstückelt mutet die mit Parmenides einsetzende Sequenz an, sie entspricht aber bis hin zu Demokrit der sonst geläufigen eleatischen Linie (§ 11ff.), wohingegen die letzten drei Naturphilosophen, Xenophanes, Ekphantos und Hippon, von Hippolyt als gewissermaßen proto-skeptische und atomistische Nachfolger des Demokrit gewertet werden (Mansfeld 1992 [*1254: 27–43], Mueller 1992 [*1256: 4357–4371]). Was die Bestimmung der hier von Hippolyt benutzen Vorlagen betrifft, meinte Diels 1879 [*1200: 145], in diesem Buch zwei Quellenstränge erkennen zu können, ein mageres biographisches Kompendium von Sukzessionen und ein gehaltvolleres, letztlich auf Theophrast zurückgehendes Kompendium der doxographischen Meinungen. Die neuere Forschung ist dagegen zur Überzeugung gelangt, dass Hippolyt nicht nur zwei, sondern mehrere und weniger scharf profilierte Quellen benutzt hat, die letztlich mit Ps.-Plutarch bzw. Aëtios verwandt gewesen sein mögen (Mansfeld 1992 [*1254: 6–19]). Auf einem anderen Blatt steht, ob dieser Abriss mit den Verkürzungen, Auslassungen, Ungenauigkeiten und auch Fehlinformationen, die er enthält, seinen Zweck, als Einführung in die griechische Philosophie zu dienen, erfüllen konnte (kritisch in Hinblick auf den Abschnitt zu Platon Alt 1997 [*1265: 83–89]). Erstaunlich ist nun im weiteren Verlauf des Werkes, dass dort, wo die Plagiatstheorie entfaltet werden soll (in Ref. 5–9), so gut wie kein Gebrauch von der doxographischen Einführung in Buch 1 gemacht wird, sondern ein ganz anderes Bild der griechischen Philosophiegeschichte vermittelt wird. Von den in der Einführung genannten Namen kehren überhaupt nur acht wieder: Pythagoras, dessen Zahlenlehre Ausgangspunkt für Simon Magos und Valentinus gewesen sei (Ref. 4,51,3. 9); Thales, der ganz kurz neben die Naassener gestellt wird (Ref. 5,9,13); Heraklit und Empedokles, die Simon ebenfalls ausgeplündert habe (Ref. 6,9,3. 11,1); dann Pythagoras und Platon zusammen, denen Valentinus seine Lehre entnommen habe (Ref. 6,21,1ff. 28,1. 29,1); Aristoteles, den Basileides plagiiert habe (Ref. 7,14,1. 19,9. 24,1); Empedokles, auf den Markion zurückgehe (Ref. 7,29,2.
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§ 95. Hippolyt von Rom (Bibl. 1090–1095)
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30,1. 31,1); noch einmal Pythagoras, von dem Monoïmos seine Lehre hergeleitet habe (Ref. 8,15,3); weiter Sokrates, den Hermogenes beraubt habe (Ref. 8,17,2); sowie schließlich Heraklit, von dem Noëtos abhängig sei (Ref. 9,8,1. 10,8; neu hinzugekommen sind in Ref. 5,4. 20,4 Musaios, Linos und Orpheus, welche die Vorlagen für die Sethianer waren; die Stoiker, die Ref. 9,27,3 neben Pythagoras – noch einmal dieser Philosoph! – stehen, passen nicht in das Plagiatsschema, auch Thales in Ref. 9,17,2 nicht, wo er in einer Reihe mit Pythagoras, Thales, Solon und Platon neben Elchasai steht). Alle genannten Philosophen (mit Ausnahme von Thales, Sokrates und den Stoikern) werden nun in den Büchern 5 bis 9 erneut vorgestellt in mehr oder weniger ausführlichen Passagen, die doxographische Referate, zum Teil auch biographische Notizen nebst wörtlichen Zitaten und Paraphrasen enthalten (von Diels 1879 [*1200] nicht berücksichtigt), aber nach diesen Ausführungen erscheinen sie nun alle in der Traditionslinie des Pythagoras. Platon, der nach Ref. 1,18 über Sokrates in die ionische Sukzession gehörte, ist nun nach Ref. 6,21–28 in die Nachfolge des Pythagoras, den er in allem nachahmte, eingetreten. War dort die gängige mittelplatonische Drei-Prinzipien-Lehre (Gott, Ideen, Materie) für ihn kennzeichnend (Ref. 1,19,1), so ist es jetzt die pythagoreische Lehre von den Prinzipien Monas und Dyas und den gezeugten Zahlen bis zur Dekas, was an Numenios erinnert (Ref. 6,23,1ff.; vgl. Longo 2011 [*1297]). Die platonische Hauptlehre von den zwei Welten, dem κόσμος νοητός («intelligible Welt») und dem κόσμος αἰσθητός («sinnlich wahrnehmbare Welt»), die im ersten Buch überhaupt nicht erwähnt wurde, gilt hier als identisch mit den pythagoreischen Prinzipien Monas und Tetraktys plus Jota (Ref. 6,24,1). Weitere Besonderheiten ließen sich nennen, wo Hippolyt, seinen Quellen folgend, pythagoreische Ansichten Platon zuschreibt (vgl. Mansfeld 1992 [*1254: 50, 165–207, 299], Alt 1997 [*1265: 91–101]). Von den anderen Philosophen gilt Ähnliches. Was Aristoteles betrifft, so gehören beide Einträge, in Ref. 1,20 und Ref. 7,15–19,8, sachlich zusammen. Aristoteles ist in Hippolyts Darstellung zwar kein in der Wolle gefärbter Pythagoreer; ausdrücklich ist schon in Ref. 1,20,3 festgehalten, dass er in der Seelenlehre von Platon, und das heißt von der pythagoreischen Position, nämlich der Seelenwanderungslehre, abweicht. Aber sonst tut Hippolyt alles, um ihn mit der pythagoreischen Traditionslinie konform erscheinen zu lassen, stimme er doch in den meisten Punkten mit Platon überein (Ref. 1,20,3). Er wird an erster Stelle als strenger Logiker gewürdigt. Wenn Hippolyt im Rahmen der zehn aristotelischen Kategorien (Ref. 1,20,1) ausführlich Aristoteles’ Dihairese der Substanz in systematisierender Interpretation nach mittelplatonischen Vorgaben bespricht (Ref. 7,15–18), so ist erhellend, dass ihm zufolge die zehn Kategorien Pythagoreern zuzuschreiben sind (Ref. 6,24,2). Entsprechend lassen sich für seine Darstellung der Lehre von den Gegensätzen auch pythagoreische Parallelen aufzeigen (vgl. weiterführend Mansfeld 1992 [*1254: 57–152], der mit Recht gegen Osborne 1987 [*1236: 35–67] betont, dass Hippolyt seine Informationen nicht direkt aus eigener Aristoteles-Lektüre bezogen hat, sondern aus sekundären Quellen – auch dort, wo er Werktitel nennt: ‹Physica›, ‹Metaphysica› mit der Gottesbestimmung νόησις νοησέως, «Denken des Denkens», dann ‹De anima› mit der Definition der Seele als Entelechie, dazu Bos 2000 [*1270], und schließlich
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
‹Ethica› und ‹Categoriae›, Ref. 7,19,4–8. 20,5; Mansfeld 1992 [*1254: 150]). Was Empedokles betrifft, so war es schon vor Hippolyt gängige Tradition, dass er in einem Schülerverhältnis zu Pythagoras stand, und Hippolyt hat es seinerseits gleich im ersten Buch wiederholt und mit der ihnen beiden gemeinsamen Seelenwanderungslehre begründet (Ref. 1,3,3). In Ref. 7,29–31 steht dann Empedokles’ Welterklärung ganz im Vordergrund, wonach unter den im Ganzen sechs Elementen die beiden demiurgischen Kräfte, Liebe und Streit, die entscheidende Bedeutung für die Entstehung des Kosmos haben, und zwar Liebe interpretiert als das Eine und die Einheit, als Gott, Streit als die geschaffene Vielfalt. Es ist nun wiederum bezeichnend, dass Hippolyt die beiden für Empedokles konstitutiven kosmischen Kräfte, Liebe und Streit, im Abschnitt zu Pythagoras genau in dieser Interpretation als pythagoreisch reklamiert (Ref. 6,25,1–4; vgl. Mansfeld 1992 [*1254: 209ff.]; Hershbell 1973 [*1215: 110–113] denkt an peripatetische Beeinflussung). Ein weiteres Indiz für diese Sicht ist Hippolyts Interpretation von Empedokles’ Musenanruf (Ref. 7,31,3f.). Dass die von Empedokles angerufene Muse eine dritte vermittelnde Potenz neben Liebe und Streit sei, eine Kraft, die verbindet und zur Harmonie bringt, was durch Streit zertrennt war, das findet auch in neupythagoreischen Texten einen Niederschlag (vgl. Mansfeld 1992 [*1254: 221– 226], Longo 2011 [*1297]; Hershbell 1973 [*1215: 195ff.] denkt an einen stoischen Hintergrund, vgl. dagegen Scholten 1991 [*1253: 517]). Was schließlich Heraklit betrifft, so gehört auch er nach Hippolyts Verständnis in Pythagoras’ Schulnachfolge; denn ausdrücklich ist vermerkt, dass er ungefähr so wie Empedokles lehrte (Ref. 1,4,2), und implizit ist er als Vermittler pythagoreischer Lehren an die Stoiker veranschlagt (Ref. 9,10,6 mit Ref. 1,21,3f.; vgl. Mansfeld 1992 [*1254: 238f.]). Was Schüler und Lehrer verbindet, ist demnach die dualistische, pessimistische Weltsicht, die bei Heraklit freilich zur Lehre der Einheit der Gegensätze abgemildert ist (Ref. 9,8,1–10,5, dazu Mansfeld 1992 [*1254: 290]), und eine bestimmte Jenseitserwartung, die zwar keine Seelenwanderungslehre kennt, aber auf der Annahme von zyklischen Weltperioden beruht, die in stoisch-christlicher Reinterpretation als Lehre von der Ekpyrosis bzw. der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts erscheint (Ref. 9,10,6ff.; zur literarischen Struktur des Abschnittes Ref. 9,8–10 vgl. Mouraviev 1992 [*1255]; zum Ganzen Mansfeld 1992 [*1254: 231–242]). Insgesamt, und das gilt für alle Darstellungen Hippolyts zum Thema, darf nicht unterschätzt werden, dass sich die Berichte der philosophiegeschichtlichen und der häresiologischen Sachverhalte wechselseitig bedingen. Wenn Hippolyt sein Konzept des Plagiats durchführen wollte, musste er beide Seiten, die Plagiatoren wie ihre Opfer, aufeinander abstimmen. Er musste aus seinem Material auswählen, es bestimmten Namen zuordnen und entsprechend platzieren. Dieses reproduziert er, soweit sich erkennen lässt, oftmals zuverlässig, aber ebenso fühlte er sich frei, seine Vorlagen umzustellen, zu verkürzen oder zu erweitern und interpretierend neu zu gestalten, je nach dem wie es seine antihäretischen Zwecke erforderten (Scholten 1991 [*1253: 512f.], Mansfeld 1992 [*1254: 325], Bertrand 2000 [*1269: 798], zum Wert seiner Vorlagen Scholten 1991 [*1253: 521f.]). Dass es dabei auch zu Verzerrungen auf beiden Seiten kommen kann, sei nicht verschwiegen (beispielsweise wird beim Paar Empedokles – Markion um der konstruierten Ent-
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sprechung willen Markion eine historisch unzutreffende Variante der Zwei-Götter-Lehre und Empedokles ein ebenso unzutreffendes Verbot der Zeugung von Nachkommen zugeschrieben: Ref. 7,29,1. 22). Noch ein drittes Mal in der ‹Refutatio› kommt die Sprache auf die griechische Philosophie, und zwar im letzten Buch in der Epitome aller Philosophen (Ref. 10,6f.), wo Hippolyt mit einer kurzen Zusammenfassung aller behandelten Lehren zum «Beweis der Wahrheit», d. h. zum Erweis der rechtgläubigen christlichen Lehre, überleiten möchte. Hier werden nun, anders als in der Einführung in die Philosophie in Buch 1 und in den Gegenüberstellungen der Plagiatsanklagen in Buch 5 bis 9, divergierende Positionen verschiedenster Philosophen zur Naturphilosophie einfach thesenhaft gegeneinander gestellt. Die meisten doxographischen Sätze sind anonym; die Namen, die gegen Ende genannt werden, haben mit den früheren Aufzählungen nichts zu tun (nur der letzte Satz zu Platon, Ref. 10,7,7, ist eine paraphrasierende Wiederholung von Ref. 1,19,1f.). Diese Durchsicht verfolgt allein das Ziel, nach skeptischer Art und Weise die Widersprüche der philosophischen Meinungen zu den naturphilosophischen Prinzipien untereinander zu demonstrieren und zu zeigen, dass bei ihnen die Wahrheit nicht zu finden ist. Hippolyt hat diesen Abschnitt denn auch wörtlich aus einer skeptischen Quelle, nämlich aus S. Emp. Adv. math. 10,310–318, übernommen (zu Janáček 1959 [*1206] vgl. Mansfeld 1992 [*1254: 318f.]). Damit stellt sich die Frage, wie Hippolyt über Herkunft und Wahrheitsgehalt der griechischen Philosophie gedacht hat. In einem Fragment aus ‹De universo› spitzt er das Problem – ohne häresiologischen Kontext – auf die Beurteilung Platons zu, des Repräsentanten der griechischen Philosophie schlechthin, der unter allen Griechen als der gottesfürchtigste und wahrste gilt, und es erweist sich nach seiner Ansicht, dass Platon Gott und seine Schöpfung zu erkennen verfehlt habe. Mit Blick auf Tim. 28c bemerkt er, dass er Platons Mutmaßung, es sei unmöglich zu allen Menschen von Gott zu sprechen, weil er ewig sei und kein Werden kenne, gutheiße. Er wirft Platon aber vor, dass er sich bei seinen Erklärungen dazu, wie Solon berichte (vgl. Tim. 20d–22b, auch Ref. 6,22,1), auf das Hörensagen beim ägyptischen Priester verlassen habe und nicht nach der Herkunft von dessen unvollkommenem Wissen – und das heißt: nicht nach der authentischen Wahrheit – geforscht habe, vielmehr, was er gehört habe, hochmütig und selbstgefällig seinen Schülern als seine eigene Erkenntnis weitergegeben habe (Castelli 2005 [*1275: 46–49]). Mit anderen Worten, Hippolyt attestiert Platon eine richtige Ausgangsposition, die eigentlich mehr eine Ausgangsfrage hätte sein müssen. Aber Platon sei eine Erklärung schuldig geblieben, wohingegen Hippolyt selbst, gestützt auf die älteste, die biblisch-christliche Tradition, im zweiten Teil der Schrift dies zu leisten beansprucht (Castelli 2011 [*1294: 32–43]). Bemerkenswert ist an dieser Passage noch, dass auch Hippolyt den Grundsatz, das höhere Alter versichere die Nähe zur Wahrheit, teilt, dass er aber die verbreitete apologetische Vorstellung, die Griechen hätten ihre Erkenntnisse bei Mose bzw. aus den biblischen Schriften entwendet, hier nicht nur nicht aufnimmt, sondern geradezu ausschließt. Denn das macht er ja Platon gerade zum Vorwurf, dass er nicht bei Mose in die Schule gegangen ist (Norelli 2011 [*1299: 248–252]; ganz ähnlich bei Lact. Inst. 4,2,4).
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In der ‹Refutatio› liegt Hippolyts Beurteilung der griechischen Philosophie auf derselben Linie. Auch hier sind für ihn die Philosophen im Ergebnis diejenigen, die Gott nicht erkannt haben (Ref. 1,26,3). Sie haben versucht, eine natürliche Erkenntnis von Gott zu gewinnen, indem sie von der Physiologie des Alls auf die erste Ursache zurückschließen wollten, aber dieser Weg hat sich für sie als nicht gangbar erwiesen (Ref. 10,8). Ergriffen von der Größe der Schöpfung, haben sie die Schöpfung selbst für göttlich gehalten oder Teile der Schöpfung an die Stelle des Schöpfers gesetzt (Ref. 1,26,3; 4,43,1f.; 10,32,5). Deshalb konnten sie über das Wesen und die Eigenschaften Gottes zu keiner Klarheit und zu keiner Übereinstimmung kommen (Ref. 4,43,1f.; 10,6f.), sondern sind grundsätzlich in Irrtümern befangen (Ref. 5,6,2; 10,32,5). Neben dieser Erklärung kennt Hippolyt auch die These, die bei philosophisch Gebildeten der Zeit häufiger anzutreffen ist, dass die Philosophie ihren Anfang bei den Barbaren genommen habe (vgl. Magris 2012 [*1189: 86 Anm. 58]). Mehrmals sagt er von Pythagoras, dass er Schüler bei ägyptischen Priestern gewesen sei und bei ihnen vor allem die Lehre von den Zahlen und Maßen gelernt habe, ebenso seien Demokrit, Solon und Platon dort mit der ägyptischen Weisheit bekannt geworden (Ref. 1,2,18. 13,1; 6,21,3; 9,17,2). Aber auch nach dieser Version ist den Griechen die Wahrheit fremd geblieben, und dass sie ihre Lehren von Mose hergeleitet hätten, behauptet Hippolyt auch hier nicht. Nur einmal scheint dieses Motiv in einer eingesprengten Notiz anzuklingen, wo in einem Referat zur Vorstellung der Auferstehung bei den Essenern die stoische Lehre des künftigen Gerichtes und des Weltenbrandes in christlicher Reinterpretation auf biblische Wurzeln zurückgeführt wird (Ref. 9,27,2f.; dazu Castelli 2011 [*1294: 62–66]). Doch grundsätzlich sieht er die Griechen nicht so nahe bei der biblischen Tradition. Trotz dieser klar geäußerten restriktiven Einstellung gegenüber der griechischen Philosophie ist Hippolyt gleichwohl in der Lage, am Anfang seines Werkes zu versichern, man dürfe die Lehren der Philosophen nicht missachten; auch wenn sie inkonsistent seien, seien sie doch glaubwürdiger, seien sie älter und Gottes würdiger als die der Häretiker (Ref. 1 praef. 1. 8f.). Und anerkennend nennt er Pythagoras und Platon weise (Ref. 9,17,2) und gesteht zu, dass Platon immerhin den Mythos einer ungewordenen Materie besser ausgearbeitet habe als Hermogenes (Ref. 8,17,2). Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass Hippolyt im Vergleich mit seiner radikalen Ablehnung der Häresien eine begrenzt positive Einschätzung der Philosophie vertritt, die um einige Nuancen freundlicher ist als das, was Irenäus in Haer. 2,14,1–7 gesagt hatte (Löhr 2011 [*1296: 33–37]; weniger günstig Richard 1968 [*1211: 545]). Das hängt offenbar damit zusammen, dass er die Absicht verfolgt, das Christentum positiv in Beziehung mit den großen Diskursen der philosophischen Tradition zu setzen. Norelli 2011 [*1299] hat darauf hingewiesen, dass der systematische Abriss der christlichen Lehre am Ende des letzten Buches (Ref. 10,32–34), weit davon entfernt, ein bloß abschließender Annex zu sein, den Verständnisschlüssel für das Werk und darüber hinaus für das gesamte intellektuelle Projekt Hippolyts bereithält. Diese kurze Darstellung ist mehrmals mit Wendungen wie ἀπόδειξις τοῦ περὶ ἀληθείας λόγου («Darlegung der Rede über die Wahrheit») oder ὁ περὶ τὸ θεῖον ἀληθὴς λόγος («die wahre Rede über das Göttliche») angekündigt (Ref. 9,17,4; 10,4. 5,1f. 6,1. 31,6. 34,1), was an Kelsos’ antichristliche Streitschrift erinnert (Magris
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2012 [*1189: 333 Anm. 2]), und Hippolyt entfaltet sein Programm, das er mit der Fragestellung, was das Göttliche und was seine wohlgeordnete Schöpfung ist (Ref. 10,31,6, wieder aufgenommen in Ref. 10,34,2), exponiert, indem er seine Skizze an den philosophischen Leitbegriffen der αἰτίαι («Ursachen») bzw. der ἀρχαί («Prinzipien») orientiert (Ref. 10,32,2. 4f.; 10,33,2, dazu Norelli 2011 [*1299: 238–243]). Was er inhaltlich dazu ausführt, entspricht im Großen und Ganzen der mit philosophischem Material arbeitenden Theologie der Apologeten, wobei Irenäus’ Gedanke der Rekapitulation ebenfalls aufgenommen ist (vgl. die Zusammenfassung bei Richard 1968 [*1211: 546–568] und Marcovich 1986 [*1235: 385f.]), und den krönenden Abschluss bildet die Umdeutung des delphisch-sokratischen Spruchs «Erkenne dich selbst» im Sinne der Vergöttlichung des Menschen (Ref. 10,34,4f.). Das Entscheidende für Hippolyts universale Sicht der Kulturgeschichte ist nun jedoch, dass die Fundamentalfragen nach den Ursachen und Prinzipien der Wirklichkeit im Ganzen, die in der griechischen Philosophie sehr treffend artikuliert werden, nirgendwo korrekt beantwortet worden sind – weder bei den Philosophen selbst noch bei den von ihnen abhängigen Häresien, weder in den polytheistischen Mysterienreligionen noch in Astrologie und Magie, weil überall dort sekundäre Ursachen an Stelle der Erstursache gesetzt werden und damit die grundlegende Differenz von Schöpfer und Geschöpf missachtet werde. In diesem Horizont will offenbar Hippolyt die christliche Offenbarung, die auf den Logos Gottes selbst zurückgeht und deren Wahrheit der Rekurs auf den Altersbeweis noch einmal verbürgen soll (Ref. 10,30f.), als die wahre Antwort auf die in der Philosophie gestellten Fragen präsentieren (Norelli 2011 [*1298: 20] und 2011 [*1299: 247]). 2. Weltzeitalter-Lehre In gewissem Sinn kann Hippolyt als der Begründer der christlichen Weltzeitalter-Lehre gelten, die dank der Vermittlung durch lateinische Übersetzungen und Hieronymus’ Adaptionen bis ins Mittelalter und noch darüber hinaus gewirkt hat. Vorgegeben waren Hippolyt jüdische Hexaëmeron-Spekulationen zur SiebenerStruktur der Schöpfungsordnung, wie sie etwa bei Aristobulos Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. greifbar werden, sowie das apokalyptische SchöpfungswochenSchema, das der ihm sicher bekannte ‹Barnabasbrief› unter den sogenannten Apostolischen Vätern vertreten hat (Barn. 15,3–8), wonach gemäß Ps. 89,4 ein Schöpfungstag für 1000 Jahre steht und die gesamte Weltdauer demnach 7000 Jahre beträgt. Und natürlich bezieht sich Hippolyt auch direkt auf die apokalyptischen Bibeltexte aus dem Danielbuch (in erster Linie Dan. 2,2–14: Nebukadnezars Traumvision von der Statue aus vier verschiedenen Stoffen; Dan. 7,2–14: Daniels Traumgesicht von den vier Tieren; Dan. 9,24–27: Deutung einer Weissagung Jeremias über 70 Jahrwochen durch den Erzengel Gabriel an Daniel) und schließlich auf die Johannesapokalypse (Apc. 20,1–6: die Vision über das tausendjährige Reich). Erstmals spricht Hippolyt diesen Gedankenkomplex in seiner Schrift über den Antichrist an, wo es ihm darum geht, die Gestalt des Antichristen und sein Wirken aufgrund prophetischer Vorherverkündigungen als genaues Zerrbild Christi zu
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erweisen (Bracht 2014 [*1307: 357–368], Rizzi 2015 [*1308]). Schon dieser Deutung sollte eine lange Nachwirkung beschieden sein, doch größte Bedeutung hat seine Version der Abfolge der danielischen vier Weltreiche erlangt. In der Zusammensicht von Dan. 2 und Dan. 7 verändert er die Abfolge der Reiche Babylon, Medien, Persien, Hellas dahingehend, dass unter Auslassung von Medien bzw. Gleichsetzung von Medien und Persien (Antichr. 24; 28) am Ende als viertes Reich das römische Imperium steht. Dieses – Rom, das neue Babylon (Antichr. 36–41, mit Apc. 17,1–18,19) – ist das letzte, danach kommen nur noch die Endkatastrophen und das Heil für die Gläubigen (Antichr. 25; vgl. Ios. Ant. Jud. 10,10,4. 11,7; 4. Esr. 12,10– 30; Syr. Baruch 39,3–5; dazu Bracht 2014 [*1307: 336–342]). Chronologische Berechnungen stellt Hippolyt hier noch nicht auf, nur die Dauer des Auftretens der letzten Zeugen, Henoch und Elias, gibt er nach Apc. 11,3 mit einer halben Jahrwoche von 1260 Tagen an (Antichr. 43; 47). In seinem nur wenig später entstandenen ‹Daniel-Kommentar› greift er dann weiter aus. Hier wiederholt er die Theorie der vier Weltreiche (In Dan. 4,2–5; Jahresangaben in 4,3,4f. 4,1. 24,7), mit Rom als dem letzten Reich, das er in verächtlichen Zügen als Vorläufer des Reiches des Antichrists darstellt (Dunbar 1983 [*1232: 319–322], Bracht 2014 [*1307: 343f.]), aber er erweitert jetzt den Rahmen auf die gesamte Weltendauer, indem er das Schöpfungswochen-Schema neu hinzufügt, wonach die Erstreckung von der Erschaffung der Welt bis zum Weltende insgesamt 7000 Jahre beträgt und das letzte Jahrtausend (in kaum noch chiliastischer Form gedeutet) die 1000-jährige Herrschaft Christi mit den Heiligen sein wird (In Dan. 4,23,4ff.). Der achte Tag wäre dann der Tag Gottes, mit dem eine neue Welt anhebt. Um in dieses zeitliche Koordinatensystem die Erscheinung Christi einzuordnen, benutzt Hippolyt einerseits typologische Deutungen der Maße der Bundeslade (In Dan. 4,24,1–3 mit Ex. 25,10f.) und der ‹sechsten Stunde› des Verhörs Jesu (In Dan. 4,24,5 mit Ioh. 19,14), die auf das Jahr 5500 für die Geburt Christi führen, und andererseits legt er Daniels Berechnungen der 70 Jahrwochen in Dan. 9,24ff. zugrunde, die von der Verkündigung Jeremias bis zur Geburt Christi 69 Jahrwochen bzw. von der Rückkehr des Volkes Israel aus dem Exil bis zur Geburt Christi 62 Jahrwochen = 434 Jahre ergeben (In Dan. 4,30,3–35,3). Umgerechnet in Kaiserjahre fällt demnach die Geburt Christi in das 42. Jahr der Herrschaft des Augustus (In Dan. 4,23,2f.; zu den textkritischen Problemen vgl. Bracht 2014 [*1307: 320–328]). Für die eigene Gegenwart zur Zeit der Abfassung des ‹Daniel-Kommentars› bedeutet das, dass von den 500 Jahren zwischen dem ersten Erscheinen Christi und seiner Wiederkunft gerade einmal 202/204 Jahre vergangen sind, dass mithin die Endereignisse noch weit entfernt sind und eine erregte Naherwartung jeglicher Begründung entbehrt. In diesem Nachweis ist Hippolyts praktisches Anliegen zu sehen. Obwohl er beteuert, dass es nicht legitim ist, das Ende berechnen zu wollen (In Dan. 4,16,1–6 mit Mt. 24,42 und Act. 1,6ff.), sieht er sich dennoch aus seelsorgerlicher Verpflichtung «gezwungen zu sagen, was nicht erlaubt ist» (In Dan. 4,23,1). Er entwirft ein voll ausgestaltetes Szenario der im strengen Sinn als historisches Geschehen aufgefassten End ereignisse, weil er fehlgeleiteten Verirrungen, wie sie jüngst in Pontus und Syrien geschehen seien (In Dan. 4,18f., zum montanistischen Hintergrund vgl. Bracht 2014 [*1307: 302–309]), ganz grundsätzlich entgegentreten will. Als Julius Africanus
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etwas später die erste christliche Weltchronik schrieb, übernahm er von Hippolyt das Grundgerüst des Schöpfungswochen-Schemas mit dem Jahresdatum für die Geburt Christi im Jahr 5500 (Julius Africanus Chron. T92 p. 275 Wallraff; vgl. Andrei 2006 [*1277]). Diese Arbeit jedoch genügte offenbar Hippolyts Ansprüchen nicht, und er schrieb nun seinerseits eine eigene Chronik. Er hielt an dem Geburtsdatum Christi fest (doch vgl. Helm 1955 [*1164: XXVf. Anm. 3] sowie Richard 1950 [*1205: 239–257]), aber seine Berechnungen stützte er jetzt, mehr im Einklang mit der Gattung einer Chronik, auf die biblische Chronographie, auf die Zählung der Passafeiern und auf die Olympiadenzählung (Chronik 193–196 Helm). Programmatisch teilt er im Vorwort mit, er wolle aus den Heiligen Schriften eine Zurüstung zur Polymathie bieten, damit durch sorgfältige Ausarbeitung der Untersuchungen zur Wahrheit die Unwissenheit, die zu Streit führt, ausgerottet werde (Chron. 19f.). Damit stellt er sein Vorhaben unter das Leitkonzept des Bildungswissens (vgl. auch φιλομαθῶς, «lernbegierig»: Chron. 20), unter dem der Gedanke der Einheit der Weltgeschichte in der Verschränkung von chronologischer und geographischer Dimension erstmals seinen Ausdruck finden und auf dessen Hintergrund die Wahrheit ihre Frieden stiftende Kraft erweisen soll (Andrei 2007 [*1280]). 4. NACHWIRKUNG
Über die Problematik, die aus der Überlieferungslage hinsichtlich der Person und des Werkes von Hippolyt erwächst, ist im Vorangehenden mehrmals gesprochen worden. Schon am Ende des 3. Jahrhunderts war die Kenntnis über ihn nicht mehr ungetrübt, und was Eusebios und Hieronymus mitteilen, ist lückenhaft und nicht in jeder Hinsicht eindeutig, so dass die Zuschreibung bestimmter Werke schon früh schwankend werden konnte und seinem Namen auch unechte Werke untergeschoben wurden (CPG 1910–1925; 4611; 4681; 1741f.), während andererseits sehr vieles verloren ging. Eine historisch seit der Antike aufbereitete Skizze der «Hippolyt-Frage» bietet Cerrato 2002 [*1273: 3–123]. Außerdem wurde seit der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts das historische Wissen, soweit es noch verfügbar war, durch eine stetig wachsende Legendenbildung hagiographischer und liturgischer Art überlagert (Scholten 1991 [*1253: 534–549], Saxer 1993 [*1259: 632–635]). Angesichts dieser Situation kann von einer geschlossenen und voll umfänglichen Nachwirkung des authentischen Werkes und seiner Lehrgehalte nicht die Rede sein, nur punktuell, dann aber nachhaltig, gingen weiterreichende Auswirkungen aus. Einzelne Schriften, besonders exegetische Werke, haben eine beachtliche Rezeption erfahren (Scholten 1991 [*1253: 533f.]). Ebenso ist sein chronologisches Material immer wieder verwendet und neu bearbeitet worden. Grundlegende Impulse gingen von ihm auf die Fixierung gewisser dogmatischer Topoi aus, wie etwa die Antichrist-Theorie, die Systematisierung der eschatologischen Ereignisabfolge und die Weltzeitalter-Lehre, welche die Idee der «translatio imperii» nach sich ziehen sollte (Rizzi 2015 [*1308]). Man wird in diesem Zusammenhang auch die kirchenrechtliche Thematik nennen müssen. Philosophie geschichtlich ist der erwähnte Sachverhalt bemerkenswert, dass das erste Buch
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der ‹Refutatio› in der handschriftlichen Tradition vom Rest des Werkes abgetrennt wurde, um unter dem Titel ‹Philosophoumena› als doxographische Einführung in die Philosophie zu dienen.
§ 96. Q. Septimius Florens Tertullianus Marc-Aeilko Aris
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Wenn auch das in 31 Schriften erhaltene literarische Wirken des Tertullian mit Sicherheit auf das Ende des 2. und den Beginn des 3. Jahrhunderts datiert werden kann, sind seine Lebensdaten gleichwohl nur zu erschließen. Zuverlässig sind nur die wenigen eindeutigen zeithistorischen Bezüge in seinen Schriften, aus denen sich der Zeitraum zwischen 197 und 212 ergibt (Barnes 1971 [*1402: 32–38]). Von diesen sicheren Daten ausgehend, wird in der Forschung mehrheitlich angenommen, dass er um 160 (abweichend Barnes 1971 [*1402: 58]: Datierung um 170) vermutlich als Sohn eines Konsularbeamten in Karthago geboren wurde und dort eine römisch geprägte Erziehung und rhetorische Ausbildung genoss. Etwa 195 wurde er Christ und begann im Dienst seiner christlichen Überzeugung seine umfassende literarische Tätigkeit, die ihrerseits aber von Mustern der klassischen antiken Rhetorik geprägt war. Die darüber hinausgehenden biographischen Angaben, die aus Hieronymus’ ‹De viris illustribus› 53,1–5 und Eusebios’ ‹Historia ecclesiastica› 2,2,4 geschlossen wurden, dass nämlich Tertullians Vater Centurio gewesen sei, er selbst zunächst ausgebildeter Jurist, dann Presbyter in der christlichen Gemeinde und schließlich als Montanist schismatisch geworden sei, werden in der neueren Forschung im Anschluss an Barnes nicht aufrechterhalten. Wie aus seinen innerchristlichen Schriften hervorgeht, war er zwar gewiss eine intellektuelle Führungsfigur in der Gemeinde, hat aber wohl kein Amt bekleidet. Seine Hinwendung zum Montanismus ab ca. 203 wird neuerdings in der Forschung weniger als die Abkehr von der Großkirche verstanden, sondern vielmehr als Ausdruck eines zunehmenden innerkirchlichen Rigorismus gedeutet, der in der montanistischen Überzeugung seine geistige Heimat fand. Sein mehrheitlich angenommenes Todesdatum um 220 ergibt sich aus der Vermutung, dass einige seiner Werke nach der sicher in das Jahr 212 datierbaren Schrift ‹Ad Scapulam› entstanden sind.
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§ 96. Q. Septimius Florens Tertullianus (Bibl. 1095–1102)
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2. WERKE Eine Chronologie der Werke Tertullians ist trotz einzelner Hinweise auf zeitgeschichtliche Umstände und die gelegentliche Bezugnahme auf frühere oder spätere Schriften nicht mit Sicherheit rekonstruierbar. Thematisch beziehungsweise adressatenbezogen lassen sich die 31 erhaltenen Werke in drei Gruppen einteilen: apologetische, disziplinäre und antihäretische Schriften. Dabei wenden sich die apologetischen Schriften (‹Ad nationes› – ‹An die Heiden›; ‹Apologeticum› – ‹Apologetikum›; ‹De testimonio animae› – ‹Über das Zeugnis der Seele›; ‹Ad Scapulam› – ‹An Scapula›; ‹De pallio› – ‹Über den Philosophenmantel›) an ein nichtchristliches Publikum mit dem Ziel, einerseits die Inkriminierung des christlichen Bekenntnisses abzuwehren und andererseits die Leistungsfähigkeit der christlichen Wirklichkeitsdeutung gegenüber philosophischen Lehren zu erweisen. Die disziplinären Schriften dagegen betreffen Fragen der Lebensform und Lebensführung in der christlichen Gemeinde, indem sie die Bereitschaft zum Martyrium (‹Ad martyras› – ‹An die Märtyrer›; ‹De fuga in persecutione› – ‹Über die Flucht in der Verfolgung›; ‹Scorpiace› – ‹Arznei gegen den Skorpion stich›), das Verhältnis der Christen zum öffentlichen Leben (‹De spectaculis› – ‹Über die Schauspiele›; ‹De idololatria› – ‹Über die Götzenanbetung›; ‹De corona› – ‹Über den Kranz›), die kirchliche Bußpraxis und -spiritualität (‹De paenitentia› – ‹Über Buße›; ‹De pudicitia› – ‹Über Keuschheit›), das Eheverständnis (‹Ad uxorem› – ‹An die Gattin›; ‹De exhortatione castitatis› – ‹Über die Ermahnung zur Züchtigkeit›; ‹De monogamia› – ‹Über die Einehe›), die spirituelle und liturgische Praxis (‹De baptismo› – ‹Über die Taufe›; ‹De oratione› – ‹Über das Gebet›; ‹De patientia› – ‹Über die Geduld›; ‹De ieiunio adversus psychicos› – ‹Über Fasten, gegen die fleischlich Gesinnten [Psychiker]›) und die Rolle der Frau in der Gemeinde (‹De virginibus velandis› – ‹Über die Verhüllung von Jungfrauen›; ‹De cultu feminarum› – ‹Über den Putz der Frauen›) behandeln. Die antihäretischen Schriften dagegen thematisieren in erster Linie doktrinelle Fragen, sei es um die kirchliche Position theoretisch zu klären (‹Adversus Iudaeos› – ‹Gegen die Juden›; ‹De praescriptione haereticorum› – ‹Über den prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker›), sei es um die Auffassungen einzelner Häretiker bzw. häretischer Gruppen zu widerlegen (‹Adversus Hermogenem› – ‹Gegen Hermogenes›; ‹Adversus Marcionem› – ‹Gegen Markion›; ‹Adversus Valentianos› – ‹Gegen die Valentinianer›; ‹Adversus Praxean› – ‹Gegen Praxeas›; ‹De anima›
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– ‹Über die Seele›), sei es um Tendenzen in der christlichen Gemeinde zu bekämpfen, die Tertullian als häretisch beurteilt (‹De carne Christi› – ‹Über das Fleisch Christi›; ‹De resurrectione mortuorum› – ‹Über die Auferstehung der Toten›). Im Aufbau der meisten seiner Schriften folgt Tertullian, wie erst in jüngerer Zeit durch die Detailanalyse einzelner Texte erwiesen wurde, den Prinzipien der an der Gerichtsrede (genus iudiciale) orientierten spätantiken Rhetorik (Dunn 2004 [*1406: 25–29]). Die intrinsische Systematik seiner Texte wird daher weniger von dem jeweiligen Problem als vielmehr vom strukturellen Aufbau einer Rede bestimmt, die dazu dient, das durch die Adressierung literarisch imaginierte Gericht zu einem angemessenen Urteil zu bewegen (in Bezug auf ‹Adversus Iudaeos› vgl. Dunn 2008 [*1481: 40–57]). Philosophisch relevant sind dabei die Schriften, die entweder intentional direkt an die pagane Umwelt gerichtet sind (‹Apologeticum› – ‹Verteidigung [sc. des Christentums]›; ‹De testimonio animae› – ‹Über das Zeugnis der Seele›) oder formal antike rhetorische Muster aufgreifen, um mit den Mitteln der geltenden philosophischen Argumentationspraxis die christliche Weltdeutung zu etablieren (z. B. ‹Adversus Praxean› – ‹Gegen Praxeas›; ‹De pallio› – ‹Über den Philosophenmantel›), oder sachlich Themenstellungen wählen, die mit Fragestellungen der zeitgenössischen Philosophie konvergieren (‹De anima› – ‹Über die Seele›). Von einzelnen, dem Zusammenhang der konkreten Argumentation geschuldeten Allusionen an antike literarische Texte abgesehen, zeigen die Schriften Tertullians in der Verbindung von philosophischer Argumentation, literarischer Kontextualisierung, rhetorischer Strukturierung und Publikumsorientierung vor allem Bezüge zur Zweiten Sophistik, wie sie etwa durch seinen um ca. 40 Jahre älteren Landsmann Apuleius repräsentiert wird. Wie etwa an ‹De pallio› nachgewiesen werden kann, übernimmt Tertullian das auktoriale Identitätsmuster und den literarischen Gestus der rhetorischen Sophisten seiner Zeit (Barnes 1976 [*1506: 13–19]). Er unterscheidet sich aber von diesen dadurch, dass er stärker der klassischen forensischen Rhetorik und damit der Ernsthaftigkeit des jeweiligen rhetorischen Anlasses verpflichtet ist und den Unterhaltungswert rhetorischer Deklamationsübungen ablehnt (Dunn 2008 [*1481: 36– 38]). Wenn Tertullian zu seiner Zeit geltende rhetorische Muster rezipiert und sich durch Zitate aus der antiken Literatur in einen von Bildungseliten bestimmten literarischen Diskurs einschreibt, ist
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das daher nicht als literarästhetische Profilierung zu verstehen, sondern als Bestandteil einer für
Christen zu seiner Zeit überlebensnotwendigen Überzeugungsstrategie.
3. LEHRE
Für die Entwicklung einer lateinischen Terminologie zur Darstellung philo sophisch-theologischer Sachverhalte kommt Tertullian als dem ersten christlichen Theologen, der in lateinischer Sprache schreibt, eine entscheidende Bedeutung zu. Die zahlreichen, vor allem durch die Übertragung griechischer Termini angeregten Neologismen (vgl. auch Demmel 1944 [*1420]) bestimmen in der Folge das theologische Fachvokabular der patristischen Literatur. Insbesondere die gegen den modalistischen Monarchianisten Praxeas gerichteten trinitätstheologischen Klärungen bestimmen durch die Einführung des Persona-Begriffs zur Distinktion von Gott-Vater und Gott-Sohn sowie durch die Verwendung der Bezeichnung ‘trinitas’ die nachfolgende doktrinelle Entfaltung der christlichen Gotteslehre (Sieben 2001 [*1385: 73]). In seiner philosophischen Terminologie dagegen zeigt sich Tertullian eher von der Tradition der stoischen Philosophie bestimmt, die ihm nachweislich durch die Werke Ciceros und Senecas vertraut ist. Das gilt insbesondere auch für den Begriff ‘philosophia’ selbst. In Pall. 6,2 beschreibt er ‘philosophia’ als den Inbegriff des in den Artes liberales enthaltenen Wissens. Terminologisch grenzt Tertullian die von ihm vertretene Lehre konsequent vom Begriff ‘philosophia’ ab und erweckt damit im rhetorischen Gestus den Eindruck, sich dem philosophischen Diskurs seiner Zeit grundsätzlich zu verweigern. Ihm ist jedoch bewusst, dass die christliche Weltdeutung in der Außenwahrnehmung seiner Zeitgenossen weniger als ein «divinum negotium», sondern mehr als ein «philosophiae genus» angesehen wird (Apol. 46,2). Mit dem Terminus ‘philosophia’ bezeichnet Tertullian in diesem Kontext zusammenfassend sowohl die Ansichten der ‘philosophi’ als auch die Personen selbst (Georges 2011 [*1367: 644]). Trotz scheinbarer Übereinstimmung in der Tugendlehre sieht er sie, wie er mit den im Folgenden herangezogenen Exempla aus der antiken Philosophiegeschichte (Thales, Pythagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles, Diogenes, Speusipp u. a.) deutlich macht, von den Christen durch fünf Merkmale unterschieden: 1) Sie begründen ihre an der Tugendlehre orientierte Lebenspraxis durch menschliche Lehre («doctrina») und Weisung («dominatio»), führen sie aber nicht – wie die Christen – auf Gott selbst zurück (Apol. 45,2); 2) sie haben trotz ihrer Polytheismuskritik an der Kultpraxis bzw. religiös bestimmten sprachlichen Konventionen Anteil (Apol. 46,5); 3) ihr Wahrheitsinteresse ist dem publikumsorientierten, philosophisch unverbindlichen rhetorischen Register verpflichtet, während die Christen «necessario» («notwendigerweise») und «integre» («aufrichtig») nach der Wahrheit fragen (Apol. 46,7); 4) ihre Gotteslehre («scientia») ist von einem grundsätzlich skeptischen Erkenntnisvorbehalt gegenüber dem Göttlichen bestimmt, während die Christen aufgrund der Offenbarkeit Gottes eine affirmierende Theologie vertreten (Apol. 46,8–9); 5) in ihrer Lebensführung («disciplina») weichen sie von ihrer theoretisch gesicherten Tugendlehre ab, ohne die Bezeichnung ‘philosophi’ ein-
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zubüßen, während Christen der «regula disciplinae» offensichtlich folgen bzw. im Fall des Verstoßes aus der Gemeinschaft der Christen ausgeschlossen werden (Apol. 46,10–17). Über diese Philosophenkritik hinaus stellt Tertullian die philosophische Methode infrage, wenn er die aristotelische Dialektik in ihrem Verfahren kritisiert (Praescr. 7,6) und mit dem Hinweis auf die Vielfalt philosophischer Lehrmeinungen bestreitet, dass sie zu sicheren Ergebnissen führe (Apol. 47,6–8; Anim. 3,1–3). Auch wenn Tertullian mit diesen anti-philosophischen Einwänden weitgehend den Mustern der apologetischen Literatur folgt, unterläuft er sie gleichwohl, wenn er im Anschluss an die stoische Philosophie die «regula fidei» (Praescr. 13) als Kriterium der Urteilsbildung einführt, wenn er in seinem Naturrechts- und Gewissensverständnis stoische Konzeptionen aufgreift (Spanneut 1969 [*1431: 3–21]) und wenn er das christliche Gottesverständnis mit Hilfe philosophischer Begriffe präzisiert (Osborn 1997 [*1469: 238–241]). Aufgrund sowohl der Kritik als auch der Wertschätzung der Philosophie kann Tertullian die christliche Weltdeutung in drei Hinsichten als die «melior philosophia» (Pall. 6,2) bezeichnen: 1) Das durch sie vermittelte Wissen ist vollständig (Nat. 2,2,4: «plena atque perfecta sapientia»); 2) sie beschränkt sich nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten der natürlichen Vernunft, sondern erkennt ihren Gegenstand mit Hilfe der absoluten Vernunft Gottes (Anim. 1,6: «sapientia de scola caeli», «Weisheit aus der Schule des Himmels»; ähnlich Scorp. 9,1; 12,1); 3) sie ist urteilssicher im Umgang mit Erkenntnissen, die sie als unzureichend und vorläufig qualifiziert (Pall. 4,10: «sapientia quae vanissimis superstitionibus renuit», «die Weisheit, die dem höchst eitlen Aberglauben widersagt»; Fredouille 1972 [*1403: 351–354]). Auf dem Hintergrund dieses changierenden Verhältnisses zur ‘philosophia’ muss die philosophiehistorische Bedeutung des Tertullian erhoben werden. Sie besteht nach dem übereinstimmenden Urteil der Forschung in der ausdrücklichen Kritik antiker philosophischer Lehrmeinungen einerseits und der latenten Rezeption antiker Philosopheme zur Entwicklung einer theologischen Systematik andererseits. Auf dieser Grundlage entwickelt Tertullian eigenständige philosophisch substantiierte Positionen in der Epistemologie, in der Gotteslehre, in der Kosmogonie und in der Seelenlehre. Tertullian präzisiert seine Auffassung in der Gotteslehre sowie in der Kosmogonie überwiegend in der Auseinandersetzung mit den ‘ditheistischen’ Häresien des Hermogenes und des Markion. Die von Tertullian referierte Behauptung des Hermogenes, Gott habe weder aus sich selbst noch aus dem Nichts geschaffen, sondern aus der gleichursprünglichen und gleichewigen Materie, der gegenüber sich sein Gott- und Herrsein realisiere (Adv. Herm. 2,2), widerlegt Tertullian mit zwei Argumenten: Eine durch diese Eigenschaften bestimmte Materie müsse als ‘Gott’ bezeichnet werden, so dass die Konsistenz des Gottesbegriffs, der die Einzigkeit als Merkmal einschließe, gefährdet sei (Adv. Herm. 4,3), und ein Gott, der diese Materie zur Schöpfung verwendet, müsse als auf diese notwendig angewiesen und damit als ihr gegenüber unfrei gedacht werden (Adv. Herm. 8,2). Demgegenüber entwickelt Tertullian in seiner von Theophilos beeinflussten Auslegung des Anfangs der ‹Genesis› auf der Grundlage einer der biblischen Weisheitsliteratur entlehnten Sophia-Christologie das Modell einer Kosmogonie aus dem
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Nichts (Adv. Herm. 18,4), indem er eine dem platonischen ‹Timaios› entnommene demiurgisch konzipierte Welterschaffung mit Hilfe einer Literalexegese vom Wortlaut des biblischen Schöpfungsberichtes abgrenzt. Dabei differenziert er anhand des Bibeltextes zwischen anfanghaft-erstverursachten Hervorbringungen und Entstehungsprozessen, die sich aus der Anlage des Erstverursachten ergeben (Adv. Herm. 22,4). Die Frage, wie innerhalb dieses Modells einer Schöpfung aus dem Nichts das Übel erklärt werden könne, beantwortet Tertullian mit dem Verweis auf die ‘hominis condicio’ (Adv. Marc. 2,5,5), da Gott selbst als gut, vorauswissend und mit Blick auf die Verhinderung des Bösen wirkmächtig angenommen werden müsse (Adv. Marc. 2,5,2: «bonus et praescius et potens»). Insofern aber im Menschen genau der Umstand, dass er frei und zur freien Willensentscheidung fähig ist, das ‘tertium comparationis’ seiner Gottebenbildlichkeit sei (Adv. Marc. 2,5,6), gibt es um der Offenbarkeit Gottes willen keine Alternative zur so bestimmten Verfassung des Menschen. Die Erkennbarkeit Gottes und die Erkenntnisfähigkeit des Menschen und die ‘condicio humana’ als Quelle der Gotteserkenntnis bestimmen sich daher wechselseitig (Adv. Marc. 2,6,3), selbst dann, wenn die menschliche Freiheit den Ursprung des Übels darstellt. Die in der antiken Religiosität geläufige Vorstellung eines unbekannten Gottes weist Tertullian mit der Begründung ab, dass die einem konsistenten Gottesbegriff inhärenten Merkmale der Größe und Güte deren Erkennbarkeit einschlössen (Adv. Marc. 1,9,4). Damit unterscheidet Tertullian zwei ursprüngliche Quellen der Gotteserkenntnis: die Wirklichkeit des Geschaffenen, die auf den Schöpfer verweist (Adv. Marc. 1,10,1: «a primordio rerum conditor earum cum ipsis pariter compertus est»), und die Gotteserfahrung aufgrund der Verfassung des Menschen (Adv. Marc. 1,10,3: «animae enim a primordio conscientia dei dos est», «Denn die Erkenntnis Gottes, die der Seele von Anfang an innewohnt, ist ein Geschenk Gottes»). Die Unterscheidung zwischen der natürlichen Vernunft und der durch die Offenbarung belehrten Vernunft zwingt Tertullian dazu, die Erkenntnismöglichkeiten der natürlichen Vernunft für den Fall präziser zu bestimmen, dass Gott der Gegenstand der Erkenntnis sein soll. Im Anschluss an die pagane philosophische Tradition unterscheidet Tertullian in Apol. 17,4 dazu zwei Erkenntnisquellen, «ex operibus» («aus den Werken») und «ex testimonio animae» («aus dem Zeugnis der Seele»; ähnlich Adv. Marc. 1,10,4: «totum hoc quod sumus et in quo sumus», «dies alles, was wir sind und in dem wir sind»), die beide der biblischen Offenbarung als Erkenntnisquelle zeitlich vorausliegen (Adv. Marc. 1,10). Mit der Gotteserkenntnis «ex operibus» rekurriert Tertullian im Anschluss an Resur. 1,20 und die apologetische Literatur (Spanneut 1957 [*1424: 280f.]) auf den kosmologischen bzw. teleologischen Gottesbeweis, dessen Ausgangspunkt er über dessen antike Formulierungen hinaus differenziert, indem er zwar mit Cicero (vgl. z. B. Nat. 3,87–90) und Seneca (vgl. z. B. Nat. praef. 14–16) die sinnlich erfahrbare Wirklichkeit als rational strukturierte und in dieser Strukturierung beständig erhaltene Ordnung bestimmt, zusätzlich aber betont, dass sie auf die menschlichen Affekte Wirkung ausübt («oblectamur»/«exterremur», «wir erfreuen uns»/«wir erschrecken»: Apol. 17,4). Aus dem Sinneseindruck der geordneten und gesetzund zweckmäßig strukturierten Natur («spectaculum») erschließt Tertullian,
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indem er die philosophischen Überlegungen theologisch differenziert, drei Bestimmungen des Göttlichen: 1) Gott hat als Schöpfer diese Ordnung der Natur bewirkt (Spect. 2: «Nemo negat, quia nemo ignorat, quod ultra natura suggerit, deum esse universitatis conditorem eamque universitatem tam bonam quam homini mancipatam», «Niemand leugnet – denn jeder weiss, was überdies die Natur nahelegt –, dass Gott der Schöpfer des Weltalls ist und dass dieses sowohl gut als auch dem Menschen zur Nutzung überlassen ist»). Dabei kann er sich keiner ihm vorgegebenen Materie bedient haben, da diese ihn in seinem Handeln eingeschränkt hätte, sondern die Hervorbringung der Schöpfung muss als «ex nihilo» bewirkt gedacht werden (Adv. Hermog. 14,2: «Magis autem eum decuit ex voluntate fecisse quam ex necessitate, id est ex nihilo potius quam ex materia», «Es ziemte sich indessen eher für ihn aufgrund seines Willens als aus Notwendigkeit geschaffen zu haben, d. h. aus dem Nichts eher als aus Materie»; ähnlich Apol. 17,1; Resur. 11,6; Adv. Marc. 2,5,3; Rambaux 2005 [*1478: 23–26]). Da ein Anderes außer Gott damit ausgeschlossen ist, ergibt sich für Tertullian aus der ‘creatio ex nihilo’ zugleich die Einzigkeit Gottes (Adv. Hermog. 4,3), die ihm zukommt, insofern er als das «summum magnum» verstanden wird (Adv. Marc. 1,3,5), und seine Ewigkeit (Adv. Hermog. 4,3; 11,2). 2) Gott erhält die von ihm geschaffene Ordnung der Schöpfung zum Wohl des Menschen (Apol. 11,6; 17,4: «quibus continemur, quibus sustinemur», «durch die wir bewahrt, durch die wir erhalten werden») und hat sie als Erkenntnisquelle auf den Menschen hingeordnet, so dass aus Gottes Vorherwissen um seine künftige Erkennbarkeit im Medium der Schöpfung und ihrer Gutheit zugleich seine Gutheit erkannt werden kann (Adv. Marc. 2,3,3: «deus praesciebat, quid boni appariturum esset, et ideo in summam commisit bonitatem, apparituri boni negotiatricem», «Gott wusste vorher, wie viel Gutes erscheinen sollte, und deshalb vertraute er es seiner sehr großen Güte an, das künftige Erscheinen des Guten zu bewirken»). 3) Gott hat die natürliche Ordnung so eingerichtet, dass in ihr Prozesse erkennbar werden, die als ständige Abfolge von Vergehen und Wiedererstehen zu beschreiben (Apol. 48,8: «omnia pereundo servantur, omnia de interitu reformatur», «Alles wird bewahrt, indem es vergeht, alles wird aus dem Untergang erneuert»; Resur. 12,1–6) und damit als Bild für die Auferstehung zu verstehen sind (Resur. 12,7: «totus igitur hic ordo revolubilis rerum testatio est resurrectionis mortuorum», «Folglich ist diese ganze kreisläufige Ordnung der Dinge ein Beweis für die Wiederauferstehung der Toten»). In der Annahme einer Auferstehung von den Toten sieht Tertullian zugleich die Bestimmung Gottes als eines Richters impliziert, insofern die «causa restitutionis» («Ursache für die Wiederherstellung»: Resur. 14,3) darin besteht, ihn nicht nur als den Inbegriff des Guten, sondern auch als den Inbegriff des Gerechten zu erweisen (Resur. 14,4). Diese Bestimmung Gottes als ‘Richter’ wird zudem durch das «testimonium animae» nahegelegt, das sich in konventionellen Wendungen wie «deus videt» («Gott sieht es»), «deo commendo» («Gott empfehle ich es») und «deus mihi reddet» («Gott wird es mir vergelten») alltagssprachlich manifestiert (Apol. 17,6; Test. anim. 2,6–7; Georges 2011 [*1367: 289f.]). Die Gotteserkenntnis «ex testimonio animae» verbindet das antike consensusomnium-Argument (vgl. Cic. Tusc. 1,15,35; Nat. 1,1,2; Leg. 1,8,24) mit der stoi-
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schen Vorstellung von ‘notiones communes’ und geht in der von Tertullian vertretenen Form auf die Konzeption der ‘theologia tripertita’ des Varro zurück (Nat. 2,1,9–10). Tertullian unterscheidet dabei den allgemeinen Sprachgebrauch von religiösen Konventionen, versteht aber beide als sprachliche Ausdrucksformen einer ursprünglichen, kulturell noch nicht überformten Gotteserkenntnis (Test anim. 5,4–5), die der Offenbarungsreligion vorausgeht (Adv. Marc. 1,10,3: «Ante anima quam prophetia. Animae enim a primordio conscientia dei dos est», «Die menschliche Seele war früher als die Prophetie. Denn die Erkenntnis Gottes, die der Seele von Anfang an innewohnt, ist ein Geschenk Gottes»; vgl. Resur. 3,1–2). Aufgrund dieser Erkenntnispotenz, welche die Vernunft aus dem Zeugnis der ‘anima’ gewinnt, bezeichnet Tertullian die Seele als eine «anima naturaliter christiana» («eine natürlich christliche Seele»: Apol. 17,6). Die Bedeutung dieses Begriffs ist nicht zuletzt aufgrund widersprüchlicher Aussagen im Œuvre Tertullians (Test. anim. 1,7: «fieri enim non nasci solet Christiana [sc. anima]», «denn die christliche Seele entsteht mit der Zeit, sie wird nicht geboren») in der Forschung umstritten (Schneider 1991 [*1458], Georges 2011 [*1367: 290–292]). Im Vergleich mit sachlich entsprechenden Bemerkungen in anderen Werken Tertullians (Scap. 2,1–2: «Nos unum Deum colimus, quem omnes naturaliter nostis […]. Tamen humani iuris et naturalis potestatis est unicuique quod putaverit colere», «Wir verehren einen einzigen Gott, den ihr alle von Natur aus kennt […]. Dennoch gehört es für jeden zum menschlichen Recht und zur natürlichen Freiheit, das zu verehren, was er für gut hält»; Coron. 6,2: «Ipsum deum secundum naturam prius novimus, scilicet deum appellantes deorum et bonum praesumentes et iudicem invocantes», «Gott lernen wir zuerst durch die Natur kennen, wobei wir ihn Gott der Götter nennen, für gut halten und als Richter anrufen») sowie aufgrund seiner Auffassung von der menschlichen Seele ist die «anima naturaliter christiana» als das zwar durch die Sünde deformierte, aber noch wirksame Gute anzusehen, das Gott, insofern er als gut gedacht wird, der menschlichen Seele verliehen hat. Dieses Gute ist nach Anim. 41,1 «ursprünglich» («principale»), «göttlich» («divinum»), «wirklich» («germanum») und «im eigentlichen Sinne natürlich» («proprie naturale») und wird durch den christlichen Glauben bzw. die Taufe in seiner Ursprünglichkeit und Naturalität wiederhergestellt und ausdrücklich gemacht. Bezogen auf diese ursprüngliche Ausstattung kann die Seele «naturaliter christiana» genannt werden und die Grundlage dafür bieten, allgemein ein «ius humanum» auf Religion bzw. individuell eine «naturalis potestas» zur Religionsausübung abzuleiten (Scap. 2,1–2). Die dieser Auffassung inhärente Konzeption der menschlichen Seele entwickelt Tertullian in der methodenkritischen Absetzung von der antiken philosophischen Tradition (vgl. Anim. 1,1–3,3) und in Auseinandersetzung mit den häretischen bzw. gnostischen Strömungen seiner Zeit. Zugleich bezieht er sich in seinen einschlägigen Schriften auf sein verloren gegangenes, gegen Hermogenes gerichtetes Werk ‹De censu animae› (‹Über die ursprüngliche Natur der Seele›). Darin hatte Tertullian die Seele als aus dem Geist Gottes geschaffenen Hauch (Anim. 11,3: «flatus factus ex spiritu dei») bestimmt (Waszink 1947 [*1330: 7*–14*]). Terminologisch grenzt er die Seele damit vom «spiritus dei» ab, als dessen Abbild sie verstanden werden muss (Adv. Marc. 2,9,3: «imago ergo spiritus flatus»), und unter-
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scheidet sie gleichzeitig von der «materia», analog zu der Hermogenes sie versteht, wenn er behauptet, die Seele sei dem Körper wie etwas Stoffliches hinzugefügt worden (Anim. 1,1: «ex materiae suggestu», «aus materieller Substanz»; Waszink 1947 [*1330: 83]). Zugleich weist Tertullian mit dieser Definition die platonische Auffassung zurück, die Seele sei ungeschaffen (Anim. 4,1; vgl. Plat. Phdr. 246a), und lehnt die Annahme einer Präexistenz der Seele bzw. einer Seelenwanderung ab (Anim. 28–35). Vielmehr bestimmt er auf dem Hintergrund seiner Auffassung vom Ursprung der menschlichen Seele die Entstehung der individuellen Seele analog zum Schöpfungsakt. Wie dieser im biblischen Bild als die Zusammensetzung von Lehm und dem Anhauch Gottes erscheine, so werden auch beim Zeugungsakt im männlichen Samen zwei Substanzen, eine für die Seele und eine für den Leib, übertragen, aus denen gleichursprünglich das menschliche Leben vom Zeitpunkt der Empfängnis an bestehe. Daher beginne die Einheit von Seele und Leib für das menschliche Individuum mit der Empfängnis, ohne dass ein zeitliches Nacheinander einen Moment der Beseelung im embryonalen Zustand isolierbar mache (Anim. 27,1–7). Tertullian folgt in ‹De anima› mit dem traduzianistischen Modell dem medizinischen Lehrbuch des Soranos von Ephesos, dessen Theorie es Tertullian ermöglicht, nicht nur jede Form der Metempsychose auszuschließen, sondern darüber hinaus die Einheit von Seele und Leib mit einem organologischen Modell zu begründen (Waszink 1947 [*1330: 342–348]). Die unterstellte Einheit von Seele und Leib im Moment der Empfängnis bestimmt ebenso den weiteren Verlauf des Lebens, indem sich Seele und Leib in einem gleichzeitig vollzogenen Wachstumsprozess entfalten, und endet mit dem Tod (Resur. 45,4–5). Sachlich hält Tertullian dabei an der Vorstellung der Seele als einer geistigen Wesenheit fest (Alexandre 2001 [*1471: 235]), auch wenn ihm dadurch, dass er der Seele eine «corpulentia» (Anim. 5,1) bzw. «corporalitas» (Anim. 7,1) zuschreibt, schon aufgrund seiner Terminologie eine materialistische Seelenauffassung unterstellt wurde. Tertullian selbst räumt ein, dass die Bezeichnung «corpus» für die Seele nur in einer bestimmten Hinsicht verwendet werden kann (Anim. 9,1: «corpus propriae qualitatis et sui generis», «ein Körper spezifischer Qualität und von eigener Art»), hält aber daran fest, ihr über die Vorstellung eines in den Lebensjahren vollzogenen Wachstums hinaus auch körperliche Eigenschaften zuzuschreiben (Anim. 9,3–8), ohne diese Redeweise als anlog bzw. metaphorisch zu qualifizieren. Dass Tertullian die Bezeichnung «corporalitas» terminologisch konsistent zur Bezeichnung von epistemisch unterscheidbarer, ontologischer Substantialität verwendet, kann daraus deutlich werden, dass er auch die präexistent gedachte Seele Christi (Carn. 11) und Gott, insofern er «spiritus» ist, als «corpus» bezeichnen kann (Adv. Prax. 7,8). Der Begriff «corpus» bezeichnet damit die Eigenschaft von etwas, das als Subsistierendes Seiendes unterscheidbar macht (Carn. 11,4: «Si habet aliquid, per quod est, hoc erit corpus eius. Omne, quod est, corpus est sui generis», «Wenn sie [sc. die Seele] etwas hat, wodurch sie existiert, ist es eben ihre Körperlichkeit. Alles was existiert, ist ein Körper in seiner eigenen Art»). Insofern bezeichnet «corporalitas» in diesem Sinne den Selbstand der Seele, der nach Tertullian aufgrund ihrer Einheit als erwiesen gelten kann. Diese Einheit der unterschiedlichen Erkenntnisvermögen der Seele («animus», «mens», «sensus») sichert
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Tertullian, indem er sie als deren Funktionen («officium»), nicht aber als ontologisch wirksame Differenzierungen in verschiedene Substanzen versteht (Anim. 12,6), so dass eine hierarchische Ordnung der Seelenteile für ihn ebensowenig denkbar ist (Anim. 15–16) wie eine zeitliche Folge nacheinander entstehender Seelenfunktionen (Anim. 19–21) – «anima totum» («das Gesamte ist Seele»: Anim. 17,5). Dass Tertullian darüber hinaus die mit dem Terminus «corpus» bezeichnete Substantialität der Seele in Gestalt von Zuschreibungen körperlicher Eigenschaften konkretisiert, wird von ihm im ausdrücklichen Anschluss an Soranos damit begründet, dass nur so die Wechselwirkungen zwischen köperlich bzw. sinnenhaft vermittelten Eindrücken und körperlichen Zuständen auf der einen Seite und der Seele auf der anderen Seite erklärt werden könnten (Anim. 6,6). Den diesen Überlegungen zugrunde liegenden Begriff von «corporalitas» benutzt Tertullian auch dann, wenn er die Bezeichnung «corpus» auf den Geist Gottes anwendet, insofern dieser in der Lage sei, mit seinem Geist Körperhaftes zu bewirken (Adv. Prax. 7,7), und bezeichnet damit die Einheit der stofflichen Wirklichkeit mit deren Ursachen bzw. Formprinzipien. Die starke Betonung der «corporalitas» im Denken des Tertullian wird besser verständlich, wenn sie auf dem Hintergrund seiner Abgrenzung von der griechischen Philosophie erklärt wird, deren Abstraktions- und Schlussverfahren er in Anim. 2,2 als einen Verlust der Konkretion begreift (vgl. Waszink 1947 [*1330: 101]; doch vgl. auch Markschies 2016 [*238: 106ff.]). Insofern kann der Versuch des Tertullian, das antikphilosophische Seelenverständnis unter den Bedingungen einer christlichen Wirklichkeitssicht zu reformulieren, als ein bewusster Anschluss an Aristoteles gewichtet werden, den er im Titel seines Hauptwerkes zur Seelenlehre auch zum Ausdruck bringt (Alexandre 2001 [*1471: 228]). 4. NACHWIRKUNG
Die philosophische Nachwirkung Tertullians ist gering. Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts wird er zwar in der patristisch-theologischen Literatur breit rezipiert, aber schon Augustinus kritisiert in Gn. litt. 10,25,41 die Inkonsistenz seines Begriffs von «corporalitas». Hieronymus weist in ‹De viris illustribus› 53 zwar auf die Verbreitung der Werke Tertullians hin, erwähnt aber mit dem Verweis auf seine Hinwendung zum Montanismus nur die anti-kirchlichen Schriften mit der Angabe des Titels. Im ‹Decretum Gelasianum› wird Tertullian unter die «Apo crypha» gerechnet, deren Lektüre zu meiden ist. Die handschriftliche Überlieferung seiner Werke variiert zwar von Schrift zu Schrift, ist im Ganzen aber schmaler als bei anderen Autoren der Patristik, so dass seine Benutzung im lateinischen Mittelalter nur vereinzelt nachweisbar ist. Seine Latinität dagegen prägt, vermittelt über die patristische Literatur, die Begrifflichkeit der theologischen Spekulation. Erst bei Erasmus und Beatus Rhenanus findet Tertullian wieder größere Beachtung und gilt ihnen mit seiner anti-philosophischen Polemik und seinem Entwurf einer christlichen Hermeneutik als ein Gewährsmann gegen die spätscholastische, aristotelisch geprägte Theologie (D’Amico 1980 [*1520]). Um 1776 be-
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zieht sich Lessing auf Tertullians theologische Erkenntnislehre und seinen Begriff der «regula fidei», wenn er in der Auseinandersetzung mit Johann Melchior Goeze und Christian Wilhelm Franz Walch die Auffassung ablehnt, die frühen Christen hätten sich zur Formulierung ihres Glaubens vor allem auf den Bibeltext bezogen, ohne diesen durch theologische Spekulation zu reformulieren, so dass er in Tertullian den Beginn einer begrifflich verfahrenden systematischen Theologie erkennt.
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V. DAS ALEXANDRINISCHE CHRISTENTUM UND SEIN WEITERES EINFLUSSGEBIET § 97. Überblick Dietmar Wyrwa Unter alexandrinischem Christentum (die Bezeichnung eingebürgert von Oulton, Chadwick 1954 [*1538]) versteht man die besondere Ausprägung, die das in Alexandrien vertretene Christentum an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert angenommen hat. Diese Gestalt, zu unterscheiden von der hochkirchlichen alexandrinischen Theologie des 4. und 5. Jahrhunderts, muss vor dem Hintergrund des spezifischen kulturellen Milieus der Bildungs- und Wissenschaftsmetropole Alexandriens mit ihren globalen Wirtschafts- und Handelskontakten gesehen werden. In der gegenwärtigen Forschung setzt sich mehr und mehr die Auffassung durch, dass das Christentum schon früh in Alexandrien in judenchristlicher Ausprägung präsent war, dass es aber infolge des jüdischen Aufstandes der Jahre 115 bis 117 weitgehend dezimiert wurde. Während das Diasporajudentum Ägyptens dabei so gut wie ganz ausgelöscht worden ist, konnte sich das Christentum auf heidenchristlicher Basis neu sammeln (Pearson 1986 [*1540: 149ff.], Modrzejewski 1995 [*1542: 207–231], Martin 2003 [*1546], Mimouni 2003 [*1547]). Die reiche literarische Hinterlassenschaft des hellenistischen Judentums ist in diesem Verlauf von den alexandrinischen Christen übernommen und weitertradiert worden, und manche kirchlichen institutionellen Besonderheiten dürften auf ursprünglich jüdische Gegebenheiten zurückweisen. Insgesamt muss die Entwicklung des Christentums in dieser frühen Phase in vielfältiger Weise zu fruchtbarer geistiger Vitalität und zu großer Aufgeschlossenheit gegenüber den literarischen und philosophischen Bildungsangeboten vor Ort geführt haben, was auch auf Fremde attraktiv wirkte. Man hat davon gesprochen, dass in Alexandrien «das Christentum von Anfang an eine Religion der Gebildeten war, vielleicht sogar nur für Gebildete, und erst im Zuge seiner Geschichte zu einer Religion auch für einfachere Leute wurde» (Fürst 2007 [*1549: 11]). Innere Vielfalt blieb noch lange während der Frühzeit das charakteristische Kennzeichen. Gnostische Gruppierungen – sie mögen bisweilen eher den Charakter philosophischer Schulzirkel gehabt haben – dürften in nennenswerter Zahl vertreten gewesen sein (Oulton, Chadwick 1954 [*1538: 21–33], Le Boulluec 2003 [*1545: 590ff.]; einschränkend Löhr 2013 [*1552]), ohne dass die Trennungslinien zwischen Heterodoxie und Orthodoxie schon in jedem Fall klar gezogen gewesen wären. Bei gnostischen Vertretern machte sich, wie es scheint, zuerst ein verstärktes Interesse an exegetisch-philologischer Kompetenz (in Alexandrien seit jeher beheimatet) und an philosophischer Spekulation bemerkbar, das bald weitere Kreise im kirchlichen Umfeld ziehen sollte. Auch auf Nachrichten aus den Bereichen der Kultur- und Religionsgeschichte richtete sich der umfassender gewordene, wenn auch stets kritisch prüfende Gesichtskreis
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(Stroumsa 1996 [*1543: 352–361], Le Boulluec 2003 [*1545: 589–598]). Den in seiner Art unübertroffenen Höhepunkt aller dieser Strömungen stellen die beiden klassischen Vertreter des alexandrinischen Christentums, Clemens und Origenes, dar, obschon beide – aufschlussreich genug – zuletzt ihr Wirkungsfeld außerhalb Alexandriens fanden. Beide, Clemens und Origenes, sind als Lehrer an der sogenannten alexandrinischen Katechetenschule tätig gewesen (zu den Forschungskontroversen vgl. Le Boulluec 2003 [*1545: 576–588, 601–608], Wyrwa 2005 [*1548: 280–305]), und beide nahmen in ihrer Arbeit das gesamte Spektrum der bisherigen theologischen Profilbildungen auf. Sie wollen der Gemeindetheologie gerecht werden und gleichzeitig die Ansätze der Apologeten weiterführen sowie spezifisch alexandrinische Traditionen integrieren; sie stehen wie die sogenannten altkatholischen Väter in der Abwehrfront gegen die Häresien und wollen doch bestimmte, in ihrer Empfindung berechtigte Anliegen der gnostischen Strömungen gelten lassen. Die Aufgabenstellung, an der sie arbeiten, ist dadurch noch komplexer geworden, dass einerseits intern von Seiten der Gemeindefrömmigkeit, von den «simpliciores» (ἁπλούστεροι, «Einfacheren»), die absolute Genügsamkeit des schlichten Glaubens energisch eingefordert wird und andererseits von außen aktuell etwa durch Galen, Mark Aurel und Kelsos, aber auch durch den Satiriker Lukian gravierende philosophische Kritik am christlichen Glauben vorgebracht wird, die über die frühere diffuse Christenfeindschaft der paganen Öffentlichkeit hinausgeht. Was sie als Lösung anstreben, liegt auf der Linie, dass sie den kirchlichen Glauben als solchen epistemologisch rechtfertigen und seine soteriologische Vollgültigkeit bekräftigen, dass sie aber das Recht der theologisch-philosophischen Reflexion in Anspruch nehmen und aus der rationalen Struktur des Glaubens selbst legitimieren. Im Ergebnis führt das auf das als Denkform aus der Philosophie übernommene Konzept eines stufenweise voranschreitenden Erkenntniswegs hin zur Übergipfelung des Glaubens durch eine kirchliche Gnosis. Substantiell ist diese nichts anderes als der Gemeindeglaube, auf dem sie aufruht, aber sie ist die wissenschaftlich reflektierte und rational ergriffene Form, gewissermaßen die höhere, an die platonische ἐπιστήμη («Wissen[schaft]») angeglichene Stufe des Glaubens und damit seine Vollendung. Das konkrete Arbeitsprogramm, das damit in den Blick genommen ist, besteht in der engen Verbindung von gelehrter Bibelexegese und philosophischer Spekulation, wobei der Anschluss an das Bildungsgut der antiken Kultur impliziert ist. Es gibt nun allerdings ein Moment, das die Alexandriner bei dieser Konzeption neu in den geistigen Welthorizont des Christentums einbringen, das bei den früheren christlichen Theologen so noch nicht begegnete: die platonisch begriffene intelligible Sphäre, die gewissermaßen das Markenzeichen des alexandrinischen Christentums wird. Die spirituelle Leidenschaft beider, des Clemens wie des Origenes, gehört, verbunden mit der allegorischen Schriftauslegung, dem kontemplativ-transzendierenden Aufstieg zu Gott, und es ist kein Wunder, dass bei ihnen die massive Rezeption Philons beginnt (Runia 1993 [*1541: 132, 182f.]). In der geistigen Durchdringung der Glaubenswahrheit, so wiederholen sie es in immer neuen, durch die platonische Tradition vorbereiteten Variationen, wendet sich die vom Logos-Christus erleuchtete Vernunft von der materiellen
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Körperwelt ab und erhebt sich schrittweise in die intelligible Sphäre, um im Akt des Transzendierens zur Erkenntnis Gottes zu gelangen. Natürlich gibt es bei diesen gemeinsamen Bestrebungen auch individuelle Akzentsetzungen: Clemens steht der griechischen Philosophie so aufgeschlossen gegenüber wie sonst keiner, Origenes verhält sich da eher spröder, obwohl auch er in seinem Denken zutiefst von ihr geprägt ist. Zwischen beiden besteht ein deutlicher Unterschied in der systematischen Gesamtorientierung der als göttlicher Erziehung des Menschen geschlechts verstandenen Heilsgeschichte. Während Clemens an der eschatologischen Vollendung der anfangs noch unabgeschlossenen Schöpfung orientiert ist und dementsprechend eine linear aufsteigende, teleologische Bewegung zur Erreichung des im kontemplativen Aufschwung schon antizipierten letzten Zieles verfolgt, setzt Origenes bei der Erschaffung der präexistenten, intelligiblen Substanz der Geistwesen ein, deren Abfall zur materiellen Schöpfung führt, und zeichnet die heilsgeschichtliche Bewegung im Sinne eines zyklischen Verständnisses in rückläufigem Sinn, so dass Anfang und Ende, Ursprung und Ziel sich entsprechen und das Eschaton in der Rückkehr zum heilen Ursprung des Anfangs besteht. Indessen darf nicht übersehen werden, dass beide ihre Sicht nicht als feste dogmatische Lehrposition vertreten, sondern sie als philosophisch-theologische Lehrer, die in selbstverständlichem Austausch mit dem paganen Umfeld waren, in frei experimentierender Form entwickeln. Das erklären und begründen beide ausdrücklich. Bei Clemens ist dies schon durch die literarische Form der Buntschriftstellerei deutlich, und bei Origenes, dessen Systementwurf als dem Neuplatonismus gleichwertig erscheinen konnte (von Harnack 41909 [*1536: 659, 824], Lietzmann 1936 [*1537: 176]), ist die Methode des Fragens, des hypothetischen Abwägens und des oft offen gelassenen Ergebnisses das Korrelat der von den Aposteln legitimierten Freiheit der wissenschaftlichen Forschung (so Orig. Princ. praef. 3 u. ö.). Dennoch waren beide innerkirchlich nicht unumstritten, insbesondere gegen Origenes versammelten die «simpliciores» starke Widerstände (Hällström 1984 [*1539]). Als Origenes sich gezwungen sah, Alexandrien zu verlassen, und nach Caesarea Maritima übersiedelte, wurde der Unterrichtsbetrieb in Alexandrien an der dortigen sogenannten Katechetenschule weiterhin von philosophisch gebildeten Lehrern, anfangs noch von früheren Mitarbeitern und Schülern fortgeführt. Ihr Verhältnis zum einstigen Schulhaupt war nicht immer unproblematisch, doch gab es auch Lehrer, die seinem geistigen Vermächtnis, wenn auch nicht auf der einstigen Höhe des Niveaus, besonders nahestanden. Wie es scheint, wuchs jedoch der Druck von Seiten der «simpliciores» auf die von Origenes vermittelte allegorische Schriftauslegung und die philosophische Spekulation zunehmend an, so dass in der Regel die Bischöfe Alexandriens im 3. Jahrhundert auf Distanz zu ihm gingen und sich hinter die «simpliciores» stellten (Bienert 2003 [*1544]). Aber trotz dieser Belastungen ist seine Wirkung auch in Alexandrien nicht völlig erloschen. In Caesarea nahm Origenes seine Lehrunterweisungen im Rahmen einer schulischen Neugründung, die man als ‘Privatuniversität’ mit angegliederter exzeptioneller Bibliothek bezeichnen kann (Markschies 2007 [*1550: 102ff.]), wieder auf und entfaltete sehr erfolgreich und unangefochen eine weitreichende Ausstrahlung, so dass er zum einflussreichsten Theologen der griechischen Kirche wurde.
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Wenn am Übergang vom 3. zum 4. Jahrhundert ein Methodios, der selbst in mehrerer Hinsicht derselben alexandrinischen Tradition verbunden ist, schwere Angriffe gegen eine spirituelle Verflüchtigung der Auferstehungsvorstellung und gegen die Lehre von der ewigen Schöpfung und der Präexistenz der Seelen erhebt, dann ist nicht ganz eindeutig, ob er Origenes direkt oder nicht eher origenistische Epigonen im Visier hat. Doch trotz der Verteidigung, die sogleich aus Caesarea erfolgte, war damit ein Tor aufgestoßen, das genau wegen dieser kritischen Punkte zu den großen origenistischen Streitigkeiten am Ende des 4. Jahrhunderts und später führen sollte. Der christlich lateinische Sprachbereich dieser Zeit ist von den geistigen Tendenzen des alexandrinischen Christentums noch nicht berührt. Man folgt hier den Spuren Tertullians und benutzt im Wesentlichen römische philosophische Autoren, um apologetisch oder protreptisch die auf göttliche Offenbarung gegründete christliche Lehre als die allein wahre Gotteserkenntnis zu erweisen und auf dem Wege der Widerlegung der Lehren der Philosophen grundlegende Vorbehalte gegenüber dem philosophischen Anspruch auf Wahrheitserkenntnis zu formulieren.
§ 98. Clemens von Alexandrien Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Biographisch ist von Titus Flavius Clemens, wie der volle Name lautet, nur wenig bekannt. Abgesehen von wenigen Selbstzeugnissen finden sich unsere wichtigsten Informationen bei Eusebios von Caesarea (vor allem in dessen Hist. eccl. 5 und 6). Man nimmt an, dass er um 140/150 in einem paganen Elternhaus möglicherweise in Athen geboren wurde (vgl. Epiph. Haer. 32,6) und sich dort den Grundstock seiner erstaunlich umfangreichen Bildung angeeignet hat. Dass er vor seiner christlichen Konversion in Mysterienkulte eingeweiht gewesen war, ist nicht anzunehmen (Riedweg 1987 [*1704: 117–121]). Zum Christentum bekehrt, unternahm er auf der Suche nach geistigen Lehrern ausgedehnte Reisen im Mittelmeerraum, die ihn nach eigenem Bekunden von Griechenland nach Großgriechenland und in den Orient, d. h. nach Syrien, sowie nach Palästina führten, bis er in Alexandrien auf den entscheidenden Lehrer stieß, der seinem vertieften Erkenntnis-
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drang Genüge leistete und um dessentwillen er sich daselbst dauerhaft niederließ (Strom. 1,11,2). Das dürfte um 180 oder kurz danach gewesen sein. Als einzigen seiner Lehrer soll er ihn, wie Eusebios und Photios glaubhaft berichten, in einer nur fragmentarisch erhaltenen Schrift namentlich genannt haben: Pantainos, der von der stoischen Philosophie zum christlichen Glauben gefunden hatte und in Alexandrien als Leiter einer «Schule der geistigen Unterweisung» der wissenschaftlich-philosophischen Durchdringung der Glaubenswahrheit vorarbeitete. Fortan ist Clemens’ Wirksamkeit aufs Engste mit der dortigen sogenannten Katechetenschule verbunden, wo er bald Pantainos’ Mitarbeiter und später dessen Nachfolger wurde. Indessen ist das Bild, das Eusebios vom institutionellen und organisatorischen Zuschnitt der Schule zeichnet, in der Forschung verworfen worden: Es könne sich lediglich um einen freien, offenen Schulbetrieb in privater Initiative ohne institutionelle kirchliche Bindung mit dem Ziel eines eher allgemeinen christlichen Bildungsprogramms gehandelt haben. Diese kritische These von Bardy 1937 [*1631] und 1942 [*1632] ist fast einhellig akzeptiert worden; erst jüngst wurden größere Modifikationen geltend gemacht (Scholten 1995 [*1726], van den Hoek 1997 [*1734], Wyrwa 2005 [*1762]), die darauf hinauslaufen, dass sich Clemens’ Lehrtätigkeit nicht abseits der kirchlichen Institutionen Alexandriens vollzogen haben kann. «Diese zielte auf die Konversion der ‘Griechen’, richtete sich an Taufkandidaten und Getaufte, diente der Herausbildung spiritueller Lehrer oder kompetenter Katecheten, wobei die Unterweisung solcher Leiter die vorrangige Mission war» (Le Boulluec 2003 [*1755: 583]). Um die Jahre 200/203 bzw. 206/211, als die alexandrinische Kirche von lokalen Christenverfolgungen heimgesucht wurde, hat Clemens die ihm zur Wahlheimat gewordene Stadt verlassen, sei es dass er mit dem Klerus vor der drohenden Verfolgung ausweichen wollte (so die traditionelle Ansicht; doch ist er danach nicht wie die anderen wieder zurückgekehrt), sei es dass es bereits zuvor zu gravierenden Spannungen mit Bischof Demetrios gekommen war (Nautin 1961 [*1644: 118, 140]). Später begegnen wir ihm in Palästina in der Umgebung des Bischofs Alexander von Jerusalem, eines früheren Schülers von ihm, wo er den Rang eines Priesters, den er möglicherweise schon zuvor in Alexandrien erlangt hatte, nachweislich bekleidete. Um 215 befindet er sich auf einer kirchlichen Delegationsreise, die er im Auftrag des Jerusalemer Bischofs nach Antiochien unternahm (Eus. Hist. eccl. 6,11,5–6; Nautin 1961 [*1644: 114–118]). Um 220 wird er verstorben sein. Ein Brieffragment des besagten Bischofs Alexander an Origenes (231) hält das Angedenken an ihn und an Pantainos in preisender Erinnerung (Eus. Hist. eccl. 6,14,9; Nautin 1961 [*1644: 141]). 2. WERKE Von den bei Eusebios in einem unvollständigen Werkverzeichnis aufgelisteten Schriften des Clemens (Eus. Hist. eccl. 6,13) ist nur ein Teil überliefert, doch scheinen die wichtigsten und verbreitetsten Werke – sieht man von einem gravierenden Verlust ab – erhalten zu sein. Wenn
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deren Entstehungszeit sich auch nicht mehr exakt ermitteln lässt, so dürfte doch über die relative chronologische Abfolge im Sinn der von den Editionen gebotenen traditionellen Anordnung heute Einigkeit herrschen (Méhat 1966 [*1653: 50–54]).
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§ 98. Clemens von Alexandrien (Bibl. 1103–1111)
‹Protrepticus› Προτρεπτικὸς πρὸς Ἕλληνας – ‹Protrepti kos [Werbeschrift] an die Griechen› (Prot.) Eine Notiz bei Eus. Hist. eccl. 5,28,4–6 weist auf eine Abfassungszeit vor dem römischen Bischof Victor, d. h. vor 189, wenn mit ihr tatsächlich der ‹Protreptikos› gemeint ist (Zahn 1884 [*1618: 166– 167]). Der ‹Protreptikos›, abgefasst in großartigem rhetorischen Schwung, der sich besonders im Proömium (1–10) und im Schlussappell (118–123) zu fulminanter Höhe steigert (Steneker 1967 [*1658]), ist eine in der Tradition der Protreptik stehende, zur Mission unter den Griechen bestimmte Werbeschrift, welche die Adressaten von der Torheit und Haltlosigkeit der paganen Religionen überzeugen will und sie für die «wahre Philosophie», d. h. für das Christentum, zu gewinnen sucht. Gleich von den ersten Seiten an erweist sich Clemens als ein Mann der Bildung, der mit der griechischen Kultur von Grund auf vertraut ist und seine gelehrten Kenntnisse gern beiläufig einfließen lässt. Auch philosophische Anspielungen oder Reminiszenzen durchziehen fast das ganze Werk. Doch in geballter Konzentration findet die Auseinandersetzung mit der Philosophie in einem Übergangsstück statt, das zwischen einen apotreptischen Teil, wo die Mysterienkulte und das pagane Religionswesen in allen Ausformungen kompromisslos kritisiert werden (11–63), und dem eigentlich protreptischen Teil (82–123) eingeschaltet ist (zur Disposition vgl. Riedweg 1987 [*1704: 117 Anm. 5]). Hier bespricht Clemens zunächst anhand von doxographischen Vorlagen (Diels 1879 [*1617: 129–130]) die Ansichten der Vorso kratiker und weiterer Hauptrepräsentanten (Stoa, Peripatos, Epikur), denen er durchweg vorwirft, die Erkenntnis des wahren Gottes, des Schöpfers der Welt, verfehlt zu haben (64–67; vgl. 26,4). Eine Sonderstellung räumt er Platon ein, den er zum Gehilfen bei der Suche nach Gott aufruft und mit dem er in einen gewissermaßen sokratischen, literarisch mittels Zitaten inszenierten Dialog eintritt. Seinen Aussagen kann er zustimmen, kommen sie doch der Wahrheit nahe. Dank einer natürlichen, allen Menschen eingestifteten Anlage des Gottesbewusstseins vermochte Platon dunkel auf Gott hinzuweisen. Freilich meint Clemens, auch aufdecken zu können, dass er sein Wissen barbarischen Lehrmeistern verdankt, speziell den Hebräern seine «Meinung» – der Begriff δόξα ist mit Bedacht gewählt – über Gott (68–70). Anerkennende Wertschätzung und Restriktion liegen so direkt beieinander. Neben diesem einen Platon (εἷς οὗτος Πλάτων) weiß Clemens, auch Aussprü-
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che anderer Philosophen (Antisthenes, Xenophon, Kleanthes, Pythagoreer) aufzubieten, die dem protreptischen Ziel, den Leser zur Wahrheit zu führen, dienlich sein können (71–72). Ferner mustert er verschiedene Dichterworte durch (73– 76), um dann mit Weissagungen der Heiligen Schrift die Grundlage für den Weg zum Heil zu legen (77–81). Im Rahmen einer solchen protreptisch-missionarischen Strategie gilt die Philo sophie, soweit sie Spuren und Elemente der Wahrheit enthält, als Vorbereitung, als partikulare Vorstufe zur göttlichen Offenbarung, die ihrerseits kraft ihres universalen und absoluten Wahrheitsgehaltes das philosophische Erbe sowohl relativiert als auch zur Ganzheit und Vollendung führt. In diesem Sinn erklärt Clemens, angesichts der Menschwerdung des Logos-Christus «haben wir es nicht mehr nötig, auf menschliche Lehre auszugehen und uns vielgeschäftig um Athen, das übrige Griechenland und dazu um Ionien zu kümmern»; da der Herr der ganzen Schöpfung unser Lehrer ist und «jetzt alles in seine Schule nimmt, ist durch ihn bereits die ganze Welt zu Athen und Griechenland geworden» (112,1; vgl. 112,2; 113,1).
‹Paedagogus› Παιδαγωγός – ‹Der Erzieher› (in drei Büchern; Paed.) Der ‹Paedagogus› baut auf dem ‹Protreptikos› auf und bildet die unmittelbare Fortsetzung. Nun spricht der pädagogische Logos bzw. der ChristusLogos als Erzieher diejenigen an, die dem Mis sionsruf gefolgt sind und sich dem christlichen Glauben zugewandt haben, seien es Neubekehrte, seien es Taufbewerber, seien es getaufte Gemeindeglieder, um sie über ethische Fragen der praktisch-christlichen Lebensführung zu unterweisen. Zuvor sind jedoch in Buch 1 einige prinzipielle Grundfragen zu klären. Sie betreffen die theoretische Bestimmung und Verortung der sittlichen Unterweisung im christlichen Bildungsgang, muss doch die Seele erst durch praktische Frömmigkeit von den Affekten gereinigt und im tugendhaften Leben gefestigt werden, ehe sie zur Aufnahme der höheren Erkenntnis befähigt ist (1,1–11). Sie betreffen ferner Bedeutung und Tragweite des biblischen Begriffs der Gotteskindschaft (1,12–52) und die Verankerung der christlichen Pädagogik im umfassenden Rahmenwerk der göttlichen Heilsökonomie, wobei nachdrücklich herausgestrichen wird, dass Gottes Güte und Gottes Gerechtigkeit miteinander korrespondieren und selbst Drohung, Tadel und Strafen nur Erziehungsmittel Gottes
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sind (1,53–97). Kontroversen mit der heterodoxen Gnosis spielen in die beiden letzteren Themenkomplexe hinein. Am Schluss von Buch 1 steht eine Überleitung zu den praktischen Einzelvorschriften, wo der Inbegriff des Erziehungswerkes als Anpassung an den Pädagogen Christus bzw. als Imitatio Christi umschrieben wird und schließlich eine Reihe von Definitionen ethischer Grundbegriffe zusammengestellt sind (1,76–81. 98–103). Erst in Buch 2 und 3 werden die konkreten Weisungen, wie das Leben eines Christen zu sein hat, erteilt. In lockerem, unpedantischem Stil wird nun eine Fülle von Anleitungen unterbreitet, die sich auf alle Bereiche des täglichen Lebens erstrecken, auf das Verhalten bei Essen und Trinken sowie bei Geselligkeiten, auf Körperpflege, Kleidung und Schmuck, auf Ehe und Geschlechtsleben u. v. a. Das alles ist nicht nach einem strikten Plan gegliedert, doch scheint es unbeschadet mancher Unterbrechungen und Einschübe grob nach dem Schema des Tagesablaufes, beginnend mit der Hauptmahlzeit am Abend, dann der Nachtruhe, über die Morgentoilette und die Tagesbeschäftigungen bis zum Besuch der Thermen und sportlicher Übungen am späteren Nachmittag, zusammengehalten zu sein (so Marrou 1960 [*1563: 43–46]; ein anderer weniger überzeugender Dispositionsversuch bei Knauber 1972 [*1667: 328–332]). Den Abschluss bildet ein großartiger Hymnus auf den Heiland Christus (im Anschluss an 3,101,3). Es kann keine Frage sein, und das Werk selbst liefert mit seiner Themenauswahl, seinem gelehrten Stil, seiner gepflegten Sprache die untrüglichen Anzeichen dafür, dass das Christentum zu diesem Zeitpunkt bereits in die höheren und wohlhabenden Gesellschaftsschichten Eingang gefunden hat, wo man literarische Bildung zu goutieren wusste und philosophisch einigermaßen bewandert war. Die Wertschätzung dieser Kultur teilt Clemens ersichtlich mit den von ihm angesprochenen neugewonnenen Christen, wohingegen die maßgebliche Autorität natürlich die griechische Bibel des Alten und Neuen Testamentes ist. Die Zahl der biblischen Zitate im ‹Paedagogus› überragt denn auch die der nichtchristlichen bei weitem. Trotzdem sind die philosophischen Referenzen nicht bloß schmückendes Beiwerk, aber sie haben auch nicht einfach vorbereitenden, transitorischen Verweischarakter. Kritik wird nie geübt und nur einmal zurückgestellt (1,93,2). Im Vergleich zum ‹Protreptikos› stößt man hier, auf dem Feld der Moral, auf einen anders akzentuier-
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ten Gebrauch; denn hier sind die philosophischen Anleihen ein integraler Teil der ethischen Posi tionsfindung, die in sich selbst ihr volles Gewicht tragen. So baut Clemens eingangs wie selbstverständlich und ohne Vorbehalte den ganzen Apparat der technischen Begrifflichkeit aus der ethischen Theoriediskussion in seine eigene Argumentation bezüglich der Unterteilung der Wirksamkeit des Logos ein (Méhat 1966 [*1653: 72–95], Mühlenberg 2006 [*1768: 43–54]) und lässt später ebenso selbstverständlich regelrechte Serien ethischer Begriffsdefinitionen meist stoischer Herkunft folgen (Spanneut 1957 [*1640: 234f., 250, 312–314]). In der materialen Entfaltung der sittlichen Unterweisungen in Buch 2 und 3 ist es nicht anders; auch da stehen die Lehren der Philosophen für sich in Harmonie neben der Schrift. Unter den zahlreichen namentlich aufgeführten Philosophen (Pythagoras, Heraklit, Demokrit, Prodikos, Aristipp, Aristoteles u. a.) ist es wiederum Platon, dem – wie könnte es anders sein – höchste Lobesworte zuteilwerden. Sein Name fällt zwölfmal, und um ein vielfaches häufiger werden seine Schriften – an die 100 Anspielungen oder Zitate lassen sich ausmachen – herangezogen. Dass er Schüler der hebräischen Philosophie, eines Mose, David, Jeremia u. a., gewesen sei, erhöht in Clemens’ Augen nur sein philosophisches Renommee. Merkwürdigerweise werden die Stoiker, denen Clemens faktisch in der Ethik viel stärker als der platonischen Tradition verpflichtet ist, an den Rand gedrängt; nur zweimal überhaupt sind sie ausdrücklich genannt (1,102,2; 2,90,2), darüber hinaus einmal noch Zenon von Kition (3,74,3). Doch vielleicht das Erstaunlichste tritt bei einem der prominentesten Vertreter der sogenannten kynisch-stoischen Diatribe, bei Musonius Rufus, zutage. Clemens hat seine postum publizierten Lehrvorträge zu Themen wie Luxuskritik, Speisediätetik, Sexualmoral, weitgehender Gleichstellung der Geschlechter usw. intensiv ausgewertet, ja stellenweise nachweislich wörtlich abgeschrieben, ohne seinen Namen je zu erwähnen (Wendland 1895 [*1620: 68–73], Spanneut 1957 [*1640: 107–112, vgl. ebd. 265f. zu Epiktet], Pujiula 2006 [*1769: 42–49, ferner die Verweise im Register bei Pujula ebd. 416; zu Berührungen mit diätetischer Literatur ebd. 172f.]). Was auf der einen Seite wie ein schamloses Plagiat wirkt, kann auf der anderen Seite die komplette Integration philosophischen Gutes in Clemens’ eigene Positionsbestimmung bezeugen.
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§ 98. Clemens von Alexandrien (Bibl. 1103–1111)
‹Stromata› Στρωματεῖς bzw. mit vollem Titel Τῶν κατὰ τὴν ἀληθῆ φιλοσοφίαν γνωστικῶν ὑπομνημάτων στρωματεῖς – ‹Teppiche› bzw. ‹Teppiche gnostischer Darlegungen gemäß der wahren Philosophie› (in sieben Büchern; Strom.; zu Strom. 8 siehe unten) Das Werk, dessen Anfang nicht erhalten ist, ist unvollendet geblieben, oder seine ursprünglich ausgeführte Fortsetzung und der Abschluss sind verloren gegangen, doch galt es schon im Altertum als Clemens’ Hauptwerk, das ihm den Beinamen ὁ Στρωματεύς eintrug. Die Abfassungszeit lässt sich ungefähr um die Jahre 200 zur Zeit der Herrschaft von Septimius Severus ansetzen, da Clemens’ chronologische Berechnungen in Buch 1 mehr als einmal mit dem Tod des Commodus enden und er sich bereits auf anderweitige chronologische Arbeiten seither beziehen kann. Ein zentrales, nicht zur Ruhe kommen wollendes Problem betrifft die Zuordnung der drei genannten Werke zueinander. Da Clemens am Anfang des ‹Paedagogus› (1,3,3) drei Erziehungsweisen des Logos, die ermahnende, die erziehende und die belehrende, voneinander abhebt, ging die herkömmliche Ansicht davon aus, obwohl antike Bestätigungen dafür nicht existieren, dass Clemens’ Schriften in diesem Sinne aufeinander aufbauen und als Trilogie konzipiert wären, bis de Faye 1898 [*1621] bestritt, dass die ‹Stromata› der beabsichtigte Didaskalos sein könnten, und mit seiner Sicht nachhaltige Diskussionen auslöste. Soviel ist von ihm zweifellos richtig gesehen worden, dass die ‹Stromata› der Form nach etwas ganz anderes als eine systematische Darstellung der Glaubenslehre sind, aber strittig ist allemal, ob Clemens eine solche streng aufgebaute, systematisch durchgegliederte Dogmatik je hat schreiben wollen. Um diese Engführung zu überwinden, sind in neuerer Zeit spürbare Anstrengungen unternommen worden, die den Nachweis erbringen sollen, dass die Lehre des Didaskalos in die ‹Stromata› eingegangen ist. Gerade in der eigenwilligen literarischen Form der Buntschriftstellerei, der die ‹Stromata› schon durch ihren Titel zu gewiesen werden, habe Clemens die Möglichkeit erblickt, trotz der von ihm anerkannten grundsätzlichen Insuffizienz der Schriftlichkeit die ihm mündlich überkommene und prinzipiell dem mündlichen Lehrgespräch vorbehaltene höhere Erkenntnis der Schriftauslegung in verdeckter Weise schriftlich niederzulegen (Le Boulluec 1998 [*1735], Kovacs 2001 [*1746], mit Forschungs bericht Osborn 2005 [*1760: 5–18], Itter 2009
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[*1781]). Doch bleiben offene Fragen (Méhat 1981 [*1685: 102]), so dass die ‹Stromata› auch als selbständiges Werk gelesen werden können. Was die Form betrifft, sind die ‹Stromata› in der Tat durch eine gewollte Unordnung und eine bunte Mischung vielfältigster Nachrichten charakterisiert, wo inmitten aller ausufernden und planlosen Gelehrsamkeit die höhere Erkenntnis der Wahrheit, die rechtgläubige Gnosis, in Spuren eingestreut ist. Dadurch soll sie gewissermaßen gleichzeitig angedeutet und zurückgehalten, mitgeteilt und verhüllt, ausgesprochen und verschwiegen werden – mit der Folge, dass die geeigneten Leser zur eigenen, von Gottes Beistand getragenen Forschung und zur inneren, existentiellen Aneignung der Wahrheit angespornt werden, während ein unvorbereiteter und ungeeigneter Leser sich mit dem vordergründig Gebotenen begnügen und nichts weiter vermissen wird. So verstanden, lässt sich im Aufbau des Ganzen doch eine gedankliche Ausrichtung als Organisationsprinzip entdecken, das alles im Sinne der Hinführung zur wahren Gnosis durchwirkt. Die behandelten Hauptthemen sind, grob gesprochen, Folgende: Buch 1: die Eigenart der «Teppiche» (1,1–21), Bedeutung und Ursprung der Philosophie (1,22–100), die jüdische Chronologie und das mosaische Gesetz (1,101–182); Buch 2, nach einem Proömium (2,1–8): der Glaube (2,8– 31), die Tugenden (2,32–126), das höchste Ziel (2,127–136), die Ehe (2,137–147, bereits überleitend); Buch 3: Fragen der Sexualität (3,1–12) in Auseinandersetzung mit asketisch-weltverneinenden (3,13–25) und libertinistischen Irrlehren (3,25–44) sowie mit Enkratiten (3,45–110); Buch 4, nach einem Proömium (4,1–12): der Märtyrer (4,13–88) und der Vollkommene (4,89–172); Buch 5: Glaube und theologische Forschung (5,1–18), das symbolische Genus im Rahmen der Hermeneutik der höheren Erkenntnis (5,19–88), der Diebstahl der Hellenen (5,89–141); Buch 6, nach einem Proömium (6,1–3): Fortsetzung zum Diebstahl der Hellenen (6,4–38), die Philosophie und das universale Heil (6,39–59), das Porträt des Gnostikers (6,60–168; nun ändert sich der Stil etwas, die Gedankenführung ist nicht mehr so bunt zusammengewürfelt, sondern verläuft gradliniger); Buch 7, nach einem Proömium (7,1–4): Fortsetzung des Porträts des Gnostikers (7,5–88), Kampf gegen die Häresien (7,89–110), Nachwort und Ankündigung der Weiterführung der ‹Stromata› (7,110–111; eine Analyse der Bauelemente der Strom. bei Méhat 1966 [*1653: 179–276, und eine detaillierte Inhaltsangabe ebd. 276–279]). Auf dem langen und nicht selten beschwerlichen Weg, den die ‹Stromata› den Leser zur inneren,
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geistigen Durchdringung der Wahrheit in der Gnosis führen wollen, fällt nahezu auf jeder Seite mindestens auch ein Seitenblick auf die Philosophie, der sich oft zu kompakten Einlassungen ausweitet. Nicht weniger als ca. 100 Namen von Philosophen und Philosophinnen (!) begegnen, und deutlich höher liegt die Zahl, wenn man alle diesbezüglichen Nachrichten, alle Zitate und freien Wiedergaben einzeln mitrechnen wollte. Aber nicht nur vom Umfang her, auch aufgrund des Gebrauchs, der von diesem Fundus gemacht wird, bieten die ‹Stromata› ein umfassendes Bild von Clemens’ Einschätzung der Philosophie, wo alle denkbaren Nuancierungen und argumentativen Stoßrichtungen voll ausgebildet sind. Doch weist dieses Bild in mancher Hinsicht auch Berührungen mit dem kulturellen Hintergrund der Zeit auf. Wie bei den philosophisch aufgeschlossenen Zeitgenossen stößt man auf das gleiche Interesse an Schulgenealogien und doxographischen Informationen (vgl. Diels 1879 [*1617: 244f.]); man erkennt die gleiche Vorliebe für ausgesuchte, seltene Worte der Vorsokratiker (vgl. Valentin 1958 [*1642], Mansfeld 1984 [*1690], Dinan 2002 [*1751]; ferner die Register bei DK); man spürt den gleichen eklektischen Zug zur «grande alliance» unter den philosophischen Richtungen (Jaeger 1963 [*1646: 31]), der den Skeptizismus und den Garten Epikurs grundsätzlich ausschließt – den einen wegen seiner philosophischen Nichtigkeit, den anderen wegen der Vergötzung der Lust und der Leugnung der göttlichen Providenz –, der aber auch Abstriche beim Peripatos und der Stoa macht – dort wegen des Ausschlusses der Providenz aus dem sublunaren Bereich, hier wegen des materialistischen Pantheismus (Chadwick 1967 [*1657: 170f.], Lilla 1971 [*1664: 41–59]); man beobachtet eine gleiche Vernachlässigung der jüngsten Autoren der Gegenwart – dass Numenios genannt wird (Strom. 1,150,4), ist eine begründete Ausnahme – zugunsten einer erklärten Reverenz gegenüber der grauen Vorzeit, speziell gegenüber dem höheren Alter der barbarischen Weisheit (Waszink 1963 [*1647], Dörrie 1973 [*1670], Baltes 1999 [*1738]); und natürlich gilt hier wie da Platon als der Philosoph schlechthin, der mit über 140 namentlich ausgewiesenen Bezugnahmen in den ‹Stromata› präsent ist (zur Platon-Rezeption Wyrwa 1983 [*1689], Rizzerio 1997 [*1732]). Dass Clemens das alles aus erster Hand kennt, ist nicht anzunehmen. Wie seine Zeitgenossen schöpft auch er sein Wissen weitgehend aus sekundären Quellen, aus Handbüchern und Anthologien usw., aber es ist unstreitig, dass er mit Platon – wie übrigens auch mit Homer und eventuell noch mit Eu-
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ripides und Menander – aus eigener, direkter Lektüre vertraut war (Chadwick 1966 [*1651: 37]). Hinzu kommt ein neues, gewichtiges Element, die Schriften Philons. Clemens ist der erste christliche Autor, bei dem man über bloße Mutmaßungen hinaus mit absoluter Sicherheit sagen kann, dass er Philon gelesen hat. Viermal nennt er ihn beim Namen (Strom. 1,31,1. 72,4. 151,2; 2,100,3) – merkwürdigerweise tituliert er ihn, ohne seine jüdische Glaubenszugehörigkeit damit verschleiern zu wollen, zweimal als Pythagoreer (Runia 1995 [*1725]) –, und an zahlreichen Stellen hat er ihn stillschweigend benutzt, teils ausgiebig in zusammenhängenden Sequenzen, wofür über 80 Fälle registriert werden können, teils in isolierten, meist freieren Anspielungen (van den Hoek 1988 [*1709, mit statistischer Erschließung ebd. 223f.]). Dass er diesem Erbe in Fragen der Bibelexegese, zumal der allegorischen Schriftauslegung, daneben aber auch in zentralen philosophisch-theologischen Themen verpflichtet ist, steht außer Frage, doch ist die theologische Tragweite dessen umstritten (van den Hoek 1988 [*1709], Runia 1993 [*1719: 132–156], Osborn 2005 [*1760: 81–105]). Allein im Laurentianus V 3, dem ältesten Textzeugen der ‹Stromata›, sind drei Anhänge an Strom. 1–7 angeschlossen, die zwar Clemens mit Recht zugeschrieben werden, aber aus überlieferungsgeschichtlichen, kompositionstechnischen und stilistischen Gründen in der vorliegenden Form nicht zu den von ihm publizierten Werken gerechnet werden können und deshalb der Forschung intrikate Probleme bereiten. Ihrem literarischen Charakter nach stellen sie sauber ausgeführte, doch splitterhafte und unabgeschlossene Notizen dar. Es handelt sich dabei um folgende drei Stücke, die jeweils nur einen Bruchteil des durchschnittlichen Umfangs eines Einzelbuches der ‹Stromata› einnehmen:
‹Stromata 8› Στρωματέων ὄγδοος – ‹Buch 8 der Teppiche› Das Buch enthält philosophische Argumente zur Lehre vom Beweis (1–15), Angriffe gegen die pyrrhoneische Skepsis (15–24) und Erörterungen zur philosophischen Lehre von den αἰτίαι (25–33; Roberts 1989 [*1713], Rizzerio 1997 [*1731], Servino 2001 [*1748], Bergjan 2008 [*1776], Havrda 2011 [*1790] und 2016 [*1813]). Spuren einer abweichenden, kürzeren Rezension sind an einer eingeschobenen Überschrift zu erkennen, die sich
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auf das Folgende bezieht (16 und eine entsprechende Subscriptio nach 33). Ob Eusebios die uns vorliegende Fassung von Buch 8 im Auge hatte, als er notierte, dass von Clemens noch alle acht Bücher der ‹Teppiche› erhalten sind (Hist. eccl. 6 13,1), erscheint möglich, lässt sich aber nicht mit Sicherheit erweisen.
‹Excerpta ex Theodoto› ᾿Εκ τῶν Θεοδότου καὶ τῆς ἀνατολικῆς καλουμένης διδασκαλίας κατὰ τοὺς Οὐαλεντίνου χρόνους ἐπιτομαί – ‹Auszüge aus Werken des Theodotos und der so genannten östlichen Lehre zu Zeiten des Valentinus› (Exc. Thdot.) Der Titel ist irreführend, da das Konvolut nicht nur Auszüge und Referate aus valentinianischen Quellen, sondern häufig diese im Kontext kritischer Zurückweisungen und Kommentierungen enthält. Zudem fehlt in der Handschrift eine Subscriptio, während an deren Stelle die Überschrift des folgenden Stückes gerückt zu sein scheint. Deshalb erhebt Markschies 1997 [*1730: 433f.] weitergehende Bedenken.
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zeugend Zahn 1884 [*1618: 104–130]) oder aus dieser sowie aus den ῾Υποτυπώσεις exzerpiert hat (Nautin 1976 [*1680]; zustimmend im Blick auf Strom. 8 Rizzerio 1997 [*1731], Le Boulluec 2003 [*1755: 583 Anm. 59]).
‹Quis dives salvetur› Τίς ὁ σῳζόμενος πλούσιος – ‹Welcher Reiche wird gerettet?› (Q. d. s.) Der vollständig erhaltene homiletische Traktat ist thematisch eng mit dem ‹Paedagogus› verwandt; denn auch hier geht es um Fragen der seelsorgerlichen Betreuung wohlhabender Christen. Eine zum Teil allegorische Auslegung der Perikope vom reichen Jüngling (Mc. 10,17–31) legt im Verbund mit konkreten Ermahnungen dar, dass der rechte christliche Umgang mit dem Reichtum sein Maß und Ziel vom Liebesgebot und der Bußforderung empfängt. Dazu empfiehlt Clemens dem Reichen, sich einem Seelenführer aus der Gemeinde zu unterstellen (1–3: Vorwort; 4–26: exegetischer Teil; 27–42: Ermahnungen; Ritter 1975 [*1678]).
Fragmente ‹Eclogae propheticae› ᾿Εκ τῶν προφητικῶν ἐκλογαί – ‹Ausge wählte Stücke aus den Prophetenschriften› (Ecl.) Unter diesem ebenfalls nicht ganz zutreffenden Titel sind kurze Proben von exegetischen Behandlungen ausgewählter Bibelstellen ohne feste Verbindung zusammengestellt, wobei offenbar die ersten Verse der ‹Genesis›, bestimmte Verse aus ‹Daniel› und ‹Hosea› sowie Ps. 18 besonderes Gewicht tragen. Welche Bestimmung diese drei Anhänge ursprünglich hatten, ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt. In der Regel nimmt man an, es handle sich um persönliche Vorarbeiten, die Clemens selbst für die geplante Fortführung der ‹Stromata› angefertigt habe (Heine 2004 [*1756: 118, 120]). Aber auch andere Hypothesen lassen sich plausibel begründen. Man kann in ihnen Materialsammlungen, die Clemens schon bei der Ausarbeitung der Strom. 1–7 benutzt hat, sehen (so besonders im Hinblick auf die ‹Excerpta ex Theodoto› Kovacs 2006 [*1766]) oder umgekehrt sekundäre Auszüge, die ein späterer Schreiber aus der heute verlorenen, aber von Clemens vollendeten Fortsetzung der ‹Stromata› (so weniger über-
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῾Υποτυπώσεις – ‹Abrisse› Der bedauerlichste Verlust in Clemens’ Hinterlassenschaft ist, dass sich von den ‹Hypotyposen› nur einige Fragmente erhalten haben, während im Altertum dieses Werk, das in acht Büchern wahrhaft gnostische Bibelauslegungen enthielt, neben den ‹Stromata› als Clemens’ Hauptwerk angesehen wurde. Die Vermutung, dieses sei noch vor seinen überlieferten Werken entstanden (Riedinger 1960 [*1643: 156]), hat sich nicht durchgesetzt. Photios, der es noch im 9. Jahrhundert gelesen hat (Bibl. cod. 109, 89a, in der Edition von Stählin, Treu 31972 [*1559: I XIV–XV]), beanstandete darin eine größere Anzahl gravierender dogma tischer Irrtümer: Die Lehre von einer zeitlosen Materie (ὕλην ἄχρονον) und den Ideen, die Geschöpflichkeit des Sohnes Gottes, die Seelenwanderungslehre, eine zyklische Weltenlehre mit einer Vielzahl von Welten vor Adam, eine unwürdige Erklärungsweise der Entstehung Evas, Begattung der Engel mit Menschentöchtern, doketische Inkarnation des Wortes Gottes, die Existenz zweier Logoi des Vaters, von denen nur der niedere den Menschen erschien, und viele andere Blasphemien. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Photios’
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Angaben auf voreingenommenen Missverständnissen beruhen (Ashwin-Siejkowski 2010 [*1783]) oder ihm eine korrupte, wenn nicht gar pseudepigraphisch entstellte Textfassung vorlag (Markschies 1993 [*1718]). In den erhaltenen Werken auf jeden Fall findet sich nichts dergleichen. Auf Griechisch sind etwa 30 kürzere Stücke erhalten, und ein größerer Teil mit Erklärungen zu einzelnen Versen aus den Katholischen Briefen liegt in lateinischer, auf Cassiodor zurückgehender, glättender Übersetzung unter dem Titel «Adumbrationes Clementis Alexandrini in epistolas canonicas» vor (neue Fragmente bei Riedinger 1960 [*1643] und Di Benedetto 1983 [*1686], sowie Plátová 2010 [*1789] und 2013 [*1807]). Die Reste zeigen, dass es sich nicht um eine fortlaufende Ex-
egese bestimmter biblischer Bücher handelte, sondern dass nur ausgewählte Einzelverse ganz überwiegend aus dem NT in Form von Scholien ausgelegt wurden. Die Fragmente weiterer Schriften sind so marginal, dass sich hier eine Aufzählung erübrigt. Ob ein jüngst im Kloster Mar Saba entdecktes Brieffragment mit einigen Zeilen aus einem geheimen ‹Markus-Evangelium› wirklich echt ist, wird sich kaum mit Gewissheit entscheiden lassen (der Text in Stählin, Treu 21980 [*1559: IV,1 XVIIf.], dazu Smith 1973 [*1673], Criddle 1995 [*1722], Le Boulluec 1996 [*1727]; eine knappe Übersicht über den Diskussionsstand bei Markschies 2007 [*1773: 273–276], Martin 2007 [*1774]).
3. LEHRE
1. Herkunft und Bedeutung der Philosophie. – 2. Die epistemologische Bestimmung des Glaubens und die wahre Gnosis. – 3. Anthropologie und Ethik. – 4. Kosmologie bzw. Schöpfungslehre. – 5. Gott und der Logos-Christus. – 6. Der kontemplative Aufschwung und die Eschatologie.
Zwei Vorbemerkungen sind an dieser Stelle nötig. Wenn im Folgenden versucht wird, aus Clemens’ Schriften einen doxographischen Lehrgehalt zu erheben, so ist das nicht unproblematisch. Seine oftmals in der Schwebe bleibende, experimentierende Darstellungsweise, die immer darauf abzielt, den Leser ins Gespräch einzubeziehen, widerstrebt im Grunde jeder Systematisierung. Neben diesem grundsätzlichen Vorbehalt ist durchgängig zu berücksichtigen, dass hier bewusst ein philosophiegeschichtlicher Zugang gewählt wird. Eine Skizze von Clemens’ Denken müsste anders aussehen, wenn seine Theologie im Ganzen etwa einschließlich des weiten Feldes der Bibelauslegung, einschließlich auch seiner Auseinandersetzung mit heterodoxen Strömungen darzustellen wäre. Doch ist die philosophische Tradition bei ihm derart präsent, dass die Konzentration auf sie keine Verfälschung seines theologischen Denkens bedeutet. 1. Herkunft und Bedeutung der Philosophie Kein christlicher Schriftsteller des Altertums hat in so hohen Tönen von der griechischen Philosophie gesprochen wie Clemens. Seine Hauptthese besteht darin, dass die Philosophie ein Werk der göttlichen Providenz ist, dass sie im Rahmen der Heilsökonomie Gottes die Aufgabe hat, die Griechen auf die in Christus offenbar werdende Wahrheit vorzubereiten. Insofern stellt sie, wenn auch nicht auf der gleichen Stufe, ein Gegenstück zum mosaischen Gesetz dar, das den Juden
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als Erzieher auf Christus hin gegeben war (Strom. 7,11,1f.; 6,44,1. 159,8f.; 1,28,2f.). Wie das Gesetz der Bund Gottes mit Israel war, so war die Philosophie gleichsam eine spezielle διαθήκη für die Griechen (Strom. 6,67,1. 42,1f.). Um diesen Grundgedanken näher zu entfalten, bietet Clemens mehrere, manchmal miteinander verbundene, aber nicht immer harmonierende Theorien an, die er in der Regel aus der jüdisch-christlichen Apologetik übernommen hat und gelegentlich bloß noch besonders akzentuiert. So kann er erklären, dass griechische Philosophen bisweilen auf wahre Sachverhalte gestoßen sind – durch glücklichen Zufall, freilich dank göttlicher Providenz, oder durch die angeborene, natürliche Vernunftbegabung (im Sinne einer ‘revelatio generalis’) oder durch eine gewisse Art prophetischer Inspiration (diese Möglichkeit, bei der Clemens in erster Linie an die frühesten Archegeten der Weisheit denkt, scheint er als Erster erwogen zu haben) oder durch eine indirekte Abspiegelung der Wahrheit in der Seele, d. h. durch einen Rekurs der Seele auf sich selbst als Ebenbild Gottes (Strom. 1,80,5. 94,1–3; vgl. Molland 1936 [*1630]). Aber den breitesten Raum nimmt die im Kern ebenfalls traditionelle, durch Ioh. 10,8 abgestützte Theorie vom Diebstahl der Hellenen ein, die besagt, dass die griechischen Philosophen die besten ihrer Lehren aus dem Alten Testament entwendet haben (Ridings 1995 [*1724]), was mit ausführlichen chronologischen Nachweisen zum höheren Alter Moses und der jüdischen Weisheit untermauert und in einen umfassenden Entwurf der Kultur- und Geistesgeschichte – zumal in der gemilderten Variante, die nicht von Diebstahl, sondern von einem Schülerverhältnis spricht – integriert wird (Daniélou 1973 [*1669: 48–68], Droge 1989 [*1710: 138–149]). Außerdem bringt Clemens untergeordnete Engelmächte als Vermittler der Philosophie ins Spiel (Strom. 1,80,5; 6,161,2. 6), seien es die Völkerengel, die der Gottessohn selbst damit beauftragt hat (Strom. 5,10,2; 7,6,4), seien es die nach Gen. 6,2 gefallenen Engelmächte, deren unstatthafte Wissensübergabe Gott auf jeden Fall wegen der damit verbundenen Nützlichkeit nicht verhindert hat (Strom. 1,81,4; 5,10,1–3; vgl. Lilla 1971 [*1664: 29], Bauckham 1985 [*1692]). Alle diese Erklärungsweisen implizieren, dass die zu den Griechen gelangte Wahrheitserkenntnis von eingeschränkter Natur gewesen ist. Was die Philosophen erkannt haben – nur dunkel und mehr ahnend –, sind mehr oder weniger rudimentäre Teilmomente der Wahrheit, die zudem nicht selten durch eigenes Missverständnis oder durch Dämoneneinwirkungen entstellt worden sind. Auch was sie gestohlen haben, werden sie erst wirklich begreifen, wenn sie sich zum christlichen Glauben bekehren (Strom. 1,100,4f.). Aber immerhin, schaut man auf das beste Erbe, das die Griechen hinterlassen haben, dann sticht in Clemens’ Augen ganz klar die providentielle Bedeutung der Philosophie hervor, die in der Vergangenheit gut und nützlich war und allemal noch einen nicht zu missachtenden Wert hat, weil sie in gewissem Betracht eine unentbehrliche Hilfe für die Hinführung zur vollen Wahrheit ist. Aus diesem Grund lässt Clemens eine in christlichen Kreisen ebenfalls umlaufende Ansicht über die Herkunft der Philosophie auf keinen Fall gelten, nämlich dass sie ein Werk des Teufels sei (Strom. 1,44,5. 80,5. 84,6f.; 6,66,1–5. 159,1f.), wie er denn auch im Unterschied zu den meisten altkirchlichen Autoren niemals den Einfluss der Philosophie für die Entstehung der Häresien, von einer Ausnahme vielleicht abgesehen (Strom. 3,3,3), verantwortlich macht (Le Boulluec 2003 [*1755: 593]).
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Das derart reich nuancierte Erklärungsspektrum ermöglicht es Clemens, einen ebenso differenzierten Gebrauch von dem von ihm beigebrachten philosophischen Material im konkreten Fall zu machen. Nahezu jede wichtigere Gedankenformation weiß er philosophisch zu unterlegen. Polemisch bekämpft er alle philosophischen Positionen, sofern sie in gottlosen Meinungen befangen sind. Doch kann eine eklektisch gereinigte Auswahl philosophischer Lehren protreptisch der Mission unter philosophisch Interessierten wie auch apologetisch der Verteidigung des Glaubens gegenüber Angriffen von außen dienen. Dieselben Argumente können aber auch nach innen zur Rechtfertigung der Philosophie, speziell des Gebrauches, den Clemens selbst von ihr macht, gegenüber innerkirchlichen Kritikern eingesetzt werden. In diesem Kontext kann der Beitrag von Nutzen sein, den sie zur Bekräftigung der Glaubensgewissheit angesichts sophistischer Einreden zu leisten vermögen. Eine wichtige Rolle spielt philosophisches Gut in der innerkirchlichen ethischen Unterweisung, und sogar in der pastoralen Seelsorge kann es einen Platz finden. Darüber hinaus stellt das Arsenal der Philosophie auch hilfreiche Waffen für den Kampf gegen die Häresie bereit (May 1983 [*1687], Wyrwa 1983 [*1689: 190–224], Le Boulluec 1985 [*1693: II 270–304]). Aber mit alledem ist noch nicht das Entscheidende, dasjenige, dem Clemens’ ureigenstes Anliegen gilt, gesagt. So gewiss die offenbarte Wahrheit in Christus vollkommen und letztgültig ist, so gewiss sie keiner Ergänzung bedarf noch fähig ist, so ist dennoch die Philosophie das Mittel, um das Innerste und Höchste der christlichen Offenbarung geistlich zu erschließen. Basierend auf der Schrift und im Einklang mit der Glaubensregel wirkt sie auf verschiedenen Wegen wie etwa der «wahren Dialektik» (Strom. 1,177,1– 179,4) oder der «wahrhaft gnostischen Physiologie» (Strom. 4,3,1f.) mit, um den Aufstieg zur Erkenntnis der Transzendenz Gottes in der wahren Gnosis zu vollziehen (zum Ganzen vgl. Camelot 1931 [*1628], Osborn 2005 [*1760: 197–212]). 2. Die epistemologische Bestimmung des Glaubens und die wahre Gnosis Es kommt einer Pionierleistung gleich, dass Clemens als erster christlicher Theologe die Frage nach der epistemologischen Bestimmung des Glaubens aufwirft und sie mit philosophischen Konzepten zu beantworten sucht, auch wenn sein begriffliches Instrumentarium und seine Lösungen noch nicht völlig kohärent sein mögen. Drei Fronten sieht er sich gegenüber, an denen sein Einsatz gefordert ist. Auf der einen Seite stehen heidnische Kritiker, die den christlichen Glauben als intellektuell haltlos, als unvernünftig anprangern. Auf der anderen Seite stehen schlichte, aber engherzige Gläubige, die sicherlich nicht ausschließlich der ungebildeten Unterschicht, den Armen in der Gemeinde, angehören. Sie insistieren auf der strikten Annahme der autoritativen Glaubensbotschaft und lehnen philosophisch-theologische Reflexionen ab. Und auf der dritten Seite stehen die häretischen Gnostiker, die den Glauben als für die Kirchenchristen passende, aber unzureichende Stufe diffamieren, während erst ihre Gnosis, ein religiöses, nicht-rationales Wissen von göttlichen Geheimnissen, das den Erwählten ihrer eigenen Reihen zuteilwird, die Erlösung gewährt (Chadwick 1966 [*1651:
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51–54], Lössl 2002 [*1752]). Bei diesen Auseinandersetzungen führt Clemens eine Fülle recht heterogener Argumente ins Feld, aber eine zentrale Bedeutung kommt dabei Elementen der aristotelischen Lehre vom Beweis zu, die, mit stoischen Einschlägen versetzt, durch die Schultradition bereits vermittelt sind (Lilla 1971 [*1664: 118–142], Solmsen 1973 [*1674], Clark 1977 [*1682: 16–26]). Der Begriff πίστις («Glaube») bezeichnet demnach zum einen ein unmittelbares Überzeugtsein von etwas Vertrauenswürdigem, was auch mit συγκατάθεσις («Zustimmung»), προαίρεσις («Wahl») oder πρόληψις («Vorwegnahme»; in Strom. 2,16,3 sogar mit direktem Bezug auf Epikur) umschrieben werden kann, insbesondere aber das unmittelbare Überzeugtsein von ersten unbeweisbaren Axiomen eines Beweises. Πίστις bezeichnet zum anderen die aus dem Beweisverfahren, speziell aus einem wissenschaftlichen Beweis resultierende gefestigte, unerschütterliche Gewissheit, dass das Bewiesene unbezweifelbar wahr ist. Insofern stehe sie höher als das Wissen und sei dessen Kriterium (Strom. 2,15,5; dazu Clark 1977 [*1682: 22f.]). Clemens bezieht diesen doppelten πίστις-Begriff auf den christlichen Glauben im Sinne einer freigewählten Zustimmung zur Autorität und Liebe Gottes. Dieser Glaube ist nicht unvernünftig, weil es der menschlichen Vernunft grundsätzlich gar nicht anders möglich ist, Gott, das erste, unableitbare Prinzip, zu erfassen, als im Modus des auf die Offenbarung antwortenden Glaubens. Und er vermag im Sinne eines Kriteriums letztlich das Urteil über Wahrheit oder Unwahrheit jeder anderen Erkenntnis zu fällen. Dieser Glaube ist ferner auf seine eigene reflexive Entfaltung angelegt, weil er selbst auf ein volleres und tieferes Verständnis dessen, was implizit in ihm enthalten ist, drängt, um sich mit den Mitteln der philosophisch-theologischen Forschung seines Gehaltes analog zur Struktur eines Beweisverfahrens in unerschütterlicher Gewissheit zu versichern. Überdies ließe sich die Nutzlosigkeit der Philosophie nur auf dem Wege des Philosophierens erweisen, wie der berühmte Aphorismus aus Aristoteles’ ‹Protreptikos› besagt (Strom. 1,19,1; 6,162,5). Dieser Glaube ist schließlich wie bei einem Beweisverfahren sowohl der Ausgangspunkt als auch seiner Substanz nach das Resultat aller philosophisch-theologischen Bemühungen. Jenes ist gewissermaßen die Embryonalform, dieses die vollendete Entwicklungsstufe, die in der Regel γνῶσις genannt wird, aber nicht selten auch πίστις heißen kann. Beide sind aufeinander bezogen (Strom. 2,16,2; 5,1,3; 7,57,3). Schon der Glaube genügt zum Heil, und niemals stößt die Gnosis – im Gegensatz zur häretischen Form – den Glauben von sich ab (vgl. die breitere Entfaltung bei Daniélou 1973 [*1669: 303–322], Rizzerio 1997 [*1731], Osborn 2005 [*1760: 182–196], Bergjan 2008 [*1776]). So klar die formalen Beziehungen zwischen Pistis und Gnosis zu erfassen sind und so deutlich dabei die kirchliche Umprägung des von ihm okkupierten Modewortes «Gnosis» hervortritt, so schwierig und entsprechend umstritten ist eine inhaltliche Füllung bzw. traditionsgeschichtliche Herleitung dessen, was Clemens unter Gnosis versteht. Bezeichnenderweise hat er sich zu dieser Zentralfrage bloß andeutend und verhalten geäußert, während er im Übrigen doch recht wortreich das Porträt des Gnostikers – allerdings auch dieses nur aus ethischer Perspektive und in apologetischer Abzweckung – beschreibt. So nimmt es nicht wunder, dass zahlreiche, sehr divergierende Interpretationen in dieser Sache vertreten worden
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sind und eine allgemein akzeptierte Definition nicht in Sicht ist (vgl. Méhat 1966 [*1653: 421–423]). Lediglich soviel scheint gewiss zu sein, dass es sich dabei im Kern um eine esoterische, ursprünglich rein mündliche Tradition von zumindest in einigen Punkten sehr strengen Lehren gehandelt haben dürfte, die vorrangig an bestimmte Bibelauslegungen geknüpft waren (Strom. 1,11,3. 56,2; 6,61,3. 68,2. 131,3– 5; fr. 13; Daniélou 1973 [*1669: 453–458], Méhat 1981 [*1685: 105], Baker 1999 [*1737]). Ansonsten besteht allenfalls die Möglichkeit, aus Clemens’ verschiedentlichen Andeutungen einen Themenkatalog zu erstellen, mit dem diejenigen Bereiche abgesteckt werden, auf die sich die mittels philosophisch-theologischer Forschung aus der Schriftexegese gewonnenen volleren Erkenntnisse beziehen (vgl. Strom. 2,5,1–3; 6,61,1–3. 78,5; 7,17,1–3). Eine solche Aufstellung müsste dann die Kenntnis der göttlichen und der menschlichen Dinge insgesamt, wie Clemens gerne mit einer weitverbreiteten stoischen Formel sagt, umschließen, das heißt, der göttlichen: Gott und der Logos-Christus, die Geistwesen und Engel, die Erschaffung der Welt, und der menschlichen Dinge: die sichtbare Welt, der göttliche Heilsplan, die Natur des Menschen und seine Selbsterkenntnis, das Verhältnis des Menschen zu Gott, das Ziel des Menschen und die Ethik (Méhat 1966 [*1653: 423–427]; vgl. Itter 2009 [*1781: 141–173]). Nach einem solchen Konzept realisiert sich Clemens zufolge die Gnosis – auch das im Gegensatz zur häretischen Form – nur auf dem langen und mühsamen, aber von Gottes Beistand getragenen Bildungsweg einer christlichen Paideia (vgl. Kovacs 2001 [*1746]), die im kontemplativen Aufschwung des wahren Gnostikers über die sichtbare und intelligible Welt hinaus in der Schau Gottes gipfelt. Und nach allem wird die gnostische Erkenntnis so beschaffen sein, dass sie die beiden Grundkoordinaten von Clemens’ Theologie zutage treten lässt, nämlich die Selbstmitteilung des transzendenten Gottes im Logos-Christus und die Vollendung der Schöpfung im Eschaton, auf die der kontemplative Aufschwung bereits ein antizipierender Vorgriff ist. 3. Anthropologie und Ethik Im Zentrum von Clemens’ ethischen Überlegungen steht der Logos-Christus als Erzieher, Lehrer und Erlöser der Menschen. Der Logos-Christus ist aber auch derjenige, durch den Gott die Welt geschaffen hat, und so ruht Clemens’ Ethik zugleich auf einem schöpfungstheologischen Fundament auf, das unter freudiger und dankbarer Bejahung der göttlichen Schöpfungsordnung besagt, dass die geschaffene Welt, Gottes gute Schöpfung, um des Menschen willen da ist (Spanneut 1957 [*1640: 384]) und der Mensch, Gottes erhabenstes Geschöpf, mit der Bestimmung zur Vollkommenheit in engster Gemeinschaft mit Gott geschaffen ist. Dieses Ziel war im Urstand, da Adam noch ein Kind war (Prot. 111,1; Harrison 1992 [*1717]), noch nicht verwirklicht, mitgegeben war den ersten Menschen die Befähigung, die Anlage zur Vollkommenheit, während ihre Verwirklichung im Lauf der menschlichen Entwicklung durch das Zusammenwirken der göttlichen Gnade mit der freien Entscheidung des Menschen erlangt werden sollte (Strom. 6,96,1–3; 4,150,3f.; vgl. Behr 2000 [*1743: 135f.]).
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Geht man von seiner natürlichen Konstitution aus, besteht der Mensch aus Körper und Seele (zur Gabe des Heiligen Geistes vgl. Daniélou 1973 [*1669: 411– 414]), wobei die unsichtbare, feinstoffliche und unsterbliche Seele (Strom. 5,91,1; 6,52,1; Exc. Thdot. 14,2f.; doch fr. 24 [adumbr.] zu I. Ptr. 1,9: nicht unsterblich von Natur aus, sondern «gratia dei», «durch Gottes Gnade») vermöge des nach Gen. 2,7 eingehauchten fleischlichen Pneuma (Strom. 6,134,2. 135,3. 136,1) als vitales Lebensprinzip gilt (Strom. 6,135,2–4; vgl. Strom. 2,110,4). Bald rechnet Clemens gemäß platonischer Tradition mit einer Dreiteilung der Seele (Paed. 3,1,2; Strom. 5,80,9; 3,68,5), bald unterscheidet er in mehr doxographischer Manier zwischen einem ἄλογον μέρος und dem λογιστικόν bzw. ἡγεμονικόν (Strom. 6,135,2; vgl. 5,53,1 und Lilla 1971 [*1664: 81f. Anm. 2]; in Strom. 2,50,3f. und 6,134,2f. zehn Teile des Menschen; Näheres bei Spanneut 1957 [*1640: 166–175, 191–203]; zum Ganzen vgl. Rizzerio 1987–1988 [*1706], Dainese 2012 [*1795]). Die Entstehung des niederen Seelenteils erklärt er generatianisch, die des höheren lässt er offen, aber Präexistenz und Reinkarnation werden abgelehnt (Karpp 1950 [*1636: 96– 99], Strutwolf 2013 [*1809: 97–101]; gegen die irrige Interpretation von Itter 2009 [*1781: 177–183]). Was die Verbindung von Körper und Seele betrifft, ist ohne Zweifel die Seele das Höhere und Bessere, der Körper das Niedere und Geringere (Strom. 1,171,1; 4,164,3); das eine ist, wenn es recht ist, auf Gott ausgerichtet, das andere auf die Erde (Strom. 4,9,4), wie denn die εἰκών-Haftigkeit des Menschen nach Gen. 1,26 ausdrücklich in der Vernunftseele als Abbild des Gottessohnes verortet wird (Prot. 98,4; Strom. 2,102,6; 5,94,5; 6,136,3; Hamman 1987 [*1699: 113–126]; dort auch zur häufig begegnenden, aber nicht immer durchgeführten Unterscheidung von «imago» als allgemeiner Vernunftbegabung aller Menschen und «similitudo» als göttlicher Auszeichnung des zur Vollkommenheit strebenden Christen; siehe auch Behr 2000 [*1743: 139–142]). Aber unbeschadet einer gewissen Variationsbreite in der Beurteilung des Körpers (im Anschluss an Platon z. B. als Fessel: Strom. 7,40,1; als Grab: Strom. 3,16,3) lehnt Clemens ein dualistisches Verständnis ab und insistiert darauf, dass zwischen beiden kein konträrer Gegensatz herrscht: Die Seele ist nicht von Natur aus gut und der Körper nicht von Natur aus schlecht; es gibt auch Mittleres und darunter solches, das vorzuziehen, und solches, das zurückzustellen ist (Strom. 4,164,3–5 mit Chrysipp, SVF III, fr. 122). Da aber der Körper ein Werkzeug der Seele ist (Strom. 6,163,2 z. B. als Seelenfahrzeug), mit dem ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang erfordert ist (Strom. 4,22,1), verficht Clemens grundsätzlich und besonders vehement gegen Gruppierungen der heterodoxen Weltverachtung und Leibfeindlichkeit die Würde des von Gott geschaffenen und durch die Menschwerdung Christi geehrten menschlichen Körpers (Paed. 3,20,5; vgl. Le Boulluec 1985 [*1693: II 332–360], Behr 2000 [*1743: 142 Anm. 34]; anders Pujiula 2006 [*1769: 142–152], der einen Bezug auf Gen. 1,26 annimmt), was sich besonders in seiner Ehe- und Sexualethik niederschlägt (Broudéhoux 1970 [*1661], Brown 1988 [*1707: 131–138]). Die vorzüglichsten Seelenvermögen, die das Leben im Körper regulieren, sind Erkenntnis und Streben (Strom. 6,68,3: γνῶσίς τε καὶ ὁρμή; vgl. 6,96,2), wobei dem Wollen (βούλεσθαι) die erste Kraft und Regung des Hegemonikon zugewiesen wird (Strom. 2,77,5; Dihle 1966 [*1652: 752] sieht hierin «die ‘Entdeckung’ einer
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vom Verstand unabhängigen, ja sogar ihm vorausgehenden, aber darum mit dem sinnlich-animalischen Trachten oder Begehren gerade nicht identischen psychischen Kraft des Willens […]»; in diesem Sinne auch Strom. 6,6,2). Das weist auf die für Clemens fundamentale Bedeutung der Willensfreiheit inklusive der Handlungsfreiheit, die zur schöpfungsgemäßen Ausstattung des Menschen gehört und durch die Sünde – Clemens kennt keine Erbsündenlehre – nicht grundsätzlich ausgelöscht ist (Strom. 2,8,4; 5,3,2. 86,1; 6,96,2; 7,42,4f.; Floyd 1971 [*1663: 28–35], Nikolaou 1977 [*1683], Kravites 1999 [*1740]). Sünde ist anthropologisch betrachtet eine Störung des inneren Gleichgewichts, der inneren Harmonie des Menschen – theologisch betrachtet ist sie die Abwendung von Gott in Selbstliebe (Strom. 6,56,2) –, die nicht am Körper, sondern an der Seele haftet (Strom. 3,59,2) und deren Ursachen nicht schon in der Beschaffenheit des menschlichen Willens als solchen, sondern in Unwissenheit und Schwäche liegen, d. h. im Unterliegen der Willenskraft (Strom. 7,101,6; 2,62,3. 77,2). Das Kriterium ethischen Handelns ist Clemens zufolge der Logos, was zunächst ganz stoisch klingt; und dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn mit dem Logosbegriff jener des im Kosmos waltenden Naturgesetzes und jener der Natur selbst verbunden wird (Lilla 1971 [*1664: 92–94] weist auf die Vermittlerrolle Philons). Aber Clemens versteht unter diesem Logos fast stets zugleich den personal qualifizierten Logos-Christus, welcher der Urheber jeglicher Gestalt des göttlichen Gesetzes ist, so dass das ethische Handeln sich zugleich als Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, wie er sich etwa im natürlichen Sittengesetz, im Dekalog (Strom. 6,133–148) und in den Weisungen Christi (Strom. 2,25–41) niedergeschlagen hat, erweist. Ethisches Handeln, das diesem Kriterium genügt, realisiert sich in tugendgemäßem Handeln, und entsprechend groß ist der Raum, den die Tugendlehre bei Clemens einnimmt. Wie die Stoa ist er grundsätzlich überzeugt, dass die Tugend letztlich nur eine ist (Strom. 1,97,3) bzw. dass, wenn man von mehreren spricht, diese aufgrund der ἀντακολουθία («gegenseitige Begleitung») alle gleichzeitig beieinander sind (Strom. 2,41,1. 45,1. 80,2: wer eine hat, hat alle). Trotzdem kann er wiederholt ein hierarchisches Ursprungsverhältnis annehmen, etwa dass die Gerechtigkeit die höchste aller Tugenden sei (Strom. 7,17,3) oder die πίστις die Mutter aller Tugenden (Strom. 2,23,5; wieder andere Zuordnungen in Strom. 2,53,3. 126,1; 6,125,4f.). Bemerkenswert ist ferner, wie Clemens in seinen Aufzählungen der Einzeltugenden die griechischen mit den christlichen Tugenden verzahnt sein lässt. Die prominentesten Beispiele sind natürlich die klassischen vier Kardinaltugenden und die drei theologischen Tugenden, aber Clemens hat noch eine ganze Anzahl anderer ethischer Leitbegriffe aus der griechischen wie der jüdisch-christlichen Tradition in seine Listen aufgenommen (ausführliche Erörterungen bei Osborn 1976 [*1681: 50–83]; zur doppelten, praktischen wie theoretischen Bedeutung der φρόνησις, «Klugheit», Becker 2000 [*1742], Rizzerio 2006 [*1770: 238–241]). Das geschieht ohne merkliche Systematik, oftmals sind sie ganz oberflächlich einfach nebeneinander gestellt. Bei derartigen Verschränkungen mag Clemens angenommen haben, dass von Fall zu Fall zwischen den griechischen und den christlichen Werten sachliche Ähnlichkeiten oder Analogien, vielleicht sogar direkte Äquivalenzen oder auch Weiterführun-
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gen vorliegen; aber das wird mehr suggeriert als analytisch entfaltet (Méhat 1966 [*1653: 361–366]). Das Gegenstück zur Tugendlehre ist die stoische Lehre von den vier πάθη («Affekten»), die Clemens ebenfalls breit rezipiert hat (stoische Definition in Strom. 2,59,6 = Chrysipp, SVF III, fr. 377f.: im Übermaß, d. h. unvernünftig reagieren; im Anschluss daran peripatetische Unterscheidungen der Verfehlungen: 2,60,1–7. 62,1–4. 64,3–5; vgl. Méhat 1966 [*1653: 237], Clark 1977 [*1682: 58–62]). Die Zahl der Affekte hat er allerdings wiederum vermehrt, während er Seelenregungen wie Reue, Mitleid, Furcht und speziell Gottesfurcht aus religiösen Gründen nicht wie die Stoa zu den negativ besetzten Leidenschaften rechnen konnte. Er grenzt jene entschieden von ihnen ab, verfährt aber dabei in gewissem Sinn analog zur stoischen Unterscheidung der Affekte von den vernunftgemäßen εὐπάθειαι («guten Emotionen»; der Terminus εὐπάθεια in diesem Sinn fehlt zwar, doch vgl. Strom. 2,32,3f.: Furcht als εὐλάβεια, «Scheu»; 2,40,1–3: Gottesfurcht ist ἀπαθής, «frei von Affekten»; 2,53,4; 4,38,1; vgl. Pohlenz 1943 [*1633: 126f.], Dihle 1966 [*1652: 749]; ferner siehe unten). Clemens wertet die Affekte nicht als Ergebnis dämonischer Einwirkungen, wie es unter Christen vielfach aufgrund apokalyptischer Tradition gängig war; höchstens mittelbar könnten Vorgaukelungen der Dämonen in Betracht kommen (Strom. 2,110,1f. 111,3. 117,1). Er wertet sie aber auch nicht einfach als Fehlurteile der Vernunft, wie es Chrysipp getan hatte (Pohlenz 1943 [*1633: 126], Lilla 1971 [*1664: 86f.]), sondern präziser als Unterliegen der Willenskraft (Strom. 7,110,6) unter die an der Sinnenwelt und dem eigenen Körper entfachten Bestrebungen des niederen Seelenteiles (Dihle 1966 [*1652: 748], Lilla 1971 [*1664: 84–92]). Sie bewirken, dass der Mensch seine innere Harmonie verliert und zum Knecht der Außendinge wird. Clemens’ Sittenlehre im engeren Sinn stellt sich als eine Zwei-Stufen-Ethik dar, die zwischen der Lebensführung des schlichten Gläubigen auf der niederen Stufe und der des vollkommenen Gnostikers auf der höheren Stufe unterscheidet (Lilla 1971 [*1664: 60, 92–117], Mühlenberg 2006 [*1768: 40–63], Rizzerio 2006 [*1770]). Der Christ bedarf, nachdem er der schädlichen heidnischen Gewohnheit abgesagt hat (Alfonsi 1964 [*1648], Bianco 1987 [*1697]) und durch die Taufe in eine neue Lebenswirklichkeit versetzt ist, noch der konkreten Einzelanweisungen für das sittliche Leben, damit seine Bestrebungen nicht mehr von den sündhaften Affekten beherrscht werden. Motiviert aus Furcht vor Strafen und Hoffnung auf ewigen Lohn wird er diese Gebote gehorsam befolgen, während der Logos-Christus die Affekte heilt. Gewiss reicht solches Handeln zur Seligkeit aus – wenn freilich nur in einer geringeren Wohnung (Strom. 4,36,3–37,1; 7,10,1f. nach Ioh. 14,2) –, doch ist Vollkommenheit damit noch nicht erreicht. Erst der Gnostiker, der die moralischen Vorschriften geistig durchdrungen und völlig verinnerlicht hat, handelt aufgrund seines Wissens und seiner Erkenntnis und lässt, weil er von allen affektgeleiteten Vorstellungen frei geworden ist und das Gute um seiner selbst willen erwählt, sich allein von der Liebe zu Gott als einzigem Impuls leiten. In philosophischer Hinsicht überwiegen in Clemens’ Argumentation auf der niederen Stufe die peripatetischen, auf der höheren Stufe die stoischen Elemente, was zuletzt in einer platonischen Zielformel gipfelt. Die niedere Stufe ist gekennzeichnet durch die
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μετριοπάθεια, d. h. durch Zähmung der Affekte, nicht schon durch ihre vollständige Ausrottung (Strom. 2,39,4). Erreicht wird dieser Zustand kraft der Steuerungen der ἐγκράτεια («Selbstbeherrschung») oder σωφροσύνη («Besonnenheit»; Strom. 1,159,3; 2,81,1f.; 3,4,1f.; 4,151,1), die sich am Mittelmaß, dem Mittleren oder am Maß schlechthin orientieren (Strom. 2,16,4. 46,1; 3,51,2f.; dazu Clark 1977 [*1682: 28–34], Rizzerio 2006 [*1770: 237]). Was so aufgrund von Vorschriften im Gehorsam gegenüber den Geboten getan wird, ist – in stoischer Terminologie – das Pflichtgemäße (τὸ καθῆκον: Paed. 1,102,2). Die stoische Formel «secundum naturam vivere» fügt sich in christologischer Interpretation dazu passend ein (so Lilla 1971 [*1664: 106], Bradley 1974 [*1675: 54f.], Clark 1977 [*1682: 42–44]; anders Chadwick 1967 [*1657: 173], Rizzerio 2006 [*1770: 234]). Auf dieser Ebene kann Clemens die aristotelische Güterlehre, der zufolge glückliches Leben neben seelischen Gütern auch Güter des Körpers und äußere Güter voraussetzt, akzeptieren (Strom. 2,128,3–5; 4,166,1), wenngleich nicht ganz ohne relativierende Vorbehalte (Paed. 2,102,3–5; Clark 1977 [*1682: 34–39], Rizzerio 2006 [*1770: 235]). Und es kann nicht verwundern, dass Clemens mit Blick auf den Weg des Christen zur Vollkommenheit auch in ethischer Hinsicht mit einem langen, im Grunde lebenslangen Prozess des Fortschreitens und der Vervollkommnung rechnet, wobei im Gegensatz zum Rigorismus der Alten Stoa bereits in dessen Verlauf Zwischenstufen der Tugend angenommen und sittliche Betätigungen als gültige, wenn auch niedere Tugendhandlungen gewertet werden (Strom. 2,128,4 als aristotelisch ausgewiesen; 4,138,4; 4,96,3; Paed. 1,52,2; Clark 1977 [*1682: 39–42]). Dass dagegen das Porträt des Gnostikers ganz nach dem Modell des stoischen Weisen konzipiert ist, ist schon immer aufgefallen. Seine vorzüglichste Auszeichnung liegt darin, dass er die μετριοπάθεια («Mäßigung der Leidenschaften») hinter sich gelassen hat und zur ἀπάθεια («Leidenschaftslosigkeit») gelangt ist (Strom. 6,74,1. 105,1; Spanneut 2002 [*1753: 247–260]). Er hat sämtliche Affekte in sich derart ausgelöscht, dass er nicht einmal mehr die ἐγκράτεια benötigt (Strom. 4,38,1; 6,76,2). Selbst die sogenannten guten Affekte, d. h. die stoischen εὐπάθειαι, sind ihm fremd (Strom. 6,71,4f. 74,2, vgl. Černušková 2013 [*1804]); ἐγκρατής heißt er vielmehr in jener anderen Wortbedeutung, dass er die Tugend ganz in seiner Gewalt hat, d. h. dass sie ihm zum festen, unverlierbaren Habitus geworden ist (Strom. 7,70,1. 4f.; 7,46,9; 4,40,1). Lebt der Gnostiker ausschließlich nach Maßgabe der Logoserkenntnis, so ist jede seiner Handlungen ein κατόρθωμα («richtig Vollbrachtes»: Strom. 6,111,3. 150,3; Paed. 1,101 titulus; 1,102,2f.), wie denn auch die «paradoxa Stoicorum» auf ihn zu beziehen sind (Strom. 1,168,4; 2,18,2–22,8. 99,3–100,2; Wyrwa 1983 [*1689: 162–173]). Für diese Stufe reklamiert Clemens nun auch die stoische, von ihm letztlich auf die barbarische Philosophie zurückgeführte Lehre, dass die Tugend autark sei und allein zum Glück hinreiche (Strom. 5,96,5. 97,6; 2,133,7), wobei die Gnadeneinwirkungen des Heiligen Geistes selbstverständlich vorausgesetzt sind (Ecl. 45; Strom. 3,44,4; 4,124,2), und dass körperliche Vorzüge oder äußere Güter nur indifferente Dinge seien (Strom. 2,138,5; 4,19,1. 69,1; Donahue 1963 [*1645], Lilla 1971 [*1664: 68–72]), die das innere Wesen des Gnostikers nicht tangieren (Strom. 7,85,3; 4,52,2f.), auch wenn sie zu einem gewissen Grad für das physische Leben notwendig und wünschenswert sein mögen (Strom. 4,69,1. 39,3. 164,4; 2,118,7–119,1).
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Doch ungeachtet der massiven Häufungen stoischer Motive ist Clemens’ Ethik nicht, wie man meinen könnte (so Pohlenz 1943 [*1633: 138f.]), daraufhin entworfen, dem Vollkommenen einen Bereich der Innerlichkeit zu reservieren, wo er sich seiner sittlichen Gesinnung und der in seiner Macht stehenden Unabhängigkeit vergewissern könnte. Wenn als Schlussstein aller ethischen Diskurse über das tugendhafte Leben die zentrale Zielformel des kaiserzeitlichen Platonismus, die ὁμοίωσις θεῷ κατὰ τὸ δυνατόν («Angleichung an Gott soweit wie möglich»), integriert wird (Strom. 2,100,3f. 132,1–133,3; 5,94,6–96,3 mit Plat. Tht. 176a–b; Leg. 6, 715e–716d; Tim. 90d; ansonsten zahllose Anspielungen und Reminiszenzen), dann eröffnet sich nicht nur der Rückbezug zur biblischen Schöpfungsbestimmung, wonach der Mensch «secundum imaginem et similitudinem dei» (Gen. 1,26) geschaffen ist (Strom. 2,131,6). Dann gewinnt dank Leg. 6, 716a die christliche Demut als gehorsame Nachfolge und Unterordnung unter den Willen Gottes eine eigene, noch den Vollkommenen auszeichnende Dignität (Strom. 2,132,1). Dann wird zumal wegen der Einschränkung κατὰ τὸ δυνατόν («soweit wie möglich») auch der bleibende Abstand des Schöpfers seinem Geschöpf gegenüber gewahrt (Strom. 2,80,5; vgl. Strom. 2,74,1), was zur schroffen Zurückweisung der stoischen These, dass Gott und Mensch die gleiche Tugend haben, führt (Strom. 2,135,3; 6,114,4f.; 7,88,5). Und dann erhält nicht zuletzt das irdische Tugendstreben insgesamt eine eschatologische Orientierung, insofern die volle Realisierung der gegenwärtig schon angelegten Angleichung an Gott als ein eschatologisches Geschehen, vermittelt durch den Sohn Gottes, gedeutet wird (Strom. 2,134,1f.; vgl. insgesamt Méhat 1966 [*1653: 373–379], Lilla 1971 [*1664: 106–117], Osborn 1976 [*1681: 59– 68], Wyrwa 1983 [*1689: 173–189]). Nicht weniger wichtig für den hier zu beobachtenden Vorgang der Transformierung der philosophischen Ethik ist die Art und Weise, wie Clemens die Liebe, die alles Wissen an Heiligkeit und Macht überragt (Strom. 7,68,1) und die ja das entscheidende Motiv für das höhere Tugendleben des Vollkommenen darstellt, in direkte Beziehung zum Ideal der ἀπάθεια («Leidenschaftslosigkeit») und ὁμοίωσις θεῷ («Angleichung an Gott») setzt. Die wesenhafte Affektlosigkeit Gottes ist für ihn selbstverständlich (Strom. 2,81,1; 4,151,1f.; 7,13,3); sie schließt aber die Liebe nicht aus, sondern gerade ein, denn Gott ist Liebe und von ihm kommt die Liebe (Prot. 117,2; Q. d. s. 27,5 und 37,1–5; Strom. 4,113,4; vgl. Osborn 1976 [*1681: 73f.]). Deshalb gehört für den wahren Gnostiker zur Angleichung an Gott und zur Affektlosigkeit die Liebe unabdingbar hinzu, ja sie macht jene erst möglich (Strom. 7,84,1f.; Behr 2000 [*1743: 199–207]). Seine Liebe zu Gott ist jedoch nicht mehr das Begehren eines Liebenden, sondern die Einsetzung «in die Einheit des Glaubens» (Eph. 4,13), so dass der Gnostiker schon mit dem Geliebten in familiären Banden der Gotteskindschaft verbunden ist und – im Vorgriff, soweit möglich – schon hat, was er erstrebt (Strom. 6,72,1. 73,3–6). Und wie als Frucht erwächst daraus die Nächstenliebe, die sich durchweg als Angleichung, als Nachahmung Gottes erweist, zumal in der schärferen Zuspitzung auf die Feindesliebe, indem diese die Affektlosigkeit in der unbegrenzten Vergebungsbereitschaft, im Verzicht auf Vergeltung und im Gebet für die Feinde bewährt (Strom. 7,84,1– 86,5. 88,4; vgl. Sorabji 2000 [*1745: 386–391], Spanneut 2002 [*1753: 257–260], Mühlenberg 2006 [*1768: 61f.]). Damit ist eine beachtenswerte Öffnung des vom Ansatz
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her individualistisch orientierten (Dihle 1966 [*1652: 750]), freilich nicht eudaimonistisch begründeten (Méhat, 1966 [*1653: 369]; anders Pohlenz 1943 [*1633: 170f.]) sittlichen Ideals Clemens’ gegeben. 4. Kosmologie bzw. Schöpfungslehre In Clemens’ erhaltenen Werken ist die Kosmologie bzw. die Lehre von der Schöpfung deutlich weniger entfaltet als die Ethik, vielleicht aus Gründen der Esoterik, aber die entscheidenden Grundzüge lassen sich dennoch hinreichend erkennen. Gott ist der allmächtige Schöpfer, der die Welt durch den Logos-Christus als Schöpfungsmittler geschaffen hat (Prot. 7,3; Strom. 5,89,3. 103,1; 6,136,3). Dass er sie schuf, war für ihn in keiner Weise notwendig, sondern war die Tat seines absolut freien und souveränen Willens (Prot. 63,3; Paed. 1,27,2. 88,2; fr. 48 Stählin; impliziert ist Gottes Güte als Motiv seines Schöpfertums Paed. 1,88,2). Die geschaffene Welt ist mithin nicht ewig, sondern hatte einen Anfang, allerdings nicht in der Zeit, da die Zeit zusammen mit der Welt erschaffen worden ist (Strom. 6,142,2. 4 [vgl. Plat. Tim. 38b6]; 6,145,4. 147,2). Schwierig zu entscheiden ist, ob Clemens die Lehre der ‘creatio ex nihilo’ im vollen Sinn vertreten hat. Einige Male spricht er von der Schöpfung ἐξ μὴ ὄντος («aus nicht Seiendem»: Strom. 5,92,3. 126,2). Aber diese Aussage, die im Rahmen doxographischer Diskussionen zur Thematik des Diebstahls der Hellenen fällt, ist nicht eindeutig. Sie spricht nicht von einem absoluten Nichts, und im schulplatonischen Sprachgebrauch der Zeit wird als μὴ ὄν gerade die qualitätslose und gestaltlose Materie bezeichnet (Strom. 5,89,6; Lilla 1971 [*1664: 195f.]). Ein andermal stellt er ἐξ μὴ ὄντος («aus nicht Seiendem») und ἐξ ὕλης («aus Materie») alternativ gegenüber, ohne eine Entscheidung zu treffen (Strom. 2,74,1). Soviel scheint jedoch sicher zu sein, dass er die Existenz der Materie als eines zweiten, gleichewigen Prinzips neben Gott abgelehnt hat (Strom. 5,89,5–7), weil einzig und allein Gott ungeworden ist (Strom. 6,58,1), weil er der Schöpfer des Anfangs ist (Strom. 4,162,5) und es nichts gibt, für dessen Existenz Gott nicht die Ursache bereitet hätte (Paed. 1,62,3.; Strom. 5,81,4). Weiter geht Clemens nicht (ausgewogen urteilt Le Boulluec 1981 [*1565: II 293–295]; dagegen sieht Lilla 1971 [*1664: 193f.] Photios’ Anklage, Clemens habe eine zeitlose Materie vor dem Ursprung der Welt gelehrt, bestätigt, während Ashwin-Siejkowski 2010 [*1783: 34–37] Photios’ Aussage durch die Übersetzung von ἄχρονον mit «eternal» simplifiziert). Wie die Welt durch die Schöpfungsmittlerschaft des Logos-Christus entstanden ist, so wird sie durch dessen Weltregierung auch in ihrem Bestand weiter erhalten. Als die Kraft des Vaters (Strom. 7,7,7. 9,1) ist er der ἡγεμών («Anführer») des Alls (Paed. 1,65,3; Strom. 7,8,4), der – dadurch seine Transzendenz wahrend – geschaffene Instanzen als Zweit- und Drittursachen usw. in seinen Dienst nimmt und sie mit dem für die Weltverwaltung Nötigen beauftragt. So steigt im Rahmen der kosmischen Providenz die göttliche Wirksamkeit vom Sohn, der den ersten Bewegungsimpuls gibt (Strom. 7,8,5), durch die von ihm unmittelbar bewegten Wesen in der Seinshierarchie Stufe um Stufe hinab – von sieben Archonten bzw.
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Protoktisten bzw. Thronen durch Erzengel bzw. Gewalten hinab zu Engeln (Exc. Thdot. 10,3–6; 12,1; Ecl. 57,1; vgl. Le Boulluec 1981 [*1565: II 143f.], Bucur 2006 [*1764]) – bis zu den kleinsten Teilen des Kosmos (Strom. 7,9,1–4; 6,148,6; Rizzerio 1996 [*1728: 261–266], Bergjan 2012 [*1794]). Wachstum und Wandel in der Natur sind etwa nicht eigentlich den Gestirnen und den Elementen zuzuschreiben, sondern werden von Gott gewährt, während Gestirne und Elemente nur seine administrativen Kräfte (Strom. 6,148,2: δυνάμεις διοικητικαί) sind, die, geleitet von den ihnen vorgeordneten Engelmächten (vgl. Strom. 5,37,2; Exc. Thdot. 55,1), gehorsam den Befehl des Wortes Gottes ausführen (Strom. 6,147,4–148,2; Spanneut 1957 [*1640: 326–331], Bergjan 2012 [*1794: 78–90]). Auch Mann und Frau sind, wenn sie Nachkommen hervorbringen, in diesem Sinn «cooperatores dei» (Paed. 2,83,2. 93,1; Strom. 6,147,4). Mehr an die stoische τόνος-Lehre erinnert die Aussage, dass der Logos-Christus, das himmlische Lied, die vier unter sich gegensätzlichen Elemente (vgl. Strom. 3,55,1; 4,40,3) zur harmonischen Ordnung des Kosmos verbindet, indem er, die feste Grundlage und Harmonie des Alls, sich von der Mitte bis zu den Enden und von den äußersten Grenzen bis zur Mitte «erstreckt» (Prot. 5,1f.; vgl. Spanneut 1957 [*1640: 343f. mit Verweis auf Philon und 376f.]; Daniélou 1973 [*1669: 364f.] sieht im Hintergrund die platonische Weltseele; zur τόνος-Lehre vgl. doxographisch noch Strom. 5,48,2f.: der Äther als dessen Träger; Strom. 5,89,3–4). Aber dass damit der Logos nun selbst immanent im Weltall verortet wäre (so Lilla 1971 [*1664: 208f.]), ist nicht anzunehmen, vielmehr präzisiert Clemens die Allgegenwart der Schöpfermacht des Logos verschiedentlich durch den Hinweis auf die Vermittlung durch den Heiligen Geist oder in anderen Fällen durch Engelmächte oder auf eine solche gemäß seiner Wirkkraft (Prot. 5,3; vgl. Exc. Thdot. 17,3f.; Strom. 2,5,4; 7,5,4–6. 17,2). Indessen eröffnet Clemens der Schöpfungslehre erstmals in der christlichkirchlichen Tradition einen neuen Horizont, indem er über die sichtbare Welt hinaus – hier die stoische ‘scala naturae’ von ἕξις – φύσις – ψυχή – λόγος («Zusammenhalt – Natur – Seele – Logos»: Strom. 2,100,4–111,2) – die Perspektive auf die intelligible Sphäre richtet. Dass er demzufolge zwei Welten lehrt, den auf die Monas (d. h. den Gottessohn) zurückzuführenden κόσμος νοητός («intelligible Welt») als Archetyp und Paradigma und den auf die Hexas zurückzuführenden κόσμος αἰσθητός («sinnlich wahrnehmbare Welt») als dessen Abbild (Strom. 5,93,4), ist das Erbe Philons (van den Hoek 1988 [*1709: 196], Kovacs 1997 [*1729], van den Hoek 2009 [*1782]), wie er sich denn auch dessen Auslegung der ersten Verse der ‹Genesis› weitgehend zu eigen macht. Erst von Gen. 1,6 an, der Erschaffung der Himmelsfeste, handle der Schöpfungsbericht von der empirischen Welt, zuvor würden in Gen. 1,1. 3 die intelligiblen Vorbilder genannt, und Clemens glaubt, dass Platon von daher die Ideenlehre bezogen habe (Strom. 5,93,5–94,1; Méhat 1966 [*1653: 444] bezieht auch Strom. 6,145,4–6 auf die intelligible Schöpfung; eine andere, aber verwandte Auslegung in Ecl. 1,1: der Himmel von Gen. 1,1 bezeichne die Engelwelt) und dass aus Gen. 1,2 die philosophische Annahme von der Existenz der Materie entwickelt sei (Strom. 5,90,1). Auf der Linie Philons versteht er ferner die Zählung von sechs Schöpfungstagen nicht wörtlich, sondern als Ausdruck der Rangordnung unter den simultan erschaffenen Wesen (Strom.
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6,142,2f.), während die Ruhe Gottes am siebten Tag darauf weise, dass Gott die unverletzliche Respektierung der Schöpfungsordnung für alle Zeiten festgesetzt habe (Strom. 6,142,1–3, mit Aristobulos im Hintergrund; vgl. van den Hoek 1988 [*1709: 203]). Im Unterschied zu Philon bezieht Clemens jedoch das ἐν ἀρχῇ («Im Anfang») von Gen. 1,1 auf den Logos-Christus, durch den alles erschaffen ist (Strom. 6,58,1; 7,2,2; Ecl. 3,1; 4,1f.; vgl. Nautin 1973 [*1672: 86f.]). Tatsächlich hat aber im Aufriss von Clemens’ Denken die Ideenlehre aufs Ganze gesehen kaum eine systematisch tragende Bedeutung. Die allegorischen Auslegungen zum Jerusalemer Tempel, zum Tempelkult und zur Kleidung des Hohenpriesters, die Clemens für seine ins Christliche gewendeten Ausführungen zum Teil fast blockartig von Philon übernommen hat (Strom. 5,32–40; van den Hoek 1988 [*1709: 116– 147]), wiederholen zwar dessen Unterscheidung zwischen dem sinnlich wahrnehmbaren und dem intelligiblen Kosmos (Strom. 5,33,2). Doch während die Phänomene des κόσμος αἰσθητός, auf die der Bibeltext dunkle Hinweise gebe, präzise benannt sind (etwa die unbewegte Himmelssphäre, die Gestirne und die sieben Planeten, der Tierkreis und die ihm gemäß verlaufende Zeit mit den vier Jahreszeiten, die Gestirne als Instrumente der Zeitmessung [vgl. auch Prot. 63,1; 102,1], die Zentralstellung der Erde im Kosmos, die vier Elemente, die vier Winde usw.), bleiben die inhaltlichen Angaben zum κόσμος νοητός eher vage: Es sei die Sphäre, die den Vielen verborgen und verschlossen ist (Strom. 5,35,5), in die nur eintreten wird, wer Herr über die Affekte geworden ist (Strom. 5,34,7) und wer das Intelligible vom sinnlich Wahrnehmbaren zu unterscheiden weiß (Strom. 5,39,4); dieser Ort, der nach einer geheimnisvollen Etymologie wohl den Ideenhimmel umfasst, sei auch identisch mit der Achtheit (Ogdoas), dem Raum der Ruhe der vollkommenen Seelen, die mit den Engeln den himmlischen Lobpreis anstimmen (Strom. 5,36,3; vgl. Le Boulluec 1981 [*1565: II 148–150]). Dem entspricht, dass der Begriff τὰ νοητά («die Intelligibilia») nicht nur die idealen Urbilder bezeichnet (Strom. 5,94,2; 6,79,1; vgl. Strom. 2,24,1; 4,155,4; die stoische Klassifikation der νοητά in Strom. 2,33,1), sondern in oszillierender und schwer greifbarer Weise auch die Engelwelt und die engste Nähe zu Gott assoziieren kann (Strom. 2,5,2f.; 5,78,2; 7,2,2. 17,2. 40,1. 45,1; Exc. Thdot. 10,1; 12,2; vgl. Méhat 1966 [*1653: 448f.]; Strom. 5,29,6: Christus das intelligible Licht, andererseits noch gesteigert Exc. Thdot. 12,3: der Sohn das unzugängliche Licht). Die vorrangigste Funktion erwächst diesem intelligiblen Bereich auf jeden Fall nicht in kosmologischer Hinsicht. Sie liegt in dessen Einbeziehung in das Konzept des gnostischen Aufstiegs, indem er eine richtungsweisende Zwischenetappe markiert, wenn die Seele des Vollkommenen im Streben zu Gott sich von den Sinnendingen löst und Stufe für Stufe in die Höhe aufschwingt. Insofern ist genau genommen der κόσμος νοητός noch gar nicht die höchste Realität. Ihn überragen die pneumatischen Dinge, darunter auch die eschatologischen Geheimnisse (Strom. 6,68,1; Exc. Thdot. 27,2f.) sowie das Heilige und Allerheiligste (Strom. 6,86,1), wie denn auch der Herr jenseits der intelligiblen Welt angesiedelt ist (Strom. 5,38,6).
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5. Gott und der Logos-Christus Das letzte und höchste Ziel aller geistigen Bestrebungen des Clemens ist die Erkenntnis Gottes, ja, er würde sie selbst der ewigen Seligkeit vorziehen, wenn da ein Unterschied bestünde (Strom. 4,136,5). Zugleich ist er tief vom Wissen um Gottes Transzendenz durchdrungen, von der religiösen Erfahrung, dass Gott der völlig andere ist, den menschliche Vernunft weder begreifen noch in Sprache fassen kann (Strom. 5,65,2). Und doch hat ihn dieses Bewusstsein nicht in Schweigen verstummen lassen (doch vgl. Strom. 5,67,2f.; 7,2,3; Mortley 1973 [*1671]). Um seinen Glauben artikulieren zu können, hat er neben anderem auch Kategorien des zeitgenössischen Platonismus aufgenommen, die ihrerseits analog die Jenseitigkeit des höchsten Prinzips zum Ausdruck brachten. Hier liegt das Zentrum der Verschmelzung des biblischen Glaubens mit dem griechischen Geist. Hervorstechendes Merkmal dafür ist der extensive Gebrauch, den Clemens von den negativen, durch α-privativum gebildeten Gottesprädikaten macht. Zwar sind ihm solche schon aus dem hellenistischen Judentum, aus Philons Schriften, aus der christlichen Missionspredigt (etwa Strom. 6,39,1–3), den Apologeten und auch aus dem heterodoxen Gnostizismus geläufig, aber er bezeugt bei allen Überlappungen auch spezifisch mittelplatonische Termini wie ἄρρητος («unsagbar»), ἀόρατος («unsichtbar»), ἀγέν(ν)ητος («ungeworden/ungezeugt») u. a. (vgl. Daniélou 1973 [*1669: 321–340]; zu ἄπειρον in Strom. 5,81,6 vgl. Choufrine 2002 [*1750: 160–175]; Hägg 2006 [*1765: 159] bietet eine exemplarische Auflistung). Nicht weniger kennzeichnend ist, dass er von den drei im Mittelplatonismus beschrittenen Wegen der Gotteserkenntnis die beiden wichtigsten wiederholt: die ‘via negationis’, die nach und nach alle positiven Bestimmungen abstrahiert (Strom. 5,71,2f. 81,5f.; Whittaker 1983 [*1688], Mortley 1986 [*1694: 41–44]), und die ‘via eminentiae’, die Stufe für Stufe alle positiven Bestimmungen überbietet (Strom. 5,65,2. 71,5. 73,1f. 74,2; Daniélou 1973 [*1669: 340–343]; einen Anklang an die ‘via analogiae’ kann man in Strom. 5,82,1f. sehen). Kann man nur erkennen, was Gott nicht ist, nicht aber, was er ist (Strom. 5,71,3), so erfolgen alle Aussagen, mit denen Clemens das Mysterium Gottes umschreibt, in symbolisch-indirekter Rede und haben paradoxen Charakter (Le Boulluec 1991 [*1715: 240–250]; vgl. auch Robertson 2008 [*1777: 32–44]). Gott, die erste Ursache des Alls (Strom. 1,182,2; 5,81,4; 6,78,5) und das erste und älteste Prinzip (Strom. 5,81,4), ist das Eine (τὸ ἕν: Strom. 5,81,6); er ist eins (ἕν), aber zugleich jenseits des ἕν und erhaben über die Monas selbst (Paed. 1,71,1). Gott ist das höchste Sein (Prot. 117,1; Strom. 4,162,5), er ist das allein wahrhafte Seiende (Paed. 1,71,2; vgl. Strom. 7,54,4), das Sein an sich (Strom. 7,28,7–29,1) oder personal qualifiziert in Anlehnung an Ex. 3,14 der Seiende (Paed. 1,71,2; Strom. 1,166,4; 5,34,5; 6,137,3), und doch ist er τὸ ἐπέκεινα αἴτιον («das noch darüber hin aus Ursächliche»), was im Hinblick auf die ἀρχὴ τῶν ὄντων («Anfang/Prinzip des Seienden») und die πάντων κρατιστίη οὐσία («bestes Sein von allem») des Gottessohnes besagen will, dass er jenseits des Seins ist (Strom. 7,2,2f.; vgl. Strom. 1,177,1; Whittaker 1969 [*1660: 93f.]). Er ist νοῦς («Geist»: Strom. 4,155,2. 162,5; 7,40,1) und trotzdem jenseits des Geistigen (Strom. 5,38,6; zum Ganzen Hägg 2006 [*1765: 164–179]).
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Seinem Wesen nach bleibt Gott – natürlich nicht wie eine metaphysische Leerstelle, wie «a deification of zero» (Hort, Mayor 1902 [*1591: XXXIX]) – unerkennbar und fern, aber der jenseitige Gott wendet sich in seinem Sohn, im LogosChristus, nach außen der Schöpfung zu und offenbart sich gnadenhaft in ihm, so dass er seiner Wirksamkeit nach nahe ist und erkannt werden kann (Strom. 2,5,4; 5,71,5). Dem entsprechen die Bezeichnungen, die Clemens dem Logos-Christus beilegt. Er ist die Weisheit, die vor Grundlegung der Welt Gottes Ratgeber war (Strom. 6,58,1; 7,7,4), der Wille des Vaters (Prot. 120,4; Paed. 3,98,1; Strom. 5,6,3) und der väterliche Diener (Paed. 1,4,1; 3,2,1) oder das Werkzeug des Vaters (Prot. 6,1). Er ist die δύναμις («Kraft», nach I. Cor. 1,21) und die ἐνέργεια («Tätigkeit») des Vaters (Prot. 120,4; Strom. 6,47,3; 7,7,4. 7. 9,1; Exc. Thdot. 8,3; vgl. Runia 2004 [*1758]). Er ist die εἰκών («Bild») des unsichtbaren Gottes (nach Col. 1,15; Strom. 5,38,7. 94,5; Exc. Thdot. 19,4), der χαρακτήρ («Ausprägung») der väterlichen Herrlichkeit (nach Hebr. 1,3; Strom. 7,16,6. 58,4) und das Angesicht Gottes, das den Vater offenbart (πρόσωπον: Paed. 1,57,2; Strom. 5,34,1; 7,58,3; Exc. Thdot. 10,6; 12,1; 23,5). Er ist ganz Intellekt, ganz Licht vom Vater her, ganz Auge, der alles sieht, hört, weiß und die Mächte erforscht (Strom. 7,5,5 nach Xenophanes 21 B 24 DK; in Strom. 7,37,6 auf Gott bezogen). Alle diese Bezeichnungen weisen auf jeweils besondere Funktionen hin – und die Aufzählung könnte leicht vermehrt werden (vgl. Prot. 112,1. 120,4; Strom. 7,5,4–6) –, die in der einen und selben Realität des Sohnes zusammenkommen. In gewisser Hinsicht umfasst er damit eine Vielfalt in sich. Er ist nicht mehr eines als eines (ἕν ὡς ἕν), aber auch nicht vieles im Sinn von Teilen, sondern eine komplexe Einheit im Sinne des Einen als Totalität (ὡς πάντα ἕν) – wie ein Kreis, in dem alle Kräfte in eins zusammengefasst und vereint sind –, und er wird deshalb auch Alpha und Omega genannt (Strom. 4,156,1–157,1; dazu Lilla 1971 [*1664: 204–207], Osborn 2005 [*1760: 142–144]). Zwischen dem absolut Einen bzw. Übereinen des Vaters und der Vielfalt der geschaffenen Welt steht in vermittelnder Instanz das All-Eine, die Monas, d. h. der Sohn (Prot. 88,2; Strom. 5,71,2; Mortley 1986 [*1694: 43]; ferner Paed. 1,71,1; Lilla 1971 [*1664: 216]), was im Hinblick auf den ontologischen Status des Sohnes eine gewisse Spannung impliziert. Einerseits scheint er dem Vater untergeordnet, andererseits mit ihm in substantieller Einheit gedacht zu sein, was beides in Clemens’ Verständnis der Gedanke der Offenbarungsvermittlung erfordert (Van den Hoek 2009 [*1782: 52f.] macht darauf aufmerksam, dass Clemens in bestimmten Fällen Attribute, die für Gott gebraucht werden, ebenso auf den Sohn beziehen kann). Tatsächlich haben seine Versuche, eine Logoslehre auszuformulieren, noch weithin einen unsicher tastenden und experimentierenden Charakter, wo verschiedene disparate Traditionselemente aufgenommen und lose nebeneinander gestellt sind, aber eine alles zusammenschließende Begrifflichkeit nicht zur Hand ist. Anders urteilt Lilla 1971 [*1664: 199–212], der eine geschlossene Konzeption der Logoslehre bei dreifacher Stufung des Logos annimmt (ähnlich Jourdan 2010 [*1785]): Der Logos als Gottes immanenter Intellekt, der Logos als selbständige, den Ideenkosmos in sich begreifende Hypostase und der Logos als die im Kosmos immanent repräsentierte Weltvernunft bzw. Weltseele. Auf der Linie der gestuften Logoslehre, wie sie einige Apologeten anhand der Unterscheidung von λόγος
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ἐνδιάθετος («im Geist befindlicher, gedanklicher Logos») und λόγος προφορικός («hervorgebrachter Logos») vertreten haben, liegt es in der Tat, wenn Clemens erklärt, «nachdem der Logos [sc. aus dem Intellekt Gottes] hervorgetreten war, wurde er Urheber der Schöpfung» (Strom. 5,16,5). Clemens verbindet damit das berühmte mittelplatonische Theorem von den Ideen als den im Geist Gottes existierenden Gedanken Gottes, das bei Philon schon in dahingehender Erweiterung begegnet, dass Gott die von ihm gedachten Ideen aus sich herausstrahlen lässt, so dass sie im Logos als eigener Hypostase subsistieren (Strom. 4,155,1; 5,16,5. 73,3; Lilla 1971 [*1664: 201–203], Clark 1977 [*1682: 79–83], van den Hoek 1988 [*1709: 174f., 190f.], Osborn 2005 [*1760: 129f.]). Aber im Grunde behagt Clemens die Vorstellung von λόγος προφορικός, die ohnehin nur ein einziges Mal unbeanstandet bei ihm begegnet, wegen ihrer heterodoxen Anklänge nicht (Chadwick 1967 [*1657: 177], Hägg 2006 [*1765: 242]); sie darf nicht zum Interpretationsschlüssel für alle anderen Aussagen gemacht werden (die dubiose Notiz bei Photios zu den zwei Logoi, fr. 23 Stählin, ist hier – trotz Jourdan 2010 [*1785] – ganz außer Acht zu lassen und ebenso das verdächtige «secundum aequalitatem substantiae», «gemäß der Gleichheit der Substanz», der Adumbrationes, fr. 24 Stählin zu I. Ioh. 1,1). Offensichtlich sucht Clemens auf verschiedenen Wegen nach Vorstellungs- und Sprachmöglichkeiten, um die Präexistenz des Logos-Christus in seiner Relation zu Gott-Vater zu erfassen. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist eine Distinktion in Gott selbst zu wechselseitiger Verschränkung von Vater und Sohn. Der Vater ist nicht ohne den Sohn; denn indem er Vater ist, ist er Vater des Sohnes (Strom. 5,1,3 – ein Argument, das bei Origenes das Theorem der ewigen Zeugung des Sohnes begründen wird; vgl. Le Boulluec 1981 [*1565: II 13f.]). Der Sohn ist dem Vater, dessen Sohn er ist, gleich (Prot. 110,1; Paed. 1,4,1), weil er im Vater und der Vater in ihm ist (Prot. 110,1; Paed. 1,24,3. 53,1). So ist der Logos Gott in Gott (Exc. Thdot. 8,1), und beide sind eins (Paed. 1,62,4; 3,101,1). Ein anderer Gedankengang stützt sich auf das Gottesprädikat ἄναρχος («anfangslos»: vgl. Prot. 65,4; Strom. 4,162,5; 6,101,6). Der Sohn ist wie Gott das zeitlose, anfangslose Prinzip von allem (Strom. 7,2,2. 7,2; 5,141,2; dazu Le Boulluec 1981 [*1565: II 375]), insofern der Vater, der das Prinzip des Alls hervorbringt (Strom. 4,162,5; 6,58,1), die erste Ursache und noch jenseits des Sohnes ist (Strom. 6,78,5; 7,2,3), und der Sohn die von ihm erzeugte Ursache ist (Strom. 6,78,5). In diesem Sinn ist der Sohn aus dem unsichtbaren Vater vor den Ewigkeiten zur εἰκών ‘abgebildet’ (Strom. 5,38,7). Oder der Menschgewordene heißt der ewige Sohn in einer die ‘communicatio idiomatum’ vorbildenden Redeweise (Prot. 121,1). Besondere Wertschätzung scheint Clemens ferner dem Begriff ὁ ἐν ταυτότητι λόγος entgegenzubringen, den er erstmals in das präexistenztheologische Vokabular eingebracht hat. Obwohl der Ausdruck an sich nicht eindeutig ist, will er mit ihm die beständige und unteilbare Einheit des Logos mit dem Vater, dem einen Gott, zum Ausdruck bringen (Exc. Thdot. 8,1: θεὸς ἐν θεῷ […] ἀδιάστατος, ἀμέριστος, εἷς θεός, «Gott in Gott […] ungetrennt, ungeteilt, ein einziger Gott»; Exc. Thdot. 19,1f. 4). In dieser Einheit von Gott in Gott unterscheidet sich der Sohn von Anfang an (d. h. von Ewigkeit an; so Hägg 2006 [*1765: 202]; diese Interpretation ist wegen des exegetischen Bezugs der Stelle auf Ioh. 1,1 die einzig mögliche) – nicht dem Wesen nach, sondern durch
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περιγραφή, durch «Umgrenzung», was im Sinne von Individuation gemeint ist, aber eine Degradation gegenüber dem wesenhaft unumgrenzten Gott impliziert (Exc. Thdot. 19,1f. 4; Daniélou 1973 [*1669: 372–375]; mit gewissen Korrekturen Osborn 2005 [*1760: 126–129], Hägg 2006 [*1765: 197–206]). Wiederum ein anderer Versuch, das Verhältnis des Sohnes zum Vater zu benennen, geht in kühner Metaphorik vom Geheimnis der göttlichen Liebe als der Quelle der Selbstmitteilung Gottes aus. «Blick auf die Geheimnisse der Liebe, und dann wirst du den Schoß des Vaters schauen, den der eingeborene Gott allein verkündigt (Ioh. 1,18). Gott selbst ist die Liebe, und als Liebe ließ er sich von uns schauen (I. Ioh. 4,8. 16). Das Unaussprechliche von ihm ist Vater, das mit uns Mitempfindende wurde Mutter. Aus Liebe wurde der Vater weiblich, und das große Zeichen dafür ist der, den er aus sich erzeugte. Und die aus Liebe geborene Frucht ist Liebe. Deshalb kam er auch herab, deshalb wurde er Mensch» (Q. d. s. 37,1f.; vgl. Paed. 1,71,3; Méhat 1966 [*1653: 487f.], Le Boulluec 1996 [*1727: 40f.]; in eine andere Richtung geht Strom. 5,126,2). Im Grunde durchzieht alle Aussagen immer wieder die gleiche spannungsvolle Polarität: Gott ist seinem Wesen nach unergründlich, doch aus Liebe hat er seinen Sohn hervorgebracht und sich in ihm durch selbstbestimmte Umgrenzung erschlossen. Aufgrund dieser Selbstmitteilung Gottes ist der Sohn substantiell eins mit dem Vater und zugleich durch sein Gezeugt-Sein und seine personale Umgrenzung, die der Vater nicht hat, von ihm unterschieden und ihm nachgeordnet. Dadurch wird er gegenüber der Welt zum Mittler, der Gottes Handeln an ihr vermöge seiner Wirksamkeit als väterlicher δύναμις («Kraft») vollzieht und den Vater allein offenbart. Den innergöttlichen Vorgang der Selbstmitteilung Gottes möchte Clemens jedoch nicht an den Akt der Welterschaffung knüpfen. Mögen seine diesbezüglichen Aussagen auch in dieser Hinsicht der letzten Klarheit entbehren, weisen sie doch in eine Richtung, die auf die Lehre der ewigen Zeugung des Sohnes zuläuft (Edwards 2000 [*1744], Hägg 2006 [*1765: 185–197] gegen die Annahme einer zwei- oder dreifachen Stufung in der Logoslehre). Auf mannigfache und vielgestaltige Weisen hat der Logos-Christus immer wieder in der Heilsgeschichte seit Erschaffung der Welt als Erzieher und Lehrer der Menschheit gewirkt, um seine Geschöpfe in Anpassung an ihr jeweiliges Vermögen zu Gott zu führen (Paed. 1,55,2–61,3; Strom. 2,72,4; 6,28,3. 58,2. 106,3f.; 7,6,6; Tsirpanlis 1977 [*1684], Méhat 1981 [*1685: 108]). Vorbereitet und verankert in dieser Kontinuität der einen Ökonomie Gottes, stellt die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und seine Passion den Höhepunkt aller geschichtlichen Manifestationen dar. Der ewige Logos ist vom Himmel herabgekommen (Paed. 2,75,2; Strom. 5,7,8. 105,4; Q. d. s. 6,2) und hat Fleisch angenommen (Prot. 111,2; Strom. 4,8,7; 6,127,1; 7,6,5. 8,1). Er wurde Gott in Menschengestalt (Paed. 1,4,1). Christus allein ist beides, Gott und Mensch (Prot. 7,1); ein offenbares Geheimnis, Gott im Menschen und der Mensch ist Gott (Paed. 3,2,1, man beachte die Asymmetrie!). Es kann freilich nicht überraschen, dass Clemens’ Ausformulierung der christologischen Fragen, auch wenn er einige klar exponiert hat (Strom. 5,1,2: ὅτι […] πῶς […] διὰ τί […] περὶ τοῦ πάθους, «dass […] auf welche Weise […], weswegen […], über das Leiden»), noch kaum entwickelt ist. Er will die Gottheit und die Menschheit ungeschmälert in der Personeinheit Christi sehen, und zwar im Sinne einer
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Christologie von oben, so dass das personbildende Zentrum der Logos ist. Das hat zur Folge, dass er ihm menschliche Bedürfnisse und Leidenschaften abspricht (Strom. 6,71,2; Nahrung nahm er nur zur Widerlegung doketischer Ansichten zu sich, vgl. Strom. 3,59,3; 7,72,1: ohne Begierden; Paed. 1,4,1; Strom. 6,71,2: ohne Seelenaffekte; 7,7,2. 5; bedenklich auch Paed. 1,23,1; Strom. 2,21,1) und doch sein wahres menschliches Leiden behauptet (Paed. 1,85,2. 97,3; 2,36,2; Q. d. s. 37,3f.; Paed. 2,62,2: er erfuhr die Schwachheit des Fleisches αὐτοπαθῶς aus Mitleid zu uns). Den Doketismus verwirft er als häretisch (Strom. 7,108,2; 6,71,2; Le Boulluec 1985 [*1693: II 328, 349, 432]), aber es bleiben ungelöste Probleme. Das ist hier nicht weiter zu verfolgen. Indessen nicht unerwähnt dürfen die umwälzenden Rückwirkungen des Inkarnationsgedankens auf die axiomatischen Grundkoordinaten des griechischen Denkens bleiben. Während es für philosophisches Verständnis allenfalls erschwinglich gewesen wäre, in der Person Jesu von Nazareth einen sittlich herausragenden Menschen zu sehen, behauptet Clemens ja nichts Geringeres, als dass in ihm, in dieser äußerlich niedrigen und unansehnlichen Gestalt (Prot. 110,1; Paed. 3,3,3; Strom. 3,103,3; 6,151,3; Exc. Thdot. 4,2) der uranfängliche Logos und eingeborene Sohn des jenseitigen Gottes Mensch geworden ist und den schmachvollsten Tod erlitten hat. Mit vollem Recht kann man hier von einer schöpferischen Synthese sprechen. Clemens hat die religiös erfahrene Trans zendenz Gottes in griechisch philosophischen Kategorien ausgedrückt, aber er hat, ohne die griechischen Denkmittel preiszugeben, den philosophischen Gottesbegriff durch das christliche Kerygma aufgesprengt, um die Selbsterniedrigung Gottes in Jesus Christus denken zu können. 6. Der kontemplative Aufschwung und die Eschatologie Es darf nicht aus dem Blick verloren gehen, dass der Gnostiker, wie Clemens ihn zeichnet, nicht nur jemand ist, der die höheren Kenntnisse der wahren Lehre erworben hat, sie innerlich geistig durchdrungen hat und sie in seinem Leben praktisch durch das Befolgen der Gebote bewährt, sondern er ist nicht weniger dadurch gekennzeichnet, dass er als Lehrer wirkt und auch andere zur wahren Gnosis und zur gnostischen Lebensweise hinführt (Strom. 2,46,1; 7,3,4. 52,1). Dennoch, das Höchste, was Clemens vom geistigen Leben eines Christen zu sagen weiß, ist der kontemplative Aufschwung, in dessen Verlauf sich die Seele des Vollkommenen in Abkehr von der Sinnenwelt über mehrere Stufen hinauf zur Schau Gottes von Angesicht zu Angesicht erhebt. Damit hat Clemens ein neues, bei früheren christlichen Autoren noch nicht begegnendes Element aus der paganen und hellenistisch-jüdischen Religionsphilosophie in die christliche Theologie eingebracht. Der Gedanke des gnostischen Aufstiegs basiert für ihn wesentlich auf dem kirchlichen Gemeindeglauben, er ist der konkrete Vollzug der geistigen Übergipfelung des Glaubens in der Gnosis und ist untrennbar mit dem dynamisch drängenden Elan der Liebe (Strom. 2,45,1; 4,145,2; 7,10,3. 55,6f. 57,3f.) verknüpft. Wenn die Erhebung auch unter der Leitung und dem Beistand Christi steht und von der Kraft des Heiligen Geistes gewirkt wird (Prot. 10,2f.; Strom. 6,166,3; 7,95,3), so
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handelt es sich dabei doch zunächst um eine rationale Betätigung, der sittliche Vorbereitungen wie die beständige Reinigung von den Affekten und intellektuelle Einübungen etwa durch enzyklopädische Studien vorangehen müssen (Strom. 6,91,2. 96,4; Camelot 1931 [*1627]). Clemens hat dieses Konzept sehr reich ausgestaltet, entsprechend vielfältig sind die Traditionen, die er verwertet hat, aber weithin dominiert das Modell des Platonismus, wobei die Mysterienterminologie und das Vorbild Philons noch eigens zu nennen wären. Besonders deutlich wird der platonische Einschlag, wenn er von der «wahren Dialektik» spricht, die im dialektischen Verfahren der Zerlegung bzw. Prüfung und der Zusammensicht bis zur Erkenntnis des Gottessohnes vordringt und sich noch darüber hinaus bis zum Gott des Alls, den der Sohn offenbart, voranwagt, um dann diese Erfahrung in der Rückwendung ins irdische Leben im praktischen Verhalten und an der Schriftauslegung zu bewähren (Strom. 1,176,3–179,4; Pépin 1972 [*1668], Wyrwa 1983 [*1689: 124–131]; vgl. Strom. 5,74,1f. mit Plat. Rep. 7, 532a–b). Oder im Sinne der platonischen Schulphilosophie wendet Clemens die «analytische Methode» an, die auf dem Wege der Abstraktion alle empirischen Eigenschaften von den Dingen ‘more geometrico’ abzieht und zum ersten Denken vordringt, indem sie Schritt für Schritt zur intelligiblen Monas gelangt, d. h. sich auf die Größe Christi wirft, um von dort in den Abgrund vorzudringen und sich dem unsagbaren und unerkennbaren Allmächtigen, dem Einen, zu nähern, der sich selbst im Sohn offenbart (Strom. 5,71,1–72,1; Rizzerio 1998 [*1736], Itter 2009 [*1781: 49f.]; vgl. Strom. 6,90,4; 5,81,5–82,4). Einmal spricht Clemens von der «wahrhaft gnostischen Physiologie», welche die irdischen Naturphänomene in ihrer hierarchischen Struktur als Zeichen auf die transzendente Wirklichkeit zu lesen und umgekehrt in ihnen Spuren der geistigen Welt wahrzunehmen vermag, die auf ihren intelligiblen Ursprung und ihre intelligible Einheit im ersten Prinzip zurückweisen und den Menschen in die Nähe des Logos führen (Strom. 4,3,1–3; Rizzerio 1996 [*1728: 216–329]; vgl. Strom. 5,8,5–7; 6,111,1). Oder Clemens beschreibt den Weg des «mystischen Fortschritts», der von der Katharsis über die Illumination (vgl. Strom. 6,138,2) zur Epoptie führt und die Seele zuletzt in den höchsten Ort der Ruhe und in die Gemeinschaft mit dem Herrn direkt unter ihm versetzt (Strom. 7,56,1–57,5; vgl. Riedweg 1987 [*1704: 142f.]). Der Gedanke der gnostischen Erhebung kann auch allegorisch am Eintritt des Hohenpriesters in das Allerheiligste des Tempels (Exc. Thdot. 27,1–6; Strom. 5,39,4–40,1) oder an der Symbolik der Sieben- und Achtzahl (Strom. 4,159,2; 5,106,3f. in Auslegung von Plat. Rep. 10, 616b; 6,108,1. 138,1–6 mit Aristobulos fr. 5 im Hintergrund; 7,57,5) festgemacht werden. Besondere apokalyptische Traditionen stehen im Hintergrund, wenn Clemens den Aufstieg als Himmelsreise der Seele beschreibt, die an den Wächterengeln vorbei (Strom. 4,116,2. 117,2; dazu Méhat 1966 [*1653: 461–464]) durch die Engelhierarchien hinaufführt (Strom. 6,105,1f.; 7,13,1. 82,5; Daniélou 1973 [*1669: 447–453], Recinová 2012 [*1803: 108f.]). Weitere Variationen ließen sich nennen (Strom. 2,51,1; 7,83,3f.; singulär in Clemens’ Werk, aber gut platonisch ist Strom. 1,94,4–7: Weg über die Selbsterkenntnis). Nach beiläufigen Bemerkungen zu urteilen (Strom. 7,40,1. 46,4; 6,102,1f.), scheint Clemens den Aufstieg in enger, wenn nicht gar direkter Verbindung mit dem Gebet des Gnostikers, das er als Gespräch mit
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Gott bezeichnet (Strom. 7,39,6. 42,1. 49,7. 73,1; ebenso Max. Tyr. Diss. 5,8, möglicherweise nach Aristoteles; Méhat 1995 [*1723], Perrone 2012 [*1801]), gesehen zu haben (zum beständigen Gebet: Strom. 7,35,1–3. 49,7. 73,1; zum inneren Gebet: Strom. 7,39,6. 43,5). Doch grundsätzlich, und das sagt Clemens mehrmals (Strom. 2,5,3f. mit Phil. Post. 18 und Somn. 1,66f. im Hintergrund; 5,7,7. 71,3. 79,1; 6,166,2), ist dem Menschen als geschaffenem Wesen die Wesenserkenntnis Gottes, des Schöpfers, verwehrt: Was er in der Kontemplation erfährt, ist die direkte und vertraute Begegnung mit Gott, wie er sich in Christus geoffenbart hat (Strom. 2,77,4; 5,7,8. 16,5. 34,1. 66,2f.). Er tritt ein in die engste Gemeinschaft und Nähe mit Christus (Strom. 6,121,3: ἐγγὺς τοῦ θεοῦ βασιλέως, «nahe bei Gott dem König»; 7,88,3: προσεχὴς γενομένος τῷ κυρίῳ, «in engste Berührung mit dem Herrn gekommen»; 7,35,7; 40,2: σύνεγγυς τοῦ θεοῦ, «nahe bei Gott»; 40,3: δι’ εὐχῆς συνεῖναι θεῷ, «durch das Gebet mit Gott zusammensein»; 44,5: προσεχὴς […] γενομένος […] ἤνωται τῷ πνεύματι, «in engste Berührung […] gelangt […] ist er vereint mit dem Geist»), dem großen Hohenpriester im Vorhof des Vaters (Strom. 7,45,3). Engelgleich und lichterfüllt geworden (Strom. 6,105,1; 7,57,5), ist er mit Christus zusammen (Strom. 4,155,4: σὺν Χριστῷ ἔσται; 7,79,4) und in Liebe mit ihm, dem Geliebten, verbunden (Strom. 6,72,1. 76,1. 4: ἔχει δι’ ὧν ἔγνω ὃν ἠγάπησεν, «er hat das, wodurch er den erkannte, den er liebte»; 6,102,1). Er wird μοναδικός (wie der Logos die Monas ist), indem er untrennbar in Christus geeint wird (Strom. 4,152,1. 157,2; Prot. 88,2). Insofern hat er mit unerschütterlicher Gewissheit auch alle Belehrungen und Unterweisungen, die Christus eröffnet hat und welche die Apostel weitergegeben haben, geistig ergriffen (6,61,1. 3; 6,68,2f. 70,2f.; 7,44,6. 78,4. 83,5). Indessen ist der kontemplative Aufschwung eine durch die Liebe vorweggenommene Antizipation dessen, was den Gnostiker nach dem leiblichen Tod in der eschatologischen Vollendung erwartet (Strom. 6,73,4–6. 75,2. 102,1; 7,47,7. 57,5). Mag auch in Clemens’ oszillierender sprachlicher Ausdruckweise die Grenze nicht immer scharf gezogen sein, so ist für ihn fraglos jetzt schon Vorgriff, was dereinst erst volle Realität sein wird (Paed. 2,29,2f.). Dann, wenn der Christ nach dem Tod durch Feuer geläutert und gereinigt sein wird (Strom. 5,9,4; 7,34,4. 78,3; Anrich 1902 [*1622], Schmöle 1974 [*1677: 59–87]), werden ihm in der Auferstehung feinere Körpergestalten zuteil (fr. 24 [adumbr.] zu I. Ptr. 1,3; Auferstehung zum ewigen Leben: Q. d. s. 42,16. 19; Paed. 1,28,3. 5; Bekleidung mit Unvergänglichkeit: Paed. 1,84,3; 3,2,3), und er empfängt die ihm gebührende Belohnung und einen je nach seiner Würdigkeit gestaffelten Wohnplatz (Strom. 4,15,4–6. 114,1 nach Mc. 10,29f.; Mt. 19,29; vgl. Mt. 13,8. 23; Strom. 4,36,3–37,1; 6,114,1–3; 7,9,4. 57,5. 88,3 nach Ioh. 14,2; vgl. Strom. 6,47,1; 7,13,1: ἀμείνονες τόποι, «bessere Orte», nach Plat. Leg. 10, 903d. 904d–e). Doch auch im Jenseits ist noch geistliches Wachstum und Fortschreiten möglich. Es ist für Clemens der deutlichste Erweis der vom Sohn Gottes ausgehenden Providenz, dass sich diese auf die σωτηρία («Heil») des Ganzen erstreckt und jeden einzelnen nach Möglichkeit zum immer Besseren hinführt, bis am Ende, im Eschaton, das letzte Ziel ohne Ende (τὸ τέλος ἀτελεύτητον: Strom. 2,134,1; 7,56,3) erreicht sein wird (Strom. 7,12,2f. 6,1; bei den Ausführungen zur πρόνοια, «Vorsehung», in 7,6,1–15,4 steht vor allem Plat. Leg. 10, 903b–
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905a im Hintergrund; vgl. Solmsen 1969 [*1659]). Denn erst dann – und nicht schon im Urstand, als der Mensch vorerst nur mit der Anlage zur Vollkommenheit geschaffen war (Strom. 4,150,3f.; 6,96,1f.) – wird die Schöpfung im Ganzen zur Vollendung gelangt sein. Die heilsamen Veränderungen zum Besseren – Clemens spricht von «Umschwüngen» (περιτροπαί), um die astral-kosmische und überhimmlische Dimension dieses Geschehens anzudeuten – basieren auf der freien Wahl jedes einzelnen (Strom. 7,12,4) und sind durch καὶ χρόνοις καὶ τόποις καὶ τιμαῖς καὶ γνώσεσι καὶ κληρονομίαις καὶ λειτουργίαις («sowohl durch Zeiten, Orte, Ehren, Erkenntnisse, Erbschaften und Gottesdienste») unterschieden (Strom. 7,10,2). Was Clemens damit meint, geht aus seiner sehr komplexen, mit apokalyptischem Material arbeitenden Auslegung von Ps. 18,6 «er hat in der Sonne ein Zelt aufgestellt» hervor (Ecl. 56,1–57,5; dazu Cambe 2009 [*1780: 83– 146]): Die Sonne bedeute, verkürzt gesagt, den Ort, an dem sich die herrschenden Engel aufhalten und zu dem bei der Wiederkunft des Herrn die Gerechten, sonnenhaft und engelgleich geworden (vgl. Strom. 7,84,2), hinzustoßen. Aber sie ist nur ein temporärer Zwischenaufenthalt auf dem Weg des jenseitigen Aufstiegs. Nach einer gewissen Zeit werden die Gerechten in den nächst höheren Rang der Erzengel aufsteigen, wohin ihnen die herrschenden Engel schon vorausgegangen sind, und ihren ursprünglichen Ort in der Sonne werden von unten nachrückende Gerechte einnehmen. Die Erzengel ihrerseits werden dann schon in den höchsten Rang der Protoktisten (vgl. Exc. Thdot. 10,3–12,1) vorgerückt sein, und so fort. Den hierarchisch gestuften Klassen obliegen verschiedene Dienstleistungen, unter denen neben den kosmischen (Strom. 7,9,1–4. 17,2: λειτουργίαι), den heils geschichtlichen (fr. 24 [adumbr.] zu I. Ioh. 2,1: «operationes»; Strom. 5,35,1: διακονίαι) und liturgischen (Strom. 6,107,2f.) die Dienstleistungen der Belehrung besonders hervortreten, insofern jeweils die höhere Klasse die niedere für 1000 Jahre unterrichtet, bis diese zur Vollkommenheit vollendet ist und ihrerseits wieder die niedere unterrichtet, aber von der nächst höheren erneut Belehrung erfährt. Schließlich werden alle, die ehedem gerechten Menschen, die Engel und die Erzengel, in die «protoktistische Natur» übergehen (vgl. Exc. Thdot. 27,3–6). Was Clemens also im Blick hat, ist eine ontologische, die Individualität aber wahrende Transformation des Gnostikers, die an seinen geistlichen Erkenntnisfortschritt gebunden ist, wenn dieser im Eschaton zur definitiven Schau Gottes aufsteigt (so Cambe 2009 [*1780: 100]; unrichtig Bucur 2009 [*1779: 48]: «descriptions of an interior phenomenon»). Dass Clemens aber die Allversöhnung gelehrt habe, lässt sich, so sehr diese in der Konsequenz gewisser Formulierungen liegen könnte (Ramelli 2012 [*1802]), nicht nachweisen (gegen Itter 2009 [*1781: 175–200]). Tatsächlich spricht er vom großen Weltgericht (Strom. 3,63,4; 7,12,5. 102,3–4; Ecl. 40), von Bestrafung im ewigen Feuer (Q. d. s. 33,3) und davon, dass die unverbesserlichen Übeltäter in die Tiefe hinabstürzen bzw. getötet werden (Strom. 1,171,4; 7,9,4. 102,3; Q. d. s. 42,18). Den Terminus ἀποκατάστασις wie auch das entsprechende Verb gebraucht er in der Bedeutung von «Erfüllung», «Einsetzung», «Herstellung eines richtigen Zustands», nicht aber im Sinne von «Wiederherstellung» (Méhat 1956 [*1638]; Le Boulluec 1997 [*1566: 185] übersetzt in Strom. 7,56,5: «l’établis sement définitif»).
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Alles, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben, wird dann am Ende dem vollkommenen Gnostiker wirklich im überreichen Maße zuteilwerden. Er ist zum Freund Gottes (vgl. Iac. 2,3; Ioh. 15,15) geworden, in die auserwählte Sohnschaft (vgl. Rm. 8,23; Eph. 1,5) eingereiht und zum vollkommenen Mannesalter (vgl. Eph. 4,13) herangewachsen (Strom. 1,173,6; 2,75,2; 6,76,3. 114,6; 7,62,7. 68,1. 3; 7,88,3). Er hat das vollkommene Erbteil des Herrn angetreten (Strom. 6,75,2. 114,4. 164,4; 7,10,1. 55,7) und ist an den überragenden Ort der Ruhe gelangt (Strom. 6,108,1; 7,57,1. 68,4). Er hat die Angleichung an Gott in sich gänzlich realisiert (Prot. 122,4; Strom. 2,134,1f.; 7,84,2) und lässt die Gottebenbildlichkeit ungetrübt in sich aufstrahlen (Strom. 4,137,1; 6,114,4–6; vgl. 7,86,2; Strom. 7,16,6. 29,5f.: als εἰκών an dritter Stelle). Indem er derart ausgezeichnet ist, führt er, auf Thronen direkt unter dem Heiland, ein Leben in Gemeinschaft mit Göttern (d. h. mit den Engeln und Mitgnostikern) und heißt selbst Gott (nach Ps. 81,6 Prot. 123,1; Strom. 2,125,5; 4,149,8; 6,114,6; 7,56,3. 6). Er empfängt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gekommen ist (Strom. 4,114,1; 5,40,1 mit I. Cor. 2,9). Nicht in Spiegeln oder durch Spiegel schaut er, sondern er feiert das Festmahl einer deutlichen und reinen Schau, von Angesicht zu Angesicht (Strom. 7,13,1 mit I. Cor. 13,12; ebenso Paed. 1,36,5f.; Strom. 1,94,6; 5,40,1; 6,102,2; 7,57,1. 68,4; Exc. Thdot. 15,1; 27,4). Es scheint freilich nicht sicher, ob Clemens bei der eschatologischen Schau im Jenseits mit einer vollen Wesenserkenntnis Gottes gerechnet hat. Auffälligerweise verwendet er auch in diesen Zusammenhängen gelegentlich die relativierende bzw. limitierende Klausel «nach Möglichkeit», «auf höchst mögliche Weise» o. ä. (Strom. 7,12,3. 13,1. 16,6). Der geistige Fortschritt besteht ja darin, dass das Ausstrecken der Seele (ἐπεκτεινομένη: Strom. 7,10,1; Paed. 1,52,2 nach Phil. 3,13) auf ein Ziel gerichtet ist, das kein Ende kennt (Strom. 2,134,1; 7,56,3), weil Gott selbst unendlich ist (Strom. 5,81,4. 6); es ist ein stetiges Wachstum, wo die Vollendeten die nie voll werdende Freude einer nicht satt werdenden Schau genießen (Strom. 5,40,1: ἀκόρεστος θεωρία; 6,75,1: τὴν ἀπλήρωτον τῆς θεωρίας εὐφροσύνην αἰδίως καὶ ἀκορέστως ἑστιώμενον; 6,108,1; 7,13,1). Das scheint zu implizieren, dass das Wesen Gottes letztlich der direkten und vollen Erkenntnis des Gnostikers entzogen bleibt (Itter 2009 [*1781: 204f.], Hägg 2012 [*1797: 141]), wie umgekehrt, dass ein Abfall aus dem Stand der Vollkommenheit unmöglich ist (Strom. 6,75,1). Aufschlussreich ist zudem, wie Clemens die Schau Gottes durch die von Anfang an vollkommen erschaffenen Protoktisten, die keinen Fortschritt kennen, interpretiert. Dass die Protoktisten das Angesicht des Vaters sehen (nach Mt. 18,10; 5,8), bedeute, dass sie das Angesicht des Sohnes sehen; denn er ist das Angesicht des Vaters, durch den der Vater erkannt wird (Exc. Thdot. 10,4f.; Daniélou 1973 [*1669: 372], Mortley 1976 [*1679: 118]). An eine mystische Vereinigung kreatürlicher Wesen mit Gott scheint Clemens nicht gedacht zu haben (vgl. Exc. Thdot. 17,3–4), was er aber mit Nachdruck vertreten hat, ist die Vereinigung mit Christus in der Liebe.
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4. NACHWIRKUNG
Clemens’ Nachwirkung stand unter einem unglücklichen Vorzeichen, war er doch der Vorläufer eines Größeren. Lange Zeit wurde er wegen seiner staunenswerten Belesenheit hoch geachtet (vgl. die Zeugnisse bei Stählin, Treu 31972 [*1559: I IX–XVI]), aber auf dem engeren Gebiet der materialen Dogmatik wirkte er – anders als Origenes – nicht, was sicher auch mit seinem eigenwilligen literarischen Stil zusammenhängt. Man schätzte ihn als Apologeten, und das von ihm gesammelte diesbezügliche Material ging in die apologetische Tradition eines Eusebios, eines Kyrill, eines Theodoret und anderer ein, die es neu aufbereiteten oder einfach übernahmen. Ob er den Boden für die Entwicklung des Mönchtums bereitet hat, erscheint trotz Anklängen bei Euagrios Pontikos (Guillaumont 1987 [*1698]) fraglich (Brown 1988 [*1707: 137–139]; vgl. Dihle 1988 [*1708: 52]; positiv dagegen, besonders mit Blick auf den Hesychasmus Marrou 1960 [*1563: 61], Chadwick 1966 [*1651: 63f.]). Doch die Schatten der origenistischen Streitigkeiten fielen auch auf ihn, der aufgrund von Eusebios’ Nachrichten als Lehrer des ‘großen Häretikers’ galt. In dieser Hinsicht wurde Hieronymus’ Positionswechsel, der sein früheres Lob zurückstellte und stattdessen Misstrauen äußerte (Hier. Adv. Rufin. 2,17), folgenreich. Das sogenannte ‹Decretum Gelasianum› stützte sich neben anderen auf Hieronymus, als es Clemens’ Werke verwarf, und Cassiodor mahnte mit Rücksicht auf allgemeine antiorigenistische Gereiztheiten zur Vorsicht. Im griechischen Sprachbereich lässt sich ebenfalls der schrittweise Stimmungsumschwung beobachten, bis um 850 die sehr einflussreiche Mönchschronik des Georgios Monachos notiert, Clemens sei Origenist gewesen, und etwa gleichzeitig der spätere Patriarch Photios die, wie er meint, belastenden Anklagen in seiner ‹Bibliothek› zusammenstellt. Und nochmals ein Jahrhundert später weiß das ‹Synaxarion› der koptischen Kirche – historisch unhaltbar – mitzuteilen, dass die Häretiker Clemens, Origenes und Areios von Bischof Demetrios exkommuniziert worden seien. Trotzdem hat er noch zu dieser späten Zeit erklärte Verehrer gefunden, so dass manche Exzerpte aus seinen Schriften in die byzantinischen Florilegien und Katenen eingegangen sind (Stählin, Treu 31972 [*1559: I XLVII–LXV]). Arethas, der Metropolit des kappadokischen Kaisareia, ließ eine Abschrift vom ‹Protreptikos› und vom ‹Paedagogus› anfertigen, die auf das Jahr 914 datiert ist und die er selbst korrigiert hat. Dieses heute noch vorhandene Exemplar ist die berühmte Apologetenhandschrift, Parisinus graecus 451, der Archetyp aller weiteren Abschriften dieser beiden Werke (Stählin, Treu 31972 [*1559: I XVI– XXIII]). Und möglicherweise geht auch die älteste erhaltene Handschrift der ‹Stromata›, der Laurentianus V 3 aus dem 11. Jahrhundert, auf eine Arethashandschrift zurück (Stählin, Treu 31972 [*1559: I XL Anm. 1]). Doch erlitt Clemens’ Ansehen erneute Einbußen, als Papst Clemens VIII. und nochmals Gregor XIII. seinen Namen aus dem revidierten ‹Martyrologium Romanum› (1584) tilgten, wo bis dahin seit dem 9. Jahrhundert der 4. Dezember als sein Märtyrertag verzeichnet war. Die maßgebliche Initiative dazu scheint von Kardinal Baronius ausgegangen zu sein, den vor allem das sogenannte ‹Decretum Gelasianum› und auch Cassiodors und Photios’ Vorbehalte bestimmt hatten. Aber zu diesem Zeitpunkt war
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§ 99. Origenes (Bibl. 1111–1128)
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bereits die Editio princeps durch den gefeierten Florentiner Humanisten Petrus Victorius 1550 veröffentlicht, und im Jahr darauf war separat die lateinische Übersetzung von Gentian Hervet ebenfalls in Florenz erschienen. Dass dieser Druck auf protestantischer Seite sogleich zur kontrovers-theologischen Polemik von Flacius Illyricus (1556) und den ‹Magdeburger Centurien› (1559) ausgebeutet wurde, war nur ein kurzes Intermezzo; denn im Grunde musste Clemens der altprotestantischen Orthodoxie wegen seiner Hochschätzung der griechischen Philosophie, seines unklaren Schriftgebrauchs und seiner dogmatisch offenen Darstellungsweise nicht weniger fremd bleiben. Substantieller war der Anteil, den Clemens im 17. Jahrhundert in Frankreich bei den Auseinandersetzungen mit dem Quietismus und in England im Umkreis der Cambridge Platonists zukam. Auf römischer Seite verteidigte schließlich noch einmal und definitiv Benedikt XIV. im Jahr 1748 die Entscheidung seiner Vorgänger. Es waren in erster Linie Philologen wie Friedrich Sylburg 1592, Daniel Heinsius 1616 und John Potter 1715, die sich um das Verständnis des Clemens-Textes verdient gemacht haben (vgl. zum Ganzen Bigg 1886 [*1619: 269–272], Knauber 1970 [*1662], Méhat 1981 [*1685: 110f.], Le Boulluec 1987 [*1701]).
§ 99. Origenes Marco Zambon unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Origenes (ca. 185–254; nach Eus. Hist. eccl. 6,14,10, Hier. Vir. ill. 54 und Epiph. Haer. 64,1 hieß er auch Adamantios) ist die überragende Gestalt der vornizänischen christlichen Theologie, der Schöpfer eines tief in der geistigen Auslegung der Bibel und im kirchlichen Glauben verwurzelten Denkansatzes, der sich mit der heidnischen, jüdischen und gnostischen Tradition produktiv auseinandergesetzt hat (Fürst 2011 [*2261: 83–100]). Über sein Leben und Werk gibt er manchmal selbst in seinen Schriften Auskünfte (Perrone 2013 [*1996] und 2013 [*2277]). Ausführlicher unterrichtet uns Eusebios von Caesarea im sechsten Buch seiner ‹Kirchengeschichte›. Sein Bericht stützt sich auf einige Briefe von Origenes, auf andere zeitgenössische Urkunden und auf die von Pamphilos mit Eusebios’ Hilfe
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
zwischen 307 und 310 verfasste ‹Apologie für Origenes› (Eus. Hist. eccl. 6,23,4. 33,4. 36,4). Das apologetische Ziel dieser ‘Biographie’, der Gebrauch von nicht immer zuverlässiger mündlicher Überlieferung (ebd. 6,2,1) sowie Eusebios’ Versuch, seine spärlichen Zeitangaben mit der chronologischen Reihenfolge der römischen Kaiser und der Bischöfe von Rom und Alexandrien zu harmonisieren, machen eine kritische Prüfung seiner Auskünfte erforderlich (Nautin 1977 [*1993: 98], Verheyden 2011 [*1995]). Weitere Nachrichten verdanken wir der ‹Dankrede an Origenes› eines Schülers namens Theodoros (nach Eus. Hist. eccl. 6,30 war er Gregor der Wundertäter), der seine Schule in Caesarea besucht hatte, ferner Epiphanios von Salamis, Hieronymus, der ‹Bibliothek› des Patriarchen Photios (Bibl. cod. 8, 3b–4a; 117–118, 91b–93a) und weiteren antiken Schriftstellern. So ist Origenes, trotz manchmal erheblicher Meinungsverschiedenheiten in der Forschung, einer der antiken christlichen Schriftsteller, dessen Leben vergleichsweise gut bekannt ist. Neben den klassischen Werken von Huet 1668 [*2016], Redepenning 1841–1846 [*2017] und de Faye 1923–1928 [*2018] bietet heute Nautin 1977 [*1993] die genaueste, wenn auch nicht unumstrittene Rekonstruktion von Origenes’ Biographie. Über die erste Phase von Origenes’ Leben bis zu seinem endgültigen Verlassen von Alexandrien im Jahr 232 n. Chr. berichtet Eusebios, auf der Grundlage eines autobiographischen Briefes des Origenes an den Bischof Alexander von Jerusalem (Nautin 1961 [*2071: 126–134] und 1977 [*1993: 21–24], Perrone 2013 [*1996: 7–8]). Origenes wurde zwischen 183 und 187 n. Chr. als Sohn einer wohlhabenden christlichen Familie in Alexandrien geboren. Er kam in den Genuss einer sehr guten Ausbildung sowohl in den herkömmlichen allgemeinen Fächern des antiken Bildungskanons (ἐγκύκλιος παιδεία) als auch in der Heiligen Schrift (Fürst 2007 [*2229]). Als er siebzehn Jahre alt war (d. h. zwischen 199 und 203, wahrscheinlich im Jahr 202), erlitt sein Vater das Martyrium (Eus. Hist. eccl. 6,2,12). Dank seiner literarischen Bildung konnte Origenes als ‘Sekundarlehrer’ (γραμματικός) für den Unterhalt von Mutter und Geschwistern sorgen (Neuschäfer 1987 [*2140: 32–38]). Eusebios (Hist. eccl. 6,3,3) setzt um 203, als Origenes achtzehn Jahre alt war, den Beginn seiner Lehrtätigkeit an der ‘katechetischen Schule’ Alexandriens an. Dieses Datum scheint sehr früh zu sein; Nautin 1977 [*1993: 39, 365, 417] hat das Jahr 211 vorgeschlagen: Nachdem Origenes während der Verfolgung unter Statthalter Aquila (206–211) mutig Unterweisung im christlichen Glauben erteilt hatte (Bischof und Klerus hatten die Stadt verlassen), hätte Bischof Demetrios nach seiner Rückkehr seinen Unterricht nachträglich gut geheißen und ihn mit dem Unterricht an der katechetischen Schule betraut (vgl. Wyrwa 2005 [*2223: 283f.]). Nach kurzer Zeit gab Origenes den literarischen Unterricht als γραμματικός auf und widmete sich völlig der christlichen Unterweisung (Eus. Hist. eccl. 6,3,8–9). Origenes’ Schultätigkeit weist Züge auf, die auch für die zeitgenössischen philosophischen Schulen typisch waren, obwohl hier nicht Platon, sondern die Heilige Schrift Gegenstand der exegetischen Bemühungen von Lehrer und Schülern war (Scholten 1995 [*2175: 19–22, 37]): Der Lehrer, selbst Schüler eines Philosophen (Hist. eccl. 6,19,12–13), führte ein asketisches und wirtschaftlich unabhängi-
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ges Leben (ebd. 6,3,8–13); die Hörer kamen aus unterschiedlichen Kreisen (Christen, Heiden, Juden, Häretiker: ebd. 6,3,13. 19,1–3. 19,12), wobei wenigstens einige unter ihnen eine enge persönliche Beziehung mit dem Lehrer hatten (ebd. 6,3–5). Auf diese Weise setzte Origenes eine Schultradition fort, die den Christen in Alexandrien und anderswo schon vertraut war (Löhr 2010 [*2256: 170–171]): Eusebios (Hist. eccl. 5,10,1–4; 6,6,1) stellt ihn sogar als Nachfolger von Pantainos und Clemens (dessen Schüler er gewesen sein soll) als Leiter einer seit langer Zeit existierenden offiziellen kirchlichen Schule (διδασκαλεῖον) dar. Eusebios’ Nachricht ist fragwürdig (Le Boulluec 1999 [*2189]): Origenes kannte sicher Clemens’ Schriften und vielleicht auch ihn persönlich (Alexander von Jerusalem schrieb, er habe Origenes durch Clemens kennengelernt: Eus. Hist. eccl. 6,14,8–9); direkter Schüler des Clemens ist er aber sicher nicht gewesen. Außerdem scheint die von Eusebios erwähnte Sukzession der Lehrer an der katechetischen Schule konstruiert zu sein, da die Schule erst nach Origenes die Züge einer ständigen Einrichtung aufweist (van den Broek 1995 [*2176: 41]). Pantainos und Clemens, wie andere zu ihrer Zeit und später, waren keine von kirchlichen Behörden beauftragten Philosophielehrer. Auch die für Origenes bezeugte Beauftragung durch Bischof Demetrios (Eus. Hist. eccl. 6,3,8. 14,11) muss in dem Sinn verstanden werden, dass der Bischof eine von Origenes selbständig unternommene Schultätigkeit anerkannte. Das tat er wahrscheinlich mit der Absicht, deutlicher die Grenzen zwischen wahrem Glauben und Irrlehre zu setzen und die bischöfliche Macht zu festigen (Prinzivalli 2002 [*2333: 34–35], Fürst 2007 [*2229: 270–272]; anders van den Hoek 1997 [*2181: 76, 85–87]). Methode und konkrete Inhalte des von Origenes erteilten Unterrichtes bleiben ungewiss. Im Lauf seines Lebens hat er sich in verschiedener Weise damit befasst, wie man Neophyten und Sympathisierende ins Christentum einführt, hat sich aber auch mit der Frage der höheren Bildung eines kleineren Schülerkreises beschäftigt. Um sich besser mit den gebildeten häretischen oder heidnischen Hörern seiner Schule auseinandersetzen zu können, besuchte er – vor der Abfassung der ‹Stromata› (222–229) – einen Philosophielehrer (Eus. Hist. eccl. 6,19,11–14). Nach Porphyrios (apud Eus. Hist. eccl. 6,19,5–8 = Porph. Adv. Christ. fr. 39 Harnack = 6F. Becker) hieß dieser Lehrer Ammonios. Er wird üblicherweise mit dem Platoniker Ammonios Sakkas, dem Lehrer Plotins, identifiziert. Porphyrios spricht in der im Jahr 301 geschriebenen ‹Vita Plotini› noch einmal von einem Philosophen namens Origenes, der in Alexandrien mit Plotin und Longinos die Schule des Ammonios besucht und zwei philosophische Schriften verfasst hat (Porph. Vit. Plot. 3. 14. 20). Diese Zeugnisse und ihre Interpretation sind Gegenstand einer langen Forschungsdiskussion (Zambon 2011 [*2009]). Man könnte vermuten, dass es sich in beiden Fällen um den christlichen Origenes handelt (Kettler 1979 [*2005], Bea trice 1992 [*2006], Böhm 2002 [*2007]), aber die überlieferte Lebenszeit, die Abfassungszeiten, die Anzahl und der Inhalt der Werke des in der ‹Vita Plotini› erwähnten Origenes sind nicht ganz einfach mit jenen des christlichen Origenes vereinbar. Die Mehrheit der Forscher geht heute von zwei gleichnamigen Schriftstellern aus, einem in der ‹Vita Plotini› und im ‹Timaios-Kommentar› des Proklos
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erwähnten heidnischen Philosophen und dem christlichen Theologen, dem Porphyrios in der Abhandlung ‹Gegen die Christen› die Züge des Philosophen zuschrieb. Diese Hypothese wurde zum ersten Mal von Heinrich von Valois im 17. Jahrhundert formuliert (grundlegend Weber 1962 [*2003], der die Fragmente des Platonikers gesammelt hat; vgl. auch Edwards 2002 [*2204: 54f.]). Dass sich dennoch die Identität des einen Origenes, des christlichen Theologen und zugleich Philosophen, vertreten lässt und die Gegeneinwände nicht unüberwindbar sind, hat zuletzt Riedweg 2018 [*2010] zu zeigen versucht. Nach Eusebios (Hist. eccl. 6,8,1–3) hätte sich Origenes, in jugendlichem Leichtsinn aufgrund der allzu wörtlichen Auslegung einer Bibelstelle (Mt. 19,12) und um Verleumdungen wegen des auch Frauen erteilten Unterrichtes vorzubeugen, entmannen lassen. Diese Nachricht hat seit dem 19. Jahrhundert in der Forschung zu langen Kontroversen geführt und wird heute meist in Zweifel gezogen. Eusebios schreibt nämlich, Demetrios habe sich später seiner Priesterweihe aus Missgunst unter dem Vorwand, dass er Eunuch war, entgegengestellt (Hist. eccl. 6,8,4– 5; Hier. Ep. 33,5). Das scheint ein apologetisches Argument des Historikers zu sein, um einen tiefen theologischen Widerstreit zwischen Bischof und Lehrer zu verschleiern (Markschies 2007 [*2231]; vgl. auch Orig. Comm. in Mt. 15,1–5). Zwischen 211 und 217, zur Zeit des Papstes Zephyrin, unternahm Origenes eine Reise nach Rom (Eus. Hist. eccl. 6,14,10), wo er möglicherweise Predigten Hippolyts hörte (Hier. Vir. ill. 61). Nach seiner Rückkehr bekehrte er Ambrosios, einen reichen Alexandriner, vom Valentinianismus zur Orthodoxie (Eus. Hist. eccl. 6,18,1; Orig. Comm. in Ioh. 5, fr. 8 Blanc). Von da an ermunterte ihn Ambrosios zu intensiver schriftstellerischer Tätigkeit und stellte ihm reichlich Mittel zur Verfügung, um seine Werke bearbeiten und herausgeben zu können (Orig. Comm. in Ioh. 5, fr. 1 Blanc; Eus. Hist. eccl. 6,23,1–2; Hier. Vir. ill. 56; 61). So war er u. a. Auftraggeber der ‹Commentarii in Iohannem›, von ‹De oratione›, ‹Exhortatio ad martyrium› und ‹Contra Celsum›. Die zunehmende Beanspruchung durch das Lehramt, das Bibelstudium und seine sonstigen literarischen Tätigkeiten bewogen Origenes, seinen Schüler Heraklas mit dem Elementarunterricht zu betrauen, während er sich selbst den Unterricht für die Fortgeschrittenen vorbehielt (Hist. eccl. 6,15). Solche Teilung entspricht eher einem philosophischen Unterricht als der für die Katechese sinnvolleren Unterscheidung zwischen Katechumenen und Getauften. Als er bereits zu Ansehen gekommen war, unternahm Origenes eine Anzahl weiterer Reisen. Nach Arabien wurde er von dem dortigen römischen Statthalter gerufen (wahrscheinlich fuhr er damals zum ersten Mal durch Palästina: Kretschmar 1953 [*2065: 264]). Eusebios (Hist. eccl. 6,19,15) setzt diese Reise zur Zeit von Caracalla (211–217) an, während Nautin 1977 [*1993: 365–366] ein späteres Datum vermutet, am Anfang der Herrschaft von Alexander Severus (222–235), nach der Veröffentlichung der ‹Stromata› und der Abhandlung ‹Über die Auferstehung›. Bald darauf reiste er wieder nach Palästina (Eus. Hist. eccl. 6,19,16–19), wo er die Gastfreundschaft der Bischöfe Alexander von Jerusalem und Theoktistos von Caesarea genoss, die im weiteren Verlauf seines Lebens eine wichtige Rolle spielen sollten (über Origenes’ enge Beziehung mit Palästina und mit dem Bischof Alexander auch in der Zeit vor der Übersiedlung nach Caesarea: Perrone 2013
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[*2277]). Noch später (231/32) lud ihn die Kaiserin-Mutter Julia Mamaea nach Antiochien ein (Eus. Hist. eccl. 6,21,3–4); dann führte ihn eine Reise nach Athen (ebd. 6,23,4). Während eines Zwischenaufenthaltes auf der Reise nach Griechenland wurde Origenes von Bischof Theoktistos in Caesarea zum Priester geweiht (Hist. eccl. 6,23,4), was eine Wende in seinem Leben bedeutete. Nach Eusebios’ Bericht berief Demetrios, gereizt durch die Verletzung seiner bischöflichen Rechte, wahrscheinlich aber auch weil er Origenes’ theologische Meinungen nicht teilte und schon seit längerer Zeit mit ihm in Widerstreit lag, in Alexandrien eine Synode ein, die ein Lehrverbot gegen Origenes aussprach. Kurz darauf erklärte er seine Priesterweihe für ungültig; ein ähnliches Urteil erwirkte Demetrios auch beim römischen Bischof Pontian (Phot. Bibl. cod. 118, 92b–93a; Eus. Hist. eccl. 6,8,4–5; Hier. Vir. ill. 54; Ep. 33,5; Adv. Rufin. 2,18–19). Diese Ereignisse, die zwischen der Wahl des Pontian (232) und dem Tod von Demetrios (um 233) zu datieren sind, zwangen Origenes, Alexandrien endgültig zu verlassen (Perrone 2013 [*2277: 150– 151], Rinaldi 2013 [*2278: 57–60]). In den letzten Jahren seines Aufenthaltes in Alexandrien hatte er die Abhandlung ‹De principiis› und die ersten fünf Bücher des ‹Johannes-Kommentars› geschrieben. Nachdem er nach Caesarea übergesiedelt war, nahm er dort seine exegetische und schriftstellerische Tätigkeit wieder auf (Comm. in Ioh. 6,2,8–10; Le Boulluec 2008 [*2239: 239–251], Rizzi 2013 [*2279]). In Caesarea stellte er einige Abhandlungen und mehrere Kommentare zum Alten und Neuen Testament fertig. Die Abhandlungen ‹De oratione› und ‹Exhortatio ad martyrium› sind beispielsweise in die ersten Jahre seines dortigen Aufenthaltes (um 235–238) zu datieren. Als Priester übernahm Origenes in Caesarea mit großem Einsatz auch die Aufgabe des Predigers, die er schon als Laie wenigstens von Zeit zu Zeit ausgeübt hatte (Eus. Hist. eccl. 6,19,16; Markschies 1997 [*2179: 41–44]): Pamphilos (Apol. praef.) schreibt, dass er «fast jeden Tag» predigte; nach Sokrates (Hist. eccl. 5,22,45–46) hielt er sich an den alten alexandrinischen Brauch, am Mittwoch und Freitag zu predigen. Nach Eusebios (Hist. eccl. 6,36,1) erlaubte er erst nach seinem sechzigsten Geburtstag das Mitschreiben und Veröffentlichen seiner Predigten (anders Scherer 1960 [*1915: 13–15]). Ein wichtiger Teil von Origenes’ Tätigkeit in Caesarea war die Einrichtung einer christlichen Schule, die gewissermaßen eine «Privatuniversität» (Markschies 2007 [*2230: 102ff.]) in Verbindung mit einer Bibliothek darstellte (Eus. Hist. eccl. 6,30; Carriker 2003 [*2207: 2–12]). Das dort befolgte Unterrichtsprogramm kann aus der ‹Dankrede an Origenes› eines Schülers rekonstruiert werden. Es umfasste die enzyklopädischen Studien (Dialektik, Mathematik, Geometrie, Astronomie), die Ethik und als Höhepunkt die Theologie. Der besagte Schüler Theodoros ist nach Eusebios (Hist. eccl. 6,30) identisch mit Gregor dem Wundertäter. Er war zusammen mit seinem Bruder Athenodoros von ca. 238 bis 245 Origenes von einem hohen Beamten zur Ausbildung anvertraut worden. Zu dieser Zeit nahm Origenes auch an zwei Lokalsynoden in Arabien teil, bei denen es um die Beurteilung der Lehren der Bischöfe Beryllos von Bostra (Hist. eccl. 6,20,2. 33. 37; Hier. Vir. ill. 60; Nautin 1961 [*2071: 209–219]) und Herakleides
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ging. Die Akten der zweiten Synode sind im ‹Dialogus cum Heraclide› erhalten (Kretschmar 1953 [*2065: 265–278], Scherer 1960 [*1915: 15–24]). Um die Mitte der vierziger Jahre ist eine zweite Reise nach Athen anzusetzen und etwas später ein Aufenthalt in Nikomedien. Gegen Ende der vierziger Jahre verfasste Origenes die Abhandlung ‹Contra Celsum›; die Begegnung mit Porphyrios geht wahrscheinlich auch in diese Zeit zurück (Hist. eccl. 6,19,3–8). Im Jahr 250 löste der römische Kaiser Decius die erste allgemeine Christenverfolgung aus. Eusebios (Hist. eccl. 6,39,5) berichtet über Origenes’ Einkerkerung und die grausamen Qualen, die er erlitt. Das Ende der Verfolgung im Jahr 251 erlebte er noch, an den Folgen der Misshandlungen ist er jedoch bald darauf, etwa 253/54, gestorben. Zum genauen Todesdatum und dem Ort seines Ablebens existieren unterschiedliche Überlieferungen. Der ‹Apologie› des Pamphilos und Eusebios zufolge wäre er noch unter Decius als Märtyrer in Caesarea gestorben (Phot. Bibl. cod. 118, 92b); in seiner späteren ‹Historia ecclesiastica› (Eus. Hist. eccl. 7,1; vgl. auch Hier. Vir. ill. 65) spricht Eusebios davon, dass er unter Gallus im vollendeten 69. Lebensjahr in Tyros gestorben wäre, was nicht mit seinen Angaben zum Geburtsjahr (Eus. Hist. eccl. 6,2,2) vereinbar ist. 2. WERKE
1. Exegetische und theologische Werke. – 2. Abhandlungen. – 3. Weitere Werke.
Origenes’ außerordentlich umfangreiches literarisches Werk ist zum Großteil verloren (vgl. Fürst 2007 [*2229]); die nach der konstantinischen Wende gewandelten kirchlichen Umstände und vor allem die von Justinian (543) und zur Zeit des 5. ökumenischen Konzils (553) verhängte Verurteilung seiner Lehren haben den Verlust vieler Schriften verursacht. Epiphanios (Haer. 64,63,8) schrieb ihm 6000 Bücher zu; Hieronymus beschränkt sie auf weniger als ein Drittel (Adv. Rufin. 2,22), aber auch diese Angabe ist sicher übertrieben. Eine Liste der ihm bekannten Werke hatte Eusebios dem dritten Buch der ‹Biographie von Pamphilos› beigefügt (vgl. Hist. eccl. 6,32,3; Hier. Vir. ill. 81; Adv. Rufin. 2,22); sie ist verloren, wurde aber von Hieronymus benutzt (Ep. 33; vgl. Nautin 1977 [*1993: 228–229]). Nautin 1977 [*1993: 241–260] hat 77 Werke gezählt: philosophisch-theologische Abhandlungen, geistliche Ermahnungen, Bibelauslegungen, apologetische sowie polemische Stellungnahmen. Hinzuzufügen sind die philologische Arbeit der ‹Hexapla› und die Briefe. Die chronologische Reihenfolge dieser Schriften lässt sich nicht genau bestimmen, zumal
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mehrere eine ziemlich lange Abfassungsgeschichte hatten. Die griechischen Originaltexte sind zum größten Teil verloren. Viele Werke sind nur in lateinischer Übersetzung erhalten; andere haben keine direkte Überlieferung und sind heute nur durch indirekte Zeugnisse (Zitate, Auszüge in den Katenen, Anspielungen) bekannt. Der Umgang mit den lateinischen Übersetzungen und mit den indirekten Zeugnissen verlangt große Vorsicht, weil diese Überlieferungslinien des origeneischen Werkes oft von den Vorurteilen und Interessen der jeweiligen Verfasser beeinflusst sind und mit Eingriffen in den Text zu rechnen ist (vgl. Neuschäfer 1987 [*2140: 44–51]). In Origenes’ Werk können die philosophischen Beiträge nicht von den Schriften mit rein exegetisch-theologischem Interesse getrennt werden. Die philosophischen Fragen werden von ihm in Verbindung mit der Deutung der Bibel behandelt. Einige Schriften sind aber aufgrund ihrer Form und ihres Inhalts für die Philosophiegeschichte von größerer Bedeutung. Zu diesen Werken werden unten kurze Erläuterungen gegeben.
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1. Exegetische und theologische Werke
Kommentare Unter den zahlreichen exegetischen Arbeiten, die Origenes fast allen Büchern der Bibel gewidmet hat, sind folgende besonders wichtig: ‹Kommentar zum Hohelied› (in zehn Büchern): Erhalten ist eine verkürzte lateinische Übersetzung von Rufinus in vier Büchern. ‹Kommentar zu Matthäus›: Von den ursprünglich 25 Büchern sind auf Griechisch acht erhalten (10–17; über Mt. 13,36–22,33); eine lateinische Übersetzung deckt den Text von Buch 12,9 bis ungefähr zum Ende ab (Mt. 16,13–27,63). Ab Buch 18 (Mt. 22,33) bleibt sie der einzige Zeuge des Werkes; von da an ist sie in 145 Abschnitte gegliedert und mit dem Titel ‹Commentariorum series› bezeichnet (Vogt 1999 [*2193: 86–89, 121–134]). ‹Kommentar zum Johannes-Evangelium›: Von den ursprünglich 32 Bücher sind neun auf Griechisch erhalten (1, 2, 6, 10, 13, 19, 20, 28, 32). Die Erläuterung des Textes reicht bis Ioh. 13,33; Origenes scheint nicht weiter gelangt zu sein (Vogt 1999 [*2193: 187–205]). ‹Kommentar zum Römerbrief› (ursprünglich in 15 Büchern): Vom griechischen Text existieren
nur Fragmente. Erhalten ist die von Rufinus verfasste lateinische Übersetzung in 10 Büchern; Rufinus schreibt im Prolog, er habe nicht alle Bücher finden können und habe manchmal den Text zusammengefaßt; daher muß man mit Kürzungen und Auslassungen in der lateinischen Fassung rechnen.
Homilien Die 279 Homilien sind nur ein Teil von den Hunderten der von Origenes gehaltenen Predigten; von ihnen sind nur 21 – außer mehreren Fragmenten – auf Griechisch erhalten (20 ‹Homilien über Jeremia›; eine ‹Über die Hexe von Endor›). Im Frühjahr 2012 wurde in einer griechischen Handschrift der Staatsbibliothek zu München (Cod. gr. 314) eine Sammlung von 29 Homilien über die ‹Psalmen› entdeckt, deren Zuschreibung an Origenes man für sicher halten darf. Sie erweitert wesentlich unsere Kenntnis des homiletischen Werkes und der Psalmenexegese von Origenes (Molin Pradel 2012 [*1975], Perrone 2013 [*1976]).
2. Abhandlungen ‹Stromata› Στρώματα – ‹Teppiche› Von den zehn Büchern dieses in Alexandrien verfassten Werkes (Eus. Hist. eccl. 6,24,3) sind nur Fragmente erhalten (Nautin 1977 [*1993: 293– 302]). Die Überschrift ‹Stromata› weist auf den gemischten Inhalt der Schrift (der wahrscheinlich aus der Schulpraxis des Origenes entstammte) und bezieht sich deutlich auf das gleichnamige Werk des Clemens von Alexandrien. Obwohl Origenes ihn in seinen erhaltenen Werken nicht namentlich erwähnt, zeigt diese frühe Schrift, dass er sich sein Erbe bewusst angeeignet hat. Nach Hieronymus (Ep. 70,4) erörterte Origenes verschiedene Fragen der christlichen Lehre mittels eines Vergleichs von griechischen philosophischen Schriften mit Bibelstellen: «Nach dem Vorbild des Clemens von Alex andrien schrieb Origenes zehn ‹Stromata›, in denen er die Meinungen der Christen und der Phi-
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losophen verglich und alle Lehren unserer Religion aus Platon und Aristoteles, aus Numenios und Cornutus bekräftigte» (vgl. auch Ep. 84,3). Großen Raum scheint die Auslegung von biblischen Texten eingenommen zu haben, wobei Origenes eine Vielfalt von Themen behandelte: die Auferstehung, ethische Fragen (z. B. ob Freiheit von Affekten, ἀπάθεια, möglich sei; ob man unter bestimmten Umständen lügen dürfe) und vielleicht auch kosmologische Fragen.
‹De resurrectione› Περὶ ἀναστάσεως – ‹Über die Auf erstehung› Origenes schrieb, noch während er in Alexandrien lehrte, und vor der Abfassung von ‹De principiis› (Princ. 2,10,1; Eus. Hist. eccl. 6,24,2), zwei Bücher über die Auferstehung, die Hieronymus
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zufolge Ambrosios gewidmet waren (Ep. 33,4; vgl. Ruf. Apol. adv. Hier. 2,23). Nach dem Zeugnis von Theophilos von Alexandrien (apud Hier. Ep. 92,4) waren sie nach «dem Diskussionsverfahren der Dialektiker in Fragen und Antworten» verfasst. Diese Schriften sind, bis auf einige Fragmente, verloren.
‹De principiis› Περὶ ἀρχῶν – ‹Über die Grundlagen› (Princ.) Die Schrift ‹De principiis› ist von einem theoretischen Standpunkt aus die bedeutendste. Sie hat auch die leidenschaftlichsten Auseinandersetzungen hervorgerufen. Diese Abhandlung wurde gegen 229/30 verfasst, sicher noch vor 232, als Origenes Alexandrien endgültig verließ (Eus. Hist. eccl. 6,24,3; Nautin 1977 [*1993: 423–425]). Nur ein Teil des griechischen Textes ist erhalten und zwar in der ‹Philokalia›, einer Anthologie aus origeneischen Schriften (3,1: ‹Abhandlung über die Willensfreiheit›; 4,1–3: ‹Abhandlung über die biblische Hermeneutik›), und bei anderen Zeugen (Markell von Ankyra, Justinian und anderen). Überliefert ist dagegen die vollständige lateinische Übersetzung, die Rufinus von Aquileia im Jahr 398 anfertigte. Sie ist im Wesentlichen eine zuverlässige Wiedergabe, wenn auch Rufinus nicht als neutraler Übersetzer vorgegangen ist und teilweise Stellen verändert oder ausgelassen hat, die er für unecht hielt (Princ. 1 praef. Ruf. 3). Hieronymus verfasste, um die Ketzerei des Origenes zu beweisen (Adv. Rufin. 1,1. 6. 11), eine eigene lateinische Übersetzung, von der nur Auszüge in seinem Brief 124 erhalten sind (Vogt 1999 [*2193: 269–276]). Einigkeit besteht heute darin, dass dieses Werk in enger Verbindung mit der Lehrtätigkeit des Origenes zu sehen ist. Harl 1975 [*2104] und Dorival 1975 [*2103] und 1987 [*2134] haben gezeigt, dass ‹De principiis› die Form eines Physik-Handbuches im antiken Sinne aufweist, das in absteigender Ordnung Gott, Vernunftwesen und Kosmos behandelt. Die Schrift ist in drei Hauptteile gegliedert: Der erste Teil (1,1–2,3) enthält die systematische Darstellung einer christlichen Physik; der zweite Teil (2,4–4,3) nimmt in Form von neun großen Abhandlungen (‘quaestiones’) die Themen des ersten Teils wieder auf und vertieft sie; der dritte Teil (4,4) ist eine kurze Zusammenfassung, die noch einige Fragen in derselben Abfolge erörtet. Dubois 1998 [*2184] hat die Ähnlichkeiten in der Vorrede und im Aufbau von ‹De principiis›
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mit dem gnostischen ‹Tractatus Tripartitus› hervorgehoben. Trotz der systematischen Gliederung enthält die Schrift kein geschlossenes System. Nach Hieronymus (Ep. 84,10) soll Origenes keine Veröffentlichung des Werkes, sondern die Verbreitung nur in einem beschränkten Kreis von erfahrenen Lesern beabsichtigt haben, die imstande waren, es richtig zu verstehen. Die im Titel erwähnten «Prinzipien» (ἀρχαί) können sowohl in ontologischem als auch in gnoseologischem Sinn gedeutet werden, nämlich als Anfangsdinge oder als Grundlehren, durch welche die Wirklichkeit zu verstehen ist. Origenes bespricht die Hauptgegenstände des christlichen Glaubens (Gott Vater, Sohn und den Heiligen Geist, die geistigen Geschöpfe – Engel, Dämonen und Menschen – sowie Wesen und Schicksal der sinnlich wahrnehmbaren Welt) und ist bemüht, ein möglichst klares Verständnis der Heiligen Schrift und der kirchlichen Glaubenslehren (‘regula fidei’) zu erreichen, um die falschen Behauptungen vor allem von Gnostikern und heidnischen Philosophen zu widerlegen.
‹De oratione› Περὶ εὐχῆς – ‹Über das Gebet› (Or.) Die auf Griechisch erhaltene Abhandlung ‹De oratione› fehlt in den alten Verzeichnissen der Schriften von Origenes (vgl. Pamph. Apol. 8). Sie wurde bald nach Origenes’ Übersiedlung nach Caesarea (234/35 nach Nautin 1977 [*1993: 385]) auf Anfrage von Ambrosios und einer Frau namens Tatiana (2,1; 5,1; 34) geschrieben. Sie ist in zwei Hauptteile gegliedert: Nach einer Einleitung (1–2) bespricht der erste, stärker philosophisch orientierte Teil (3–17) den Begriff des Gebets, mögliche Einwände gegen das Beten, die Frage nach dem Verhältnis von Gebet, Willensfreiheit und Gottes Vorsehung, sowie den Nutzen, die Notwendigkeit und den Inhalt des Gebets. Der zweite Teil (18–30) enthält eine ausführliche Auslegung des ‘Vater Unser’, die vielleicht Frucht von Origenes’ Predigttätigkeit für die Neophyten in Caesarea ist. Anweisungen zur Gebetspraxis beenden die Schrift (31–34). So mischen sich in dieser Abhandlung die Züge einer philosophischen ‘quaestio’ über Sinn und Nutzen des Gebetes (vgl. Max. Tyr. 5) mit jenen einer katechetischen Schrift (vgl. Clem. Alex. Strom. 7; Tert. De orat.). Der erste Teil widerlegt die Meinung derer, die behaupten, es sei unnötig zu beten, da Gott schon im Voraus wisse, was wir brauchen und was geschehen werde, und da seine Ratschlüsse unwandelbar
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seien. Auch im zweiten Teil geht Origenes auf philosophisch wichtige Themen ein: mit dem stoischen Begriff der ‘individuellen Eigenschaft’ (ἰδία ποιότης) versucht er zu bestimmen, worin die Individualität des Einzelnen liegt (24,2). Im Kapitel 27,7–8 schildert er eine Reihe von möglichen Erklärungen des Wortes ‘Substanz’ (οὐσία), um zur richtigen Bestimmung der Bedeutung des Ausdrucks ὁ ἄρτος ἡμῶν ὁ ἐπιούσιος («unser tägliches/ geistiges Brot») im ‘Vater Unser’ zu gelangen.
‹Exhortatio ad martyrium› Εἰς μαρτύριον προτρεπτικός – ‹Ermahnung zum Martyrium› (Mart.) Origenes hat die schnell niedergeschriebene Ermahnung zu Beginn der Christenverfolgung unter Maximinus Thrax im Jahre 235 an den Presbyter von Caesarea Protoktetos und den Diakon Ambrosios, die beide inhaftiert worden waren, gerichtet. Die Schrift ist eine eindringliche Aufforderung, in der Verfolgungssituation standhaft im Glauben zu bleiben und zum Martyrium bereit zu sein (besonders bemerkenswert Exhort. 45f.: Man darf nicht meinen, Gott unter fremden Namen anrufen zu können). Sie zeugt von Origenes’ kompromissloser Haltung in der Frage der Bekenntnispflicht, die sich von einer milderen Auffassung, die auch in christlichen Kreisen vertreten wurde, deutlich abhebt.
‹De Pascha› Περὶ Πάσχα – ‹Über das Pascha› Im Jahre 1941 wurde in einer Höhle beim Arsenioskloster bei Tura, zehn Kilometer südlich von Kairo, eine umfangreiche Bibliothek aus dem 5./6. Jahrhundert entdeckt, die Papyrushandschriften mit einigen Werken von Origenes und in überwiegender Zahl mit solchen von Didymos dem Blinden enthielt. Zu diesen Funden gehört auch ein Werk des Origenes mit dem Titel ‹Über das Pascha› in zwei, mehr für sich stehenden Büchern. Es handelt sich dabei offensichtlich um Lehrvorträge (also nicht um Predigten, die Hieronymus Ep. 33,4,6 nennt), die Origenes’ Pascha-Verständnis im Anschluss an Ex. 12,1–11 und I. Cor. 5,7f. entfalten. Entstanden sind sie nach dem 10. Buch des ‹Johannes-Kommentar› und vor dem ‹MatthäusKommentars›, d. h. zwischen 245 und 249 (vgl. zum Ganzen Buchinger 2005 [*2219: 140–158]).
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‹Dialogus cum Heraclide› Διάλεκτος πρὸς Ἡρακλείδαν καὶ τοὺς σὺν αὐτῷ ἐπισκόπους περὶ πατρὸς καὶ υἱοῦ καὶ ψυχῆς – ‹Gespräch mit Herakleides und seinen Bischöfen über Vater, Sohn und Seele› (Dial.) Der ‹Dialogus cum Heraclide› wurde ebenfalls im Jahr 1941 in Tura bei Kairo entdeckt. Er gehört zu einer typisch christlichen Gattung: Es handelt sich um die von einem Schnellschreiber aufgezeichnete Mitschrift der Verhandlungen einer Lokalsynode, die in Arabien zwischen 244 und 249 stattgefunden hat. Die Synode wurde einberufen, um die Lehre des Bischofes Herakleides über die Beziehung zwischen Gottvater und Sohn zu besprechen und auch andere Themen wie die unsterbliche Natur der Seele und die Auferstehung zu erörtern. Herakleides war Vertreter einer fast monarchianischen Theologie und fand Origenes’ Logos-Lehre unannehmbar (vgl. Comm. in Ioh. 2,2,16). Origenes spricht mit Herakleides und den anderen Teilnehmern nicht in der Haltung eines Richters, sondern mit der dialektischen Strenge eines Lehrers und bemüht sich, jede Frage auf der Grundlage der Schrift und der Glaubensüberlieferung der Kirche zu lösen.
‹Contra Celsum› Πρὸς τὸν ἐπιγεγραμμένον Κέλσου ἀληθῆ λόγον – ‹Gegen Kelsos’ Schrift mit dem Titel ‘Wahre Lehre’› (Cels.) Die Schrift ‹Contra Celsum› wurde in Caesarea nach dem Jahr 246 verfasst (Eus. Hist. eccl. 6,36,1; Nautin 1977 [*1993: 439]). Sie ist vollständig auf Griechisch erhalten. Origenes widerlegt in acht Büchern die ‹Wahre Lehre› (ἀληθὴς λόγος) des Platonikers Kelsos (veröffentlicht um 160–180), über dessen Schulzugehörigkeit er sich nicht ganz im Klaren war; mit einigem Zögern bezeichnet er ihn als Epikureer (Cels. 1,8), doch schließlich sieht er ihn in der Nachfolge Platons (Cels. 4,83; 6,47). Durch die origeneische Apologie sind zahlreiche Auszüge aus der Schrift des Kelsos überliefert. Obwohl Apologetik in der jüdischen und christlichen Tradition schon verbreitet war, orientiert sich diese Schrift nicht daran, sondern am Vorbild philosophischer polemischer Abhandlungen, wo nach einem Vorwort die Widerlegung eines Referenztextes durch Zitation eines Textabschnittes mit anschließender Gegenargumentation durchgeführt wird, wie in Plutarchs ‹Adversus Colotem› oder bei Galens ‹Adversus Lycum› und ‹Adversus ea, quae Iuliano in Hippocratis
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aphorismos enuntiata sunt› (‹Gegen die von Julian gegenüber Hippokrates’ ‘Aphorismen’ vorgebrachten Einwände›; Dorival 1998 [*2183]). ‹Contra Celsum› ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit der hellenischen Kultur (vgl. Eus. Adv. Hier. 1) und eine reiche Quelle für Origenes’ Meinung zu einer Vielzahl von Fragen: zur Frage nach
dem Verhältnis zum Judentum und zu den heidnischen Mythen und Religionen; zur Frage nach dem geschichtlichen Ursprung des Christentums, nach der Wahrheit der Heiligen Schrift und nach der Weise, in der man sie deuten soll; zu Fragen, die aus der Lebensweise und aus der Lehre der Christen entspringen usw.
Weitere Werke ‹Hexapla› Ἑξαπλᾶ – ‹Sechsspaltiges› Es handelt sich hierbei um eine Ausgabe des Alten Testaments in sechs Spalten, die den hebräischen Text und verschiedene griechische Übersetzungen auflistete (Eus. Hist. eccl. 6,16; Epiph. Mens. 7. 19; Hier. In Tit. 3,9; eine verkürzte Ausgabe, die ‹Tetrapla›, enthielt nur die griechischen Übersetzungen). In buchtechnischer Hinsicht absolut innovativ war die Darstellung in mehreren, nebeneinander gesetzten Kolumnen, die den Vergleich auf einen Blick gestattete. Geboten wurden der hebräische Text und eine vokalisierte Umschrift in griechischen Buchstaben, weiter die Übersetzungen von Aquila, Symmachos, der LXX und des Theodotion. Für einzelne Bücher, insbesondere für die ‹Psalmen›, wurden noch weitere Übersetzungen hinzugefügt. Außerdem war die LXX mit den sogenannten aristarcheischen kriti-
schen Zeichen versehen, den Asteriskoi und Obeloi, um Zusätze und Lücken im Vergleich mit dem hebräischen Text anzuzeigen (Hier. Ep. 106,7; 112,19; vgl. Grafton, Williams 2006 [*2226: 86– 117]). Es hat wohl kaum mehr als ein Exemplar existiert, nur von einzelnen Teilen sind Abschriften angefertigt worden (Lietzmann 1936 [*2022: 314], Fürst 2014 [*2037: 503]). Die Ausgabe lässt sich teilweise rekonstruieren (Salvesen 1998 [*2188]).
Briefe Eusebios sammelte in neun Büchern über 100 Briefe des Origenes, die ihm noch zur Verfügung standen (Hist. eccl. 6,36,3–4; Nautin 1961 [*2071: 233–265]). Von dieser Sammlung sind vollständig nur noch zwei Briefe erhalten: einer an Gregorios (Philoc. 13) und einer an Julius Africanus.
3. LEHRE
1. Origenes’ Verhältnis zur griechischen Philosophie. – 2. Origenes und die Häretiker. – 3. Origenes als Bibelexeget. – 4. Origenes’ dogmatischer Systementwurf: 4.1. Der trinitarische Gott; 4.2. Die intelligible Schöpfung und ihr Abfall von Gott; 4.3. Kosmologie und Anthropologie; 4.4. Die eschatologische Voll endung.
1. Origenes’ Verhältnis zur griechischen Philosophie Eusebios (Hist. eccl. 6,18,2–3) beschreibt Origenes als einen von Anhängern und Gegnern gleichermaßen respektierten Lehrer der Philosophie. Auch Porphyrios spricht von seiner herausragenden philosophischen Bildung. Im erwähnten Fragment aus ‹Adversus Christianos› (Eus. Hist. eccl. 6,19,8) zählt er eine Reihe
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von Schriftstellern auf, die eine Art von idealer philosophischer Bibliothek des Origenes bildeten, nämlich Platon, Numenios, Kronios, Apollophanes, Longinos, Moderatos, Nikomachos sowie die Stoiker Chairemon und Cornutus, von denen er «die allegorische Auslegung der heidnischen Mysterien erlernte», um «diese Methode auf die jüdischen Schriften» anzuwenden. Diese Liste wirft kritische Fragen auf, weil einige der hier genannten Philosophen nie in Origenes’ erhaltenen Schriften zitiert werden und weil aus chronologischen Gründen zu bezweifeln ist, dass er die Werke von Longinos kannte. Namentliche Hinweise auf heidnische Philosophen sind freilich in Origenes’ erhaltenen Schriften mit Ausnahme von ‹Contra Celsum› sehr selten. Doch unbeschadet der Frage, ob Porphyrios einer irrtümlichen Identifizierung der beiden Namensträger erlegen war, wird die von ihm dem Christen zugeschriebene Vertrautheit mit den heidnischen Philosophen bestätigt, sowohl von Hieronymus – bei der Beschreibung des Verfahrens, das Origenes in den ‹Stromata› anwendet (Ep. 70,4) – als auch auf direkte Weise von Origenes selbst, in einem Brief, in dem er sich gegen die Kritik, er habe sich zu viel mit heidnischer Wissenschaft und Philosophie beschäftigt, verteidigt (Eus. Hist. eccl. 6,19,11–14; Nautin 1961 [*2071: 126–129]). Die antiken Zeugnisse über seine gründlichen Kenntnisse der Philosophie können durch die Analyse seiner Werke bestätigt werden (Dorival 1992 [*2157] und 2005 [*2033: 830–842]). Man kann Origenes als Vertreter einer grundsätzlich vom Platonismus geprägten christlichen Philosophie bezeichnen, die im Bereich der Ethik und der Logik von der stoischen und peripatetischen Tradition beeinflusst war (Koch 1932 [*2021], Berchman 1984 [*2027: 113–164] und O’Leary 2011 [*2267] deuten ihn im Rahmen der mittelplatonischen Tradition; für eine neuplatonische Orientierung von Origenes’ Denken: Hengstermann 2011 [*2265: 86–87], Fürst 2014 [*2037: 561ff.]). Das hervorstechendste Kennzeichen seiner platonischen Gesamt orientierung ist in der Tat darin zu sehen, dass er grundsätzlich annimmt, die Weltwirklichkeit bestehe aus zwei Ebenen, einer niederen Ebene der sinnlich wahrnehmbaren Welt und einer höheren von intelligibler Ordnung, von der die niedere abhängig ist und von der sie, indem sie an ihr Anteil erhält, geordnet und geeint wird (Princ. 1,1,7; Comm. in Ioh. 1,26,167). Mit dieser Unterscheidung ist anthropologisch auch die Überlegenheit der Seele gegenüber dem Körper verbunden (Princ. 3,4,1; 4,2,7; Cels. 7,38; Pépin 1971 [*2091: 178–203]). Berührungen zum Platonismus ergeben sich auch daraus, dass er mehrere platonische Dialoge zitiert (Auflistung bei Dorival 2005 [*2033: 830f.]). Aber dass Platon trotz hochstehender Erkenntnisse nicht mit dem Polytheismus gebrochen hat, macht er ihm zum schweren Vorwurf (Cels. 6,4). Origenes kennt namhafte Vertreter des kaiserzeitlichen Platonismus wie Plutarch und Numenios (Rist 1964 [*2074: 195–212], Somos 2000 [*2199]). Er war mit den verschiedenen Ansichten vertraut, die im zeitgenössischen Platonismus über die Frage nach dem Verhältnis von Gott und intelligibler Welt (Whittaker 1969 [*2085]) oder über die Frage, ob Gottes Macht unbegrenzt oder begrenzt sei (Pépin 1996 [*2177] und 1997 [*2180]), vertreten wurden. Oft liest man bei Origenes Fachtermini oder Begriffsbestimmungen, die aus der peripatetischen Tradition stammen (Ziel, τέλος; Prinzip, ἀρχή; Disposition,
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ἕξις; Homonyme, ὁμώνυμα usw.); auch seine Forschungsmethode, die in der Aufzählung und Erörterung von Fragen besteht, erinnert an Aristoteles’ Verfahrensweise (Bardy 1932 [*2060], Perrone 1995 [*2174]). Daraus darf man aber nicht schließen, er habe die aristotelischen Schriften gelesen, da er wahrscheinlich wie viele andere Platoniker seiner Zeit Aristoteles’ Denken nur durch Handbücher und Lexika gekannt hat (Cadiou 1932 [*2061], Fürst 2014 [*2037: 497, 506]). Doch äußert er sich auch kritisch zu Aristoteles und seiner Schule (Cels. 2,27; Bardy 1932 [*2060], Crouzel 1962 [*2072: 29–34], Fürst 2014 [*2037: 508f.]). Die aristotelische Philosophie, vor allem die Ethik, war für ihn im Vergleich mit Platons Denken eine menschliche Philosophie (Cels. 1,10): Sie lege einen zu großen Wert auf die körperlichen und äußeren Güter (Comm. in Ps. 4 apud Philoc. 26,1–3). Origenes bestritt die Existenz eines fünften Elements – weil es der biblischen Lehre der Vergänglichkeit des Himmels widerspreche (Ps. 101,26–28; Cels. 4,56) – und die (ps.-)aristotelische Lehre, welche die Wirksamkeit der göttlichen Vorsehung aus der sublunaren Welt ausschloss (Cels. 3,75; Sel. in Ps. PG 12, 1316). Man findet auch zahlreiche Hinweise auf die Stoiker, obwohl sie normalerweise nicht namentlich erwähnt werden. Der stoischen Philosophie schuldet Origenes wichtige Bausteine seines Denkens, so beispielsweise in der Logik und in der Ethik, in der Lehre der Willensfreiheit, der göttlichen Vorsehung und in der Sprachtheorie. Interessant ist die Beobachtung von Dorival 2005 [*2033: 826], «que, chaque fois que Celse présente une argumentation de type platonicien, Origène rétorque par une argumentation empruntée aux stoïciens» (so auch Chadwick 1967 [*2025: 188]). Aber er greift die Stoiker wegen ihres Materialismus, ihres Pantheismus und ihres deterministischen Verständnisses von Weltzyklen an (Cels. 4,14. 67f.; 6,71). Eine durchweg ablehnende Haltung nimmt er dagegen dem Epikureismus und anderen Lehren gegenüber ein, die Gottes Vorsehung leugnen. Scharfsinnig macht er auf Spannungen zwischen der Atomlehre und der Götterlehre Epikurs aufmerksam (Cels. 4,14; Markschies 2000 [*2198]). Origenes wurde in der christlichen Tradition oft als jemand beurteilt, der «von der hellenischen Bildung verblendet» worden sei (Epiph. Haer. 64,72,9; vgl. de Lubac 1950 [*2063: 44]), während Porphyrios ihn als Verräter der Philosophie anklagte. Tatsächlich hat er die philosophische Wissbegier (φιλομάθεια) und Arbeitsamkeit (φιλοπονία) bei Schülern und Gelehrten geschätzt (Comm. in I. Cor. fr. 12 Pieri; Comm. in Ps. 4 apud Philoc. 26,1). Er verstand sich aber nicht als einen einer bestimmten Schule zugehörigen Philosophen, sondern als Ausleger der Heiligen Schrift auf dem Boden des Glaubens der Kirche. Daher schreibt Crouzel 1962 [*2072: 11]: «Origenes ist weder von seinem Ziel noch von seiner Methode her Philosoph.» In der biblischen Offenbarung sah er den eigentlichen Inhalt einer wahren Philosophie (obwohl er dieses Wort in Beziehung auf das Christentum nur sehr spärlich benutzt hat: Hom. in Gen. 11,2; Hom. in Cant. prol. 3,8; «göttliche Philosophie»: Hom. in Cant. prol. 3,14. 17. 20). Denn die Griechen haben die Philosophie von Mose und Salomon gelernt, und ihre Lehren sind nur insofern wahr, als sie mit der biblischen Offenbarung übereinstimmen (eine knappe Gegenüberstellung von Übereinstimmungen und Dif-
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ferenzen findet sich in Hom. in Gen. 14,3). Dem Versuch, «unseren Glauben mit Vernunftbeweisen zu befestigen» (Princ. 4,1,1; vgl. 1,5,4; 2,5,3; 3,6,6; Cels. 4,9), bietet die heidnische Philosophie ein nützliches, wenn auch gefährliches Mittel im Dienst der christlichen Wahrheit. Auch Mose habe sich von seinem heidnischen Schwiegervater Jethro beraten lassen (Hom. in Ex. 11,6; vgl. Ex. 18,13–27). Die weltliche Kultur soll Origenes zufolge einem besseren Verständnis der Schrift dienen – wie das erbeutete Gold der Ägypter den Juden zur Herstellung der gottesdienstlichen Gegenstände diente (Ep. ad Greg. 1–3; vgl. Ex. 12,35–36; Pereira 2011 [*1986: 234–240]). Gerade das Werk, in dem sich Origenes ausdrücklich mit der Philosophie auseinandersetzt, ‹Contra Celsum›, enthält aus polemischen Gründen die strengste Beurteilung der griechischen Philosophie. Den Einwänden des Kelsos hinsichtlich des geringen sprachlichen und literarischen Wertes der Bibel (was im kulturellen Rahmen der Zweiten Sophistik als schwerer Vorwurf galt) begegnete Origenes mit der Beobachtung, dass die heidnische Kultur trotz allem stilistischen und wissenschaftlichen Glanz nur wenigen, wenn überhaupt jemandem nütze (Cels. 6,1–3; Comm. in Rm. 9,2). Sie ist «Weisheit dieser Welt» (I. Cor. 1,20; 3,19); sie besitzt eine gewisse Macht, aber Origenes warnt vor ihr mit den Worten des ‹Kolosserbriefes›: «Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug» (Cels. prol. 5; Col. 2,8). Trotzdem anerkennt Origenes die Fähigkeit der Philosophie, Begriffe zu klären sowie als Einführung in eine tugendhafte Lebensweise und in die Kenntnis der Wahrheit zu dienen (Hom. in Gen. 6,2; 14,3). Wer in der menschlichen Weisheit nicht geübt ist, kann auch die göttliche nicht erreichen. Einige der Fragen, die Origenes erörterte, bekommen ihren vollen Sinn erst vor dem Hintergrund der zeitgenössischen philosophischen Debatten. Die Frage beispielsweise, ob die vernünftige Seele so tief herabsinken kann, dass sie sich in einem Tier verkörpert, geht aus einer Deutung einschlägiger Stellen aus Platons ‹Phaidon› (81e–82a) und ‹Timaios› (42c) hervor. Origenes lehnt diese Hypothese ab (Cels. 8,30), sie könne aber erklären, warum auch die Bibel einen Zusammenhang zwischen bestimmten Tieren (dem Drachen, dem Leviathan) und dem Teufel herstellt. Fragen wie jene, ob die Materie ein ungeschaffenes Prinzip sei oder ob sie von Gott geschaffen wurde (Princ. 1,3,3; 2,1,4), oder jene, ob das Weltall ewig sei oder nicht, stellte man sowohl in den Philosophenschulen bei der Erörterung der platonischen Prinzipienlehre als auch bei jüdisch-christlichen Bibelauslegern, wenn sie die Erzählung von der Welterschaffung in schöpferischer Auseinandersetzung mit Platons ‹Timaios› deuteten (Gen. 1–2; Köckert 2009 [*2249: 224–228]). Nach allem ist nicht verwunderlich, dass das von Origenes verfolgte Bildungsideal demjenigen der zeitgenössischen Philosophenschulen sehr ähnlich ist. Es wird am deutlichsten im ‹Hohelied-Kommentar› beschrieben (Comm. in Cant. prol. 76,4–15). Hier versteht Origenes die Folge der drei Salomon zugeschriebenen Bücher – ‹Sprüche›, ‹Prediger› und ‹Hohelied› – als einen aufsteigenden Weg zur geistigen Vervollkommnung entsprechend der Abfolge der drei kanonischen philosophischen Disziplinen Ethik, Physik und Theologie (über diese Stufung: Rizzi 2013 [*2279]). So macht er Salomon gewissermaßen zum Urheber des in den kaiserzeit-
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lichen Philosophenschulen üblichen Bildungsplans. Das in Caesarea praktizierte Curriculum entspricht, soweit es rekonstruiert werden kann, diesem Konzept (Löhr 2010 [*2256: 163–167]). Hier folgten auf Logik und Dialektik Physik, Geometrie und Astronomie (Greg. Thaum. Pan. Or. 109–114), dann die Ethik (ebd. 115–123). Der Höhepunkt des Lehrgangs war die Theologie, die Origenes anhand von philosophischen Werken und dem Studium der Bibel lehrte (ebd. 150–183). Letzteres ist die bedeutendste Neuerung gegenüber der philosophischen Schulpraxis. Für den Erwerb von Wissen über Gott waren die Philosophen mithin keine selbständige Quelle mehr; eine vollständige Kenntnis der Theologie konnte nur durch die biblische Offenbarung erlangt werden. So wurde die Philosophie auf ein Hilfsmittel reduziert, das im Dienst einer Wahrheit stand, deren Ursprung außerhalb der hellenischen Tradition lag. Origenes sagt es ausdrücklich, die Philosophie ist mit Blick auf das Christentum συνέριθος (Orig. Ep. ad Greg. 1), sie ist Gehilfin. Ein Lehrer war daher für ihn der Gestalt eines Propheten oder eines Apostels näher als der eines hellenischen Philosophen (Hom. in Ps. 36 3,3; Hom. in Num. 11,3; Comm. in Ioh. 32,10,122; Trigg 1981 [*2118], Monaci Castagno 1987 [*2139: 71–74]). Im Endergebnis wird man aber trotzdem sagen müssen, dass Origenes «eine weitgehende Kongruenz zwischen der Bibel und der antiken, konkret der platonischen Philosophie [angenommen hat]. Origenes ist vere Platonicus und vere Christianus», und insofern hat er «das Christentum entschlossen im antiken Denken verortet» (Fürst 2012 [*2036: 50]). 2. Origenes und die Häretiker Als Lehrer, der sich zur kirchlichen Glaubenstradition bekannte, sollte sich Origenes nicht nur mit heidnischen Philosophen, sondern auch mit Vertretern von abweichenden Lehren im Rahmen der jüdisch-christlichen Tradition auseinandersetzen. Die Quellen erwähnen mehrere Gespräche und Disputationen, die Origenes gehabt hat, deren Berichte aber heute – mit der Ausnahme des ‹Dialogus cum Heraclide› – verloren sind (Orig. Ep. ad Afr. 2; Cels. 1,45. 55–56; Pamph. Apol. praef.; Eus. Hist. eccl. 6,33,3. 37; Epiph. Haer. 64,5; Rufin. Adult. 2,7; Hier. Adv. Rufin. 2,18–19; Voss 1970 [*2089: 80–85]). Ein großer Teil seiner Schriften bemüht sich, Irrlehren richtig zu stellen. Origenes war bewusst, dass notwendig Meinungsverschiedenheiten entstehen, wenn man tiefer in die begriffliche Untersuchung wichtiger Gegenstände einzudringen sich bemüht (Cels. 3,11–13). Die daraus entspringenden Differenzen haben auch eine positive Wirkung: Sie sind geistige Kämpfe, die den Menschen belehren und ihn fähig machen, die Wahrheit zu erkennen (Comm. ser. 35 in Mt.; Fürst 2014 [*2037: 530]). Wie in der Kenntnis der Wahrheit gibt es auch im Irrtum eine Stufung: Man kann sich vom rechten Weg teilweise entfernen oder man kann sich völlig verirren; einige vertreten falsche Lehren über bestimmte Einzelpunkte, ohne die Glaubensüberlieferung im Ganzen zu verlassen, andere verderben völlig die Wahrheit, und diese sind im eigentlichen Sinn die Häretiker (Comm. ser. 33 in Mt.; Comm. in Tt. apud Pamph. Apol. 35; 163).
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Origenes deutet die Häresie oft als eine Verunreinigung der christlichen Wahrheit und zugleich der Seele der Gläubigen durch fremde Lehren, besonders durch die griechische Philosophie, oder als eine dämonische Wirkung, welche die Einheit der Kirche durch die vom Teufel verursachten Spaltungen gefährdet (Ep. ad Greg. 3; Hom. in Jos. 7,7; Hom. in Ez. 7,7; Comm. in Mt. 12,12; 14,1; 15,4; Comm. ser. 38; 42 in Mt.; Cels. 2,27). Es gibt sehr viele Möglichkeiten, von der Glaubensregel abzuweichen (vgl. die Liste in Comm. in Tt. apud Pamph. Apol. 33; Le Boulluec 1985 [*2128: II 524– 545]), die Häretiker schlechthin sind aber in Origenes’ Schriften die Gnostiker (Le Boulluec 1975 [*2105]), mit denen zusammen er oft auch Markion nennt. Man kann nicht genau sagen, wieweit er ihre Schriften und Lehren kannte (vgl. Strutwolf 1993 [*2167: 214–215] und Le Boulluec 1975 [*2105: 54–56]), auf jeden Fall hatte er mit Häretikern persönliche Kontakte (Eus. Hist. eccl. 6,2,13–14. 18,1. 19,12) und hat sicher wenigstens einige Schriften gelesen (Pamph. Apol. 113), zum Beispiel den ‹Johannes-Kommentar› von Herakleon, den er in Comm. in Ioh. widerlegt (Daniélou 1948 [*2023: 190–198], Simonetti 1966 [*2080]). Origenes wusste, wie stark die gnostischen Lehren verbreitet waren, und kannte ihre Überzeugungskraft (Hom. in Ez. 2,5). In seinen Schriften findet man aber vorwiegend nur sehr allgemeine Beschreibungen ihres Inhaltes; wahrscheinlich tat er das absichtlich, um den Abstand zwischen kirchlicher Glaubenstradition und Irrlehren zu betonen. So sind zum Beispiel die drei Namen von Markion, Valentinus und Basileides oft eine klischeehafte Formel, um die Gesamtheit aller Irrlehren zu bezeichnen (Princ. 2,9,5; Hom. in Ex. 3,2; Hom. in Lev. 8,9; Comm. in Mt. 12,12; Comm. ser. 47 in Mt.; Le Boulluec 1985 [*2128: II 508]). Ihre Zusammenstellung ist trotzdem nicht ganz willkürlich, weil sowohl Markion als auch Valentinus den Gott Israels von dem von Jesus verkündeten guten Gott getrennt hatten (Princ. 2,4–5; Hom. in Iud. 1,1; Hom. in Ier. 10,5; Dial. 3). Neben der Lehre von Gottes Einzigkeit spielte auch das Thema der Willensfreiheit der geistigen Wesen eine wichtige Rolle in Origenes’ Polemik gegen Gnostiker und – manchmal – gegen Markion (Princ. 1 praef. 5; 2,9,6; 3,1; Comm. in Mt. 10,11; Trumbower 1989 [*2148]), obwohl ihm bewusst war, dass beide unterschiedliche Lehren darüber vertraten (Princ. 3,1,8– 9; Norelli 1992 [*2161]). Umstritten ist der tatsächliche Einfluss, den gnostische Lehren auf Origenes’ Denken ausgeübt haben (Quispel 1974 [*2099], Strutwolf 1993 [*2167: 14–18]). Origenes teilt mit den gnostischen Lehrern die systematische Orientierung seines Denkens, wobei der Begriff der Erkenntnis (γνῶσις) eine wesentliche Rolle spielt, insofern er der falschen Erkenntnis der Häretiker eine kirchliche Gnosis gegenüberstellt (Strutwolf 1993 [*969: 13]). 3. Origenes als Bibelexeget Der größte Teil von Origenes’ Werken besteht aus exegetischen Schriften. Damit stellte er sich in eine Tradition, die sich an drei Hauptströmungen anlehnte: die kirchliche Bibelauslegung, die jüdische, vor allem die philonische Exegese
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und, trotz seiner entschiedenen Verwerfung ihrer Lehren, die gnostische Annäherungsweise an die biblische Offenbarung. Obwohl ihm bewußt war, dass die hebräische Bibel die deutero-kanonischen Bücher nicht enthält (im Kommentar zum ersten Psalm hat er die 22 Bücher des hebräischen Kanons aufgelistet: Eus. Hist. eccl. 6,25,1–2), hielt er den griechischen Kanon für verbindlich (Ep. ad Afr. 4–5), weil er von allen Kirchen anerkannt war (vgl. Comm. in Ioh. 1,2,14; Eus. Hist. eccl. 6,25,4). Origenes war der erste christliche Schriftsteller, der ganze Bücher des Alten und Neuen Testaments systematisch auslegte. In der Form von Deutungen einzelner Stellen (σχόλια, excerpta), von Predigten (ὁμιλίαι) und von ausführlichen Kommentaren (τόμοι, volumina) legte Origenes fast die ganze Bibel aus (Hier. praef. in Orig. Hom. 14 in Ez.; Epiph. Haer. 64,3; Neuschäfer 1987 [*2140: 39–42]). In dieser Auslegungstätigkeit verwirklichen sich seiner Meinung nach die wahre Verehrung Gottes und das Priesteramt der Christen (Comm. in Ioh. 1,2,10). Eusebios schreibt, dass Origenes – um die Schrift zu studieren – die hebräische Sprache lernte (Hist. eccl. 6,16,1; vgl. Hier. Vir. ill. 54; Ep. 39,1), und tatsächlich findet man in seinen Schriften Hinweise auf jüdische Lehrer (Princ. 1,3,4; 4,3,14; vgl. Hier. Adv. Rufin. 1,13). Man muss aber annehmen, dass seine Kenntnis der hebräischen Sprache auf ein elementares Maß begrenzt war (Nautin 1977 [*1993: 178]; noch stärker einschränkend De Lange 1976 [*2106: 21ff., 152f.]). Von der grundlegenden Bedeutung, die er der Bibel zuschrieb, zeugt auch seine philologische Arbeit, die in der Herstellung der ‹Hexapla› gipfelte. Ohne die Verbindlichkeit der LXX für die Christen zu bezweifeln (vgl. Comm. in Rm. 10,8; Comm. in Cant. 1,3,14; Epist. ad Afr. 9; Heine 2011 [*2263]), zeigte Origenes mit dieser in Alexandrien begonnenen und erst in den letzten Jahren seines Lebens in Caesarea abgeschlossenen Arbeit, wie wichtig für ihn auch die ‘Hebraica veritas’ war (Bammel 1988 [*2143], Martin 2004 [*2215]). Dazu war er von wissenschaftlichen und apologetischen Bemühungen bewegt: Er wollte einen zuverläs sigen griechischen Text zur Verfügung stellen und den Christen die Auseinandersetzung mit den Juden ermöglichen (Orig. Comm. in Mt. 15,14; Ep. ad Afr. 5; Brock 1970 [*2086], Nautin 1977 [*1993: 344–353], Grafton, Williams 2006 [*2226: 117–132], Martens 2012 [*2273: 42–49]). Als Bibelausleger bediente sich Origenes der in den paganen Schulen praktizierten philologischen und rhetorischen Methoden, mit denen er durch seinen Beruf als Sekundarlehrer (γραμματικός) vertraut war (vgl. Hom. in Gen. 13,3; Hom. in Ez. 7,2; Neuschäfer 1987 [*2140], Villani 2008 [*2241] und 2011 [*2271], Cacciari 2011 [*2260]). Die Untersuchungen zur literarischen Form seiner Abhandlungen und Kommentare – vor allem ihrer Prologe (I. Hadot 1987 [*2135], Heine 1995 [*2173], Bendinelli 1997 [*2178], Skeb 2007 [*2234: 137–277]) – haben die Verwandtschaft dieser Werke mit den Gattungen und Methoden der zeitgenössischen wissenschaftlichen Literatur aufgezeigt (Neuschäfer 1987 [*2140: 57– 84], Perrone 1995 [*2174], Morlet 2011 [*2266]). Ein nur teilweise anderes Ziel verfolgten die Predigten (Monaci Castagno 1987 [*2139]). Trotz der Anpassung an verschiedene Adressatenkreise benutzte Origenes auch in den Predigten die philologischen Methoden der Schuldiskussion: Text
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analyse, Erörterung von verschiedenen möglichen Deutungen, Entwicklung des Gedankens durch Fragestellungen und Lösungsversuche (Simonetti 2004 [*2217: 79–80]). Er wollte auch für die schlichten Gläubigen das Wort mit Sorgfalt und Ruhe «kauen» (Dial. 2,34–3,3; vgl. Barn. 10,11f., Clem. Alex. Strom. 5,51,4 mit Lev. 11,3), auch wenn man vermutet hat, seine Predigten hätten wegen ihrer Schwierigkeit seine Zuhörer überfordert (Markschies 1997 [*2179]). Origenes war der erste christliche Schriftsteller, der die biblische Hermeneutik in einer eigenen umfangreichen Abhandlung behandelt hat (Princ. 4,1–3; Karpp 1984 [*2124], Perrone 1990 [*2151] und 1992 [*2163]). Bei der Auslegung der Bibel orientiert er sich an drei Grundsätzen: 1) Die Schrift ist von Gott inspiriert, daher ist die von ihr mitgeteilte Wahrheit höher als jede menschliche Vernunft (Princ. 4,1,6–7); 2) die Bücher des Alten und Neuen Testaments bilden eine einheitliche Offenbarung und sind ein einziges Buch (Comm. in Ioh. 5, fr. 6–7 Blanc); 3) der Inhalt der Offenbarung ist nur einer, nämlich der göttliche Logos, der schon durch Mose und die Propheten gesprochen hat und der in Christus Mensch geworden ist (Princ. 1 praef. 1; Ep. ad Greg. 2; Martens 2012 [*2273: 204f., 216–221]). Aus diesen Grundsätzen geht die entscheidende Aufgabe des Schriftauslegers hervor, in der scheinbaren Vielfalt der einzelnen Inhalte die Einheit und Einigkeit des göttlichen Wortes zu erkennen. Mit anderen Worten, er soll hinter den Buchstaben, die in ihrer Mannigfaltigkeit sowohl Träger als auch Schleier des höheren Sinns sind, die einheitliche geistige Bedeutung der Schrift aufzeigen (Princ. 4,2,9; 4,3,5; Stefaniw 2010 [*2257: 149–219]). Die Juden weigerten sich, im Neuen Testament die Offenbarung zu sehen, in der die Verheißungen der Propheten erfüllt sind; Markioniten und Gnostiker behaupteten, das Evangelium sei mit dem Alten Testament unvereinbar. Das Versagen auf beiden Seiten liegt laut Origenes darin, dass sie die Einheit der biblischen Botschaft nicht wahrzunehmen vermochten. Über diese Fähigkeit verfügen freilich nur jene, die den Geist Gottes empfangen haben und die Schrift im Geist der Verfasser der Bibel lesen (Princ. 2,7,3; vgl. Comm. in I. Cor. fr. 11 Pieri). Die Heilige Schrift ist nämlich keineswegs deutlich und von sich aus verständlich, sondern voll von Geheimnissen, Rätseln und dunklen Stellen, welche die Geduld und den Eifer des Lesers auf die Probe stellen (Princ. 4,2,7; Cels. 3,45; 5,29) und nur mit Gottes Hilfe und durch anhaltendes Gebet zu verstehen sind (Hom. in Lev. 12,4; Comm. in Rm. 1,21; Dial. 11,5–6. 14–16). Obwohl die Texte der Bibel nicht immer in ihrem Wortlaut unmittelbar einsichtig sind (Princ. 4,3,5; Hom. in Gen. 2,6; Comm. in Ioh. 10,5,20), ist kein Wort der Schrift unnütz, wenn man es nur richtig versteht. Wie ein Mensch hat sie Fleisch, Seele und Geist. Das Fleisch der Heiligen Schrift ist ihr buchstäblicher Sinn, der vor allem jenen nützt, welche die ersten Schritte im Glauben machen. Die Seele ist der tiefere Sinn, den die Fortgeschrittenen erfassen können, während der Geist der volle und eigentliche Sinn der Bibel ist, den nur die Vollkommenen erreichen (Princ. 4,2,4). In seiner konkreten Bibelauslegung hat Origenes diese drei Stufen zwar nur selten klar unterschieden, sich aber immer vom Grundsatz leiten lassen, dass der Sinn der Schrift sich dem Leser schrittweise im Verhältnis zu seiner geistlichen Reife eröffnet.
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Das Deutungsverfahren verlangt auch nach einer technischen und literarischen Schulung, d. h. nach Vertrautheit mit der griechischen Bildung (aber nicht nur mit dieser; an mehreren Stellen seiner Kommentare und Homilien erwähnt Origenes auch jüdische Deutungen schwieriger Texte). Man muß sicher sein, dass der Text ohne Fehler ist und dass man seinen Wortlaut richtig begreift (Neuschäfer 1987 [*2140: 35–36]). Oft, aber nicht immer, ist der buchstäbliche Sinn an sich erbauend, vor allem wenn er tugendhafte Handlungen beschreibt, die als Beispiel für die Hörer dienen können. Anschließend soll man zum geistigen Sinn emporsteigen, der generell dem christologischen Inhalt des Textes entspricht. Das wichtigste – wenn auch nicht einzige – Mittel, um diese Stufe zu erreichen, ist die allegorische Auslegung, wodurch einem Ausdruck neben dem wörtlichen Sinn auch ein weiterer, tieferer Sinn gegeben wird (Cels. 1,17–18; 4,38. 44–45). Dieses Verfahren war in der philosophischen Mythendeutung (vgl. Cels. 4,48. 51 mit Hinweisen auf Chrysipp und Numenios) und in der jüdischen und christlichen Bibelauslegung wohlbekannt (Origenes nennt Philon in Comm. in Mt. 15,3 und Cels. 4,51; 6,21; vgl. auch 5,55 und 7,20). Es lässt mehrere Deutungen eines Textes zu, was verwirrend wirken kann, aber an sich kein negativer Umstand ist. Dennoch rief die allegorische Auslegungspraxis bei Heiden wie Porphyrios Kritik (Hist. eccl. 6,19,4–5. 8) und bei Christen Misstrauen hervor, weil eine zu willkürliche Auslegung und die Eliminierung des historischen Sinnes zu befürchten stand (Hom. in Gen. 13,3; Pamph. Apol. 87; Hier. Comm. in Mal. prol.; Neuschäfer 1987 [*2140: 13–15]). Origenes war sich dieser Gefahr bewusst, weshalb er betonte, der Schriftausleger solle sich an die kirchliche Glaubensregel halten, und weshalb er die Überprüfung der Bedeutung einer Stelle durch den Vergleich mit anderen Stellen für notwendig hielt (eine christliche Anwendung des Grundsatzes: ‘Homer durch Homer auslegen’; Neuschäfer 1987 [*2140: 276–285]; doch vgl. Fürst 2014 [*2037: 518]). Er verlangte vom Exegeten große Vorsicht bei der Äußerung seiner Deutungen. Der Lehrer in der Kirche soll den einfacheren Leuten (ἁπλούστεροι) nur das sagen, was sie vertragen können und was ihnen guttun kann (Dial. 15,7–23; Monaci Castagno 1987 [*2139: 102f.], Markschies 1997 [*2179: 51–57]). Die Begriffe ‘Erziehung’ (παίδευσις) und ‘Fortschritt’ (προκοπή, profectus) haben in Origenes’ biblischer Hermeneutik wie in seinem ganzen Denken eine große Bedeutung. Der Inhalt der Heiligen Schrift offenbart sich stets im Verhältnis zur Fähigkeit der Hörer, ihn zu erfassen (Comm. in Mt. 12,36). Die schlichte Ausdrucksweise der Bibel macht ihre Botschaft auch den Ungebildeten zugänglich und die Drohungen, die sie ausspricht, bewegen sie zur Umkehr, ohne dass die Fortgeschrittenen daran gehindert werden, einen tieferen Sinn in ihren Rätseln zu entdecken (Cels. 1,18; 4,72). Die volle Wahrheit der Schrift wird geistig erfasst, aber das kann nicht ein definitiv erzieltes Ergebnis sein, als handle es sich bloß darum, einen bestimmten geistigen Gegenstand zu begreifen. Die Schrift besitzt keinen bestimmten Wahrheitsgehalt, den man zu einem bestimmten Zeitpunkt erschöpfend kennen könnte. Im Gegenteil, durch den Logos enthält sie die nie hinreichend zu erfassende Offenbarung vom Geheimnis Gottes.
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4. Origenes’ dogmatischer Systementwurf Die Grundsätze seiner Bibelhermeneutik wendet Origenes selbstverständlich auch für die Entfaltung der systematisch orientierten Glaubenslehre in seinem dogmatischen Hauptwerk ‹De principiis› an. Dabei legt er ausdrücklich die kirchliche «Glaubensregel», in der nach gängiger Auffassung der sogenannten altkatholischen Theologen die Verkündigung der Apostel zusammengefasst ist, als Fundament aller theologischen Aussagen zugrunde (Princ. 1 praef. 2–10). Die «Glaubensregel» beschreibt demnach die elementare Anfangsstufe des schlichten christlichen Glaubens, sie ist klar und eindeutig, sie enthält alles, was zu glauben heilsnotwendig ist, und sie ist absolut normativ, zumal gegenüber dem abweichenden Bibelverständnis der häretischen Gnosis. Aber in mancher Hinsicht ist sie, wie Origenes erklärt, noch unvollständig. Vielfach haben die Apostel nur mitgeteilt, dass es bestimmte Dinge gibt, ohne deren eigentliche Beschaffenheit und deren Herkunft näher zu erläutern. Andere Punkte haben sie zwar deutlicher angesprochen, aber die wissenschaftliche Begründung ihrer autoritativen Lehren offen gelassen (Princ. 1 praef. 3). Auf diese Weise wollten sie den zur Forschung Befähigten Anlass geben, über die Anfangsverkündigung hinaus zur vollkommenen Form der Weisheit und der höheren Erkenntnis fortzuschreiten (Princ. 1 praef. 3; Cels. 1,9; Comm. in Ioh. 10,37,241; Comm. in I. Cor. fr. 9 Pieri; Simonetti 2004 [*2217: 165–168]). Der Glaube, der sich einer Gotteskraft verdankt, aber nicht unvernünftig ist, soll mit Vernunftüberlegungen erhärtet und wissenschaftlich begründet werden (Princ. 4,1,1. 7), und in Fragen, wo die apostolische Autorität keine feststehende Lehre vorgeschrieben hat, ist der Freiheit selbständiger Forschung und offener Diskussion Raum gelassen, um anhand von biblischen Vorgaben und durch rationale Schlussfolgerungen ein zusammenhängendes und organisches Lehrganzes zu entwerfen (Princ. 1 praef. 10; vgl. Chadwick 1966 [*2076: 79ff.]). Aus diesen Zusammenhängen erklärt sich der experimentierende Charakter von Origenes’ Systementwurf. Sein Denken – und das gilt nicht nur für das dogmatische Frühwerk – entwickelt sich oft in Form von Hypothesen und argumentativen Versuchen (zum Ganzen Fürst 2014 [*2037: 527–531]). Er versichert, dass er etwas nur ζητητικῶς («wissenschaftlich erforschend») oder γυμναστικῶς («als geistige Übung»), also lediglich versuchsweise diskutiere (Kettler 1966 [*2079: 13 Anm. 65; 20); er beschließt Sacherörterungen mit Wendungen wie «ob es sich vielleicht so oder anders verhält»; er betont, nur Problemanzeigen geben zu wollen (Princ. 1,8,4; Kettler 1966 [*2079: 16–21]). «Man nehme dies nicht als Lehren, die von uns vertreten würden, sondern als Darlegung in der Art einer Erörterung und Untersuchung» (Princ. 2,8,4). Bisweilen gibt er auf aufgeworfene Fragen keine eindeutige Antwort oder lässt längere Ausführungen in eine offene Alternative auslaufen (Princ. 1,6,4; 2,8,5). So wenig man deshalb Origenes das Profil eines systematischen Denkers absprechen darf (dahin tendierend Crouzel 1985 [*2028: 75, 216–223], mit weiterem Belegmaterial), so wenig ist in diesem experimentierenden Zuschnitt ein bloß taktisches Verschleierungsmanöver zu sehen, das dazu diente, gewagte, ans Häretische streifende Thesen abzufedern (so Kettler 1966 [*2079: 12f., 47–54]). Origenes ist es ernst damit. Trotz aller geistigen Lei-
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denschaft, mit der er sich der wissenschaftlich-spekulativen Erforschung der Wahrheit hingibt, ist solche Zurückhaltung, auch wenn die innere Logik des Gedankengangs eine Richtung vorgeben mag, Ausdruck intellektueller Demut, die weiß, dass menschliches Wissen hienieden unvollkommen und fragmentarisch bleibt (Princ. 4,3,14 mit Rm. 11,33; Comm. In Ioh. 1,16,93; 6,36,183; Cels. 6,20). Dass insgesamt diese Konzeption einer Überhöhung des Glaubens durch wissenschaftlich-spekulative Erkenntnis auf platonische Denkformen zurückweist und dabei auch das Bewusstsein des Abstandes zur unergründlichen Wahrheit eine Reminiszenz an Platon aufbewahrt, ist nicht zu verkennen (Kettler 1966 [*2079: 2f. mit Anm. 6]), doch versteht Origenes auch diese höhere Weisheit, die sich in Schriftbezug und rationaler Operation realisiert (vgl. Princ. 1,7,4; 2,8,1; 4,1,1), als göttlich aufleuchtende Eingebung (Princ. 4,1,7). 4.1. Der trinitarische Gott Die origeneische Gotteslehre steht in enger Beziehung zur mittelplatonischen Auffassung des Göttlichen und lässt sich besonders gut mit der Prinzipienlehre des Numenios vergleichen (Somos 2000 [*2199]). Die zwei philosophischen Grundgedanken seiner Theologie bestehen darin, dass Gott absolut unkörperlich ist und dass er eins ist. Zwar räumt Origenes am Anfang von ‹De principiis› (Princ. 1 praef. 8f.; 1,1–4; vgl. auch Comm. in Ioh. 13,21–25. 123–153; Cels. 6,70ff.) ein, dass in den Heiligen Schriften und in der christlichen Glaubenstradition nicht ausdrücklich gesagt wird, dass Gott unkörperlich sei, er widerlegt dann aber die Ansicht, dass Gott einen Leib habe. Diese zu seiner Zeit verbreitete Auffassung (Paulsen 1990 [*2150]) ist, wie er meint, aus einem naiven Verständnis des biblischen Anthropomorphismus entsprungen oder ist Folge eines stoisierenden Verständnisses der biblischen Aussagen, nach denen Gott Feuer (Dt. 4,24) und Geist (πνεῦμα: Ioh. 4,24) ist (Princ. 1,1,1; Markschies 2016 [*238: 86–96, 98–106]). Um Gottes Transzendenz zu umschreiben, verwendet Origenes die üblichen Prädikate der Platoniker: Gott ist das Gute an sich (Princ. 1,2,13; Comm. in Mt. 15,10–11), er ist «Einheit (μονάς) und sozusagen Einsheit (ἑνάς)» (Princ. 1,1,6; Comm. in Ioh. 32,16,187), eine einfache und geistige Natur, ganz Vernunft (mens, νοῦς), die ohne Zeit und Ort zu denken ist (Orat. 23,1. 3; Cels. 4,5; 7,38). Man kann ihn nicht erkennen, weil alles, was man erkennen kann, geringer ist als Gott (Comm. in Ioh. 2,28,172; Cels. 6,17. 62): Er ist unbegreiflich und unermesslich, ungeschaffen, ungeworden, unaussprechbar, unsichtbar (vgl. die Belegstellen bei Chadwick 1967 [*2025: 189 Anm. 2]), aber unbegrenzt ist seine Macht nicht, weil er sich sonst selbst nicht erkennen könnte (Princ. 2,9,1; 4,4,8; Cels. 3,70). «Seine Natur zu schauen, reicht die Schärfe der menschlichen Vernunft nicht aus» (Princ. 1,1,5; Cels. 7,42). Von ihm kennen wir weder Anfang noch Ende, nur seine Offenbarung in der Ökonomie der Geschichte (Hom. in Is. 1,2; 4,1); er offenbart sich durch sein Wirken (Princ. 1,1,6 mit Bezug auf Rm. 1,20) und besonders durch seinen Sohn (Comm. in Ioh. 19,6,35–39; Cels. 7,42–44). Die kaiserzeitlichen Platoniker gaben keine einhellige Antwort auf die Frage, ob man das erste Prinzip als Intellekt und Sein bezeichnen dürfe oder nicht. Auch bei
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Origenes kann man ein gewisses Schwanken feststellen. In ‹De principiis› behauptet er, Gott sei «ganz Vernunft» (Princ. 1,1,6), und bekräftigt mit Ex. 3,14, dass er der wahrhaft Seiende sei (Princ. 1,3,6; Hom. in Sam. 1,11). In ‹Contra Celsum› 6,64 drückt er sich vorsichtiger aus: Hier erklärt er, man müsse ergründen, ob Gott «jenseits des Seins an Würde und Macht» (Plat. Rep. 6, 509b) sei oder ob Gott selbst das Sein sei. Ebenso räumt er ein, dass man ihn sowohl Intellekt nennen als auch von ihm sagen darf, er sei jenseits von Intellekt und Sein (Cels. 7,38). Mit diesen Aussagen betont Origenes, dass Gott als Prinzip erhabener ist als alles, was er hervorbringt: Gott ist nicht eine aus Teilen bestehende Gesamtheit (Cels. 1,23), er ist aber auch nicht ohne Sein und Intelligibilität, im Gegenteil, er stellt die höchste Form des Seins und der Intelligibilität dar (Böhm 2002 [*2007: 8–10] und 2003 [*2206]). Wenn Origenes über Gott spricht, meint er den Vater im Sinn der biblischchristlichen Tradition, dem alleine die Bezeichnung «der Gott» (ὁ θεός), «Gott an sich» (αὐτόθεος) zukommt (Comm. in Ioh. 2,2,17; 2,3,19–21) und dem eigentlich die Anbetung gebührt (Orat. 15,2. 4; 16,1; Dial. 4,24–26). Aber durch Teilhabe an seiner Gottheit bilden der Sohn und der Heilige Geist mit ihm die anbetungswürdige (Comm. in Ioh. 6,33,166), ewige (ebd. 10,39,270) und ursprunghafte Drei einigkeit (Comm. in Mt. 15,31: ἀρχικὴ τριάς; Princ. 1,4,3). Origenes hat Vater, Sohn und Heiligen Geist klar unterschieden und deren selbständiges Sein gelehrt. Dabei hat er den Begriff «Hypostase» (ὑπόστασις, lat. substantia, subsistentia) benutzt (Princ. 1,2,2; Comm. in Ioh. 2,10,75–76: «drei Hypostasen»; Cels. 8,12), den er faktisch gleichbedeutend mit «Substanz» (οὐσία) und «Subjekt» (ὑποκείμενον) versteht, um damit die je eigene reale Existenz der trinitarischen Personen zu bezeichnen (Comm. in Ioh. 6,38,188; Orat. 15,1; Cels. 8,12; vgl. Hammerstaedt 1991 [*2153]). Das geschieht in ausdrücklicher Opposition gegen eine monarchianische Sicht, wonach der Sohn Gottes nur gedanklich und dem Namen nach ein anderer als der Vater sei (Comm. in Ioh. 10,37,246; Comm. in Mt. 17,14). Was die wechselseitigen Beziehungen zwischen den trinitarischen Hypostasen betrifft, so behauptet Origenes die Ursprünglichkeit und den Vorrang des Vaters, der allein ungeworden und allein Prinzip ist (Comm. in Ioh. 1,17,102). Indessen besteht Origenes’ wichtigster Beitrag zur Ausformulierung der Trinitätstheologie in der Lehre von der ewigen Zeugung des Sohnes, womit er eindeutig über die Position der Apologeten hinausgeht (Prinzivalli 2010 [*2035: 293]). Er erklärt, mit dem philosophischen Axiom der Unwandelbarkeit Gottes im Hintergrund, dass es gleichermaßen gottlos sei, anzunehmen, Gott sei jemals unfähig oder jemals nicht willens gewesen, einen Sohn zu zeugen, und sei erst später dazu übergegangen, ihn zu zeugen (Princ. 1,2,2); die Zeugung müsse notwendigerweise ewig sein. «Numquam est quando filius non fuit» («Niemals gab es eine Zeit, in welcher der Sohn nicht war»: Ex lib. in Hebr. [PG 17, 561]; Princ. 4,4,1). Gestützt auf den Weisheitstext Prov. 8,22–25 «Gott schuf mich am Anfang seiner Wege […] vor allen Hügeln zeugte er mich» (Princ. 1,2,1; Hom. in Ier. 9,4) sowie auf die weiteren weisheitlichen Hoheitsprädikate (Col. 1,15 «das Bild [εἰκών] des unsichtbaren Gottes», Hebr. 1,3 «der Glanz [ἀπαύγασμα] seiner Herrlichkeit und das Prägebild seines Wesens [χαρακτήρ τῆς ὑποστάσεως]» sowie Sap. 7,25 «Ausfluss [ἀπόρροια] der
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Herrlichkeit des Allmächtigen»: Princ. 1,2,5), lehrt Origenes mithin, dass Gott in Ewigkeit seinen Sohn gezeugt habe, und er begründet die ewige Mitexistenz des Sohnes aus der reziproken Relationsstruktur von Vater und Sohn (Princ. 1,2,4. 9; vgl. den analogen Gedankengang bei Plot. Enn. V 1 [10] 6). Ewige Zeugung besagt in erster Linie, der Sohn «erhält vom Vater alles, was er ist» (Princ. 1,2,2); Origenes schließt aber aus, dass der Sohn «aus der Substanz (οὐσία) des Vaters erzeugt worden sei» (Comm. in Ioh. 20,18,157f.), um eine materialistische Vorstellung der Zeugung als Spaltung der göttlichen Substanz im Sinn der valentinianischen Ausstrahlung (προβολή) zu vermeiden (Princ. 1,2,6; 4,4,1; vgl. Hier. Adv. Rufin. 2,19; Strutwolf 1993 [*2167: 218–221], Hanson 1987 [*2136]). Deshalb ist in den im originalen Wortlaut erhaltenen Schriften der Terminus ὁμοούσιος («wesenseins») in Bezug auf den Gottessohn nicht belegt, und die Wiedergaben in den lateinischen Übersetzungen sind verdächtig (Stead 1994 [*2169: 389]). Aber Origenes präzisiert die Vorstellung der ewige Zeugung dahingehend, dass damit die ewige, der Gottheit immanente, geistige Hervorbringung des Sohnes aus dem Denken des Vaters gemeint ist, «gleichsam wie sein Wille, der aus dem Geist hervorgeht» (Princ. 1,2,6; vgl. Daniélou 1973 [*2094: 379f.]). Er spricht auch von der Einheit und Übereinstimmung (συμφωνία) im Willen und in der Liebe, die den Sohn an den Vater bindet (Comm. in Ioh. 13,36,228; Cels. 8,12). Damit ist die völlige Gleichheit des Sohnes mit dem Vater und die Willenseinheit beider zum Ausdruck gebracht, so dass wer den Sohn sieht, in ihm den Vater sieht und in ihm der Macht Gottes begegnet (Comm. in Ioh. 13,228f.). Sie sind beide eins in einer einzigen Gottheit (Dial. 3,20–23: εἷς θεός). Doch es gibt auch Aussagen, die klar die Unterordnung des Sohnes (und des Heiligen Geistes) unter den Vater beinhalten. Sie besagen einerseits, dass allein der Vater der eigentliche Urgrund von allem und der Sohn von ihm abkünftig ist. Der Vater ist das Gute an sich, während der Sohn gut ist, weil er das Bild der väterlichen Güte ist und an ihr teilhat (Princ. 1,2,13; Hier. Ep. 124,2; Comm. in Ioh. 2,2,17). Insofern kommen dem Sohn die göttlichen Eigenschaften nur durch Partizipation am väterlichen Urgrund zu. Damit hängt die Frage zusammen, inwieweit der Sohn den Vater voll erkennt. In ‹De principiis› scheint Origenes die Ansicht vertreten zu haben, dass der Zugang zu Gott selbst für den Sohn beschränkt ist (Hier. Ep. 124,2, vgl. Princ. 1,2,6. 8; Hier. Ep. 124,13, vgl. Princ. 4,4,8). Im ‹Johannes-Kommentar› schreibt er zwar, der Sohn erkenne den Vater ohne vermittelndes Medium, und als die allumfassende Wahrheit, die er ist, erfasse er die volle geistige Realität, die Wirklichkeit Gottes, und offenbare sie den Geschöpfen (Comm. in Ioh. 1,27,186f.; 1,38,277f.; 2,28,172). Andererseits sagt er aber auch, dass der Vater als Vater der Wahrheit mehr und größer ist als die Wahrheit und sie überragt (Comm. in Ioh. 2,23,151), was offensichtlich nicht in dem Sinne gemeint ist, dass er zusätzlich etwas weiß, was dem Sohn unbekannt wäre, sondern so, dass er sich in der Einfachheit und Einheit seiner Natur selbst auf einzigartige, ursprüngliche Weise erkennt, was dem Sohn nur auf dem Wege der Anteilhabe möglich ist (Comm. in Ioh. 32,28–29,344–367; Hengstermann 2011 [*2265: 83]; Williams 1987 [*2142] mit Verweis auf Attikos fr. 34 des Places). Der inferioristische Status des Sohnes ist ferner auch dadurch bedingt, dass der Sohn nicht mehr die
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absolute Einfachheit und Einheit Gottes ist, sondern bereits den Übergang zur Vielfalt der geschaffenen Dinge eröffnet. Der Sohn, geboren als Weisheit des Vaters, ist das Urbild der Ideen der Dinge (Cels. 6,64; Hengstermann 2011 [*2265: 79–84]); er ist bereits vielfältig, weil er die intelligiblen Vorbilder der ganzen Welt in sich enthält, was offensichtlich eine Adaption der mittelplatonischen Lehre von den Ideen im Geist Gottes darstellt (Princ. 1,2,2–3; Comm. in Ioh. 1,19,113. 20,119; Daniélou 1973 [*2094: 385]). Besondere Aufmerksamkeit schenkt Origenes in diesem Zusammenhang den Aspekten bzw. Benennungen (ἐπίνοιαι), welche die Bibel in reichem Maße für den Erlöser bezeugt (Princ. 1,2; 2,7,3; Comm. in Ioh. 1,19,111–115; 2,18,126; Cels. 2,64). Einige beziehen sich auf das ewige Wesen des Gottessohnes und bezeichnen seine Vermittlung zwischen dem Vater und der Schöpfung, wie Weisheit, Logos, Macht, Wahrheit, Leben, Licht der Welt; andere beziehen sich auf das heilsgeschichtliche Wirken des Inkarnierten, wie Sühnopfer, Hirt, Arzt, Priester, Erstgeborener von den Toten usw. (Bertrand 1951 [*2064: 15–46] zählt 34 Namen auf). Origenes’ Analyse arbeitet für jede Bezeichnung die Entsprechungen in hierarchischer Ordnung zum geistigen Fortschritt der Gläubigen heraus, so dass sich die Explikation der ἐπίνοιαι wie ein Kompendium von Origenes’ Spiritualität ausnimmt (Strutwolf 1993 [*2167: 221–223] zufolge ist diese Lehre die origeneische Umdeutung der valentinianischen Lehre der Äonen). Doch wichtig im gegenwärtigen Zusammenhang ist, dass dadurch der Sohn Gottes im Unterschied zur absoluten Einfachheit des Vaters als eine Vielheit erwiesen wird (Comm. in Ioh. 1,20,119). Insofern kann er, wie bei Philon und manchen Apologeten, auch als «zweiter Gott» bezeichnet werden (Cels. 5,39; Dial. 2,3–6). Was schließlich den Heiligen Geist betrifft, so erklärt Origenes im Anschluss an die Glaubensregel, dass die Apostel ihn an Ehre und Würde dem Vater und dem Sohn gleichgestellt und ihm die Inspiration der Propheten und Apostel im Alten und Neuen Testament zugeschrieben haben, dass sie aber nicht entschieden haben, ob er gezeugt oder ungezeugt bzw. geschaffen oder unerschaffen sei – eine textkritische Entscheidung lässt sich hier kaum treffen, weil bekanntlich die terminologische Unterscheidung von γεννητός/ἀγέννητος, «gezeugt/ungezeugt», und γενητός/ἀγένητος, «geworden/ungeworden», bei Origenes noch nicht scharf vollzogen ist wie auch die handschriftliche Überlieferung schwankend ist (vgl. Görgemanns, Karpp 21992 [*1895: 89 Anm. 9]) – und ob er gleichfalls für Gottes Sohn zu halten sei oder nicht (Princ. 1 praef. 4). Tatsächlich behandelt Origenes ihn in Analogie zum Sohn Gottes. Er ist die dritte Hypostase der göttlichen Trinität (Comm. in Ioh. 2,10,75), eine eigene οὐσία (Comm. in Ioh. fr. 37, p. 513 Preuschen) und dem Sohn nachgeordnet, weil er durch die Teilhabe am Sohn seinen Bestand und seine Art empfängt (Comm. in Ioh. 2,10,75f.), obschon es gelegentlich so scheinen kann, als wären beide gleichrangig (Princ. 1,3,4; 4,3,14; Comm. in Rm. 3,8). Die Abstufung des Geistes geht jedoch auch aus der begrenzten Wirksamkeit hervor, die Origenes ihm zuschreibt. Grundsätzlich übt die Trinität ihre Tätigkeiten nach außen stets gemeinsam aus, doch nimmt Origenes gewisse Appropriationen vor, wonach Vater, Sohn und Heiliger Geist auf je besondere Weise und in unterschiedlichem Umfang wirken: «Gott Vater verleiht allen Geschöpfen das Sein; die Teilhabe an Christus aber, insofern er der Logos ist, macht sie vernünf-
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tig. […] Dann tritt folgerichtig noch die Gnade des Heiligen Geistes hinzu, um die, die nicht wesenhaft heilig sind, durch Teilhabe an ihm heilig zu machen» (Princ. 1,3,8; zu den ἐπίνοιαι des Geistes Princ. 2,7,3f.). Diese Betrachtungsweise, dass der Wirkungskreis des Geistes der engste ist, ist für Origenes die entscheidende, so dass es ihm am wahrscheinlichsten dünkt, dass der Geist das erste Geschöpf vom Vater durch den Sohn ist (Comm. in Ioh. 2,10,73–76) und gewissermaßen schon an der Grenze zwischen Gottheit und Schöpfung steht (Cocchini 2003 [*2208], Argárate 2009 [*2243]). 4.2. Die intelligible Schöpfung und ihr Abfall von Gott Die zentrale Fragestellung von Origenes’ Systementwurf richtet sich darauf, in welchem Verhältnis die in die Vielheit und Verschiedenartigkeit entfaltete sichtbare Welt zu Gott, ihrem Ursprung und ihrem Ziel, steht (vgl. Princ. 1,6,2; 2,1,1; 3,6,3. 8). Damit nimmt Origenes unverkennbar das philosophische Problem von Einheit und Vielheit auf, setzt es in Verbindung zu apokalyptischen Traditionen wie der Analogie von Erstem und Letztem und dem Gedanken, Gott sei Anfang und Ende, und antwortet nicht zuletzt vor diesem Hintergrund auf Herausforderungen, die von der negativen bzw. pessimistischen Weltsicht des Gnostizismus ausgingen. Was die Gnostiker in ihrer Beunruhigung angesichts der geistigen Entfremdung im körperlichen Dasein und des Bösen in der Welt in Dualismen ausein ander rissen, sucht Origenes in einer einzigen Gesamtschau des Weltgeschehens zu verbinden, indem er die absolute Güte und Gerechtigkeit des einen Gottes, des Schöpfers und Erlösers, mit der Freiheit und Selbstbestimmung der Geschöpfe vereinbarte. Die entscheidende Annahme, die eine solche Sicht ermöglicht und die zugleich zu Origenes’ eigentümlichsten und bald auch umstrittensten Lehren gehört (vgl. Pamph. Apol. 159–172; Just. Ep. ad Men. 1 und 2 und Anath. syn. Const. 1. 2. 4 bei Görgemanns, Karpp 21992 [*1895: 822–827]; Harl 1987 [*2137: 238–240]), ist diejenige einer ewigen, geistigen Schöpfung (Princ. 1,5,2; 2,9,1: «rationabiles creaturae vel mentes»; Princ. 2,9,6: «rationabiles naturae»; Comm. in Ioh. 32,29,353: λογικὴ κτίσις; Hom. in Gen. 1,2: «spiritalis substantia»). Origenes meint damit die präexistent geschaffene intelligible Substanz der Gesamtheit der in ihrer Zahl von Gott festgelegten und noch ununterschiedenen Engelwesen, Gestirnwesen und Menschen-Intellekte in einem (zur festen Zahl Princ. 2,9,1 mit Sap. 11,20). Diese νόες, Vernunftwesen, wie Origenes sie auch nennt (Koch 1932 [*2021: 24f., 36]), sind von Gott durch den Logos als den Schöpfungsmittler geschaffen und zur gnadenhaften Teilhabe an allem, was Gott seinshaft ist, berufen. Vermittelt und geeint durch die Teilhabe am Gottessohn, dem Urbild aller geistigen Wesen, finden sie ihre Seligkeit und Erfüllung in der Anschauung Gottes (Princ. 2,11,3; 4,4,9). In der Forschung ist umstritten, ob diese primäre Schöpfung Origenes zufolge ursprünglich völlig unkörperlich war, was das Wahrscheinlichere zu sein scheint (Comm. in Ioh. 1,17,97; vgl. Hier. Ep. 124,9–10; Sfameni Gasparro 1992 [*2165], Strutwolf 1993 [*2167: 238–241]), oder ob sie von Anfang an mit irgendeiner dem platonischen πνευματικὸν ὄχημα («geistigen Gefährt») ähnlichen Form von Körperlichkeit, vielleicht mit Strahlenleibern, aus-
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gestattet war (Comm. in Mt. 16,19; Crouzel 1977 [*2108], Schibli 1992 [*2164], Pietras 2009 [*2253]). Ebenso wird kontrovers diskutiert, ob Origenes angenommen habe, dass die Vernunftwesen ewig erschaffen worden sind (Kettler 1969 [*2084]) oder ob sie einen zeitlichen Anfang hatten (Crouzel 1985 [*2028: 247– 248, 268]). Da Origenes die Annahme der präexistenten intelligiblen Schöpfung damit begründet, dass aus Gottes ewiger Allmacht, aus seiner ewigen Schöpfertätigkeit und aus seiner ewigen Vorsehung notwendig die ewige Existenz dessen, worauf sich seine Allmacht, Schöpfertätigkeit und Vorsehung richten, folgen müsse (Princ. 1,2,10. 4,3; 3,5,3), und sich diese Argumentation nicht bloß auf die Ideenwelt in der göttlichen Weisheit beziehen kann (anders Crouzel 1985 [*2028: 268] und 1992 [*2156: 409f.]), muss man annehmen, dass die präexistenten Vernunftwesen zwar einen Anfang, als sie wurden, hatten – denn ungeworden ist allein Gott-Vater (Comm. in Ioh. 2,10,75) –, dass sie insofern auch nicht einfach gleichewig mit Gott sein können (Princ. 1,4,5), dass sie aber der kosmischen Zeitlichkeit enthoben sind und in einer vermittelten Weise an Gottes Ewigkeit partizipieren (Kettler 1969 [*2084: 292–297], Strutwolf 1993 [*2167: 235–237]). Insofern sind sie ewig, immateriell und, wie es der Gerechtigkeit Gottes entspricht, vollkommen gleich geschaffen, aber sie sind mit freiem Willen ausgestattet und daher, was das eigentliche Kennzeichen ihrer Geschöpflichkeit ist, wandelbar (Princ. 1,5,5. 6,2. 8,3; 2,9,2). Die Ursache der Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit, die in der empirischen Welt unter den einzelnen Geschöpfen anzutreffen sind, rührt also nicht von einer ungleichen Erschaffung durch Gott, sondern von der eigenen, freien Willensbewegung der Geschöpfe her (Princ. 1,8,2). Origenes wollte die Lehre von der ewigen geistigen Schöpfung nicht nur spekulativ begründen, sondern auch exegetisch durch die Schriftautorität absichern. Dass der biblische Schöpfungsbericht auf eine doppelte Schöpfung hin gelesen wurde, auf den κόσμος νοητός («intelligible Welt») und den κόσμος αἰσθητός («sinnlich wahrnehmbare Welt») hin, hatte in Alexandrien schon durch Philon und Clemens Tradition (Phil. Opif. 15–16; Somn. 1,135–140; Heine 2010 [*2034: 142]; Clem. Alex. Strom. 5,93,4–94,1), und Origenes hat sich dem generell angeschlossen (vgl. die Verweise auf den ‹Genesis-Kommentar› in Princ. 2,3,6; Cels. 6,49f. 60. 64). Allerdings macht der fast völlige Verlust seines ‹Genesis-Kommentars› eine Rekonstruktion seines Textverständnisses im Detail sehr schwierig, was eine Reihe von Forschungskontroversen hervorgerufen hat. Es scheint jedoch zumindest erkennbar zu sein, dass Origenes das ἐν ἀρχῇ («im Anfang») in Gen. 1,1f. auf den ewigen Logos, den Inbegriff aller platonischen Ideen, bezogen hat, dass er die Präposition ἐν («in») in der Bedeutung von καθ’ ὅ («dem gemäß») als Bezeichnung für die Relation gemäß dem idealen Paradigma und Modell, nach dem Gott schuf, verstanden hat (Comm. In Ioh. 1,17ff. 95–105) und dass er den Ausdruck οὐρανός («Himmel») in der Verbindung «Himmel und Erde» neben anderen möglichen Deutungen mit der intelligiblen Schöpfung identifiziert hat (Hom. in Num. 26,5; den Ausdruck «Erde» hat er ebd. auf das Paradies gedeutet; vgl. zum Ganzen Nautin 1973 [*2096: 88–93], Köckert 2009 [*2249: 240–247, 256–271]; die Forschungsdiskussion betrifft vor allem das Verhältnis der beiden Schöpfungsberichte von Gen. 1 und Gen. 2 in Origenes’ Sicht, etwa Simonetti 1962 [*2073],
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Crouzel 1985 [*2028: 126–127], Harl 1987 [*2137: 245], Jacobsen 2008 [*2237: 214] versus Crouzel 1956 [*2066: 148–153], Sfameni Gasparro 1980 [*2117: 63–64], Martens 2012 [*2272], sowie Origenes’ Bestimmung des Verhältnisses des vorzeitlichen Falls der intelligiblen Wesen zum Sündenfall der Stammeltern im Paradies, etwa Bennett 2005 [*2218: 82], Jacobsen 2008 [*2237: 229–231] versus Bammel 1989 [*2147: 68–69]; vgl. auch Hauke 1993 [*2166: 354–360]). Außerdem nennt Origenes einige Bibelstellen für den gefallenen Status der Dämonen und des Teufels (vgl. Ies. 14,12–22; Ez. 28,1–19; Lc. 10,18; Princ. 1,5,4f. 8,3; Comm. in Rm. 5,10; Comm. in Mt 15,34–36; Cels. 6,43). Zur traditionsgeschichtlichen Verortung der Lehre von den präexistenten Vernunftwesen ist noch nachzutragen, dass das ganze Konzept unverkennbar ein platonisches Gepräge aufweist, das allerdings weniger an der Ideenlehre – die νόες sind keine intelligiblen Formen, sondern Lebewesen – als vielmehr an der platonischen Annahme von der Präexistenz der Seelen haftet, dass aber zugleich ebenso unabdingbar die frühjüdisch-christliche Engel- und Dämonenvorstellung vorausgesetzt ist, wie auch die allgemein antike Überzeugung von der Beseeltheit der Gestirne mit hineinspielt. Bemerkenswert ist dabei, dass Origenes’ Annahme der Präexistenz der Vernunftwesen kein Korrelat der Epistemologie ist, wie es bei Platon im Rahmen der Anamnesis-Lehre der Fall ist, sondern der Entfaltung des ontologischen Abstiegs von der Einheit und Einfachheit Gottes zur Vielfalt und Verschiedenheit der Welt in ihrer als bedrängend empfundenen gegenwärtigen Konstitution dient. An dieser systematischen Schaltstelle vermag Origenes’ Theorie ebenso die absolute Güte und Gerechtigkeit des Schöpfergottes (Princ. 2,5,1ff. 9,5) wie die kreatürliche Gleichheit aller Vernunftwesen zur Geltung zu bringen, aber zugleich den Geschöpfen die Entscheidungsfreiheit zuzugestehen und die dadurch offenstehende Möglichkeit der Verfehlung der ursprünglichen Schöpfungsbestimmung und der Entfremdung von ihrer gottgewollten Ordnung einzuräumen. Tatsächlich sieht er die irdische Realität der menschlichen Existenz in ihrer Widrigkeit und Zwiespältigkeit als Folge eines auf höherer ontologischer Ebene angesiedelten Abfalls. Aber im Gegensatz zum Gnostizismus setzt er den Bruch nicht innerhalb des göttlichen Pleromas an, was zur bekannten Entgegensetzung des Schöpfergottes und des höchsten Gottes führen würde, sondern schreibt ihn der freien Entscheidung der Vernunftwesen zu, womit er im Gegensatz zur gnostischen Lehre von den verschiedenen Menschenklassen indirekt die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Individuums stark macht (vgl. Prinzivalli 2010 [*2035: 293f.]). Hatten die präexistenten Vernunftwesen die freie Wahl (προαίρεσις), entweder in Gotteserkenntnis und Liebe fortzuschreiten oder sich davon abzuwenden, so haben sie sich in einem vorzeitlichen Geschehen aus Überdruss, aus Nachlässigkeit und Trägheit, in Erkalten der Liebe von Gott abgekehrt und sind zu Seelen geworden (Princ. 1,3,8; 2,9,2. 5; 4,4,9; Harl 1966 [*2077]). Origenes beruft sich in diesem Sinn auf eine Etymologie, die das griechische Wort für «Seele» (ψυχή) mit dem Begriff des «Kalten» (ψυχρός) verbindet (Princ. 2,8,3; vgl. Plat. Crat. 399d; Arist. De an. 405b28–29; Chrysipp, SVF II, fr. 804–808; Phil. Somn. 1,31). Außerdem hat Gott um der gefallenen Intellekte willen die materielle Welt geschaffen (um der Menschen willen: Cels. 4,99), wofür Origenes zufolge die Heiligen Schrif-
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ten das neue und eigene Wort καταβολή («Grundlegung»; vgl. Ioh. 17,24; Eph. 1,4) benutzen, um «die Versetzung all dieser Wesen von oben nach unten» zu bezeichnen (Princ. 3,5,4; Comm. in Ioh. 19,22,149–150; vgl. Plot. Enn. IV 7 [2] 74). Je nach Schwere des Falls wurden ihnen verschiedene Körper zugeteilt, den Menschen speziell fleischliche Leiber, so dass die gegenwärtige Mannigfaltigkeit in der geistigen und körperlichen Verfassung der Geschöpfe durch die Verschiedenartigkeit ihrer Abwendungen oben verursacht ist (Princ. 1,5,1. 6,3. 7,4; 3,1,10. 24; Comm. in Mt. 10,12; 15,11). Indessen sind nicht alle irdischen Wesen durch eigene Schuld in die Welt gekommen, manche sind zum Dienst am Weltganzen herabgesendet worden (Princ. 3,5,4. 8,4; Comm. in Ioh. 2,30,180–187). Zumal die präexistente Seele Christi hat von Anfang an in glühender Liebe ohne Unterlass dem Sohn Gottes untrennbar angehangen, hat ihn in sich aufgenommen und ist in seinem Licht und Glanz aufgegangen (Princ. 2,6,3. 5f.; Cels. 7,17). 4.3. Kosmologie und Anthropologie Die empirische, materielle Welt ist von Gott, dem einzigen und wahren Gott, durch den Logos bzw. die Weisheit, seinen Schöpfungsmittler, nach dem Muster der im Logos enthaltenen Vorbilder mit einem zeitlichen Anfang (Princ. 3,5,1f.) aus dem absoluten Nichts (Princ. 2,1,4; Comm. in Gen. fr. D 3,1f. Metzler) geschaffen worden. Die Erschaffung der materiellen Welt ist im origeneischen System die direkte Reaktion Gottes, die auf den Abfall in der geistigen Sphäre, wo anstelle der ursprünglichen Einheit und Eintracht eine chaotische Vielheit eingetreten war, erfolgte. Um die völlige Auflösung der chaotisch gewordenen Vielheit zu verhindern, habe Gott vermöge seiner Providenz die gefallenen Wesen mittels gestufter Einkörperungen in die geordnete Vielfalt und Harmonie einer einzigen Welt zusammengefügt (Princ. 2,1,1f.; Koch 1932 [*2021: 42f.]). Gestützt auf Phil. 2,10 nimmt Origenes an, dass das gesamte Weltall drei durch fortschreitende Verdickung nach unten charakterisierte Räume körperlicher Existenzen umfasst. Im Bereich der ‘caelestia’ existieren die Engel und die Himmelskörper, im Bereich der ‘terrestria’ das Menschengeschlecht und die vernunftlosen, beseelten und unbeseelten Geschöpfe und im Bereich der ‘inferna’ die Dämonen und der Satan (Princ. 1,6,2f.). So eingebunden, hat die materielle Schöpfung einen positiven Wert. Sie ist für die gefallenen Wesen ein Ort der Züchtigung und der Strafe, wo sie ihre verdienten Peinigungen erlangen (Princ., 2,10,6; Hom. in Ier. 7,3; 8,1; Cels. 7,50), was Origenes’ platonischer Einstellung zufolge immer gut und heilsam ist; sie ist aber zugleich im göttlichen Heilsplan auch ein Ort der Läuterung und Erziehung, wo die Gefallenen Fortschritte zur Besserung machen können (Princ. 2,3,2; 3,5,4; Cels. 5,32). So gewiss die Leiblichkeit geistige Beschwernisse, Peinigungen und körperliche Leiden mit sich bringt, so ist sie in Origenes’ Sicht doch keineswegs böse oder schlecht. Das Böse – er bestimmt es als ἀνυπόστατον («ohne [eigene] Existenz»: Comm. in Ioh. 2,13,93; Koch 1932 [*2021: 99–112]) und als Ermangelung an Gutem (Princ. 2,9,2) – hat seinen Sitz im verkehrten, von Gott abgewandten Willen (Cels. 4,65f.; 6,53–56), nicht in der Materie, eine Annahme, die Origenes energisch abweist (Cels. 3,42; 4,66). Die Materialität ist mit Vielheit und Mannigfaltigkeit ver-
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bunden, aber überall in der sichtbaren Welt kann ein Abglanz des Ewigen, ein Zeichen auf ein jenseitiges Gut aufstrahlen, was als pädagogisch abgestimmte Stufe auf der Rückkehr zum geistigen Ursprung dienen kann (Comm. in Cant. 3,13,15ff.). Dementsprechend zeichnet Origenes Aufbau und Verfasstheit der sichtbaren Welt – im Unterschied zur negativen Sicht der häretischen Gnostiker – in den weltbejahenden Konturen der stoischen Philosophie. Die von Gott geschaffene Materie (Princ. 2,1,5; Comm. in Ioh. 13,42,280; Alexandre 1975 [*2100: 65–67]) liegt allem als eigenschaftsloses Substrat (ὑποκείμενον) zugrunde (Cels. 3,41; 4,56). Durch die von Anfang an eingegangene Verbindung der Materie mit den verschiedenen Eigenschaften – dem Warmen und Kalten, dem Trockenen und Feuchten – werden die vier Elemente geschaffen (Princ. 2,1,4; 4,4,6f.; Or. 27,8), und diese bilden ihrerseits in ihrer wechselseitigen Vermischung und durch Übergang untereinander dank der Einprägungen durch die intelligiblen Muster der Ideen die Vielheit der Körperwesen (Princ. 2,1,4; 4,4,6; Comm. in Ioh. 1,19,114f.; Cels. 4,57). Die ‘scala naturae’ ist rezipiert (Princ. 3,1,2f.; vgl. Benjamins 1994 [*2168: 60–71]). Sehr umfangreich, aber in charakteristischer Umakzentuierung gegenüber der Stoa ist der Gedanke der göttlichen Providenz ausgeführt, der einem kosmologischen Determinismus aus dem Wege geht (vgl. Benjamins 1994 [*2168: 138–165]). Wieder ähnlich wie die Stoa neigt Origenes dazu, die physischen Übel in der Welt zu bagatellisieren (Cels. 6,55f.; vgl. Chadwick 1966 [*2076: 89]). Die Astrologie bekämpft er (Comm. in Gen. fr. D 7,1 Metzler), die Gestirne sind Zeichen der göttlichen Weltregierung (Princ. 4,1,7; Comm. in Gen. D 7,15f. Metzler; Cels. 8,52; vgl. Plot. Enn. III 1 [3] 5f.); den Menschen muss es genügen, Gottes Willen aus dem Buch des Gesetzes zu kennen (Monaci Castagno 1987 [*2139: 130–149], Arfé 2009 [*2242]). So ist das Weltall ein «unermessliches Lebewesen», das von Gottes Kraft und Logos getragen und zusammengehalten und wie von einer Seele beseelt wird (Princ. 2,1,3. 9,6. 11,6). Es ist ein einziges Haus (Princ. 2,9,6) und ein Tempel Gottes (Cels. 7,44; zu weiteren Details siehe de Faye 1928 [*2018: III 79–110, 124ff.], zum Motiv des kosmischen Christus Lyons 1982 [*2119: 118–145]). Schließlich unterbreitet Origenes noch in gewohntem philosophischen Forschungshabitus einen Überblick, in wievielfacher Hinsicht das Wort κόσμος gebraucht wird. Er nennt sieben Bestimmungen, die er teils mit Beispielen aus dem biblisch-christlichen Wortschatz illustriert, teils auch nur distanzierend registriert (Princ. 2,3,6; vgl. Klostermann 1938 [*2062: 59]). Aufs Ganze gesehen gewinnt man freilich trotz gelegentlicher gegenteiliger Bekräftigungen (Princ. 1,1,6: mittelbare Gotteserkenntnis aus der Schönheit und Pracht seiner Werke) den Eindruck, dass bei Origenes der Drang der Entweltlichung so dominierend ausgeprägt ist, dass darüber der Sinn für die Schönheit und Ordnung der vorfindlichen Welt, anders als etwa bei Clemens, stark zurückgedrängt ist. In der Anthropologie vertritt Origenes im Grundsatz ein dreiteiliges Menschenbild, wonach der Mensch gemäß I. Thess. 5,23 aus Leib bzw. Fleisch (σῶμα, σάρξ), Seele (ψυχή) und Geist (πνεῦμα, νοῦς) besteht (Princ. 3,4,1; 4,2,4; Dial. 6,20–29; Comm. in Rm. 1,18 [21]; Crouzel 1985 [*2028: 123–130]), doch kennt er auch andere Konzepte. Verkürzt spricht er bisweilen nur von Leib und Seele (Princ. 1,1,6; Comm. in Mt. 13,9; Cels. 6,63). Ebenfalls aufgenommen ist die auf Platon zurückgehende
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paulinische Gegenüberstellung vom inneren und äußeren Menschen (II. Cor. 4,16, Rm. 7,22; Comm. in Rm. 5,8; Dial. 11,19f.; Comm. in Ioh. 32,10,111). Auch diskutiert er eine Theorie von zwei Seelen, wobei er die Entscheidung letztlich offen lässt (Princ. 3,4,2–5). Insgesamt muss man bei diesem dogmatischen Komplex mit inneren Spannungen und gewissen Unausgeglichenheiten rechnen (anders Crouzel 1985 [*2028: 124]: «une synthèse cohérente qui se retrouve pratiquement inchangée»). Was die gängigste Position bei Origenes betrifft, ist die höchste Instanz der Geist. Beide griechischen Begriffe πνεῦμα und νοῦς gehen in Origenes’ Sprachgebrauch ineinander über und können auch synonym verwendet werden, wovon noch die lateinischen Übersetzungen zeugen (Strutwolf 1993 [*2167: 242–248]). Dieses Pneuma ist nicht mit dem Heiligen Geist zu verwechseln (Dial. 6,26–31), es ist ein geschaffener Geist, der mit der Vernunft des Menschen identisch ist. Dieser anthropologische Geist ist ein Rest des präexistenten Vernunftwesens, weshalb er immateriell ist (Princ. 1,1,6). Auch im Zustand der Einkörperung besitzt der Mensch einen ‘oberen Teil’ der Vernunft; denn dieser ist nicht in jedem individuellen Fall vollständig hinabgestiegen, sondern einige Wesen vermochten – manche mehr, andere weniger, je nach Schwere der Verfehlung – einen Rest der früheren Kraft oben zu bewahren (Princ. 2,8,4; vgl. Plot. Enn. IV 8 [6] 8). In diesem Vernunft-Geist ist die Gottebenbildlichkeit angesiedelt, worauf sich im biblischen Schöpfungsbericht Gen. 1,26 beziehe; es ist die Auszeichnung, die es dem Menschen erlaubt, Gott zu erkennen, wie sie überhaupt jede höhere geistliche Erkenntnis ermöglicht und das moralische Gewissen einschließt. Für das Böse ist der Geist unempfindlich (Comm. in Ioh. 32,18,218). Die Seele andererseits ist im origeneischen Systementwurf die durch den Abfall verwandelte, abgekühlte Substanz der ehemaligen Vernunftwesen. Sie gilt in erster Linie entsprechend platonischer Vorgabe als die Ursache der Selbstbewegung, welche die Lebewesen generell von sich selbst haben (Princ. 1,7,3; 3,1,2; vgl. Plat. Phdr. 245c–e; Cels. 6,48). Origenes bestimmt sie weiter mit stoischen Begriffen als «eine Substanz mit Vorstellungsvermögen (φαντασία) und Strebevermögen (ὁρμή)» (Princ. 2,8,1–2; 3,1,2). Für gänzlich immateriell scheint er sie nicht gehalten zu haben; sie steht als ein Mittleres zwischen Geist und Körper (Princ. 2,8,4; 2,6,3; vgl. Kettler 1966 [*2079: 31 Anm. 116]), und ihr eignet, weil sie selbst mit einer gewissen materiellen Beimischung versehen ist, eine natürliche Ausrichtung auf die Körperwelt (Princ. 2,10,7; 2,8,2; Cels. 7,32; vgl. Strutwolf 1993 [*2167: 252f.]). Als eine gefallene Substanz ist sie selbstverständlich unvollkommen und zur höheren Erkenntnis unfähig. Aber sie ist dem Guten wie dem Bösen gleichermaßen zugänglich (Comm. in Ioh. 32,18,218), womit ihre wichtigste Bedeutung gegeben ist, nämlich dass sie der Sitz des Entscheidungsvermögens und der Wahlfreiheit ist. Die Seele kann sich der Führung des Pneuma anschließen, worauf sie sich ihm angleicht und ganz pneumatisch wird; sie kann sich aber auch dem Pneuma verschließen und sich dem Fleisch überlassen, so dass sie selbst fleischlich wird (Comm. in Rm. 1,18 [21]; Crouzel 1985 [*2028: 125]). Interessanterweise kennt Origenes auch die platonische Dreiteilung der Seele in das λογιστικόν («vernünftiger Seelenteil»), das θυμοειδές («muthafter Seelenteil») und das ἐπιθυμη τικόν («begehrender Seelenteil»). Während er in ‹De principiis› diese Theorie
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nicht gelten lassen will, weil die Bibel dafür keinen Beleg biete (Princ. 3,4,1), hat er sie später positiv aufgenommen (Hom. in Ez. 1,6). Auch den stoischen Terminus für den herrschenden Seelenteil, τὸ ἡγεμονικόν, benutzt er (Princ. 3,1,4; Or. 25,1). Schwierig ist es jedoch, die Rolle des λογιστικόν zu bestimmen. Origenes scheint diesen Seelenteil als vom höheren Vernunft-Pneuma unterschieden gedacht zu haben. In diesem Fall wäre die Leistung des λογιστικόν darin zu sehen, auf einer niederen Stufe unterhalb der spirituellen Erkenntnis sinnliche Eindrücke zu sammeln und zu beurteilen, rationale Argumente zu bilden oder enzyklopädische Studien zu betreiben sowie die von Natur aus angeborenen sittlichen Normen zu erkennen und Willensentscheidungen zu treffen (Princ. 3,1,3; Cels. 1,4f.). Die beiden genannten niederen Seelenteile, das θυμοειδές und das ἐπιθυμητικόν, zwischen denen Origenes keinen erkennbaren Unterschied macht, markieren in besonderer Weise den depravierten Status der gefallenen Wesen. Sie sind die Instanz, die Paulus mit φρόνημα τῆς σαρκός («das Sinnen des Fleisches») bezeichnet (Rm. 8,7 in Comm. in Ioh. 20,22,176; vgl. Comm. in Rm. 6,1. 12; Crouzel 1985 [*2028: 126]), wo Begierden und Leidenschaften wirken, wo die Sünde regiert und Feindschaft gegen Gott herrscht und wo die Angriffe der Dämonen ansetzen (Princ. 1,6,3; 2,2,2; 3,5,4; Hom. in Ios. 15,3; Comm. in Ioh. 10,32,204; 20,36,332; Cels. 5,5; 7,5). Diese Neigungen gehen der freiwilligen Wahl voraus und sind auch in denjenigen anwesend, die – wie die kleinen Kinder (dazu Princ. 1,3,6; Comm. in Mt. 13,16; Comm. in Rm. 3,6) – noch unfähig sind, eine Wahl zu treffen; trotzdem liegen sie nicht außerhalb der Verantwortlichkeit des Menschen, weil es seine Aufgabe ist, die Kontrolle über seine Zustimmung auch im verderbten Stand einzuüben und voll zu entwickeln (Orat. 6,2; Cels. 3,69; Comm. in Rm. 1,18 [21]; 5,1: laut Paulus wird die Sünde nicht angerechnet, wo noch keine Willensentscheidung vorliegt; Hauke 1993 [*2166: 387–393, 427–431], Bennett 2005 [*2218: 82–85]). So ist das irdische Dasein vergleichbar mit einem Kampfplatz, wo Dämonen und die Beistand leistenden Engel um den Menschen ringen, ohne dass seine Verantwortlichkeit ausgeschaltet würde (Comm. in Rm. 1,18 [21]). Was schließlich die körperliche Konstitution des Menschen betrifft, so kann Origenes die Begriffe σῶμα («Körper») und σάρξ («Fleisch») gleichbedeutend gebrauchen, aber in der Regel überwiegt bei σάρξ entsprechend dem paulinischen Sprachgebrauch die negative Konnotation (Crouzel 1985 [*2028: 126]). Es ist keine Frage, dass der Leib als solcher von Gott geschaffen und mithin gut ist (Comm. in Ioh. 13,42,280). Die Aussaat der präexistenten Seele wie auch des pneumatischen Samens in die neugeborenen Menschen geschieht durch die Engel (Comm. in Ioh. 13,50,326f., ausgeschlossen ist das kreatianische und das traduzianische Modell; vgl. die Fragestellung in Princ. 1 praef. 5; Chadwick 1967 [*2025: 190f.]). Der Leib erfüllt natürliche Funktionen, er ist das Werkzeug der Seele und kann sogar ein Hilfsmittel für den geistlichen Fortschritt sein, weil die Würde der Gottebenbildlichkeit auf ihn abstrahlen und ihn zum Tempel des Heiligen Geistes machen kann (vgl. Cels. 7,4). Aber das ändert grundsätzlich nichts daran, dass die leibliche Existenzweise Folge des vorzeitlichen Sündenfalls ist und alles unter das Vorzeichen des Verfallenseins und der Nichtigkeit gestellt ist (Comm. in Ioh. 19,22,149f.). Der Leib ist die «Nichtigkeit», der die Geschöpfe gemäß dem Apostel wegen der Sünde
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unterworfen sind (Rm. 8,20–21; Princ. 1,7,5; Hier. Ep. 124,4); er trägt die Merkmale der Verderbtheit an sich, wozu auch die Sexualität gehört (Hom. in Ier. 11,5; Hom. in Lev. 8,3; 12,4; Sfameni Gasparro 1984 [*2126: 193–252]). Fast ausschließlich gehen die Begierden und Leidenschaften oder anders gesagt, die Versuchungen zum Bösen, vom Körper aus. Als Verdunkelung, Abstumpfung und Verunreinigung des Geistigen übt der Leib eine negative Wirkung auf die Seele aus. Er ist zudem dem Tod verfallen, weil in ihm die Sünde wohnt, die den Tod verursacht (Comm. in Rm. 6,9). Anders als in der philosophischen Tradition bedeutet der Tod für Origenes wie für die christliche Tradition insgesamt keine Befreiung. Zwar gebraucht auch er die gängige griechische Definition des Todes als Trennung der Seele vom Leib (Comm. in Ioh. 13,23,140; Comm. in Mt. 13,9), aber seiner eigenen anthropologischen Sicht entspricht es eher, wenn er von der Trennung des Geistes von der Leib-Seele-Verbindung spricht, die in die Unterwelt hinabsteigt und dort bestraft wird (Comm. in Rm. 2,9 [7]). Origenes versteht diese Trennung als Zerreißung des Zusammengehörigen, was schon an sich eine qualvolle Strafe ist (Strutwolf 1993 [*2167: 264f. mit Anm. 337]). Einen wichtigen biblischen Beleg für sein Verständnis der leiblichen Konstitution des Menschen sieht Origenes abgesehen von den paulinischen Aussagen auch in Gen. 3,21. In seiner Frühzeit hat er offenbar mehreren anderen Deutungen gegenüber ein Verständnis bevorzugt, wonach die Fellkleider, die Gott den Stammeltern nach dem Sündenfall gab, auf den menschlichen Leib, in den Adam als Repräsentant der gesamten Menschheit nach dem Urfall inkorporiert wurde, zu beziehen seien (Comm. in Gen. fr. D 22 Metzler; Cels. 4,40; Beatrice 1985 [*2127], Bammel 1989 [*2147], Hauke 1993 [*2166: 376–380], Jacobsen 2008 [*2237: 223– 228]). Eine spätere Deutung bezieht den Vers auf die Sterblichkeit und Zerbrechlichkeit des Menschen, die er wegen des Falls angenommen hat (Hom. in Lev. 6,2,7; vgl. Martens 2014 [*2281: 73–79]). Deshalb beschreibt Origenes den Leib auch als Gewand, Grab oder Kerker (Princ. 1,1,5; 2,10,8; Hom. in Lc. 15,1; Cels. 8,54; vgl. Plat. Crat. 400b–c und Phd. 62b). Eine schwierige und umstrittene Frage, die hier nicht weiter verfolgt werden soll, betrifft Origenes’ Deutung von Gen. 2,7, der Erschaffung aus Erdenstaub, im Verhältnis zu Gen. 3,21, der Bekleidung mit Fellkleidern. Handelt es sich nach seinem Verständnis um zwei verschiedene Körperlichkeiten, in die Gott den gefallenen Menschen gekleidet hat, oder beschreiben beide Stellen denselben in sich differenzierten Schöpfungsakt? (vgl. Martens 2014 [*2281: 67f. mit Anm. 25]). Mehrfache Deutungen gibt Origenes auch dem von Gott eingehauchten Lebens odem (Gen. 2,7). Er kann für den natürlichen Lebenshauch (Comm. in Ioh. 13,23,140) oder für die Seele stehen (Princ. 2,8,1); er kann aber auch die Einsetzung des νοῦς in den materiellen Leib oder die Teilhabe am Heiligen Geist (Princ. 1,3,6; Cels. 4,37) bezeichnen. Mit besonderem Nachdruck geht Origenes der Thematik der Willensfreiheit nach, die in der Auseinandersetzung mit der gnostischen Naturenlehre und dem stoischen Determinismus «höchste Wichtigkeit» (Princ. 3,1,1) gewinnt; denn von ihr hängt für ihn die sittliche Weltordnung und letztlich der biblische Schöpfer-
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glaube ab (vgl. Fürst 2016 [*2283: 3–13]; zu den Umrissen einer «Metaphysik der Freiheit» Schockenhoff 1990 [*2152], Fürst 2014 [*2037: 533–550]). Dabei unterscheidet Origenes terminologisch zwischen der verwirkten Freiheit der ursprünglichen Geistwesen (ἐλευθερία bzw. «libertas»), die erst im Eschaton wiedererlangt werden kann, und der verbliebenen Fähigkeit, mit eigenem Willen und eigener Entscheidung sich selbst zu bestimmen (τὸ αὐτεξούσιον, τὸ ἐφ’ ἡμῖν bzw. «liberum arbitrium», «in nostra potestate»), welches Letztere auch, wie er konstatiert, in der kirchlichen Verkündigung festgelegt sei (Princ. 1 praef. 5). Einerseits muss also Origenes zeigen, «dass wir [d. h. die Menschen als vernunftbegabte Wesen] nicht der Notwendigkeit unterworfen sind, so dass wir unausweichlich auch gegen unseren Willen Böses oder Gutes zu tun gezwungen wären» (Princ. 1 praef. 5). Ausgehend von einer im Wesentlichen stoisch inspirierten Analyse der verschiedenen Bewegungsformen führt er die Leugnung der Willensfreiheit ad absurdum und kommt zum Resultat, dass das Eintreffen eines bestimmten Ereignisses nicht in unserer Macht liegt, dass aber die Entscheidung, das Ereignis so oder anders zu verarbeiten, allein Sache der Vernunft in uns ist (Princ. 3,1,1–5; Or. 6,1f.; van der Eijk 1988 [*2146]). Oder er argumentiert, dass unsere Entscheidungen zwar eingebettet sind in eine Kette von Ereignissen, die nicht gänzlich in unserer Hand liegen und teilweise unsere Entscheidungen bedingen – Origenes hat ein deutliches Gespür für physiologische und soziale Bedingtheiten –, dass unsere Entscheidungen aber dadurch nicht völlig determiniert sind, weil es immer Alternativen gibt, den vorangegangenen Ereignissen auch anders zu begegnen (Comm. in Gen. fr. D 7,8 Metzler; Princ. 3,1,5; Benjamins 1994 [*2168: 71–87, gegen astrologischen Fatalismus ebd.]). Andererseits muss Origenes zeigen, dass Gottes providentielle Lenkung des Weltgeschehens die Entscheidungsfreiheit des Menschen nicht aufhebt. Besonders virulent wird dieses Problem im Hinblick auf das Gebet, da dieses sinnlos wird, wenn Gott alles im Voraus kennt und bestimmt, und es unfromm ist, wenn man meine, Gott in seinem ewigen Ratschluss durch Bitten erweichen zu können (Or. 5,6; Benjamins 1994 [*2168: 99–121], Perrone 2011 [*2268: 108–116]). Origenes’ Antwort besteht darin, dass er eine Unterscheidung von Gottes Vorherwissen und Gottes Prädestination vornimmt. Gott legt nicht das Verhalten eines Menschen fest, sondern weiß im Voraus, dass gewisse zukünftige Ereignisse auf bestimmte Weise als Folge einer freien Handlung stattfinden werden, und von diesem Vorherwissen aus richtete er seinen Heilsplan so ein, dass er den zukünftigen Willensentscheidungen entspricht. Die Entscheidungsfreiheit ist also nicht nur nicht aufgehoben, sondern sie ist ein ursächlicher, wenn auch noch zukünftiger Faktor für den göttlichen Heilsplan, der alles zum Heil des Ganzen einbindet (Comm. in Gen. fr. D 7,8f Metzler; Or. 6,3ff.; Comm. in Rm. ap. Philoc. 25,2–3; Orat. 6,3; vgl. auch Cels. 2,20). Am nächsten scheint Origenes mit dieser Konzeption Alexander von Aphrodisias zu stehen (Alex. Aphr. Fat. 30–31; vgl. Benjamins 1994 [*2168: 92f., 96f.]; zu den philosophischen Quellen insgesamt vgl. Jackson 1966 [*2078: 16–21]). Indessen weiß er trotz seinem vehementen Plädoyer für die Freiheit natürlich auch, dass der Mensch allein ohne Hilfe der göttlichen Gnade nicht imstande ist, das Gute zu verwirk lichen (Princ. 3,1,24; Hauke 1993 [*2166: 344–348], Fürst 2014 [*2037: 545–548]).
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4.4. Die eschatologische Vollendung Das Heil des Menschen, ja, das Heil der gesamten vernunftbegabten Schöpfung (Princ. 1,6,3; Comm. in Ioh. 1,35,255) besteht in der Rückkehr zu Gott, ihrem Ursprung, wo alles seine endgültige Vollkommenheit findet. Der Grundgedanke der origeneischen Heilsauffassung besteht darin, dass der entscheidende Impetus, der diesen Umschwung des Weltendramas heraufführt, durch die Erscheinung des Logos-Christus in der Menschenwelt eingetreten ist, insofern alles in die freiwillige Umkehr zu Gott hineingerissen und Gott zu eigen gemacht wird (vgl. Cels. 7,17). Die Freiheit der geistigen Geschöpfe, namentlich der gefallenen Menschheit, sieht Origenes dabei durch den Gedanken der schrittweisen Akkommodation Gottes an die menschliche Fassungskraft und der inneren Verwandlung der Seele durch die Anwesenheit des Logos in ihr gewahrt. So wie der Logos «allen alles geworden ist, um alle zu gewinnen» (Princ. 4,4,4 mit I. Cor. 9,22), so tritt der Logos täglich in die Seelen der Gläubigen ein, um sie mehr und mehr von innen her mit seiner Gegenwart zu erfüllen (Comm. ser. 50 und 56 in Mt.; Hom. in Gen. 13,4; vgl. Chadwick 1966 [*2076: 77f.], Fürst, Hengstermann 2009 [*1866: 106–109]). Durch äußeres Entgegenkommen und innere Verwandlung arbeitet der Logos auf die freie Zustimmung der Menschen hin. Als Einübung der Vollkommenheit kann auch, wie Origenes nicht müde wird zu betonen, der kontemplative Aufschwung verstanden werden, wenn die Seele die Körperwelt unter sich lässt, sich von allen sinnlichen Regungen ablöst und zum Geistigen erhebt (Comm. in Ioh. 19,6,35–39; Cels. 6,68), um vom Logos berührt, in einer Erfahrung, in der Erkenntnis und Liebe geeint sind, sich zur reinen Schau Gottes in göttlicher Trunkenheit (Comm. in Ioh. 1,30,206, eine Reminiszenz an Philon; Fürst 2014 [*2037: 491]) auszustrecken (Hom. in Num. 27; Princ. 1,3,8; Or. 25,2; vgl. Daniélou 1948 [*2023: 287–301]). Auf diese Weise wird der Mensch durch Partizipation am göttlichen Leben mehr und mehr vergöttlicht. In solcher Perspektive sieht Origenes auch die platonische Zielformel der «Angleichung (ὁμοίωσις) an Gott soweit wie möglich» (Plat. Tht. 176b; Tim. 90d) in Verbindung mit der biblischen Aussage über die Erschaffung des Menschen, wo es heißt: «Gott sprach: lasset uns Menschen machen nach unserem Bild (κατ’ εἰκόνα) und uns ähnlich (καθ’ ὁμοίωσιν)» (Gen. 1,26; Princ. 3,6,1). Geschaffen ist der Mensch «nach unserem Bild» (κατ’ εἰκόνα), was Origenes zufolge bedeutet, er ist geschaffen gemäß dem Logos, der das eigentliche Bild Gottes ist (vgl. Col. 1,15: «Bild des unsichtbaren Gottes»), und zwar bei der ersten Schöpfung der intelligiblen Wesen (Princ. 1,2,6; Comm. in Ioh. 1,17,105; 2,3,20; Cels. 6,63; Jacobsen 2008 [*2237: 217]). Dass aber im biblischen Bericht bei der folgenden Ausführung der Erschaffung des Menschen (Gen. 1,27) «die Ähnlichkeit» (καθ’ ὁμοίωσιν) nicht genannt wird, zeigt für ihn, dass die Vollendung der Ähnlichkeit für das eschatologische Ende aufbewahrt ist (Princ. 3,6,1; Crouzel 1956 [*2066: 147–179, 217–245]). Zwischen der ersten Schöpfung und der eschatologischen Vollendung gibt es einen für den menschlichen Fortschritt offenen Raum. Der Mensch hat eine Würde, die es ihm ermöglicht, sich bis zur vollkommenen Ähnlichkeit mit Gott zu entwickeln (Princ. 1,5,2; vgl. Cels. 3,28).
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So wie die irdische Welt einen Anfang gehabt hat, so wird sie auch ein Ende haben und in ihrer materiellen Substanz vergehen (Princ. 1 praef. 7; 3,5,1f.). Origenes erwähnt in diesem Zusammenhang die stoische Lehre vom Weltenbrand (Cels. 5,15; 8,72), aber er weist energisch die Vorstellung von kosmischen Zyklen zurück, die besagt, dass notwendigerweise dieselben Ereignisse im selben Ablauf der Dinge stets wiederkehren werden (Cels. 4,57f.; 5,15. 20). Er rechnet jedoch für die Menschenseelen mit einem postmortalen Reinigungsprozeß, indem sie gleich nach ihrem physischen Tod an den ihnen gebührenden Ort im Hades bzw. der Gehenna temporär verwiesen und dem Läuterungsfeuer des Gewissens unterworfen werden (Princ. 2,10,4; 4,3,10; vgl. Strutwolf 1993 [*2167: 323–327]). In diesem Zusammenhang steht auch Origenes’ Erwartung der leiblichen Auferstehung und des Gerichts. Aber Gottes Erziehung, die nun nicht mehr in moralischer, sondern vorwiegend in intellektueller Hinsicht erfolgt, reicht noch weiter über sehr lange Zeiträume und über mehrere Stufen, über das Paradies, das Reich der Himmel und den überhimmlischen Ort hinaus (Princ. 2,11,6; 3,6,8; vgl. Strutwolf 1993 [*2167: 327–334]), bis schließlich die Endvollendung in der universalen Apokatastasis erreicht sein wird, da Christus die ihm Unterworfenen selbst dem Vater unterwirft, so dass Gott alles in allem sein wird (Princ. 1,6,3; 2,3,5; 3,5,6; 3,6,9 mit I. Cor. 15,27f., die Stelle wird in ‹De principiis› neunmal zitiert; vgl. weiter Or. 25,2; Comm. in Rm. 5,10; 6,5; Comm. in Ioh. 1,16,91; 20,7,47–48). Getreu der kirchlichen Glaubensüberlieferung vertrat Origenes mit Entschiedenheit die Auferstehung der Toten (Princ. 1 praef. 5), aber er meinte, man dürfte die Aussagen darüber in der Schrift und der Verkündigung nicht falsch verstehen, da es zwischen dem irdischen und dem auferstandenen Menschen sowohl Identität als auch Unterschiede gebe (Crouzel 1980 [*2114: 184]). Er kritisiert die unangemessenen Meinungen der Einfältigen, welche die Auferstehung für das einfache Wiederaufleben des fleischlichen Körpers halten (in diesem Fall würde ein Körper auferstehen, der wieder zum Tod bestimmt ist), ebenso wie die mancher Irrlehrer, welche die Auferstehung auf die Seele oder auf einen gespensterhaften Körper beziehen (Princ. 2,10,1–3; Cels. 5,19; Crouzel 1980 [*2114: 176–184]). Zur Entfaltung seines eigenen Verständnisses, vor allem in der Erläuterung von Ps. 1,5 (Nautin 1977 [*1993: 268–273, 296–300], Dorival 1987 [*2133], Prinzivalli 2002 [*2333: 90–104], sehr kurz auch in Princ. 2,10,3, sowie Cels. 5,15–24), benutzt er die stoische Unterscheidung zwischen Zugrundeliegendem (ὑποκείμενον) und individueller Eigenschaft (ἴδιον ποιόν); er unterscheidet das materielle Zugrundeliegende des Körpers, das nie dasselbe bleibt, von der körperlichen Form (εἶδος σωματικόν). Was auferstehen wird, kann nicht das materielle Zugrundeliegende sein; denn nach dem Tod zerstreuen sich die Elemente, aus denen der Körper zusammengesetzt ist, und kehren zum ursprünglichen Stoff zurück (Erde zu Erde, Wasser zu Wasser usw.), um andere Leiber zu formen. Was einem Körper immer er selbst zu bleiben erlaubt (z. B. mit denselben Narben), obwohl die Elemente, aus denen er besteht, sich durch Alter, Krankheiten und andere Umstände immer wandeln, ist eben die körperliche Form. Diese ist weder mit der äußeren Gestalt des Leibes identisch (ein Kind hat nicht dieselbe Gestalt des Erwachsenen, obwohl sie dieselbe Person bleiben) noch mit der unsterblichen Seele (Dial. 25,22–
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26,8), weil die körperliche Form sterblich ist. Die Auferstehung betrifft die Form des Einzelkörpers, welche die individuelle Verfassung eines jeden Menschen begründet; sie wird aber nicht in einem bestimmten irdischen Zustand, sondern in einem neuen Zustand der Herrlichkeit und Unverweslichkeit auferstehen (I. Cor. 15,43–44). Aufgrund von I. Cor. 15,36 spricht Origenes – indem er wieder stoische Begriffe benutzt – auch von einem Samen, der in sich so etwas wie eine Vorlage oder einen Code für das Gefüge des Individuums enthält, welche die genaue Zusammensetzung von Elementen ordnet, die zur Zeugung eines bestimmten Individuums notwendig sind (λόγος σπερματικός; vgl. Cels. 5,18. 23; Princ. 2,10,3 sowie Pamph. Apol. 130 und 134, wo von einer «ratio substantiae corporalis», «ratio quae in humano corpore est» die Rede ist; Crouzel 1980 [*2114: 246–257], Strutwolf 1993 [*2167: 312–318]). Die beiden Begriffe «körperliche Form» und «samenhaftes Prinzip» bezeichnen dieselbe Wirklichkeit. Ist somit die persönliche, individuelle Leiblichkeit des Auferstehungsleibes bei gewandelter materieller Konstitution in einer feinsten ätherischen oder lichthaften Substanz (Princ. 2,3,7; Comm. in Mt. 17,30) gesichert, stellt sich die schwierige und stark umstrittene Frage, ob nach Origenes’ Meinung dieser Leib ewigen Bestand haben wird oder nur ein Durchgangsstadium sein wird, bis er zuletzt in der Apokatastasis abgelegt wird und vollkommene Körperlosigkeit das Kennzeichen der Endvollendung der Geschöpfe sein wird (Princ. 1,6,4; 2,3,7; 3,6,9; 4,4,8). Tatsächlich lässt Origenes seine Erörterungen dazu unentschieden, er stellt es dem Leser anheim zu prüfen, was das Wahrscheinlichere ist (Princ. 2,3,7; 3,6,9). Aber Origenes’ Ausführungen werden zusätzlich durch die an diesem Punkt offensichtlich tendenziöse Übersetzung des Rufinus weiter verunklärt (Görgemanns, Karpp 21992 [*1895: 667 Anm. 24; 813 Anm. 66). Da im origeneischen Denken das Ende dem Anfang gleicht (Princ. 1,6,2), kehren in der Interpretation des eschatologischen Heilszieles die Forschungsdivergenzen hinsichtlich der Beschaffenheit der primären intelligiblen Schöpfung wieder (für eine Interpretation im Sinne der Bewahrung einer feinsten Körperlichkeit votieren Simonetti 1962 [*2073], Crouzel 1977 [*2108], 1978 [*2111: 181–187], 1980 [*2114: 261–265] und 1987 [*2132], Edwards 1992 [*2158] und 1995 [*2171]; eine Interpretation im Sinne einer endgültigen Körperlosigkeit verteten de Faye 1928 [*2018: III 73–78], Kettler 1969 [*2084: 285] und 1980 [*2116], Strutwolf 1993 [*2167: 310], Uthemann 1999 [*2192: 417– 418]; vgl. Rius-Camps 1973 [*2097] und 1976 [*2107]). Doch könnten gewisse Andeutungen dafür sprechen, dass Origenes eher letzterer Möglichkeit zuneigte (Hier. Ep. 124,5; Comm. in Mt. 16,5). Eine weitere in der Forschung umstrittene Frage betrifft die Möglichkeit der letztendlichen Errettung des Teufels. Schon zu Lebzeiten ist Origenes vorgeworfen worden, er lehre, dass auch der Teufel am Ende aller Zeiten gerettet werde (Nautin 1977 [*1993: 161–172]), aber er hat sich dazu nicht völlig eindeutig geäußert (vgl. Comm. in Ioh 28,8,64f.). Sicher ist ihm, dass Sünder grundsätzlich vom Himmelreich ausgeschlossen sind und dass jede Sünde bestraft wird, dass aber Strafen pädagogische bzw. therapeutische Bedeutung haben (Hom. in Ez. 1,3; Comm. in Mt. 17,24; Comm. ser. 69 in Mt.; Cels. 6,25) und Gottes Strenge Grenzen hat. Das lässt die Möglichkeit offen, dass auch der Teufel und die unrei-
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nen Geister nach langen beschwerlichen Wegen der Züchtigungen sich bekehren werden und dass die Strafen der Hölle nicht ewig sein werden (vgl. Hom. in Jos. 8,4; Prinzivalli 2002 [*2333: 68–69], Guly 2011 [*2262]). Auch vom Tod, dem letzten Feind, sagt ja Origenes, dass er am Ende in seiner Bosheit vernichtet und in der ursprünglichen Güte wiederhergestellt werden wird (Princ. 3,6,5; Monaci Castagno 1987 [*2139: 243–244], anders Crouzel 1987 [*2132: 287], Bostock 2011 [*2259: 116–117]). So ist es nicht abwegig, in Origenes einen prominenten Vertreter der Idee der Allversöhnung zu sehen (Guly 2011 [*2262]). Dass indessen nach der Apokatastasis mit einem erneuten Abfall der erlösten, wieder durch Freiheit ausgezeichneten Geistwesen zu rechnen sei, ist eine missgünstige Unterstellung, der Origenes schon selbst widersprochen hat (Comm. in Ioh. 10,42,292ff.). Die Erlösten werden in der endgültigen Seligkeit verharren, ohne erneut Überdruss und Nachlässigkeit zu erleben. Sie werden zwar keine Verwandlung ihrer Natur erfahren, aber die Liebe wird so stark sein wie das Sein selbst (Princ. 2,6,5; Comm. in Rm. 5,10), so dass eine Abkehr von Gott nicht mehr möglich ist (Princ. 1,3,8; 3,6,1. 6; Hom. in 1 Reg. 1,4; Comm. in Ioh. 20,14,110; 39,367. 375; Comm. in Rm. 1,1; 5,5; 6,15; fr. 1 Staab; Crouzel 1987 [*2132: 285– 286], Roukema 1999 [*2191], Fürst 2000 [*2195: 330]). 4. NACHWIRKUNG
Origenes’ Denken hat vermittelt durch die großen Theologen und Exegeten des 4. Jahrhunderts – die Kappadokier, Didymos den Blinden, Euagrios Pontikos, Athanasios, Ambrosius, Hieronymus – die christliche Theologie der folgenden Jahrhunderte tief beeinflusst. Gleichzeitig wurde er als Häretiker verurteilt und sein Werk vernichtet. Trotz der Anfechtungen, die seine exegetische Methode hervorrief, fanden im Allgemeinen seine Bibeldeutungen und seine geistlichen Werke eine breite Aufnahme, während seine kühnen theologischen Spekulationen heftigen Widerstand erregt haben. Die Streitigkeiten begannen schon zu Origenes’ Lebzeiten. Obwohl Eusebios nichts darüber berichtet, darf man annehmen, dass Origenes’ Konflikt mit Demetrios auch theologische Gründe hatte. Zudem wurde sein Vermächtnis in Alexandrien von einigen seiner Nachfolger an der katechetischen Schule, wenn auch nicht auf der vollen Höhe des Niveaus, bewahrt, von Dionysios (gest. 264/65), dem späteren Bischof von Alexandrien (Bienert 1978 [*2299]), von Theognostos und Pierios (beide gest. nach 309), später besonders von Didymos dem Blinden (gest. 398). In Caesarea wirkten an der Wende zum 4. Jahrhundert zwei große Verteidiger von Origenes, der Priester Pamphilos (gest. 310) und der Bischof Eusebios (ca. 260–339/40; Prinzivalli 2002 [*2333], Monaci Castagno 2004 [*1994]). Während seiner Gefangenschaft in der Christenverfolgung unter Maximinus Daia schrieb Pamphilos, Schüler des Pierios, unter Mithilfe von Eusebios eine Apologie für Origenes, in der er in fünf Büchern (ein sechstes wurde nach Pamphilos’ Tod von Eusebios hinzugefügt) gegen Einwände, die gegen Origines’ Lehre erhoben wurden, Auszüge aus Origenes’ Werken zusammenstellte, die seine Rechtgläubigkeit bezeugen sollten (Junod 2004 [*2338]).
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Auch in asketischen Kreisen Ägyptens fanden Origenes’ Lehren am Anfang des 4. Jahrhunderts Aufnahme, wie der Fall von Hierakas bezeugt, der – nach Epiphanios (Haer. 67) – eine gesteigerte Form vom origeneischen Allegorismus und Spiritualismus vertreten hat. Zwischen Ende des 3. und Anfang des 4. Jahrhunderts nahm Methodios von Olympos (gest. ca. 311) kritisch zu Origenes’ Protologie und Eschatologie Stellung. Eustathios von Antiochien (280/288 – nach 337) schrieb gegen die origeneische Auslegungsmethode der Bibel (Young 1989 [*2316: 193ff.], Trigg 1995 [*2320]). Die Kritik an der allegorischen Exegese wurde später von den Vertretern der antiochenischen Schule, Diodor von Tarsos (gest. vor 394) und Theodor von Mopsuestia (ca. 350–428), weiterentwickelt (Neuschäfer 1987 [*2140: 13–14]). Vielleicht durch den Einfluß von Gregor dem Wundertäter und Firmilian von Kaisareia (Eus. Hist. eccl. 6,27), verbreitete sich die Kenntnis von Origenes’ Theologie auch in Kappadokien, wo man im Lauf des 4. Jahrhunderts bei Basileios, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa eine schöpferische Aneignung von origeneischen Themen und Methoden festellen kann (Uthemann 1999 [*2192: 429–449], Simonetti 2002 [*2334]). Die von Pamphilos angewandte Methode, direkt mit Texten von Origenes auf gegnerische Einwände zu reagieren, haben auch die Kappadokier Basileios und Gregor von Nazianz, die mutmaßlichen Urheber der berühmten origeneischen Anthologie, der ‹Philokalia›, befolgt (Junod 1972 [*1965]). Die Themen, auf die sich im Lauf des 4. Jahrhunderts die Auseinandersetzungen um Origenes konzentrierten, sind seine Auslegungsmethode der Bibel, die Lehre von der Präexistenz und die Eschatologie (Bekehrung des Teufels und Auferstehung). Die Lehre der Allversöhnung erweckte besonders in asketischen Kreisen heftigen Widerstand (Hier. Ep. 84,7; Adv. Rufin. 2,12; Clark 1987 [*2311]). Später kamen auch Streitigkeiten über seine Trinitätslehre und Christologie hinzu. Obwohl noch Athanasios und Didymos der Blinde seine Lehre im Sinn der nizänischen Orthodoxie deuteten, verschärften sich die Meinungsverschiedenheiten nach der arianischen Krise (Hanson 1987 [*2312]) und nahmen am Ende des 4. Jahrhunderts während des sogenannten ‘ersten origenistischen Streites’ in asketischen und monastischen Kreisen an Heftigkeit zu (Clark 1992 [*2318]). Maßgeblichen Anteil an der Entstehung des Streites hatte Epiphanios von Salamis (310/320–403), der in seinem Häresienkatalog, dem ‹Panarion› (374–377), in einem umfangreichen Kapitel (Haer. 64,1–72) Origenes der Häresie bezichtigte (Dechow 1988 [*2314], Bienert 1997 [*2321], Lyman 1997 [*2322]). Schließlich ließ Theophilos, der Patriarch von Alexandrien (385–412), zwischen 400 und 404 Origenes wiederholt verurteilen. Obwohl sich der Streit hauptsächlich in Ägypten und Palästina abspielte, fand er dank der direkten Beteiligung von lateinischen Schriftstellern – Hieronymus, Rufinus, später auch Pelagius – ebenfalls in der lateinischen Theologie Widerhall (Prinzivalli 2006 [*2343]). Einige abendländische Theologen hatten schon während der trinitarischen Streitigkeiten des 4. Jahrhunderts das Werk von Origenes kennen gelernt (vgl. Hilarius von Poitiers, Ambrosius; über eine frühere Rezeption bei Victorinus von Pettau siehe Esterson 2011 [*2348]), aber erst durch die Übersetzungen von Rufinus und Hieronymus wurden die Kenntnis und die Tradierung
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eines großen Teils des origeneischen Werkes im lateinischen Sprachraum gesichert. So konnte beispielsweise Augustin, der manchmal Origenes in seinen Schriften nennt (vgl. Civ. 11,23; 21,17. 23), über ihn schreiben, dass «fast alle ihn kennen» (Haer. 42; La Bonnardière 1974 [*2297], Grossi 2006 [*2342], Fürst 2011 [*2349]). In den letzten Jahren des Jahrhunderts kam es jedoch zu heftigen Streitigkeiten zwischen Hieronymus und Rufinus, dem Ankläger und dem Verteidiger von Origenes’ Rechtgläubigkeit. Hieronymus (ca. 345–410) hat einerseits Origenes in seinen exegetischen Werken nachgeahmt, andererseits hat er die Übersetzungen von Rufinus, seinem früheren Freund, scharf attakiert, weil sie Origenes’ Irrlehren vertuschten, und mit eigenen Übersetzungen wollte er den Beweis dafür liefern. Der Streit zog sich noch länger hin, ohne Origenes’ Namen schon zu kompromittieren. Immerhin hat Hieronymus mit seinen Übersetzungen und polemischen brieflichen Informationen (vgl. Hier. Ep. 85,4) einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis von Origenes und zu seinem Einfluss in der abendländischen Theologie geleistet (McGinn 2001 [*2331], Prinzivalli 2006 [*2343]). Doch andererseits hat er eine dauerhafte Scheidung innerhalb des origeneischen Werkes eingeleitet. Dass Hieronymus sich mit seinen Thesen auf die längere Sicht durchsetzen konnte, bedeutete, dass man die Exegese – die man im wesentlichen für annehmbar hielt und die einen tiefen Einfluß bis zum Mittelalter ausgeübt hat (de Lubac 1959 [*2292: I 1,198–304]) – klar trennte von Origenes’ Theologie, die man allgemein als ketzerisch verurteilte. Sie wurde am Ende des 5. bzw. Anfang des 6.Jahrhunderts vom sogenannten ‹Decretum Gelasianum› bekräftigt, das nur diejenige Schriften von Origenes für annehmbar erklärt, die Hieronymus nicht verstoßen hatte (Decr. Gelas. 4,5). Ein bedeutendes und strittiges Kapitel in der Geschichte von Origenes’ Nachwirkung stellt das theologische und asketische Werk des Euagrios Pontikos (ca. 345– 399) dar, dessen Schriften ab dem 5. Jahrhundert ins Syrische übersetzt wurden und auf die östlichen monastischen Kreise einen tiefgreifenden Einfluss ausübten (Guillaumont 1962 [*2293], Bunge 1986 [*2309], Uthemann 1999 [*2192: 420–429]). Auch der sogenannte ‘zweite origenistische Streit’ am Anfang des 6. Jahrhunderts begann im monastischen Milieu und endete mit der Verurteilung nicht nur von Origenes, sondern auch von Euagrios und Didymos dem Blinden. Um 512 fand im Gebiet von Jerusalem ein heftiger Kampf zwischen ‘orthodoxen’ und origenistischen Mönchen statt. Der kaiserliche Hof wurde in diesen Kampf einbezogen, und im Jahr 543 veröffentlichte Kaiser Justinian einen Erlass (‹Epistula ad Menam›), der in neun (oder zehn) Anathematismen einige Lehren aus ‹De principiis› verurteilte (vgl. Görgemanns, Karpp 21992 [*1895: 822–825]). Diese Verurteilung wurde auch vom Papst Vigilius (537–555) bestätigt. Im Jahr 553 ließ Justinian noch einmal kurz vor der Eröffnung des fünften ökumenischen Konzils 15 Sätze verurteilen (vgl. Görgemanns, Karpp 21992 [*1895: 824–831]), die, ohne Origenes direkt zu erwähnen, Lehren enthielten, die ihm zugeschrieben wurden (Diekamp 1899 [*2289], Vogt 1999 [*2193: 241–263]). Das eigentliche Merkmal dieser Zeit war die dogmatische Verhärtung. Man schrieb Origenes ohne Weiteres als feststehende Lehren zu, was er als Hypothesen oder als Forschungsversuche vorgelegt hatte; außerdem wurden seine Werke
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im Licht von Fragestellungen interpretiert, die sich erst nach Nikaia gestellt hatten, und oft wurden ihm Meinungen unterstellt, die spätere Weiterentwicklungen seiner Gedanken waren. Die Verurteilungen von 543 und 553 bestimmten das theologische Schicksal des Origenes, der von da an als ‘Ausbund der Blasphemie’ (Phot. Bibl. cod. 8, 3b) betrachtet wurde. So erklärt sich auch der Verlust des griechischen Textes vieler seiner Schriften. Trotzdem blieb sein theologischer Einfluss stark, obwohl er fast nur auf indirekte Weise erfolgen konnte. Eine bessere Anerkennung fanden hingegen seine exegetischen und apologetischen Werke, die vor allem durch Katenen und durch Auszüge aus ‹Contra Celsum› verbreitet wurden. Die lateinischen Übersetzungen von Hieronymus und Rufinus sicherten die Kenntnis der theologischen und exegetischen Schriften von Origenes auch im mittelalterlichen Abendland, vor allem im Rahmen der monastischen Theologie der karolingischen Renaissance (Pascasius Radbertus und Rabanus Maurus; Lies 1979 [*2300]) und unter den Viktorinern und Zisterziensern im 12. Jahrhundert. Einen tiefen Einfluss übte beispielsweise Origenes’ Lehre auf die Protologie und Eschatologie aus, die Johannes Scottus Eriugena (ca. 810–877) in seinem ‹Periphyseon› darlegte. Außerdem wurde die origeneische Auslegung des ‹Hoheliedes› von den Viktorinern, Wilhelm von St. Thierry (ca. 1080/1085–1148) und von Bernhard von Clairvaux (1090–1153) reichlich benutzt (Leclercq 1951 [*2291], Evans 1985 [*2305], Scheck 2004 [*2339]). Der scholastischen Theologie hingegen blieben der Geist und die Methode des Origenes grundsätzlich fremd (vgl. aber Bendinelli 2006 [*2341] und 2009 [*2345]). Erst mit der platonischen Renaissance des 15. Jahrhunderts fand Origenes bei Schriftstellern wie Bessarion (ca. 1403–1472), Marsilio Ficino (1433–1499), Pico della Mirandola (1463–1494) erneute Beachtung (Schär 1979 [*2301]). Pico erklärte sogar ausdrücklich, dass Origenes rechtgläubig war und wahrscheinlich von Gott errettet worden ist (Crouzel 1965 [*2295] und 1977 [*2298], Fürst 2012 [*2352: 11–16]). Während des 16. Jahrhunderts wurden Origenes’ Werke, vor allem seine exegetischen Schriften, zunehmend gedruckt und veröffentlicht (Fürst 2012 [*2352: 24–26], ferner Redepenning 1846 [*2017: II 472–476]). Die erste mehr oder weniger vollständige Ausgabe von Origenes’ Werken der Neuzeit wurde von Jacques Merlin in Paris veröffentlicht (1512). Diese Ausgabe benutzten Erasmus von Rotterdam (1469–1536), Konrad Peutinger und Huldrych Zwingli (1484–1531). Erasmus war der erste neuzeitliche Schriftsteller, der nicht vorwiegend die exege tischen Werke, sondern auch den von Origenes in der spekulativen Theologie geleisteten Beitrag uneingeschränkt bewunderte und sich aneignete, wie seine Abhandlung ‹De libero arbitrio› (1524) klar bezeugt. Im Jahr 1537 wurde die von ihm besorgte Ausgabe von Origenes’ Werken (im Wesentlichen ein durchgesehener Neudruck der Ausgabe von Merlin) postum veröffentlicht. Wie schon in der alten Kirche hat Origenes’ Werk auch in der Zeit der Reformation und in den nachfolgenden Jahrhunderten die Auslegung der Bibel (man denke an die Bedeutung der Exegese des Römerbriefs) und die Theologie beeinflusst, ist aber auch Gegenstand von Streitigkeiten gewesen, die oft ihren Grund weniger in den Ideen des Alexandriners als in den aktuellen zeitgenössischen Fragestellungen
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hatten (Lies 1985 [*2306], Neuschäfer 1987 [*2140: 16–17]). Man sieht dies zum Beispiel an der Auseinandersetzung zwischen Erasmus und Luther über die Willensfreiheit (Godin 1982 [*2302], Pani 2009 [*2346], Hengstermann 2012 [*2354], Walter 2012 [*2357]) und später daran, wie Origenes’ Gedanken über die Willensfreiheit in der konfessionellen Polemik zwischen Katholiken und Protestanten und im Streit um den Jansenismus benutzt wurden (Lettieri 2000 [*2327: 79–89]). Vor allem ab dem 17. Jahrhundert kann man bei katholischen Theologen Versuche finden, die Theologie von Origenes zu rehabilitieren (vgl. die Werke von den Jesuiten E. Binet ‹Du salut d’Origène› [1629] und P. Halloix ‹Origenes defensus› [1648]; vgl. Falla 1983 [*2304]). Damals begann auch eine intensive kritische Arbeit an der griechischen Ausgabe der Schriften, Fragmente und Zeugnisse von Origenes und ein Bemühen um die wissenschaftliche Wiederherstellung seines Denkens. Allmählich setzte sich eine historisch-kritische Haltung durch, die sich von dogmatischen Vorurteilen nicht beeinflussen ließ (Neuschäfer 1987 [*2140: 17–25]). Die bedeutendsten Ergebnisse dieses im modernen Sinn wissenschaftlichen Ansatzes sind die ‹Origeniana› von Pierre-Daniel Huet (1630–1721; siehe Huet 1668 [*2016], Rapetti 1999 [*2326]) und die Ausgaben der französischen Maurinern: Bernard de Montfaucon (1655–1741) besorgte eine Sammlung der Fragmente der ‹Hexapla›, während die anderen Werke des Origenes von Charles de La Rue (1685– 1740) und nach seinem Tod von seinem Neffen Charles Vincent de La Rue (1707– 1762) veröffentlicht wurden. Man schätzte nun Origenes vor allem unter historischen Gesichtspunkten als einen der bedeutendsten Zeugen der Lehrentwicklung der alten Kirche. Einen Höhepunkt dieser Sicht kann man im Werk von Adolf von Harnack (1851–1930) erkennen, der in Origenes’ Denken das klarste, aber auch fragwürdigste Beispiel der Hellenisierung des frühen Christentums sah. Es gab auch Denker, die außerhalb der kirchlichen Grenzen und in nicht theologischen Zusammenhängen eine gewisse Nähe, wenn nicht eine direkte Abhängigkeit von origeneischen Gedanken aufwiesen. Im Allgemeinen richtete sich das Interesse auf den systematischen Theologen und Platoniker. Origenische Themen findet man in den Werken von Giordano Bruno (1548–1600) und Tommaso Campanella (1568–1639). Die sogenannten ‘Platoniker von Cambridge’ (z. B. J. Smith und R. Cudworth) schätzten die vernunftgemäße Synthese von Christentum und platonischer Philosophie (Hedley 2012 [*2353]). Origenes’ Ideen über die Verfassung der Welt, die Anthropologie, die Willensfreiheit sowie seine pädagogische Erklärung des kosmischen und geschichtlichen Ablaufes findet man in unterschiedlicher Ausprägung bei Autoren wie Gottfried Wilhelm Leibniz, Gottfried Ephraim Lessing, Friedrich Schleiermacher oder John Henry Newman wieder (Lettieri 2003 [*2337]). Auch der russische Religionsphilosoph Vladimir Sergejevitsch Solovjov ist in seinem Weltverständnis stark von Origenes geprägt. Eine umfassende Bewertung des origeneischen Einflusses auf die neueste Theologie ist ein Desiderat (Müller 1964 [*2294], Neuschäfer 1987 [*2140: 26–30]). Vor allem in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhren sein Werk und seine Nachwirkung dank des Nachlassens dogmatischer Vorurteile eine umfangreiche kritische Aufarbeitung unter geschichtlichen und philologischen Gesichtspunkten (J. Daniélou, H. de Lubac, H. Crouzel; Fédou 2003 [*2336]). Sie er-
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zielte eine ausgewogenere Bewertung des origeneischen Denkens und des kirchlichen Hintergrundes seiner Theologie. Aber auch auf systematischer Ebene kann man bei einigen Theologen des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel bei Ernst Troeltsch (1865–1923), Paul Tillich (1886–1965), Karl Barth (1886–1968) und Hans Urs von Balthasar (1905–1988), eine fruchtbare Aneignung von typisch origeneischen Themen feststellen (van Laak 1990 [*2317], Franco 2005 [*2340]; für die Ausstrahlung von origeneischen Themen auch außerhalb der Grenzen der akademischen Theologie siehe Rizzi 2012 [*2356]).
§ 100. Gregor Thaumaturgos Marco Zambon
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Gregor der Wundertäter (geb. um 210/213) war Bischof von Neokaisareia, der Metropole des Pontus, wo er eine intensive Missionstätigkeit ausübte. Die älteste Biographie des Thaumaturgos verdanken wir Gregor von Nyssa (CPG 3184; van Dam 1982 [*2436]). Basileios von Kaisareia (Ep. 204,6) erwähnt, dass er von seiner Großmutter Makrina, die aus Neokaisareia stammte, die Lehren des Thaumaturgos gehört habe, und nennt (Ep. 210,5) eine verloren gegangene ‹Disputation mit Gelian› (oder Älian). Außer der Biographie des Gregor von Nyssa und einer Notiz des Hieronymus (Vir. ill. 65) wurden dem Wundertäter mehrere alte Biographien gewidmet, die aber einen geringen oder gar keinen geschichtlichen Wert haben. Das Bild, das man sich von Gregors Leben und Lehre machen kann, hängt stark vom Wert ab, den man einer Nachricht des Eusebios von Caesarea (Hist. eccl. 6,30; 7,14) zubilligt, die für die gesamte nachfolgende Tradition maßgeblich geworden ist. Nach Eusebios waren der Wundertäter und der Verfasser einer Origenes gewidmeten ‹Dankrede› sowie der Gregor, an den Origenes einen in der ‹Philokalie› (Kap. 13) überlieferten Ermahnungsbrief richtete, und der Bischof Theodoros, der an einer antiochenischen Synode gegen Paul von Samosata teilnahm (Eus. Hist. eccl. 7,28,1; 7,30,2), ein und dieselbe Person. Nautin 1977 [*2473: 81–86, 155–161] hat diese Identifizierungen in Frage gestellt: Der Schüler von Origenes, der die ‹Dankrede› verfasste, nenne nämlich seinen Namen nicht und Eusebios kenne ihn unter dem Namen Theodoros (Hist.
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eccl. 6,30). Zwar sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass er auch den Namen Gregor trug (vielleicht als Taufnamen?), aber Gregor von Nyssa weiß im ‹Leben des Thaumaturgos› nichts von einem Doppelnamen, er erwähnt nicht einmal die ‹Dankrede›. Auch der andere Origenes-Schüler namens Gregor, der Empfänger jenes Ermahnungsbriefes, sei schwer mit dem Theodoros der ‹Dankrede› zu identifizieren, und jedenfalls sage die ‹Philokalie› nicht, daß Origenes’ Adressat der Verfasser der ‹Dankrede› war. Eusebios hätte den Wundertäter, den er persönlich noch kennengelernt hatte (Hist. eccl. 6,30), mit dem Gregor des origeneischen Briefes aufgrund ihrer Namensgleichheit identifiziert und diese mit dem Theodoros, dem Verfasser der ‹Dankrede›, aufgrund interner Indizien ihrer schriftlichen Zeugnisse gleichgesetzt. Und in diesem Theodoros habe er den später «unter den Bischöfen wohlbekannten Gregor» (Hist. eccl. 6,30) erkannt. Die von Nautin geäußerten Vorbehalte haben mehrere Reaktionen hervorgerufen. Teils sind sie unter gewissen Einschränkungen generell akzeptiert worden (Simonetti 1988 [*2484], der es aber für möglich hält, dass Eusebios aus anderen Quellen wusste, dass der Wundertäter tatsächlich Schüler von Origenes war), teils wurde die traditionelle Identifizierung entschieden verteidigt (Crouzel 1979 [*2477], Celia 2016 [*2441]). Auch die neuesten Herausgeber der ‹Dankrede› (Guyot, Klein 1996 [*2389: 45–63], Slusser 1998 [*2367: 16–21]) haben der Argumentation von Crouzel zugunsten der Identität der strittigen Persönlichkeit zugestimmt, während Rizzi 2002 [*2390: 82] die Entscheidung in der Schwebe lässt, obwohl er gegenüber der traditionellen Zuweisung der Autorschaft sehr starke Zweifel hegt. Um 243 wurde Gregor der Wundertäter Bischof seiner Heimatstadt; dass er während der Verfolgung unter Decius (250/51) mit einem Teil der christlichen Gemeinde von Neokaisareia ins Gebirge floh, berichtet Gregor von Nyssa (Vit. Greg. Thaum. p. 47,20ff. Heil). Nachdem wenige Zeit später (253/54) in Pontus und Bithynien die Goten und Boranen eingefallen waren und die Standfestigkeit mancher Christen ins Wanken gebracht hatten, verfasste er nach deren Abzug einen kanonischen Brief zur seelsorgerlichen Betreuung und zur Stärkung der Kirchendisziplin. Kurz vor seinem Tod hat er laut Eusebios (Hist. eccl. 7,28,1) zusammen mit seinem Bruder an einer Synode teilgenommen, die über den antiorigenistischen Monarchianer Paul von Samosata das Urteil sprach. Unter Kaiser Aurelian (270/275) ist er der ‹Suda› (I,543,5f. Adler) zufolge gestorben. 2. WERKE
1. Gregor eindeutig zugeschriebene Werke. – 2. Zweifelhafte Werke.
Die Sammlung der dem Wundertäter zugeschriebenen Schriften umfasst ungefähr dreißig Werke: eine Rede, Abhandlungen, Predigten, Katenenfragmente auf Griechisch, Syrisch, Koptisch,
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Armenisch, Georgisch, Altslavisch, Arabisch und Äthiopisch. Die meisten dieser Schriften sind von der Forschung seit langer Zeit als ‘spuria’ erkannt. Nach den Einwänden, die Abramowski 1976
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[*2472] und Nautin 1977 [*2473] gegen die herkömmliche Zuschreibung auch der ‹Dankrede› und des ‹Glaubensbekenntnisses› erhoben haben,
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ist fast das gesamte Werk, das unter dem Namen des Wundertäters überliefert ist, infrage gestellt (jetzt grundlegend Celia im Druck [*2447]).
1. Gregor eindeutig zugeschriebene Werke ‹Epistula canonica› Ἐπιστολὴ κανονική – ‹Kanonischer Brief› (Ep. can.; CPG 1765) Der sogenannte ‹Kanonische Brief› besteht heute aus elf Kanones (der elfte wurde indes später hinzugefügt) und versucht, die Schwierigkeiten zu lösen, die nach den Raubzügen der Goten und Boranen in Pontus und Bithynien entstanden waren. Gregor gibt einem unbekannten Mitbischof Ratschläge und Hinweise zur Behandlung von kirchendisziplinarischen Fragen: Wie man sich verhalten soll gegenüber Frauen, die von den Feinden vergewaltigt worden sind, gegenüber denjenigen, die irgendwie die Raubzüge der Barbaren ausnutzen, um sich zu bereichern, oder die sich den Ausplünderungen angeschlossen haben. Er verlangt, dass man die kirchliche Sittenlehre einhält, erweist sich aber zugleich als besonnener und milder Mensch gegenüber ehrlich Bereuenden.
‹Metaphrasis in ‘Ecclesiasten’› Μετάφρασις εἰς τὸν Ἐκκλησιαστὴν τοῦ Σολομῶντος – ‹Metaphrase zu Salomons ‘Predigerbuch’› (Eccl.; CPG 1766) Die ‹Metaphrase zum ‘Predigerbuch’› (in mehreren Handschriften unter dem Namen Gregors von Nazianz überliefert: PG 36, 669) ist das in den alten Quellen am besten bezeugte Werk des Wundertäters (Slusser 1998 [*2367: 22]). Es gibt in klassischer griechischer Sprache den Inhalt des biblischen Buches wieder, um diesem Text eine schönere und verständlichere sprachliche Form zu geben. Der Zweck dieser Umschreibung ist verschieden gedeutet worden. Vinel 1987 [*2483] sieht in dieser Schrift eine erste elementare Einleitung in die Exegese des ‹Predigerbuches›. Nach Jarick 1990 [*2373: 311, 315–316] war es ihr Ziel, den biblischen Text dem Geschmack einer gebildeten Elite anzupassen, die sich nach dem Vorbild der attischen Kunstprosa richtete, wie es im kulturellen Rahmen der Zweiten Sophistik üblich war. Slusser 1998 [*2367: 23] meint, sie sei eher ein Protreptikos zum philosophischen Leben.
2. Zweifelhafte Werke Zwei weitere Schriften sind, wie oben gezeigt, in jüngster Zeit in Frage gestellt worden, obwohl eine starke Tradition sie dem Wundertäter zuspricht:
‹In Origenem oratio panegyrica› Εἰς Ὠριγένη προσφωνητικός – ‹[Dank-] Rede auf Origenes› (Pan. Or.; CPG 1753) Die um das Jahr 238 vorgetragene ‹[Dank-] Rede auf Origenes› hat unter den umstrittenen Werken am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nach einem Vorwort (1–39), in dem er sich unfähig erklärt, seinem Lehrer das gebührende Lob auszusprechen, beschreibt der Verfasser seine erste Begegnung mit Origenes und die Liebe zur Philosophie, die dieser in ihm erweckte (40–92). Der umfangreichste Teil der Schrift schildert Ori-
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genes’ Lehrprogramm (93–183). Die ‹Dankrede› endet mit einem Abschied (184–207), in dem der Verfasser sein Bedauern darüber ausspricht, die Schule verlassen zu müssen, die dank der Freundschaft des Origenes, der Reinheit seiner Lebensweise und der Betrachtung göttlicher Mysterien für ihn zu einem Bild des Paradieses geworden ist. Die herkömmliche Meinung, die vor allem von Eusebios’ ‹Kirchengeschichte› (6,18,2–3) abhängt, erkennt in dieser Schrift ein Zeugnis für Origenes’ Schultätigkeit in Caesarea und für die harmonische Synthese, die er zwischen hellenischer Philosophie und christlicher Theologie gegeben sah (nähere Dispositionsangaben bei Guyot, Klein 1996 [*2389: 16f.]). Nautin 1977 [*2473: 183–197] stellte nicht nur die Zuschreibung der ‹Dankrede› an den Wundertäter in Frage, sondern auch die Überzeugung,
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dass der in ihr beschriebene Bildungsgang an Origenes’ Schule üblich gewesen war: Origenes sei Katechet gewesen und habe hauptsächlich Schriftauslegung und Glaubenslehre betrieben. Man dürfe annehmen, dass die ‹Dankrede› in einer sehr idealisierten Weise den Bildungsplan wiedergebe, den Origenes als Privatlehrer in dem besonderen Fall befolgte, als Theodoros und sein Bruder ihm zur Erziehung anvertraut worden waren. Daraus zu folgern, dass auch seine Schule in Caesarea einen stark wissenschaftlich-philosophischen Lehrplan gehabt habe, sei aber falsch, da sich normalerweise Schüler an ihn gewandt hätten, die im Christentum unterrichtet werden wollten (vgl. auch Rizzi 2002 [*2390: 81]). Crouzel 1980 [*2478: 754f.] behauptet dagegen, die ‹Dankrede› sei ein glaubwürdiges Zeugnis für Origenes’ normale Schultätigkeit, weil die Schule in Caesarea keine katechetische Einrichtung gewesen sei, sondern sich wegen ihres missionarischen Ziels an den Inhalten und Methoden der zeitgenössischen heidnischen Philosophieschulen orientiert habe (so schon Knauber 1968 [*2470]).
‹Confessio fidei› ‹Glaubensbekenntnis› (Symb.; CPG 1764) Das in Gregor von Nyssas Biographie des Thaumaturgos zitierte ‹Glaubensbekenntnis› (Vit. Greg. Thaum. p. 17,24–19,6 Heil; dazu und zur Nebenüberlieferung vgl. Kinzig 2017 [*2415: I 243– 245]) ist in vier Teile gegliedert, die dem Vater, dem Sohn, dem Geist und der Dreifaltigkeit gewidmet sind. Es soll dem Wundertäter gemäß Gregor von der Gottesmutter und dem heiligen Johannes mitgeteilt worden sein. Gregor von Nazianz zitiert zweimal dieses Bekenntnis (Orat. 31,28 und 40,42) und hält es für eine aus jüngerer Zeit stammende Formel. Der Text vermeidet außerdem jede Aussage, die eine Unterordnung des Sohnes und des Geistes ausdrücken könnte, und entwickelt eine Lehre über den Heiligen Geist und die Trinität, die eher der Theologie des 4. als derjenigen des 3. Jahrhunderts angemessen scheint. Obwohl Caspari 1879 [*2412] die Schrift für echt hielt (auch Crouzel 1979 [*2477] und 1980 [*2478]), darf man daher vermuten, dass, wenn nicht der ganze Text (Abramowski 1976 [*2472], die das Bekenntnis für eine Fälschung des Gregor von Nyssa hält; auch Slusser 1998 [*2367]), zumindest die Abschnitte zum Geist und zur Dreifaltigkeit erst in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts verfasst worden sind (Simonetti 1988 [*2484]).
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Noch stärker bezweifelt wird die Echtheit folgender Werke:
‹Ad Theopompum de passibili et impassibili in deo› ‹An Theopompos, über Gottes Leidens fähigkeit und Leidensunfähigkeit› (CPG 1767) Die nur in syrischer Übersetzung erhaltene Abhandlung an Theopompos gibt in der Form eines platonischen Dialogs ein Gespräch zwischen Gregor und dem Adressaten wieder. Merkwürdig ist die Tatsache, dass die Schrift fast völlig auf Hinweise auf die Bibel oder auf die kirchliche Überlieferung verzichtet. Absicht des Dialogs ist es, die christliche Lehre vom Leiden und Tod des göttlichen Logos gegenüber dem philosophischen Axiom der Leidensunfähigkeit Gottes zu rechtfertigen. Nach Crouzel 1963 [*2468] ist diese Schrift echt, während Abramowski 1978 [*2475] ihre Echtheit aufgrund ihrer monarchianisch-modalistischen Züge und der Abwesenheit einer ausdrücklichen Logos-Theologie bestritten hat.
‹Sermo ad Philagrium de consubstantiali› ‹Brief an Philagrios über die Wesens einheit› (CPG 1774) Unter dem Namen des Thaumaturgos ist eine weitere Schrift erhalten, die in der syrischen Übersetzung den Titel ‹An Philagrios über die Wesenseinheit› trägt, während sie in der griechischen Tradition entweder Gregor von Nazianz (Ep. 243, PG 37, 383–386) oder Gregor von Nyssa (Ep. 26, PG 46, 1101–1108) zugeschrieben wird und den Titel ‹An den Mönch Euagrios über die Göttlichkeit› (Πρὸς Εὐάγριον μοναχὸν περὶ θεότητος) trägt (nach Dräseke 1882 [*2455] gehört sie dem Nazianzener). Simonetti 1953 [*2463] hat, mit Ryssel 1880 [*2434], die Echtheit dieses Werkes behauptet und seinen monarchianischen Denkansatz der Tatsache zugeschrieben, dass sich diese Schrift an heidnische Leser richtet und deshalb vor allem bemüht sei, Gottes Einzigkeit zu verteidigen. Mit derselben Überlegung begegnete auch Basileios von Kaisareia (Ep. 210,5) Einwänden gegen den Inhalt der verlorenen ‹Disputation mit Gelian›. Später hat Simonetti 1962 [*2466] die Schrift ‹An Philagrios› einem unbekannten Autor des 3. Jahrhunderts zugeschrieben, während Refoulé 1961 [*2465] den Text eher einem späten Nachfolger des Markell von
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§ 100. Gregor Thaumaturgos (Bibl. 1129–1132)
Ankyra zuwies. Zuletzt ist Simonetti 1988 [*2484] wieder zur Echtheit der Schrift zurückgekehrt.
‹Disputatio de anima ad Tatianum› Πρὸς Τατιανὸν περὶ ψυχῆς – ‹An Tatian über die Seele› (Anim.; CPG 1773) Sehr unterschiedliche Meinungen sind über die kurze Abhandlung ‹An Tatian über die Seele› ausgesprochen worden (syrische Fragmente, mit der Überschrift ‹Ad Gaianum›, bei de Lagarde 1858 [*2364: 31] und Pitra 1883 [*2365: 133, 386]; über die syrische und arabische Übersetzung vgl. Brock 1981 [*2479]). Der Text ist auch unter dem Namen des Maximos des Bekenners überliefert (CPG 7717). Während Dräseke 1901 [*2460] für die Echtheit der Schrift Stellung nahm, hat sie Lebreton 1906 [*2461] zwischen das 5. und 7. Jahrhun-
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dert datiert und sie einem Schriftsteller zugeschrieben, der vielleicht eine frühere Schrift des Wundertäters benutzte und sie mit dem Inhalt der Abhandlung von Nemesios ‹Über die Natur des Menschen› vermengte. Whealey 1996 [*2489] hat eher die Züge der Abhandlung betont, die eine Verwandtschaft mit den Gedanken Justins und seines Kreises vermuten lassen. Obschon sehr verschieden, sind die beiden Thesen nicht unbedingt unvereinbar, sie schließen aber in jedem Fall aus, dass diese Schrift in der Form, die sie heute besitzt, von Gregor stammen kann. Hieronymus (Vir. ill. 65) erwähnt auch Briefe von Gregor, die heute verloren sind. Zahlreiche Schriften, die unter Gregors Name überliefert worden sind (vor allem die ‹Zwölf Kapitel über den Glauben›, die sogenannte ‹Fides secundum partes› und mehrere Homilien) sind zweifellos unecht.
3. LEHRE
Das herkömmliche Bild von Gregors Denken beruht auf der Annahme, dass er Schüler des Origenes, Verfasser der ‹Dankrede› und des ‹Glaubensbekenntnisses› sowie Adressat von Origenes’ ‹Brief an Gregorios› gewesen sei. Die oben erwähnten Zweifel von Nautin und anderen Forschern an der Echtheit der ‹Dankrede› und anderen Schriften machen es heute schwieriger, einen allgemein anerkannten philosophischen Umriss dieses Autors zu zeichnen. Das Beiwort ‹Wundertäter› weist zudem darauf hin, dass man ihn weniger als wissenschaftlichen Theologen denn als charismatische Persönlichkeit und als praktischen Seelsorger würdigte (Socr. Hist. eccl. 4,27). Am meisten überzeugt der Versuch von Simonetti 1988 [*2484], die Gestalt des Wundertäters mit Rücksicht auf die Thesen von Abramowski 1976 [*2472] und Nautin 1977 [*2473] neu zu begreifen. Die Annahme, Gregor sei ein origenistischer Theologe gewesen, wird dabei als nicht genügend begründet aufgegeben, und es wird darauf verzichtet, die ‹Dankrede› oder das ‹Glaubensbekenntnis› zum Prüfstein für die Echtheit des unter Gregors Namen überlieferten Corpus, soweit es nicht offensichtlich unecht ist, zu machen. Das wichtigste und umfangreichste Werk, das unter dem Namen Gregors überliefert ist, ist in der Tat die ‹Dankrede›. Falls sie wirklich dem Wundertäter gehört, was möglich, aber nicht zwingend zu beweisen ist, dann handelt es sich um ein Jugendwerk Gregors, das der etwa 25- oder 28-Jährige am Ende seiner Studienzeit in Caesarea zu Ehren seines verehrten Lehrers vorgetragen hat. Das Schwergewicht der ‹Dankrede› liegt auf der Darstellung des Bildungsprogramms, das Gregor dort unter der Führung des Origenes durchlaufen hat. Zur Läuterung der Seele wurde zuerst die Dialektik (97: «ganz in der Art des Sokrates») behandelt (93–108), dann folgten die Naturwissenschaften (109–114), die Ethik, zentriert auf
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die vier Kardinaltugenden (115–149), und zuletzt die Theologie (150–173). Diese beinhaltete das umfassende Studium aller alten Philosophen und Dichter (124: ein Seitenhieb gegen die neueren Philosophen) – mit Ausnahme der Atheisten –, um durch eine unvoreingenommene Prüfung aller philosophischen Positionen frei von Schulzwängen zu bleiben (158–169; die Uneinigkeit der vielen philosophischen Richtungen liegt an der Voreingenommenheit ihrer jeweiligen Adepten) und nur das zu billigen, was nach dem bei Gott und seinen Propheten liegenden Maßstab brauchbar ist und einen Wahrheitsgehalt besitzt (172). Dabei wird Gott in philosophischer Begrifflichkeit wie τὸ θεῖον («das Göttliche»: 10; 13; 82; 150 u. ö.), ὁ πάντων αἴτιος («der Verursacher von allem»: 32; 38; 183), ὁ πρῶτος νοῦς («der erste Geist»: 39) u. ä. beschrieben. Schließlich gipfelte der Studiengang in der Einführung in die Heilige Schrift und die Auslegung ihrer Rätsel (174–183). Unbeschadet der Frage, ob die geschilderte Abfolge das reguläre Lehrprogramm der Schule in Caesarea oder bloß ein besonderer individueller Unterricht war, bezeugt die ‹Dankrede› in jedem Fall Origenes’ Auffassung von den Aufgaben eines christlichen Lehrers und seine Bemühung, die christliche Lehre mit den Bildungsformen der antiken Philosophenschulen, einschließlich der ‘enzyklopädischen Bildung’ (ἐγκύκλιος παιδεία), zu verbinden. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass christliches Gedankengut nur schwach und rudimentär anzutreffen ist. Auch das persönliche Bild, das Gregor voller Bewunderung von seinem Lehrer vermittelt, weist eher ein allgemein philosophisches als spezifisch christliches Gepräge auf. Er wird als idealer Lehrer dargestellt, der ein tugendhaftes Leben mit intimer Kenntnis der Wissenschaften und der Heiligen Schrift vereinte. Er vermochte seine Schüler mit Wort und Beispiel zur spirituellen Vervollkommnung zu führen (133–135), da er überzeugt war, dass nur das philosophische Leben wahrhafte Frömmigkeit Gott gegenüber ermöglichte. Er realisierte seine Lehrtätigkeit auf der Grundlage der sokratischen Aufforderung zur Selbsterkenntnis und zur Sorge um die eigene Seele (138; 140f.). Durch seine Lehre wollte er das platonische Ideal der Angleichung an Gott (Plat. Tht. 176b) mit der christlichen Zielsetzung in Einklang bringen, die das wahre philosophische Leben in der Einigung mit dem göttlichen Logos sieht (13: ἐξομοιοῦσθαι τῷ θεῷ; hier auch die platonische These der Verwandtschaft der menschlichen Seele mit Gott, die nach 50–53 darin besteht, dass der göttliche λόγος in der Vernunftausstattung des Menschen präsent ist; 142: die Seele schaut wie im Spiegel in sich selbst den göttlichen νοῦς als Weg zur «Vergöttlichung», ἀποθέωσις, hier auch die stoische Lehre, dass die Tugend bei Gott und Mensch dieselbe sei; 149). Und im Hinblick auf die Schriftauslegung weiß Gregor Origenes als Deuter der Worte Gottes an die Menschen (181: ἑρμηνεὺς τῶν τοῦ θεοῦ λόγων πρὸς ἀνθρώπων) zu würdigen, dem – nach dem Prinzip der Erkenntnis des Gleichen durch Gleiches – der Heilige Geist, der die Prophezeiungen gewirkt hat, durch die κοινωνία mit ihm auch das Verständnis für seine Worte verliehen hat (179–181). Die Feststellung, dass in der Rede «so gut wie nichts von der eigentlichen Theologie» des Origenes zu entdecken sei, «nichts, was der spezifisch origenianischen Schriftaus legung auch nur einigermaßen entspräche», lässt sich deshalb kaum umgehen (so Knauber 1968 [*2470: 190], ebenso Slusser 1998 [*2367: 8–10], der die Neigung
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von Crouzel 1969 [*2388: 46–78], in ihr eine vollständige und nach dem Muster des Origenes entwickelte Theologie zu finden, kritisiert). Das alles lässt eigentlich nur den Schluss zu, wie es Gregor ja auch selbst zu verstehen gibt (191; vgl. 13), dass seine Unterweisung noch nicht sehr weit über das Anfängerstadium hinausgekommen war und ein tieferes und umfassenderes Eindringen in die Glaubenswahrheiten entsprechend Origenes’ didaktischer Rücksichtnahme auf die Fassungskraft seiner Schüler noch ausstand. Allerdings scheint Gregor in den einschlägigen Passagen, in denen er vom Logos spricht, den Ausführungen eine eigene, individuelle Note zu geben, die fortan in seinen späteren Schriften ein zunehmendes Gewicht gewinnen sollte. Während Epitheta wie die biblisch inspirierten Beiworte σοφία, ἀλήθεια, δύναμις («Weisheit, Wahrheit, Kraft»: 36), σωτήρ und πρωτογενής («Retter» und «Erstgeborener»: 35; 200, in 38 μονογενής, «Einziggeborener») oder die mehr philosophisch inspirierten δημιουργὸς καὶ κυβερνήτης («Demiurg und Lenker»: 35; 43), κηδεμὼν καὶ ἰατρός («Fürsorger und Arzt»: 200), παιδαγωγός («Pädagoge»: 57) teils zum apologetischen Grundbestand gehören, teils in der alexandrinischen Tradition beheimatet sind, legt er darüber hinaus einen besonderen Nachdruck auf die Einheit des Logos mit dem Vater. Er will die hypostatische Eigenständigkeit des Logos wahren; der Logos ist nicht bloß eine unpersönlich Kraft des Vaters, sondern «er ist höchst vollkommen und lebendig, er ist das beseelte Wort aus dem ersten Intellekt» (39; in 142 ist der θεῖος νοῦς, «der göttliche Geist», der Logos). Doch daneben bekräftigt er, dass «er überdies in ihm [sc. dem Vater] ist und mit ihm ganz und gar vereinigt ist» (36), dass «der Vater des Alls selbst ihn mit sich eins gemacht hat, er sich selbst mit ihm geradezu umhüllt hat» und dass der Logos dieselbe Macht wie der Vater hat (37; vgl. Simonetti 1988 [*2484: 18, 37f.], der auf ähnliche Ausführungen in den ersten beiden Artikeln des ‹Glaubensbekenntnisses› – dazu Kinzig 2017 [*2415: I 243] – aufmerksam macht). Offenbar war der Monotheismus ein Anliegen, dem Gregor schon von früh an Beachtung schenkte. Eine Gruppe weiterer, Gregor zugeschriebener, aber umstrittener Schriften weist ein auffälliges gemeinsames Merkmal auf dieser Linie auf, indem sie deutlich Spuren von monarchianisch-modalistischen Denkansätzen, wie sie aus der Mitte des 3. Jahrhunderts bekannt sind, zeigen (zum Folgenden vgl. Simonetti 1988 [*2484: 28–34]). Der kurze ‹Brief an Philagrios› behandelt die Anfrage eines Philagrios, ob die göttliche Natur (οὐσία/φύσις) einfach oder zusammengesetzt sei. Wenn sie, so Philagrios, einfach ist, sind drei verschiedene Namen, um sie zu bezeichnen, sinnlos; wenn aber die Namen unterschiedliche Wirklichkeiten bezeichnen, dann ist Gott zusammengesetzt und daher auch teilbar und leidensfähig. Der Verfasser stützt seine Antwort auf eine rein vernunftgemäße Beweisführung, die weder die Bibel noch die kirchliche Überlieferung ausdrücklich berücksichtigt: Gott ist einfach, unkörperlich und unteilbar; daher kann man ihm keinen eigentlichen Namen geben. Die Prädikate «Vater», «Sohn», «Geist» bezeichnen Gottes heilbringende Hinwendung zu den Geschöpfen, für die er sich sozusagen vermehrt, obwohl er in sich immer eins bleibt. Diese Argumentation macht einen stark monarchianisch-modalistischen Eindruck, wozu auch die gegebenen Beispiele passen.
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Die Abhandlung ‹An Theopompos› erörtert die These des paganen Unterredners, dass Gott, wenn er seiner Natur nach leidensunfähig ist, sich auch nicht freiwillig dem Leiden unterziehen könne. Darauf erwidert der Verfasser, dass Gott einfach und frei ist: Es gibt in ihm keinen Unterschied zwischen Wille und Natur. Wenn sich Gott freiwillig dem Leiden unterwirft, so tut er es nicht als ein Leidender, sondern als Herrscher: Er bleibt von den Leidenschaften frei, indem er auch die Geschöpfe davon befreit. Auch in diesem Dialog werden nur vernunftgemäße Argumente vorgetragen, bloß am Ende heißt es, dass Christus zu den Menschen gekommen sei, um sie zu retten. Hier erklärt sich, dass die Leidensfähigkeit Gottes, die der Verfasser verteidigt hat, diejenige Christi ist, ohne dass der Unterschied zwischen Vater und Sohn in der Beweisführung der ganzen Schrift irgendeine Rolle spielte (Hallmann 1989–1990 [*2488]). Wie aus den Mitteilungen des Basileios zur verlorenen Schrift ‹An Gelian› hervorgeht (Ep. 210,5), hatte Gregor einmal die missverständliche Formulierung gewählt, dass «Vater und Sohn begrifflich (ἐπινοίᾳ) zwei sind, aber in ihrer Wirklichkeit (ὑποστάσει) eins». Basileios stellt die Authentizität der Wendung nicht in Frage, aber er interpretiert sie in dem Sinne, dass sie nur scheinbar sabellianischen Thesen zuneige, während sie tatsächlich dem Zweck diene, einen Heiden zum Christentum zu bekehren. Diese Ausdrücke seien von Gregor mehr im Stil der Auseinandersetzung (ἀγωνιστικῶς) als im dogmatischen Sinn (δογματικῶς) benutzt worden und sollten dazu dienen, die Einheit und Einzigkeit Gottes eindeutig und klar darzustellen. Die zeitliche und gedankliche Einheitlichkeit dieser drei Schriften legt es nahe, sie einem einzigen Verfasser zuzuschreiben, und es gibt keinen ausreichenden Grund, sie dem Wundertäter abzusprechen, zumal Basileios die Echtheit im Fall von ‹An Gelian› ausdrücklich bestätigt. Das monarchianische Gepräge wäre demnach dem apologetischen Ziel zuzuweisen, heidnische Leser vom christlichen Monotheismus zu überzeugen; das würde auch die Tatsache erklären, dass in ihnen keine Schriftbeweise vorkommen und die Sprache auf theologische Genauigkeit verzichtet (Simonetti 1988 [*2484: 40f.]). Ähnliches Gedankengut wie in bestimmten Partien der ‹Dankrede› (73–92) findet sich auch in der ‹Metaphrase zum ‘Predigerbuch’›, die nicht nur dem Geschmack eines gebildeten Lesers entgegenkommen, sondern auch ein Protreptikos zum philosophischen Leben sein will (Slusser 1998 [*2367: 10–12, 22–25]). Zwei Merkmale treten besonders hervor: die Offenheit für die griechische Kultur und für ihre literarischen Formen sowie die Vertrautheit mit bestimmten Themen des origeneischen Denkens (Noakes 1984 [*2480]; man kann diese Art, das ‹Predigerbuch› zu lesen, mit Origenes’ Prolog des Kommentars zum ‹Hohelied› [Kap. 3] vergleichen). 4. NACHWIRKUNG
Der Verfasser der ‹Dankrede› hat diese nicht publiziert, aber seinem Lehrer natürlich eine Abschrift überreicht. Origenes reihte sie in seine Bibliothek in Caesarea ein, wo sie später nach Auskunft des Kirchenhistorikers Sokrates (Hist. eccl.
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4,27) Pamphilos vorfand, der sie zusammen mit Origenes’ Werk ‹Contra Celsum› seiner Apologie für Origenes als Anhang beifügte, um durch das Zeugnis des angesehenen, rechtgläubigen Gregor seine eigene Verteidigung für Origenes zu verstärken. Während aber Pamphilos’ Apologie fast vollständig verloren gegangen ist, blieb die ‹Dankrede›, die nur in Verbindung mit der Schrift gegen Kelsos handschriftlich tradiert wird, erhalten (Koetschau 1894 [*2387: XXXf.], Crouzel 1969 [*2388: 34]). Das übrige Schrifttum Gregors, zumeist Gelegenheitsarbeiten, ist sehr verstreut und in mehr zufälliger Art überliefert, so dass auch Unechtes ihm untergeschoben werden konnte, weil offenbar weder zu Lebzeiten Gregors noch nach seinem Tod eine Gesamtausgabe veranstaltet wurde (Koetschau 1894 [*2387: XXIf.]). Von den Nachrichten des Eusebios, sowohl von denen in der ‹Kirchengeschichte› als auch von denen in den verlorenen Werken, ist Hieronymus abhängig (Vir. ill. 65; Guyot, Klein 1996 [*2389: 72f.]; die ‹Suda› übernimmt im 10. Jahrhundert unter dem Stichwort Gregors eine griechische Übersetzung von Hieronymus’ Eintrag), während die speziellen Informationen, die den Kappadokiern Basileios und Gregor von Nyssa zur Verfügung standen, auf familiäre bzw. pontische Lokaltraditionen zurückgehen. Auch die legendarischen Biographien, zu denen schon die panegyrische Biographie des Nysseners zum guten Teil gerechnet werden muss – übrigens erweist sich Gregor in wichtigen Dingen als historisch uninformiert –, verarbeiten mündlich umlaufende Lokaltraditionen (Koetschau 1894 [*2387: V–VIII]). Die gesteigerten Wundergeschichten, die Rufinus in einer Einlage nach Eus. Hist. eccl. 7,28,2 einschaltet, mögen ebenfalls daher stammen, wenngleich die griechischen Quellen mit einer Ausnahme keine direkten Parallelen zu kennen scheinen. Dass das Bild seiner Persönlichkeit derart vom Legendenhaften umrankt war, führte dazu, dass schon im 6. Jahrhundert, erstmals nachweisbar im sekundären Titel der Vita des Nysseners, der Beiname «Thaumaturgos» («Wunderwirker») gängig wurde (Guyot, Klein 1996 [*2389: 7]). Doch schätzte man ihn auch in späterer Zeit zugleich als hochverdienten Lehrer, dessen Name in dogmatischen Belangen autoritatives Gewicht hatte (z. B. auf dem Concilium Quinisextum, Kanon 2, von 691/92; weitere Nachweise bei Harnack 1893 [*2457: I 1,434ff.]). Die Editio princeps, die zugleich eine Gesamtausgabe aller erreichbaren Schriften des Wundertäters unter Einschluss der Vita des Nysseners war, gab der belgische Patristiker und Bibliothekar der päpstlichen Handschriften-Sammlung Gerhard Vossius 1604 in Mainz heraus. Erwähnenswert ist auch die im Jahr darauf erschienene Einzelausgabe der ‹Dankrede› des Augsburger Humanisten David Hoeschel, als Anhang zur Editio princeps der acht Bücher gegen Kelsos, die wichtige Anmerkungen von Isaac Casaubonus enthielt. Die größte Verbreitung fand die Edition des in Italien lebenden, französischen Oratorianer André Gallandi (Paris 1765 bzw. Venedig 1788), die Jacques Paul Migne in seine Patrologia Graeca 1857 übernommen hat.
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§ 101. Dionysios von Alexandrien Marco Zambon
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre.
1. LEBEN
Über Leben und Werke von Dionysios (dem «Großen»: Eus. Hist. eccl. 7 praef.; Bas. Ep. 188,1) informieren Eusebios (Hist. eccl. 6 und 7; von ihm ist Hier. Vir. ill. 69 abhängig) und andere Kirchenväter (Athanasios, Basileios, Johannes von Damaskus), die seine Schriften benutzten (vgl. Feltoe 1904 [*2509: XII–XXII], Bienert 1972 [*2512: 3–12] und 1978 [*2536: 71–75], Jakab 2001 [*2529]). Obwohl seine theologische Lehre während des arianischen Streites als verdächtig empfunden wurde (daher ist sein Werk fast völlig verloren), war Dionysios mit Cyprian von Karthago der hervorragendste Kirchenleiter seiner Zeit und hat die Entwicklung des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Lehre in Alexandrien und Ägypten nachhaltig beeinflusst (Andresen 1979 [*2555], Legutko 2003 [*2575]). Da er im Jahr 264/65 zu alt war, um an einer Synode in Antiochien teilzunehmen (Eus. Hist. eccl. 7,27,2), wird sein Geburtsjahr in der Regel in die letzten Jahre des 2. Jahrhunderts angesetzt. Er stammte aus einer wohlhabenden heidnischen Familie (ebd. 7,11,18), bekehrte sich zum Christentum (ebd. 7,7,3) und wurde Schüler von Origenes (ebd. 6,29,4). Es ist möglich, dass er verheiratet war, da er im Brief an Germanos von seinen «Kindern» (παῖδες) spricht (ebd. 6,40,3; vgl. Feltoe 1904 [*2509: 25], Bienert 1972 [*2512: 5], über diesen Brief vgl. Pietras 1990 [*2516]). Im Jahr 233, nachdem Origenes’ Nachfolger, Heraklas, dem Patriarchen Demetrios auf dem Bischofsstuhl von Alexandrien gefolgt war, übernahm Dionysios die Leitung der alexandrinischen Schule und im Jahr 247/48 folgte er Heraklas auch im Bischofsamt nach (Eus. Hist. eccl. 6,29,4; 6,35). Es ist möglich, dass Dionysios auch als Bischof die Schule weiter geleitet hat, denn Eusebios nennt nach ihm keinen direkten Nachfolger. Während der Verfolgung unter Decius (249–251) verließ Dionysios Alexandrien, weshalb er sich später rechtfertigen musste (Dionysios selbst berichtet über diese Zeit in den Briefen an Germanos: Eus. Hist. eccl. 6,40; an Fabius von Antiochien: ebd. 6,41–42; und an Dometios und Didymos: ebd. 7,11,20–25). Dionysios wurde während der Verfolgung unter Valerianus (257–260) aus der Stadt verbannt (das Protokoll seines Verhörs vor dem Präfekt Ägyptens Aemilianus ist im Brief an Germanos mitgeteilt: ebd. 7,11,6–10). Nachrichten über die sehr schwierige Zeit nach der Verfolgung finden sich in den Briefen an Hierax (ebd. 7,21,1–
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10) und an die Brüder in Alexandrien (ebd. 7,22,1–11). Nur wenige Jahre nach seiner Rückkehr verstarb er, im zwölften Jahr des Kaisers Gallienus (d. h. im Jahr 264/65: ebd. 7,28,3). 2. WERKE Sein Werk ist fast nur in Bruchstücken erhalten (die älteste Liste bietet Hier. Vir. ill. 69; Feltoe 1904 [*2509: XXIX–XXXIV], Bienert 1978 [*2536: 51– 70]); die meisten Exzerpte finden sich bei Eusebios, einige weitere bei Athanasios und dem Kappadokier Basileios, ferner Vereinzeltes in exegetischen Katenen und kanonischen Sammlungen sowie in syrischen, armenischen und lateinischen Übersetzungen. Von mehreren Schriften ist nur der Titel bekannt. Der größte Teil der erhaltenen Fragmente stammt aus Briefen, die er mehr oder weniger aus seelsorglichen Anlässen verfasst hat und die wahrscheinlich in Sammlungen zusammengestellt waren (Bienert 1972 [*2512: 12–14]). Man kann unter ihnen verschiedene Gruppen unterscheiden: 1 Briefe, welche die Frage der Versöhnung der während der decischen Verfolgung Abgefallenen (lapsi) behandeln. 2 Briefe über die Taufe der Häretiker. 3 Briefe über die trinitarische Lehre (der sogenannte «Streit der beiden Dionyse»). Die wichtigste Quelle für die Kenntnis dieses Streites und von Dionysios’ christologischer Lehre ist Athanasios Schrift ‹De sententia Dionysii› (Müller 1925 [*2547], Opitz 1937 [*2549]). Die Kontroverse fiel in die Jahre von 258 bis 260 (Bienert 1972 [*2512: 10]). Ob das überlieferte Belegmaterial aus dieser Auseinandersetzung echt ist (CPG 1759), ist neuerdings bestritten worden (Abramowski 1982 [*2556] und Heil 1997 [*2565] und 1999 [*2568], unterstützt von Leemans 2002 [*2573: 331], haben die Echtheit mit gewichtigen Argumenten in Abrede gestellt, Simonetti 1989 [*2560], Pietras 1991 [*2561], Simonetti 2001 [*2571] und Prinzivalli 2002 [*2538: 45] haben sie verteidigt, aber es bleiben offene Probleme). 4 Festbriefe zur Bekanntgabe des Ostertermins, die bei ihm zum ersten Mal bezeugt sind (vgl. Bienert 1978 [*2536: 138–177], Tissot 1997 [*2566]). Die einzigen vollständig erhaltenen Briefe sind der ‹Brief an Novatian›, der eine Aufforderung an Novatian enthält, das Schisma zu beenden (CPG 1552; Eus. Hist. eccl. 6,45; vgl. Blumell 2010
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[*2578]), und der ‹Brief an Basileides› zur Frage des Osterfastens (CPG 1569; Feltoe 1904 [*2509: 91–105], Bienert 1972 [*2512: 54–58]). Nach Eusebios (Hist. eccl. 7,26,3) berichtete Dionysios in einem Brief an Basileides, er habe einen – heute im Ganzen verlorenen – Kommentar zum Anfang des ‹Predigerbuches› verfasst (so auch Hier. Vir. ill. 69; CPG 1584). Doch sind Fragmente durch Prokop von Gaza aus den ersten drei Kapiteln des ‹Predigerbuches› überliefert (Feltoe 1904 [*2509: 208–226], Bienert 1972 [2512: 87–94]; über die Mängel dieser Ausgaben Leanza 1978 [*2554: 409–420] und 1987 [*2559: 241–243]), und neu entdeckt worden sind Bruchstücke in der ‹Catena Hauniensis› (über die Echtheit dieser Texte Leanza 1978 [*2554: 420–426]), die zeigen, dass Dionysios nicht nur den Anfang, sondern das ganze Buch ausgelegt hatte (Leanza 1987 [*2559: 240, 244–246], Labate 1992 [*2517: XXV– XXXII]). Hinzu kommen einige wenige Stücke aus einem Athos-Florileg (Bienert 1973 [*2513] und 1974 [*2553]). Feltoe 1904 [*2509: XV] vermutet, dass dieses Werk aus der Zeit von Dionysios’ Tätigkeit an der katechetischen Schule stammt. Ihm zugeschriebene exegetische Bruchstücke zu anderen biblischen Büchern sind unecht oder umstritten (Leanza 1987 [*2559: 239–240]). Längere Exzerpte aus Dionysios’ Abhandlungen findet man in: 1 Eus. Hist. eccl. 7,24–25: Exzerpt aus der Schrift ‹Über die Verheißungen› (Περὶ ἐπαγγελιῶν; CPG 1575). Die Schrift behandelte – wahrscheinlich in brieflicher Form (ebd. 7,24,6) – die chiliastischen Anschauungen, die der bereits verstorbene Bischof Nepos von Arsinoe gegen die origeneisch-spiritualistische Umdeutung des Bibeltextes ins Feld geführt hatte. Im ersten Teil legte Dionysios seine eigene Anschauung zur Erfüllung der eschatologischen Verheißungen dar, im zweiten handelte er von der ‹Johannes-Apokalypse› (ebd. 7,24,3); deren Verfasser könne nicht mit dem Apostel identisch sein, sie sei aber deshalb nicht zu verwerfen (ebd. 7,25,1–3). Das Schreiben, das aus Dionysios’ Bischofszeit stammt,
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will nicht nur eine theologische Frage klären, sondern verfolgt auch das kirchenpolitische Anliegen, die Anhängerschaft des Nepos in der Kircheneinheit zu halten (Bienert 1978 [*2536: 193–200]). 2 Eus. Praep. ev. 14,23–27: Fragmente aus der Abhandlung ‹Über die Natur› (Περὶ φύσεως; CPG 1576). Der Traktat war in Briefform gekleidet (Eus. Hist. eccl. 7,26,2) und war einem Timotheos – vielleicht einem Sohn von Dionysios (Bienert 1972 [*2512: 5]) – gewidmet. Schon vom Titel her gibt sich die Schrift als eine philosophische Abhandlung zu erkennen, sie geht vielleicht in die Zeit von Dionysios’ Tätigkeit an der katechetischen Schule zurück (Bienert 1978 [*2536: 109–115]). Den Worten, mit denen Eusebios die Auszüge aus dieser Schrift einleitet (Praep. ev. 14,22,17; vgl. auch 14,27,13), kann man nicht mit Sicherheit entnehmen, ob die Widerlegung der atomistischen
Lehre der eigentliche Inhalt dieser Abhandlung war oder lediglich das Thema der von ihm exzerpierten Seiten (Feltoe 1904 [*2509: 127]). Der Titel ‹Über die Natur› konnte einen sehr breiten thematischen Raum abdecken; er ist jedenfalls auch für eine Schrift von Epikur bezeugt und könnte von daher angeregt worden sein (D. L. 10,27; Bienert 1978 [*2536: 111]). 3 Eus. Praep. ev. 7,19,1–8: Auszug aus dem ersten Buch einer Schrift gegen Sabellios, die vielleicht mit den vier an Dionysius von Rom gerichteten Büchern der ‹Widerlegung und Apologie› (Titel nach Athan. Sent. Dion. 13) zu identifizieren ist (CPG 1579; Feltoe 1904 [*2509: 182–185]; Zweifel daran äußert Prinzivalli 2002 [*2538: 47]). Während das Werk im Ganzen Dionysios’ abschließende Stellungnahme zur sabellianischen Streitfrage enthielt, geht es in dem Exzerpt um die Widerlegung der These, dass die Materie ungeworden sei.
3. LEHRE
Eusebios nennt Dionysios «Vorsteher (ἐπίσκοπος ἀνήρ) der christlichen Philosophie» (Praep. ev. 14,22,17) und bezeichnet ihn als Nachfolger von Origenes und Heraklas an der katechetischen Schule in Alexandrien (Eus. Hist. eccl. 6,29,4; Prinzivalli 2002 [*2538: 35–40]). Aus den wenigen erhaltenen Seiten, die direkt philosophische Fragen behandeln, geht soviel hervor, dass er zweifellos über eine gute literarische und philosophische Bildung verfügte und ein rhetorisch geschulter Schriftsteller war (Feltoe 1904 [*2509: XXIV–XXV], Colson 1923–1924 [*2545]). Neben zahlreichen Zitaten aus der Bibel und aus den christlichen Schriftstellern findet man in den Fragmenten mehrere Zitate von und Anspielungen auf Homer und Hesiod, Herodot und Thukydides sowie Demokrit, Platon, Aristoteles und Epikur, wobei er das Überlegenheitsgefühl des Christen der griechischen Philosophie gegenüber selten verbirgt (Bienert 1972 [*2512: 16f.]). Die Fähigkeit zu syllogistischen Argumentationen bescheinigt ihm Athanasios (Athan. Sent. Dion. 14,5), und aus seinen Briefen gewinnt man den Eindruck, dass er die Auseinandersetzung mit seinen Gesprächspartnern in sachlichem Ton und ohne Bevormundung, methodisch kontrolliert unter allseitiger Abwägung dessen, was für und was gegen eine These spricht, zu führen pflegte (vgl. beispielshalber Eus. Hist. eccl. 6,42,5–6 an Fabius von Antiochien; ebd. 6,45 an Novatian; ebd. 7,9,1 an Sixtus von Rom; Feltoe 1904 [*2509: 105], Bienert 1972 [*2512: 57] mit Eus. Hist. eccl. 7,26,2 [an Basileides]; Eus. Hist. eccl. 7,24,4. 6–8 ‹Über die Verheißungen› bzgl. Nepos; ebd. 7,7,1–3 an Philemon). Doch inwieweit er als Theologe und Bischof der Philosophie ein positives Interesse entgegenbrachte, ob er eigenständig philosophischen Fragen nachging und eine enge Verknüpfung von theologischer und philosophischer Arbeit anstrebte oder befolgte, ist weniger eindeutig zu sagen.
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§ 101. Dionysios von Alexandrien (Bibl. 1132–1134)
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Was philosophisch von ihm bekannt ist – im Grunde recht wenig –, ist eine kritische Besprechung der atomistischen Physik Epikurs und Demokrits (aus Περὶ φύσεως: Eus. Praep. ev. 14,23–27) und eine ebenso kritische Besprechung der These, Gott habe eine ungewordene Materie geformt und geordnet (aus der Schrift gegen Sabellios: Eus. Praep. ev. 7,19,1–8; vgl. Strutwolf 2008 [*2577]). Was die atomistische Lehre betrifft, so handelt es sich hier um das erste Zeugnis einer Widerlegung aus dezidiert christlicher Sicht. Dionysios unterscheidet drei mögliche Konzeptionen zum Aufbau des Kosmos (Eus. Praep. ev. 14,23,1): Entweder ist er ein einheitliches und zusammenhängendes Gefüge, «wie es uns und den weisesten der Griechen, Platon, Pythagoras, den Stoikern und Heraklit, scheint», oder er besteht aus zwei Prinzipien – dabei ist vielleicht an die dualistische Lehre von einigen Platonikern oder von Gnostikern gedacht – oder, und das ist die dritte, die atomistische Position, die dann intensiv und unter deutlich stoischem Einfluss besprochen wird, er besteht aus einer unendlichen Menge von ungewordenen einzelnen Teilchen. «Atome» heißen demnach winzige und unverderbliche Körper verschiedener Form, die sich in zahlloser Menge im leeren Raum bewegen und durch bloßen Zufall zusammenstoßen und sich vereinigen, so dass sich daraus unzählige Welten ergeben (Eus. Praep. ev. 14,23,2). Dionysios formuliert gegen diese These Einwände, die sich vor allem auf die implizierte Leugnung der göttlichen Vorsehung beziehen, wobei er vom traditionellen Grundsatz ausgeht, dass, was besser ist, nicht vom Schlechteren verursacht werden kann, dass also Ordnung nicht aus Unordnung und Zufall entstehen kann. Man muss, da die Welt und ihre Teile geordnet sind, eine höhere ordnende Kraft für sie annehmen, so wie ein Kleid, ein Haus oder ein Schiff nicht ohne die Tätigkeit eines Handwerkers entstehen können (Eus. Praep. ev. 14,24,3–25,2). Ein weiterer Beweis nimmt Bezug auf die sehr unterschiedliche Beschaffenheit der Dinge. Wenn die Atome alle von derselben Substanz sind und sich nur durch Form und Größe unterscheiden, lässt sich nicht erklären, dass ihre Zusammensetzung Dinge entstehen lässt, die so verschiedene und sogar entgegengesetzte Eigenschaften haben (sichtbare/unsichtbare; zeitliche/ewige bzw. langzeitige, μακραίωνα: 327,7; usw.). Wenn die unterschiedliche Verbindung der Atome die Ursache sein soll, stellt sich die Frage, wer diese Vorgänge leitet, so dass zum Beispiel bestimmte Atome sich miteinander vereinigen, um die Sonne, und andere, um den Mond entstehen zu lassen, und dass die geordneten Bewegungen der Himmelskörper und der Rhythmus der Jahreszeiten entstehen (Eus. Praep. ev. 14,25,3–16). Das dritte Argument bezieht sich ausführlich auf den vielgestaltigen, zweckbestimmten, lebendigen Organismus des Menschen und seine Ausstattung mit Seele, Geist und Vernunft, was unmöglich der vernunftlosen Masse der Atome zugeschrieben werden kann (Eus. Praep. ev. 14,26,1–14). Eine letzte Zuspitzung gibt Dionysios seinen Einwänden, indem er den vermeintlich wahren Gehalt der Theologie Demokrits und Epikurs aufdeckt. Die Lehre von den untätigen Göttern und der Herrschaft des Zufalls in der Welt ist der Sache nach in seinen Augen glatter Atheismus. Wenn schon bei Menschen tätiges Handeln eine Erfüllung ihres Daseins ist und sie dieses gern auf sich nehmen, um wie viel mehr müsste dies für die Götter gelten. Tätig zu sein ist für Gott
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keineswegs mühevoll. Dionysios setzt dabei voraus, dass nur eine vernünftige und zweckbestimmte Handlung auch eine gute Handlung sein kann und dass ein göttliches Wesen notwendig gut ist und gut handelt. Demokrit begibt sich zudem, wie er es sieht, in einen inneren Widerspruch, weil er ausdrücklich erklärt, dass «die Menschen die Vorstellung des Zufalls als Vorwand für ihre eigene Dummheit erfunden haben, denn von Natur aus widerstreitet die Einsicht dem Zufall» (γνώμη τύχῃ μάχεται: Demokr. 68 B 119 DK), aber in seiner Kosmologie sehr wohl von dieser Erklärung Gebrauch macht. Und Epikurs Vorstellung vom glückseligen Leben der Götter im leeren Raum behandelt er mit unverhüllter Ironie, um sie als haltlos zu erweisen und Epikur selbst, wenn er bei den Göttern schwört, als verkappten Atheisten bloßzustellen. Dionysios benutzt die in der antiken Polemik übliche Waffe der Verleumdung des Gegners; hätte Epikur mit verständigen Augen auf Himmel und Erde geblickt (wie Ps. 18,2; 32,2; 23,1; Sir. 16,29f.), dann hätte er und vor ihm Demokrit erkennen sollen, dass alles, was entstanden ist, von Gott kommt und gut ist (vgl. Gen. 1,31 und Sir. 39,18; Eus. Praep. ev. 14,27,1–13). Der andere große philosophische Themenkomplex, der von Dionysios besprochen wird, betrifft die dualistische Lehre von zwei Prinzipien, Gott und der Materie. Eusebios führt dieses Exzerpt aus einer Schrift gegen Sabellios ein, um zu beweisen, dass die biblische Lehre, nach der Gott auch die Materie schuf, viel überlegener ist als die von vielen Griechen und Barbaren vertretene Meinung, dass Gott auf eine ungewordene Materie eingewirkt habe. In seiner Einleitung zu diesem Fragment unterscheidet Eusebios diejenigen, welche die Materie als Ursache des Übels annehmen, und diejenigen, nach denen die Materie ursprünglich keine Eigenschaften besitzt und von Gott die verschiedenen Gestalten und Eigenschaften erhält (Eus. Praep. ev. 7,18,12–13). Wer die angesprochenen Thesen vertreten hat, wird nicht gesagt, es könnte die Prinzipienlehre bei Platonikern oder bei gnostischen Lehrern, eventuell auch Hermogenes im Blick sein; auf die sabellianische Lehre oder auf die des Dionysius von Rom bezieht sich das Fragment, das aus diesem Kontext stammt, sicher nicht. Dionysios bekämpft nun die Lehre, nach der eine ungewordene Materie das Substrat für Gottes Gestaltung der Welt bilde, weil sie nicht fromm ist (Eus. Praep. ev. 7,19,1). Zum einen argumentiert er streng logisch: Wenn Gott von sich aus ungeworden ist und die Ungewordenheit sein Wesen ausmacht, dann kann die Materie nicht ebenfalls ungeworden sein; denn Gott und Materie sind nicht identisch. Wenn aber Gott und Materie das sind, was als Gott und Materie existiert, und zu beiden die Ungewordenheit hinzukommt, dann ist sie, die Ungewordenheit, etwas von beiden Unterschiedenes und ontologisch früher und älter, und es blieben die entgegengesetzten Eigenschaften unerklärlich, «warum Gott leidensunfähig, unwandelbar, unbeweglich und wirkend, andererseits die Materie im Gegensatz dazu leidensfähig, wandelbar, unbeständig und veränderlich ist» (Eus. Praep. ev. 7,19,2–5). Eine zweite Überlegung ergibt sich aus christlich theologischen Voraussetzungen und geht dahin, dass Gott sich nicht wie ein menschlicher Handwerker den Eigenschaften einer unabhängig von ihm existierenden Materie – die er vor sich hat – anpassen muss, um sie zu gestalten, was absurd wäre (Eus. Praep. ev. 7,19,6). Fromm und wahr dagegen ist die Lehre, dass Gott die Materie,
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§ 101. Dionysios von Alexandrien (Bibl. 1132–1134)
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wie er sie wollte, nach seiner Weisheit geschaffen (der überlieferte Text ἐποίωσε in 7,19,7 ist schwierig; Bienert 1972 [*2512: 77] liest hier ἐποίησε) und ihr dabei nach seiner Schöpferkraft Gestalt und Form eingeprägt hat, und sie bekräftigt zudem, dass das Wesen aller Dinge, Gott, ungeworden ist und in sich bestimmte Eigenschaften trägt (Eus. Praep. ev. 7,19,7). Und wiederum setzt Dionysios diese fromme Sicht in scharfer Polemik gegen die völlig atheistischen Polytheisten ab (Eus. Praep. ev. 7,19,8). Mit Blick auf diese philosophischen Ausführungen insgesamt wird man kaum sagen können, dass Dionysios ein genuines philosophisches Interesse gehabt hat. Gewiss, er hat die angegriffenen Lehren zuverlässig wiederzugeben versucht, gewiss weiß er auch philosophische Argumentationsformen zu benutzen und dabei herkömmliche Gesichtspunkte einzusetzen. Aber wie für ihn das entscheidende Kriterium die Frömmigkeit, natürlich im christlichen Sinn, ist, so will er den Überlegenheitsanspruch der christlichen Lehre auch auf diesem Wege in Fragen der göttlichen Providenz und Schöpfermacht durchsetzen. Letztlich geht es ihm um die praktisch-religiösen Konsequenzen (vgl. Roch 1882 [*2544: 21], Bienert 1978 [*2536: 114 Anm. 46]: «Dionysios stand in diesen Dingen den simpliciores offensichtlich näher»). Die größte Aufmerksamkeit hat Dionysios jedoch durch seine Auseinandersetzung mit dem gleichnamigen Bischof von Rom (259–268) zur Logos-Christologie, durch den sogenannten «Streit der beiden Dionyse», gefunden, der sich wie ein Wetterleuchten des arianischen Streites im 4. Jahrhundert ausnimmt (Boularand 1966 [*2551]). Anlass der Kontroverse war Dionysios’ Stellungnahme gegen die modalistische Lehre, die in Libyen einige Gegner der origeneischen Logos-Christologie, von Eusebios einfach «Sabellianer» genannt, vertraten. Gegen sie betonte Dionysios die hypostatische Selbständigkeit des Gottessohnes und strich dessen Unterordnung unter den Vater auf der Linie des origeneischen Subordinatianismus kräftig hervor (Bienert 1978 [*2536: 200–221]). Als er daraufhin beim römischen Bischof verklagt wurde und dieser beide Seiten kritisierte, ohne freilich Dionysios direkt zu nennen, verteidigte er sich gegen die erhobenen Beschuldigungen im Werk ‹Widerlegung und Verteidigung› (ἔλεγχος καὶ ἀπολογία). Bei der Auswertung der daraus überlieferten Fragmente ist allerdings Vorsicht am Platz; denn es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass zumindest einige zur Aufbietung von Traditionszeugen gefälscht oder interpoliert, vielleicht auch mehrfach bearbeitet worden sind. Will man trotzdem nicht auf deren Zeugnis verzichten, ergibt sich soviel, dass Dionysios vorgeworfen wurde, er habe den Sohn für ein Geschöpf (ποίημα) gehalten (Athan. Sent. Dion. 4), seine Ewigkeit verneint (ebd. 14), ihn vom Vater getrennt (ebd. 16) und ihn nicht für mit dem Vater wesensgleich (ὁμοούσιος) gehalten (ebd. 18). Darauf habe Dionysios geantwortet, dass die wechselseitige Beziehung zwischen Vater und Sohn schon in den Begriffen eingeschlossen ist, so dass es unmöglich sei, den einen ohne den anderen zu denken (Athan. Sent. Dion. 16,3–17,2). Die Behauptung der Abhängigkeit des Seins des Sohnes vom Sein des Vaters und die Unterscheidung der Hypostasen (ebd. 23,1– 4; 25,1–2) stehe nicht im Widerspruch mit der Ewigkeit des Sohnes: Denn es gab
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keinen Moment, in dem der Vater ohne den Sohn gewesen wäre, so wie das Licht ohne seine Ausstrahlung nicht einmal denkbar ist (ebd. 15,1–2. 5). Wenn er den Vater «Schöpfer» des Sohnes genannt habe, bedeute das nicht, dass er den Sohn für ein Geschöpf halte; denn der Begriff «Schöpfer» kann in der Bibel und in der alltäglichen Sprache in mehrfachem Sinn gebraucht werden (ebd. 20,3; 21,3). Auffällig und verdächtig ist, dass der Terminus «wesenseins» bzw. «wesensgleich» (ὁμοούσιος) schon zu diesem Zeitpunkt kontrovers gewesen sein soll (zur Begriffsgeschichte von ὁμοούσιος vgl. Stead 1994 [*2564: besonders 392ff.]). Dionysios gibt dem Fragment zufolge zu, dass er den Begriff nicht verwendet habe, weil er dieses Wort in der Schrift nicht finde, und augenscheinlich will er auch jetzt diesen Ausdruck vermeiden. Er habe aber andere Begriffe benutzt, die denselben Sinn haben (ὁμογενής, «von der gleichen Art», ὁμοφυής, «von der gleichen Natur»: ebd. 18,2–3). Dionysios beschreibt seine Lehre als eine «Erweiterung» der Einheit in die Dreiheit (πλατύνομεν) und eine «Zusammenfassung» der Dreiheit in die Einheit (συγκεφαλαιούμεθα), ohne die erstere zu zerteilen und die andere zu vermindern (ebd. 17,2). Damit war der Streit fürs Erste beigelegt (Müller 1925 [*2547: 282–285] macht auf Berührungen mit Tertullian aufmerksam, Pietras 1991 [*2561] auf solche mit Philon, während die Drei-Hypostasen-Lehre natürlich origeneisches Erbe ist). Hieronymus (Ep. 70,4) rechnet Dionysios in einer langen Liste von christlichen Schriftstellern unter jene, die für ihre profane Bildung und ihre Erkenntnis in den Heiligen Schriften berühmt waren. Dionysios’ Briefe sind tatsächlich sehr reich an biblischen Zitaten und Anspielungen, um die Ereignisse seiner Zeit zu erläutern und zu deuten (z. B. Eus. Hist. eccl. 6,41,10; 7,7,5; 7,10,2. 5. 7–8). Doch den besten, wenngleich immer noch begrenzten Einblick in seine exegetischen Grundsätze gewähren die Fragmente und sonstigen Nachrichten von seiner Auslegung des ‹Predigerbuches›. Sie weisen eine gewisse Ambivalenz im Hinblick auf Origenes aus. Einerseits setzen sie treu das origeneische Erbe fort; denn auf weite Strecken deutet Dionysios den Text allegorisch (Feltoe 1904 [*2509: XXVII–XXVIII, 209], Leanza 1978 [*2559: 421–425]). Wenn beispielsweise der Prediger schreibt, dass «der Weise seine Augen im Kopf hat» (Eccl. 2,14), bezieht Dionysios diese scheinbar selbstverständliche Aussage auf die Augen des Verstandes, die der Weise immer auf Christus, das Haupt der Kirche, richtet (Feltoe 1904 [*2509: 219– 220], Bienert 1972 [*2512: 91–92]). Dieselbe Deutung findet man auch bei Origenes (Dial. 20,14–23 Scherer). Andererseits gibt es Passagen, in denen er sich in spürbare Distanz zur allegorischen Auslegungsweise und zugleich zu tragenden Elementen des Systementwurfs des Origenes begibt. Zu Eccl. 12,7 «Und der Staub kehrt zur Erde zurück» erklärt er, dass sich dieser Vers auf den menschlichen Körper beziehe und dass Körper und Geist im Sinne des Kreatianismus zusammen erschaffen worden seien. Er weist dabei ausdrücklich die Präexistenzvorstellung zurück, womit das ganze origeneische Konzept der geistigen Schöpfung hinfällig wird (Cod. Vatop. 236; Bienert 2003 [*2574: 836f.]). Prokop von Gaza berichtet zuverlässig, dass er die allegorische Deutung der Fellkleider in Gen. 3,21 auf den sinnlichen Leib und die Spiritualisierung anderer Dinge des Paradieses verworfen hat (Prok. G. In Gen. 3,21, p. 151,52 Metzler; Bienert 1972 [*2512: 121 Anm.
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§ 102. Pamphilos (Bibl. 1135–1136)
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251]). In einem erhaltenen Fragment bekämpft er tatsächlich die Deutung des Paradieses als eines «überhimmlischen Ortes» und betont den heilgeschichtlichen Realismus der biblischen Erzählung (Cod. Vatop. 236; Bienert 2003 [*2574: 836]). Dass er die Auseinandersetzung mit dem ägyptischen Chiliasmus, die er schon zuvor energisch aufgenommen hatte, im Werk ‹Über die Verheißungen› schriftlich fixiert hat, heißt nicht, dass er ein allegorisches Verständnis favorisiert habe. Gerade im Interesse der Simpliciores – vor dem verstorbenen Wortführer bezeugt er sogar tiefe Ehrfurcht – will er, dass die eschatologischen Verheißungen der Epiphanie Christi in Herrlichkeit (Tit. 2,13), der Auferstehung von den Toten und der Versammlung und Gleichwerdung mit Christus (II. Thess. 2,1; I. Ioh. 3,2) ernst genommen werden und nicht ins Irdische und Vergängliche herabgezogen werden (Eus. Hist. eccl. 7,24,5). Es liegt nahe, daraus auch zu entnehmen, dass er Origenes’ Vergeistigung der Auferstehungshoffnung nicht geteilt hat. Und nicht zuletzt scheint er gegen Origenes den ‹Hebräerbrief› für echt gehalten zu haben (Hist. eccl. 6,41,6). So scheint sich in den exegetischen und theologischen Entscheidungen des Dio nysios ein zwiespältiges Bild seines Verhältnisses zu Origenes abzuzeichnen (Feltoe 1904 [*2509: XXV–XXIX]). Auch die persönlichen Beziehungen scheinen Schwankungen unterworfen gewesen zu sein (Bienert 1978 [*2536: 106–108, 125–131], Prinzivalli 2002 [*2538: 43–44]). Der einstige Origenes-Schüler hat sich sicherlich viel von seinem Lehrer angeeignet, aber er folgte ihm doch nicht in allem. Die höhere Spekulation und die allegorische Methode, sofern sie in deren Diensten stand, lehnte er ab. In dieser Hinsicht stellte er sich zumal als Bischof auf die Seite der Simpliciores, was der Sache nach auch heißen musste, dass die enge Verknüpfung von theologischer und philosophischer Arbeit, die in der alexandrinischen Schule schon Tradition hatte, abbrach.
§ 102. Pamphilos Marco Zambon
Die ältesten Nachrichten über Pamphilos überliefert Eusebios von Caesarea in der ‹Kirchengeschichte› (Hist. eccl. 7,32,25–26; 8,13,6) und in der Abhandlung ‹Über die Märtyrer in Palästina› (Mart. Pal. 7,4–6; 11,1–3. 14–15. 20. 23); weiteres kann man den Schriften des Hieronymus (Vir. ill. 75; 81) und Photios (Bibl. cod. 118–119, 92a–93b) entnehmen. Geboren um die Mitte des 3. Jahrhunderts, entstammte Pamphilos einer vornehmen Familie in Berytos, wo er seine erste pagane Bildung empfing (Mart. Pal. 11,1–2 rec. prolix.) und möglicherweise auch juristische Studien betrieb (Röwekamp 2005 [*2585: 44]). In Alexandrien wurde er Schüler des Pierios, eines glühenden Verehrers und Nachfolgers des Origenes in der dortigen katechetischen
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
Schule (zu Pierios, dem «Origenes iunior», Hier. Vir. ill. 76; Eus. Hist. eccl. 7,32,26–27. 30; Phot. Bibl. cod. 118–119, 92a–93b). Wahrscheinlich war es ihm zu verdanken (doch vgl. Prinzivalli 2002 [*2599: 58f.]), dass Pamphilos von solcher Begeisterung für Origenes ergriffen wurde, dass er nach Caesarea übersiedelte, wo Origenes nach der Vertreibung aus Alexandrien seinen zweiten großen Wirkungskreis entfaltet hatte, und sich fortan ganz der Pflege und Förderung des Erbes des Origenes widmete (Eus. Hist. eccl. 7,32,24–25). Von Agapios, dem amtierenden Bischof von Caesarea, zum Presbyter geweiht (Eus. Hist. eccl. 7,32,25), erweckte er die von Origenes begründete Schule zu neuem Leben und reorganisierte die darniederliegende Bibliothek, so dass er als ihr eigentlicher Stifter angesehen werden kann (Le Boulluec 2008 [*2623: 253]). Recht bald dürfte Eusebios in seinen Schülerkreis getreten sein; er wurde sein engster Mitarbeiter und legte sich aus Verehrung zu seinem Lehrer, der vielleicht auch sein Pflegevater war, den Beinamen «Eusebios des Pamphilos» zu (Hier. Vir. ill. 81; Phot. Bibl. cod. 13, 4b). Im November 307 wurde Pamphilos während der Christenverfolgung unter dem Statthalter Urbanus zusammen mit elf Glaubensgenossen verhaftet, doch hatte Eusebios noch freien Zugang zu ihm. Am 16. Februar 310 erlitt er das Martyrium, indem er auf Befehl des Statthalters Firminianus enthauptet wurde (Eus. Hist. eccl. 7,32,25; 8,13,6; Mart. Pal. 7,4–6; 11,2–3). Eusebios verfasste eine heute verlorene Biographie des Pamphilos in drei Büchern (vgl. Eus. Hist. eccl. 7,32,25; auch 6,32,3; 8,13,6; ferner Mart. Pal. 11,3; Hier. Vir. ill. 81; Ep. 34,1; Adv. Rufin. 1,9). Auch sein Lehrer Pierios soll – ein seltener Fall – eine Lobrede auf ihn verfasst haben (Philippos von Side: de Boor 1888 [*2605: 171]), die aber schon unseren antiken Zeugen nicht mehr verfügbar war. Literarisch tätig geworden ist Pamphilos abgesehen von einer Ausnahme nicht. Seine nicht zu unterschätzende Bedeutung liegt in seiner Schultätigkeit und mehr noch in seinen bibliothekarischen und textkritischen Aktivitäten. Er setzte alles daran, die Bibliothek von Caesarea mit einer möglichst vollständigen Sammlung von Origenes’ Schriften auszustatten; er fertigte einen Katalog der Werke des Origenes an (Eus. Hist. eccl. 6,32,3), viele Schriften des Origenes hat er eigenhändig kopiert (Hier. Vir. ill. 75; Phot. Bibl. cod. 118, 92b). Aber er besorgte auch Abschriften von anderen christlichen und wahrscheinlich auch paganen Autoren (Eus. Hist. eccl. 6,32,3; Hier. Epist. 34,1; Vir. ill. 75), so dass die Büchersammlung von Caesarea zu einer der wichtigsten christlichen Bibliotheken des Römischen Reiches wurde (Cavallo 1988 [*2610], Carriker 2003 [*2620]). Weiter kümmerte er sich intensiv um die Verbesserung des griechischen Bibeltextes der von Origenes gefertigten ‹Hexapla› (Hier. Adv. Rufin. 2,27), wovon mehrere Handschriften aus späteren Zeiten noch Spuren zeigen (Nautin 1977 [*2606: 322–325, 354–357], Cavallo 1988 [*2610: 70–72], Carriker 2003 [*2620: 14–17], Morlet 2011 [*2624]). Diese Bibelrezension fand dank Pamphilos’ Bemühungen weite Verbreitung in Palästina und anderswo, wo sie als einzige in Gebrauch war (Hier. Adv. Rufin. praef. 2,27). Das einzige literarische Werk, das Pamphilos verfasste, war die zwischen 307 und 310 unter Beihilfe des Eusebios in der Gefangenschaft entstandene ‹Apologie für Origenes› in fünf Büchern (Eus. Hist. eccl. 6,33,4; Socr. Hist. eccl. 3,7,7– 10), denen Eusebios selbst nach dem Tod des Pamphilos noch ein sechstes hinzu-
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§ 102. Pamphilos (Bibl. 1135–1136)
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fügte (Phot. Bibl. cod. 118, 92b). Welchen genauen Anteil bei den ersten Büchern Eusebios im Einzelnen hatte, dürfte sich kaum mehr mit Sicherheit ermitteln lassen, weil die Nachrichten darüber stark divergieren (Eus. Hist. eccl. 6,33,4; Rufin. Apol. Orig. praef. 1; offensichtlich tendenziös ist Hier. Adv. Rufin. 1,9–10; 2,23; 3,12, vgl. Junod 1992 [*2613], Amacker, Junod 2002 [*2584: II 21–24], Röwekamp 2005 [*2585: 51–53]). Erhalten hat sich auf jeden Fall nur die lateinische Übersetzung des ersten Buches, die Rufinus im Jahr 397/98 angefertigt hat, wobei unklar bleibt, ob Rufinus absichtlich nur dieses eine Buch als eine Art Einführung in Origenes’ Denken (vgl. Rufin. Apol. Orig. 1,11) übersetzte oder ob er die übrigen Bücher nicht kannte. Auf das Vorwort des Übersetzers folgt ein Widmungsbrief, gerichtet an zu Zwangsarbeit in den Minen verurteilte Konfessoren, die gegen Origenes voreingenommen waren (Apol. Orig. 1–21; Junod 1987 [*2608: 128]). Ihnen will Pamphilos die sachgemäße Methode, wie man Origenes’ Schriften lesen muss, darlegen: Origenes’ Ziel sei es nicht gewesen, die von ihm aufgeworfenen Fragen dogmatisch definitiv zu lösen, sondern er habe experimentell nach dem Sinn der Heiligen Schrift geforscht und seine Überlegungen den Lesern zur Diskussion stellen wollen, ohne die kirchliche Glaubenstradition zu verlassen (Apol. Orig. 3). Und zum Beweis dessen folgen nach Art einer Anthologie längere Origenes-Exzerpte, bewusst fast nur aus ‹De principiis› ausgewählt (Apol. Orig. 20; 36: hier habe Origenes «secreto» und nicht für die Öffentlichkeit geschrieben), die seine Rechtgläubigkeit bestätigen sollen. Gegenstände sind die Zusammenfassung der Glaubensregel (Apol. Orig. 22–37), die Trinitätslehre (Apol. Orig. 38–82) und Christologie (Apol. Orig. 83–86), dann nach einer Aufzählung von neun speziell erhobenen Vorwürfen (Apol. Orig. 87; dazu Nautin 1977 [*2606: 134–144], Junod 1987 [*2608: 129–131], Williams 1993 [*2615], Amacker, Junod 2002 [*2584: II 81– 98]) erneut die Christologie (Apol. Orig. 88–121), die Bibelhermeneutik (Apol. Orig. 122–126) sowie schließlich Fragen der Eschatologie (Apol. Orig. 127–188). Über den Inhalt der weiteren Bücher lässt sich wenig Genaues sagen. Die Bücher 2 bis 5 stellten wohl Origenes’ Leben und Werk dar (Eus. Hist. eccl. 6,23,4 zu Buch 2), Buch 6 enthielt Briefe des Origenes (Eus. Hist. eccl. 6,36,3f.). Es ist klar, dass Rufinus’ Übersetzung des ersten Buches ihrerseits erneut apologetischen Zwecken diente und daher mit kritischer Vorsicht benutzt werden muss (vgl. die unterschiedliche Bewertung von Williams 1993 [*2615], Prinzivalli 2002 [*2599: 10f.], Amacker, Junod 2002 [*2584: II 9–24, 45–52]). Doch ist bemerkenswert, dass Pamphilos’ Apologie, zumindest in der überlieferten Form, nicht direkt auf den später üblichen Vorwurf reagiert, Origenes sei zu stark von der griechischen Philosophie abhängig gewesen, wenngleich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe allesamt von einer theologischen Einstellung herrühren, die gegenüber einer mit philosophischen Begriffen und Methoden arbeitenden Theologie sehr misstrauisch ist (Röwekamp 2005 [*2585: 197–201]).
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VIII. Philosophie im frühen Christentum der vornizänischen Zeit
§ 103. Methodios Marco Zambon unter Mitwirkung von Dietmar Wyrwa
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Über das Leben des Methodios ist kaum etwas Sicheres bekannt (Patterson 1997 [*2653: 14–21], Mejzner, Zorzi 2010 [*2639: 20–27]). Eusebios schweigt über ihn in der ‹Kirchengeschichte›. Eine Bemerkung von Eusebios aus dem sechsten Buch der ‹Apologie für Origenes›, wo er sich darüber empört, dass Methodios gegen Origenes geschrieben hat, ist die älteste Erwähnung (Rufin. Apol. Orig. 6 nach Hier. Adv. Rufin. 1,11); der Formulierung dürfte zu entnehmen sein, dass Methodios zur Zeit der Abfassung des Buches (310 oder kurz danach) noch lebte. Hieronymus’ Eintrag in ‹De viris illustribus› 83 ist unzuverlässig. Hier wird greifbar, wie verwirrt die zu Hieronymus gelangten Überlieferungen über Methodios bereits gewesen sind, aber das von ihm mitgeteilte Schriftenverzeichnis ist wertvoll, und besondere Beachtung verdient die Information, dass Methodios eine heute verschollene Schrift ‹Adversus Porphyrium›, die erste Gegenschrift, der weitere von Eusebios und Apollinarios folgen sollten, verfasst hat (siehe auch Hier. Ep. 49,13; 70,3; Comm. in Dan. prol.). Die antiken Nachrichten bringen ihn mit Städten und Landschaften in Lykien in Verbindung. Ihm werden sechs verschiedene Bischofssitze zugeschrieben, aber es gibt keine sichere Bestätigung, dass er tatsächlich Bischof von Olympos oder von einer der anderen Städte war (Bracht 1999 [*2654: 346–374] und 2001 [*2698] hält die Überlieferung, nach der Methodios Bischof von Olympos war, für glaubwürdig; Diekamp 1928 [*2665] zog Philippi vor). Wahrscheinlich war er eher ein freier christlicher Wanderlehrer mit starken Interessen für das kirchliche und asketische Leben (Quensell 1952 [*2667], van de Paverd 1978 [*2680: 462], Williams 1992 [*2694: 680], Patterson 1997 [*2653: 18–21]; gegen diese Annahme Bracht 1999 [*2654: 358]). Indizien in seinen Werken lassen vermuten, dass er mit einem Kreis von Männern und Frauen in Kontakt stand, mit denen er ein christlich asketisches Leben führte und theologische, exegetische und ethische Fragen zu besprechen pflegte (Aut. 1,7; Symp. 11,293; Cib. 1,1). So teilte er mit zeitgenössischen Platonikern dieselbe Meinung über Ziel und Lebensform einer philosophischen Gemeinschaft (DePalma Digeser 2010 [*2709]). Die Tradition, dass er als Märtyrer gestorben sei, war schon zu Hieronymus’ Zeiten schwankend (Vir. ill. 83: der Ort Chalkis in Griechenland ist sicher unrichtig). Hieronymus entscheidet zugunsten der Datierung in die letzte
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§ 103. Methodios (Bibl. 1136–1139)
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Christenverfolgung unter Maximinus Daia, d. h. in die Jahre 311/312 (nach Musurillo 1963 [*2637: 10] wäre auch ein späteres Datum denkbar), aber absolut sicher scheint die Nachricht von seinem Martyrium nicht zu sein (Williams 1992 [*2694: 680], Patterson 1997 [*2653: 18–21, 81 Anm. 1]; Resur. 1,56,9 könnte ein Hinweis auf die Zeit der Verfolgung sein, doch urteilte Harnack 1904 [*2663: II 2,148], dass sich solche Hinweise in den erhaltenen Werken nicht finden). 2. WERKE Das Œuvre von Methodios war umfangreich (Bracht 1999 [*2654: 378–391], Mejzner, Zorzi 2010 [*2639: 20–27]): Hieronymus zählt in einem allerdings unvollständigen Werkverzeichnis sieben Titel auf (Vir. ill. 83). Von diesen Schriften ist auf Griechisch allein das ‹Gastmahl› vollständig erhalten; von den anderen existieren bloß noch mehr oder weniger umfangreiche Bruchstücke, die teils direkt, teils indirekt überliefert sind. Eine Sammlung von Werken wurde in der Mitte des 10. Jahrhunderts ins Altslawische wortgetreu übersetzt und ist erhalten (Bracht 1999 [*2654: 6–12]).
‹Symposium decem virginum› Συμπόσιον ἢ περὶ ἁγνείας – ‹Gastmahl oder über die Keuschheit› (Symp.; CPG 1810) Das Gastmahl ist eine ausdrückliche Umgestaltung des gleichnamigen Dialogs Platons unter christlichen Gesichtspunkten: Nicht der platonische Eros, sondern die Reinheit (ἁγνεία), d. h. die Keuschheit ist die Voraussetzung, um zur geistlichen Vollkommenheit zu gelangen (vgl. die Adaption von Plat. Symp. 180b in Symp. 4,101). Wie das platonische Vorbild ist die Schrift der literarischen Form nach ein erzählter Dialog. Zehn Jungfrauen, die in den Garten der Arete, den λειμὼν τῆς ἀφθαρσίας («Hain der Unvergänglichkeit»), geladen sind, halten nach dem Gastmahl Reden über die Keuschheit (zur symbolischen Szenerie des steilen und anstrengenden Anmarsches und des Keuschheitsbaumes im Garten vgl. Voss 1970 [*2673: 113], sowie Symp. praef. 8 mit Gen. 2,10 und Plat. Phdr. 230b; Symp. 9,250); am Ende ergreift Arete, die Tochter der Philosophie, das Wort, um die zehn Jungfrauen zu loben, und schließlich vereinigen sich alle zu einem Hymnus auf den himmlischen Bräutigam (Pellegrino 1958 [*2635], Patterson 1997 [*2653: 240–244], Ramelli 2008 [*2705]). Die zehn Reden sind nicht nach
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einem durchgehend festen Plan geordnet. Sie bilden nicht oder nur zum Teil die Stufen einer theologischen oder asketischen Entwicklung ab, sondern haben eher den Charakter einer lockeren Reihe von katechetischen Homilien (Musurillo 1963 [*2637: 24], Voss 1970 [*2673: 105]). In den ersten drei Reden geht es um Jungfräulichkeit sowie um Ehe und Kinderzeugung in der heilsgeschichtlichen Abfolge des göttlichen Erziehungsplanes. Christus ist der ἀρχιπάρθενος, der den Menschen die Jungfräulichkeit gebracht hat. Diese führt zur Unsterblichkeit und zur Vollendung der Gottebenbildlichkeit, was die vierte Rede näher ausführt. In den folgenden Reden werden nach den verschiedensten Richtungen die exegetischen Grundlagen ausgewertet, und in den beiden letzten, Symp. 9 und 10, wird die heilsgeschichtliche Thematik wieder aufgenommen und abgeschlossen. Das Werk gehört zu den Frühwerken des Methodios, er selbst spricht später (Cib. 1,1) von Angriffen, denen er wegen dieser Schrift ausgesetzt war (Voss 1970 [*2673: 95], Patterson 1997 [*2653: 27f.]). Eine detaillierte Inhaltsangabe bietet Bracht 1999 [*2654: 386–390].
‹De autexusio› Περὶ τοῦ αὐτεξουσίου – ‹Über den freien Willen› (Aut.; CPG 1811) Große Teile des Dialoges sind griechisch erhalten bei Eusebios unter dem Titel ‹Über die Materie›, wobei er sie einem gewissen Maximos aus dem 2. Jahrhundert zuschreibt (Eus. Praep. ev. 7,22; zu Maximos Eus. Hist. eccl. 5,27). Von dort sind sie in die ‹Philokalie› der Kappadokier (Kap. 24) als Auszüge aus Origenes übernommen worden. Photios (Bibl. cod. 236, 304b–308a) bietet umfangreiche Exzerpte, die ‹Sacra Parallela› mehrere Bruchstücke. Auch im Dialog eines sonst unbekannten Adamantios ‹Über den rechten Glauben› vom Anfang des 4. Jahrhunderts ist das
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Werk benutzt, aber es existiert eine vollständige und getreue altslawische Übersetzung aus dem 10. Jahrhundert, die es gestattet, den ursprüngliche Text fast vollständig wiederzugewinnen. In dieser Version trägt die Schrift den Titel ‹Über Gott, die Materie und den freien Willen›, der dem Inhalt am besten gerecht wird. Während an der Autorschaft des Methodios nicht zu zweifeln ist (Voss 1970 [*2673: 93]), stellen die differierenden Zuschreibungen und die unterschiedlichen Titel ein besonderes Problem dar (Franchi 2009 [*2707]). Möglicherweise hat Eusebios den Namen eines Gesprächspartners im Dialog für den Namen des Verfassers gehalten. Die Schrift könnte einen Titel wie ‹Maximos oder über die Willensfreiheit› getragen haben, der durch die fälschliche Identifizierung mit einem Autor Maximos verloren gegangen wäre (Zahn 1888 [*2662: 226–227], Robinson 1893 [*2631: XL–XLI, XLVI– XLVIII], Patterson 1997 [*2653: 13, 38–39]; laut Barnes 1979 [*2681] war Methodios von einem früheren Schriftsteller namens Maximos tatsächlich abhängig; siehe auch Franchi 2009 [*2707: 28– 31]). Möglich wäre aber auch, dass das Werk gar nicht in einer endgültigen redaktionellen Bearbeitung publiziert worden ist, sondern Materialien für Methodios’ Schulbetrieb enthielt. Das könnte auch die relative Unverbundenheit der verschiedenen Teile des Dialoges erklären (Vaillant 1930 [*2634: 637–639, 648–653], Voss 1970 [*2673: 94– 96], Prinzivalli 2002 [*2699: 119], Franchi 2009 [*2707: 20]). Das Werk besteht aus zwei Hauptteilen, die von einer Einleitung (Kap. 1) und einem Epilog (Kap. 22; in der Ausgabe von Bonwetsch 1917 [*2632] fehlt jedoch ein Kapitel 21) gerahmt sind. Nach der Exponierung der Thematik über die Ursache des Bösen (Kap. 2–4) wird unter der Zwischenüberschrift ‹Über Gott und die Materie› die These, dass eine ewige Materie als Ursache für das Böse anzusehen sei, philosophisch widerlegt (Kap. 5–16,1). Im zweiten Hauptteil – in der altslawischen Version unter der Zwischenüberschrift ‹Über die Willensfreiheit› – wird die theologische Antwort, dass Ursache des Bösen der freie Wille des Menschen ist, entfaltet (Kap. 16,2–20,8, gefolgt von einer Zusammenfassung in Kap. 22,1–9; Farges 1929 [*2633] setzt die Zäsur mit Kap. 13 an, wo die Thematik über die Natur des Bösen einsetzt). Die Schrift ist ein sehr frühes Werk, wenn nicht sogar das früheste (Voss 1970 [*2673: 95], Patterson 1997 [*2653: 31f.]). Eine detaillierte Inhaltsangabe findet sich bei Bracht 1999 [*2654: 378–380].
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‹De resurrectione› Ἀγλαόφων ἢ περὶ ἀναστάσεως – ‹Aglaophon oder über die Auferstehung› (Resur.; CPG 1812) Das Werk, ebenfalls ein Dialog, ist eine späte Schrift, die – wie Methodios selbst sagt (Cib. 1,1–3) – später als das ‹Symposium decem virginum› abgefasst und unvollendet ist; es ist auch Methodios’ umfangreichste (Mejzner, Zorzi 2010 [*2639: 33] nimmt wie Dechow 1992 [*2692] für die Abfassung das Jahr 310 an). Möglicherweise ist ‹De resurrectione› identisch mit der in Sang. 10,4 angekündigten Schrift ‹De carne› (Patterson 1997 [*2653: 26f.]). Vorhanden sind griechische Fragmente bei Epiphanios (Haer. 64) und anderswo, die sich aber nur durch die altslawische, gegen Ende zusammenraffende Übersetzung zuordnen lassen. Es bleibt unsicher, ob das fast völlige Verschwinden der dialogischen Form im dritten Buch auf den Verfasser oder die zusammenfassende Art der Übersetzung zurückgeht (Voss 1970 [*2673: 116–118]). Die Inszenierung des Dialoges ist vom platonischen ‹Protagoras› inspiriert (Resur. 1,1,1–8 mit Plat. Prot. 314e–315c; Patterson 1989 [*2691: 222]). Vier Gesprächspartner diskutieren über die Natur des Leibes und die leibliche Auferstehung; sie wollen «die häretischen Philosopheme zur Zerstörung der Lüge erforschen» (Resur. 1,1,3. 3,8). Zuerst werden exegetische und philosophische Argumente gegen die Möglichkeit der leiblichen Auferstehung vorgebracht zugunsten einer Auferstehung der Form, nicht der Substanz nach als eines geistigen Leibes (Resur. 1,1–18). Dafür wird auch ein Auszug aus Origenes’ Kommentar zu Ps. 1,5 aufgeboten (Resur. 1,19–26). Die Entgegnungsrede entfaltet unter Berufung auf Gottes schöpferische Allmacht die orthodoxe Lehre von der leiblichen Auferstehung und geht zugleich auf fast alle Themen der Anthropologie ein (Resur. 1,27–2,8), wobei auch medizinische Fragen angesprochen werden (Resur. 2,9–30). Schließlich wendet sich ein orthodoxer Teilnehmer, in diesem Fall Methodios selbst, gegen den persönlich auftretenden Origenes, um dessen spiritualisierendes Verständnis zu widerlegen (Resur. 3,1–22). Der Dialog endet mit Gebet und Doxologie (Resur. 3,23). Es ist nicht klar, ob bzw. inwieweit die Schrift von Anfang an als eine antiorigenistische Abhandlung entworfen wurde. Der Auszug aus Origenes’ Psalmenauslegung zu Ps. 1,5 wirkt wie ein Fremdkörper im Gedankengang (Voss 1970 [*2673: 124f.], Patterson 1997 [*2653: 143–145, 172 Anm. 37]), und es liegt nahe, dass Methodios die zu Anfang genannten Argumente gegen die leibliche
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Auferstehung zunächst gar nicht Origenes habe zuschreiben wollen und sie auch nicht als Origenes’ Meinung habe widerlegen wollen – sein Name fällt ja überhaupt erst in Buch 3. Methodios wäre aber zunehmend darauf aufmerksam geworden, dass die bekämpften Positionen aus Voraussetzungen des origeneischen Denkens erwachsen sind, und er hätte dies schließlich zum Vehikel seiner Auseinandersetzung im letzten Buch gemacht (Patterson 1989 [*2691: 222f.] und 1997 [*2653: 143–155, 170f., 184), Mejzner, Zorzi 2010 [*2639: 33f.]). Andernfalls könnte man die Gestaltung der Schrift als rhetorisches Mittel deuten, um die heterodoxen Implikationen einer bestimmten, von einigen Zeitgenossen vertretenen Deutung der origeneischen Lehre darzustellen, ohne den großen – und von Methodios verehrten (Resur. 1,19,1; 3,3,2–3; 3,22) – kirchlichen Lehrer direkt der Häresie anzuklagen (Prinzivalli 2002 [*2699: 89, 108–111]). Eine Inhaltsangabe bietet Bracht 1999 [*2654: 182–185].
‹De lepra› ‹An Sistelius, über den Aussatz› (Lepr.; CPG 1815) Von dem Dialog existieren griechische Fragmente und eine leicht gekürzte altslawische Übersetzung. Inhalt ist eine allegorische Auslegung von Lev. 13, wonach die Arten des Aussatzes auf die Seelenkrankheiten im Sinne der stoischen Affekte bezogen werden (Kap. 5–12) und anschließend der Aussatz an Kleidern ekklesiologisch auf die Kirche bezogen wird (Kap. 13–18). Eine Inhaltsangabe findet sich bei Bracht 1999 [*2654: 381f.].
‹De creatis› Ξένων ἢ περὶ τῶν γενητῶν – ‹Xenon oder über die Geschöpfe› (Creat.; CPG 1817) Von diesem Dialog, der eine der spätesten Schriften des Methodios ist (Patterson 1992 [*2693]), sind nur einige Auszüge bei Photios Bibl. cod. 235, 301b–304b unter der Überschrift Περὶ τῶν γενητῶν überliefert. Diese Schrift ist sicher dieselbe, die Sokrates (Hist. eccl. 6,13) unter dem Titel ‹Xenon› erwähnt, vielleicht ist sie auch identisch mit der von Hier. Vir. ill. 38 genannten exegetischen Schrift über die ‹Genesis› (Buchheit 1958 [*2669: 129–133]). Das Werk, dessen Aufbau und Gedankengang nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden kann (Voss 1970 [*2673: 130ff.]),
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beinhaltet in der Mehrheit der Fragmente eine feindliche, aggressive Auseinandersetzung mit – Photios zufolge – Origenes, andernfalls mit Origenisten über die Schöpfungslehre. Eine Inhaltsangabe bietet Bracht 1999 [*2654: 380f.]. Die Form von Traktaten haben die folgenden Werke:
‹De vita› ‹Über das Leben und die vernünftigen Handlungen› (CPG 1813) Die Schrift ist nur in altslawischer Sprache erhalten. Sie behandelt die Wechselhaftigkeit des Lebens und die vernünftigen Einstellungen dazu. Unter allen seinen Werken lässt dieses den stoischen Einfluss am stärksten erkennen. Eine Inhaltsangabe findet sich bei Bracht 1999 [*2654: 385f.].
‹De cibis› ‹Über die Unterscheidung der Speise. Und über die junge Kuh, welche im ‘Leviticus’ erwähnt wird, mit deren Asche die Sünder besprengt wurden› (Cib.; CPG 1814) Der kleine Brieftraktat ist ebenfalls nur in altslawischer Übersetzung erhalten. Er behandelt zuerst die Bedeutung von Leiden, Anfechtung und Tugend für die Vervollkommnung des Menschen (Cib. 1–5); sodann werden die Reinheitsgebote aus Num. 19 typologisch ausgelegt. Die junge Kuh von Num. 19 wird als Zeichen auf Christus, das vollkommene Lamm, durch dessen Tod die Menschen gereinigt werden, gedeutet (Kap. 6–15). Eine Inhaltsangabe bietet Bracht 1999 [*2654: 380].
‹De sanguisuga› ‹Über den Igel, welcher in den ‘Sprichwör tern’ ist, und über ‘die Himmel verkünden die Herrlichkeit Gottes’› (Sang.; CPG 1816) Der exegetische Traktat legt auf eine Anfrage hin Prov. 30,15 und Ps. 19,2. 5 aus. Prov. 30,15 wird allegorisch nach stoischer Vorstellung auf die Sünde, die durch die Sinneswahrnehmungen in das Innere des Menschen eindringt und dort großen Schaden anrichtet, gedeutet, Ps. 19,2. 5 wird typologisch auf Christus bezogen. Eine Inhaltsangabe findet sich bei Bracht 1999 [*2654: 385].
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Einige sehr kurze exegetische Fragmente sind noch griechisch überliefert, die hier außer Acht gelassen werden können. Als verloren muss die von Hieronymus genannte Schrift ‹Adversus Porphyrium› gelten, die vielleicht in die Frühphase von Methodios’ schriftstellerischer Tätigkeit gehörte (Mejzner, Zorzi 2010 [*2639: 27]). Die in den Editionen abgedruckten Fragmente (CPG 1818) sind umstritten. Einige Forscher halten sie für sicher unecht (Buchheit 1958 [*2669: 120–129], Patterson 1997 [*2653: 223]), andere wenden ein, dass die darin zurückgewiesene Kritik am Christentum sachlich
Porphyrios zugeschrieben werden kann (Becker 2016 [*2282: 437–442]), und schließen deshalb die Möglichkeit der Echtheit nicht völlig aus. Becker führt die Auszüge unter den Dubia (Porph. Adv. Christ. fr. 82D.–84D. Becker). Ebenfalls verloren ist ‹De Pythonissa›, ein Werk, das Hier. Vir. ill. 83 zufolge gegen Origenes gerichtet gewesen sein soll. Hingegen sind ihm einige Schriften untergeschoben worden, von denen die dem 7. Jahrhundert angehörigen, ursprünglich syrisch verfassten ‹Revelationes› im Mittelalter die weiteste Verbreitung gefunden haben (Bracht 1999 [*2654: 391]).
3. LEHRE
1. Methodios’ philosophisch-theologisches Profil. – 2. Der Ursprung des Bösen und die Konstitution der Schöpfung. – 3. Gottes Heilsökonomie in der Geschichte. – 4. Die Anthropologie und die Lehre der Auferstehung. – 5. Späte Polemik gegen die Annahme einer ewigen Schöpfung.
1. Methodios’ philosophisch-theologisches Profil Zweifellos verfügte Methodios über eine gründliche pagane Bildung. Berühmte Homerverse, die zum Teil schon bei früheren christlichen Autoren begegneten, sind bei ihm, frei von paganen Konnotationen, einfach in das Gewebe der christlichen Bildsprache eingegangen oder verleihen in christianisiertem Gebrauch bestimmten theologischen Grundgedanken oder szenischen Gestaltungen einer Dia logpartie ein besonderes Gewicht (Buchheit 1956 [*2668]). Weitere literarische Reminiszenzen an die griechische Dichtung erfolgen ganz im rhetorischen Stil der Zweiten Sophistik (Vaillant 1930 [*2634: 654f.]). Seine respektablen philosophischen Kenntnisse machen es ihm möglich, die Philosophie als gemeinsame Kommunikationsbasis in seinen Auseinandersetzungen mit den verschiedensten Geistesströmungen der Zeit zu nutzen, um die christlichen Positionen zu profilieren. Stoische Gedanken sind für ihn so selbstverständlich, dass sie für seine Anthropologie konstitutiv geworden sind, ohne dass ihm das vielleicht im vollen Ausmaß bewusst war (Bracht 2012 [*2712: 774, 777f.]). Auch seine kosmologischen Anschauungen sind von Teilmomenten der stoischen Lehre durchsetzt (Bracht 1999 [*2654: 37–40]); und ebenso kennt und befolgt er aristotelische Grundregeln der logischen Argumentation (Vaillant 1930 [*2634: 643, 645, 654], Patterson 1997 [*2653: 51f.]). Nicht unbedeutend scheint auch sein Interesse für die Medizin seiner Zeit gewesen zu sein (Farges 1929 [*2652: 250–251], Patterson 1997 [*2653: 149, 154]). Doch kein Philosoph ist in seinem Werk derart stark präsent wie Platon (Bonwetsch 1917 [*2632: 535–537], Margheritis 1937 [*2666], Zorzi 2003 [*2701] und
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2007 [*2704: 337–371]). Allgegenwärtig ist eine platonische Sprachfärbung von allgemeinen Wortwendungen und gesuchten Anspielungen (z. B. Symp. 5,128: μίμημα, παράδειγμα, βλέπειν πρός, ἰδέα; Musurillo 1963 [*2637: 14], Voss 1970 [*2673: 110– 111], Dechow 1992 [*2692: 515]). Platonische Theoreme stehen bei fast allen Sach erörterungen mit zur Diskussion. Sie sind in der Regel mittelplatonischer Prove nienz; ob auch neuplatonische Beeinflussung greifbar ist, ist weniger sicher (in Bezug auf die Soteriologie Bracht 1999 [*2654: 206–217]), doch dass ‹De resurrectione› spezifische Berührungen mit Porphyrios aufweise, wie Benjamins 1999 [*2697], Bienert 2003 [*2700: 841], DePalma Digeser 2010 [*2709] aufgrund von Motiven wie ‘der Leib als Gefängnis der Seele’ u. a. annehmen, dafür sind die Indizien zu schwach (Prinzivalli 2002 [*2699: 84f.]). Und nicht zuletzt verstand es Methodios vorzüglich, die literarische Form der Dialoge Platons nachzuahmen (Bracht 1999 [*2654: 233–236]). Fast alle seine Werke sind als Dialoge verfasst, was namentlich im Fall von ‹Symposium decem virginum› verschieden gedeutet werden kann. Es kann als Gestaltungsmittel einer ‘polyphonen’ Theologie verstanden werden, dass aus dem vielstimmigen Zusammentreffen aller Dialogbeiträge der Grundakkord der wahren Lehre zum Klingen kommt (Prinzivalli 1998 [*2696: 49]). Es kann aber auch als apologetisches Vorgehen verstanden werden, um zu zeigen, dass nicht im zeitgenössischen Platonismus, sondern im Christentum das platonische Streben nach dem wahren Schönen sich verwirklicht (Musurillo 1963 [*2637: 14]). Tatsächlich nimmt die kritische Zurückweisung von Positionen der zeitgenössischen Philosophie einen beträchtlichen Anteil in seinem Werk ein, was mit der hoch stilisierten Gegenüberstellung vom verlockenden, aber trügerischen Gesang der griechischen Sirenen, dessen Frucht der Tod ist, und dem heilbringenden Chor der Propheten und der Apostel, der das wahre Leben schenkt, eindrücklich veranschaulicht wird (Aut. 1,1–6 mit Od. 12,158ff.; Symp. 8,172; Resur. 1,28,1; vgl. Clem. Alex. Prot. 18,1. 4). Entsprechend setzt er die platonische Polemik gegen die Sophisten ein, um pagane Philosophen und Häretiker zu treffen (Symp. 7,161; 8,172; Resur. 1,27,2–3; 1,28). Indessen darf man die Gesprächspartner in den Dialogen nicht ohne Weiteres mit konkreten historischen Gestalten und ihren Lehrweisen identifizieren; sie haben immer einen gewissen künstlichen Charakter und sind so gestaltet, dass aus ihnen markante Gegenpositionen entstehen, unter denen sich die wahre Lehre im Laufe der Auseinandersetzung klar durchsetzen kann (Voss 1970 [*2673: 91–134], Patterson 1997 [*2653: 11–13]). Was seine Kenntnis der christlichen theologischen Tradition betrifft, ist er mit den älteren Apologeten, Justin, Athenagoras, Theophilos, die er namentlich nennt, gut vertraut, ebenso mit Tatian und, auf welchem Wege auch immer, mit Tertullian. Auch die zu seiner Zeit berüchtigten Häretiker führt er an. Ganz wesentlich aber ist die heilsgeschichtliche Orientierung seines Denkens durch Irenäus und Clemens geprägt (Bonwetsch 1903 [*2651: 160–171], Patterson 1989 [*2691: 225– 228], Prinzivalli 1998 [*2696: 49]). Ein besonderes Kapitel ist sein Verhältnis zu Origenes. Dass Hieronymus seine Gegnerschaft gegen Origenes durchweg und betont herausgestrichen hat und dass er selbst in bestimmter Hinsicht wirklich gegen Origenes Stellung bezogen hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Origenes sehr viel mehr verdankt, als
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es oberflächlich scheinen könnte, und dass er auf vielfältige Weise derselben alexandrinischen Geisteswelt angehört wie jener (Williams 1992 [*2694: 681], Patterson 1997 [*2653: 128, 230] gegen Zuweisung zu einer sogenannten Kleinasiatischen Schule). In erster Linie bezeugt sein Umgang mit der Bibel den Einfluss des Origenes. Wie jener ist er überzeugt, dass geistlicher Fortschritt nur durch unablässiges Bibelstudium möglich ist (Symp. 1,12–15) und dass nach Hebr. 10,1 die Unterscheidung von Schatten (im Sinne von Gesetz), Bild (im Sinne von Evangelium) und wahrer Wirklichkeit (im Sinne von Vollendung) das Bibelverständnis leiten muss (Symp. 5,127–129; 9,240f.; Cib. 7,7; Patterson 1997 [*2653: 127f.]; zur heilsgeschichtlichen Umakzentuierung Prinzivalli 2002 [*2699: 151–163]). Demgemäß tritt zum buchstäblichen Verständnis, das sein volles Recht hat und bisweilen auch nur allein möglich ist (Symp. 3,71–74; Prinzivalli 1985 [*2687: 45ff.]), die geistliche, d. h. die allegorische Auslegung, die den höheren Rang genießt, weil sie direkt auf die Wahrheit weist; dabei sind auch mehrere geistliche Deutungen derselben Stelle gleichzeitig möglich (Bonwetsch 1903 [*2651: 148–154], Prinzivalli 1985 [*2687], Bracht 1999 [*2654: 149–152]). Die Rechtmäßigkeit der allegorischen Exegese hat Methodios nie geleugnet. Doch auch in wichtigen dogmatischen Fragen hat er sich Origenes angeschlossen. Wie dieser ist auch er ein strenger Vertreter der Freiheit des menschlichen Willens; und von ihm ist er in der Lehre der Zeugung des Wortes «vor den Äonen» und in der Unterordnung des Sohnes unter den Vater deutlich beeinflusst, um nur diese Punkte zu nennen (Symp. 3,60; 7,149; 8,193; Bonwetsch 1903 [*2651: 168–169], Patterson 1966 [*2670]). Manchmal kann sogar der Eindruck entstehen, er habe mit dem origeneischen Text vor Augen gearbeitet (Marin 1981 [*2682: 475]). Aber sein Verhältnis zu Origenes ist ambivalent (Bienert 2003 [*2700: 840f.]). In der frühen Phase seiner schriftstellerischen Tätigkeit begegnet man einer entschiedenen Polemik gegen den kosmologischen Dualismus (Aut. 5,1– 16,1) und gegen den Fatalismus (Symp. 8,210–217. 230), Einwände, die wahrscheinlich gegen griechische Philosophen, vielleicht auch gegen vereinzelte platonisierende Christen und höchstens indirekt gegen gnostische Lehren gerichtet sind, die aber nicht Origenes betreffen (Farges 1929 [*2652: 15], Vaillant 1930 [*2634: 639f., aber 649f.], Patterson 1997 [*2653: 60–63]). Erst mit der Zeit scheinen sich kritische Vorbehalte gegen eine zu starke Ineinssetzung der christlichen Lehre mit der griechischen Philosophie verdichtet zu haben, wobei auch Missverständnisse eine Rolle gespielt haben mögen, bis er in einem späten Werk, nachdem er Origenes noch einen «Mann der Kirche» genannt hat (Resur. 1,19,1; vgl. 3,3,2f.; 3,22), die Konfrontation mit ihm persönlich sucht, um dessen Auffassung von der ewigen Schöpfung, der Präexistenz der geistigen Wesen und von der Einkörperung der Seelen nach ihrem Fall sowie dessen spiritualisierende Sicht der Auferstehung des Leibes zu bekämpfen. Auf dieser Linie läge es, wenn, wie erwogen worden ist, der Name Kentaur, mit dem in einem der spätesten Werke ein Origenist benannt wird (Creat. 2,1; 6,1; kaum Origenes selbst), polemisch in seiner mythologischen Bedeutung als eines ungeheuerlichen Zwischenwesens gemeint sein sollte (Patterson 1992 [*2693: 497]; dagegen Bracht 1999 [*2654: 61f.]). Dass Methodios schließlich in demselben Werk einen Widerruf geleistet habe, wie Sokrates (Hist. eccl. 6,13) berichtet, lässt sich aufgrund der spärlichen Überlieferung nicht verifizieren.
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2. Der Ursprung des Bösen und die Konstitution der Schöpfung Die bedrohliche und doch unabwendbare Jahrhundertfrage der Zeit, woher das Böse in der Welt resultiere, ist das Thema, dem sich Methodios bereits in seinem Erstlingswerk ‹De autexusio› gestellt hat und das er bis zu seinen letzten Schriften nicht mehr aus dem Blick verlieren sollte. Die Diskussionslage, wie dieses Problem in den zeitgenössischen philosophischen Debatten erörtert wird, machte es freilich erforderlich, die Frage in den größeren Horizont der Kosmologie zu stellen und zu ihrer Beantwortung auf den Ursprung und die Konstitution der Welt zu rekurrieren. Dass Methodios im Endergebnis einen solchen kosmologischen Lösungsansatz schließlich verwerfen wird, steht ganz im Einklang mit seiner schöpfungstheologischen Bejahung der von Gott gut erschaffenen Welt. Die Schrift (Aut.) ist nicht, wie es Hieronymus (Vir. ill. 83) wollte, gegen Origenes gerichtet – auch die antiken Autoren, die Teile der Schrift ausgeschrieben haben, haben es nicht so empfunden (vgl. Eusebios, die Kappadokier, Photios u. a.; Adamantios lässt sie gegen Valentinianer gerichtet sein, so auch Farges 1929 [*2652: 2], Voss 1970 [*2673: 96]) –, sondern sie ist eine Auseinandersetzung mit mittelplatonischen Positionen (vgl. z. B. Plutarch und Attikos oder Numenios), die möglicherweise auch in christlichen Kreisen diskutiert und übernommen wurden. Vieles scheint auf die nur indirekt greifbare Lehre des Hermogenes zu weisen (Patterson 1997 [*2653: 62]). Das Gespräch entwickelt sich in freundlicher Atmosphäre zwischen drei Personen: einem orthodoxen und einem heterodoxen Gesprächspartner sowie dessen Gefährten, der zu einem späteren Moment (Aut. 4,4) in das Gespräch eingreift. Beobachtungen und Erfahrungen des menschlichen Verhaltens von Missgunst, Habgier und Skrupellosigkeit haben ihn, so berichtet der heterodoxe Protagonist, veranlasst, die Frage nach dem Bösen zu erforschen (Aut. 3,1–5), während er noch am Vortag angesichts der Schönheit und Ordnung des Kosmos bereit war, den Weltschöpfer zu preisen und Überlegungen über die wunderbare Verfasstheit der Welt anzustellen (Aut. 2,1–9). Er sei überzeugt, dass Gott, da er gut ist, das Böse nicht verursacht haben kann – weder kann es aus ihm kommen, noch kann er es aus dem Nichtseienden gemacht haben (Aut. 3,7–8). So bleibe nur die Antwort übrig, dass zusammen mit Gott eine ungeordnet dahin treibende, qualitäts- und formlose Materie (Plat. Tim. 30a; Epin. 978a–b) existierte, aus der Gott das Seiende schuf, indem er in weiser Kunstfertigkeit ihre guten Teile von den schlechten trennte und aus ersteren den Kosmos ordnete. Aus dem Bodensatz der Materie, der sich zur Schöpfung nicht eignete und den Gott unbearbeitet gelassen hat, entstammt das Böse und fließt den Menschen zu (Aut. 3,9; vgl. Hermogenes nach Hippol. Ref. 8,17). Die zweite Position, die vom heterodoxen Gefährten vertreten wird, stimmt mit der ersten weitgehend überein, nur im Hinblick auf die Bestimmung der Materie liegt eine Modifikation vor. Die Annahme, dass die Materie von sich aus eigenschaftslos ist, sei falsch; eine qualitätslose Materie kann es nicht geben, das wäre ein Widerspruch in sich. Die Materie hatte vielmehr immer und ewig schon Qualitäten, aus denen auch das Böse seinen Ausfluss nimmt (Aut. 9,2f.; problematisch
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ist die Identifizierung dieser Position mit dem Gegner von Creat. bei Bracht 1999 [*2654: 59–68]). Der orthodoxe Gesprächspartner widerlegt nun die erste Position, indem er mit rein philosophischen, wenngleich konventionellen Argumenten zu zeigen sucht, dass die Grundannahme einer neben Gott existierenden, ungeschaffenen Materie als eines zweiten Prinzips in unlösbare Aporien führt. Zwei Ungewordene (ἀγένητα δύα: Aut. 5,1) können nicht zugleich existieren: Entweder sie sind vereinigt, dann bilden sie Teile des einen einzigen Prinzips; oder sie sind voneinander getrennt, dann muss man den Abstand zwischen beiden hinzunehmen und die ungewordenen Prinzipien wären drei (ein ähnlicher Gedankengang bei Iren. Haer. 2,1,2); oder das eine ist in dem anderen enthalten (die Materie irgendwie in Gott oder Gott in der Materie; der Sache nach stoisch; vgl. Tert. Adv. Herm. 44), dann wäre Gott von der Materie begrenzt und in die Unordnung der Materie hineingezogen oder er wäre räumlich trennbar und würde die Ursache der Unordnung und des Bösen in sich enthalten (Aut. 5,1–6,4; Pépin 1975 [*2675]). Wenn aber die ursprüngliche Materie qualitäts- und formlos gewesen sein soll, dann muss man annehmen, dass Gott die Eigenschaften erst aus etwas geschaffen habe, was noch nicht existierte, womit erwiesen ist, dass er auch Substanzen aus dem Nichts zu schaffen vermag (Aut. 7,1–9). Überdies bliebe, wenn Gott der Urheber der Qualitäten ist und das Böse eine Qualität ist, die unhaltbare Konsequenz bestehen, dass Gott als Schöpfer für das Böse verantwortlich ist (Aut. 8,1–2; vgl. Tert. Adv. Herm. 14). In diesem Zusammenhang wird auch geklärt, dass das Böse keine Substanz, sondern die Eigenschaft einer Handlung ist (Aut. 8,4–15; Patterson 1997 [*2653: 40–48]). Ist soweit für Methodios die Hypothese eines qualitätslosen, zweiten ungewordenen Prinzips widerlegt, so steht noch die These vom Bösen als ewiger Qualität der ungewordenen Materie zur Erörterung an. Im Laufe der Unterredung muss der heterodoxe Gefährte zugestehen, dass nach seiner Auffassung Gott die Schlechtigkeit der Materie entweder nicht beseitigen wollte oder nicht beseitigen konnte (Aut. 10,1–11,8; vgl. Tert. Adv. Herm. 10; 15). Es folgen lange Erörterungen zur Definition des Begriffs der Materie – ob sie eine Zusammensetzung von Elementen ist, ob das Böse eine für sich bestehende Gattung unabhängig von ihren Teilen ist –, die wiederum zum Ergebnis führen, dass es die schlechte Materie als zweites ungewordenes Prinzip nicht gibt. So ist die orthodoxe These bewiesen, dass Gott alleine der Ursprung aller Wirklichkeit ist (Aut. 12,1–13,5; vgl. Patterson 1997 [*2653: 48–52]). Da nun die Lehre von der Materie als ungewordenem Prinzip in beiden Varianten widerlegt ist, ist der Weg frei für die orthodoxe Antwort auf die Frage nach dem Ursprung des Bösen, die nicht von einem kosmologischen, sondern von einem anthropologischen Ansatz ausgeht. Hatte sich schon ergeben, dass das Böse keine Substanz, sondern die Eigenschaft einer Handlung ist, so nimmt der orthodoxe Gesprächsführer nun davon seinen Ausgangspunkt, indem er erklärt, dass nichts an sich böse ist, sondern nur die Art, wie man von etwas Gebrauch macht (Aut. 15,1; Symp. 2,5). Daher können nur menschliche Handlungen böse sein, und der Mensch ist die einzige Ursache des Bösen (Farges 1929 [*2652: 97–101]). Auf
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die Frage, woher dem Menschen der Trieb zum schlechten Handeln komme (Aut. 16,1), antwortet der Orthodoxe aufgrund der Schrift und der Glaubenstradition, dass der Mensch, einzig unter allen geschaffenen Wesen, mit dem freien Willen (αὐτεξούσιος) geschaffen ist und daher auch allein frei (ἐλεύθερος) dem göttlichen Gebot gehorchen kann, so dass er mit seiner freiwilligen Entscheidung für das Gute noch höhere Güter verdienen kann (Aut. 16,2. 5). Das heißt nicht, dass der Mensch zwischen Gutem und Bösem wählt; er wählt, ob er Gott gehorchen will und das Gute tun oder ob er ihm ungehorsam sein will und das Gute nicht tun will. Daher lautet Methodios’ Definition: «Dies, nur dies allein ist das Böse, der Ungehorsam, der einmal einen Anfang genommen hat» (Aut. 17,2). Der Mensch hatte den Ungehorsam nicht vom Anfang in sich, er hat ihn – wie die Schrift lehrt – vom Teufel erlernt, der aus Neid den Mensch verderben wollte, weil er aus seinem eigenen Willen böse geworden ist (Aut. 17,4–5; 19,4). Obwohl Gott wusste, dass der Teufel sich vom Guten abkehren würde, hat er ihn dennoch erschaffen, damit den Menschen die Güte Gottes aus dem Vergleich mit dem Bösen besser kund werde (Aut. 19,6–10). Alle Nachkommen Adams, jeder einzelne Mensch hat von Adam die Entscheidungsfreiheit, das Gute oder das Böse zu wählen, geerbt (Aut. 16,1). Eine Erbsündenlehre vertritt Methodios nicht (Bracht 1999 [*2654: 80, 97–105]), aber in jedem Menschen vollzieht sich durch den Missbrauch seiner Entscheidungsfreiheit, der freilich einen Habitualisierungseffekt in Gang setzt, der Sündenfall Adams neu. Das Schlussergebnis, einerseits mit einem platonischen Vorbehalt (Plat. Tim. 28c), andererseits mit einer göttlich bestärkten Zuversicht vorgetragen, lautet denn auch, dass Gott um der Menschen willen die Welt aus noch nicht Existierendem geschaffen hat, weil das Wissen seiner Kunstfertigkeit (τῆς τέχνης ἐπιστήμη) nicht untätig und seine wesenhafte Güte (τὸ τῇ φύσει ἀγαθὸν ὑπάρχειν αὐτῷ) nicht nutzlos sein sollten (Aut. 22,3. 6f., vgl. Plat. Tim. 29e–30a). Er verlieh seinen Geschöpfen nicht nur das Sein, sondern den Menschen durch natürliche Offenbarung auch die Erkenntnis seiner, damit sie ihn verherrlichten (Aut. 22,7f.). Indessen ist Gott auch vor der Erschaffung der Welt nicht untätig gewesen; denn er betätigte seine Güte, noch ehe er Schöpfer der Welt war, indem er sich in Gedanken in sich selbst die Schönheit seines Kunstwerkes vorstellte (Aut. 22,9, was an Phil. Opif. 19 und Orig. Princ. 1,4,4, erinnert; vgl. Patterson 1997 [*2653: 57–60]). Es gibt nichts, was neben Gott aus sich bestehen könnte, nichts, was die Größe seiner Macht beeinträchtigen könnte (Aut. 22,10f.). Konventionell ist, wie Methodios mit stoischem Hintergrund über Aufbau und Gestalt des Kosmos im Einzelnen denkt (Resur. 2,10; Bracht 1999 [*2654: 37–40, 311–315] und 2012 [*2712: 776f.]). 3. Gottes Heilsökonomie in der Geschichte Das Thema der Vollkommenheit hat in Methodios’ Gedankenwelt eine zentrale Bedeutung, am intensivsten wird es im ‹Gastmahl› behandelt, wo es eingebunden ist in die weiträumigen Perspektiven der von Gott geleiteten Heilsgeschichte. Der Mensch steht für Methodios auf der Grenze zwischen zwei
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gegensätzlichen Sphären (Symp. 3,67: ὢν μεταξύ). Auf der einen Seite steht das an sich Schöne, d. h. die Weisheit Gottes, das Leben, die Unvergänglichkeit – hier herrscht ἰσότης («Gleichheit»), ἁρμονία («Harmonie»), δικαιοσύνη («Gerechtigkeit») und φρόνησις («Verstand»); auf der anderen Seite steht die Sünde, der Tod, die Vergänglichkeit – hier herrscht ἀνισότης («Ungleichheit»), ἀναρμοστία («Disharmonie»), ἀδικία («Ungerechtigkeit») und ἀφροσύνη («Unverstand»). Und je nach dem, wohin der Mensch sich wendet, an dem erhält er Anteil und wird dahin verwandelt (Symp. 3,66f.). Als Adam, biblisch gesprochen (Ier. 18,3f.), wie aus Ton auf der Töpferscheibe geschaffen wurde, war er noch formbar; da war er fähig, unsterblich und unverweslich zu werden, aber er war noch nicht so weit fertig geschaffen, dass der Ton schon erhärtet war (Symp. 3,61). Er war noch nicht vollkommen; er war nach dem Ebenbild (κατ’ εἰκόνα) Gottes geschaffen – das Ebenbild selbst ist der Sohn Gottes (Symp. 6,143; Resur. 1,35,2) –, aber er sollte noch in die Ähnlichkeit (καθ’ ὁμοίωσιν) hineinwachsen (Symp. 1,23 mit Gen. 1,26). Ursprünglich zwischen beiden Sphären angesiedelt, hat sich Adam jedoch der Sünde zugewandt und verfiel der Sterblichkeit und Vergänglichkeit, wobei der Tod den heilsamen Sinn hat, der Sünde ein Ende zu bereiten (Symp. 9,242; Resur. 1,42,3. 45,6). Dass die verschüttete Möglichkeit des Urstandes wieder neu eröffnet wird, kann nur von Gott her geschehen, und so ist es das Ziel der göttlichen Pädagogik, die Menschheit auf dem langen Weg der Heilsgeschichte schrittweise zur Vollkommenheit zu führen, d. h. den Status, nach dem Ebenbild und der Ähnlichkeit Gottes geschaffen zu sein, voll zu realisieren, indem zum «Ebenbild» auch die «Ähnlichkeit» hinzutritt (Symp. 1,23; Voss 1970 [*2673: 114–115], Prinzivalli 1998 [*2696: 49–50], Zorzi 2003 [*2701]). Diese Gedanken liegen ganz auf der Linie eines Irenäus und eines Clemens (Voss 1970 [*2673: 104], Patterson 1997 [*2653: 71–72]); auch für Methodios ist diesem Text zufolge das Heilsgeschehen nicht die Wiederherstellung eines ursprünglichen Zustandes, sondern die Vorwegnahme der eschatologischen Vollendung, der sich die Menschheit durch die Zeit stufenweise annähert (anders Bracht 1999 [*2654: 147ff.], doch ist Methodios’ Auffassung nicht einheitlich). Methodios gibt indessen seinem Verständnis der göttlichen Heilsökonomie einen eigenen Akzent, wenn er als Mittel, zur geistlichen Vollkommenheit zu gelangen, die Reinheit bzw. Keuschheit (ἁγνεία) ansetzt, die nicht vorrangig in sexuellen Konnotationen, sondern als Synthese aller christlichen Tugenden zu verstehen ist (Zorzi 2009 [*2708]: andere im Dialog benutzte Begriffe wie «Jungfräulichkeit», «Enthaltsamkeit», «Mäßigkeit» sind im Begriff der Keuschheit enthalten, doch drückt dieser eindeutiger sowohl die negative Seite der Befreiung von allen Leidenschaften als auch das positive Streben nach vollkommener Tugend aus). Dasselbe gilt für deren Sonderform, die Jungfräulichkeit: «παρθενεία ist das durch die Einwohnung Christi von Gott gewirkte Streben (Sang. 1,6), das den Menschen mit Flügeln der Besonnenheit emporträgt zur Schau des göttlichen Schönen und zur Unvergänglichkeit (Symp. 8,171, unter Anspielung auf Plat. Phdr. 247b–c), wo er die Tugenden wie Früchte der Paradiesesbäume genießt und in sich aufnimmt (Symp. 8,175)» (Bracht 2012 [*2712: 779]). In seiner pädagogischen Ökonomie kommt Gott der Menschheit immer wieder entgegen, indem er alles auf die Reinheit und Jungfräulichkeit des Menschen in
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seiner leib-seelischen Gesamtkonstitution hin ordnet. Zuerst musste sich freilich das Menschengeschlecht vermehren und die Erde gemäß dem Auftrag von Gen. 1,28 anfüllen. Stufenweise sollten die Menschen aber von der Begierde (ἐπιθυμία) befreit werden, weg vom Inzest, weg von der Polygamie, weg von Ehebruch und Unzucht hin zu Enthaltsamkeit (σωφροσύνη) und Jungfräulichkeit. Diese letzte Stufe im Erziehungsplan Gottes, die das Gesetz nicht erreichen konnte (Symp. 10,258f.), hat Christus eröffnet, der ἀρχιπάρθενος (Symp. 1,23. 25; 10,266. 272), der das jungfräuliche Leben in seiner Person als Ermöglichungsgrund und als Vorbild verwirklicht (Symp. 1,16–23). Doch, so erklärt die zweite Rednerin, hat Christus das eheliche Leben und die Zeugung von Nachkommen nicht einfach abgeschafft. Gegenwärtig ist die schöpferische Tätigkeit Gottes, die sich auf den Menschen in der Einheit von Körper und Seele bezieht, noch nicht beendet, und das Gebot von Gen. 1,28 behält weiterhin seine buchstäbliche Bedeutung (Symp. 2,29–31). Selbst Kinder aus illegitimen Verbindungen werden durch Gottes Schöpferkraft gebildet; denn nicht das Gesäte ist zu beschuldigen, sondern der zuchtlose Mensch (Symp. 2,34–40). Nichts ist an sich für böse zu halten, es hängt alles am Gebrauch, den man von etwas macht (Symp. 2,42; vgl. Patterson 1997 [*2653: 74f.]). Zuzugestehen sei, dass die Jungfräulichkeit den höheren Wert hat (Symp. 2,48), doch will Christus jedem das ihm Gehörige und Nützliche zuweisen, den einen das noch nicht Jungfräuliche, den anderen die engelgleiche Umwandlung der Leiber (Symp. 2,49). Damit hat Methodios zugleich gegen die Leibfeindlichkeit heterodoxer Kreise (wie etwa von Enkratiten, Markioniten oder Gnostikern; vgl. Patterson 1997 [*2653: 120], Prinzivalli 1998 [*2696]) Stellung bezogen und eine positive, schöpfungstheologische Wertschätzung der Körperlichkeit verfochten. Eine Vermittlung der beiden vorgetragenen gegensätzlichen Positionen geschieht in der dritten Rede: Wenn die Schrift sagt, dass der Mann und sein Weib «ein Fleisch werden» (Gen. 2,24), soll man das in Bezug auf die Ehe wörtlich verstehen; man muss aber auch den geistigen Sinn aufnehmen, den Paulus meint, wenn er diesen Text auf Christus und die Kirche bezieht (Eph. 5,31f.; Symp. 3,1–2). Die hier deutlich werdende geschichtstheologische Konzeption der göttlichen Pädagogik vertritt Methodios in seinem ganzen Werk (Prinzivalli 1998 [*2696: 49–50]). Grundlegend ist für seine Theologie eine dreistufige geschichtliche Sicht, wobei sich drei Dimensionen des biblischen Schriftsinns, drei Epochen der Geschichte Israels und drei Entwicklungsstufen der Menschheit entsprechen. Die drei Dimensionen des Schriftsinns sind gemäß Hebr. 10,1 die von Schatten, Bild und wahrer Wirklichkeit (Symp. 5,127–129; 9,240f.; Cib. 7,7); die drei Momente der Geschichte Israels sind die Knechtschaft in Ägypten, der Weg durch die Wüste und der Eingang in das gelobte Land (Symp. 9,254); und die drei Epochen der Geschichte der Menschen sind das irdische Leben in der von der Sünde verursachten Sterblichkeit, die Auferstehung in der Einheit von Leib und Seele in einem chiliastischen Zwischenreich (der Gedanke nur hier, dazu Mazzucco 1986 [*2690], Patterson 1993 [*2695]) und die endgültige, eschatologische Vollendung in Unsterblichkeit und Unverweslichkeit. Am deutlichsten wird dieser Komplex in der allegorischen Auslegung der Feier des Laubhüttenfestes (Lev. 23,39–43) in der neunten Rede entwickelt (Patterson
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1997 [*2653: 105–113]). Die Juden werden getadelt, weil sie nur den wörtlichen Sinn des Textes annehmen und ihn irrtümlich auf die Vergangenheit beziehen (Symp. 9,235. 239), während er, wie das ganze Gesetz, Schatten des zukünftigen Bildes, des Evangeliums, ist, das seinerseits Bild der Wahrheit ist, die sich in der eschatologischen Vollendung verwirklichen wird (Symp. 9,240). Die acht Tage des jüdischen Festes, in Analogie zu den Schöpfungstagen gesetzt, sind ein Schatten von acht kosmischen Zeitaltern. Der siebente Tag ist der Tag der Auferstehung, der «Wiederherstellung und Verfestigung unseres in die Erde gefallenen Zeltes» (Symp. 9,236), wenn der Leib in seiner physiologischen Beschaffenheit unsterblich in der neuen und unvergänglichen Schöpfung wiederum ersteht: Es ist auch der Tag des Gerichts, wo die Gerechten nach ihren Werken befragt werden (Symp. 9,243. 254); und es ist der Tag der Ruhe und der Festfreude mit Christus (Symp. 9,236–238). Doch auf den siebenten Tag folgt noch der achte. Dann, nach dem wahren Sabbat, werden die Geheiligten, Jesus folgend, der die Himmel durchschritten hat (Hebr. 4,14), weiterziehen in das gelobte Land, den Tempel, die Stadt Gottes, zu noch herrlicherer Freude; das Leibeszelt wird verwandelt werden zu engelhafter Größe und Schönheit, d. h. zu definitiver Unvergänglichkeit und Vollkommenheit, und sie gelangen endlich zu größeren und besseren Orten, in das Haus Gottes über den Himmeln, das in Jubelklang und Dankesschall feiert (Symp. 9,253–255; Bracht 1999 [*2654: 321–330]). 4. Die Anthropologie und die Lehre der Auferstehung Die Thematik der Auferstehung hat Methodios in der späten und sehr umfangreichen Schrift ‹Aglaophon oder über die Auferstehung› (Resur.) noch einmal aufgenommen und in einer eingehenden, im Stil sachlichen, aber entschiedenen Auseinandersetzung mit platonisierenden Christen, welche die leibliche Auferstehung leugnen, weitergeführt. Möglicherweise stand auch Porphyrios’ Kritik an der christlichen Auferstehungsvorstellung im Hintergrund (Becker 2016 [*2282: 284]). Er hat dabei zugleich entscheidende Grundkoordinaten der Anthropologie klar markiert. Die Position des ersten Unterredners, der gegen die Auferstehung des Leibes Stellung bezieht, besteht darin, dass der am Anfang von Gott geschaffene Mensch unkörperlich war (Resur. 1,4,2); der Leib sei das Fellkleid, das Gott den Stammeltern nach ihrem Fall gab (Gen. 3,21), um sie für ihren Ungehorsam zu bestrafen (Resur. 1,5,6). Für die Seele sei er deshalb ein Gefängnis, eine Fessel (Plat. Phaed. 67d; Phdr. 250c) und ein Grab (Plat. Crat. 400b–c; Gorg. 493a). Während die Seele alleine die Sünde nicht kannte (Resur. 1,5,1), sei sie nach der Einkörperung wegen des Leibes von Leidenschaften, Bedürfnissen und Irrtümern angefüllt (Resur. 1,4,6–9. 5,3). Von den Bibelstellen, die diese These bestätigen sollen, sind die wichtigsten Lam. 3,34, Rm. 7,9 und Mt. 22,30 (diese werden auch von Origenes benutzt, aber nicht in dem hier gemeinten Sinn: Orbe 1969 [*2671], Patterson 1997 [*2653: 152]). Eine Auferstehung des Leibes wäre daher völlig unangemessen. Sie würde die Seele nach ihrer Befreiung noch einmal in dieselben Leidenschaften
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und Übel werfen, die sie vorher erlitten hat (Resur. 1,6,2–7,2). Und es ist völlig unvorstellbar, dass unser Leib auferstehen sollte, während Himmel und Erde und die ganze Schöpfung vergehen (Resur. 1,8 mit Ps. 101,27; Ies. 51,6; Mt. 24,35; I. Cor. 7,13). Die leibliche Auferstehung ist aber auch unmöglich. Jeder Körper befindet sich in ständigem Fluss, und auch die Elemente, aus denen er zusammengesetzt ist, gehen gegenseitig das eine in das andere über (Resur. 1,9). Angesichts dessen ist unser Leib nie mit sich selbst identisch, obwohl die äußere Form dieselbe bleiben mag (Resur. 1,10), und es lässt sich gar nicht angeben, welcher Leib auferstehen sollte, wie es auch ungerecht wäre, wenn ein bestimmter Leib gesündigt hätte und ein anderer bestraft würde (Resur. 1,11). Am Ende der Rede steht nach einer ganzen Serie von Pauluszitaten die Behauptung, dass «Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben werden» (I. Cor. 15,50); nur unser Geist wird sich mit dem, was ihm verwandt ist, vereinigen (Resur. 1,12). Der zweite Unterredner entwickelt das zuletzt vorgebrachte Argument weiter. Wenn sich der aus den vier Elementen zusammengesetzte Leib im Tod wieder in seine Bestandteile auflöst und jedes Element in die Masse, aus der es kam, zurückkehrt und mit ihr eine völlig homogene Substanz bildet, dann ist es unmöglich, dass derselbe Leib mit denselben Elementen wiederhergestellt werden könnte (Resur. 1,14–15). Man kann höchstens sagen, dass ein ähnlicher Leib auferstehen wird, was aber zu der widersinnigen Konsequenz führt, dass ein Leib handelt und ein anderer – obwohl ähnlicher – Leib Lohn oder Strafe dafür empfangen wird (Resur. 1,16 –17). Das Fazit ist wiederum, dass, wie schon Paulus in I. Cor. 15,44 sagte, die Auferstehung in einem geistigen Leib geschehen wird, der dieselbe äußere Form, aber nicht dieselbe Substanz des fleischlichen Leibes haben wird, und, um diese Behauptung zu bekräftigen, führt der Dialogpartner einen langen Auszug aus Origenes’ Auslegung von Ps. 1,5 an (Resur. 1,20–24). Wie sich die Thesen der beiden heterodoxen Sprecher zu Origenes’ Auferstehungslehre verhalten, ist unterschiedlich gedeutet worden (Crouzel 1972 [*2674: 707–710], Vitores 1981 [*2683: 17–20], Prinzivalli 2002 [*2699: 105–116]), doch lässt sich mit Sicherheit sagen, dass Origenes’ Standpunkt nicht mit dem hier entwickelten identisch ist. Nicht nur werden die aufgebotenen Bibelstellen in jeweils anderer Bedeutung benutzt, der Unterschied lässt sich auch sehr genau am Begriff der «körperlichen Form» (εἶδος σωματικόν: Resur. 1,24,4) fassen. Während er von Origenes im Sinne des eigentlichen Individuationsprinzip des Einzelwesens gebraucht wird, steht er hier für die äußere Gestalt (σχῆμα, μορφή) des Leibes (Resur. 1,25,4–5. 7). Die spätere Widerlegung (Resur. 3,1–4) richtet sich gegen diese Umdeutung, die wahrscheinlich in zeitgenössischen origenistischen Kreisen vertreten wurde (Patterson 1989 [*2691: 223–224], Prinzivalli 2002 [*2699: 112– 114], Mejzner 2011 [*2711]). Gegen diese platonisierenden, leibfeindlichen Thesen ergreifen zwei orthodoxe Gesprächspartner und schließlich Methodios selbst das Wort, um die gegnerischen Positionen zu widerlegen und ihnen die rechtgläubige Lehre, dass die zukünftige Auferstehung die ganze psychisch-leibliche Einheit des Menschen betrifft, entgegenzusetzen (Patterson 1997 [*2653: 156–161]). Der erste Gegenredner bezieht sich auf die exegetischen Grundlagen der Kontroverse, der zweite auf das Argu-
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ment des beständigen Wechsels der leiblichen Substanz. Doch an erster Stelle geht es darum, den Widerspruch, in den sich der erste Redner verstrickt hat, aufzudecken, wenn er einerseits behauptet, dass die Einkörperung die Strafe für vorangegangene Sünden sei, und andererseits annimmt, dass der Körper selbst die Ursache des Bösen sei (Resur. 1,29–32). Damit ist implizit bereits die Vorstellung einer präexistenten Seele hinfällig geworden. In Wahrheit, und damit geht der Gegenredner zum exegetische Teil über, verhält es sich so, dass gemäß dem biblischen Schöpfungsbericht der Mensch, wie er von Gott geschaffen ist, weder eine Seele ohne Leib noch ein Leib ohne Seele ist, sondern ein ‘compositum’ aus Seele und Leib zu einer Gestalt (τὸ ἐκ συστάσεως ψυχῆς καὶ σώματος εἰς μίαν τοῦ καλοῦ μορφὴν συντεθέν: Resur. 1,34,4, vgl. Athenag. Resur. 15,2; 21,2). Der biblische Schöpfungsbericht zeige weiter, dass der Mensch dadurch ausgezeichnet ist, dass er als einziges Wesen direkt von Gottes Händen geschaffen ist und Gott persönlich ihm den Lebensodem eingeblasen hat, während alle anderen Arten von Lebewesen die Elemente hervorbringen sollten (Resur. 2,34,3. 5). Man darf also die beiden Perikopen Gen. 1,26f. und Gen. 2,7 nicht getrennt lesen, und es geht nicht an, die eine Stelle auf die Seele und die andere auf den Leib zu beziehen; dazu kommt nun noch als Kardinalbeleg Sap. 2,23 (Resur. 2,36,2. 50,4; 2,24,4). Damit hängt zusammen, dass Methodios die Vorstellung einer unkörperlichen Seele ablehnt. Nur Gott ist unkörperlich, die Seele ihrerseits ist ein «geistiger Leib» (νοερὸς σῶμα) mit einer bestimmten Gestalt (Resur. 3,18,4; hier auch die Zurückweisung der neuplatonisch-origeneischen Theorie vom ὄχημα τῆς ψυχῆς, dem Seelenwagen; vgl. Mejzner 2011 [*2711: 910–915]). In dieser einzigartigen Weise der Erschaffung liegt die Gottebenbildlichkeit des Menschen begründet, nämlich dass er – und hier ist nun eine Modifikation gegenüber Symp. 1,23 und 6,133f. zu konstatieren – in seiner leib-seelischen Einheit als genaue Nachahmung nach dem Ebenbild und der Ähnlichkeit, d. h. nach beidem ineins, gebildet ist (Gen. 1,26 in Resur. 2,34,5. 35,4). Diese besteht in der Unsterblichkeit: Da Gott unsterblich ist – so erklärt der orthodoxe Unterredner –, muss notwendigerweise auch das von ihm selbst ins Werk Gesetzte unsterblich sein, weil es ja ein Werk der Unsterblichkeit ist (Resur. 1,34,2f.; das Argument erinnert an Plat. Tim. 41c). Sterblich geworden ist der Mensch erst durch seinen Ungehorsam, und die Fellkleider, die Gott den Stammeltern nach dem Fall gab (Gen. 3,21), waren nicht der fleischliche Leib, sondern die Sterblichkeit (Resur. 1,33,3). Der Tod ist die Sündenstrafe, die den Verlust der ursprünglichen Ebenbildlichkeit des Menschen bedeutet, er hat aber auch die heilsame Wirkung, dass das Böse nicht für immer über den Menschen herrscht (Resur. 1,40; wie schon Symp. 9,242–243; Bracht 1999 [*2654: 121–137]) und der Mensch durch die Auferstehung in seiner ursprünglichen Unverderblichkeit wiederhergestellt werden kann (Resur. 1,50. 54,4. 60,1). Der auferstandene Mensch wird mit dem geschichtlichen völlig identisch sein, nur dass er dann, gänzlich befreit von der Last der Leidenschaften und der Sünde, «an der Herrlichkeit Gottes teilhaben wird» (Resur. 3,16,1; Bracht 1999 [*2654: 304–306]). In diesem Zusammenhang hat Methodios die Thematik des Bösen aus seiner Frühschrift (Aut.) wieder aufgegriffen, die er jetzt angesichts der Tatsache, dass die Sünde im irdischen Leben eines Christen nicht völlig ausgerottet wird, und im
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Licht der Aussagen des Apostels Paulus in Rm. 7 vom Zwiespalt des Menschen unter dem Gesetz anthropologisch durch eine ausgearbeitete, auf stoisches Material rekurrierende Handlungstheorie vertieft (Resur. 1,42–2,8; Bracht 1999 [*2654: 83–94] und 2012 [*2712: 777f.]). Es steht noch der zweite gegnerische Haupteinwand zur Widerlegung an, dass der beständige Wechsel der leiblichen Substanz die Auferstehung eines Menschen in seiner identischen Leiblichkeit unmöglich mache, eine Aufgabe, die der zweite orthodoxe Gegenredner übernimmt, wobei er sich mehr auf philosophische und naturwissenschaftlich-medizinische Beobachtungen stützt (Patterson 1997 [*2653: 162–170]). Er argumentiert, dass die Auffassung, wonach der Leib ein ständiger Fluss von immer abfließenden und neu hinzufließenden Stoffen sei, falsch ist. Das All besteht aus den vier Elementen, und ebenso der Mensch als Mikrokosmos, wie Hes. 1,10 zu entnehmen sei, nicht aus zufälligen Zusammensetzungen von Atomen, Massen, Amerien oder Homoiomerien, wie Demokrit und Epikur wollten (Resur. 2,10,1–7). Man müsse aber zwischen den Elementen, die den Leib bilden und immer dieselben bleiben, und Flüssigkeiten, die aus der Ernährung gezogen werden und immer neu sind, unterscheiden. Daher kommt es, dass eine Krankheit, die von einer Gleichgewichtsstörung der körperlichen Flüssigkeiten verursacht wird, heilbar ist, während ein Schaden oder eine Verminderung der eigentlichen Grund elemente des Leibes (z. B. durch eine Amputation) nicht heilbar ist (Resur. 2,2,12– 13). Auch das berüchtigte Problem der «chain consumption» wird kurz behandelt. Die Elemente eines Leibes können für einen anderen Leib Nahrung werden, indem sie sich in Flüssigkeiten umwandeln, die dem Leben des anderen Leibes dienen, aber sie können nicht wesentlicher Bestandteil eines anderen Leibes werden (Resur. 1,20,4: im Origenes-Exzerpt 2,26,5; vgl. Athenag. Resur. 4,1–4; Patterson 1997 [*2653: 158 Anm. 23]). Das durchschlagende Argument freilich, dem gegenüber alle naturphilosophischen Theorien gleichermaßen unerheblich sind (Resur. 2,30,1–9), ist der Rückbezug auf den Willen und die Allmacht Gottes. Wie Gott alles aus dem Nichts geschaffen hat, so will und vermag er auch, die gestorbenen Leiber zur Unsterblichkeit aufzuerwecken (Resur. 2,19,2. 20,9. 29,2). Das letzte Buch schließlich führt, ohne die szenische Fiktion des Dialogs beizubehalten, zur direkten Konfrontation mit Origenes unter Bezug auf das früher aufgenommene Exzerpt aus Origenes’ Auslegung zu Ps. 1,5. Methodios’ Kritik betrifft die Begriffe der «körperlichen Form» (εἶδος σωματικόν) und des «geistigen Leibes» (σῶμα πνευματικόν: I. Cor. 15,44), und er fasst die beanstandete orige neische Lehre dahingehend zusammen, dass «nicht dasselbe Fleisch wiederhergestellt wird, […] sondern auferstehen wird die so oder so beschaffene Gestalt (μορφή) eines jeden, gemäß der jetzt das Fleisch kennzeichnenden Form (εἶδος), indem diese [sc. die μορφή] auf einen anderen geistlichen Leib aufgeprägt wird, damit ein jeder als derselbe erscheint nach der Gestalt (κατὰ τὴν μορφήν)» (Resur. 3,3,4). Erläutert wird das damit, dass der materielle Leib stets fließend sei und niemals bei sich bleibe, sondern ein steter Wechsel der materiellen Grundlage um die die Gestalt prägende Form, die das äußere Aussehen (σχῆμα) bedingt, stattfinde. Dagegen stellt Methodios mit großem argumentativen Aufwand seine Gegen position, dass der Leib wesentlich zum Menschen gehört und die Form, von der
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Origenes spricht, gar nicht von der Substanz getrennt werden kann. Es treffe nicht zu, dass das Fleisch stets fließend ist, aber die Form identisch bleibt, was man an der äußeren Erscheinung eines Menschen in der Abfolge der Lebensalter sehen kann (Resur. 3,3,7f.). Die Form des Fleisches geht notwendigerweise beim leib lichen Tod mit dem Fleisch zugrunde, wie das äußere Ansehen einer Statue zugrunde geht, wenn die Statue eingeschmolzen wird (Resur. 3,6,1). In detaillierter Prüfung, in wie vieler Hinsicht man sagen kann, dass etwas von etwas getrennt wird, widerlegt Methodios die Annahme, dass die Form im Tod vom Fleisch abgetrennt werden könnte (Resur. 3,6,2–5); Qualitäten sind überhaupt nicht καθ’ ὑπόστασιν von dem zugrunde liegenden Substrat trennbar. So ist es haltlos zu sagen, die Form auferstehe ohne Beeinträchtigung, aber der Leib, in den die Form eingeprägt war, gehe zugrunde (Resur. 3,6,6). Und wenn man sagt, dass die Form in einen pneumatischen Leib versetzt werde, dann ist die Form nicht mehr jene, die ursprünglich dem Fleisch zugehörte, sondern nur eine ähnliche (Resur. 3,6,7–11). Es folgt noch eine große Zahl biblischer Gegenbeweise – wichtig darunter ist die Richtigstellung, wie der Ausdruck «geistiger Leib» (I. Cor. 15,44) zu verstehen ist: Der geistige Leib besteht nicht aus einem feineren Stoff als der natürliche Leib, sondern heißt so, weil er vom Heiligen Geist erfüllt und geheiligt wird (Resur. 3,16,9). Aber entscheidend ist für Methodios’ Auseinandersetzung mit Origenes die skizzierte begriffliche Argumentation. Sie zeigt, dass er den Terminus εἶδος σωματικόν («körperliche Gestalt») in Abweichung von Origenes gleichbedeutend mit σχῆμα («Gestalt») und μορφή («Form») im Sinne der äußeren Gestalt gebraucht. Origenes verstand das σωματικὸν εἶδος im platonischen Sinn als Individuationsprinzip – sei es im materiellen, sei es im körperlosen Zustand –, das einer ständig fließenden Unterlage eingeprägt ist und das den geistigen Auferstehungsleib, angesichts dessen qualitativer Verwandlung, in allen individuellen Zügen des Menschen bestimmen wird. Methodios versteht es, wie es wahrscheinlich in origenistischen Kreisen schon vorgebildet war, stark simplifizierend, als Qualität eines Stoffes (Patterson 1989 [*2691: 223–224], Prinzivalli 2002 [*2699: 97–100, 112f.], Mejzner 2011 [*2711]). 5. Späte Polemik gegen die Annahme einer ewigen Schöpfung In einem der spätesten Dialoge, von dem nur wenige Bruchstücke bei Photios überliefert sind, nämlich in Ξένων ἢ περὶ τῶν γενητῶν (‹De creatis›), setzt sich Methodios in polemisch aggressivem Stil mit Origenes, wie Photios angibt, oder andernfalls mit origenistischen Gegnern hauptsächlich über die Schöpfungslehre auseinander, wobei die Mitewigkeit des Alls mit Gott strittig ist. Tatsächlich entsprechen die Thesen, gegen die er ankämpft, keineswegs dem, was Origenes vertreten hat, und ob sie wirklich von origenistischen Epigonen vertreten wurden, bleibt ungewiss. In Methodios’ Augen sind es aber Implikationen, die sich notwendig aus Origenes’ Lehre ergeben, und die Konfrontation soll nicht zuletzt auch dazu dienen, die eigene Position zu profilieren (Patterson 1992 [*2693] und 1997 [*2653: 212ff.]). Über das Wesen Gottes hat sich Methodios sehr selten geäußert,
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aber wichtige Gottesprädikate sind für ihn «vollkommen» (τέλειος) und «bedürfnislos» (ἀπροσδέης), in dem Sinne, dass Gott immer in der Fülle seiner selbst (τὸ ἑαυτοῦ πλήρωμα) bleibt (Creat. 3,1f.), und auf diesem Wege kann er zeigen, dass der vollkommene und bedürfnislose Gott, um allmächtig zu sein, keinen äußeren Gegenstand braucht, über den er seine schöpferische Tätigkeit ausüben müsste (Creat. 3,1–3; Bracht 2009 [*2706] sowie 1999 [*2654: 17–19]). Dabei greift er sein Gegenüber besonders wegen der Annahme an, dass ein Wesen entweder ohne Anfang und daher ewig sei oder einen zeitlichen Anfang haben müsse (wenn auch in einer von der teilbaren kosmischen Zeit unterschiedlichen Zeitlichkeit: Patterson 1966 [*2670: 247]). Daraus folgt seiner Ansicht nach notwendig, dass sein Gegner, da er die Unzeitlichkeit der Schöpfung lehrte, sie für ewig hielt (Creat. 7). Methodios scheint die origeneische Unterscheidung zwischen ontologischer Abhängigkeit und zeitlichem Späterkommen nicht wahrgenommen oder als irrelevant betrachtet zu haben. So deutet er Origenes, als hätte er eine dualistische Lehre vertreten – Gott könnte nicht einziges, absolutes Prinzip aller Wirklichkeiten sein, weil die Schöpfung mit ihm gleichewig wäre –, was für ihn haltlose Blasphemie ist. In diesem Zusammenhang kommt Methodios auch auf die Schöpfungsmittlerschaft der Weisheit (Prov. 8,2) bzw. des Logos (Ioh. 1,3) zu sprechen. Während der Vater, der durch seinen bloßen Willen aus dem Nichts schafft, «der anfangslose Anfang», die ἄναρχος ἀρχή ist, ist der Sohn, der die Schöpfung ordnet und schmückt, der Anfang, der aus dem Vater hervorgesprossen ist (Creat. 9,11,3). Das Verhältnis ist inferioristisch gedacht, aber auf die Seite der Geschöpfe hat Methodios den Sohn auf keinen Fall stellen wollen (Sang. 7,3f.; Bracht 1999 [*2654: 30– 37]), schreibt er ihm doch die gleiche Macht wie dem Vater (Creat. 9: der Sohn als die allmächtige und kraftvolle Hand des Vaters) und das ewige Sein beim Vater zu (Symp. 3,60; 7,149: πρὸ αἰώνων; Symp. 8,19f.: ἀορίστως […] καὶ ἀχρόνως). Die Zielscheibe, die getroffen werden soll, ist wiederum die These von der Mitewigkeit der Schöpfung (Cvetkovic 2011 [*2710]). Hier liegt wahrscheinlich der Grund, weshalb wenige Jahre später Methodios’ Kritik an Origenes von den Arianern auf die Zeugung des Sohnes bezogen wurde (Patterson 1997 [*2653: 214–220] sowie 1966 [*2670] und 1982 [*2684]). 4. NACHWIRKUNG
Methodios’ Nachwirkungen gehen in verschiedene, nicht selten gegensätzliche Richtungen. Zahlreiche altkirchliche Schriftsteller haben ihn im anerkennenden, positiven Sinn als Gewährsmann für die Lehre der ‘creatio ex nihilo’, der Willensfreiheit und der Auferstehung rezipiert (siehe die Testimonia bei Bonwetsch 1917 [*2632: IX–XVII]), bisweilen auch unter anderem Namen, was zeigt, dass Urheberschaft und Zielsetzung einiger seiner Werke am Ende des 4. Jahrhunderts unklar waren (Patterson 1997 [*2653: 23]). Dank seiner asketischen Spiritualität ist er besonders von Gregor von Nyssa und im östlichen Mönchtum geschätzt worden. Bekannt geworden ist er aber vor allem als ein namhafter Vertreter der Auseinandersetzungen, die in den Jahrzehnten nach Origenes’ Tod um bestimmte
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Themen seiner Theologie, die Protologie und die Eschatologie, aufkamen. Die antiorigenistische Kampfschrift ‹De engastrimytho› des Eustathios von Antiochien hat wohl auf die verlorene Schrift ‹De Pythonissa› des Methodios zurückgegriffen (Patterson 1997 [*2653: 5f. Anm. 10], Bienert 2003 [*2700: 841]). Und es ist dem Einfluss des Hieronymus zuzuschreiben, dass er als Vorreiter der ersten Stunde im Kampf gegen den Origenismus galt. Zumindest indirekt hat Methodios’ Bild noch zu den Frontbildungen der origenistischen Streitigkeiten und den Verurteilungen des 4. und 6. Jahrhunderts beigetragen (Riggi 1985 [*2688], Dechow 1992 [*2692: 509], Patterson 1997 [*2653: 4–7]). Zudem scheint es, dass er in gewisser Hinsicht den Hintergrund für den Arianismus vorbereitet hat. Zwar ist ein direkter Einfluss schwer nachweisbar (nach Patterson 1997 [*2653: 218]; jedoch kannte Areios die Schriften von Methodios), doch lassen sich gewisse Spitzensätze des Areios als logische Folgerungen verstehen, die sich aus Prämissen bei Methodios ergeben konnten, wenn man sie aus ihrem kosmologischen Kontext löste (Williams 1992 [*2694: 683], Patterson 1997 [*2653: 214–220] sowie 1966 [*2670] und 1982 [*2684]). Diesbezügliche Verdächtigungen mögen die Überlieferung einiger Werke beeinträchtigt haben. Dass in der Mitte des 9. Jahrhunderts eine Sammlung von Methodios-Schriften existiert haben muss, lässt sich aus den Bruchstücken bei Photios erschließen (Bonwetsch 1917 [*2632: XV, XXV]), aber danach ist es nicht mehr zu einer einheitlichen griechischen Gesamtüberlieferung gekommen. Nur im altslawischen Sprachbereich existiert ein Corpus Methodianum, das zwar den vollständigsten Bestand enthält, aber auch nicht alle heute bekannten Werke umfasst. Die sehr getreue Übersetzung aus dem 10. Jahrhundert geht wahrscheinlich auf den Wunsch zurück, ein Abwehrmittel gegen die dualistische Lehre der Bogomilen zur Hand zu haben (Dujcev 1977 [*2678], Patterson 1997 [*2653: 24f.]). Die neuzeitliche Beschäftigung mit Methodios setzt mit der Einzeledition des griechischen Textes von ‹De autexusio› durch Johannes Meursius (Leiden 1619) ein, gefolgt von einer ersten Gesamtausgabe (noch ohne das ‹Symposium decem virginum›) von Francois Combefis (Paris 1644) und der ersten Edition des ‹Symposium decem virginum› durch Leo Allatius (Rom 1656). Ein Jahr später, 1657, veröffentlichte Petrus Possinus in Paris eine Gesamtausgabe unter Einschluss von Symp. Die erneuerte Gesamtausgabe von Francois Combefis (Paris 1672) hat Eingang in die Patrologia Graeca von Jacques Paul Migne (PG 18, Paris 1857) gefunden. Doch erst die Entdeckung der altslawischen Version, publiziert von Jean-Baptiste Pitra, Paris und Venedig 1883, erlaubte es, aus den verschiedensten Fragmenten das Gesamtwerk in seiner literarischen Struktur und seiner argumentativen Eigenart zu rekonstruieren. Die heute maßgebliche Ausgabe stammt von Bonwetsch 1917 [*2632].
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§ 104. Minucius Felix (Bibl. 1139–1141)
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VI. DIE LATEINISCHEN APOLOGETEN § 104. Minucius Felix Marc-Aeilko Aris und Stefan Müller
1. Leben. – 2. Werk. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Über die Biographie des Marcus Minucius Felix ist nur bekannt, was sich seinem Werk entnehmen lässt. Zeitgenössische externe Testimonien fehlen gänzlich, von den Hinweisen bei Laktanz (Inst. 1,11,55; 5,1,21–22) abgesehen. Nach Oct. 1,4 ist er als Heide aufgewachsen und später zum Christentum konvertiert. Aus Afrika stammend war er in Rom als Anwalt tätig (Oct. 2,1. 3; vgl. Lact. Inst. 5,1,22 und von diesem abhängig Hier. Vir. ill. 58). Seine Lebenszeit ergibt sich nur näherungsweise aus der Erwähnung des nach 176 gestorbenen Marcus Cornelius Fronto (Oct. 9,6; vgl. Beaujeau 1964 [*2720: 88f.]), aus der nach 197 zu datierenden breiten Rezeption des ‹Apologeticum› Tertullians (Beaujeau 1964 [*2720: LIV–LXVII], Becker 1967 [*2733: 74–94]) sowie aus der frühestens nach 304 erfolgten Erwähnung bei Laktanz und der wahrscheinlich gemachten Rezeption bei Cyprian (vgl. Beaujeau 1964 [*2720: LXVII–LXXIV], Becker 1967 [*2733: 95f.]). Daraus lässt sich für die Werkentstehung das Jahr 246 als Terminus ante quem sowie als Lebenszeitraum die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts erschließen. 2. WERK Das einzige erhaltene Werk des Minucius Felix, der nach dem Vorbild Ciceros (vgl. zuletzt Fredouille 2004 [*2769: 48], Powell 2007 [*2790], Schubert 2012 [*2742: 825]) gestaltete Dialog ‹Octavius›, ist als das achte Buch von Arnobius’ ‹Adversus nationes› in zwei Handschriften überliefert, von denen die jüngere (Brüssel, Bibliothèque Royale, cod. lat. 10847, 11. Jh.) eine Abschrift des im 9. Jahrhundert entstandenen Codex Parisinus (Paris, Bibliothèque Nationale de France, cod. lat. 1661) darstellt. Das Werk ist klar in eine Rahmenhandlung (Oct. 1–4; 14–15; 39–40) und zwei Reden gegliedert, die des Heiden Caecilius (Oct.
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5–13) und die des Christen Octavius (Oct. 16–38). Ausgangspunkt der Rahmenhandlung ist die Erinnerung an den jüngst verstorbenen Octavius, der anlässlich eines Besuchs in Rom gemeinsam mit dem Ich-Erzähler (d.h. Marcus Minucius Felix) einen Ausflug nach Ostia unternimmt, wo sie Zeugen einer religiösen Geste des Caecilius werden, mit der dieser das Standbild des Serapis ehrt. Octavius nimmt diese religiöse Geste zum Anlass, Minucius mangelndes Engagement im Sinne einer in der römischen Oberschicht verbreiteten skeptischen Position vorzuwerfen, da er es bislang versäumt habe, seinen Freund Caecilius aus den kul-
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tischen Konventionen der römischen Religion und damit aus der «Blindheit volkstümlicher Bräuche» und seinem Irrtum zu befreien (Oct. 3,1; vgl. Schubert 2012 [*2742: 817]). Pikiert über diese Bemerkung des Octavius besteht Caecilius darauf, die unterschiedlichen Auffassungen nach der Art eines durch einen Schiedsrichter präsidierten Gerichtsverfahrens auszutragen. Mit der Einführung der Rolle eines Schiedsrichters, die zudem von seinem literarischen Ich erst übernommen, dann aber gar nicht ausgeübt wird, schafft Minucius Felix das narrative Dispositiv, das erzählerisch die Voraussetzung für die beiden Reden darstellt. Zugleich instituiert er mit der Rolle des Skeptikers Caecilius Cicero als die Matrix, auf der sein Text als Ganzer rezipiert werden soll (Gärtner 1995 [*2760: 142–145]). Die nach den Regeln der Rhetorik geführte, dem Schema der Gerichtsrede folgende Auseinandersetzung (Schubert 2012 [*2742: 810]), die den Gegenstand des Dialogs bildet, steht unter dem Anspruch, als ein Gespräch unter Freunden die Wahrheit in logischen Schritten argumentativ aufzubauen (Oct. 4,4: «conserere sapientiam», «um die Weisheit streiten») und zu erkennen (Oct. 14,2: «cum […] veritati disceptatio vestra
nitatur», «insofern […] euer Wortstreit nach der Wahrheit strebt»). Die Themen des Dialogs werden durch die kürzere Rede des Caecilius vorgegeben, der seine Kritik am Christentum in drei Argumentationsschritten entwickelt, an denen sich wiederum die apologetische Entgegnung des Octavius orientiert. Das abschließende Urteil des Schiedsrichters unterbleibt, da Caecilius sich zuvor als Christ bekennt. Durch die Aussparung des Urteilsspruches lässt Minucius Felix den Dialog trotz der Zustimmung des Caecilius offen enden und markiert diesen Umstand im Text, indem auf die Fortsetzung des Gesprächs am nächsten Tag verwiesen wird, die für die vollständige Unterweisung des Caecilius notwendig ist (Oct. 40,2: «perfectae institutioni necessaria»). Mit der literarischen Inszenierung seines Endes wird der Dialog als Protreptik offensichtlich, die am Muster der Dialoge Ciceros modelliert ist und zugleich die für Cicero charakteristische Position der wechselseitigen Verwiesenheit von ‘eloquentia’ und ‘philosophia’ zugunsten der ‘philosophia’ überwindet, diese aber mit der christlichen Auffassung und Lebenspraxis als der wahren Philosophie konvergieren lässt.
3. LEHRE
Der ‹Octavius› des Minucius Felix ist kein genuin philosophischer Text, und der Autor selbst inszeniert sich in seinem Text nicht als Philosophen. Gleichwohl schreibt sich der Text, vor allem durch die Anlehnung an die Dialoge Ciceros (Form des Dialogs, Freundschaftsmotiv, akademische Skepsis, kultischer Tradi tionalismus), in den philosophischen Diskurs ein, der für das gehobene Bürgertum der spätantiken Gesellschaft vorausgesetzt werden muss (Schubert 2012 [*2742: 819f.]). Diese intertextuelle Profilierung des Dialogs legt es nahe, ihn nicht nur als Apologie, sondern zugleich als Protreptik und als eine an das gebildete Publikum der römischen Gesellschaft gerichtete Schrift zu verstehen (Schubert 2012 [*2742: 808–811]; neuerdings betont Pietzner 2013 [*2779: 266–271] dagegen die innerchristliche Adressierung des Textes). Die über die formale Anlage des Textes hinausgehende Rezeption philosophisch-literarischer Quellen berücksichtigt überwiegend den römischen Kanon einer literarischen Philosophie (Schubert 2012 [*2742: 819]). Die in diesem Schema gebräuchlichen Argumente und Positionen werden im Text von der Figur des Caecilius vorgestellt und von dessen Dialogpartner Octavius aufgegriffen und im Sinn einer ‘aemulatio’ überboten, ohne dass dabei philosophisch stringente Argumentationen entwickelt würden. Mit diesen Vorbehalten können drei philosophisch relevante Problemstellungen innerhalb des Textes identifiziert werden: Erkenntniskritik, Mythen- und Kultkritik, Konsistenz von Denk- und Lebensform.
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Im Sinne einer epistemologischen Analyse der Leistungsfähigkeit menschlicher Erkenntnis betont Caecilius im Anschluss an die Position der akademischen Skepsis, dass es eine Anmaßung sei, für die menschliche Erkenntnis in Bezug auf den Inbegriff der Welt sowie ihre Erhabenheit ein sicheres Urteil zu beanspruchen («certum aliquid de summa rerum ac maiestate decernere»: Oct. 5,4). Dieser Vorbehalt gelte für jeden Modus menschlichen Erkennens gleichermaßen, nämlich für das «Wissen», das «Erforschen» und das «Vermuten» («scire», «scrutari», «suspicari»: Oct. 5,5). Aufgrund dieses Vorbehalts sind keine Aussagen über Gott als «Urheber» bzw. als «Baumeister» («auctor», «machinator»: Oct. 5,7) der Welt bzw. als deren «Demiurg» bzw. «Richter» («artifex», «iudex»: Oct. 5,8) möglich. Es sei vielmehr aufgrund zahlreicher Beispiele «wahrscheinlicher» («magis credendum»: Oct. 5,13), dass der Mensch und jedes andere Lebewesen «als willkürliche Verbindungen der Elemente» («elementorum ut voluntaria concretio»: Oct. 5,8) «in allen Zuständen ihres Lebens ohne jede Gesetzmäßigkeit dem Zufall unterworfen sind» («variis et lubricis casibus soluta legibus fortuna dominatur»: Oct. 5,13). Die Erwiderung des Octavius versucht, den skeptischen Vorbehalt des Caecilius durch die Skizzierung einer christlichen Metaphysik menschlichen Wissens zu entkräften. Octavius reklamiert die für die folgende Argumentation grundlegende Erkenntnisfähigkeit des Menschen mit dem Argument, dass dem Menschen als «Geistwesen» («cum formatione mentis»: Oct. 16,5) natürlicherweise Vernunft und Sinne als Erkenntniskräfte zur Verfügung stehen, und zwar im epistemologischen und anthropologischen Sinn («rationis et sensus capaces et habiles»: Oct. 16,5). Aufgrund dieser allen Menschen unterschiedslos eignenden Befähigung muss in der «philosophischen Auseinandersetzung» («disputatio»: Oct. 16,6) vom einzelnen Menschen, der ein bestimmtes Argument formuliert, und von der sprachlich-rhetorischen Vermittlung des Argumentes abgesehen werden und stattdessen der Wahrheitsgehalt des Argumentes überprüft werden (Oct. 16,6). Mit Hilfe eines teleologischen Gottesbeweises widerlegt Octavius die Behauptung, dass der Mensch und alle anderen Lebewesen zufällige Zusammensetzungen von Elementen seien. Vielmehr wiesen die Gesetzmäßigkeit der natürlichen Abläufe sowie die Anordnung und Einrichtung der unterscheidbaren Bestandteile der Natur und die Gestalt und Befähigung des Menschen auf eine «vollkommene Vernunft» («maxima ratio»: Oct. 17,7) als ihre Ursache hin, die sich in ihrem Wirken zugleich als «Vorsehung» («providentia»: Oct. 17,8) erweise. Diese könne aufgrund ihrer vollkommenen Macht nur als eine und als ewige gedacht werden (Oct. 18,7), sei an sich selbst nicht erkennbar und sprachlich nicht angemessen aussagbar (Oct. 18,8–10), werde aber als solche vor allem dann durch den ‘consensus omnium’ bestätigt, wenn sie als Gottheit kultisch angerufen werde, unabhängig davon, wie sie benannt werde (Oct. 18,11). Der skeptische Vorbehalt wird damit auf die Bedingungen der Ineffabilität des Göttlichen eingeschränkt. Zur Bestätigung lässt Octavius eine mit Homer und Vergil beginnende und dann aus 21 Philosophen bestehende Zeugenreihe folgen, die aus Ciceros ‹De natura deorum› entnommen, aber für den vorliegenden Zusammenhang umgestaltet ist (Oct. 19,1– 20,1; vgl. Cic. Nat. 1,25–42) und als deren Ergebnis Octavius festhält, dass die Bezeichnungen «philosophus» und «Christianus» miteinander konvergieren (Oct.
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20,1; vgl. Freund 2000 [*2763: 427f.]), mithin die christliche Metaphysik sich als die leistungsfähigere Philosophie erweise. Religions- bzw. kultkritisch vertritt Caecilius – angesichts dessen, dass «entweder der Zufall gewiss oder das Naturgesetz unerkennbar» («aut fortuna certa aut natura incerta»: Oct. 6,1) sei – die schon bei Cicero formulierte und wiederum durch zahlreiche Exempla gestützte römische Position, dass das «Festhalten an der religiösen Lehre und Praxis der Vorfahren» («maiorum excipere disciplinam»: Oct. 6,1) jeder Kultabstinenz vorzuziehen sei. Mit dem wiederum schon bei Cicero formulierten consensus-omnium-Argument, dass die Existenz unsterblicher Götter gewiss sei, wenn auch «ihr Wesen und ihr Ursprung» («vel ratio vel origo»: Oct. 8,1) unerkennbar blieben, weist Caecilius jeden Versuch zurück, «die überkommene und als nützlich und heilbringend erwiesene Bindung an die Götter aufzulösen oder zu schwächen» («hanc religionem tam vetustam, tam utilem, tam salubrem dissolvere aut infirmare»: Oct. 8,1). Als einen solchen Versuch wertet er die Verweigerung der Christen, sich am Staatskult zu beteiligen. In seiner Entgegnung überprüft Octavius die überkommene Mythologie und Kultpraxis der römischen Religion am Ergebnis seiner vorangegangenen philosophischen Argumentation mit dem Ziel, die Zustimmung zu dieser religiösen Tradition dann in Frage zu stellen, wenn sich deren Lehre oder Praxis gemessen am philosophischen Gottesbegriff als irrtümlich erweisen lassen. In seiner mythenkritisch und religionsgeschichtlich verfahrenden Darstellung identifiziert er zunächst die Götter selbst als ehemalige Menschen und die Mythen als Märchen (Oct. 20,2–24,13), falsifiziert sodann die Annahme, die Bedeutung Roms ließe sich auf Begünstigung durch die Götter zurückführen, indem er historisch argumentierend die politischen und militärischen Erfolge als Ergebnisse des von Römern begangenen Unrechts erweist (Oct. 25,1– 9), um schließlich die Kultpraxis der Römer als dämonengewirkt darzustellen (Oct. 25,10–27,8). Das von Octavius eingeführte Kriterium des philosophischen Gottesbegriffs leistet damit zweierlei: Es entkräftet die Legitimität der römischen Kultpraxis und erweist die Leistungsfähigkeit der christlichen Philosophie. In einer logisch verfahrenden doktrinellen Konsistenzanalyse versucht Caecilius, den Christen sowohl in sich widersprüchliche theologische Auffassungen (in der Gotteslehre, der Theodizee, der Theorie einer göttlichen Providenz und der Eschatologie) als auch eine sittenwidrige Kultpraxis und die Verehrung eines angesichts der sozialen und politischen Lage der Christen wirkungslosen Gottes nachzuweisen, den keiner kennt, dessen Existenz also durch das schon bemühte consensus-omnium-Argument entkräftet wird (Oct. 10,3). Durch die logischen Schwächen der christlichen Lehre sowie die mangelnde Leistungsfähigkeit ihrer Ethik, die sich in der Sittenwidrigkeit ihres Verhaltens erweise, sieht sich Caecilius darin bestätigt, dass in metaphysischen Fragen die philosophisch angemessene Haltung der Zweifel sei («in summis quaestionibus tuta dubitatio»: Oct. 13,3), nicht zuletzt auch um so einer Destruktion der «religio» (Oct. 13,5) zu entgehen. Octavius entkräftet die gegen die Christen erhobenen Vorwürfe, logisch widersprüchliche bzw. absurde Lehren zu vertreten und sich in ihrer Kultpraxis sittenwidrig zu verhalten (Oct. 28,1–38,4), mittels der an Texten Ciceros (Powell 2007 [*2790: 183– 185]) geführten Auseinandersetzung mit der stoischen Auffassung vom Welten-
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§ 104. Minucius Felix (Bibl. 1139–1141)
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brand im Verhältnis zur christlichen Eschatologie (Oct. 34,1–5) sowie des Vergleichs zwischen den philosophischen Überlegungen zur Unsterblichkeit der Seele und dem theologischen Konzept der leiblichen Auferstehung (Oct. 34,6–8). In beiden Fällen wendet Octavius die zuvor vertretene Position an, dass philosophische und christliche Theorie miteinander konvergieren, auch wenn er in der sachlichen Diskussion der Auffassungen lediglich Teilübereinstimmungen konstatiert («consonare»: Oct. 34,8). Erkennt er in der stoischen, epikureischen und platonischen Auffassung vom Weltuntergang wenigstens den «Schatten einer verkürzten Wahrheit» («umbra interpolatae veritatis»: Oct. 34,5), bewertet er die Vorstellung einer Unsterblichkeit der Seele als eine Reduktion des christlichen Auferstehungsglaubens und die Theorie der Seelenwanderung als unphilosophischen Gedanken (Oct. 34,6f.). Positiv entwickelt Octavius zwei philosophische Argumente für die leibliche Auferstehung, indem er erstens das beobachtbare Phänomen, dass der menschliche Körper nach dem Tod zerfällt, als einen Wirklichkeitseindruck aus der Perspektive der menschlichen Wahrnehmung bestimmt, der nicht mit der zeitfrei und dauernd zu denkenden Wirklichkeit übereinstimmt, die für Gott gilt (Oct. 34,10), und indem er zweitens die natürlichen Abläufe der Gestirnsbewegungen und der Vegetation als Analogien dessen versteht, was mit dem Terminus ‘Auferstehung’ bezeichnet wird (Oct. 34,11f.; vgl. Ahlborn 1990 [*2759: 132–137]). In der Konsequenz der behaupteten Fortdauer der menschlichen Existenz, die für den Menschen nicht wahrnehmbar ist, aber für Gott in der «Bewahrung der Elemente» («elementorum custodia»: Oct. 34,10) wirklich ist, ergibt sich für Octavius die Umwertung der von Caecilius als Argument gegen die Wirksamkeit Gottes angeführten politischen und sozialen Diskriminierung der Christen. In ihrer Lebenspraxis erweise sich damit die Leistungsfähigkeit ihrer zumindest zum Teil philosophisch begründeten Überzeugung. Damit ist es die Lebenspraxis der Christen, durch welche die von Caecilius bezogene skeptische Position widerlegt und damit implizit die Lebensform als philosophisches Evidenzargument etabliert wird («non eloquimur magna sed vivimus», «nicht reden wir Großes, sondern leben es»: Oct. 38,6). In jedem der drei genannten Themenkreise (Erkenntniskritik, Mythen- und Kultkritik, Konsistenz von Denk- und Lebensform) erweist sich die antiskeptische Argumentation des Octavius und die daraus gewonnene Möglichkeit einer rational verfahrenden Theologie als grundlegend: Sein philosophisch avancierter Gottesbegriff öffnet den Bereich des Göttlichen dem Zugriff des durch seine Vernunftbegabung an einer überindividuellen Erkenntnisform teilhabenden menschlichen Geist. Er wird somit zu einer leistungsfähigen und an der konkreten Lebensweise der Christen beobachtbaren Alternative zur als philosophisch indifferent präsentierten Kulttradition Roms. 4. NACHWIRKUNG
Schon die Tatsache, dass der ‹Octavius› nur als das achte Buch von Arnobius’ Schrift ‹Adversus nationes› in einer Handschrift des 9. Jahrhunderts überliefert ist (Paris, Bibliothèque Nationale de France, cod. lat. 1661), von der wiederum le-
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diglich eine Abschrift aus dem 11. Jahrhundert existiert (Brüssel, Bibliothèque Royale, cod. lat. 10847), erklärt die ausbleibende Rezeption des Textes im Mittelalter bis zu dessen Wiederentdeckung im Jahre 1543 durch den Konservator der Vatikanischen Bibliothek, Faustus Sabaeus (Waltzing 1926 [*2719: V]). Eine nachweisbare Wirkung entfaltete der Text lediglich unmittelbar nach seiner Entstehung: So finden sich zum Teil wörtliche Anklänge in Cyprians Schrift ‹Ad Demetrium› (Pellegrino 1947 [*2797: 122–128]), der den ‹Octavius› wohl sogar als Vorlage für ‹Ad Donatum› verwendet hat (Pellegrino 1947 [*2797: 111–115]). Bedeutender ist jedoch der stilistisch wie inhaltlich prägende Einfluss des ‹Octavius› auf Laktanz, der sich ihm insbesondere in den ‹Divinae institutiones›, aber auch in ‹De opificio dei› und ‹De ira dei› verpflichtet zeigt (Pellegrino 1947 [*2797: 151–201]). Das ps.cyprianische Werk ‹Quod idola dei non sint›, das aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts stammt (Sallmann 1997 [*2801: 583]), kompiliert neben den ‹Divinae institutiones› des Laktanz und dem ‹Apologeticum› Tertullians auch aus dem ‹Octavius›, was für eine bis zu diesem Zeitpunkt immer noch lebendige Lektüre tradition spricht, aber auch eine frühe Einreihung des Minucius Felix in die Reihe der apologetischen Schriftsteller belegt. Wenn Hieronymus den ‹Octavius› wegen seines guten lateinischen Stils lobt (Hier. In Is. 8 praef. 1,11–15, p. 315 Adriaen; vgl. Heck 1997 [*2741: 512]), weist er damit auf die neuzeitliche Rezeption des Textes voraus, der seit dessen Wiederentdeckung in über sechzig Editionen erschlossen wurde. Dabei ist freilich das philologische Interesse am noch ganz von antiker Literarizität geprägten Text des ‹Octavius› bestimmender als die philosophische Auseinandersetzung mit der Position des Minucius Felix (Kytzler 1965 [*2721: 12]).
§ 105. Arnobius von Sicca Marc-Aeilko Aris
1. Leben. – 2. Werk. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Zuverlässige Nachrichten über das Leben des Arnobius fehlen fast völlig. Abgesehen von dem in seinem Werk enthaltenen Hinweis auf die Diokletianische Verfolgung im Anschluss an das (erste) Edikt des Jahres 303, das die Zerstörung der Kirchen und die Verbrennung der Heiligen Schriften anordnete (Nat. 4,36), bietet nur Hieronymus spärliche biographische Angaben. Danach habe Arnobius
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zur Regierungszeit Kaiser Diokletians als Rhetor im nordafrikanischen Sicca (heute El-Kef in Tunesien) gewirkt (Hier. Vir. ill. 79) und dabei Laktanz zum Schüler gehabt (ebd. 80; Hier. Ep. 70,5,2). Aufgrund von Traumgesichten habe er sich zum Christentum bekehrt und, um die Zweifel des Bischofs von Sicca an der Integrität seiner Bekehrung zu zerstreuen, mit seiner apologetischen Schrift die Ernsthaftigkeit seiner Konversion beweisen wollen (Hier. Chron. ad ann. 2343 = 327 n. Chr. = 231,14ff. Helm). Im Werk des Arnobius selbst fehlen Nachrichten über die Umstände seiner Konversion. Sie ergibt sich lediglich aus dem Hinweis auf seine früher geübte idololatrische Praxis (Nat. 1,39). Werkinterne zeitgeschichtliche Indizien und Datierungen erlauben es aber, den Zeitraum der literarischen Wirksamkeit des Arnobius einzugrenzen. In Nat. 2,71 beziffert Arnobius das Alter der Stadt Rom auf 1050 Jahre, freilich ohne die Jahreszählung anzugeben, auf die er sich dabei bezieht. Unter der Voraussetzung der an anderer Stelle (Nat. 4,8) benutzten varronischen Zählung ergibt sich daraus das Jahr 298. In Nat. 1,13 weist er darauf hin, dass es Christen erst seit 300 Jahren gäbe (vgl. Nat. 2,71 und Wlosok 1989 [*2849: 367] sowie Edwards 2004 [*2888: 270f.]). In Nat. 1,26 und 2,5. 77 sowie 4,17 ist sachlich die obrigkeitlich angeordnete Verfolgung vorausgesetzt, wogegen deren Aufhebung im Jahre 311 nicht erwähnt wird. Aus diesen Hinweisen mit unterschiedlichem Gewissheitsgrad ergibt sich, dass Arnobius wohl um 250 geboren wurde und in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts in der Stadt Sicca als Rhetor tätig war. Kurz vor oder nach der Jahrhundertwende muss er sich der christlichen Gemeinde in Sicca angeschlossen und damit begonnen haben, seine Apologie (möglicherweise in mehreren Phasen) zu verfassen (vgl. Lucarini 2005 [*2890: 123–143] und Fragu 2010 [*2819: XX–XXIII]). 2. WERK Das Werk des Arnobius ist lediglich in einer Handschrift des 9. Jahrhunderts (Paris, Bibliothèque Nationale de France, cod. lat. 1661) und einer von dieser vermutlich in Fulda gefertigten Abschrift des 11. Jahrhunderts (Brüssel, Bibliothèque Royale, cod. lat. 10847) erhalten (vgl. zuletzt Fragu 2010 [*2819: XLII–XLVI] sowie Duval 1986 [*2839: 78–91]). Es umfasst sieben Bücher. Bei dem in beiden Handschriften folgenden achten Buch handelt es sich um den ‹Octavius› des Minucius Felix. Laut einer subscriptio am Ende des 2. Buches trägt das Werk den Titel ‹Adversus nationes› (‹Gegen die Heiden›); Hieronymus erwähnt es unter dem Titel ‹Adversus gentes› (Hier. Ep. 70,5,2). Das erste der insgesamt sieben Bücher ist gattungstypologisch am deutlichsten als Apologie zu erkennen, indem es, am ‘genus iudiciale’ orientiert, in zwei Durchgängen die Angriffe gegen die Christen (Verursachung des Unglücks als Götterzorn, «impietas», «Gottlosigkeit») widerlegt und
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in Form einer Retorsion gegen die Ankläger wendet (vgl. Föllinger 1999 [*2880: 13–18]), um in einem zweiten Teil die religiöse Verehrung des am Kreuz gestorbenen Menschen Jesus (Nat. 1,36) zu verteidigen, da dieser der erhabene Gott gewesen sei («deus sublimis fuit»: Nat. 1,53). Das zweite Buch, das Arnobius selbst als «Abschweifung» («deverticulo facto»: Nat. 2,1) wertet, setzt sich mit zeitgenössischen philosophischen Erlösungslehren auseinander, während die fünf übrigen Bücher einer ausführlichen Religions-, Mythen- und Kultkritik gewidmet sind. Mit der Kritik der römischen Religionspraxis verfolgt Arnobius nicht nur das Ziel, die Stellung der Christen in der römischen Gesellschaft am Anfang des 4. Jahrhunderts zu stärken, sondern betreibt vor allem durch die Diskussion des «pietas»-Begriffs die Destruktion des religiösen Systems, das die staatliche Herrschaft fortgesetzt legitimiert und so die Verfolgung der Christen begründet (Nat. 4,1; 7,51). Die für diese Absicht erforderliche detailgenaue Analyse
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der paganen Mythen und Kulte macht das Werk des Arnobius zu einer reichhaltigen antiquarischen Quelle für die römische Religiosität, während die von ihm dargestellten christlichen Positionen, sei es aufgrund der nur anfänglich erfolgten Schulung des Arnobius, sei es aufgrund der sich erst entwickelnden doktrinellen Konsolidierung (vgl. zuletzt Fragu 2010 [*2819: XXXII–XXXVIII]) nicht den Differenzierungsgrad erreichen, der in vergleichbaren griechischsprachigen theologischen Werken an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert vorhanden ist. Diese Charakterisierung von ‹Adversus nationes› wird durch die Auswahl literarischer Quellen bestätigt, die Arnobius verarbeitet. Am Anfang des dritten Buches weist Arnobius zwar auf die ihm zeitlich vorausgehende christliche apologetische Literatur hin (Nat. 3,1), hat aber von deren Benutzung kaum profitiert. Von den apologetischen Schriften ist lediglich der ‹Protreptikos› des Clemens von Alexandrien nachweisbar, dem er aber weder in theologischen Positionen (vgl. Burger 1970 [*2866: 16–18]) noch in der Kritik der paganen Mythen und Kultpraxis uneingeschränkt folgt (dazu Mora 1994 [*2905: 103–108], der freilich die Differenzen zwischen Clemens und Arnobius überzeichnet, vgl. Herrero de Jáuregui 2010 [*2896: 153–155]). Während biblische Texte allenfalls sehr vereinzelt und dann nur als Allusionen nachweisbar sind (vgl. Burger 1970 [*2866: 9–15], Gierlich 1985 [*2833: XV–XVII], Le Bonniec 22002 [*2817: 69f.]), ist die Zahl der ausdrücklich zitierten beziehungsweise erwähnten antik-paganen Autoren beträchtlich, selbst wenn einige von deren Texten Arnobius
lediglich vermittelt oder als Topoi zur Verfügung stehen (Übersicht bei Gierlich 1985 [*2833: XIX– XXXI], Le Bonniec 22002 [*2817: 41–54]). Diese Einschränkung trifft auch auf einige der 20 Erwähnungen Platons zu (Diskussion der Stellen bei Laurenti 1981 [*2871: 5–52] und bei Le Bonniec 22002 [*2817: 41–44]), während die nachweisbare Rezeption von Ciceros ‹De natura deorum› (Opelt 1966 [*2902: 148f.]) und Lukrez’ ‹De rerum natura› (Madden 1981 [*2903], Gierlich 1985 [*2833: XXV– XXVIII]) wohl auf eigene Lektüre durch Arnobius beruht. Die Anleihen aus der antiken Philosophie werden jedoch weniger doktrinell-systematisch mit theologischen Lehrinhalten eines sich konsolidierenden christlichen Dogmas verknüpft, sondern gehen lediglich eine rhetorisch veranlasste Verbindung mit Figuren und Motiven aus der biblischchristlichen Tradition ein. Das wird besonders greifbar in der Vorstellung Jesu als eines naturphilosophischen Lehrers (Nat. 1,38), wobei sich Arnobius an das Epikur-Lob des Lukrez (Lucr. 5,1–54) anlehnt und Jesus dafür rühmt, dass er in der Kosmogonie, der Anthropologie und der Eschatologie sicheres Wissen vermittelt habe. Ob sich diese Rezeption deshalb an die Formulierungen des Lukrez anlehnt, um gegen die epikureische Sicht eine gnostisch-hermetische Interpretation zu etablieren (Schmid 1960 [*2862: 271–281]), oder ob die Angleichung an Epikur gerade deshalb gesucht wird, um Christus als den Erfüller Epikurs und des entsprechenden Weltverständnisses zu deuten (Blumenberg 1989 [*2874: 341]), ist strittig (Gierlich 1985 [*2833: 96–102]).
3. LEHRE
Philosophisch relevante Positionen hat Arnobius vor allem im zweiten Buch seines Werkes entwickelt, das der Auseinandersetzung mit den überwiegend lebensphilosophisch orientierten Philosophenschulen seiner Zeit gewidmet ist. Diese sind schon deshalb seine bevorzugten Adressaten, weil er terminologisch (nämlich im Terminus «fides», «Glaube») und erkenntnistheoretisch keinen Unterschied sieht zwischen dem Glaubensakt der Christen und dem Vertrauensgestus, einem philosophischen Lehrer zu folgen oder einen Autoritätsbeweis zu akzeptieren (Nat. 2,10f.) oder auch eine Handlung mit der Erwartung ihres Erfolges bzw. guten Ausganges zu beginnen (Nat. 2,8). Vielmehr betont er den für beide Seiten geltenden skeptischen Erkenntnisvorbehalt, der jede Wahrheitsaussage unsicher macht (Nat. 2,7. 47. 51. 57) und damit die dem Glaubensakt vergleichbare optionale Setzung des jeweiligen Erkenntnissubjektes erfordert. Ob die von Arnobius kritisierten «philosophi», die innerhalb des Textes als Adressaten der Rede fungieren, historisch konkretisiert werden können, ist in der Forschung strittig.
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Aufgrund entsprechender Hinweise im Text («Plato vester»: Nat. 2,13. 14; vgl. 2,11) kann zwar als zuverlässig gelten, dass man es bei den kritisierten Positionen mit Spielarten des Platonismus zu tun hat (Courcelle 1963 [*2863: 154–157]), unklar bleibt aber, ob es sich dabei um eine einzelne Gruppe oder um doxographisch unterscheidbare Auffassungen handelt (vgl. Gierlich 1985 [*2833: 198–200]). Insbesondere die in Nat. 2,15 erwähnten «viri novi» haben zu unterschiedlichen Identifikationen Anlass gegeben (Porphyrios, Gnostiker, Hermetiker, Neupythagoreer; Übersicht bei Gierlich 1985 [*2833: 220f.]; vgl. Le Bonniec 22002 [*2817: 44–46], Edwards 2007 [*2894: 120–123]; zu ergänzen ist die Auffassung von Fortin 1973 [*2868: 205–220], der die Neuplatoniker Plotin und Porphyrios als Gegner des Arnobius identifiziert). Sie repräsentieren in diesem Terminus aber vor allem die schwer bestimmbaren, synkretistischen philosophischen Gruppen, die erst dadurch, dass sie von Arnobius als Gegner identifiziert und konstituiert werden, ihre Kohärenz finden (Festugière 1967 [*2865: 263, 302f.]). In der Auseinandersetzung mit ihnen entwickelt Arnobius seine im Kern anti-platonische Auffassung von der Seele und ihrer Unsterblichkeit. Der von ihm für platonisch gehaltenen Auffassung, die Seele des Menschen sei göttlichen Ursprungs und dadurch so vollständig bestimmt, dass sie vermittels der ἀνάμνησις («Erinnerungsvermögen») aus eigener Kraft zu ihrem Ursprung zurückkehren könne, setzt er seine für christlich gehaltene Ansicht entgegen, die Seele sei zur Erlangung der Unsterblichkeit auf eine von außen hinzukommende Einwirkung des ersten Urhebers angewiesen (Nat. 2,32) und insofern von wenigstens zum Teil unbestimmter Beschaffenheit («mediae qualitatis»: Nat. 2,14. 35. 53) im Sinne einer neutralen Ambiguität. Diese Auffassung versucht er durch die Imagination eines Experimentes zu beweisen, das sich am platonischen Höhlengleichnis orientiert und die ἀνάμνησις-Lehre ad absurdum führen soll (Nat. 2,20–24; dazu ausführlich Blumenberg 1989 [*2874: 311–353]; ein ganz ähnliches Experiment findet sich bereits bei Hdt. 2,2; vgl. dazu McCracken 1949 [*2826: I 317f.]): Das imaginierte Experiment besteht darin, dass ein Kind unmittelbar nach seiner Geburt in einem verschlossenen, aber gut bewohnbaren Raum isoliert wird und dadurch in einem vorkulturellen Zustand fixiert wird, wobei lediglich die körperlichen Grundfunktionen durch die entsprechende Versorgung unterstützt werden, aber jeder verhaltens- und sprachbildende Kontakt mit der Umwelt langfristig unterbunden wird. Für den Zeitpunkt der Entlassung aus der Höhle nach mehreren Jahrzehnten prognostiziert Arnobius, dass der Proband ohne die erforderlichen Lern- und Integrationsprozesse orientierungs- und kommunikationsunfähig sein werde, da er auf ein vorgeburtliches Orientierungswissen nicht zurückgreifen könne – ein Zustand, der mit der platonischen ἀνάμνησις-Lehre unvereinbar wäre, da hier ein Rückgriff auf vorgeburtliches Orientierungswissen trotz der Höhlenisolation möglich sein müsste. Das durch dieses Experiment deutlich werdende Wissensdefizit, das nur durch die methodisch verfahrende Wissensaneignung behoben werden kann (Nat. 2,25), widerlegt nach Arnobius die platonische ἀνάμνησις-Lehre ebenso wie der Umstand, dass die Seele durch die Verbindung mit dem Körper ihres ursprünglichen Wissens verlustig gehe, d. h. durch äußere Einwirkung veränderlich ist («Quicquid enim causa ingruente nonnulla ita mutatur et vertitur ut integritatem suam retinere non
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possit, id necesse est iudicari natura esse passivum», «Denn was auch immer sich durch das Eintreten irgendeiner Ursache so verändert und wandelt, dass es seine Unversehrtheit nicht bewahren kann, muss notwendigerweise von Natur aus als passiv beurteilt werden»: Nat. 2,26). Da aber Einheit, Einfachheit, Unveränderlichkeit und Unsterblichkeit der Seele einander wechselseitig bedingen (Nat. 2,27), ist die Behauptung, die Seele sei per se unsterblich, nach Arnobius nicht haltbar. Über diese mit einem Verweis auf die in Platons ‹Menon› (81c–85b; Nat. 2,24) vorgebrachte Kritik an der ἀνάμνησις-Lehre hinaus wendet sich Arnobius mit seinem Höhlengleichnis zugleich gegen eine optimistische Anthropologie, die den Menschen aufgrund der Göttlichkeit und Unsterblichkeit seiner Seele selbst als gött lichen Ursprungs versteht. Arnobius bestimmt den Menschen vielmehr aufgrund seiner Kontingenz als bedeutungs- und wirkungslos für die Ordnung oder Vervollkommnung des Kosmos (Nat. 2,37f.), als sittlich defizient (Nat. 2,43) und als nur eingeschränkt erkenntnis- und wahrheitsfähig (Nat. 2,60). Diese Einschränkungen lassen ihn, abweichend von den platonischen oder platonisierenden Konzepten, die er bekämpft, eine niedere Stellung des Menschen in einer hierarchischen Seinsordnung annehmen («desinite hominem proletarius cum sit classicis et capite cum censeatur adscribere ordinibus primis, cum sit inops», «Hört auf, den Menschen, obwohl er nur niedrig ist [proletarius = zweitniedrigste Steuerklasse], der höchsten Klasse und obwohl er nur pro Kopf gezählt wird [Klasse niedriger als Proletarier], den ersten Rängen zuzurechnen, denn er ist hilflos»: Nat. 2,29; vgl. Burger 1970 [*2866: 86–94]). Mit dieser skeptischen beziehungsweise pessimistischen Anthropologie macht Arnobius die ambivalente Bedeutung des lateinischen Begriffs «medietas» («Mittelstellung») theoretisch wirksam und versteht die menschliche Seele nicht nur hinsichtlich ihrer Unsterblichkeit als unzureichend bestimmt, sondern zugleich in Bezug auf ihre Sittlichkeit als mittelmäßig (Blumenberg 1989 [*2874: 347]). Die Philosophie ist jedoch – nach der Auffassung des Arnobius – weder in ihrer sittlich-kathartischen Funktion als Ethik noch in ihrer wissenschaftlichen Funktion als Instrument der Wahrheitssicherung leistungsfähig genug, um in dieser Aporie die nötige Gewissheit zu vermitteln (Nat. 2,30f.). 4. NACHWIRKUNG
In der Antike hat Arnobius’ Schrift ‹Adversus nationes› gemäß Hieronymus (Vir. ill. 79) eine breite Rezeption erfahren, was wohl auch daran liegt, dass das antike Publikum in dem Werk seine ästhetischen Interessen verwirklicht sah und angesichts des Sieges des Christentums auch bereit war, über dessen fehlende lehrbuchartige Systematik und Orthodoxie hinwegzusehen (Jakobi 32002 [*2886: 62]). Die mittelalterliche Rezeption des Arnobius wird hingegen durch die negative Bewertung seines Werkes im ‹Decretum Gelasianum› weitgehend verhindert. Die beiden erhaltenen Handschriften (Cod. Paris. 1661, 9. Jh., und dessen unmittelbare Abschrift, Cod. Brux. 10847, 11. Jh.) weisen auf Norditalien und das Kloster Fulda als Entstehungsräume (vgl. zuletzt Fragu 2010 [*2819: XLII–XLV]). Im Anschluss an die Editio princeps (1543) stößt das Werk zunächst überwiegend auf
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antiquarisches Interesse (Krafft 1966 [*2914: 5–27]) und wird erst im 17. Jahrhundert philosophisch wirksam. Für Mersenne und La Mettrie wird das Höhlengleichnis zum Ausgangspunkt einer zunächst sensualistischen und dann zunehmend materialistisch-mechanistischen Position in der Erkenntnislehre und Anthropologie (Krafft 1966 [*2914: 161–172] und Blumenberg 1989 [*2874: 379– 395]). Ebenfalls von einer sensualistischen Position ausgehend und gegen Descartes’ Konzeption der «ideae innatae» gerichtet macht Pierre Daniel Huet das Werk des Arnobius für die Formulierung eines christlichen Skeptizismus und Fideismus wirksam (Krafft 1966 [*2914: 172–185]) und bestimmt damit die diesem freilich nicht gerecht werdende Arnobius-Rezeption bis zu den Entwürfen einer christlichen Philosophie im 20. Jahrhundert (Krafft 1966 [*2914: 5], Wlosok 1989 [*2849: 374f.]). Innerhalb des französischen Enzyklopädismus wird die Auffassung des Arnobius, dass die menschliche Seele von zum Teil unbestimmter Beschaffenheit sei, zum Ausgangspunkt eines universalpädagogischen Konzepts «für ein neu einsetzendes demiurgisches Erziehungsideal» (Blumenberg 1989 [*2874: 358]) und formiert darüber hinaus in Verbindung mit der Theodizeeproblematik von Pierre Bayle eine pessimistische Wahrnehmung der Schöpfung (Krafft 1966 [*2914: 206– 220]). Ob, wie Bayle in seinem Artikel zu Pascal vermutet, die in Nat. 2,4 vorgetragene «unmittelbar einleuchtende Überlegung» («pura ratio»), bei ungewisser Zukunftserwartung sei das zu wählen, was größere Hoffnung vermittle («ex duobus incertis et in ambigua exspectatione pendentibus id potius credere quod aliquas spes ferat»), als Vorlage zur Formulierung der Wette Pascals gedient hat, wird in der neueren Forschung unterschiedlich beurteilt (Leigh 1920–1921 [*2913: 324f.]; Zusammenfassung der Diskussion bei Krafft 1966 [*2914: 252–259]).
§ 106. L. Caelius Firmianus Lactantius Marc-Aeilko Aris
1. Leben. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. LEBEN
Aus der römischen Provinz Africa stammend, wurde Laktanz, insofern eine Nachricht des Hieronymus zutrifft, vom Rhetoriker Arnobius von Sicca unterrichtet (vgl. Hier. Vir. ill. 80) und muss schon in dieser Zeit mit neuplatonisch-gnostischem Gedankengut in Verbindung gekommen sein. Seine schriftstellerische Tä-
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tigkeit begann er Hieronymus zufolge noch in Afrika. Er wirkte dort vor allem als Rhetoriklehrer, ohne jedoch eine Anwaltstätigkeit ausgeübt zu haben (vgl. Inst. 3,13,12). Zwischen 290 und 300 übernahm Laktanz auf Betreiben des Diokletian sein Amt als Rhetoriklehrer in der neuen Residenzstadt Nikomedien in Bithynien und kam vermutlich schon dort in Kontakt mit dem jungen Konstantin, der sich zu dieser Zeit am kaiserlichen Hof aufhielt. In Nikomedien wurde Laktanz Zeuge der reichsweiten Christenverfolgung durch Diokletian (vgl. Inst. 5,2,2). Laktanz selbst bringt diese Erfahrung in Zusammenhang mit der Entscheidung, seine öffentliche Tätigkeit als Rhetoriklehrer am Hof aufzugeben, wobei aber letztlich unklar bleibt, ob er freiwillig oder unter dem Druck der Obrigkeit aus dem Amt schied (Inst. 1,1,8. 10). Laktanz bewertet diesen Rücktritt als Neuausrichtung seiner Lehrtätigkeit zugunsten einer christlich geprägten Schülerschar (Opif. 1,1,2), ohne selbst deswegen auch zum Christen zu werden. Der Zeitpunkt seiner Konversion zum Christentum ist vielmehr völlig ungewiss, wobei die neuere Forschung mehrheitlich einen relativ späten Übertritt nach einer längeren Phase der Annäherung annimmt (vgl. Fàbrega 2008 [*3018: 796], Freund 2009 [*2934: 4]). Wo Laktanz die folgenden fast zehn Jahre verbrachte, ist umstritten (vgl. Nicholson 1989 [*3084]). Mit großer Wahrscheinlichkeit verblieb er in oder bei Nikomedien, bis er 311 zum Zeugen der Verlesung des Toleranzediktes des Galerius (Mort. pers. 34,1–35,1) und der Entlassung der Häftlinge unter Licinius wurde (Mort. pers. 35,2). Nach Mort. pers. 48,1 war Laktanz an den Iden des Juni 313 noch in Nikomedien, so dass seine Übersiedlung nach Trier, wohin er «hochbetagt» («extrema senectute»; vgl. Hier. Vir. ill. 80) zur Erziehung von Konstantins Sohn Crispus berufen worden war, etwa 314/15 erfolgt sein muss. Während dieser neuen Lehrtätigkeit in Trier entstand auch die apologetische Schrift ‹De ira dei› sowie die ‹Epitome divinarum institutionum›, eine Kurzfassung seines Hauptwerks. Laktanz starb wohl im Jahre 325 während der Arbeiten an einer Neuedition der ‹Divinae institutiones›. 2. WERKE Von den im Werkkatalog des Hieronymus aufgezählten zwölf Werken des Laktanz sind nur sechs erhalten, die alle aus der Zeit nach der Aufgabe seiner Rhetorentätigkeit stammen und überwiegend apologetische Absichten verfolgen. In Überbietung der ihm bekannten Vorläufer orientiert sich Laktanz programmatisch und konsequent am Stilideal Ciceros und am rhetorischen Gestus der klassisch-lateinischen Literatur, um auf diese Weise seinen Schriften die erwünschte Wirkung bei paganen Lesern zu garantieren. Das früheste erhaltene Werk des Laktanz, ‹De opificio dei› (‹Über das Schöpfungswerk Gottes›), knüpft an die teleologischen Providenz- bzw. Gottesbeweise Ciceros an und bietet in protreptischer Absicht eine konventionelle medizinisch-natur-
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wissenschaftliche und philosophische Anthropologie, um aus dieser die geistige Potenz des Menschen als einen Anlass zur Gottesverehrung zu erweisen. Aufgrund eines Hinweises an den Widmungsträger Demetrianus (Opif. 20,1) kann das Werk in die Zeit unmittelbar nach Beginn der diokletianischen Verfolgung und damit nach Laktanz’ Rücktritt vom Rhetorenamt datiert werden. In dieser Zeit beginnt er auch sein Hauptwerk ‹Divinae institutiones› (‹Göttliche Unterweisungen›), das wohl bis spätestens 313 erarbeitet und bis unmittelbar vor dem Tod des Laktanz (wohl um 325) nochmals, aber nicht mehr abschließend überarbeitet wird. Die in sieben Büchern entworfene Apologie enthält zunächst eine Zurückweisung des Polytheismus (Buch 1) und seiner (durch Dä-
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§ 106. L. Caelius Firmianus Lactantius (Bibl. 1144–1149)
monen veranlassten) Entstehung (Buch 2) sowie eine Widerlegung der philosophischen Weisheitslehren (Buch 3), um in Buch 4 die christliche Lehre und schlussfolgernd deren Konformität mit römischen Werten (Buch 5: «pietas» und «iustitia»), deren Leistungsfähigkeit als Ethik (Buch 6) und deren Eschatologie als Inbegriff der «vita beata» darzustellen (Buch 7). Das umfangreiche Werk hat Laktanz selbst nach dem Ende der diokletianischen Verfolgung (also nach 314 und vermutlich abermals 320) epitomisiert und dabei einige Argumente präzisiert. Noch aus der Zeit der Verfolgung (vermutlich 311) stammt die kleine, die ‹Institutiones› vervollkommnende Schrift ‹De ira dei› (‹Über den Zorn Gottes›), in der Laktanz nachzuweisen versucht, dass die logische Konsistenz des Gottesbegriffs nicht beeinträchtigt wird, wenn Gott in Analogie zum römischen «pater familias» (Wlosok 1960 [*3042: 232–246]) als zornig bzw. leidenschaftlich gedacht wird. In die Zeit nach dem Tole-
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ranzedikt (314) und vor der Revision der ‹Institutiones› fällt die zwar philosophisch irrelevante, aber als literarische Historiographie bedeutende Schrift ‹De mortibus persecutorum› (‹Über die Todesarten der Verfolger›). In ihr versucht Laktanz die Gottesverehrung der Christen dadurch als den angemesseneren Kult zu erweisen, dass er das jeweilige Lebensende der Herrscher, welche die Christen verfolgen, als ein Gottesurteil darstellt und deutet. Von den (wie aus einem Hinweis bei Hieronymus vermutet werden kann) zahlreichen dichterischen Werken des Laktanz ist lediglich das in elegischen Distichen verfasste Gedicht ‹De ave phoenice› (‹Über den Vogel Phoenix›) erhalten. Ein weiteres hexametrisches Gedicht, das die Reise von Afrika nach Nikomedien zum Gegenstand hatte, sowie ein noch in Afrika verfasstes ‹Symposium›, mehrere Briefsammlungen und zwei weitere bei Hieronymus angegebene Werke (‹Grammaticus›, ‹Ad Asclepiadem›) sind nicht erhalten.
3. LEHRE
Die apologetische Intention, von der die Schriften des Laktanz geleitet sind, bestimmt nicht nur seine Haltung zur Tradition der antiken Philosophie, sondern auch seine Wahrnehmung der institutionellen und literarischen Formen des philosophischen Diskurses. Diesen Formen will sich Laktanz gezielt anpassen, um seine christliche Protreptik bzw. Apologetik möglichst adressatenorientiert zu präsentieren. Darum übernimmt er die für die Tradition der römischen Philo sophie geltenden literarischen Muster und rhetorischen Formen, innerhalb derer er seine Darlegung entfaltet, ist aber weder in formaler noch in theoretischer Hinsicht philosophisch innovativ. Seinen Quellen (vor allem Cicero ‹De natura deorum›, ‹De re publica›, ‹De officiis›, ‹De legibus› sowie Lukrez ‹De rerum natura› z. B. Inst. 7,12,1–32 zur Vergänglichkeit der Seele) entnimmt er die spezifischen Frage- und Problemstellungen der römischen Philosophie sowie die philosophische Terminologie und Argumentation, verfährt aber in der Auseinandersetzung mit den jeweiligen Positionen nur insofern argumentativ, als er destruierend die jeweiligen Auffassungen ad absurdum führt. In seiner Kritik geht Laktanz eklektisch vor und ordnet die philosophische Argumentation seiner apologetischen Rhetorik unter. Dabei lassen sich im dritten Buch der ‹Institutiones divinae› («De falsa sapientia», «Über die falsche Weisheit») von zahlreichen Einzelbeispielen abgesehen drei Schwerpunkte seiner Philosophen- bzw. Schulkritik unterscheiden, die aber vor allem den Zweck haben, beispielhaft Absurditäten in der Lehre der heidnischen Philosophie bloßzulegen (Inst. 3,24,11), und deshalb nicht als systematisch geführte Auseinandersetzung mit der heidnischen Philosophie bewertet werden können. Laktanz’ polemische Kritik an der epikureischen Philosophie stützt sich vor allem auf die einschlägigen Texte aus Lukrez («illius [sc. Epicuri]
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enim sunt omnia quae delirat Lucretius», «von ihm [sc. Epikur] nämlich stammt alles, was Lukrez wahnwitzig dahinredet»: Opif. 6,1) und Cicero. Seine allgemeinen Einwände (Inst. 3,17,1–7) wiederholen zunächst die konventionelle anti-epikureische Polemik (Althoff 1999 [*3095: 44–46]), um dann im Einzelnen die Leugnung der Vorsehung einschließlich der Atomtheorie und die Leugnung der Unsterblichkeit der Seele in wechselnden Polemiken zu behandeln. Dabei verfährt Laktanz in seiner Kritik durchgehend standpunktbezogen, indem er mit rhetorischen Fragen die Absurdität der epikureischen Position aufzudecken versucht, entwickelt aber keine stringente Gegenargumentation. An der Frage der Unsterblichkeit der Seele setzt auch Laktanz’ Kritik des Pythagoreismus und der Stoa an. Zwar konzediert er, dass diese zufällig («non scientia sed casu inciderunt in veritatem»: Inst. 3,18,1) die richtige Auffassung von der Unsterblichkeit der Seele teilten, er kritisiert aber die Metempsychose und den Traduzianismus als Modelle, mit deren Hilfe eine Einheit von Seele und Leib als sukzessive Einung gedacht werden könne (Inst. 3,18,2; Fàbrega 2008 [*3018: 815]). Vielmehr sei diese dem Beginn des individuellen Menschenlebens gleichursprüngliche Einung von Seele und Leib genauso durch göttliche Verursachung bedingt wie deren Auflösung, so dass mit der Anerkenntnis dieses Ursprungs zugleich die Selbsttötung als ein bewusst gesetzter Akt der Trennung dieser Einheit von Seele und Leib auszuschließen und zu verurteilen sei (Inst. 3,18,7). In seiner Kritik der platonischen Philosophie bezieht sich Laktanz vor allem auf die Staatsphilosophie und kritisiert Platons Ablehnung des Privateigentums, da dieser Gerechtigkeit innerhalb eines Staatswesens aufgrund der Gleichheit aller Bürger garantieren wolle, dabei aber verkenne, dass Gerechtigkeit keine politische, sondern eine sittliche Qualität darstelle, mithin nur durch die Besserung des Einzelnen bewirkt werden könne (Inst. 3,22,2–3). In seinen Auseinandersetzungen mit der paganen Philosophie ist Laktanz trotz seiner Rezeption des literarischen Gestus des Philosophierens durchgehend von einem Vorbehalt gegenüber der Philosophie bestimmt, den er für konvergierend mit der skeptischen Haltung des Sokrates sowie der nachplatonischen Akademie hält (Inst. 3,3; Epit. 26,5): Den in der Bezeichnung «philosophia» ausgedrückten Anspruch, Suche nach Weisheit zu sein, erkennt er zwar aus etymologischen Gründen an, deren Leistungsfähigkeit aber sieht er aufgrund eben dieser Bezeichnung darauf eingeschränkt, lediglich intentional bestimmt zu sein, also Meinungen statt sicherem Wissen hervorzubringen («superest ut opinatio in philosophia sola sit; nam unde abest scientia, id totum possidet opinatio», «Es ergibt sich also, dass die Philosophie nur Meinung hervorbringt; denn wo Erkenntnis fehlt, da beherrscht Meinung das Feld»: Inst. 3,3,8). Näherhin begründet Laktanz seine Reserve gegenüber der Philosophie dadurch, dass sie, wie am «dissensus philosophorum» deutlich wird, keine eindeutigen und intersubjektiv gesicherten Ergebnisse von allgemeiner Geltung hervorbringen kann («in multas sectas philosophia diuisa est et omnes uaria sentiunt», «In zahlreiche Schulen ist die Philosophie gespalten und alle haben unterschiedliche Lehrmeinungen»: Inst. 3,4,3; Gigon 1979 [*3068: 202]) und darüber hinaus der Mensch aufgrund der «condicio humana» (Inst. 3,4,14) auch prinzipiell kein sicheres Wissen erlangen kann (vgl. Inst. 3,3,2–3; Epit. 26,5; Gigon 1979 [*3068: 199f.]). Diese Position unterscheidet er aber von der als
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destruktiv bewerteten Praxis der akademischen Skepsis, jede Behauptung durch ein Gegenargument zu widerlegen, insofern er selbst allen philosophischen Positionen einen rudimentären Wahrheitsgehalt anerkennt («docemus nullam sectam tam deviam neque philosophorum quemquam tam inanem, qui non viderit aliquid ex vero», «wir vertreten die Lehre, dass keine Schule derart vom Weg abgekommen und keiner der Philosophen so gehaltlos ist, dass er nicht etwas vom Wahren geschaut hat»: Inst. 7,7,2). Demgegenüber versucht er, die christliche Gotteserkenntnis und -verehrung darin als die wahre Philosophie und den Inbegriff der Weisheit zu erweisen (vgl. Inst. 3,30,3: «omnis sapientia hominis in hoc uno est, ut deum cognoscat et colat», «die gesamte Weisheit des Menschen besteht allein darin, dass er Gott erkennt und verehrt»), dass sie die göttliche Weisheit durch Offenbarung und Überlieferung empfangen hat und deshalb über die «veritas» und «sapientia» verfügt, die vermittels der «philosophia» nicht gefunden werden konnte (Epit. 35,5), selbst wenn jede Philosophenschule einen Aspekt der Wahrheit («ex vero»: Inst. 7,7,2) erkannt haben mag. Von dieser Position aus führt Laktanz die überwiegend literarisch-rhetorisch bestimmte Auseinandersetzung mit den ihrerseits wieder literarisierten philo sophischen Schulmeinungen und entwickelt dabei programmatisch nur in der Ethik philosophisch eigenständige Auffassungen (vgl. Inst. 3,13,6: «quodsi neque physica illa ratio necessaria est neque haec logica, quia beatum facere non possunt, restat ut in sola ethica totius philosophiae vis contineatur», «wenn also weder jene naturphilosophische Lehre noch diese logische notwendig ist, da sie nicht glückselig machen können, bleibt, dass einzig in der Ethik die gesamte Kraft der Philosophie enthalten ist»; Winger 1999 [*3096: I 72f.]). Diese lassen sich in der Bestimmung des «summum bonum» sowie in der Definition der Gerechtigkeit als des Inbegriffs der Tugend konkretisieren. Das «summum bonum» muss als unveränderlich und stets mit sich identisch gedacht werden («simile sit et idem semper»: Inst. 3,12,9) und ist so zu bestimmen, dass es den Menschen vor den anderen Lebewesen auszeichnet und von diesen unterscheidet (Inst. 3,8,3). Es muss daher auf das geistige Vermögen des Menschen bezogen werden und so beschaffen sein, dass es nicht ohne «scientia» und «virtus» erworben werden kann (Inst. 3,9,1), insofern Erkennen und sittlich gutes Handeln als die Grundvollzüge verstanden werden, die den Menschen vor anderen Lebewesen auszeichnen («qui scientiam summum bonum fecit, aliquid homini proprium dedit», «Wer das Wissen zum höchsten Gut macht, gibt dem Menschen etwas, was ihm eigentümlich ist»: Inst. 3,8,24) und zugleich befähigen, das «summum bonum» anzustreben («scientia id praestat, ut quomodo et quo perveniendum sit noverimus, virtus, ut perveniamus», «Das Wissen verschafft uns die Erkenntnis, wie wir wohin gelangen sollen, die Tugend das Vermögen, [sc. dorthin] zu gelangen»: Inst. 3,12,29). Die Kriterien dieses Formalbegriffs des «summum bonum» sieht Laktanz ausschließlich im Gut der Unsterblichkeit erfüllt («summum igitur bonum sola immortalitas invenitur, quia nec aliud animal nec corpus attingit nec potest cuiquam sine scientia et virtute, id est sine dei cognitione ac iustitia provenire», «das höchste Gut wird also allein in der Unsterblichkeit gefunden, weil weder ein anderes Lebewesen noch ein anderer Körper an sie rührt noch sie ohne Wissen und Tugend, d. h.
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ohne Gotteserkenntnis und Gerechtigkeit jemandem zuteilwerden kann»: Inst. 3,12,18; vgl. Inst. 7,8,1). Dabei sind im Begriff der Unsterblichkeit alle Akte mitumfasst, die auf deren Erwerb zielen («summum bonum igitur quod beatos facit non potest esse nisi in ea religione atque doctrina, cui spes immortalitatis coniuncta est», «Das höchste Gut also, welches glückselig macht, kann allein in jener religiösen Lehre liegen, mit der die Hoffnung auf Unsterblichkeit verbunden ist»: Inst. 3,12,36), so dass Laktanz auch diese als «summum bonum» bezeichnen kann («summum igitur hominis bonum in sola religione est», «Das höchste Gut liegt also allein in der Religion»: Inst. 3,10,1). Das so bestimmte «summum bonum» versteht Laktanz als Lohn («praemium»: Inst. 7,5,9) der «virtus», die vor allem darin besteht, Mühe zu ertragen und Laster zu vermeiden (Heim 1996 [*3090: 365f.]). Ausführlich grenzt Laktanz sein Verständnis von «immortalitas» von dem Verständnis ab, das die pagane Philosophie nach seiner Auffassung nur unzureichend entwickelt hat. Insbesondere der platonische Beweis für die Unsterblichkeit der Seele, den Laktanz aufgrund der einschlägigen Stellen bei Cicero referiert (Freund 2009 [*2934: 327– 330]), ist deshalb unzureichend, weil Platon die Unsterblichkeit nicht als «summum bonum» versteht, d. h. nicht als Ziel des menschlichen Lebens, und nicht aus dem Zusammenhang der Schöpfungsordnung bestimmt («quoniam nec rationem totius mysterii magni consummaverat in unumque collegeret nec summum bonum comprehenderat», «weil er weder die Lehre des gesamten großen Mysteriums zur Vollendung gebracht und gesammelt noch das höchste Gut verstanden habe»: Inst. 7,8,2). Demgegenüber nennt Laktanz drei Gründe für die Unsterblichkeit der Seele: 1) Sie ist wie Gott unkörperlich und unsichtbar, so dass aufgrund der Entsprechung zwischen Gott und Mensch («quaedam in homine ac deo similitudo»: Inst. 7,9,9) trotz der Unsichtbarkeit die Existenzaussage auf Gott und die Seele gleichermaßen zutreffen muss; 2) sie ist, wie Laktanz mit Cic. Leg. 1,24 betont, zur Gotteserkenntnis und «religio» fähig und bezieht sich damit auf einen Erkenntnisgegenstand, der ewig und zugleich Ursprung und Ziel der Seele ist («ipsa cogente natura sentiens [sc. anima] vel unde orta sit vel quo reversura», «wobei [sc. die Seele] unter dem Impuls der Natur selbst erkennt, woher sie kommt und wohin sie zurückkehren wird»: Inst. 7,9,12); 3) sie ist zur «virtus» fähig, die sowohl natürliche Neigungen (Luststreben, Schmerzvermeidung) als auch faktisches Fehlverhalten in der Lebenszeit eines Menschen («vitia omnia temporalia sunt, ad praesens enim commoventur», «Alle Laster treten in der Zeit auf, sie werden zu einem bestimmten Moment in der Gegenwart erregt»: Inst. 7,10,2) reguliert, ohne selbst im jeweiligen Diesseits einen Vorteil davon zu haben, so dass die Erwartung eines gerechten Lohnes für die «virtus» die Fortdauer der Seele postulieren muss (Freund 2009 [*2934: 337]: «Die Unsterblichkeit der Seele erscheint gewissermaßen als Postulat der praktischen Vernunft zur Sicherung der ethischen Grundlagen.»). In diesem Zusammenhang wird der Begriff der «vita beata» («glückseliges Leben»), die den Gegenstand des siebten Buches der ‹Institutiones› bildet, mit einem überwiegend eschatologischen Verständnis gegenüber der antiken Terminologie neu gedeutet. Der Gerechtigkeit widmet Laktanz das gesamte fünfte Buch seiner ‹Institutiones›. Sie stellt für ihn den Inbegriff der «virtus» dar («iustitia […] omnes simul virtutes amplectatur», «Die Gerechtigkeit […] umschließt zugleich alle Tugenden»:
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Inst. 5,14,9), der aber nur im Zusammenhang einer theologischen Begründung hinreichend erschlossen werden kann. Diese theologische Begründung fehlt dem paganen Gerechtigkeitsbegriff, insofern in der heidnischen Philosophie weder die Herkunft noch die Wirkung der Gerechtigkeit erkannt worden seien («ideo non est verum illud bonum a philosophis repertum, quia ignorabant vel unde oreretur vel quid efficeret», «Daher wurde nicht jenes wahre Gut von den Philosophen gefunden, weil sie nicht wussten, woraus es entsteht noch was es bewirkt»: Inst. 5,14,1). Mit der Bestimmung der Herkunft der Gerechtigkeit, nämlich aus Gott, und der Abgrenzung ihrer Aufgabe, nämlich den Einzelnen zunächst mit Gott und dann dem Menschen zu verbinden (vgl. Inst. 6,10,2: «primum iustitiae officium est coniungi cum deo, secundum, cum homine»), werden zugleich die beiden wesentlichen Komplementärtugenden der «iustitia» deutlich gemacht: «pie tas» und «aequitas» («pietas uero et aequitas quasi venae sunt eius, his enim duobus fontibus constat tota iustitia», «Frömmigkeit aber und Gleichmaß sind gewissermaßen ihre Adern, denn aus diesen beiden Quellen besteht die gesamte Gerechtigkeit»: Inst. 5,14,11). Unter «pietas» versteht Laktanz eine Gotteserkenntnis, welche die kultische Verehrung des erkannten Gottes einschließt (Inst. 5,14,12), so dass er sie als diejenige Haltung bestimmen kann, die den Ursprung der «iustitia» in Gott anerkennt und in ihrem Verhalten, dem «cultus», ratifiziert. Unter «aequitas» versteht Laktanz die Gleichheit aller Menschen als Grundvoraussetzung jeder sozialen Ordnung. Sie ist in der Gleichursprünglichkeit und Gleichbehandlung aller Menschen durch Gott begründet (Inst. 5,14,16), so dass daraus der Anspruch einer ständefreien bzw. klassenlosen Gesellschaft von Gleichen abgeleitet werden muss (Inst. 5,14,20). In dieser Gesellschaft von Gleichen ist das, was ein Mensch dem anderen schuldet, durch die wechselseitige Anerkennung der vom Ursprung des Menschen her gedachten Gleichheit begründet und besteht Laktanz zufolge in der «humanitas» («summum igitur inter se hominum vinculum est humanitas», «Das höchste Band zwischen den Menschen ist also die Menschlichkeit»: Inst. 6,10,4). «Humanitas» versteht Laktanz daher nicht in erster Linie als Gattungsbezeichnung für alle menschlichen Lebewesen, sondern als die wechselseitige Akzeptanz des Gleichheitsanspruchs, den Menschen ihren Artgenossen gegenüber erheben können. Daher verwendet Laktanz diesen Terminus äquivalent mit den Begriffen «fraternitas» («Brüderlichkeit»: Inst. 6,6,12) und «misericordia» («Barmherzigkeit»: Inst. 6,10,2. 14,2; vgl. Buchheit 1979 [*3066: 371 Anm. 46]) und kann auf dieser Grundlage in Inst. 6,12,1–41 eine auf der Barmherzigkeit gegründete Pflichtenlehre formulieren, welche die Pflichtenlehre ersetzt, die Cicero in ‹De officiis› entworfen hatte und ihm den Ruf eingebracht hat, der Begründer einer christlichen Ethik zu sein (Winger 1999 [*3096: I 12]). 4. NACHWIRKUNG
Obwohl einige Codices des 9. und 11. Jahrhunderts erhalten sind, welche die Werke des Laktanz überliefern (vgl. Wlosok, Heck 2005 [*2933: IX]), ist eine Rezeption seines Œuvres in der lateinischen Literatur des Mittelalters nicht greifbar.
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Zuverlässig nachgewiesen ist die Kenntnis seiner Werke durch Hieronymus und Augustinus (vgl. Garnsey 2002 [*3105]) sowie einige weitere spätantike Autoren (Nachweise bei Brandt 1897 [*2923: 269–278]). Erst humanistische Leser (z. B. Petrarca, Pico della Mirandola, Erasmus) wissen Laktanz wiederum zu schätzen, allerdings weniger seiner Philosophie oder Theologie wegen als vor allem wegen des hohen Niveaus seiner Latinität und seiner engen Anknüpfung an die antike, rhetorisch bestimmte Bildungstradition (Wlosok 1989 [*3013: 403f.]).
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1053 BIBLIOGRAPHIE ZUM ACHTEN KAPITEL Überblick [*1–*20]. – I. Anfänge: Die Schriften des Neuen Testaments [*26–*80]; Die sogenannten Apostolischen Väter [*86–*149]. – II. Die Apologeten des 2. Jahrhunderts: Allgemeine Literatur [*155–*238]; Aristeides [*244–*265]; Justin [*271–*382]; Ps.-Justin [*388–*468]; Tatian [*474–*526]; Athenagoras [*532–*604]; Theophilos von Antiochien [*609–*659]; Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse [*665–*744]; Sextos-Sentenzen [*750–*786]. – III. Gnostizismus und Verwandtes: Überblick [*792–*873]; Sethianismus [*875–*924]; Basileides und seine Anhänger [*925–*950]; Valentinus und der Valentinianismus [*952–*984]; Bardesanes (Bardaisan) von Edessa [*985–*1012]; Mani und der Manichäismus [*1013– *1059]. – IV. Die sogenannten altkatholischen Theologen: Irenäus von Lyon [*1060–*1154]; Hippolyt von Rom [*1158–*1309]; Q. Septimius Florens Tertullianus [*1315–*1530]. – V. Das alexandrinische Christentum und sein weiteres Einflussgebiet: Überblick [*1536–*1553]; Clemens von Alexandrien [*1559–*1814]; Origenes [*1819–*2357]; Gregor Thaumaturgos [*2363–*2502]; Dionysios von Alexandrien [*2508–*2578]; Pamphilos [*2584–*2624]; Methodios [*2630–*2713]. – VI. Die lateinischen Apologeten: Minucius Felix [*2718–*2801]; Arnobius von Sicca [*2807–*2916]; L. Caelius Firmianus Lactantius [*2921–*3130].
Überblick 1 A. von Harnack: Lehrbuch der Dogmengeschichte. I: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas (Tübingen 1881, 41909). 2 H. Chadwick: Philo and the Beginnings of Christian Thought, in: The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, edited by A. H. Armstrong (Cambridge 1967; ND 1970) 133–192. 3 U. Wickert: Christus kommt zur Welt. Zur Wechselbeziehung von Christologie, Kosmo logie und Eschatologie in der Alten Kirche, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 461–481. 4 M. Hengel: Die Hellenisierung des antiken Judentums als Praeparatio Evangelica, in: Das Christentum in der antiken Welt (Stuttgart 1981) [Humanistische Bildung 4] 1–30. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften 1: Judaica et Hellenistica (Tübingen 1996) [WUNT 90] 295– 313. 5 E. F. Osborn: The Beginning of Christian Philosophy (Cambridge 1981). 6 C. R. Holladay: Fragments from Hellenistic Jewish Authors, I–IV (Atlanta 1983–1996) [Society of Biblical Literature, Texts and Translations Series 20, 30, 39, 40]. 7 Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran Sectarian Writings, Philo, Josephus, edited by M. E. Stone (Assen, Amsterdam 1984) [Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum 2,2].
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8 A. Le Boulluec: La notion d’hérésie dans la littérature grecque. IIe–IIIe siècles, I–II (Paris 1985). 9 P. Pilhofer: Presbyteron kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte (Tübingen 1990) [WUNT, 2. Reihe 39]. 10 B. Aland: Marcion (ca. 85–160)/Marcioniten, in: TRE 22 (1992) 89–101. – Wieder in: Aland 2009 [*840: 318–340]. 11 D. Wyrwa: Hellenisierung des Christentums, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 3 (Tübingen 42000) 1608f. 12 Ch. Markschies: Die Gnosis (München 2001, 32010) [Beck Wissen 2173]. 13 J. J. Collins: The Literature of the Second Temple Period, in: The Oxford Handbook of Jewish Studies, edited by M. Goodman et al. (Oxford 2002) 53–78. 14 A. M. Ritter: Christentum und Philosophie als Thema der frühkaiserzeitlichen Kirchenväterliteratur, in: Religiöse Philosophie und philosophische Religion der frühen Kaiserzeit. Literaturgeschichtliche Perspektiven, herausgegeben von R. Hirsch-Luipold, H. Görgemanns, M. von Albrecht (Tübingen 2009) [Ratio Religionis Studien 1; STAC 51] 199–233. 15 W. Löhr: Markion, in: RAC 24 (2010) 147–173. 16 Ch. Markschies: Hellenisierung des Christentums. Sinn und Unsinn einer historischen Deutungskategorie (Leipzig 2012) [Forum Theologische Literaturzeitung 25].
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Bibliographie zum achten Kapitel
17 S. Vollenweider: «Mitten auf dem Areopag». Überlegungen zu den Schnittstellen zwischen antiker Philosophie und Neuem Testament, in: Early Christianity 3 (2012) 296–320. 18 G. Karamanolis: The Philosophy of Early Christianity (Durham 2013). 19 J. M. Lieu: Marcion and the Making of a Heretic. God and Scripture in the Second Century (Cambridge 2015).
20 M. Perkams: Einheit und Vielfalt der Philo sophie von der Kaiserzeit zur ausgehenden Antike, in: PHILOSOPHIA in der Konkurrenz von Schulen, Wissenschaften und Religionen. Zur Pluralisierung des Philosophiebegriffs in Kaiserzeit und Spätantike, herausgegeben von Ch. Riedweg (Berlin, Boston 2017) [PhdA 34] 3–31.
I. ANFÄNGE
Die Schriften des Neuen Testaments
Primärliteratur 26 Novum Testamentum Graece, begründet von E. Nestle und E. Nestle, herausgegeben von B. Aland, K. Aland, J. Karavidopoulos, C. M. Martini, B. M. Metzger (Stuttgart 282012). – Herausgegeben vom Institut für Neutestamentliche Textforschung Münster/Westfalen unter der Leitung von H. Strutwolf.
Sekundärliteratur
Bibliographien 31 American Theological Library Association: Index to book reviews in religion, Religion d atabase (https://www.atla.com/products/ prodinfo/Pages/ATLA-RDB.aspx [Stand: Juli 2018]). 32 Bibliographie biblique informatisée de Lausanne (https://www.unil.ch/irsb/home/menuguid/bibil. html [Stand: Juli 2018]). Textüberlieferung und Textgeschichte 38 K. Aland, B. Aland: Der Text des Neuen Testaments: Einführung in die wissenschaftlichen Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik (Stuttgart 21989). 39 Ch. Markschies: Zur Geschichte eines christlichen ‘Kanons’ der Bücher des Alten und Neuen Testaments, in: Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 7. Auflage
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der von E. Hennecke begründeten und von W. Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apokryphen. I,1: Evangelien und Verwandtes, herausgegeben von Ch. Markschies, J. Schröter, in Verbindung mit A. Heiser (Tübingen 2012) 25–74. Biographie 45 G. Theißen, A. Merz: Der historische Jesus: ein Lehrbuch (Göttingen 32001). 46 T. Vegge: Paulus und das antike Schulwesen: Schule und Bildung des Paulus (Berlin, New York 2006) [BZNW 134]. 47 Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, herausgegeben von O. Wischmeyer (Tübingen 2012). 48 Paulus Handbuch, herausgegeben von F. W. Horn (Tübingen 2013). 49 Jesus Handbuch, herausgegeben von J. Schröter (Tübingen 2017). Einführungen und Gesamtdarstellungen 53 R. Bultmann: Theologie des Neuen Testaments (Tübingen 1948, 91984). – Klassisch gewordener Gesamtentwurf, von der Philosophie Martin Heideggers erheblich beeinflusst. 54 L. W. Hurtado: Lord Jesus Christ. Devotion to Jesus in Earliest Christianity (Cambridge 2003). 55 K. Berger: Formen und Gattungen im Neuen Testament (Tübingen 2005).
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Die sogenannten Apostolischen Väter
56 Einleitung in das Neue Testament, herausgegeben von M. Ebner, S. Schreiber (Stuttgart 22013) [Kohlhammer Studienbücher Theologie 6]. 57 U. Schnelle: Einleitung in das Neue Testament (Göttingen 92017). Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 62 Th. K. Heckel: Der Innere Mensch. Die paulinische Verarbeitung eines platonischen Motivs (Tübingen 1993) [WUNT, 2. Reihe 53]. 63 H. Löhr: Anthropologie und Eschatologie im Hebräerbrief, in: Eschatologie und Schöpfung. FS Erich Gräßer, herausgegeben von M. Evang, H. Merklein, M. Wolter (Berlin 1997) [BZNW 89] 169–199. 64 G. E. Sterling: Hellenistic Philosophy and the New Testament, in: Handbook to the Exegesis of the New Testament, edited by S. E. Porter (Leiden 1997) [New Testament Tools and Studies 25] 313–358. 65 T. Engberg-Pedersen: Paul and the Stoics (Edinburgh 2000). 66 S. Vollenweider: Der Geist Gottes als Selbst der Glaubenden, in: Ders.: Horizonte neutestamentlicher Christologie (Tübingen 2002) [WUNT 144] 163–192. 67 Ph. Bosman: Conscience in Philo and Paul. A Conceptual History of the Synoida Word Group (Tübingen 2003) [WUNT, 2. Reihe 166]. 68 W. Eisele: Ein unerschütterliches Reich. Die mittelplatonische Umformung des Parusie gedankens im Hebräerbrief (Berlin 2003) [BZNW 116]. 69 M. Mayordomo: Argumentiert Paulus logisch? Eine Analyse vor dem Hintergrund antiker Logik (Tübingen 2005) [WUNT 188].
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70 G. H. van Kooten: Paul’s Anthropology in Context (Tübingen 2008) [WUNT 232]. 71 J. Müller: Willensschwäche und innerer Mensch in Röm 7 und bei Origenes. Zur christlichen Tradition des Handelns wider besseres Wissen, in: ZNW 100 (2009) 223–246. 72 J. Dochhorn: Zu den religionsgeschichtlichen Voraussetzungen trinitarischer Gottesvorstellungen im frühen Christentum und in der Religion Israels, in: Trinitität, herausgegeben von V. H. Drecoll (Tübingen 2011) 11–79. 73 S. Vollenweider: «Mitten auf dem Areopag». Überlegungen zu den Schnittstellen zwischen antiker Philosophie und Neuem Testament, in: Early Christianity 3 (2012) 296–320. 74 H. Löhr: Good as a Moral Category in the Early Jesus Tradition, in: Early Christian Ethics in Interaction with Jewish and GrecoRoman Contexts, edited by J. W. van Henten, J. Verheyden (Leiden 2013) [Studies in Theology and Religion 17] 205–222. 75 H. Löhr: Paulus I, in: RAC 26 (2014) 1166– 1194. 76 H. Löhr: Paulus II, in: RAC 26 (2014) 1194– 1215. 77 H. Löhr: Paulus und das Gute. Ein Annäherungsversuch, in: Ethos und Theologie im Neuen Testament. FS Michael Wolter, herausgegeben von J. Flebbe, M. Konradt (Neukirchen-Vluyn 2016) 289–309. Wirkungsgeschichte 80 Encyclopedia of the Bible and its Reception (Berlin, New York 2009ff.).
Die sogenannten Apostolischen Väter
Ausgaben, Übersetzungen 86 J.-B. Cotelier: SS. Patrum qui temporibus apostolicis floruerunt, Barnabæ, Clementis, Hermæ, Ignatii, Polycarpi opera edita et non edita, vera et supposita, græce et latine, cum notis (Paris 1672). – Erste Druckausgabe der Apostolischen Väter. 87 Bibliotheca Veterum Patrum Antiquorumque Scriptorum Ecclesiasticorum, cura et studio A. Gallandii, I–XIV (Venetiis 1765–1781).
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88 Patrum Apostolicorum Opera […], edidit C. J. Hefele (Tubingae 1839). 89 The Apostolic Fathers: A Revised Text with Introductions, Notes, Dissertations and Translations by J. B. Lightfoot, I–V (London 21889–1890; ND Hildesheim, New York 21973). – 3. Auflage von M. W. Holmes (Grand Rapids MI 2007). 90 Die Apostolischen Väter. Neubearbeitung der Funkschen Ausgabe von K. Bihlmeyer, 2. Auf lage mit einem Nachwort von W. Schneemelcher (Tübingen 21956) [Sammlung ausge
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Bibliographie zum achten Kapitel
wählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften 2,1]. 91 Schriften des Urchristentums. I: Die apostolischen Väter, eingeleitet, herausgegeben, übertragen und erläutert von J. A. Fischer (Darmstadt 1964–2011). – Verschiedene Auflagen. 92 Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe. Auf der Grundlage der Ausgabe von F. X. Funk, K. Bihlmeyer und M. Whittaker, mit Übersetzungen von M. Dibelius und D.-A. Koch, neu übersetzt und herausgegeben von A. Lindemann, H. Paulsen (Tübingen 1992). 93 B. D. Ehrman: The Apostolic Fathers, I–II (Cambridge MA, London 2003) [LCL 24–25].
Index 99 Clavis patrum apostolicorum: Catalogum vocum in libris patrum qui dicuntur apostolici non raro occurrentium adiuvante U. Früchtel congessit contulit conscripsit H. Kraft (München 1963; ND Darmstadt 1998). – Es fehlt der Wortschatz des Martyriums Polycarps.
Kommentare 119 Die Didache, erklärt von K. Niederwimmer (Göttingen 1989, 21993) [KAV 1]. 120 Der Hirt des Hermas, übersetzt und erklärt von N. Brox (Göttingen 1991) [KAV 7]. 121 Die Polykarpbriefe, übersetzt und erklärt von J. B. Bauer (Göttingen 1995) [KAV 5]. 122 Das Martyrium des Polykarp, übersetzt und erklärt von G. Buschmann (Göttingen 1998) [KAV 6]. 123 Der erste Clemensbrief, übersetzt und erklärt von H. E. Lona (Göttingen 1998) [KAV 2]. 124 Der Barnabasbrief, übersetzt und erklärt von F. R. Prostmeier (Göttingen 1999) [KAV 8]. 125 An Diognet, übersetzt und erklärt von H. E. Lona (Freiburg i. Br. 2001) [KfA 8]. 126 Der zweite Clemensbrief, übersetzt und erklärt von W. Pratscher (Göttingen 2007) [KAV 3]. 127 Clement: Introduction, Text, and Commentary, edited by C. Tuckett (Oxford 2012) [Oxford Apostolic Fathers]. 128 The Epistle to Diognetus (with the Fragment of Quadratus). Introduction, Text, and Commentary, edited by C. N. Jefford (Oxford 2013) [Oxford Apostolic Fathers].
Sekundärliteratur Einführungen und Gesamtdarstellungen Bibliographien 105 American Theological Library Association: Index to book reviews in religion, Religion database (https://www.atla.com/products/ prodinfo/Pages/ATLA-RDB.aspx [Stand: Juli 2018]). 106 Bibliographie biblique informatisée de L ausanne (https://www.unil.ch/irsb/home/ menuguid/bibil.html [Stand: Juli 2018]).
134 C. N. Jefford: Reading the Apostolic Fathers. An Introduction (Peabody MA 1996). 135 Trajectories through the New Testament and the Apostolic Fathers, edited by A. F. Greg ory, Ch. Tuckett (Oxford 2005) [The New Testament and the Apostolic Fathers 2]. 136 The Writings of the Apostolic Fathers, edited by P. Foster (London, New York 2007). 137 Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung, herausgegeben von W. Pratscher (Göttingen 2009). – Englische Ausgabe: The Apostolic Fathers. An Introduction (Waco TX 2010).
Textüberlieferung und Textgeschichte 112 The Apostolic Fathers: A Revised Text with Introductions, Notes, Dissertations and Translations by J. B. Lightfoot, I–V (London 21889–1890; ND Hildesheim, New York 21973). – 3. Auflage von M. W. Holmes (Grand Rapids MI 2007). 113 O. Bardenhewer: Geschichte der altkirchlichen Literatur. I: Vom Ausgang des apostolischen Zeitalters bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts (Freiburg i. Br. 21913; ND Darmstadt 22007).
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Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 143 A. von Harnack: Einführung in die alte Kirchengeschichte. Das Schreiben der römischen Kirche an die korinthische aus der Zeit Domitians (1. Clemensbrief), übersetzt und den Studierenden erklärt von A. von Harnack (Leipzig 1929). 144 M. Spanneut: Le stoïcisme des Pères de l’Église. De Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (Paris 1957) [Patristica Sorbonensia 1].
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Allgemeine Literatur
145 O. M. Bakke: «Concord and Peace». A Rhe torical Analysis of the First Letter of Clement with an Emphasis on the Language of Unity and Sedition (Tübingen 2001) [WUNT, 2. Reihe 141]. 146 A. Brent: Ignatius of Antioch and the Second Sophistic (Tübingen 2006) [STAC 36].
147 C. N. Jefford: The Apostolic Fathers and the New Testament (Peabody MA 2006). 148 D. Wyrwa: Kosmos, in: RAC 21 (2006) 614–761. 149 M. Foucault: Du gouvernement des vivants. Cours au Collège de France (1979–1980), édition établie sous la direction de F. Ewald et A. Fontana par M. Senellart (Paris 2012).
II. DIE APOLOGETEN DES 2. JAHRHUNDERTS
Allgemeine Literatur
Primärliteratur
Quellen 155 Corpus apologetarum Christianorum saeculi secundi, edidit I. C. Th. Eques de Otto, I–IX (Ienae 1842–1872, 31876–1881): Vol. I et II: Iustinus Philosophus et Martyr, Tom. I, Pars I et II: Opera Iustini indubitata (31876f.). Vol. III: Iustinus Philosophus et Martyr, Tom. II: Opera Iustini addubitata (31879). Vol. IV: Iustinus Philosophus et Martyr, Tom. III, Pars I: Opera Iustini subditicia (31880). Vol. V: Iustinus Philosophus et Martyr, Tom. III, Pars II: Opera Iustini subditicia (31881). Vol. VI: Tatianus Assyrius (1851). Vol. VII: Athenagoras Atheniensis (1857). Vol. VIII: Theophilus Antiochenus (1861). Vol. IX: Hermiae philosophi irrisio gentilium philosophorum. Apologetarum Quadrati, Aristidis, Aristonis, Miltiadis, Melitonis, Apollinaris reliquiae (1872). Ante-Nicene Christian Library: Translations of the Writings of the Fathers down to A.D. 325, edited by A. Roberts, J. Donaldson (ND Buffalo 1885–1896, Grand Rapids MA 1977– 1979): 156 Vol. II: The Writings of Justin Martyr and Athenagoras, translated by M. Dods, G. Reith, B. P. Pratten (Edinburgh 1867). 157 Vol. III: The Writings of Tatian, Theophilus, and the Clementine Recognitions, translated by B. P. Pratten, M. Dods, Th. Smith (Edinburgh 1867).
158 Vol. XVII: The Clementine Homilies. The Apostolical Constituations, translated by Th. Smith, P. Peterson, J. Donaldson (Edinburgh 1870). 164 J. Geffcken: Zwei Griechische Apologeten (Leipzig, Berlin 1907; ND Hildesheim, New York 1970) [Sammlung wissenschaftlicher Kommentare zu Griechischen und Römischen Schriftstellern]. 165 Die ältesten Apologeten. Texte mit kurzen Einleitungen, herausgegeben von E. J. Goodspeed (Göttingen 1914). 166 Padres Apologistas griegos (s. II). Introducción, texto griego, versión española y notas de D. Ruiz Bueno (Madrid 1954) [Biblioteca de Autores cristianos 116]. Index 172 Index Apologeticus sive clavis Iustini Martyris Operum aliorumque Apologetarum pristinorum, composit E. J. Goodspeed (Leipzig 1912). – Nicht eingeschlossen ist der Wortschatz von Theophilos’ ‹Ad Autolycum›.
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Sekundärliteratur
Bibliographie 178 A. Wartelle: Bibliographie historique et critique de Saint Justin Philosophe et Martyr et des Apologistes grecs du IIe siècle, 1494–1994. Avec un supplément (1995–1998) (Paris 2001).
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Bibliographie zum achten Kapitel
Literatur 184 A. Harnack: Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der Alten Kirche und im Mittelalter (Leipzig 1882) [TU 1,1–2]. 185 O. von Gebhardt: Zur handschriftlichen Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts. I: Der Arethas codex, Paris. Gr. 451 (Leipzig 1883) [TU 1,3]. 186 A. Harnack: Geschichte der Altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil I,1 und 2: Die Überlieferung und der Bestand (Leipzig 1893, 21958); Teil II,1: Die Chronologie der Literatur bis Irenäus nebst einleitenden Untersuchungen (Leipzig 1897, 21958); Teil II,2: Die Chronologie der Literatur von Irenäus bis Eusebius (Leipzig 1904, 21958). 187 A. Puech: Les Apologistes grecs du IIe siècle de notre ère (Paris 1912). 188 I. Giordani: La prima polemica cristiana. Gli apologisti greci del secondo secolo (Torino 1930, Brescia 21943). 189 A. Casamassa: Gli Apologisti greci (Roma 1944). 190 M. Pellegrino: Gli apologeti greci del II secolo. Saggio sui rapporti fra il cristianesimo primitive e la cultura classica (Roma 1947). 191 M. Pellegrino: Studi su l’antica apologetica (Roma 1947; ND Modena 1977) [Edizioni di Storia e Letteratura 14]. 192 V. Monachino: Intento pratico e propagandistico nell’apologetica greca del II secolo, in: Gregorianum 32 (1951) 5–49, 187–222. 193 J. H. Waszink: Der Platonismus und die altchristliche Gedankenwelt, in: Recherches sur la tradition platonicienne. Sept exposés, par W. K. C. Guthrie et al. (Vandœuvres/Genève 1955) [Entretiens 3] 137–179. 194 M. Spanneut: Le stoïcisme des Pères de l’Église. De Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (Paris 1957) [Patristica Sorbonensia 1]. 195 B. Widmer: Griechische Apologeten des zweiten Jahrhunderts (Einsiedeln 1958). 196 W. Jaeger: Das frühe Christentum und die griechische Bildung, übersetzt von W. Eltester (Berlin 1963). 197 J. Daniélou: A History of Early Christian Doctrine before the Council of Nicaea. I: The Theology of Jewish Christianity; II: Gospel Message and Hellenistic Culture, translated and edited by J. A. Baker (London, Philadelphia 1964–1973). – Französisches Original: Histoire des doctrines chrétiennes avant Nicée. I: Théologie du judéo-christianisme;
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II: Message évangélique et culture hellénistique aux IIe et IIIe siècles (Paris 1958–1961) [Bibliothèque de Théologie]. 198 J. H. Waszink: Bemerkungen zum Einfluss des Platonismus im frühen Christentum, in: VChr 19 (1965) 129–162. 199 O. Gigon: Die antike Kultur und das Christentum (Gütersloh 1966). 200 G. Glockmann: Homer in der frühchristlichen Literatur bis Justinus (Berlin 1968) [TU 105]. 201 N. Zeegers-Vander Vorst: Les citations des poètes grecs chez les apologistes chrétiens du IIe siècle (Louvain 1972). 202 R. Joly: Christianisme et philosophie. Études sur Justin et les Apologistes grecs du deu xième siècle (Bruxelles 1973). 203 P. Nautin: Genèse 1,1–2, de Justin à Origène, in: IN PRINCIPIO. Interprétations des premiers versets de la Genèse, éditées par le Centre d’Études des Religions du Livre. Laboratoire associé au C.N.R.S. (Paris 1973) 61–94. 204 L. W. Barnard: Apologetik I. Alte Kirche, in: TRE 3 (1978) 371–411. 205 G. May: Schöpfung aus dem Nichts. Die Entstehung der Lehre von der creatio ex nihilo (Berlin, New York 1978) [AKG 48]. 206 W. Palmer: Atheism, Apologetic, and Negative Theology in the Greek Apologists of the Second Century, in: VChr 37 (1983) 234–259. 207 M. Simonetti: Il problema dell’unita di Dio da Giustino a Ireneo, in: RSLR 22 (1986) 201– 240. 208 P. Lampe: Die stadtrömischen Christen in den ersten beiden Jahrhunderten. Untersuchungen zur Sozialgeschichte (Tübingen 1987, 21989). 209 R. M. Grant: Greek Apologists of the Second Century (London 1988). 210 A. J. Droge: Homer or Moses? Early Christian Interpretations of the History of Culture (Tübingen 1989) [Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 26]. 211 W. Kinzig: Der ‘Sitz im Leben’ der Apologie in der Alten Kirche, in: ZKG 100 (1989) 291– 317. 212 U. Neymeyr: Die christlichen Lehrer im zweiten Jahrhundert. Ihre Lehrtätigkeit, ihr Selbstverständnis und ihre Geschichte (Leiden 1989) [VChr Suppl. 4]. 213 P. Pilhofer: Presbyteron kreitton. Der Altersbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte (Tübingen 1990) [WUNT, 2. Reihe 39].
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Allgemeine Literatur
214 L. Abramowski: Der Logos in der altchristlichen Theologie, in: Spätantike und Christentum. Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, herausgegeben von C. Colpe, L. Honnefelder, M. LutzBachmann (Berlin 1992) 189–201. 215 J.-C. Fredouille: L’apologétique chrétienne antique: Naissance d’un genre littéraire, in: REAug 38 (1992) 219–234. 216 L. Honnefelder: Christliche Theologie als ‘wahre Philosophie’, in: Spätantike und Christentum. Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, herausgegeben von C. Colpe, L. Honnefelder, M. Lutz-Bachmann (Berlin 1992) 55–72. 217 M. Rizzi: Ideologia e retorica negli exordia apologetici. Il problema dell’altro (II–III secolo) (Milano 1993). 218 D. T. Runia: Philo in Early Christian Literature. A Survey (Assen 1993) [Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum Section 3,3]. 219 Ch. Stead: Philosophy in Christian Antiquity (Cambridge 1994). 220 G. Watson: Greek Philosophy and the Christian Notion of God (Dublin 1994) [Maynooth Bicentenary Series]. 221 J.-C. Fredouille: L’apologétique chrétienne antique: Métamorphoses d’un genre poly morphe, in: REAug 41 (1995) 201–226. 222 D. Ridings: The Attic Moses. The Dependency Theme in Some Early Christian Writ ers (Stockholm 1995) [Studia Graeca et Latina Gothoburgensia 59]. 223 B. Pouderon: La conversion chez les Apologistes grecs, in: Histoire et anthropologie des phénomènes de conversion, sous la direction de J.-C. Attias (Paris 1997) 143–167. 224 Les Apologistes chrétiens et la culture g recque, sous la direction de B. Pouderon et J. Doré (Paris 1998) [ThH 105]. 225 A. van den Hoek: «I said, you are gods …»: The Significance of Psalm 82 for some Early Christian Authors, in: The Use of Sacred Books in the Ancient World, edited by L. V. Rutgers, P. W. van der Horst et al. (Leuven 1998) [Contributions to Biblical Exegesis and Theology 22] 203–219.
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226 F. Young: Greek Apologists of the Second Century, in: Apologetics in the Roman Empire. Pagan, Jews and Christians, edited by M. Edwards, M. Goodman, M. Price (Oxford 1999) 81–104. 227 G. Dorival: Les Chrétiens de l’Antiquité face à la culture classique et à l’hellénisme, in: RSR 74 (2000) 419–436. 228 M. Fiedrowicz: Apologie im frühen Christentum. Die Kontroverse um den christlichen Wahrheitsanspruch in den ersten Jahrhunderten (Paderborn et al. 2000, 32006). 229 B. Pouderon: Les Apologistes grecs du second siècle (Paris 2005). 230 J. Ulrich: Die frühchristliche Apologetik in der neueren Diskussion, in: Ad veram religionem reformare. Frühchristliche Apologetik zwischen Anspruch und Wirklichkeit, herausgegeben von Ch. Schubert, A. von Stockhausen (Erlangen 2006) [Erlanger Forschungen, Reihe A, Band 109] 29–46. 231 D. Wyrwa: Kosmos, in: RAC 21 (2006) 614– 761. 232 Ch. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie (Tübingen 2007). 233 Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity, edited by A. Jacobsen, J. Ulrich, D. Brakke (Frankfurt a. M. 2009) [ECCA 4]. 234 Continuity and Discontinuity in Early Christian Apologetics, edited by J. Ulrich, A.-C. Jacobsen, M. Kahlos (Frankfurt 2009) [ECCA 5]. 235 F. Jourdan: Orphée et les Chrétiens. La réception du mythe d’Orphée dans la literature chrétienne grecque des cinq premiers siècles, I–II (Paris 2010–2011). 236 M. Wallraff: The Beginnings of Christian Universal History. From Tatian to Julius Africanus, in: ZAC 14 (2010) 540–555. 237 G. Karamanolis: The Philosophy of Early Christianity (Durham 2013). 238 Ch. Markschies: Gottes Körper. Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen in der Antike (München 2016).
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Bibliographie zum achten Kapitel
Aristeides
Primärliteratur 244 The Apology of Aristides on behalf of the Christians: from a Syriac MS. preserved on Mount Sinai, edited with an Introduction and Translation by J. Rendel Harris. With an appendix containing the main portion of the original Greek text by J. Armitage Robinson (Cambridge 1891, 21893) [Texts and Studies 1,1]. 245 Die Apologie des Philosophen Aristides von Athen, übersetzt von K. Julius, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, I (München 1913) [BKV 12] 3–54. 246 L’Apologia di Aristide. Introduzione, ver sione dal siriaco e commento di C. Vona (Roma 1950) [Lateranum N. S. 16]. 247 Aristides di Atene: Apologia, a cura di C. Alpigiano (Firenze 1988) [Biblioteca Patristica 11]. 248 Aristide: Apologie. Introduction, textes critiques, traduction et commentaire par B. Pouderon, M.-J. Pierre avec la collaboration de B. Outtier, M. Guiorgadzé (Paris 2003) [SC 470].
Sekundärliteratur 254 G. Lazzati: Ellenismo e cristianesimo. Il primo capitulo dell’Apologia di Aristides, in: Scuola Cattolica 66 (1938) 35–51. 255 W. Hunger: Die Apologie des Aristides eine Konversionsschrift, in: Scholastik 20–24 (1949) 390–400. 256 G. C. O’Ceallaigh: ‘Marcianus’ Aristides and the worship of God, in: HThR 51 (1958) 227– 254.
257 W. C. van Unnik: Die Gotteslehre bei Aristides und in gnostischen Schriften, in: Theologische Zeitschrift 17 (1961) 166–174. – Wieder in: van Unnik 1983 [*258: III 106–113]. 258 W. C. van Unnik: Sparsa Collecta. The Col lected Essays of W. C. van Unnik, I–IV (Leiden 1973–2014) [NT Suppl. 29–31, 156]. 259 L. Alfonsi: La teologia della storia nell’Apologia di Aristide, in: Augustinianum 16 (1976) 37–40. 260 K.-G. Essig: Erwägungen zum geschichtlichen Ort der Apologie des Aristides, in: ZKG 97 (1986) 163–188. 261 R. van den Broek: Eugnostos and Aristides on the ineffable God, in: Knowledge of God in the Graeco-Roman World, edited by R. van den Broek, T. Baarda, J. Mansfeld (Leiden 1988) [EPRO 112] 202–217. 262 J. Dummer: Epiphanius von Constantia und die Apologie des Aristides. Eine quellenkritische Untersuchung, in: Philologus 138 (1994) 267–287. 263 M. Lattke: War der Apologet Aristides ein Mann von Bildung? Forschungsgeschichtliches Protokoll eines (nicht nur) deutschen Gelehrtenstreits in den ersten 40 Jahren der Aristides-Forschung, in: Frühchristentum und Kultur, herausgegeben von F. R. Prostmeier (Freiburg i. Br. 2007) [KfA Ergänzungsband 2] 35–74. 264 S. Parvis: Justin and the Apologetic Tradition, in: Justin Martyr and His Worlds, edited by S. Parvis, P. Forster (Minneapolis 2007) 115– 127. 265 W. C. Rutherford: Citizenship among Jews and Christians: Civic Discourse in the Apolog y of Aristides, in: StPatr 65 (2013) 3–26.
Justin
Kritische Ausgaben 271 Fragmente vornicänischer Kirchenväter aus den Sacra Parallela, herausgegeben von K. Holl (Leipzig 1899) [TU 20,2]. – 32–55: Nr. 94–130 (Justin).
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272 Justin: Dialogue avec Tryphon. Texte grec, traduction française, introduction, notes et index par G. Archambault, I–II (Paris 1909). 273 The Apologies of Justin Martyr, edited by A. W. F. Blunt (Cambridge 1911).
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Justin
274 An Early Christian Philosopher. Justin Martyr’s Dialogue with Trypho, Chapters one to nine. Introduction, Text and Commentary by J. C. M. van Winden (Leiden 1971). 275 The Acts of the Christian Martyrs. Introduction, Texts and Translations by H. Musurillo (Oxford 1972) [OECT]. 276 Saint Justin: Apologies. Introduction, texte critique, traduction, commentaire et index par A. Wartelle (Paris 1987). 277 Iustini Martyris Apologia pro Christianis, edited by M. Marcovich (Berlin, New York 1994) [PTS 38]. 278 L’Apologie de St. Justin. Édition et traduction par Ch. Munier (Fribourg 1995) [Paradosis 38]. 279 Iustini Martyris Dialogus cum Tryphone, edited by M. Marcovich (Berlin, New York 1997) [PTS 47]. 280 Pseudo-Giustino: Sulla Resurrezione. Discorso cristiano del II secolo, a cura di A. D’Anna (Brescia 2001) [Letteratura cristiana antica, Testi]. 281 Pseudo-Justin: Über die Auferstehung. Text und Studie von M. Heimgartner (Berlin, New York 2001) [PTS 54]. 282 Justin Martyr: Dialogue avec Tryphon. Édition critique par Ph. Bobichon, I–II (Fribourg 2003) [Paradosis 47,1–2]. 283 Justin: Apologie pour les Chrétiens. Introduction, texte critique, traduction et notes par Ch. Munier (Paris 2006) [SC 507]. 284 Justin, Philosopher and Martyr: Apologies. Edited with an Introduction, Translation, and Commentary on the Text by D. Minns, P. Parvis (Oxford 2009) [OECT].
Übersetzungen 290 De Apologeten Apelles, Aristo, Quadratus, Aristides en Justinus Martyr, door J. A. Cramer (Leiden 1908) [Oud-christelijke geschriften in nederlandsche vertaling uitgegeven door het Haagsch Genootschap tot verdediging van de christeijken godsdienst 5]. 291 G. Rauschen: Die beiden Apologien Justins des Märtyrers, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, I (München 1913) [BKV 12] 55–155. 292 Des Heiligen Philosophen und Martyrers Justinus Dialog mit dem Juden Tryphon, aus dem Griechischen übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Ph. Haeuser (München 1917) [BKV 33]. – Fehlerhaft.
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293 I. Giordani: La prima polemica cristiana. Gli apologisti greci del secondo secolo (Torino 1930, Brescia 21943). 294 Justin Martyr: The Dialogue with Trypho. Translation, Introduction and Notes by A. L. Williams (London 1930). 295 The Writings of Saint Justin Martyr: The First Apology, the Second Apology, Dialogue with Trypho, Exhortation to the Greeks, Discourse to the Greeks, the Monarchy, or the Rule of God, translated by Th. B. Falls (Washington 1948) [The Fathers of the Church. A New Translation 6]. 296 The First Apology of Justin, the Martyr, in: Early Christian Fathers, newly translated and edited by C. C. Richardson, in collaboration with E. R. Fairweather, E. R. Hardy, M. H. Shepherd (London 1953) [The Library of Christian Classics 1] 225–289. 297 La philosophie passe au Christ. L’œuvre de Justin. Textes intégraux présentés par A. Hamman (Paris 1958). 298 The Ante-Nicene Fathers. Translations of the Writings of the Fathers down to AD. 325, edited by A. Roberts, J. Donaldson, revised and chronologically arranged with brief prefaces and occasional notes by A. Cleveland Cox. I: The Apostolic Fathers with Justin Martyr and Irenaeus, translated by M. Dods, G. Reith, A. Roberts. American Reprint of the Edinburgh Edition, Buffalo, New York 1885 (Grand Rapids MA 1979). 299 Giustino: Apologia. Introduzione, tradu zione, note e apparati di G. Girgenti (Roma 1995). 300 St. Justin Martyr: The First and Second Apologies translated with Introduction and Notes by L. W. Barnard (New York 1997) [AChW 56]. 301 St. Justin Martyr: Dialogue with Trypho, by Th. B. Falls, revised and with a New Introduction by T. P. Halton, edited by M. Slusser (Washington 2003). 302 Justin martyr: Apologie pour les chrétiens. Introduction, traduction et commentaire par Ch. Munier (Paris 2006) [Patrimoines, Christianisme].
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Bibliographie zum achten Kapitel
Sekundärliteratur
Bibliographien 308 L. W. Barnard: Justin in Recent Study, in: Scottish Journal of Theology 22 (1969) 152– 164. 309 A. Davids: Iustinus Philosophus et Martyr. Bibliographie 1923–1973 (Nijmegen 1983). 310 J. Morales: La investigación sobre San Justino y sus escritos, in: Scripta Theologica 16 (1984) 869–896. 311 M. Slusser: Justin Scholarship: Trends and Trajectories, in: Justin Martyr and His Worlds, edited by S. Parvis, P. Forster (Minneapolis 2007) 13–21, 169–173. Literatur 317 M. von Engelhardt: Das Christentum Justins des Märtyrers. Eine Untersuchung über die Anfänge der katholischen Glaubenslehre (Erlangen 1878). 318 E. R. Goodenough: The Theology of Justin Martyr (Jena 1923). 319 P. Keseling: Justins ‹Dialog gegen Trypho› (cap. 1–10) und Platons ‹Protagoras›, in: RhM 75 (1926) 223–229. 320 B. Seeberg: Die Geschichtstheologie Justins des Märtyrers, in: ZKG 58 (1939) 1–81. 321 L. Alfonsi: Richerche sull’Aristotele perduto, III: Giustino nella tradizione Platonico-Aristotelica, in: RSF 1 (1946) 229–234. 322 B. Kominiak: The Theophanies of the Old Testament in the Writings of Justin Martyr (Washington 1948) [Studies in Sacred Theology 2 series, 14]. 323 W. Schmid: Frühe Apologetik und Platonismus, ein Beitrag zur Interpretation des Proöms von Justins Dialogus, in: Ermeneia. FS Otto Regenbogen (Heidelberg 1952) 163–182. 324 C. Andresen: Justin und der mittlere Platonismus, in: ZNW 44 (1952–1953) 157–195. – Wieder in: Der Mittelplatonismus, herausgegeben von C. Zintzen (Darmstadt 1981) 319–368. 325 H. Frhr. von Campenhausen: Griechische Kirchenväter (Stuttgart 1955). 326 R. Holte: «Logos spermatikos». Christianity and Ancient Philosophy according to St. Justin’s Apologies, in: Studia Theologica 12 (1958) 109–168. 327 P. Prigent: Justin et l’Ancien Testament. L’argumentation scripturaire du traité de Justin contre toutes les hérésies comme source
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Justin
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360 S. Heid: Justinus Martyr I, in: RAC 19 (2001) 801–847. 361 T. J. Horner: Listening to Trypho. Justin Martyr’s Dialogue with Trypho Reconsidered (Leuven 2001) [Contributions to Biblical Exe gesis and Theology 28]. 362 C. D. Allert: Revelation, Truth, Canon and Interpretation. Studies in Justin Martyr’s Dialogue with Trypho (Leiden, Boston 2002) [VChr Suppl. 64]. 363 G. Dorival: Justin et la résurrection des morts, in: La résurrection chez les Pères (Strasbourg 2003) [Cahiers de Biblia Patristica 7] 101–118. 364 R. Lyman: The Politics of Passing: Justin Martyr’s Conversion as a Problem of ‘Hellenization’, in: Conversion in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Seeing and Believing, edited by K. Mills, A. Grafton (Rochester 2003) 36–60. 365 Ph. Bobichon: Précepts éternels et Loi mosaïque dans le Dialogue avec Tryphon de Justin Martyr, in: Revue Biblique 111 (2004) 238–254. 366 Ph. Bobichon: Justin martyr: étude stylistique du Dialogue avec Tryphon, suivie d’une comparaison avec l’Apologie et le De resurrectione, in: RecAug 34 (2005) 1–61. 367 J. Ulrich: Innovative Apologetik. Beobachtungen zur Originalität Justins am Beispiel der Lehre vom Logos spermatikos und anderer Befunde, in: Theologische Literaturzeitung 130 (2005) 3–16. 368 Justin Martyr and His Worlds, edited by S. Parvis, P. Forster (Minneapolis 2007). 369 C. E. Hill: Was John’s Gospel among Justin’s Apostolic Memoirs?, in: Parvis, Forster 2007 [*368: 88–94, 191–193]. 370 R. Lyman: Justin and Hellenism: Some Postcolonial Perspectives, in: Parvis, Forster 2007 [*368: 160–168, 212–214]. 371 O. Skarsaune: Justin and his Bible, in: Parvis, Forster 2007 [*368: 53–76, 179–187]. 372 D. Minns: Justin Martyr, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 258–269, II 1044–1046. 373 T. Georges: Die christlichen Apologeten des 2. Jahrhunderts und ihr Verhältnis zur antiken Philosophie – Justin und Tertullian als Exponenten unterschiedlicher Grundorientierungen?, in: Early Christianity 3 (2012) 321–348. 374 T. Georges: Justin’s School in Rome – Reflections on Early Christian ‘Schools’, in: ZAC 16 (2012) 75–87.
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Bibliographie zum achten Kapitel
375 O. Munich: La place de l’Hellénisme dans l’autodéfinition du Christianisme: L’Apologie de Justin, in: Les Chrétiens et l’Hellénisme: Identités religieuses et culture grecque dans l’Antiquité tardive. Textes édités par A. Perrot (Paris 2012) [Études de littérature an cienne 20] 61–122. 376 R. M. Thorsteinsson: The Literary Genre and Purpose of Justin’s Second Apology: A Critical Review with Insights from Ancient Epistolography, in: HThR 105 (2012) 91–114. 377 J. Ulrich: What do we know about Justin’s ‘School’ in Rome?, in: ZAC 16 (2012) 62–74. 378 T. L. Donaldson: ‘We Gentiles’: Ethnicity and Identity in Justin Martyr, in: Early Christianity 4 (2013) 216–241. 379 A. Klostergaard Petersen: Justin Martyr in Search of the Self, in: Religious Dimensions
of the Self in the Second Century CE, edited by J. Rüpke, G. Woolf (Tübingen 2013) [STAC 76] 104–129. 380 R. M. Thorsteinsson: Justin’s Debate with Crescens the Stoic, in: ZAC 17 (2013) 451–478. 381 T. Georges: «… herrlichste Früchte echtester Philosophie …» – Schulen bei Justin und Origenes im frühen Christentum sowie bei den zeitgenössischen Philosophen, in: Millennium 11 (2014) 23–39. 382 T. Georges: The Role of Philosophy and Education in Apologists’ Conversion to Christianity. The Case of Justin and Tatian, in: Conversion and Initiation in Antiquity. Shifting Identities – Creating Change, edited by B. Bøgh (Frankfurt a. M. 2014) [ECCA 16] 271–285.
Ps.-Justin
Kritische Ausgaben 388 J. Geffcken: Der Brief an Diognetos, herausgegeben von J. Geffcken (Heidelberg 1928) [Kommentierte griechische und lateinische Texte 4]. 389 The Epistle to Diognetus. The Greek Text with Introduction, Translation and Notes by Meecham (Manchester 1949). 390 The Epistle to Diognetus, edited with Introduction and Glossary by J. J. Thierry (Leiden 1964) [Textus minores 33]. 391 À Diognète. Introduction, édition critique, traduction et commentaire par H. I. Marrou (Paris 21965) [SC 33bis]. 392 Schriften des Urchristentums. II: Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet, eingeleitet, herausgegeben, übersetzt und erläutert von K. Wengst (Darmstadt 1984). 393 Pseudo-Iustinus: Cohortatio ad Graecos, De Monarchia, Oratio ad Graecos, edited by M. Marcovich (Berlin 1990) [PTS 32]. 394 A Diogneto. Introduzione, traduzione e note di E. Norelli (Milano 1991) [Letture cristiane del primo millenio 11]. 395 Ps.-Justin (Markell von Ankyra?) ‹Ad Graecos De vera religione› (bisher ‹Cohortatio ad Graecos›). Einleitung und Kommentar von Ch. Riedweg, I–II (Basel 1994) [SBA 25,1–2].
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396 Pseudojustino: Discurso contra los griegos, Sobra la monarquía, Exhortación a los griegos. Introduction, traduction y notas de A. S. Rodríguez (Leon 2008) [Ediciones griegas y latinas 8]. 397 Pseudo-Justin: Ouvrages apologetiques. Exhortation aux Grecs (Marcel d’Ancyre?), Discours aux Grecs, Sur la Monarchie. Introduction, texte grec, traduction et notes par B. Pouderon avec la collaboration de C. Bost-Pouderon, M.-J. Pierre et P. Pilard (Paris 2009) [SC 528]. 398 The Epistle to Diognetus (with the Fragment of Quadratus). Introduction, Text, and Commentary, edited by C. N. Jefford (Oxford 2013) [Oxford Apostolic Fathers].
Übersetzungen 404 Pseudo-Justinus: Mahnrede an die Hellenen, aus dem Griechischen übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Ph. Haeuser, in: Haeuser 1917 [*292: 235–292]. 405 H. U. Meyboom: Justijn de Maartelaar (Leiden 1922) [Oud-Christelijke geschriften in Nederlandsche Vertaling 32]. 406 The Writings of Saint Justin Martyr: The First Apology, the Second Apology, Dialogue with Trypho, Exhortation to the Greeks, Discourse to the Greeks, the Monarchy, or the Rule of God, translated by Th. B. Falls ( Washington 1948) [The Fathers of the Church. A New Translation 6].
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Ps.-Justin
407 An Diognet, übersetzt und erklärt von H. E. Lona (Freiburg i. Br. 2001) [KfA 8]. 408 Apologie à Diognète, Exhortation aux Grecs. Traduction par M. Bourlet, introduction et notes par R. Minnerath (Paris 2002).
Sekundärliteratur 414 E. Schürer: Julius Africanus als Quelle der pseudojustinischen Cohortatio ad Graecos, in: ZKG 2 (1878) 319–331. 415 Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels (Berolini 1879). 416 J. Dräseke: Der Verfasser des fälschlich Justinus beigelegten Λόγος παραινετικὸς πρὸς Ἑλλήνας, in: ZKG 7 (1885) 257–302. 417 J. R. Asmus: Ist die pseudojustinische Cohortatio ad Graecos eine Streitschrift gegen Julian?, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 38 (1895) 115–155. 418 J. R. Asmus: Ein Bindeglied zwischen der pseudojustinischen Cohortatio ad Graecos und Julians Polemik gegen die Galiläer (Dion Chrysost. Or. XII), in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 40 (1897) 268–284. 419 J. Dräseke: Zu Apollinarios’ von Laodicea ‹Ermunterungsschrift an die Hellenen›, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 43 (1900) 227–236; 46 (1903) 407–433. 420 E. R. Goodenough: The Pseudo-Justinian ‹Oratio ad Graecos›, in: HThR 18 (1925) 187– 200. 421 E. Molland: Die literatur- und dogmengeschichtliche Stellung des Diognetbriefes, in: ZNW 33 (1934) 289–312. – Wieder in: Ders.: Opuscula Patristica (Oslo 1970) 79–101. 422 L. Alfonsi: Traces du jeune Aristote dans la ‹Cohortatio ad Gentiles› faussement attribuée à Justin, in: VChr 2 (1948) 65–88. 423 R. M. Grant: The Problem of Theophilus, in: HThR 43 (1950) 179–196. – Wieder in: Grant 1983 [*437: Kap. XXI]. 424 R. M. Grant: Studies in the Apologists: I. Tatian’s Theological Method, II. The Cohortatio of Pseudo-Justin, in: HThR 51 (1958) 123–134. 425 R. M. Grant: Greek Literature in the Treatise ‹De Trinitate› and Cyril ‹Contra Julianum›, in: JThS 15 (1964) 264–279. 426 M. Pellegrino: Il ‘topos’ dello ‘status rectus’ nel contesto filosofico e biblico (a proposito di Ad Diognetum 10,1–2), in: Mullus. FS Theodor Klauser, herausgegeben von A. Stui
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ber, A. Hermann (Münster 1964) [JbAC Ergänzungsband 1] 273–281. 427 R. M. Grant: Early Christianity and Greek Comic Poetry, in: CPh 60 (1965) 157–163. – Wieder in: Grant 1983 [*437: Kap. VIII]. 428 S. Pétrement: Valentin est-il l’auteur de l’Épître à Diognète?, in: RHPhR 46 (1966) 34–62. 429 W. Eltester: Das Mysterium des Christentums. Anmerkungen zum Diognetbrief, in: ZNW 61 (1970) 278–293. 430 C. M. Nielsen: The Epistle to Diognetus: Its Date and Relationship to Marcion, in: Anglican Theological Review 52 (1970) 77–91. 431 N. Zeegers-Vander Vorst: Les versions juives et grecques du fragment 245–247 d’Orphée, in: AC 39 (1970) 475–506. 432 R. Brändle: Die Ethik der Schrift an Diognet. Eine Wiederaufnahme paulinischer und johanneischer Theologie am Ausgang des zweiten Jahrhunderts (Zürich 1975) [Abhandlungen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments 64]. 433 R. Brändle: ‘Paulinismus’ und ‘Gnosis’ in der Schrift an Diognet, in: ZKG 90 (1979) 41–62. 434 A. Lindemann: Paulinische Theologie im Brief an Diognet, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 337–350. 435 U. Wickert: Christus kommt zur Welt. Zur Wechselbeziehung von Christologie, Kosmo logie und Eschatologie in der Alten Kirche, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 461–481. 436 M. Simonetti: In margine alla polemica antiplatonica della Cohortatio ps. giustinea, in: Scritti in memoria di Angelo Brelich, a cura di V. Lanternari, M. Massenzio, D. Sabbatucci (Bari 1982) 577–589. 437 R. M. Grant: Christian Beginnings: Apocalypse to History (London 1983). 438 R. M. Grant: Homer, Hesiod, and Heracles in Pseudo-Justin, in: VChr 37 (1983) 105–109. 439 W. C. van Unnik: The Character of Early Christian Apologetics in the Pseudo-Justinian Oratio ad Graecos, in: van Unnik 1983 [*258: III 59–70]. – Unter dem Titel ‹Het Karakter van de oudchristelijke Apologetiek in de pseudo-justiniaanse Oratio ad Graecos› ursprünglich erschienen in: Nederlands Theologisch Tijdschrift 7 (1952/53) 129–141.
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440 R. G. Tanner: The Epistle to Diognetus and Contemporary Greek Thought, in: StPatr 15 (1984) [TU 128] 495–508. 441 Th. Baumeister: Zur Datierung der Schrift an Diognet, in: VChr 42 (1988) 105–111. 442 F. Blanchetière: Au cœur de la cité: Le chrétien philosophe selon l’‹à Diognète› 5–6, in: Recherches de science religieuse 63 (1989) 183–194. 443 M. Rizzi: La questione dell’unità dell’‹Ad Diog netum› (Milano 1989) [Studia Patristica Mediolanensia 16]. 444 U. Amadio: Pseudo-Giustino, Peri Monarchia: il fascino della poesia, in: Revue Bénédictine 39 (1992) 291–295. 445 Ch. Riedweg: Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos. Beobachtungen zu OF 245 und 247 (sog. Testament des Orpheus) (Tübingen 1993) [Classica Monacensia 7]. 446 Ch. Riedweg: A Christian Middle-Platonic Document – Ps.-Justin’s Ad Graecos de vera religione hitherto known as Cohortatio ad Graecos, in: StPatr 26 (1993) 177–183. 447 R. Radice: La filosofia di Aristobulo e i suoi nessi con il ‹De mundo› attribuito a Aristotele: con due appendici contenenti i frammenti di Aristobulo, traduzione a fronte e presentatione delle varianti (Milano 1994, 2 1995). 448 E. Norelli: I cristiani ‘anima del mondo’. L’A Diogneto nello studio dei rapporti tra cristianesimo e imperio, in: Cristianesimo e istitu zioni politiche. Da Augusto a Costantino, a cura di E. Dal Covolo, R. Uglione (Roma 1995) [Biblioteca di scienze religiose 117] 53– 73. 449 R. C. Holladay: Fragments from Hellenistic Jewish Authors. IV: Orphica (Atlanta GA 1996). 450 R. C. Holladay: The Textual Tradition of Pseudo-Orpheus: Walter or Riedweg?, in: Geschichte – Tradition – Reflexion. FS Martin Hengel, herausgegeben von H. Cancik, H. Lichtenberger, P. Schäfer (Tübingen 1996) I 159–180. 451 M. Rizzi: La cittadinanza paradossale dei cristiani (Ad Diognetum 5–6). Le trasformazioni cristiane di un τόπος retorico, in: Annali di scienze religiose 1 (1996) 221–260. 452 A. Whealy: To Tatian on the soul, in: Re cherches de théologie ancienne et médiévale 63 (1996) 136–145.
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453 R. Noormann: Himmelsbürger auf Erden. Anmerkungen zum Weltverhältnis und zum Paulinismus des Auctor ad Diognetum, in: Die Weltlichkeit des Glaubens in der Alten Kirche. FS Ulrich Wickert, herausgegeben von D. Wyrwa, B. Aland, Chr. Schäublin (Berlin, New York 1997) [BZNW 85] 199–229. 454 R. C. Holladay: Pseudo-Orpheus: Tracking a Tradition, in: The Early Church in its Context. Essays in honor of E. Ferguson, edited by A. J. Malherbe, F. W. Norris, J. W. Thompson (Leiden, Boston 1998) 192–220. 455 C. Dell’Ossio: La ‹Cohortatio ad Graecos› attribuita a Giustino, in: Rivista di scienze religiose 13 (1999) 219–234. 456 K. Schneider: Die Stellung der Juden und Christen in der Welt nach dem Diognetbrief, in: JbAC 42 (1999) 20–41. 457 Ch. Riedweg: Iustinus Martyr II (Pseudo-justinische Schriften), in: RAC 19 (2001) 848–873. 458 B. Pouderon: Mυθωδῶς, μυστικῶς: l’hermé neutique de la Cohortatio ad Graecos restituée à Marcel d’Ancyre, in: REAug 49 (2003) 267–283. 459 B. Pouderon: Marcel d’Ancyre et la Cohortatio ad Graecos attribuée à Justin, in: Chartae caritatis. Études de patristique et d’antiquité tardive en hommage à Yves-Marie Duval, éditées par B. Gain, P. Jay, G. Nauroy (Paris 2004) 235–262. 460 Ch. E. Hill: From the Lost Teaching of Polycarp. Identifying Irenaeus’ Apostolic Presbyter and the Author of ‹Ad Diognetum› (Tübingen 2006) [WUNT 186]. 461 B. Pouderon: Deux lieux de pèlerinage judéohellénistiques sous Constantin: Pharos et Cumes, in: Pèlerinages et lieux saints dans l’Antiquité et le Moyen-Âge. Mélanges Pierre Maraval, édités par B. Caseau, J.-C. Cheynet, V. Deroche (Paris 2006) 395–415. 462 B. Pouderon: Allégorie d’expression et allégorie d’interpretation chez Héraclite et Marcel d’Ancyre, in: Culture classique et christianisme. Mélanges Jean Bouffartigue. Textes réunis par A. Auger, É. Wolff (Paris 2008) 115–137. 463 Ch. Riedweg: Literatura órfica en ámbito judio, in: Orfeo y la tradición órfica. Un reencuentro, coordinado por A. Bernabé, F. Casadesús (Madrid 2008) [Akal Universitaria. Seri Religiones y mitos 280] 379–392.
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464 L. Arcari: Memorie monoteistiche ‘pagane’ nella ‹Cohortatio ad Graecos› ps. giustinea: l’unicità divina come strumento di auto-definitione e/o di attaco, in: Temi e forme della polemica in età cristiana (III–V secolo), a cura di M. Marin, M. Veronese (Bari 2011) 283–315. 465 M. F. Bird: The Reception of Paul in the Epistle to Diognetus, in: Paul in the Second Century, edited by M. F. Bird, J. R. Dodson (London, New York 2011) [Library of New Testament Studies] 70–90.
466 B. Crowe: Oh Sweet Exchange! The Soteriological Significance of the Incarnation in the Epistle to Diognetus, in: ZNW 102 (2011) 96– 109. 467 M. Simonetti: In margine allo Pseudogiustino, in: Augustinianum 51 (2011) 5–19. 468 L. Perendy: The Threads of Tradition: The Parallelisms between ‹Ad Diognetum› and ‹Ad Autolycum›, in: StPatr 65 (2013) 197–207.
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Kritische Ausgaben 474 Tatiani Oratio ad Graecos, recensuit E. Schwartz (Leipzig 1888) [TU 4,1]. 475 Tatian: Oratio ad Graecos and Fragments, edited by M. Whittaker (Oxford 1982) [OECT]. – Mit der Kapitel- und Paragraphenzählung von Goodspeed 1914 [*165] in der Übersetzung. 476 Tatiani Oratio ad Graecos, edited by M. Marcovich (Berlin 1995) [Patristische Texte und Untersuchungen 43]. – Mit neuer Paragraphenzählung, fortan Standard. 477 Tatianos: Oratio ad Graecos, herausgegeben und neu übersetzt von J. Trelenberg (Tübingen 2012) [Beiträge zur historischen Theo logie]. 478 Gegen falsche Götter und falsche Bildung. Tatian, Rede an die Griechen, eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von P. Gemeinhardt, M.-L. Lakmann, H.-G. Nesselrath, F. R. Prostmeier, A. M. Ritter, H. Strutwolf und A. Timotin, herausgegeben von H.-G. Nesselrath (Tübingen 2016) [SAPERE 28].
Übersetzungen 484 Recherches sur le Discours aux Grecs de Tatien, suivies d’une traduction française du Discours avec notes par A. Puech (Paris 1903) [Université de Paris. Bibliothèque de la Faculté des Lettres 17]. – Übersetzung wieder abgedruckt in: Foi chrétienne et culture clas-
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sique. Textes présentés et annotés par B. Pouderon, traduction par M. Bourlet et al. (Paris 1998) 59–102. 485 Tatians Rede an die Bekenner des Griechentums, eingeleitet und übersetzt von R. C. Kukula, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt, I (München 1913) [BKV 12] 175–257. 486 Taziano il Siro: Discorso ai Greci. Apologetica cristiana e dogmi della cultura pagana, a cura di S. Di Cristina (Roma 1991) [Collana Cultura cristiana antica, Testi].
Sekundärliteratur 492 A. Kalkmann: Tatians Nachrichten über Kunstwerke, in: RhM 42 (1887) 489–524. 493 R. M. Grant: The Date of Tatian’s Oratio, in: HThR 46 (1953) 99–101. 494 R. M. Grant: The Heresy of Tatian, in: JThS 5 (1954) 62–68. 495 R. M. Grant: Studies in the Apologists: I. Tatian’s Theological Method, II. The Cohortatio of Pseudo-Justin, in: HThR 51 (1958) 123–134. 496 M. Elze: Tatian und seine Theologie (Göttingen 1960) [FKDG 9]. 497 R. M. Grant: Tatian (Or. 30) and the Gnostics, in: JThS 15 (1964) 65–69. 498 G. F. Hawthorne: Tatian and his Discourse to the Greeks, in: HThR 57 (1964) 161–188. 499 G. W. Clarke: The Date of the Oration of Tatian, in: HThR 60 (1967) 123–125.
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Bibliographie zum achten Kapitel
500 L. W. Barnard: The Heresy of Tatian – Once Again, in: Journal of Ecclesiastical History 19 (1968) 1–10. 501 A. E. Osborne: Tatian’s Discourse to the Greeks. A Literary Analysis and Essay in Interpretation (Cincinnati 1969). 502 F. Bolgiani: Taziano, «Oratio ad Graecos», cap. 30,1, in: Kyriakon. FS Johannes Quasten, edited by P. Granfield, J. A. Jungmann (Münster 1970) 226–235. 503 M. Whittaker: Tatian’s Educational Background, in: StPatr 13 (1975) [TU 116] 57–59. 504 S. Di Cristina: L’idea di Δύναμις nel De Mundo e nell’Oratio ad Graecos di Taziano, in: Augustinianum 17 (1977) 485–504. 505 L. W. Barnard: The Heresy of Tatian, in: Analecta Vlatadon 26 (1978) 181–193. 506 P. Yousif: Il patrimonio culturale Greco secondo Taziano, in: L’eredità classica nelle lingue orientali, a cura di M. Pavan, U. Cozzoli (Roma 1986) [Acta encyclopaedica 5] 73–95. 507 W. L. Petersen: Tatian’s Dependence upon Justin, in: New Testament Studies 36 (1990) 512–534. 508 M. McGehee: Why Tatian never ‘apologized’ to the Greeks?, in: JECS 1 (1993) 143–158. 509 W. L. Petersen: Tatian’s Diatessaron. Its Creation, Dissemination, Significance and History in Scholarship (Leiden 1994) [VChr Suppl. 25]. 510 K.-G. Wesseling: Tatian der Syrer, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon 11 (1996) 552–571. 511 E. Norelli: La critique au pluralisme grec dans le Discours aux Grecs de Tatian, in: Pouderon, Doré 1998 [*224: 81–120]. 512 R. Hanig: Tatian und Justin. Ein Vergleich, in: VChr 53 (1999) 31–73. 513 W. L. Petersen: Tatian, in: TRE 32 (2001) 655–659. 514 P. Bruns: Diatessaron, in: LacL (32002) 193– 194. 515 E. J. Hunt: Christianity in the Second Century. The Case of Tatian (London 2003). 516 D. Karadimas: Tatian’s Oratio ad Graecos: Rhetoric and Philosophy/Theology (Stockholm 2003). 517 L. Nasrallah: Mapping the World: Justin, Tatian, Lucian, and the Second Sophistic, in: HThR 98 (2005) 283–314.
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518 W. L. Petersen: Tatian the Assyrian, in: A Companion to Second-Century Christian ‘Heretics’, edited by A. Marjanen, P. Luomanen (Leiden, Boston 2005) [VChr Suppl. 76] 125–158. 519 St. Freund: «Und wunderbar sind auch eure Dichter, die da lügen …» (Tat., orat. 22,7). Beobachtungen zu Gestalt, Auswahl und Funktion von Dichterzitaten in der griechischen Apologetik am Beispiel Tatians, in: Ad veram religionem reformare. Frühchristliche Apologetik zwischen Anspruch und Wirklichkeit, herausgegeben von Ch. Schubert, A. von Stockhausen (Erlangen 2006) [Erlanger Forschungen, Reihe A, Band 109] 97–121. 520 J. Lössl: Bildung? Welche Bildung? Zur Bedeutung der Ausdrücke «Griechen» und «Barbaren» in Tatians ‹Rede an die Griechen›, in: Frühchristentum und Kultur, herausgegeben von F. R. Prostmeier (Freiburg i. Br. 2007) [KfA Ergänzungsband 2] 127– 153. 521 Ch. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie (Tübingen 2007). 522 S. Parvis: Justin and the Apologetic Tradition, in: Justin Martyr and His Worlds, edited by S. Parvis, P. Forster (Minneapolis 2007) 115– 127. 523 J. E. Fojtik: Tatian the Barbarian: Language, Education and Identity in the Oratio ad Graecos, in: Continuity and Discontinuity in Early Christian Apologetics, edited by J. Ulrich, A.-C. Jacobsen, M. Kahlos (Frankfurt a. M. 2009) [ECCA 5] 23–34. 524 Logos der Vernunft – Logos des Glaubens, herausgegeben von F. R. Prostmeier, H. E. Lona (Berlin, New York 2010) [MillenniumStudien 31]. 525 J. Lössl: Zwischen Christologie und Rhetorik. Zum Ausdruck «Kraft des Wortes» (λόγου δύναμις) in Tatians ‹Rede an die Griechen›, in: Prostmeier, Luna 2010 [*524: 129–148]. 526 J. Lössl: Sprachlich-ästhetische Darstellung und ‘Anwendung’ von Gewalt in Texten frühchristlicher Apologeten – das Beispiel der Rede Tatians an die Griechen, in: Zeitschrift für Religionswissenschaft 20 (2012) 196–222.
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Kritische Ausgaben 532 Athenagorae Libellus pro Christianis. Oratio De resurrectione cadaverum, recensuit E. Schwartz (Leipzig 1891) [TU 4,2]. 533 Atenagora: La supplica per i Cristiani. Della risurrezione dei morti. Testo critico e commento di P. Ubaldi, M. Pellegrino (Torino 1920, 31947). – Mit differierender Paragraphenzählung. 534 Athenagoras: Legatio and De Resurrectione, edited and translated by W. R. Schoedel (Oxford 1972) [OECT]. – Mit der Paragraphenzählung von Ubaldi. 535 Athenagoras: Legatio pro Christianis, edited by M. Marcovich (Berlin 1990) [PTS 31]. – Mit neuer Paragraphenzählung. 536 Athénagore: Supplique au sujet des Chrétiens et Sur la Résurrection des Morts. Introduction, texte et traduction par B. Pouderon (Paris 1992) [SC 379]. – Mit der Paragraphenzählung von Ubaldi. 537 Athenagorae qui fertur De resurrectione mortuorum, edited by M. Marcovich (Leiden 2000) [VChr Suppl. 53].
Übersetzungen 543 A. Eberhard: Des Athenagoras von Athen Bittschrift für die Christen und Schrift über die Auferstehung, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt (München 1913) [BKV 12] I 259–375. 544 Athénagore: Supplique au sujet des Chré tiens. Introduction et traduction de G. Bardy (Paris 1943) [SC 3]. 545 Athenagoras: Embassy for the Christians. The Resurrection of the Dead, translated and annotated by J. H. Crehan (London 1956) [AChW 23].
Sekundärliteratur 551 R. M. Grant: The Resurrection of the Body, in: Journal of Religion 28 (1948) 120–130, 188–208. 552 P. Keseling: Athenagoras, in: RAC 1 (1950) 881–888.
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553 R. M. Grant: Athenagoras or Pseudo-Athenagoras, in: HThR 47 (1954) 121–129. 554 N. Scivoletto: Cultura e scoliastica in Atenagora (A proposito del testo di ‹Leg.› 1,1), in: Giornale italiano di filologia 113 (1960) 231– 248. 555 L. W. Barnard: Athenagoras, Galen, Marcus Aurelius, and Celsus, in: Church Quarterly Review 168 (1967) 168–181. – Wieder in: Barnard 1972 [*567: 53–68]. 556 J. L. Rauch: Greek Logic and Philosophy and the Problem of Authorship in Athenagoras (Chicago 1968). 557 A. J. Malherbe: The Structure of Athenagoras, ‹Supplicatio pro Christianis›, in: VChr 23 (1969) 1–20. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 807–827]. 558 A. J. Malherbe: Athenagoras on Christian Ethics, in: Journal of Ecclesiastical History 20 (1969) 1–5. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 829–835]. 559 A. J. Malherbe: The Holy Spirit in Athenagoras, in: JThS 20 (1969) 538–542. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 837–841]. 560 L. W. Barnard: God, the Logos, the Spirit and the Trinity in the Theology of Athenagoras, in: Studia Theologica 24 (1970) 70–92. – Wieder in: Barnard 1972 [*567: 81–111]. 561 A. J. Malherbe: The Apologetic Theology of the ‹Preaching of Peter›, in: Restoration Quarterly 13 (1970) 205–223. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 867–882]. 562 A. J. Malherbe: Athenagoras on the Poets and Philosophers, in: Kyriakon. FS Johannes Quasten, edited by P. Granfield, J. A. Jungmann (Münster 1970) 214–225. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 849–865]. 563 A. J. Malherbe: Athenagoras on the Location of God, in: Theologische Zeitschrift 26 (1970) 46–52. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 843–848]. 564 L. W. Barnard: The Father of Christian An thropology, in: ZNW 63 (1972) 254–270. 565 L. W. Barnard: The Philosophical and Biblical Background of Athenagoras, in: Epektasis. Mélanges patristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou, publiés par J. Fontaine, Ch. Kannengiesser (Paris 1972) 3–16. – Wieder in: Barnard 1972 [*567: 37–51, 69–79]. 566 L. W. Barnard: Notes on Athenagoras, in: Latomus 31 (1972) 413–432.
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567 L. W. Barnard: Athenagoras. A Study in Sec ond Century Christian Apologetic (Paris 1972) [ThH 18]. – Sammlung von zum Teil auch anderweitig erschienenen Aufsätzen. 568 D. Kienast: Presbeia, in: RE Suppl. XIII (1973) 499–628. 569 W. R. Schoedel: Christian ‘Atheism’ and the Peace of the Roman Empire, in: Church History 42 (1973) 309–319. 570 T. D. Barnes: The Embassy of Athenagoras, in: JThS 26 (1975) 111–114. 571 L. W. Barnard: Athenagoras, De Resurrectione. The Background and Theology of a Second Century Treatise on the Resurrection, in: Studia Theologica 30 (1976) 1–42. 572 E. Gallicet: Atenagora o Pseudo-Atenagora?, in: RFIC 104 (1976) 420–435. 573 J. C. M. van Winden: The Origin of False hood. Some Comments on the Introductory Passage of the Treatise ‹On the resurrection of the dead› attributed to Athenagoras, in: VChr 30 (1976) 303–306. 574 E. Gallicet: Ancora sullo Pseudo-Atenagora, in: RFIC 105 (1977) 21–42. 575 J.-M. Vermander: Celse et l’attribution à Athénagore d’un ouvrage sur la résurrection des morts, in: Mélanges de science religieuse 35 (1978) 125–134. 576 W. Schoedel: A Neglected Motive for SecondCentury Trinitarianism, in: JThS 31 (1980) 356–367. 577 L. W. Barnard: The Authenticity of Athenagoras’ De Resurrectione, in: StPatr 15 (1984) [TU 128] 39–49. 578 B. Pouderon: L’authenticité du Traité sur la Résurrection attribué à l’apologiste Athénagoras, in: VChr 40 (1986) 226–244. 579 C. Burini: Un ‘Progetto culturale’ nella ‹Supplica› di Atenagora, in: Crescità dell’uomo nella catechesi dei Padri (età prenicena). Convegno di studio e aggiornamento, Facoltà di Lettere cristiane e classiche (Pontificium Institutum Altioris Latinitatis), Roma, 14–16 marzo 1986, a cura di S. Felici (Roma 1987) [Biblioteca di scienze religiose 78] 41–49. 580 B. Pouderon: Public et adversaires du Traité sur la résurrection d’Athenagore d’Athènes, in: VetChr 24 (1987) 315–336. 581 G. af Hällström: Carnis Resurrectio. The Interpretation of a Credal Formula (Helsinki 1988) [Commentationes Humanarum Litterarum 86]. 582 B. Pouderon: La chaine alimentaire chez Athénagore. Confrontation de sa théorie digestive avec la science médicale de son temps, in: Orpheus 9 (1988) 219–237. – Wieder in: Pouderon 1997 [*593: 229–251].
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583 B. F. Harris: The Defence of Christianity in Athenagoras’ Embassy, in: Journal of Religious History 15 (1989) 413–424. 584 H. E. Lona: Ps. Justins De resurrectione und die altchristliche Auferstehungsapologetik, in: Salesianum 51 (1989) 691–768. 585 B. Pouderon: Athénagore d’Athènes. Philo sophe chrétien (Paris 1989) [ThH 82]. 586 H. E. Lona: Die dem Apologeten Athenagoras zugeschriebene Schrift ‹De resurrectione mortuorum› und die altchristliche Auferstehungsapologetik, in: Salesianum 52 (1990) 525–578. 587 D. T. Runia: Verba Philonica, ἀγαλµατοφο ρεῖν, and the Authenticity of the ‹De resurrectione› attributed to Athenagoras, in: VChr 46 (1992) 313–327. 588 N. Zeegers-Vander Vorst: La paternité Athénagorienne du ‹De resurrectione›, in: RHE 87 (1992) 333–374. 589 B. Pouderon: Athénagore chef d’école. À propos du témoignage de Philippe de Sidè, in: StPatr 26 (1993) 167–176. 590 B. Pouderon: Le «De resurrectione» d’Athénagore face à la gnose valentinienne, in: RecAug 28 (1995) 145–183. – Wieder in: Pouderon 1997 [*593: 145–195]. 591 N. Zeegers-Vander Vorst: Adversaires et destinataires du ‹De resurrectione› attribué à Athénagore d’Athènes, in: Salesianum 57 (1995) 75–122, 199–250, 415–442, 611–656. 592 P. L. Buck: Athenagoras’s Embassy: A Literary Fiction, in: HThR 89 (1996) 209–226. 593 B. Pouderon: D’Athènes à Alexandrie. Études sur Athénagore et les origines de la philosophie chrétienne (Québec et al. 1997) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Études 4]. – Sammlung von zumeist bereits andernorts erschienenen Aufsätzen. 594 M. Giunchi: Dunamis et taxis dans la Conception trinitaire d’Athénagore (Leg. X, 29; XII, 21; XXIV, 9), in: Pouderon, Doré 1998 [*224: 121–134]. 595 M. Peglau: Die ‘Presbeia’ des Athenagoras im Spannungsfeld zwischen ἀρχαῖα φιλοσοφία und καινὴ διδαχή. Eine Untersuchung zum apologetischen Spektrum im späten zweiten Jahrhundert (Dresden 1999). 596 P. Pilhofer: Athenagoras, in: LacL (32002) 76– 77. 597 S. Parvis: Justin and the Apologetic Tradition, in: Justin Martyr and His Worlds, edited by S. Parvis, P. Forster (Minneapolis 2007) 115– 127. 598 D. Rankin: Athenagoras. Philosopher and Theologian (Farnham 2009).
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Theophilos von Antiochien
599 D. J. Bingham: Scripture as Apology in Athenagoras of Athens, in: StPatr 45 (2010) 425– 431. 600 U. Heil: Menschenliebe im Superlativ: Zur Rezeption der christlichen Lehre von der Feindesliebe bei Athenagoras, in: Prostmeier, Luna 2010 [*524: 229–252]. 601 D. Rankin: Athenagoras, Philosopher and First Principles, in: StPatr 45 (2010) 419–424. 602 U. Heil: «… damit wir nicht mehr von den Verleumdern abgeschlachtet werden» (Athenagoras, leg. 1,3). Rhetorik der Drohkulissen
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in der christlichen Apologetik des 2. Jahrhunderts, in: Millennium 11 (2014) 1–22. 603 A. J. Malherbe: Light from the Gentiles. Hellenistic Philosophy and Early Christianity. Collected essays, 1959–2012, edited by C. R. Holladay et al., I–II (Leiden 2014) [NT Suppl. 150]. 604 N. Kiel: Ps.-Athenagoras De Resurrectione. Datierung und Kontextualisierung der dem Apologeten Athenagoras zugeschriebenen Auferstehungsschrift (Leiden, Boston 2016) [VChr Suppl. 133].
Theophilos von Antiochien Kritische Ausgaben 609 Théophile d’Antioche: Trois livres à Autolycus. Texte grec établi par G. Bardy, traduction de J. Sender (Paris 1948) [SC 20]. 610 Theophilus of Antioch: Ad Autolycum. Text and Translation by R. M. Grant (Oxford 1970) [OECT]. 611 Theophili Antiocheni ad Autolycum, edited by M. Marcovich (Berlin 1995) [PTS 44]. 612 Teófilo de Antioquía: A Autólico. Introducción, texto griego, traducción y notas de J. P. Martín (Madrid 2004) [Fuentes Patrísticas 16].
Übersetzungen 618 Drei Bücher des heiligen Theophilus, Bischofs von Antiochien, an Autolycus. Zweite, verbesserte Ausgabe der Übersetzung von J. Leitl, besorgt von Dr. A. Fhrn. Di Pauli, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt (München 1913) [BKV 14] II 7–110.
Sekundärliteratur 624 F. Loofs: Theophilus von Antiochien Adversus Marcionem und die anderen theologischen Quellen bei Irenaeus (Leipzig 1930) [TU 46,2]. 625 R. M. Grant: Theophilus of Antioch to Autolycus, in: HThR 40 (1947) 227–256. 626 R. M. Grant: The Problem of Theophilus, in: HThR 43 (1950) 179–196. – Wieder in: Grant 1983 [*437: Kap. XXI].
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627 R. M. Grant: Scripture, Rhetoric and Theology in Theophilus, in: VChr 13 (1959) 33–45. 628 N. Zeegers-Vander Vorst: Les citations poétiques chez Théophile d’Antioche, in: StPatr 10 (1970) [TU 107] 168–174. 629 J.-M. Vermander: Théophile d’Antioche contre Celse: A Autolycos III, in: REAug 17 (1971) 203–225. 630 R. M. Grant: Jewish Christianity at Antioch in the Second Century, in: Recherches de science religieuse 60 (1972) 97–108. – Wieder in: Grant 1983 [*437: Kap. XVIII]. 631 M. Simonetti: La sacra scrittura in Teofilo d’Antiochia, in: Epektasis. Mélanges patristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou, publiés par J. Fontaine, Ch. Kannengiesser (Paris 1972) 197–207. 632 P. Nautin: Ciel, Pneuma et Lumière chez Théophile d’Antioche (Notes critiques sur Ad Autol. 2,13), in: VChr 27 (1973) 165–171. 633 F. Bolgiani: L’ascesi di Noe: a proposito di Teof ilo ad Autolyco, III 19, in: Forma Futuri. Studi in onore del Cardinale Michele Pellegrino (Torino 1975) 295–333. 634 N. Zeegers-Vander Vorst: Notes sur quelques aspects judaisants du Logos chez Théophile d’Antioche, in: Actes de la XIIe conférence internationale d’études classiques Eirene, Clúj-Napoca 2–7 octobre 1972 (Bukarest, Amsterdam 1975) 69–87. 635 N. Zeegers-Vander Vorst: Les citations du Nouveau Testament dans les livres à Autolycus de Théophile d’Antioche, in: StPatr 12 (1975) [TU 115] 371–381. 636 J. Bentivegna: A Christianity without Christ by Theophilus of Antioch, in: StPatr 13 (1976) [TU 116] 107–130.
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Bibliographie zum achten Kapitel
637 N. Zeegers-Vander Vorst: La création de l’homme (Gen 1,26) chez Théophile d’Antioche, in: VChr 30 (1976) 258–267. 638 F. Bergamelli: Il linguaggio simbolico delle immagini nella catechesi missionaria di Theofilo di Antiochia, in: Salesianum 41 (1979) 273–297. 639 N. Zeegers-Vander Vorst: La notion de foi chez Théophile d’Antioche, in: La liturgie, expression de la foi. Conférences Saint-Serge, XXVe semaine d’Études liturgiques, Paris 27–30 juin 1978 (Rome 1979) 339–365. 640 F. Bolgiani: Sullo scritto perduto di Teofilo d’Antiochia Contro Ermogene, in: Paradoxos Politeia. Studi patristici in onore di Giuseppe Lazzati, a cura di R. Cantalamessa, L. F. Pizzolato (Milano 1980) 77–118. 641 N. Zeegers-Vander Vorst: Satan, Eve et le serpent chez Théophile d’Antioche, in: VChr 35 (1981) 364–366. 642 D. S. Wallace-Hadrill: Christian Antioch. A study of early Christian thought in the East (Cambridge 1982). 643 R. J. Hauck: Omnes contra Celsum?, in: The Second Century 5 (1985–1986) 211–225. 644 C. Curry: The Theogony of Theophilus, in: VChr 42 (1988) 318–326. 645 D. Good: Rhetoric and Wisdom in Theophilus of Antioch, in: Anglican Theological Review 73 (1991) 323–330. 646 K. E. McVey: The Use of Stoic Cosmogony in Theophilus of Antioch’s Hexaemeron, in: Biblical Hermeneutics in Historical Perspective. FS Karlfried Froehlich, edited by M. S. Burrows, P. Rorem (Grand Rapids MI 1991) 32–58. 647 N. Zeegers-Vander Vorst: Théophile d’Anti oche, in: Dictionnaire de Spiritualité 15 (1991) 530–542.
648 C. Harrison: The Childhood of Man in Early Christian Writers (Theophilus, Irenaeus, Clement), in: Augustinianum 32 (1992) 61–76. 649 J. P. Martín: La saggezza creatrice secondo Teofilo d’Antiochia ed i suoi silenzi cristologici, in: Augustinianum 32 (1992) 223–235. 650 W. R. Schoedel: Theophilus of Antioch: Jew ish Christian?, in: Illinois Classical Studies 18 (1993) 279–297. 651 N. Zeegers: Théophile d’Antioche est-il millénariste?, in: RHE 91 (1996) 743–784. 652 N. Zeegers: Les trois cultures de Théophile d’Antioche, in: Pouderon, Doré 1998 [*224: 135–176]. 653 R. Rogers: Theophilus of Antioch. The Life and Thought of a Second-Century Bishop (Lanham MD 2000). 654 P. Pilhofer: Theophilus von Antiochien, in: LacL (32002) 690. 655 N. Zeegers: Thephilus von Antiochien, in: TRE 33 (2002) 368–371. 656 F. R. Prostmeier: «Zeige mir deinen Gott». Einführung in das Christentum für Eliten, in: Frühchristentum und Kultur, herausgegeben von F. R. Prostmeier (Freiburg i. Br. 2007) [KfA Ergänzungsband 2] 155–182. 657 L. Perendy: The Outlines of Systematic Theology in the Ad Autolycum of Theophilus of Antioch, in: StPatr 45 (2010) 413–418. 658 F. R. Prostmeier: Der Logos im Paradies. Theophilos von Antiochia und der Diskurs über eine zutreffende theologische Sprache, in: Prostmeier, Luna 2010 [*524: 207–228]. 659 J. W. Reeve: The Theological Anthropology of Theophilus of Antioch: Immortality and Resurrection in the Context of Judgement (Diss. Notre Dame IA 2010).
Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse
Kritische Ausgaben
herausgegeben von E. Klostermann (Berlin 1933) [Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 3]. 669 Sibyllinische Weissagungen. Urtext und Übersetzung, herausgegeben von A. Kurfess (München 1951). 670 Die Pseudoklementinen. I: Homilien, herausgegeben von B. Rehm, zum Druck besorgt durch J. Irmscher (Berlin 1953) [GCS 42]. – 3. verbesserte Auflage von G. Strecker (Berlin 1992). 3
665 Das Kerygma Petri kritisch untersucht von E. von Dobschütz (Leipzig 1893) [TU 11,1]. 666 Die Oracula Sibyllina, bearbeitet von J. Geffcken (Leipzig 1902; ND Berlin 1967) [GCS 8]. 667 Didascalia et Constitutiones Apostolorum, edidit F. X. Funk, I (Paderborn 1905). 668 Apocrypha. I: Reste des Petrusevangeliums, der Petrusapokalypse und des Kerygma Petri,
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Hermeias und weitere apologetische Zeugnisse
671 Die Pseudoklementinen. II: Rekognitionen, in Rufins Übersetzung, herausgegeben von B. Rehm, zum Druck besorgt durch F. Paschke (Berlin 1965) [GCS 51]. – 2. verbesserte Auflage von G. Strecker (Berlin 1994). 672 Méliton de Sardes: Sur la Pâque et Fragments. Introduction, texte critique, traduction et notes par O. Perler (Paris 1966) [SC 123]. 673 M. G. Mara: Il Kerygma Petrou, in: Studi in onore di Alberto Pincherle (Roma 1967) [SMSR 38] 314–342. 674 The Acts of the Christian Martyrs. Introduction, Texts and Translations by H. Musurillo (Oxford 1972) [OECT]. 675 Melitón de Sardes: Homilía sobre la Pascua, editado de J. Ibáñez Ibáñez, F. Mendoza Ruiz (Pamplona 1975) [Biblioteca de Teología 11]. 676 Melito of Sardis: On Pascha and Fragments. Texts and Translations edited by St. G. Hall (Oxford 1979) [OECT]. – Dazu St. G. Hall: Melito ‹Peri Pascha›: Corrections and Revi sions, in: JThS 64 (2013) 105–110. 677 Les Constitutions Apostoliques, I. Introduction, texte critique, traduction et notes par M. Metzger (Paris 1985) [SC 320]. 678 G. Strecker, Die Pseudoklementinen. III: Konkordanz zu den Pseudoklementinen. Erster Teil: Lateinisches Wortregister; Zweiter Teil: Griechisches Wortregister, Syrisches Wortregister. Index nominum (Berlin 1986– 1989) [GCS]. 679 Les Constitutions Apostoliques, III. Introduction, texte critique, traduction et notes par M. Metzger (Paris 1987) [SC 336]. 680 Hermias: Satire des philosophes paiens. In troduction, texte critique, notes, appendices et index par R. P. C. Hanson, traduction française par. D. Joussot (Paris 1993) [SC 388]. 681 Sibyllinische Weissagungen. Griechischdeutsch, auf der Grundlage der Ausgabe von A. Kurfeß herausgegeben und neu übersetzt von J. D. Gauger (Düsseldorf, Zürich 1998). 682 Aristide: Apologie. Introduction, textes critiques, traduction et commentaire par B. Pouderon, M.-J. Pierre avec la collaboration de B. Outtier, M. Guiorgadzé (Paris 2003) [SC 470].
Übersetzungen 683 Hermias’ des Philosophen Verspottung der nichtchristlichen Philosophen, übersetzt von J. Leitl, 2. Auflage durchgesehen und eingeleitet von Dr. A. Frhr. Di Pauli, in: Frühchristliche Apologeten und Märtyrerakten
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aus dem Griechischen und Lateinischen übersetzt (München 1913) [BKV 14] II 111–122. 684 Ermias il filosofo: Lo scerno dei filosofi gentili. Con introduzione e commento di G. A. Rizzo (Sienna 1929). 685 Meliton von Sardes: Vom Passa. Die älteste christliche Osterpredigt, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von J. Blank (Freiburg i. Br. 1963) [Sophia 3]. 686 Gli Oracoli Sibillini Cristiana, in: Gli apocrifi del Nuovo Testamento, versione e commento a cura di M. Erbetta, III: Lettere e apocalissi (Torino 1969) 485–540. 687 J. J. Collins: Sibylline Oracles. A New Translation and Introduction, in: The Old Testament Pseudepigrapha. I: Apocalyptical Literature and Testaments, edited by J. H. Charlesworth (Garden City, New York 1983) 485–540. 688 V. Nikiprowetzky: Oracles Sibyllins, in: La Bible. Écrits intertestamentaires, édition publiée sous la direction d’A. Dupont, M. Sommer, M. Philonenko (Paris 1987) 1035–1140. 689 M. Cambe: Prédication de Pierre, in: Écrits apocryphes chrétiens, I, édition publiée sous la direction de F. Bovon et P. Geoltrain (Paris 1997) 3–22. 690 H. Merkel: Sibyllinen, in: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, herausge geben von W. G. Kümmel. V: Apokalypsen (1998) 1036–1140. 691 J. Wehnert: Pseudoklementinische Homilien. Einführung und Übersetzung (Göttingen 2010) [Kommentare zur apokryphen Literatur 1,1]. 692 Märtyrerliteratur, herausgegeben, eingeleitet, übersetzt und kommentiert von H. R. Seeliger, W. Wischmeyer (Berlin 2015) [TU 172].
Sekundärliteratur 698 Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels (Berolini 1879). 699 W. Heintze: Der Klemensroman und seine griechischen Quellen (Leipzig 1914) [TU 40,2]. 700 W. Bousset: Eine jüdische Gebetssammlung im siebenten Buch der apostolischen Konstitutionen, NAWG Nr. 3 (1915) 435–489. 701 F. W. M. Hitchcock: A Skit on Greek Philosophy, by one Hermias probable of the Reign of Julian A.D. 362–363, in: Theology 32 (1936) 98–106.
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Bibliographie zum achten Kapitel
702 L. Alfonsi: Ermia Filosofo (Brescia 1947). 703 A. Wifstrand: The Homily of Melito on the Passion, in: VChr 2 (1948) 201–223. 704 W. Schneemelcher: Der Sermo «De anima et corpore»: Ein Werk Alexanders von Alexandrien?, in: FS Günther Dehn, herausgegeben von W. Schneemelcher (Neukirchen 1957) 119–143. 705 G. Strecker: Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen (Berlin 1958, 21981) [TU 70]. 706 E. Grabba: L’Apologia di Melitone di Sardi, in: Critica storica 1 (1962) 469–482. 707 R. Cantalamessa: Méliton de Sardes. Une christologie antignostique du IIe siècle, in: RSR 37 (1963) 1–26. 708 A. J. Malherbe: The Apologetic Theology of the ‹Preaching of Peter›, in: Restoration Quarterly 13 (1970) 205–223. – Wieder in: Malherbe 2014 [*603: II 867–882]. 709 W. Schneemelcher: Heilsgeschichte und Imperium, in: Kleronomia 5 (1973) 257–275. – Unter dem Titel ‹Histoire du salut et Empire romain. Méliton de Sardes et l’État› auch erschienen in: BLE 75 (1974) 81–98. 710 P. Nautin: Les citations de la Prédication de Pierre dans Clément d’Alexandrie, Strom. VI.V. 39–41, in: JThS 25 (1974) 98–105. 711 R. Weijenburg: Méliton de Sardes lecteur de la Première Apologie et du Dialogue de saint Justin, in: Antonianum 49 (1974) 362–366. 712 St. G. Hall: The Christology of Melito: A Misrepresentation exposed, in: StPatr 13 (1975) [TU 116] 154–168. 713 R. M. Grant: Quadratus the First Christian Apologist, in: A Tribute to A. Vööbus. Studies in Early Christian Literature and its Environment, Primarly in the Christian East, edited by R. H. Fischer (Chicago 1977) 177–185. – Wieder in: Grant 1983 [*437: Kap. XIII]. 714 H. Paulsen: Das Kerygma Petri und die urchristliche Apologetik, in: ZKG 88 (1977) 1–37. 715 W. Rordorf: Christus als Logos und Nomos. Das Kerygma Petrou in seinem Verhältnis zu Justin, in: Kerygma und Logos. FS Carl An dresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 424–434. 716 J. F. Kindstrand: The Date and Character of Hermias’ Irrisio, in: VChr 34 (1980) 341–357. 717 O. Perler: Méliton (saint), évêque de Sardes, in: Dictionnaire de Spiritualité 10 (1980) 979– 990. 718 F. St. Jones: The Pseudo-Clementines: A History of Research, Part I and II, in: The Sec ond Century 2 (1982) 1–33, 63–96. – Wieder
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in: Ders.: Pseudoclementina Elchasaiticaque inter Judaeochristiana. Collected Studies (Leuven 2012) [OLA 203] 50–113. 719 R. Bauckham: The Fall of the Angels as the Source of Philosophy in Hermias and Clem ent of Alexandria, in: VChr 39 (1985) 313– 330. 720 E. Schürer: The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ (175 B.C. – A.D. 135). A New English Version revised and edited by G. Vermes, F. Millar, M. Goodman, III,1 (Edinburgh 1986). 721 J. H. Waszink: Hermias, in: RAC 14 (1988) 808–815. 722 J. C. Thom: The Journey up and down. Pythagoras in two Greek Apologists, in: Church History 58 (1989) 299–308. 723 M. Metzger: Konstitutionen (Pseudo-)Apostolische, in: TRE 19 (1990) 540–544. 724 St. G. Hall: Melito von Sardes, in: TRE 22 (1992) 424–428. 725 G. J. M. Bartelink: Die ‹Oracula Sibyllina› in den frühchristlichen Schriften von Justin bis Origenes, in: Early Christian Poetry. A Col lection of Essays, edited by J. den Boeft (Leiden 1993) [VChr Suppl. 22] 22–33. 726 R. M. Hübner: Melito von Sardes und Noet von Smyrna, in: Ders.: Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert, mit einem Beitrag von M. Vinzent (Leiden et al. 1999) [VChr Suppl. 50] 1–37. 727 L. H. Cohick: The Peri Pascha Attributed to Melito of Sardis. Setting, Purpose and Sources (Providence RI 2000). 728 Ch. Riedweg: Hermias, in: Religion in Geschichte und Gegenwart 3 (Tübingen 42000) 1673. 729 L. R. Ubigli: Sibyllinen, in: TRE 31 (2000) 240–244. 730 G. Wurst: Die Homilie De anima et corpore, ein Werk des Meliton von Sardes? Einleitung, synoptische Edition, Übersetzung und Kommentar, I–II (Diss. Fribourg 2000). 731 L. Cirillo: Création, providence et thème de naissance. Le débat dans les Reconnaissances Pseudo-Clémentines, VIII, 5–34 et ses sources, in: Poussières de christianisme et de judaïsme antiques. Études réunies en l’honneur de Jean-Daniel Kaestli et Éric Junod, éditées par A. Frey, R. Gounelle (Lausanne 2007) [Publications de l’Institut romand des sciences bibliques 5] 161–179.
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Sextos-Sentenzen
732 J. Barnes: [Clément] et la Philosophie, in: Nouvelles intrigues pseudo-clémentines. Plots in the Pseudo-Clementine Romance. Actes du deuxième Colloque international sur la littérature apocryphe chrétienne, LausanneGenève, 30 août – 2 septembre 2006, édités par F. Amsler, A. Frey, Ch. Touati, R. Girardet (Lausanne 2008) [Publications de l’Institut romand des sciences bibliques 6] 283–302. 733 A. Bernabé: La teogonía órfica citada en las Pseudoclementinas, in: Adamantius 14 (2008) 79–99. 734 The Pseudo-Clementines, edited by J. N. Bremmer (Leuven 2010) [Studies on Early Christian Apocrypha 10]. 735 J. N. Bremmer: Pseudo-Clementines: Texts, Dates, Places, Authors and Magic, in: Bremmer 2010 [*734: 1–23]. 736 J. N. Bremmer: Apion and Anoubion in the Homilies, in: Bremmer 2010 [734: 72–91]. 737 J. N. Bremmer: Bibliography Pseudo-Clem entines, in: Bremmer 2010 [*734: 307–325]. 738 C. Jedan: Faustus: Epicurean and Stoic? On the Philosophical Sources of the Pseudo- Clementines, in: Bremmer 2010 [*734: 142– 156].
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739 C. Jedan: Philosophy superseded? The Doctrine of Free Will in the Pseudo-Clementine Recognitions, in: Bremmer 2010 [*734: 200– 216]. 740 G. H. Kooten: Pagan, Jewish and Christian Philanthropology in Antiquity. A PseudoClementine Keyword in Context, in: Bremmer 2010 [*734: 36–58]. 741 L. Roig Lanzillotta: Orphic Cosmogonies in the Pseudo-Clementines? Textual Relationship, Character and Sources of Homilies 6.3– 13 and Recognitions 10.17–19.30, in: Bremmer 2010 [*734: 115–141]. 742 A. Angerstorfer: Melito von Sardes, in: RAC 24 (2011) 639–652. 743 O. Waßmuth: Sibyllinische Orakel 1–2: Studien und Kommentar (Leiden et al. 2011) [Ancient Judaism and Early Christianity 76]. 744 F. St. Jones: Introduction to the Pseudo-Clem entines, in: Ders.: Pseudoclementina Elcha saiticaque inter Judaeochristiana. Collected Studies (Leuven 2012) [OLA 203] 7–49.
Sextos-Sentenzen
Kritische Ausgaben 750 Gnomica. I: Sexti Pythagorici Clitarchi Evagrii Pontici sententiae, ab A. Elter editae (Lipsiae 1892). 751 Le Sentenze di Sesto, con introduzione, testo e versione, a cura di F. de Paola (Città di Castello 1937). 752 The Sentences of Sextus. A Contribution to the History of Early Christian Ethics, by H. Chadwick (Cambridge 1959). 753 The Sentences of Sextus, edited and translated by R. A. Edwards, R. A. Wild (Chico CA 1981) [Texts and Translations 22; Early Christian Literature Series 5]. – Vgl. dazu die Rezension von J. C. M. van Winden, in: VChr 36 (1982) 403–404. 754 A. Carlini: Ventun sentenze di Sesto in un papiro inedito di Barcellona: P. Palau Rib. inv. 225v, in: SCO 33 (1983) 113–116.
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755 Les Sentences de Sextus (NH XII,1). Fragments (NH XII,3), par P.-H. Poirier. Fragments de la République de Platon (NH VI,5), par L. Painchaud (Québec 1983) [Bibliothèque Copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 11] 1–94. 756 A. Carlini: Il più antico testimone greco di Sesto Pitagorico: P. Palau Rib. Inv. 225v, in: RFIC 113 (1985) 5–26. 757 F. Wisse: NHC, XII,I: The Sentences of Sextus, in: Nag Hammadi Codices XI, XII and XIII, edited by C. W. Hedrick (Leiden 1990) [NHS 28] 295–327. 758 The Sentences of Sextus, by W. T. Wilson (Atlanta 2012) [Wisdom Literature from the Ancient World 1]. 759 Die Sextussprüche und ihre Verwandten, eingeleitet, übersetzt und mit interpretierenden Essays versehen von W. Eisele, Y. Arzhanov, M. Durst und Th. Pitour, herausgegeben von W. Eisele (Tübingen 2015) [SAPERE 26].
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Bibliographie zum achten Kapitel
Sekundärliteratur 765 F. de Paola: Osservazioni alle sentenze di Sesto (Città di Castello 1938). 766 H. Chadwick: The Sentences of Sextus and of the Pythagoreans, in: JThS 11 (1960) 349. 767 G. Delling: Zur Hellenisierung des Christentums in den ‹Sprüchen des Sextus›, in: Studien zum Neuen Testament und zur Patristik. FS Erich Klostermann (Berlin 1961) [TU 77] 208–241. 768 P.-M. Bogaert: La préface de Rufin aux Sentences de Sextus et à une œuvre inconnue. Interprétation, tradition de texte et manuscrit remembré de Fleury, in: Revue Bénédictine 82 (1972) 26–46. 769 F. Wisse: Die Sextus-Sprüche und das Pro blem der gnostischen Ethik, in: Zum Hellenismus in den Schriften von Nag Hammadi, mit Beiträgen von A. Böhlig und F. Wisse (Wiesbaden 1975) [Göttinger Orientforschungen 6,2] 55–86. 770 J. Bouffartigue: Études de littérature an cienne. Du grec au latin: la traduction latine des Sentences de Sextus, in: Homère, Horace, Le Mythe d’Œdipe, Les ‹Sentences de Sextus›, édité par S. Saïd, F. Desbordes, J. Bouffartigue, A. Moreau (Paris 1979) 81–95. 771 R. van den Broek: Niet-gnostisch christendom in Alexandrie, in: Nederlandse theologisch tijdschrift 33 (1979) 287–299. 772 L. Alfonsi: Dio in Marco Aurelio e nelle «Sentenze» di Sesto, in: Dio nella Bibbia e nelle culture ad essa contemporanee e connesse, [a cura di] Associazione Biblica Ita liana (Torino 1980) 339–366. 773 G. R. Evans: The Sentences of Sextus in the Middle Ages, in: JThS 34 (1983) 554–555. 774 A. Carlini: Il piu antico testimone greco di Sesto Pitagorico, in: RFIC 113 (1985) 5–26. 775 A. Solignac: Sextus, in: Dictionnaire de Spiritualité 14 (1990) 765–768.
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776 A. R. Sodano: Porfirio ‘Gnomologo’: contributo alla tradizione e alla critica testuale delle sillogi gnomiche, in: Sileno 17 (1991) 5–41. 777 J. Gribomont: Sextus, Sentences of, in: Encyclopedia of the Early Church II (Cambridge 1992) 775. 778 R. Kany: Die gottgeschenkte Freiheit. Eine antike Sentenz bei Porphyrius, Sextus und Pelagius, in: Lebendige Überlieferung. Prozesse der Annäherung und Auslegung. FS Hermann-Josef Vogt, herausgegeben von N. el-Khoury, H. Crouzel, R. Reinhardt (Beirut, Ostfildern 1992) 153–170. 779 R. Kany: Sextus (Sententiae Sexti), in: LacL (32002) 538–539. 780 A. Carlini: Rifacimenti cristiani di opere pagane: il ‹Manuale› di Epitteto e le ‹Sentenze di Sesto›, in: Aspetti di letteratura gnomica nel mondo antico, a cura di M. S. Funghi (Firenze 2004) [Accademia toscana di scienze e lettere «La Colombaria», Serie Studi 225] II 97–110. 781 D. Pevarello: The Sentences of Sextus and the Origins of Christian Asceticism (Tübingen 2013) [STAC 78]. 782 Y. Arzhanov: Sextus im Orient. Die syrische Überlieferung der Sextussprüche, in: Eisele 2015 [*759: 377–398]. 783 M. Durst: Zur Gattung der sententiae bei Sextus, Evagrius und im frühen Mönchtum, in: Eisele 2015 [*759: 42–52]. 784 M. Durst: Nachwirkungen der Sextussprüche im Mönchtum: Evagrius Ponticus, in: Eisele 2015 [*759: 399–449]. 785 J. Bouffartigue: Sextus, in: DPhA VI (2016) 261–262. 786 K. Prochenko: Sextus (Compléments), in: DPhA VII (2018) 895–904.
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III. GNOSTIZISMUS UND VERWANDTES
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Primärliteratur
Kirchenväter 792 Epiphanius: Ancoratus und Panarion, herausgegeben von K. Holl (Leipzig 1915–1933); 2. Auflage von Band 2 und 3 herausgegeben von J. Dümmer (Berlin 1980– 1985); Band 4: Register (Berlin 2006); 2. erweiterte Auflage von Band 1 herausgegeben von M. Bergerman und C.-F. Collatz mit einem Geleitwort von Ch. Markschies (Berlin 2013) [GCS NF 10, 31, 37, NF 13]. 793 Hippolytus: Werke. III: Refutatio omnium haeresium, herausgegeben von […] P. Wendland (Leipzig 1916) [GCS 26]. 794 Irénée de Lyon: Contre les hérésies. Livre I. Édition critique par A. Rousseau, L. Doutreleau, I–II (Paris 1979) [SC 263–264]. 795 Hippolytus: Refutatio omnium haeresium, edited by M. Marcovich (Berlin 1986) [PTS 25]. Sammlungen griechischer und lateinischer Quellen 796 Sammlungen griechischer und lateinischer Quellen zur Geschichte der christlichen Gnosis, herausgegeben von W. Völker (Tübingen 1932) [Sammlung ausgewählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften NF 5]. 797 Testi gnostici in lingua greca e latina, a cura di M. Simonetti (Roma 1993) [Scrittori greci e latini]. Koptisch-gnostische Texte
Ausgaben 803 Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Berolinensis 8502, herausgegeben, übersetzt und bearbeitet von W. C. Till, 2. Auflage H.-M. Schenke (Berlin 1972) [TU 60].
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804 The Facsimile Edition of the Nag Hammadi Codices, published under the auspices of the Department of Antiquities of the Arab Republic of Egypt in conjunction with the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, I–XII (Leiden 1972–1984). 805 The Coptic Gnostic Library, edited with English Translation, Introduction and Notes. General Editor J. M. Robinson, I–XVI (Leiden 1975–1996) [NHS 4, 11, 15, 16, 20, 21, 22, 23, 26, 27, 28, 30, 31, 33]. – Gesamtausgabe in fünf Bänden: The Coptic Gnostic Library. A Complete Edition of the Nag Hammadi Codices (Leiden 2000). 806 Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» (Québec, Louvain 1977–). – Kritische Ausgaben der einzelnen Texte mit ausführlichem Kommentar, bisher 38 Bände erschienen. 807 Pistis Sophia. Edited by C. Schmidt, Translation and Notes by V. MacDermot (Leiden 1978) [NHS 9]. 808 The Books of Jeu and the Untitled Text in the Bruce Codex, edited by C. Schmidt, Translation and Notes by V. MacDermot (Leiden 1978) [NHS 13]. 809 Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Concordances» (Québec, Louvain 1992–). – Konkordanzen der einzelnen Kodizes mit Wiedergabe der zugrunde liegenden Texte, bisher 7 Bände erschienen. 810 The Gospel of Judas. Together with the Letter of Peter to Philip, the Book of James, and a Book of Allogenes from Codex Tchacos. Crit ical Edition, edited by R. Kasser, F. Gaudard, M. Meyer, G. Wurst (Washington DC 2007). 811 Codex Tchacos. Texte und Analysen, herausgegeben von J. Brankaer, H.-G. Bethge (Berlin, New York 2007) [TU 161]. 812 U.-K. Plisch: Das Thomas-Evangelium. Originaltext mit Kommentar (Stuttgart 2007). Siehe auch unten Sethianismus und Valentinus und der Valentinianismus.
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Bibliographie zum achten Kapitel
Übersetzungen 816 The Nag Hammadi Library. General editor J. M. Robinson (Leiden 1977, 31988). 817 The Gnostic Scriptures. A New Translation with Annotations and Introductions by B. Layton (New Haven 1995). – Eine revidierte Ausgabe ist in Vorbereitung. 818 Nag Hammadi Deutsch, eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften, herausgegeben von H.-M. Schenke, H.-G. Bethge, U. Kaiser, I–II (Berlin 2001–2003) [GCS NF 8, 12; Koptisch-Gnostische Schriften 2, 3]. – Studienausgabe: 3. Auflage (Berlin 2013). 819 Écrits gnostiques. La bibliothèque de Nag Hammadi. Édition publiée sous la direction de J.-P. Mahé et de P.-H. Poirier (Paris 2007). 820 The Nag Hammadi Scriptures, edited by M. Meyer. (New York 2007). 821 M. Roberge: The Paraphrase of Shem (NH VII,1). Introduction, Translation and Commentary (Leiden 2010) [NHMS 72]. 822 A. Piñero, J. Montserrat Torrents, F. García Bazán: Textos gnósticos. Biblioteca de Nag Hammadi, I–II (Madrid 42011).
Sekundärliteratur
Bibliographien 825 D. M. Scholer: Nag Hammadi Bibliography 1948–1969 (Leiden 1971) [NHS 1]. 826 D. M. Scholer: Nag Hammadi Bibliography 1970–1994 (Leiden 1997) [NHMS 32]. 827 D. M. Scholer: Nag Hammadi Bibliography 1995–2006 (Leiden 2009) [NHMS 65]. Neuere allgemeine Beiträge 833 K. Rudolph: Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion (Göttingen 1977, 42005). 834 C. Colpe: Gnosis II (Gnostizismus), in: RAC 11 (1981) 537–659. 835 M. A. Williams: Rethinking ‘Gnosticism’ (Princeton 1996). 836 Ch. Markschies: Die Gnosis (München 2001, 3 2010) [Beck Wissen 2173]. 837 K. L. King: What is Gnosticism? (Cambridge MA 2003).
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838 Was there a Gnostic Religion?, edited by A. Marjanen (Göttingen 2005) [Publications of the Finnish Exegetical Society 87]. 839 B. A. Pearson: Ancient Gnosticism. Traditions and Literature (Minneapolis 2007). 840 B. Aland: Was ist Gnosis? Studien zum frühen Christentum, zu Marcion und zur kaiserzeitlichen Philosophie (Tübingen 2009) [WUNT 239]. 841 D. Brakke: The Gnostics: Myth, Ritual and Diversity in Early Christianity (Cambridge MA 2011). 842 J. Lahe: Gnosis und Judentum. Alttestamentliche und jüdische Motive in der gnostischen Literatur und das Ursprungsproblem der Gnosis (Leiden, Boston 2012) [NHMS 75]. 843 Mystery and Secrecy in the Nag Hammadi Collection and Other Ancient Literature: Ideas and Practices. FS Einar Thomassen, edited by C. H. Bull, L. I. Lied, J. D. Turner (Leiden, Boston 2012) [NHMS 76]. 844 Practicing Gnosis. Ritual, Magic, Theurgy and Liturgy in Nag Hammadi, Manichaean and Other Ancient Literature. FS Birger A. Pearson, edited by A. D. DeConick, G. Shaw, J. D. Turner (Leiden, Boston 2013) [NHMS 85]. 845 Beyond the Gnostic Gospels. Studies Build ing on the Work of Elaine Pagels, edited by E. Iricinschi, L. Jenott, N. Denzey Lewis, P. Townsend (Tübingen 2013) [STAC 82]. 846 R. van den Broek: Gnostic Religion in Antiq uity (Cambridge 2013). Gnosis und Philosophie 847 H.-Ch. Puech: Plotin et les gnostiques, in: Les Sources de Plotin. Dix exposés et discussions, par E. R. Dodds et al. (Vandœuvres/Genève 1960) [Entretiens 5] 161–190. 848 H. J. Krämer: Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Platonismus zwischen Platon und Plotin (Amsterdam 1964, 21967). 849 H. Langerbeck: Aufsätze zur Gnosis, aus dem Nachlass herausgegeben von H. Dörries (Göttingen 1967) [AAWG, 3. Folge, Nr. 69]. 850 Ch. Elsas: Neuplatonische und gnostische Weltablehnung in der Schule Plotins (Berlin 1975) [RVV 34]. 851 J. M. Dillon: The Middle Platonists. A Study of Platonism 80 B. C. to A. D. 220 (London 1977; revised edition with a new afterword: Ithaca NY 1996).
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Überblick
852 Gnosis. FS Hans Jonas, in Verbindung mit U. Bianchi, M. Krause, J. M. Robinson und G. Widengren, herausgegeben von B. Aland (Göttingen 1978). 853 A. H. Armstrong: Gnosis and Greek Philosophy, in: Aland 1978 [*852: 87–124]. 854 J. M. Dillon: The Descent of the Soul in Middle Platonic and Gnostic Thought, in: Layton 1980 [*965: 357–364]. – Wieder in: Ders.: The Golden Chain. Studies in the Development of Platonism and Christianity (Aldershot 1990) [CSS 333] Kap. XII. 855 D. J. O’Meara: Gnosticism and the Making of the World in Plotinus, in: Layton 1980 [*965: 365–378]. 856 Neoplatonism and Early Christian Thought. Essays in Honour of A. H. Armstrong, edited by H. J. Blumenthal, R. E. Markus (London 1981). 857 Plotinus amid Gnostics and Christians. Papers Presented at the Plotinus Symposium held at the Free University, Amsterdam on 25 January 1984, edited by D. T. Runia (Amsterdam 1984). 858 H. Jonas: Gnosis und spätantiker Geist. Teil 1: Die mythologische Gnosis. Mit einer Einführung zur Geschichte und Methodologie der Forschung (Göttingen 41988); Teil 2: Von der Mythologie zur mystischen Philosophie. 1. und 2. Hälfte, herausgegeben von K. Rudolph (Göttingen 1993) [Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 51, 159]. 859 K. Alt: Philosophie gegen Gnosis. Plotins Polemik in seiner Schrift II 9 (Stuttgart 1990) [AAWM 1990, Nr. 7]. 860 H. W. Attridge: Gnostic Platonism, in: Proceedings of the Boston Area Colloquium in Ancient Philosophy 7 (Lanham MD 1992) 1–29, 36–41. 861 Neoplatonism and Gnosticism. Papers Presented at the International Conference on Neoplatonism and Gnosticism, University of Oklahoma, Mar. 18–21, 1984, edited by R. T. Wallis, J. Bregman (Albany NY 1992) [Studies in Neoplatonism 6]. 862 Gnosticism and Later Platonism. Themes, Figures, and Texts, edited by J. D. Turner, R.
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Majercik (Atlanta 2000) [Society of Biblical Literature, Symposium Series 12]. 863 Z. Mazur: Plotinus’ Philosophical Opposition to Gnosticism and the Axiom of Continuous Hierarchy, in: History of Platonism. Plato Redivivus, edited by J. Finamore, R. Berchman (New Orleans 2005) 95–112. 864 J.-M. Narbonne: L’énigme de la non-descente partielle de l’âme chez Plotin: la piste gnostique/hermétique de l’ὁμοούσιος, in: Laval théologique et philosophique 64 (2008) 691– 708. 865 Gnose et philosophie. Études en Hommage à Pierre Hadot, sous la direction de J.-M. Narbonne et P.-H. Poirier (Paris, Québec 2009) [Collection Zêtêsis, Série ‹Textes et essais›]. 866 E. Moore, J. D. Turner: Gnosticism, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 174–196. 867 J.-M. Narbonne: Plotinus in Dialogue with the Gnostics (Leiden 2011) [SPNPT 11]. 868 W. Löhr: Christian Gnostics and Greek Philosophy in the Second Century, in: Early Christianity 3 (2012) 349–377. 869 Gnosticism, Platonism and the Late Ancient World. Essays in Honour of John D. Turner, edited by K. Corrigan, T. Rasimus (Leiden 2013) [NHMS 82]. 870 J. Halfwassen: Gnosis als Pseudomorphose des Platonismus: Plotins Gnosiskritik, in: Zugänge zur Gnosis, herausgegeben von Ch. Markschies, J. van Oort (Leuven 2013) 25– 42. 871 I. Dunderberg: Gnostic Morality Revisited (Tübingen 2015) [WUNT 347]. 872 Z. Mazur: A Gnostic Icarus? Traces of the Controversy Between Plotinus and the Gnostics Over a Surprising Source of the Fall of Sophia: The Pseudo-Platonic ‹2nd Letter›, in: JPT 11 (2017) 3–25. 873 E. Thomassen: Gnosis and Philosophy in Competition, in: PHILOSOPHIA in der Konkurrenz von Schulen, Wissenschaften und Religion. Zur Pluralisierung des Philosophiebegriffs in Kaiserzeit und Spätantike, herausgegeben von Ch. Riedweg (Berlin, Boston 2017) [PhdA 34] 61–74.
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Bibliographie zum achten Kapitel
Sethianismus
Primärliteratur 875 Nag Hammadi Codices III,2 and IV,2. The Gospel of the Egyptians (The Holy Book of the Great Invisible Spirit), edited with Translation and Commentary by A. Böhlig, F. Wisse, in cooperation with P. Labib (Leiden 1975) [NHS 4]. 876 Die Dreigestaltige Protennoia (NagHammadi-Codex XIII), herausgegeben, übersetzt und kommentiert von G. Schenke (Berlin 1984) [TU 132]. 877 L’Apocalypse d’Adam (NH V,5). Texte établi et présenté par F. Morard (Québec, Louvain 1985) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 15]. 878 The Apocryphon of John. Synopsis of Nag Hammadi Codices II,1, III,1, and IV,1 with BG 8502,2, edited by M. Waldstein, F. Wisse (Leiden 1995) [NHMS 33]. 879 K. L. King: Revelation of the Unknowable God, with Text, Translation, and Notes to NHC XI,3 Allogenes (Santa Rosa CA 1995). 880 J. E. Goehring, J. M. Robinson: NHC VII,5: The Three Steles of Seth, in: Nag Hammadi Codex VII, edited by B. A. Pearson (Leiden 1996) [NHS 30]. 881 Marsanès (NH X), par W.-P. Funk, P.-H. Poirier, J. D. Turner (Québec, Louvain 2000) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 27]. 882 Zostrien (NH VIII,1), par C. Barry, W.-P. Funk, P.-H. Poirier, J. D. Turner (Québec, Louvain 2000) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 24]. 883 L’Allogène (NH XI,3), par W.-P. Funk, P.-H. Poirier, M. Scopello, J. D. Turner (Québec, Louvain 2004) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 30]. 884 Die Hypostase der Archonten (Nag Hammadi-Codex II.4), neu herausgegeben, übersetzt und erklärt von U. U. Kaiser (Berlin, New York 2006) [TU 156]. 885 La Pensée Première à la triple forme (NH XIII,1). Texte établi, traduit et présenté par P.-H. Poirier (Québec, Louvain 2006) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 32]. 886 L. Jenott: The Gospel of Judas. Coptic Text, Translation, and Historical Interpretation of the ‘Betrayer’s Gospel’ (Tübingen 2011) [STAC 64].
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887 Le Livre des secrets de Jean. Recension brève (NH III, 1 et BG, 2), par B. Barc, W.-P. Funk (Québec, Louvain 2012) [Bibliothèque copte de Nag Nammadi, Section «Textes» 35].
Sekundärliteratur 888 P. Hadot: Être, Vie, Pensée chez Plotin et avant Plotin, in: Les Sources de Plotin. Dix exposés et discussions, par E. R. Dodds et al. (Vandœuvres/Genève 1960) [Entretiens 5] 107–157. 889 P. Hadot: Fragments d’un commentaire de Porphyre sur le Parménide, in: REG 74 (1961) 410–438. 890 P. Hadot: Porphyre et Victorinus, I–II (Paris 1968) [EAA 32–33]. 891 J. M. Robinson: The Three Steles of Seth and the Gnostics of Plotinus, in: Proceedings of the International Colloquium on Gnosticism, Stockholm August 20–25, 1973 (Stockholm 1977) [Filologisk-filosofika serien 17] 132– 142. 892 B. A. Pearson: The Tractate Marsanes (NHC X) and the Platonic Tradition, in: Aland 1978 [*852: 373–384]. 893 The Rediscovery of Gnosticism. Proceedings of the Conference at Yale, March 1978. II: Sethian Gnosticism, edited by B. Layton (Leiden 1981) [Studies in the History of Religions 41,2]. 894 L. Abramowski: Marius Victorinus, Porphyrius und die römischen Gnostiker, in: ZNW 74 (1983) 108–128. 895 L. Abramowski: Nag Hammadi 8,1 ‘Zostrianos’, das Anonymum Brucianum, Plotin Enn. 2,9 (33), in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 1–10. 896 B. A. Pearson: Gnosticism as Platonism: With Special Reference to Marsanes (NHC 10,1), in: HThR 77 (1984) 55–72. 897 M. J. Edwards: Porphyry and the Intelligible Triad, in: JHS 110 (1990) 14–25. – Wieder in: Ders.: Christians, Gnostics and Philosophers in Late Antiquity (Farnham 2012) [CSS 1014] Kap. XVIII.
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Sethianismus
898 R. Majercik: The Existence-Life-Intellect Triad in Gnosticism and Neoplatonism, in: CQ 42 (1992) 475–488. 899 M. Tardieu: Les gnostiques dans ‹La vie de Plotin›. Analyse du chapitre 16, in: Porphyre, La vie de Plotin. II: Études d’introduction, texte grec et traduction française, commentaire, notes complémentaires, bibliographie par L. Brisson et al. (Paris 1992) 503–563. 900 P. Hadot: ‘Porphyre et Victorinus’. Questions et hypothèses, in: Res Orientales 9 (1996) 115–125. 901 M. Tardieu: Recherches sur la formation de l’Apocalypse de Zostrien et les sources de Marius Victorinus, in: Res Orientales 9 (1996) 9–114. 902 G. Bechtle: An Anonymous Commentary on Plato’s ‹Parmenides› (Bern 1999). 903 L. Brisson: The Platonic Background in the Apocalypse of Zostrianos: Numenius and Letter II attributed to Plato, in: Traditions of Platonism. Essays in Honour of John Dillon, edited by J. J. Cleary (Aldershot, Brookfield 1999) 173–188. 904 K. Corrigan: Platonism and Gnosticism: The Anonymous Commentary on the Parmenides: Middle or Neoplatonic?, in: Turner, Majercik 2000 [*862: 141–177]. 905 K. Corrigan: Positive and Negative Matter in Later Platonism: The Uncovering of Plotinus’ Dialogue with the Gnostics, in: Turner, Majercik 2000 [*862: 19–56]. 906 J. D. Turner: Sethian Gnosticism and the Platonic Tradition (Quebec, Louvain 2001) [Bi bliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Études» 6]. 907 J. Brankaer: Marsanès. Un texte séthien platonisant?, in: Le Muséon 118 (2005) 21–41. 908 R. Majercik: Porphyry and Gnosticism, in: CQ 55 (2005) 277–292. 909 L. Abramowski: «Audi, ut dico». Literarische Beobachtungen und chronologische Erwägungen zu Marius Victorinus und den ‘platonisierenden’ Nag Hammadi-Traktaten, in: ZKG 117 (2006) 145–168. 910 K. King: The Secret Revelation of John (Cambridge MA 2006). 911 Z. Pleše: Poetics of the Gnostic Universe. Narrative and Cosmology in the Apocryphon of John (Leiden, Boston 2006) [NHMS 52]. 912 J. D. Turner: The Gnostic Sethians and Middle Platonism: Interpretations of the Ti-
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maeus and Parmenides, in: VChr 60 (2006) 9–64. 913 J. D. Turner: Victorinus, Parmenides Commentaries and the Platonizing Sethian Trea tises, in: Platonisms. Ancient, Modern, and Postmodern, edited by K. Corrigan, J. D. Turner (Leiden 2007) [SPNPT 4] 55–96. 914 J. Brankaer: The Concept of νοῦς in the ‘Seth ian Platonizing Treatises’ of Nag Hammadi, in: ZAC 12 (2008) 59–80. 915 J. D. Turner: The Chaldaean Oracles and the Metaphysics of the Sethian Platonizing Treatises, in: ZAC 12 (2008) 39–58. 916 T. Rasimus: Paradise Reconsidered in Gnostic Mythmaking. Rethinking Sethianism in Light of the Ophite Evidence (Leiden, Boston 2009) [NHMS 68]. 917 J. D. Turner: Sethian Gnosticism and the Platonic Tradition, in: Narbonne, Poirier 2009 [*865: 147–221]. 918 D. Burns: Apophatic Strategies in Allogenes (NHC XI,3), in: HThR 103 (2010) 161–179. 919 T. Rasimus: Stoic Ingredients in the Neoplatonic Being-Life-Mind Triad: An Original Second-Century Gnostic Innovation?, in: Stoicism in Early Christianity, edited by T. Rasimus, T. Engberg-Pedersen, I. Dundenberg (Grand Rapids 2010) 257–273. 920 Plato’s Parmenides and its Heritage, edited by J. D. Turner, K. Corrigan. I: History and Interpretation from the Old Academy to Later Platonism and Gnosticism; II: Reception in Patristic, Gnostic, and Christian Neoplatonic Texts (Atlanta 2010) [Writings from the Greco-Roman World Suppl. Series 2–3]. 921 H. M. Schenke: Der Same Seths. Kleine Schriften zu Gnosis, Koptologie und Neuem Testament, herausgegeben von G. Schenke Robinson, G. Schenke, U.-K. Plisch (Leiden 2012) [NHMS 78]. 922 D. M. Burns: Apocalypse of the Alien God. Platonism and the Exile of Sethian Gnosticism (Philadelphia 2014). 923 J. D. Turner: Transgressing Boundaries: Plotinus and the Gnostics, in: Gnosis: Journal of Gnostic Studies 1 (2016) 36–85. 924 H. Schmid: Christen und Sethianer. Ein Beitrag zur Diskussion um den religionsgeschichtlichen und den kirchengeschichtlichen Begriff der Gnosis (Leiden, Boston 2018) [VChr Suppl. 143].
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Bibliographie zum achten Kapitel
Basileides und seine Anhänger 925 G. Quispel: L’homme gnostique (La doctrine de Basilide), in: Eranos-Jahrbuch 16 (1948) 89–139. – Unter dem Titel ‹Gnostic Man: The Doctrine of Basilides› auch erschienen in: G. Quispel: Gnostic Studies, I (Istanbul 1974) [Uitgaven van het Nederlands Historisch-Archaeologisch Instituut te Istanbul 34] 103– 133. 926 J. H. Waszink: Basilides, in: RAC 1 (1950) 1217–1225. 927 H. A. Wolfson: Negative Attributes in the Church Fathers and the Gnostic Basilides, in: HThR 50 (1957) 145–156. 928 W. Foerster: Das System des Basilides, in: New Testament Studies 9 (1962/63) 233–255. 929 H. Langerbeck: Die Anthropologie der alexandrinischen Gnosis: Interpretationen zu den Fragmenten des Basilides und Valentinus und ihrer Schulen bei Clemens von Alexandrien und Origenes, in: Langerbeck 1967 [*849: 38– 82]. 930 J. Whittaker: Basilides on the Ineffability of God, in: HThR 62 (1969) 367–371. – Wieder in: Ders.: Studies in Platonism and Patristic Thought (London 1984) Kap. X. 931 A. Orbe: El Diácono del Jordán en el sistema de Basílides, in: Augustinianum 13 (1973) 165–183. 932 A. Méhat: ΑΠΟΚΑΤΑΣΤΑΣΙΣ chez Basilide, in: Mélanges d’histoire des religions offerts à Henri-Charles Puech (Paris 1974) 365–373. 933 P. Nautin: Les fragments de Basilide sur la souffrance et leur interprétation par Clément d’Alexandrie et Origène, in: Mélanges d’histoire des religions offerts à HenriCharles Puech (Paris 1974) 393–403. 934 A. Orbe: Los ‘apendices’ de Basílides: Un capítulo de filosofía gnóstica, in: Gregorianum 57 (1976) 81–106, 251–282. 935 W.-D. Hauschild: Christologie und Humanismus bei dem ‘Gnostiker’ Basilides, in: ZNW 68 (1977) 67–92. 936 R. M. Grant: Place de Basilide dans la théologie chrétienne ancienne, in: REAug 25 (1979) 201–216. 937 E. Mühlenberg: Basilides, in: TRE 5 (1980) 296–301. 938 M. Jufresa: Basilides, a Path to Plotinus, in: VChr 35 (1981) 1–15. 939 B. Layton: The Significance of Basilides in Ancient Christian Thought, in: Representations 28 (1989) 135–151.
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940 J. Whittaker: Catachresis and Negative Theology: Philo of Alexandria and Basilides, in: Platonism in Late Antiquity, edited by S. Gersh, Ch. Kannengiesser (Notre Dame 1992) [Christianity and Judaism in Antiquity 8] 61–82. 941 M. Tardieu: Basilide le gnostique; in: DPhA II (1994) 84–89. 942 W. A. Löhr: Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts (Tübingen 1996) [WUNT 83]. 943 B. Aland: Seele, Zeit, Eschaton bei einem frühen christlichen Theologen. Basilides zwischen Paulus und Platon, in: ψυχή – Seele – anima. FS Karin Alt, herausgegeben von J. Holzhausen (Stuttgart, Leipzig 1998) [BzA 109] 255–278. 944 A. P. Bos: Basilides as an Aristotelianizing Gnostic, in: VChr 54 (2000) 44–60. 945 G. Biondi: Basilide. La filosofia del dio inesistente (Roma 2005). 946 J. A. Kelhoffer: Basilides’ Gospel and Exegetica (Treatises), in: VChr 59 (2005) 115–134. 947 B. A. Pearson: Basilides the Gnostic, in: A Companion to Second-Century Christian ‘Heretics’, edited by A. Marjanen, P. Luomanen (Leiden 2005) [VChr Suppl. 76] 1–31. 948 L. Saudelli: La philosophie du gnostique Basilide, in: Apocrypha 17 (2006) 211–222. 949 J.-C. Métrope: L’ontologie et la cosmologie du système de Basilide, in: Pensée grecque et sagesse d’Orient. Hommage à Michel Tardieu, sous la direction de M. A. Amir-Moezzi, J.-D. Dubois, C. Julien, F. Jullien (Turnhout 2009) [BEHE 142] 385–398. 950 A. P. Bos: Basilides of Alexandria disqualified as not a Christian but an Aristotelian by the author of the Elenchos, in: Des évêques, des écoles et des hérétiques. Actes du Colloque international sur la réfutation de toutes les hérésies, Genève, 13–14 juin 2008, édités par G. Aragione, E. Norelli (Lausanne 2011) 103–118.
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Valentinus und der Valentinianismus
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Valentinus und der Valentinianismus
Primärliteratur 952 Clément d’Alexandrie: Extraits de Théodote. Texte grec, introduction, traduction et notes […] par F.-M.-M. Sagnard (Paris 1940, 21970) [SC 23]. 953 Ptolémée: Lettre à Flora. Analyse, texte critique, traduction, commentaire et index grec de G. Quispel (Paris 1949, 21966) [SC 24]. 954 Le traité tripartite (NH I,5). Texte établi, introduit et commenté par E. Thomassen, traduit par L. Painchaud et E. Thomassen (Québec 1989) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 19]. 955 Die Auslegung der Erkenntnis (NagHammadi-Codex XI,1), herausgegeben, übersetzt und erklärt von U.-K. Plisch (Berlin 1996) [TU 142]. 956 Das Philippus-Evangelium (Nag-HammadiCodex II,3), neu herausgegeben, übersetzt und erklärt von H.-M. Schenke (Berlin 1997) [TU 143]. 957 L’Interprétation de la gnose (NH XI,1), par W.-P. Funk, L. Painchaud, E. Thomassen (Québec, Louvain 2010) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 34]. 958 G. Chiapparini: Il divino senza veli. La dottrina gnostica della ‘Lettera valentiniana’ di Epifanio, Panarion 31 5–6. Testo, tradu zione e commento storico-religioso (Milano 2015) [Studia Patristica Mediolanensia 29]. 959 Exposé du mythe valentinien et textes liturgiques (NH XI,2). Textes établis par W.-P. Funk, traduits et présentés par J.-P. Mahé (Québec, Louvain 2016) [Bibliothèque copte de Nag Hammadi, Section «Textes» 36]. Siehe auch oben III., Überblick.
Sekundärliteratur 960 A. von Harnack: Lehrbuch der Dogmengeschichte. I: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas (Tübingen 1881, 41909). 961 F.-M.-M. Sagnard: La gnose valentinienne et le témoignage de saint Irénée (Paris 1947). 962 A. Orbe: Estudios Valentinianos, I–V (Romae 1955–1966) [Analecta Gregoriana 65, 83, 99– 100, 113, 158]. 963 N. Brox: Offenbarung, Gnosis und gnostischer Mythos bei Irenäus von Lyon. Zur Cha-
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rakteristik der Systeme (Salzburg, München 1966) [Salzburger patristische Studien 1]. 964 C. Stead: The Valentinian Myth of Sophia, in: JThS 20 (1969) 75–104. 965 The Rediscovery of Gnosticism. Proceedings of the International Conference on Gnosticism at Yale, New Haven, Connecticut, March 28–31, 1978. I: The School of Valentinus, edited by B. Layton (Leiden 1980) [Studies in the History of Religions 41]. 966 M. R. Desjardins: Sin in Valentinianism (Atlanta 1990) [SBL Dissertation Series 108]. 967 W. A. Löhr: Gnostic Determinism Reconsid ered, in: VChr 46 (1992) 381–390. 968 Ch. Markschies: Valentinus Gnosticus? Untersuchungen zur valentinianischen Gnosis mit einem Kommentar zu den Fragmenten Valentins (Tübingen 1992) [WUNT 65]. 969 H. Strutwolf: Gnosis als System. Zur Rezeption der valentinianischen Gnosis bei Origenes (Göttingen 1993) [FKDG 56]. 970 E. Thomassen: The Platonic and the Gnostic ‘Demiurge’, in: Apocryphon Severini, presented to Søren Giversen, edited by P. Bilde, H. K. Nielsen, J. Podemann Sørensen (Aarhus 1993) 226–244. 971 Ch. Markschies: Die Krise einer philosophischen Theologie, in: Gnosis und Philosophie: Miscellanea, herausgegeben von R. Berlinger, W. Schrader (Amsterdam 1994) 227–269. 972 N. Förster: Marcus Magus. Kult, Lehre und Gemeindeleben einer valentinianischen Gnostikergruppe. Sammlung der Quellen und Kommentar (Tübingen 1999) [WUNT 114]. 973 E. Thomassen: The Derivation of Matter in Monistic Gnosticism, in: Turner, Majercik 2000 [*862: 1–17]. 974 A. Wucherpfennig: Heracleon Philologus (Tübingen 2002) [WUNT 142]. 975 E. Thomassen: The Spiritual Seed: The Church of the ‘Valentinians’ (Leiden 2006) [NHMS 60]. 976 H. Schmid: Die Eucharistie ist Jesus. Anfänge einer Theorie des Sakraments im koptischen Philippusevangelium (NHC II 3) (Leiden, Bosten 2007) [VChr Suppl. 88]. 977 I. Dunderberg: Beyond Gnosticism. Myth, Lifestyle, and Society in the School of Valentinus (New York 2008).
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Bibliographie zum achten Kapitel
978 P. L. Tite: Valentinian Ethnics and Paraenetic Discourse: Determining the Social Function of Moral Exhortation in Valentinian Chris tianity (Leiden, Boston 2009) [NHMS 67]. 979 I. Dunderberg: Stoic Traditions in the School of Valentinus, in: Stoicism in Early Christianity, edited by T. Rasimus, T. Engberg-Pedersen, I. Dundenberg (Grand Rapids 2010) 220–238. 980 E. Thomassen: Heracleon, in: The Legacy of John: Second-Century Reception of the Fourth Gospel, edited by T. Rasimus (Leiden 2010) [NT Suppl. 132] 173–210. 981 P. F. Beatrice: Greek Philosophy and Gnostic Soteriology in Heracleon’s ‹Hypomnemata›, in: Early Christianity 3 (2012) 188–214.
982 G. Chiapparini: Valentino gnostico e platonico. Il valentinianesimo della ‘Grande Notizia’ di Ireneo di Leone: Fra esegesi gnostica e filosofia medioplatonica (Milano 2012). 983 E. Thomassen: Saved by Nature? The Question of Human Races and Soteriological Determinism in Valentinianism, in: Zugänge zur Gnosis. Akten zur Tagung der patristischen Arbeitsgemeinschaft vom 02.–05.01.2011 in Berlin-Spandau, herausgegeben von Ch. Markschies, J. van Oort (Louvain 2013) [Studien der Patristischen Arbeitsgemeinschaft 12] 129–149. 984 D. Litwa: The Wondrous Exchange: Irenaeus and Eastern Valentinianism on the Soteriology of Interchange, in: JECS 22 (2014) 311–341.
Bardesanes (Bardaisan) von Edessa
Primärliteratur 985 Bardesanes: Liber Legum Regionum, cuius textum Syriacum vocalium signis instruxit, Latine vertit F. Nau, adnotationibus locupletavit Th. Nöldeke (Parisiis 1907) [Patrologia Syriaca Pars 1: Ab initiis usque ad annum 350, Tomus 2,2]. 986 S. Ephraim’s Prose Refutations of Mani, Marcion, and Bardaisan, by C. W. Mitchell, A. A. Becan, F. C. Burkitt, I–II (Oxford 1912– 1921). 987 F. Winter: Bardesanes von Edessa über Indien (Innsbruck 1999). 988 H. J. W. Drijvers: The Book of the Laws of Countries. Dialogue on Fate of Bardaisan of Edessa, with a new Introduction (Piscataway NJ 2002). 989 Bardesane: Contro il fato. Testo critico, introduzione, traduzione, testimonianze e appendice a cura di I. Ramelli (Roma 2009).
Sekundärliteratur 990 H. J. W. Drijvers: Bardaiṣan of Edessa (Assen 1966) [Studia Semitica Neerlandica 6]. 991 B. Ehlers: Bardesanes von Edessa, ein syrischer Gnostiker. Bemerkungen aus Anlass des Buches von H. J. Drijvers, Bardaisan of Edessa, in: ZKG 81 (1970) 334–351.
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992 H. J. W. Drijvers: Mani und Bardaisan. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Manichäismus, in: Mélanges d’histoire des religions offerts à Henri-Charles Puech, sous le patronage et avec le concours du Collège de France et de la Section des sciences religieuses de l’École pratique des Hautes Études (Paris 1974) 459– 469. 993 B. Aland: Mani und Bardesanes – Zur Entstehung des manichäischen Systems, in: Synkretismus im syrisch-persischen Kulturgebiet. Bericht über ein Symposion in Reinhausen bei Göttingen in der Zeit vom 4. bis 8. Oktober 1971, herausgegeben von A. Dietrich (Göttingen 1975) [AAWG, 3. Folge, Nr. 96] 123–143. 994 R. Günther: Bardesanes und die griechische Philosophie, in: Acta Antiqua Academiae Scientiarum Hungaricae 26 (1978) 15–20. 995 A. Dihle: Zur Schicksalslehre des Bardesanes, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 123–135. 996 H. J. W. Drijvers: Bardesanes, in: TRE 5 (1980) 206–212. 997 G. Widengren: Bardesanes von Edessa und der syrisch-mesopotamische Gnostizismus. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Manichäismus, in: The Many and the One. Essays on Religion in the Graeco-Roman World, presented to Herman Ludin Jansen, edited by P. Borgen (Trondheim 1985) 153–181.
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Mani und der Manichäismus
998 A. Dihle: Philosophische Lehren von Schicksal und Freiheit in der frühchristlichen Theologie, in: JbAC 30 (1987) 14–28. 999 A. Dihle: Astrology in the doctrine of Bardesanes, in: StPatr 20 (1989) 160–168. 1000 J. Teixidor: Bardesane d’Édesse: la première philosophie syriaque (Paris 1992). 1001 A. Camplani: Rivisitando Bardesane. Note sulle fonti siriache del bardesanismo e sulla sua collocazione storico-religiosa, in: Cris tianesimo nella Storia 19 (1998) 519–596. 1002 T. Hegedus: Necessity and Free Will in the Thought of Bardaisan of Edessa, in: Laval théologique et philosophique 59 (2003) 333– 344. 1003 A. Camplani: Bardesane et les bardesanites, in: AEPHE 112 (2003–2004) 29–50. 1004 T. Krannich, P. Stein: ‹Das Buch der Gesetze der Länder› des Bardesanes von Edessa, in: ZAC 8 (2004) 203–229. 1005 U. Possekel: Bardaisan of Edessa on the Resurrection: Early Syriac Eschatology in its Religious-Historical Context, in: OC 88 (2004) 1–28.
1006 J. M. F. van Reeth: La cosmologie de Bar dayṣan, in: Parole de l’Orient 31 (2006) 133– 144. 1007 U. Possekel: Bardaisan of Edessa: Philosopher or Theologian?, in: ZAC 10 (2007) 442–461. 1008 I. Ramelli: Bardaisan of Edessa: A Re assessment of the Evidence and a New Interpretation (Piscataway NJ 2009) [Gorgias Eastern Christian Studies 22]. 1009 I. Ramelli: Origen, Bardaiṣan, and the Origin of Universal Salvation, in: HThR 102 (2009) 135–168. 1010 U. Possekel: Bardaisan and Origen on Fate and the Power of the Stars, in: JECS 20 (2012) 515–541. 1011 I. Tanaseanu-Döbler: Bemerkungen zu Porphyrios und Bardaiṣan, in: ZAC 19 (2015) 26–68. 1012 P. Robertson: Greco-Roman Ethical-Philosophical Influences in Bardaisan’s ‹Book of the Laws of Countries›, in: VChr 71 (2017) 511–540.
Mani und der Manichäismus
Textausgaben 1013 Der Kölner Mani-Kodex. Über das Werden seines Leibes. Kritische Edition aufgrund der von A. Heinrichs und L. Koenen besorgten Erstedition herausgegeben und übersetzt von L. Koenen, C. Römer (Opladen 1988) [Papyrologica Coloniensia 14]. 1014 Corpus Fontium Manichaeorum. Editor-inchief Alois van Tongerloo (Turnhout 1996–). – Internetpräsenz des Editionsprojekts unter http://www.brepols.net/Pages/Browse BySeries.aspx?TreeSeries=CFM (Stand: Juli 2018). 1015 Simplicius: Commentaire sur le Manuel d’Épictète. Introduction et édition critique du texte grec par I. Hadot (Leiden 1996). 1016 M. Stein: Manichaica Latina, I–IV (Paderborn 1998–2016) [Papyrologica Coloniensia 27,1–4]. 1017 Titi Bostrensis Contra Manichaeos libri IV Graece et Syriace. Textum Graecum librorum I–III,30A edidit A. Roman adiuvante Th. S. Schmidt. Textum syriacum ediderunt P.-H.
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Poirier et É. Crégheur. Excerpta e Sacris arallelis Iohanni Damasceno attributis edip dit J. Declerck (Turnhout 2013) [CCSG 82]. 1018 Titus de Bostra: Contre les Manichéens. Introduction, traduction, notes et index par A. Roman, Th. S. Schmidt, P.-H. Poirier (Turnhout 2015) [Corpus Christianorum in Translation 21].
Quellensammlungen 1019 A. Adam: Texte zum Manichäismus (Berlin 1954, 21969). 1020 Der Manichäismus, unter Mitwirkung von J. P. Asmussen eingeleitet, übersetzt und erläutert von A. Böhlig (Zürich, München 1980) [Die Gnosis 3]. 1021 Alexandre de Lycopolis: Contre la doctrine de Mani, par A. Villey (Paris 1985) [Sources Gnostiques et Manichéennes 2].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1022 H. J. Klimkeit: Gnosis on the Silk Road (San Francisco 1993). 1023 Christian Dualist Heresies in the Byzantine World, c. 650–c. 1450. Selected Sources Translated and Annotated by J. Hamilton and B. Hamilton (Manchester, New York 1998) [Manchester Medieval Sources Series]. 1024 G. Gnoli: Il manicheismo, I–III (Roma 2003–2008) [Scrittori greci e latini]. 1025 Manichaean Texts from the Roman Empire, edited by I. Gardener, S. N. C. Lieu (Cambridge 2004). 1026 F. Bermjo Rubio, J. Montserrat Torrents: El maniqueísmo. Textos et fuentes (Madrid 2008).
Sekundärliteratur
Bibliographie Eine Übersicht über die neuere Forschungsliteratur ist auf der Website der ‘International Association of Manichaean Studies’ zu finden: http:// manichaeism.de/news.html (Stand: Juli 2018). 1032 G. B. Mikkelsen: Bibliographia Manichaica. A Comprehensive Bibliography of Mani chaeism through 1996 (Turnhout 1997) [Corpus Fontium Manichaeorum, Subsidia 1]. Literatur 1037 P. Alfaric: L’évolution intellectuelle de SaintAugustin. I: Du Manichéisme au Néoplatonisme (Paris 1918). 1038 H. H. Schaeder: Urform und Fortbildungen des manichäischen Systems. Vorträge der Bibliothek Warburg. IV: Vorträge 1924– 1925 (Leipzig, Berlin 1927). 1039 H. J. Polotsky: Manichäismus, in: RE Suppl. VI (Stuttgart 1935) 240–271. 1040 G. Vajda: Les zindîqs en pays d’Islam au début de la période abbaside, in: RSO 17 (1938) 173–229. – Deutsche Übersetzung von G. Mayer: Die Zindīqs im Gebiet des Islam zu Beginn der ‘Abbasidenzeit, in: Der Manichäismus, herausgegeben von G. Widengren (Darmstadt 1977) [Wege der Forschung 168] 418–463. 1041 I. Hadot: Die Widerlegung des Manichäismus im Epiktetkommentar des Simplikios, in: AGPh 51 (1969) 31–57.
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1042 An Alexandrian Platonist Against Dualism. Alexander of Lycopolis’ Treatise ‹Critique of the Doctrines of Manichaeus›. Translation, with an Introduction and Notes by P. W. van der Horst, J. Mansfeld (Leiden 1974). 1043 M. Tardieu: Le manichéisme (Paris 1981) [Que sais-je? 1940]. 1044 G. G. Stroumsa: Titus of Bostra and Alexander of Lycopolis: A Christian and a Platonic Refutation of Manichaean Dualism, in: Wallis 1992 [*860: 337–349]. 1045 M. Lambert: The Cathars (Oxford 1998). 1046 J. D. BeDuhn: The Manichaean Body in Discipline and Ritual (Baltimore 2000). 1047 Augustine and Manichaeism in the Latin West. Proceedings of the Fribourg-Utrecht International Symposium of the IAMS, edited by J. van Oort, O. Wermelinger, G. Wurst (Leiden 2001) [NHMS 49]. 1048 M. Lamberigts: Was Augustine a Manichaean? The Assessment of Julian of Aeclanum, in: van Oort, Wermelinger, Wurst 2001 [*1047: 113–136]. 1049 A. Magris: Augustins Prädestinationslehre und die manichäischen Quellen, in: van Oort, Wermelinger, Wurst 2001 [*1047: 148– 160]. 1050 N. A. Pedersen: Demonstrative Proof in Defence of God. A Study of Titus of Bostra’s Contra Manichaeos (Leiden 2004) [NHMS 56]. 1051 J. D. BeDuhn: Augustine’s Manichaean Dilemma. I: Conversion and Apostasy, 373– 388 C.E.; II: Making a ‘Catholic’ Self, 388–401 (Philadelphia 2010–2013). 1052 J. van Oort: Manichaean Christians in Augustine’s Life and Work, in: Church History and Religious Culture 90 (2010) 505– 546. 1053 V. H. Drecoll, M. Kudella: Augustin und der Manichäismus (Tübingen 2011). 1054 S. N. C. Lieu, J. J. Sheldon: Simplicius on Manichaean Cosmogony, in: ‘In Search of Truth’. Augustine, Manichaeism and other Gnosticisms. Studies for Johannes van Oort at Sixty, edited by J. A. van den Berg, A. Kotzé, T. Nicklas, M. Scopello (Leiden 2011) [NHMS 74] 217–228. 1055 J. C. Reeves: Prolegomena to a History of Islamicate Manichaeism (Sheffield 2011). 1056 ‘In search of truth’: Augustine, Manichaeism and other Gnosticism. FS J. van Oort, edited by J. A. van den Berg, A. Kotzé, T. Nicklas, M. Scopello (Leiden, Boston 2011) [NHMS 74].
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Irenäus von Lyon
1057 Augustine and Manichaean Christianity, edited by J. van Oort (Leiden, Boston 2013) [NHMS 83]. 1058 Z. Gulácsi: Mani’s Pictures: The Didactic Images of the Manichaeans from Sasanian Mesopotamia to Uygur Central Asia and Tang-Ming China (Leiden, Boston 2015) [NHMS 90].
1059 Gnose et manichéisme. Entre les oasis d’Égypte et la Route de la Soie. Hommage à Jean-Daniel Dubois, sous la direction de A. Van Den Kerchove, L. G. Soares Santoprete (Turnhout 2017) [BEHE 176].
IV. DIE SOGENANNTEN ALTKATHOLISCHEN THEOLOGEN
Irenäus von Lyon
Primärliteratur 1060 Sancti Irenaei Episcopi Lugdunensis Libros quinque adversus Haereses edidit W. W. Harvey, I–II (Cambridge 1857; ND Farnborough 1965). – Abweichende Kapitelzählung. 1061 The Writings of Irenaeus, translated by A. Roberts, W. H. Rambout, I–II (Edinburgh 1868–1869) [Ante-Nicene Christian Library, vol. 5, 9,1]. 1062 Des heiligen Irenäus ausgewählte Schriften. I: Fünf Bücher gegen die Häresien Buch I– III, übersetzt von E. Klebba; II: Fünf Bücher gegen die Häresien Buch IV–V, übersetzt von E. Klebba. Des Heiligen Irenäus Schrift zum Erweis der apostolischen Verkündigung, aus dem Armenischen übersetzt von S. Weber (München 1912) [BKV 3–4]. 1063 St. Irenaeus: Proof of the Apostolic Preach ing, translated and annotated by J. P. Smith (London 1952) [AChW 16]. 1064 B. Reynders: Vocabulaire de la ‹Demonstration› et des fragments de Saint Irénée (Chevetogne 1958). 1065 B. Reynders: Lexique comparé du texte grec et des versions latine, arménienne et syriaque de l’‹Adversus Haereses› de Saint Irénée. I: Introduction, index des mots grecs, armé niens et syriaques; II: Index des mots latins (Louvain 1963) [CSCO 141; Subsidia 5–6]. 1066 Irénée de Lyon: Contre des Hérésies. Livres 1–5. Édition critique. Introduction, notes justificatives, tables, texte et tradition par A.
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Rousseau, L. Doutreleau et al. (Paris 1965– 1982) [SC 100,1–2, 152–153, 210–211, 263– 264, 293–294]. 1067 St. Irenaeus of Lyons: Against the Heresies, translated and annotated by D. J. Unger, I– III. Book 1, with further revisions by J. J. Dillon; Book 2, with further revisions by J. J. Dillon, introduced by M. Slusser; Book 3, with further revisions by M. C. Steenberg (New York 1992) [AChW 55, 64–65]. 1068 Irenäus von Lyon: Epideixis. Adversus haereses – Darlegung der Apostolischen Verkündigung. Gegen die Häresien, übersetzt und eingeleitet von N. Brox, I–V (Freiburg i. Br., Basel 1993–2001) [FC 8,1–5]. 1069 Irénée de Lyon: Démonstration de la Prédication Apostolique. Introduction, traduction et notes par A. Rousseau (Paris 1995) [SC 406]. 1070 Irenaeus’s Demonstration of the Apostolic Preaching. A theological Commentary and Translation, by I. M. MacKenzie, with the Translation of the Text of the Demonstration by J. Armitage Robinson (Aldershot, Burlington VT 2002).
Sekundärliteratur 1076 Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels (Berolini 1879). 1077 A. Harnack: Geschichte der Altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil I,1 und 2: Die Überlieferung und der Bestand (Leipzig 1893, 21958); Teil II,1: Die Chronologie der
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Bibliographie zum achten Kapitel
Literatur bis Irenäus nebst einleitenden Untersuchungen (Leipzig 1897, 21958); Teil II,2: Die Chronologie der Literatur von Irenäus bis Eusebius (Leipzig 1904, 21958). 1078 A. Harnack: Der Presbyter-Prediger des Irenäus (IV, 27,1–32,1). Bruchstücke und Nachklänge der ältesten exegetisch-polemischen Homilien, in: Philotesia, Paul Kleinert zum LXX. Geburtstag dargebracht von A. Harnack (Berlin 1907) 1–37. 1079 H. Koch: Zur Lehre vom Urstand und von der Erlösung bei Irenäus, in: Theologische Studien und Kritiken 96–97 (1925) 183–214. 1080 R. M. Grant: Irenaeus and Hellenistic culture, in: HThR 42 (1949) 41–51. – Wieder in: Ders.: After the New Testament. A Reader in Early Christianity (Philadelphia 1967) 158–169. 1081 R. A. Markus: Pleroma and Fulfillment: The Significance of History in St. Irenaeus’ Opposition to Gnosticism, in: VChr 8 (1954) 193–224. 1082 A. Quacquarelli: I luoghi comuni contro la retorica in Clemente Alessandrino, in: Rassegna di scienze filosofiche 9 (1956) 456– 476. 1083 A. Bengsch: Heilsgeschichte und Heilswissen. Eine Untersuchung zur Struktur und Entfaltung des Theologischen Denkens im Werk ‹Adversus Haereses› des Hl. Irenäus von Lyon (Leipzig 1957) [Erfurter Theologische Studien 3]. 1084 J. Mambrino: ‘Les Deux Mains de Dieu’ dans l’œuvre de saint Irénée, in: Nouvelle revue théologique 79 (1957) 355–370. 1085 M. Spanneut: Le stoïcisme des Pères de l’Église. De Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (Paris 1957) [Patristica Sorbonensia 1]. 1086 M. Widmann: Irenaeus und seine theologischen Väter, in: ZThK 54 (1957) 156–173. 1087 W. R. Schoedel: Philosophy and Rhetoric in the ‹Adversus Haereses› of Irenaeus, in: VChr 13 (1959) 22–32. 1088 G. Wingren: Man and the Incarnation. A Study in the Biblical Theology of Irenaeus (Edinburgh, London 1959). 1089 A. Benoît: Saint Irénée. Introduction à l’étude de sa théologie (Paris 1960). 1090 P. Nautin: Lettres et Écrivains Chrétiens des IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Collectanea Patristica 2]. 1091 W. H. C. Frend: A Note on the Influence of Greek Immigrants on the Spread of Chris tianity in the West, in: Mullus. FS Theodor
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Klauser, herausgegeben von A. Stuiber, A. Hermann (Münster 1964) [JbAC Ergänzungsband 1] 125–129. 1092 R. Wilken: The Homeric Cento in Irenaeus’ ‹Adversus Haereses› I,9,4, in: VChr 21 (1967) 25–33. 1093 J. T. Nielsen: Adam and Christ in the Theology of Irenaeus of Lyons (Assen 1968). 1094 H. von Campenhausen: Die Enstehung der Heilsgeschichte. Der Aufbau des christlichen Geschichtsbildes in der Theologie des ersten und zweiten Jahrhunderts, in: Saeculum 21 (1970) 189–212. 1095 E. P. Meijering: Irenaeus’ Relation to Philosophy in the Light of his Concept of Free Will, in: Romanitas et Christianitas. FS Henrico Waszink, ediderunt W. de Boer et al. (Amsterdam, London 1973) 221–232. – Wieder in: Ders.: God Being History. Studies in Patristic Philosophy (Amsterdam, Oxford 1975) 19 –30. 1096 W. C. van Unnik: Two Notes on Irenaeus, in: VChr 30 (1976) 201–213. – Wieder in: van Unnik 2014 [*1152: 351–362]. 1097 W. C. van Unnik: An Interesting Document of Second Century Theological Discussion (Irenaeus Adv. Haer. 1.10.3), in: VChr 31 (1977) 196–228. – Wieder in: van Unnik 2014 [*1152: 306–335]. 1098 W. C. van Unnik: The Authority of the Presbyters in Irenaeus’ Works, in: God’s Christ and His People. Studies in Honour of N. A. Dahl, edited by J. Jervell, W. A. Meeks (Oslo 1977) 248–260. – Wieder in: van Unnik 2014 [*1152: 336–350]. 1099 Ph. Bacq: De l’ancienne à la nouvelle Al liance selon S. Irénée. Unité du livre IV de l’‹Adversus Haereses› (Paris, Namur 1978) [Bibliothèque de la Faculté de philosophie et lettres de Namur 58]. 1100 K. Koschorke: Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum, unter besonderer Berücksichtigung der NagHammadi-Traktate ‹Apokalypse des Petrus› (NHC VII,3) und ‹Testimonium Veritatis› (NHC IX,3) (Leiden 1978) [NHS 12]. 1101 B. Aland: Fides und Subiectio. Zur Anthropologie des Irenäus, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 9–28. 1102 Early Christian Literature and the Classical Intellectual Tradition. FS Robert M. Grant, edited by W. R. Schoedel, R. L. Wilken (Paris 1979) [ThH 53].
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Irenäus von Lyon
1103 R. Norris: The Transcendence and Freedom of God: Irenaeus, the Greek Tradition and Gnosticism, in: Schoedel, Wilken 1979 [*1102: 87–100]. 1104 W. R. Schoedel: Enclosing, not Enclosed: The Early Christian Doctrine of God, in: Schoedel, Wilken 1979 [*1102: 72–86]. 1105 W. C. van Unnik: Theological Speculation and its Limits, in: Schoedel, Wilken 1979 [*1102: 33–43]. 1106 N. Brox: Irenäus (gest. um 200), in: Klassiker der Theologie. I: Von Irenäus bis Martin Luther, herausgegeben von H. Fries, G. Kretschmar (München 1981) 11–25. 1107 W. R. Schoedel: Theological Method in Irenaeus (Adversus Haereses 2.25–28), in: JThS 35 (1984) 31–49. 1108 A. Orbe: Teología de San Ireneo. Commentario al Libro V dal ‹Adversus haereses›, I– IV (Madrid 1985–1996) [Biblioteca de Autores Cristianos 25, 29, 33, 53]. 1109 Y. de Andia: Homo vivens. Incorruptibilité et divinisation de l’homme selon Irénée de Lyon (Paris 1986). 1110 J. Fantino: L’homme image de Dieu chez saint Irénée de Lyon (Paris 1986). 1111 H.-J. Jaschke: Irenäus von Lyon, in: TRE 16 (1987) 258–268. 1112 Y. Torisu: Gott und Welt. Eine Untersuchung zur Gotteslehre des Irenäus von Lyon (Nettetal 1991) [Studia Instituti Missiologici Societatis Verbi Divini 52]. 1113 C. Harrison: The Childhood of Man in Early Christian Writers (Theophilus, Irenaeus, Clement), in: Augustinianum 32 (1992) 61–76. 1114 A. Orbe: Irenaeus, in: Encyclopedia of the Early Church I (1992) 413–416. 1115 R. Noormann: Irenäus als Paulusinterpret. Zur Rezeption und Wirkung der paulinischen und der deuteropaulinischen Briefe im Werk des Irenäus von Lyon (Tübingen 1994) [WUNT, 2. Reihe 66]. 1116 W. Overbeck: Menschwerdung. Eine Untersuchung zur literarischen und theologischen Einheit des fünften Buches ‹Adversus Haereses› des Irenäus von Lyon (Bern, Frankfurt 1995) [Basler und Berner Studien zur historischen und systematischen Theologie 61]. 1117 R. M. Grant: Irenaeus of Lyons (London, New York 1997). 1118 D. Wyrwa: Kosmos und Heilsgeschichte bei Irenäus von Lyon, in: Die Weltlichkeit des Glaubens in der Alten Kirche. FS Ulrich Wickert, herausgegeben von D. Wyrwa, B. Aland, Chr. Schäublin (Berlin, New York 1997) [BZNW 85] 443–480.
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1119 N. Brox: Irenaeus von Lyon, in: RAC 18 (1998) 820–854. 1120 D. Wyrwa: Seelenverständnis bei Irenäus von Lyon, in: ψυχή – Seele – anima. FS Karin Alt, herausgegeben von J. Holzhausen (Stuttgart, Leipzig 1998) [BzA 109] 301–334. 1121 E. P. Meijering: Bemerkungen zum Nach leben des Irenäus im Streit der Konfessionen, in: VChr 53 (1999) 74–99. 1122 J. Behr: Asceticism and Anthropology in Irenaeus and Clement (Oxford 2000) [OECS]. 1123 E. P. Meijering: Irenäus zum zeitlichen Anfang der Welt, in: VChr 54 (2000) 1–11. 1124 B. Sesboüé: Tout récapituler dans le Christ: Christologie et sotériologie d’Irénée (Paris 2000). 1125 D. Wanke: Das Kreuz Christi bei Irenäus von Lyon (Berlin, New York 2000) [BZNW 99]. 1126 E. Osborn: Irenaeus of Lyons (Cambridge 2001). 1127 V. Minet: L’empreinte divine: la théologie du corps chez saint Irénée (Lyon 2002). 1128 K. L. King: What is Gnosticism? (Cambridge MA 2003). 1129 B. Mutschler: Irenäus als johanneischer Theologe. Studien zur Schriftauslegung bei Irenäus von Lyon (Tübingen 2004) [STAC 21]. 1130 M. C. Steenberg: Children in Paradise: Adam and Eve as ‘infants’ in Irenaeus of Lyons, in: JECS 12 (2004) 1–22. 1131 Consonantia salutis. Studi su Ireneo di Lione, a cura di E. Cattaneo, M. Longobardo (Trapani 2005). 1132 E. Cattaneo: La metafisica implicata nella rivelazione e i limiti del sapere teologico secondo Ireneo, in: Cattaneo, Longobardo 2005 [*1131: 199–206]. 1133 C. dell’Osso: Ireneo nei floriligi del V–VIII sec., in: Cattaneo, Longobardo 2005 [*1131: 211–220]. 1134 G. De Simone: Note di antropologia ire neana: (A. h. V,6,1), in: Cattaneo, Longobardo 2005 [*1131: 191–198]. 1135 G. Laiti: La chiesa nell’economia di Dio secondo Ireneo di Lione, in: Cattaneo, Longobardo 2005 [*1131: 159–178]. 1136 E. Norelli: Il problema delle fonti ecclesiastiche de Ireneo: alcune considerazioni e un esempio, in: Cattaneo, Longobardo 2005 [*1131: 25–60].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1137 L. Perrone: Eine ‘verschollene Bibliothek’?: Das Schicksal frühchristlicher Schriften (2.– 3. Jahrhundert) – am Beispiel des Irenäus von Lyon, in: ZKG 116 (2005) 1–29. 1138 N. Spaccapelo: Clemente Romano fonte di Ireneo? (A. h. III,1,1 e 1 Clem 42,3), in: Cattaneo, Longobardo 2005 [*1131: 61–79]. 1139 C. Pasquier: Aux portes de la gloire. Analyse théologique du millénarisme de saint Irénée de Lyon (Fribourg 2008) [Studie Oecumenica Friburgensia 50]. 1140 M. C. Steenberg: Irenaeus on Creation. The Cosmic Christ and the Saga of Redemption (Leiden, Boston 2008) [VChr Suppl. 91]. 1141 R. A. Norris: Who is the Demiurge? Irenaeus’ Picture of God in ‹Adversus Haereses› 2, in: God in Early Christian Thought. Essays in Memory of L. G. Patterson, edited by A. B. McGowan, B. E. Daley, T. J. Gaden (Leiden, Boston 2009) [VChr Suppl. 94] 11–36. 1142 A. Briggman: Dating Irenaeus’ Acquisition of Theophilus’ Correspondence to Autolycus: A Pneumatological Perspective, in: StPatr 45 (2010) 397–402. 1143 D. Minns: Irenaeus. An Introduction (London, New York 2010). 1144 B. Aland: Polemik bei Irenäus von Lyon: Strategie – Ertrag – Wirkung, in: Polemik in der frühchristlichen Literatur. Texte und Kontexte, herausgegeben von O. Wischmeyer, L. Scornaienchi (Berlin 2011) [BZNW 170] 579–602. 1145 A. Bastit: Dieu créateur selon l’Adversus reses II d’Irénée, in: Vannier 2011 hae [*1148: 25–52].
1146 A. Bastit: ‘Invidens homini’: une controverse du IIe siècle entre Irénée et le gnosticisme, in: Jalousie des dieux, jalousie des hommes. Actes du colloque international, Paris 28–29 novembre 2008, édités par H. RouillardBonraisin (Turnhout 2011) 235–248. 1147 M.-L. Chaieb: Irénée, une des premières synthèses sur la création, in: Vannier 2011 [*1148: 9–24]. 1148 La création chez les Pères, édité par M.-A. Vannier (Bern, Frankfurt a. M. 2011) [Recherches en littérature et spiritualité 19]. 1149 A. Briggman: Irenaeus of Lyons and the Theology of the Holy Spirit (Oxford 2012) [OECS]. 1150 D. Wyrwa: Irenäus von Lyon (um 135 – um 200), in: Arbeitsbuch Theologiegeschichte. Diskurse, Akteure, Wissensformen, I, herausgegeben von G. M. Hoff, U. H. J. Körtner (Stuttgart 2012) 23–44. 1151 A. Briggman: Irenaeus’ Christology of Mixture, in: JThS 64 (2013) 516–555. 1152 Sparsa Collecta. The Collected Essays of W. C. van Unnik. Part Four: Neotestamentica, Flavius Josephus, Patristica, edited by C. Breytenbach et al. (Leiden 2014). 1153 J. Lashier: Irenaeus on the Trinity (Leiden, Boston 2014) [VChr Suppl. 127]. 1154 A. Briggman: Literary and Rhetorical Theor y in Irenaeus, in: VChr 69 (2015) 500– 527; 70 (2016) 31–50.
Hippolyt von Rom
Quellen 1158 S. Hippolytus Portuensis Episcopus Martyr et Ecclesiae Doctor. Prolegomena, Praefationes editionis Fabricianae (Hamburgi 1716–1718). – Wieder in: Γρηγορίου τοῦ Θαυματουργοῦ τὰ εὑρισκόμενα πάντα, accurante et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1857) [PG 10] 261–270. 1159 Origenis Philosophumena sive omnium hae resium refutatio e codice Parisino primus edidit E. Miller (Oxonii 1851). – Wieder in: Ὠριγένους τὰ εὑρισκόμενα πάντα, accurante
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et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1863) [PG 16,3] 3017–3454. 1160 S. Hippolyti Episcopi Portuensis et Martyris Quae supersunt opera et fragmenta, primum a J. A. Fabricio et A. Gallandio collate, nunc demum recensita aucta et illustrate, in: Γρηγορίου τοῦ Θαυματουργοῦ τὰ εὑρισκό μενα πάντα, accurante et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1857) [PG 10] 583–962. 1161 Hippolytus: Werke. I,1: Hippolyt’s Kommentar zum Buche Daniel und die Fragmente des Kommentars zum Hohenliede, heraus-
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Hippolyt von Rom
gegeben von N. Bonwetsch (Leipzig 1897) [GCS 1]. – 2. vollständig veränderte Auflage von M. Richard (Berlin 2000) [GCS NF 7]. 1162 Hippolytus: Werke. I,2: Hippolyt’s kleinere exegetische und homiletische Schriften, herausgegeben von H. Achelis (Leipzig 1897) [GCS 1]. – Enthält neben den exegetischen Stücken auch Antichr., Resur. und anderes. 1163 Hippolytus: Werke. III: Refutatio omnium haeresium, herausgegeben von P. Wendland (Leipzig 1916) [GCS 26]. 1164 Hippolytus: Werke. IV: Die Chronik, hergestellt von A. Bauer (Leipzig 1929) [GCS 36]. – 2. Auflage durchgesehen, herausgegeben und in zweiter Auflage überarbeitet von R. Helm (Berlin 1955) [GCS 46]. 1165 Hippolyte: Commentaire sur Daniel. Introduction de G. Bardy, texte établi et traduit par M. Lefèvre (Paris 1947) [SC 14]. 1166 Hippolyte: Contre les hérésies. Fragment, étude et édition critique par P. Nautin (Paris 1949) [Études et textes pour l’histoire du dogme de la Trinité 2]. 1167 P. Nautin: Le dossier d’Hippolyte et de Méliton dans les florilèges dogmatiques et chez les historiens modernes (Paris 1953) [Patristica 1]. 1168 W. J. Malley: Four unedited fragments of the De universo of the Pseudo-Josephus found in the Chronicon of George Hamartolus (Coislin 305), in: JThS 16 (1965) 13–25. 1169 P. Prigent, R. Stehly: Les fragments du De apocalypsi d’Hippolyte, in: Theologische Zeitschrift 29 (1973) 313–333. 1170 P. Prigent, R. Stehly: Citations d’Hippolyte trouvées dans le ms. Bodl. Syr. 140, in: Theologische Zeitschrift 30 (1974) 82–85. 1171 Hippolytus of Rome: Contra Noetum. Text introduced, edited and translated by R. Butterworth (London 1977) [Heythrop Monographs 2]. 1172 M. Guarducci: Epigrafia Greca. IV: Epigrafi sacre pagane e Cristiane (Roma 1978) 535– 547. 1173 Hippolytus: Refutatio omnium haeresium, edidit M. Marcovich (Berlin 1986) [PTS 25]. 1174 Ippolito: L’antichristo (De antichristo), a cura di E. Norelli (Firenze 1987) [Biblioteca Patristica 10]. 1175 Ippolito: Contro Noeto. Testo critico, introduzione, traduzione e commento, a cura di M. Simonetti (Bologna 2000) [Biblioteca Patristica 35]. 1176 Tertullian: Adversus Praxean – Gegen Praxeas. Im Anhang: Hippolyt: Contra Noëtum
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– Gegen Noët, übersetzt und eingeleitet von H.-J. Sieben (Freiburg i. Br. 2001) [FC 34] 72–78, 258–313. 1177 Iulius Africanus: Chronographiae. The Extant Fragments, edited by M. Wallraff with U. Roberto and, for the Oriental Sources, K. Pinggéra, translated by W. Adler (Berlin, New York 2007) [GCS NF 15].
Übersetzungen 1184 The Writings of Hippolytus, Bischop of Portus. II: Fragments of Writings of the third Century, translated by S. D. F. Salmond (Edinburgh 1869) [Ante-Nicene Christian Library, vol. 9,2]. 1185 The Refutation of all Heresies by Hippolytus, translated by J. H. Macmahon, with Fragments from his Commentaries on various Books of Scripture, translated by S. D. F. Salmond (Edinburgh 1886) [Ante-Nicene Christian Library, vol. 6]. 1186 Philosophumena or the Refutation of all heresies formerly attributed to Origen, but now to Hippolytus […], translated by F. Legge, I–II (London 1921). 1187 Des Heiligen Hippolytus von Rom Widerlegung aller Häresien (Philosophumena), übersetzt von Graf K. Preysing (München 1922) [BKV 40]. 1188 Hippolyte de Rome: Philosophumena ou Réfutation de toutes les hérésies. Première traduction française avec une introduction et des notes par A. Siouville, I–II (Paris 1928). 1189 Ippolito: Confutazione di tutte le eresie, a cura di A. Magris, con un saggio introduttivo di E. Castelli (Brescia 2012) [Letteratura cristiana antica N. S. 25].
Bibliographie 1194 G. Aragione: Bibliographie sur l’Elenchos et la question de l’auteur (1940–2010), in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 315–323].
Sekundärliteratur 1200 Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels (Berolini 1879).
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Bibliographie zum achten Kapitel
1201 A. Harnack: Geschichte der Altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil I,1 und 2: Die Überlieferung und der Bestand (Leipzig 1893, 21958); Teil II,1: Die Chronologie der Literatur bis Irenäus nebst einleitenden Untersuchungen (Leipzig 1897, 21958); Teil II,2: Die Chronologie der Literatur von Irenäus bis Eusebius (Leipzig 1904, 21958). 1202 A. D’Alès: La théologie de Saint Hippolyte (Paris 1906). 1203 H. Lietzmann: Hippolytos (6), in: RE VIII 2 (1913) 1873–1878. 1204 P. Nautin: Hippolyte et Josipe. Contribution à l’histoire de la littérature chrétienne du troisième siècle (Paris 1947) [Études et textes pour l’histoire du dogme de la Trinité 1]. 1205 M. Richard: Comput et chronographie chez saint Hippolyte, in: Mélanges de science religieuse 7 (1950) 237–268; 8 (1951) 19–50. – Wieder in: Ders.: Opera minora, édité par E. Dekkers, M. Geerard et al. (Turnhout, Leuven 1976) I Nr. 19. 1206 K. Janáček: Hippolytus and Sextus Empiricus, in: Eunomia 3 (1959) 19–21. 1207 G. Ogg: Hippolytus and the Introduction of the Christian Era, in: VChr 16 (1962) 2–18. 1208 S. Pricoco: Osservazioni sulla struttura letteraria del ‹De Christo et Antichristo› di Ippolito, in: Orpheus 12 (1965) 133–155. 1209 N. Brox: Kelsos und Hippolytos. Zur frühchristlichen Geschichtspolemik, in: VChr 20 (1966) 150–158. 1210 M. Richard: Notes sur le comput de centdouze ans, in: REB 24 (1966) 257–277. – Wieder in: Ders.: Opera minora, édité par E. Dekkers, M. Geerard et al. (Turnhout, Leuven 1976) I Nr. 20. 1211 M. Richard: Hippolyte de Rome (saint), in: Dictionnaire de Spiritualité 7 (1968) 531– 571. – Wieder in: Ders.: Opera minora, édité par E. Dekkers, M. Geerard et al. (Turnhout, Leuven 1976) I Nr. 10. 1212 P. Nautin: L’homélie d’Hippolyte sur le psautier et les œuvres de Josipe, in: Revue de l’histoire des religions (1969) 137–179. 1213 C. Moreschini: La doxa di Platone nella Refutatio di Ippolito (I 19), in: SCO 21 (1972) 254–260. 1214 P. Prigent: Hippolyte, commentateur de l’Apocalypse, in: Theologische Zeitschrift 28 (1972) 391–412. 1215 J. P. Hershbell: Hippolytus’ Elenchos as a Source for Empedocles re-examined, in: Phronesis 18 (1973) 97–114, 187–203.
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1216 M. Richard: La transmission des textes des Pères grecs, in: SEJG 22 (1974–1975) 51–60. – Wieder in: Ders.: Opera minora, édité par E. Dekkers, M. Geerard et al. (Turnhout, Leuven 1977) III Nr. 83. 1217 K. Koschorke: Hippolyts Ketzerbekämpfung und Polemik gegen die Gnostiker. Eine tendenzkritische Untersuchung seiner ‹Refutatio omnium haeresium› (Wiesbaden 1975) [Göttinger Orientforschungen Reihe 6, Hellenistica 4]. 1218 D. L. Powell: The schism of Hippolyt, in: StPatr 12 (1975) [TU 115] 449–456. 1219 M. O. Young: Did some Middle Platonists Deny the Immortality of the Soul?, in: HThR 68 (1975) 58–60. 1220 Ricerche su Ippolito (Roma 1977) [Stud EphAug 13]. 1221 C. Curti: Osservazioni su un passo dell’Elenchos (I, praef. 1), in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 89–95]. 1222 E. Follieri: Sant’Ippolito nell’agiografia e nelle liturgia bizantina, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 31–43]. 1223 J. Frickel: Contradizioni nelle opere e nella persona di Ippolito di Roma, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 137–149]. 1224 M. Guarducci: La statua di «Sant’Ippolito», in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 17–30]. 1225 V. Loi: La problematica storico-letteraria su Ippolito di Roma, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 9–16]. 1226 V. Loi: L’identità letteraria di Ippolito di Roma, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 67–88]. 1227 V. Loi: L’omelia ‹In sanctum Pascha› di Ippolito di Roma, in: Augustinianum 17 (1977) 461–484. 1228 P. Meloni: Ippolito e il Cantico dei cantici, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 97– 120]. 1229 M. Simonetti: Due note su Ippolito: Ippolito interprete di Genesi 49, Ippolito e Tertulliano, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 121–136]. 1230 M. Simonetti: A modo di conclusione: una ipotesi di lavoro, in: Ricerche su Ippolito 1977 [*1220: 151–156]. 1231 D. G. Dunbar: The Eschatology of Hippolytus of Rome (Diss. Madison, Ann Arbor MI 1979).
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Hippolyt von Rom
1232 D. G. Dunbar: The Delay of the Parousia in Hippolytus, in: VChr 37 (1983) 313–327. 1233 A. Zani: La cristologia di Ippolito (Brescia 1983) [Ricerche di scienze teologice 22]. 1234 M. Marcovich: Plato and Stoa in Hippolytus’ Theology, in: Illinois Classical Studies 11 (1986) 265–269. 1235 M. Marcovich: Hippolyt von Rom, in: TRE 15 (1986) 381–387. 1236 C. Osborne: Rethinking early Greek Philosophy. Hippolytus of Rome and the Presocratics (London 1987). 1237 J. Barnes: The Presocratics in Context, in: Phronesis 33 (1988) 327–344. – Kritische Auseinandersetzung mit Osborne 1987 [*1236]. 1238 J. Frickel: Das Dunkel um Hippolyt von Rom: Ein Lösungsversuch. Die Schriften Elenchos und Contra Noetum (Graz 1988). 1239 G. Visona: Pseudo Ippolito, In sanctum Pascha (Milano 1988). 1240 Nuove ricerche su Ippolito (Roma 1989) [StudEphAug 30]. 1241 E. Follieri: Sant’Ippolito nell’agiografia bizantina: ricerche recenti, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 131–135]. 1242 J. Frickel: Ippolito di Roma, scrittore e martire, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 23–41]. 1243 M. Guarducci: La «statua di sant’Ippolito» e la sua provenienza, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 61–74]. 1244 C. E. Hill: Hades of Hippolytus or Tartarus of Tertullian? The Authorship of the Fragment De Universo, in: VChr 43 (1989) 105– 126. 1245 R. M. Hübner: Melito von Sardes und Noet von Smyrna, in: Oecumenica et Patristica. FS Wilhelm Schneemelcher, herausgegeben von D. Papandreou, W. A. Bienert, K. Schäferdiek (Stuttgart 1989) 219–240. 1246 I. Mueller: Hippolytus Retractatus, in: OSAPh 7 (1989) 233–251 – Kritische Auseinandersetzung mit Osborne 1987 [*1236]. 1247 U. Rudolph: Die Doxographie des PseudoAmmonios. Ein Beitrag zur neuplatonischen Überlieferung im Islam (Stuttgart 1989) [Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes 49,1]. 1248 V. Saxer: La questione di Ippolito romano: a proposito di un libro recente, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 43–60]. 1249 M. Simonetti: Aggiornamento su Ippolito, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 75–130].
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1250 P. Testini: Vetera et nova su Ippolito, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 7–22]. 1251 S. J. Voicu: Pseudoippolito, in sancta Theophania (CPG 1917; BHG 1940) e Leonzio di Constantinopoli, in: Nuove ricerche su Ippolito 1989 [*1240: 137–145]. 1252 M. J. Edwards: Hippolytus of Rome on Aristotle, in: Eranos 88 (1990) 25–29. 1253 C. Scholten: Hippolytos II (von Rom), in: RAC 15 (1991) 492–551. 1254 J. Mansfeld: Heresiography in Context. Hippolytus’ Elenchos as a Source for Greek Philosophy (Leiden, New York 1992) [PhA 56]. 1255 S. N. Mouraviev: Hippolyte, Héraclite et Noët (Commentaire d’Hippolyte, Refut. omn. haer. IX 8–10), in: ANRW II 36,6 (1992) 4375–4402. 1256 I. Mueller: Heterodoxy and Doxography in Hippolytus’ ‘Refutation of all Heresies’, in: ANRW II 36,6 (1992) 4309–4374. 1257 P. Nautin: Hippolytus, in: Encyclopedia of the Early Church I (Cambridge 1992) 383– 385. 1258 J. Frickel: Hippolyts Schrift Contra Noetum: ein Pseudo-Hippolyt, in: Logos. FS Luise Abramowski, herausgegeben von H. Ch. Brennecke, E. L. Grasmück, Ch. Markschies (Berlin 1993) [BZNW 67] 87–123. 1259 V. Saxer: Hippolyte, in: DHGE 24 (1993) 627–635. 1260 A. Brent: Hippolytus and the Roman Church in the Third Century. Communities in Tension before the Emergence of a Monarch-Bishop (Leiden, New York 1995) [VChr Suppl. 31]. 1261 A. Brent: Was Hippolytus a Schismatic?, in: VChr 49 (1995) 215–244. 1262 J.-B. Bouhout: L’auteur romain des Philosophumena et l’écrivain Hippolyte, in: Ecclesia Orans 13 (1996) 137–164. 1263 M. Simonetti: Una nuova proposta su Ippolito, in: Augustinianum 36 (1996) 13–46. – Kritische Auseinandersetzung mit A. Brent. 1264 A. Whealey: Hippolytus’ Lost De universo and De resurrectione: Some New Hypotheses, in: VChr 50 (1996) 244–256. 1265 K. Alt: Hippolytus als Referent platonischer Lehren, in: JbAC 40 (1997) 78–105. 1266 J. Mansfeld, D. T. Runia: Aetiana: The Method and Intellectual Context of a Doxographer. I: The Sources (Leiden 1997) [PhA 73].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1267 Ch. Markschies: Wer schrieb die sogenannte Traditio Apostolica? Neue Beobachtungen und Hypothesen zu einer kaum lösbaren Frage aus der altkirchlichen Literaturgeschichte, in: W. Kinzig, Ch. Markschies, M. Vinzent: Tauffragen und Bekenntnis. Studien zur sogenannten ‹Traditio Apostolica›, zu den ‹Interrogationes de fide› und zum ‹Römischen Glaubensbekenntnis› (Berlin 1999) [AKG 74] 1–74. 1268 E. Norelli: Alcuni termini della ‹Confuta zione di tutte le eresie› (Elenchos) e il progetto dell’opera, in: Lingua e teologia nel cristianesimo greco. Atti del convegno tenuto a Trento l’11–12 dicembre 1997, a cura di C. Moreschini, G. Menestrina (Brescia 1999) 95–123. 1269 D. A. Bertrand: Hippolyte de Rome, in: DPhA III (2000) 791–799. 1270 A. P. Bos: Basilides as an Aristotelianizing Gnostic, in: VChr 54 (2000) 44–60. 1271 J. Frickel: Hippolyt von Rom, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart 3 (42000) 1783–1784. 1272 E. Prinzivalli: Ippolito, antipapa, santo, in: Enciclopedia dei Papi 1 (Roma 2000) 246– 257. 1273 J. A. Cerrato: Hippolytus between East and West. The Commentaries and the Provenance of the Corpus (Oxford 2002) [Oxford Theological Monographs]. 1274 B. R. Suchla: Hippolyt, in: LacL (32002) 336–339. 1275 E. Castelli: Il prologo del Peri pantos, in: VetChr 42 (2005) 37–57. 1276 B. Pouderon: La notice d’Hippolyte sur Simon: Cosmologie, anthropologie et em bryologie, in: Les Pères de l’Église face à la science médicale de leur temps, sous la direction de V. Boudon-Millot, B. Pouderon (Paris 2005) [ThH 117] 49–71. 1277 O. Andrei: Dalle Chronographiai di Giulio Africano alla Synagoge di ‘Ippolito’. Un dibattito sulla scrittura cristiana del tempo, in: Julius Africanus und die christliche Weltchronistik, herausgegeben von M. Wallraff (Berlin, Boston 2006) [TU 157] 113–145. 1278 E. Castelli: La trasformazione del rapporto tra cristianesimo e impero nei primi decenni del III secolo a Roma: nuove prospettive sull’autore del Peri pantos, in: Annali di storia dell’esegesi 23 (2006) 143–163. 1279 C. Pierantoni: El enigma de los dos Hippólitos, in: Teología y vida 47 (2006) 55–75.
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1280 O. Andrei: Spazio geografico, etnografia ed evangelizzazione nella Synagoge di Ippolito, in: ZAC 11 (2007) 221–278. 1281 J. A. Kelhoffer: ‘Hippolytus’ and Magic. An Examination of Elenchos IV 28–42 and Related Passages in Light of the Papyri Graecae Magicae, in: ZAC 11 (2007) 517– 548. 1282 E. Norelli: Un testimonium sur l’Antichrist (Hippolyte, L’antichrist 15 et 54), in: Poussières de christianisme et de judaïsme antiques. Études réunies en l’honneur de Jean-Daniel Kaestli et Eric Junod, éditées par A. Frey, R. Gounelle (Lausanne 2007) 245–270. 1283 P. Volpe Cacciatore: Il fr. plutarcheo 24 Sand., in: Ploutarchos 5 (2007–2008) 99–105. 1284 E. Castelli: La chiesa, la cattedra, il rotolo: l’identità della statua d’Ippolito alla luce del ‘Pastore di Erma’, in: Augustinianum 48 (2008) 305–322. 1285 W. B. Shelton: Martyrdom from Exegesis in Hippolytus: An Early Church Presbyter’s Commentary on Daniel (Eugene 2008) [Studies in Christian History and Thought]. 1286 M. L. West: A Vagina in Search of an Author, in: CQ 58 (2008) 370–375. 1287 E. Castelli: The Author of the ‹Refutatio omnium haeresium› and the Attribution of the ‹De Universo› to Flavius Josephus, in: VetChr 46 (2009) 17–30. 1288 W. Löhr: Heilsgeschichte und Universalgeschichte im antiken Christentum, in: Heil und Geschichte. Die Geschichtsbezogenheit des Heils und das Problem der Heilsgeschichte in der biblischen Tradition und in der theologischen Deutung, herausgegeben von J. Frey, St. Krauter, H. Lichtenberger (Tübingen 2009) [WUNT 248] 535–558. 1289 M. Simonetti: Per un profilo dell’autore dell’Elenchos, in: VetChr 46 (2009) 157–173. 1290 Des évêques, des écoles et des hérétiques. Actes du Colloque international sur la «Réfutation de toutes les hérésies», Genève, 13–14 juin 2008, édités par G. Aragione, E. Norelli (Lausanne 2011). 1291 G. Aragione: Guerre-éclair contre les hérétiques, guerre de position contre les philo sophes: l’Elenchos et ses protagonistes, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 73–101]. 1292 A. P. Bos: Basilides of Alexandria disqualified as not a Christian but an Aristotelian by the author of the Elenchos, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 103–118].
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Q. Septimius Florens Tertullianus
1293 A. Brent: The Elenchos and the Identification of Christian communities in Second – Early Third Century Rome, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 275–314]. 1294 E. Castelli: Un falso letterario sotto il nome di Flavio Giuseppe. Ricerche sulla tradi zione del Περὶ τοῦ παντός e sulla produzione letteraria cristiana a Roma nei primi decenni del III secolo (Münster 2011) [JbAC Ergänzungsband, kleine Reihe 7]. 1295 G. Ducœur: Les hérésiarques chrétiens à l’École des sages d’Orient?, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 167–188]. 1296 W. Löhr: The Continuing Construction of Heresy: Hippolyt’s Refutatio in Context, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 25–42]. 1297 A. Longo: Empedocle e l’allegoria nella Confutazione di tutte le eresie attribuita a Ippolito di Roma, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 119–133]. 1298 E. Norelli: Des évêques, des écoles et des hérétiques: un colloque international, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 3–23]. 1299 E. Norelli: Construire l’opposition entre orthodoxie et hérésie à Rome au IIIe siècle, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 233–255]. 1300 B. Pouderon: Hippolyte, un regard sur l’hérésie entre tradition et invention, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 43–71]. 1301 C. Scholten: Autor, Anliegen und Publikum der Refutatio, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 135–166]. 1302 G. Sfameni Gasparro: I rischi dell’Hellenismòs: astrologia ed eresia nella Refutatio omnium haeresium, in: Aragione, Norelli 2011 [*1290: 189–217].
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1303 C. Moreschini: Motivi ed intenti dell’Elenchos di ‘Ippolito’, in: Temi e forme della polemica in età cristiana (III–V secolo), a cura di M. Marin, M. Veronese (Bari 2012) [Auctores nostri. Studi e testi di letteratura cristiana antica 9] 215–232. 1304 O. Vox: Das Plagiat als polemisches Motiv und die ‹Refutatio omnium haeresium›, in: Lessico, argomentazioni e strutture retoriche nella polemica di età cristiana (III–V sec.), a cura di A. Capone (Turnhout 2012) [Recherches sur les rhétoriques religieuses 16] 175–188. 1305 E. Norelli: Da dove emerge l’Anticristo? Riesame dell’ἀντίχριστος nelle Lettere di Giovanni, in: L’ultimo nemico di Dio. Il ruolo dell’Anticristo nel cristianesimo antico e tardoantico, a cura di A. D’Anna, E. Valeriani (Bologna 2013) 15–46. 1306 J. Secord: Medicine and Sophistry in Hippolytus’ Refutatio, in: StPatr 65 (2013) 217–224. 1307 K. Bracht: Hippolyts Schrift In Danielem. Kommunikative Strategien eines frühchristlichen Kommentars (Tübingen 2014) [STAC 85]. 1308 M. Rizzi: Anticristo. L’inizio della fine del mondo (Bologne 2015). 1309 Y. Smith: The Mystery of Anointing. Hippolytus’ Commentary on the Song of Songs in Social and Critical Contexts. Texts, Translations and Comprehensive Study (Piscataway NJ 2015) [Gorgias Studies in Early Christianity and Patristics 62].
Q. Septimius Florens Tertullianus
Gesamtausgaben 1315 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera ex recensione A. Reifferscheid et G. Wissowa, Pars I (Prag, Wien, Leipzig 1890) [CSEL 20]. 1316 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera ex recensione Aem. Kroymann, Pars III (Wien, Leipzig 1906) [CSEL 47]. 1317 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Apologeticum secundum utramque libri recensionem edidit H. Hoppe, Tertulliani editionis partis II volumen prius (Wien, Leipzig 1939) [CSEL 69].
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1318 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera ex recensione Aem. Kroymann, Tertulliani editionis partis II volumen posterius (Wien, Leipzig 1942) [CSEL 70]. 1319 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars I: Opera Catholica, Adversus Marcionem (Turnholti 1954) [CCSL 1]. 1320 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars II: Opera Montanistica (Turnholti 1954) [CCSL 2].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1321 Quinti Septimi Florentis Tertulliani Opera. Pars IV: Ad martyras, Ad Scapulam, De fuga in persecutione, De monogamia, De virginibus velandis, De pallio. Opera Aem. Kroymann usus edidit V. Bulhart, De paenitentia edidit Ph. Borleffs (Wien 1957) [CSEL 76].
Einzelausgaben und Kommentare 1327 Tertullien: Apologétique. Texte établi et traduit par J.-P. Waltzing avec la collaboration de A. Severyns (Paris 1929) [CUF]. 1328 Tertullien: Apologétique. Commentaire analytique, grammatical et historique par J.-P. Waltzing (Paris 1931). 1329 Q. S. Fl. Tertullianus: De pallio. Kritische Uitgave met Vertaling en Commentaar door A. Gerlo, Doctor in de Wijsbegeerte en Letteren met een Voorrede van P. van de Woestijne, Professor ord. aan de Universiteit te Gent. I: Inleiding, Tekst en Vertaling; II: Commentaar (Wetteren 1940). 1330 Quinti Septimi Florentis Tertulliani De anima, by J. H. Waszink (Amsterdam 1947; ND Leiden, Boston 2010) [VChr Suppl. 100]. 1331 Tertullian: Apologeticum – Verteidigung des Christentums. Lateinisch und Deutsch, herausgegeben, übersetzt und erläutert von C. Becker (München 1952, 41992). 1332 Tertullien: Traité du Baptême. Texte, introduction et notes de R. F. Refoulé, traduction en colloboration avec M. Drouzy (Paris 1952) [SC 35]. 1333 Q. Septimii Florentis Tertulliani De carne Christi liber – Tertullian’s Treatise on the Incarnation. The Text Edited with an Introduction, Translation and Commentary by E. Evans (London 1956). 1334 Quinti Septimii Florentis Tertulliani Adversus Hermogenem liber, quem ad fidem codicum recensuit prolegomenisque instruxit J. H. Waszink (Utrecht, Antwerpen 1956) [Stromata Patristica et Mediaevalia 5]. 1335 Tertullien: Traité de la Prescription contre les Hérétiques. Introduction, texte critique, et notes de R. F. Refoulé, traduction de P. de Labriolle (Paris 1957) [SC 46]. 1336 Q. S. Fl. Tertulliani De testimonio animae. Introduzione, testo e commento di C. Tibiletti (Turin 1959). 1337 Q. Septimi Florentis Tertulliani de resurrectione carnis liber – Tertullian’s Treatise on the Resurrection. The Text Edited with an Introduction, Translation and Commentary by E. Evans (London 1960).
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1338 Quinti Septimii Florentis Tertulliani De baptismo edidit et commentario critico in struxit B. Luiselli (Turin 1960) [Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum]. 1339 Q. S. F. Tertulliani Ad martyras. Prolegomeni, testo critico, traduzione e commento di A. Quacquarelli (Roma 1963). 1340 Q. S. F. Tertulliani Adversus Iudaeos, mit Einleitung und kritischem Kommentar heraus gegeben von H. Tränkle (Wiesbaden 1964). 1341 Q. Septimi Florentis Tertulliani De corona – Tertullien, Sur la couronne. Édition, introduction et commentaire de J. Fontaine (Paris 1966) [Érasme]. 1342 Tertullien: La Toilette des Femmes (De cultu feminarum). Introduction, texte critique, traduction et commentaire de M. Turcan (Paris 1971) [SC 173]. 1343 Tertulliani Adversus Marcionem edidit C. Moreschini (Milano, Varese 1971) [Testi e documenti per lo studio dell’antichità 35]. 1344 Tertullian: Adversus Marcionem, edited and translated by E. Evans. I: Books 1 to 3; II: Books 4 and 5 (Oxford 1972) [OECT]. 1345 Tertullien: La chair du Christ, I. Introduction, texte critique, traduction et commentaire de J.-P. Mahé (Paris 1975) [SC 216]. 1346 Tertullien: À son épouse. Introduction, texte critique, traduction et notes de Ch. Munier (Paris 1980) [SC 273]. 1347 Tertullien: Contre les Valentiniens. I: Introduction, texte critique et traduction par J.-C. Fredouille; II: Commentaire et index par J.-C. Fredouille (Paris 1980) [SC 280–281]. 1348 Tertullien: De la Patience. Introduction, texte critique, traduction et commentaire par J.-C. Fredouille (Paris 1984) [SC 310]. 1349 Tertullien: La Pénitence. Introduction, texte critique, traduction et commentaire de Ch. Munier (Paris 1984) [SC 316]. 1350 Tertulliano: La testimonianza dell’anima, a cura di C. Tibiletti (Firenze 1984) [Biblioteca Patristica 1]. 1351 Tertullien: Exhortation à la Chasteté. Introduction, texte critique et commentaire par C. Moreschini, traduction par J.-C. Fredouille (Paris 1985) [SC 319]. 1352 Q. Septimi Florentis Tertulliani Adversus Praxean. Editionem criticam cum prolegomenis, italica interpretatione, notis et indicibus curavit I. Scarpat (Torino 1985) [Corona Patrum 12]. 1353 Le premier livre Ad Nationes de Tertullien. Introduction, texte, traduction et commentaire de A. Schneider (Rome 1986) [Bibliotheca Helvetica Romana 9].
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Q. Septimius Florens Tertullianus
1354 Tertulliano: L’eleganza delle donne – De cultu feminarum, a cura di S. Isetta (Firenze 1986) [Biblioteca Patristica 6]. 1355 Tertullien: Les Spectacles (De spectaculis). Introduction, texte critique, traduction et commentaire de M. Turcan (Paris 1986) [SC 332]. 1356 Tertullianus: De idololatria. Critical Text, Translation and Commentary by J. H. Waszink and J. C. M. van Winden, partly based on a manuscript left behind by P. G. van der Nat (Leiden 1987) [VChr Suppl. 1]. 1357 Tertullien: Le Mariage unique (De monogamia). Introduction, texte critique, traduction et commentaire de P. Mattei (Paris 1988) [SC 343]. 1358 Tertulliano: Scorpiace, a cura di G. Azzali Bernardelli (Firenze 1990) [Biblioteca Pa tristica 14]. 1359 Tertullien: Contre Marcion, I–III (Livre I– III). Introduction, texte critique, traduction et notes par R. Braun (Paris 1990–1994) [SC 365, 368, 399]. 1360 Tertulliano: De corona. Introduzione, testo, traduzione e note a cura di F. Ruggiero (Milano 1992). 1361 Q. S. F. Tertulliani De monogamia. Editionem criticam cum prolegomenis, italica interpretatione, notis et indicibus curavit R. Uglione (Torino 1993) [Corona Patrum 15]. 1362 Tertullien: La Pudicité (De pudicitia). I: Introduction par C. Micaelli, texte critique et traduction par Ch. Munier; II: Commentaire et index par C. Micaelli (Paris 1993) [SC 394–395]. 1363 Tertullien: Le voile des vierges (De virginibus velandis). Introduction et commentaire par E. Schulz-Flügel, adaptés par P. Mattei, texte critique par E. Schulz-Flügel, traduction par P. Mattei (Paris 1997) [SC 424]. 1364 Tertullian: De pallio. A Commentary by V. Hunink (Amsterdam 2005). 1365 Tertullien: Le Manteau (De pallio). Introduction, texte critique, traduction, commentaire et index par M. Turcan (Paris 2007) [SC 513]. 1366 Tertuliano: La Penitencia, La Pudicicia, reparado por S. Vicastillo (Madrid 2011) [Fuentes Patrísticas 26]. 1367 Tertullian: Apologeticum, übersetzt und erklärt von T. Georges (Freiburg i. Br. 2011) [KfA 11].
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Übersetzungen 1373 Tertullians sämtliche Schriften. Aus dem Lateinischen übersetzt von K. A. H. Kellner. I: Die apologetischen und praktischen Schriften; II: Die dogmatischen und polemischen Schriften (Köln 1882). 1374 Tertullians private und katechetische Schriften, neu übersetzt mit Lebensabriss und Einleitungen versehen von K. A. H. Kellner (Kempten, München 1912) [BKV 7]. 1375 Tertullians apologetische, dogmatische und montanistische Schriften, übersetzt und mit Einleitungen versehen von K. A. H. Kellner, durchgesehen und herausgegeben von G. Esser (Kempten, München 1915) [BKV 24]. 1376 Q. Septimi Florentis Tertulliani Apologeticus. The Text of Oehler annotated, with an Introduction, by J. E. B. Mayor, with a Translation by A. Souter (Cambridge 1917). 1377 Tertullians zweites Buch ‹Ad nationes› und ‹De testimonio animae›. Übertragung und Kommentar von M. Haidenthaller (Paderborn 1942) [Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums 23]. 1378 Tertullian: Treatises on Marriage and Remarriage, to his Wife, an Exhortation to Chastity, Monogamy, translated and annotated by W. P. le Saint (Westminster MD 1951). 1379 Tertullian: The Treatise against Hermogenes, translated and annotated by J. H. Waszink (London 1956) [AChW 24]. 1380 Ch. Stücklin: Tertullian, De virginibus velandis. Übersetzung, Einleitung, Kommentar. Ein Beitrag zur altkirchlichen Frauenfrage (Bern, Frankfurt a. M. 1974) [Europäische Hochschulschriften, Reihe 23, Theologie 26]. 1381 Quinti Septimi Florentis Tertulliani De virginibus velandis. Einleitung, Text, deutsche Übersetzung, theologischer und philologischer Kommentar von E. Schulz-Flügel (Diss. Göttingen 1977). 1382 Tertullian: Über die Seele. Über die Seele (De anima), das Zeugnis der Seele (De testimonio animae), vom Ursprung der Seele (De censu animae), eingeleitet, übersetzt und erläutert von J. H. Waszink (Zürich, München 1980) [Die Bibliothek der alten Welt, Werke des Q. Septimius Florens Tertullianus, Band 1]. 1383 Tertulliano: Gli ornamenti delle donne (De cultu feminarum) a cura di M. Tasinato (Parma 1987) [Biblioteca Medievale 2]. 1384 Quintus Septimius Tertullianus: De spectaculis – Über die Spiele. Lateinisch/deutsch,
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Bibliographie zum achten Kapitel
übersetzt und herausgegeben von K.-W. Weeber (Stuttgart 1988). 1385 Tertullian: Adversus Praxean – Gegen Praxeas. Im Anhang: Hippolyt: Contra Noëtum – Gegen Noët, übersetzt und eingeleitet von H.-J. Sieben (Freiburg 2001) [FC 34]. 1386 Tertullian: De praescriptione haereticorum – Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker, übersetzt und eingeleitet von D. Schleyer (Turnhout 2002) [FC 42]. 1387 G. D. Dunn: Tertullian (London, New York 2004) [ECF]. 1388 Tertullian: De baptismo, De oratione – Von der Taufe, Vom Gebet, übersetzt und eingeleitet von D. Schleyer (Turnhout 2006) [FC 76]. 1389 Tertullian: Adversus Iudaeos – Gegen die Juden, übersetzt und eingeleitet von R. Hauses (Turnhout 2007) [FC 75].
Sekundärliteratur
Bibliographien 1395 R. Braun, F. Chapot, S. Deléani, F. Dolbeau: Chronica Tertullianea et Cyprianea 1975– 1994. Bibliographie critique de la première littérature latine chrétienne (Paris 1999). 1396 F. Chapot, S. Deléani, F. Dolbeau, J.-C. Fredouille, P. Petitmengin: Chronica Tertullianea et Cyprianea, in: REAug 48 (2002) 331–371. Biographie, Einführungen, Gesamtdarstellungen 1402 T. D. Barnes: Tertullian. A Historical and Literary Study (Oxford 1971; ND 1985). 1403 J.-C. Fredouille: Tertullien et la conversion de la culture antique (Paris 1972). 1404 H. Tränkle: Q. Septimius Florens Tertullianus, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. IV: Die Literatur des Umbruchs: Von der römischen zur christlichen Literatur, 117 bis 284 n. Chr., herausgegeben von K. Sallmann (München 1997) [HdbA VIII, 4] 438–511. 1405 H.-J. Sieben: Einleitung, in: Sieben 2001 [*1385: 7–95]. 1406 G. D. Dunn: Tertullian (London, New York 2004) [ECF]. 1407 H. M. Zilling: Tertullian. Untertan Gottes und des Kaisers (Paderborn 2004). 1408 D. E. Wilhite: Tertullian the African. An Anthropological Reading of Tertullian’s Context and Identities (Berlin 2007).
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1409 P. Henne: Tertullien l’Africain (Paris 2011). 1410 J. Alexandre: Tertullien théologien (Paris 2012). 1411 J.-C. Fredouille: Tertullien, in: DPhA VI (2016) 758–769. Einzelne Probleme 1416 G. Schelowsky: Der Apologet Tertullianus in seinem Verhältnis zu der griechisch-römischen Philosophie (Leipzig 1901). 1417 Th. Brandt: Tertullians Ethik. Zur Erfassung der systematischen Grundanschauung (Gütersloh 1929). 1418 F. J. Dölger: Die Sünde in Blindheit und Unwissenheit. Ein Beitrag zu Tertullians De Baptismo, in: Antike und Christentum 2 (1930) 222–229. 1419 G. Zimmermann: Die hermeneutischen Prinzipien Tertullians (Würzburg 1937). 1420 F. Demmel: Die Neubildungen auf -antia und -entia bei Tertullian. Eine sprachgeschichtliche Untersuchung (Immensee 1944). 1421 A. Labhardt: Tertullien et la philosophie ou la recherche d’une ‘position pure’, in: MH 7 (1950) 159–180. 1422 J. H. Waszink: Observations on Tertullian’s Treatise against Hermogenes, in: VChr 9 (1955) 129–147. 1423 F. Refoulé: Tertullien et la philosophie, in: RSR 30 (1956) 42–45. 1424 M. Spanneut: Le stoïcisme des Pères de l’Église. De Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (Paris 1957) [Patristica Sorbonensia 1]. 1425 S. Otto: Der Mensch als Bild Gottes bei Tertullian, in: Münchener Theologische Zeitschrift 10 (1959) 276–282. 1426 S. Otto: Natura und dispositio. Untersuchungen zum Naturbegriff und zur Denkform Tertullians (München 1960). 1427 V. Décarie: Le paradoxe de Tertullien, in: VChr 15 (1961) 23–31. 1428 E. Heitsch: Die nicht-philosophische ΑΛΗΘΕΙΑ, in: Hermes 90 (1962) 24–33. 1429 O. Kuss: Zur Hermeneutik Tertullians, in: Neutestamentliche Aufsätze. FS Josef Schmid, herausgegeben von J. Blinzler, O. Kuss, F. Mussner (Passau 1963) 138–160. 1430 J. Pépin: Théologie cosmique et théologie chrétienne (Ambroise, Exam. I 1,1–4) (Paris 1964). 1431 M. Spanneut: Tertullien et les premiers moralistes africains (Paris 1969).
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Q. Septimius Florens Tertullianus
1432 I. Vecchiotti: La filosofia di Tertulliano. Un colpo di sonda nella storia del cristianesimo primitivo (Urbino 1970). 1433 R. Braun: Tertullien et la philosophie paїenne. Essai de mise au point, in: BAGB (Paris 1971) 231–251. 1434 R. D. Sider: Ancient Rhetoric and the Art of Tertullian (Oxford 1971) [Oxford Theological Monographs]. 1435 J. Klein: Tertullian. Christliches Bewusstsein und sittliche Forderungen. Ein Beitrag zur Geschichte der Moral und ihrer Systembildung (Hildesheim 1975). 1436 Th. G. Ring: Auctoritas bei Tertullian, Cyprian und Ambrosius (Würzburg 1975). 1437 C. Tibiletti: Stoicismo nell’Ad Martyras di Tertulliano, in: Augustinianum 15 (1975) 309–323. 1438 A. B. Muñoz: El antifilosofismo de Tertu liano y la fe come reconocimiento, in: Revista Española de Teología 36 (1976) 3–28, 233–250. 1439 G. Bray: The Legal Concept of Ratio in Tertullian, in: VChr 31 (1977) 94–116. 1440 F.-P. Hager: Zur Bedeutung der griechischen Philosophie für die christliche Wahrheit und Bildung bei Tertullian und Augustin, in: A&A 24 (1978) 76–84. 1441 C. Moreschini: Tertulliano tra Stoicismo e Platonismo, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 367–379. 1442 L. F. Pizzolato: Tertulliano e la dialettica, in: Paradoxos politeia. Studi patristici in onore di Giuseppe Lazzati, a cura di R. Cantalamessa, L. F. Pizzolato (Milano 1979) 145– 177. 1443 C. Rambaux: Tertullien face aux morales des trois premiers siècles (Paris 1979). 1444 I. L. S. Balfour: The Relationship of Man to God, from Conception to Conversion, in the Writings of Tertullian (Edinbourgh 1980). 1445 A. W. Meis: El problema de Dios en Tertu liano, in: Teologia y Vida 21 (1980) 271–285. 1446 J. M. Hallman: The Mutability of God, Tertullian to Lactantius, in: Theological Studies 42 (1981) 373–393. 1447 J. C. M. van Winden: Idolum and idololatria in Tertullian, in: VChr 36 (1982) 108–114. 1448 C. Moreschini: Monoteismo cristiano e monoteismo platonico nella cultura latina dell’età imperiale, in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 133–161.
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1449 C. Tibiletti: Natura e salvezza in Tertulliano, in: Augustinianum 23 (1983) 383–397. 1450 R. Bélanger: Le plaidoyer de Tertullien pour la liberté religieuse, in: Studies in Religion/ Science religieuse 14 (1985) 281–291. 1451 B. J. Hilberath: Der Personbegriff der Trinitätstheologie in Rückfrage von Karl Rahner zu Tertullians ‹Adversus Praxean› (Innsbruck, Wien 1986) [Innsbrucker theologische Studien 17]. 1452 B. Weiss: Die «anima naturaliter christiana» im Verständnis Tertullians, in: Das Menschenbild des Nikolaus von Kues und der christliche Humanismus. FS Rudolph Haubst, herausgegeben von M. Bodewig, J. Schmitz, R. Weier (Mainz 1987) 292–304. 1453 D. K. House: The Relation of Tertullian’s Christology to Pagan Philosophy, in: Dionysius 12 (1988) 29–36. 1454 L. J. van der Lof: Tertullian on the Contin ued Existence of Things and Beings, in: REAug 34 (1988) 14–24. 1455 H. Steiner: Das Verhältnis Tertullians zur antiken Paideia (St. Ottilien 1989). 1456 J. Stelzenberger: Die Beziehungen der frühchristlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa. Eine moralgeschichtliche Studie (Hildesheim 1989). 1457 R. Braun: Tertullien devant les hérésies gnostiques, foi et raison, in: Aspects de l’œuvre de Tertullien, édité par R. Braun, C. Rambaux (Toulouse 1990) 1–13. 1458 A. Schneider: O testimonium animae naturaliter christianae! (Tertullien Apol. 17,6), in: MH 48 (1991) 320–328. 1459 P. Siniscalco: «Anima sine materia stabili». Per la storia dell’interpretazione di alcuni passi di Tertulliano (Apol. 48,4; Test. 4,1), in: Autour de Tertullien. Hommage à René Braun, édité par J. Granarolo (Nice 1991) 111–128. 1460 P. Leisching: Veritas und ratio als Geltungsgrund des Rechts. Die consuetudo-Lehre des Apologeten Tertullian, in: Studia in honorem eminentissimi Cardinalis Alphonsi M. Stickler, curante R. I. Castillo Lara (Roma 1992) 241–268. 1461 C. Tibiletti: Note in margine a idolatria eresia e filosofia in Tertulliano, in: Augustinianum 32 (1992) 77–89. 1462 Ch. Gnilka: Chrêsis. Die Methode der Kirchenväter im Umgang mit der antiken Kultur. II: Kultur und Konversation (Basel 1993).
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Bibliographie zum achten Kapitel
1463 G. Hébert: Tertullien. Une philosophie de l’histoire, in: Penser la foi. Recherches en théologie aujourd’hui. Mélanges offerts à Joseph Moingt, sous la direction de J. Doré, Ch. Theobald (Paris 1993) 413–423. 1464 D. L. Hoffman: The Status of Woman and Gnosticism in Irenaeus and Tertullian (Ann Arbor 1994). 1465 W. Kinzig: Novitas Christiana. Die Idee des Fortschritts in der alten Kirche bis Eusebius (Göttingen 1994) [FKDG 58]. 1466 H. W. Thönnes: Caelestia recogita et terrena despicies. Altkirchliche Apologetik am Beispiel Tertullians im Vergleich mit modernen Entwürfen (Frankfurt a. M. 1994) [Europäische Hochschulschriften, Reihe 23, Theologie 505]. 1467 C. Tibiletti: Postilla sul tema dell’anima christiana per natura (Tertulliano, Apol. 17,6), in: Augustinianum 34 (1994) 447–454. 1468 E. Osborn: Tertullian. First Theologian of the West (Cambridge 1997). 1469 E. Osborn: Tertullian as a Philosopher and Roman, in: Die Weltlichkeit des Glaubens in der Alten Kirche. FS Ulrich Wickert, herausgegeben von D. Wyrwa, B. Aland, Chr. Schäublin (Berlin, New York 1997) [BZNW 85] 231–247. 1470 F. Dünzl: Pneuma. Funktionen des theologischen Begriffs in frühchristlicher Literatur (Münster 2000) [JbAC Ergänzungsband 30]. 1471 J. Alexandre: Une chair pour la gloire. L’anthropologie réaliste et mystique de Tertullien (Paris 2001). 1472 W. Bähnk: Von der Notwendigkeit des Leidens. Die Theologie des Martyriums bei Tertullian (Göttingen 2001). 1473 J. Leal: La antropología de Tertuliano. Estudio de los tratados polémicos de los años 207–212 d. C. (Roma 2001). 1474 P. Mattei: Angelus ad imaginem? L’an thropologie de Tertullien: Vue d’ensemble et nouveaux aperçus par le biais de son angélologie (avec une note conjointe sur Novatien), in: Augustinianum 41 (2001) 291–327. 1475 B. Bureau, B. Colot: Le thème de la philo sophie païenne dans la polémique chrétienne, de Lactance à Augustin, in: La parole polémique, édité par G. Declercq, M. Murat, J. Dangel (Paris 2003) 57–102. 1476 G. Hallonsten: Tertullian and Platonism – some Remarks, in: For Particular Reasons. Studies in Honour of Jerker Blomqvist, edited by A. Piltz, J. Akujärvi, V. Sabataka-
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Q. Septimius Florens Tertullianus
1488 B. A. Paschke: Tertullian on Liturgical Prayer to Christ. New Insights from De spect. 25.5 and Apol. 2.6, in: VChr 66 (2012) 20–29. 1489 É. Rebillard: Christians and Their Many Identities in Late Antiquity, North Africa, 200–450 CE (Ithaca 2012). 1490 Studia Patristica 65. Papers presented at the Sixteenth International Conference on Pa tristic Studies held in Oxford 2013, edited by M. Vinzent (Leuven 2013). 1491 R. Brumback: Tertullian’s Trinitarian Monarchy in Adversus Praxean: A Rhetorical Analysis, in: Vinzent 2013 [*1490: 367–378]. 1492 F. Chapot: Rhétorique et herméneutique chez Tertullien. Remarques sur la composition de l’Adv. Praxean, in: Vinzent 2013 [*1490: 313–330]. 1493 C. D. Dunn: Rhetoric and Tertullian: A Response, in: Vinzent 2013 [*1490: 349–358]. 1494 J. A. Harrill: Accusing Philosophy of Caus ing Headaches: Tertullian’s Use of a Comedic Topos (Praescr. 16.2), in: Vinzent 2013 [*1490: 359–368]. 1495 Th. F. Heyne: Tertullian and Obstetrics, in: Vinzent 2013 [*1490: 419–434]. 1496 A. A. Nagy: Les candélabres et les chiens au banquet scandaleux. Tertullien, Minucius Felix et les unions œdipiennes, in: Vinzent 2013 [*1490: 407–418]. 1497 W. Otten: Tertullian’s Rhetoric of Redemption: Flesh and Embodiment in De carne Christi and De resurrectione mortuorum, in: Vinzent 2013 [*1490: 331–348]. 1498 D. L. Riggs: The Apologetics of Grace in Tertullian and Early African Martyr Acts, in: Vinzent 2013 [*1490: 395–406]. 1499 E. T. Walters: Unitas ex Africa. Was Tertullian the Origo of Imperial Unification?, in: The Roman Empire during the Severan Dynasty, edited by E. C. De Sena (Piscataway NJ 2013) [American Journal of Ancient History N. S. 6–8, 2007–2009] 25–65. 1500 M. R. Wysocki: Eschatology of the Time of Persecutions in the Writings of Tertullian and Cyprian, in: Vinzent 2013 [*1490: 379–394]. Quellen 1506 T. D. Barnes: Tertullian the Antiquarian, in: StPatr 14 (1976) [TU 117] 3–20. 1507 R. M. Hübner: Die antignostische Glaubensregel des Noët von Smyrna (Hippolyt, «Refutatio» IX, 10, 9–12 und X, 27, 1–2) bei Ignatius, Irenaeus und Tertullian, in: Münchener Theologische Zeitschrift 40 (1989) 279–311.
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1508 E. Heck: Vestrum est – poeta noster. Von der Geringschätzung Vergils zu seiner Aneignung in der frühchristlichen Apologetik, in: MH 47 (1990) 102–120. 1509 C. Weidmann: Unentdeckte Dichterimita tionen in Tertullians Ad Nationes, in: WS 107/108 (1994/95) 467–481. 1510 M. Hillar: From Logos to Trinity. The Evolution of Religious Beliefs from Pythagoras to Tertullian (Cambridge 2012). 1511 Tertullian and Paul, edited by T. D. Still, D. E. Wilhite (New York 2013). 1512 D. E. Wilhite: Rhetoric and Theology in Tertullian: What Tertullian Learned from Paul, in: Vinzent 2013 [*1490: 295–312]. Wirkungsgeschichte 1518 S. L. Greenslade: Erasmus and Tertullian, in: StPatr 14 (1976) [TU 117] 37–40. 1519 C. Micaeli: L’influsso di Tertulliano su Girolamo, le opere sul matrimonio e le seconde nozze, in: Augustinianum 19 (1979) 415–429. 1520 J. F. D’Amico: Beatus Rhenanus, Tertullian and the Reformation. A Humanist’s Critique of Scholasticism, in: Archiv für Reforma tionsgeschichte 71 (1980) 37–63. 1521 K. M. Wilson: An Affront to Gold and Silver, Tertullian’s De cultu feminarum and More’s Utopia, in: Moreana 19 (1982) 69–74. 1522 H. Hagendahl: Von Tertullian zu Cassiodor. Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum (Göteborg 1983). 1523 C. Micaelli: Ricerche sulla fortuna di Tertulliano, in: Orpheus 6 (1985) 118–135. 1524 P. Petitmengin: Saint Jérôme et Tertullien, in: Jérôme entre l’Occident et l’Orient. XVIe centenaire du départ de saint Jérôme de Rome et de son installation à Bethléem. Actes du Colloque de Chantilly (septembre 1986), édités par Y.-M. Duval (Paris 1988) 43–59. 1525 C. Micaelli: Nuove ricerche sulla fortuna di Tertulliano, in: Koinonia 13 (1989) 113–126. 1526 N. Adkin: Tertullian in Jerome (epist. 22,37,1f.), in: SO 68 (1993) 129–143. 1527 J.-C. Fredouille: Tertullien en Allemagne et en France de 1870 à 1930, in: Patristique et Antiquité tardive en Allemagne et en France de 1870 à 1930. Actes du colloque franco- allemand de Chantilly (25–27 octobre 1991), édités par J. Fontaine, R. Herzog, K. Pollmann (Paris 1993) 93–101.
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Bibliographie zum achten Kapitel
1528 C. Micaelli: Tertulliano nel quarto secolo. Vittorino di Pettau e Vittricio di Rouen, in: SCO 43 (1993) 251–262. 1529 N. Cipriani: L’ispirazione tertullianea nel ‹De libero arbitrio›, in: Il mistero del male e la libertà possibile: Lettura dei Dialoghi di Agostino. Atti del V seminario del Centro di
Studi Agostiniani di Perugia, a cura di L. Alici, R. Piccolomini, A. Pieretti (Roma 1994) [StudEphAug 45] 165–178. 1530 St. Rebenich: Insania circi. Eine Tertullianreminiszenz bei Hieronymus und Augustin, in: Latomus 53 (1994) 155–158.
V. DAS ALEXANDRINISCHE CHRISTENTUM UND SEIN WEITERES EINFLUSSGEBIET
Überblick 1536 A. von Harnack: Lehrbuch der Dogmengeschichte. I: Die Entstehung des kirchlichen Dogmas (Tübingen 1881, 41909). 1537 H. Lietzmann: Geschichte der Alten Kirche. II: Ecclesia catholica (Berlin, Leipzig 1936). 1538 Alexandrian Christianity. Selected Translations of Clement and Origen with Introductions and Notes, by J. E. L. Oulton and H. Chadwick (London 1954) [The Library of Christian Classics 2]. 1539 G. af Hällström: Fides simpliciorum according to Origen of Alexandria (Helsinki 1984) [Commentationes humanarum litterarum 76]. 1540 B. A. Pearson: Earliest Christianity in Egypt, in: The Roots of Egyptian Christianity, edited by B. A. Pearson, J. E. Goehring (Philadelphia 1986) 132–159. 1541 D. T. Runia: Philo in Early Christian Literature. A Survey (Assen 1993) [Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum Section 3,3]. 1542 J. M. Modrzejewski: The Jews of Egypt. From Rameses II to Emperor Hadrian (Princeton 1995). 1543 G. G. Stroumsa: Philosophy of the Barbari ans: On Early Christian Ethnological Re presentations, in: Geschichte – Tradition – Reflexion. FS Martin Hengel, herausgegeben von H. Cancik, H. Lichtenberger, P. Schäfer (Tübingen 1996) II 339–368. 1544 W. A. Bienert: Zur Entstehung des Antiorigenismus im 3./4. Jahrhundert, in: Perrone et al. 2003 [*2050: II 829–842]. 1545 A. Le Boulluec: Die ‘Schule’ von Alexandrien, in: Die Geschichte des Christentums: Religion, Politik, Kultur. I: Die Zeit des Anfangs (bis 250), herausgegeben von L. Pietri, deutsche Ausgabe von Th. Böhm et al. (Freiburg et al. 2003) 576–621.
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1546 A. Martin: Aux origines de l’Alexandrie chrétienne: Topographie, Liturgie, Institutions, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 105–120]. 1547 S. C. Mimouni: À la recherche de la communauté chrétienne d’Alexandrie, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 137–163]. 1548 D. Wyrwa: Religiöses Lernen im zweiten Jahrhundert und die Anfänge der alexandrinischen Katechetenschule, in: Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung, herausgegeben von B. Ego, H. Merkel (Tübingen 2005) [WUNT 180] 271–305. 1549 A. Fürst: Christentum als Intellektuellen- Religion. Die Anfänge des Christentums in Alexandria (Stuttgart 2007) [Stuttgarter Bibelstudien 213]. 1550 Ch. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie (Tübingen 2007). 1551 Alexandria. A Cultural and Religious Melting Pot, edited by G. Hinge, J. A. Krasilnikoff (Aarhus 2009) [Aarhus Studies in Mediterranean Antiquity 9]. 1552 W. Löhr: Christliche ‘Gnostiker’ in Alexandria im zweiten Jahrhundert, in: Alexandria, herausgegeben von T. Georges, F. Albrecht, R. Feldmeier (Tübingen 2013) [Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1] 413–433. 1553 A. M. Schwemer: Zum Abbruch des jüdischen Lebens in Alexandria – Der Aufstand in der Diaspora unter Trajan (115 –117), in: Alexandria, herausgegeben von T. Georges, F. Albrecht, R. Feldmeier (Tübingen 2013) [Civitatum Orbis Mediterranei Studia 1] 381–399.
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Clemens von Alexandrien
Clemens von Alexandrien
Editionen und Übersetzungen 1559 Clemens Alexandrinus. I: Protrepticus und Paedagogus, herausgegeben von O. Stählin, 3. Auflage von U. Treu (Berlin 1905, 31972); II: Stromata Buch I–VI, herausgegeben von O. Stählin, 3. Auflage von L. Früchtel (Berlin 1906, 31960); III: Stromata Buch VII und VIII, Excerpta ex Theodoto, Eclogae Propheticae, Quis dives salvetur, Fragmente, herausgegeben von O. Stählin, 2. Auflage von L. Früchtel, U. Treu (Berlin 1909, 2 1970); IV: Register, Teil 1, von O. Stählin, 2. bearbeitete Auflage herausgegeben von U. Treu (Berlin 1936, 21980); IV: Register, Teil 2, von O. Stählin (Leipzig 1936) [GCS 12, 15, 17, 39]. 1560 Clément d’Alexandrie: Le Protreptique. Introduction, traduction et notes de C. Mondésert, avec la collaboration de A. Plassart (Paris 1949) [SC 2]. 1561 Clément d’Alexandrie: Les Stromates I. In troduction de C. Mondésert, traduction et notes de M. Caster (Paris 1951) [SC 30]. 1562 Clément d’Alexandrie: Les Stromates II. Introduction et notes de P. Th. Camelot, texte grec et traduction de C. Mondésert (Paris 1954) [SC 38]. 1563 Clément d’Alexandrie: Le Pédagogue. Texte grec, introduction et notes de H.-I. Marrou, traduction de M. Harl et al., I–III (Paris 1960–1970) [SC 58, 70, 108]. 1564 Clément d’Alexandrie: Extraits de Théodote. Texte grec, introduction, traduction et notes par F. Sagnard (Paris 1970) [SC 23]. 1565 Clément d’Alexandrie: Les Stromates. V. I: Introduction, texte critique et index par A. Le Boulluec, traduction de P. Voulet; II: Commentaire, bibliographie et index par A. Le Boulluec (Paris 1981) [SC 278–279]. 1566 Clément d’Alexandrie: Les Stromates VII. Introduction, texte critique, traduction et notes par A. Le Boulluec (Paris 1997) [SC 428]. 1567 Clément d’Alexandrie: Les Stromates VI. Introduction, texte critique, traduction et notes par P. Descourtieux (Paris 1999) [SC 446]. 1568 Clément d’Alexandrie: Les Stromates IV. Introduction, texte critique et notes par A. van den Hoek, traduction de C. Mondésert (Paris 2001) [SC 463].
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1569 Clément d’Alexandrie: Quel riche sera sauvé?. Introduction, notes et index par C. Nardi et P. Descourtieux, traduction par P. Descourtieux (Paris 2011) [SC 537]. 1575 Clementis Alexandrini Protrepticus, edidit M. Marcovich (Leiden et al. 1995) [VChr Suppl. 34]. 1576 Clementis Alexandrini Paedagogus, edidit M. Marcovich (Leiden, Boston 2002) [VChr Suppl. 61]. 1577 The Excerpta ex Theodoto of Clement of Alexandria, edited with Translation, Introduction and Notes by R. P. Casey (London 1934) [Studies and Documents 1].
Indices 1583 Biblia patristica. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique. I: Des origines à Clément d’Alexandrie et Tertullien (Paris 1975) [Antiquité romaine et chrétienne 7044]. 1584 Thesaurus Clementis Alexandrini opera omnia, curantibus S. Deodati et CENTAL (Turnhout 2009).
Übersetzungen 1590 The Writings of Clement of Alexandria. I: Exhortation to the Heathen, The Instructor, The Miscellanies or Stromata I; II: The Miscellanies or Stromata II–VIII, translated by W. Wilson (Edinburgh 1867–1869). 1591 Clement of Alexandria: Miscellanies Book VII. Introduction, Translation, and Notes by F. J. A. Hort, J. B. Mayor (London 1902). 1592 Clement of Alexandria: Exhortation to the Greeks, The Rich Man’s Salvation and the Fragment of an Address entitled to the Newly Baptised, with an Englisch Translation by G. W. Butterworth (Cambridge MA 1919). – Zahlreiche Nachdrucke. 1593 Des Clemens von Alexandreia ausgewählte Schriften, aus dem Griechischen übersetzt von O. Stählin. I: Mahnrede an die Heiden, Der Erzieher Buch I; II: Der Erzieher Buch II–III, Welcher Reiche wird gerettet werden?; III–V: Teppiche I–VII, Register (München 1934–1938) [BKV Reihe 2, Band 7–8, 17, 19–20].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1594 Titus Flavius Klemens von Alexandria: Die Teppiche (Stromateis). Deutscher Text nach der Übersetzung von Franz Overbeck, herausgegeben und eingeleitet von C. A. Bernoulli, L. Früchtel (Basel 1936). 1595 Clemente di Alessandria: Protrettico ai Greci, a cura di A. Pieri (Milano 1966). 1596 Il Protrettico, Il Pedagogo di Clemente Alessandrino, a cura di M. G. Bianco (Torino 1981). 1597 Clemente Alessandrino: Stromati. Note di vera filosofia. Introduzione, traduzione e note di G. Pini (Milano 1985). 1598 Clemente Alessandrino: Estratti profetici, a cura di C. Nardi (Firenze 1985). 1599 Clemente de Alejandría: El Pedagogo. Introducción por A. Castineira Fernandez, traducción y notas por J. Sariol (Madrid 1988). 1600 Clemente de Alejandría: El Pedagogo. Edición bilingüe preparada por M. Merino, E. Redondo (Madrid 1994). 1601 Clemente de Alejandría: Stromata VI–VIII. Introducción, traducción y notas de M. Merino Rodríguez (Madrid 2005) [Fuentes Patristica 17].
Sekundärliteratur
Bibliographien 1607 E. Osborn: Clement of Alexandria: A Review of Research, 1958–1982, in: The Sec ond Century 3 (1983) 219–244. 1608 M. Rizzi: Cinquant’anni di studi italiani su Clemente Alessandrino, in: Adamantius 4 (1998) 15–24. 1609 E. Osborn: One Hundred Years of Books on Clement, in: VChr 60 (2006) 367–388. 1610 A. van den Hoek: Stromateis Book VII in the Light of Recent Scholarship: Approaches and Perspectives (with Bibliography), in: The Seventh Book of the Stromateis. Proceedings of the Colloquium on Clement of Alexandria, Olomouc, October 21–23, 2010, edited by M. Havrda, V. Hušek, J. Plátová (Leiden, Boston 2012) [VChr Suppl. 117] 3–36. 1611 J. Plátová: Comprehensive Bibliography on Clement’s Scriptural Interpretation, in: Cernusková, Kovacs, Plátová 2017 [*1814: 38–52].
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Literatur 1617 Doxographi Graeci, collegit recensuit prolegomenis indicibusque instruxit H. Diels (Berolini 1879). 1618 T. Zahn: Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Literatur. III: Supplementum Clementinum (Erlangen 1884). 1619 C. Bigg: The Christian Platonists of Alexandria (Oxford 1886; ND Amsterdam 1968). 1620 P. Wendland: Philo und die kynisch-stoische Diatribe, in: Beiträge zur Geschichte der griechischen Philosophie und Religion, von P. Wendland, O. Kern (Berlin 1895) 3–75. 1621 E. de Faye: Clément d’Alexandrie. Étude sur les rapports du christianisme et de la philosophie grecque au IIe siècle (Paris 1898, ²1906; ND Frankfurt a. M. 1967). 1622 G. Anrich: Clemens und Origenes als Begründer der Lehre vom Fegefeuer, in: Theologische Abhandlungen. FS H. J. Holtzmann, dargebracht von W. Nowack et al. (Tübingen, Leipzig 1902) 97–120. 1623 J. Patrick: Clement of Alexandria (Edinburgh, London 1914). 1624 R. B. Tollinton: Clement of Alexandria. A Study in Christian Liberalism, I–II (London 1914). 1625 R. P. Casey: Clement of Alexandria and the Beginnings of Christian Platonism, in: HThR 18 (1925) 39–101. 1626 J. Meifort: Der Platonismus bei Clemens Alexandrinus (Tübingen 1928) [Heidelberger Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte 17]. 1627 P. Th. Camelot: Les idées de Clément d’Alexandrie sur l’utilisation des sciences et de la littérature profane, in: Recherches de science religieuse 21 (1931) 38–66. 1628 P. Th. Camelot: Clément d’Alexandrie et l’utilisation de la Philosophie grecque, in: Recherches de science religieuse 21 (1931) 541–560. 1629 R. E. Witt: The Hellenism of Clement of Alexandria, in: CQ 25 (1931) 195–204. 1630 E. Molland: Clement of Alexandria on the Origin of Greek Philosophy, in: SO 15 (1936) 57–85. 1631 G. Bardy: Aux origines de l’école d’Alexandrie, in: Recherches des Sciences Religieuses 27 (1937) 65–90. 1632 G. Bardy: Pour l’histoire de l’école d’Alexandrie, in: Vivre et penser 2 (1942) 80– 109.
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Clemens von Alexandrien
1633 M. Pohlenz: Klemens von Alexandreia und sein hellenisches Christentum, in: NAWG Nr. 3 (1943) 103–180. – Wieder in: Ders.: Kleine Schriften, herausgegeben von H. Dörrie (Hildesheim 1965) I 481–558. 1634 C. Mondésert: Clément d’Alexandrie. Introduction à l’étude de sa pensée religieuse à partir de l’Écriture (Paris 1944). 1635 P. Camelot: Foi et Gnose. Introduction à l’étude de la connaissance mystique chez Clément d’Alexandrie (Paris 1945). 1636 H. Karpp: Probleme altchristlicher Anthropologie. Biblische Anthropologie und philosophische Psychologie bei den Kirchenvätern des dritten Jahrhunderts (Gütersloh 1950). 1637 W. Völker: Der wahre Gnostiker nach Clemens Alexandrinus (Berlin 1952) [TU 57]. 1638 A. Méhat: «Apocatastase». Origène, Clément d’Alexandrie, Act. 3, 21, in: VChr 10 (1956) 196–214. 1639 A. Quacquarelli: I luoghi comuni contro la retorica in Clemente Alessandrino, in: Rassegna di scienze filosofiche 9 (1956) 456– 476. 1640 M. Spanneut: Le stoïcisme des Pères de l’Église. De Clément de Rome à Clément d’Alexandrie (Paris 1957) [Patristica Sorbonensia 1]. 1641 J. Pépin: Mythe et allegorie. Les origines grecques et les contestations judéo-chrétiennes (Paris 1958, 21976). 1642 P. Valentin: Héraclite et Clément d’Alexandrie, in: Recherches de science religieuse 46 (1958) 257–265. 1643 U. Riedinger: Neue Hypotyposen-Fragmente bei Pseudo-Caesarius und Isidor von Pelusium, in: ZNW 51 (1960) 154–196. 1644 P. Nautin: Lettres et Écrivains Chrétiens des IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Collectanea Patristica 2]. 1645 J. R. Donahue: Stoic Indifferents and Christian Indifference in Clement of Alexandria, in: Traditio 19 (1963) 439–446. 1646 W. Jaeger: Das frühe Christentum und die griechische Bildung, übersetzt von W. Eltester (Berlin 1963). 1647 J. H. Waszink: Some Observations on the Appreciation of «the Philosophy of the Barbarians» in Early Christian Literature, in: Mélanges offerts à Mademoiselle Christine Mohrmann (Utrecht, Anvers 1963) 41–56.
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1648 L. Alfonsi: La ‘consuetudo’ nei ‹Protrettici›, in: VChr 18 (1964) 32–36. 1649 J. Pépin: Théologie cosmique et théologie chrétienne (Ambroise, Exam. I 1,1–4) (Paris 1964). 1650 C. Oeyen: Eine frühchristliche Engelpneumatologie bei Klemens von Alexandrien, in: Internationale Kirchliche Zeitschrift 55 (1965) 102–120; 56 (1966) 27–47. 1651 H. Chadwick: Early Christian Thought and the Classical Tradition. Studies in Justin, Clement and Origen (Oxford 1966). 1652 A. Dihle: Ethik, in: RAC 6 (1966) 646–796. 1653 A. Méhat: Étude sur les ‹Stromates› de Clément d’Alexandrie (Paris 1966) [Patristica Sorbonensia 7]. – Grundlegende Untersuchung. 1654 A. Méhat: Θεὸς Ἀγάπη. Une hypothèse sur l’objet de la gnose orthodoxe, in: StPatr 9 (1966) [TU 94] 82–97. 1655 O. Prunet: La morale de Clément d’Alexandrie et le Nouveau Testament (Paris 1966). 1656 F. Bolgiani: La polemica di Clemente Alessandrino contro gli Gnostici libertini nel III libro degli ‹Stromati›, in: SMSR 38 (1967) 86–136. 1657 H. Chadwick: Clement of Alexandria, in: The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, edited by A. H. Armstrong (Cambridge 1967) 168–181. 1658 H. Steneker: ΠΕΙΘΟΥΣ ΔΗΜΙΟΥΡΓΙΑ. Observations sur la fonction du style dans le Protreptique de Clément d’Alexandrie (Nijmegen 1967). 1659 F. Solmsen: Providence and the Souls: A Platonic Chapter in Clement of Alexandria, in: MH 26 (1969) 229–251. 1660 J. Whittaker: EΠEKEINA NOΥ KAI ΟΥΣΙΑΣ, in: VChr 23 (1969) 91–104. – Wieder in: Ders.: Studies in Platonism and Pa tristic Thought (London 1984) Kap. XII. 1661 J.-P. Broudéhoux: Mariage et famille chez Clément d’Alexandrie (Paris 1970). 1662 A. Knauber: Die patrologische Schätzung des Clemens von Alexandrien bis zu seinem neuerlichen Bekanntwerden durch die ersten Druckeditionen des 16. Jahrhunderts, in: Kyriakon. FS Johannes Quasten, edited by P. Granfield, J. A. Jungmann (Münster 1970) I 289–308. 1663 W. E. G. Floyd: Clement of Alexandria’s Treatment of the Problem of Evil (London 1971) [Oxford Theological Monographs].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1664 S. Lilla: Clement of Alexandria: A Study in Christian Platonism and Gnosticism (London 1971) [Oxford Theological Monographs]. 1665 A. Brontesi: La soteria in Clemente Alessandrino (Roma 1972). 1666 H. Dörrie: Die Wertung der Barbaren im Urteil der Griechen, in: Antike und Universalgeschichte. FS Hans Erich Stier, herausgegeben von R. Stiehl, G. A. Lehmann (Münster 1972) 146–175. 1667 A. Knauber: Ein frühchristliches Handbuch katechumenaler Glaubensinitiation: Der Paidagogos des Clemens von Alexandrien, in: Münchener Theologische Zeitschrift 23 (1972) 311–334. 1668 J. Pépin: La vraie dialectique selon Clément d’Alexandrie, in: Epektasis. Mélanges pa tristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou, publiés par J. Fontaine, Ch. Kannengiesser (Paris 1972) 375–383. 1669 J. Daniélou: A History of Early Christian Doctrine before the Council of Nicaea. II: Gospel Message and Hellenistic Culture, translated and edited by J. A. Baker (London, Philadelphia 1973). – Französisches Original: Histoire des doctrines chrétiennes avant Nicée. II: Message évangélique et culture hellénistique aux IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Bibliothèque de Théologie]. 1670 H. Dörrie: Platons Reisen zu fernen Völkern. Zur Geschichte eines Motivs der Platon-Legende und zu seiner Neuwertung durch Lactanz, in: Romanitas et Christianitas. FS Henrico Waszink, ediderunt W. de Boer et al. (Amsterdam, London 1973) 99– 118. 1671 R. Mortley: The Theme of Silence in Clement of Alexandria, in: JThS 24 (1973) 197–202. 1672 P. Nautin: Genèse 1,1–2, de Justin à Origène, in: IN PRINCIPIO. Interprétations des premiers versets de la Genèse, éditées par le Centre d’Études des Religions du Livre. Laboratoire associé au C.N.R.S. (Paris 1973) 61–94. 1673 M. Smith: Clement of Alexandria and a Se cret Gospel of Mark (Cambridge MA 1973). 1674 F. Solmsen: Early Christian Interest in the Theory of Demonstration, in: Romanitas et Christianitas. FS Henrico Waszink, edid erunt W. de Boer et al. (Amsterdam, London 1973) 281–291. 1675 D. J. M. Bradley: The Transformation of the Stoic Ethic in Clement of Alexandria, in: Augustinianum 14 (1974) 41–66.
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1676 J. Ferguson: Clement of Alexandria (New York 1974). 1677 K. Schmöle: Läuterung nach dem Tode und pneumatische Auferstehung bei Klemens von Alexandrien (Münster 1974) [Münsterische Beiträge zur Theologie 38]. 1678 A. M. Ritter: Christentum und Eigentum bei Klemens von Alexandrien auf dem Hintergrund der frühchristlichen “Armenfrömmigkeit” und der Ethik der kaiserzeitlichen Stoa, in: ZKG 86 (1975) 1–25. 1679 R. Mortley: The Mirror and I Cor. 13,12 in the Epistemology of Clement of Alexandria, in: VChr 30 (1976) 109–120. 1680 P. Nautin: La fin des Stromates et les Hypotyposes de Clément d’Alexandrie, in: VChr 30 (1976) 268–302. 1681 E. Osborn: Ethical Patterns in Early Christian Thought (Cambridge et al. 1976). 1682 E. A. Clark: Clement’s Use of Aristotle. The Aristotelian Contribution to Clement of Alexandria’s Refutation of Gnosticism (New York, Toronto 1977) [Texts and Studies in Religion 1]. 1683 T. Nikolaou: Die Willensfreiheit bei Klemens von Alexandrien, in: Philosophia 7 (1977) 384–400. 1684 C. N. Tsirpanlis: Creation and History in the Thought of Clement of Alexandria, in: Diakonia 12 (1977) 257–265. 1685 A. Méhat: Clemens von Alexandrien, in: TRE 8 (1981) 101–113. 1686 F. Di Benedetto: Un nuovo frammento delle Ipotiposi di Clemente Alessandrino, in: Sileno 9 (1983) 75–82. 1687 G. May: Platon und die Auseinandersetzung mit den Häresien bei Klemens von Alexan drien, in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 123–132. 1688 J. Whittaker: APPHTOΣ KAI AKATONO MAΣTOΣ, in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 303–306. – Wieder in: Ders.: Studies in Platonism and Pa tristic Thought (London 1984) Kap. XII. 1689 D. Wyrwa: Die christliche Platonaneignung in den Stromateis des Clemens von Alexandrien (Berlin, New York 1983) [AKG 53]. 1690 J. Mansfeld: On two Fragments of Heraclitus in Clement of Alexandria, in: Mnemosyne 37 (1984) 447–451.
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Clemens von Alexandrien
1691 A. M. Ritter: Klemens von Alexandrien, in: Gestalten der Kirchengeschichte. I: Alte Kirche, herausgegeben von M. Greschat (Stuttgart 1984) 121–133. 1692 R. Bauckham: The Fall of the Angels as the Source of Philosophy in Hermias and Clem ent of Alexandria, in: VChr 39 (1985) 313– 330. 1693 A. Le Boulluec: La notion d’hérésie dans la littérature grecque. IIe –IIIe siècles, I–II (Paris 1985). 1694 R. Mortley: From Word to Silence. II: The Way of Negation, Christian and Greek (Bonn 1986). 1695 J. Pépin: De la philosophie ancienne à la théologie patristique (London 1986). 1696 ΑΛΕΞΑΝΔΡΙΝΑ. Hellénisme, Judaïsme et Christianisme à Alexandrie. FS Claude Mondésert (Paris 1987). 1697 M. G. Bianco: «Consuetudo – synétheia» in Minucio Felice e Clemente Alessandrino, in: Crescità dell’uomo nella catechesi dei Padri (età prenicena). Convegno di studio e aggiornamento, Facoltà di Lettere cristiane e classiche (Pontificium Institutum Altioris Latinitatis), Roma, 14–16 marzo 1986, a cura di S. Felici (Roma 1987) [Biblioteca di scienze religiose 78] 189–202. 1698 A. Guillaumont: Le gnostique chez Clément d’Alexandrie et chez Évagre le Pontique, in: ΑΛΕΞΑΝΔΡΙΝΑ 1987 [*1696: 195–201]. 1699 A.-G. Hamman: L’Homme, image de Dieu. Essai d’une anthropologie chrétienne dans l’Église des cinq premiers siècles (Paris 1987). 1700 M. Irvine: Interpretation and Semiotics of Allegory in Clement of Alexandria, Origen and Augustine, in: Semiotica 63 (1987) 33– 71. 1701 A. Le Boulluec: L’École d’Alexandrie. De quelques aventures d’un concept historiographique, in: ΑΛΕΞΑΝΔΡΙΝΑ 1987 [*1696: 403–417]. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 13–27]. 1702 R. Merkelbach: Un petit αἴνιγμα dans le Prologue du Protreptique, in: ΑΛΕΞΑΝΔΡΙΝΑ 1987 [*1696: 191–194]. 1703 E. Osborn: Clément, Plotin et l’Un, in: ΑΛΕΞΑΝΔΡΙΝΑ 1987 [*1696: 173–189]. 1704 Ch. Riedweg: Mysterienterminologie bei Platon, Philon und Klemens von Alexan drien (Berlin, New York 1987) [UaLG 26]. 1705 L. Rizzerio: La nozione di ἀκολουθία come ‘logica della verità’ in Clemente di Alessandria, in: Rivista di filosofia neo-scolastica 79 (1987) 175–195.
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1706 L. Rizzerio: Note di antropologia in Clemente di Alessandria. Il problema della divisione dell’anima e dell’animazione dell’uomo, in: Sandalion 10–11 (1987–1988) 115–143. 1707 P. Brown: Men, Women and Sexual Renunciation in Early Christianity (London, Boston 1988). 1708 A. Dihle: Heilig, in: RAC 14 (1988) 1–63. 1709 A. van den Hoek: Clement of Alexandria and his use of Philo in the Stromateis. An early Christian reshaping of a Jewish model (Leiden et al. 1988). 1710 A. J. Droge: Homer or Moses? Early Christian Interpretations of the History of Culture (Tübingen 1989) [Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 26]. 1711 D. Kinder: Clement of Alexandria: Conflict ing Views on Women, in: The Second Century 7 (1989) 213–220. 1712 A. M. Ritter: Clement of Alexandria and the Problem of Christian Norms, in: StPatr 18 (1989) 421–439. 1713 L. Roberts: Clement of Alexandria: Stroma teis VIII and modal causality, in: StPatr 18 (1989) 441–453. 1714 A. van den Hoek: How Alexandrian was Clement of Alexandria? Reflections on C lement and his Alexandrian Background, in: The Heythrop Journal 31 (1990) 179–194. 1715 A. Le Boulluec: Clément d’Alexandrie et la conversion du «parler grec», in: ΕΛΛHNIΣΜOΣ. Quelques jalons pour une histoire de l’identité grecque, édité par S. Said (Leiden 1991) 233–250. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 63–79]. 1716 D. Dawson: Allegorical Readers and Cultural Revision in Ancient Alexandria (Berkeley, Los Angeles 1992). 1717 C. Harrison: The Childhood of Man in Early Christian Writers (Theophilus, Irenaeus, Clement), in: Augustinianum 32 (1992) 61–76. 1718 Ch. Markschies: «Die wunderliche Mär von zwei Logoi …». Clemens Alexandrinus, Frgm. 23 – Zeugnis eines Arius ante Arium oder des arianischen Streits selbst?, in: Logos. FS Luise Abramowski, herausgegeben von H. Ch. Brennecke, E. L. Grasmück, Ch. Markschies (Berlin 1993) [BZNW 67] 193–219. 1719 D. T. Runia: Philo in Early Christian Literature. A Survey (Assen 1993) [Compendia Rerum Iudaicarum ad Novum Testamentum Section 3,3].
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Bibliographie zum achten Kapitel
1720 E. F. Osborn: Arguments for Faith in Clem ent of Alexandria, in: VChr 48 (Leiden 1994) 1–24. 1721 J. M. Blázquez: El empleo de la literature Greco-romana en el ‹Pedagogo› III de Clemente Alejandría, in: Gerion 13 (1995) 169– 184. 1722 A. H. Criddle: On the Mar Saba Letter Attributed to Clement of Alexandria, in: JECS 3 (1995) 215–220. 1723 A. Méhat: Sur deux définitions de la prière, in: Dorival, Le Boulluec 1995 [*2048: 115–120]. 1724 D. Ridings: The Attic Moses. The Dependency Theme in Some Early Christian Writ ers (Stockholm 1995) [Studia Graeca et Latina Gothoburgensia 59]. 1725 D. T. Runia: Why Does Clement of Alexandria Call Philo «the Pythagorean»?, in: VChr 49 (1995) 1–22. 1726 C. Scholten: Die alexandrinische Katechetenschule, in: JbAC 38 (1995) 16–37. 1727 A. Le Boulluec: La lettre sur l’«Évangile secret» de Marc et le Quis dives salvetur? de Clément d’Alexandrie, in: Apocrypha 7 (1996) 27–41. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 291–302]. 1728 L. Rizzerio: Clemente di Alessandria e la «φυσιολογία veramente gnostica». Saggio sulle origini e le implicazioni di un’epistemologia e di un’ontologia ‘cristiane’ (Leuven et al. 1996). 1729 J. L. Kovacs: Concealment and Gnostic Exegesis: Clement of Alexandria’s Interpretation of the Tabernacle, in: StPatr 31 (1997) 414–437. 1730 Ch. Markschies: Valentinian Gnosticism. Toward the Anatomy of a School, in: The Nag Hammadi Library after Fifty Years. Proceedings of the 1995 Society of Biblical Literature Commemoration, edited by J. D. Turner, A. McGuire (Leiden 1997) 401–438. 1731 L. Rizzerio: Foi, Gnosis, Dialectique, Logique: notes à propos de Stromates VIII de Clément d’Alexandrie, in: StPatr 31 (1997) 522–529. 1732 L. Rizzerio: Platon, apôtre des Grecs dans l’œuvre de Clément d’Alexandrie, in: Images de Platon et lectures de ses œuvres. Les interprétations de Platon à travers les siècles, édité par A. Neschke-Hentschke, avec la collaboration de A. Étienne (Louvain-la-Neuve et al. 1997) 53–78. 1733 L. Rizzerio: Questions d’interprétation. La philosophie peut-elle s’écrire? Réflexions sur la tradition platonicienne, in: Éditer, tra-
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duire, interpréter. Essais de méthodologie philosophique, par P. W. Rosemann et al., sous la direction de S. G. Lofts et P. W. Rosemann (Louvain, Paris 1997) [Philosophes médiévaux 36] 143–170. 1734 A. van den Hoek: The ‘Catechetical’ School of Early Christian Alexandria and its Phi lonic Heritage, in: HThR 90 (1997) 59–87. 1735 A. Le Boulluec: Pour qui, pourquoi, comment? Les «Stromates» de Clément d’Alexandrie, in: Entrer en matière. Les prologues, sous la direction de J.-D. Dubois et B. Roussel (Paris 1998) 23–36. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 95–108]. 1736 L. Rizzerio: L’accès à la transcendance divine selon Clément d’Alexandrie: dialectique platonicienne ou expérience de l’‘union chrétienne’?, in: REAug 44 (1998) 159–179. 1737 R. A. Baker: The Secret Oral Tradition of Jesus in Clement of Alexandria’s Stromateis, in: Prayer and Spirituality in the Early Church, edited by P. Allan, W. Mayer, L. Cross (Everton Park 1999) II 229–243. 1738 M. Baltes: Der Platonismus und die Weisheit der Barbaren, in: Traditions of Platonism. Essays in Honour of John Dillon, edited by J. J. Cleary (Aldershot et al. 1999) 115–138. 1739 D. K. Buell: Making Christians. Clement of Alexandria and the Rhetoric of Legitimacy (Princeton 1999). 1740 P. P. Kravites: Evil, Freedom, and the Road to Perfection in Clement of Alexandria (Leiden 1999) [VChr Suppl. 63]. 1741 U. Schneider: Theologie als christliche Philosophie. Zur Bedeutung der biblischen Botschaft im Denken des Clemens von Alexandria (Berlin, New York 1999) [AKG 73]. 1742 M. Becker: Klugheit (φρόνησις) im Argumentationszusammenhang der Stromateis des Clemens Alexandrinus, in: JbAC 43 (2000) 44–54. 1743 J. Behr: Asceticism and Anthropology in Irenaeus and Clement (Oxford 2000) [OECS]. 1744 M. J. Edwards: Clement of Alexandria and His Doctrine of the Logos, in: VChr 54 (2000) 159–177. 1745 R. Sorabji: Emotion and Peace of Mind. From Stoic Agitation to Christian Temptation (Oxford 2000). 1746 J. L. Kovacs: Divine Pedagogy and the Gnostic Teacher According to Clement of Alexandria, in: JECS 9 (2001) 3–25.
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Clemens von Alexandrien
1747 M. Rizzi: Il fondamento epistemologico della mistica in Clemente Alessandro, in: Origene, maestro di vita spirituale, a cura di L. F. Pizzolato, M. Rizzi (Milano 2001) [Studia Patristica Mediolanensia 22] 91–122. 1748 A. Servino: Clemente Alexandrino. Il pro blema di Stromata VIII, in: Quaderni del Dipartimento di Filologia, Linguistica e Tradizione Classica Augusto Rostagni (Bologna 2001) 97–104. 1749 A. Breitenbach: Wer christlich lebt, lebt gesund. Medizinische und physiologische Argumentation im Paidagogos des Klemens von Alexandrien, in: JbAC 45 (2002) 24–49. 1750 A. Choufrine: Gnosis, Theophany, Theosis. Studies in Clement of Alexandria’s Appro priation of his Background (New York et al. 2002) [Patristic Studies 5]. 1751 A. C. Dinan: Fragments in Context: Clement of Alexandria’s Use of Quotations from Heraclitus (Diss. The Catholic University of America 2002). 1752 J. Lössl: Der Glaubensbegriff des Klemens von Alexandrien im Kontext der hellenistischen Philosophie, in: Theologie und Philosophie 77 (2002) 321–337. 1753 M. Spanneut: L’Apatheia chrétienne aux quatre premiers siècles, in: Proche-Orient Chrétien 52 (2002) 165–302. 1754 J. L. Kovacs: Echoes of Valentinian Exegesis in Clement of Alexandria and Origen: The Interpretation of 1Cor 3,1–3, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 317–329]. 1755 A. Le Boulluec: Die ‘Schule’ von Alexandrien, in: Die Geschichte des Christentums: Religion, Politik, Kultur. I: Die Zeit des Anfangs (bis 250), herausgegeben von L. Pietri, deutsche Ausgabe von Th. Böhm et al. (Freiburg et al. 2003) 576–621. 1756 R. E. Heine: The Alexandrians, in: The Cambridge History of Early Christian Liter ature, edited by F. Young, L. Ayres, A. Louth (Cambridge 2004) 117–130. 1757 T. I. Klibengajtis: «Die Wahrheit ist wie eine Biene». Die Wahrheitsmetaphorik des Clemens von Alexandrien, in: Ephemerides Theologicae Lovanienses 80 (2004) 60–75. 1758 D. T. Runia: Clement of Alexandria and the Philonic Doctrine of the Divine Power(s), in: VChr 58 (2004) 256–276. 1759 Ch. Markschies: Odysseus und Orpheus christlich gelesen, in: Griechische Mythologie und frühes Christentum, herausgegeben von R. von Haehling (Darmstadt 2005) 227– 253.
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1760 E. F. Osborn: Clement of Alexandria (Cambridge, New York 2005). 1761 St. Vanderheijden: Mythos zwischen Aberglaube und Philosophie in den Stromateis des Clemens von Alexandrien, in: Griechische Mythologie und frühes Christentum, herausgegeben von R. von Haehling (Darmstadt 2005) 295–310. 1762 D. Wyrwa: Religiöses Lernen im zweiten Jahrhundert und die Anfänge der alexandrinischen Katechetenschule, in: Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung, herausgegeben von B. Ego, H. Merkel (Tübingen 2005) [WUNT 180] 271–305. 1763 B. Wyss: Akademie, Akademiker und Skeptiker. Studien zur Rezeption der Akademie in der lateinischen und griechischen Literatur des zweiten Jahrhunderts nach Christus (Diss. Fribourg 2005) 30–50. 1764 B. G. Bucur: The Other Clement of Alexandria. Cosmic Hierarchy and Interiorized Apocalypticism, in: VChr 60 (2006) 251–268. 1765 H. F. Hägg: Clement of Alexandria and the Beginnings of Christian Apophaticism. Know ing the Unknowable (Oxford 2006) [OECS]. 1766 J. L. Kovacs: Clement of Alexandria and Valentinian Exegesis in the Excerpts from Theodotus, in: StPatr 41 (2006) 187–200. 1767 A. Le Boulluec: Alexandrie antique et chrétienne: Clément et Origène. Édition établie par C. G. Conticello (Paris 2006). – Sammlung von meist andernorts erschienenen Aufsätzen. 1768 E. Mühlenberg: Altchristliche Lebensführung zwischen Bibel und Tugendlehre. Ethik bei den griechischen Philosophen und den frühen Christen (Göttingen 2006) [AAWG, 3. Folge, Nr. 272]. 1769 M. Pujiula: Körper und christliche Lebensweise. Clemens von Alexandreia und sein Paidagogos (Berlin et al. 2006) [Millennium-Studien 9]. 1770 L. Rizzerio: L’éthique de Clément et les philosophies grecques, in: StPatr 41 (2006) 231– 246. 1771 A. Dinan: The Mystery of Play: Clement of Alexandria’s Appropriation of Philo in the Paedagogus (1.5.21.3–22.2), in: StudPhilon 19 (2007) 59–80. 1772 Th. Lechner: Rhetorik und Ritual. Platonische Mysterienanalogien im Protreptikos des Clemens von Alexandrien, in: Frühchristentum und Kultur, herausgegeben von F. R. Prostmeier (Freiburg i. Br. 2007) [KfA Ergänzungsband 2] 183–221.
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Bibliographie zum achten Kapitel
1773 Ch. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie (Tübingen 2007). 1774 A. Martin: À propos de la lettre attribuée à Clément d’Alexandrie sur l’Évangile secret de Marc, in: Colloque international «L’Évangile selon Thomas et les textes de Nag Hammadi», Québec, 29–31 mai 2003, édité par L. Painchaud, P.-H. Poirier (Québec 2007) 277–300. 1775 P. Ashwin-Siejkowski: Clement of Alexan dria. A Project of Christian Perfection (London, New York 2008). 1776 S.-P. Bergjan: Logic and Theology in Clement of Alexandria: The Purpose of the 8th Book of the Stromata, in: ZAC 12 (2008) 394–411. 1777 D. G. Robertson: Word and Meaning in Ancient Alexandria. Theories of Language from Philo to Plotinus (Aldershot 2008). 1778 B. G. Bucur: The Place of the Hypotyposeis in the Clementine Corpus: An Apology for ‘The Other Clement of Alexandria’, in: JECS 17 (2009) 313–335. 1779 B. G. Bucur: Angelomorphic Pneumatology. Clement of Alexandria and Other Early Christian Witnesses (Leiden 2009) [VChr Suppl. 95]. 1780 M. Cambe: Avenir solaire et angélique des justes. Le psaume 19 (18) commenté par Clément d’Alexandrie (Strasbourg 2009) [Cahiers de Biblia Patristica 10]. 1781 A. C. Itter: Esoteric Teaching in the Stromateis of Clement of Alexandria (Leiden 2009) [VChr Suppl. 97]. 1782 A. van den Hoek: God Beyond Knowing: Clement of Alexandria and Discourse on God, in: God in Early Christian Thought. Essays in Memory of L. G. Patterson, edited by A. B. McGowan, B. E. Daley, T. J. Gaden (Leiden, Boston 2009) [VChr Suppl. 94] 37– 60. 1783 P. Ashwin-Siejkowski: Clement of Alexan dria on Trial: The Evidence of ‘Heresy’ from Photius’ Bibliotheca (Leiden 2010) [VChr Suppl. 101]. 1784 A. C. Dinan: Αἴνιγμα and αἰνίττομαι in the Works of Clement of Alexandria, in: StPatr 44 (2010) 175–180. 1785 F. Jourdan: Le Logos de Clément soumis à la question, in: REAug 56 (2010) 135–172. 1786 F. Jourdan: Orphée et les Chrétiens. La réception du mythe d’Orphée dans la littérature chrétienne grecque des cinq premiers siècles, I (Paris 2010).
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1787 Th. Lechner: Süße Lust des Logos. Die Vorrede zum Protreptikos des Clemens von Alexa ndrien und die prolaliai der zweiten Sophistik, in: Prostmeier, Lona 2010 [*524: 149–205]. 1788 C. Osborne: Clement of Alexandria, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 270–282. 1789 J. Plátová: Bemerkungen zu den Hypotyposen-Fragmenten des Clemens Alexandrinus, in: StPatr 46 (2010) 181–188. 1790 M. Havrda: Galenus Christianus? The Doctrine of Demonstration in Stromata VIII and the Question of its Source, in: VChr 65 (2011) 343–375. 1791 M. Havrda: Grace and Free Will According to Clement of Alexandria, in: JECS 19 (2011) 21–48. 1792 F. Jourdan: La théodicée développée sur le thème du larcin des Grecs: origine du mal, liberté et Providence chez Clément d’Alexandrie (Stromates I 17,81–87), in: Semitica et Classica 4 (2011) 147–170. 1793 The Seventh Book of the Stromateis. Proceedings of the Colloquium on Clement of Alexandria (Olomouc, October 21–23, 2010), edited by M. Havrda, V. Hušek, J. Plátová (Leiden 2012) [VChr Suppl. 117]. 1794 S.-P. Bergjan: Clement of Alexandria on God’s Providence and the Gnostic’s Life Choice: The Concept of Pronoia in the Stromateis, Book VII, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 63–92]. 1795 D. Dainese: Passibilità divina. La dottrina dell’anima in Clemente Alessandrino (Roma 2012) [Fundamentis novis 2]. 1796 D. Dainese: Clemente d’Alexandria e la filosofia. Prospettive aperte e nuove proposte, in: Annali di scienze religiose 4 (2012) 223– 259. 1797 H. F. Hägg: Seeking the Face of God: Prayer and Knowledge in Clement of Alexandria, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 131– 142]. 1798 M. Havrda: Demonstrative Method in Stromateis VII: Context, Principles, and Purpose, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 261–275]. 1799 J. L. Kovacs: Saint Paul as Apostle of Apatheia: Stromateis VII, Chapter 14, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 199– 216].
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Origenes
1800 A. Le Boulluec: Comment Clément applique-t-il dans le Stromate VII, à l’intention des philosophes, la méthode définie dans le prologue (1–3)?, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 39–62]. 1801 L. Perrone: Clemens von Alexandrien und Origenes zum Gebet: Versuch eines Paradigmenvergleichs anhand ihrer Schriftstellen, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 143–164]. 1802 I. Ramelli: Stromateis VII and Clement’s Hints at the Theory of Apokatastasis, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 239– 257]. 1803 M. Recinová: Clement’s Angelological Doctrines: Between Jewish Models and Philosophic-Religious Streams of Late Antiquity, in: Havrda, Hušek, Plátová 2012 [*1793: 93–111]. 1804 V. Černušková: The Concept of εὐπάθεια in Clement of Alexandria, in: StPatr 66 (2013) 87–98. 1805 G. Karamanolis: The Philosophy of Early Christianity (Durham 2013). 1806 K. Parel-Nuttall: Clement of Alexandria’s Ideal Christian Wife, in: StPatr 66 (2013) 99–121. 1807 J. Plátová: Die Fragmente des Clemens Alexandrinus in den griechischen und arabischen Katenen, in: StPatr 66 (2013) 3–9. 1808 M. Rizzi: The Work of Clement of Alexan dria in the Light of his Contemporary Philosophical Teaching, in: StPatr 66 (2013) 11–17.
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1809 H. Strutwolf: Theologische Gnosis bei Clemens Alexandrinus und Origenes, in: Zugänge zur Gnosis. Akten zur Tagung der Patristischen Arbeitsgemeinschaft vom 02.– 05.01.2011 in Berlin-Spandau, herausgegeben von Ch. Markschies, J. van Oort (Leuven 2013) 91–112. 1810 St. R. Thomson: Apostolic Authority: Read ing and Writing Legitimacy in Clement of Alexandria, in: StPatr 66 (2013) 19–31. 1811 M. J. Chalmers: Seeking as Suckling: The Milk of the Father in Clement of Alexandria’ Paedagogus I 6, in: StPatr 72 (2014) 59–73. 1812 K. Gibbons: Moses, Statesman and Philosopher: The Philosophical Background of the Ideal of Assimilating to God and the Methodology of Clement of Alexandria’ s Stroma teis 1, in: VChr 69 (2015) 157–185. 1813 M. Havrda: The So-Called Eighth Stromateus by Clement of Alexandria. Early Christian Reception of Greek Scientific Methodology (Leiden 2016) [PhA 144]. 1814 Clement’s Biblical Exegesis. Proceedings of the Second Colloquium on Clement of Alex andria, Olomouc, May 29–31, 2014, edited by C. Černusková, J. L. Kovacs, J. Plátová, in cooperation with V. Hušek (Leiden, Boston 2017) [VChr Suppl. 139].
Origenes
Primärliteratur Es gibt keine Gesamtausgabe von Origenes’ Werken. Nautin 1977 [*1993: 242–260] verzeichnet 77 Werke und Fragmentsammlungen (mit Angaben zu den verfügbaren Ausgaben). Vgl. auch M. Geerard: Clavis Patrum Graecorum I (Turnhout 1998) 141–186 und M. Geerard, J. Noret: Clavis Patrum Graecorum. Supplementum (Turnhout 1998) 23–31 und für die exegetischen Werke die Angaben bei Neuschäfer 1987 [*2140: 52–55]. Sammelwerke 1819 Ὠριγένους τὰ εὑρισκόμενα πάντα. Origenis opera omnia quae Graece vel Latine tantum
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exstant et ejus nomine circumferentur, ediderunt C. de la Rue et C. V. de la Rue, I–IV (Parisiis 1733–1759). 1820 Ὠριγένους τὰ εὑρισκόμενα πάντα. Origenis opera omnia quae Graece vel Latine tantum exstant et ejus nomine circumferentur, denuo recensuit, emendavit, castigavit C. H. E. Lommatzsch, I–XXV (Berolini 1831– 1848). – Eine revidierte Fassung der Ausgabe von Charles de la Rue und Charles Vincent de la Rue. 1821 Ὠριγένους τὰ εὑρισκόμενα πάντα. Origenis opera omnia, opera et studio DD. C. et C. V. Delarue, accurante et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1856– 1867) [PG 11–17]. – Neuer Druck der von C.
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Bibliographie zum achten Kapitel
de la Rue und C. V. de la Rue besorgten Ausgabe von Origenes’ Werken (1733–1759) und der von B. de Montfaucon besorgten Ausgabe der ‹Hexapla› (1713).
Die Griechischen Christlichen Schriftsteller Origenes Werke. 13 Bände (Leipzig, Berlin 1899–1983) [GCS]. – Bildet noch heute für viele Schriften die Standardausgabe (einige Werke sind in erneuerten Ausgaben erschienen): 1822 Band 1: Die Schrift vom Martyrium, Buch I–IV gegen Celsus, herausgegeben von P. Koetschau (Leipzig 1899) [GCS 2]. 1823 Band 2: Buch V–VIII gegen Celsus, Die Schrift vom Gebet, herausgegeben von P. Koetschau (Leipzig 1899) [GCS 3]. 1824 Band 3: Jeremiahomilien, Klageliederkommentar, Erklärung der Samuel- und Königsbücher, herausgegeben von E. Klostermann (Leipzig 1901, Berlin 21983) [GCS 6]. 1825 Band 4: Der Johanneskommentar, herausgegeben von E. Preuschen (Leipzig 1903) [GCS 10]. 1826 Band 5: De Principiis, herausgegeben von P. Koetschau (Leipzig 1913) [GCS 22]. 1827 Band 6: Homilien zum Hexateuch in Rufins Übersetzung. Teil 1: Die Homilien zu Genesis, Exodus und Leviticus, herausgegeben von W. A. Baehrens (Leipzig 1920) [GCS 29]. 1828 Band 7: Homilien zum Hexateuch in Rufins Übersetzung. Teil 2: Die Homilien zu Numeri, Josua und Judices, herausgegeben von W. A. Baehrens (Leipzig 1921) [GCS 30]. 1829 Band 8: Homilien zu Samuel I, zum Hohelied und zu den Propheten, herausgegeben von W. A. Baehrens (Leipzig 1925) [GCS 33]. 1830 Band 9: Die Homilien zu Lukas in der Übersetzung des Hieronymus und die griechischen Reste der Homilien und des Lukas-Kommentars, herausgegeben von M. Rauer (Berlin 1959, 22015) [GCS 49]. 1831 Band 10: Origenes Matthäuserklärung I: Die Griechisch erhaltenen Tomoi, herausgegeben von E. Klostermann unter Mitwirkung von E. Benz (Leipzig 1935) [GCS 40]. 1832 Band 11: Matthäuserklärung II: Die lateinische Übersetzung der Commentariorum Series, herausgegeben von E. Klostermann unter Mitwirkung von E. Benz (Berlin 1976) [GCS 38]. 1833 Band 12,1–2: Matthäuserklärung III: Fragmente und Indices. Erste Hälfte, heraus gegeben von E. Klostermann unter Mit-
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wirkung von E. Benz (Leipzig 1941; ND Berlin 2014); Zweite Hälfte, herausgegeben von E. Klostermann, Gesamtregister von L. Früchtel (Berlin 1955, 21968) [GCS 41,1–2]. 1834 Band 13: Die neuen Psalmenhomilien. Eine kritische Edition des Codex Monacensis Graecus 314, herausgegeben von L. Perrone (Berlin 2015) [GCS NF 19].
Sources Chrétiennes In der Reihe ‘Sources Chrétiennes’ wurden bisher folgende Bände veröffentlicht: 1835 Origène: Homélies sur la Genèse. Traduction et notes de L. Doutreleau, introduction de P. H. de Lubac (Paris 1944) [SC 7bis]. 1836 Origène: Homélies sur le cantique des cantiques. Introduction, traduction et notes de O. Rousseau (Paris 1954) [SC 37bis]. 1837 Origène: Entretien d’Origène avec Héra clide. Introduction, texte, traduction et notes de J. Scherer (Paris 1960) [SC 67]. 1838 Origène: Homélies sur Josué. Texte latin, introduction, traduction et notes de A. Jaubert (Paris 1960) [SC 71]. 1839 Origène: Homélies sur saint Luc. Texte latin et fragments grecs. Introduction, traduction et notes par H. Crouzel, F. Fournier, P. Périchon (Paris 1962) [SC 87]. 1840 Origène: Commentaire sur Saint Jean. Texte grec, avant-propos, traduction et notes par C. Blanc, I–V (Paris 1966–1992) [SC 120bis, 157, 222, 290, 385]. 1841 Origène: Contre Celse. Introduction, texte critique, traduction et notes par M. Borret, I–V (Paris 1967–1976) [SC 132, 136, 147, 150, 227]. 1842 Origène: Commentaire sur l’Évangile selon Matthieu. I: Livres X et XI. Introduction, traduction et notes par R. Girod (Paris 1970) [SC 162]. 1843 Origène: Philocalie 21–27. Sur le libre arbitre. Introduction, texte, traduction et notes par É. Junod (Paris 1976) [SC 226]. 1844 Origène: Homélies sur Jérémie. Traduction par P. Husson, P. Nautin, édition, introduction et notes par P. Nautin, I–II (Paris 1976– 1977) [SC 232, 238]. 1845 Origène: Traité des principes. Traduction, commentaire et fragments, compléments et index par H. Crouzel, M. Simonetti, I–V (Paris 1978–1984) [SC 252–253, 268–269, 312].
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Origenes
1846 Origène: Homélies sur le Lévitique. Texte latin, traduction et notes par M. Borret, I–II (Paris 1981) [SC 286–287]. 1847 Origène: Philocalie 1–20. Sur les Écritures, Introduction, texte, traduction et notes par M. Harl, et la Lettre à Africanus sur l’histoire de Suzanne, introduction, texte, traduction et notes par N. de Lange (Paris 1983) [SC 302]. 1848 Origène: Homélies sur l’Exode. Texte latin, introduction, traduction et notes par M. Borret (Paris 1985) [SC 321]. 1849 Origène: Homélies sur Samuel. Édition critique, introduction, traduction et notes par P. Nautin et M.-Th. Nautin (Paris 1986) [SC 328]. 1850 Origène: Homélies sur Ezéchiel. Texte latin, introduction, traduction et notes par M. Borret (Paris 1989) [SC 352]. 1851 Origène: Commentaire sur le Cantique des cantiques. Texte de la version latine de Rufin. Introduction, traduction et notes par L. Brésard et H. Crouzel avec la collaboration de M. Borret, I–II (Paris 1991–1992) [SC 375–376]. 1852 Origène: Homélies sur les Juges. Texte de la version latine de Rufin. Introduction, traduction, notes et index par P. Messié, L. Neyrand, M. Borret (Paris 1993) [SC 389]. 1853 Origène: Homélies sur les Psaumes 36 à 38. Texte critique établi par E. Prinzivalli, introduction, traduction et notes par H. Crouzel, L. Brésard (Paris 1995) [SC 411]. 1854 Origène: Homélies sur les Nombres. Nouvelle édition par L. Doutreleau d’après l’édition d’A. Méhat et les notes de M. Borret, texte latin de W. A. Baehrens, I–III (Paris 1996–2001) [SC 415, 442, 461]. 1855 Origène: Commentaire sur l’épître aux Romains. Texte critique établi par C. P. Hammond Bammel, introduction par M. Fédou, traduction, notes et index par L. Brésard, I– IV (Paris 2009–2012) [SC 532, 539, 543, 555].
Origenes: Werke mit deutscher Übersetzung Im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Forschungsstelle Origenes der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster herausgegeben von A. Fürst, Ch. Markschies (Berlin, New York et al. 2009–). – Die Ausgabe ist auf 25 Bände veranschlagt. Bis heute sind folgende Bände erschienen:
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1861 Band 1,1: Die Kommentierung des Buches Genesis, eingeleitet und übersetzt von K. Metzler (Berlin 2010). 1862 Band 1,2: Die Homilien zum Buch Genesis, eingeleitet und übersetzt von P. Habermehl (Berlin 2011). 1863 Band 7: Die Homilien zum Ersten Buch Samuel, herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von A. Fürst (Berlin 2014). 1864 Band 9,1: Der Kommentar zum Hohelied, eingeleitet und übersetzt von A. Fürst und H. Strutwolf (Berlin 2016). 1865 Band 9,2: Die Homilien und Fragmente zum Hohelied, eingeleitet und übersetzt von A. Fürst, H. Strutwolf (Berlin 2016). 1866 Band 10: Die Homilien zum Buch Jesaja, herausgegeben eingeleitet und übersetzt von A. Fürst, Ch. Hengstermann (Berlin 2009). 1867 Band 11: Die Homilien zum Buch Jeremia, herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von A. Fürst, H. E. Lona (Berlin 2018). 1868 Band 21: Über das Gebet, eingeleitet und übersetzt von M.-B. von Stritzky (Berlin 2014). 1869 Band 22: Aufforderung zum Martyrium, eingeleitet und übersetzt von M.-B. von Stritzky (Berlin 2010).
Origen’s Works 1875 Origen’s Works. I: On First Principles, Letter to Julius Africanus, Letter to Gregory, Contra Celsum Book 1, translated by F. Crombie (Edinburgh 1869) [Antenicene Christian Library 10]; II: Contra Celsum Books 2–8, translated by F. Crombie (Edinburgh 1872) [Antenicene Christian Library 23]. Commentary on the Gospel of John, Commentary on the Gospel of Matthew, translated by A. Menzies, in: The Antenicene-Fathers Suppl. (New York 1906) 291– 512.
Opere di Origene Opere di Origene. Edizione greco/latino – ita liana a cura di M. Simonetti, L. Perrone (Roma 2002–). – Bis heute sind folgende Bände erschienen: 1876 Band 1: Omelie sulla Genesi, a cura di M. Simonetti, traduzione di M. I. Danieli (Roma 2002). 1877 Band 2: Omelie sull’Esodo, a cura di M. Simonetti, traduzione di M. I. Danieli (Roma 2005).
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Bibliographie zum achten Kapitel
1878 Band 8: Omelie su Ezechiele, a cura di F. Bucchi, A. Grappone (Roma 2016). 1879 Band 11,1: Commento a Matteo. Libri X e XI, a cura di G. Bendinelli, traduzione di Scognamiglio (Roma 2008). 1880 Band 11,2: Commento a Matteo. Libri XII e XIII, a cura di G. Bendinelli, traduzione di Scognamiglio (Roma 2012). 1881 Band 11,3: Commento a Matteo. Libri XIV e XV, a cura di G. Bendinelli, traduzione di Scognamiglio (Roma 2015). 1882 Band 11,5: Commento a Matteo. Series 1, a cura di G. Bendinelli, traduzione di Scognamiglio (Roma 2004). 1883 Band 11,6: Commento a Matteo. Series 2, a cura di G. Bendinelli, traduzione di Scognamiglio (Roma 2006). 1884 Band 14,1: Commento alla Lettera ai Romani. Libri I–IV, a cura di F. Cocchini (Roma 2014). 1885 Band 14,2: Commento alla Lettera ai Romani. Libri V–X, a cura di F. Cocchini (Roma 2016). 1886 Band 14,4: Esegesi paolina. I testi frammentari, a cura di F. Pieri (Roma 2009). 1887 Band 18: Dialogo con Eraclide, a cura di R. Spataro (Roma 2017). 1888 Band 19: Sulla pasqua, a cura di R. Spataro (Roma 2011).
Biblia Patristica 1889 Biblia Patristica: Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique. III: Origène, édité par le Centre d’analyse et de documentation patristiques. Équipe de Recherche Associée au Centre National de la Recherche Scientifique (Paris 1980; ND 1991). Moderne Ausgaben einzelner Schriften
‹De principiis› 1891 P. Koetschau 1913 [*1826]. 1892 Origene: I Principi, a cura di M. Simonetti (Torino 1968) [Classici delle religioni 7]. 1893 É. Junod 1976 [*1843]. – Enthält ‹De principiis› 3,1. 1894 Origène: Traité des Principes (Peri Archon). Traduction de la version latine de Rufin avec un dossier annexe d’autres témoins du texte. Introduction, traduction et dossier annexe par M. Harl, G. Dorival, A. Le Boulluec (Paris 1976) [EAA 68].
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1895 Origenes: Vier Bücher von den Prinzipien, herausgegeben von H. Görgemanns, H. Karpp (Darmstadt 1976, 21992). 1896 H. Crouzel, M. Simonetti 1978–1984 [*1845]. 1897 M. Harl, N. de Lange 1983 [*1847]. – 182– 196: ‹De principiis› 4,1–3. 1898 Orígenes: Tractat dels Principis. Introducció, text revisat, traducció i notes de J. RiusCamps, I–II (Barcelona 1998). 1899 Orígenes: Sobre los principios. Introducción, texto crítico, traducción y notas de S. Fernández (Madrid 2015) [Fuentes patrísticas 27].
‹De oratione› 1904 Origenes: Die Schrift vom Gebet, in: Koetschau 1899 [*1823: 297–403]. 1905 Origenes: Schriften vom Gebet und Ermahnung zum Martyrium, aus dem Griechischen übersetzt von P. Koetschau (München 1926) [BKV 48]. 1906 Origène: De la prière. Exhortation au martyre. Introduction, traduction et notes par G. Bardy (Paris 1932). – Französische Übersetzung. 1907 Origène: La prière. Introduction, traduction et orientation par A.-G. Hamman (Paris 1977) [Les pères dans la foi]. – Französische Übersetzung. 1908 Origen: An Exhortation to Martyrdom, Prayer and Selected Works. Translation and Introduction by R. A. Greer, preface by H. U. von Balthasar (New York, Ramsey et al. 1979). – Englische Übersetzung. 1909 Origene: La preghiera, a cura di N. Anto niono (Roma 1997) [CTP 138]. – Italienische Übersetzung.
‹Dialogus cum Heraclide› 1915 J. Scherer 1960 [*1837]. 1916 Origenes: Das Gespräch mit Herakleides und dessen Bischofskollegen über Vater, Sohn und Seele. Die Aufforderung zum Martyrium, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von E. Früchtel (Stuttgart 1974) [BGrL 5]. 1917 Origen: Treatise on the Passover and Dialogue of Origen with Heraclides and his Fellow Bishops on the Father, the Son, and the Soul, translated by R. J. Daly (New York 1992).
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Origenes
‹Epistula ad Gregorium› 1923 Des Gregorios Thaumaturgos Dankrede an Origenes, als Anhang der Brief des Origenes an Gregorios Thaumaturgos, herausgegeben von P. Koetschau (Freiburg, Leipzig 1894) [Sammlung ausgewählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften, Heft 9]. 1924 Grégoire le Thaumaturge: Remerciement à Origène suivi de la lettre d’Origène à Grégoire. Texte grec, introduction, traduction et notes par H. Crouzel (Paris 1969) [SC 148] 186–194. – Eine französische Übersetzung des Briefes an Gregorios auch in Nautin 1977 [*1993: 157–161]. 1925 Gregor der Wundertäter: Oratio prosphonetica ac panegyrica in Origenem – Dankrede an Origenes. Im Anhang: Origenis epistula ad Gregorium Thaumaturgum – Der Brief des Origenes an Gregor den Wundertäter, übersetzt von P. Guyot, eingeleitet von R. Klein (Freiburg, Basel 1996) [FC 24] 213– 221.
‹Contra Celsum› 1931 Buch I–IV, in: Koetschau 1899 [*1822: 49– 374]; Buch V–VIII, in: Koetschau 1899 [*1823: 1–293]. 1932 Origenes: Acht Bücher gegen Celsus, aus dem Griechischen übersetzt von P. Koetschau (München 1926) [BKV 52–53]. 1933 Origen: Contra Celsum, translated with an Introduction and Notes by H. Chadwick (Cambridge 1953). 1934 M. Borret 1967–1976 [*1841]. 1935 Origene: Contro Celso, a cura di A. Colonna (Torino 1971) [Classici delle religioni 19]. 1936 Origene: Contro Celso, a cura di P. Ressa, presentazione di C. Moreschini (Brescia 2000) [Letteratura cristiana antica, Testi]. 1937 Origenes: Contra Celsum libri VIII, edidit M. Marcovich (Leiden, Boston 2001) [VChr Suppl. 54].
‹Kommentar zum Römerbrief› 1943 C. P. Hammond Bammel: Der Römerbriefkommentar des Origenes. Kritische Ausgabe der Übersetzung Rufins. I: Buch 1–3; II: Buch 4–6; III: Buch 7–10, aus dem Nachlass herausgegeben von H. J. Frede, H. Stanjek (Freiburg 1990–1998) [Vetus Latina. Die Reste der Altlateinischen Bibel. Aus der Geschicht der Lateinischen Bibel 16, 33–34].
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Sekundärliteratur
Bibliographien 1949 H. Crouzel: Bibliographie critique d’Origène (Steenbrugis, Hagae Comitis 1971) [Instrumenta patristica 8]; Suppl. 1 (Steenbrugis, Hagae Comitis 1982) [Instrumenta patristica 8A]; Suppl. 2 (Steenbrugis 1996) [Instrumenta patristica 8B]. 1950 R. Farina: Bibliografia Origeniana 1960– 1970 (Torino 1971). 1951 H. Crouzel: Chronique origénienne, in: BLE 87 (1986) 125–142; 88 (1987) 104–127; 89 (1988) 138–145; 90 (1989) 135–140; 91 (1990) 221–226; 92 (1991) 123–132; 93 (1992) 225– 230; 94 (1993) 131–143; 95 (1994) 333–342; 96 (1995) 309–312; 97 (1996) 393–398. 1952 L. Lies: Zum derzeitigen Stand der Origenesforschung, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 115 (1993) 37–62, 145–171; 124 (2002) 201–226. 1953 Adamantius. Notiziario del Gruppo italiano di ricerca su ‘Origene e la tradizione alessandrina’ 1– (1995–). – Jahrbuch mit einem umfangreichen bibliographischen Anhang über alle Aspekte der origeneischen Tradition. Textüberlieferung und Textgeschichte 1959 P. Koetschau: Die Textüberlieferung der Bücher des Origenes gegen Celsus in den Handschriften dieses Werkes und der ‹Philocalia› (Leipzig 1891). 1960 P. Koetschau: Beiträge zur Textkritik von Origenes’ Johannescommentar (Leipzig 1905). 1961 G. Bardy: Recherches sur l’histoire du texte et des versiones latines du ‹De principiis› d’Origène (Paris 1923). 1962 O. Guérard: Note préliminaire sur les papyrus d’Origène découverts à Toura, in: Revue de l’histoire des religions 131 (1946) 85–108. 1963 M. Harl: Recherches sur le ‹Peri Archôn› d’Origène en vue d’une nouvelle édition: la division en chapitres, in: StPatr 3 (1961) [TU 78] 57–67. 1964 C. P. Hammond: Notes on the Manuscripts and Editions of Origen’s Commentary on the Epistle to the Romans in the Latin Translation by Rufinus, in: JThS 16 (1965) 338–357.
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Bibliographie zum achten Kapitel
1965 É. Junod: Remarques sur la composition de la ‹Philocalie› d’Origène par Basile de Césarée et Grégoire de Nazianze, in: RHPhR 52 (1972) 149–156. 1966 J. Rius-Camps: Localisation à l’intérieur du De Principiis d’Origène-Rufin de certains extraits sur les êtres raisonnables conservés par Jérôme, in: VChr 41 (1987) 209–225. 1967 G. Sfameni Gasparro: Il problema delle citazioni del Peri Archon nella Lettera a Mena di Giustiniano, in: Lies 1987 [*2046: 54–76]. 1968 N. Pace: Ricerche sulla traduzione di Rufino del ‹De principiis› di Origene (Firenze 1990) [Pubblicazioni della Facoltà di lettere e filosofia dell’Università di Milano 133]. 1969 E. Corsini: Origene ‹Commento al vangelo di Giovanni› (Libri I–II): postille a una tradu zione, in: Augustinianum 35 (1995) 183–195. 1970 Ch. Markschies: Die Origenes-Editionen der Berliner Akademie: Geschichte und Gegenwart, in: Adamantius 11 (2005) 39–49. – Wieder in: Markschies 2007 [*2232: 251–263]. 1971 J. Arnold: Textkritisches zu Origenes’ Contra Celsum, in: VChr 64 (2010) 54–73. 1972 R. Yuen-Collingridge: Hunting for Origen in Unidentified Papyri: the Case of P. Egerton 2 (= Inv. 3), in: Early Christian Manuscripts. Examples of Applied Method and Approach, edited by Th. J. Kraus, T. Nicklas (Leiden, Boston 2010) [Texts and Editions for New Testament Study 5] 39–57. 1973 A. Fürst: Klassiker und Ketzer: Origenes im Spiegel der Überlieferung seiner Werke, in: Fürst 2011 [*2261: 209–236]. 1974 L. Perrone: Zur Edition von Perì euchês des Origenes: Rückblick und Ausblick, in: Von Homer bis Landino. Beiträge zur Antike und Spätantike sowie zu deren Rezeptionsund Wirkungsgeschichte. FS Antonie Wlosok, herausgegeben von B. R. Suchla (Berlin 2011) 269–318. 1975 M. Molin Pradel: Novità origeniane dalla Staatsbibliothek di Monaco di Baviera: Il Cod. graec. 314, in: Adamantius 18 (2012) 16–40. 1976 L. Perrone: Rediscovering Origen Today: First Impressions of the New Collection of Homilies on the Psalms in the Codex Monacensis Graecus 314, in: StPatr 56 (2013) 103– 122.
Moderne Kommentare 1982 L. Lies: Origenes’ ‹Peri Archon›. Eine undogmatische Dogmatik. Einführung und Erläuterung (Darmstadt 1992) [Werkinterpretationen]. 1983 Il dono e la sua ombra: Ricerche sul ΠΕΡΙ ΕΥΧΗΣ di Origene. Atti del I Convegno del Gruppo Italiano di Ricerca su Origene e la Tradizione Alessandrina, a cura di F. Cocchini (Roma 1997) [StudEphAug 57]. 1984 Discorsi di verità: Paganesimo, giudaismo e cristianesimo a confronto nel Contro Celso di Origene. Atti del II Convegno del Gruppo Italiano di Ricerca su Origene e la Tradi zione Alessandrina, a cura di L. Perrone (Roma 1998) [StudEphAug 61]. 1985 Il Commento a Giovanni di Origene: il testo e i suoi contesti. Atti dell’VIII Convegno di Studi del Gruppo Italiano di Ricerca su Origene e la Tradizione Alessandrina (Roma, 28–30 settembre 2004), a cura di E. Prinzivalli (Verucchio 2005) [Biblioteca di Adamantius 3]. 1986 M. Pereira: From the Spoils of Egypt: An Analysis of Origen’s Letter to Gregory, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 221–248]. Biographie 1992 R. Cadiou: La jeunesse d’Origène (Paris 1936) [Études de théologie historique]. 1993 P. Nautin: Origène. Sa vie et son œuvre (Paris 1977) [Christianisme antique 1]. 1994 La biografia di Origene fra storia e agiografia. Atti del VI Convegno di Studi del Gruppo Italiano di Ricerca su Origene e la Tradizione Alessandrina (Torino 11–13 settembre 2002), a cura di A. Monaci Castagno (Verucchio 2004) [Biblioteca di Adamantius 1]. 1995 J. Verheyden: Origen in the Making: Read ing between (and behind) the Lines of Eusebius’ ‘Live of Origen’ (HE 6), in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 713–725]. 1996 L. Perrone: Origen’s ‘Confessions’: Recovering the Traces of a Self-Portrait, in: StPatr 56 (2013) 3–27. Über die Frage der zwei Origenes 2002 H. Crouzel: Origène et Plotin élèves d’Ammonios Saccas, in: BLE 57 (1956) 193– 214.
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Origenes
2003 K.-O. Weber: Origenes der Neuplatoniker. Versuch einer Interpretation (München 1962) [Zetemata 27]. – Fragmentensammlung zum Platoniker Origenes. 2004 R. Goulet: Porphyre, Ammonius, les deux Origène et les autres …, in: RHPhR 57 (1977) 471–496. – Wieder in: Ders.: Études sur les Vies de philosophes de l’Antiquité tardive. Diogène Laërce, Porphyre de Tyre, Eunape de Sardes (Paris 2001) [Textes et traditions 1] 267–290, 391–394. 2005 F.-H. Kettler: Origenes, Ammonius Sakkas und Porphyrius, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 322–328. 2006 P. F. Beatrice: Porphyry’s Judgment on Origen, in: Daly 1992 [*2047: 351–367]. 2007 Th. Böhm: Origenes Theologe und (Neu-) Platoniker? Oder: wem soll man mißtrauen, Eusebius oder Porphyrius?, in: Adamantius 8 (2002) 7–23. 2008 L. Brisson, R. Goulet: Origène le Platonicien, in: DPhA IV (2005) 804–807. 2009 M. Zambon: Porfirio e Origene, uno status quaestionis, in: Le traité de Porphyre contre les chrétiens. Un siècle de recherches, nouvelles questions. Actes du Colloque international organisé les 8–9 septembre 2009 à l’Université Paris IV-Sorbonne, édités par S. Morlet (Paris 2011) [EAA 190] 107–164. 2010 Ch. Riedweg: Das Origenes-Problem aus der Sicht eines Klassischen Philologen, in: Origenes der Christ und Origenes der Platoniker, herausgegeben von B. Bäbler, H.-G. Nesselrath (Tübingen 2018) [SERAPHIM 2] 13–39. Einführungen und Gesamtdarstellungen 2016 P.-D. Huet: Origeniana. Tripartitum opus quo Origenis narratur vita, doctrina excutitur, scripta recensentur (Rouen 1668). – Wieder in: Ὠριγένους τὰ εὑρισκόμενα πάντα, accurante et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1858) [PG 17] 633–1284. 2017 E. R. Redepenning: Origenes. Eine Darstellung seines Lebens und seiner Lehre, I–II (Bonn 1841–1846; ND Aalen 1966). 2018 E. de Faye: Origène. Sa vie, son œuvre, sa pensée, I–III (Paris 1923–1928) [BEHE 37, 42–43].
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2019 E. de Faye: Esquisse de la pensée d’Origène (Paris 1925) [Bibliothèque historique des religions]. 2020 G. Bardy: Origène (Paris 1931) [Les mora listes chrétiens]. 2021 H. Koch: Pronoia und Paideusis. Studien über Origenes und sein Verhältnis zum Platonismus (Berlin, Leipzig 1932) [AKG 22]. 2022 H. Lietzmann: Geschichte der Alten Kirche. II: Ecclesia catholica (Berlin, Leipzig 1936). 2023 J. Daniélou: Origène (Paris 1948) [Le génie du christianisme 1]. 2024 E. von Ivánka: Plato Christianus. Übernahme und Umgestaltung des Platonismus durch die Väter (Einsiedeln 1964) 101–148. 2025 H. Chadwick: Origen, in: The Cambridge History of Later Greek and Early Medieval Philosophy, edited by A. H. Armstrong (Cambridge 1967) 182–192. 2026 U. Berner: Origenes (Darmstadt 1981) [Erträge der Forschung 147]. 2027 R. M. Berchman: From Philo to Origen. Middle Platonism in Transition (Chico CA 1984) [Brown Judaic Studies 69]. 2028 H. Crouzel: Origène (Paris 1985) [Le Sycomore, Chrétiens aujourd’hui 15]. 2029 A. Tripolitis: Origen. A Critical Reading (New York 1985). 2030 J. W. Trigg: Origen (London 1998) [ECF]. 2031 Origene, Dizionario. La cultura, il pensiero, le opere, a cura di A. Monaci Castagno (Roma 2000). 2032 The Westminster Handbook to Origen, edited by J. A. McGuckin (Louisville, London 2004) [The Westminster Handbooks to Christian Theology]. 2033 G. Dorival: Origène d’Alexandrie, in: DPhA IV (2005) 807–842. 2034 R. Heine: Origen. Scholarship in the Service of the Church (Oxford 2010) [Christian Theology in Context]. 2035 E. Prinzivalli: Origen, in: The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity, edited by L. P. Gerson (Cambridge 2010) I 283–297. 2036 A. Fürst: Origenes (185–254), in: Arbeitsbuch Theologiegeschichte: Diskurse, Akteure, Wissensformen, I, herausgegeben von G. M. Hoff, U. H. J. Körtner (Stuttgart 2012) 45–60. 2037 A. Fürst: Origenes, in: RAC 26 (2014) 460– 567.
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Bibliographie zum achten Kapitel
Origeneskongresse Eine umfangreiche Gesamtdarstellung des Forschungsstandes sämtlicher Gebiete der Origenesforschung findet man in den Bänden der alle vier Jahre stattfindenden internationalen Origeneskongresse. Bis heute sind folgende Bände erschienen: 2043 Origeniana. Premier colloque international des études origéniennes, Montserrat, 18–21 septembre 1973, dirigé par H. Crouzel, G. Lomiento, J. Rius-Camps (Bari 1975). 2044 Origeniana Secunda. Second colloque international des études origéniennes, Bari, 20–23 septembre 1977. Textes rassemblés par H. Crouzel, A. Quacquarelli (Roma 1980). 2045 Origeniana Tertia. The Third International Colloquium for Origen Studies, University of Manchester, September 7th–11th 1981. Papers edited by R. Hanson, H. Crouzel (Roma 1985). 2046 Origeniana Quarta. Die Referate des 4. Internationalen Origeneskongresses, Innsbruck, 2.–6. September 1985, herausgegeben von L. Lies (Innsbruck, Wien 1987). 2047 Origeniana Quinta. Historica, text and method, biblica, philosophica, theologica, Origenism and later developments. Papers of the 5th International Origen Congress, Boston College, 14–18 August 1989, edited by R. J. Daly (Leuven 1992). 2048 Origeniana Sexta. Origène et la Bible. Actes du Colloquium Origenianum Sextum, Chantilly, 30 août–3 septembre 1993, édités par G. Dorival, A. Le Boulluec (Leuven 1995). 2049 Origeniana Septima. Origenes in den Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts. Beiträge des 7. Origenes-Kolloquiums, 25.–29. August 1997 in Hofgeismar und Marburg, herausgegeben von W. A. Bienert, U. Kühneweg (Leuven 1999). 2050 Origeniana Octava. Origen and the Alexandrian Tradition, Origene e la tradizione alessandrina. Papers of the 8th International Origen Congress, Pisa, 27–31 August 2001, edited by L. Perrone et al., I–II (Leuven 2003). 2051 Origeniana Nona. Origen and the Religious Practice of his Time. Papers of the 9th International Origen Congress, Pécs, Hungary, 29 August–2 September 2005, edited by G. Heidl (Leuven 2009). 2052 Origeniana Decima. Origen as Writer. Papers of the 10th International Origen Congress, Kraków, Poland, 31 August–4 September 2009, edited by S. Kaczmarek, H.
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Pietras in collaboration with A. Dziadowiec (Leuven et al. 2011). 2053 Origeniana Undecima. Origen and Origen ism in the History of Western Thought. Papers of the 11th International Origen Congress, Aarhus University, 26–31 August 2013, edited by A.-Ch. Jacobsen (Leuven et al. 2016). 2054 G. Bostock: The Origen Conferences 1973– 2005: A Thematic List of the Papers, in: Adamantius 13 (2007) 297–325. Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 2060 G. Bardy: Origène et l’aristotélisme, in: Mélanges Gustave Glotz (Paris 1932) I 75–83. 2061 R. Cadiou: Dictionnaires antiques dans l’œuvre d’Origène, in: REG 45 (1932) 271– 285. 2062 E. Klostermann: Überkommene Definitionen im Werke des Origenes, in: ZNW 37 (1938) 54–61. 2063 H. de Lubac: Histoire et Esprit. L’intelligence de l’Écriture d’après Origène (Paris 1950; ND 2002) [Théologie 16]. 2064 F. Bertrand: Mystique de Jésus chez Origène (Paris 1951). 2065 G. Kretschmar: Origenes und die Araber, in: ZThK 50 (1953) 258–279. 2066 H. Crouzel: Théologie de l’image de Dieu chez Origène (Paris 1956) [Théologie 34]. 2067 A. Méhat: «Apocatastase». Origène, Clément d’Alexandrie, Act. 3, 21, in: VChr 10 (1956) 196–214. 2068 M. Harl: Origène et la fonction révélatrice du Verbe incarné (Paris 1958) [Patristica Sorbonensia 2]. 2069 R. P. C. Hanson: Allegory and Event. A Study of the Sources and Significance of Origen’s Interpretation of Scripture (Richmond 1959). 2070 M. Hornschuh: Das Leben des Origenes und die Entstehung der alexandrinischen Schule, in: ZKG 71 (1960) 1–25, 193–214. 2071 P. Nautin: Lettres et Écrivains Chrétiens des IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Collectanea Patristica 2]. 2072 H. Crouzel: Origène et la philosophie (Paris 1962) [Théologie 52]. 2073 M. Simonetti: Alcune osservazioni sull’interpretazione origeniana di Genesi 2, 7 e 3, 21, in: Aevum 36 (1962) 370–381. – Wieder in: Simonetti 2004 [*2217: 111–122].
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Origenes
2074 J. M. Rist: Eros and Psyche. Studies in Plato, Plotinus and Origen (Toronto 1964) [Phoenix Suppl. 6]. 2075 U. Wickert: Glauben und Denken bei Tertullian und Origenes, in: ZThK 62 (1965) 153– 177. 2076 H. Chadwick: Early Christian Thought and the Classical Tradition. Studies in Justin, Clement and Origen (Oxford 1966). 2077 M. Harl: Recherches sur l’origénisme d’Origène: la «satiété» (κόρος) de la contemplation comme motif de la chute des âmes, in: StPatr 8 (1966) [TU 93] 373–405. 2078 B. D. Jackson: Sources of Origen’s Doctrine of Freedom, in: Church History 35 (1966) 13–23. 2079 F.-H. Kettler: Der ursprüngliche Sinn der Dogmatik des Origenes (Berlin 1966) [BZNW 31]. 2080 M. Simonetti: Eracleone e Origene, in: VetChr 3 (1966) 111–141; 4 (1967) 23–64. 2081 H. Dörrie: Die platonische Theologie des Kelsos in ihrer Auseinandersetzung mit der christlichen Theologie auf Grund von Origenes C. Celsum 7,42ff., in: NAWG Nr. 2 (1967) 19–55. – Wieder in: Ders.: Platonica minora (München 1976) 229–262. 2082 A. Knauber: Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea, in: Münchener Theologische Zeitung 19 (1968) 182–203. 2083 J. Rius-Camps: Comunicabilidad de la naturaleza de Dios según Orígenes, in: OCP 34 (1968) 1–37; 36 (1970) 201–247; 38 (1972) 430–453. 2084 F.-H. Kettler: Die Ewigkeit der geistigen Schöpfung nach Origenes, in: Reformation und Humanismus. FS Robert Stupperich, herausgegeben von M. Greschat, J. F. G. Goeters (Witten 1969) 272–297. 2085 J. Whittaker: EΠEKEINA NOΥ KAI ΟΥΣΙΑΣ, in: VChr 23 (1969) 91–104. – Wieder in: Ders.: Studies in Platonism and Pa tristic Thought (London 1984) Kap. XII. 2086 S. Brock: Origen’s Aims as a Textual Critic of the Old Testament, in: StPatr 10 (1970) [TU 107] 215–218. 2087 H. Holz: Über den Begriff des Willens und der Freiheit bei Origenes, in: Neue Zeitschrift für systematische Theologie 12 (1970) 63–84. 2088 L. W. Roberts: Origen and Stoic Logic, in: TAPhA 101 (1970) 433–444.
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2089 B. R. Voss: Der Dialog in der frühchristlichen Literatur (München 1970) [Studia et testimonia antiqua 9]. 2090 P. Kübel: Zum Aufbau von Origenes’ De principiis, in: VChr 25 (1971) 31–39. 2091 J. Pépin: Idées grecques sur l’homme et sur Dieu (Paris 1971) [Collection d’études an ciennes]. 2092 R. M. Grant: The ‹Stromateis› of Origen, in: Epektasis. Mélanges patristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou, publiés par J. Fontaine, Ch. Kannengiesser (Paris 1972) 285– 292. – Wieder in: Grant 1983 [*437: Kap. XXV]. 2093 P. Nautin: Une citation méconnue des Stromates d’Origène (Jérome, C. Ioh. Hieros., 25), in: Epektasis. Mélanges patristiques offerts au Cardinal Jean Daniélou, publiés par J. Fontaine, Ch. Kannengiesser (Paris 1972) 373–374. 2094 J. Daniélou: A History of Early Christian Doctrine before the Council of Nicaea. II: Gospel Message and Hellenistic Culture, translated and edited by J. A. Baker (London, Philadelphia 1973). – Französisches Original: Histoire des doctrines chrétiennes avant Nicée. II: Message évangélique et culture hellénistique aux IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Bibliothèque de Théologie]. 2095 P. Kübel: Schuld und Schicksal bei Origenes, Gnostikern und Platonikern (Stuttgart 1973) [Calwer theologische Monographien]. 2096 P. Nautin: Genèse 1,1–2, de Justin à Origène, in: IN PRINCIPIO. Interprétations des premiers versets de la Genèse, éditées par le Centre d’Études des Religions du Livre. Laboratoire associé au C.N.R.S. (Paris 1973) 61–94. 2097 J. Rius-Camps: La suerte final de la naturaleza corpórea según el «Peri Archon» de Orígenes, in: VetChr 10 (1973) 291–304. 2098 H. Saake: Der Tractatus pneumatico-philosophicus des Origenes in Περὶ ἀρχῶν I, 3, in: Hermes 101 (1973) 91–114. 2099 G. Quispel: Origen and the Valentinian Gnosis, in: VChr 28 (1974) 29–42. 2100 M. Alexandre: Le statut des questions concernant la matière dans le Perì Archôn, in: Crouzel et al. 1975 [*2043: 63–81]. 2101 D. L. Balas: The Idea of Participation in the Structure of Origen’s Thought: Christian Transposition of a Theme of the Platonic Tradition, in: Crouzel et al. 1975 [*2043: 257–275].
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Bibliographie zum achten Kapitel
2102 H. Crouzel: Qu’a voulu faire Origène en composant le «Traité des principes»?, in: BLE 76 (1975) 161–186, 241–260. 2103 G. Dorival: Remarques sur la forme du Peri Archôn, in: Crouzel et al. 1975 [*2043: 33– 45]. 2104 M. Harl: Structure et cohérence du Peri Archôn, in: Crouzel et al. 1975 [*2043: 11–32]. 2105 A. Le Boulluec: La place de la polémique antignostique dans le Peri Archôn, in: Crouzel et al. 1975 [*2043: 47–61]. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 221–232]. 2106 N. R. M. De Lange: Origen and the Jews. Studies in Jewish–Christian Relations in Third-Century Palestine (Cambridge, London et al. 1976) [University of Cambridge Oriental Publications 25]. 2107 J. Rius-Camps: La suerte final de la naturaleza corpórea según el Peri Archon de Orígenes: Formulación fluctuante entre el dato revelado y los presupuestos filosóficos de un sistema, in: StPatr 14 (1976) [TU 117] 167–179. 2108 H. Crouzel: Le thème platonicien du «véhicule de l’âme» chez Origène, in: Didaskalia 7 (1977) 225–237. – Wieder in: Crouzel 1990 [*2149: Kap. III]. 2109 M. B. von Stritzky: Die Bedeutung der Phaidrosinterpretation für die Apokatastasislehre des Origenes, in: VChr 31 (1977) 282–297. 2110 H. Crouzel: L’Hadès et la Géhenne selon Origène, in: Gregorianum 59 (1978) 291–331. – Wieder in: Crouzel 1990 [*2149: Kap. X]. 2111 H. Crouzel: Mort et immortalité chez Origène, in: BLE 79 (1978) 19–38, 81–96, 181–196. – Wieder in: Crouzel 1990 [*2149: Kap. I]. 2112 A. C. Tripolitis: The Doctrine of the Soul in the Thought of Plotinus and Origen (New York 1978). 2113 D. G. Bostock: Quality and Corporeity in Origen, in: Crouzel, Quacquarelli 1980 [*2044: 323–337]. 2114 H. Crouzel: La doctrine origénienne du corps ressuscité, in: BLE 81 (1980) 175–200, 241–266. – Wieder in: Crouzel 1990 [*2149: Kap. VI]. 2115 G. Dorival: Origène a-t-il enseigné la transmigration des âmes dans les corps d’animaux? (À propos de PArch 1,8,4), in: Crouzel, Quacquarelli 1980 [*2044: 11–32]. 2116 F.-H. Kettler: Neue Beobachtungen zur Apokatastasislehre des Origenes, in: Crouzel, Quacquarelli 1980 [*2044: 339–348].
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2117 G. Sfameni Gasparro: Doppia creazione e peccato di Adamo nel ‘Peri archon’: fondamenti biblici e presupposti platonici dell’esegesi origeniana, in: Crouzel, Quacquarelli 1980 [*2044: 57–67]. – Auch erschienen in: La ‘doppia creazione’ dell’uomo negli Alessandrini, nei Cappadoci e nella gnosi, a cura di U. Bianchi (Roma 1978) [Nuovi saggi 70] 43–82; wieder in: Sfameni Gasparro 1984 [*2126: 101–138]. 2118 J. W. Trigg: The Charismatic Intellectual: Origen’s Understanding of Religious Lead ership, in: Church History 50 (1981) 5–19. 2119 J. A. Lyons: The Cosmic Christ in Origen and Teilhard de Chardin. A Comparative Study (Oxford 1982) [Oxford Theological Monographs]. 2120 J. Dillon: Plotinus, Philo and Origen on the Grades of Virtue, in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 92–105. – Wieder in: Ders.: The Golden Chain. Studies in the Development of Platonism and Christianity (Aldershot 1990) [CSS 333] Kap. XVIII. 2121 J. M. Rist: Beyond Stoic and Platonist: A Sample of Origen’s Treatment of Philosophy (Contra Celsum: 4.62–70), in: Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie, herausgegeben von H.-D. Blume, F. Mann (Münster 1983) [JbAC Ergänzungsband 10] 228–238. – Wieder in: Ders.: Platonism and its Christian Heritage (London 1985) Kap. VI. 2122 G. G. Stroumsa: The Incorporeality of God. Context and Implications of Origen’s Position, in: Religion 13 (1983) 345–358. 2123 G. af Hällström: Fides simpliciorum according to Origen of Alexandria (Helsinki 1984) [Commentationes humanarum litterarum 76]. 2124 H. Karpp: Kirchliche und ausserkirchliche Motive im hermeneutischen Traktat des Origenes ‹De principiis› 4,1/3, in: Vivarium. FS Theodor Klauser (Münster 1984) [JbAC Ergänzungsband 11] 194–212. 2125 C. E. Rabinowitz: Personal and Cosmic Salvation in Origen, in: VChr 38 (1984) 319– 329. 2126 G. Sfameni Gasparro: Origene. Studi di antropologia e di storia della tradizione (Roma 1984) [Nuovi saggi 90]. 2127 P. F. Beatrice: Le tuniche di pelle: Antiche letture di Gen. 3, 21, in: La tradizione dell’enkrateia: Motivazioni ontologiche e protologiche. Atti del colloquio internazionale, Milano, 20–23 aprile 1982, a cura di U. Bianchi (Roma 1985) 433–484.
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Origenes
2128 A. Le Boulluec: La notion d’hérésie dans la littérature grecque. IIe –IIIe siècles, I–II (Paris 1985). 2129 J. N. Rowe: The Eventual Reconciling of Human Beings to the Father by Christ and His Subsequent Subjugation to the Father, in: Hanson, Crouzel 1985 [*2045: 139–150]. 2130 K. J. Torjesen: Hermeneutical Procedure and Theological Method in Origen’s Exegesis (Berlin 1986) [PTS 28]. 2131 G. Bostock: The Sources of Origen’s Doctrine of Pre-existence, in: Lies 1987 [*2046: 259–264]. 2132 H. Crouzel: L’apocatastase chez Origène, in: Lies 1987 [*2046: 282–290]. – Wieder in: Crouzel 1990 [*2149: Kap. XII]. 2133 G. Dorival: Origène et la résurrection de la chair, in: Lies 1987 [*2046: 291–321]. 2134 G. Dorival: Nouvelles remarques sur la forme du Traité des Principes d’Origène, in: RecAug 22 (1987) 67–108. 2135 I. Hadot: Les introductions aux commentaires exégétiques chez les auteurs néoplatoniciens et les auteurs chrétiens, in: Les règles de l’interprétation, édité par M. Tardieu (Paris 1987) 99–122. 2136 R. P. C. Hanson: Did Origen Teach that the Son is ek tēs ousias of the Father?, in: Lies 1987 [*2046: 201–202]. 2137 M. Harl: La préexistence des âmes dans l’œuvre d’Origène, in: Lies 1987 [*2046: 238–258]. 2138 A. Le Boulluec: Controverses au sujet de la doctrine d’Origène sur l’âme du Christ, in: Lies 1987 [*2046: 223–237]. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 179–194]. 2139 A. Monaci Castagno: Origene predicatore e il suo pubblico (Milano 1987) [Dipartimento di storia dell’Università di Torino 3]. 2140 B. Neuschäfer: Origenes als Philologe (Basel 1987) [SBA 18]. 2141 P. Pisi: Peccato di Adamo e caduta dei Noes nell’esegesi origeniana, in: Lies 1987 [*2046: 322–335]. 2142 R. D. Williams: The Son’s Knowledge of the Father in Origen, in: Lies 1987 [*2046: 146– 153]. 2143 C. P. Bammel: Die Hexapla des Origenes: Die hebraica veritas im Streit der Meinungen, in: Augustinianum 28 (1988) 125–149. – Wieder in: Ders.: Tradition and Exegesis in Early Christian Writers (Aldershot 1995) [CSS 500] Kap. X. 2144 R. Calonne: Le libre arbitre selon le ‹Traité des Principes› d’Origène, in: BLE 89 (1988) 243–262.
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2145 M. Fédou: Christianisme et religions païennes dans le Contre Celse d’Origène (Paris 1988) [ThH 81]. 2146 P. van der Eijk: Origenes’ Verteidigung des freien Willens in De oratione 6, 1–2, in: VChr 42 (1988) 339–351. 2147 C. P. Bammel: Adam in Origen, in: The Maki ng of Orthodoxy. Essays in Honour of Henry Chadwick, edited by R. Williams (Cambridge 1989) 62–93. 2148 J. A. Trumbower: Origen’s Exegesis of John 8, 19–53: The Struggle with Heracleon over the Idea of Fixed Natures, in: VChr 43 (1989) 138–154. 2149 H. Crouzel: Les fins dernières selon Origène (London 1990) [CSS 320]. 2150 D. L. Paulsen: Early Christian Belief in a Corporeal Deity: Origen and Augustine as Reluctant Witnesses, in: HThR 83 (1990) 105–116. 2151 L. Perrone: L’argomentazione di Origene nel trattato di ermeneutica biblica. Note di lettura su Περὶ ἀρχῶν IV, 1–3, in: SCO 40 (1990) 161–203. 2152 E. Schockenhoff: Zum Fest der Freiheit. Theologie des christlichen Handelns bei Origenes (Mainz 1990) [Tübinger Theologische Studien 33]. 2153 J. Hammerstaedt: Der trinitarische Gebrauch des Hypostasisbegriffs bei Origenes, in: JbAC 34 (1991) 12–20. 2154 A. Scott: Origen and the Life of the Stars. A History of an Idea (Oxford 1991) [OECS]. 2155 W. A. Bienert: Zum Logosbegriff des Origenes, in: Daly 1992 [*2047: 418–423]. 2156 H. Crouzel: Le Dieu d’Origène et le Dieu de Plotin, in: Daly 1992 [*2047: 406–417]. 2157 G. Dorival: L’apport d’Origène pour la connaissance de la philosophie grecque, in: Daly 1992 [*2047: 189–216]. 2158 M. J. Edwards: Origen no Gnostic; or, on the Corporeality of Man, in: JThS 43 (1992) 23– 37. 2159 Th. Kobusch: Kann Gott leiden? Zu den philosophischen Grundlagen der Lehre von der Passibilität Gottes bei Origenes, in: VChr 46 (1992) 328–333. 2160 J. A. McGuckin: Caesarea Maritima as Origen Knew it, in: Daly 1992 [*2047: 3–25]. 2161 E. Norelli: Marcione e gli gnostici sul libero arbitrio, e la polemica di Origene, in: Perrone 1992 [*2162: 1–30]. 2162 Il cuore indurito del Faraone. Origene e il problema del libero arbitrio, a cura di L. Perrone (Genova 1992) [Origini 3].
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Bibliographie zum achten Kapitel
2163 L. Perrone: La legge spirituale. L’interpretazione della Scrittura secondo Origene («I principi» IV, 1–3), in: Rivista di ascetica e mistica 17 (1992) 338–363. 2164 H. S. Schibli: Origen, Didymus and the Vehicle of the Soul, in: Daly 1992 [*2047: 381– 391]. 2165 G. Sfameni Gasparro: Eguaglianza di natura e differenza di condizione dei λογικοί: la soluzione origeniana nel contesto delle formule antropologiche e demonologiche greche del II e III sec., in: Daly 1992 [*2047: 301–319]. 2166 M. Hauke: Heilsverlust in Adam. Stationen griechischer Erbsündenlehre: Irenäus – Origenes – Kappadozier (Paderborn 1993) [Konfessionskundliche und kontroverstheologische Studien 55]. 2167 H. Strutwolf: Gnosis als System. Zur Rezeption der valentinianischen Gnosis bei Origenes (Göttingen 1993) [FKDG 56]. 2168 H. S. Benjamins: Eingeordnete Freiheit. Freiheit und Vorsehung bei Origenes (Leiden, New York 1994) [VChr Suppl. 28]. 2169 Ch. Stead: Homousios (ὁμοούσιος), in: RAC 16 (1994) 364–433. 2170 H. Ziebritzki: Heiliger Geist und Weltseele. Das Problem der dritten Hypostase bei Origenes, Plotin und ihren Vorläufern (Tübingen 1994) [Beiträge zur historischen Theologie 84]. 2171 M. J. Edwards: Origen’s two Resurrections, in: JThS 46 (1995) 502–518. 2172 M. Fédou: La sagesse et le monde. Essai sur la christologie d’Origène (Paris 1995) [Jésus et Jésus-Christ 64]. 2173 R. E. Heine: The Introduction to Origen’s Commentary on John Compared with the Introductions to the Ancient Philosophical Commentaries on Aristotle, in: Dorival, Le Boulluec 1995 [*2048: 3–12]. 2174 L. Perrone: Perspectives sur Origène et la littérature patristique des ‘Quaestiones et responsiones’, in: Dorival, Le Boulluec 1995 [*2048: 151–164]. 2175 C. Scholten: Die alexandrinische Katechetenschule, in: JbAC 38 (1995) 16–37. 2176 R. van den Broek: The Christian ‘School’ of Alexandria in the Second and Third Centuries, in: Centres of Learning. Learning and Location in Pre-Modern Europe and the Near East, edited by J. W. Drijvers, A. A. MacDonald (Leiden 1995) 39–47. 2177 J. Pépin: Celse, Origène, Porphyre sur les limites de la Theia Dunamis, in: Dunamis nel
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Origenes
(1999) 8–36. – Wieder in: Le Boulluec 2006 [*1767: 29–60]. 2190 L. Lies: Origenes und Reinkarnation, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 121 (1999) 139–158, 249–268. 2191 R. Roukema: «Die Liebe kommt nie zu Fall» (1 Kor 13, 8a) als Argument des Origenes gegen einen neuen Abfall der Seelen von Gott, in: Bienert, Kühneweg 1999 [*2049: 15–23]. 2192 K.-H. Uthemann: Protologie und Eschatologie. Zur Rezeption des Origenes im 4. Jahrhundert vor dem Ausbruch der ersten origenistischen Kontroverse, in: Bienert, Kühneweg 1999 [*2049: 399–458]. 2193 H. J. Vogt: Origenes als Exeget, herausgegeben von W. Geerlings (Paderborn, München, Wien 1999). 2194 G.-H. Baudry: Le péché dit originel (Paris 2000) [ThH 113]. 2195 A. Fürst: Lasst uns erwachsen werden! Ethische Aspekte der Eschatologie des Origenes, in: Theologie und Philosophie 75 (2000) 321–338. – Wieder in: Fürst 2011 [*2261: 163–184]. 2196 R. A. Layton: Propatheia: Origen and Didymus on the Origin of the Passions, in: VChr 54 (2000) 262–282. 2197 R. A. Layton: Recovering Origen’s Pauline Exegesis: Exegesis and Eschatology in the Commentary on Ephesians, in: JECS 8 (2000) 373–411. 2198 Ch. Markschies: Epikureismus bei Origenes und in der origenistischen Tradition, in: Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karlund-Gertrud-Abel-Stiftung vom 30. September bis 3. Oktober 1998 in Würzburg, herausgegeben von M. Erler et al. (Stuttgart 2000) [PhdA 11] 191–217. – Wieder in: Ders.: Origenes und sein Erbe. Gesammelte Studien (Berlin 2007) [TU 160] 127–154. 2199 R. Somos: Origen and Numenius, in: Adamantius 6 (2000) 51–69. 2200 P. A. Ciner: Plotino y Orígenes. El Amor y la Unión Mística (Cuyo 2001). 2201 G. Lekkas: Liberté et progrès chez Origène (Turnhout 2001) [Monothéismes et philo sophie]. 2202 Origene maestro di vita spirituale. Origen: Master of Spiritual Life. Milano, 13–15 settembre 1999, a cura di L. F. Pizzolato, M. Rizzi (Milano 2001) [Studia Patristica Mediolanensia 22].
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2203 S.-P. Bergjan: Der fürsorgende Gott. Der Begriff der ΠΡΟΝΟΙΑ Gottes in der apologetischen Literatur der alten Kirche (Berlin, New York 2002) [AKG 81]. 2204 M. J. Edwards: Origen against Plato (Aldershot 2002). 2205 R. Somos: Origenian Apocatastasis Revisited, in: Cristianesimo nella storia 23 (2002) 53–77. 2206 Th. Böhm: Unbegreiflichkeit Gottes bei Origenes und Unsagbarkeit des Einen bei Plotin – Ein Strukturvergleich, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 451–463]. 2207 A. J. Carriker: The Library of Eusebius of Caesarea (Leiden, Boston 2003) [VChr Suppl. 67]. 2208 F. Cocchini: Dalla regula fidei riflessioni origeniane sullo Spirito santo, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 593–603]. 2209 M. Kuyama: Evil and Diversity in Origen’s De Principiis, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 489–501]. 2210 L. Lugaresi: Politeismo, monoteismo, rela zione trinitaria. Appunti su linguaggio religioso e natura divina in Giustino, Origene e Gregorio Nazianzeno, in: Annali di scienze religiose 8 (2003) 153–178. 2211 A. Miranda: La nozione di «corpo spiri tuale» in Origene e nella tradizione antiochena, in: Gregorianum 84 (2003) 295–314. 2212 D. T. Runia: Origen and Hellenism, in: Perrone et al. 2003 [*2050: I 43–47]. 2213 A. Bastit-Kalinowska: «Agir dans»: Autour de l’emploi d’ἐνεργεῖν dans l’œuvre et l’exégèse d’Origène, in: Adamantius 10 (2004) 123–137. 2214 A. Jakab: Ecclesia alexandrina. Évolution sociale et institutionnelle du christianisme alexandrin (IIe et IIIe siècles) (Berne 2004) [Christianismes anciens 1]. 2215 M. J. Martin: Origen’s Theory of Language and the First Two Columns of the Hexapla, in: HThR 97 (2004) 99–106. 2216 S. Morlet: Eusèbe de Césarée a-t-il utilisé les Stromates d’Origène dans la Préparation Évangélique?, in: Revue de philologie, de littérature et d’histoire anciennes 78 (2004) 127–140. 2217 M. Simonetti: Origene esegeta e la sua tradizione (Brescia 2004) [Letteratura cristiana antica N. S. 2]. 2218 B. Bennett: The Soiling of Sinful Flesh: Primordial Sin, Inherited Corruption and Moral Responsibility in Didymus the Blind and Origen, in: Adamantius 11 (2005) 77–92.
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Bibliographie zum achten Kapitel
2219 H. Buchinger: Pascha bei Origenes. I: Die chronologische Präsentation; II: Systematische Aspekte (Innsbruck, Wien 2005) [Innsbrucker theologische Studien 64]. 2220 R. E. Heine: The Testimonia and Fragments Related to Origen’s Commentary on Genesis, in: ZAC 9 (2005) 122–142. 2221 O. Nesterova: Les interprétations modernes de la doctrine origénienne des «trois sens» de l’Écriture: examen critique, in: Adamantius 11 (2005) 184–210. 2222 J. Tloka: Griechische Christen – Christliche Griechen. Plausibilisierungsstrategien des antiken Christentums bei Origenes und Johannes Chrysostomos (Tübingen 2005) [STAC 30]. 2223 D. Wyrwa: Religiöses Lernen im zweiten Jahrhundert und die Anfänge der alexandrinischen Katechetenschule, in: Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung, herausgegeben von B. Ego, H. Merkel (Tübingen 2005) [WUNT 180] 271–305. 2224 S. F. Eyzaguirre: ‘passio caritatis’ according to Origen In Ezechielem Homiliae VI in the Light of Dt 1, 31, in: VChr 60 (2006) 135– 147. 2225 L. Fladerer: Buße auf dem Seelenwagen bei Porphyrius und Origenes, in: Pagani e cris tiani alla ricerca della salvezza (secoli I–III). XXXIV Incontro di studiosi dell’antichità cristiana, Roma, 5–7 maggio 2005 (Roma 2006) [StudEphAug 96] 449–461. 2226 A. Grafton, M. Williams: Christianity and the Transformation of the Book. Origen, Eusebius and the Library of Caesarea (Harvard 2006). 2227 P. M. Paciorek: L’anthropologie trichoto mique (1 Thess 5, 23) et la résurrection de la chair selon Irénée et Origène, in: Pagani e cristiani alla ricerca della salvezza (secoli I– III). XXXIV Incontro di studiosi dell’antichità cristiana, Roma, 5–7 maggio 2005 (Roma 2006) [StudEphAug 96] 465–475. 2228 P. Tzamalikos: Origen. Cosmology and Ontology of Time (Leiden, Boston 2006) [VChr Suppl. 77]. 2229 A. Fürst: Der junge Origenes im Bildungsmilieu Alexandrias, in: Frühchristentum und Kultur, herausgegeben von F. R. Prostmeier (Freiburg i. Br. 2007) [KfA Ergänzungsband 2] 249–277. – Wieder in: Fürst 2011 [*2261: 45–80].
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2230 Ch. Markschies: Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie (Tübingen 2007). 2231 Ch. Markschies: Kastration und Magenprobleme? Einige neue Blicke auf das asketische Leben des Origenes, in: Markschies 2007 [*2232: 15–34]. – Wieder in: Heidl 2009 [*2051: 255–271]. 2232 Ch. Markschies: Origenes und sein Erbe. Gesammelte Studien (Berlin, New York 2007) [TU 160]. 2233 C. O’Brien: The Origin in Origen: Christian Creation or Platonic Demiurgy?, in: FZPhTh 54 (2007) 169–177. 2234 M. Skeb: Exegese und Lebensform. Die Proömien der antiken griechischen Bibelkommentare (Leiden, Boston, Köln 2007) [Clavis commentariorum antiquitatis et medii aevi 5]. 2235 P. Tzamalikos: Origen. Philosophy of History and Eschatology (Leiden, Boston 2007) [VChr Suppl. 85]. 2236 M. Edwards: Origen’s Platonism: Questions and Caveats, in: ZAC 12 (2008) 20–38. – Wieder in: Ders.: Christians, Gnostics and Philosophers in Late Antiquity (Farnham 2012) [CSS 1014] Kap. XV. 2237 A. L. Jacobsen: Genesis 1–3 as Source for the Anthropology of Origen, in: VChr 62 (2008) 213–232. 2238 T. M. Law: Origen’s Parallel Bible: Textual Criticism, Apologetics, or Exegesis?, in: JThS 59 (2008) 1–21. 2239 A. Le Boulluec: D’Origène à Eusèbe: bibliothèque et enseignement à Césarée de Palestine, in: L’enseignement supérieur dans les mondes antiques et médiévaux: Aspects in stitutionnels, juridiques et pédagogiques. Colloque international de l’Institut des Traditions Textuelles. Actes publiés sous la direction de H. Hugonnard-Roche (Paris 2008) [Textes et traditions 16] 239–261. 2240 R. Mathisen: «Living Like a Christian, but Playing the Greek»: Accounts of Apostasy and Conversion in Porphyry and Eusebius, in: Journal of Late Antiquity 1 (2008) 258– 277. 2241 A. Villani: Origenes als Schriftsteller: ein Beitrag zu seiner Verwendung von Prosopopoiie, mit einigen Beobachtungen über die prosopologische Exegese, in: Adamantius 14 (2008) 130–150. 2242 P. Arfé: «E servano da segni» (Gen 1, 14): La confutazione del fatalismo astrologico nel
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Origenes
‹Commento a Genesi› di Origene, in: Augustinianum 49 (2009) 321–358. 2243 P. Argárate: The Holy Spirit in Prin I, 3, in: Heidl 2009 [*2051: 25–92]. 2244 C. Aruzza: Le refus du bonheur: Négligence et chute dans la pensée d’Origène, in: RThPh 141 (2009) 261–272. 2245 A. Cacciari: «Certain Knowledge of the Things that are»: Origenian Variations on the Theme of Wisdom, in: Heidl 2009 [*2051: 93–114]. 2246 M. Fiedrowicz: Theologe werden – in der Schule des Origenes, in: Trierer theologische Zeitschrift 118 (2009) 95–108. 2247 M. Hirshman: Origen’s View of ‘Jewish Fa bles’ in Genesis, in: The Exegetical Encounter between Jews and Christians in Late Antiquity, edited by E. Grypeou, H. Spurling (Leiden, Boston 2009) [Jewish and Christian Perspectives Series 18] 245–254. 2248 L. R. Holliday: Will Satan Be Saved? Reconsidering Origen’s Theory of Volition in Peri Archon, in: VChr 63 (2009) 1–23. 2249 Ch. Köckert: Christliche Kosmologie und kaiserzeitliche Philosophie. Die Auslegung des Schöpfungsberichtes bei Origenes, Basilius und Gregor von Nyssa vor dem Hintergrund kaiserzeitlicher Timaeus-Interpretation (Tübingen 2009) [STAC]. 2250 Ch. Köckert: Gott, Welt, Zeit und Ewigkeit bei Origenes, in: Zeit und Ewigkeit als Raum göttlichen Handelns. Religionsgeschichtliche, theologische und philosophische Perspektiven, herausgegeben von R. G. Kratz, H. Spieckermann (Berlin, New York 2009) [BZAW 390] 253–297. 2251 J. S. O’Leary: Knowledge of God: How Prayer Overcomes Platonism (Contra Celsum VI–VII), in: Heidl 2009 [*2051: 447– 468]. 2252 D. Pazzini: Lingua e teologia in Origene. Il Commento a Giovanni (Brescia 2009) [Studi biblici 260]. 2253 H. Pietras: L’inizio del mondo materiale e l’elezione divina in Origene, in: Heidl 2009 [*2051: 653–668]. 2254 G. Bartolozzi: Origene e il dibattito sulla divinità del Logos nella prima metà del secolo III, in: Augustinianum 50 (2010) 61–82. 2255 Ch. Hengstermann: The «Dignity of God’s Image»: Origen’s Metaphysics of Man, in: Natur und Normativität, herausgegeben von A. Fürst, K. Müller (Berlin 2010) [Pontes 46] 45–62.
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2256 W. Löhr: Christianity as Philosophy: Problems and Perspectives of an Ancient Intellectual Project, in: VChr 64 (2010) 160–188. 2257 B. Stefaniw: Mind, Text, and Commentary: Noetic Exegesis in Origen of Alexandria, Didymus the Blind and Evagrius Ponticus (Frankfurt a. M. 2010) [ECCA 6]. 2258 A. Tzvetkova-Glaser: Pentateuchauslegung bei Origenes und den frühen Rabbinen (Frankfurt a. M. 2010) [ECCA 7]. 2259 G. Bostock: Satan – Origen’s Forgotten Doctrine, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 109–123]. 2260 A. Cacciari: Origen’s Language: Some Research Perspectives, in: Fürst 2011 [*2347: 129–148]. 2261 A. Fürst: Von Origenes und Hieronymus zu Augustinus. Studien zur antiken Theologiegeschichte (Berlin 2011) [AKG 115]. 2262 S. Guly: The Salvation of the Devil and the Kingdom of God in Origen’s Letter to Certain Close Friends in Alexandria, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 197–220]. 2263 R. Heine: Origen and the Eternal Bound aries, in: Die Septuaginta und das frühe Christentum. The Septuagint and Christian Origins, herausgegeben von Th. S. Caulley, H. Lichtenberger (Tübingen 2011) [WUNT 277] 393–409. 2264 Ch. Hengstermann: Christliche Natur- und Geschichtsphilosophie: Die Weltseele bei Origenes, in: Fürst 2011 [*2347: 43–75]. 2265 Ch. Hengstermann: The Neoplatonism of Origen in the First Two Books of His Commentary on John, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 75–87]. 2266 S. Morlet: Signaler l’accord des textes: Un trait caractéristique de l’exégèse d’Origène et du commentarisme grec de l’époque impériale, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 127–145]. 2267 J. S. O’Leary: Christianisme et philosophie chez Origène (Paris 2011) [Philosophie & théologie]. 2268 L. Perrone: La preghiera secondo Origene. L’impossibilità donata (Brescia 2011) [Letteratura cristiana antica N. S. 24]. 2269 L. Perrone: Origenes pro domo sua: SelfQuotation and the (Re)construction of a Literary Œuvre, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 3–38]. 2270 A. Tzvetkova-Glaser: L’interprétation origénienne de Gen 2, 8 et ses arrière-plans rabbiniques, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 63–73].
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Bibliographie zum achten Kapitel
2271 A. Villani: Il posto della retorica nella strategia polemica di Origene contro Celso, in: Auctores nostri 9 (2011) 257–281. 2272 P. W. Martens: Origen’s Doctrine of PreExistence and the Opening Chapters of Genesis, in: ZAC 16 (2012) 516–549. 2273 P. W. Martens: Origen and Scripture. The Contours of the Exegetical Life (Oxford 2012) [OECS]. 2274 M. S. M. Scott: Journey back to God. Origen on the Problem of Evil (Oxford 2012) [Acad emy Series, American Academy of Religion]. 2275 A. Villani: Homer in the Debate Between Celsus and Origen, in: REAug 58 (2012) 113–139. 2276 Caesarea Maritima e la scuola origeniana: Multiculturalità, forme di competizione culturale e identità cristiana. Atti dell’XI convegno del Gruppo di Ricerca su Origene e la tradizione Alessandrina (22–23 settembre 2011), a cura di O. Andrei (Brescia 2013) [Adamantius Suppl. 3]. 2277 L. Perrone: Origene e la ‘Terra Santa’, in: Andrei 2013 [*2276: 139–160]. 2278 G. Rinaldi: Pagani e cristiani a Cesarea Marittima, in: Andrei 2013 [*2276: 25–94]. 2279 M. Rizzi: La scuola di Origene tra le scuole di Cesarea e del mondo tardoantico, in: Andrei 2013 [*2276: 105–120]. 2280 St. Bagby: Volitional Sin in Origen’s Commentary on Romans, in: HThR 107 (2014) 340–362. 2281 P. W. Martens: A Fitting Portrait of God: Origen’s Interpretations of the «Garments of Skins» (Gen 3:21), in: Hidden Truths from Eden. Esoteric Readings of Genesis 1–3, edited by C. Vander Stichele, S. Scholz (Atlanta 2014) [Semeia Studies 76] 55–84. 2282 M. Becker: Porphyrios, Contra Christianos. Neue Sammlung der Fragmente, Testimonien und Dubia mit Einleitung, Übersetzung und Anmerkungen (Berlin, Boston 2016) [TuK 52]. 2283 A. Fürst: Origen’s Legacy to Modern Think ing about Freedom and Autonomy, in: Jacobsen 2016 [*2053: 3–27]. 2284 P. Tzamalikos: Anaxagoras, Origen, and Neoplatonism. The Legacy of Anaxagoras to Classical and Late Antiquity, I–II (Berlin, Boston 2016) [AKG 128].
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Nachwirkung 2289 F. R. Diekamp: Die origenistischen Streitigkeiten im 6. Jahrhundert und das fünfte allgemeine Concil (Münster 1899). 2290 C. C. Richardson: The Condemnation of Origen, in: Church History 6 (1937) 50–64. 2291 J. Leclercq: Origène au XIIe siècle, in: Irénikon 24 (1951) 425–439. 2292 H. de Lubac: Exégèse Médiévale. Les quatres sens de l’Écriture, I–IV (Paris 1959–1964). 2293 A. Guillaumont: Les «Kephalaia gnostica» d’Èvagre le Pontique et l’histoire de l’Origenisme chez les Grecs et les Syriens (Paris 1962) [Patristica Sorbonensia 5]. 2294 G. Müller: Die Idee einer Apokatastasis ton panton in der europäischen Theologie von Schleiermacher bis Barth, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 16 (1964) 1–22. 2295 H. Crouzel: Pic de la Mirandole et Origène, in: BLE 66 (1965) 81–106, 174–194, 272–288. 2296 I.-M. Duval: Tertullien contre Origène sur la résurrection de la chair dans le Contra Iohannem Hierosolymitanum, 23–36 de saint Jérôme, in: REAug 17 (1971) 227–278. 2297 A. M. La Bonnardière: Jérôme ‘informateur’ d’Augustin au sujet d’Origène, in: REAug 20 (1974) 42–54. 2298 Une controverse sur Origène à la Renaissance: Jean Pic de la Mirandole et Pierre Garcia. Textes presentés, traduits et annotés par H. Crouzel, preface de H. de Lubac (Paris 1977) [De Pétrarque à Descartes 36]. 2299 W. A. Bienert: Dionysios von Alexandrien: Zur Frage des Origenismus im dritten Jahrhundert (Berlin, New York 1978) [PTS 21]. 2300 L. Lies: Origenes und die Eucharistiekon troverse zwischen Paschasius Radbertus und Ratramnus, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 101 (1979) 414–426. 2301 M. Schär: Das Nachleben des Origenes im Zeitalter des Humanismus (Basel, Stuttgart 1979) [Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 140]. 2302 A. Godin: Érasme lecteur d’Origène (Genève 1982) [Travaux d’Humanisme et Renaissance 190]. 2303 L. Brésard: Bernard et Origène commentent le Cantique (Forges 1983). 2304 C. Falla: L’Apologie d’Origène par Pierre Halloix (1648) (Paris 1983) [Bibliothèque de la Faculté de Philosophie et Lettres de l’Université de Liège 238].
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Origenes
2305 G. R. Evans: Origen in the Twelfth Century, in: Hanson, Crouzel 1985 [*2045: 279–285]. 2306 L. Lies: Origenes’ Eucharistielehre im Streit der Konfessionen. Die Auslegungsgeschichte seit der Reformation (Innsbruck 1985) [Innsbrucker theologische Studien 15]. 2307 E. Mühlenberg: Apollinaris von Laodicea und die origenistische Tradition, in: ZNW 76 (1985) 270–283. 2308 L’Origenismo: Apologie e polemiche intorno a Origene. Principali contributi offerti dagli studiosi della antichità cristiana nel loro XIV incontro, svoltosi nei giorni 9–11 maggio del 1985 a Roma (Roma 1986) [Augustinianum 26]. 2309 G. Bunge: Origenismus – Gnostizismus. Zum geistesgeschichtlichen Standort des Evagrios Pontikos, in: VChr 40 (1986) 24–54. 2310 C. Micaelli: L’anima di Cristo nella teologia occidentale tra il quarto e il sesto secolo: Tracce della presenza di Origene, in: Augustinianum 26 (1986) 261–272. 2311 E. Clark: The Place of Jerome’s Commentary on Ephesians in the Origenist Controversy: The Apokatastasis and Ascetic Ideals, in: VChr 41 (1987) 154–171. 2312 R. P. C. Hanson: The Influence of Origen on the Arian Controversy, in: Lies 1987 [*2046: 410–423]. 2313 Ch. Kannengiesser: Origenes im christlichen Abendland bis zur Zeit der Reformation, in: Lies 1987 [*2046: 465–470]. 2314 J. F. Dechow: Dogma and Mysticism in Early Christianity: Epiphanius of Cyprus and the Legacy of Origen (Leuven 1988) [Patristic Monograph Series 13]. 2315 Origen of Alexandria. His World and His Legacy, edited by Ch. Kannengiesser, W. L. Petersen (Notre Dame 1988) [Christianity and Judaism in Antiquity 1]. 2316 F. Young: The Rhetorical Schools and their Influence on Patristic Exegesis, in: The Maki ng of Orthodoxy. Essays in Honour of Henry Chadwick, edited by R. Williams (Cambridge 1989) 182–199. 2317 W. van Laak: Allversöhnung: Die Lehre von der Apokatastasis. Ihre Grundlegung durch Origenes und ihre Bewertung in der gegenwärtigen Theologie bei Karl Barth und Hans Urs von Balthasar (Sinzig 1990). 2318 E. A. Clark: The Origenist Controversy. The Cultural Construction of an Early Christian Debate (Princeton 1992). 2319 B. Daley: What Did ‘Origenism’ Mean in the Sixth Century?, in: G. Dorival, Le Boulluec 1995 [*2048: 627–638].
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2320 J. W. Trigg: Eustathius of Antioch’s Attack on Origen, in: Journal of Religion 75 (1995) 219–238. 2321 W. Bienert: Origenes im Werk des Epiphanius von Salamis, in: StPatr 32 (1997) 239– 257. 2322 J. R. Lyman: The Making of a Heretic: The Life of Origen in Epiphanius Panarion 64, in: StPatr 31 (1997) 445–451. – Wieder in: Doctrine and Debate in the East Christian World, 300–1500, edited by A. Cameron, R. Hoyland (Farnham 2011) [The World of Eastern Christianity 12] 1–7. 2323 G. Sfameni Gasparro: Origene e la tradi zione origeniana in Occidente. Letture storico-religiose (Roma 1998) [Biblioteca di scienze religiose 142]. 2324 R. Voderholzer: Die Einheit der Schrift und ihr geistiger Sinn. Der Beitrag Henri de Lubacs zur Erforschung von Geschichte und Systematik christlicher Bibelhermeneutik (Einsiedeln 1998). 2325 G. Bostock: The Influence of Origen on Pelagius and Western Monasticism, in: Bienert, Kühneweg 1999 [*2049: 381–396]. 2326 E. Rapetti: Pierre-Daniel Huet: erudizione, filosofia, apologetica (Milano 1999) [Scienze filosofiche 65]. 2327 G. Lettieri: Il metodo della grazia. Pascal e l’ermeneutica giansenista di Agostino (Roma 2000). 2328 M. Fédou: L’historien Socrate et la controverse origéniste du IVe siècle, in: L’historiographie de l’Église des premiers siècles, édité par B. Pouderon, Y.-M. Duval (Paris 2001) [ThH 114] 271–280. 2329 D. Hombergen: The Second Origenist Controversy. A New Perspective on Cyril of Scythopolis’ Monastic Biographies as H istorical Sources for Sixth-Century Origenism (Roma 2001) [Studia Anselmiana 132]. 2330 R. J. Lokaj: Origen between Dante and Pe trarch, in: Adamantius 7 (2001) 132–153. 2331 B. McGinn: The Spiritual Heritage of Origen in the West: Aspects of the History of Origen’s Influence in the Middle Ages, in: Pizzolato, Rizzi 2001 [*2202: 263–289]. 2332 Origene e l’alessandrinismo cappadoce (III– IV secolo). Atti del V Convegno del Gruppo Italiano di ricerca su ‘Origene e la tradizione alessandrina’, Bari, 20–22 settembre 2000, a cura di M. Girardi, M. Marin (Bari 2002) [Quaderni di Vetera Christianorum 28]. 2333 E. Prinzivalli: Magister Ecclesiae: il dibattito su Origene fra III e IV secolo (Roma 2002) [StudEphAug 82].
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Bibliographie zum achten Kapitel
2334 M. Simonetti: Origene: Dalla Cappadocia ai Cappadoci, in: Girardi, Marin 2002 [*2332: 13–28]. – Wieder in: Simonetti 2004 [*2217: 299–312]. 2335 W. A. Bienert: Zur Entstehung des Antiorigenismus im 3./4. Jahrhundert, in: Perrone et al. 2003 [*2050: II 829–842]. 2336 M. Fédou: Henri de Lubac, lecteur d’Origène: L’hospitalité de la théologie et sa source mystique, in: RSR 77 (2003) 133–146. 2337 G. Lettieri: Newman Alessandrino, in: John Henry Newman: Lo sviluppo della dottrina cristiana, a cura di A. Prandi, nuova edi zione a cura di L. Obertello, postfazione di G. Lettieri (Milano 2003) [Già e non ancora 389] 421–452. 2338 É. Junod: L’‹Apologie pour Origène› de Pamphile et Eusèbe et les développements sur Origène dans le livre VI de l’‹Histoire ecclésiastique›, in: Monaci Castagno 2004 [*1994: 183–200]. 2339 Th. P. Scheck: William of St. Thierry’s Reception of Origen’s Exegesis of Romans, in: Adamantius 10 (2004) 238–258. 2340 F. Franco: La passione dell’amore. L’ermeneutica cristiana di Balthasar e Origene (Bologna 2005) [Nuovi saggi teologici 64]. 2341 G. Bendinelli: Il Commento a Matteo latino di Origene in epoca medioevale: I casi di Pascasio Radberto e Tommaso d’Aquino, in: Adamantius 12 (2006) 263–301. 2342 V. Grossi: L’origenismo latino negli scritti agostiniani: dagli origenisti agli origeniani, in: Augustinianum 46 (2006) 51–89. 2343 E. Prinzivalli: La controversia origeniana di fine IV secolo e la diffusione della cono scenza di Origene in Occidente, in: Augustinianum 46 (2006) 35–50. 2344 S. Cazelais: Sens corporel et sens spirituel de l’Écriture selon Origène et Marius Victorinus, in: Scriptura 10 (2008) 9–21. 2345 G. Bendinelli: Tommaso d’Aquino lettore di Origene: un’introduzione, in: Adamantius 15 (2009) 103–120.
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2346 G. Pani: «In toto Origene non est verbum unum de Christo»: Lutero e Origene, in: Adamantius 15 (2009) 135–149. 2347 Origenes und sein Erbe in Orient und Okzident, herausgegeben von A. Fürst (Münster 2011) [Adamantiana 1]. 2348 Z. Esterson: Origen, Victorinus of Pettau and the Beginnings of the Latin Commentary Tradition, in: Fürst 2011 [*2347: 149–177]. 2349 A. Fürst: Origenes in den Werken Augustins, in: Fürst 2011 [*2347: 487–500]. 2350 D. S. Katos: Palladius of Helenopolis. The Origenist Advocate (Oxford 2011) [OECS]. 2351 Autonomie und Menschenwürde. Origenes in der Philosophie der Neuzeit, herausgegeben von A. Fürst (Münster 2012) [Adamantiana 2]. 2352 A. Fürst: Autonomie und Menschenwürde: Die origeneische Tradition, in: Fürst 2012 [*2351: 9–46]. 2353 D. Hedley: The Cambridge Platonists and the ‘Miracle of the Christian World’, in: Fürst 2012 [*2351: 185–197]. 2354 Ch. Hengstermann: Die Seele zwischen Tier und Gott: Die origeneische Freiheitsanthropologie bei Erasmus von Rotterdam, in: Fürst 2012 [*2351: 139–167]. 2355 H. Lundhaug: Shenoute’s Heresiological Polemics and its Context(s), in: Invention, Rewriting, Usurpation. Discursive Fights over Religious Traditions in Antiquity, edited by J. Ulrichs, A.-Ch. Jacobsen, D. Brakke (Frankfurt a. M. 2012) [ECCA 11] 239–261. 2356 M. Rizzi: The Revival of the Apokatastasis. Or, Three Ways to Read Origen Today, in: Fürst 2012 [*2351: 275–283]. 2357 P. Walter: Inquisitor, non dogmatistes: Die Rolle des Origenes in der Auseinandersetzung des Erasmus von Rotterdam mit Martin Luther, in: Fürst 2012 [*2351: 169–183].
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Primärliteratur 2363 Γρηγορίου τοῦ θαυματουργοῦ τὰ εὑρισκό μενα πάντα, accurante et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1857) [PG 10] 963–1232. – Abdruck und Erweiterung der Ausgabe von A. Galland 1767. 2364 P. Lagardii Analecta Syriaca (Lipsiae, Londinii 1858) 31–67. – Schriften in syrischer Übersetzung. 2365 Analecta sacra Spicilegio Solesmensi parata IV: Patres antenicaeni, edidit J. B. card. Pitra (Parisiis 1883). – 81–169: Syrischer und armenischer Text; 345–412: Lateinische Übersetzung. 2366 Qerellos IV,3: Traktate des Severianos von Gabala, Gregorios Thaumaturgos und Kyrillos von Alexandrien, herausgegeben von B. M. Weischer (Wiesbaden 1980) [Äthiopische Forschungen 7]. – Schriften in äthiopischer Übersetzung. 2367 St. Gregory Thaumaturgus: Life and Works, translated by M. Slusser (Washington 1998) [The Fathers of the Church 98]. ‹Metaphrasis in ‘Ecclesiasten’› 2373 Gregory Thaumaturgos’ Paraphrase of Ecclesiastes. Translation with a Commentary by J. Jarick (Atlanta 1990) [Septuagint and Cognate Studies Series 29]. ‹Epistula canonica› 2379 Reliquiae iuris ecclesiastici antiquissimae: graece et syriace, edidit P. de Lagarde (Leipzig 1856; ND Osnabrück, Wiesbaden 1967) 60–63. 2380 J. Dräseke: Der kanonische Brief des Gregorios von Neocäsarea, in: Jahrbücher für protestantische Theologie 7 (1881) 724–756. 2381 Discipline générale antique (IIe –IXe s.). II: Les canons des Pères Grecs, par P.-P. Joannou (Grottaferrata, Roma 1963) [Fonti / Pontificia Commissione per la redazione del Codice di Diritto Canonico Orientale Fasc. 9 ] 19–30.
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‹Oratio panegyrica› 2387 Des Gregorios Thaumaturgos Dankrede an Origenes. Als Anhang der Brief des Origenes an Gregorios Thaumaturgos, herausgegeben von P. Koetschau (Freiburg i. Br., Leipzig 1894) [Sammlung ausgewählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften 9]. 2388 Grégoire le Thaumaturge: Remerciement à Origène suivi de la lettre d’Origène à Grégoire. Texte grec, introduction, traduction et notes par H. Crouzel (Paris 1969) [SC 148]. – Text von Koetschau 1894 [*2387] mit den Verbesserungen von Brinkmann 1901 [*2459]. 2389 Gregor der Wundertäter: Oratio prosphonetica ac panegyrica in Origenem – Dankrede an Origines. Im Anhang: Origenis epistula ad Gregorium Thaumaturgum – Der Brief des Origenes an Gregor der Wundertäter, übersetzt von P. Guyot, eingeleitet von R. Klein (Freiburg i. Br. 1996) [FC 24]. 2390 Gregorio il Taumaturgo (?): Encomio di Origene. Introduzione, traduzione e note di M. Rizzi (Milano 2002) [Letture cristiane del primo millennio 33]. ‹Disputatio de anima ad Tatianum› 2396 V. Ryssel: Zwei neu aufgefundene Schriften der graeco-syrischen Literatur, in: RhM 51 (1896) 1–20, 318–320. – Besonders 4–9. 2397 G. Furlani: Contributi alla storia della filosofia greca in Oriente. Testi arabici I: Pseudo-Aristotele fi al-nafs t’, in: RAL, serie 5, vol. 24 (1915) 117–137. – Arabische Übersetzung. 2398 G. Furlani: Contributions to the History of Greek Philosophy in the Orient. Syriac Texts IV: A Syriac Version of the λόγος κεφαλαι ώδης περὶ ψυχῆς πρὸς Τατιανόν of Gregory Thaumaturgus, in: Journal of the American Oriental Society 35 (1915–1917) 297–317. ‹Sermo ad Philagrium de consubstantiali› 2404 Sancti Gregorii Nysseni Ad Evagrium monachum, de Divinitate, in: Γρηγορίου τοῦ θαυματουργοῦ τὰ εὑρισκόμενα πάντα, accurante J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1863; ND Turnhout 1959) [PG 46] 1101–1108.
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Bibliographie zum achten Kapitel
2405 V. Ryssel 1880 [*2434: 65–70]. – Deutsche Übersetzung. 2406 J. B. Pitra 1883 [*2365: 100–103, 360–363]. – Syrische und lateinische Übersetzung. ‹Confessio fidei› 2412 C. P. Caspari: Alte und neue Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel (Christiania 1879) 1–64. 2413 J. B. Pitra 1883 [*2365: 81–82, 345–346]. – Syrische und lateinische Übersetzung 2414 B. M. Weischer: Die Glaubenssymbole des Epiphanios von Salamis und des Gregorios Thaumaturgos im Qerellos, in: OC 61 (1977) 20–40. 2415 Faith in Formulae. A Collection of Early Christian Creeds and Creed-related Texts, edited and annoted by W. Kinzig (Oxford 2017) I 243–247. ‹Ad Theopompum de passibili et impassibili in Deo› 2421 V. Ryssel 1880 [*2434: 71–99]. – Deutsche Übersetzung. 2422 J. B. Pitra 1883 [*2365: 103–128, 363–376]. – Syrische und lateinische Übersetzung.
Sekundärliteratur
Bibliographien Eine Gesamtdarstellung des Forschungsstandes findet man in den Referaten der internationalen Origeneskongresse, die alle vier Jahre stattfinden: siehe oben *2043–*2053. Außerdem: 2428 Adamantius. Notiziario del Gruppo italiano di ricerca su ‘Origene e la tradizione alessandrina’ 1– (1995–). – Jahrbuch mit einem umfangreichen bibliographischen Anhang über alle Aspekte der origeneischen Tradition. Biographie 2434 V. Ryssel: Gregorius Thaumaturgus: Sein Leben und seine Schriften. Nebst Übersetzung zweier bisher unbekannter Schriften Gregors aus dem Syrischen (Leipzig 1880). 2435 M. van Esbroeck: Fragments sahidiques du Panégyrique de Grégoire le Thaumaturge par Grégoire de Nysse, in: OLP 6–7 (1975– 1976) 555–568.
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2436 R. van Dam: Hagiography and History: The Life of Gregory Thaumaturgus, in: Classical Antiquity 1 (1982) 272–308. 2437 Gregorii Nysseni De vita Gregorii Thaumaturgi, in: Gregorii Nysseni Sermones, Pars 2, ediderunt G. Heil et al., post mortem H. Dörrie volumen edendum curavit F. Mann (Leiden 1990) [GNO 10,1]. 2438 Slusser 1998 [*2367: 1–8]. 2439 S. Mitchell: The Life and ‘Lives’ of Gregory Thaumaturgus, in: Portraits of Spiritual Authority. Religious Power in Early Chris tianity, Byzantium, and the Christian Orient, edited by J. W. Drijvers, J. W. Watt (Leiden, Boston 1999) [Religions in the Graeco-Roman World 137] 99–138. 2440 E. Lucchesi: Deux nouveaux fragments sahidiques du panégyrique de Grégoire le Thaumaturge par Grégoire de Nysse, in: AB 122 (2004) 277–282. 2441 F. Celia: Gregory of Neocaesarea: A Re-Examination of the Biographical Issue, in: Adamantius 22 (2016) 171–193. Einführungen und Gesamtdarstellungen 2446 Il giusto che fiorisce come palma. Gregorio il Taumaturgo fra storia e agiografia, a cura di B. Clausi, V. Milazzo (Roma 2007) [StudEphAug 104]. 2447 F. Celia: Preaching the Gospel to the Hel lenes: The Life and Works of Gregory the Wonderworker (Leuven, im Druck) [Late Antique History and Religion]. Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 2452 J. Dräseke: Der Brief des Origenes an Gregorios von Neocäsarea, in: Jahrbücher für protestantische Theologie 7 (1881) 102–126. 2453 J. Dräseke: Zu Victor Ryssel’s Schrift ‹Gregorius Thaumaturgus›, in: Jahrbücher für protestantische Theologie 7 (1881) 379–384; 9 (1883) 634–640. – Wieder in: Dräseke 1889 [*2456: 162–168]. 2454 V. Ryssel: Zu Gregorius Thaumaturgus, in: Jahrbücher für protestantische Theologie 7 (1881) 565–573. 2455 J. Dräseke: Über den Verfasser der Schrift πρὸς Εὐάγριον μοναχὸν περὶ θεότητος, in: Jahrbücher für protestantische Theologie 8 (1882) 343–384, 553–568. – Wieder in: Dräseke 1889 [*2456: 103–162].
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2456 J. Dräseke: Gesammelte patristische Untersuchungen (Altona 1889). 2457 A. Harnack: Geschichte der Altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil I,1 und 2: Die Überlieferung und der Bestand (Leipzig 1893, 21958); Teil II,1: Die Chronologie der Literatur bis Irenäus nebst einleitenden Untersuchungen (Leipzig 1897, 21958); Teil II,2: Die Chronologie der Literatur von Irenäus bis Eusebius (Leipzig 1904, 21958). 2458 J. Dräseke: Zu Gregorios Thaumaturgos, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 39 (1896) 166–169. 2459 A. Brinkmann: Gregors des Thaumaturgen Panegyricus auf Origenes, in: RhM 56 (1901) 55–60. 2460 J. Dräseke: Zu Gregorios’ von Neocäsarea Schrift ‹Über die Seele›, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 44 (1901) 87– 100. 2461 J. Lebreton: Le Traité de l’Âme de saint Grégoire le Thaumaturge, in: BLE 8 (1906) 73– 83. 2462 L.-M. Froidevaux: Le Symbole de saint Grégoire le Thaumaturge, in: Recherches de science religieuse 19 (1929) 193–247. 2463 M. Simonetti: Gregorio Nazianzeno o Gregorio Taumaturgo?, in: Rendiconti dell’Istituto Lombardo di Scienze e Lettere 86 (1953) 101–117. 2464 P. Nautin: Lettres et Écrivains Chrétiens des IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Collectanea Patristica 2]. 2465 F. Refoulé: La date de la lettre à Evagre, in: Recherches de science religieuse 49 (1961) 520–548. 2466 M. Simonetti: Ancora sulla lettera ad Evagrio (PG 46, 1101–1108), in: Rivista di cultura classica e medievale 4 (1962) 371–374. 2467 H. Crouzel: Grégoire le Thaumaturge et le Dialogue avec Élien, in: Recherches de science religieuse 51 (1963) 422–431. 2468 H. Crouzel: La Passion de l’Impassible. Un essai apologétique et polémique du IIIe siècle, in: L’homme devant Dieu. Mélanges offerts au Père Henri de Lubac. I: Exégèse et patristique (Lyon 1963) [Théologie 56] 269–279. 2469 H. Crouzel: Le «Remerciement à Origène» de saint Grégoire le Thaumaturge, son contenu doctrinal, in: Sciences ecclésiastiques 16 (1964) 59–91. 2470 A. Knauber: Das Anliegen der Schule des Origenes zu Cäsarea, in: Münchener Theologische Zeitschrift 19 (1968) 182–203.
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2471 E. Marotta: I riflessi biblici nell’orazione ad Origene di Gregorio il Taumaturgo, in: VetChr 10 (1973) 59–77. 2472 L. Abramowski: Das Bekenntnis des Gregor Thaumaturgus bei Gregor von Nyssa und das Problem seiner Echtheit, in: ZKG 87 (1976) 145–166. 2473 P. Nautin: Origène. Sa vie et son œuvre (Paris 1977) [Christianisme antique 1]. 2474 M. Ullmann: Zur arabischen Überlieferung der Disputatio ad Tatianum des Gregorios Thaumaturgos, in: Der Islam 54 (1977) 114– 117. 2475 L. Abramowski: Die Schrift Gregors des Lehrers «Ad Theopompum» und Philoxenus von Mabbug, in: ZKG 89 (1978) 273–290. 2476 A. Aranda: El Espíritu Santo en la ‹Exposición de fe› de S. Gregorio Taumaturgo, in: Scripta Theologica 10 (1978) 373–407. 2477 H. Crouzel: Faut-il voir trois personnages en Grégoire le Thaumaturge? À propos du «Remerciement à Origène» et de la «Lettre à Grégoire», in: Gregorianum 60 (1979) 287–320. 2478 H. Crouzel: La cristologia in Gregorio Taumaturgo, in: Gregorianum 61 (1980) 745– 755. 2479 S. P. Brock: Clavis Patrum Graecorum III, 7717, in: JThS 32 (1981) 176–178. 2480 K. W. Noakes: The Metaphrase on Eccle siastes of Gregory Thaumaturgus, in: StPatr 15 (1984) [TU 128] 196–199. 2481 M. Merino: Teología y Filosofía en San Gregorio el Taumaturgo: Aspectos conceptuales en el «Discurso de Agradecimiento a Orígenes», in: Scripta Theologica 17 (1985) 227– 243. 2482 C. Riggi: Elementi constitutivi della paideia nel Panegirico del Taumaturgo, in: Crescità dell’uomo nella catechesi dei Padri (età prenicena). Convegno di studio e aggior namento, Facoltà di Lettere cristiane e classiche (Pontificium Institutum Altioris Latinitatis), Roma, 14–16 marzo 1986, a cura di S. Felici (Roma 1987) [Biblioteca di scienze religiose 78] 211–227. 2483 F. Vinel: La Metaphrasis in Ecclesiasten de Grégoire le Thaumaturge: entre traduction et interprétation, une explication du texte, in: Lectures anciennes de la Bible (Strasbourg 1987) [Cahiers de Biblia Patristica 1] 191–216. 2484 M. Simonetti: Una nuova ipotesi su Gregorio il Taumaturgo, in: RSLR 24 (1988) 17–41. – Wieder in: Simonetti 2004 [*2499: 277–298].
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Bibliographie zum achten Kapitel
2485 J. Foubert: L’école d’Origène: Physique et éthique spirituelles, d’après le Remerciement de Grégoire le Thaumaturge (VI, § 23– IX, §115), in: Du banal au merveilleux. Mélanges offerts à Lucien Jerphagnon (Fontenay-Saint-Cloud 1989) [Cahiers de Fontenay 55–57] 99–135. 2486 M. Slusser: The ‹To Philagrius on Consub stantiality› of Gregory Thaumaturgus, in: StPatr 19 (1989) 230–235. 2487 M. van Esbroeck: The ‹Credo› of Gregory the Wonderworker and its Influence through Three Centuries, in: StPatr 19 (1989) 255– 266. 2488 J. M. Hallman: Divine Suffering and Change in Origen and Ad Theopompum, in: The Second Century 7 (1989–1990) 85–98. 2489 A. Whealey: To Tatian on the Soul: A Treatise from the Circle of Tatian the Syrian and Justin Martyr?, in: Recherches de théologie ancienne et médiévale 63 (1996) 136–145. 2490 P. Guyot: Chaos in Pontos: der ‹Kanonische Brief› des Gregorios Thaumaturgos als Dokument der politischen Geschichte, in: Alte Geschichte. Wege – Einsichten – Horizonte. FS Eckart Olshausen, herausgegeben von U. Fellmeth, H. Sonnabend (Hildesheim, Zürich 1998) [Spudasmata 69] 63–84. 2491 L. S. B. MacCoull: Gregory Thaumaturgus’ vision re-envisioned, in: RHE 94 (1999) 5–14. 2492 M. Rizzi: Il διδάσκαλος nella tradizione alessandrina: da Clemente all’Oratio Panegyrica in Origenem, in: Magister: Aspetti culturali e istituzionali. Atti del convegno, Chieti 13–14 novembre 1997, a cura di G. Firpo, G. Zecchini (Alessandria 1999) [Collana del Dipartimento di Scienze dell’Antichità 2] 177–198. 2493 M. Rizzi: Il significato politico dell’‹Oratio panegyrica in Origenem› attribuita a Gregorio il Taumaturgo, in: Girardi, Marin 2002 [*2496: 49–72].
2494 M. Simonetti: Dalla Cappadocia ai Cappadoci, in: Girardi, Marin 2002 [*2496: 13–28]. – Wieder in: Simonetti 2004 [*2499: 299– 312]. 2495 J. W. Trigg: God’s Marvelous Oikonomia: Reflections of Origen’s Understanding of Divine and Human Pedagogy in the Adress Ascribed to Gregory Thaumaturgus, in: JECS 9 (2001) 27–52. 2496 Origene e l’alessandrinismo cappadoce (III– IV secolo). Atti del V Convegno del Gruppo Italiano di ricerca su «Origene e la tradi zione alessandrina», Bari, 20–22 settembre 2000, a cura di M. Girardi, M. Marin (Bari 2002) [Quaderni di Vetera Christianorum 28]. 2497 G. Dorival: Est-il légitime d’éclairer le Discours de remerciement par la Lettre à Grégoire et réciproquement? Ou la tentation de Pasolini, in: Monaci Castagno 2004 [*2498: 9–26]. 2498 La biografia di Origene fra storia e agiografia. Atti del VI Convegno di Studi del Gruppo Italiano di Ricerca su Origene e la Tradizione Alessandrina (Torino 11–13 settembre 2002), a cura di A. Monaci Castagno (Verucchio 2004) [Biblioteca di Adamantius 1]. 2499 M. Simonetti: Origene esegeta e la sua tradizione (Brescia 2004) [Letteratura cristiana antica N. S. 2]. 2500 M. Rizzi: Un’ipotesi sulla provenienza dell’Encomio di Origene attribuito a Gregorio il Taumaturgo, in: Adamantius 11 (2005) 124–132. 2501 A. C. Capboscq: Aspekte der Paideia bei Gregor dem Wundertäter, in: Frühchristentum und Kultur, herausgegeben von F. R. Prostmeier (Freiburg i. Br. 2007) [KfA Ergänzungsband 2] 279–291. 2502 M. Slusser: Saint Gregory Thaumaturgus, in: Expository Times 120 (2009) 573–585.
Dionysios von Alexandrien
Primärliteratur 2508 S. Dionysius Alexandrinus episcopus notitia historico-litteraria, in: Γρηγορίου τοῦ θαυ ματουργοῦ τὰ εὑρισκόμενα πάντα – S. P. N.
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Gregorii, cognomento Thaumaturgi, opera quae reperiri potuerunt omnia […] accurante et denuo recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1857) [PG 10] 1233– 1344, 1575–1602.
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Dionysios von Alexandrien
2509 ΔΙΟΝΥΣΙΟΥ ΛΕΙΨΑΝΑ. The Letters and Other Remains of Dionysius of Alexandria, edited by Ch. L. Feltoe (Cambridge 1904) [Cambridge Patristic Texts]. 2510 F. C. Conybeare: Newly Discovered Letters of Dionysius of Alexandria to the Popes Stephen and Xystus, in: English Historical Review 25 (1910) 111–114. 2511 St. Dionysius of Alexandria: Letters and Treatises, translated by Ch. L. Feltoe (Cambridge et al. 1918) [Translations of Christian Literature, Series 1: Greek Texts]. 2512 Dionysius von Alexandrien: Das erhaltene Werk, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von W. A. Bienert (Stuttgart 1972) [BGrL 2]. 2513 W. A. Bienert: Neue Fragmente des Dionysius und des Petrus von Alexandrien aus Cod. Vatop. 236, in: Kleronomia 5 (1973) 308–314. 2514 M. van Esbroeck: Nouveaux fragments arméniens de Denys d’Alexandrie, in: OCP 50 (1984) 18–42. 2515 S. Leanza: Due nuovi frammenti dionisiani sull’Ecclesiaste, in: Orpheus 6 (1985) 156– 161. 2516 H. Pietras: Lettera pròs Germanón di Dionigi Alessandrino: Osservazioni e prova di ricostruzione, in: Gregorianum 71 (1990) 573–583. 2517 Catena Hauniensis in Ecclesiasten in qua saepe exegesis servatur Dionysii Alexan drini, nunc primum edita ab A. Labate (Turnhout, Leuven 1992) [CCSG 24].
Sekundärliteratur
Bibliographien Eine Gesamtdarstellung des Forschungsstandes findet man in den Referaten der internationalen Origeneskongresse, die alle vier Jahre stattfinden: siehe oben *2043–*2053. Außerdem: 2523 Adamantius. Notiziario del Gruppo italiano di ricerca su ‘Origene e la tradizione alessandrina’ 1– (1995–). – Jahrbuch mit einem umfangreichen bibliographischen Anhang über alle Aspekte der origeneischen Tradition. Biographie 2529 A. Jakab: Denys d’Alexandrie: réexamen des données biographiques, in: RecAug 32 (2001) 3–37.
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Einführungen und Gesamtdarstellungen 2535 J. Burel: Denys d’Alexandrie. Sa vie, son temps, ses œuvres (Paris 1910) [Études de théologie et d’histoire]. 2536 W. A. Bienert: Dionysios von Alexandrien: Zur Frage des Origenismus im dritten Jahrhundert (Berlin, New York 1978) [PTS 21]. 2537 L’Origenismo: Apologie e polemiche intorno a Origene. Principali contributi offerti dagli studiosi della antichità cristiana nel loro XIV incontro, svoltosi nei giorni 9–11 maggio del 1985 a Roma (Roma 1986) [Augustinianum 26]. 2538 E. Prinzivalli: Magister Ecclesiae: il dibattito su Origene fra III e IV secolo (Roma 2002) [StudEphAug 82]. Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 2544 G. Roch: Die Schrift des alexandrinischen Bischofs Dionysius des Großen ‹Über die Natur›. Eine altchristliche Widerlegung der Atomistik Demokrits und Epikurs (Diss. Leipzig 1882). 2545 F. H. Colson: Two Examples of Literary and Rhetorical Criticism in the Fathers (Dionysius of Alexandria on the Authorship of the Apocalypse, and Tertullian on Luke VI), in: JThS 25 (1923–1924) 364–377. 2546 K. Müller: Kleine Beiträge zur alten Kirchengeschichte 9: Die Grundlagen des Ketzertaufstreits und die Stellung des Dionys von Alexandrien in ihm, in: ZNW 23 (1924) 235–247. 2547 K. Müller: Kleine Beiträge zur alten Kirchengeschichte 10: Dionys von Alexandrien im Kampf mit den libyschen Sabellianern, in: ZNW 24 (1925) 278–285. 2548 P. S. Miller: Studies in Dionysius the Great of Alexandria (Erlangen 1933). 2549 H.-G. Opitz: Dionys von Alexandrien und die Libyer, in: Quantulacumque. Studies presented to Kirsopp Lake by Pupils, Col leagues and Friends, edited by R. P. Casey, S. Lake, A. K. Lake (London 1937) 41–53. 2550 P. Nautin: Lettres et Écrivains Chrétiens des IIe et IIIe siècles (Paris 1961) [Collectanea Patristica 2]. 2551 E. Boularand: Denys d’Alexandrie et Arius, in: BLE 67 (1966) 161–169. 2552 H. J. Vogt: Ἀθετέω im Brief des Dionys von Alexandrien über Novatianus (Eus. h. e. 7,8), in: StPatr 10 (1970) [TU 107] 195–199.
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Bibliographie zum achten Kapitel
2553 W. A. Bienert: Zu den neuen Petrusfragmenten aus Cod. Vatop. 236, in: Kleronomia 6 (1974) 237–241. 2554 S. Leanza: Il commentario sull’Ecclesiaste di Dionigi Alessandrino, in: Scritti in onore di Salvatore Pugliatti. V: Scritti vari (Milano 1978) [Pubblicazioni dell’Istituto di scienze giuridiche, economiche, politiche e sociali della Università di Messina] 397–429. 2555 C. Andresen: ‘Siegreiche Kirche’ im Aufstieg des Christentums: Untersuchungen zu Eusebius von Caesarea und Dionysios von Alexandrien, in: ANRW II 23,1 (1979) 387– 459. 2556 L. Abramowski: Dionys von Rom († 268) und Dionys von Alexandrien († 264/5) in den arianischen Streitigkeiten des 4. Jahrhunderts, in: ZKG 93 (1982) 240–272. 2557 A. Martin: La réconciliation des lapsi en Égypte. De Denys à Pierre d’Alexandrie, une querelle de clercs, in: RSLR 22 (1986) 256–269. 2558 M. Simonetti: Il problema dell’unita di Dio da Giustino a Ireneo, in: RSLR 22 (1986) 201–240. 2559 S. Leanza: Pour une réédition des scolies à l’Ecclésiaste de Denys d’Alexandrie, in: ΑΛΕΞΑΝΔΡΙΝΑ 1987 [*1696: 239–246]. 2560 M. Simonetti: Aspetti della cristologia del III secolo: Dionigi di Alessandria, in: Bessarione 7 (1989) 37–65. – Wieder in: Ders.: Studi sulla cristologia del II e III secolo (Roma 1993) [StudEphAug 44] 273–297. 2561 H. Pietras: L’unità di Dio in Dionigi di Alessandria, in: Gregorianum 72 (1991) 459–490. 2562 A. Labate: Il recupero del Commentario all’Ecclesiaste di Dionigi Alessandrino at traverso le catene bizantine, in: Koinonia 16 (1992) 53–74. 2563 H. Pietras: Il fondamento ecclesiologico della posizione di Dionigi di Alessandria nella controversia battesimale, in: Re cherches et Tradition. Mélanges patristiques offerts à Henry Crouzel, sous la direction d’A. Dupleix (Paris 1992) [ThH 88] 199–210. 2564 Ch. Stead: Homousios (ὁμοούσιος), in: RAC 16 (1994) 364–433. 2565 U. Heil: Schrieb Dionys von Alexandrien τὸν Χριστὸν ὁμοούσιον εἶναι τῷ θεῷ (Ath., De sententia Dionysii 18, 2 [Opitz 59, 8])?, in: StPatr 31 (1997) 406–413. 2566 Y. Tissot: Le rapt de Denys d’Alexandrie et la chronologie de ses lettres festales, in: RHPhR 77 (1997) 51–65.
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2567 A. Monaci Castagno: Origene e Dionigi di Alessandria sulle promesse: continuità e differenze, in: Annali di Storia dell’Esegesi 15 (1998) 101–123. 2568 Athanasius von Alexandrien: De sententia Dionysii. Einleitung, Übersetzung und Kommentar von U. Heil (Berlin, New York 1999) [PTS 52]. 2569 Ch. Markschies: Epikureismus bei Origenes und in der origenistischen Tradition, in: Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karlund-Gertrud-Abel-Stiftung vom 30. September bis 3. Oktober 1998 in Würzburg, herausgegeben von M. Erler et al. (Stuttgart 2000) [PhdA 11] 191–217. – Wieder in: Ders.: Origenes und sein Erbe. Gesammelte Studien (Berlin 2007) [TU 160] 127–154. 2570 J. M. Auwers: Athanasius of Alexandria, De sententia Dionysii, in: RHE 96 (2001) 586– 587. 2571 M. Simonetti: Rezension zu Heil 1999 [*2568], in: Augustinianum 41 (2001) 545– 548. 2572 P. C. Costa: «Salvatoris disciplina». Dionísio de Roma e a «Regula fidei» no debate teológico do III século (Roma 2002) [Tesi Gregoriana, Serie Teologia 81]. 2573 J. Leemans: Rezension zu Heil 1999 [*2568], in: VChr 56 (2002) 329–332. 2574 W. A. Bienert: Zur Entstehung des Antiorigenismus im 3./4. Jahrhundert, in: Perrone et al. 2003 [*2050: II 829–842]. 2575 P. A. Legutko: The Letters of Dionysius: Alexandrian and Christian Identity in the mid-third Century AD, in: The Ancient World 34 (2003) 27–41. 2576 M. Simonetti: Sulla corrispondenza tra Dionigi di Alessandria e Paolo di Samosata, in: Augustinianum 47 (2007) 321–334. 2577 H. Strutwolf: Philosophia christiana: Beispiele christlich-philosophischer Argumentation gegen die platonische Vorstellung von der «Ungewordenheit der Materie» in der Praeparatio Evangelica des Euseb von Caesarea, in: Quaerite faciem eius semper: Studien zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum. FS Albrecht Dihle, herausgegeben von A. Jördens, H. A. Gärtner, H. Görgemanns, A. M. Ritter (Hamburg 2008) [Studien zur Kirchengeschichte 8] 353–369. 2578 L. Blumell: A Note on Dionysius of Alexandria’s Letter to Novatian in Light of Third-Century Papyri, in: ZAC 14 (2010) 356–361.
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Pamphilos
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Pamphilos
Primärliteratur 2584 Pamphile et Eusèbe de Césarée: Apologie pour Origène, suivi de Rufin d’Aquilée: Sur la falsification des livres d’Origène. I: Texte critique, traduction et notes; II: Étude, commentaire philologique et index, par R. Amacker, É. Junod (Paris 2002) [SC 464– 465]. 2585 Pamphilus von Caesarea: Apologia pro Origene – Apologie für Origenes, übersetzt und eingeleitet von G. Röwekamp (Turnhout 2005) [FC 80]. 2586 St. Pamphilus: Apology for Origen, with the Letter of Rufinus on the Falsification of the Books of Origen, translated by T. P. Scheck (Washington 2010) [The Fathers of the Church 120].
Sekundärliteratur
Bibliographien Eine Gesamtdarstellung des Forschungsstandes findet man in den Referaten der internationalen Origeneskongresse, die alle vier Jahre stattfinden: siehe oben *2043–*2053. Außerdem: 2592 Adamantius. Notiziario del Gruppo italiano di ricerca su ‘Origene e la tradizione alessandrina’ 1– (1995–). – Jahrbuch mit einem umfangreichen bibliographischen Anhang über alle Aspekte der origeneischen Tradition. Einführungen und Gesamtdarstellungen 2598 L’Origenismo: Apologie e polemiche intorno a Origene. Principali contributi offerti dagli studiosi della antichità cristiana nel loro XIV incontro, svoltosi nei giorni 9–11 maggio del 1985 a Roma (Roma 1986) [Augustinianum 26]. 2599 E. Prinzivalli: Magister Ecclesiae: il dibattito su Origene fra III e IV secolo (Roma 2002) [StudEphAug 82].
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Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 2605 C. de Boor: Neue Fragmente des Papias, Hegesippus und Pierius in bisher unbekannten Excerpten aus der Kirchengeschichte des Philippus Sidetes (Leipzig 1888) [TU 5,2] 165–184. 2606 P. Nautin: Origène. Sa vie et son œuvre (Paris 1977) [Christianisme antique 1]. 2607 W. A. Bienert: Die älteste Apologie für Origenes? Zur Frage nach dem Verhältnis zwischen Photius, cod. 117, und der Apologie des Pamphilus, in: Lies 1987 [*2046: 123–127]. 2608 É. Junod: Origène vu par Pamphile dans la Lettre-préface de l’Apologie, in: Lies 1987 [*2046: 128–135]. 2609 A. Reymond: «Apologie pour Origène»: un état de la question, in: Lies 1987 [*2046: 136–145]. 2610 G. Cavallo: Scuola, scriptorium, biblioteca a Cesarea, in: Le biblioteche nel mondo antico e medievale, a cura di G. Cavallo (Roma, Bari 1988, 31993) 65–78. 2611 E. A. Clark: The Origenist Controversy. The Cultural Construction of an Early Christian Debate (Princeton 1992). 2612 É. Junod: L’Apologie pour Origène par Pamphile et Eusèbe: critique des principales hypothèses de P. Nautin et perspectives nouvelles, in: Daly 1992 [*2047: 519–527]. 2613 É. Junod: L’auteur de l’Apologie pour Origène traduite par Rufin: Les témoig nages contradictoires de Rufin et de Jérôme à propos de Pamphile et d’Eusèbe, in: Recherches et Tradition. Mélanges patristiques offerts à Henry Crouzel, sous la direction d’A. Dupleix (Paris 1992) [ThH 88] 165–179. 2614 É. Junod: L’Apologie pour Origène de Pamphile et la naissance de l’origénisme, in: StPatr 26 (1993) 267–286. 2615 R. Williams: Damnosa haereditas: Pamphilus’ Apology and the Reputation of Origen, in: Logos. FS Luise Abramowski, heraus gegeben von H. Ch. Brennecke, E. L. Grasmück, Ch. Markschies (Berlin 1993) [BZNW 67] 151–169. 2616 L. Perrone: Eusebius of Caesarea as a Christian Writer, in: Caesarea Maritima. A Retrospective after Two Milennia, edited by A. Raban, K. G. Holum (Leiden 1996) 515–530.
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Bibliographie zum achten Kapitel
2617 R. Amacker, É. Junod: L’art d’entrer en matière dans une littérature de controverse: les premières pages de l’Apologie pour Origène de Pamphile, in: Entrer en matière. Les prologues, sous la direction de J.-D. Dubois, B. Roussel (Paris 1998) 37–51. 2618 É. Junod: Controverses autour de l’héritage origénien aux deux extremités du IVe siècle: Pamphile et Rufin, in: Bienert, Kühnweg 1999 [*2049: 215–223]. 2619 E. Prinzivalli: Le metamorfosi della scuola alessandrina da Eracla a Didimo, in: Prinzivalli 2002 [*2599: 33–64]. – Wieder in: Perrone et al. 2003 [*2050: II 911–937]. 2620 A. J. Carriker: The Library of Eusebius of Caesarea (Leiden, Boston 2003) [VChr Suppl. 67]. 2621 É. Junod: L’‹Apologie pour Origène› de Pamphile et Eusèbe et les développements sur Origène dans le livre VI de l’‹Histoire ec-
clésiastique›, in: Monaci Castagno 2004 [*1994: 183–200]. 2622 P. van Nuffelen: Two Fragments from the Apology for Origen in the Church History of Socrates Scholasticus, in: JThS 56 (2005) 103–114. 2623 A. Le Boulluec: D’Origène à Eusèbe: bibliothèque et enseignement à Césarée de Palestine, in: L’enseignement supérieur dans les mondes antiques et médiévaux: Aspects in stitutionnels, juridiques et pédagogiques. Colloque international de l’Institut des Traditions Textuelles, Actes publiés sous la direction de H. Hugonnard-Roche (Paris 2008) [Textes et traditions 16] 241–262. 2624 S. Morlet: La formation d’une identité intellectuelle et son cadre scolaire: Eusèbe de Césarée à l’«école» de Pamphile, in: Adamantius 17 (2011) 208–219.
Methodios
Primärliteratur 2630 Μεθοδίου ἐπισκόπου καὶ μάρτυρος τὰ εὑρισ κόμενα πάντα, accurante et recognoscente J.-P. Migne (Lutetiae Parisiorum 1857) [PG 18] 9–408. 2631 The Philocalia of Origen. The Text Revised with a Critical Introduction and Indices by J. A. Robinson (Cambridge 1893). 2632 Methodius, herausgegeben von G. N. Bonwetsch (Leipzig 1917) [GCS 27]. 2633 Méthode d’Olympe: Du libre arbitre. Traduction par J. Farges (Paris 1929) [Bibliothèque des Archives de Philosophie]. 2634 Le De autexusio de Méthode d’Olympe. Version slave et texte grec édités et traduits en français par A. Vaillant, in: PO 22,5 (1930) 629–889. 2635 L’inno del simposio di S. Metodio Martire. Introduzione, testo critico e commento a cura di M. Pellegrino (Torino 1958) [Pubblicazioni della Facoltà di Lettere e Filosofia 10]. 2636 St. Methodius: The Symposium. A Treatise on Chastity, translated and annotated by H. A. Musurillo (Westminster MD, London 1958) [AChW 27]. 2637 Methodius Olympius: Le banquet. Introduction et texte critique par H. Musurillo, tra-
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duction et notes par V.-H. Debidour (Paris 1963) [SC 95]. 2638 Metodio d’Olimpo: La verginità. Introdu zione, traduzione e note a cura di N. Anto niono (Roma 2000) [CTP 152]. 2639 Metodio di Olimpo: La risurrezione. Introduzione di M. Mejzner e M. B. Zorzi, traduzione di M. Mejzner (parte paleoslava) e M. B. Zorzi (parte greca), note di M. Mejzner (Roma 2010) [CTP 216]. 2640 J. Sieber: Das ‹Symposium› des Methodius von Olympus. Überlieferung, Edition, Übersetzung und Erläuterungen (Diss. München, Zürich 2017, Druck in Vorbereitung).
Sekundärliteratur
Bibliographien Eine Gesamtdarstellung des Forschungsstandes findet man in den Referaten der internationalen Origeneskongresse, die alle vier Jahre stattfinden: siehe oben *2043–*2053. Außerdem: 2645 Adamantius. Notiziario del Gruppo italiano di ricerca su ‘Origene e la tradizione alessandrina’ 1– (1995–). – Jahrbuch mit einem
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Methodios
umfangreichen bibliographischen Anhang über alle Aspekte der origeneischen Tradition. Einführungen und Gesamtdarstellungen 2651 N. Bonwetsch: Die Theologie des Methodius von Olympus (Berlin 1903) [AAWG NF, Nr. 7,1]. 2652 J. Farges: Les idées morales et religieuses de Méthode d’Olympe. Contribution à l’étude des rapports du Christianisme et de l’Hellénisme à la fin du troisième siècle (Paris 1929). 2653 L. G. Patterson: Methodius of Olympus. Divine Sovereignity, Human Freedom and Life in Christ (Washington 1997). 2654 K. Bracht: Vollkommenheit und Vollendung. Zur Anthropologie des Methodius von Olympus (Tübingen 1999) [STAC 2]. 2655 B. Zorzi: Metodio d’Olimpo, un autore minore?, in: REAug 52 (2006) 31–56. 2656 M. Mejzner: L’escatologia di Metodio di Olimpo (Roma 2011) [StudEphAug 124]. Einzelne Werkgruppen, Schriften, Probleme, Begriffe 2662 Th. Zahn: Die Dialoge des Adamantius mit den Gnostikern, in: ZKG 9 (1888) 193–239. 2663 A. Harnack: Geschichte der Altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil I,1 und 2: Die Überlieferung und der Bestand (Leipzig 1893, 21958); Teil II,1: Die Chronologie der Literatur bis Irenäus nebst einleitenden Untersuchungen (Leipzig 1897, 21958); Teil II,2: Die Chronologie der Literatur von Irenäus bis Eusebius (Leipzig 1904, 21958). 2664 E. Buonaiuti: The Ethics and Eschatology of Methodius of Olympus, in: HThR 14 (1921) 255–266. 2665 F. R. Diekamp: Über den Bischofssitz des hl. Märtyrers und Kirchenvaters Methodius, in: ThQ 109 (1928) 285–308. 2666 M. Margheritis: L’influenza di Platone sul pensiero e sull’arte di S. Metodio di Olimpo, in: Studi dedicati alla memoria di Paolo Ubaldi (Milano 1937) [Pubblicazioni della Università cattolica del Sacro Cuore 16] 401–412. 2667 K. Quensell: Die wahre kirchliche Stellung und Tätigkeit des fälschlich so genannten Bischofs Methodius von Olympus (Diss. Heidelberg 1952). – Selbstanzeige in: Theologische Literaturzeitung 79 (1954) 175–176.
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2668 V. Buchheit: Homer bei Methodios von Olympos, in: RhM 99 (1956) 17–36. 2669 V. Buchheit: Studien zu Methodios von Olympos (Berlin 1958) [TU 69]. 2670 L. G. Patterson: The Creation of the Word in Methodius’ Symposium, in: StPatr 9 (1966) [TU 94] 240–250. 2671 A. Orbe: S. Metodio y la exegesis de Rom. 7,9a: Ego autem vivebam sine lege aliquando, in: Gregorianum 50 (1969) 93–139. 2672 J. Montserrat Torrents: Estudios sobre Me todio de Olimpo (Vitoria 1970). 2673 B. R. Voss: Der Dialog in der frühchristlichen Literatur (München 1970) [Studia et testimonia antiqua 9]. 2674 H. Crouzel: Les critiques adressées par Méthode et ses contemporains à la doctrine origénienne du corps ressuscité, in: Gregorianum 53 (1972) 679–716. 2675 J. Pépin: Platonisme et Stoicisme dans le ‹De autexusio› de Méthode d’Olympe, in: Forma futuri. Studi in onore del Cardinale Michele Pellegrino (Torino 1975) 126–144. 2676 C. Riggi: Vita cristiana e dialogo liturgico nel Simposio di Metodio, in: Salesianum 37 (1975) 503–545. 2677 C. Riggi: Teologia della storia nel Simposio di Metodio di Olimpo, in: Augustinianum 16 (1976) 61–84. 2678 I. Dujcev: L’œuvre de Méthode d’Olympe ‹De libero arbitrio› et les discussions entre orthodoxes et hérétiques, in: Balcanica 8 (1977) 115–127. 2679 F. van den Paverd: Confession (exagoreusis) and Penance (exomologesis) in the ‹De lepra› of Methodius of Olympus, in: OCP 44 (1978) 309–341; 45 (1979) 45–74. 2680 F. van den Paverd: Paenitentia secunda in Methodius of Olympus, in: Augustinianum 18 (1978) 459–485. 2681 T. D. Barnes: Methodius, Maximus and Valentinus, in: JThS 30 (1979) 47–55. 2682 M. Marin: Origene e Metodio su Lev. 24, 2–4, in: VetChr 18 (1981) 470–475. 2683 A. Vitores: Identidad entre el cuerpo muerto y resucitado en Origenes segun el ‹De Resurrectione› de Metodio de Olimpo (Jerusalem 1981) [Studium Biblicum Franciscanum Analecta 18]. 2684 L. G. Patterson: Origen, Methodius and the Arian Dispute, in: StPatr 17 (1982) 912–923. 2685 M. Mees: 2 Cor. 6,1–10 und die Auferstehung der Toten nach Origenes und Methodius, in: Lateranum 51 (1985) 153–163.
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Bibliographie zum achten Kapitel
2686 L. G. Patterson: Notes on ‹De cibis› and Methodius’ View of Origen, in: Hanson, Crouzel 1985 [*2045: 233–242]. 2687 E. Prinzivalli: L’esegesi biblica di Metodio di Olimpo (Roma 1985) [StudEphAug 21]. 2688 C. Riggi: La forma del corpo risorto secondo Metodio in Epifanio (Haer. 64), in: Morte e immortalità nella catechesi dei Padri del III–IV secolo. Convegno di studi e aggiornamento, Facoltà di lettere cristiane e classiche, Roma, 16–18 marzo 1984, a cura di S. Felici (Roma 1985) [Biblioteca di scienze religiose 66] 75–92. 2689 L’Origenismo: Apologie e polemiche intorno a Origene. Principali contributi offerti dagli studiosi della antichità cristiana nel loro XIV incontro, svoltosi nei giorni 9–11 maggio del 1985 a Roma (Roma 1986) [Augustinianum 26]. 2690 C. Mazzucco: Il millenarismo di Metodio di Olimpo di fronte a Origene: Polemica o continuità?, in: Augustinianum 26 (1986) 73–87. 2691 L. G. Patterson: Who are the Opponents in Methodius’ De resurrectione?, in: StPatr 19 (1989) 221–229. 2692 J. F. Dechow: Origen and Corporeality: The Case of Methodius’ On the resurrection, in: Daly 1992 [*2047: 509–518]. 2693 L. G. Patterson: Methodius on Origen in De creatis, in: Daly 1992 [*2047: 497–508]. 2694 R. Williams: Methodius von Olympus, in: TRE 22 (1992) 680–684. 2695 L. G. Patterson: Methodius’ Millenarianism, in: StPatr 24 (1993) 306–315. 2696 E. Prinzivalli: Desiderio di generazione e generazione del desiderio: Metodio di Olimpo e le polemiche sull’eros fra III e IV secolo, in: L’Eros difficile. Amore e sessualità nell’antico cristianesimo, a cura di S. Pricoco (Soveria Mannelli 1998) [Armarium 9] 39–66. 2697 H. S. Benjamins: Methodius von Olympus ‹Über die Auferstehung›: Gegen Origenes und gegen Porphyrius?, in: Bienert, Kühneweg 1999 [*2049: 91–98]. 2698 K. Bracht: The Question of the Episcopal See of Methodius of Olympus Reconsidered, in: StPatr 34 (2001) 3–10. 2699 E. Prinzivalli: Magister Ecclesiae: il dibattito su Origene fra III e IV secolo (Roma 2002) [StudEphAug 82]. 2700 W. A. Bienert: Zur Entstehung des Antiorigenismus im 3./4. Jahrhundert, in: Perrone et al. 2003 [*2050: II 829–842].
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2701 M. B. Zorzi: La reinterpretazione dell’eros platonico nel Simposio di Metodio d’Olimpo, in: Adamantius 9 (2003) 102–127. 2702 A. Bril: Plato and the Sympotic Form in the Symposium of St Methodius of Olympus, in: ZAC 9 (2006) 279–302. 2703 R. Franchi: Ispirazione biblica (Gn. 1,26) e linguaggio pagano-filosofico in un passo del De autexusio di Metodio d’Olimpo, in: VetChr 44 (2007) 239–256. 2704 M. B. Zorzi: Desiderio della bellezza (ἔρως τοῦ καλλοῦ) da Platone a Gregorio di Nissa: Tracce di una rifrazione teologico-semantica (Roma 2007) [Studia Anselmiana 145]. 2705 I. Ramelli: L’inno a Cristo Logos alla fine del Simposio di Metodio: alle origini della poesia filosofica cristiana antica, in: Motivi e forme della poesia cristiana antica tra Scrittura e tradizione classica. XXXVI incontro di studiosi dell’antichità cristiana, Roma, 3–5 maggio 2007 (Roma 2008) [StudEphAug 108] 257–280. 2706 K. Bracht: God and Methodius: Use of, and Background to, the Term ἀπροσδεής as a Description of God in the Works of Method ius of Olympus, in: God in Early Christian Thought. Essays in Memory of L. G. Patterson, edited by A. B. McGowan, B. E. Daley, T. J. Gaden (Leiden, Boston 2009) [VChr Suppl. 94] 104–122. 2707 R. Franchi: Eusebio di Cesarea, Hist. Eccl. 5.27 e Praep. Ev. 7.21.5: indagine su Massimo, autore «fantasma», in: SEJG 48 (2009) 5–34. 2708 B. M. Zorzi: The Use of the Terms ἁγνεία, παρθενία, σωφροσύνη and ἐγκράτεια in the Symposium of Methodius of Olympus, in: VChr 63 (2009) 138–168. 2709 E. DePalma Digeser: Methodius and Porphyry, in: StPatr 46 (2010) 21–26. 2710 V. Cvetkovic: From Adamantius to Centaur: St. Methodius of Olympus’ Critique of Origen, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 791–802]. 2711 M. Mejzner: L’εἶδος e l’ὄχημα: La critica al concetto origeniano di risurrezione nel contesto dell’escatologia intermedia nel De resurrectione di Metodio di Olimpo, in: Kaczmarek, Pietras 2011 [*2052: 907–917]. 2712 K. Bracht: Methodius von Olympus, in: RAC 24 (2012) 768–784. 2713 Methodius of Olympus: State of the Art and New Perspectives, edited by K. Bracht (Berlin 2017) [TU 178]. – Darin enthalten:
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Minucius Felix
K. Bracht: Methodius of Olympus: State of the Art and New Perspectives, 1–17. D. LaValle Norman: Coming Late to the Table, 18–37. K. Bracht: Eros as Chastity, 38–62. M. Mejzner: Methodius: Millenarist or AntiMillenarist?, 63–84. A. Brown Hughes: Agency, Restraint, and Desire, 85–102. F. Candido: The Symposium of Methodius: A Witness to the Existence of Circles of Christian Women in Asia Minor?, 103–124. J. F. Dechow: Methodius’ Conceptual World in His Treatise De resurrectione, 125–148. S. Zorzi: Bilder und Vorstellungen des Todes in Methodius’ Schrift De resurrectione, 149– 165.
R. Franchi: Where Does the Impulse to Evil Come from?, 166–197. J. Sieber: Methodius’ Symposium from a Philological Perspective, 198–206. A. Jouravel: Beobachtungen zu Methodius’ Schrift De lepra, 207–235. Y. Kakridis: Die argumentative Form von Methodios’ De autexusio in der slavischen Übersetzung, 236–253. N. Kiel: Die Rezeption von Ps-Justins Auferstehungsschrift bei Methodius von Olympus, 254–270. S. Zeilfelder: Zum Problem der Willensfreiheit bei Eznik von Kołb und Methodius von Olympus, 271–283. A. Drost-Abgarjan: Die Rezeption des Methodius von Patara in der armenischen liturgischen Literatur, 284–292.
VI. DIE LATEINISCHEN APOLOGETEN
Minucius Felix
Textausgaben und Übersetzungen 2718 M. Minucii Felicis Octavius Iulii Firmici Materni Liber de errore profanarum religionum recensuit et commentario critico in struxit C. Halm (Vindobonae 1867; ND 1968) [CSEL 2]. 2719 M. Minucii Felicis Octavius, iterum recognovit et commentario critico instruxit J. P. Waltzing (Lipsiae 1926). 2720 Minucius Felix: Octavius. Texte établi et traduit par J. Beaujeu (Paris 1964, ²1974) [CUF]. – Mit Kommentar. 2721 M. Minucius Felix: Octavius, LateinischDeutsch, herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von B. Kytzler (München 1965). 2722 The Octavius of Marcus Minucius Felix, translated and annotated by G. W. Clarke (New York 1974) [AChW 39]. 2723 M. Minuci Felicis Octavius, edidit B. Kytzler (Stutgardiae, Lipsiae 1982, ²1992) [BT]. 2724 Tertullian: Apology. De spectaculis, with an English Translation by T. R. Glover; Minucius Felix, with an Englisch Translation by G. Rendall (Cambridge 1984) [LCL 250]. – 303–445: ‹Octavius›.
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2725 Octavius: Un contraddittorio del III secolo su Paganesimo e Cristianesimo. Introdu zione, traduzione e note a cura di C. De Frede (Roma 2008).
Sekundärliteratur
Kommentare 2731 Marco Minucio Felice: Ottavio. Edizione critica con introduzione, traduzione, note e indici a cura di M. Pellegrino (Torino 1955) [Scrittori latini commentati per le scuole 173]. 2732 W. Fausch: Die Einleitungskapitel zum ‹Octavius› des Minucius Felix. Ein Kommentar (Zürich 1966). 2733 C. Becker: Der ‹Octavius› des Minucius Felix. Heidnische Philosophie und frühchristliche Apologetik (München 1967) [SBAW, phil.-hist. Klasse 1967, Nr. 2].
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Bibliographie zum achten Kapitel
Einführungen, Gesamtdarstellungen 2739 P. G. van der Nat: Zu den Voraussetzungen der christlichen lateinischen Literatur: die Zeugnisse von Minucius Felix und Laktanz, in: Christianisme et formes littéraires de l’antiquité tardive en Occident, édité par M. Fuhrmann (Vandœuvres/Genève 1976) [Entretiens 23] 191–234. 2740 H. Hagendahl: Von Tertullian zu Cassiodor. Die profane literarische Tradition in dem lateinischen christlichen Schrifttum (Göteborg 1983). – Zu Minucius Felix: 32–38, 122–125. 2741 E. Heck: M. Minucius Felix, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. IV: Die Literatur des Umbruchs: Von der römischen zur christlichen Literatur, 117 bis 284 n. Chr., herausgegeben von K. Sallmann (München 1997) [HdbA VIII, 4] 512–519. 2742 C. Schubert: Minucius Felix, in: RAC 24 (2012) 804–827. 2743 W. C. Kannaday: Minucius Felix, in: The Encyclopedia of Ancient History 8 (Malden MA 2013) 4536–4547. Einzelne Probleme
Zur Philosophie 2749 E. Behr: Der Octavius des M. Minucius Felix in seinem Verhältnisse zu Cicero’s Büchern De natura deorum (Jena 1870). 2750 R. Beutler: Philosophie und Apologie bei Minucius Felix (Weida 1936). 2751 J. Préaux: À propos du «De fato» (?) de Minucius Félix, in: Latomus 9 (1950) 395–413. 2752 G. Quispel: Anima naturaliter christiana, in: Latomus 10 (1951) 163–169. 2753 P. Courcelle: Virgile et l’immanence divine chez Minucius Felix, in: Mullus. FS Theodor Klauser, herausgegeben von A. Stuiber, A. Hermann (Münster 1964) [JbAC Ergänzungsband 1] 34–42. 2754 G. W. Clarke: The Literary Setting of the Octavius of Minucius Felix, in: Journal of Religious History 3 (1965) 195–211. 2755 I. Vecchiotti: La filosofia politica di Minucio Felice. Un altro colpo di sonda nella storia del cristianesimo primitivo (Urbino 1973). 2756 A. J. Cappelletti: Minucio Félix y su filosofía de la religión, in: Revista venezolana de filosofía 19 (1985) 7–62. 2757 E. Pagels: Christian Apologists and the Fall of the Angels: An Attack on Roman Imperial Power?, in: HThR 78 (1985) 301–325.
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2758 M. von Albrecht: M. Minucius Felix as a Christian Humanist, in: Illinois Classical Studies 12 (1987) 157–168. 2759 E. Ahlborn: Naturvorgänge als Auferstehungsgleichnis bei Seneca, Tertullian und Minucius Felix, in: WS 103 (1990) 123–137. 2760 H. A. Gärtner: Die Rolle und die Bewertung der skeptischen Methode im Dialog Octavius des Minucius Felix, in: Panchaia. FS für Klaus Thraede, herausgegeben von M. Wacht (Münster 1995) [JbAC Ergänzungsband 22] 141–147. 2761 V. Buchheit: Vergil als Zeuge der natürlichen Gotteserkenntnis bei Minucius Felix und Laktanz, in: RhM 139 (1996) 254–259. 2762 A. Fürst: Der philosophiegeschichtliche Ort von Minucius Felix’ Dialog ‹Octavius›, in: JbAC 42 (1999) 42–49. 2763 St. Freund: Philosophorum supercilia contemnimus: Überlegungen zur Bewertung der Philosophie im Octavius des Minucius Felix, in: Gymnasium 107 (2000) 425–434. 2764 C. Lange: Das Christentum als secta? Ein Vorschlag zur Lesung von Minucius Felix 4,4, in: StPatr 36 (2001) 356–363. 2765 V. Buchheit: Göttlicher Heilsplan in der lateinischen Apologetik, in: Alvarium. FS Christian Gnilka, herausgegeben von W. Blümer, R. Henke, M. Müller (Münster 2002) [JbAC Ergänzungsband 33] 109–118. 2766 A. Fürst: Die Selbsterkenntnis des Skeptikers im Octavius des Minucius Felix, in: ZAC 4 (2002) 270–281. 2767 P. Krafft: Fronto und Minucius Felix, in: Alvarium. FS Christian Gnilka, herausgegeben von W. Blümer, R. Henke, M. Müller (Münster 2002) [JbAC Ergänzungsband 33] 219– 225. 2768 J. J. Ramos Pasalodos: Variaciones filosóficas: la filosofía de Mileto en Tertuliano, in: Epos 18 (2002) 57–83. 2769 J.-C. Fredouille: L’Apologétique latine préconstantinienne (Tertullien, Minucius Felix, Cyprien): Essai de Typologie, in: L’Apologétique chrétienne gréco-latine à l’époque prénicénienne. Sept exposés suivis de discussions, par A. Wlosok et al. (Vandœuvres/Genève 2004) [Entretiens 51] 39– 67. 2770 V. Buchheit: Vergil und Thales bei Minucius Felix, in: RhM 149 (2006) 350–358. 2771 W. H. C. Frend: Some North African Turn ing Points in Christian Apologetics, in: The Journal of Ecclesiastical History 57 (2006) 1–15.
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Arnobius von Sicca
2772 J. Rüpke: Literarische Darstellungen römischer Religion in christlicher Apologetik: Universal- und Lokalreligion bei Tertullian und Minucius Felix, in: Texte als Medium und Reflexion von Religion im römischen Reich, herausgegeben von D. Elm von der Osten, J. Rüpke, K. Waldner (Stuttgart 2006) [Potsdamer Altertumswissenschaft liche Beiträge 14] 209–223. 2773 G. Stölting: Probleme der Interpretation des ‹Octavius› von Minucius Felix (Diss. Frankfurt a. M. 2006). 2774 J.-M. André: Mirabilia et Miracula: Le miracle médical dans la patristique préaugustinienne, in: REL 85 (2007) 220–235. 2775 C. Ames: La apologia y el diálogo en los primeros apologistas latinos: Tertuliano y Minucio Félix, in: Circe 12 (2008) 45–60. 2776 F. Hasenhütl: Die Heidenrede im ‹Octavius› des Minucius Felix als Brennpunkt anti christlicher Apologetik: Weltanschauliche und gesellschaftliche Widersprüche zwischen paganer Bildungsoberschicht und Christentum (Münster 2008) [Theologie 89]. 2777 T. Uhle: Der Strandspaziergang im Octavius des Minucius Felix als Begegnung mit dem Unverfügbaren: Eine allegorische Deutung von Min. Fel. 2,3/4,5, in: JbAC 51 (2008) 44– 54. 2778 K. Heyden: Christliche Transformation des antiken Dialogs bei Justin und Minucius Felix, in: ZAC 13 (2009) 204–232. 2779 K. Pietzner: Bildung, Elite und Konkurrenz. Heiden und Christen vor der Zeit Constantins (Tübingen 2013).
Zu den Quellen
2786 F. X. Burger: Minucius Felix und Seneca (München 1904). 2787 G. Quispel: A Jewish Source of Minucius Felix, in: VChr 3 (1949) 113–122. 2788 Ch. Ingremeau: Minucius Felix et ses ‘sources’: le travail de l’écrivain, in: REAug 45 (1999) 3–20. 2789 S. Freund: Vergil im frühen Christentum (Paderborn 2003). 2790 J. Powell: Unfair to Caecilius? Ciceronian Dialogue Techniques in Minucius Felix, in: Severan Culture, edited by S. Swain, S. Harrison, J. Elsner (Cambridge 2007) 177–189. Wirkungsgeschichte 2796 B. Axelson: Das Prioritätsproblem Tertullian – Minucius Felix (Lund 1941). 2797 M. Pellegrino: Studi su l’antica apologetica (Roma 1947). 2798 J.-M. Vermander: Celse, source et adversaire de Minucius Felix, in: REAug 17 (1971) 13– 25. 2799 Y.-M. Duval: La lecture de l’‹Octavius› de Minucius Felix à la fin du IVe siècle: La fin des protreptiques, in: REAug 19 (1973) 56–68. 2800 G. L. Carver: Minucius Felix and Cyprian: The Question of Priority, in: TAPhA 108 (1978) 21–34. 2801 K. Sallmann: Pseudo-Cyprianus, Quod idola dii non sint, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. IV: Die Literatur des Umbruchs: Von der römischen zur christlichen Literatur, 117 bis 284 n. Chr., herausgegeben von K. Sallmann (München 1997) [HdbA VIII, 4] 583–584.
2785 F. X. Burger: Über das Verhältnis des Minucius Felix zu dem Philosophen Seneca (München 1904).
Arnobius von Sicca
Editio princeps
Kritische Ausgaben
2807 F. Sabaeus: Arnobii Disputationum adversus gentes libri octo, nunc primum in lucem editi (Roma 1543).
2813 Arnobii Adversus nationes Libri VII, recensuit et commentario critico instruxit A. Reifferscheid (Vindobonae 1875) [CSEL 4]. 2814 Arnobii Adversus nationes Libri VII, recensuit C. Marchesi (Torino 1934, 21953) [Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum].
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Bibliographie zum achten Kapitel
2815 Arnobio: I sette libri contro i pagani, a cura di R. Laurenti (Torino 1962). 2816 Arnobii Adversus nationes 3,1–19, uitgegeven met inleiding en commentaar door J. M. P. B. van der Putten (Leiden 1970). 2817 Arnobe: Contre les gentils (Contre les païens). I: Livre I. Texte établi, traduit et commenté par H. Le Bonniec (Paris 1982, 2 2002) [CUF]. 2818 Arnobe: Contre les gentils (Contre les païens). III: Livre III. Texte établi, traduit et commenté par J. Champeaux (Paris 2007) [CUF]. 2819 Arnobe: Contre les gentils (Contre les païens). VI: Livre VI–VII. Texte établi, traduit et commenté par B. Fragu (Paris 2010) [CUF].
Übersetzungen 2825 Arnobius: Sieben Bücher gegen die Heiden, ins Deutsche übersetzt von J. Alleker (Trier 1858). 2826 Arnobius of Sicca: The case against the pagans, newly translated and annotated by G. E. McCracken, I–II (Westminster MD 1949). 2827 Arnobio: Difesa della vera religione. Introduzione, traduzione e note a cura di B. Amata (Roma 2000).
Sekundärliteratur
Kommentar 2833 G. Gierlich: Arnobius von Sicca. Kommentar zu den ersten beiden Büchern seines Werkes Adversus nationes (Diss. Mainz 1985). Biographie 2839 Y.-M. Duval: Sur la biographie et les manuscrits d’Arnobe de Sicca. Les informations de Jérôme, leur sens et leurs sources possibles, in: Latomus 45 (1986) 69–99. Einführungen, Gesamtdarstellungen 2845 L. Berkowitz: Index Arnobianus (Hildesheim 1967). 2846 H. Le Bonniec: Introduction, in: Le Bonniec 1982 [*2817: 7–108]. 2847 H. Hagendahl: Von Tertullian zu Cassiodor. Die profane literarische Tradition in dem la-
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teinischen christlichen Schrifttum (Göteborg 1983). – Zu Arnobius: 32–38, 122–125. 2848 R. Laurenti: Spunti di teologia arnobiana, in: Orpheus 6 (1985) 270–303. 2849 A. Wlosok: Arnobius, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. V: Restauration und Erneuerung: Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr., heraus gegeben von R. Herzog (München 1989) [HdbA VIII, 5] 365–375. 2850 A. Wlosok: Zur lateinischen Apologetik der constantinischen Zeit (Arnobius, Lactantius, Firmicus Maternus), in: Gymnasium 96 (1989) 133–148. 2851 M. B. Simmons: Arnobius of Sicca. Religious Conflict and Competition in the Age of Diocletian (Oxford 1995). 2852 B. Fragu: Introduction, in: Fragu 2010 [*2819: XI–LI]. Einzelne Probleme
Zur Philosophie 2858 W. Kroll: Die Zeit des Cornelius Labo, in: RhM 71 (1916) 309–357. – Zu Nat. Buch 1 und 2. 2859 W. Kroll: Arnobiusstudien, in: RhM 72 (1917/18) 62–112. – Zu Nat. Buch 3 bis 7. 2860 A.-J. Festugière: Arnobiana, in: VChr 6 (1952) 208–254. – Zu Platon: 210–216. 2861 P. Courcelle: Les sages de Porphyre et les «viri novi» d’Arnobe, in: REL 31 (1953) 257–271. 2862 W. Schmid: Christus als Naturphilosoph bei Arnobius, in: Erkenntnis und Verantwortung. FS Theodor Litt, herausgegeben von J. Derbolav, F. Nicolin (Düsseldorf 1960) 264– 284. – Wieder in: Ders.: Ausgewählte philologische Schriften, herausgegeben von H. Erbse, J. Kueppers (Berlin 1984) 562–583. 2863 P. Courcelle: Anti-Christian Arguments and Christian Platonism: From Ambrosius to St. Ambrose, in: The Conflict between Pagan ism and Christianity, edited by A. Momi gliano (Oxford 1963) 151–192. 2864 L. J. Swift: Arnobius and Lactantius: Two Views of the Pagan Poets, in: TAPhA 96 (1965) 439–448. 2865 A.-J. Festugière: La doctrine des «uiri noui» sur l’origine et le sort des âmes, in: Hermétisme et mystique païenne, édité par A.-J. Festugière (Paris 1967) 261–312. – Zu Nat. 2,15–66.
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Arnobius von Sicca
2866 C. Burger: Die theologische Position des älteren Arnobius (Diss. Heidelberg 1970). 2867 J. Dillon: The Concept of Two Intellects: A Footnote to the History of Platonism, in: Phronesis 18 (1973) 176–185. – Wieder in: Ders.: The Golden Chain. Studies in the Development of Platonism and Christianity (Aldershot 1990) [CSS 333] Kap. XVI. 2868 E. L. Fortin: The Viri Novi of Arnobius and the Conflict between Faith and Reason in the Early Christian Centuries, in: The Heritage of the Early Church, edited by D. Neiman, M. Schatin (Rome 1973) 197–226. 2869 Ch. Elsas: Neuplatonische und gnostische Weltablehnung in der Schule Plotins (Berlin 1975) [RVV 34]. 2870 P. Mastandrea: Un neoplatonico latino Cornelio Labeone (Leiden 1979). – 108–119 zu Nat. 3,29–42; 127–134 zu Nat. 2,11–66. 2871 R. Laurenti: Il platonismo di Arnobio, in: Annali, Studi filosofici 4 (1981) 3–54. 2872 B. Amata: Destino finale dell’uomo nell’opera di Arnobio di Sicca (III–IV sec. d. C.), in: Morte e immortalità nella catechesi dei Padri del III–IV secolo. Convegno di studio e aggiornamento, Roma, 16–18 marzo 1984, a cura di S. Felici (Roma 1985) 47–62. 2873 B. Amata: Dubbio e certezza in Arnobio di Sicca, in: StPatr 21 (1989) 217–245. 2874 H. Blumenberg: Höhlenausgänge (Frankfurt a. M. 1989). 2875 A. Viciano: Retórica, filosofia y gramática en el Adversus nationes de Arnobio de Sicca (Frankfurt a. M., Bern 1993). 2876 M. Testard: Épicure et Jésus-Christ. Observations sur une lecture chrétienne de Lucrèce par Lactance, in: REL 75 (1997) 200–218. 2877 S. Bodelón: Arnobio y el problema del alma material, in: Memorias de Historia Antigua 19–20 (1998–1999) 62–79. 2878 M. Coniglio: Le parole della persuasione: Arnobio e la retorica, in: Scholia 1,2 (1999) 45–67. 2879 M. J. Edwards: The Flowering of Latin Apologetic: Lactantius and Arnobius, in: Apologetics in the Roman Empire, edited by M. J. Edwards, M. Goodman, S. Price, C. Rowland (Oxford 1999) 197–221. 2880 S. Föllinger: Aggression und Adaptation. Zur Rolle philosophischer Theorien in Arnobius’ apologetischer Argumentation, in: Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karl- und Gertrud-Abel-Stiftung vom 22. bis 25. September 1997 in Trier, he-
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rausgegeben von Th. Fuhrer, M. Erler (Stuttgart 1999) [PhdA 9] 13–31. 2881 F. Mora: La critica del sacrificio nel VII libro di Arnobio, in: Cassiodorus 5 (1999) 203–224. 2882 A. Antolini: «Quali menadi tracie»: le letture di Arnobio, in: Scholia 2,2 (2000) 33–34. 2883 M. Coniglio: Nello «scriptorium» di Arnobio, in: Scholia 2,1 (2000) 71–101. 2884 A. Perruccio: Il «Fornix» di Lucilio. Ocrisia e la nascita di Servio Tullio, note arnobiane, in: Maia 52 (2000) 285–294. 2885 C. Braidotti: Anatomia arnobiana: «Articulus verticula», in: Scholia 4,1 (2002) 27–50. 2886 R. Jakobi: Arnobius der Ältere (von Sicca), in: LacL (32002) 62–64. 2887 P. Ressa: Maghi e magie in Arnobio di Sicca, in: Africa cristiana. Storia, religione, letteratura, a cura di M. Marin, C. Moreschini (Brescia 2002) 99–124. 2888 M. J. Edwards: Dating Arnobius: Why Discount the Evidence of Jerome?, in: Antiquité Tardive 12 (2004) 263–271. 2889 T. Köves-Zulauf: Ein unbekannter römischer Gott: Burrus, ‘der Rote’ (Arnobius, adv. nat. 4, 9), in: Acta classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis 40–41 (2004– 2005) 73–76. 2890 C. M. Lucarini: Questioni arnobiane, in: Materiali e discussioni per l’analisi dei testi classici 54 (2005) 123–164. 2891 L. Battezzato: Congetture cinquecentesche inedite ad Arnobio e Minucio Felice: gli studi di Johannes Livineius, in: Lexis 24 (2006) 523–547. 2892 W. H. C. Frend: Some North African Turn ing Points in Christian Apologetics, in: The Journal of Ecclesiastical History 57 (2006) 1–15. 2893 B. Amata: La polemica anticreazionista e antiscientifica di Arnobio di Sicca, in: Salesianum 69 (2007) 477–505. 2894 M. Edwards: Porphyry and the Christians, in: Studies on Porphyry, edited by G. Karamanolis, A. Sheppard (London 2007) 111–126. 2895 J. A. North: Arnobius on Sacrifice, in: Wolf Liebeschuetz Reflected. Essays presented by Colleagues, Friends and Pupils, edited by J. Drinkwater, B. Salway (London 2007) [BICS Suppl. 91] 27–36. 2896 M. Herrero de Jáuregui: Orphism and Christianity in Late Antiquity (Berlin, New York 2010) [Sozomena 7].
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Bibliographie zum achten Kapitel
Zu den Quellen 2902 I. Opelt: Ciceros Schrift De natura deorum bei den lateinischen Kirchenvätern, in: A&A 12 (1966) 141–155. 2903 J. D. Madden: Jesus as Epicurus: Arnobius of Sicca’s borrowings from Lucretius, in: Civiltà classica e cristiana 2 (1981) 215–222. 2904 O. P. Nicholson: The Date of Arnobius’ Adversus gentes, in: StPatr 15 (1984) [TU 128] 100–107. – Zu Porphyrios. 2905 F. Mora: Arnobio e i culti di mistero. Analisi storico-religiosa del V libro dell’Adversus Nationes (Roma 1994) [Storia delle religioni 10]. 2906 S. Freund: Vergil im frühen Christentum. Untersuchungen zu den Vergilzitaten bei Tertullian, Minucius Felix, Novatian, Cyprian und Arnobius (Paderborn, München 2000, 22003).
2907 S. Kiss: Apuleius Christianus?, in: Acta classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis 43 (2007) 201–210. Wirkungsgeschichte 2913 M. Leigh: A Christian Sceptic of the Fourth Century. Some Parallels between Arnobius and Pascal, in: The Hibbert Journal 19 (1920–1921) 319–325. 2914 P. Krafft: Beiträge zur Wirkungsgeschichte des älteren Arnobius (Wiesbaden 1966). 2915 M. Perrin: Lactance lecteur d’Arnobe dans l’Épitome des Institutions?, in: REAug 30 (1984) 36–41. 2916 J. den Boeft: Erasmus on Arnobius, in: Euphrosyne 33 (2005) 161–165.
L. Caelius Firmianus Lactantius
Gesamtausgaben 2921 L. Caeli Firmiani Lactanti Opera omnia. Accedunt Carmina eius quae feruntur et L. Caecilii qui inscriptus est De mortibus persecutorum liber recensuerunt S. Brandt et G. Laubmann. Pars I: Divinae institutiones et Epitome divinarum institutionum recensuit S. Brandt (Vindobonae et al. 1890) [CSEL 19]. 2922 L. Caeli Firmiani Lactanti Opera omnia. Accedunt Carmina eius quae feruntur et L. Caecilii qui inscriptus est De mortibus persecutorum liber recensuerunt S. Brandt et G. Laubmann. Partis II Fasciculus I: Libri De opificio dei et De ira dei, Carmina, Fragmenta, Vetera de Lactantio testimonia, edidit S. Brandt (Vindobonae et al. 1893) [CSEL 27]. 2923 L. Caeli Firmiani Lactanti Opera omnia. Accedunt Carmina eius quae feruntur et L. Caecilii qui inscriptus est De mortibus persecutorum liber recensuerunt S. Brandt et G. Laubmann. Partis II Fasciculus II: L. Caecilii qui inscriptus est De mortibus persecutorum liber vulgo Lactantio tributus, recensuerunt S. Brandt et G. Laubmann, indices confecit S. Brandt (Vindobonae et al. 1897) [CSEL 27].
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Ausgaben einzelner Schriften
‹De ave Phoenice› 2929 Lactanti De ave Phoenice. With Introduction, Text, Translation and Commentary by M. C. Fitzpatrick (Philadelphia 1933). ‹Divinae institutiones› 2932 Lactance: Institutions divines. Livres I, II, IV, V. Introduction, texte critique, traduction et notes par P. Monat (Paris 1973–1992) [SC 326, 337, 377, 204–205]; Livre VI. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par Ch. Ingremeau (Paris 2007) [SC 509]. 2933 L. Caelius Firmianus Lactantius: Divinarum institutionum libri septem. Fasc. 1: Libri I et II; Fasc. 2: Libri III et IV; Fasc. 3: Libri V et VI; Fasc. 4: Liber VII, Appendix, Indices, ediderunt E. Heck et A. Wlosok, I–IV (Monachii, Lipsiae et al. 2005–2011) [BT]. 2934 Laktanz: Divinae Institutiones Buch 7: De vita beata. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar von St. Freund (Berlin, New York 2009) [TuK 31].
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L. Caelius Firmianus Lactantius
‹Epitome› 2939 Lactance: Épitomé des institutions divines. Introduction, texte critique, traduction, notes et index par M. Perrin (Paris 1978) [SC 335]. 2940 L. Caeli Firmiani Lactanti epitome divinarum institutionum, ediderunt E. Heck et A. Wlosok (Stutgardiae, Lipsiae 1994) [BT].
2970 Lactantius: Divine Institutes, translated with an Introduction and Notes by A. Bowen, P. Garnsey (Liverpool 2003). ‹Epitome› 2976 Lucius Caelius Firmianus genannt Lactantius: Göttliche Unterweisungen in Kurzform, eingeleitet, übersetzt und erläutert von E. Heck, G. Schickler (München, Leipzig 2001).
‹De opificio dei› 2946 Lactance: L’ouvrage du Dieu créateur. I: Introduction, texte critique, traduction par M. Perrin; II: Commentaire et index par M. Perrin (Paris 1974) [SC 213–214]. 2947 Lactance: De opificio dei – La création de Dieu. Texte établi, traduit et annoté par B. Bakhouche, S. Luciani (Turnhout 2009).
‹De mortibus persecutorum› 2982 Laktanz: De mortibus persecutorum – Die Todesarten der Verfolger, übersetzt und eingeleitet von A. Städele (Turnhout 2003) [FC 43]. 2983 Lattanzio: Come muoiono i persecutori. Introduzione, traduzione e note a cura di M. Spinelli (Roma 2004).
‹De ira dei› 2953 L. Caelii Firmiani Lactantii De ira dei liber, quem ediderunt, transtulerunt, praefatione atque notis instruxerunt H. Kraft et A. Wlosok / Laktanz, Vom Zorne Gottes, eingeleitet, herausgegeben, übertragen und erläutert von H. Kraft, A. Wlosok (Darmstadt 1957). 2954 Lactance: La Colère de Dieu, édité par Ch. Ingremeau (Paris 1982) [SC 289]. ‹De mortibus persecutorum› 2960 Lactance: De la mort des persécuteurs. I: Introduction, texte critique et traduction de J. Moreau; II: Commentaire de J. Moreau (Paris 1954) [SC 39]. 2961 Lactantius: De mortibus persecutorum, edited and translated by J. L. Creed (Oxford 1984).
Übersetzungen
‹Divinae institutiones› 2967 Lactantius: Divinae Institutiones, Fünftes Buch, herausgegeben und erläutert von H. Hross (München 1963). 2968 Lucius Caecilius Firmianus Lactantius: The Divine Institutes, Books I–VII, translated by M. F. McDonald (Washington 1964). 2969 Lactancio: Instituciones divinas, Libros I– III y IV–VII. Introducción, traducción y notas de E. Sánchez Salor, I–II (Madrid 1990) [Biblioteca Clásica Gredos 136–137].
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Sekundärliteratur
Bibliographien 2989 St. Freund: Lactantiana quaedam recentiora. Sieben neue Bücher über Laktanz aus den Jahren 1999–2002, in: Plekos 5 (2003) 49–70. 2990 Bibliography of Lactantius, compiled by J. Bryce, second revised version 2007: https:// apps.carleton.edu/curricular/clas/faculty/ bryce/lactantiusbiblio/ (Stand: Juli 2018). Kommentare 2996 J. Moreau 1954 [*2960]. 2997 M. Perrin 1974 [*2946]. Biographie 3003 J. Stevenson: The Life and Literary Activity of Lactantius, in: StPatr 1 (1957) [TU 63] 661–777. Einführungen, Gesamtdarstellungen 3009 P. Monceaux: Histoire littéraire de l’Afrique chrétienne depuis les origines jusqu’à l’invasion arabe, III (Paris 1905).
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Bibliographie zum achten Kapitel
3010 S. Prete: Der geschichtliche Hintergrund zu den Werken des Laktanz, in: Gymnasium 63 (1956) 365–382, 486–509. 3011 Lactance et son temps: Recherches ac tuelles. Actes du quatrième colloque d’études historiques et patristiques, Chantilly, 21–23 septembre 1976, édités par J. Fontaine, M. Perrin (Paris 1978). 3012 A. Wlosok: Zur lateinischen Apologetik der constantinischen Zeit (Arnobius, Lactantius, Firmicus Maternus), in: Gymnasium 96 (1989) 133–148. – Wieder in: Wlosok 1990 [*3086: 217–232]. 3013 A. Wlosok: L. Caecilius Firmianus Lactantius, in: Handbuch der lateinischen Literatur der Antike. V: Restauration und Erneuerung: Die lateinische Literatur von 284 bis 374 n. Chr., herausgegeben von R. Herzog (München 1989) [HdbA VII, 5] 375–404. 3014 A. Wlosok: Lactantius, L. Caelius Firmianus, in: TRE 20 (1990) 370–374. 3015 E. Heck: Lactantius, in: DNP VI (1999) 1043–1044. 3016 K. H. Schwarte: Laktanz, in: LacL (32002) 443–445. 3017 Autour de Lactance. Hommages à Pierre Monat, édité par J.-Y. Guillaumin, St. Ratti (Besançon 2003). 3018 V. Fàbrega: Lactantius, in: RAC 22 (2008) 795–825. Einzelne Probleme
Zur Philosophie 3024 P. G. Frotscher: Des Apologeten Lactantius Verhältnis zur griechischen Philosophie (Leipzig 1895). 3025 H. Limberg: Quo iure Lactantius appelletur Cicero christianus (Münster 1896). 3026 B. Barthel: Über die Benutzung der philosophischen Schriften Ciceros durch Lactanz (Strehlen 1903). 3027 M. Pohlenz: Vom Zorne Gottes. Eine Studie über den Einfluss der griechischen Philosophie auf das alte Christentum (Göttingen 1909). 3028 H. Jagielski: De Firmiani Lactantii fontibus quaestiones selectae (Diss. Königsberg 1912). 3029 F. Fessler: Die Benutzung der philosophischen Schriften Ciceros durch Laktanz (Leipzig 1913).
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3030 A. Kurfess: Lactantius und Plato, in: Philologus 78 (1923) 381–392. 3031 K. Vilhelmson: Laktanz und die Kosmogonie des spätantiken Synkretismus (Tartu 1940). 3032 E. Schneweis: Angels and Demons Accord ing to Lactantius (Washington 1944) [Studies in Christian Antiquity 3]. 3033 P. J. Couvée: Vita beata en vita aeterna. Een onderzoek naar de ontwikkeling van het begrip ‘vita beata’ naast en tegenover ‘vita aeterna’ bij Lactantius, Ambrosius en Augustinus, onder invloed der romeinsche Stoa (Diss. Utrecht, Baarn 1947). 3034 H. Hagendahl: Methods of Citations in Postclassical Latin Prose, in: Eranos 45 (1947) 114–128. 3035 M. Pellegrino: Minucio fonte di Lattanzio, in: Ders.: Studi su l’antica apologetica (Roma 1947) 151–201. 3036 H. Karpp: Probleme altchristlicher Anthropologie. Biblische Anthropologie und philosophische Psychologie bei den Kirchenvätern des dritten Jahrhunderts (Gütersloh 1950). 3037 H. J. Kunick: Der lateinische Begriff ‘pa tientia’ bei Laktanz (Diss. Freiburg 1955). 3038 J. Dammig: Die ‹Divinae institutiones› des Laktanz und ihre Epitome. Ein Beitrag zur Geschichte und Technik der Epitomierung (Diss. Münster 1957). 3039 B. Kötting: Endzeitprognosen zwischen Lactantius und Augustinus, in: Historisches Jahrbuch 77 (1958) 125–139. 3040 H. Blumenberg: Kritik und Rezeption antiker Philosophie in der Patristik: Strukturanalysen zu einer Morphologie der Tradition, in: Studium Generale 12 (1959) 485–497. 3041 L. Alfonsi: Ovidio nelle Divinae Institutiones di Lattanzio, in: VChr 14 (1960) 170–176. 3042 A. Wlosok: Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung (Heidelberg 1960) [AHAW 1960, Nr. 2]. 3043 J. Stevenson: Aspects of the Relations be tween Lactantius and the Classics, in: StPatr 4 (1961) [TU 79] 497–503. 3044 A. Wlosok: Zur Bedeutung der nichtcyprianischen Bibelzitate bei Laktanz, in: StPatr 4 (1961) [TU 79] 234–250. – Wieder in: Wlosok 1990 [*3086: 201–216]. 3045 V. Loi: Per la storia del vocabolo ‘sacramentum’: ‘Sacramentum’ in Lattanzio, in: VChr 18 (1964) 85–107.
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L. Caelius Firmianus Lactantius
3046 L. J. Swift: Arnobius and Lactantius. Two Views of the Pagan Poets, in: TAPhA 96 (1965) 439–448. 3047 H. W. A. van Rooijen-Dijkman: De vita beata (Assen 1967). 3048 M. Spanneut: Tertullien et les premiers moralistes africains (Paris 1969). 3049 M. Lausberg: Untersuchungen zu Senecas Fragmenten (Berlin 1970). 3050 V. Loi: Lattanzio nella storia del linguaggio e del pensiero teologico pre-niceno (Zurigo 1970). 3051 J. Speigl: Zum Kirchenbegriff des Laktanz, in: RQA 65 (1970) 15–28. 3052 St. Casey: Lactantius’ Reaction to Pagan Philosophy, in: Classica et Mediaevalia 32 (1971–1980) 203–219. 3053 U. D. del Val: El senequismo de Lactancio, in: Helmantica 23 (1972) 289–323. 3054 E. Heck: Die dualistischen Zusätze und die Kaiseranreden bei Lactantius. Untersuchungen zur Textgeschichte der ‹Divinae Institutiones› und die Schrift ‹De opificio dei› (Heidelberg 1972) [AHAW 1972, Nr. 2]. 3055 G. Sfameni Gasparro: L’ermetismo nelle testimonianze dei Padri, in: StPatr 11 (1972) [TU 108] 58–64. 3056 I. Opelt: Formen der Polemik im Pamphlet ‹De mortibus persecutorum›, in: JbAC 16 (1973) 98–105. 3057 K. Büchner: Zum Platonismus Ciceros: Bemerkungen zum vierten Buch von Ciceros Werk ‹De re publica›, in: Studia Platonica. FS Hermann Gundert, herausgegeben von K. Döring, W. Kullmann (Amsterdam 1974) 165–184. – Wieder in: Ders.: Studien zur Römischen Literatur. IX: Römische Prosa (Wiesbaden 1978) 76–99. 3058 V. Fàbrega: Die chiliastische Lehre des Laktanz: Methodische und theologische Voraussetzungen und religionsgeschichtlicher Hintergrund, in: JbAC 17 (1974) 126–146. 3059 P. G. van der Nat: Zu den Voraussetzungen der christlichen lateinischen Literatur: Die Zeugnisse von Minucius Felix und Laktanz, in: Christianisme et formes littéraires de l’antiquité tardive en Occident, édité par M. Fuhrmann (Vandœuvres/Genève 1976) [Entretiens 23] 191–234. 3060 J. C. Fredouille: Lactance historien des religions, in: Fontaine, Perrin 1978 [*3011: 237– 252]. 3061 F. Heim: L’influence exercée par Constantin sur Lactance: Sa théologie de la victoire, in: Fontaine, Perrin 1978 [*3011: 55–74].
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3062 R. M. Ogilvie: The Library of Lactantius (Oxford 1978). 3063 M. Perrin: Le Platon de Lactance, in: Fontaine, Perrin 1978 [*3011: 203–234]. 3064 B. Studer: La sotériologie de Lactance, in: Fontaine, Perrin 1978 [*3011: 253–271]. 3065 E. G. Schmidt: Peripatetiker-Zitate bei Lactantius und ‘Psellos’, in: Helikon 18–19 (1978–1979) 396–402. 3066 V. Buchheit: Die Definition der Gerechtigkeit bei Laktanz und seinen Vorgängern, in: VChr 33 (1979) 356–374. 3067 V. Buchheit: Der Zeitbezug in der Weltalterlehre des Laktanz (Inst. 5,5–6), in: Historia 28 (1979) 472–486. 3068 O. Gigon: Lactantius und die Philosophie, in: Kerygma und Logos. FS Carl Andresen, herausgegeben von A. M. Ritter (Göttingen 1979) 196–213. 3069 M. Perrin: Homo Christianus. Christanisme et tradition antique dans l’anthropologie de Lactance, I–II (Diss. Paris 1979). 3070 A. S. Christensen: Lactantius the Historian. An Analysis of the De Mortibus Persecutorum (Copenhagen 1980) [Supplementa Musei Tusculani 21]. 3071 I. Opelt: Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin (Heidelberg 1980) [Bibliothek der klassischen Altertumswissenschaften NF 63]. 3072 M. Perrin: À propos du chapitre 24 de l’«Épitomé» des Institutions de Lactance, in: REAug 27 (1981) 24–37. 3073 B. Faes de Mottoni: Lattanzio e gli Accademici, in: Mélanges d’Archéologie et d’Histoire de l’École Française de Rome 94 (1982) 335–377. 3074 P. McGuckin: The Christology of Lactantius, in: StPatr 17 (1982) 813–820. 3075 P. McGuckin: The Non-Cyprianic Scripture Texts in Lactantius’ Divine Institutes, in: VChr 36 (1982) 145–163. 3076 A. Wlosok: Die Anfänge christlicher Poesie lateinischer Sprache: Laktanzens Gedicht über den Vogel Phoenix, in: Information aus der Vergangenheit, herausgegeben von P. Neukam (München 1982) 129–167. – Wieder in: Wlosok 1990 [*3086: 250–278]. 3077 A. Bender: Die natürliche Gotteserkenntnis bei Laktanz und seinen apologetischen Vorgängern (Frankfurt a. M. et al. 1983) [Europäische Hochschulschriften, Reihe 15, Klassische Sprachen und Literaturen 26].
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Bibliographie zum achten Kapitel
3078 A. Wlosok: Zwei Beispiele frühchristlicher ‘Vergilrezeption’: Polemik (Lact., div. inst. 5,10) und Usurpation (Or. Const. 19–21), in: 2000 Jahre Vergil. Ein Symposium, herausgegeben von V. Pöschl (Wiesbaden 1983) 63–86. – Mit Nachträgen wieder in: Symposium Vergilianum, herausgegeben von I. Tar (Szeged 1984) 7–41. – Wieder in: Wlosok 1990 [*3086: 437–459]. 3079 O. Nicholson: Hercules at the Milvian Bridge: Lactantius, Divine Institutes, I,21,6–9, in: Latomus 43 (1984) 133–142. 3080 G. Ranchina: Polemica filosofica e dottrinale nel ‹De Ira Dei› di Lattanzio, in: Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell’Università di Calgari 6 (1985) 159–181. 3081 E. Heck: Ein Cicerozitat über den Nutzen der Philosophie bei Laktanz, Div. Inst. 3,16,5, in: Eos 75 (1987) 335–351. 3082 R. Glei: Et inuidus et imbecillus: Das angebliche Epikurfragment bei Laktanz, De ira Dei XIII, 20–21, in: VChr 42 (1988) 47–58. 3083 E. Heck: Lactanz und die Klassiker: Zu Theorie und Praxis der Verwendung heidnischer Literatur in christlicher Apologetik bei Lactanz, in: Philologus 132 (1988) 160–179. 3084 O. Nicholson: Flight from Persecution as Imitation of Christ: Lactantius’ Divine In stitutes IV,18,1–2, in: JThS 40 (1989) 48–85. 3085 V. Buchheit: Cicero inspiratus – Vergilius propheta? Zur Wertung paganer Autoren bei Laktanz, in: Hermes 118 (1990) 357–372. 3086 A. Wlosok: Res humanae – res divinae. Kleine Schriften, herausgegeben von E. Heck, E. A. Schmidt (Heidelberg 1990). 3087 P. F. Beatrice: Antistes philosophiae: Ein christenfeindlicher Porpagandist am Hofe Diokletians nach dem Zeugnis des Laktanz, in: Augustinianum 33 (1993) 31–47. 3088 In Praise of Later Roman Emperors: The Panegyrici Latini. Introduction, Translation, and Historical Commentary with the Latin Text of R. A. B. Mynors, edited by C. E. V. Nixon, B. S. Rodgers (Berkeley 1994). 3089 K. Smolak: Rectius itaque Lucretius: Zur Kritik des Laktanz an Ciceros Philosophiehymnus, in: Živa Antika 45 (1995) 351–358. 3090 F. Heim: ‘Virtus’ chez Lactance: Du ‘vir bonus’ au martyr, in: Augustinianum 36 (1996) 361–375. 3091 E. DePalma Digeser: Lactantius and the Edict of Milan: Does it Determine his Venue?, in: StPatr 31 (1997) 287–295. 3092 M. Testard: Épicure et Jésus-Christ. Observations sur une lecture chrétienne de Lu
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crèce par Lactance, in: REL 75 (1997) 200–218. 3093 R. A. Greer: Cicero’s Sketch and Lactantius’ Plan, in: The Early Church in its Context. FS Everett Ferguson, edited by J. Malherbe (Leiden 1998) 155–174. 3094 M. Perrin: Lactance et la culture grecque, in: Pouderon, Doré 1998 [*224: 297–313]. 3095 J. Althoff: Zur Epikurrezeption bei Laktanz, in: Zur Rezeption der Hellenistischen Philosophie in der Spätantike. Akten der 1. Tagung der Karl- und Gertrud-Abel-Stiftung vom 22. bis 25. September 1997 in Trier, herausgegeben von Th. Fuhrer, M. Erler (Stuttgart 1999) [PhdA 9] 35–53. 3096 W. Winger: Personalität durch Humanität. Das ethikgeschichtliche Profil christlicher Handlungslehre bei Lactanz: Denkhorizont, Textübersetzung, Interpretation, Wirkungsgeschichte, I–II (Bern, Frankfurt a. M. 1999). 3097 E. De Palma Digeser: The Making of a Christian Empire. Lactantius and Rome (Ithaca, London 2000). 3098 D. Faraci: Sources and Cultural Background: The Example of the Old English Phoenix, in: Rivista di cultura classica e medioevale 42 (2000) 225–239. 3099 J. Kany-Turpin: Lactance, un critique méses timé de l’épicurisme, in: Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit. Akten der 2. Tagung der Karl- und Gertrud-AbelStiftung vom 30. September bis 3. Oktober 1998 in Würzburg, herausgegeben von M. Erler et al. (Stuttgart 2000) [PhdA 11] 218– 230. 3100 D. J. Nodes: Restoring the Golden Age from Lactantius (ca. 240–ca. 325) to Egidio of Viterbo (1469–1532), in: Studi Umanistici Piceni 20 (2000) 221–236. 3101 A. Goulon: Lactance et les philosophes: Réfutation ou dialogue?, in: Les chrétiens face à leurs adversaires dans l’Occident latin du IVe siècle. Actes des journées d’études du GRAC, Rouen, 25 avril 1997 et 28 avril 2000, textes réunis par J.-M. Poinsotte (Mont-Saint-Aignan 2001) 13–22. 3102 T. Arand: Das schmähliche Ende. Der Tod des schlechten Kaisers und seine literarische Gestaltung in der römischen Historiographie (Frankfurt a. M. 2002). 3103 V. Buchheit: Laktanz und seine «testimonia veritatis», in: Hermes 130 (2002) 306–315. 3104 G. d’Onofrio: Il parricidio di Cicerone. Le metamorfosi della verità tra gli Academica
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L. Caelius Firmianus Lactantius
ciceroniani e il Contra academicos di Agostino (lettura di testi), in: ΕΝΩΣΙΣ ΚΑΙ ΦΙΛΙΑ – Unione e amicizia. Omaggio a Francesco Romano, a cura di M. Barbanti, G. R. Giardina, P. Manganaro, presentazione di E. Berti (Catania 2002) 207–236. 3105 P. Garnsey: Lactantius and Augustine, in: Representations of Empire. Rome and the Mediterranean World, edited by A. K. Bowman, H. M. Cotton, M. Goodman, S. Price (Oxford 2002) 153–180. 3106 Ch. Grossmann: Die neutestamentlichen Grundlagen der Gerechtigkeitsdefinition im 5. Buch der Institutionen des Laktanz, in: Mittellateinisches Jahrbuch 37 (2002) 395– 403. 3107 Ch. Ingremeau: Lactance et la justice dans le livre 5 des Institutions divines, in: Regards sur le monde antique. FS Guy Sabbah, textes recueillis par M. Piot (Lyon 2002) 153–162. 3108 R. Lazlo: Die poetischen Dichtungen des Lactantius (Marburg 2002). 3109 A. Löw: Hermes Trismegistos als Zeuge der Wahrheit. Die christliche Hermetikrezeption von Athenagoras bis Laktanz (Berlin 2002) [Theophaneia 36]. 3110 N. Adkin: The Preamble to Book V of Lactantius’ ‘Divinae Institutiones’ and Jerome, in: RSLR 39 (2003) 101–108. 3111 Ch. Grossmann: «Pietas est dei notio»: Eine Untersuchung zu Lact. inst. V 14, 11f., in: Mittellateinisches Jahrbuch 39 (2004) 171–181. 3112 M. J.-L. Perrin: La christianisation de la notion de ‘mirabilia’ chez Lactance (250–325), in: Conceptions et représentations de l’extraordinaire dans le monde antique. Actes du colloque international, Lausanne 20–22 mars 2003, volume édité par O. Bianchi et O. Thévenaz sous la direction de Ph. Mudry (Berne 2004) 157–170. 3113 M. J.-L. Perrin: Lactance et la «ratio» romaine et chrétienne, in: En deçà et au-delà de la «ratio». Actes de la journée d’étude, Université de Lille 3, 28 et 29 septembre 2001, édités par V. Naas (Lille 2004) 153–160. 3114 E. Heck: Lactantius, ‹De falsa religione›: Textkritisches zum 1. Buch der ‹Divinae institutiones›, in: Antiquité tardive et humanisme: De Tertullien à Beatus Rhenanus. FS François Heim, volume édité par Y. Lehmann, G. Freyburger, J. Hirstein (Turnhout 2005) 55–67.
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3115 S. Van der Meeren: «Recta ratio uiuendi»: Sur une définition sénéquienne de la philosophie, rapportée et critiquée par Lactance, in: REL 83 (2005) 154–178. 3116 A. L. Verlinsky: Epicurus and his Predecessors on the Origin of Language, in: Language and Learning: Philosophy of Language in the Hellenistic Age. Proceed ings of the Ninth Symposium Hellenisticum, edited by D. Frede, B. Inwood (Cambridge 2005) 56–100. 3117 St. Freund: Chrysipp und die ἀποκατά στασις. Beobachtungen zu Text, Zusammenhang, Überlieferungsgeschichte und Rezeption von SVF II 623 (= Lact. inst. 7,23,3), in: RhM 149 (2006) 51–64. 3118 St. Freund: Christian Use and Valuation of Theological Oracles: The Case of Lactantius’ Divine Institutes, in: VChr 60 (2006) 269–284. 3119 St. Freund: Laktanz und die epikureische Seelenlehre, in: StPatr 42 (2006) 379–384. 3120 J. Walter: Pagane Texte und Wertvorstellungen bei Lactanz (Göttingen 2006) [Hypomnemata 165]. 3121 Le ‹De opificio Dei›: Regards croisés sur l’anthropologie de Lactance. Actes des journées d’études organisées à Montpellier, 24–25 novembre 2005. Textes réunis par B. Bakhouche, S. Luciani (Saint-Étienne 2007). 3122 V. Buchheit: Laktanz über die Apolloorakel, in: Hermes 136 (2008) 381–382. 3123 M. J.-L. Perrin: Rôle et fonction de la mythologie chez Lactance (env. 250–325), rhéteur, polémiste, apologiste et historien, in: Mythes et savoirs dans les textes grecs et latins, édité par J.-P. Aygon (Toulouse 2008). 3124 St. Freund: Laktanz und die Johannesoffenbarung, in: StPatr 46 (2010) 45–52. Wirkungsgeschichte 3130 Brandt, Laubmann 1890 [*2921: IX–XII]. – Kurzer Überblick.
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Neuntes Kapitel
Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien
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§ 107. Überblick Christoph Riedweg In diesem Kapitel werden vier Textcorpora zusammen vorgestellt, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass ihnen eine stark religiös-mythologische Einfärbung eignet. Davon abgesehen unterscheiden sie sich bezüglich Entstehung, Abfassungszeit, literarischer Form, ihrem philosophischem Gehalt sowie ihrem Anregungspotential für das kaiserzeitliche und spätantike Denken in mancher Hinsicht markant voneinander, ja sie sind zum Teil sogar in sich selbst ausgesprochen verschiedenartig. Während die ‹Chaldäischen Orakel› und die Theosophien in Inhalt und Form je vergleichsweise homogen scheinen (hexametrische Orakelsprüche hier, Orakelund andere Verse mit kurzen Auslegungen dort), schließen die in Prosa abgefassten Hermetica sowie die überwiegend hexametrischen Orphica außer den für das jeweilige Corpus charakteristischen Gattungen – Traktate und Gespräche (Herm.) bzw. theogonische, kosmologische und eschatologische Gedichte (Orph.) – auch magische, astrologische und parawissenschaftliche Texte mit ein. Die verschiedenen Textsorten mögen aus antiker Perspektive weniger weit auseinanderliegen, als es heute scheint. Gleichwohl bildet in den beiden zuletzt genannten Fällen wohl hauptsächlich die Zuschreibung an eine bestimmte Figur das einigende Band: an Hermes als griechischer Entsprechung des ägyptischen Gottes Thot auf der einen, an den magischen Sänger und Sohn der Kalliope Orpheus, der selbst die Götter der Unterwelt zu erweichen vermochte, auf der anderen Seite. Mit dieser Zuschreibung wird eine religiös legitimierte Autorität für die Texte beansprucht, wie sie ähnlich den Orakeln qua Manifestationen des Göttlichen selbstverständlich zuerkannt wurde. Im Vergleich zu den andern drei Textcorpora nehmen die sogenannten Theosophien insofern eine Sonderstellung ein, als alle uns fassbaren Beispiele dieser offenkundig von Porphyrios, insbesondere seinem Werk ‹Über die Philosophie aus Orakeln›, angeregten Gattung aus der Spätantike stammen und darauf abzielen, nunmehr aus christlicher Perspektive Ansätze des richtigen Glaubens in paganen und sibyllinischen Orakeln, in orphischen Versen sowie in poetischen und philosophischen Texten aufzuzeigen. Die religiöse Autorität mit ihrer weihevollen Aura erklärt, warum die hermetischen Schriften, die orphischen Gedichte und die ‹Chaldäischen Orakel›, so unterschiedlich sie im Einzelnen sind, für die spätantiken Denker, und zwar für Platoniker ebenso wie für Christen, derart attraktiv waren. Hinzu kommt im Falle der Hermetica und der Orphica das hohe Alter: Die Griechen hielten die ägyptische Tradition allgemein für viel älter als ihre eigene, und die Lebenszeit des mythischen Sängers Orpheus wurde in die Zeit vor dem trojanischen Krieg datiert. Was älter war, galt in der Antike von vornherein als höherwertig und ‘wahrer’ (vgl. Dörrie 1987 [*1: 25f.], Pilhofer 1990 [*2], Dihle 2009 [*5: 4–7]). Mit entsprechender Hochachtung begegnete man daher diesen vermeintlich uralten Texten. Was deren tatsächliche Entstehungszeit betrifft, so stellt sich die Situation in jedem Fall anders dar. Während die ‹Chaldäischen Orakel› traditionell auf zwei
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IX. Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien
Träger des Namens Julian aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. zurückgeführt werden, mag der religionsphilosophische Hermetismus zwar aus älterer ägyptischer Weisheitstradition geschöpft haben. In der heute vorliegenden hellenisierten und stark platonisierenden Form ist er jedoch kaum vor dem 1. Jahrhundert n. Chr. entstanden. Unter den Orpheus zugeschriebenen Texten wiederum lässt sich inzwischen zumindest die Theogonie insbesondere dank des Derveni-Papyrus bis ins 6. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen, wobei interessanterweise bereits in diesem Fall mit Anregungen aus Ägypten zu rechnen ist (vgl. Burkert 2006 [*3]). Diese älteste Fassung ist über verschiedene Stufen der Überarbeitung und Erweiterung in die für den vorliegenden Band maßgebliche ‹Heilige Rede in 24 Rhapsodien› eingegangen, die nur sehr fragmentarisch erhalten ist. Die Mehrzahl der Fragmente werden neuplatonischen Philosophen verdankt, die davon überzeugt waren, dass in den aus heutiger Sicht teils recht kruden orphischen Mythologemen alle wichtigen Punkte ihres philosophischen Lehrgebäudes bereits enthalten seien, und deshalb von Orpheus mit Vorliebe als dem Theologen κατ’ ἐξοχήν sprachen. Als Entstehungszeit der ‹Rhapsodien› wird in der modernen Forschung der spätere Hellenismus (Ende des 2. Jh.s v. Chr.) privilegiert, was zur Popularität orphischer Verse im peripatetischen (Ps.-Aristoteles ‹De mundo›) und im jüdischhellenistischen Milieu (Aristobulos) dieser Zeit passt. Während das philosophische Leitinteresse der ‘theologischen’ Hermetica und der ‹Chaldäischen Orakel› bereits auf der Textoberfläche offenkundig ist und angesichts der vergleichsweise späten Entstehung im Grunde auch kaum überrascht, mag man die Berechtigung der Neuplatoniker, die orphische Mythologie allegorisch auszulegen und ihre eigene Ontologie auf diese zurückzuführen, zunächst in Zweifel ziehen und deren Vorgehen als gewaltsame philosophische Vereinnahmung betrachten. Zu bedenken ist freilich, dass die allegorische Auslegung dichterischer Texte gerade im 6. Jahrhundert v. Chr. aufkommt und es daher sehr wohl denkbar ist, dass bereits der unbekannte Verfasser der orphischen Urtheogonie – im Anschluss an Ansätze in dieser Richtung bei Homer und Hesiod – sein Gedicht tatsächlich auf eine allegorische Auslegung hin verfasst haben könnte. Dazu fügt sich das eigenwillige Nebeneinander mythologischer und naturphilosophischer Hörsprüche in der fast zeitgleichen pythagoreischen Tradition, deren Nähe zur orphischen schon ein Zeugnis des 5. Jahrhunderts v. Chr. andeutet: Laut Ion von Chios soll Pythagoras «einiges gedichtet und es Orpheus zugeschrieben haben» (D. L. 8,8 = Ion 36 B 2 DK; vgl. Riedweg 22007 [*4: 74f., 99–103]).
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§ 108. Hermetische Tradition (Bibl. 1224–1230)
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§ 108. Hermetische Tradition Paolo Scarpi
1. Historisch-kultureller Kontext, Ursprünge, Chronologie. – 2. Hermes Trismegistos. – 3. Werke. – 4. Lehre. – 5. Überlieferung und Wirkungsgeschichte des Hermetismus.
Mit dem Ausdruck ‘Hermetische Tradition’ wird ein komplexes Schriften corpus überwiegend der frühen Kaiserzeit bezeichnet, dessen einigendes Band der Bezug auf Hermes Trismegistos darstellt. Dieser ägyptische Gott fungiert als Autorität für eine Offenbarung, deren Hauptgewicht auf einer religiös-metaphysischen Welterklärung liegt, wobei Fragen der Eschatologie besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Unverkennbare Affinitäten zu gnostischen Ansätzen und zum kaiserzeitlichen Platonismus dürfen nicht überbewertet werden. Ungelöst ist bis heute die Frage, ob im Falle dieser Texte die Existenz religiöser Kultgemeinschaften vorauszusetzen ist (dazu siehe z. B. van den Broek 2000 [*135]). 1. HISTORISCH-KULTURELLER KONTEXT, URSPRÜNGE, CHRONOLOGIE
Im 1. Jahrhundert n. Chr. ist der Hermetismus als Erscheinung im Imperium Romanum mit Sicherheit bekannt, wie ein gänzlich dem Gott Hermes geweihtes Epigramm Martials (5,24,1–15; Moreschini 1985 [*26: 51] und 2011 [*157: 28]) bezeugt, das den Gottesnamen am Anfang jedes Verses anaphorisch wiederholt. Spürbar gefestigt erscheint der Hermetismus, aus Tertullian zu schließen (Anim. 33: Scarpi 2011 [*39: 10 = fr. 1]), am Ende des 2. Jahrhunderts (Moreschini 1985 [*26]). Auf jeden Fall kann diese Tradition als Frucht des Hellenismus und der generellen Krise bezeichnet werden, die zu jener Zeit die antike Welt durchdrang (Holzhausen 1997 [*125: 203], Moreschini 2011 [*157: 8]), als die bereits seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. wahrgenommene Schwächung des mythischen Horizonts mit dem ursprünglich darin eingebetteten und begründeten Komplex von Regeln menschlicher Existenz in der Welt und dem System ihrer Beziehungen zu anderen Menschen, zu den Göttern und zur äußeren Umgebung einen neuen Höhepunkt erreicht hatte. Während das Vorhandensein gewisser Elemente, die sich aus der älteren griechischen Denktradition herleiten (so bereits Zuntz 1955 [*85]), nicht in Abrede gestellt werden kann, lassen sich im Hermetismus auch Inhalte erkennen, die dieser mit zeitgenössischen Strömungen und Lehren teilt, so etwa mit dem Stoizismus (Scarpi 2009 [*156: LXII]), den Gnostikern, dem späteren Neuplatonismus (Kroll 1913 [*76]), dem jüdischen Weltbild und dem biblischen Vokabular (allgemein Idel 1988 [*107] und Camplani 1993 [*114], mit früherer Bibliographie). Für Dodd 1935 [*80: 187f.] beispielsweise geht der gesamte Traktat VII auf jüdische Ursprünge zurück. In einigen Fällen sind in der Forschung Über-
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IX. Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien
einstimmungen mit der neutestamentlichen Tradition, im Speziellen mit dem ‹Johannes-Evangelium›, unterstrichen worden (Dodd 1935 [*80: 99–209] und 1953 [*84: 44–53]; siehe auch Mahé 1986 [*104: 37–46] und Camplani 1993 [*114: 381ff.]). Doch wie Mahé 1982 [*24: 16f.] betont, bleibt der Autor der Hermetica trotz aller biblischer Formeln und der auf die ‹Genesis› zurückführbaren Ausdrücke ein Heide, während umgekehrt die Tendenz einiger Studien, in den Hermetica ein Beispiel für nicht-christliche Gnosis zu erkennen (Filoramo 1983 [*95: 159–72] und 1993 [*115: 107]), dem Phänomen ebenfalls nicht in seiner Gesamtbreite gerecht wird, zumal Gnosis in diesem Fall als Interpretations- und Klassifikationsbegriff verwendet wird. Weiter darf in diesem kulturell dynamischen und komplexen Raum auch die große Durchlässigkeit hellenistisch-römischer und spätantiker Kulte nicht unerwähnt bleiben, die Wechselwirkungen zwischen dem Hermetismus und den Mysterienkulten und insbesondere mit deren Modellen auf doktrinärer und kultischer Ebene nachhaltig begünstigt haben dürfte (Scarpi 2002 [*51: XI–XVI]). So könnte gerade die in Corp. Herm. XIII wie auch in ‹Über die Achtheit und Neunheit› (‹De Ogdoade et Enneade›) erkennbare initiationsähnliche Struktur als Resultat einer Interferenz mit Mysterienkulten gedeutet werden (Scarpi 2009 [*156: XX– XXI, XLVI–XLVIII, L–LII, mit vorhergehender Bibliographie). Im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. lässt sich eine gewisse Verbreitung der hermetischen Lehre beobachten (vgl. Moreschini 2011 [*157: 28]); ebenso fand offensichtlich eine Redaktion entsprechender Texte statt, die in der Folge, gewiss nicht frei von Modifikationen, überliefert worden sind (vgl. Clem. Al. Strom. 6,4,35–37, dazu unten 3.); Zeitpunkt und Umstände der Entstehung dieser Lehre bleiben allerdings im Dunkeln. Nicht länger haltbar ist die Ansicht, dessen ägyptisches Substrat sei bloß ein exotisches Gewand, mit dem darauf abgezielt wurde, einer Lehre, die nicht ägyptisch war, Autorität zu verleihen (so Festugière 1944 [*82: 84–86, 428f.]); denn es ist wahrscheinlich, dass im Hintergrund des Hermetismus die im antiken Ägypten über Jahrtausende hinweg entwickelte religiöse Spekulation zu suchen ist (dazu siehe Mahé 1978 [*23: 23–26] und 1986 [*104], Kingsley 1993 [*116], Fowden 2000 [*138: passim], Kingsley 2000 [*134], Scarpi 2009 [*156: XXXVII–XLIV]). Schon Reitzenstein 1904 [*71: 42ff.] hatte mögliche Einflüsse ägyptisch-hellenistischer Theologie erkannt, und es besteht auch kein Grund, folgendem Zeugnis des Neuplatonikers Iamblichos (Resp. 8,4) zu misstrauen: «Die Bücher, die unter dem Namen des Hermes im Umlauf sind, enthalten hermetische Theorien, auch wenn sie häufig in der Sprache der Philosophen formuliert sind. Denn sie wurden von Leuten aus dem Ägyptischen übersetzt, die mit der Philosophie sehr wohl vertraut waren» (τὰ μὲν γὰρ φερόμενα ὡς Ἑρμοῦ Ἑρμαϊκὰς περιέχει δόξας, εἰ καὶ τῇ τῶν φιλοσόφων γλώττῃ πολλάκις χρῆται· μεταγέγραπται γὰρ ἀπὸ τῆς Aἰγυπτίας γλώττης ὑπ᾿ ἀνδρῶν φιλοσοφίας οὐκ ἀπείρως ἐχόντων). Allerdings ist es alles andere als einfach, die Umrisse genau zu bestimmen und die Wege zu bezeichnen, die zur Bildung einer zusammenhängenden hermetischen Lehre in griechischer Sprache geführt haben. Ebenso ist es unmöglich, die Formen der Kontamination bzw. der mehr oder weniger spontanen Hybridisierung mit anderen Traditionen genau zu ermitteln.
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§ 108. Hermetische Tradition (Bibl. 1224–1230)
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2. HERMES TRISMEGISTOS
Ähnlich wie andere Figuren der Antike (z. B. Orpheus oder selbst Homer) gilt Hermes als Gründerfigur, die Texten eine Autorität verleiht, die eine in Anspielungen versteckte, heilbringende Weisheit zu enthalten scheinen. Er ist der Prophet, der jenen Menschen, die sich als dieser Weisheit würdig erweisen, das Geheimnis offenbart, das ihnen Errettung und die Wiedergeburt im Gott ermöglichen soll. Aus historischer Sicht stellt Hermes Trismegistos die ‘interpretatio Graeca’ des ägyptischen Gottes Thot dar, der in einem aus dem Demotischen ins Griechische übersetzten und im Hellenismus weit verbreiteten Text als «Herr der Erkenntnis» erscheint (‹Mythos von Tefnut›: P. Lit. Lond. 192; West 1969 [*48]). Bei τρισμέγιστος, «dreifach Größter», handelt es sich um eine griechische Übertragung des ägyptischen Epithetons «groß, groß, groß» (Mahé 1996 [*123]). Ein ‘Ostrakon’ mit Orakeltext aus Saqqâra aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. scheint momentan die älteste Vorform der Bezeichnung des Gottes als (Hermes) Trismegistos zu liefern. Darauf ist zu lesen: «was mir vom größten und größten Gott, dem großen Hermes, gesagt wurde» (τὰ ῥηθέντα μοι ὑπὸ τοῦ μεγίστου καὶ μεγίστου θεοῦ μεγάλου Ἑρμοῦ: in Mahé 1978 [*23: 1], der auch an die Erwähnung eines Hermes μέγας καὶ μέγας auf dem Stein von Rosetta erinnert). Das weiter oben erwähnte Epigramm Martials (5,24,1–15) seinerseits lässt darauf schließen, dass das Epitheton in der Zwischenzeit im Imperium vergleichsweise geläufig geworden war. Die ägyptische Tradition, die Thot zum Erfinder der Zahlen, der Rechenkunst, der Geometrie, der Astronomie, der Buchstaben des Alphabets und sogar des Würfelspiels machte, war Platon bekannt (Phdr. 274c–275a), ohne dass dabei der ägyptische Gott allerdings explizit mit Hermes identifiziert worden wäre (eine solche Identifikation fehlt auch in Crat. 407e–408a). Hingegen entspricht Hermes dem ägyptischen Thot bereits bei Herodot (2,138,4), eine Gleichsetzung, die allerdings erst mit dem auf der Rosetta-Stele eingemeißelten priesterlichen Dekret (196 v. Chr.) offiziellen Charakter bekam. Im 1. Jahrhundert v. Chr. gehört die Identifikation bzw. Überlagerung der beiden Gottheiten zur nunmehr etablierten Tradition, wie eine Stelle bei Cicero erkennen lässt (Nat. 3,56). Ebenfalls im 1. Jahrhundert v. Chr. erkannte Varro (bei Aug. Civ. 7,14) in «Merkur […] die Sprache selbst». Einige Zeit später bezeichnete Iamblichos Hermes als unangefochtenen «Herrn des Worts» (Resp. 1,1), und der Lexikograph Hesych (s. v. Ἀργει φόντης) identifizierte zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. den Gott direkt mit dem λόγος (ὁ γὰρ Ἑρμῆς λόγος ἐστί). In einem der schönsten und faszinierendsten Traktate, bekannt unter dem Namen Κόρη Κόσμου, ist Hermes derjenige, der alles gesehen hat, alles weiß und die erhaltene Offenbarung in schriftliche Form bringt (Exc. XXIII 5; siehe unten 3.4., auch zur Bedeutung des Titels). Er ist Archivar der Götter (ebd. 44), Mittler zwischen dem höchsten Schöpfergott und den Seelen (ebd. 26) und schließlich einer der sieben Planeten, zu denen er nach Übergabe der himmlischen Lehre an seinen Sohn Tat und an Asklepios wieder hinaufsteigt. Als solcher erschafft er die Natur der Menschen und begünstigt alle, die unter seinem Sternzeichen geboren werden (ebd. 6. 29). In anderen Texten ist er «Vater des Rats aller Dinge» (βουλῆς
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IX. Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien
[…] ὁ πατὴρ πάντων: Exc. XXVI 9), und vielleicht entspricht er auch dem «Guten Daimon», Ἀγαθοδαίμων (Scarpi 2011 [*39: 27–29 = fr. 28]). Im ‹Poimandres› (Corp. Herm. I 26–32) ist Hermes die Stimme, die den Menschen, die zur Konversion bereit sind, das unsterbliche Leben verkündet; er hat die Aufgabe, unter den Menschen die Lehre zu verbreiten, die ihm Νοῦς, der «Intellekt» und höchste Gott, offenbart hat, um schließlich – im koptischen Traktat ‹De Ogdoade et Enneade› (Corp. Herm. I 36. 41) – selbst Νοῦς, d. h. Gott selbst, zu sein. 3. WERKE
1. Heilige Bücher. – 2. Die hermetische Literatur. – 3. Das ‹Corpus Hermeticum›. – 4. Die Exzerpte des Stobaios. – 5. ‹Asclepius›. – 6. ‹De triginta sex decanis›. – 7. Der koptische Hermes: ‹De Ogdoade et Enne ade›. – 8. Der armenische Hermes.
Die Behauptungen des Iamblichos (Resp. 8,2), der hyperbolisch davon spricht, Hermes Trismegistos habe «hundert Traktate über die Götter der Feuerregion (ἐμπύριοι), ebensoviele über die Götter des Aither, tausend über die Götter des Himmels (ἐπουράνιοι)» verfasst, sowie des Laktanz (Div. inst. 1,6,4: Scarpi 2011 [*39: 11 = fr. 3]), demzufolge Hermes Trismegistos «Bücher, und zwar viele, geschrieben» hätte (scripsit libros et quidem multos), zeugen von der Existenz einer Literatur beträchtlichen Umfangs und verschiedener Ausrichtung (Astrologie, Magie, Alchemie), die unter dessen Namen lief (Festugière 1944 [*82]). Von den Inhalten dieser ganzen Produktion findet sich vermutlich ein Reflex bei Clemens von Alexandrien (Strom. 6,4,35–37), der die Hermes zugeschriebenen Bücher einerseits mit der altägyptischen Religionswelt verknüpft, andererseits aber auch darlegt, wie diese Bücher mit einer rituellen Praxis in Verbindung zu bringen seien. Laut Clemens ist im ägyptischen Kultwesen (θρησκεία) Personal vorgesehen, das über Kenntnis «der Bücher des Hermes verfüge, von denen das erste die Hymnen an die Götter umfasst habe, das zweite dagegen eine Darstellung der Lebensweise des Königs» (δύο βίβλους […] ἐκ τῶν Ἑρμοῦ, ὧν θάτερον μὲν ὕμνους περιέχει θεῶν, ἐκλογισμὸν δὲ βασιλικοῦ βίου τὸ δεύτερον). Auf diese beiden Bücher folgten wohl die vier Bücher ‹Astrologie› (ἀστρολογούμενα) des Hermes, die der ὡροσκόπος «ständig» präsent haben musste (wörtlich «im Munde führen» [ἀεὶ διὰ στόματος ἔχειν χρή]). Das erste dieser Bücher handelte von den Fixsternen, das zweite von Sonne und Mond, die anderen beiden von deren Bewegungen. Der «Heilige Schrei-
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ber» (ἱερογραμματεύς) «trug» seinerseits «ein Buch in seinen Händen» (ἔχων […] βιβλίον τε ἐν χερσὶ […]); seine Kompetenzen betrafen «die sogenannten Hieroglyphen» (τὰ ἱερογλυφικὰ καλούμενα), «Kosmographie und Geographie» (κοσμογραφία, γεωγραφία), «die Position von Sonne und Mond» (ἡ τάξις τοῦ ἡλίου καὶ τῆς σελήνης), die fünf Planeten, die «landeskundliche Beschreibung» (χωρογραφία) Ägyptens, den Verlauf des Nils sowie Kenntnis der Strukturen der Rituale und der zu ihrer Durchführung notwendigen Dinge. Weiter bezogen sich gemäß Clemens (Strom. 6,4,36,2) «zehn Bücher auf die [sc. Formen der] Verehrung der Götter bei ihnen und die ägyptische Frömmigkeit, wie etwa die Sakralopfer, Erstlingsgaben, Hymnen, Gebete und Festprozessionen» (δέκα δέ ἐστι τὰ εἰς τὴν τιμὴν ἀνήκοντα τῶν παρ’ αὐτοῖς θεῶν καὶ τὴν Αἰγυπτίαν εὐσέβειαν περιέχοντα, οἷον περὶ θυμάτων, ἀπαρχῶν, ὕμνων, εὐχῶν, πομπῶν ἑορτῶν). Weitere «zehn hieratisch genannte Bücher» (τὰ ἱερατικὰ καλούμενα δέκα βιβλία: Strom. 6,4,37,2), waren «den Gesetzen, den Göttern und der gesamten Vorbereitung der Priester gewidmet» (περί τε νόμων καὶ θεῶν καὶ τῆς ὅλης παιδείας τῶν ἱερέων). Außerdem ist von 42 Büchern des Hermes die Rede, wovon 36 «die gesamte Philosophie der Ägypter» (πᾶσαν Αἰγυπ τίων […] φιλοσοφίαν), die anderen sechs medizinische Fragen (τὰς δὲ λοιπὰς ἓξ […] ἰατρικὰς οὔσας: Strom. 6,4,37,3) enthielten. In welchem Verhältnis diese riesige literarische Produktion zu den uns erhaltenen hermetischen Schriften steht, ist schwierig zu beurteilen; letztere sind wohl nicht allein das Resultat einer Neuanordnung (vgl. Nock, Festugière 1945 [*13: I XL], wo auf die An-
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lage einer Sammlung von 15 hermetischen Schriften in Athen einige Zeit vor Kyrill von Alexandrien hingewiesen wird; Kyr. Contra Iul. 1,30). Vermutlich handelte es sich um ein Schriftcorpus, das nach eigenen Gesetzmäßigkeiten organisiert war und die Lesenden als ‘Einzuweihende’ progressiv von «Allgemeinen Reden» (Corp. Herm. X 1. 7; XIII 1; Exc. III 1; VI 1; Fragment B der Papyri Vindobonenses Graecae 29456 r und 29828r: Mahé 1984 [*25], Savignago 2011 [*39: 58–61]; Ogd. 69) zu stärker «detaillierten» (δι-
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εξοδικοί) esoterischen Traktaten führte (siehe die Fragmente aus an Tat gerichteten Traktaten bei Kyrill von Alexandrien, Scarpi 2011 [*39: 10–36; insbesondere fr. 27]). Eine genauere Rekon struktion dieser monumentalen Literaturproduktion ist indessen nicht möglich, und auch die Gliederung des Materials nach Adressaten – darunter außer Tat auch Asklepios oder selbst Isis – erlaubt keine Wiederherstellung der ursprünglichen Struktur der Texte, die im Laufe der Zeit überdies ständig überarbeitet wurden.
1. Heilige Bücher Die gesamte hermetische Tradition gründet sich auf eine schriftliche Offenbarung des Hermes Trismegistos, der bereits in den hellenistischen Isis-Aretalogien, so in der ‹Aretalogie aus Maronea› (Thrakien; 2. Jh. v. Chr. [?]; Scarpi 2002 [*51: 517]: Iside [D] 5, 24f.), mit der Göttin Isis als Erfinder der Schrift verbunden wird. Als Geschöpfe des Hermes (Exc. XXIII 5. 8. 32. 44. 66) sind die Bücher göttlich und mit eigenem Leben ausgestattet; ihre Aufgabe ist es, die Seelen zu ernähren und sie von Unwissenheit zu befreien, wobei ihre Niederschrift in hieroglyphischen Zeichen das Geheimnis vor der Menge schützen sollte (Ogd. 62; 64; 66; Corp. Herm. XVI 1–2).
Obwohl daneben eine mündliche Überlieferung existierte (Corp. Herm. XII 8; XIII 1. 15), ist doch das Buch das bevorzugte Instrument, um die hermetische Lehre festzuhalten, zu bewahren und zu verbreiten. Wollte man dem Hermetismus den Status einer Art Religion zuerkennen, könnte man diese somit sehr wohl als ‘Buchreligion’ bezeichnen. Im Übrigen haben bekanntlich die Sabäer aus Ḥarrān (zwischen 750 und 1020 n. Chr.) die hermetischen Schriften in den Rang einer Heiligen Schrift erhoben, um sich dadurch als ‘Volk des Buches’ gegenüber ihrer Umgebung abzugrenzen. Aus dieser Epoche stammt im Übrigen auch die Mehrzahl der hermetischen Schriften in arabischer Sprache (Gilly, van Heertum 2002 [*177: 9], Pappacena 2003 [*147]).
2. Die hermetische Literatur Die bis vor kurzem von den Spezialisten vertretene Zweiteilung zwischen dualistischen Texten mit pessimistischer bzw. gnostischer Ausrichtung und optimistischen Texten mit monistischer Grundtendenz, wie sie von Festugière in Anlehnung an Bousset (1914 [*78]) vorgenommen wurde (für eine präzise Synthese siehe Festugière 1967 [*88]), scheint heute keine Berechtigung mehr zu haben. Ebensowenig lässt sich die vereinfachende Gegenüberstellung eines philosophischen und eines vulgären Hermetismus oder die traditionelle Einteilung der hermetischen Schriften einerseits in ‘technische Werke’ bzw. ‘technische Literatur’, d. h. Schriften magischen, alchemistischen und astrologischen Charakters, und andererseits in philosophische ‘Hermetica’ aufrechterhalten – als wären die Schriften magischen Charakters aufgrund ihrer aus Vorschriften und Praktiken bestehenden Gestalt nicht von ‘philosophischen’ Texten abhängig oder zumindest mit diesen verbunden. Eine solche Aufteilung lässt außer Acht, dass der
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Hermetismus als gesamtheitliche Antwort auf das Bedürfnis nach Sinngebung zu werten ist, nach welcher der antike Mensch gerade in einer Welt tiefgreifender Identitätskrise zu gelangen trachtete. Das Fehlen von Texten liturgischen Charakters oder von Beschreibungen hermetischer Liturgien schließt im Übrigen das Vorhandensein kultischer Praktiken keineswegs aus. Außerdem stellten zu jener Zeit sowohl die Magie, die durchaus in eine religiöse Dimension eingebettet war und erst in einer späten, christlich bestimmten Perspektive in Opposition zum Religiösen tritt (Scarpi 1996 [*124]; zur Komplexität des Problems sei hier für den ägyptischen Kontext auf Ritner 1993 [*117] und allgemein auf Graf 1994 [*118] hingewiesen), als auch die Astrologie und Alchemie Formen des Wissens dar, von denen die Gesellschaft durchdrungen war. Für Klaudios Ptolemaios (Tetr. 1,2,1–8; 1,3,19; 1,4,1–1,5,2) war die Astrologie in der Tat eine Wissenschaft zur Beschreibung von Makro- und Mikrokosmos und
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der Wechselwirkungen der ersteren mit der letzteren. Durch sie war es möglich, den Zustand der Wirklichkeit im Verhältnis zur kosmischen Ordnung und in Bezug zur Bewegung der Planeten zu erkennen. Iamblichos (Resp. 8,4) hatte die Astrologie der ägyptischen Tradition zugewiesen, und schon die Stoiker hatten sich für sie interessiert (D. L. 7,149). Die hermetische Astrologie ihrer-
seits war das Resultat einer Reihe von Umge staltungen und Überarbeitungen im Umfeld chaldäischer oder babylonischer Astrologie und griechischer Sterndeutung, denen der Hermetismus die ihm eigene Theologie, Kosmologie und Anthropologie aufgepfropft hatte (Festugière 1944 [*82: 89–186], Fowden 2000 [*138: 141–146]).
3. Das ‹Corpus Hermeticum› Das ‹Corpus Hermeticum› besteht aus insgesamt siebzehn Traktaten in griechischer Sprache. Die ersten vierzehn entstammen dem vom Mönch Leonardo da Pistoia 1459 aus Makedonien nach Florenz überbrachten und Cosimo de’ Medici übereigneten Manuskript; letzterer beauftragte im Jahre 1463 Marsilio Ficino mit deren Übersetzung (Scarpi 2009 [*156: XXV]). Diese Übertragung erschien 1471 in Treviso, eine zweite 1472 in Ferrara, allerdings ohne die Traktate XVI–XVIII, die in der ihm verfügbaren Handschrift fehlten. Jene letzten drei Schriften waren dagegen Ludovico Lazzarelli [*20] bekannt, der sie 1507 erstmals übersetzte. Die ‘editio princeps’ des griechischen Texts des ‹Corpus Hermeticum› geht auf Adrien Turnèbe zurück (1554 [*21]); die Traktate XVI–XVIII figurieren darin unter dem Titel ‹Aesculapi definitiones›. Zwischen den Traktaten I–XIV und XVI–XVIII schob der Herausgeber als ‘caput’ XV drei Auszüge aus Stobaios ein, denen später Flussas (François de Foix-Candale) in seiner Ausgabe von 1574 noch ein Stück aus der ‹Suda› hinzufügte. Die so entstandene Zählung hat sich bis heute gehalten. Von den einzelnen Traktaten auch nur eine kurze Inhaltsübersicht zu geben, erweist sich wegen der Komplexität der Themen und auch wegen ihrer häufigen Repetivität als unmögliches Unterfangen. Am meisten Kohärenz und Vollständigkeit im Hinblick auf Lehrinhalte zeigt ohne Zweifel Corp. Herm. I, das auch unter dem Namen ‹Poimandres› bekannt ist, entsprechend dem Namen der dort auftretenden göttlichen Figur, die Νοῦς, Intellekt und daher höchster Gott, ist. Der Traktat entfaltet sich entlang dreier großer thematischer Komplexe, die ‘in nuce’ enthalten, was in anderen Traktaten, und sei es zuweilen auch nur in Teilen, entwickelt wird: Kosmogonie, Anthropogonie und Eschatologie. Mit diesem Traktat ist in erster Linie der λόγος XIII in Verbindung zu setzen, der um die Offenbarung der Lehre von der «Wiedergeburt» (παλιγγενεσία) und der Etappen kreist, durch die
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diese zu Stande kommt. Wichtig ist dabei besonders die Befreiung vom sinnlich wahrnehmbaren Körper, Resultat einer anthropologischen Reflexion, die vom ‹Poimandres› ihren Ausgangspunkt genommen hat und in den λόγοι X–XII ihre Weiterführung erfährt. Nicht wenige Parallelen zu diesem Traktat und seiner Wiedergeburtslehre finden sich in der koptischen Version, die unter dem Namen ‹De Ogdoade et Enneade› bekannt ist (siehe dazu Mahé 1978 [*23: 41–47], Camplani 2000 [*33: 76–81]; vgl. unten 3.7.). Der λόγος X, bekannt als ‹Der Schlüssel› (κλείς), stellt in Wirklichkeit eine Kurzfassung (ἐπιτομή) der ‹Allgemeinen Gespräche› dar, d. h. hermetischer Schriften, von denen nichts anderes als diese Bezeichnung bekannt ist, und er bringt auch eine synthetische Darstellung der hermetischen Lehren, die den drei Wesen gewidmet sind (X 14): «Gott (der Vater und das Gute), die Welt und der Mensch» (τρία τοίνυν ταῦτα, ὁ θεὸς καὶ πατὴρ καὶ τὸ ἀγαθόν, καὶ ὁ κόσμος, καὶ ὁ ἄνθρωπος). Der Traktat XI, im Wesentlichen theologischen Inhalts, hat Gott und die der «Entstehung» (γένεσις) unterworfenen Wesen zum Thema, was in philosophischen Termini ausgedrückt zweifellos dem ‘Werden’ entspricht, in der kosmologischen Vision des Hermetismus allerdings das Eintreten in die Existenz, die physische Geburt der seienden Dinge bedeutet. Der λόγος XII ‹Über den gemeinsamen Intellekt› (Περὶ νοῦ κοινοῦ) betitelt, ist in zwei Teile gegliedert: Der erste (Kapitel 1–14) stellt den Intellekt ins Zentrum seines Lehrentwurfs, der zweite (Kapitel 14– 23) den Kosmos, der in Übereinstimmung mit einer der Bedeutungen von griechisch κóσμος vor allem als «Ordnung» begriffen wird. Das als ‘Corp. Herm. II’ bekannte Stück ist in Wirklichkeit ein Torso, denn es fehlt ihm der erste Teil: Nach allgemeiner Ansicht ist zwischen dem ‹Poimandres› (Corp. Herm. I) und dem Traktat II in seiner heutigen Form ein Abschnitt verschwunden, der in der Tat zu Corp. Herm. II gehört haben muss und wovon lediglich der Titel ‹Allgemeine Rede des Hermes an Tat› (Ἑρμοῦ πρὸς Τὰτ λόγος
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καθολικός) erhalten geblieben ist. Dieser λόγος II, der durch dichte philosophische Sprache gekennzeichnet ist, könnte auch mit ‹die Wesensmerkmale Gottes› überschrieben werden. Er wird in den abschließenden Worten des Hermes an As klepios als vorbereitende «Einführung in die Kenntnis über die Natur aller Dinge» (προγνωσία τις τῆς πάντων φύσεως: II 17) vorgestellt. Erheblich verdorben und entsprechend dunkel ist der Text von Corp. Herm. III, der mehr oder weniger getreu den Inhalt des ‹Poimandres› wiedergibt. Thema sind «Gott, das Göttliche und die göttliche Natur» (θεὸς καὶ θεῖον καὶ φύσις θεία: III 1), eine Dreiteilung, die durch das gesamte ‘Corpus’ hindurch in der dargestellten Lehre ihre Erklärung und Untermauerung findet. Der ‹Mischkrug oder die Monade› (Ὁ κρατήρ, ἢ μονάς) sind die für λόγος IV geläufigen Titelbezeichnungen. Dieser kreist um die Einzigkeit Gottes, eines Gottes, der mittels des λόγος erschafft und in absoluter Weise gut ist, entsprechend dem Denkmuster, das Gott mit dem Guten identifiziert. Es ist ein Gott, der als «Monade» (μονάς), als «Ursprung und Wurzel von allem» (πάντων ἀρχὴ καὶ ῥίζα: IV 10) erscheint, in allem gegenwärtig ist, in sich selbst seinen Ursprung hat und allem seinen Ursprung gibt und alles einschließt, ohne selbst in irgendetwas eingeschlossen zu sein. Dieser Gott hat dem Menschen schließlich ein großes Geschenk gemacht, den Geist (νοῦς), doch «hat er den Geist nicht allen zugeteilt» (οὐ πᾶσιν ἐμέρισε τὸν νοῦν ὁ θεός: IV 3). Als eine «Auszeichnung» (ἆθλον) für die Seelen wurde der Geist in einem großen «Mischkrug» (κρατήρ) gesammelt, und es wurde ein «Bote» (κῆρυξ) zu den Menschen geschickt, der diese einladen sollte, in dieses Gefäß «einzutauchen» (βαπτίζεσθαι). Die theologische Abhandlung Corp. Herm. V (Ὅτι ἀφανὴς θεὸς φανερώτατός ἐστι – ‹Dass der unsichtbare Gott vollkommen sichtbar ist›) handelt von der Sichtbarkeit Gottes, der jedoch «unsichtbar» bleibt. Besonders kurz gehalten, allerdings gut gegliedert, ist Corp. Herm. VI (Ὅτι ἐν μόνῳ τῷ θεῷ τὸ ἀγαθόν ἐστι, ἀλλαχόθι δὲ οὐδαμοῦ – ‹Dass nur in Gott das Gute ist, und sonst nirgends›): Ein erster Teil ist dem Guten gewidmet, das nichts anderes als Gott ist, ein zweiter dem Schönen und dem Guten. In Übereinstimmung mit vielen Stellen aus dem Schlussteil des ‹Poimandres› handelt Corp. Herm. VII davon, ‹Dass die Unkenntnis über Gott das größte Übel unter den Menschen ist› (Ὅτι
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μέγιστον κακὸν ἐν ἀνθρώποις ἡ περὶ τοῦ θεοῦ ἀγνωσία). Ebenfalls sehr kurz ist Corp. Herm. VIII (Ὅτι οὐδὲν τῶν ὄντων ἀπόλλυται, ἀλλὰ τὰς μεταβολὰς ἀπωλείας καὶ θανάτους πλανώμενοι λέγουσιν – ‹Dass nichts von den seienden Dingen zugrunde geht, sondern man irrtümlicherweise die Veränderungen als Untergang oder Tod bezeichne›), das nach dem Diatribenschema strukturiert ist. Sein Ziel scheint der Nachweis der Unhaltbarkeit der Idee des Todes zu sein – es handle sich vielmehr einzig um eine «Umwandlung» (μεταβολή), der alles auf der Welt unterworfen sei. Corp. Herm. IX (περὶ νοήσεως καὶ αἰσθήσεως) schließlich, von komplexer und vielgliedriger Gestalt, scheint sich insbesondere mit der Unterscheidung zwischen «intellektuellem» Vermögen (νόησις) und «sinnlicher Wahrnehmung» (αἴσθησις) zu beschäftigen. Die νόησις ist mit dem Sein verbunden – sie ist daher «seinshaftig» (οὐσιώδης) –, die αἴσθησις dagegen mit der Materie – sie ist «materiell» (ὑλική). In Gestalt eines Briefes des Hermes an Asklepios präsentiert sich Corp. Herm. XIV, ein Werk, das Kyrill von Alexandrien (Contra Iul. 2,42) einer Schrift ‹Über die Natur des Alls› (Περὶ τῆς τοῦ παντὸς φύσεως) des Hermes Trismegistos zuschreibt. Inhalt dieses λόγος ist eine mysterienhafte, an eine Initiation erinnernde Offenbarung, die logisch zu erweisen sucht, dass ein «ungezeugtes» (ἀγέννητος) Prinzip existiert, Schöpfer oder Erzeuger alles Geschaffenen, einzigartig, unsichtbar, allerdings sichtbar durch seine Schöpfungen. Wie bereits erwähnt, ist λόγος XV in der handschriftlichen Überlieferung inexistent. Der Traktat Corp. Herm. XVI mit dem Titel Ὅροι Ἀσκληπίου πρὸς Ἄμμωνα βασιλέα (‹Definitionen des Asklepios an den König Ammon›) lässt eine ethnozentrische Perspektive erkennen und besitzt die Züge einer zusammenfassenden Darstellung theologischer, kosmologischer, dämonologischer und anthropologischer Fragen. Kurz und unvollständig erhalten ist Corp. Herm. XVII (ohne überlieferten Titel), dessen theologischer Inhalt allerdings nicht zu verkennen ist. Traktat XVIII (Περὶ τῆς ὑπὸ τοῦ πάθους τοῦ σώματος ἐμποδιζομένης ψυχῆς – ‹Über die Seele, die von den Affekten des Körpers behindert wird›) schließt sich in formaler Hinsicht an rhetorische Vorbilder von Lobreden an, insbesondere von solchen auf Könige, die von Gott das Szepter erhalten haben; es handelt sich letztlich um eine Zusammenstellung verschiedener epideiktischer Fragmente.
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4. Die Exzerpte des Stobaios Stobaios (Scarpi, Feraboli, Poltronieri, Tessier 2009 [*38: 255–389]), oder genauer Iohannes von Stoboi, spätantiker Gelehrter wohl aus der Zeit des Übergangs des 4. zum 5. Jahrhundert n. Chr., hat wie kein Zweiter zur Erhaltung und Überlieferung hermetischen Gedankenguts in griechischer Sprache beigetragen, wenn man von den handschriftlich überlieferten Traktaten absieht. Vom Neuplatonismus geprägt und in wachem Interesse gegenüber der hermetischen Tradition schuf Stobaios in heidnischem Geist ein Werk in vier Büchern mit erklärter pädagogischer Absicht. Zusammen mit thematisch vielfältigen Ausschnitten aus anderen Autoren sind darin vierzig Textauszüge aus der hermetischen Tradition, die sogenannten ‘Excerpta’, enthalten. Eine beträchtliche Zahl davon ist aus keinem anderen Zeugnis bekannt. Das Material, das Stobaios zur Verfügung stand, scheint noch nicht die Form der Sammlung besessen zu haben, die später durch die Hände des byzantinischen Gelehrten Michael Psellos ging: Dieser kannte die Traktate im 11. Jahrhundert bereits mehr oder weniger so, wie sie auf uns gekommen sind. Die Exzerpte I–XI sind λόγοι, oder Teile davon, die Hermes an seinen Sohn Tat richtet. Sie handeln hauptsächlich von der Unmöglichkeit für den Menschen, Gott zu beschreiben und sich ihn vorzustellen, von der Unsagbarkeit des Wahren, das man nur durch die Ausübung von «Frömmigkeit» (εὐσέβεια) erreichen könne, von der Realität der aus den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft und Feuer) gebildeten Körper, vom Problem der Seele und ihrer Unsterblichkeit, von der Theorie der Empfindungen und der sinnlichen Wahrnehmung und jener der Energien und ihrer Wirkkraft auf belebte und unbelebte Körper und auf die Seelen, vom Gegensatz zwischen den irdischen, der Auflösung unterworfenen Körpern und dem, was ewig ist, von den kosmographischen und astrologischen Lehrsätzen, vom Thema der Gerechtigkeit, dargestellt in der Gestalt eines Dämons, vom Thema der Vorsehung, der Notwendigkeit und des Geschicks,
von der Materie (ὕλη) als Wiege der Entstehung (γένεσις) und von den drei Zeitstufen (χρόνοι) Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Exzerpte XII–XVI haben Ammon als Adressaten. In diesen scheint die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Rolle und Funktion von Notwendigkeit, Schicksal und Vorsehung gerichtet, wobei letztere den anderen beiden hierarchisch übergeordnet ist, sowie auf den Prozess, der die Seele dazu führt, in den Embryo einzudringen, um dem Wesen, das geboren werden soll, die «dianoetische Bewegung» (διανοητικὴ κίνησις) und die «intellektuale Substanz» (νοερὰ οὐσία) zu verleihen. Die Exzerpte XVII–XXII lassen keinen Adressaten erkennen, auch wenn sie vermutlich ebenfalls an Ammon gerichtet sind; Thema ist weiterhin die Seele. Die Exzerpte XXIII–XXVII bringen eine Zusammenstellung der λόγοι der Isis an Horus, wobei das bedeutendste und auch berühmteste das Exzerpt XXIII ist, bekannt unter dem Namen Κόρη Κόσμου, was entweder als ‹Pupille der Welt› oder als ‹Tochter der Welt› zu übersetzen ist (vgl. Jackson 1986 [*103]). Es handelt sich dabei um den umfangreichsten der in griechischer Sprache überlieferten hermetischen Texte (Scarpi 2009 [*38: 261–264]; zum Titel vgl. Jackson 1986 [*103]). In Gestalt einer langen und komplexen Rede der Isis an ihren Sohn Horus beschreibt dieses Exzerpt in zuweilen auch kontradiktorischer Weise die verschiedenen Phasen der Schöpfung und die göttlichen Handlungen, die darauf abzielen, die Welt von der Unwissenheit zu befreien; es erzählt dabei gleichzeitig die Geschichte von der Erschaffung der Seele, ihrem Ungehorsam, ihrer Übertretung der Ordnung und als Folge davon, gleichsam zur Bestrafung, ihrer Einkörperung. Die Seele steht ebenfalls im Zentrum der Exzerpte XXIV–XXVII. Die Exzerpte XXVIII und XXIX lassen sich hingegen nicht auf die traditionellen hermetischen λόγοι zurückführen: Ersteres trägt den Charakter von Aphorismen, das zweite ist astrologischen I nhalts.
5. ‹Asclepius› Der ‹Asclepius› ist die lateinische Übertragung eines griechischen Traktats, dessen Spuren sich in verschiedenen späteren Quellen greifen lassen. So nimmt Laktanz in Div. inst. 4,6,4 explizit auf diesen Traktat Bezug und nennt als dessen Titel Λόγος τέλειος («Hermes in eo libro qui λόγος
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τέλειος [‹Vollkommene Rede›] inscribitur»; ebenso auch in 7,18,3), eine Titelbezeichnung, die der Autor an anderer Stelle seines Werks mit ‹Sermo perfectus› übersetzt (2,15,7; 6,25,11: «in illo Sermone perfecto»). Derselbe Titel samt der lateinischen Übersetzung ‹Verbum perfectum›
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findet sich in Kap. 3,4 von ‹Gegen fünf Irrlehren› (‹Adversus quinque haereses›: «Hermes qui latine Mercurius dicitur, scripsit librum qui Λόγος τέλειος appellatur, id est Verbum perfectum», in: CCSL 60, 265 Braun; Moreschini 1985 [*26: XXX, 66–68]), einer dem Kirchenvater Augustin zugeschriebenen Schrift, die aber in Wirklichkeit von dessen Zeitgenossen Quodvultdeus, Bischof von Karthago, stammt (Gentile 2001 [*175: 20]). Später, im 6. Jahrhundert n. Chr., bezeugt Johannes Lydos (Mens. 4,32. 149) denselben griechischen Titel in zwei kurzen Zitaten des griechischen Textes, die Kap. 28 des ‹Asclepius› entsprechen (Marangoni 2011 [*39: 83–85]). Der ‹Asclepius› wird in den Handschriften des 9. Jahrhunderts unmittelbar nach den echten Schriften des Apuleius überliefert. Bereits Augustin, der sich für seine Verurteilung der Hermetik auf diese Übersetzung stützte (Scarpi 2011 [*39: 31–34 = fr. 32]: in Civ. 8,23ff. zitiert er explizit aus den Kapiteln 23–27), hatte den Traktat ausdrücklich Apuleius zugeschrieben, und in der modernen Forschung wird diese Autorschaft nach wie vor diskutiert (vgl. Marangoni 2011 [*39: 84]). Zentrales Thema dieses Traktats, der für die Entwicklung des abendländischen philosophischen Denkens eine wesentliche Rolle gespielt hat (siehe unten 5.), ist das Prinzip, durch das sich das Eine und das All als identisch erweisen (eine detaillerte und präzise Zusammenfassung des ‹Asclepius› bei Marangoni 2011 [*39: 87–94]). Das Konzept für den Kosmos ist einheitlich: Wiewohl aus vier Elementen (Erde, Wasser, Luft, Feuer) gebildet, ist die Materie eine, ebenso wie die Seele, beide umfasst von der Natur, während die Vielheit letztlich eine Manifestation eines einheitlichen Prinzips ist. Gott lenkt alle Dinge und ist einer hierarchischen Struktur aller Äußerungen des Lebens übergeordnet. Eine Schlüsselrolle besitzen das «Schicksal» (εἱμαρμένη), Ursache des Beginns aller Dinge, die «Notwendigkeit», die sie zu ihrem endgültigen Resultat führt, und die «Ordnung». Die «Gattungen» (Götter, Dämonen, Menschen, Tiere und Pflanzen), die sich aus einzelnen «individuellen Realitäten» (species) zusammensetzen, erfreuen sich der Unsterblichkeit, die allerdings nur den Göttern und Dämonen wirklich eigen ist, während die anderen ‘species’ einzig dank Zeugung und Fortpflanzungsfähigkeit ihren Bestand sichern. In dieser Kette von Lebewesen nimmt der Mensch eine besondere Stellung der Größe ein («magnum […] miraculum est homo»); dank seiner Zwischenstellung kann er sich sowohl zum Gött lichen erheben als auch liebevoll um die irdischen Dinge kümmern. Alle Lebewesen sind vom Lebens-
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hauch durchdrungen, doch einzig der Mensch – aber nicht alle Menschen – hat auch die Gabe des Intellekts erhalten, der ihm ein Verständnis des göttlichen Plans und eine Distanzierung vom Übel ermöglicht. Dieser «Intellekt» (sensus, νοῦς) wird im weiteren Verlauf des Traktats (Kap. 32) in vier Stufen untergliedert, den göttlichen, jenen der Ewigkeit, jenen der Welt und jenen des Menschen. Die menschliche Natur ist zweifach: Sie resultiert aus der von Gott gewollten Verbindung eines nach seinem Ebenbild geschaffenen Teils mit einem aus den Elementen, aus denen die Materie besteht, zusammengesetzten; dieser zweite materielle Teil, der für das Menschsein wesentlich sei, wurde von Gott gewollt, damit sich die Fürsorge um die Dinge dieser Welt tatsächlich realisieren lasse. Da aber auch Frömmigkeit, Güte und Verachtung des Körperlichen zu seinem Wesen gehören, da ihm außerdem kraft seines Intellekts und seines Erinnerungsvermögens die Fähigkeit zur Betrachtung des Göttlichen innewohnt, besteht sein Ziel in der Befreiung vom Körperlichen und in der Wiedervereinigung mit dem göttlichen Element. Die Seelen der Gottlosen dagegen werden unweigerlich in die Körper niederer Lebewesen wandern. Das Anhangen an den irdischen Dingen führt zu Bosheit und zu einer irreversiblen Trennung vom Göttlichen und steht dessen Erforschung und Erkenntnis im Wege. Der göttliche Plan eröffnet sich nicht durch das sophistische Einflechten scharfsinniger Gedanken in Wissenschaften wie Arithmetik, Musik oder Geometrie, sondern durch die Erforschung der Bewegungen der Gestirne und der wesenhaften Eigenschaften der Elemente und ihrer verschiedenen Wirkungen. Auch das Studium der Musik kommt der Betrachtung der harmonischen Ordnung des göttlichen Plans gleich (Kap. 13). Der «Intellekt» ist die eigentliche «Seele» der Götter, die in intelligible und sinnlich wahrnehmbare unterteilt werden. Eine bemerkenswerte Aufwertung erhält trotz alledem die Fortpflanzung, die sich im «mysterium» geschlechtlicher Vereinigung vollzieht, einer «unitas incomprehensibilis», die ihrerseits als «göttlich» und als «Akt, in dem sich die Gottheit manifestiert», bezeichnet wird, außerdem als im Geheimen zu vollziehender Akt, um den Verspottungen durch die Gottlosen zu entgehen (Kap. 21). Die wenigen Menschen, die Kraft ihrer Vernunft, ihrer Kenntnis und ihres Glaubens die Unsterblichkeit erhoffen können, verstehen es, in Analogie zum Schöpfergott, der die himmlischen Götter erschafft, die Götter(figuren) zu schaffen, die in den Tempeln stehen. Darin besteht die theurgische Kunst: in der Herstellung von beseelten Statuen, welche die Zukunft kennen und diese verkünden,
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Krankheiten senden oder von diesen heilen sowie Freude wie Leid hervorrufen. Die prophetische Fähigkeit besteht auch im Vorhersehen der Apo kalypse, von der in den Kap. 24–26 das düstere Bild einer völligen Abwesenheit des Göttlichen gezeichnet wird (Marangoni 2011 [*39: 91]). Der letzte Teil des ‹Asclepius› handelt von den Themen Tod und Unsterblichkeit, schließlich vom «Urteil», das der «summus daemon» fällt, und vom Geschick, das die Seelen nach dem Tod und nach der Auflösung des Körpers ereilt. Dies führt zur Betrachtung des Verhältnisses zwischen Ewigkeit und Zeit sowie zwischen Ortsruhe und Bewegung, die sich im Ausdruck von Corp. Herm. XI 2 umreißen lässt: «die Ewigkeit verharrt bewegungslos um Gott, die Welt aber bewegt sich in der Ewigkeit» (ὁ μὲν αἰὼν ἕστηκε περὶ τὸν θεόν, ὁ δὲ κόσμος κινεῖται ἐν τῷ αἰῶνι). Weiter kommen «Leere» (inane), «Raum» (locus) und außerkosmi-
scher, von intelligiblen Wesen bevölkerter Raum zur Sprache; schließlich wird zwischen intelligibler und sinnlich wahrnehmbarer Welt unterschieden, wobei letztere von ersterer gleichsam umfasst wird. Doch auch in diesem letzten Teil des Traktats bleibt der Mensch im Zentrum, und so wird der Gegenstand des «magnum miraculum», des Menschen als Entdecker der Theurgie und Schöpfer von Göttern, die Gutes oder Schlechtes bewirken können, wieder aufgegriffen. Dabei kommen auch Fragen der Kultpraxen, der religiösen Feste und Riten zur Sprache, die mit der Aufrechterhaltung der kosmischen Ordnung, sowohl der himmlischen als auch der irdischen, einhergehen. Nicht ohne Zufall schließt der ‹Asclepius› vor einem Tempel, mit einem Gebet, das Konzentration auf die Erkenntnis Gottes mit der Freude über erlangtes Heil verbindet und die hermetische «pietas» somit aufs Beste illustriert.
6. ‹De triginta sex decanis› Eine weitere Schrift, die insbesondere auch wegen ihrer engen Verbindung mit astrologischen Lehren für die Überlieferung der hermetischen Lehrinhalte wichtig war, ist ‹Über die 36 Dekane› (‹De triginta sex decanis›; die Dekane stellen in der Astrologie einen Drittel eines jeden der zwölf Sternbilder des Tierkreiszeichens dar). Bei der Schrift handelt es sich um eine relativ späte lateinische Übersetzung einer hellenistischen griechischen Vorlage, die sich ihrerseits bereits als Zusammenstellung gab und zweifellos von der
Hermes Trismegistos zugewiesenen Rolle als «Erfinder» (εὑρετής), Schöpfer und Offenbarer der antiken Astrologie profitierte. Der lateinische Text weist bedeutende Übereinstimmungen mit einem weiteren der zahlreichen astrologischen Traktate auf, die Hermes Trismegistos als ihren Verfasser ausgeben (siehe oben 3.2.) und in den modernen Ausgaben der Hermetica fehlen, nämlich der ‹Heiligen Schrift über die Dekane› (Ἱερὰ βίβλος, ‹Sacer liber›; siehe Ruelle 1908 [*22], Feraboli 1994 [*14: XII Anm. 10]).
7. Der koptische Hermes: ‹De Ogdoade et Enneade› Ein besonderer Moment in der Geschichte der Erschließung der hermetischen Texte, den Entdeckungen der frühen Humanisten in Florenz nicht unähnlich, war die Auffindung einer umfangreichen Bibliothek in koptischer Sprache im Jahre 1945 im Gebiet von Nag Hammadi in Oberägypten, südlich von Panopolis im thebanischen Bezirk. Insgesamt kamen dreizehn Codices ans Tageslicht (Mahé 1978 [*23] und 1982 [*24: XIV–XVII], Camplani 2000 [*33], Scarpi 2009 [*156: XXXI– XXXII], Camplani, Scarpi 2011 [*39: 65–71]), in denen Texte größtenteils gnostisch-christlicher Herkunft enthalten sind. Nur drei in Codex VI überlieferte Traktate sind mit Sicherheit hermetischer Natur. Zwei von ihnen stellen Übersetzungen von Werken dar, die bereits in griechischer und lateinischer Version bekannt waren: Der erste von
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ihnen, mit dem Titel ‹Dankgebet› (NHC VI 7), ist eine koptische Übersetzung des in der Sammlung der ‹Papyri Graecae Magicae› (1928 [*46]: III 591– 609) überlieferten Gebets, besser bekannt unter dem Namen des im Louvre aufbewahrten Papyrus Mimaut (n° 2391, col. 18), dessen Inhalt in der lateinischen Paraphrase von ‹Asclepius› 41 eine enge Parallele besitzt. Der zweite (NHC VI 8) ist ein langes Fragment aus dem Λόγος τέλειος (Asclepius 21–29). Der dritte hingegen, ‹De Ogdoade et Enneade› (‹Über die Achtheit und die Neunheit›; NHC VI 6; Mahé 1978 [*23: 13–15], Camplani 2000 [*33: 31f.], Mahé 2007 [*36], Camplani, Scarpi 2011 [*39: 65]), war anderweitig noch nicht bekannt. Diese drei Dokumente, die Übertragungen aus dem Griechischen ins Koptische darstellen, scheinen mit aller Vorsicht in die Zeit zwischen
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dem 3. und 4. Jahrhundert datiert werden zu können. Wie der Großteil der hermetischen Texte in der Form eines Dialogs zwischen Lehrer und Schüler angelegt, handelt der dritte Traktat von Hermes’ Versprechen, den Schüler bis hin zur Ogdoade und zur Enneade zu erheben. Es geht dabei um ein inneres spirituelles Heranwachsen, das der
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«Schülersohn» stufenweise mit Hilfe von Büchern vollzieht, die allerdings geheim gehalten werden müssen. Der Traktat lässt somit Spuren ritueller Praktiken erkennen und deutet auf die Existenz einer wie auch immer gearteten hermetischen Gemeinschaft, die durch einen genau festgelegten, auf Frömmigkeit gegründeten Lebensstil gelenkt wird.
8. Der armenische Hermes In die Zeit um das 7. Jahrhundert n. Chr. schließlich lässt sich eine armenische Übersetzung mit dem Titel ‹Definitionen des Hermes Tris megistos› datieren (Mahé 1982 [*24], DorfmannLazarev 2009 [*38: 10–23]), die an Asklepios gerichtet ist. Der Text ist in Form eines Katechismus
gegliedert; Teile des griechischen Originals haben sich in einer Handschrift im Besitze der Bodleian Library in Oxford erhalten (Paramelle, Mahé 1990–1991 [*28]). Darin werden in synthetischer Form die Kernsätze der Lehre wiedergegeben. Zum arabischen Hermes siehe unten 4.
4. LEHRE
1. Theologie. – 2. Kosmologie: 2.1. Die Wirkkräfte (Energien) des Kosmos, die vier Elemente und die Kräfte; 2.2. Dämonologie. – 3. Anthropologie. – 4. Das Problem des Bösen. – 5. Eschatologie und Heilslehre.
In der hermetischen Lehre gibt es Anspielungen auf Stufen, über die der Adept, eingegliedert in die Gemeinschaft der «Brüder», den Weg zur Unsterblichkeit findet (Ogd. 1; 2; 19; 28; 69). Hören, Sehen, Betrachten und Lernen, bzw. die synthetische Formel, die Lernen (μαθεῖν), Erfassen (νοῆσαι) und insbesondere Erkennen (γνῶναι) verbindet, markieren den Weg der Ausbildung und die Etappen, die zur Erkenntnis führen; deren Gipfel ist die Erkenntnis Gottes, die zum «Einssein» (ἕνωσις) mit Gott selbst führt. Das maßgebliche Instrument für dieses etappenweise geistige Wachstum wird im Buch gesehen, und man könnte geradezu an einen ‘cursus studiorum’ denken, der zunächst aus ‹Allgemeine Reden› (Γενικοὶ λόγοι) besteht, die sich vielleicht an Initianden oder an Träger der ersten Initiationsgrade richteten (Corp. Herm. X 1. 7; XIII 1; Exc. III 1; VI 1). Auf diese allgemeinen Texte folgten wohl ‘detailliertere’ Abhandlungen, wie etwa die ‹Ausführlichen Gespräche› (Λόγοι διεξοδικοί), von denen Kyrill von Alexandrien in Contra Iul. 1,46 spricht (Scarpi 2011 [*39: 26f. = fr. 27]) und die Trägern einer bestimmten Weihestufe vorbehalten waren. Über diesen steht ein Buch, zu dem lediglich Zugang besitzt, wer «in Gott gezeugt» worden ist (Ogd. 69). Bei diesem handelt es sich vielleicht um die «unaussprechliche Rede der Weisheit» (ἀπόρρητος λόγος σοφίας bzw. ineffabilis sanctus sermo), auf die sich Laktanz bezieht (Div. inst. 4,7,3; 9,3: Scarpi 2011 [*39: 14f. = fr. 12f.]). Soweit es sich rekonstruieren lässt, muss das Lehrgebäude in eine Theologie, eine Kosmologie und eine Anthropologie gegliedert gewesen sein. Darin enthalten waren eine Seelenlehre, eine Eschatologie und eine Soteriologie sowie auch eine Dämonologie, die sich mit der Astrologie verbindet.
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1. Theologie Für den Hermetismus ist Gott einzig, aber er ist nicht der einzige Gott, denn er ist nicht allein, sondern vielmehr von anderen Göttern begleitet, die von ihm geschaffen und ihm untergeordnet sind. Daher handelt es sich beim Hermetismus nicht um einen Monotheismus; zugleich besitzt er aber auch nicht die traditionellen Eigenschaften mediterraner polytheistischer Systeme. Man könnte ihn also, da nicht-exklusiv, als relativen Monotheismus und zugleich auch als relativen Poly theismus bezeichnen, insofern als er von der Präsenz eines obersten Gottes und daneben mehrerer weiterer Götter gekennzeichnet ist, die dessen Willen erfüllen. Diese Götter, «unter welchen sich der Gottesname verbirgt» (κρυπτὸν ἐν θεοῖς […] ὄνομα: Exc. XXIII 55), gliedern sich in die Planeten- und in die Fixsternchöre (Corp. Herm. X 7). Gemäß ‹Asclepius› 19 sind die «Gattungen der Götter» (deorum genera) zahlreich und teilen sich in intelligible und sinnlich wahrnehmbare auf, die freilich in anderen Texten lediglich als dem präexistenten Gott untergeordnet erscheinen (Exc. XXI 1; XXV 1; XXIII 27). Weiterhin nach ‹Asclepius› 19 (vgl. Ogd. 71) sind den sinnlich wahrnehmbaren Göttern hyperkosmische Wesen übergeordnet, die Ousiarchen, die deren Substanz lenken. Gott ist Νοῦς und ist «Leben und Licht» (Corp. Herm. I 9; vgl. I 6. 21, XIII 19) oder aber deren Ursache (Corp. Herm. II 14); er nimmt die Spitze der onto-theologischen Pyramide ein (Corp. Herm. I 9; IV 1; V 11; XI 7). Der Νοῦς belebt mit seinem «Wort» (λόγος) das Sein. Vom Herrscher- und Schöpfergott Νοῦς stammt ein zweiter demiurgischer Νοῦς ab (Corp. Herm. I 9), Gott des Feuers und des Pneumas, der seinerseits im Sinne eines ‘Fabrizierens’ die sieben «Verwalter» (διοικηταί) hervorbringt, die über die sieben Planeten der antiken Astrologie gebieten. Ihnen kommt die Aufgabe der Lenkung der Weltordnung zu, und von ihnen stammen schließlich alle anderen kosmischen Hierarchien ab. Der hermetische Gott ist ein sich in Erscheinungen manifestierender Gott (Corp. Herm. I 1f.), der sich anhand seiner Schöpfung zu erkennen gibt (Corp. Herm. XI 12). Als unbewegtes Prinzip in aristotelischem Sinne (Corp. Herm. X 11. 14; Ascl. 30f.) bewegt er dennoch alles (Corp. Herm. II 12). Er ist zwar unsichtbar, aber sein schöpferischer Akt dient dem Zweck, ihn sichtbar zu machen (Corp. Herm. XIV 3; vgl. III 2; V 1f.). Er ist die Seele des Aion, während dieser als «Seele für die Welt und der Himmel als solche für die Erde» fungiert (Corp. Herm. XI 4). Trotz seiner Unsichtbar- und Unkörperlichkeit ist er androgyn (Corp. Herm. I 9; Ascl. 20f.) und erzeugt einen ihm ebengestaltigen Sohn, Anthropos, der Abbild, «Form Gottes» (Corp. Herm. I 12) und nach dem Λόγος und dem demiurgischen Νοῦς Dritter in der Abfolge der göttlichen Schöpfungen ist. Von diesem Sohn rührt die Androgynie der von eben diesem geschaffenen Menschen her (Corp. Herm. I 15. 17). In Anlehnung an ein im antiken Mittelmeerraum und in der griechischen Mythentradition weit verbreitetes Ideengeflecht (Lact. Div. inst. 4,8,4f.: Scarpi 2011 [*39: 15f. = fr. 14]), von dem sich auch ein Reflex bei Platon findet (Symp. 189d–191d), stellt die Androgynie hier die Bedingung dar, durch die sich in erster Linie die Identität von Vater und Sohn bestätigt, dann aber auch der Menschen, die von Anthropos abstammen (Corp. Herm. I 12–19). Außerdem wird
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die «Wesenseinheit» des Λόγος mit dem demiurgischen Νοῦς bekräftigt (Corp. Herm. I 10: ὁμοούσιος γὰρ ἦν), auf die jene des Menschen mit Gott folgt (Corp. Herm. XII 19; siehe unten 4.3.). Der androgyne Gott ist der erste in einer Reihe von drei Wesen, zu denen nach ihm die Welt und der Mensch gehören (Corp. Herm. VIII 2. 5; X 10–12. 14. 22; Ascl. 10; Exc. XI 2,6f.). Dieser Gott fällt am Ende mit dem All zusammen, und er ‘ist’ alles Seiende, weil dieses seiner Schöpfung entspricht (Corp. Herm. V 9–11; IX 9; XI 14. 21; XII 22f.; Ascl. 2; 30). Er ist eins und alles zusammen; wenn denn alle Dinge lebendig sind, gibt es nur ein einziges Leben (Corp. Herm. XI 14). Dieser eine Gott, der gleichzeitig alles umfasst und alles ist, stellt sich den Hermetikern auch als Vater dar, so dass Ascl. 41 von einer «religio paterna» sprechen kann. Als «Vater der Welt» (Corp. Herm. IX 8) ist er auch das Gute, von dem seine Schöpfungskraft ausgeht (Corp. Herm. II 14–17; VIII 5; X 2. 3; XIV 4. 9). Das Schöne, das Gute und der Vorgang des Erschaffens fallen mit Gott und damit mit dem Leben zusammen, insofern als Gott die Fülle aller seienden Dinge darstellt (Corp. Herm. VI 4f.; XI 3. 13. 17; XVI 3). Auf diese Weise fällt das Gute, das auch als die «Natur des Gottes» bezeichnet wird (Corp. Herm. II 16), mit dem «Rat seines Willens» zusammen («Dei […] natura consilium est voluntatis»: Ascl. 26): Dies ist die ‘dei benignitas’, ein befruchtendes Werkzeug, mit dem Gott ständig «schwanger» ist («praegnans»: Ascl. 20) und das gleichzeitig der Energie entspricht, die sich in seinem «Willensakt, dass alle Dinge seien» (τὸ θέλειν πάντα εἶναι), manifestiert (Corp. Herm. X 2). Dieser göttliche Wille legte fest, «dass der Mensch infolge seiner Beschaffenheit sogar besser verfasst sei als die Götter» («hominem constitutum esse meliorem […] diis»: Ascl. 22). Werkzeuge der «voluntas dei» sind das Pneuma (der Windhauch; Ascl. 16) und die Welt (Ascl. 25; Corp. Herm. IX 6). Das Pneuma umfasst grundsätzlich alles (Kyrill, Contra Iul. 1,48f.: Scarpi 2011 [*39: 21f. = fr. 23]), ist aber im Einzelnen häufig nicht klar bestimmt (Corp. Herm. I 5. 17): Manchmal scheint es dem Lufthauch qua natürlichem Element, wie von Platon beschrieben (Tim. 49c), näher als einem belebenden Prinzip des Kosmos, das die einzelnen geschaffenen Dinge durchdringt und ihnen «Beschaffenheit verleiht» und Bestand gibt (so Corp. Herm. IX 7 und Ascl. 7, unter Anspielung auf stoisches Gedankengut). 2. Kosmologie Das zweite Werkzeug göttlichen Willens ist die Welt, die nach Gott und noch vor dem Menschen die zweite Wesenheit darstellt. Die Welt ist das größte Lebewesen, der «zweite Gott» (δεύτερος θεός), wobei der Gedanke, dass alles in Gott ‘ist’, unangetastet bleibt (Corp. Herm. II 2; VI 2; VIII 2. 5; X 10–12. 14. 22; XVI 8; Kyr. Contra Iul. 1,48f.: Scarpi 2011 [*39: 21f. = fr. 23]; Ascl. 8). Sie ist das «Werkzeug der demiurgischen Tätigkeit» (ὄργανον τῆς δημιουργίας) und trägt den Namen κόσμος, weil sie alles ordnet (Corp. Herm. XVI 18). Die Welt ist «Sohn Gottes», vom Vater geschaffen, unsterblich, und gleichwohl ist sie nicht vollkommen (Corp. Herm. VIII 2; IX 8; X 10). Obwohl die Welt selber «ein großer Gott und Abbild des noch größeren Gottes» (μέγας θεὸς καὶ τοῦ μείζονος εἰκών) ist
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(Corp. Herm. XII 15; siehe auch I 31; V 2; VIII 1f.; XI 15; Exc. XXIII 3), ist sie teilweise gut, teilweise schlecht: gut, insofern sie demiurgisch tätig ist; schlecht, insofern sie Veränderungen unterworfen ist (Corp. Herm. VI 2). Alles in allem handelt es sich bei ihr um einen «materiellen Gott» (ὑλικὸς θεός: Corp. Herm. X 10; vgl. II 2; XII 1); «nicht gut» (οὐκ ἀγαθός), «da in Bewegung begriffen» (ὡς κινητός), aber gleichfalls «nicht schlecht, weil unsterblich» (οὐ κακὸς δὲ ὡς ἀθάνατος: Corp. Herm. X 11f.). Es ist die Erde, die von Bösartigkeit bewohnt wird, «nicht aber die Welt» (Corp. Herm. IX 4), auch wenn zumindest in einem Falle die Welt als «Fülle der Schlechtigkeit» (πλήρωμα […] τῆς κακίας) bezeichnet wird, vielleicht im Gegensatz zu Gott, der stattdessen als «Fülle des Guten» präsentiert wird (Corp. Herm. VI 4). Diese Welt generiert die auf ihr lebenden Wesen, und in diesem Sinne ist sie auch «Fülle des Lebens» (πλήρωμα […] τῆς ζωῆς). Im Übrigen gibt es auf der Welt nur Leben, für Tod ist kein Platz: Man kann lediglich von «Transformation», «Veränderung» (μεταβολή) sprechen, die auch der Welt selbst widerfährt (Corp. Herm. VIII 1ff.; IX 6f.; XI 5. 12. 15f.; XII 15–16. 22; Exc. IIA 16). Die Veränderung, die nur eine «Auflösung» der sterb lichen Körper bedeutet (Corp. Herm XI 14: θάνατος […] διάλυσις δὲ τῆς ἑνώσεως; 15: τὴν δὲ μεταβολὴν θάνατόν φασιν εἶναι, διὰ τὸ μὲν σῶμα διαλύεσθαι), wurde vom Gotte gewollt, «um das Werden gleichsam fortwährend zu reinigen» (ὥσπερ ἀνακάθαρσιν τῆς γενέσεως: Corp. Herm. XIV 7). Mittels Veränderung geht das Leben im Unsichtbaren auf (Corp. Herm. XI 14f.; XIV 7; XVI 9). Als lebendiges und beseeltes Wesen ist diese Welt mit einer Seele ausgestattet, die der Ewigkeit entspricht, deren eigene Seele wiederum Gott selbst ist (καὶ τοῦ μὲν αἰῶνος [ἡ] ψυχὴ ὁ θεὸς, τοῦ δὲ κόσμου ὁ αἰών: Corp. Herm. XI 3–4; vgl. X 7. 15; Asclepius 6; 30). Es handelt sich um eine universale Seele, die an die vom Demiurgen geschaffene Weltseele bei Platon erinnert (Tim. 41d–42d), unverderblich in derselben Weise, wie es sich die Stoiker vorstellten (D. L. 8,156). Die Welt ist indessen geschaffen und folglich nicht unbeweglich, weil nur Gott unbeweglich sein kann, der seinerseits Schöpfer der Bewegung ist (Corp. Herm. XIV 10; vgl. II 1–11; X 11. 14; Ascl. 30f.). Zwar gibt es in der Welt nichts Unbewegliches (Corp. Herm. XII 16), weil die Bewegung Leben bedeutet (Corp. Herm. XII 18; Ascl. 30) und weil Gott nicht wollte, dass die Dinge unbewegt blieben (Exc. XXIII 14), doch bleibt die «Bewegung eine Affektion» (κίνησις δὲ πάθος: Corp. Herm. XII 11), weil diese mit der Erzeugung zusammenfällt, die terminologisch dem Werden entspricht (Corp. Herm. X 10). Die «Vorsehung» (πρόνοια) und die «Notwendigkeit» (ἀνάγκη) sind gemeinsam mit dem «Schicksal» (εἱμαρμένη) die Kräfte, die nach der hermetischen Lehre die Welt lenken und steuern. Entsprechend der stoischen Vorstellung (D. L. 7,138. 149) ist für die Hermetiker dabei die Vorsehung dem Schicksal übergeordnet (Corp. Herm. I 19). Sie ist göttlich; die Welt ist gemäß dem Zeugnis bei Laktanz Div. Inst. 2,8,48 (Scarpi 2011 [*39: 13 = fr. 8]) durch sie realisiert worden («divina providentia effectum esse mundum»), und gemeinsam mit der Notwendigkeit lenkt sie das, was in die Existenz getreten ist (Exc. IV 7). Die Notwendigkeit ihrerseits impliziert, dass alles von der oberen Welt geordnet worden ist (Exc. XXIII 2). In dieser hierarchischen Weltsicht erscheint ebenso auch die Notwendigkeit der
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Vorsehung untergeordnet. Ursache für das Geschaffenwerden und damit notwendigerweise auch des Zerfalls ist allerdings das Schicksal (Exc. XIV 1; vgl. IIA 16), von dem die Gestirne abhängen, das aber seinerseits der Notwendigkeit und der Vorsehung untergeordnet ist. 2.1. Die Wirkkräfte (Energien) des Kosmos, die vier Elemente und die Kräfte Im Universum, das im Hermetismus heliozentrisch konzipiert ist (Corp. Herm. XVI 7), gehen die guten Wirkkräfte von der Sonne aus und «verteilen sich nicht nur im Himmel und in der Luft, sondern auch auf der Erde, bis hin zum tiefsten und entlegensten Abgrund» (Corp. Herm. XVI 5). Mit einiger Wahrscheinlichkeit gab es unter den nicht erhaltenen hermetischen Traktaten zumindest einen, der den kosmischen Wirkkräften gewidmet war (siehe das explizite Zeugnis im Pap. Vindobonensis fr. B 3–4: Savignago 2011 [*39: 58–61]). Diese Kräfte beherrschen das Universum, und über ihnen steht die Energie Gottes, die sich ihrerseits im «Willen» manifestiert, «dass alle Dinge seien» (Corp. Herm. X 2), und die aus «dem Intellekt und der Seele» (ἐνέργεια δὲ τοῦ θεοῦ νοῦς καὶ ψυχή: Corp. Herm. XI 2) besteht. In diesem Universum sind auch die vier traditionellen Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer aktiv (Corp. Herm. I 4f.; Exc. XXIII 55–61; Ascl. 2f.), im Einklang mit einer physikalischen Theorie, die sich im Laufe der Zeit über Aristoteles und die Stoiker herausgebildet hatte. Die Wirklichkeit ist den verschiedenen mög lichen Zusammensetzungen dieser vier Elemente entsprungen. Dabei hat der Mensch Anteil an allen vier Elementen (Corp. Herm. XII 17. 20), während die anderen Wesen jeweils hauptsächlich bloß mit einem der vier verbunden sind (Exc. XXIV 16; vgl. XXIII 3; XXIV 18; XXVI 19–23). Abgesehen von den Wirkkräften und den vier Elementen agieren im Universum die Kräfte (δυνάμεις: Corp. Herm. I 26f. 31; XIII 10–19). Diese lassen sich nicht leicht definieren, doch stellen sie auf jeden Fall das Instrument dar, dessen sich Gott zur Erfüllung seines Willens bedient (Corp. Herm. X 2). 2.2. Dämonologie Die Energie ist auch die Substanz oder das «Wesen» der Dämonen (δαίμονος γὰρ οὐσία ἐνέργεια: Corp. Herm. XVI 13), von denen es gute und böse gibt; «einige von ihnen sind aus Gutem und Bösen zusammengemischt» (εἰσὶ δέ τινες αὐτῶν κεκραμένοι ἐξ ἀγαθοῦ καὶ κακοῦ: Corp. Herm. XVI 13). «Sie alle besitzen Macht über die Angelegenheiten auf der Erde» (οὗτοι πάντες τῶν ἐπὶ γῆς πραγμάτων τὴν ἐξουσίαν κεκληρωμένοι εἰσί: Corp. Herm. XVI 14; vgl. 16) und «verwalten das menschliche Leben» (τὰ τῶν ἀνθρώπων ἐφορῶσι: Corp. Herm. XVI 10), bewirken Unordnung und «Konfusion» (ταραχή), «gestalten die menschliche Seele um» (ἀναπλάττονται […] τὰς ψυχὰς ἡμῶν: Corp. Herm. XVI 14) und dringen in den physischen Körper des Menschen ein. Bei seiner Geburt fällt jeder Mensch unter die Macht der Dämonen, die bei seiner spezifischen astralen Konstellation aktiv sind, und über den Körper dringen sie in die Seele ein und verwirren sie (Corp.
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Herm. XVI 15). Nur der rationale Seelenteil bleibt von den Dämonen unbeeinflusst, ja diese werden sogar völlig machtlos im Fall jener – in Tat und Wahrheit wenig zahlreichen – Menschen, die vom Strahl Gottes erleuchtet sind (Corp. Herm. XVI 16; vgl. Exc. XXIV 6; Ascl. 25f.). Als Ausfluss der sechsunddreißig Dekane (Exc. VI 10) bevölkern die Dämonen die Welt und die Atmosphäre (Corp. Herm. IX 3; XVI 13–17; Exc. XXIII 67). Iamblichos (Resp. 2,5) unterscheidet in hierarchischer Reihenfolge Götter, Erzengel, Engel, Dämonen, Heroen und Archonten, deren Erscheinen unterschiedliche Effekte habe, und er kannte (Resp. 2,7) – mit der oben genannten Dreiteilung vergleichbar – drei Kategorien von Dämonen: die «guten Dämonen» (ἀγαθοὶ δαίμονες), die Geschenke verleihen und verteilen und die geschaut werden können; die «rächenden Dämonen» (τιμωροὶ δαίμονες), die «die Arten der Strafen anzeigen» (τὰ εἴδη τῶν τιμωριῶν ἐμφαίνοντες); schließlich die üblen, die sich mit blutrünstigem, wildem Getier umgeben. In den hermetischen Schriften wiederum finden ausdrücklich Erwähnung: 1) der Ἀγαθοδαίμων (Corp. Herm. X 23); 2) der besonders einflussreiche (δαίμων […] μεγίστη) und rächende (τιμωρός) Dämon (Corp. Herm. I 23; II 17; X 21; XIII 7. 9; Exc. VII 1–3; Ascl. 28), der die Züge der Dike, der Gerechtigkeit oder auch des Osiris annehmen kann, des «Wächters über die Handlungen (τῶν πραττομένων ἐπόπτης) […] und unbestechlichen Richters über die Lebenden (ζώντων […] κριτὴς ἀμεθόδευτος), des Herrn über die Toten, der nicht nur Furcht einflößt, sondern auch Rache übt» (Exc. XXIII 62), und schließlich 3), in generischer Weise, die Dämonen, welche die Seelen bestrafen oder sie verderben (Corp. Herm. IV 8; IX 3; XVI 11–16; vgl. X 11). 3. Anthropologie Der Mensch ist nach Gott und der Welt das dritte der drei Wesen (Corp. Herm. VIII 2. 5; X 10–12. 14. 22; Ascl. 10; Exc. XI 2,6f.). Und wie die Welt in Gott ist, so ist der Mensch in der Welt, und er ist Abbild der Welt (Corp. Herm. VIII 5; siehe auch XI 15). Nicht viel anders als Anthropos, der mit dem Vater identische Sohn, der Abbild Gottes ist (Corp. Herm. I 12), ist auch der Mensch Abbild Gottes (Ascl. 10; vgl. Lact. Div. Inst. 7,4,3: Scarpi 2011 [*39: 14 = fr. 10]; Corp. Herm. V 2. 6). Von daher rührt eine Linie der «Abkunft» (cognatio) zwischen Göttern und Menschen, die von Gott ausdrücklich so gewollt war (Ascl. 22). Der Mensch, einzig artig in der Schöpfung, da mit «Geist» (νοῦς) und «Verstand» (λόγος: Ascl. 22) ausgestattet, überdies mit der Gabe versehen, zu Gott aufsteigen zu können, «ist von derselben Substanz wie Gott» (so die Deutung von συνουσιαστικός in Corp. Herm. XII 19 bei Scarpi 2009 [*38: 191]; anders z. B. Festugière 1945 [*13: I 181]; der Abschnitt entzieht sich einer einfachen Deutung; auch eine sexuelle Konnotation von συνουσιαστικός wäre denkbar: Der Mensch kann Gott aufnehmen [vgl. das vorausgehende τοῦ θεοῦ δεκτικός] und vereint sich mit ihm [anschließendes ὁµιλεῖ]; freilich ist der Mensch ein sterblicher Gott [s. Fortsetzung], so dass man sich fragen kann, ob Gott sich mit etwas von seinem Wesen gänzlich Verschiedenen verbindet). Ohne diese Gleichheit der Substanz wäre für die Anhänger des
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Hermetismus die Annahme, die Menschen seien «sterbliche Götter» (Corp. Herm. IV 2 und X 24–25), während umgekehrt die Götter «unsterbliche Menschen» sind (Corp. Herm. XII 1), unmöglich gewesen. Diese schon bei Heraklit anzutreffende Antithese (DK 22 C 5 = fr. 21 Diano) schafft dem Menschen die Möglichkeit, sich durch sein eigenes Handeln und durch sein eigenes Wort mit Gott zu identifizieren: «du […] bist all das, was ich bin, du bist all das, was ich tue, du bist all das, was ich sage» (Corp. Herm. V 11). Dennoch hat der Hermetismus auf die Frage «Was sind die Menschen?», wie es scheint, nicht durchweg eine kohärente Antwort gegeben, denn wenn Gott «ein unveränderliches, gutes Wesen» ist, ist der Mensch umgekehrt «ein wandelbares, übles Wesen» (Exc. XI 2,48). Wenn der Mensch jedoch übel ist aufgrund der Tatsache, dass er der Veränderung unterworfen ist (Exc. XI 2,31–36: Corp. Herm. XII 6), so ist andererseits gerade die Veränderung das Mittel, mit dem der Mensch sich selbst reinigt, um seine ursprüngliche Beschaffenheit wiederzuerlangen. «Übel, sowohl weil in Bewegung, als auch weil sterblich» (καὶ ὡς κινητὸς, καὶ ὡς θνητός, κακός), steht der Mensch im Gegensatz zur Welt, die «nicht gut» (οὐκ ἀγαθός) ist, «insofern sie in Bewegung» (ὡς κινητός) ist, jedoch «nicht schlecht, insofern unsterblich» (οὐ κακὸς δὲ ὡς ἀθάνατος: Corp. Herm. X 12). In seiner Gesamtheit somit «gut und schlecht», ist der Mensch «von zweifacher Beschaffenheit», denn er ist einerseits gebildet aus einem «seinshaften» Teil (οὐσιώδης), der ihn «einfach» (simplex) und den Göttern ähnlich macht, andererseits aus einem «materiellen» Teil (ὑλικόν), der seinerseits «vierfach» (quadruplex) ist, weil aus den vier Elementen zusammengesetzt, «woraus der Körper gebildet ist» («e quo factum est corpus»: Ascl. 7; Corp. Herm. IX 5; vgl. Corp. Herm. I 15; XIII 7; Lact. Div. Inst. 7,13,3; Zosimos, De omega 7f.: Scarpi 2011 [*39: 16; 20f. = fr. 16; 22]). Diese doppelte Identität sieht entsprechend je einen verschiedenen Intellekt beim materiellen Menschen und beim seinshaften Menschen vor (Corp. Herm. IX 5). Als Produkt der Vereinigung von Anthropos, dem Sohne Gottes, mit Natura «ist der Mensch […] in Bezug auf seinen Körper sterblich», und aus diesem Grund wird er «von der Erde Geborener» (γηγενής: Corp. Herm. I 27) genannt, dagegen ist er unsterblich «wegen des seinshaften Menschen» (διὰ τὸν οὐσιώδη ἄνθρωπον: Corp. Herm. I 15). Durch die Sterblichkeit schließlich ist der Mensch dem Schicksal (εἱμαρμένη) unterworfen, das die sinnlich wahrnehmbare Welt lenkt und den Menschen innerhalb der physischen Welt zum «Sklaven» (δοῦλος) macht (Corp. Herm. I 9. 15). Doch sind die Menschen mit dem Zwecke geschaffen worden, «sich eine allgemeine Einsicht (γνῶσις) in die göttlichen Werke (ἔργα θεῖα) anzueignen, wirksames Zeugnis für die Natur abzulegen (φύσεως ἐνεργοῦσα μαρτυρία), um die Zahl der Menschen (πλῆθος ἀνθρώπων) groß werden zu lassen, um über alles unter dem Himmel Existierende zu herrschen (πάντων τῶν ὑπὸ οὐρανὸν δεσποτεία) […]» (Corp. Herm. III 3). Als Folge der unvermeidlichen Hierarchisierung alles Geschaffenen sind die nichtvernunftbegabten Lebewesen dem Menschen untergeordnet; dieser ist seinerseits der Welt untergeordnet und die Welt wiederum Gott. Dem Menschen jedoch obliegt es, für die vernunftlosen Lebewesen Sorge zu tragen, während es den Göttern zukommt, sich um die Menschen zu sorgen, und Gott, sich um alle zu kümmern (Corp. Herm. X 22. 25; Ascl. 10; 16; Exc. XI 2. 7).
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4. Das Problem des Bösen Im Rahmen des hermetischen Lehrsystems bleibt das Böse (siehe Sfameni asparro 1995 [*120]) ein ungelöstes Problem. Wenn Gott das höchste und in abG soluter Weise Gute darstellt, von dem das Universum abstammt und mit dem er übereinstimmt, scheint es für das Vorhandensein des Schlechten weder Sinn noch Erklärung zu geben, und Gott selbst trägt dafür jedenfalls keine Verantwortung. Dies stimmt mit den stoischen Lehren überein, wonach Gott nichts Schlechtes in sich aufnimmt (D. L. 7,147). Das Böse erscheint vielmehr als ein ‘Unglück’, das aus dem «ewigen Fortdauern des Werdens» resultiert, zu dessen Reinigung «Gott die Veränderung geschaffen hat» (Corp. Herm. XIV 7). Zwar scheint die «Veränderung» (μεταβολή) insofern negative Züge anzunehmen, als sie für den Körper eine Rückkehr zur Materie impliziert (Corp. Herm. I 24). Sie erweist sich aber für den Menschen als Mittel zur Befreiung, denn gerade dank dieser vermag er zu seiner ewigen und unveränderlichen ursprünglichen Beschaffenheit zurückzukehren (Corp. Herm. IX 6f.; XI 14f.; XII 6; XIII 12; XVI 9). Einzig die Abwesenheit von Erkenntnis, wogegen Gott dadurch, dass er «die menschlichen Seelen mit Verstand (sensus), Wissenschaft (disciplina) und der Gabe der Einsicht (intellegentia) beschenkt hat», vorgebeugt hatte, macht das Böse lebendig (Ascl. 7. 16. 22), das seinen Ursprung seinerseits «der üblen Materie» (ἐκ κακῆς ὕλης: Exc. VII 3; Ascl. 15) verdankt. In dieser Weise wird das Böse gleichsam als Einschränkung bzw. Abwesenheit oder Mangel an Gutem fassbar, als eine Art leer gelassener Raum, der auch mit der Abwesenheit des λόγος zusammenfallen kann (Corp. Herm. IX 4; vgl. VI 3; X 10; XIII 7–9), genauso wie die Finsternis aus der Abwesenheit von Licht zu Stande kommt. In der Höhe sind das Licht, das Gute, der λόγος, das Feuer angesiedelt, in der Tiefe die Materie und die feuchte Natur (Corp. Herm. I 4f.; vgl. X 17f.). «Im Urgrund» (ἐν ἀβύσσῳ) befindet sich «durch göttliche Kraft» zusammen mit Wasser und «feinem intelligiblem Geist» auch «grenzenlose Finsternis» (Corp. Herm. III 1), die laut Damaskios (De princ. 104,20–23) für die Ägypter das «Unbekannte» (ἄγνωστον) darstellte. Mit dem Licht nimmt die kosmische Ordnung Gestalt an (Corp. Herm. I 5f.; Ogd. 25), entsprechend einem Schema, das aus der biblischen Tradition geläufig ist (LXX Gen. 1,1–3). Dieses Licht ist Leben und fällt mit dem Νοῦς zusammen, der Gott selbst ist. «Leben und Licht» (ζωὴ καὶ φῶς: Corp. Herm. I 9) formen die Einheit und sind die eigentliche Zahl des Pneumas, des Lebenshauchs (Corp. Herm. XIII 12. 18). Sie sind somit Gott, «der sich selbst genügt» (αὐτάρκης), wie es bei Iamblichos (Resp. 8,2) heißt, und der sich selbst erhellt (Corp. Herm. X 4). 5. Eschatologie und Heilslehre Die Schau des Lichtes, das Gott entspricht, erlaubt die Erlangung der Erkenntnis, die ihrerseits Licht ist (τὸ τῆς γνώσεως φῶς: Corp. Herm. X 21). Das objektive Problem liegt für den Anhänger des Hermes Trismegistos allerdings im Körper, infolgedessen der Mensch an der Materie teilhat, die ihrerseits schlecht ist. Es ist
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somit notwendig, sich vom Körper zu befreien, der Welt zu entfliehen und den verlorenen göttlichen Ursprung wiederzugewinnen, wird doch auch die von den Menschen bewohnte Erde gleichzeitig von Bosheit besiedelt (Corp. Herm. IX 4). Trotz der Begrenztheit des eigenen Körpers, trotz der gesellschaftlichen Hoffnungs losigkeit, wie sie aus der apokalyptischen Vision in ‹Asclepius› 24–27 durchscheint, trotz der Abwertung der gegenwärtigen Zeit, die nicht lenkbar scheint (siehe ‘cahier de doléances’ der vier Elemente in der Κόρη Κόσμου: Exc. XXIII 53–61) – trotz alledem ist der Anhänger der hermetischen Lehre in der Lage, sich zu retten. Denn der Mensch, der sich selbst erkennt, in Fortführung des alten delphischen Sinnspruches «Erkenne Dich selbst!» (γνῶθι σαυτόν; siehe Betz 1970 [*89]), vollzieht im Moment der Annahme dessen, was man als «hermetischen Lebensstil» (ἑρμαϊκὸς βίος) bezeichnen könnte, eine Wahl, die ihm bloß zwei Möglichkeiten lässt: Entweder wird die ‘conditio humana’ überwunden im Hinblick auf eine Vereinigung mit dem und im Νοῦς, das heißt mit und in der Gottheit, oder aber der Mensch verroht in der Materie und verliert sich infolgedessen im Tode der Seele und des Intellekts (Festugière 1953 [*82: 98ff.]). Jener Mensch hingegen, der richtig zu wählen vermochte, der es verstanden hat, fromm zu werden (Corp. Herm. X 9; XVIII 15; Asclepius 5) – denn Frömmigkeit ist Kenntnis Gottes (Corp. Herm. IX 4; vgl. I 27; VI 5), während Gottlosigkeit die schwerste Schuld und «das größte Unheil» (μεγίστη κακία) ist, das er begehen kann (Corp. Herm. X 19. 20f.; XVI 10f.) –, dieser Mensch besitzt die Werkzeuge, um das Gegenwärtige zu überwinden und sich die Zukunft zu errichten, die seinem «Eingehen in Gott» entspricht (θεωθῆναι). Allein auf diese Weise erhält das ‘In-der-Welt-Sein’ einen Sinngehalt: Der Mensch, der zu wählen versteht und Erkenntnis erlangt, weiß ebenso, dass er ein ‘Mikrokosmos’ (μικρὸς κόσμος) ist, der den Kosmos nachbildet (Scarpi 2009 [*38: 464–466, Anm. 41, Komm. zu Corp. Herm. X 11]). Der Anhänger des Hermetismus befreit sich mit Hilfe hieratischer Theurgie vom Körper und, erleuchtet vom Gott (Corp. Herm. VI 5; X 22; XIII 21; XVI 16), erlangt er «das Licht der Erkenntnis» (τὸ τῆς γνώσεως φῶς: Corp. Herm. X 21; vgl. VII 2; XVI 16), das eben die Selbsterkenntnis ist, d. h. die Erkenntnis, dass der Mensch Gott ist (Corp. Herm. I 26. 30). An diesem Punkt, im Vollbesitz dieser Erkenntnis, begibt sich der Mensch auf den Weg entlang der Bahnen der Gestirne und befreit sich, Himmelsstufe um Himmelsstufe, von den Einflüssen, die ihn bisher bestimmt hatten (Corp. Herm. I 25; XIII 9). Dies ist die «Wiedergeburt» (παλιγγενεσία), die von Hermes enthüllt wurde und die der Anhänger niemandem offenbaren darf (Corp. Herm. XIII 22); im Verlaufe dieser Wiedergeburt wird der physische Körper aufgegeben, und an seiner Stelle wird ein «aus Wirkkräften zusammengesetzter» unauflöslicher und unsterblicher Körper angenommen, und zwar im vollen Bewusstsein, «Gott und Sohn des Einen» (θεὸς […] καὶ τοῦ ἑνὸς παῖς) zu sein (Corp. Herm. XIII 13f.).
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5. ÜBERLIEFERUNG UND WIRKUNGSGESCHICHTE DES HERMETISMUS
Die hermetische Lehre hat sich im christlichen Westen zweifellos in erster Linie durch den ‹Asclepius› (Gilly 2000 [*137]) in Verbindung mit den ‹Divinae institutiones› des Laktanz verbreiten können, aus deren Zeilen ein hermetisches Denken durchscheint, das mit dem Christentum fast im Einklang zu stehen scheint (Scarpi 2009 [*156: XXIV] und 2011 [*39: 6]). Eine wichtige Rolle spielte außerdem die Augustin zugeschriebene Schrift ‹Adversus quinque haereses› (dazu siehe oben 3.5.). Ungeachtet seiner harten Kritik trug tatsächlich auch Augustin (Scarpi 2011 [*39: 31–34 = fr. 32]) nicht unwesentlich zur Verbreitung der Hermetik bei, die durch das ganze Mittelalter hindurch lebendig blieb und unverwechselbare Spuren hinterließ (allgemein Faivre 1995 [*119], Ebeling 2005 [*151]). Nicht wenige Autoren des 12. Jahrhunderts hatten Kenntnis davon: von Abaelard, über Johannes von Salisbury, Thierry von Chartres bis hin zu Alain de Lille. Auch in den folgenden Jahrhunderten fehlt es bei Autoren wie Albertus Magnus, Roger Bacon und Meister Eckhart nicht an Anspielungen auf den Hermetismus (Marangoni 2011 [*39: 86]). Eine besondere Rolle spielte das ‹Buch des Hermes über die 36 Dekane› wegen seiner astrologischen Komponente, die für die damalige Medizin (genauer: für die ἰατρομαθηματική, d. h. die ‘astrologische Medizin’) zur Bestimmung und Eingrenzung des Zusammenhangs zwischen Ursprung der Krankheit und entsprechendem astralem Einfluss unverzichtbar war (Feraboli 2011 [*39: 174–471]; siehe oben 3.6.). Von den Kapiteln XXIV–XXV dieses lateinischen Traktats (Feraboli 1994 [*14: 250–272]) existiert zudem eine französische Übersetzung, die in einem in der Bibliothèque Nationale in Paris aufbewahrten Manuskript des 14. Jahrhunderts erhalten ist (Feraboli 1994 [*14: XXVI–XXVII]). Zur Verbreitung des hermetischen Gedankenguts hat auch die arabische Literatur beigetragen, nicht zuletzt der sogenannte ‹Picatrix›, ein regelrechtes ‘Vademecum’ mittelalterlicher Magier, das wahrscheinlich im 11. Jahrhundert verfasst und im Jahre 1261 aus dem Arabischen ins Latein und in zahlreiche andere europäische Sprachen übersetzt worden ist (Pingree 1978 [*49]). Insbesondere aber steht diese Lehre am Anfang jener grundlegenden kulturellen Erneuerung, die unter dem Namen ‘Renaissance’ bekannt ist, insofern als die Hermetik auch die Künste beeinflusste (Warburg 1932 [*163], Bertozzi 1999 [*173]). Die Humanisten hatten in der Figur des Hermes Trismegistos die Autorität einer antiken Gottheit gefunden, da sie ihn für «Moses Zeitgenossen» (contemporaneus Moÿsi) hielten, wie auf dem Marmorfußboden des Doms von Siena zu lesen ist (1488), und im Hermetismus sahen sie überhaupt ein Werkzeug, das es ihrer Auffassung nach ermöglichte, das Christentum mit den übrigen religiösen Praktiken zu verbinden und so einen Zustand des universellen Friedens und der Eintracht, einer Harmonie zwischen Mensch und Universum, ins Leben zu rufen, was eine neue Apologie des Christentums begünstigen sollte (Garin 1955 [*47] und 1955 [*164] sowie 1988 [*167]). Allerdings stellte zu Beginn des 17. Jahrhunderts der Calvinist Isaac Casaubonus, der auf Einladung Jacobs I., wie sich aus dem Dedikationsbrief seiner Schrift
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‹De rebus sacris et ecclesiasticis exercitationes XVI› ergibt, in England weilte, Alter und Autorität der hermetischen Traktate in Frage, indem er sie als Resultat einer spätantiken Redaktion erwies, die seiner Meinung nach wesentlich von christlicher Seite beeinflusst, wenn nicht geradewegs gefälscht worden sei. So schreibt Causaubonus 1615 [*45: 55] beispielsweise: «So schrecke ich nicht davor zurück, dieses ganze Buch, das vor einigen Jahrhunderten unter dem Namen des Hermes Trismegistos in den Umlauf gekommen ist, als Pseudepigraphon, also als Schrift mit falscher Autorenangabe, zu bestimmen und dies mit allem Eifer zu bekräftigen, denn es ist die pure Fälschung irgendeines Christen, oder besser gesagt eines Halbchristen» («ita librum integrum, qui sub nomine Mercurii Trismegisti circumferri ab aliquot seculis cepit, non veremur pronuntiare, et omni assevera tione confirmare, esse ψευδεπίγραφον, hoc est falsum inscriptum, utpote qui fit Christiani alicuius, vel ut dicam melius, semichristiani merum figmentum»). Diese substantiellen Kritikpunkte führten wohl in Verbindung mit den gerade in jenen Jahren sich abzeichnenden Veränderungen im wissenschaftlichen Weltbild (man denke nur an Kopernikus, Kepler, Galileo und Descartes) zu einem schleichenden Niedergang der hermetischen Strömung, deren Anhänger mehr und mehr in die Richtung esoterischer Spekulationen gedrängt wurden, zu deren Ausformung und Konsolidierung der Hermetismus freilich wesentlich beitrug. Auch die Texte des Rosenkreuz-Ordens ließen sich von der hermetischen Lehre inspirieren (siehe dazu Edighoffer 1998 [*169]), darunter beispielsweise die ‹Fama fraternitatis›, die ‹Confessio fraternitatis› und die besonders bekannt gewordene ‹Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz›, aber auch Werke wie das ‹Amphitheatrum Sapientiae Aeternae solius verae […]› von Heinrich Khunrath, dessen erste Ausgabe aus dem Jahr 1595 stammt (Gilly, van Heertum 2002 [*177: 141f.]) und in dem Hermes Trismegistos eine zentrale Rolle einnimmt. In dieses komplexe Bild fügt sich auch der Jesuit Athanasius Kircher (1602– 1690), ein typischer Universalgelehrter des 16. Jahrhunderts, welcher der hermetischen Tradition einen hohen Stellenwert zumaß und die Ansicht vertrat, die Bücher des Hermes Trismegistos seien «von in der Philosophie äußerst erfahrenen Männern aus der ägyptischen in die griechische Sprache übersetzt worden» («ex lingua Aegyptia in Graecam translati a viris philosophia non imperitis»), wie er in klarer Abhängigkeit von Iambl. Resp. 8,4f. in der ‹Epistula Paraenetica› seines Werks ‹Obeliscus Pamphilius› (Romae 1650) schreibt. Auf Iamblichos beruft er sich auch in seinem langen Kapitel, das er Hermes Trismegistos, dessen Schriften und dem ‹Poimandres› widmet (‹Liber I de litterarum et obeliscorum origine›, caput III, pp. 21–44) und das er mit der Bestätigung schließt, «dass in Ägypten schon vor Mose ägyptische Bücher existiert hätten und Trismegistos […] verschiedene Bücher für die Nachwelt aufgezeichnet habe» («litteras Aegyptias ante Moysen in Aegypto extitisse et Trismegistum […] libros varios posteritati consignasse»). Von der hermetischen Lehre ließen sich überdies nicht wenige Maler – darunter Hieronymus Bosch oder Pieter Brueghel – und Dichter – z. B. John Donne, John Milton oder William Blake – sowie auch die Okkultisten des 19. Jahrhunderts anregen – erwähnt sei Helena Petrovna Blavatsky, die im Jahre 1875 in New York die ‹Theosophical Society› gründete. Auch in den Schriften von René Guénon sind Einflüsse
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hermetischen Denkens kaum von der Hand zu weisen. Die hermetische Lehre verwandelte sich also immer mehr in eine Art spiritueller Botschaft, die das Aufkommen von Geheimgesellschaften und die Ausbreitung eines allgemeinen Friedensgedankens begünstigte (für alle diese Aspekte siehe Faivre 1995 [*119] und 1998 [*170]). Mit dem 19. Jahrhundert setzte auch das Interesse seitens der historischen und philologischen Kritik wieder ein, doch das Studium der handschriftlichen Tradition des ‹Corpus Hermeticum› (zu den Traktaten siehe auch oben 3.3.) etablierte sich in zuverlässiger Weise erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Arbeit von Richard Reitzenstein (1904 [*11] und 1904 [*71]). Dank Walter Scott erschien zwischen 1924 und 1926 eine nahezu vollständige Sammlung der hermetischen Schriften mit Edition und Kommentar (Scott 1924–1926 [*12]), der 1936 ein von A. S. Ferguson ergänzter vierter Band folgte (Scott, Ferguson 1936 [*12]). In diesem Werk wurden die Zeugnisse in chronologischer Folge über die Jahrhunderte bis ins fortgeschrittene Mittelalter verfolgt, wobei auch Schriften jüdischer und arabischer Denker nicht fehlten. Einen weiteren Fortschritt machten die Studien zum Hermetismus schließlich dank der Publikation der neuen kritischen Edition des ‹Corpus Hermeticum›, des ‹Asclepius›, der Fragmente und eines Teils der Exzerpte des Stobaios durch A.-J. Festugière, der dabei von A. D. Nock unterstützt wurde (Nock, Festugière 1945–1954 [*13]). Aus dem Italienischen übersetzt und bearbeitet von Andreas Schatzmann und Christoph Riedweg.
§ 109. Orphische Schriften Alberto Bernabé
1. Einleitung. – 2. Werke. – 3. Lehre. – 4. Nachwirkung.
1. EINLEITUNG
Ein Kapitel über orphische Schriften in einem philosophischen Kompendium mag insbesondere aus zwei Gründen überraschen: Ihr angeblicher Autor, Orpheus, ist eine mythologische Figur, und die große Mehrheit der Texte, die ihm zugeschrieben werden, sind kaum einer philosophischen Motivation entsprungen, sondern dienten der Verbreitung religiöser Vorstellungen, bei denen es hauptsächlich um ein besseres Los im Jenseits ging. Allerdings wurden spätestens in römischer
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Zeit, als Folge eines schon in der klassischen Epoche einsetzenden komplexen Prozesses, Lehrinhalte von Werken des ‘Orpheus’ – sein Name wird konventionell für die Verfasser der orphischen Schriften verwendet – als philosophisch relevant betrachtet. Interessanterweise scheinen bereits Pythagoras und pythagoreische Autoren versucht zu haben, ihren philosophischen Gedanken mehr Autorität zu verleihen, indem sie sie als orphische Schriften, oder als durch diese inspiriert, präsentierten (vgl. OF 506, 110, 1101, 1106; allg. Bernabé 2011 [*433] und 2013 [*461] sowie Casadesús 2006 [*432], 2008 [*459] und 2011 [*460]). Diese Überlieferung deutet auf gewisse inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den Anhängern des Pythagoras und den Orphikern hin. Für den Verwandlungsprozess des mythischen Sängers Orpheus zu einem Philosophen ist es von Bedeutung, dass seinen Schriften seit dem Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. ein allegorischer Charakter zugeschrieben werden konnte: Unter der Annahme eines tieferen Sinns, der aus der Textoberfläche abgeleitet werden muss, liess sich der teils naive oder zuweilen sogar moralisch höchst anstößige Inhalt der Erzählung mit der Autorität, der alten Schriften seit jeher entgegengebracht wurde, aussöhnen (das gilt nicht nur für Orpheus, sondern ebenso für Homer und Hesiod). Ein wichtiges Beispiel hierfür liefert der im Derveni-Papyrus teilweise überlieferte Kommentar aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. [*283–*290]: Sein anonymer Autor zitiert verschiedene Verse aus einem theogonischen Gedicht, das er Orpheus zuschreibt, und versucht zu beweisen, dass es sich dabei in Wirklichkeit um eine physikalische Kosmogonie handelt: Ziel seines Kommentars ist es, diesen postulierten Inhalt mit etymologischen und allegorischen Mitteln wiederherzustellen. Auf der gleichen Linie liegt der platonische Protagoras, wenn er Orpheus als einen Vertreter der sophistischen Kunst darstellt, der diese allerdings mit Weihen und Orakelsprüchen ‘bemäntelt’ habe (Plat. Prot. 316d). Eine entscheidende Rolle für die zunehmende philosophische Aufwertung der orphischen Schriften spielt Platon, der nachweislich orphische Elemente in seine Philosophie eingearbeitet hat. Seine Haltung gegenüber den Orphica ist dabei ambivalent (was sich auch in der Weise, wie er sie zitiert, widerspiegelt; vgl. Bernabé 2011 [*482]): Auf der einen Seite schätzt er den Wert der orphischen Dichtungen, ähnlich wie den der Texte Homers und Hesiods, als gering ein, und zwar nicht nur weil er sie als inhaltlich unpassend für eine korrekte παιδεία ansah, sondern auch weil sie von zweifelhaften religiösen Spezialisten, den Orpheotelesten, bei Weihen und Reinigungszeremonien eingesetzt wurden: Mit diesen versprachen sie sogar Menschen, die sich zuvor schlimmster Vergehen schuldig gemacht hatten, vom Unheil im Jenseits zu bewahren (vgl. Rep. 364e = OF 573). Auf der anderen Seite entnimmt Platon den orphischen Texten verschiedene Elemente, die ihm attraktiv erscheinen, und baut sie in sein philosophisches System ein, darunter gewisse Lehren über die Seele und das Göttliche. Mit dem Derveni-Kommentator teilt er dabei die Auffassung, dass die orphischen Verse einer fachkundigen Interpretation bedürfen, da sie ‘symbolisch’ zu verstehen seien (vgl. Casadesús 2008 [*481], Bernabé 2011 [*482]). Eine ähnliche Interpretationslinie verfolgen die Stoiker, wobei insbesondere Chrysipp gemäß Cicero (ND 1,41 = Chrysipp, SVF II, fr. 1077) beabsichtigt haben soll, «die Geschichten des Orpheus, Musaios, Hesiod und Homer an das von ihm
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selbst im ersten Buch über die unsterblichen Götter Behauptete anzugleichen, um sogar die ältesten Dichter […] als Stoiker erscheinen zu lassen» (vgl. Casadesús 2008 [*494]). Mit der zunehmenden Theologisierung der Philosophie wurde Orpheus immer stärker von den Stoikern, den Mittelplatonikern sowie zuletzt – und besonders intensiv – von den Neuplatonikern als Vorreiter ihrer Vorstellungen in Anspruch genommen. Letztere sprechen sogar von einer Einweihung des Pythagoras in die Orphik durch Aglaophamos (Iambl. Vit. Pyth. 13,62; 28,146; 28,151; vgl. andere Quellen, wie OF 1144), was bedeuten würde, dass Orpheus über Pythagoras letztlich der Inspirator Platons gewesen wäre. Über die Erfindung dieser Geschichte vgl. Brisson 2000 [*512]. Das Prestige, das mit dem Namen Orpheus verbunden wird, beruht zum einen auf der traditionellen Hochschätzung alles Alten bei den Griechen, wobei diese gleichzeitig mit prinzipiellem Argwohn gegenüber jeglichem Neuen verbunden war: Je älter ein Text ist, umso mehr Verehrung verdient er, da er der Urweisheit noch besonders nahesteht. Dies gilt in besonderem Masse für Orpheus’ Schriften, fällt doch seine Lebenszeit nach verbreiteter Auffassung vor den trojanischen Krieg (entsprechend erwähnen ihn Hellanikos fr. 5b Fowler, Damastes fr. 11b Fowler und Pherekydes fr. 167 Fowler als Vorfahren Homers; vgl. weitere Quellen in Bernabé 2008 [*264]). Fügt man hinzu, dass Orpheus angeblich von einer Muse abstammt und dadurch Zugang zu einem durch Offenbarung vermittelten Wissen hatte, ferner dass seine mythische Reise ins Jenseits, um Eurydike auf die Erde zurückzuholen, ihm die Gelegenheit bot, mit eigenen Augen das Schicksal der Seelen im Jenseits zu betrachten, so versteht man ohne Weiteres die Gründe für die einzigartige Autorität dieses Dichters. Sein Name wird mit einer Vielzahl hexametrischer Werke vor allem über die Natur, den Ursprung und das Schicksal der Seele in der Absicht verbunden, ihnen in weiten Kreisen Akzeptanz zu verschaffen. Von den ‹Rhapsodien› abgesehen waren die meisten dieser orphischen Dichtungen sehr kurz, und sie sind heute nur noch fragmentarisch erhalten. Eine erste Sammlung der Fragmente fertigte Stephanus im Jahre 1573 an. Dieser folgten weitere [*189–*195], wobei jene von Otto Kern 1922 [*197] einen Wendepunkt darstellte und für mehr als achtzig Jahre das Referenzwerk blieb. Einige Herausgeber vorsokratischer Philosophen haben einzelne Fragmente, die Orpheus oder ähnlichen Dichtern zugeschrieben werden, in ihre Editionen mitaufgenommen (Diels, Kranz 1903 [*196], Colli 1977 [*198], Kirk, Raven, Schofield 21983 [*199]). Eine umfassende neue Edition in drei Bänden ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts von Alberto Bernabé 2004–2007 [*201] veröffentlicht worden: Darin sind alle heute bekannten Zeugnisse und Fragmente (auch der Derveni-Papyrus und die Goldblättchen) aufgenommen, und auch dem Orpheus vergleichbare Autoren wie Musaios, Linos und Epimenides werden berücksichtigt; zudem sind alle Texte von ausführlichen Kommentaren und einer vollständigen Bibliographie begleitet.
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§ 109. Orphische Schriften (Bibl. 1230–1238)
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2. WERKE
1. Theogonien und Kosmologien: 1.1. Die Theogonie des Derveni-Papyrus; 1.2. Die Eudemische Theo gonie; 1.3. Schwer einzuordnende Fragmente; 1.4. ‘Die Theogonie der Abspaltung’; 1.5. Der ägyptische Hieros Logos; 1.6. Eine Parodie des Aristophanes; 1.7. Physika; 1.8. Die Theogonie von Hieronymos und Hellanikos; 1.9. Die Theogonie der Rhapsodien; 1.10. Kosmologische Dichtungen. – 2. Werke über das Schicksal des Menschen bzw. über Riten: 2.1. ‹Abstieg in den Hades› (‹Katabasis›); 2.2. Goldblättchen; 2.3. Dichtungen über das ‘orphische Leben’ und über Demeter. – 3. Dichtungen über das Leben in dieser Welt: 3.1. Magie; 3.2. ‹Hymnen›; 3.3. Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos; 3.4. Dichtungen über konkrete Rituale; Orakelsprüche; 3.5. Das ‹Lapidarium› und pseudowissenschaftliche Dichtung; 3.6. Die ‹Argonautika›.
Die Orpheus zugeschriebenen Werke sind zahlreich und vielfältig. Schon Platon (Rep. 364e) spricht von einem «wilden Haufen von Büchern» (βίβλων ὅμαδος), was andeutet, dass er die zeit genössische orphische Literatur als eine ebenso umfassende wie konfuse Sammlung von Texten betrachtete. Im Laufe der Zeit wuchs diese gleichwohl immer weiter an. Es scheint sich nicht um geheime Poesie gehandelt zu haben, da Verfasser aus verschiedenen Epochen, die keine Orphiker waren, sie kennen und zitieren (z. B. Plat. Crat. 402b; Arist. De an. 410b27; Proklos passim; Damaskios passim). Aristophanes (Av. 690ff.) parodiert alte Kosmogonien, darunter eine offenkundig orphische, was heißt, dass dem Publikum, das aus gewöhnlichen athenischen Bürgern bestand, die Inhalte orphischer Dichtungen geläufig waren. Und der Komiker Alexis (fr. 140 KA) erwähnt Werke des Orpheus als selbstverständlicher Bestandteil einer zeitgenössischen Bibliothek. Es ist oft schwierig, Nachrichten über Werktitel mit wörtlichen oder indirekt überlieferten Fragmenten in Verbindung zu bringen, und ebenso schwierig ist es, die Fragmente zeitlich einzuordnen. Denn ein Charakteristikum orphischer Dichtungen ist gerade ihre große Aufnahme- und Verwandlungsfähigkeit: Neue Versionen werden unter Weiterverwendung älteren Materials geschaffen, so dass sich die Fragmente in vielen Fällen nur thematisch anordnen lassen. Eine weitere Konsequenz dieser Situation ist, dass ein erheblicher Teil des vorliegenden Paragraphen Epochen gewidmet
werden muss, die vor dem Betrachtungszeitraum dieses Ueberweg-Bandes liegen, da viele Passagen in späteren ‘orphischen’ Werken aus älteren Texten stammen. Trotz ihrer Verschiedenheit weisen vor allem die älteren unter den Orpheus zugeschriebenen Dichtungen einige Gemeinsamkeiten auf. Es geht darin anders als bei Homer oder Hesiod weniger um die diesseitige Welt als um das Jenseits, oder genauer um das Schicksal der Seele im Hades. Thematisch lassen sich die Fragmente nach den von Bernabé 2008 [*264] verwendeten Kriterien bündeln. Aus der Annahme der Orphiker, dass das menschliche Leben als Parenthese zwischen dem Ursprung der Dinge (ἀρχή) und dem endgültigen Ziel (τέλος), der Erlösung, betrachtet werden kann, ergeben sich drei Hauptthemenbereiche: 1) Dichtungen, die sich mit dem Ursprung auseinandersetzen und so die jetzige Situation erklären (Theogonien, Kosmogonien); 2) solche, die über die künftige Situation der Seelen und über den Weg zur Erlösung handeln; und 3) Texte, in denen es um den Aufenthalt der Seele auf der Erde geht, insbesondere um den Umgang mit den Göttern und die Art des Lebens. In der Frühzeit überwiegen die Werke der ersten und zweiten Gruppe, während im Späthellenismus und in der Kaiserzeit, wo Orpheus zu einem reinen Prestige-Label geworden ist, Texte der dritten Gruppe vorherrschen. Letztere zeichnen sich durch eine große Bandbreite von Themen aus, darunter nicht zuletzt auch pseudowissenschaftlicher Natur.
1. Theogonien und Kosmologien Die erste Gruppe umfasst zwei Arten von Werken: Theogonien, die kosmogonische Elemente beinhalten und die Natur der Welt und der Götter anhand der Erzählung ihrer Entstehung erklären, und Kosmologien oder Werke,
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die beschreiben, wie das Universum aufgebaut ist, unabhängig von seinem Ursprung (vgl. Schuster 1869 [*272], Susemihl 1890 [*273], Schwabl 1962 [*274], West 1983 [*239], Bernabé 2003 [*263]).
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Damaskios (De princ. 123bis) schreibt den rphikern drei Fassungen der Theogonie zu: in O chronologischer Reihenfolge geordnet die von Eudemos von Rhodos (siehe unten 1.2.), die von Hieronymos und Hellanikos (1.8.) und die der ‹Rhapsodien› (1.9.). Es scheint, dass Damaskios nur die letzte aus erster Hand gekannt hat, die sich unter Eingliederung von Elementen der beiden älteren wohl zur einzigen Standardversion in römischer Zeit entwickelt hat. Hinzuzufügen ist ein Gedicht, das zeitlich der ‹Eudemischen Theogonie› nahe steht und im Derveni-Papyrus kommentiert wird. Weiter gibt es eine Reihe von Anspielungen auf orphische kosmogonische Mythen bei Autoren verschiedener Epochen, die man nur schwierig einer ganz bestimmten Fassung zuordnen kann (Schwabl 1962 [*274: 1481] hat das Bestreben, «ein Stemma aller orphischen Theogonien aufstellen zu wollen», mit Recht als «verkehrt» bezeichnet; die andere Extremposition nimmt West ein, der nicht nur ein Stemma erstellt, sondern auch glaubt, die direkt und indirekt überlieferten Fragmente zuverlässig der einen oder anderen Fassung zuordnen zu können: West 1983 [*239]; für einige diskutable Aspekte vgl. Casadio 1986 [*275], Bernabé 1994 [*305], Brisson 1995 [*241: Kap. I]). Zwei Haupt-Traditionen sind jedenfalls, wie es scheint, zu erkennen. Die eine stellt die Nacht als das erste Wesen dar, auf das dann die von Hesiod beschriebenen Götter-Generationen folgen (in einigen Fällen mit leichten Änderungen): Uranos – Kronos – Zeus. Dieser Gruppe gehören wohl die Theogonien des Derveni-Papyrus, des Eudemos, des ägyptischen Hieros Logos sowie einige schwer einzuordnende Andeutungen an. Die zweite erzählt die Bildung eines kosmischen Eies, aus dem ein mit Eros identifiziertes Wesen hervorgeht, durch das alles Weitere entsteht. Von dieser Tradition gibt es einige sehr alte Spuren, und ihr gehört auch die ‹Theogonie des Hieronymos und Hellanikos› an. Die ‹Rhapsodien› kombinieren Elemente beider Traditionen sowie Materialien aus anderen kurzen orphischen Dichtungen.
1.1. Die Theogonie des Derveni-Papyrus Von dieser Theogonie (ca. 500 v. Chr.) sind lediglich die von einem anonymen Autor (ca. 340– 320 v. Chr.) kommentierten Verse bekannt. Es wurde vorgeschlagen, sie mit der von Damaskios ‘Eudemische’ genannten Theogonie zu identifizieren (Brisson 1995 [*241: IV 2876], Burkert 2005 [*298]). Doch gibt es Details, welche die beiden voneinander trennen, darunter die Präsenz von
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Okeanos und Thetis in der Eudemischen Theogonie bzw. der zügige Erzählstil in den Passagen des Derveni-Papyrus, die eher zu einem kurzen Hymnus passen, dessen Autor freilich einige Elemente mit der Eudemischen geteilt haben dürfte (Bernabé 2003 [*263: 34]). Die Derveni-Theogonie geht sofort in medias res und erzählt, wie Zeus die Macht von seinem Vater übernimmt (OF 5) und sich zur Nacht (OF 6) und zu Kronos (OF 7) begibt, um zu erfahren, wie er diese behalten könne. Danach verschlingt er ein αἰδοῖον, bei dem es sich für einige Forscher um den Phallos des Uranos handelt, für andere um einen Gott, nämlich um Phanes, der in späten Fassungen erscheint (vgl. Diskussion in Bernabé 2007 [*289]). An dieser Stelle erwähnt das Gedicht Elemente der Vorgeschichte: Vor Himmel und Erde existierte die Nacht, die anscheinend ewig war. Aus ihr gehen Uranos und wohl auch Gaia hervor (d. h. Himmel und Erde); beider Sohn ist Kronos, der Uranos kastriert und die Macht übernimmt. Durch Kronos wird Zeus geboren (OF 10). Das Verschlingen des Phallos lässt Zeus mit dem ganzen Universum ‘schwanger’ werden. Die Vielfalt der Wesen, die erschaffen worden waren, kehrt zur Einheit in seinem Leib zurück (OF 12), damit der Gott sie neu erschaffen kann. Es folgt ein kurzer Hymnus an Zeus (OF 14), in dem seine Eigenschaften als erster und letzter Gott und als Urheber des Universums besungen werden. Nach Anspielungen auf die ersten ‘Wiedererschaffungen’, die nun einem rationalen Plan folgen (der Dichter braucht das Wort «dachte aus», μήσατο [OF 16, 18], was mit der μῆτις des Zeus und seinem Epitheton μητίετα in Beziehung zu setzen ist), wird beschrieben, wie Zeus danach verlangt, sich mit seiner Mutter zu vereinen (OF 18). Es ist nicht bekannt, wie die Geschichte weitergeht, da der Papyrus an diesem Punkt endet.
1.2. Die Eudemische Theogonie Derselben Tradition wie die Theogonie von Derveni entstammt auch die Eudemische, von der Damaskios einzig sagt, dass sie mit der Nacht ihren Anfang nahm. Doch ihr Inhalt lässt sich rekonstruieren, wenn man akzeptiert, dass es sich um die von Platon, Aristoteles und anderen alten Autoren erwähnte oder zitierte Theogonie handelt (West 1983 [*239: 116–175]). Die Nacht gebar Uranos und Gaia. Aus deren Vereinigung gingen Okeanos und Thetis hervor. Diese wiederum vereinigten sich und zeugten Phorkys, Kronos, Rhea und die Titanen. Kronos und Rhea gebaren Zeus, Hera, Poseidon und Hades (OF 20–24). Dionysos stammt von Zeus ab. Es ist
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möglich, dass in diesem Werk auch die Kastration des Uranos durch Kronos, die Ankettung des Kronos durch Zeus, um ihm die Macht zu entreißen, sowie der Mythos von Dionysos und den Titanen behandelt wurden (Plat. Euthyphr. 5e; Isoc. Bus. 10,38; OF 26; Bernabé 2011 [*482: 89f.]). Wenn dem so ist, könnte es sich um die Quelle der Andeutungen von Callim. fr. 43,117 Pfeiffer (OF 34) und Euphor. fr. 26 De Cuenca = 92 Van Groningen (OF 35) handeln (vgl. West 1983 [*239: 154 Anm. 45], Henrichs 2011 [*331]): Die Titanen färben ihr Gesicht weiß, um Dionysos, den Sohn des Zeus und der Persephone, zu überlisten. Sie töten, zerteilen, kochen und verschlingen die kindliche Gottheit. Zeus trifft die Titanen mit seinem Blitz, und aus ihren Resten entstehen die Menschen. Von dieser Theogonie könnten dann auch Pind. fr. 133 Maehler und Platons Hinweise auf die «alte titanische Natur» der Menschen (Plat. Leg. 701b = OF 37) abhängen.
1.3. Schwer einzuordnende Fragmente Verschiedene klassische Autoren erwähnen Details aus orphischen theogonischen Dichtungen, die Berührungspunkte mit dem Derveni-Papyrus und der ‹Eudemischen Theogonie› aufweisen: z. B. die Identifikation des Zeus mit dem Aither, die Betrachtung Rheas als Mutter und Tochter des Zeus (Chrysipp, SVF II, fr. 1078 = OF 28) oder die Nachricht, dass die Orphiker jeden Himmelskörper als eine eigene Welt ansahen (Aët. Plac. 2,13,15 = OF 30). Andererseits überliefert der Autor des ps.-aristotelischen Werks ‹De mundo› (401a25 = OF 31) eine längere Fassung des Hymnus an Zeus als die des Derveni-Papyrus (OF 14), in der Zeus nicht nur Anfang und Ende, sondern auch Fundament des Himmels und der Erde, Mann und junge Frau (νύμφη), d. h. Erzeuger aller Wesen ist (Bernabé 2009 [*277]).
1.4. ‘Die Theogonie der Abspaltung’ Einige Texte scheinen orphischen Kreisen eine Theogonie zuzuschreiben, in der zu Beginn alles vereint war und es dann zu einer Abspaltung kam (darauf spielt Eur. Melan. fr. 484 Kannicht = OF 66 an, dessen 2. Vers in einer Alabaster-Phiale erscheint, die weitere Zitate des Orpheus bietet; OF 66 III). Eine ähnliche Fassung, mit Zusätzen anderen Ursprungs, präsentiert Orpheus in Apoll. Rhod. 1,494ff. (vgl. Iacobacci 1993 [*326: 77], Sorel 1995 [*243: 60ff.], Santamaría Álvarez 2008 [*330: 1360–1366]).
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1.5. Der ägyptische Hieros Logos Es gibt nur vage Nachrichten (OF 40–43) über den – von Damaskios nicht erwähnten – sogenannten ‹Ägyptischen Hieros Logos›, in dem Rhea-Demeter die Reste des Dionysos einsammelt und ihn wieder zusammensetzt, damit er auferstehe (vgl. Diod. 3,62,6 = OF 58; Philod. De piet. ap. Henrichs 1975 [*324: 35]; vgl. auch Corn. ND 30, Serv. Georg. 1,166 = OF 59, sowie Bernabé 1998 [*329] und Sánchez Ortiz de Landaluce 2011 [*332]). Dies spiegelt wohl den Wunsch, den Dionysos-Mythos dem des Osiris anzugleichen, der von Seth zerstückelt und von Isis wieder zusammengesetzt wird.
1.6. Eine Parodie des Aristophanes Eine parodistische Theogonie des Aristophanes (Av. 693–702) erzählt die Geburt des Eros aus einem kosmischen Ei. Sie scheint die Existenz einer alten orphischen Theogonie zu bezeugen, in der dieses Motiv vorkam (vgl. Pardini 1993 [*327], Bernabé 1995 [*328]).
1.7. Physika Bei den ‹Physika› (OF 800–803) mag es sich um eine mehr wissenschaftlich orientierte orphische Kosmogonie gehandelt zu haben. In ihr wird von Winden (Tritopatores genannt) gesprochen, deren Schutz die Athener bei der Hochzeit für Kinder segen anriefen (OF 802). Gagné 2007 [*338] datiert das Werk ins Jahr 450 v. Chr. und postuliert, dass auch die Lehre, wie die Seele vom Wind getrieben in den Körper eindringt, diesem Werk entstammt (Arist. De an. 410b–411a = OF 421).
1.8. Die Theogonie von Hieronymos und Hellanikos Damaskios (De princ. 123bis = OF 69) erwähnt eine «von Hieronymos und Hellanikos überlieferte orphische Theogonie, wenn es sich nicht um denselben Autor handelt». Die Vagheit der Angabe lässt vermuten, dass er das Werk nicht aus erster Hand kannte. Mit Hellanikos kann nicht der Namensträger aus Lesbos gemeint sein, hingegen sehr wohl der Autor der ‹Hypothesen über Orpheus›, der Vater eines Philosophen namens Sandon (Suda IV,320 Adler, s. v. Σάνδων = OF 70; vgl. West 1983 [*239: 176]). Der zweite Autor könnte Hieronymos aus Ägypten sein (Ioseph. Ant. Iud.
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IX. Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien
1,94. 107; vgl. FGrHist 787 F 2f. = OF 71f.; Tert. Apol. 19,5 = OF 73) oder der peripatetische Philosoph des 3. Jahrhunderts v. Chr., Hieronymos von Rhodos (Fortenbaugh, White 2004 [*307], Matelli 2004 [*308] und 2004 [*309]). Dasselbe Gedicht wird vom christlichen Apologeten Athenagoras (2. Jh. n. Chr.) zitiert. Das Werk, das Elemente aus älteren Texten beinhalten könnte, lässt sich wohl zwischen dem 3. (wenn es sich bei dem erwähnten Hieronymos um den Rhodier handelt) und dem 2. Jahrhundert v. Chr. datieren (vgl. West 1983 [*239: 226]). Brisson 1995 [*241: IV 2112] nimmt an, dass es aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammt, und hält es für jünger als die Rhapsodien; doch vgl. die Argumente von Bernabé 2003 [*263: 23ff.]. Nach dieser Theogonie entstand alles aus urtümlichem Wasser, aus dem Lehm gerann (vgl. Rudhardt 1971 [*304: 15]). Aus Wasser und Erde bildete sich ein fliegender Drachen mit je einem Stier-, Löwen- und Gotteskopf: Er wird Zeit und Herakles genannt. Die Zeit taucht als kosmische Figur schon bei Pherekydes und in iranischen Kosmogonien auf. Zusammen mit der Zeit erscheint die Notwendigkeit (Ἀνάγκη), auch Natur und Adrasteia genannt: Sie ist körperlos, und ihre Arme berühren die Enden der Welt. Die Zeit gebiert Aither, Chaos und Erebos. Inmitten der getrennten Urwasser entsteht ein kosmisches Ei, dem Phanes, «der Leuchtende» (oder «der Erscheinende»), entspringt. Aus der oberen Hälfte der Eischale entsteht Uranos und aus der unteren Gaia (OF 77– 80). Phanes, auch Erstgeborener genannt, ist eine androgyne Gottheit, mit goldenen Flügeln und Stierköpfen sowie mit einer Schlange über seinem Haupt, die verschiedene Formen annimmt. Da es vor dem Hellenismus weder Bildnisse noch Beschreibungen dieses Monstrums gibt (vgl. Turcan 1994 [*306]), ist anzunehmen, dass seine Identifikation mit Eros und die Komposition der Theogonie mehr oder weniger in der gleichen Epoche stattfanden (wahrscheinlich im 2. Jh. v. Chr.), während Eros in der in Aristophanes’ ‹Vögeln› parodierten früheren Fassung mehr der von Bottini 1992 [*325: 82] erwähnten Karneol-Darstellung eines geflügelten Jünglings gleicht, der aus einem Ei hervorspringt. Aus Uranos und Gaia gehen die Moiren, die Hekatoncheiren und die Kyklopen hervor. Da Uranos die Prophezeiung bekannt ist, nach der seine Söhne ihm die Macht entreißen werden, stürzt er sie in den Tartaros. Empört darüber gebiert Gaia die Titanen. Kronos, Sohn des Uranos, kastriert seinen Vater und stürzt ihn vom Thron; doch Zeus, Sohn des Kronos, entthront diesen wiederum. Daraufhin verschlingt Zeus Phanes, und das Univer-
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sum ruht in ihm, weswegen er den Namen Pan erhält (OF 82–86). Aus der Vereinigung des Zeus mit seiner Mutter entsteht Persephone (OF 87f.), mit der sich Zeus später in Form einer Schlange verbindet. Beide erzeugen Dionysos (OF 89). Die Fortsetzung des Gedichtes ist unbekannt.
1.9. Die Theogonie der Rhapsodien Die sogenannte ‹Heilige Rede (ἱερὸς λόγος) in 24 Rhapsodien› (auch ‹Theogonie in 24 Rhapsodien› oder schlicht ‹Rhapsodien›) war die in neuplatonischen Kreisen am besten bekannte orphische Theogonie. Proklos und Damaskios zitieren eine große Zahl von Fragmenten, weil sie darin den eigentlichen Ursprung von Platons Denken sahen. Sie bestand aus 24 Gesängen, und über ihre Datierung wurde viel diskutiert (5.–4. Jh. v. Chr. gemäß Kern 1888 [*316: 1ff.] und Gruppe 1890 [*317: 689ff.]; 1.–2. Jh. n. Chr. gemäß Brisson 1995 [*241]; 3.–4. Jh. n. Chr. gemäß Kirk, Raven, Schofield 21983 [*199: 23ff.]). Eine plausibles Datum ist kurz vor 100 v. Chr. (West 1983 [*239: 225]; vgl. Baumgarten 1998 [*318: 113ff.]). Doch da dieses Werk offensichtlich auf einer Verbindung älterer kürzerer Dichtungen beruht, die adaptiert wurden, um eine Art Corpus orphischer Poesie zu bilden, ist mit Guthrie 21952 [*234: 78] zu bedenken, dass die Datierung lediglich diesen Kompilationsvorgang betrifft, «was die Bedeutung dieser Frage erheblich relativiert». Der Verfasser ist unbekannt (West 1983 [*239: 250]). Den Inhalt des Gedichtes kann man wie folgt rekonstruieren (vgl. Bernabé 2003 [*263], der sich auf Kern 1922 [*197], West 1983 [*239] und Brisson 1995 [*241] stützt): Das Urwesen ist die Nacht (OF 103–108). In ihr entstehen Zeit und Notwendigkeit. Aus der Zeit werden Aither und Abgrund geboren; daraufhin verfertigt die Zeit im Aither ein leuchtendes Ei. In dessen Innerem bildet sich Phanes, der Erstgeborene, ein göttliches Wesen, das zur Welt kommt, indem es die Schale zerbricht (OF 109–127). Phanes hat mehrere Köpfe: einen menschlichen, einen Widder-, einen Stier-, einen Löwen- und einen Schlangenkopf; er ist mit goldenen Flügeln ausgestattet und zweigeschlechtlich, was ihm ermöglicht, sich mit sich selbst zu vereinigen und eine erste Schöpfung zu initiieren. So erschafft er eine personifizierte Nacht (die sich so von der ursprünglichen unterscheidet, vgl. Bernabé 1998 [*276]), mit der er sich vereinigt, um Uranos und Gaia zu erzeugen. Später erschafft er weitere vielfältige Wesen, darunter die Meere, die Sonne, den Mond und die Sterne, und ein erstes
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menschliches Geschlecht, «goldenes Geschlecht» genannt (OF 129–160). Nach Erschaffung der Welt errichtet Phanes die Macht durch die Herstellung eines Zepters; doch gibt er dieses an seine Tochter, die Nacht, ab und zieht sich auf seinem Wagen an einen Ort im Himmel zurück, um von dort aus alles zu überwachen, was geschieht (OF 165–173). Die Nacht gibt die Macht an ihren Sohn Uranos weiter, der, mit Gaia vereint, die Moiren, die Hekatoncheiren und die Kyklopen erzeugt. Diese bestraft er für ihre Gewalttätigkeit und schließt sie in den Tartaros ein (OF 174–178). Die darüber erzürnte Gaia gebiert, ohne sich mit ihm zu vereinen, sieben Titaniden und sieben Titanen, unter ihnen Kronos, der auf Gaias Veranlassung Uranos entmannt und ihm die Macht entreißt (OF 179– 185). Aus dem vergossenen Blut des Gottes entstehen die Erinyen und die Giganten, während Aphrodite aus dem Schaum hervorgeht, der sich im Meer um Uranos’ Genitalien herum bildet (OF 187–189). Nachdem Kronos seine Brüder ebenfalls im Tartaros eingeschlossen hat, vereint er sich mit Rhea. Durch diesen Akt werden verschiedene Kinder geboren (OF 192–194). Um die Prophezeiung zu vermeiden, der zufolge er von einem seiner Söhne entthront werden sollte, verschlingt Kronos diese sogleich bei der Geburt (OF 200–204). Doch Rhea rettet Zeus davor, verschlungen zu werden. Nachdem sie ihn geboren hat, verbirgt sie ihn in der Höhle der Nacht und gibt Kronos an seiner Stelle einen mit Windeln umwickelten Stein. Dies hat zur Folge, dass Kronos die Götter, die er schon verschlungen hatte, erbricht (OF 206–215). Unter seiner Herrschaft entsteht das ‘silberne Menschengeschlecht’, das sich durch seine Langlebigkeit auszeichnet (OF 216–218). Den Prophezeiungen der Nacht folgend macht Zeus Kronos betrunken und entmannt ihn (OF 219–225). Zum Herrscher des Olymps geworden, befreit Zeus die Kyklopen, die ihm zusammen mit Hephaistos bei seiner demiurgischen Arbeit helfen. Mit Dikes Hilfe besiegt Zeus die Titanen, als diese sich gegen ihn erheben, und begräbt sie im Tartaros. Zeus teilt sich mit Poseidon und Hades die göttliche Macht (OF 226–230). Daraufhin verschlingt Zeus, dem Ratschlag seines Vaters folgend, Phanes und wird schwanger mit dem ganzen Universum, um es auf rationale Weise wiederzuerschaffen (OF 239– 241). Es folgt eine längere Fassung des ‹Hymnus an Zeus› (OF 243), in dem das Universum mit dessen Körper identifiziert wird (vgl. Bernabé 2009 [*277] und unten Abschnitt 3.5.). Zeus erzeugt erneut die Titanen und eine große Nachkommenschaft mit verschiedenen Göttinnen. Nachdem er seine Mutter Rhea-Demeter vergewal-
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tigt hat, gebiert diese Persephone. Auch diese vergewaltigt Zeus, indem er sich in eine Schlange verwandelt. Als Folge daraus wird Dionysos in Kreta geboren (OF 249–283). Zeus übergibt Dionysos sein Reich, als dieser noch ein Knabe ist. Doch die Titanen überlisten den Knaben, sie zerstückeln, kochen und verzehren ihn. Athene rettet das Herz des Gottes, und durch dieses gelingt es Zeus, ihn wiederzubeleben. Die Titanen schmettert Zeus mit seinem Blitz nieder, und aus ihren Überbleibseln entstehen die Menschen (OF 296–326). Das Gedicht erklärt, weshalb die menschlichen Seelen als Sühne für das Verbrechen der Titanen von einem Körper zum andern wandern müssen, bis sie sich von ihrer Schuld befreit haben und sich so wieder in einer glücklichen Welt im Jenseits integrieren können, und es spielt auf die Form der Riten an, die durchgeführt werden müssen, um dieses Ziel zu erlangen (OF 337–350).
1.10. Kosmologische Dichtungen Auch eine Reihe von Gedichten, die pythagoreischen Autoren (Brontinos, Zopyros und Kerkops, vgl. Clem. Al. Strom. 1,21,131,3; Suda III,565,4ff. Adler, OF 403–420; Bernabé 2008 [*339: 394– 400]) zugeschrieben werden, sind älteren Datums, wobei allerdings nur sehr wenig über sie bekannt ist. In ihnen wurde die Zusammensetzung der Welt mit alltäglichen Gegenständen symbolisiert. So wurde z. B. nach Arist. De gen. anim. 734a16 (OF 404) im Werk Δίκτυον (‹Das Netz›; OF 403–405) die Entstehung der Lebewesen mit dem Knüpfen eines Netzes verglichen, im ‹Peplos› (OF 406f.) das Wachstum der Vegetation mit einem von Persephone gestickten Gewand (einen ähnlichen Vergleich findet man bei Pherekydes fr. 68 Schibli). Von Σφαῖρα (‹Der Ball›; OF 408) ist nicht mehr bekannt als der Titel. In ‹Der Krater› (OF 409–412) wird die Welt wie ein Gefäß für das M ischen von Wein und Wasser beschrieben; es könnte als Modell für ähnliche Vergleiche gedient haben, wie Platon sie präsentiert (Phaed. 111d; Phil. 61bc; Tim. 35; 41d; Leg. 773d; vgl. West 1983 [*239: 11]). In der Spätantike wird ein anderes ähnliches Gedicht zitiert, das jünger scheint, ῾Ο μικρότερος κρατήρ (‹Der kleinere Krater›; OF 413–416). Zu dieser Gruppe sollte man ferner ein wahrscheinlich pythagoreisches Gedicht aus hellenistischer Epoche zählen: ‹Die Lyra› (OF 417–420), in dem die sieben Saiten der Lyra mit sieben Regionen des Himmels verglichen werden und in dem festgehalten wird, dass es unmöglich sei, verstorbene Seelen ohne den Klang der Lyra heraufzubeschwören.
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IX. Hermetische und Orphische Literatur, ‹Chaldäische Orakel›, Theosophien
2. Werke über das Schicksal des Menschen bzw. über Riten Die zweite Textgruppe bezieht sich auf das τέλος, das Schicksal der Seelen. Innerhalb dieser Gruppe sind verschiedene Arten von Gedichten zu erkennen: 1) Jenseitsbeschreibungen, die in der Regel die Form einer κατάβασις, d. h. des Hinabsteigens in die Unterwelt, annehmen; 2) die sogenannten Goldblättchen, die Anweisungen dazu enthalten, was die Seele im Jenseits tun müsse; 3) Gedichte über die Form des Lebens, die eingehalten werden soll bzw. solche, die Riten begleiten, mit denen ein glückliches Los der Seele im Jenseits garantiert wird; 4) Werke über Demeter, die Traditionen eleusinischer Herkunft berühren.
2.1. ‹Abstieg in den Hades› (‹Katabasis›) In den καταβάσεις steigt eine Person in den Hades hinunter und kehrt von dort wieder zurück, um zu schildern, was im Jenseits geschieht. Es handelt sich um ein in der griechischen Literatur populäres Motiv, das über diese hinaus eine große Verbreitung finden sollte (z. B. im 6. Buch der ‹Aeneis› oder in Dantes ‹Divina commedia›). Die ‘Nekyia’ der ‹Odyssee› weist gewisse Gemeinsamkeiten mit diesen Werken auf, auch wenn es sich bei ihr eher um eine Heraufbeschwörung der Seelen aus dem Jenseits handelt. Es gibt einige wenige klare Hinweise auf eine ‹Katabasis› in orphischen Kreisen (OF 707–717): 1) ein Werk, in dem Orpheus von seinem Abstieg in die Unterwelt berichtete (OF 708–711); 2) ein Abstieg des Herakles, der eine Einweihung miteinschloss und mög licherweise als Stoff für die Parodie in Aristophanes’ ‹Fröschen› diente (OF 713–716); 3) verschiedene Stellen, die von einer orphischen ‹Katabasis› beeinflusst sein könnten: Aisch. Bassarides (vgl. West 1983 [*239: 12f.], Di Marco 1993 [*346], Molyviati-Toptsis 1994 [*347], Bremmer 2009 [*348]), Verg. Aen. 6 (vgl. Norden 1916 [*344: 5 mit Anm. 2; 21]), und insbesondere die eschatologischen Beschreibungen von Pindar und Platon (OF 61–63; 340–344; 423; 428–435; 439–446; 459–462; 474– 496); 4) eine große Anzahl von Fragmenten der ‹Rhapsodien›, die aus einem Werk dieser Gattung stammen könnten; 5) ein Fragment eines PapyrusCodex, der in Bologna aufbewahrt wird (LloydJones, Parsons 1978 [*345]; OF 717) und ein Gedicht enthielt, in dem Belohnungen und Strafen im Jenseits beschrieben werden und das auffallende
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Übereinstimmungen mit dem 6. Buch der vergilischen ‹Aeneis› aufweist.
2.2. Goldblättchen Eine besondere Erwähnung verdienen die in Gräbern aufgefundenen orphischen Goldblättchen, deren ältestes Exemplar aus Hipponion stammt (etwa 400 v. Chr.), das jüngste aus Rom (3. Jh. n. Chr.). Sie enthalten eine Reihe von möglicherweise aus einer κατάβασις stammenden Anweisungen für den Verstorbenen, was er auf seinem Weg in den Hades tun und sagen soll, um einen privilegierten Status zu erreichen [*356–*361].
2.3. Dichtungen über das ‘orphische Leben’ und über Demeter Die Orphiker vertraten einen gerechten, vegetarischen und anspruchslosen Lebensstil, der sich in den Quellen leicht mit dem pythagoreischen vermischen konnte (Bernabé 2013 [*461]). Sextus Empiricus (Adv. Math. 2,31; 9,15) erwähnt Verse aus einem Gedicht, das anscheinend von Kritias (TGrF 43 F 19) und Moschion (TGrF 97 F 6) parodiert wurde (OF 641–644; Rekonstruktion bei Blomqvist 1990 [*373]). Darin intervenieren Demeter und Persephone, um den ungerechten Lebensstil und den wechselseitigen Kannibalismus der ersten Menschen zu beenden. Landwirtschaft und eine aus Körnern bestehende Diät werden mit der Gerechtigkeit und der Herrschaft der Gesetze identifiziert. Auch andere Dichtungen über Demeter, deren Zahl und Eigentümlichkeiten unter anderem wegen inhaltlicher Berührungen mit der eleusinischen Tradition schwierig zu bestimmen sind, werden einer orphischen Tradition zugeschrieben (vgl. Malten 1909 [*367] und 1909 [*368], Krüger 1938 [*369], Graf 1974 [*370], Richardson 1974 [*371], Sfameni Gasparro 1986 [*372], Bernabé 2008 [*339: 407–412], Graf 2008 [*377: 677–687]). Eines der interessantesten Beispiele findet sich im Papyrus von Berlin (2. Jh. v. Chr.), der eine Prosaerzählung mit zahlreichen Vers-Zitaten enthält, die teilweise mit Versen des homerischen ‹Hymnus an Demeter› identisch bzw. diesen sehr ähnlich sind, während es auf der anderen Seite auch bemerkenswerte Unterschiede gibt (OF 387ff.).
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3. Dichtungen über das Leben in dieser Welt Zur Gruppe der Gedichte über das diesseitige Leben gehören: 1) Werke magischen Inhalts; 2) hymnische Literatur, die in Götterkulten Verwendung fand; 3) ein jüdischer ἱερὸς λόγος, in dem ein einziger Gott postuliert wird; 4) Gedichte über spezifische Riten sowie Orakelsprüche; 5) halbwissenschaftliche Texte; 6) die Argonautika.
3.1. Magie Diverse Funde haben die Anzahl von Beschwörungen (ἐπῳδαί) älteren Datums (5.–4. Jh. v. Chr.) erhöht. In diesen erscheinen Worte der ‘Ephesia grammata’, einer magischen Formel, der große Macht zugeschrieben wurde und die diesen ἐπῳδαί zugrunde zu liegen scheinen. Am ausführlichsten ist der als ‹Getty Hexameters› bekannte Text. Darin lassen sich beachtliche Ähnlichkeiten mit orphischen Mythen und Riten nachweisen, etwa in den Anspielungen, in denen von einem heiligen Bock und von göttlicher Milch die Rede ist, und der großen Bedeutung, die Persephone, Hekate, Demeter und Dionysos zukommt (vgl. Bernabé 2003 [*263], Jordan, Kotansky 2011 [*385], Bernabé, Martín Hernández 2013 [*386]). Es gibt Nachrichten über Zaubersprüche des Orpheus von Euripides’ Zeit an (Eur. Alc. 967ff. = OF 812; Cycl. 646ff. = OF 814) bis hin zu Athanasios (De amulet. PG 26, 1320 mit der überzeugenden Konjektur von Abt; siehe OF 822). Allgemein zu Magie und Orphik vgl. Martín Hernández 2010 [*384].
3.2. ‹Hymnen› Vollständig überliefert ist eine Sammlung von ‹Hymnen› an verschiedene Götter, die Orpheus zugeschrieben wurde. Sie wird gewöhnlich ins 2.–3. Jahrhundert n. Chr. datiert und entstand wahrscheinlich in einem religiösen Kreis in Pergamon. Die Hymnen bestehen aus langen Abfolgen von Epitheta oder Sätzen, die auf die besonderen Merkmale, Funktionen oder Mythen der jeweiligen Gottheit anspielen (Quandt 1955 [*392], Ricciardelli 2000 [*393], Morand 2001 [*394]). Abgesehen von den Hymnen dieser Sammlung wurden in verschiedenen Epochen weitere Orpheus zugeordnet: 1) der bereits erwähnte ‹Hymnus an Zeus›, der in den Theogonien enthalten ist; 2) eine alte Sammlung scheint im Papyrus von Derveni (col. XXII 11; OF 398) erwähnt; 3) Macrobius überliefert einige Verse eines Hymnus, der
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wahrscheinlich im 1. Jahrhundert v. Chr. entstanden ist und in dem eine glänzende Gottheit als Schöpferin des Universums beschrieben wird (Sat. 1,17,42ff. = OF 538–545; Helios, Zeus, Dionysos, Phanes, Hades, Eubuleus und Antauges sind für den Dichter Rufnamen ein und derselben Gottheit, die je nach etymologischen Bedürfnissen gewählt werden; vgl. Ricciardelli 2011 [*395], Sfameni Gasparro 2011 [*396]); 4) Proklos erwähnt einen ‹Orphischen Hymnus an die Zahl› (OF 695– 704), der von anderen Autoren auch Pythagoras zugeordnet wird und in dem jede Zahl mit einer Gottheit identifiziert und mit einem Epitheton und einer göttlichen Fähigkeit assoziiert wurde. Vgl. auch Hinweise auf andere Hymnen in OF 690f.
3.3. Jüdisch-hellenistische Imitation eines orphischen Hieros Logos Spätestens seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. haben sich jüdische Gruppen in Alexandrien von der griechischen Kultur beeinflussen lassen; zu diesen Einflüssen gehörten auch orphische Lehren. Bereits Lobeck 1829 [*192: 445–448] hat auf den jüdischen Ursprung eines Textes hingewiesen, der von verschiedenen christlichen Autoren zitiert oder erwähnt wird und von ihnen ‹Testament› (Theophil. Ant. Autol. 3,2 und Iustin. Monarch. 2,4) oder auch ‹Palinodie› (Ps.-Iust. Cohort. ad Graec. 36,4) des Orpheus genannt wird, da der thrakische Dichter seinen Irrtum anerkennt, an viele Götter geglaubt zu haben, und den Monotheismus verkündet. Der traditionelle Titel ‹Hieros logos› ist aber zu bevorzugen (vgl. Aristobul. 4 Denis = Eus. Praep. ev. 13,12,4), zumal unter dieser Bezeichnung Juden und später die Christen eine prophetische Offenbarung eines Gottes verstanden. Die christlichen Autoren gebrauchen den Text als Waffe gegen die Heiden, da nach ihrer Interpretation der bedeutendste heidnische Theologe den Monotheismus angenommen hat. Die Zitate stammen aus mehr als einer Rezension, doch ist ihre Anzahl umstritten. Riedweg 1993 [*403] reduzierte die fünf von Walter 1983 [*402] vorgeschlagenen Fassungen auf zwei: eine erste, kürzere, die von Ps.-Justin (Markell von Ankyra, nach Riedweg 1994 [*404]), Theophilos und Kyrill überliefert wurde, und eine erweiterte, die Aristobulos bekannt war und von Clemens und Eusebios zitiert wird, die sogenannte ‘Aristobulische Überarbeitung’ (vgl. auch Riedweg 2008 [*409]). Weder die Annahme von Holladay 1996 [*406] einer wei-
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teren Rezension, die zwischen der ursprünglichen und der aristobulischen gelegen hätte, noch die vermittelnden Vorschläge von Jourdan 2010 [*410] erscheinen überzeugend.
3.4. Dichtungen über konkrete Rituale; Orakelsprüche Verschiedene orphische Dichtungen wurden für die Begleitung bestimmter Rituale angefertigt (Jiménez San Cristóbal 2008 [*416]). Ihre philosophische Bedeutung ist minimal, und es sind kaum mehr als ihre Titel überliefert: 1) ‹Thronerhebungen der Mutter› (Θρονισμοὶ Μητρῶιοι, OF 602– 605), die für Rituale zur Thronerhebung der Eingeweihten gebraucht werden konnten; 2) ‹Korybantisches [sc. Gedicht]› (Κορυβαντικόν, OF 610f.), möglicherweise im Zusammenhang mit einem Ritual, das dem von Plat. Euthyd. 277d (OF 602) beschriebenen ähnlich war; 3) ‹Über das Opfer› (Θυηπολικόν, OF 692–694), mit denen wahrscheinlich Opfergaben begleitet wurden; 4) ‹Über das heilige Gewand› (῾Ιεροστολικά, OF 606), was entweder auf die geheiligte Kleidung der Eingeweihten oder auf die Art, wie Götterstatuen bekleidet werden, zielt; 5) ‹Über den Gürtel› (Καταζωστικόν, OF 608), auf die von den Gläubigen getragenen heiligen Gürtel zu beziehen; 6) ‹Über den Tempelbau› (Νεωτευκτικά, OF 612); 7) ‹Schwüre der Eingeweihten› (῞Ορκοι, OF 619f., vgl. OF 614–624). Bei anderen Überschriften, wie ‹Reinigungen› (Καθαρμοί, OF 607), ‹Rituale› oder ‹kosmische Anrufungen› (Κλήσεις κοσμικαί, OF 609), ist zweifelhaft, ob sie tatsächlich existierenden Dichtungen entsprachen. Mit den Namen Orpheus und Musaios werden auch Sammlungen von Orakelsprüchen (OF 806f.) verbunden, außerdem sind Titel von Werken des Orpheus über Praktiken der Wahrsagerei überliefert (OF 804–811).
3.5. Das ‹Lapidarium› und pseudowissenschaftliche Dichtung Auf halbem Weg zwischen Wissenschaft und Magie befindet sich ein Gedicht, das vollständig erhalten ist und wahrscheinlich aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. stammt: das ‹Lapidarium› (Lithica). Es beschreibt die magische Kraft verschiedener Steine und die Art und Weise, wie man diese kontrollieren kann. Eine breite Anzahl ‘wissenschaftlicher’ Gedichte aus der Kaiserzeit über Physik, Heilkunde
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und Astrologie beweist überdies, dass Orpheus zu einem Prestige-Namen wurde, durch den die Qualität verschiedenster Werktypen garantiert werden sollte (vgl. Martín Hernández 2014 [*418]). In erster Linie sind Dichtungen über Astrologie zu erwähnen. Ein unter dem Titel ‹Dodekaeterides› (OF 726–752) bekanntes und einem Orpheus aus Kroton zugeschriebenes Werk beschreibt die zwölfjährigen astrologischen Zyklen, die der Planet Jupiter (Zeus) braucht, um einmal seinen Orbit zu umrunden. Die darin enthaltenen Vorhersagen betreffen den Bereich der Landwirtschaft: Menge und Qualität der Ernten, Dürreperioden, Fruchtbarkeit von Tieren und Menschen oder das Auftreten von Plagen. Die astrologisch orientierten ‹Ephemeriden› (OF 753–767) beschreiben die günstigen und ungünstigen Tage zur Durchführung bestimmter alltäglicher Arbeiten. Die aus einem als ‹Georgica› bekannten Werk (OF 768–776) und aus der Dichtung ‹Über die Flüchtigen› (OF 777) überlieferten Verse stammen nachweislich alle aus einem Gedicht des Maximos (2./4. Jh. n. Chr.), so dass anzunehmen ist, dass dieses Werk in Tzetzes’ Zeit unter Orpheus’ Namen zirkulierte. Sowohl dem Orpheus wie auch Hermes Tris megistos wird in einigen Codices ein kurzes Gedicht von 66 Versen mit dem Titel ‹Über die Erdbeben› (OF 778) zugeschrieben, in dem ihre Folgen unter Berücksichtigung des Moments, in dem sie stattfinden, ausgeführt werden. Zwei Manuskripte überliefern die Paraphrase eines Werks des Orpheus ‹Über Eintritte› (Περὶ ἐμβάσεων, OF 779), d. h. über die Momente, in denen ein Himmelskörper in die Machtsphäre eines anderen oder eines anderen Sternzeichens eintritt. Darin werden die Konsequenzen festgehalten, die der Durchgang eines jeden Planeten durch verschiedene Punkte des Himmels für das menschliche Leben hat. Eine byzantinische Beschreibung eines Orpheus zugeschriebenen Gedichtes ‹Über Anfänge› (Περὶ καταρχῶν, OF 780f.) legt fest, welches der günstigste astrologische Moment ist, um eine Tätigkeit zu beginnen. Von den in der ‹Suda› erwähnten und Orpheus zugeschriebenen Ἀστρολογικά (OF 782) schließlich ist nur der Titel bekannt. Es könnte sich um eine Neukompilierung astrologischer Dichtungen handeln (Ziegler 1942 [*236: 1400]). Erhalten sind ebenso verschiedene Fragmente aus medizinischen Werken, die Orpheus zugeordnet werden (OF 784–799): 1) Gedichte, welche die magische und heilsame Wirkung der Pflanzen be-
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schreiben (OF 784–788); diesen lassen sich vielleicht auch die zwei Pflanzen-Kataloge aus Orph. Arg. 914–923 und 960–962 zur Seite stellen, die aus einem orphischen Herbarium stammen könnten (Vian 1987 [*424: 17]; skeptisch Sánchez Ortiz de Landaluce 1996 [*425: 273]); dagegen beziehen sich zwei Hinweise des Aëtios auf Werke des Orpheus über Pflanzen (OF 790f.) in Wirklichkeit auf Thessalos von Tralleis (1. Jh. n. Chr.), was bedeuten könnte, dass dessen Abhandlung im 6. Jahrhundert n. Chr. unter Orpheus’ Namen zirkulierte; 2) Plinius schreibt Orpheus und Archelaos das Werk ‹Über die private Natur› (OF 792– 794) zu, in dem verschiedene Heilmittel, teils medizinischer, teils magischer Natur, gegen bestimmte Krankheiten beschrieben werden; 3) Galen (De antid. 14,144 K = OF 796) zitiert ein Buch des Orpheus über Gifte; 4) Proklos spielt auf pythagoreische und orphische Lehren über sie-
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benmonatige Frühgeburten an (In Plat. Rep. 2,33,14 Kroll = OF 797). Der Alchemist Agathodaimon schließlich kommentiert einen Orakelspruch des Orpheus (OF 783) und überliefert einige ziemlich korrupte Verse, die wohl einen magischen Ursprung be sitzen.
3.6. Die ‹Argonautika› Die ‹Argonautika› sind kein eigentlich orphisches Gedicht, sondern ein literarisches Übungsstück, in dem die Expedition des Schiffes Argo nach Kolchis erzählt wird, freilich in autobiographischer Form, gleichsam als poetische Erzählung der Ereignisse aus dem Munde des Orpheus; vgl. Vian 1987 [*424], Sánchez Ortiz de Landaluce 2005 [*426], Schelske 2011 [*427].
3. LEHRE
1. Problematik. – 2. Orphik und die ersten Philosophen: 2.1. Kosmogonie; 2.2. Gottesbild; 2.3. Anthropologie sowie Vorstellungen über den Ursprung und die Bestimmung der Seele; 2.4. Richtige Lebensform. – 3. Orphik und Platon: 3.1. Das Göttliche; 3.2. Das Jenseits; 3.3. Die Einweihung; 3.4. Unsterblichkeit und Seelenwanderung. – 4. Aristoteles. – 5. Orphik und die Stoa. – 6. Weitere hellenistische Entwicklungen: 6.1. Kosmogonien; 6.2. Wissenschaftliche Interessen; 6.3. Seelenwanderung; 6.4. Vorstellung von der Gottheit. – 7. Römische Epoche. – 8. Neuplatoniker.
1. Problematik Den Beitrag der Orphik zur Philosophie zu ermessen, ist ein komplexes Unterfangen, und zwar erstens wegen des Mangels an zur Verfügung stehenden Informationen und zweitens, weil es weder eine ‘orphische Orthodoxie’ noch Filter oder Kontrollorgane der religiösen Lehre gab. Diese Lücke erlaubte es, Inhalte verschiedenster Art als Werk des Orpheus auszugeben, was eine ursprüngliche Lehre so verändern konnte, dass es in vielen Fällen unmöglich wird, sie wiederzugewinnen. Zuweilen waren es Philosophen, die orphische Vorstellungen verwendeten, um ihre eigene Lehre zu konfigurieren, wobei diese Art der Assimilation vor allem in der Gestalt des Kommentars oder der Interpretation orphischer Texte erfolgte. Umgekehrt wurden nicht selten philosophische Ideen nicht-orphischer Herkunft aufgegriffen und in orphische Schriften eingearbeitet. Die Richtung der Einflüsse ist nicht immer deutlich zu erkennen, und die Parallelen können ebenso entscheidende Punkte einer Lehre wie auch Details betreffen, in Terminologie, Bildwahl und Diskursform. Jedenfalls gab es im Laufe der Zeit
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vielfältige Wechselwirkungen zwischen der orphischen religiösen Bewegung und der philosophischen Lehre verschiedener Autoren, und es bleibt keine andere Lösung als solche Elemente orphischer Weltanschauung im Spannungsfeld zwischen Religion und Philosophie zu beurteilen. 2. Orphik und die ersten Philosophen Es ist wichtig, das Augenmerk auf den Ursprung dieses Prozesses zu richten. Denn die Situation in römischer Zeit stellt sich eindeutig als Fortsetzung, wenn nicht gar als schlichtes Weiterbestehen jener Entwicklungslinien dar, die in der ältesten Periode vorgezeichnet worden sind. Bereits in den ältesten orphischen Schriften, seien sie nun direkt überliefert oder aus späteren Abhandlungen rekonstruiert, trifft man auf eine Vielzahl unterschiedlicher Vorstellungen, die sich in philosophischen Texten widerspiegeln. 2.1. Kosmogonie Es lassen sich zwei Hauptüberlieferungen unterscheiden: die Kosmogonie des Welteies und jene der Nacht. Beide haben interessante philosophische Weiterentwicklungen erfahren. Über die ältere Fassung der Kosmogonie des Eies ist kaum etwas bekannt, doch wurde vermutet, dass sie Anaximanders Weltentstehung (12 A 10 DK) beeinflusst haben könnte, vgl. Vernant 1962 [*437: 90ff.], Kirk, Raven, Schofield 21983 [*199: 131f.], Luján 2011 [*438]. Die in der Derveni-Theogonie beschriebene Kosmogonie der Nacht weicht in zwei entscheidenden Punkten von der hesiodeischen ab: die Uranos vorausgehende Existenz der Nacht sowie das Verschlingen von Uranos’ Phallos durch Zeus, der so mit der gesamten Welt schwanger geht, um diese aufs Neue in einer rationalen Weise hervorzubringen. Es handelt sich also um eine Kosmogonie in zwei Phasen, wobei einer ersten Verwandlung der Einheit in eine Vielfalt eine zweite von einer Vielfalt zur Einheit folgt. Diese wird vom Dichter mit folgenden Worten beschrieben: «So wurde er [Zeus] ein Einziger» (μοῦνος ἔγεντο: OF 12,4). Diese Formulierung könnte durchaus die Worte οὖλον μουνογενές τε («ganz und einzig geworden») beeinflusst haben, die Parmenides (28 B 8,4 DK) auf «das, was ist», anwendet (vgl. Burkert 1999 [*244: 80], Bernabé 2004 [*470: 130f.]), und sie erinnert ebenfalls an den Sphairos von Empedokles (Betegh 2001 [*469], Megino 2005 [*471]). In der zweiten Phase der Theogonie erscheint Zeus als ein Schöpfer, der einem vorher ausgedachten intelligenten Plan folgt, im Gegensatz zur vorhergehenden Situation, die als ‘chaotischer’ und voll von Gewalttätigkeit und Unordnung angesehen wird. Zeus nimmt durch das Verschlingen von Uranos’ Phallos neben der Macht der Götter auch Uranos’ «Scharfsinn» (μῆτις: OF 11) an. So erwähnt das Gedicht später, dass Zeus die Götter und die physischen Realitäten, die er dann hervorbringt, «ausgesonnen habe» (μήσατο: OF 16,18). Letzteres stellt einen weiteren Berührungspunkt mit Parmenides dar, der eine sehr ähnliche Verbform gebraucht (28 B 13 DK): «Eros dachte er aus (μητίσατο) als
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ersten aller Götter.» Zeus erzeugt, gleichsam als eine eigene Ejakulation, Aphrodite (und die zu ihrem Gefolge gehörigen Peitho und Harmonia), damit sie für die sexuellen Vereinigungen verantwortlich sei und damit die Ordnung der Welt durch neue Geburten fortdauere. Er vervollständigt seinen Plan, indem er sich mit seiner Mutter vereint, und vollzieht so gleichzeitig eine Rückkoppelung in der Generationenfolge. In der Eudemischen Theogonie, die Platon und Aristoteles gekannt und zitiert haben dürften, ist der Handlungsablauf ähnlich, doch wird das Paar Okeanos und Tethys als Kinder von Uranos und Gaia sowie Eltern von Kronos und Rhea hinzugefügt – wahrscheinlich, um die orphische Fassung mit der homerischen (Il. 14,201) in Einklang zu bringen. Unter den schwer einzuordnenden Fragmenten befinden sich neben der ‘Abspaltungstheogonie’, die mit der Abspaltung ein nicht-mythisches Element in die Entwicklung der Welt einführt, auch Nachrichten über ‘modern’ anmutende Vorstellungen, die von Orphikern und Pythagoreern geteilt wurden: Es sind dies die Lehren, dass jeder Himmelskörper eine eigene Welt darstellt, dass die Erde von Luft umhüllt (OF 30) und dass der Mond eine Art im Aither schwebende Erde ist (OF 155). Von größerem philosophischem Interesse ist der im Derveni-Papyrus enthaltene Kommentar zu einem alten orphischen Gedicht. Es handelt sich um eine im eigentlichen Sinne philosophische Kosmogonie. Der Autor stellt diese freilich nicht als eigenständigen Vorschlag, sondern bloß als eine Interpretation des authentischen Sinns des Gedichts des ‘Orpheus’ dar, das er Zeile für Zeile kommentiert. Er tut dies aus der Überzeugung, dass es sich bei den Versen in Wahrheit um eine philosophische Weltentstehungslehre handle, Orpheus diese Botschaft jedoch mit Absicht rätselhaft verborgen habe, damit sie nicht allen ohne Weiteres zugänglich sei (P. Derveni XIII 5f.; XXV 12f.). Gemäß dem Kommentator wird kein einziger der Götter geboren, da Uranos, Kronos und Zeus nur andere Namen für eine kosmische Intelligenz (Νοῦς) sind, die verschiedene Formen annimmt. Einem spezifisch post-parmenideischen philosophischen Schema folgend, erklärt er, dass τὰ (ἐ)όντα («die seienden Dinge»), die er als einen Verbund von nicht erschaffenen und nicht zerstörbaren materiellen Partikeln beschreibt, der Wirkung einer «intelligenten Luft» (Νοῦς-ἀήρ, laut ihm die eigentliche Natur des Zeus) unterworfen seien. Dank dieser verbinden sie sich zu τὰ νῦν (ἐ)όντα («die jetzt seienden Dinge»: P. Derveni XVI; XVII), die, da es sich um zusammengefügte Wesen handelt, getrennt oder zusammengesetzt werden können. Die Generationenfolge der Götter entspräche demnach verschiedenen evolutiven Stadien der Materie, und zwar gemäß folgenden Entsprechungen (vgl. Bernabé 2013 [*439]): 1) Die Phase, in der einzig die Nacht existierte, bevor Uranos geschaffen wurde, entspricht einem vorkosmischen Zustand, in dem es nur ein dunkles Gemenge der existierenden Dinge gab, in dem sich nichts vom Rest unterschied. 2) Die Herrschaft des Uranos symbolisiert die Zunahme von Licht, Wärme und Luftanteil durch Uranos (als «abgrenzende Intelligenz» [ὁρίζων Νοῦς] etymologisiert), so dass die existierenden Dinge sich zu unterscheiden beginnen und «schweben» (αἰωρεῖται).
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3) Die Herrschaft des Kronos wird gedeutet als Konzentration des Feuers durch die Entstehung der Sonne (die mit dem Phallos des Uranos identifiziert wird). Kronos, als «zusammenstoßende Intelligenz» (κρούων Νοῦς), gebraucht dieses Feuer, um zu bewirken, dass die existierenden Dinge heftig aufeinanderstoßen. 4) Die Herrschaft des Zeus, die lediglich eine andere Manifestation von Νοῦςἀήρ darstellt, bezeichnet eine Phase, in der die «intelligente Luft» die Sonne umhüllt und abtrennt, was ermöglicht, dass die existierenden Dinge miteinander kombiniert werden und jene Dinge hervorbringen können, die jetzt existieren. Aphrodite, Peitho (Überzeugung) und Harmonia sind Arten, durch welche die «intelligente Luft» auf die Partikel einwirkt, damit diese sich untereinander vereinen und die aktuelle Ordnung der Dinge bilden können. 5) In P. Derveni XVII 6–9 wird eine (zyklische) Rückkehr zur Anfangssituation vorausgesetzt, in der die Partikel aufs Neue schweben, wie unter der Herrschaft des Uranos (Betegh 2004 [*286: 259]; angezweifelt wird dies grundlos von Kouremenos in Kouremenos, Parássoglou, Tsantsanoglou 2006 [*287: 222]). 2.2. Gottesbild Der Hymnus an Zeus aus dem Derveni-Papyrus (XVII 12 = OF 14: Ζεὺς κεφαλή, Ζεὺς μέσσα, Διὸς δ᾿ ἐκ πάντα τέτυκται) beschreibt den Gott als «Haupt», weil er regiert und die (neue) Weltordnung initiiert, und «Mitte», weil er eine zentrale Position in der Theogonie einnimmt. Der Satz «Durch Zeus ist alles perfekt angeordnet» präsentiert das Universum als wohlgegliedertes Kunstwerk und Zeus als dessen Künstler. Auch wird er «Atem von allem» (πνοιὴ πάντων) genannt, was ihn als eine Art Luft bestimmt, die alles belebt – eine Vorstellung, wie sie ähnlich auch Anaximenes (B 2 DK) oder Diogenes von Apollonia (fr. 9 Laks) formulierten. Er wird mit dem Schicksal identifiziert, insofern er der Herr der Zeit und Urheber aller Dinge ist. Aus all diesen Gründen wird er als souveräner «Herrscher über alle Dinge» bezeichnet. 2.3. Anthropologie sowie Vorstellungen über den Ursprung und die Bestimmung der Seele Ältere Zeugnisse belegen die Existenz von orphischen Theorien über Ursprung und Bestimmung der Seele, wobei diese untereinander divergieren. 1) Ein nicht datierbares Fragment (OF 436) ordnet Orpheus die Idee zu, die auch in einigen alten Grabinschriften (z. B. IG I3 1179 = CEG 10,6 Hansen; Inscr. sep. Pirae. ca. 350 v. Chr. = 535 Hansen) zu finden ist und der gemäß die Seele aus Aither besteht und nach dem Tod des Körpers wieder zu diesem zurückkehrt. Eine solche Vorstellung ist nicht vereinbar mit den zwei folgenden: 2) Nach Aristoteles (De an. 410b27, vgl. Vett. Val. 317,19 Pingree = OF 422) nahmen die Orphiker an, dass die Seele mit der Luft eingeatmet wird (Gagné 2007 [*338] glaubt, dass diese Idee aus der orphischen Physik stammt). Beachtung verdient freilich, dass er an anderer Stelle eine ähnliche Theorie den ‘pythagoreischen Mythen’ zuschreibt (De an. 407b21). 3) Eine große Zahl von Texten betrachtet eine bestimmte Theorie der Metempsychose als orphisch: Die Seele ist unsterblich, existiert vor ihrem Aufenthalt
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in einem sterblichen Körper und lebt nach dessen Tod weiter. Sie muss eine Art Schuld abbüßen, und ihr Schicksal im Jenseits hängt von gewissen Taten ab, die während der aufeinanderfolgenden Existenzen in verschiedenen Körpern ausgeführt wurden. Schon Herodot (2,123 = OF 423) erwähnt eine Theorie der Seelenwanderung, deren Ursprung er irrtümlich in Ägypten ansiedelt. Dem fügt er hinzu, dass «gewisse Griechen, einige früher, andere später, diese Theorie übernommen haben, als wäre sie ihre eigene», aber er nennt keine Namen. Es wird diskutiert, um wen es sich handelt, doch gilt die Meinung von Burkert 1972 [*456: 126 Anm. 38] als die wahrscheinlichste, wonach Herodot sich auf Pythagoras und Empedokles beruft; vorausgesetzt wird dabei, dass Pythagoreer und Orphiker für ihn dasselbe sind. Ein Graffito auf einem kleinen Knochenplättchen aus Olbia am Schwarzen Meer (dazu [*254–*256]), das ins 5. Jahrhundert v. Chr. datiert wird (OF 463) und auf dem βίος, θάνατος, βίος | ἀλήθεια | Διό(νυσος) ᾿Ορφικοί («Leben-Tod-Leben, Wahrheit, Dionysos, Orphiker») zu lesen ist, verkündet eine Lehre, die anscheinend in einer Gruppe von Personen, die sich als Schüler des Orpheus und Verehrer des Dionysos betrachteten, entstanden ist, und postuliert ein wahrhaftes Leben nach dem Tod – im Gegensatz zum ‘falschen Leben’, das wir normalerweise als das wirkliche ansehen. Auch Diogenes von Oinoanda (fr. 40 Smith = OF 427) schreibt die Seelenwanderung Orphikern und Pythagoreern zu. Aber es ist vor allem Platon, der ebenso alte wie wertvolle Informationen über die orphischen Lehren überliefert, von denen er einige in sein eigenes System einfügt (vgl. unten). In Men. 81a (OF 424) erklärt er, dass Pindar sowie gewisse sachkundige Priester und Priesterinnen behaupteten, die Seele des Menschen sei unsterblich; sie verschwinde bisweilen, was man Sterben nenne, und erscheine dann wieder aufs Neue, gehe indes nie zugrunde. In Phaed. 70c (OF 428) führt er eine alte Erzählung an, nach der sich die Seelen der Verstorbenen dort (im Hades) aufhielten, nachdem sie «von hier dorthin übergesiedelt seien» (ἐνθένδε ἀφικόμεναι ἐκεῖ); doch sie kämen von den Verstorbenen wieder zurück und würden wiedergeboren. Nach Olympiodoros In Phaed. 10,6 und Damaskios In Phaed. 1,203 handelt es sich dabei um eine orphische Erzählung. Während ihres irdischen Aufenthalts ist die Seele im Körper ‘begraben’ (σῶμα, σῆμα, vgl. Plat. Crat. 400c und Gorg. 493a = OF 430). Diese Theorie berührt religiöse Glaubensvorstellungen, denn es wird behauptet, dass die Eingeweihten (die Gerechten in Rep. 363c; vgl. Plut. Comp. Cim. et Luc. 1,2) im Hades mit einem Bankett für die Gerechten belohnt würden (Aristoph. fr. 504 KA = OF 432) und bei ihrer Wiedergeburt in ein neues Leben Wein erhielten (Goldblättchen von Pelinna, 4. Jh. v. Chr. = OF 485, vgl. Bernabé, Jiménez San Cristóbal 2008 [*359: 84–89]), während die nicht Eingeweihten schreckliche Strafen zu bezahlen hätten (Plat. Ep. 7, 335a = OF 433 I; Rep. 330d = OF 433 III): Beispielsweise müssen sie im Hades im Sumpf waten oder Wasser mit einem Sieb schöpfen (Rep. 363d und Gorg. 493a = OF 434). Ein komplexeres Bild, das wilde Tiere, Verbrennungen durch Fackeln der Furien und weitere Qualen aller Art mit einbezieht, findet man in [Plat.] Axioch. 371d. Darauf, dass 2) und 3) wohl miteinander vereinbar waren, deutet Greg. Naz. Carm. arcana 7,23 hin, der beide Ideen derselben Lehre zuordnet (vgl. Herrero de Jáuregui 2007 [*521]).
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2.4. Richtige Lebensform In Übereinstimmung mit der Seelenwanderungslehre und vor allem auch mit dem Postulat einer Schuld, die gesühnt werden müsse, schlugen die Orphiker einen Lebensstil vor, der die Möglichkeit bieten sollte, rein zu bleiben und so früh wie möglich die Erlösung zu erlangen. Schon Euripides (Hipp. 952ff. = OF 627) legt Theseus in den Mund, sein Sohn Hippolytos sei ein Anhänger des Orpheus, da er nur «unbeseelte» Nahrung (ἄψυχα) zu sich nehme und «die bakchische Extase pflege» (βακχεύει). In Cret. 472 Kannicht = OF 567 präsentiert er kretische Priester, die sich selbst βάκχοι nennen, den Kontakt mit Zeugung und Tod meiden und sich aller ἔμψυχα enthalten, wobei sie weiße Kleidung tragen (vermutlich aus Leinen). Herodot 2,81 und Apuleius Apol. 56 (= OF 650f.) erwähnen das Verbot der Orphiker und Pythagoreer, Kleidung aus Wolle zu tragen. Platon (Leg. 782c = OF 625) spricht von «orphischen Lebensformen», wozu die Verrichtung von reinen Opfern gehörte, d. h. von Opfern, die nicht den Tod eines beseelten Wesens herbeiführten, vgl. Pugliese Carratelli 1990 [*240: 403–419]. Die Orphiker (OF 648) teilen mit den Pythagoreern (Call. fr. 553 Pfeiffer; D. L. 8,19) und mit Empedokles (31 B 141 DK) auch das Verbot, Bohnen zu essen. Zu diesen Bräuchen vgl. allgemein OF 625–652 und Bernabé 2013 [*461]. 3. Orphik und Platon Auch wenn Platon bestimmten Aspekten der Orphik kritisch gegenübersteht, nimmt er in sein System doch auch einige Elemente auf. Dies muss hier deswegen erörtert werden, weil die von Platon akzeptierten Punkte in späteren philosophischen Lehrgebäuden, insbesondere des Neuplatonismus, eine zentrale Rolle spielten (Casadesús 2008 [*481], Bernabé 2011 [*482]). 3.1. Das Göttliche Von der Eudemischen Theogonie übernimmt Platon die Abfolge der Götter in Tim. 40d (OF 21 und 24) sowie in Leg. 715e (OF 31 III, 32 I) das Bild des Zeus als Ursprung und Zentrum, mit der Gerechtigkeit als πάρεδρος, die über alles wacht und das Fehlverhalten der Menschen straft; vgl. Casadesús 2002 [*445]. 3.2. Das Jenseits Die Literatur der κατάβασις bzw. einer Heiligen Rede (ἱερὸς λόγος) scheint die Bildwelt der eschatologischen Mythen Platons maßgeblich geprägt zu haben (Bernabé 2013 [*483]).
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3.3. Die Einweihung Obwohl er die τελεταί («Einweihungen») als lächerlich, unnütz und sogar als schädlich einschätzt, sieht er in ihnen, im übertragenen Sinne, auch Modelle für seine Idee, die Philosophie – wohl im Anschluss an Parmenides – als eine Einweihung zu konzipieren (initiatorisch ist auch das Höhlengleichnis, Rep. 7, 514aff.). So geht er sogar so weit, die Philosophen als die «wahrhaftig Eingeweihten und Bakchen» zu bezeichnen (Phaed. 69c). 3.4. Unsterblichkeit und Seelenwanderung Eine besonders tiefe Spur hat orphisches Gedankengut in Platons Adaptation der Unsterblichkeits- und Seelenwanderungslehre hinterlassen (in diesem Bereich trug Platon in der Folgezeit hauptsächlich zur Verbreitung orphischer Ideen bei). Platon war sich bewusst, dass eine Eschatologie, die Strafen im Jenseits vorsieht, ein großes Abschreckungspotential unter den Bürgern haben und Verbrechen verhindern konnte. Dieses Potential freilich würde beeinträchtigt, falls die Untaten, wie von den Orphikern versprochen, mithilfe eines schlichten Rituals gesühnt werden könnten. Platon führt daher eine tiefgreifende Remodellierung der orphischen Vorlagen durch. Er ersetzt die ursprüngliche Schuld durch den Mythos der zwei Pferde des Seelengespannes (Phdr. 245cff.) und verkündet, dass sich die Seele reinkarniert und während ihrer Zeit auf dieser Welt in einem Körper aufhält, der für sie nicht ein Grab darstellt, sondern ein Gefängnis, dessen Ketten die Begierden sind. Daher weist er die orphische Etymologie des σῶμα σῆμα («der Körper ist ein Grabmal») zurück (Crat. 400c) und modifiziert sie in dem Sinne, dass σῶμα ein nomen actionis von σῴζω, mithin die «Rettung» der Seele ist. Aus einer vermutlich süditalischen Tradition, die auch Empedokles und Pindar bekannt war, übernimmt er außerdem die Vorstellung, dass es eine Hierarchie der Wiedergeburten gebe (Phdr. 248d). Vor allem aber hebt er hervor, dass die Erlösung nicht durch Rituale und das Befolgen von Tabus bewirkt werde, sondern durch ethisch-moralisch untadeliges Verhalten und die Ausübung der Philosophie, die als Reinigung verstanden wird. 4. Aristoteles Aristoteles erwähnt nur wenige Male orphische Lehren (vgl. Megino 2008 [*489]), so etwa in der Anspielung auf die Theologen, die in der Nacht den Ursprung sehen (Metaph. 1071b26, 1091b4 = OF 20), in den Hinweisen auf die Theo rien, dass sich die Welt wie die Verknüpfungen eines Netzes bilde (De gen. anim. 734a6 = OF 404) und dass die Seele mit der Luft eingeatmet werde (De an. 410b27 = OF 421), oder in der Vorstellung, dass die Seele zur Strafe an den Körper gebunden sei (fr. 60 Rose = OF 430).
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5. Orphik und die Stoa Den Beziehungen zwischen Orphikern und Stoikern ist bis vor kurzem wenig Beachtung geschenkt worden; erst in einigen jüngeren Studien (Casadesús 2008 [*494], Brisson 2010 [*495], gegen Betegh 2007 [*493]) finden sie die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Aus diversen Nachrichten (OF 1133) geht das Bestreben einiger Stoiker wie Chrysipp hervor, zu beweisen, dass bereits die Orphiker einige für die Stoa fundamentale Lehren vertreten hätten, vor allem in der Erklärung der Struktur der Natur und des Kosmos, die ausgeht von Gott, dem Logos und dem Feuer, aus deren Verbindung ein göttliches Wesen entsteht, das mit Zeus, dem höchsten Führer, der das Universum rational leitet, identifiziert wird. Auch scheint es, dass die Stoiker orphische Lehren weiterentwickelten, indem sie die Existenz eines einzigen Gottes annahmen, dessen verschiedene Namen nur wechselnde Benennungen seien (ähnlich bereits der Derveni-Kommentator, dessen Rolle als Vorreiter stoischen Gedankenguts auch von Casadesús 2008 [*494] und 2010 [*496] hervorgehoben wird). Ferner setzen einige Stoiker eine methodologische Vorgehensweise fort, die, wenn auch nicht ausschließlich orphisch, so doch oft von den Orphikern angewandt wurde: die Zuhilfenahme von Etymologien, um die Realität zu erklären. Schließlich interpretieren sie Szenen und Bilder orphischer Dichtungen nach den ihrem System eigenen physischen Begriffen und teilen mit den Orphikern Aspekte einer Seelentheorie und das Interesse für Rituale und Wahrsagerei. Sehr aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass einige orphische Verse von Clemens von Alexandrien als heraklitische Plagiate des Orpheus zitiert werden, in denen die Elemente mit einer Theorie über die Seele in Verbindung gebracht werden (OF 437): Vermutlich stammen sie aus einem späten Werk, das vom Denken der Stoa, das seinerseits durch Heraklit inspiriert worden ist, geprägt ist und nicht umgekehrt. Auch ordnet Hippolyt (Ref. 1,21,3, vgl. Chrysipp, SVF II, fr. 807) den Stoikern eine Theorie über das Einatmen der Seele mit der Luft und über die Seelenwanderung zu, die orphische Wurzeln zu haben scheint und mit der begrenzten Zahl der Seelen begründet wird. 6. Weitere hellenistische Entwicklungen 6.1. Kosmogonien In den orphischen Kosmogonien aus hellenistischer und römischer Zeit finden sich einige aus philosophischer Sicht interessante Neuerungen. Nach der Theogonie des Hieronymos und Hellanikos entsteht die Welt im Gegensatz zu den älteren Kosmogonien nicht aus einer Gottheit (pace Jaeger 1947 [*221: 220 Anm. 57], West 1983 [*239: 184ff.]; cf. Bernabé 1994 [*305: 95ff.]), sondern aus einem Element, dem Wasser, das zu Lehm gerann. Dieser Vorschlag eines Urwassers erinnert an Thales von Milet (11 A 12 DK), die Gerinnung als Umwandlungsprozess an Anaximenes (13 A 5 DK) und der ursprüngliche Lehm
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an Anaximander (12 A 30 DK). Philosophisch interessant ist weiter der Einschluss der personifizierten Zeit in die Theogonie, auch wenn sie mit ihrer monströsen Erscheinung dem Mythos näher steht. Zeit war auch eine ursprüngliche Wesenheit in der Theogonie des Pherekydes (vgl. Pherekyd. 14 Schibli, der ihr dieselbe Ewigkeit wie Zeus und Chthonia zuspricht). Das orphische Konzept von Zeit scheint orientalische Vorbilder aufzuweisen, was ähnlich auch für Phanes gilt (vgl. Bernabé 2003 [*263: 93ff.]). Die Vereinigung der Zeit mit Ananke symbolisiert die Entstehung der geordneten Zeit und erinnert an einen bekannten Passus des Anaximander (12 B 1 DK: «nach Notwendigkeit […] nach der Anordnung von Zeit»). Die Rhapsodien kombinieren eindeutig die beiden alten Kosmogonien der Nacht und des Welteis. Über ihren Beginn finden sich interessante Informationen in zwei Werken der Pseudo-Klementinen, die irrtümlich Clemens von Rom zugeschrieben wurden. Kern 1922 [*197: fr. 55f.] wies diese Nachrichten der Theogonie des Hieronymos und Hellanikos zu; ihm folgte Brisson 1995 [*241: IV 2897– 2914]. Dagegen hält es West 1983 [*239: 266], einem Vorschlag Burkerts folgend, für wahrscheinlicher, dass es sich um eine Ableitung aus der Fassung der Rhapsodien handelt; eine Meinung, die von Bernabé 2008 [*504] mit neuen Argumenten untermauert wird. Für Roessli 2008 [*505] wiederum steht sie der Fassung der Rhapsodien zwar näher als jener des Hieronymos und Hellanikos, weist allerdings kleine Differenzen ihr gegenüber auf. Es handelt sich dabei um einen interessanten Fall eines Dialogs zwischen Dichtung und Philosophie. Die in den Rhapsodien beschriebene Kosmogonie scheint im Interesse einer Angleichung an philosophische Prämissen bereits etwas entmythologisiert zu sein, doch die Personen, die an diesem in den Pseudo-Klementinen beschriebenen Dialog beteiligt sind, wählen ihrerseits Material verschiedener Art aus und interpretieren es je nach ihrem Lehrstandpunkt. Apion versteht das Gedicht als physikalische Allegorie. Beim Verweis auf den ursprünglichen Zustand des Universums (Ps.-Clem. Rom. Homil. 6,3,1) versucht er, die Aussagen Hesiods mit denen des Orpheus in Übereinstimmung zu bringen, indem er das hesiodische Chaos mit dem orphischen Weltei identifiziert. Nach Niketas hingegen, der ebenfalls Orpheus und Hesiod gleichsetzen möchte, entspricht das Chaos dem ursprünglichen Zustand, der in Orpheus’ Beschreibung der Bildung des Welteis vorausging (Rufin. Recognit. 10,30,3 = OF 104 II). In jedem Fall wird die Urmaterie von beiden als ein wirres Durcheinander beschrieben (Apio in Ps.-Clem. Rom. Homil. 6,4,1 = OF 104 I; Niketas in Rufin. Recognit. 10,30,3), worin sie mit einem weiteren orphischen Fragment (OF 106) übereinstimmen: «Alles war undifferenziert inmitten eines finsteren Nebels.» Im Gegensatz zur Nacht als mythischer Mutter des Uranos in der Derveni-Theogonie stellt der Dichter eine dunkle und konfuse Materie vor; er folgt darin einer bis auf Anaxagoras (59 B 1 DK) oder Demokrit (68 A 57 DK) zurückgehenden philosophischen Tradition, die auch der Kommentator der Derveni-Theogonie teilt. Apion präzisiert zudem, dass die unförmige Materie aus vier Elementen bestand, die auch sonst in orphischen Quellen wiederholt genannt werden, so im Hymnus an Zeus in den Rhapsodien (OF 248,8): Um zu erklären, dass Zeus die gesamte Welt umfasst, werden «Feuer, Wasser, Erde und Aither» erwähnt; in einer früheren Fassung des
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Hymnus (OF 31,5–6) werden die Elemente dagegen noch auf eine weniger eindeutige Weise vorausgesetzt, indem vom «Atem» (πνοιή), dem Feuer, dem Meer und, an Stelle der Erde, von der Sonne und dem Mond gesprochen wird. Der Hinweis auf die Elemente stellt einen philosophischen Blick auf den Ursprung der Dinge dar, den man vor allem bei Empedokles, aber auch bei Heraklit findet. Hinzuzufügen ist, dass die in den Pseudo-Klementinen vorgeschlagene Identifikation der uranfänglichen Konfusion mit dem Chaos (auch von Ov. Met. 1,7–9 wiederholt) am Anfang der Bedeutung von Chaos als ‘Durcheinander’ steht, die das Wort heute hat, während es bei Hesiod eine Art Öffnung oder Kluft bezeichnete. Die Bildung des kosmischen Eies wird in Ps.-Clem. Rom. Homil. 6,4,2 (OF 114) beschrieben, als wäre dieses durch ein πνεῦμα («Hauch») befruchtet worden, etwa so wie sich eine Blase in einer Flüssigkeit bildet – erneut ein Bild, zu dem es Parallelen bei vorsokratischen Philosophen wie Demokrit (68 B 5 DK) oder Anaxagoras (59 A 45 DK) gibt. Der orphische Text hatte also in seine bildliche Darstellung der Anfänge typisch philosophische Elemente eingeführt, die Clemens, Apion und Niketas mit den Ansichten Hesiods, aber auch mit denen vorsokratischer Philosophen in Einklang zu bringen suchen, von denen sie Sprache und Ausdrucksweise übernehmen. Zudem fügen sie eigene allegorische Interpretationen hinzu, auch wenn sie im Wesentlichen dem Original recht getreu folgen. 6.2. Wissenschaftliche Interessen Der Dichter der Rhapsodien zeigt ebenfalls Interesse an zeitgenössischen wissenschaftlichen Fragen. So beschreibt er das von Phanes den Menschen des goldenen Geschlechts zugewiesene Gebiet der Erde als einen Ort, «an dem die zentrale Achse der Sonne geneigt sich dreht, nicht zu kalt über ihren Köpfen, nicht zu heiß, sondern lauwarm» (OF 190). Ähnliche Formulierungen finden sich in Arist. Meteor. 343a8 (= Hippokrat. v. Chios 42 fr. 5 DK) und 362b; D. L. 4,58 (= Bion Abder. 77 fr. 1 DK); Plat. Phaed. 108eff.; Xen. Anab. 1,7,6; Aët. Plac. 4,1,7; Diod. 1,40,1 (= Eudoxos fr. 288f. Lasserre); Hipp. De victu 2,38 (vgl. West 1983 [*239: 210f.], der darauf hinweist, dass die Terminologie eher für einen Geographen als für einen Dichter charakteristisch sei). 6.3. Seelenwanderung In den Rhapsodien wird die Theorie der Metempsychose weitergeführt und vertieft, wenn es heißt, dass «dieselben Väter und Söhne sind […], weil die einen von den anderen geboren werden», und dass «die Seele sich in verschiedene Tiere inkarniert» (OF 338), oder präzisiert wird, dass, wenn ein Tier stirbt, seine Seele nicht in den Hades geht, sondern in der Luft fliegt, «bis von ihr ein anderes Wesen Besitz ergreift, vermengt mit den Stößen des Windes». Die Seele der Menschen hingegen führt Hermes Kyllenios in den Hades (OF 339). Ebenso werden auch die unterschiedlichen Arten der Behandlung beschrieben, welche die Seelen im Jen-
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seits erfahren und die von ihrem Verhalten in dieser Welt abhängig sind, insbesondere was Reinheit und Gerechtigkeit betrifft (OF 340). 6.4. Vorstellung von der Gottheit In der Theogonie von Hieronymos und Hellanikos verwandelt das Verschlingen des Erstgeborenen Phanes Zeus in eine Art Abbild des Universums (daher erhält er den Namen Pan, ein Wortspiel mit dem Namen des Gottes Pan und dem griechischen Wort πᾶν «alles»), was eine Art pantheistische Weltanschauung und die Rückkehr aus der Vielfalt zur Einheit andeutet (siehe oben). Besonders innovativ ist die Vorstellung von der Gottheit in der erweiterten Fassung des Hymnus an Zeus in den Rhapsodien. Darin weist der Dichter nicht nur darauf hin, dass die Welt einmal im Innern des Zeus existierte, sondern postuliert, dass sie jetzt Zeus selbst ist, d. h. dass die Welt mit dem Körper des Zeus gleichzusetzen ist: Sein Kopf ist der Himmel, seine Haare sind die Sterne, seine zwei Hörner Sonnenaufgang und -untergang, seine Augen die Sonne und der Mond, und seine Intelligenz, die ihn allwissend macht, der Aither. Seine Schultern, Brust und Rücken sind die Luft, sein Bauch die Erde, seine Hüfte das Meer und sein Unterleib der Tartaros (vgl. zu dieser klar pantheistischen Theologie Bernabé 2010 [*446]). Alle Epitheta betonen die souveräne Macht der Gottheit und ihre Ewigkeit. Anders und ohne Zweifel vom jüdischen Entstehungskontext beeinflusst (vgl. Riedweg 1993 [*403: 55ff.]) sind die Züge, mit denen die Gottheit in der jüdischen Imitation eines Hieros Logos dargestellt ist. Orpheus enthüllt dem Musaios Gott als einzigen, in sich vollkommenen, als Quelle aller anderen Wesenheiten, dessen Kraft die ganze Welt erfüllt. Er ist unsichtbar, aber seine Göttlichkeit ist erkennbar durch seine Werke. Er selbst sieht alles, und von ihm stammt alles Gute. In der zweiten Fassung werden zudem Abraham und Mose erwähnt. Gott erscheint als «Gestalter» (τυπωτής) der Welt (im Sinne des platonischen ‹Timaios›), der die schon vorher existierende Materie formt. Anstatt der Welt innewohnend, wie in der ersten Fassung, ist er nun transzendent – eine Gottesanschauung, die sich in vielen Punkten mit der kosmischen Theologie des Aristoteles zugeschriebenen Werks ‹De mundo› berührt (vgl. Riedweg 1993 [*403: 89ff.], Radice 21995 [*405: 92, 121ff.], Riedweg 2008 [*409]). Gott lenkt die Welt mit seinem Geist, wobei er nicht der Urheber des Bösen ist. Dessen Ursprung liegt vielmehr in der menschlichen Verantwortung: Das Böse entsteht, wenn der Mensch das göttlich-kosmische Gesetz, welches das Universum regiert, bricht. 7. Römische Epoche In der römischen Epoche verwandelt sich die mythische Figur des thrakischen Dichters – als Träger einer inspirierten und unmittelbar gegebenen theologischen Weisheit – in einen Referenzpunkt und ein Modell für das philosophische Denken. Was Plutarch über die Pythagoreer sagt, gilt ähnlich auch für den so konzipierten Orpheus (fr. 202 Sandbach): «Nichts ist so charakteristisch für die pythagoreische
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Philosophie wie das Symbolische; eine Lehrform gemischt aus Stimme und Schweigen, wie in den Ritualen. Daher wird nicht gesagt: ‘Ich werde für Wissende singen; schließt die Türen, Unwissende’, sondern was sie bedeuten, ist hell und klar für diejenigen, die mit ihnen bekannt sind, dunkel und sinnlos dagegen für die, welche es nicht sind.» Plutarch (De Pyth. or. 402e) präsentiert Orpheus als Philosophen in Versen (OF 1021 I) und nimmt, einer durch den Kommentator des Derveni-Papyrus initiierten Tendenz folgend, an, dass die ‘alte Philosophie’, der Orpheus zugehört, mittels Rätseln erläutert werde (vgl. De E 389a; Symp. 635e; De esu i 996a, und vor allem fr. 157 Sandbach, wo Plutarch behauptet, dass «die alte Philosophie zwischen Griechen und Barbaren eine durch Mythen verdeckte Diskussion über die Natur war»). Andere Autoren äußern sich ähnlich: Julian (Or. 7,10 = OF 1021 II) versteht Orpheus als einen durch die Gottheit inspirierten Philosophen, Lukian (Fugit. 8 = OF 1021 VI) lässt die personifizierte Philosophie selbst aussprechen, dass sie den Spuren verschiedener Weiser, so auch des Orpheus und des Eumolpos gefolgt sei, und auch Clemens (Strom. 1,15,66,1 = OF 1021 III) erwähnt ihn als einen der ältesten Philosophen und Weisen Griechenlands. Eine Ausnahme von dieser weit verbreiteten Einschätzung stellt Diogenes Laertios (1,5 = OF 1021 IV und 8 III) dar, der Orpheus wegen des von ihm gezeichneten Bildes der Götter nicht als Philosophen bezeichnet. Daraus ist zu schließen, dass er eine allegorische Deutung der Orphica offenbar ablehnte. 8. Neuplatoniker Wahrscheinlich hat niemand mit größerem Interesse die Aufnahme orphischer Lehrinhalte in das Gebiet der Philosophie verfolgt und vorangetrieben als die Neuplatoniker. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Äußerung des Autors der ‹Prolegomena› zur Philosophie Platons (Elias? Anon. Prol. philos. Plat. 7 = OF 1021 V), der von einer «dichterischen philosophischen Schule» spricht, deren Anführer Orpheus, Homer, Musaios und Hesiod waren. Bereits Hierokles widmet das fünfte Buch seines Werks ‹Über die Vorsehung› der Verteidigung der Auffassung, dass Orpheus und Homer Vorläufer des Pythagoras gewesen seien. Auf der Grundlage dieser Überlegung, dass Orpheus eigentlicher Ursprung und Fundament der platonischen Lehre darstellt, sammeln und untersuchen die Mitglieder der neuen Athener Schule, die von Plutarch von Athen zu Beginn des 5. Jahrhunderts n. Chr. wiedereröffnet und von Proklos’ Lehrer Syrianos weitergeführt wurde, die orphischen Schriften, wobei sie diese im Lichte ihrer eigenen philosophischen Methodik interpretierten (Saffrey 1992 [*511]). Die Seminare über Orpheus machten einen bedeutenden Teil des Unterrichts aus; das Gleiche gilt für die ‹Oracula Chaldaica› sowie weitere Schriften, die durch die vorherrschende ‘theologische’ Orientierung der Philosophie besonders hochgeschätzt wurden. Proklos situiert die griechische Mystagogie im Bereich der τελετή («Einweihung in die Mysterien»), wobei er die Idee der Initiation in Mysterien in dem Sinne entwickelte, dass er darin einen Schritt von einem niedrigeren Erkenntnisgrad zu einem höheren im Rahmen einer Konversion sah. Dank Marinos (Vit. Procl.
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18,24, p. 22 Saffrey-Segonds) ist bekannt, dass Proklos diese Vorstellungen auch in seinem täglichen Leben zu realisieren versuchte: «Und so weit wie möglich nach dieser Tugend lebend, praktizierte er jeweils, was der Seele die Trennung vom Körper erlaubte (ταῦτα πράττων ἑκάστοτε, ἀφ᾿ ὧν τὸ χωρίζεσθαι συμβαίνει τῇ ψυχῇ); Tag und Nacht griff er auf Beschwörungsformeln, Besprengungen und andere Reinigungen zurück, orphische oder chaldäische, und er ging jeden Monat ohne Zögern ins Meer, manchmal zwei- oder dreimal im selben Monat.» Der Bedeutung entsprechend, die Orpheus im Neuplatonismus zugestanden wird, gibt es eine Vielzahl von Orpheus-Zitaten in Proklos’ oder Damaskios’ Kommentaren zu den platonischen Dialogen. Sie werden als die Grundpfeiler der platonischen Lehre interpretiert (vgl. Brisson 1995 [*241]) oder sogar als eine Art letzten Ursprungs der griechischen Philosophie und Theologie überhaupt angesehen. In Übereinstimmung mit diesem Prinzip versuchen die Autoren, die orphischen Rhapsodien mit dem neuplatonischen System in Einklang zu bringen (vgl. detaillierter Brisson 1995 [*241: Kap. V]). Nach Proklos’ Interpretation (Theol. Plat. 1,28,121,8f.) entspricht die Zeit in den Rhapsodien dem Einen innerhalb des neuplatonischen Systems. So setzt er auch das Urei mit dem ‘intelligiblen Sein’ (In Tim. 1,428,4–7) gleich und teilt die Götter in zwei große Gruppen auf: die Götter der Welt der ersten drei Ebenen (der intelligiblen, intelligibel-intellektualen und intellektualen) und die Götter der Welt der folgenden drei Ebenen (der hyperkosmischen, hyperkosmisch-enkosmischen und enkosmischen). Ein Niveau tiefer als die enkosmischen Götter lokalisiert er drei Arten von Seelen: die universellen, die intelligiblen und die partiellen, wobei es sich bei den universellen Seelen um eine Kategorie göttlicher Seelen handelt, die ihre Vergöttlichung der Verbindung mit den himmlischen Göttern verdanken. Auf einer noch tieferen Ebene, in der sinnlich wahrnehmbaren Welt, befinden sich die Körper, die aus den vier Elementen bestehen: Feuer, Luft, Wasser und Erde. Proklos beschreibt eine komplizierte Reihe von Beziehungen zwischen den vier Elementen, den himmlischen Körpern, den Jahreszeiten und den vier Flüssen, die unter der Erde fließen. Auf der tiefsten Ebene befindet sich die Materie, undifferenziertes Substrat der vier Elemente, deren Ursprung das Unbegrenzte ist, das mit dem ebenfalls aus dem Einem entstandenen Chaos in Beziehung gesetzt wird (Prokl. In Tim. 1,265,17–386,8). 4. NACHWIRKUNG
Die Nachwirkung orphischer Ideen in der jüdischen Welt, die bereits früh mit der Imitation eines Hieros Logos im alexandrinischen Milieu beginnt (siehe oben), lässt sich über die durch Platon vermittelten orphischen Einflüsse sowohl in den Spekulationen Philons von Alexandrien als auch später in Kreisen jüdischer Intellektueller des 2. Jahrhunderts n. Chr. erkennen, die offen gegenüber hellenistischen Einflüssen in philosophischen und religiösen Strömungen und nicht zuletzt auch mit dem Gnostizismus vertraut waren (Brécher 1857 [*529]). Weiterent-
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wicklungen der Seelenwanderungslehre finden sich dagegen erst bei den Kabbalisten des 12./13. Jahrhunderts, etwa bei jenen aus Safed, die von einem ‘Zyklus’ (gilgul) der Seelen sprechen (vgl. Bahir 145), oder bei Kabbalisten aus Gerona wie Nahmanides. Dieser deutet den Diskurs Elihus (‹Hiob› 33 und 37) aus kabbalistischer Sicht und behauptet, dass sich in ihm eines der tiefsten Geheimnisse der Tora verberge: die Metempsychose (vgl. Hayoun 1989 [*533]; mehr Materialien und Details in Alba 2011 [*542]). Auch die Frage nach dem Einfluss der Orphik auf das Christentum ist interessant. Die Behandlung dieses Themas war in der Forschung früher geprägt durch extreme Positionen: Die eine (greifbar vor allem in den Arbeiten von Macchioro 1920 [*233]) postulierte die Orphik als ein wichtiges Fundament des paulinischen Christentums, während die andere (vertreten durch Autoren wie Festugière 1972 [*518]) die absolute Unabhängigkeit des Christentums verteidigte. Die Analyse der Anspielungen bei den Apologeten durch Herrero de Jáuregui 2010 [*522] erlaubt eine ausgewogenere Beurteilung der Situation. Es gibt Analogien: etwa die monistische und synkretistische Tendenz der Orphik hin zu einem höchsten Gott, zu einem einzigen kosmischen Prinzip, das geradezu pantheistisch gefasst wird. Doch bei allen Ähnlichkeiten ist diese Tendenz nicht mit dem Monotheismus biblischer Herkunft gleichzusetzen, der einen einzigen Gott mit einer konkreten Offenbarung postuliert. Ähnlich, aber nicht identisch, mit dem christlichen Sündenfall ist die orphische Idee einer ‘vorausgegangenen Schuld’ (Bianchi 1966 [*517]). Der Glaube an die Seelenwanderung findet keinen Platz in der christ lichen Orthodoxie, da sie nicht mit der Auferstehung der Toten vereinbar ist. Doch scheint Origenes ein besonderes Interesse an der Beziehung zwischen Seele und Körper gehabt und versucht zu haben, platonische Theorien mit christlichen Glaubensvorstellungen wie der Auferstehung in Einklang zu bringen. So erwähnt er im Kommentar zum ‹Johannes-Evangelium› 6,85f. die Möglichkeit, dass die Seele ein weiteres Mal in einen Körper eintreten könnte, und schlägt vor, die Frage der «Seelenwanderung» (μετενσωμάτωσις) zu prüfen (vgl. López Salvá, Herrero de Jáuregui 2011 [*524: 400]). Im Islam ist das Interesse an der Seelenwanderungslehre auf einige Sekten beschränkt, die der Schia angehören. Zu diesen sind die heutigen Drusen und Nusairier sowie einige Mu‘taziliten zu zählen. Platonischer Einfluss ist nicht ausgeschlossen, doch noch plausibler erscheint es, dies mit der Nähe zu Indien zu erklären (Abumalham 2011 [*541]). Von besonderer Bedeutung für das Weiterleben orphischer Vorstellungen in späterer Zeit ist die anti-aristotelische Position Marsilio Ficinos (1433–1499), der bei der Erläuterung neuplatonischer Ideen im Anschluss an Iamblichos behauptet, durch Orpheus (im Verbund mit Zoroaster und Hermes Trismegistos) sei eine Art Philosophie entstanden, die über Aglaophamos und Pythagoras als Fundament der platonischen Philosophie gedient habe. Er verteidigt damit die Existenz einer philosophischen Wahrheit, die sich seit den ältesten Epochen auf verschiedene Weisen gezeigt habe und die er «prisca theologia» nennt (McKnight 1997 [*536]). Einen ähnlichen Standpunkt nahm auch Giovanni Pico della Mirandola (1463–1494) ein: In seinen ‹DCCCC Conclusiones siue Theses› (1486; Fornaciari 2003 [*539]) un-
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ternahm er auf der Suche nach einer «concordia universale» so vers